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Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe herausgegeben von H e i k o A. O b e r m a n in Verbindung mit Kaspar Elm, Berndt H a m m , Jürgen Miethke und Heinz Schilling
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Sabine Vogel
Kulturtransfer in der frühen Neuzeit Die Vorworte der Lyoner Drucke des 16. Jahrhunderts
Mohr Siebeck
SABINE VOGEL: Geboren 1963; Studium der Geschichte, Romanistik und Philosophie in Freiburg/Br., Berlin und Lyon; 1996 Promotion; 1997 wiss. Mitarbeiterin des Einstein Forums, Potsdam; seit 1998 wiss. Mitarbeiterin des Deutschen Historischen Museums, Berlin.
Die Deutsche Bibliothek -
ClP-Einheitsaufnahme:
Vogel, Sabine: Kulturtransfer in der frühen Neuzeit: die Vorworte der Lyoner Drucke des 16. Jahrhunderts / Sabine Vogel. - Tübingen: Mohr Siebeck, 1999 (Spätmittelalter und Reformation; N.R., 12) ISBN 3-16-147109-1
978-3-16-158550-0 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
© 1999 J.C. B.Mohr (Paul Siebeck)Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei H. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0937-5740
Vorwort Dieses Buch in seiner vorliegenden Form fertigzustellen, wäre ohne den Rat, die Unterstützung und die Hilfe zahlreicher Lehrer, Kollegen und Freunde kaum möglich gewesen. Ihnen zu danken ist mir eine angenehme Pflicht bei der Veröffentlichung der Studie, die im Wintersemester 1996/97 vom Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin angenommen und für den Druck überarbeitet wurde. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Ilja Mieck und Professor Dr. Etienne François, der das Zweitgutachten übernahm, füir ihre Unterstützung und ihre wohlwollend-kritischen Ratschläge in den verschiedenen Stadien der Arbeit. Professor Dr. Heinz Schilling, Professor Dr. Kaspar Elm und dem Kreis der Herausgeber danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Spätmittelalter und Reformation. Professor Dr. Gérald Chaix schulde ich Dank für seine Hinweise zur Zusammenstellung der Quellenauswahl. Viel verdanke ich Professor Dr. Anthony Grafton, ohne dessen Unterstützung und Ermutigung es mir schwergefallen wäre, mich in der Gedankenwelt der gelehrten Humanisten der Renaissance zurechtzufinden. In der „Gelehrtenrepublik von Wolfenbüttel" erhielt mancher Gedankengang der Arbeit schärfere Konturen. Für ihre Diskussionsbereitschaft danke ich besonders Neil Kenny, Martin Disselkamp, Andreas Würgler, Klaus Vogel und Olga Fejtovà. Daß ich die Dissertation ohne finanzielle Sorgen erarbeiten konnte, verdanke ich Stipendien der Studienstiftung des Deutschen Volkes, des französischen Außenministeriums, der Berliner Kommission zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen, der Dr. Günther FindelStiftung, Wolfenbüttel, und dem Deutschen Historischen Institut, Paris. Für ihre Freundschaft, ihren hilfreichen Beistand und ermunternden Zuspruch danke ich von Herzen Caroline von Bechtolsheim, Veronica Biermann, Gunilla-Friederike Budde, Thorsten Grieser, Thomas Gubig, Ulrike Hermann, Christof Jeggle, Carola Jüllig, Sebastian Kopeke, Dietlind Lerner, Kevin McAleer, Marion Mücke, Gerhard Sälter, Jakob und Brigitte Vogel. Meinem Mann Daniel Haufler danke ich für seine Geduld, seine Hilfe und dafür, daß ich trotz der Arbeit an dem ernsthaften Thema Gelehrsamkeit immer etwas zu lachen hatte.
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Vorwort
Das Vertrauen meines Vaters, daß ich promovieren würde, gab mir die nötige Beharrlichkeit beim Verfassen der Dissertation. Seinem Andenken ist das Buch gewidmet. Berlin, im November 1998
Sabine Vogel
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Abkürzungen
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I. Einleitung
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II. Eruditus: Der gelehrte Leser
21
1. Der humanistische Leser: Selbstverständnis und Tätigkeit Humanistische Philologie
21 28
2. Die notwendigen Leser: Mäzene und Verleger Gemeinsame Interessen von Gelehrten und Mäzenen Widmungsbriefe als Humanistenbriefe Interessengegensätze zwischen Gelehrten und Mäzenen Die Rolle der Verleger
37 37 40 43 47
3. Buchproduktion und Buchhandel in Lyon Die humanistischen Bücher: Aldinen Buchdruck in Lyon Buchhandel in Lyon Protestantische Verlager in Lyon Thematische Schwerpunkte der Lyoner Buchproduktion
52 52 55 58 60 61
III. Humanistische Ideale: Doctrina - Gelehrsamkeit
65
1. Der gelehrte Leser: humanistische Wissenschaften Humanistische Jurisprudenz Corpus Iuris Civilis Corpus Iuris Canonici Edition vorjustinianischer Quellen Monographien und Traktate Textkritik der Theologen
65 66 67 68 70 72 73
2. Der unfreiwillige Leser: Schulbücher Die Entwicklung des kommunalen Schulwesens Textausgaben klassischer Autoren Lehrbücher der lateinischen Sprache
77 77 81 83
VIII
Inhaltsverzeichnis Bildung und Frömmigkeit Schulbücher in Lyoner Verlagen
3. Die Antike als Baukasten,Teil I: Kompendien Historikereditionen Kompilationsliteratur Kompilationen aus einem Fachgebiet Nachschlagewerke in alphabetischer Ordnung Nachschlagewerke mit Ordnungssystem IV. Humanistische Ideale: Virtus - Tugend
86 87 94 95 101 107 109 117 128
1. Der rechtgläubige Leser: religiöse Literatur Nachdrucke mittelalterlicher Ausgaben Religiöse Literatur für Laien Das Lyoner Verlagswesen unter dem Einfluß der Reformation Das Lyoner Verlagswesen in der Gegenreformation
128 130 131 139 150
2. Der rechtskundige Leser: juristische Literatur Bücher in lateinischer Sprache Zitate griechischer Autoren Zitate lateinischer Autoren Bücher in französischer Sprache Leser juristischer Bücher Bücher für Nicht-Juristen
155 158 164 167 172 179 181
V. Humanistische Ideale: Eloquentia - Beredsamkeit
184
1. Die Antik als Baukasten, Teil II: Florilegien Ältere Sentenzensammlungen Bearbeitungen der Illustrium poetarum flores Neu herausgegebene Sentenzensammlungen Leser von Sentenzensammlungen
184 187 192 198 204
2. Der stolze Leser: Übersetzungen Die Hierarchie der Sprachen Die Aufaben des Übersetzers Sprachbarrieren Der Schatz des Wissens
208 210 219 222 228
VI. Bon Esprit: Der gebildete Leser 1. Der unterhaltene Leser: zeitgenössische Belletristik Préface - Prologue - Widmung Humanistische Präsentationsmuster
230 230 232 238
Inhaltsverzeichnis Unterhaltungsbücher Lyrikanthologien Plaisir et profit Leser volkssprachiger belletristischer Texte 2. Der selbstbewußte Leser: französische Sammelwerke Der kritische Leser Bücher für neugierige Leser: Geschichtswerke Bücher für neugierige Leser: Kompendien Der selbstbewußteLeser: bon esprit
IX 242 246 247 249 251 251 254 264 268
VII. Zusammenfassung
270
Quellen- und Literaturverzeichnis
275
Quelleneditionen Verzeichnis der Quellen in numerischer Folge Verzeichnis der Quellen in alphabetischer Folge Literatur Register 1. Personenregister 2. Ortsregister 3. Sachregister
275 275 285 296 313 313 316 317
Abkürzungen ABF ABI Contemporaries
DBA Grente NB G
NDB
Archives Biographiques Françaises, Hg. Helen und Barry Dwyer, München etc. 1990. Archivio Biographico Italiano, Hg. Tommaso Nappo, München etc. 1993. Contemporaries of Erasmus: a biographical register of the Renaissance and Reformation, Hg. Peter G. Bietenholz, 3 Bde., Toronto 1985-1987. Deutsches Biographisches Archiv, Hg. Willi Gorzny, München etc. 1986. Dictionnaire des lettres françaises, Hg. Georges Grente, Le Seizième Siècle, Paris 1951. Nouvelle Biographie Générale depuis les temps les plus reculés jusqu'à nos jours. Hg. Hoefer, 46 Bände, Paris 1857-1866 (ND Kopenhagen 1968). Neue Deutsche Biographie, Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1-, Berlin 1955-.
I. Einleitung Wenn sich Erasmus von Rotterdam (1467-1536) und Michel de Montaigne (1533-1592) hätten treffen können, wären sie sicher schnell ins Gespräch gekommen. Beide teilten die Vorliebe für die studia humanitatis, beide beherrschten die lateinische Sprache fließend, und beide waren herausragende Schriftsteller. Trotzdem wäre es früher oder später vermutlich zu einem Streit zwischen den großen Gelehrten gekommen. Zu verschieden waren die Ansichten beider über die wichtigste Tätigkeit des Gelehrten, das Lesen. Über die Lesestoffe hätten sie sich vielleicht noch einigen können. „Nunc illis propemodum antiquatis omnibus omnium naeniis terimus horas; negliguntur interim honestae disciplinae cum suis auctoribus", gab Erasmus in den Adagia seinem Mißfallen über die Werke der zeitgenössischen Autoren Ausdruck.1 Montaigne pflichtete ihm einerseits in seinem Essai Über Bücher bei: „Ie ne me prens guiere aus nouveaus, pour se que les anciens me semblent plus tendus et plus roides".2 Doch war er andererseits gegenüber der zeitgenössischen Literatur in französischer, italienischer und lateinischer Sprache aufgeschlossen. In seinen Essais bezieht er sich auf Boccaccio, Ariosto, Castiglione, Marguerite de Navarre, Rabelais, Marot, Du Beilay, Ronsard und auf neulateinische Dichter wie Buchanan, Beze und Muret.3
1
Wir vergeuden unsere Zeit mit Schund jeder Art und Provenienz, dabei werden Kunst und Wissenschaft mit ihren großen Vertretern vernachlässigt. Erasmus von Rotterdam, Adagiorum Chiliades (Adagia Selecta). Mehrere tausend Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten (Auswahl). Dialogus cui Titulus Ciceronianus sive de optimo dicendi genere. Der Ciceronianer oder der beste Stil. Ein Dialog), übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Theresia Payr, Darmstadt 1972. (Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, Bd.7) (II 1,1), S. 495. Diese Passage des Adagiums Festina lente verfaßte Erasmus 1526. Die Adagia-Ausgabe der Stichprobe (Nr.32) enthält sie daher noch nicht. Soweit vorhanden wird auf moderne Editionen und Übersetzungen der Quellen zurückgegriffen, die allerdings nur in wenigen Fällen vorliegen. Für Hilfe bei der Übersetzung der lateinischen Texte danke ich Friederike Neumeyer und Regina Rieck. 2 Ich greife kaum zu zeitgenössischen Werken, da die alten mir mehr Kraft und Fülle zu haben scheinen. Französische Ausgabe: Michel de Montaigne, Essais, Bordeaux 1580 (Reprint Genf 1976), Bd.2, S. 99; Michel de Montaigne, Essais, Erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stillet, Frankfurt/Main 1998, S. 202. 3 Montaigne, Essais, ebd., frz. S. 96, dt. S. 202. Vgl. Terence Cave, Problems of reading in the Essais, in: Montaigne. Essays in memory of Richard Sayce, Hg. I.D. McFarlane, Ian Maclean, Oxford 1982, S. 133-166, hier S. 135.
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Einleitung
Vor allem über das Ziel und die Art der Lektüre waren Erasmus und Montaigne unterschiedlicher Ansicht. „Wer sich also vorgenommen hat, die Autoren aller Gattungen zu lesen (und jeder, der zu den Gelehrten gezählt werden will, muß dies mindestens einmal in seinem Leben machen), muß sich zunächst eine vollständige Themenliste anlegen", betonte Erasmus in seinem Buch De duplici copia verborum, das 1512 zum ersten Mal erschien.4 Er stellte hohe Anforderungen an Gelehrte und sah es als ihre Pflicht, die antiken Autoren gründlich und vollständig gelesen zu haben. Montaigne hingegen vertrat in der Frage, wie und warum Bücher gelesen werden sollten, eine andere Ansicht als sein gelehrter Ahnherr: „Gewiß wünsche ich mir, eine gründlichere Kenntnis der Dinge zu besitzen, aber nicht um den hohen Preis, den ihr Erwerb kostet. ... In den Büchern suche ich bloß das Vergnügen eines honorigen Zeitvertreibs" 5 , ironisierte er Erasmus' Gelehrtenideal und fuhr fort: „Wer auf gelehrtes Wissen aus ist, möge da angeln, wo es sich findet - es gibt nichts, was ich weniger wollte." 6 Erasmus von Rotterdam und Michel de Montaigne sind, jeder auf seine Art, typische gelehrte Autoren und Leser ihrer Zeit. Erasmus am Anfang des 16. Jahrhunderts, Montaigne an dessen Ende. Erasmus stammte aus bescheidenen Verhältnissen und erwarb, wie viele humanistische Gelehrte, seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer und durch Zuwendungen von Mäzenen. Alle seine Texte verfaßte er in der Sprache seiner antiken Vorbilder: Latein. Montaigne hingegen war ein adliger Jurist, der seine Arbeit am Gericht von Bordeaux im Alter von 38 Jahren niederlegte, um sich ganz der Lektüre und dem Schreiben - in französischer Sprache - zu widmen. Er zog sich auf sein Schloß zurück und lebte von seinem Vermögen. Erasmus und Montaigne verkörpern wichtige Positionen zu Beginn und gegen Ende einer Entwicklung, die beide nicht betrieben, ja, die Erasmus am liebsten verhindert hätte: den Wandel der kulturellen Praxis Lesen, die Entwicklung vom gelehrten, pflichtbewußten zum gebildeten, selbstbewußten Leser. Erasmus und Montaigne stehen in dieser Gegenüberstellung exemplarisch für zwei verschiedene Arten des Umgangs mit dem antiken Erbe, die zwar aufeinander folgten, sich jedoch nicht ablösten. Gelehrte, die Erasmus' wissenschaftliche Tradition fortführten, gab es auch zu Zeiten Montaignes. Deren Art des Umgangs mit dem überlie4 Ergo qui destinavit per omne genus autorum lectione grassari (nam id omnino semel in vita feciendum ei, qui velit inter eruditos haberi) prius sibi quam plurimos comparabit locos. Erasmus, Opera omnia, Hg. B.I.Knott, VI-1, Amsterdam u.a. 1988, S. 258. 5 le souhaiterois bien avoir plus parfaite intelligence des choses, mais ie ne la veus pas acheter si cher qu'elle couste. ... le ne cherche aux livres qu'a m'y donner du plaisir par un honneste amusement. Montaigne, Essais, ebd., frz. S. 96; dt. S. 201. Vgl. auch Logan, George M., The relation of Montaigne to Renaissance Humanism, in: Journal of the History of Ideas, 36(1975), S. 6 1 3 - 3 2 . 6 Qui sera en cerche de science, si la cerche ou elle se loge. Il n'est rien dequoy ie face moins de profession. Montaigne, ebd., frz. S. 96, dt. S. 201.
Einleitung
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ferten Wissen, die humanistische Wissenschaft, ist gut erforscht.7 Wenig beachtet wurde bisher die Rezeptionsweise, für die Montaigne hier steht. Er verfuhr mit dem überlieferten Wissen in einer Weise, die man nicht als wissenschaftlich bezeichnen kann, da er assoziativ vorging und keinen Wert auf die Vollständigkeit seiner Quellenbasis legte. Einer der Gründe für die Vernachlässigving dieses außerwissenschaftlichen Umgangs mit der Antike könnte sein, daß sich die heutigen Gelehrten in einer Traditionslinie mit ihren humanistischen Vorfahren sehen. Sie untersuchen die Rezeption der antiken Kultur mit den Kriterien, die seinerzeit die Humanisten selbst geprägt haben. Die Geistes- und Wissenschaftsgeschichte, oder allgemeiner die Intellectual History, behandelt so überwiegend Gelehrte der Renaissance, die sich selbst als Wissenschaftler oder Philosophen betrachteten. Die meisten Gelehrten des 15. und frühen 16. Jahrhunderts waren überzeugt, daß erst die Beschäftigung mit den studio humanitatis den wahren Menschen hervorbringen konnte. Nur er war fähig zur humanitas zu gelangen, in der sich virtus, doctrina und eloquentia (Tugend, Gelehrsamkeit und Beredsamkeit) verbanden. Je einer dieser drei Pfeiler des humanistischen Selbstverständnisses bildete den Ausgangspunkt für die unterschiedlichen Ausprägungen des italienischen und deutschen Humanismus. Deutlich wird diese Unterscheidung auch an den verschiedenen Richtungen der Humanismusforschung: Nach Ansicht von Paul Oskar Kristeller zeichnete sich der Humanismus aus durch die Beschäftigung mit der schriftlichen Tradition der antiken Welt, den litterae, und war demnach als eine vornehmlich literarische Bewegung zu verstehen.8 Eugenio Garin hingegen sah den Menschen als tugendsam handelndes Wesen im Mittelpunkt der Bewegung. Die Lektüre sei kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung für das moralische Handeln. Das eigentlich Humanistische machte er daher in der Verwirklichung einer praktischen Philosophie aus.9 Hans Baron führte Garins Interpretation fort und sah das Charakteristikum des Humanisten in dessen öf7 Stellvertretend für die unüberschaubare Fülle von Publikationen seien hier genannt: Buck, August, Humanismus. Seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen, Freiburg/München 1987, mit Literaturhinweisen, (zit. Buck, Humanismus); Rice, Eugene F. jr., Anthony Grafton, The Foundations of Early Modern Europe, 1460-1559, London/New York 2 1994; Böhme, Günther, Bildungsgeschichte des europäischen Humanismus, Darmstadt 1986; Kelly-Gadol, Joan, Die Einheit der Renaissance: Humanismus, Naturwissenschaft und Kunst, in: Zu Begriff und Problem der Renaissance, Hg. August Buck, Darmstadt 1969, S. 395^*26; Kessler, Eckhart, Das Problem des frühen Humanismus. Seine philosophische Bedeutung bei Coluccio Salutati, München 1968. 8 Vgl. Kristeller, Paul Oskar, Renaissance Thought and its Sources, New York 1979, S. 22f. 9 Vgl. Garin, Eugenio, Der italienische Humanismus, Bern 1947, S. 19; ders., Der Begriff der Geschichte in der Philosophie der Renaissance, in: Zu Begriff und Problem der Renaissance, Hg. August Buck, S. 2 4 5 - 2 6 2 , hier S. 255.
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Einleitung
fentlichem Handeln. Als civic humanism bezeichnete er die Bewegung der Florentiner Humanisten, die die vita activa politica in Auseinandersetzung mit den antiken Autoren argumentativ begründeten.10 Diese drei Interpretationen, die doctrina und virtus die prägende Kraft zuweisen, wurden anhand des italienischen Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts entwickelt. In der Erforschung des nordalpinen, insbesondere des deutschen Humanismus wird der Einfluß von Erasmus als maßgeblich betrachtet. Er sei zwar wie die italienischen Humanisten der Überzeugung gewesen, daß Bildung der Ursprung jeder guten und tugendsamen Handlung sei, aber im Gegensatz zu den Italienern habe er eine konkrete Vorstellung gehabt, wie die Bildung erworben werden sollte: Erasmus sah die Sprachkompetenz als Schlüssel zur humanistischen Trias von doctrina, virtus und eloquentia und glaubte an die erzieherische Wirkung der hochgeformten Rede, in der sich die antike Lebensweisheit manifestierte.11 Daher stellte er die eloquentia in den Vordergrund. Die deutsche Forschung, die sich besonders Erasmus und den deutschen Humanisten wie Melanchthon und Agricola widmet, bewertet den Humanismus deshalb vor allem als pädagogische Bewegung, in deren Zentrum die Vermittlung der Sprachkompetenz stand.12 Der französische Humanismus wird in den allgemeinen Darstellungen der Geistesgeschichte der Renaissance nur am Rande erwähnt, zumal die humanistische Bewegung in Frankreich erst vergleichsweise spät, nach dem Italienfeldzug 1494, in nennenswertem Umfang rezipiert worden ist. Bildung, Tugend und Eloquenz haben in Frankreich als humanistische Trias nie den Rang eingenommen, den sie in Italien oder Nordeuropa innehatten. Zwar hat es herausragende Gelehrte gegeben wie die Philologen Budé und Scaliger13, die Juristen Cujas und Du Moulin14 oder den Logiker Pierre de la Ramée15, 10 Vgl. Baron, Hans, The Florentine Revival of the Active Political Life, in: In Search of Florentine Civic Humanism. Essays on the Transition from Medieval to Modern Thought, Princeton, N.J., 1988, S. 1 4 3 - 1 5 7 , hier S. 145. 11 Vgl. Landfester, Rüdiger, Historia Magistra Vitae. Untersuchungen zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16. Jahrhunderts, Genf 1972, S. 28; Jardine, Lisa, Erasmus, Man o f Letters. The Construction of Charisma in Print, Princeton, N.J., 1993, S. 4. 12 Vgl. Rädle, Fidel, Erasmus als Lehrer, in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik - Bildung - Naturkunde - Theologie, Hg. H. Boockmann u.a., Göttingen 1989, S. 2 1 4 - 2 3 2 , hier S. 215. 13 Vgl. Grafton, Anthony, Joseph Scaliger. A Study in the History of Classical Scholarship, Bd. 1, Oxford 1983. 14 Troje, Hans Erich, D i e Literatur des gemeinen Rechts unter dem Einfluß des Humanismus, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Hg. Helmut Coing, Bd. 2/1, München 1977, S. 6 1 5 - 7 9 6 , hier S. 6 3 3 - 6 4 2 . 15 Vgl. Ong, Walter J., Introduction, in: Petrus Ramus, Scholae in liberales artes, Hildesheim, N e w York 1980, S. III-XVI.
Einleitung
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doch das Ideal der Humanisten, in dem sich virtus, doctrina und eloquentia verband, hat in Frankreich keine Propagandisten gefunden. „Als Frankreich den goldenen Apfel vom Baum der italienischen Renaissance pflückte, war der Wurm schon hineingekrochen und fraß ihn von innen her auf', charakterisiert Philippe Desan die französische Entwicklung.16 Aus einer Perspektive allerdings, die den italienischen oder deutschen Humanismus als das Ziel einer Entwicklung versteht, deren Ursprung und Blüte von Interesse ist, kann die französische Rezeption und Weiterentwicklung nur als Niedergang verstanden werden. Derartige Thesen zum Verfall des Humanismus basieren auf einer teleologischen Sichtweise und werden der Entwicklung nur teilweise gerecht. Auch wenn das humanistische Ideal nicht in seiner Komplexität rezipiert wurde, hinterließ der Humanismus in Frankreich deutliche Spuren. So wandte sich bereits am Anfang des 16. Jahrhunderts die Artesfakultät der Pariser Universität den studia humanitatis zu. Studenten und Absolventen unterrichteten als Hauslehrer Bürgersöhne, und ab den 1530er Jahren wurden in allen Regionen Frankreichs kommunale Schulen eingerichtet, auf deren Lehrplan ebenfalls die Autoren der römischen Antike standen. Grundkenntnisse der studia humanitatis waren so einem ständig wachsenden Kreis von Schulabsolventen bekannt. Diese allerdings wurden in fast allen Fällen Beamte und nicht Gelehrte, so daß in Frankreich keine der deutschen Entwicklung vergleichbare Gelehrtenschicht entstand, die die humanistischen Wissenschaften weiterentwickelt hätte.17 Vielmehr entstand aus der Verbindung von Humanismus, Aufstieg des Beamtentums und aufkeimendem Nationalbewußtsein ein eigenes, spezifisch französisches Ideal von Bildung und Gelehrsamkeit. Die Genese dieses Ideals nachzuzeichnen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Methodisch fußt die Studie auf dem Konzept der Transmission of Culture.n Dieser Ansatz zum Kulturtransfer geht davon aus, daß sich die Überlieferung von Kultur nicht als geradliniger, zielgerichteter Prozeß beschreiben läßt. Vielmehr macht er die Veränderungen, die kulturelle Güter bei ihrer 16
Vgl. Desan, Philippe, The Worm in the Apple: The Crisis of Humanism, in: Humanism in Crisis. The Decline of the French Renaissance, Hg. Philippe Desan, S. 11-34, hier S. 13; vgl. auch Burckhardt, Jacob, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Stuttgart 1 1 1988, S. 194-202; Mieck, Ilja, Die Entstehung des modernen Frankreich, 1450-1610. Strukturen, Institutionen, Entwicklungen, Stuttgart 1982, S.228f, der die Diversität der „kleinen Welt" des französischen Humanismus betonte. 17
Vgl. zur deutschen Entwicklung: Kühlmann, Wilhelm, Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters, Tübingen 1982. 18 Dieser Ansatz der Intellectual History wird vorgestellt von Grafton, Anthony, Introduction: Notes from Underground on Cultural Transmission, in: The Transmission of Culture in Early Modern Europe, Hg. Anthony Grafton, Ann Blair, Philadelphia, Penn., 1990, S. 2 - 1 1 .
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Einleitung
Weitergabe erfahren, zum Ausgangspunkt der Überlegungen. Diese werden nicht als Spuren des Verfalls gedeutet, sondern als bewußter Ausdruck einer veränderten Bedeutung, die dem Überlieferten beigemessen wird. Bisher wurde das Konzept vorwiegend auf die Rezeption einzelner Texte durch einzelne Leser angewendet, indem etwa Annotationen als Quelle für den Bildungsgrad eines Lesers interpretiert wurden.19 Die vorliegende Arbeit greift diesen Blickwinkel auf und ergänzt ihn um einen nahe verwandten methodischen Ansatz: die historische Anthropologie, die soziales Handeln im gesellschaftlichen Kontext analysiert.20 Diese beiden Ansätze treffen in dem Punkt zusammen, der für die vorliegende Arbeit zentral ist: Sie verstehen die Bedeutung, die innerhalb einer Gesellschaft einer Handlung oder einem Text beigemessen wird, als prozeßhaft und sozial vermittelt.21 Um jedoch mit diesen Ansätzen den Wandel vom gelehrten zum gebildeten Leser zu untersuchen, mußten sie verknüpft und erweitert werden. Das Konzept der Transmission of Culture geht davon aus, daß sich Veränderungen einzelner Texte als Indikatoren eines Bedeutungswandels verstehen lassen. Diese Grundannahme des Kulturtransfers läßt sich ausweiten auf eine Gruppe von Texten, die Zeugnis vom Wandel der Humanismusrezeption ablegt: die hier zu Grunde gelegte 340 Bücher umfassende Stichprobe. Die historische Anthropologie wiederum befaßte sich bislang mit nicht-schriftlichen Formen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Sie wird jedoch in dieser Studie auch auf Texte angewandt.22 Dabei wird unter „Text" nicht eine sichtbare Tätigkeit oder ein konkreter Text verstanden, sondern der Umgang mit dem antiken Erbe insgesamt als soziales Handeln interpretiert, dessen Bedeutung in seinem kulturellen Kontext entsteht. Der Kulturtransfer in der frühen Neuzeit am Beispiel der Rezeption des Humanismus in Frankreich im 16. Jahrhundert wird so als eine Handlung interpretiert, die sich in den untersuchten Texten ausdrückt. Die Agenten dieses Prozesses waren im wesentlichen diejenigen, welche sich in Buchform äußerten, also einerseits die Autoren, worunter im folgenden alle Verfasser von Texten verstanden werden23, andererseits die Verleger, die jene Kultur vermittelten, indem sie Texte publizierten. Diese beiden Gruppen hatten eines gemeinsam mit ihrem Publikum: Alle waren Leser, denn jedem 19 Vgl. etwa Grafton, Anthony, Lisa Jardine, "Studied for action": How Gabriel Harvey read his Livy, in: Past and Present 129(1990), S. 3 0 - 7 8 . 20 Vgl. etwa Davis, Natalie Zemon, Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt. Gesellschaft und Kultur im frühneuzeitlichen Frankreich, Frankfurt/Main 1987. 21 Vgl. dazu zusammenfassend: Burke, Peter, Introduction, in: ders. (Hg.), New Perspectives on Historical Writing, Cambridge 1992, S. 1-20, hier S. 3f. 22 Da historische Handlungen stets in Textform überliefert werden, ist eine Beziehung zwischen den beiden Ansätzen ohnehin gegeben. 23 Vgl. T. Seng, Autor, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Hg. Gert Ueding, Band 1, Tübingen 1992, Sp. 1276-1280.
Einleitung
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Verfassen und Verlegen von Texten, jedem Umgang mit dem in Texten transportierten Wissen geht die Lektüre voraus. Der Bezugspunkt der vorliegenden Untersuchung sind daher Leser, wobei die aktiv am Prozeß des Kulturtransfers beteiligten Autoren und Verleger aufgrund der Quellenbasis und der Fragestellung der Arbeit im Vordergrund stehen. Die „reinen" Leser erscheinen im wesentlichen als idealisierte Projektion von Autoren und Verlegern. Gleichzeitig waren diese Leser allerdings auch „reale" Kunden der Buchproduzenten. Schon aus ökonomischen Gründen mußten die Verleger daran interessiert sein, die Moden und Vorlieben des Buchmarktes zu kennen und ihnen zu entsprechen. Um den Prozeß des Kulturtransfers sichtbar zu machen, ist es nötig, die Untersuchung über die zahlreichen von den Humanisten selbst hinterlassenen schriftlichen Zeugnisse in ihren Editionen, Monographien und Briefen hinaus zu erweitern.24 Die veränderte Bedeutung des überlieferten Wissens offenbart sich nämlich weniger in den Aussagen herausragender Gelehrter als vielmehr in der Buchproduktion des 16. Jahrhunderts insgesamt: Der Anteil der antiken Schriften ging kontinuierlich zurück, während die Werke zeitgenössischer Autoren zunahmen. Schon seit Mitte des Jahrhunderts erschienen zudem mehr volkssprachige als lateinische Publikationen.25 Doch muß man unterscheiden zwischen Büchern zu den studio humanitaüs selbst und denen, die etwa von Medizin oder Jura, Religion oder Geschichte handelten. Spuren der prägenden Wissenschaft der Zeit, des Humanismus, lassen sich in fast allen Büchern finden. Der Stellenwert und die Verbreitung des gelehrten Gedankengutes werden allerdings erst deutlich, wenn man die im engeren Sinne „gelehrten" Bücher mit solchen vergleicht, die sich an einen Leserkreis außerhalb der professionellen humanistischen Wissenschaftler richteten. Um nun den Wandel von Bildung und Gelehrsamkeit zu beschreiben, sind besonders Widmungen oder Vorworte geeignet, weil sich hier Autoren und Verleger an ihre Leser wandten, um ihre Tätigkeit zu erläutern.26 Die Bedeutung dieses Textes auf den ersten Seiten eines Buches war den Autoren bewußt. „Damit es [das Buch] nicht gestaltlos und gleichsam kopflos ans Licht kommt", verfaßte François Rabelais seine Vorreden.27 Der Widmungs24 Leider waren die weniger gelehrten Leser auch weniger mitteilsam. Nur selten ist es möglich, auf ihre eigenen Aussagen zum Umgang mit Büchern zurückzugreifen; vgl. Ginzburg, Carlo, Der Käse und die Würmer: Die Welt eines Müllers um 1600, Frankfurt a. M. 1979. 25 Vgl. Martin, Henri-Jean, Classements et conjonctures, in: Histoire de l'Edition Française, S. 4 2 9 - 4 6 2 , hier S. 4 4 4 - 4 4 6 . 26 „Vorrede" wird im folgenden als Oberbegriff für alle Texte auf den ersten Seiten eines Buches verwendet. „Widmungen" sind Vorreden, die sich an einen namentlich genannten Adressaten wenden und stellen damit eine Untergruppe der Vorreden dar. 27 Ne igitur in lucem sie ut erat deformis et veluti akephalo prodiret ... Widmung von François Rabelais an Jean Du Beilay in der Topographia antiquae Romae von Giovanni Bartolomeo Marliani, Lyon (Gryphe) 1534, fol *4re. (HAB: Gh 34).
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Einleitung
brief entwickelte sich im 16. Jahrhundert von der persönlichen Widmung des Kopisten einer Handschrift an deren zukünftigen Besitzer zur formalisierten Widmung an einen Mäzen, wie man sie in den Büchern des 17. Jahrhunderts findet.28 Während dieser Entwicklung galten knapp 100 Jahre keine strengen Konventionen für das Verfassen von Widmungstexten. Es stand dem Verfasser frei, sich an die bestehenden Regeln etwa der mittelalterlichen artes dictaminis zu halten oder neue Traditionen zu begründen. Vorreden des 16. Jahrhunderts haben die Form, die ihnen der jeweilige „Vorredner" geben wollte. Widmungen an einen bestimmten Adressaten unterscheiden sich dabei von Vorreden an alle Leser formal und inhaltlich weniger, als man denken könnte. Prägender für Form und Inhalt der Widmung war deren exponierter Platz in den Büchern: auf den ersten Seiten direkt nach der Titelseite. Hier trat der Vorredenautor vor sein Publikum, die Leser. Der Autor machte in der Widmung oder Vorrede seinen zeitgenössischen und heutigen Lesern deutlich, daß er sich seiner Position an der Schnittstelle von überliefertem Wissen und dessen Rezeption bewußt war. Autoren und Verleger präsentierten sich in ihren Vorreden als diejenigen, die das kulturelle Erbe treuhänderisch verwalteten. Entsprechend war das Thema einer solchen Vorrede häufig die Lektüre, sei es die vorangegangene eigene oder die Art der Lektüre, die sich der Verfasser des Briefes von den Lesern des Buches erhoffte. Neben den explizit formulierten Ansprüchen, die der Vorredenautor an seine Leser stellte, enthalten die Texte implizite Annahmen über den idealen Leser, seine Fähigkeiten und Interessen.29 Der Wandel dieses Bildes des idealen Lesers, das die Vorwortautoren der gelehrten wie der nicht-gelehrten Bücher formulierten, eignet sich besonders gut, den Umgang mit überliefertem Wissen im 16. Jahrhundert nachzuzeichnen.30 Denn nicht nur berühmte Gelehrte verfaßten Vorreden, auch Autoren von lokaler Bedeutung meldeten sich zu Wort, so daß sich in den Vorreden ein vielstimmiges Gespräch über den Umgang mit tradiertem Wissen abbildet. Der Einfluß der Verleger auf den Vermittlungsprozeß des überlieferten Wissens bestand nicht nur in der Auswahl der Texte. Durch das Format und die Schrift eines Buches, durch die Gestaltung der Titelseite und das Anlegen von Indices schnitten sie ihre Publikation auf die Interessen einer speziellen Lesergruppe zu. Diese Aspekte der bibliographie matérielle werden daher ebenfalls berücksichtigt.
28 Vgl. Müller, Jan-Dirk, Ich Vngenannt und die Leut; Leiner, Wolfgang, Der Widmungsbrief in der französischen Literatur: 1580-1715, Heidelberg 1965. 29 Vgl. Maclean, Ian, The market for scholarly books and conceptions of genre in Northern Europe, 1570-1630, in: Die Renaissance im Blick der Nationen Europas, Hg. Georg Kauffmann, Wiesbaden 1991, S. 17-32. 30 Dieses Bild des idealen Lesers ist oft auch als Selbstportrait des Autors zu verstehen.
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Etwa 25.000 Titel erschienen in Frankreich im 16. Jahrhundert, die meisten von ihnen mit Vorrede. Auch wenn viele der Bücher Nachdrucke enthalten, ist es unmöglich, sie insgesamt zu untersuchen. Daher mußten Kriterien gefunden werden, nach denen eine Stichprobe in handhabbarer Größe zusammengestellt werden konnte. Eine Beschränkung auf einzelne Themen schied dabei aus, damit die außerwissenschaftliche Rezeption des Humanismus in möglichst großer Breite erfaßt werden konnte. Gleichzeitig sollte die Auswahl wiederum einen inneren Zusammenhang aufweisen. So fiel die Wahl auf die Kombination eines geographischen und eines Zufallskriteriums: die Quellenauswahl ist eine Stichprobe aus der Bibliothèque Municipale de Lyon. Jeder Verlagsort hatte ein eigenes „literarisches Klima", das sowohl von den lokalen Autoren und Herausgebern geprägt wurde, die eng mit den Verlegern zusammenarbeiteten, als auch durch die Beziehungen zu den Verlagsorten, aus denen die Erstdrucke für die Nachauflagen bezogen wurden. Die Lyoner Verleger druckten viele Titel nach. Etwa drei Viertel der in Lyon im 16. Jahrhundert publizierten Titel waren zuvor anderenorts verlegt worden. Die Erstdrucke der Titel in lateinischer Sprache stammten meist aus Venedig, Rom, Genf, Basel und Paris. Fast nie jedoch legten die Lyoner Verleger Bücher aus Straßburg, Nürnberg oder Frankfurt neu auf.31 Die Autoren der meisten Werke, die in Lyon als Originalausgabe erschienen, lebten in der Stadt oder in der näheren Umgebung. Obwohl die res publica literarum theoretisch alle Gelehrten umfaßte, entwickelten sich doch im Laufe des 16. Jahrhunderts regionale Netze, die weitgehend unabhängig voneinander waren. Eine Auswahl von Texten aus verschiedenen Verlagsorten zusammenzustellen, würde bedeuten, verschiedene lokale Diskurse zu vermischen. Die Eigenheiten eines Gesprächszusammenhangs ließen sich so nicht erkennen. Um eines der regionalen Netze aus Verlegern und Autoren darstellen zu können, fiel die Wahl auf einen Verlagsort: Lyon. Der zweitgrößte Druckort Frankreichs war im 16. Jahrhundert zugleich dessen Handels- und Finanzhauptstadt. Lyon pflegte intensive Beziehungen zu Italien und war der fuhrende europäische Verlagsort fur juristische Drucke. Viele Übersetzungen medizinischer Texte in die französische Sprache erschienen in Lyon als Erstdruck. Reformatorische Texte konnten in Lyon leichter erscheinen als in Paris, wo das Parlament und die Universität religiöse Publikationen kontrollierten. Auch zeitgenössische französische und italienische Autoren fanden in Lyon Verleger, die ihre Werke publizierten. Die Stichprobe, die der Untersuchung zugrunde liegt, umfaßt 340 Titel. Sie enthält aus acht Stichjahren im 20-Jahre-Turnus (1519/20, 1539/40, 1559/60 und 1579/80) alle Bücher, die in Lyon gedruckt wurden und heute in der Lyoner Stadtbibliothek (Bibliothèque municipale de Lyon) vorhanden sind. Die 31
Die Pariser Drucker hingegen stellten oft Nachauflagen von Ausgaben aus Straßburg, Frankfurt und Antwerpen her.
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Stichprobe macht etwa ein Drittel der Lyoner Gesamtproduktion der betreffenden Jahre aus.32 Der Turnus wurde gewählt, um Entwicklungen deutlich erkennen zu können und eine genügend große Häufung von Titeln der gleichen Produktionsjahrgänge zu erhalten.33 Für die Wahl dieser Stichjahre sprach, daß sie die Blütezeit des Lyoner Buchdrucks in der Mitte des 16. Jahrhunderts umfassen. Zwischen etwa 1540 und 1562 erschienen in Lyon über 1.500 Titel jährlich, um 1560 erreichte die Produktion mit knapp 2.000 Titeln pro Jahr ihr Maximum.34 Die Untersuchung wurde erweitert um jeweils eine Stichprobe zwanzig Jahre vor und zwanzig Jahre nach diesem Kernbereich, damit sich der veränderte Umgang mit dem antiken Erbe präziser darstellen ließ. Zudem liegt das letzte Stichdatum lange genug nach dem Abschluß des Trienter Konzils, um dessen Auswirkungen auf den Buchmarkt feststellen zu können. Der Beginn des Untersuchungszeitraumes mit dem Stichjahr 1519 ist dennoch eher formal, denn nur etwa ein Viertel aller Bücher, die in Lyon im 16. Jahrhundert gedruckt wurden, waren Erstdrucke. Drei Viertel der Werke war an anderen Verlagsorten oder bei einem anderen Verleger bereits erschienen. So sind 34 der 42 Titel aus der Stichprobe der Jahre 1519/20 schon vorher in mindestens einer Ausgabe auf dem Markt gewesen. Verleger des 16. Jahrhunderts druckten meistens Bücher vollständig nach, also einschließlich der Widmungen und Vorreden. Oft waren die einleitenden Texte daher lange Zeit vor dem Produktionsdatum des Buches verfaßt worden.35 Die ältesten Vorreden meiner Auswahl stammen aus den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu den heutigen Nachauflagen wurde das erste Erscheinungsdatum in den Büchern nicht genannt, so daß man anhand eines einzelnen gedruckten Exemplares nicht erkennen konnte, ob es sich um eine Erstausgabe oder um einen Nachdruck handelte. Die Beschränkung der Quellenauswahl auf bestimmte Produktionsjahre hat daher keineswegs zur Folge, daß nur Widmungen und Vorreden enthalten sind, die in den Stichjahren verfaßt wurden. Fast aus jedem Jahr seit 1490 ist in der Auswahl eine Vorrede enthalten. Das Ende des Untersuchungszeitraumes mit dem Jahr 1580 bietet sich aus verschiedenen Gründen an. Zum einen wurde der Lyoner Buchdruck durch die Religionskriege sehr in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Produktionsspitzenjahr 1560 ist ein dramatischer Abschwung zu verzeichnen, von dem sich 32
Vgl. Billon, Popoff, Kurve 6. Vgl. zu den Kriterien der Auswahl auch: Etienne François, Buch, Konfession und Gesellschaft im 18. Jahrhundert, in: Mentalitäten und Lebensverhältnisse. Beispiele aus der Sozialgeschichte der Neuzeit. (FS Vierhaus), Göttingen 1982, S. 34-54. 34 Billon, H., F. Chevallier, M. Popoff, L'édition lyonnaise au XVIe siècle de la scolastique à la Réforme: approche bibliométrique, Villeurbanne (ENSB) 1975, Diagramm B. 35 Um das Alter der Texte zu verschleiern, druckten die Verleger die Datierung des Widmungstextes meistens nicht ab. 33
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das Buchgewerbe nicht mehr erholte. Zudem veränderte sich die Verlagsstruktur Lyons. Der Weggang vieler protestantischer Verleger nach Genf in den 60er Jahren führte zu einer Konzentration auf wenige Großverlage. Hinzu kam ein verstärktes Durchgreifen der Zensur.36 Sowohl in der handwerklichen Qualität der Bücher als auch in der thematischen Zusammensetzung der Produktion zeigte sich das Ende einer Epoche des französischen Buchdrucks. Die Repräsentativität der Stichprobe läßt sich kaum prüfen, da es keine vergleichbare Untersuchung gibt, die das gesamte Spektrum der Buchproduktion berücksichtigt. Ein Argument für die Repräsentativität der Stichprobe ist der hohe Anteil der Nachdrucke an der Lyoner Produktion. Man kann dadurch mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß von weit verbreiteten Titeln ein Exemplar in der Stichprobe vertreten ist. Ein weiteres Argument bezieht sich weniger auf die Repräsentanz von bestimmten Titeln, als vielmehr auf die Repräsentanz von Inhalten: Vorreden waren selten der Ort für die Mitteilung von etwas grundsätzlich Neuem. Vielmehr handelte es sich um Beiträge zu einem Diskurs, der sich langsam entwickelte und gelegentlich um einige Facetten bereichert wurde. Auch wenn die imaginäre Bibliothek der Stichprobe nur einen Ausschnitt dieses Diskurses enthält, so ist sie doch groß genug, um einen Einblick in dessen Verlauf zu geben. Nach statistischen Kriterien dürfte die Stichprobe in Bezug auf ihre thematische Zusammensetzung ein recht getreuer Spiegel der Lyoner Produktion sein. 19,3% der Bücher enthalten Texte antiker Autoren (67 Titel). Die Texte zeitgenössischer Autoren, die sich mit der antiken Überlieferung befassen, sei es in Form von Sprachlehrbüchern oder Florilegien, Enzyklopädien oder neulateinischer Dichtung, machen zusammen 27,6% der Titel (94 Exemplare) aus. 20% (68 Titel) der Bücher enthalten religiöse Texte, bei 18,8% (64 Titel) liegt der Anteil der juristischen Schriften. 8,2% (28 Titel) befassen sich mit Naturwissenschaften. Die volkssprachige schöne Literatur bildet fast das Schlußlicht: 7,6% (26) der Titel in der Stichprobe sind von zeitgenössischen literarischen Autoren in Volkssprachen verfaßt worden. Noch weniger Bücher gibt es nur über zeitgenössische Geschichte: 2,1% der Bücher enthalten Texte zur jüngsten Vergangenheit Frankreichs. Die einzige Vergleichsstatistik erstellte Henri-Jean Martin auf der Basis des Short-Title Catalogue des British Museum für die französische Gesamtproduktion.37 In den Themenbereichen Religion, Klassikereditionen, 36
Vgl. Doucet, Roger, Lyon au XVIe siècle, in: Histoire de Lyon, Hg. Arthur Kleinclausz, B d . l , Buch 5, Lyon 1939, N D Marseille 1978, S. 3 5 7 - 5 4 9 , hier S. 417^122; Higman, Francis, Le levain de l'évangile, in: Histoire de l'Edition Française, S. 3 0 5 327, hier S. 320. 37 Short-title catalogue of books printed in France and French books printed in other countries from 1470 to 1600 and now in the British Museum, London 1966. Statistik in: Martin, classements, S. 4 4 5 - 4 4 7 . Anhand von Bibliotheksinventaren läßt sich die Repräsentativität der Auswahl fur einzelne Bereiche überprüfen. Dies wird an den jeweiligen Stellen im Text eingefügt.
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Werke humanistischer Autoren und Belletristik entspricht die Stichprobe weitgehend seinen Ergebnissen. In zwei Punkten weicht sie ab: bei juristischen und sogenannten Gelegenheitsschriften. Im Verhältnis zu Martins Statistik ist in Lyon der Anteil der juristischen Titel deutlich höher. Im gesamtfranzösischen Durchschnitt machen die Bücher zu diesem Themenbereich nur etwa 5% aus. Lyons Stellung als einer der wichtigsten Verlagsorte Europas fur juristische Bücher zeigt sich an dem Anteil von knapp 20% der Lyoner Produktion. Im Gegensatz dazu sind Gelegenheitsschriften und Pamphlete unterrepräsentiert. Sie sind nur in acht Exemplaren, das entspricht 2,4%, vertreten. Diese Drucke, die besonders in Zeiten religiöser Auseinandersetzungen in großer Zahl und hohen Auflagen erschienen, wurden oft ohne Angabe des Druckortes publiziert - besonders, wenn der Inhalt gegen die Zensurvorschriften verstieß - und sind daher über den Lyoner Druckerkatalog nicht nachzuweisen.38 Ihr Fehlen hat zwar Auswirkungen auf die statistischen Anteile der verschiedenen Themenbereiche, doch sind Gelegenheitsschriften für eine Untersuchung von Widmungen und Vorreden entbehrlich: Diese Textart wurde ohne Vorrede verbreitet, ist sie doch in den meisten Fällen selbst ein Aufruf an die Leser.39 Insgesamt 60 Verleger und Verlegerfamilien produzierten die in der Stichprobe enthaltenen Bücher. Von diesen publizierten 30 maximal zwei Bücher. Von den übrigen 30 Verlegern brachten 12 mehr als fünf Bücher heraus, davon fünf mehr als 20 Bücher. Diese fünf Verlegerfamilien produzierten zusammen über die Hälfte aller Bücher der Auwahl: 177 Titel stammen aus den Verlagen von Gryphe (69), Rouillé (35), de Tournes (26), Giunta (26) und Vincent (21). Für die Repräsentativität der Stichprobe spricht, daß der Anteil der fünf Großverlegerfamilien an der Lyoner Gesamtproduktion mit dem der Stichprobe übereinstimmt. 45 der 60 Verleger sind nur in einem Stichjahr vertreten, 11 in zwei Stichjahren. Von der Compagnie des Libraires, einem Zusammenschluß mehrerer Verleger mit Lyoner Kaufleuten, sowie den Familien Gryphe und de la Porte sind in drei Stichjahren Bücher enthalten.40 Einzig die Tätigkeit der Familie Giunta erstreckte sich über den gesamten Untersuchungszeitraum. Die Zahl der Verleger war 1519/20 mit 16 am geringsten, 1559/60 mit 22 am höchsten.41 Widmungsbriefe und Vorreden aus dem 16. Jahrhundert sind bislang kaum als Quellen benutzt worden. Eine der wenigen Untersuchungen, die Wid-
38
Vgl. Le Pamphlet en France au XVIe siècle, (Cahiers V.L. Saulnier, 1), Paris
1983. 39
Vgl. Seguin, J.-P., L'information en France avant le périodique. 517 canards imprimés entre 1529 et 1631, Paris 1964. 40 Vgl. Davis, Natalie Zemon, Le monde de l'imprimerie humaniste: Lyon, in: Histoire de l'Edition Française, S. 2 5 5 - 2 7 8 , hier S. 256. 41 1539/40: 19 Verleger, 1579/80: 18 Verleger.
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mungstexte des 16. Jahrhunderts als eigene Quellengattung behandelte, stammt von Karl Schottenloher.42 Er stellte eine Auswahl von etwa 390 lateinischsprachigen Widmungen deutscher oder in Deutschland lebender humanistischer Gelehrter aus der Zeit zwischen 1501 und 1585 zusammen.43 Leider geht seine Arbeit über die Paraphrase der Briefe kaum hinaus. Schottenloher versteht die Widmungsbriefe als eindeutige Aussagen über die realen Beziehungen zwischen Autoren und Adressaten, ohne die humanistischen Topoi und Konventionen zu berücksichtigen.44 Wolfgang Leiner untersuchte literarische Widmungsbriefe in französischer Sprache aus der Zeit von 1580-1715, indem er die Topoi der Briefe in den Vordergrund stellte, um so eine den Texten zugrundeliegende „idealtypische Widmung" herauszuarbeiten. Sozialoder kulturgeschichtliche Fragestellungen berücksichtigte er kaum.45 Beide Arbeiten sind so eher Quellensammlungen oder Nachschlagewerke als Untersuchungen dieser Textgattung. Deutlich wird jedoch, daß Widmungen und Vorreden trügerische Texte sind. In ihrer Eigenschaft als Werbetexte wurden sie verfaßt, um den Leser zu gewinnen - und dabei möglicherweise zu täuschen. Die große Menge von feststehenden Wendungen erweckt den Eindruck, sie enthielten keinerlei individuelle Aussagen (Leiner), während gleichzeitig ihr oft lebhafter und eloquenter Stil zu der Annahme verleiten kann, der Autor äußere sich persönlich (Schottenloher). Der Quellenwert der Texte liegt hingegen zwischen den beiden Polen. Zweifellos wurden Widmungen nach feststehenden Mustern verfaßt. Allerdings zeigt sich im Vergleich von Widmungen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Textarten, daß selbst diese Muster vieldeutig waren. Sie eigneten sich ebensogut, eine Konvention zu bestätigen, wie sie zu durchbrechen. So wurden die von den Humanisten entwickelten Muster zur Präsentation von Editionen antiker Autoren gegen Ende des Jahrhunderts von französischen Autoren für belletristische Texte verwendet. In jedem Fall sind die Texte mit quellenkritischer Vorsicht zu lesen. Die einzige von einer Verlegerin verfaßte Widmung der Stichprobe etwa wirkt vordergründig wie ein Plädoyer für die kaufmännischen Fähigkeiten einer der wenigen Frauen im Buchgewerbe, der Verlegerin Jeanne Giunta. Tatsächlich war dieser Text jedoch Teil einer Auseinandersetzung zwischen der Verlegerin und ihrem ehemaligen Geschäftsführer um die Publi42 Schottenloher, Karl, Die Widmungsvorrede im Buch des 16. Jahrhunderts, Münster 1953. 43 Schottenloher, S. 195. 44 Vgl. dazu Treml, Christine, Humanistische Gemeinschaftsbildung: Soziokulturelle Untersuchungen zur Entstehung eines neuen Gelehrtenstandes in der frühen Neuzeit, Hildesheim 1989; Der Brief im Zeitalter der Renaissance, Hg. Franz Josef Worstbrock, Weinheim 1983. 45 Leiner, Wolfgang, Der Widmungsbrief in der französischen Literatur. 1580-1715, Heidelberg 1965. Ähnlich arbeitete: Meissner, Antje, Au Lecteur. Studien zu den französischen Romanvorworten des 17. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. u.a. 1994.
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kationsrechte eines lukrativen Gesetzeskommentars, in dem Jeanne ihr Geschlecht als Argument benutzte.46 Diese Bedeutungsnuancen erschließen sich erst, wenn es gelingt, aus dem Vergleich einer großen Zahl von unterschiedlichen Widmungstexten die Regeln zu erschließen, nach denen der Dialog der Autoren untereinander und mit dem Leser geführt wurde. In den letzten Jahrzehnten entstanden einige Untersuchungen, die Inventare als Quellen für den Buchbesitz auswerteten. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeiten richtete sich darauf, die soziale Verteilung der Lesestoffe auf die städtische Bevölkerung zu rekonstruieren.47 Allerdings lassen sich diese Studien für konkrete Fragestellungen kaum heranziehen, da die Kategorien, die der statistischen Auswertung zugrunde liegen (Religion, Jura, klassische Autoren etc.) zu allgemein sind. So ist nicht nachvollziehbar, welche Titel im einzelnen in den jeweiligen Bibliotheken vorhanden waren und in welcher Rubrik die im 16. Jahrhundert zunehmend publizierten Handbücher und Übersetzungen zu finden sind.48 Über die Frage, warum die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Bücher besaßen und möglicherweise auch lasen, läßt sich selbst auf der Basis von edierten Titellisten nur spekulieren. Zu viele Parameter wie Publikationsort und -jähr, Format des Buches und nicht zuletzt sein Inhalt bleiben unberücksichtigt. Unsere Stichprobe enthält im Gegensatz zu einem Inventar jedoch nicht nur Titel, sondern genau identifizierbare Ausgaben. Indem deren Vorreden, Format, Gestaltung und der Inhalt der Bücher selbst zur Interpretation herangezogen werden, kann die statistische Auswertung um die kultur- und geistesgeschichtliche Dimension erweitert werden.49 Ob die Bücher allerdings auch gelesen wurden, darüber gibt die Stichprobe keine Auskunft. Die Forschungen zur sozialen Mobilität und zur Ämterkäuflichkeit, die in den 1980er Jahren entstanden, würden sich anbieten, einen Blick auf den so46 Vgl. Baudrier, Jean, Bibliographie lyonnaise. Recherches sur les imprimeurs, libraires, relieurs et fondeurs de lettres à Lyon au XVIe siècle, Lyon/Paris 1896-1921, Bd.VI, S. 3 3 7 - 3 5 2 . 47 Labarre, Albert, Le livre dans la vie Amiénoise du seizième siècle. L'enseignement des inventaires après-décès 1503-1576. Paris 1971. 48 Doucet, Roger, Les bibliothèques parisiennes au XVIe siècle, Paris 1956; Martin, Henri-Jean, Ce qu'on lisait à Paris au XVIe siècle, in: Bibliothèque de l'Humanisme et de la Renaissance, 21(1959), S. 2 2 2 - 2 3 9 ; Schutz, Alexander-Herman, Vernacular books in parisian private libraries of the sixteenth Century, Chapel Hill, N.C., 1955; Michaud, Hélène, Les bibliothèques des secrétaires du roi au XVIe siècle, in: Bibliothèque de l'École des Chartes 126(1968), S. 3 3 2 - 3 7 5 . Aquilon, Pierre, Trois avocats angevins dans leurs librairies, in: Le livre dans l'Europe de la Renaissance (Actes du colloque international d'études humanistes de Tours), Paris 1988, S. 502-552; Connat, M., J. Mégret, Inventaire de la bibliothèque des Du Prat, in: Bibliothèque du Humanisme et de la Renaissance, 3(1943), S. 7 2 - 1 2 8 . 49
Vgl. Berger, Günter, Inventare als Quelle der Sozialgeschichte des Lesens, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 5 (1981), S. 3 6 8 - 3 7 7 .
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zialen Hintergrund der wichtigsten Buchbesitzergruppe zu weifen: die königlichen und die städtischen Angestellten.50 George Huppert scheint jedoch der einzige Historiker zu sein, der diese Bereiche verband. Im Anhang seiner Arbeit The Idea of Perfect History wertete er die Bibliothèque
von La Croix du
Maine, eine der ersten Gesamtbibliographien des 16. Jahrhunderts,51 im Hinblick auf die Frage aus, welchen sozialen Status die Verfasser von NichtFachbüchern in französischer Sprache hatten. Er kam zu dem Ergebnis, daß über 80% dieser Titel, die er als Ausdruck der französischen Renaissancekultur versteht, von robins verfaßt wurden, das heißt von Beamten, die aus dem Bürgertum in nobilitierende Ämter der königlichen Verwaltung aufgestiegenen waren.52 Huppert betrachtete daher die robins als Träger der französischen Renaissancekultur, die er von der Kultur der humanistischen Gelehrten unterschied. Dieser Ansatz, der sich um eine Differenzierung innerhalb der gebildeten Elite bemühte, wurde bisher kaum weitergeführt. Die Leserforschung jedenfalls, für die Hupperts Ergebnisse einen guten Ansatzpunkt geboten hätten, orientierte sich an der Volkskulturforschung, die zunächst darauf verwies, daß der Kulturbegriff über die Elite hinaus erweitert werden müsse.53 Dieser Ansatz zog zwar eine große Zahl von Studien zur Volkskultur nach sich, hatte aber zur Folge, daß der Gegensatz zwischen Elite und Volk den Blick auf die Zwischenschichten und die Differenzierung innerhalb der Schichten versperrte. Auch wenn die Unterscheidung zwischen Volks- und Elitenkultur inzwischen relativiert wurde54, blieb sie fur die Erforschung der Geschichte des Lesens bedeutsam. Augenfällig zeigt sich dies daran, daß sich einzelne Wissenschaftler zumeist entweder mit französischen Texten oder mit lateinischen Texten befassen, Verbindungen zwischen beiden Bereichen jedoch vernachlässigt werden. Die beiden profiliertesten Forscher für die Geschichte des Lesens im 16. und 17. Jahrhundert, Roger Chartier und Anthony Grafton, un50 Mousnier, Robert, La vénalité des offices sous Henri IV et Louis XII, N D Genf 1979; Ämterhandel im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert (Referate eines internationalen Colloquiums in Berlin vom 1. bis 3. Mai 1980), Hg. Ilja Mieck, Berlin 1984; Kuno Böse, Amt und soziale Stellung. Die Institution der élus in Frankreich im 16. und 17. Jahrhundert am Beispiel der Elektion Troyes, Frankfurt, Bern, New York 1986. 51 François de La Croix du Maine, Premier volume de la Bibliothèque du Sieur de La Croix du Maine, Paris 1584. 52 Huppert, George, The idea of perfect history. Historical erudition and historical philosophy in Renaissance France, Urbana, 111., 1970, S. 185-193. 53 Eine der wegweisenden Arbeiten zu diesem Thema ist: Muchembled, Robert, Culture populaire et culture des élites dans la France moderne, Paris 1978; dt. Kultur des Volkes - Kultur der Eliten, Stuttgart 1982. 54 Verschiedene Untersuchungen zeigten, wie Praktiken, die zur Volkskultur gezählt wurden, auch von Mitgliedern der Elite ausgeübt wurden. Stellvertretend sei hier genannt: Davis, Buchdruck und Volk, in: dies., Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt, S. 2 1 0 - 2 4 9 .
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tersuchen die Leser an den beiden äußersten Enden des Spektrums. Roger Chartier erforschte die Produktions- und Rezeptionsbedingungen populärer Lesestoffe wie Flugblätter und der Bibliothèque bleue aus Troyes.55 Anthony Grafton hingegen untersuchte die Leseweisen einzelner herausragender Gelehrter wie Joseph Scaliger oder Guillaume Budé anhand der handschriftlichen Annotationen in den Büchern, die sie privat besaßen.56 Die Geschichte des Lesens hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem eigenen Forschungsbereich entwickelt, dessen Erkenntnisinteresse etwa von Robert Darnton programmatisch formuliert wurde: Die Beziehung zwischen Buch und Leser soll als ein komplexes Geflecht sozial-, geistes- und kulturgeschichtlicher Komponenten untersucht werden.57 In einigen Untersuchungen wurden spezielle Lesergruppen oder Literaturgattungen unter dieser Fragestellung behandelt.58 Aber es fehlen bislang Arbeiten, die das gesamte Themenspektrum der Buchproduktion eines so wichtigen Verlagsortes wie Lyon und damit die Gesamtheit der potentiellen Leser betrachtet. Die vorliegende Arbeit versucht diesen Bogen zu schlagen, indem sie die Perspektive auf einen - für die französische Geistesgeschichte des 16. Jahrhunderts zentralen - Aspekt konzentriert: die Rezeption des Humanismus. Da diese Entwicklung teils explizit, teils implizit alle Bereiche der französischen Buchproduktion durchzieht, lassen sich sowohl gelehrte als auch populäre Publikationen als Agenten im Prozeß des Kulturtransfers deuten. Dieser Ansatz hat zur Folge, daß gut erforschte Bereiche zu Randaspekten werden. So treten die religiösen Auseinandersetzungen, obwohl sie in den Büchern der Stichprobe ihre Spuren hinterließen, gegenüber dem Vermittlungsprozeß der antiken Überlieferung zurück. Gleiches gilt für herausragende Vordenker wie Thomas More oder Jean Bodin, die nicht in ihrer Bedeutung für die Geistesgeschichte gewürdigt werden können. Auch kleine Lesergruppen mit individuellem Profil, wie Frauen oder Mediziner, können 55
Chartier, Roger, Stratégies éditoriales et lectures populaires, in: Histoire de l'édition française, S. 5 8 5 - 6 0 3 . (deutsch in: ders., Lesewelten, S. 5 5 - 9 0 . ) 56 Grafton, Scaliger; ders., Commerce with the Classics: Ancient Books and Renaissance Readers, Ann Arbor, Mich., 1997. 57 Vgl. Darnton, Robert, History of Reading, in: Peter Burke (Hg.) New Perspectives on Historical Writing, Cambridge 1992, S. 161; vgl. auch Hall, David D., Les lecteurs et la lecture dans l'histoire et dans la théorie critique: un exposé de la recherche américaine, in: Histoires de la lecture, bes. S. 168-176. 58 Hervorzuheben ist die Arbeit von Marie-Madelaine de la Garanderie. (Christianisme et lettres profanes. Essai sur l'Humanisme Français ( 1 5 1 5 - 1 5 3 5 ) et sur la Pensée de Guillaume Budé, Paris 1995) Die Autorin rekonstruiert das "univers mental" des Paiser Gelehrten in der Zeit von 1515-1535. Als Quellen zieht sie neben den Texten des Gelehrten auch Widmungen und Vorreden seiner Freunde und Kollegen heran. In der Herangehensweise ist diese Untersuchung, die 1976 erstmals in Paris erschien und kaum rezipiert wurde, der vorliegenden Arbeit sehr ähnlich, auch wenn sich Garanderie auf das Gelehrtenmilieu beschränkte.
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im Rahmen dieser Untersuchung, die sich einer allgemeinen Entwicklung widmet, kaum angemessen behandelt werden. Warum jedoch gelesen wurde, wieviel von den studia humanitatis rezipiert wurde und wie die wiederentdeckte Antike sich in diesem Vermittlungsprozeß veränderte - dies sind Fragen, denen sich die Studie widmet, indem sie den Blick über einzelne thematische Bereiche hinaus auf die gesamte Buchproduktion ausweitet. Die Rezeption des humanistischen Gedankengutes wird in dieser Studie nachgezeichnet in der Art eines Gangs durch eine Bibliothek, die aus den Büchern der Stichprobe besteht. Alle Titel sind darin nach thematischen Kriterien sortiert.59 Allerdings hat die Ordnung dieser Bibliothek gewisse Eigenheiten, die sie von einer authentischen Bibliothek unterscheiden. Um den Rezeptionsprozeß der studia humanitatis nachzuvollziehen, geht die Darstellung von einem idealtypischen Gelehrten wie Erasmus aus und von den Büchern, die für das Selbstverständnis des humanistischen Gelehrten zentral waren: Editionen von Autoren der römischen und griechischen Antike. Da die Humanisten nach der Erfindung des Buchdrucks auf das handwerkliche Geschick, die Handelsverbindungen und das Geld der Verleger und Mäzene angewiesen waren, um das neue Kommunikationsmittel zu nutzen, werden diese „notwendigen Leser" und ihre Beziehungen zur Gelehrtenrepublik anschließend untersucht. In den folgenden drei Kapiteln sind unter dem Titel „Humanistische Ideale" die Bücher der imaginären Bibliothek nach den drei Grundbegriffen des humanistischen Selbstverständnisses doctrina (Gelehrsamkeit), virtus (Tugend) und eloquentia (Beredsamkeit) angeordnet. Unter dem Begriff doctrina werden zunächst Editionen und wissenschaftliche Monographien humanistischer Juristen vorgestellt sowie kurz die theologischen und philologischen Diskussionen um die Edition des Bibeltexts nachgezeichnet. Da der Humanismus als Bildungsbewegung zahlreiche Schulbücher hervorbrachte, werden Grammatiken, Wörterbücher und spezielle Klassikerausgaben behandelt. Aus ihnen wird deutlich, welche Teilbereiche der studia humanitatis den Schülern vermittelt wurden. Diese zunächst unfreiwilligen französischen Leser60 mögen auch nach dem Abschluß der Schulausbildung lateinische Bücher gelesen haben. Doch zeigt ein Blick auf die französische Buchproduktion, daß sie sich weniger für Originaltexte interessierten: Zahlreiche Kompendien, die seit den 1530er Jahren erschienen, verwandelten die wichtigsten Teile humanistischer Bildung in einen Baukasten der Antike.
59 Fast alle Bücher: Die lateinischen Medizintraktate wenden sich an einen so eingeschränkten Kreis von Fachlesern, daß sie im Rahmen der Arbeit nur als in sich geschlossener Block darstellbar wären. 60 Vgl. zu dieser Bezeichnung Burke, Peter, A Survey of the Popularity of Ancient Historians, 1450-1700, in: History and Theory 5(1966), S. 135-152, S. 142.
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Der Begriff virtus wird innerhalb der Gliederung nicht in seiner humanistischen Dimension verwendet, sondern er dient als Ordnungsbegriff. Soweit es nicht reine Editionen des römischen oder griechischen Rechts sind, fallen die religiösen und juristischen Bücher der Stichprobe unter diese Bezeichung. Diese Titel behandeln in erster Linie Fragen des täglichen Lebens und setzen sich nicht primär mit dem antiken Erbe auseinander. Insofern enthalten sie nur indirekte Aussagen zur Frage der Humanismusrezeption. Dennoch sind sie für das Verständnis der Entwicklung unverzichtbar, da dies die am weitesten verbreiteten Texte überhaupt waren. Zudem unterscheiden sie in den Vorreden recht präzise verschiedene Lesergruppen. Die religiösen Titel werden im Rahmen der Studie herangezogen, um den Wandel des Lesepublikums im Untersuchungszeitraum zu verfolgen. Außerdem wird ein kurzer Blick auf die Strategien der Verleger geworfen, mit denen sie die Zensur zu umgehen versuchten. Die juristischen Titel eignen sich, eine bedeutende Lesergruppe genauer zu betrachten: Beamte der königlichen und der kommunalen Verwaltungen, die man im weitesten Sinne als Juristen bezeichnen kann. Zudem ermöglichen die Jurabücher der Stichprobe, zwei Aspekte dieser wichtigsten Gruppe der Buchbesitzer zu betrachten. Zum einen wird untersucht, welchen Stellenwert die humanistische Bildung für die Selbstdarstellung der Juristen einnahm. Zum anderen lassen sich aus der Präsentation der Bücher in den Vorreden Rückschlüsse auf die interne Differenzierung des Berufsstandes der Juristen ziehen. Unter den Begriffen eloquentia und éloquence dient eine Gemeinsamkeit zwischen humanistischen Gelehrten und dem gebildeten französischen Lesepublikum zum Ausgangspunkt der Überlegungen. An der eloquentia erkannte man den humanistischen Gelehrten, an der éloquence den französischen Juristen. Beide legten Wert auf die Selbstdarstellung in der Rede, beide schmückten ihre Reden mit Sentenzen. Die Bedeutung, die sie diesen Bausteinen antiker Bildung beimaßen, soll anhand der Florilegien und Sentenzensammlungen erläutert werden. Eine entscheidende Etappe im Transferprozeß der antiken, lateinischen Bildung nach Frankreich war die Entwicklung der französischen Literatur- und Wissenschaftssprache. Übersetzer beteiligten sich an der Diskussion um die Hierarchie zwischen der lateinischen und der französischen Sprache. Als Endpunkt der Argumentation dienen gebildete Leser wie etwa Michel de Montaigne. Sie waren diejenigen, die im Gegensatz zum gelehrten Leser selbstbewußt und ohne Anspruch auf allgemeine Gültigkeit mit dem überlieferten Wissen umgingen. Die Widmungen der belletristischen französischsprachigen Titel der Stichprobe geben Auskunft über Leserinnen und Leser, die Unterhaltung und Zerstreuung suchten. In den Vorreden der französischsprachigen Kompendien und Geschichtswerke wird eine neue Leserschicht erkennbar, an die sich die zeitgenössischen Autoren wandten: die bons
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esprits. Sie werden als gebildete, neugierige Leser angesprochen, die sich zwar für das überlieferte antike Wissen interessierten, die aber darüberhinaus mittelalterliche Traditionen ebenso einbezogen wie zeitgenössische naturwissenschaftliche Kenntnisse. In der Zusammenfassung werden die bons esprits als Träger eines neuen französischen Bildungskonzepts in den Prozeß des Kulturtransfers in der frühen Neuzeit eingeordnet.
II. Eruditus: Der gelehrte Leser Einmal im Leben die Autoren aller Gattungen zu lesen, forderte Erasmus von demjenigen, der zu den eruditi gezählt werden wollte. Doch war das Lesepensum der Gelehrten kleiner, als es zunächst den Anschein hat: Der eruditus konnte sich auf die bonae literae beschränken, die literarischen antiken Texte. Religiöse und juristische Texte, die am Anfang des Jahrhunderts die Buchproduktion dominierten, gehörten nicht zum Kanon der studia humanitatis. De facto gehörten die überlieferten juristischen und religiösen Texte ebenfalls zum Wissenskanon eines humanistischen Gelehrten, doch waren die antiken Autoren ihre eigentliche Domäne.1 In den Widmungen und Vorreden der humanistischen Klassikereditionen äußerten sich die Gelehrten und einige Verleger über ihre gemeinsame Arbeit an der Überlieferung des antiken Erbes. Auch die Rolle der Mäzene wird in diesen Texten angesprochen. So kann man sich auf dieses kleine Segment der gedruckten Bücher beschränken, um nachzuzeichnen, wie die eruditi ihren Beitrag zur Weitergabe des antiken Erbes verstanden.
1. Der humanistische Leser: Selbstverständnis und Tätigkeit Die Gelehrten des 16. Jahrhunderts verstanden sich, obwohl sie an verschiedenen Orten in unterschiedlichen Ländern lebten, als Bürger einer Republik: der Republik der humanistischen Gelehrten res publica literarum. Humanitas und doctrina waren ihre wichtigsten Bürgerpflichten. Den Begriff humanitas hatte bereits der lateinische Dichter Aulus Gellius verwandt, um „gelehrte Bildung in den guten Künsten" zu beschreiben.2 Italienische Gelehrte wie Petrarca und Coluccio Salutati griffen die Bezeichnung im 14. Jahrhundert wieder auf, um damit ihre Arbeitsweise von den Scholastikern abzugrenzen. Nach Ansicht der humanistischen Gelehrten beschäftigten sich die Scholastiker mit unwichtigen Fragen - und das auf der Grundlage einer verdorbenen und verzerrten Überlieferung des antiken Erbes und in schlech-
1 Nur 12% aller im Jahre 1501 produzierten Bücher enthielten Texte antiker Autoren; vgl. Martin, classements, S. 445; vgl. zum Bildungsideal des Gelehrten auch: Garanderie, S. 19-22. 2 Eruditio institutioque in bonas artes (13,7,1); vgl. Bernstein, Eckhard, Die Literatur des deutschen Frühhumanismus, Stuttgart 1978, S. 8.
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tem Latein.3 Der humanistische Gelehrte hingegen kehrte zu den Quellen der Überlieferung, zur Antike zurück. Er widmete sich den „guten Künsten" Grammatik, Rhetorik, Dichtung, Geschichte und Moralphilosophie. Leonardo Bruni formulierte 1404 die Bedeutung dieses Studienkanons: „Sie werden Studien der Menschlichkeit (studia humanitatis) genannt, weil erst sie den Menschen hervorbringen und schmücken."4 Die humanistischen Gelehrten waren überzeugt, daß die auch studia humaniora genannten Studien dem Menschen erst die Bildung (eruditio oder doctrinä) vermittelten, die er brauchte, um seine Würde und seine kritische Vernunft zu erkennen.5 Nur derjenige, der sich sein Leben lang dem Studium der antiken Autoren widmete, konnte zu virtus, dem tugendhaften Leben gelangen.6 Der Humanismus wurde nicht nur als eine neue Form der Gelehrsamkeit, sondern als eine Lebensweise verstanden, die den ganzen Menschen prägte. Ihren Ausdruck fanden virtus und doctrina in der perfekten Beherrschung der lateinischen Sprache, der eloquentia.1 Die Gelehrten stimmten in der Annahme überein, daß die Sprache eines Individuums seine Seele offenbare. Die lateinischen Worte und Metaphern, die Syntax, zeugte so nicht nur von der Bildung eines Redners, sondern auch von seinem Charakter.8 Doctrina, virtus und eloquentia, Bildung, Tugend und Beredsamkeit bildeten die Grundpfeiler der humanistischen Gemeinschaft. Während Bildung als Ursprung jeder tugendhaften Handlung und Voraussetzung für das Beherrschen der lateinischen Sprache galt, war Tugend die Voraussetzung für vollendete Beredsamkeit und Ausdruck der wohlverstandenen Bildung. Beredsamkeit offenbarte Tugend und Bildung des Redners. Keine der drei Fähigkeiten war ohne die anderen zu denken, sie bedingten sich gegenseitig. Dieses in sich verwobene Netz von Qualitäten bildete das Ideal des Gelehrten, die humanitas. Humanisten, die über diese Qualitäten verfugten, sahen sich selbst als die wahren, die vollkommenen Menschen.9 Nur sie waren durch ihre Bildung ein zweites Mal 3
Vgl. Kristeller, Paul O., Heidentum und Christentum, in: Humanismus und Renaissance, Bd.l, Die antiken und mittelalterlichen Quellen, München 1974, S. 69-86, hier S. 73. 4 ... propterea studia humanitatis nuncupatur quod hominem perficiant atque exornant. Zitat nach Bernstein, S. 8; vgl. Kristeller, Renaissance und Humanismus, S. 103. 5 Vgl. Böhme, Günther, Bildungsgeschichte des europäischen Humanismus, Darmstadt 1986, S. 1. 6 Vgl. Buck, Humanismus, S. 154; Rädle, S. 215f. 7 Zur Bedeutung der humanistischen Sprachkompetenz vgl. auch: Bauer, Barbara, Aemulatio, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Hg. Gert Ueding, Band 1, Tübingen 1992, Sp. 157-172. 8 Vgl. Jardine, Erasmus, S. 4; Buck, Humanismus, S. 162. 9 Im späten 15. Jahrhundert entstand an den italienischen Universitäten die Berufsbezeichnung humanista analog zu den Termini iurista, legista und canonista für den berufsmäßigen Lehrer der studia humanitatis. Humanisten selbst zogen zu dieser Zeit die Bezeichnung orator oder poeta vor, denn sie sahen sich nicht als Lehrer, sondern als
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geschaffen worden und damit zum homo civilis aufgestiegen.10 Menschen ohne antike Bildung hingegen verharrten im Zustand des homo naturalis. Die Gelehrtenrepublik, deren Verkehrssprache Latein war, war ein Staat ohne Ort, sie existierte nur in der Vorstellung der Beteiligten.11 Die Mitgliedschaft erwarb man durch das Verfassen von Briefen.12 Nur der Gelehrte, der mit anderen in brieflichem Kontakt stand, war Mitglied der res publica literarum - denn wie hätte man sonst über die Entfernung von ihm Kenntnis nehmen sollen? Das Interesse an Tugend und Studien war die grundlegende Eigenschaft der Bürger des Musenstaates, Freundschaft und Philologie ihre wichtigsten Gesprächsthemen. Die Humanistenbriefe sollten die Gemeinschaft stiften. Dazu beschrieben, ja beschworen sie die Freundschaft, amicitia, von Schreiber und Empfanger. Außer dem Briefeschreiben gehörte die Kommentierung und Verbesserung der antiken Autoren zu den wichtigsten Äußerungsformen der humanistischen Gelehrten. Zahlreiche Editionen, Bearbeitungen und Kommentare klassischer Autoren wurden von ihnen angefertigt. Die Vorworte und Widmungsbriefe dieser Ausgaben sind so neben den Briefen die besten Zeugnisse für das Selbstverständnis der Humanisten, denn hier waren sie auf ihrem Gebiet.13 Das antike Erbe wiederzubeleben, ihm zu einer neuen Blüte zu verhelfen, hatten sie sich vorgenommen. In der Stichprobe sind 67 Klassikerausgaben enthalten, die einen guten Querschnitt der geschriebenen und ungeschriebenen Regeln humanistischer Selbstdarstellung bieten. In verschiedenen Handbüchern, den sogenannten „Briefstellern" waren die stilistischen und formalen Vorschriften für den Schriftverkehr in der Gelehrtenrepublik niedergelegt. Zwei der am weitesten verbreiteten Briefsteller waren der Tractatus de conscribendis epistolis von Konrad Celtis und De
gebildete Männer. Die Bezeichnung humanista wurde später ausgeweitet auf alle, die sich den klassischen Studien widmeten; vgl. Buck, Humanismus, S. 175. 10 Vgl. Treml, Christine, Humanistische Gemeinschaftsbildung: Soziokulturelle Untersuchungen zur Entstehung eines neuen Gelehrtenstandes in der frühen Neuzeit, Hildesheim 1989, S. 101-106; Kessler, Eckhart, Das Problem des frühen Humanismus. Seine philosophische Bedeutung bei Coluccio Salutati, München 1968, S. 64; Buck, Humanismus, S. 154-156. 11 Vgl. Jardine, Erasmus, S. 12. 12 Vgl. Burckhardt, S. 164-172; Harth, Helene, Poggio Bracciolini und die Brieftheorie des 15. Jahrhunderts. Zur Gattungsform des humanistischen Briefes, in: Der Brief im Zeitalter der Renaissance, Hg. Josef Worstbrock, Weinheim 1983, S. 81-99, hier S. 92; Mesnard, Pierre, La commerce épistolaire comme expression sociale de l'individualisme humaniste, in: Individu et société à la Renaissance: Colloque international tenu en avril 1965, Paris/Bruxelles 1967, S. 17-31, hier S. 20. 13 Vgl. Schottenloher, S. 1-7. Von der 340 Bücher umfassenden Stichprobe enthalten 67 Bücher Texte literarischer, philosophischer und historischer Autoren der Antike. 32 dieser Ausgaben enthalten eine Vorrede oder einen Widmungsbrief.
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conscribendis epistolis von Erasmus.14 Celtis empfahl, daß der formvollendete Brief aus fünf Teilen bestehen sollte. Auf das Prooemium (Begrüßungsvorrede) folgte die Causa (Vorbereitung), anschließend kam der Hauptteil des Briefes, die Expositio (Darlegung des Anliegens), die danach in der Enumeratio noch einmal in den wichtigsten Punkten zusammengefaßt wurde, bevor der Brief mit dem Charakter (Schlußformel) endete.15 Der eloquente Humanist allerdings war so souverän im Umgang mit der Sprache, daß er sich nicht penibel an diesen Aufbau zu halten brauchte. Er zeichnete sich dadurch aus, daß er seinen Brief in Stil und Form an den Inhalt und an den Adressaten anpaßte. In seinem häufig nachgedruckten Briefsteller ermunterte Erasmus die Briefschreiber, jede bei den Humanisten übliche Prosaform zu verwenden, sei es ein literarischer Dialog, ein Traktat oder eine Lobrede.16 Bei aller formalen Freiheit wollte Erasmus auf einen Teil des Briefes nicht verzichten: das Prooemium. Für keine Passage des Briefes hielt er präzisere Anweisungen bereit. Gerade der Briefanfang, die Begrüßungsvorrede - oder in den Worten der antiken Rhetorik: die captatio benevolentiae - war der Ort, an dem die Gemeinschaft der Humanisten gestiftet wurde. Sehr ausführlich erläuterte Erasmus im Kapitel über Die Einleitung von Briefen, auf welche Weise Empfanger und Autor ihre Gemeinsamkeiten hervorheben sollten, da sie die Grundlage der Beziehung darstellten. Man könne sagen „ z w i s c h e n den Eltern und seinen Vorfahren habe die engste B e z i e h u n g freundschaftlicher Verbundenheit bestanden, sie hätten einander zahlreiche Gefälligkeiten erwiesen. Man wird auch sagen, d i e s e s sein W o h l w o l l e n sei einem gewissermaßen von Hand zu Hand aufgrund erbrechtlicher N a c h f o l g e weitergegeben und nie vernachlässigt worden".
Und selbst für den Fall, daß zwischen den Eltern von Autor und Empfänger des Briefes keine Beziehung bestand wußte er eine Lösung: „Man wird sagen, daß nur j e n e Leute die B e z i e h u n g e n ihrer Vorfahren wieder aufzunehmen pflegten, die selbst keine Freundschaftsbande geknüpft hätten, so w i e j e n e Leute die Taten der Großväter erzählten, die selbst nichts D e n k w ü r d i g e s vollbracht hätten." 1 7
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Vgl. Harth, S. 85-89; in der Quellenauswahl Nr. 118. Vgl. Treml, S. 78. Dieser Aufbau läßt noch erkennen, daß die antike Rhetorik, die eigentlich für Gerichtsreden entwickelt worden war, bei allen öffentlichen Redeformen Pate stand; vgl. auch Lausberg, Heinrich, Elemente der literarischen Rhetorik, München 9 1987, S. 24-26. 16 Vgl. Erasmus, De conscribendis epistolis. Anleitung zum Briefeschreiben (Auswahl), Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Kurt Smolak, Darmstadt 1980. (Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, Bd.8), S. 21-23; (zit.: De conscribendis epistolis); vgl. auch Harth; S. 91. 17 Vgl. Erasmus, De conscribendis epistolis, S. 169. 15
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Welche Aussage auch getroffen wurde, im Humanistenbrief zählte nur die elegante Formulierung.18 Immer wieder vergleicht Erasmus verwandtschaftliche Beziehungen mit denen der Staatsbürger der Musenrepublik, und immer wieder kommt er zu dem Schluß, daß die Beziehung zwischen Gelehrten der Verwandtschaft zwar glich, ihr aber doch überlegen war. Die Verpflichtung auf virtus, doctrina und eloquentia schufen die Basis für ein Verhältnis zwischen den „wahren Menschen", dem Blutsbande nur unterlegen sein konnten. Erasmus schlug folgende Formulierung für dieses Argument vor: „Man wird beteuern, es gäbe keine Verwandtschaftsbande, die einen enger, angenehmer oder auch haltbarer bänden als die der freundschaftlichen Beziehung. ... Es gäbe keine ausgezeichnetere und stärkere Art der Freundschaftsbeziehung als jene, die von der Tugend und den geistigen Studien ihren Ausgang genommen habe." 19
Nicht nur die Beziehung zwischen Autor und Empfänger sowie ihren Familien sollte am Anfang des Humanistenbriefes gewürdigt werden. In einem Freundschaftsbrief oder einer brieflichen Aufwartung, in der man versucht, „sich Männer geneigt zu machen, mit denen man vorher durch keine Verwandtschaft oder Freundschaft verbunden war", spielten gemeinsame Bekannte eine große Rolle.20 Die humanistische Gemeinschaft bestand nicht nur zwischen Autor und Empfanger eines Humanistenbriefes, sondern war Teil eines größeren Kommunikationszusammenhanges. Widmungsbriefe in Büchern, soweit sie von humanistischen Gelehrten verfaßt wurden, unterlagen den gleichen Stilidealen wie Humanistenbriefe. Auch inhaltlich ähnelten sie sich, da Gelehrte untereinander verbesserte Texte ebenfalls in Manuskriptform austauschten und diese Sendungen mit Begleitschreiben versahen. Einige Widmungen der Stichprobe weisen dieselben Elemente auf wie die Musterbriefe in den Briefstellern. So äußert sich Andrea Navagero in der Widmung seiner Cicero-Ausgabe an Jacopo Sadoleto geradezu lehrbuchmäßig über das Verhältnis zwischen dem gemeinsamen Freund Pietro Bembo und dem Adressaten Sadoleto: „Ihr zeichnet euch beide durch wissenschaftliche, literarische Kenntnisse und jegliche Eleganz eurer Sitten aufs höchste aus. Ja, ihr seid euch untereinander sogar durch solche Liebe ergeben, daß ihr als Beispiel dienen könnt. Kein Band kann stärker sein, um eine Freundschaft zu festigen, als die Ähnlichkeit der Sitten und gemeinsame Studien." 21
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Vgl. Curtius, Ernst Robert, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 1948 ( 4 1963), S. 414: "Man darf eine feststehende literarische Formel nicht als Ausdruck spontaner Gesinnung auffassen." 19 Vgl. Erasmus, De conscribendis epistolis, S. 171. 20 Vgl. Erasmus, De conscribendis epistolis, S. 289. 21 Zur Zitierweise der Quellen: In den Fußnoten wird jeweils nur auf die laufende Nummer des Titels im numerischen Quellenverzeichnis hingeweisen. Sofern mehrere
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Mores und studii der Freunde hebt Navagero ausdrücklich hervor. Das Thema seiner Vorrede ist jedoch die eloquentia, deren Niedergang ein Ende gesetzt zu haben, das Verdienst der humanistischen Gemeinschaft ist. Einige herausragende Vertreter werden namentlich erwähnt. Auch in dieser Hinsicht entspricht Navageros Widmungsbrief den Standards für formvollendete Briefe. Navagero fahrt in der Widmung fort, die Gemeinschaft derjenigen zu beschreiben, die sich für das Wiederaufleben des ciceronianischen Stils eingesetzt haben: „Ja, sogar die Völker jenseits der Alpen haben sich uns angeschlossen, und die Waffen sind von ihnen nicht weniger glücklich unter dem lateinischen Namen geführt worden. Damit ich sie hier nicht alle aufzähle, möchte ich nur die Führer nennen: Budaeus und Longolius aus dem nahen Gallien setzen sich dafür ein, auch Erasmus aus Germanien. Täglich schieben sie die Grenzen der römischen Sprache weiter hinaus."22 Selten blieben Autor und Adressat die einzigen erwähnten Personen in einem Brief, oft wurden Nachrichten über gemeinsame Bekannte ausgetauscht oder neue Gelehrte eingeführt. Gern brüstete man sich auch der Bekanntschaft mit einem berühmten Gelehrten oder profilierte sich gegenüber Widersachern. Indem man den Zusammenhalt des Musenstaates betonte, grenzte man sich gleichzeitig von Außenstehenden ab.23 Wenn man den Briefen glauben könnte, brachten die Mitglieder der Gelehrtenrepublik sich gegenseitig die größte Sympathie und Ehrerbietung entgegen und waren einander in amicitia (Freundschaft) fest verbunden. Doch hatten die Aussagen in den Humanistenbriefen nicht zwangsläufig etwas mit den Empfindungen der Briefschreiber zu tun, denn die Briefe dienten nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Selbstdarstellung - schließlich waren sie von vornherein für die Veröffentlichung geschrieben.24 Der Zweck der Vorreden in einem Buch enthalten sind, werden diese durchnumeriert. Die Seiten- oder Foliozählung wird aus dem jeweiligen Titel übernommen. Die Cicero-Ausgabe von Andrea Navagero in der Stichprobe ist also zu finden unter: 59, Bd. 3, S. 7. Ambo et literis, et omni morum elegantia praestantissimi: quin eo etiam inter vos amore devincti, ut exemplo esse possitis, nullum esse ad confirmandam amicitiam arctius vinculum, quam morum similitudinem, ac studiorum societatem. Zu den Biographien vgl. Andrea Navagero (1483-1529): ABI 694, 7 0 - 9 2 ; Pietro Bembo (1470-1547): ABI 133, 2 9 4 - 4 0 6 ; Sadoleto, Jacopo (1477-1547): Grente, S. 625 und NBG 42, S. 1005-9. 22 59, Bd.3, S. 6. Quin et transalpine etiam nationes iam se nobis coniunxerunt: nec minus ab his feliciter arma pro Latino nomine sumpta sunt. Ne omnes ex his recenseam: atque ipsi tantum a me duces nominentur: Budaeus et Longolius propinqua e Gallia, e Germania Erasmus, ita rem gerunt: ita longius quotidie Romani linguae fines proferunt. 23 Diese Funktion der Humanistenbriefe ist das Thema der Arbeit von Christine Tremi. 24 Vgl. Jenny, Beat Rudolf, Die Amerbachkorrespondenz. Von der humanistischen Epistolographie zur bürgerlichen Briefstellerei, in: Der Brief im Zeitalter der Renaissance, Hg. Josef Worstbrock, Weinheim 1983, S. 2 0 4 - 2 2 5 , hier S. 224; Gerlo, Alois,
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Briefe lag nicht unbedingt im Austausch von Neuigkeiten, vielmehr demonstrierte der Autor, daß er eine stilisierte Form der Kontaktpflege beherrschte. Das gilt in besonderem Maße für die Formeln, mit denen die Gunst des Adressaten gewonnen werden sollte. Dabei empfahl es sich, diesen zu loben und seine Einzigartigkeit festzustellen, denn, wie Erasmus schon bemerkte: „Das Lob der Person ist nützlich, wenn man sie zu etwas auffordern will".25 Um das Wohlwollen des Adressaten zu erlangen, konnte der Briefschreiber erwähnen, daß man um seinetwillen „eine Schmähung habe hinnehmen müssen von jenen, die den Empfanger hassen."26 Als bescheidene Haltung für den Autor empfahl Erasmus: „An sich selbst wird man die tatsächlich vorhandenen Vorzüge abschwächen, dafür aber die eigene Einstellung, Strebsamkeit und Liebe zum Werthaften herausstellen".27 Doch der briefschreibende Humanist lobte seinen Adressaten nicht uneigennützig. Da es als Freundespflicht galt, sich gegenseitig zu loben, konnte er mit einem ähnlich schmeichelhaften Antwortschreiben rechnen. Selbst die Bitte um ein derartiges Antwortschreiben galt nicht als ehrenrührig.28 Außerdem lobte der Humanist mit einem kleinen argumentatorischen Kniff eigentlich nicht den Adressaten, sondern sich selbst. „Ähnlichkeit im Wesen stiftet Freundschaft" lautete der Schlüssel, mit dem die scheinbare Überlegen-
Erasmus von Rotterdam. Sein Selbstportrait in seinen Briefen, in: Der Brief im Zeitalter der Renaissance, S. 7-24, hier S. 7. Die Stichprobe enthält die Briefsammlung des Bischofs von Carpentras, Jacopo Sadoleto, die nach seinem Tode von seinem Sohn herausgegeben wurde und eine Sammlung der Briefe, die Pietro Bembo in seiner Eigenschaft als Sekretär von Papst Leo X. verfaßte. Sadoleto stand mit zahlreichen Gelehrten in Kontakt, darunter Alexander Farnese, der Jurist Andra Alciato und der Verleger Bonifazius Amerbach aus Basel. In der Vorrede notierte Paolo Sadoleto, daß er aus den siebzehn Bänden der Briefkopien seines Vaters nur die zur Veröffentlichung ausgesucht habe, die zum einen sich mit humanistischen, nicht mit religiösen Inhalten befaßten und die zum anderen in elegantem Stil geschrieben waren. Er geht davon aus, daß sein Vater die Briefe für die Veröffentlichung bearbeitet hätte, was er sich selbst aber nicht zutraute. 249, fol. a2re. 25 Erasmus, De conscribendis, De exhortatio, Opera omnia Desiderii Roterodami, Amsterdam 1971, Vol.1-2, S. 323; vgl. auch Curtius, S. 171. 26 Erasmus, De conscribendis epistolis, S. 291. 27 Erasmus, De conscribendis epistolis, S. 173. 28 Vgl. Treml, S. 83. Nicht immer waren die Bemühungen um schmeichelhafte Antwortschreiben erfolgreich. Der Briefwechsel zwischen Erasmus und Budö, der etwa 50 Briefe umfaßt, ist dafür ein Beispiel. Erasmus schrieb an Budö eine "briefliche Aufwartung", der darauf entsprechend antwortete. Der nächste Brief von Erasmus war schon deutlich kürzer. Bude wertete das als Bestätigung für ihre Freundschaft und kritisierte in seinem Antwortschreiben an Erasmus dessen Adagia als unwichtig. Das allerdings verstieß gegen die Konventionen: humanistische Gelehrte hatten sich gegenseitig nicht zu kritisieren. Erasmus versuchte in seinem nächsten Brief, ironisch zu antworten und Bude damit zu schlagen. Doch Bude war ihm ebenbürtig. Aus der Brieffreundschaft entwickelte sich ein Briefstreit; vgl. Mesnard, S. 27f.
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heit des Adressaten gegenüber dem Autor aufgehoben wurde. 29 Alle guten Eigenschaften des Adressaten schrieb der Autor auf diese Weise - in ähnlicher Form - sich selbst zu. Er stellte durch sein Lob den Adressaten in eine herausgehobene Position, um sich anschließend selbst auf die gleiche Stufe, neben den Adressaten, zu stellen. Die meisten Briefe enthielten eine Wendung, die die Ebenbürtigkeit der Beteiligten unterstellte und darauf verwies, daß beide gemeinsam zu einer herausgehobenen Bevölkerungsgruppe, der res publica literarum, gehörten. Über die zu lobenden Eigenschaften des Adressaten waren die Briefschreiber als Mitglieder der res publica literarum im Bilde. Sie lobten etwa, ein Adressat habe das Ideal erreicht, das sie selbst anstrebten und das zugleich die Grundlage ihrer Beziehung darstellte: die Verbindung von Tugend, Studien und Beredsamkeit, virtus, doctrina und eloquentia zur humanitas.30 Doctrina erreichte man durch sapientia bonorum litterarum (Weisheit der guten Bücher). Virtus zeigte sich in den Charaktereigenschaften probitas (Redlichkeit), modestia (Anstand) und ingenium (Urteilskraft). Um eloquentia (Beredsamkeit) zu präsentieren wurden die Humanistenbriefe verfaßt. Der italienische Philologe Pietro Vettori schrieb in der Widmung seiner Cicero-Ausgabe an seinen Freund Niccolö Ardighello das vollendete Humanistenlob: „Wahrhaft unglaublich ist deine Humanitas, ehrwürdig deine Klugheit, unbeschreiblich deine Urteilskraft, außerordentlich deine Gelehrsamkeit."31 Humanistische
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Humanistische Philologen arbeiteten als Mitglieder der Gelehrtenrepublik daran, die aus der Antike überlieferten und - ihrer Ansicht nach - im Mittelalter verfälschten Texte wieder in ihren Originalzustand zu versetzen. Sie waren der Überzeugung, daß erst durch diese Überarbeitungen, Verbesserungen und Kommentare die Renaissance der Antike Wirklichkeit werden könne. Viele der überlieferten Texte wurden noch im 15. Jahrhundert zum ersten Mal gedruckt: Die editiones principes der in meinem Quellenkorpus vorhandenen lateinischen Titel waren in den Jahren 1465 bis 1475 in Italien erschienen. 32 29 Erasmus schlägt diese Formulierung für die briefliche Aufwartung vor. Erasmus, De conscribendis epistolis, S. 289. 30 Vgl. Kessler, S. 46. 31 114, S. 8. Incredibilis vero humanitas, senilis quaedam prudentia, summum ingenium, excellens doctrina, ... Ein weiteres Beispiel aus der Widmung von Angelo Poliziano an Andrea Magnanimo (171, S. 4): Deine Geistesgegenwart ist äußerst elegant, deine Sitten sehr edel und deine Güte einzigartig, [ingenio es elegantissimo, moribus suavissimus, gratia quadam singulari] Zu den Biographien vgl. Niccolò Ardighello ( 1 5 0 3 - 1 5 4 7 ) : ABI 67, 190-198; Pietro Vettori (1499-1585): ABI 989, 197-198. 32 Vgl. Sandys, J.S., A History of Classical Scholarship, 3 Bände, 1903 (ND der dritten Auflage: 1958).
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Doch druckten die Verleger der Erstausgaben oft nicht die beste verfügbare Textbearbeitung, sondern eine ihnen vorliegende Fassung.33 Bereits sehr früh, im Jahre 1470, wurde den Lesern und Verlegern bewußt, daß durch den Buchdruck zwar eine große Zahl identischer Textausgaben verfügbar war, sich die Ausgaben verschiedener Editoren aber dennoch unterschieden. Sie beruhten auf unterschiedlichen Handschriften und wiesen je nach Vorlieben und Fähigkeiten des Editors unterschiedliche castigationes und emendationes auf.34 Die verbesserten Ausgaben, die an verschiedenen Orten erschienen, unterschieden sich nicht weniger als die Handschriften in den Jahrhunderten zuvor.35 Die Klassikertexte auf der Grundlage der Druckausgaben und weiterer hinzugezogener Handschriften zu verbessern, blieb so eine große Aufgabe für die Gelehrten. In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts erschienen neue Bearbeitungen und Kommentare von Texten, die bereits gedruckt auf dem Markt waren. Die Lyoner Stichprobe enthält wiederum Nachdrucke dieser Bearbeitungen, die zumeist in Venedig erstmals publiziert worden waren einschließlich der Vorreden, die italienische Bearbeiter mindestens 30 Jahre zuvor verfaßt hatten.36 Die Lyoner Leser konnten aus diesen Texten keine aktuellen Informationen erhalten, doch konnten sie die Vorreden als historische Quellen für den Entstehungsprozeß der ihnen vorliegenden Textausgaben verstehen. Sie erfuhren aus den Vorreden, wie ein Humanist arbeitete und wie er sich darstellte.37 33
Ob die Texte tatsächlich so fehlerhaft waren, daß damit der Fortschritt durch den Buchdruck aufgehoben wurde, ist schwer zu beurteilen. Aus der Sicht des klassischen Philologen Rudolf Pfeiffer, der ein Standardwerk zur Geschichte der klassischen Philologie geschrieben hat, stellt es sich so dar. (Die klassische Philologie von Petrarca bis Mommsen, München 1982, S. 71). Seine Arbeit ergänzt die immer noch maßgebliche Untersuchung von J.S. Sandys. 34 Monfasani, John, The First Call for Press Censorship: Niccolö Perotti, Giovanni Andrea Bussi, Antonia Moreto and the Editing of Pliny's Natural History, in: Renaissance Quarterly 41(1988)1, S. 1-31, hier S. 8. 35 Dieser Aspekt wird in der Sekundärliteratur selten berücksichtigt. Meistens wird stillschweigend davon ausgegangen, daß der Buchdruck allen Lesern die gleichen Texte zur Verfügung stellt. Vgl. auch Grafton, Scaliger, S. 14. 36 Die Widmung der Diogenes-Übersetzung von Ambrosius Traversari an Cosimo de'Medici stammt etwa von 1440. Sie ist keine Buchwidmung, sondern eine Handschriftenwidmung. Thematisch und stilistisch unterscheidet sie sich jedoch nicht von einer Buchwidmung. Vgl. Sandys, Bd.2, S. 44. Die Vorreden von Aldo Manuzio waren, als sie 1540 in Lyon nachgedruckt wurden, etwa vierzig Jahre alt. (Stichprobe Nr. 19, 87, 103, 104, 124.) 37 Anthony Grafton versteht die französischen Aldinennachdrucke als einen Versuch der französischen Gelehrten, die italienische Renaissance nach Frankreich zu importieren. Er interpretiert sie als "Traum des perfekten Humanismus", an den die Franzosen anknüpfen wollten. (Persönliches Gespräch, August 1995) Angesichts der Diskrepanz zwischen der geringen Zahl von Gelehrten in Frankreich und der überaus großen Zahl
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Als Haupttätigkeit des Editors wurde die Textverbesserung in den Vorreden genannt, wobei den Bearbeitern bewußt war, daß es sich um einen längeren Prozeß handeln würde, auf dem die jeweilige Edition nur eine Zwischenstufe darstellte. Aldo Manuzio stellte in diesem Sinne seine Lukrez-Ausgabe von 1500 als einen Schritt auf dem Weg zum originalgetreuen Text vor: „Aus unserer Druckerei erscheint nun ein Lukrez, der sehr viel korrekter ist, als es üblich ist. Dafür müssen wir unserem Andrea Navagero sehr dankbar sein, der sie, obwohl er dringende eigene Beschäftigungen hatte und ihn unsere Drucker ungestüm drängten, doch so sorgfaltig durchgegangen ist."38 Auch Giovanni Giocondo meinte in seiner Caesar-Ausgabe, die bei Aldus in Venedig 1513 erschien und 1519 in Lyon nachgedruckt wurde, daß „fast alles in seinen alten Glanz zurückversetzt wurde. Es sind höchstens noch einige ganz kleine Fehler vorhanden." 39 Seine kritische Einschätzung zeigt, daß ihm bewußt war, daß zwischen seiner Textversion und dem Original noch ein Unterschied bestehen konnte. 40 Die emendatio und castigatio der antiken Autoren war entsprechend ihrer Bedeutung für die Humanisten ein zentrales Thema in den Widmungsvorreden der von ihnen bearbeiteten Texte. Zwei Drittel aller Bearbeiter äußerten sich in ihren Texten explizit zu ihrer Tätigkeit.41 „Ich habe mich zuerst um die Stellen, die durch die Kühnheit der falschen Korrektoren entstellt waren, gekümmert. Sie wurden korrigiert", beschrieb Raffaele Regio seine Tätigkeit. Außerdem habe er die Teile, die durch geschmacklose Einschübe voneinander getrennt worden waren, wieder zusammengefugt und die ursprüngliche Ordnung wieder hergestellt. 42 Erasmus begann eine Vorrede: der Nachdrucke scheint mir diese Einschätzung nicht zutreffend zu sein. Einen derart hohen Symbolgehalt kann meines Erachtens ein Massenprodukt, das von den meisten Benutzern nicht in seiner ursprünglichen Funktion als gelehrte Lektüre, sondern zum Spracherwerb verwendet wurde (s.u. Kapitel III. 1.), nicht transportieren. 38 124, S. 276. Quod autem longe correctior emittitur nunc Lucretius ex aedibus nostris, quam consueverit, habenda est potissimum gratia Andreye Naugerio nostro: qui eum, quamquam cursim propter ipsius occupationes, et importunam impressorum nostrorum festinantionem, tamen accurate recensuit. 39 6, Z. 83 ff. Ex quo effectum est, ut pauca admodum restent, quae in suum nitorem restitua non sint. Sed et eas fortasse aliquis aliquando maculas deterget, nobis id satis sit egisse, ut perpaucae omnino reliquae sint. Zur Biographie vgl. Giovanni Giocondo (um 1433-1515): Aldo Manuzio editore, S. 358f. 40 Solange es keine "kritischen Ausgaben" der antiken Autoren gab, war es nötig, den Herausgeber zu nennen, um die Ausgabe identifizieren zu können; vgl. Monfasani, S. 9. 41 In den folgenden Vorreden von Editionen klassischer Autoren beziehen sich die Herausgeber auf ihre Tätigkeit: 6, 12, 16, 37, 58, 59, 114 ,124, 150, 156, 177, 193, 199, 200, 279, 260, 171, 198, 192, 245. 42 12, fol. a4ve. Inprimisque illud curavi ut complura loca qui falsorum correctorum temeritate fuerant depravata: corrigerentur: et que ineptiarum pessime de tam egregio
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„Die gemeinhin Cato zugeschriebenen M o r a l s p r ü c h e ... h a b e ich zunächst sorgfaltig von Fehlern gereinigt und mit der A u s l e g u n g des P l a n u d e s verglichen ... Ich habe kurze Erläuterungen b e i g e f u g t . " 4 3 U n d A n t o n i o F r a n c i n i erläuterte in s e i n e r S u e t o n - A u s g a b e , d i e 1 5 2 0 in L y o n erschien: „Ich habe also den A u t o r , der zerrissen und durcheinander w a r und d e m Worte verfälscht waren, aus verschiedenen sehr alten E x e m p l a r e n in eines zusammengefaßt."44 Die humanistische M e t h o d e der Textkritik bestand darin, verschiedene Handschriften und frühe Druckausgaben zu vergleichen und in einer volls t ä n d i g e n V e r s i o n z u s a m m e n z u f a s s e n . A n g e l o P o l i z i a n o h a t t e E n d e d e s 15. J a h r h u n d e r t s als e i n e r d e r ersten d i e E r k e n n t n i s f o r m u l i e r t , d a ß v e r s c h i e d e n e H a n d s c h r i f t e n d e s s e l b e n T e x t e s in e i n e m V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r s t e h e n , d a s e i n e r G e n e a l o g i e g l e i c h t . 4 5 A u c h in d e r a n t i k e n Literatur w i e s e r d i e s e s A b h ä n g i g k e i t s v e r h ä l t n i s n a c h , i n d e m er feststellte, in w e l c h e m M a ß e r ö m i s c h e Dichter griechische Worte verwandten oder griechische Texte nachdichteten. Poliziano w a r einer der ersten westlichen Philologen, dessen Griechischkenntnisse denen der griechischen Gelehrten vergleichbar waren. Er konnte seine gelehrten Kollegen davon überzeugen, daß die humanistischen Sprachstudien auf die Bereicherung durch die griechische Sprache angewiesen w a r e n . I m G e g e n s a t z z u s e i n e n Z e i t g e n o s s e n interessierte sich P o l i z i a n o w e n i g e r f ü r d i e m ö g l i c h e a k t u e l l e R e l e v a n z d e r a n t i k e n T e x t e . E r sah k e i n e m o r a l i s c h e F u n k t i o n in d e n k l a s s i s c h e n S t u d i e n , s o n d e r n b e s c h r ä n k t e s i c h
opere meriti interpositione insulsissime fuerant separata: connecterentur: ita que omnia disponerentur. Zur Biographie vgl. Raffaele Regio (7-1520): ABI 836, 300-303. 43 58. Zitiert nach: Erasmus von Rotterdam, Briefe, verdeutscht und herausgegeben von Walther Köhler, Wiesbaden 1947. (Erweiterte Ausgabe von Andreas Flinter, Darmstadt 1995), S. 107. 44 3 7, fol. a2ve. Hunc igitur tarnen talemque scriptorem, mutilum, lacerum, suis numeris perturbatum, verbis adulteratum, collatis in unum plurimis antiquissimis exemplaribus ... Zur Biographie vgl. Antonio Francini (1. Hälfte des 16. Jahrhunderts): ABI 433, 92. 45 Wort-fiir-Wort-Kommentare, die noch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts üblich waren und zu jedem Wort des lateinischen Textes Synonyme und Verweise angaben, wurden abgelöst von Kommentaren zu einzelnen rhetorischen oder grammatischen Problemen der Texte. Angelo Poliziano (1445-1494) hatte diese neue Art der Handschriftenkritik angeregt. Die Explicationes suarum in Ciceronem castigationum von Pietro Vettoni, die als dritter Band seiner Cicero-Ausgabe 1536 (Nachdruck in Lyon 1540) konzipiert waren, sind ein Beispiel fur unabhängig vom Text erschiene Kommentare. Dieser Prozeß wurde vor allem von Anthony Grafton untersucht; vgl. Renaissance Readers and Ancient Texts, in: ders.; Defenders of the Text. The Tradition of Scholarship in an Age of Science 1450 - 1800, London 1991, S. 23-46; ders., Scaliger; ders., Teacher, text and pupil in the Renaissance classroom: a case study from a Parisian college, in: History of the Universities, 1(1981), S. 37-70.
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ganz auf die literarische, textkritische und stilistische Interpretation.46 Keine seiner Editionen brachte Poliziano zum Abschluß, doch er stand in regem Briefkontakt zu den Gelehrten seiner Zeit, denen er seine Überlegungen mitteilte und die so in deren Editionen einflössen.47 Trotz der weiten Verbreitung seiner Schriften blieb Poliziano ohne Nachfolger, die seinen philologischliterarischen Ansatz weiterentwickelt hätten. Die Verbindung von literarischer und textkritischer Interpretation blieb Polizianos Domäne. Lediglich seine Methode der Textkritik wurde von den meisten Herausgebern in mehr oder weniger vollständiger Form angewandt. Pietro Vettori etwa strebte in seinen Cicero-Editionen der 1530er Jahre an, alle abweichenden Lesarten zusammenzufassen, der literarische Wert der antiken Überlieferung hingegen beschäftigte die französischen Philologen nach 1550 48 Der Herausgeber der Werke Caesars, die 1513 bei Aldo Manuzio erschienen, Giovanni Giocondo, zeigte sich als Nachahmer von Polizianos textkritischer Arbeitsweise. Er berichtete über seine Ausgaben: „Daß sie viel besser sind als die früheren Editionen, wird jeder, der sich die Mühe gibt zu vergleichen, leicht erkennen. Ich habe viel daran gearbeitet, habe viele Ausgaben in ganz Gallien und in der Provinz gefunden und sie alle zusammengefügt. Dann habe ich mehrere venezianische Gelehrte zusammengerufen und ihnen alles zur Begutachtung vorgelegt". 4 9
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Anthony Grafton vertritt die These, daß die klassischen Studien Polizianos nur wegen des Verzichts auf die moralische Funktion der Texte für die Medici als Mäzene interessant waren, ebenso wie der "elegant nonsense of the Neo-Platonists". Inwieweit dies als Aussage über die moralischen Standards der Medici zu verstehen ist, führt er leider nicht aus; vgl. Grafton, Anthony, The Scholarship of Poliziano and its Context, in: ders.: Defenders of the Text. The Traditions of Scholarship in an Age of Science, 14501800, Cambridge, Mass., 1991, S. 47-75, hier S. 73. 47 Außerdem verfaßte er Kommentare zu Einzelproblemen, die unter dem Titel Miscellanea publiziert wurden. Die erste Zenturie der Miscellanea, die Poliziano Lorenzo de'Medici widmete, erschien 1489. Seine Briefe wurden in die beliebten und oft publizierten Sammelbände von Briefen berühmter Männer aufgenommen. In Lyon erschien 1499 ein Band mit dem Titel Illustrium virorum epistolae, der Briefe von 38 berühmten Männern enthielt, darunter die Gelehrten "Angelus Politianus, Johannes Picus Mirandula, Ermolaus Barbarus, Pomponius Laetus, Baptista Guarinus, Philippus Beroaldus" und auch die Mäzene "Laurentius Medicis" und "Lodovicus Sforza". (HAB 149.4 Qu 2° (2)). 48 Vgl. Grafton, Poliziano, S. 65-74; Grafton, Scaliger, S. 55 und 87; Pfeiffer, S. 6 1 65. 49 6, fol. A3re. Quae quanto reliquis, quae hactenus impressa circunferuntur castigatiora sint, cuiusque ea conferre libuerit, castigatiora sint, cognitu erit facillimum. Ego quidem in eo multum elaboravi, conquisivi multa tota Gallia exemplaria, ..., contuli omnia, diligenter excussi, neque meo tantum iudicio contentus fui, sed cum multa undique collegissem, eruditos plures demum Venetiis convocavi, eorumque ingeniis omnia subieci iudicanda, neque quicquam non perpensum.
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Klassikereditionen waren oft eine Gemeinschaftsarbeit. Die in den Humanistenbriefen so oft beschworenen Beziehungen innerhalb der res publica literarum waren hier real. Besonders in Rom oder Venedig, wo sich Ende des 15. Jahrhunderts bedeutende Drucker-Verleger etabliert hatten, arbeiteten Gelehrte gemeinsam an den Handschriften und Erstausgaben.50 Noch 1550 war diese Form der humanistischen Gruppenarbeit üblich. Guillaume Blanc bedankte sich in der Widmung seiner Cassius-Dio-Ausgabe zunächst bei seinem Mäzen, der ihm ein Manuskript des Bearbeiters Xiphilinus zur Verfügung gestellt hatte, und fuhr fort: „So habe ich in diesem Sommer bei meinem Aufenthalt auf dem Lande gemeinsam mit dem berühmten Kardinal Jacopo Sabello daran gearbeitet, daß ich bei unserer Rückkehr in die Stadt Dir Deinen Xiphilinus in lateinischer Sprache geben und widmen kann." 51
Die Aufgabe eines Herausgebers hatte bereits Raffaele Regio in der Widmung seiner Ovid-Ausgabe, die 1493 erstmals erschien, beschrieben. Es sei nicht damit getan, nur alles zusammenzutragen und ein neues Buch daraus zu machen, auch sollten die Fehler nicht lediglich verbessert werden. Manche Kommentatoren vergäßen beinahe ihre eigentliche Aufgabe: die dunklen Stellen der Autoren so zu erläutern, daß man sie verstehen könne.52 Zudem mußte der Herausgeber um seine Anerkennung beim Publikum kämpfen. Giovanni Giocondo beklagte sich, daß ihm, „der etwas Fremdes bearbeitete und nicht etwas von sich selbst herausgab, die Frucht des Lobes entrissen werde".53 Giocondo sah einen Grund für dieses Mißverhältnis darin, daß die Leser das Werk des Autors offenbar höher einschätzten als das des Bearbeiters. Er hingegen argumentierte, daß der Bearbeiter einem Bauern vergleichbar sei, der einen verwilderten Acker von Dornensträuchern befreite. Er verdiene für diese schwierige Arbeit besonderes Lob, zumal sie außerdem den Studenten der Literatur nützlich sei.54 Bei genauerer Betrachtung, so argumentierte Giocondo, sei die Tätigkeit des Herausgebers sogar noch anspruchsvoller als die Arbeit des Autors, denn er müsse auf einem begrenzten Gebiet die besten Ergebnisse erreichen, während der Autor frei umherschweifen kön50 Monfasani, S. 13. Zu den von Giocondo erwähnten venezianischen Gelehrten gehörte vermutlich auch der Verleger der Originalausgabe, Aldo Manuzio, selbst, der in kaum einer seiner eigenen Widmungsvorreden versäumte, auf den gelehrten Austausch unter seinen Autoren hinzuweisen. 51 150, S. 4. Itaque cum rusticarer hac estate cum Iacobo Sabello, nobilissimo et clarissimo Cardinali, omni studio contendi, ut hunc Xiphilinum tuum, cum in urbem redissemus, tibi possem latinum offerre, ac dicare. Zur Biographie vgl. Guillaume Blanc (um 1520-1588): Griechischer Geist aus Basler Pressen, S. 381. 52 12, fol. a4ve. 53 6, fol. A2re. Quod enim in alieno elaborat, neque suum aliquod ipse edit, id apud multos eiusmodi est, ut omnem quem pro laboribus meretur laudis fructum, intercipiat. 54 6, fol. A2re.
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Eruditus; Der gelehrte Leser
ne. Der Herausgeber könne zudem aus den verschiedenen Lesarten, die er zusammentrage, nicht die auswählen, die ihm am besten gefiele, sondern nur die, die zu den übrigen überlieferten Schriften des Autors am besten passe. Und wenn man die Nützlichkeit des Ganzen berücksichtige, würde man den Bearbeiter noch höher schätzen.55 Am Ende dieser Argumentation sollte der Leser wissen, worin die Tätigkeit des Herausgebers bestand und nicht umhin können, dessen Leistung tatsächlich einige Stufen über die des Autors zu stellen. Zur Selbstdarstellung des humanistischen Herausgebers gehörten neben dem Lob der sorgfältigen Arbeit, der guten Beherrschung der lateinischen Sprache und der gemeinsamen Verbesserung der überlieferten Texte offenbar zwei weitere Bereiche: das gemeinschaftliche Lamento über die schlechte Qualität der Überlieferung, die schlechte Arbeit der Drucker und früheren Herausgeber, sowie der Hinweis auf die anstrengende, nächtliche Tätigkeit der Gelehrten. Bereits der Verfasser der frühesten in der Stichprobe enthaltenen Druckvorrede, Pomponio Leto, stimmte 1491 in die Klagen der Retter der Antike ein: „Es wird mehr auf den Gewinn (wonach die Sterblichen begierig sind) als auf die Verbesserung geachtet... In den seit drei Jahren erscheinenden Ausgaben der Bücher Sallusts haben wir festgestellt, daß vieles hinzugefügt und zum Falschen verändert worden war." 56
Erasmus schrieb 1526 mit spitzer Feder: „Ich muß noch meine Klagen über gewisse Drucker vorbringen, die der Literatur den denkbar schlechtesten Dienst erweisen. ... Durch Gesetze ist dafür gesorgt, daß niemand als Schuster oder Schreiner arbeitet, wenn er nicht von der zuständigen Handwerksgilde anerkannt ist. Aber die großen Autoren ... werden von Leuten herausgebracht, die so ungebildet sind, daß sie kaum lesen können, so faul, daß sie nicht einmal die Druckabzüge durchsehen, und so geizig, daß sie eher bereit sind, Tausende und Abertausende Fehler in einem guten Buch stehen zu lassen, als die paar Zechinen zu opfern, die ein Korrektor kosten würde." 57 55
6, fol. A2re und A2ve. 16, fol. A4re. Lucro potius (cuius mortales avidissimi sunt) quam emendationi consulitur ... Etenim ab his annos tris cum libris Sallustii ... sepius repeterem: contractis antiquis exemplaribus invenimus multa esse addita multa esse prepostere commutata. Die editio princeps der Werke Sallusts erschien bereits 1470 in Venedig. Möglicherweise waren von dieser Ausgabe keine Exemplare nach Rom, wo Pomponius wohnte, gelangt. Zur Biographie vgl. Pomponio Leto, auch: Giulio Sanseverino (?—1497): ABI 803, 3 8 47; Pfeiffer, S. 72; Burckhardt, S. 200f. 57 Erasmus, Adagiorum Chiliades (Adagia Selecta). Mehrere tausend Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten (Auswahl). Dialogus cui Titulus Ciceronianus sive de optimo dicendi genere. Der Ciceronianer oder der beste Stil. Ein Dialog), übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Theresia Payr, Darmstadt 1972. (Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, Bd.7), S. 491. 56
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Und noch um 1555 gehörte es zum guten Ton humanistischer Selbstdarstellung, darauf zu verweisen, daß man die Spuren der fehlerhaften Überlieferung zu tilgen habe. Der Verleger Paolo Manuzio hatte dem französischen Philologen Marc-Antoine Muret den Band der Terenz-Komödien anvertraut, damit er „diese sorgfaltig überprüfe und sie nach Hinzuziehung alter Bücher und unter Berücksichtigung meines Urteils von den Fehlern reinige, die durch die Nachlässigkeit, Unwissenheit und Frechheit einiger anderer j e n e verfälscht hatten". 5 8
Die abschätzigen Aussagen der Gelehrten über ihre Vorgänger waren eine Gelegenheit, sich selbst zu profilieren. Je schlechter die Vorlage, desto größer war die Leistung des Emendators. Die Werbewirkung dieser Feststellung auf den ersten Seiten eines Buches war den Bearbeitern nicht verborgen geblieben. Eine Ausgabe, in der nicht auf die castigationes hingewiesen wurde, würde nur wenige Kunden finden, scheinen die Verleger gedacht zu haben, denn längst nicht in allen Ausgaben, die in der Vorrede und auf der Titelseite als „verbessert" angekündigt wurden, entsprach dies den Tatsachen.59 Das blieb den peniblen gelehrten Lesern nicht verborgen. Erasmus rügte diese Praxis einiger Verleger: „Und niemand macht großartigere Versprechungen auf dem Titelblatt als ausgerechnet die, die die Texte am skrupellosesten verderben."60 Ein weiteres Muster gelehrter Selbstdarstellung bezog sich auf die Arbeitszeit: Im Gegensatz zu Handarbeitern, die tagsüber tätig waren, entfaltete ein 58 2 00, S. 6. ... ut eas accurate recognoscerem, adhibitisque veteribus libris, iudicioque etiam meo, perpurgarem ab iis mendis, quibus illas aliorum quorundam negligentia, inscitia, audacia contaminasset. Zur Biographie vgl. Marc-Antoine Muret (1526-1585): Pfeiffer, S. 143; ABF 772, 305-358. 59 Vgl. Moss, Ann, Ovid in Renaissance France. A survey of the latin edition of Ovid and commentaries printed in France before 1600, London 1982, S. 60. Moss weist nach, daß zahlreiche Ovid-Ausgaben entgegen dem Hinweis auf der Titelseite keinen verbesserten Text enthielten. Auch Muret verwies immer mit Stolz auf seine Textverbesserungen, unabhängig davon, ob er den Text tatsächlich bearbeitet hatte oder nicht; vgl. Grafton, Scaliger I, Kap. 3 und 6. Daß es sich bei den auf der Titelseite angekündigten Verbesserungen meist lediglich um leichte stilistische Veränderungen handelte, wies Marianne Pade nach; vgl. Pade, Marianne, Thucydides, in: Catalogus Translationum et Commentariorum, Hg. P.O. Kristeller, F. Edward Cranz, Virginia Brown, Bd.8, Washington D.C. 1999. Der italienische Literaturwissenschaftler Paolo Trovato zeichnet in seiner Untersuchung (Con ogni diligenza corretto. La stampa e le revisione editoriali dei testi letterari italiani (1470-1570), Bologna 1991) den Einfluß des Buchdrucks auf die Entwicklung der italienischen Orthographie nach. Zum großen Teil stützt er sich dabei auf die Vorreden der Verleger, die, ähnlich wie die humanistischen Herausgeber, ihren Einfluß auf die Verbesserung des Textes herausstellten. Allerdings problematisiert Trovato an keiner Stelle den werbenden Charakter der Textgattung. Vermutlich hielten es die italienischen Verleger mit der Wahrheit nicht anders als die Bearbeiter klassischer Texte. 60
Erasmus, Adagia II 1,1, dt., S. 491.
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Gelehrter seine geistige Tätigkeit bei Nacht. Lucubrationes, Nachtarbeiten, ist die gebräuchliche Bezeichnung, mit der die Gelehrten ihre Werke bezeichneten. Dieses Stereotyp war Bestandteil der Stilisierung wissenschaftlicher Tätigkeit und wurde als solches in nicht wenigen Vorreden und Widmungen verwendet. Daß die so beschriebene Lebensweise in der praktischen Durchfuhrung ungesund war, wurde selbstverständlich nicht in den für die Selbstdarstellung relevanten Texten erörtert. Andererseits hatte der florentinische Gelehrte Marsilio Ficino bereits 1482 ein Buch „Über die Gesundheit der Gelehrten" verfaßt, in dem er die gesundheitlichen Risiken der wissenschaftlichen Arbeit beschrieb: Anstrengende Konzentration auf abstrakte Gegenstände, sitzende Lebensweise, Mangel an Schlaf wegen tief in die Nacht dauernder Studien erkannte er als der Gesundheit abträglich.61 Ficino empfahl als Therapie einen hellen Arbeitsraum, Massage und Bewegung an frischer Luft sowie maßvolles Essen. Seine Empfehlungen scheinen als Arbeitsort eine villa etwa in den Florentiner Bergen zu beschreiben, und es ist durchaus wahrscheinlich, daß Gelehrte derartige Arbeitsbedingungen vorzogen. Texte der öffentlichen Selbstdarstellung waren allerdings nicht der Ort, an dem man sich über derartige Fragen äußerte.62 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß einem Gelehrten nicht nur an seiner wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch an seiner Selbstdarstellung lag. Humanistische Herausgeber, wie sie sich selbst darstellten, waren philologisch arbeitende Gelehrte, die verschiedene Handschriften zusammentrugen und verglichen. Sie berieten sich mit den anderen Mitgliedern der Gelehrtenrepublik und formten so eine Version des antiken Textes, die dem Original so nah wie möglich kam. Kommentare und Annotationen rundeten die neuen Ausgaben der antiken Texte ab63. Gemeinsam schimpften sie über den Niedergang der lateinischen Sprache und die schlechte Überlieferung der antiken Kultur. Bemerkenswert ist allerdings, daß die Formulierungen, mit denen sie ihre Tätigkeit beschrieben, sich so sehr ähnelten, daß dies vermutlich nicht nur an der Ähnlichkeit der Tätigkeit lag. Diese humanistischen Topoi hatten wohl auch eine gesellschaftliche Funktion: Sie dienten als Mittel der Humanisten, sich gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen abzugrenzen. Die Selbstdarstellung der Philologen änderte sich in der Zeit von der Erfindung des 61 Band 1 von De triplici vita trägt den Titel De studiosorum sanitate tuenda. Es erschien im 16. Jahrhundert in 30 Auflagen; vgl. Buck, August, Die Medizin im Verständnis des Renaissancehumanismus, in: Humanismus und Medizin, Hg. R. Schmitz, G. Keil, Weinheim 1984, S. 181-198, hier S. 189; vgl. auch: Kahl, E., Die älteste Hygiene der geistigen Arbeit: Die Schrift des Marsilius Ficinus De vita sana ... sive de cura valetudinis eorum qui incumbent studio litterarum (1482), in: Neue Jahrbücher für klassisches Altertum 9(1906), S. 4 8 2 - 5 4 6 und S. 599-619. 62 Vgl. Nr. 6 , 3 7 , 171, 16. 63 Vgl. zum Aspekt der Selbstdarstellung der Gelehrten: Lisa Jardine, Erasmus, passim.
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Buchdrucks bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes nur wenig. Doch eignete sie sich als Abgrenzungsstrategie schließlich immer weniger: Autoren und Herausgeber, die keine Philologen waren und nicht mit der Tradition der Antike befaßt waren, schlüpften ab Mitte des 16. Jahrhunderts in das Gewand der humanistischen Selbstdarstellung, um ihre Arbeit ebenfalls als wissenschaftlich darzustellen.
2. Die notwendigen Leser: Mäzene und Verleger Die Mitgliedschaft in der Gelehrtenrepublik konnte theoretisch jeder erwerben, der sich am Briefaustausch beteiligte. Voraussetzung war lediglich die ausreichende Beherrschung der lateinischen Sprache einschließlich der üblichen Formeln. Gedruckte Briefsammlungen gelehrter Männer, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts oft aufgelegt wurden, lassen erkennen, daß die Teilnehmer des BriefVerkehrs unterschiedlicher Herkunft waren. Neben Briefen der Gelehrten Angelo Poliziano, Guarino Veronese, Marsilio Ficino und Pomponio Leto enthielten sie Schreiben der Mäzene Lorenzo de'Medici und Lodovico Sforza. Briefe des Verlegers Aldo Manuzio sind in diesen Sammlungen ebenfalls enthalten.1 Bei genauerer Lektüre dieser Briefe wird allerdings deutlich, daß es unter den Autoren der Briefe eine Hierarchie gab, die mit der „beruflichen" Tätigkeit des Verfassers der Briefe in Beziehung stand. Gelehrte, Mäzene und Verleger scheinen unterschiedliche Funktionen innerhalb der res publica literarum eingenommen zu haben. Gemeinsame Interessen von Gelehrten und Mäzenen Nur wenige Gelehrte gelangten in Positionen, die sie finanziell unabhängig machten. Manche verdienten ihren Lebensunterhalt als Schreiber oder Hauslehrer bei Mäzenen, andere übten öffentliche Ämter in einer der italienischen Stadtrepubliken aus.2 Um ihre Arbeitsmittel - unpublizierte Handschriften antiker Texte - zu erwerben, waren die meisten humanistischen Gelehrten auf wohlhabende Gönner angewiesen.3 Das Engagement der Mäzene und die 1
Vgl. Illustrium virorum epistolae, Lyon (Nikolaus Wolf für Anton Koberger) 1499. [HAB 149.2 Qu 2°(2)]. Zur Funktion der Briefsammlungen vgl. Mesnard, S. 23. 2 Vgl. Martines, Lauro, The Social World of the Florentine Humanists, 1390-1460, Princeton, N.J., 1963, S. 8 5 - 9 9 und 145-198. 3 Der Markt für Handschriften entwickelte sich erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts. In der ersten Zeit des Humanismus hatten die Gelehrten die in Europa verfügbaren Handschriften bearbeitet, die sie in Klosterbibliotheken fanden und mitnahmen, ohne sie zu kaufen. Der aktivste Handschriftenjäger in Westeuropa, Poggio Bracciolini ( 1 3 8 0 1459) nutzte als päpstlicher Sekretär seine Reise zum Konzil von Konstanz, um die deutschen und französischen Bibliotheken nach Abschriften durchzusehen. Bei seiner Suche fand er vor allem zahlreiche Texte von Cicero und Quintilian; vgl. Pfeiffer, S. 49-51.
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Eruditus: Der gelehrte Leser
Entwicklung der Philologie gingen Hand in Hand und ermöglichten, die Suche nach Manuskripten auf das Gebiet des ehemaligen byzantinischen Reiches auszudehnen. Cosimo und Lorenzo de'Medici waren die ersten Mäzene, die eine große Bibliothek aus Manuskripten aufbauten.4 Auf lange Sicht jedoch entwickelten sich die Mäzene zu einer gebildeten Lesergruppe, die zwar in Beziehung zur Gelehrtenrepublik stand, doch dabei ein eigenes Profil aufwies. Sie verfaßten im allgemeinen keine Texte mehr, weder Übersetzungen noch Kompilationen oder Briefe, und entfernten sich so von den Gelehrten. Mit den Buchkäufern und -lesern, die nicht als Patrone hervortraten, hatten die Mäzene mehr Gemeinsamkeiten als mit den gelehrten Humanisten. Wie die Mäzene von Mitgliedern der Gelehrtenrepublik zu Außenstehenden wurden, läßt sich anhand der Widmungsbriefe der in der Stichprobe enthaltenen Klassikerausgaben nachzeichnen. Da diese Entwicklung in engem Zusammenhang mit der Rezeption des Humanismus in Frankreich steht, die von Paris ihren Ausgang nahm und sich in den Lyoner Quellen nur unvollständig widerspiegelt, ist es nötig, an dieser Stelle kurz auf die Pariser Entwicklung einzugehen. In Frankreich wurde bis etwa 1520 humanistisches Gedankengut vor allem von Mitgliedern der Artesfakultät der Pariser Universität rezipiert. Hier wurde im Lehrplan der Anteil der Logikvorlesungen zugunsten von Literatur und Mathematik reduziert, das von den italienischen Humanisten verbesserte Latein aufgegriffen und die Griechischstudien verstärkt. Wie bei den italienischen Gelehrten stand das Bemühen im Mittelpunkt, das antike Erbe in seine Originalform zurückzuversetzen und zu verbreiten.5 Die historischen Studien der Artesfakultät brachten Editionen und Übersetzungen der klassischen Historiker sowie historische und antiquarische Untersuchungen hervor.6 Außerdem interessierten sich die Pariser Humanisten für ihre eigene Geschichte und edierten daher die mittelalterlichen Geschichtswerke. Die historische Entwicklung des Zivilrechts war ein Arbeitsgebiet der französischen humanistischen Juradoktoren. Der französische König und seine Amtsträger, officiers, trugen die Entwicklung des französischen Humanismus weiter, nachdem sich die Pariser Universität seit 1520 vorrangig dem Kampf gegen die aufkeimende Reforma-
4 Angelo Poliziano hatte als Hauslehrer der Kinder von Lorenzo de'Medici eine Stelle, um die ihn sicher viele Gelehrte beneideten. Tommaso Parentucelli (1397-1455) erfüllte sich einen Jugendtraum, als er nach seiner Wahl zum Papst (Nikolaus V.) klassische Handschriften für die Bibliotheca Vaticana kaufte; vgl. Pfeiffer, S. 49f und 70; Grafton, Scaliger, S. 14. 5 Rice, Eugene F. ,The Patrons of French Humanism, in: Renaissance. Studies in Honor of Hans Baron, Hg. v. Anthony Molho und John A. Tedeschi, Florenz 1971, S. 687 702, hierS. 701. 6 Vgl. Grafton, Scaliger, S. 74.
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tion widmete.7 Guillaume Budé8 als königlicher Bibliothekar, dessen Familie schon seit mehreren Generationen im Dienste des Königs stand, regte François I. im Jahre 1530 an, das Collège Royal zu gründen. Diese Einrichtung wurde in der griechischen Philologie, der philologischen Leitdisziplin jener Zeit, führend. Hier, nicht an der traditionalistischen Universität, entwikkelten internationale Gelehrte die italienischen philologischen Methoden weiter.9 François I. wurde so zum Mäzen der humanistischen Wissenschaft. Zahlreiche Widmungen der Stichprobe heben dies lobend hervor.10 Die Pariser Gelehrten stellten um die Jahrhundertwende ihren neuen Textausgaben entsprechend den italienischen Vorbildern meistens ein Widmungsschreiben voran, aus dem man Rückschlüsse auf den gelehrten Diskussionskreis ziehen kann. Dabei fällt auf, daß die meisten Gelehrten ihre Editionen den Kollegen, Professoren an den collèges, oder Geistlichen widmeten, wobei sich diese Gruppen stark überschnitten. Wie zuvor in Italien fand der Austausch innerhalb der Gelehrtenrepublik statt. Die wenigsten Widmungen gingen an Personen außerhalb des gelehrten Netzes, wobei die nicht-gelehrten Adressaten ebenfalls eine homogene Gruppe bildeten: Königliche Beamte, officiers, ließen sich als Mäzene in Widmungstexten feiern, selbst wenn bei weitem nicht alle Beamten den Humanismus förderten. Fast alle Patrone kamen aus Beamtenfamilien, die im 15. Jahrhundert als Kaufleute in Tours, Blois oder Orléans zu Reichtum gekommen waren und dann über Ämter in der Stadtverwaltung in die expandierende königliche Verwaltung aufgestiegen waren.11 Die Mäzene der in der Stichprobe enthaltenen Originalausgaben stammten meistens aus Lyon oder aus der Umgebung.12 Sie zeigen, daß der Humanismus außerhalb von Paris durchaus Wurzeln geschlagen hatte. Auch in Städten 7
Vgl. Le Goff, Jacques, Die Intellektuellen im Mittelalter, Stuttgart 1986, S. 163-
167. 8
Zur Biographie vgl. Guillaume Budé (1467-1540): Grente, S. 130f. Vgl. Grafton, Scaliger, S. 87-99; Pfeiffer, S. 13lf. 10 Der König trat auch als Mäzen der Künstler auf: Er bat italienische Maler und Bildhauer an den Hof, die ihre Ausbildung in franko-flämischer Malerei vervollständigten und förderte die Dichter der raffinierten französischen Redekunst, die Rhétoriqueurs. Im Umkreis des Hofes entwickelte sich die französische Literatur weiter. Die Pléiade, das Siebengestirn, fand hier sein Publikum. Marguerite de Navarre verfaßte Lyrik, mystische Schriften und eine Novellensammlung L'Heptaméron nach dem Vorbild von Boccaccios Decamerone, das sie übersetzen ließ. (Diese von ihr angeregte Übersetzung von Antoine le Maçon ist in meiner Auswahl als Nachdruck von 1560 enthalten.) Vgl. Frank-Rutger Hausmann, Die Literatur der Renaissance, in: Französische Literaturgeschichte, Hg. Jürgen Grimm, Stuttgart 1989, S. 100-135, hier S. 108 - 112 und S. 124. Ein Lob von François I. enthalten unter anderen etwa Nr. 67; 212, 220. Lobend äußert sich auch Guillaume Budé, in: De l'Institution du Prince, Paris 1547, S. 93. 9
11 12
Vgl. Rice, Patrons, S. 697; Mousnier, vénalité, S. 59. Nr. 16, 12, 37, 59, 150, 198, 200, 199, 260.
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Eruditus: Der gelehrte Leser
wie Bordeaux, Toulouse oder Montpellier oder an den Landsitzen mancher Adliger bildeten sich gelehrte Zirkel, in denen Autoren Mäzene fanden.13 Nicht wenige Lyoner Originalausgaben waren hohen kirchlichen Würdenträgern gewidmet, wie dem Erzbischof von Lyon, François de Tournon, oder dem Bischof von Mâcon. Einige Werke richteten sich an weltliche Mäzene wie Claude d'Urfé, den bailli des benachbarten Forez. Verschiedene Lyoner Erstausgaben weisen reine Prestigewidmungen auf: Mit Anne de Montmorency oder Diane de Poitiers, Antoine de Navarre oder Philibert Emanuel von Savoyen waren die Lyoner Autoren sicher nicht persönlich bekannt.14 Manche Bücher sind einem Freund des Autors gewidmet, von dem man heute nur durch diese Widmung weiß: „Unsere Kinder sollen wissen, daß Barthélémy Aneau und Simon Guy gute Freunde waren", setzte ein Lyoner Lehrer und Übersetzer seinem Chirurg ein Denkmal.15 Widmungsbriefe als Humanistenbriefe Die an Mäzene gerichteten Widmungsbriefe folgten den Konventionen für humanistische Freundschaftsbriefe, doch waren sie in noch höherem Maße formalisiert als Humanistenbriefe. Sie waren gedruckter Bestandteil eines Buches und für die Veröffentlichung geschrieben. Sie eignen sich daher kaum, eine individuelle Beziehung zwischen Autor und Mäzen zu rekonstruieren. Vielmehr geben sie Hinweise darauf, welchen Konventionen die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Autor und Mäzen folgte. Erasmus' Rat, den zu loben, den man zu etwas auffordern will, galt auch im Verhältnis zwischen Autor und Mäzen. Allerdings wurden Mäzene im 16. Jahrhundert selten für die typischen Eigenschaften des Humanisten, virtus und doctrina oder ingenium und prudentia, gelobt. Eine größere Ehre als die Nennung von einem oder höchstens zwei lobenden Adjektiven wie clarissimus, illustrissimus, eruditissimus oder ornatissimus in der Anrede entboten die Gelehrten ihren Gönnern in dieser Hinsicht nicht. Während der Humanist für seine humanitas gelobt wurde, gehörte es zum guten Ton, den Mäzen für sein Mäzenatentum zu preisen und ihn vor allen gegenwärtigen und zukünftigen Lesern als Freund der Musen zu zeigen. Daß darin die einem Mäzen gemäße Haltung bestand, waren sich die Gelehrten einig. War der Mäzen Papst, hieß es: „Fahre fort, heiligster Vater, ich bitte dich, die guten Künste zu unterstützen, die sich als Schützlinge dir zu Füßen werfen und deine Hoheit gegen die rohe Unwissenheit anrufen."16 War er Gesandter oder Beamter 13 Vgl. Longeon, Claude, Une province française à la Renaissance. La vie intellectuelle en Forez au XVIe siècle, Saint Etienne 1975. 14 Nr. 190, 184, 146, 195. 15 Nr. 168. 16 171.2, S. 7. Poliziano an Innozenz Vili: Perge, obsecro, sanctissime pater, perge, inquam, fovere atque illustrare bonas artes, que sese pedibus istis sanctissimis advoluunt supplices, numenque tuum adversus rudem inscitiam, tetramque barbariem implorant.
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durfte die Wendung weniger unterwürfig ausfallen: „Ich habe dich als Freund aller Bildung und Patron der gelehrten Männer kennengelernt", wie Hieronymus Gschmus 1549 an den französischen Gesandten Louis Dangerant schrieb.17 „Du hast Dich um die Wiederherstellung der besten Autoren verdient gemacht, die vom Vergessen bedroht waren", bemerkte Guillaume Blanc über Georges d'Armagnac, ohne weiter auszuführen, auf welche Weise das geschehen war.18 „Als ich wußte, wie deine Meinung über das Studium der Weisheit und über die Studien war, die nach der Menschlichkeit streben, und mit wieviel Sorgfalt und Güte du dich um die Freunde derselben kümmertest", sei er sicher gewesen, daß dieser seinen Dienst zu schätzen wisse, lobte Wilhelm Holtzmann die Qualitäten seines Mäzens Georg von Stetten.19 „Du brennst so für das Studium der Antike, daß Deine ungeheuerlichen Aufgaben ... dich doch nicht vom Lesen und sogar Auswendiglernen der alten Bücher und Überlieferungen abhalten können", beschrieb Emilio Ferretti um 1550 den wissenschaftlichen Eifer seines Mäzens, des Kardinals François de Tournon.20 Der Mäzen zeichnete sich dadurch aus, daß er sich trotz mannigfacher öffentlicher Verpflichtungen mit den Texten klassischer Autoren beschäftigte. Er verband die vita activa mit der vita passiva.21 Daß die Mäzene lesen konnten, ist für Männer in ihren Positionen sicher, und vielleicht taten sie es sogar gern - doch um zu entscheiden, ob sie wirklich ein inniges Verhältnis zu ihren Büchern hatten, ist eine Widmungsvorrede eine denkbar ungeeignete Quelle. Zu sehr ähneln sich die Formulierungen, als daß sie eine individuelle
17 245, fol. a4ve. ... et literarum omnium amatorem, et doctorum patronum esse singularem quendam te cognovissem. Vgl. auch Xylander an Georg von Stetten (1558): 177, S. 10: Dir, den ich als einzigartigen Schmuck unseres ruhmreichen Vaterlandes und als gütigsten Freund der Musen kenne, empfehle ich mich und meine Studien. [Ego me tibi, quem singulare patriae nostrae incclyitssimae ornamentum, Musarumque benignissimum hospitem novi, studiaque meo commendo.] Zur Biographie vgl. Hieronymus Gschmus, auch: Schmauss, Gemusaeus (1505-1544): ABF 443, 4 4 8 ^ 5 2 . 18 150, S. 3. ... magnam operam posuisti in restituendis optimis authoribus, et ab oblivione vindicandis. Zur Biographie vgl. Georges d'Armagnac, Contemporaries, Bd.I. 19 177, S. 3 - 4 . Iam cum satis apud me constaret, quis esse tuus de studio sapientiae, deque iis quae ad humanitatem spectant disciplinis sensus, quantaque cum diligentiaque ... et bonitate earum cultores sectatoresque complexus Semper esses. Zur Biographie vgl. Wilhelm Holtzmann, auch: Xylander (1532-1576), DBA 1404, 15-20. 20 198, S. 14. Tarn magno studio antiquitatis flagras, ut immensae tuae occupationes, ...te tarnen non avellant a verterum literis, et monimentis legendis atque etiam ediscendis. Zur Biographie vgl. Emilio Ferretti (1498-1552): ABI 406, 66-75; François de Tournon (1489-1562): ABF 419, 19-36. 21 Auch Georges d'Armagnac fand trotz zahlreicher Gesandtschaftsreisen Gelegenheit, sich den studia humanitatis zu widmen. 150, S. 3. Vgl. auch Charton-Le Clech, Sylvie, Chancellerie et culture au XVIe siècle. Les notaires et secrétaires du Roi de 1515 à 1547, Toulouse 1993, S. 260.
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Beziehung zwischen Mäzen und Buch belegen könnten. Den Mäzen als gebildeten Leser zu präsentieren, war das Ziel der Widmung, unabhängig davon, wieviel er wirklich las. Auch in anderen Punkten lassen sich Konventionen für Widmungsbriefe erkennen. Für Humanistenbriefe hatte Erasmus geraten, auf die lange Tradition des Mäzenatentums einer Familie oder auf lange freundschaftliche Beziehungen zwischen gelehrten Familien hinzuweisen. Nur in wenigen Fällen dürften solche Beziehungen tatsächlich bestanden haben, denn sowohl der Humanismus als auch der Buchbesitz gehörten zur Kultur der Aufsteigerschicht, die erst seit kurzem zu diesem Kreis gehörten. Doch wo sie bestanden, wurden sie entsprechend dem Gebrauch in Humanistenbriefen hervorgehoben. Giovanni Giocondo schrieb an Giulio de'Medici: „Du stammst aus einer Familie, die immer den Gebildeten wohlgesonnen war. Dein Vater Lorenzo widmete sich der Wissenschaft emsig ... Dein Bruder ist allen Gebildeten sehr zugetan ... Aber du bist als so begeistert bekannt, daß du sie übertreffen wirst, wie gut sie auch sind." 22
In der Gelehrtenrepublik galten außerdem strenge Verhaltensregeln. So gehörte es zur humanitas des Humanisten, auf seine Mimik zu achten. Die Stirn solle den Ausdruck heiterer Ruhe, der Blick den Ausdruck von Sitte und Anstand und die ganze Physiognomie das Gepräge der Ehrbarkeit tragen, riet Erasmus dem formvollendeten Gelehrten.23 Bei einer Einladung sollte der Gastgeber durch die Heiterkeit seines Gastes geehrt werden. Auch die Mäzene verpflichtete man auf diesen Kodex. In den Vorreden wurden sie angesprochen, als wären sie ein Gast des antiken Autors und des Herausgebers, indem man sie aufforderte: „Ich möchte, daß du unser Geschenk mit heiterem Blick entgegennimmst" oder „Nimm das, was wir dir widmen, wie üblich mit heiterem Gesicht an".24 Erasmus hatte empfohlen, in brieflichen Aufwartungen auf die Widersacher hinzuweisen, mit denen sich der Briefautor hatte auseinandersetzen 22
6, Z. 91-107. Ex ea enim familia es, quae semper literatos mire fovit. ... Laurentius pater ita id enixe egit, ut... Frater vero ita semper literatos omnes amplexus est, ... Qua in re, tu quoque ita animatus cognosceris, ut... tanto omnes tuos superatus sis, quanto illi caeteris excelluerunt. 23 Erasmus von Rotterdam, Adagia, S. 337. Die Wendung lautet hier: "frontis hilaritas modesta". Christine Treml behandelt die Kurzformel "vultus hilaris habeas" (Du sollst ein freundliches Gesicht machen); vgl. Treml, S. 113. 24 12.2, fol. a5ve. que nunc offerimus leto ut soles vultu suscipe.; 19, fol. a2re. interea munus hoc nostrum hilari qua soles fronte accipias. Ein weiteres Beispiel: Poliziano an Innozenz III. 171.2, S. 6: Caeterum Herodianim hunc nostrum ... laeta, rogamus, fronte excipias, summe Pontifex. Man denke auch an die vielen Miniaturen und Holzschnitte, in denen der Mäzen dargestellt wird, wie er das Buch vom Autor mit heiterem Gesicht entgegen nimmt; vgl. Mortimer, Ruth, A portrait of the author in sixteenthcentury France, Chapel Hill, N.C., 1980.
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müssen, um die Ehre des Adressaten zu verteidigen. Eine ähnliche Argumentation findet sich auch in den Widmungsbriefen der Bearbeiter klassischer Texte. Deren Widersacher gefährdeten allerdings nicht die Ehre des Adressaten, sondern die des antiken Autors. Die humanistischen Gelehrten definierten sich als Retter der antiken Tradition, daher waren diejenigen, die ihr durch schlechte Überlieferung und mangelnde Wertschätzung Schaden zugefügt hatten, ihre erklärten Feinde. Kaum ein Humanist versäumte es, auf den barbarischen Umgang mit dem klassischen Erbe im Mittelalter hinzuweisen. So schrieb Pietro Vettori in seiner Ausgabe der philosophischen Texte Ciceros, die 1536 in Venedig erschien, unmißverständlich: „Einen Teil der Texte gibt es nicht mehr, weil diejenigen, die die Texte haßten, sie nachlässig behandelt haben. Ihre Dummheit kann nicht entschuldigt werden ... Aber diese Zeiten sind jetzt vorbei." 25
Die Gewinnsucht der Verleger, deren Interesse sich mehr auf den Profit als auf die fehlerfreie Überlieferung richtete, und die schlechten Lateinkenntnisse früherer Gelehrter waren die Hauptwidersacher der antiken Autoren. Den Kampf mit ihnen aufgenommen zu haben, um den klassischen Autoren wieder zu ihrem Recht zu verhelfen, rühmten sich die humanistischen Gelehrten gegenüber ihren Mäzenen. Interessengegensätze
zwischen Gelehrten und Mäzenen
Da sich die Editoren an ihre Mäzene in der Verkehrsform der Gelehrtenrepublik, dem Humanistenbrief wandten, könnte man meinen, daß sie ihre Gönner als Mitglieder ihres Kreises ansahen. Doch beeinträchtigte die ständig wachsende Zahl neuer Bücher die Harmonie zwischen Gelehrten und Mäzenen. Mehr Bücher zogen mehr Leser nach sich, mehr Leser verlangten neue Bücher, neue Bücher wurden von immer mehr neuen Autoren verfaßt. Die verschiedenen Faktoren bedingten und verstärkten sich gegenseitig. Erasmus faßte die Kritik der Gelehrten zusammen: „Aus jedem Erdenwinkel fliegen ganze Schwärme neuer Bücher aus". Selbst wenn jedes von ihnen etwas Wissenswertes enthielte, so würde sich allein schon ihre große Menge auf die Studien hemmend auswirken. Sie führten zu einer Art Übersättigung, die bei guten Dingen besonders schlimme Folgen habe. Außerdem verlangten die Menschen von Natur aus nach Abwechslung und seien allem Neuen zugetan. Sie würden daher lieber die neuen Bücher lesen und von der Lektüre der alten Autoren abgelenkt. „Diese sind aber durch nichts, was jetzt geschrieben wird, zu überbieten", schloß der überzeugte Humanist.26 25
114, S. 7/8. Acciderit autem hoc quorundam praepotentium iniuria, qui odio illarum rerum ducti, summa acerbitate libros, qui ea complectabantur, persecuti sint; sive omnium negligentia superiorum, difficile cognitu et iudicata est. Quin summa certe usi sint stultitia illi, excusari non possunt. ... Sed sit horum finis. 26 Erasmus, Adagia II 1,1, dt., S. 493.
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Seine Einschätzung der „Natur des Menschen" war zutreffend. Die Produktionsstatistik zeigt, daß die alten Autoren in den Hintergrund traten. Ihr Anteil sank von 12% im Jahre 1501 auf unter fünf Prozent am Ende des Jahrhunderts. 27 Mäzene und andere Leser widmeten sich neuen Autoren, die ihren Interessen näher lagen. Die Konsequenzen dieser Entwicklung beschrieb der Schweizer Hieronymus Gschmus 1542: „Kaum haben sich die Studien in unseren Nationen mit allgemeiner Zustimmung zu entwickeln begonnen, gehen sie schon wieder zurück. ... Ich denke, es liegt daran, daß das Geld in den Händen Unkundiger ist, die die literae nicht lieben und schätzen und die den Lohn, der den Gelehrten zusteht, Schmeichlern und Ungebildeten nachwerfen. Die Unkundigen können außerdem die Arbeit der Gelehrten nicht richtig beurteilen. Je fließender die Sprache klingt und je mehr sie der Volkssprache angeglichen ist, für desto gelehrter wird jemand gehalten. So bekommen diese den Lohn der Gelehrten."28 Diese Ausführungen in der Widmung von Gschmus an Louis Dangerant, königlicher Rat und Gesandter des französischen Königs in der Eidgenossenschaft, sind sicher etwas übertrieben. Schließlich dienten sie auch dazu, den Hintergrund in den dunkelsten Farben zu schildern, vor dem sich der gelehrte Mäzen umso leuchtender abheben sollte. Doch der Hinweis, daß es Mäzene gäbe, die mangels humanistischer Bildung die Qualität lateinischer Texte nicht beurteilen konnten, könnte durchaus zutreffend sein. Die secrétaires du Roi allerdings mußten, soweit sie Gerichtsämter innehatten, genügend Latein können, um die lateinischen Gesetzestexte lesen zu können. Vermutlich hatten einige von ihnen an einer Universität studiert und vorher eine lateinische Grundausbildung erhalten. In einer Zeit jedoch, in der die lateinische Sprache nicht einmal mehr bei Gericht gesprochen wurde, war die perfekte lateinische Sprachkenntnis fur Mäzene überflüssig. Die wenigsten Mäzene des 16. Jahrhunderts widmeten sich zudem ausschließlich der humanistischen Wissen27 Bis 1501 machten die klassischen und humanistischen Texte 12% aller Bücher aus; vgl. Monfasani, S. 7. Im 16. Jahrhundert lag ihr Anteil in der Zeit von 1530 bis 1550 etwas über dieser Marke. Dieser höhere Wert ist ein Indiz für den Ausbau des kommunalen Schulsystems in Frankreich. Die an den studia humanitatis orientierten Schulen lehrten Latein anhand von Texten klassischer Autoren; vgl. Martin, classements, S. 445; Huppert, George, Public Schools in Renaissance France, Urbana, III., 1984, S. 53f. 28 2 45, fol. a3ve/a4re. Et non adeo pridem orbis nostri nationes variae, magno consensu ea studia amplecte coeperunt, sed non pari fide in hunc usque diem retinere ac tueri videntur. ... Arbitror, quia in imperitorum manibus praemia sunt, qui cum literarum ignari sint, nec admirari eas, nec amare queunt: et quae praemia studiosis hominibus debebantur, fere largiuntur aliis, aut assentatoribus, aut sycophantis, aut omnino indoctis. Neque enim de hominum ingeniis recte iudicare norunt literarum imperiti, sed prout quisque lingua fuerit volubiliore, magisque ad vulgus accommodata, tanto existimatur doctior. Ergo aut in illos impenduntur doctorum praemia ...
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schaft. Sie übten oft das Amt aus, dem sie die Einkünfte verdankten, die sie dann den Gelehrten zur Verfügung stellen konnten. Man kann auch vermuten, daß es unter den Gelehrten im Umkreis der Mäzene mit der Kenntnis der literae nicht immer zum Besten stand. Wenn mit Schmeichelei und wohlklingenden Reden mit lateinischem Anklang mehr Geld zu verdienen war, warum sollte man sich dann noch mit den Feinheiten der lateinischen Grammatik plagen? Daß diese „Schmeichler", die ein gutes Auskommen hatten, Gelehrten wie Gschmus ein Dorn im Auge waren, ist nachvollziehbar, doch ob deswegen das Ende der literarum studia, quas vocant bonas et humaniores unmittelbar bevorstand, ist zu bezweifeln. Die zitierte Textstelle kann als Beleg für die Annahme dienen, daß Mäzene den Humanismus nicht uneigennützig förderten. Sie teilten nicht zwangsläufig die Einschätzung der Gelehrten, daß die studia humanitatis Ausdruck einer zunehmenden Kultivierung der Nation seien und dadurch einen eigenen Wert besäßen. Vielmehr versprachen sie sich von ihrem Mäzenatentum praktische Vorteile, die ihre Position in der Konkurrenz mit dem Adel stärkte. Von den nobles de race verachtet und von den Kaufleuten beneidet, sahen sich die officiers in einer Zwischenstellung, die es als eigene Position in der Hierarchie zu festigen und moralisch aufzuwerten galt. Ein Widmungsbrief im Buch eines humanistischen Gelehrten erfüllte diese Funktion. Er wies den Mäzen als Mitglied der res publica literarum aus und unterschied ihn durch diese Zugehörigkeit von seinen adligen Konkurrenten. Es war daher vielleicht weniger die Liebe zur Wissenschaft, die einige Beamte bewegte als Mäzen aufzutreten, als vielmehr der Versuch, den Mangel der Geburt durch Anerkennung in der Gelehrtenrepublik auszugleichen.29 Aber letztlich reichte auch das Mäzenatentum nicht aus, das Defizit zu kompensieren. Noch im 17. Jahrhundert wurde der Amtsadel vom Geburtsadel verachtet.30 In Bezug auf die Festigung ihrer sozialen Position waren die officiers mit ihrer Strategie jedenfalls recht erfolgreich. Sie etablierten sich als vierter Stand neben dem Adel, auch wenn sie die staatsrechtliche Anerkennung nicht erhielten. 1572 erkannte Montaigne ihnen, wenn auch mißmutig, den angestrebten Rang in der französischen Gesellschaft zu: „Gibt es denn etwas Barbarischeres, als ein Land ... in dem das Recht als Handelsware ein derartiges Ansehen genießt, daß innerhalb des Staatswesens neben den drei Ständen des Klerus, des Adels und des Volkes ein vierter aus den Leuten entsteht, welche die Prozesse handhaben, wobei dieser Stand, da ihm die Anwendung der Gesetze obliegt und er so die un-
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Vgl. Mesnard, S. 17; Rice, Patrons, S. 702. Rice, Patrons, S. 694f; Mieck, Ilja, Die Entstehung des modernen Frankreich, 1450-1610. Strukturen, Institutionen, Entwicklungen, Stuttgart 1982, S. 146; Charton, Chancellerie, S. 22. 30
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begrenzte Verfügungsgewalt über Gut und Leben der Menschen besitzt, neben dem Adel gar eine besondere Körperschaft bildet?"31 Doch trotz aller Kritik an der geringen Bildung ihrer Gönner waren die Gelehrten weiterhin auf Mäzene angewiesen, denn ohne deren große Bibliotheken konnten sie ihre Studien nicht fortsetzen. Auch wenn die Mäzene nicht dem Ideal des humanistischen Gelehrten entsprachen, konnte man ihnen die Mitgliedschaft in der Gelehrtenrepublik nicht absprechen. Schließlich lag der Anreiz für die Mäzene, die studia humanitatis zu fördern, darin, daß sie im Gegenzug als Mitglied der Gelehrtenrepublik gefeiert wurden. Hätte man sie ausgeschlossen, wäre ihr Interesse, die Gelehrten zu fordern, schlagartig erloschen. Mäzene und Gelehrte waren voneinander abhängig. Doch die Gelehrten fanden einen Weg, die Mäzene daraufhinzuweisen, daß die eigentliche Arbeit der Humanisten, die castigatio und emendatio der Texte, außerhalb ihrer Möglichkeiten blieb. Zunächst banden sie die Mäzene scheinbar in ihr Netz ein, indem sie in den Widmungsbriefen den Konventionen der Humanistenbriefe folgten und sie so als Mitglieder der Gelehrtenrepublik behandelten. In einem zentralen Punkt verweigerten sie ihnen aber dann doch die Anerkennung. Während Humanistenbriefe eine Beziehung der Bürger innerhalb des Musenstaates konstituierten, wurde in den Widmungen den Mäzenen ein Ehrenplatz außerhalb der Gelehrtenrepublik zugewiesen. Im Prinzip benutzten die Gelehrten dabei dieselbe Strategie, die sie in den Humanistenbriefen verwendet hatten, wobei sie allerdings eine kleine, aber entscheidende Änderung vornahmen. In den Humanistenbriefen hatten sie nicht mit Lob für die Qualitäten des Adressaten gespart, um anschließend die „Ähnlichkeit im Wesen" zwischen sich selbst und dem humanistischen Freund zu betonen. Die Qualitäten des Adressaten galten so auch für den Schreiber selbst. Sie ermöglichten es, daß beide gleichberechtigt als Gelehrte an die Öffentlichkeit traten. Diese „Ähnlichkeit" nun gestanden die Gelehrten ihren Mäzenen nicht zu. Gelehrte und Mäzene waren sich zwar einig, daß die Texte der antiken Autoren ein außerordentlich hohes Gut waren, das es zu bewahren und zu fördern galt. Die moralische Überlegenheit der antiken Autoren war ebenfalls unbestritten. Diese Übereinstimmung nutzten die Gelehrten jedoch, um die Mäzene aus der res publica literarum auszuschließen. In vielen Widmungstexten finden sich Wendungen wie „Weil Du so aufrichtig bist, schien mir dieses einfache Werk für dich als Geschenk angemessen"32, „Du scheinst diesem Geschenk würdig zu sein, denn der Glanz deiner Tugend und deiner Großzügigkeit ist so groß"33 oder „Ich dachte, dieses Werk sei keineswegs 31
Vgl. Montaigne, Essais, dt., S. 64. 6, fol. a3ve. ... quod candidissimis animi tui moribus, candidissimum hoc opus maxime conveniens videtur munus. 33 12, fol. a4re. Cogitanti mihi iucundissime Princeps cui potissimum meas in Ovidii 32
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deiner Vorzüglichkeit unangemessen"34. Diese Aussagen beziehen sich nicht, wie in der Humanistenkorrespondenz üblich, auf die Beziehungen innerhalb der res publica literarum. Sie stellen vielmehr eine Beziehung zwischen dem Mäzen und dem antiken Autor her. Während die Gelehrten in ihrer Korrespondenz die Freundschaft untereinander priesen und begründeten, wurden die Mäzene nicht in dieses Beziehungsnetz aufgenommen. Die Humanisten stellten nicht Autor und Adressat als humanistische Gelehrte auf die gleiche Stufe, sondern wiesen den Mäzenen einen sehr ehrenvollen Platz zu: an der Seite der antiken Autoren selbst, doch außerhalb der Gelehrtenrepublik. Die Gelehrten gestanden so den Mäzenen eine Art Ehrenmitgliedschaft zu, die sie zwar formal in die Gelehrtenrepublik einband, vom engeren Kreis der Gelehrten jedoch ausschloß. Zeitgenössischen wie heutigen Lesern vermitteln die Widmungsbriefe der Klassikerausgaben das Ideal eines humanistischen Gelehrten und eines Lesers, des Mäzens. Worin die Tätigkeit eines Übersetzers oder Herausgebers bestand, erfahrt man ebenso wie die einem Mäzen angemessene Verhaltensweise. Dabei ist es unerheblich, ob Herausgeber oder Mäzen im Einzelfall tatsächlich taten, was in der Widmung beschrieben war. Beide sind Teil eines idealen Bildes der gelehrten Welt. Die Rolle der Verleger Eine weitere Facette fügten die Verleger diesem Bild hinzu, indem sie die Reihenfolge der Vorreden, Texte und Indices in den Büchern festlegten. Schon bald nach der Erfindung des Buchdrucks entwickelte sich hier eine symbolische Sprache, die den verschiedenen Teilen des Buches wie Titelseite, erste Seiten und letzte Seiten eine Bedeutung zuwies. Sie erlaubte es Autor, Verleger und Bearbeiter in ein angemessenes Verhältnis untereinander und zum Leser zu treten. Der beste Platz im Buch, die meistgelesenen Seiten nach der Titelseite, waren für den Bearbeiter reserviert. Hier konnte er sich und seine Arbeit dem Leser präsentieren. Gemeinsam mit dem Mäzen stand er auf der ersten Seite des Buches. Das Alter der Vorreden spielte für den Nachdruck auf den ersten Buchseiten keine Rolle, da ältere Vorreden ohnehin zum Teil undatiert erschienen. Nur sehr geschulte Leser, die einen Adressaten oder den Autor kannten, konnten das wahre Alter der Briefe erkennen. Zudem scheinen für
Metamorphosiis enarrationes dicarem, tu in primis occurristi: qui hoc quantulocumque munere dignus esse videris. Tantus es enim cum aliarum virtutum: tum singularis ac prope divine liberalitatis tue splendor: 34 2 45, fol. a4ve. Sed et minime ingratum id fore excellentiae tuae arbitrabar. Am Ende des Textes wird dieser Gedanke noch einmal aufgegriffen: fol. a7re. Quo magis tibi quoque Heroi tum literis, tum dotibus caeteris prestantissimo, prudentia summa, acumine singulari, gratum fore istud consilium existimavit.
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Verleger wie Leser gleichermaßen die Vorreden ein Bestandteil der Überlieferungsgeschichte des jeweiligen Textes gewesen zu sein.35 Sie nachzudrucken bedeutete, dem Bearbeiter die ihm zustehende Ehre zu erweisen. So enthält die 1519 in Lyon publizierte Sallust-Ausgabe, die zuerst 1504 bei Josse Bade in Paris erschienen war, sowohl die Widmung des italienischen Herausgebers Pomponio Leto von 1491 als auch die von Bade, der das Werk mit Kommentaren versehen hatte.36 Gleiches gilt für die Ausgabe der Metamorphosen von Ovid, die 1519 in Lyon als Nachdruck erschien und die außer der Widmung des italienischen Herausgebers Raffaele Regio von 1493 auch die des Lyoner Bearbeiters Pierre Lavigne von 1510 enthielt.37 In einem Fall allerdings hatte der Verleger Sebastien Gryphe, bei dem fast alle Klassikerausgaben der Produktionsjahre 1539/40 der Stichprobe erschienen, offenbar Vorbehalte gegen eine 40 Jahre alte Vorrede. Der Widmungsbrief seines berühmten venezianischen Kollegen Aldo Manuzio, den dieser für seine Ausgabe der sechs Bücher De rerum naturae von Lukrez 1500 verfaßt hatte, erscheint in Gryphes Nachdruck nicht an der üblichen Stelle zu Beginn des Buches. Auf den letzten drei Seiten des Buches wurde er abgedruckt. Auf den ersten Buchseiten erschien stattdessen eine von Petrus Critinus verfaßte Vita des Lukrez. Gryphe wollte hier dem Autor des Buches einen wichtigeren Platz einräumen als Aldo mit seinem wenig originellen Widmungsschreiben. Alle anderen Widmungsbriefe und Vorreden befinden sich unabhängig von ihrem Alter an ihrem angestammten Ehrenplatz am Beginn des Buches, wobei die jeweils neueste Vorrede immer an erster Stelle steht, die älteren zum Teil an der etwas unauffälligeren Stelle zwischen Index und Textanfang. Die meisten Drucker stellten, insbesondere in der ersten Jahrzehnten des Buchdrucks, ihre Bedeutung gegenüber der von Autoren und Mäzenen zurück, indem sie nur in einem kleinen Kolophon am Ende des Buches auf ihre Arbeit hinwiesen. Eine Ausnahme bilden hier die humanistischen Druckerverleger der ersten Generation, die als ehemalige Hauslehrer Mitglieder der Gelehrtenrepublik waren. Besonders Aldo Manuzio, dessen Ausbildung und Lebensstil eher einem Höfling als einem Handwerker glich, ging selbstbewußt mit seinen gelehrten Autoren um. Auch seinen Förderern und Lesern gegenüber präsen-
35
Vgl. zu diesem Aspekt: Grafton, Budi, S. 175. Als Raubdrucke kann man diese Bücher nicht bezeichnen, denn die Privilegien, die etwa Aldo Manuzio für seine Aldinen vom venezianischen Senat erhielt, galten nur für das Herrschaftsgebiet, in dem sie erteilt wurden. Zudem hatten sie eine Laufzeit von maximal zehn Jahren. 37 Dies belegt auch, daß die französischen Verleger meist keine eigenen Textausgaben lateinischer Autoren anfertigen ließen, sondern italienische Textausgaben nachdruckten, die sie für ihren Bedarf als Schultexte umarbeiteten; vgl. Moss, Ovid, S. 59. Zur Biographie vgl. Pierre Lavigne (um 1500): Moss, Ovid, S. 31. 36
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tierte er sich ohne falsche Bescheidenheit.38 Ihm war die symbolische Sprache der Ehre zwischen den Buchdeckeln vertraut: Nur lebenden Autoren überließ er den Platz auf den ersten Seiten seiner Aldinen. Für alle Texte nichtzeitgenössischer Autoren verfaßte er die Vorreden selbst, das heißt für 90 der 123 Bücher, die in seiner Druckerei in der Zeit von 1495 bis 1515 erschienen.39 Der Lyoner Verleger Sebastien Gryphe knüpfte an das Vorbild von Aldo Manuzio an. Er beschrieb in seinem Widmungsbrief der Cicero-Ausgabe von 1539 an Kardinal Jean Du Beilay40 auf besonders elegante Weise das Verhältnis zwischen Autor und Mäzen. Sein Text ist der einzige der Stichprobe, der dieses Verhältnis problematisiert. In zahlreichen Widmungen wird erwähnt, daß die Veröffentlichung das Lob des Mäzens verbreiten soll. Doch nur Gryphe beschreibt dieses Verhältnis aus der Sicht des Autors. Er soll das letzte Wort in der Darstellung des Beziehungsgeflechts zwischen Gelehrten, Mäzenen und Verlegern haben. Anceps (zwiespältig, unentschieden) ist das erste Wort seines Textes, das mit einer über sieben Zeilen reichenden Initiale beginnt.41 „Unentschieden und voller Zweifel ist oft die Überlegung, die viele stark zu beunruhigen pflegt." Neugierig fragt sich der Leser, worin die Unsicherheit bestehen könnte, um dann zu erfahren, daß es sich gar um eine Erwägung voller Zweifel handelt. Viele seien davon geplagt, viele derer, „die Bücher schreiben (was die Übung der klugen und gelehrten Geister ist) oder drucken (was unsere, des Verlegers Arbeit ist)". Endlich teilt Gryphe dem Leser den Grund des Zweifels mit: „Wem die Bücher mit Recht und verdientermaßen gewidmet werden könnten", stellte offenbar viele Autoren vor große Probleme.42 38 Vgl. Lowry, Martin, The world of Aldo Manuzio, Business and Scholarship in Renaissance Venice, Oxford 1979, S. 303. 39 Vgl. Manuzio, Aldo, Aldo Manuzio editore. Dediche, prefazioni, note ai testi, Introduzione di Carlo Dionisotti, Hg. Giovanni Orlandi, Milano 1975, Bd.2, S. 401-403. 40 Zur Biographie vgl. Jean Du Beilay (1492-1560): ABF 331, 396-432. 41 Sebastian Gryphe ist nach meiner Kenntnis in dieser Zeit der einzige Verleger, der den Anteil von Gelehrten und Druckern am Zustandekommen eines Buches als verschieden, aber dennoch gleichwertig bezeichnet. 42 59, Bd.l, fol. *2re. Anceps persaepe illa, et dubitationis plena deliberatio, quae plerosque solicitos vehementer habere solet, cui scilicet potissimum libros a se scriptos (que doctorum, et ingeniosorum exercitatio est) aut typis excusos (quod noster praestat labor) vel merito dicare, vel digne consecrare possint, nullum ipsa locum dubitationi relictum apud me reperit. Hi vero quid in capiendo de rebus istiusmodi Consilio tantopere vident? quid animo agitant? quid in deliberatione tarn diligenter sequuntur? Credo, ut, cui ingenii sui, vel operae monumenta dicata velint, ab iis ille non abhorreat. Quod si tam anxie deliberantibus, et consilii, et deliberationis ea tandem summa est, ut sua digne dedicent, certe, in quo ipsi aestuant, prorsus id mihi parte haeret nulla, neque me in meis tibi dicandis aliquamdiu remoratur. M.T. Cic. orationes dum typis mandare cogito, simul id providea, sub cuius nomine digne a me exeant.
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Nicht so den Verleger Sebastien Gryphe, er hatte keine Zweifel. Doch kommt der begonnene Spannungsbogen noch nicht zum Ende. Rhetorisch fragt sich der Verleger, warum dieser Frage so viel Gewicht beigemessen wird: „Warum ist eine Entscheidung in Fragen dieser Art so wichtig? Was bewegen sie in ihrem Geist? Was verfolgen sie mit dieser Erwägung so gewissenhaft?", um dann die ebenso rhetorische Antwort zu geben: „Ich denke, kein Adressat wird ein Werk zurückweisen." Gryphe wußte, wie alle Autoren, daß der Mäzen eine Widmung kaum zurückweisen konnte, wollte er seine ohnehin auf das Wohlwollen der Humanisten angewiesene Ehrenposition nicht gefährden. Der Verhaltenskodex sah diese Möglichkeit nicht vor, ja der Mäzen war sogar implizit verpflichtet, die Gabe mit „heiterem Blick" entgegenzunehmen. Erst nach diesem langen Vorspann erfahrt der Leser, was die Autoren so leidenschaftlich erregte: „Der Hauptpunkt ihrer Überlegungen ist, daß die Widmung ihnen selbst angemessen ist". Gryphe selbst hielt sich natürlich keinen Moment mit derartigen Überlegungen auf. „Als ich mich entschloß, die Reden Ciceros zu drucken, bestimmte ich gleichzeitig, unter wessen Namen sie zu Recht mein Haus verlassen würden." In den ersten 19 Zeilen des Briefes zeigte Gryphe, wie man wortreich und formvollendet dem Mäzen schmeicheln konnte und dabei sich selbst im besten Licht zeigen. Für die Wirkung des Textes war es unerheblich, ob es tatsächlich andere Autoren gab, die bei der Wahl ihres Mäzens zögerten, oder ob er sich selbst sofort für Du Beilay entschieden hatte.43 Wie bei den Briefen innerhalb der Gelehrtenrepublik war die stilistisch gute Darbietung wichtig, und die gelang Gryphe zweifellos. Selbst die Frage, ob Gryphe selbst Autor des Textes war, oder ob er einen seiner Korrektoren gebeten hatte, den Text zu verfassen, ist nicht zu klären und letztlich nebensächlich. Als Verleger wußte Gryphe um die Bedeutung eines Textes auf der ersten Buchseite. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß er sich dort so präsentierte, wie er von allen zeitgenössischen und späteren Lesern gesehen werden wollte. Nicht jeder Mäzen, so suggerierte er, sei dem Ruhm des Autors förderlich. Gryphes vorbehaltlose Entscheidung für Du Beilay sollte diesem schmeicheln. Doch wenn man die enge Beziehung zwischen Autor und Mäzen bedenkt, besagt seine Entscheidung vor allem, daß er nicht nur den Mäzen für herausragend hielt, sondern auch die ihm gewidmete Ausgabe. Nicht eine Sekunde zweifelte er an der Qualität des Mäzens - und damit auch an seiner eigenen. Gryphe unterstellte den Humanisten, sich bei der Wahl des Mäzens vor allem um ihr eigenes Ansehen zu sorgen. Sich derart auf Kosten der Gelehrten43 Tatsächlich gab Gabriele Saraina, Herausgeber einer juristischen Schrift, zu, lange bei der Wahl des Mäzens geschwankt zu haben. Wörtlich schreibt er: Diu anceps hesitavi, cui nam hominum gereri haec tarn praeclara doctorum memorabilia dieta, meis laboribus restaurata, aueta, atque illustrata devoverem. Nr. 251, fol. +3ve.
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republik zu profilieren, widersprach allerdings den ungeschriebenen Regeln. Üblicherweise erwiesen sich Gelehrte Freundlichkeiten und hielten zusammen, um gemeinsam gegen die Feinde der Überlieferung zu kämpfen. 44 Doch wo hatten sie diese Übeltäter vermutet? Unter den gewinnsüchtigen Verlegern, die mehr auf ihren Ruhm als auf Verbesserungen achteten, wie Pomponio Leto in seiner oben zitierten Widmung geschrieben hatte. „Sie überschwemmen die Welt mit Büchern ... ohne Sinn und Verstand, mit Schmäh- und Hetzschriften, mit glaubensfeindlicher und revolutionärer Literatur, und ihre große Menge bringt auch die wertvollen Bücher um ihre Wirkung", führte Erasmus in seinen Adagia unter dem Sprichwort „festina lente" aus.45 Hier meldete sich nun einer der Übeltäter selbst zu Wort, schlug die Gelehrten mit ihren eigenen Waffen und wies sie zudem in gewählten Worten darauf hin, daß die, „die Bücher schreiben" ohne ihn, „der sie druckt", die studia humanitatis nicht verbreiten konnten. Anceps, zwiespältig, war nicht nur das Verhältnis zwischen Autor und Mäzen, sondern auch das zwischen Autor und Verleger. Von beiden hing der Autor ab, beide hingen von ihm ab, denn ohne neue Texte konnte sich weder der Verleger profilieren noch der Mäzen geehrt werden. Verleger wie Mäzen waren Außenseiter der Gelehrtenrepublik, Ehrenmitglieder. Gryphes Brief an Du Beilay ist geschrieben von einem Außenstehenden der Gelehrtenrepublik an einen anderen. Stilistisch benutzt Gryphe jedoch die Mittel der Mitglieder des Musenstaates. Und man hat fast den Eindruck, daß Gryphe, versteckt hinter der Maske der Gelehrten, in elegantem Latein, sein perfides Spiel noch weiter trieb. Ebenso respektlos wie das Verhältnis zwischen Autor und Mäzen beschrieb er die zu erwartenden Folgen einer Widmung für den Geehrten: „Zunächst dachte ich, diese Reden Ciceros seien dir würdig, dann sind sie ein Schmuck deiner Tugenden, schließlich verbreiten sie deinen Ruhm. Außerdem setzt [dieser Brief] die wohlwollende Rede aller Gelehrten über dich in Bewegung."46 Diese Aufzählung war zwar zutreffend - doch hatten die Gelehrten in Widmungsbriefen gerade um diese Zusammenhänge zu verbrämen die elegantesten Wendungen benutzt. In geschliffenem Latein entlarvte Gryphe die Gelehrten und Mäzene als eitle Gecken und forderte selbstbewußt seinen Anteil an der öffentlichen Anerkennung ein.
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Vgl. Tremi, S. 90. Erasmus, Adagia, dt., S. 497. 46 59, fol. *3re. ... tibi ut in primis has Ciceronis orationes et digne, et merito dicandas duxerim, virtutum tuarum ornamenta in causa fuisse: institit deinde tuae doctrinae fama: impulit tandem benevola de te doctorum omnium praedicatio. 45
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Eruditus: Der gelehrte Leser
Die Widmungen der Klassikerausgaben gewähren vielfaltige Einblicke in die Gelehrtenwelt des frühen 16. Jahrhunderts. Dabei lassen sich verschiedene Aspekte unterscheiden. Widmungen geben Aufschluß über die Arbeit des Gelehrten und die Entwicklung der humanistischen Philologie. Gleichzeitig verraten sie etwas über die Umgangsformen in der Gelehrtenrepublik: Wichtig war es, jedem das richtige Maß an Ehre zukommen zu lassen; dem Herausgeber als Bürger des Musenstaates, dem Mäzen als Ehrenbürger. Außerdem stellten sie lateinische Bildung als nützlich für den sozialen Aufstieg dar, denn schließlich nahmen die Mäzene hohe Ämter ein.
3. Buchproduktion und Buchhandel in Lyon Für die Entwicklung der humanistischen Wissenschaft waren Verleger unverzichtbar. Sie gaben verbesserte Textausgaben bei Gelehrten in Auftrag oder bemühten sich darum, bereits fertiggestellte Bearbeitungen für den Druck zu erhalten. Ohne sie konnte der Gelehrte weder die Früchte seiner philologischen Arbeit publizieren noch von denen seiner Kollegen profitieren. Aldo Manuzio in Venedig, Josse Bade, Simon de Colines und Henri Estienne in Paris sowie Froben in Basel waren für die Gelehrten im ausgehenden 15. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die wichtigsten Verleger.1 Von anderen Druckern ihrer Zeit unterschieden sie sich dadurch, daß sie keine reinen Handwerker waren, sondern, bevor sie mit dem Buchdruck begannen, zumeist als Hauslehrer gearbeitet hatten. So waren sie selbst Mitglieder der Gelehrtenrepublik. Die humanistischen
Bücher:
Aldinen
Eine besondere Rolle spielte Aldo Manuzio. In seinem Verlag erschienen zahlreiche Editionen antiker Autoren in Erstausgaben, aber die charakteristische Eigenschaft der Bücher aus der Druckerei von Aldo Manuzio war deren Format: Aldo erfand das Taschenbuch. Die Aldinen genannten Bücher aus seiner Druckerei wirkten darüberhinaus in Schrift und in der Gestaltung der Titelseiten von Klassikereditionen stilbildend. Aldos Ausgaben antiker Autoren erschienen seit 1501 nicht in großen Folianten, sondern in handlichen Büchern im Oktavformat, die nur ein Viertel der Größe eines Foliobandes hatten.2 Seine Erfindung hatte großen Erfolg, denn schon im folgenden Jahr erschienen Raubdrucke seiner Vergil-, Horaz- und 1 Vgl. Lowry, passim; Fletcher, Harry George, New Aldine Studies: Documentary essays on the life and work of Aldus, San Francisco (Cal.) 1988; Lebel, Maurice, Josse Bade, dit Badius (1462-1535). Humaniste, éditeur-imprimeur et préfacier, Louvain 1988; Armstrong, E., Robert Estienne. Royal printer. An historical study of the elder Stephanus, Cambridge 1954. 2 Vgl. Lowry, S. 155.
Buchproduktion und Buchhandel in Lyon
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Martial-Ausgaben in Lyon und Brescia. 1503 sah sich der venezianische Verleger gezwungen, einen Beschwerdebrief gegen die Lyoner Drucker zu verfassen, der zugleich ein Werbeschreiben für seine eigenen Ausgaben war. Doch hatte diese Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg: die Lyoner Drukker verbesserten daraufhin lediglich die Qualität ihrer eigenen Ausgaben, statt sich an das Druckverbot von Aldo zu halten.3 Seit etwa 1510 hatte sich das Aldinenformat für die Klassikerausgaben durchgesetzt: An allen europäischen Druckorten galt es als der Standard für Texte antiker Autoren. Auch hinsichtlich der verwendeten Schrift setzte sich die Antiqua der Aldinen durch. Die an den Handschriften orientierte Schrift der ersten Buchdrucke hatte den Vorstellungen der italienischen Humanisten von Ausgewogenheit und Klarheit nicht entsprochen. Ihre hohen Ansprüche sahen sie stattdessen in den karolingischen Handschriften antiker Texte verwirklicht, die jedoch nur Kleinbuchstaben enthielten. Die Humanisten hielten die karolingische Minuskel ebenso wie die Texte für Bestandteile der antiken Überlieferung. Ihre Vorstellung, sowohl in inhaltlicher wie in formaler Hinsicht an die Antike anzuknüpfen, beruhte so auf einem Irrtum.4 Die passenden Großbuchstaben wurden in den römischen Steininschriften gefunden. Diese verschiedenen Vorbilder zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen, war das Werk Francesco Griffos, der in der Offizin von Aldo Manuzio arbeitete.5 Auf ihrer Titelseite trugen die ersten Ausgaben antiker Autoren aus der Werkstatt von Aldo Manuzio nur Autor und Titel des Werkes in kleinen Antiqualettern. Im wesentlichen war die Seite weiß und erinnerte eher an einen Schutzumschlag als an eine Titelseite. Die Informationen über den Herausgeber, den Drucker, den Druckort und das Druckdatum standen am Ende des 3
Vgl. Lowry, S. 156. Vgl. Martin, Henri-Jean, Au commencement était le signe, in: Histoire de l'Edition Française, S. 463-465; Funke, Fritz, Buchkunde. Ein Überblick über die Geschichte des Buch- und Schriftwesens, Leipzig 3 1972, S. 192. 5 In den folgenden Jahren wurde Griffos Schrift in Frankreich von Claude Garamont noch weiter verfeinert. Ab 1520 setzte sich die Garamond-Antiqua auch in Frankreich fur die lateinischen Klassikerausgaben und für humanistische Prosatexte durch. Die Schrift verbreitete sich unter dem Namen "Garamond", obwohl der Schriftschneider "Garamont" hieß. In Frankreich, Spanien und besonders in Italien ging man in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch für Texte in Landessprachen einheitlich zur AntiquaSchrift über. In Deutschland hielt man für deutschsprachige Texte zunächst eine der Textura nachempfundene Schrift bei, die um 1550 von der Fraktur abgelöst wurde; vgl. Funke, S. 191 und 194. Luthers Texte waren zunächst in Antiqua gedruckt worden. Da aber nur ein kleiner Kreis von Lesern auf diese "Humanistenschrift" ansprach, stellte man die Neuauflagen auf eine Textura um, um weitere Kreise zu erreichen; vgl. Hirsch, Rudolf, Printing, Selling and Reading 1450-1550, Wiesbaden 2 1 9 7 4 , S. 117; Febvre, Lucien, Martin, Henri-Jean, L'apparition du livre, Paris 2 1971. (engl. The Coming of the Book, London 1976.), S. 82f in der englischen Ausgabe. 4
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Buches, im Kolophon. Von dort wanderten nach und nach die einzelnen Bestandteile nach vorn, die ab etwa 1510 das typische Titelblatt für humanistische Textausgaben ausmachen sollten. In einem ersten Schritt wurde der Titel des Werkes in größeren Lettern gesetzt, so daß nicht länger eine kleine Zeile auf der Titelseite stand, sondern ein geometrisch angeordneter Textblock. Als nächstes folgte die Druckermarke von Aldo 6 und schließlich der Druckort und das Druckjahr.7 In den Druckereien von de Colines und Etienne in Paris und Gryphe, de Tournes und Rouillé in Lyon erhielten die Titelseiten ab etwa 1530 das Aussehen, das über die Blütezeit des französischen Buchdrucks in den 1550er und frühen 1560er Jahren hinaus zum Aushängeschild der französischen humanistischen Textausgaben wurde: nur Autor, Titel, Verleger, Ort und Jahr standen sorgfältig gesetzt auf einer rahmenlosen Titelseite.8 Unter den im Handel befindlichen Büchern bildeten die humanistischen Ausgaben mit dem kleinen Format, der charakteristischen Schrift und den schlichten Titelseiten eine geschlossene Gruppe, die sich äußerlich von Büchern abhob, die juristische, medizinische oder andere praktische Themen behandelten. Diese Titel erschienen in Quart- oder Folioformat, in gotischer Schrift und mit langen, werbenden Texten auf den Titelseiten. Die optische Abgrenzung dürfte Ausdruck einer Unterscheidung der Leserkreise oder doch der Lesehaltungen gewesen sein, denn humanistische Bücher vermittelten den Lesern eine besondere Art der Bildung: Sie eröffneten ihnen den Zugang zur res publica literarum. Bücher im Aldinenformat hatten eine Bedeutung: sie
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die seine Devise "Eile mit Weile" darstellte: ein Delphin mit einem Anker. Vgl. Ruth Mortimer, The Dimensions of the Renaissance Title Page, in: Printing History 3(1981)1, S. 34-47. Die Entwicklung läßt sich nachvollziehen anhand der Abbildungen in: Aldo Manuzio tipographo. 1494-1515. Catalogo a cura di Luciana Bigliazzi et al, Florenz 1994. 8 Dieses Minimum an Text auf der Titelseite konnte nicht unterschritten werden, da es zur Identifizierung des Buches und seines Verlegers nötig war. Im Edit de Châteaubriant (27.6.1551) war festgelegt worden, daß zum Schutz vor reformatorischen Schriften kein Buch ohne diese Nachweise veröffentlicht werden durfte; vgl. Guilleminot-Chrétien, Geneviève, Le contrôle de l'édition en France dans les anneés 1560: la genèse de l'édit de Moulins, in: Le Livre dans l'Europe de la Renaissance, S. 378-385, hier S. 378. Die Entwicklung der Titelillustration und ihr Verhältnis zum Buchinhalt kann an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. Eine Einführung bietet Roger Laufer, L'éspace visuel du livre ancien, in: Histoire de l'édition française, vol.l, S. 479-500. Nach einer ersten Durchsicht scheint aber die Wahl der Titelillustration, d.h. des Rahmens, weniger Rückschlüsse auf die angesprochenen Leser zuzulassen als die Art des Titeltextes. Auch mit Rahmen zeichnen sich die Bücher für den humanistisch gebildeten Leser durch die knappe Nennung der wesentlichen Notizen aus. So erschienen die Werke der Lyoner Dichter Maurice Sceve und Louise Labé bei Jean de Tournes mit eleganten Rahmen, aber ohne marktschreierische Ankündigungen. 7
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wurden zum Erkennungszeichen deijenigen, die sich mit der neuen humanistischen Wissenschaft befaßten.9 Buchdruck in Lyon
Die wichtigsten Lyoner Verleger gehören zur Generation der Söhne und Enkel von Aldo Manuzio. Der Buchdruck in Frankreich nahm erst ab 1515 einen deutlichen Aufschwung, seine Blütezeit erreichte er zwischen 1540 und 1562. Drei der Lyoner Verleger nehmen fur das Buchwesen im Untersuchungszeitraum einen besonderen Rang ein: Sebastien Gryphe, Jean de Tournes und Guillaume Rouillé. Gryphe produzierte die meisten Bücher von allen Lyoner Verlegern. Erst 1515 war er als Sebastian Greiff aus Reutlingen nach Lyon gekommen. In der Zeit von 1524 bis 1556 erschienen 1151 Titel in seiner Druckerei. Die Bücher aus dem Verlag von Gryphe machten etwa ein Zehntel der Lyoner Gesamtproduktion aus.10 Sebastien Gryphe hatte sich auf Nachdrucke von humanistischen Klassikerausgaben spezialisiert. Außerdem veröffentlichte er neue Texte von humanistischen Autoren, Bibeln und Ausgaben des Neuen Testaments sowie Werke von Erasmus, Melanchthon, Vives und andere Schriften religiöser Autoren. Fast alle Bücher druckte er in lateinischer Sprache. Die wenigen Titel, die in Lyon in griechischen und hebräischen Lettern gedruckt wurden, erschienen überwiegend bei Gryphe.11 Nur in Ausnahmefallen publizierte er Texte in französischer Sprache, so die Statuten der Lyoner ArmenVersorgung Aumône Generale.12 Alle Bücher, die ein gebildeter und an humanistischen Fragen interessierter Leser brauchte, konnte er bei Sebastien Gryphe kaufen.13 Guillaume Rouillé, der von 1545 bis 1589 in Lyon arbeitete, gehörte mit insgesamt 838 verlegten Titeln ebenfalls zu den größten Lyoner Verlegern. 229 Titel erschienen bei ihm in Französisch, Italienisch und Spanisch, das entspricht 27% seiner Produktion. Klassiker in Latein machten nur 4% aus, Bücher über Recht und Medizin, die Gryphe nicht verlegte, stellten bei Rouillé das größte Kontingent: 47,5% (das entspricht 399 Titeln, davon erschienen nur 31 in französischer Sprache). Literarische Texte in Volkssprachen sind bei Rouillé mit 10% recht zahlreich vertreten.14 Ein wis9 Vgl. Lowry, S. 281 und 305; vgl. zur Bedeutung des Buchdrucks insgesamt: Saenger, Paul, The impact of the Early Printed Page on the History of Reading, in: Bulletin du bibliophile 2(1996), S. 237-300. 10 Vgl. Billon, Tableau I, II und III. 11 Vgl. Davis, Monde, S. 263. 12 Vgl. Nr. 48. 13 Vgl. das Inventar der Bibliothek von Antoine II Du Prat, in: Connat, M., J. Mégret, Inventaire de la bibliothèque des Du Prat, in: Bibliothèque du Humanisme et de la Renaissance, 3(1943), S. 72-128. 14 Vgl. Davis, Monde, S. 256.
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senschaftlich arbeitender Mediziner oder Jurist mit literarischem Interesse hätte seinen Buchbedarf bei Guillaume Rouillé decken können. Im Verlag von Jean de Tournes, der sich nach seiner Lehre bei Sebastien Gryphe selbständig machte, erschienen bis zu seinem Tod im Jahre 1564 507 Titel. Fast zwei Drittel (63%) der Bücher publizierte er in Volkssprachen, 16% seiner Gesamtproduktion enthielten volkssprachige literarische Texte. Jean de Tournes war der führende Lyoner Verleger für zeitgenössische Literatur. Die Werke von Maurice Scève, Louise Labé, Pernette du Guillet und Pontus de Tyard erschienen bei ihm, meist in mehreren Auflagen. Die Ausstattung dieser Ausgaben drückt die Wertschätzung aus, die Jean de Tournes seinen Autoren entgegenbrachte: er veröffentlichte sie nach dem Vorbild der antiken Autoren im Oktavformat und in Antiquaschrift. Als neues Gestaltungselement ließ er für die Titelseiten der literarischen Texte ornamentale Rahmen entwerfen.15 Klassische Autoren machten nur 18,9 % seiner Produktion aus, von diesen erschien etwa ein Drittel in französischer Übersetzung. Ein Viertel der Bücher, die bei Jean de Tournes erschienen, enthielten Fachtexte für praxisorientierte Mediziner und Juristen. 76 dieser 124 Titel erschienen in Volkssprachen. Mit 19,1% war der Anteil der religiösen Texte bei Jean de Tournes etwa gleich groß wie bei Rouillé, doch betrug der Anteil der volkssprachigen Ausgaben bei de Tournes vier Fünftel, während er bei Rouillé bei einem Fünftel gelegen hatte.16 Als überzeugter Anhänger des französischen Calvinismus druckte Jean de Tournes zahlreiche Bibeln in französischer Sprache, darunter Folianten mit dem gesamten Bibeltext und illustrierte Kurzfassungen. Eine Bibliothek, die ausschließlich Bücher aus der Drukkerei von Jean de Tournes enthielt, hätte vielleicht im Haus eines Lyoner Notars stehen können, der zu einem der protestantischen Konventikel gehörte. Mitte des 16. Jahrhunderts arbeiteten gut 500 der 60.000 Einwohner Lyons im Buchgewerbe. Sie gehörten unterschiedlichen sozialen Schichten an. Die Spannweite reichte von den Buchgroßhändlern (marchand-libraires), die zur ratsfahigen Oberschicht gehörten, über unabhängige Druckerverleger (marchand-imprimeurs), bis zu den armen Auftragsdruckern (imprimeurs) und den Druckergesellen, die dem menu peuple zugerechnet wurden.17 Etwa 15 der im Buchgewerbe Tätigen waren Druckerverleger (marchandimprimeurs) wie Gryphe, Rouillé und de Tournes. Marchand-imprimeurs verbanden die Tätigkeit des Verlegers mit der des Druckermeisters. Sie wählten 15 Noch 1540 waren die Bücher von Clément Marot wie die älteren literarischen französischen Texte in gotischer Schrift und im Quartformat erschienen. Zur Ausstattung der Bücher von Jean de Tournes vgl. Cartier, A. Audin, M., Vial, E., Bibliographie des éditions des De Tournes, imprimeurs lyonnais, Paris 1937. 16 Davis, Monde, S. 266. 17 Vgl. Davis, Natalie Zemon, Streiks und Erlösung in Lyon, in: dies., Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt, S. 14-29, hier S. 15.
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die Texte aus, hielten Kontakt zu den Autoren, vereinbarten mit ihnen die Gestaltung der Bücher, leiteten die Herstellung in ihrer Werkstatt und besorgten den Vertrieb.18 Insgesamt etwa 25 Angestellte arbeiteten an den fünf bis sechs Druckpressen eines marchand-imprimeurs. Diese Betriebsgröße war nötig, um den festangestellten Korrektor auszulasten und um genügend Bücher zu produzieren, die mit Gewinn verkauft werden konnten, denn das wirtschaftliche Risiko für neue Publikationen trugen die Druckerverleger meist allein.19 Für die Rezeption und Verbreitung des humanistischen Bildungsideals gehören sie zu den interessantesten Persönlichkeiten, da sie flexibel auf neue Entwicklungen und auf den Publikumsgeschmack reagierten. Häufig scheint ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Verlegern und ihren Autoren bestanden zu haben, denn auch wenn die gebildeten Verleger häufig keine Zeit fanden, eigene Werke zu verfassen, so waren sie doch die ersten, die zeitgenössische Autoren entdeckten und forderten, indem sie sie zur Publikation ermunterten und ihre Bücher mit Sorgfalt verlegten. Die Verlagshäuser der Druckerverleger waren nicht nur in Lyon der Ort, an dem Autoren zusammentrafen und von dem neue geistige Entwicklungen ausgingen.20 Die Druckerverleger stellten über die Hälfte aller Bücher her, die in Lyon erschienen. Die übrigen Bücher wurden im Auftrag der Großhändler (marchandlibraires) in etwa 70 Druckereien hergestellt, die Druckermeistern (imprimeurs) unterstanden.21 18 Vgl. Davis, Monde, S. 255. Unter den 60 imprimeurs, die in den nommées (Steuerlisten) von 1545 verzeichnet sind, machten die Druckerverleger eine Gruppe von 10-15 Personen aus. In den nommée-Listen wurde kein Unterschied zwischen Handwerkern und Händler-Handwerkern gemacht. Auch bei den Druckern ist kein Unterschied zwischen imprimeur und marchand-imprimeur festzustellen. In den Quellen als besondere Gruppe erkennbar sind die Druckerverleger dadurch, daß sie in ihren Büchern als Verleger genannt wurden, wobei sie gleichzeitig als Drucker in den Steuerlisten geführt wurden. Die Beamten, die für die Steuerlisten zuständig waren, hatten allerdings selbst manchmal Definitionsprobleme. Jean de Tournes wurde sowohl als imprimeur als auch als marchand-libraire bezeichnet; vgl. Cartier, S. 140ff; Gascon, Richard, Grand commerce et vie urbaine au XVIe siècle: Lyon et ses marchands, Paris - La Haye 1971, S. 389. 19
Vgl. Davis, Streiks, S. 21. Vgl. Davis, Monde, S. 262; Febvre, Apparition, frz., S. 218; Veyrin-Forrer, Jeanne, Fabriquer un livre au XVIe siècle, in: Histoire de l'Edition Française, S. 279-304, hier S. 280. Trotz ihrer großen Bildung wurden die marchand-imprimeurs von der Lyoner Gesellschaft nicht als Angehörige der Oberschicht betrachtet. Sie erfuhren keine öffentliche Anerkennung durch die Wahl zum Consul oder durch die Ernennung zum penon, einem Hauptmann der Stadtmiliz. Dem weiteren Kreis der notables, der ca. 250 Lyoner Bürger umfaßte, waren sie alle zugehörig. Vermutlich war es für die vielbeschäftigten marchand-imprimeurs eher eine Belastung als eine Ehre, in der Miliz Verantwortung zu übernehmen; vgl. Cartier, S. 143. 21 Vgl. Billon, Tableau III. Die Zahl der Druckermeister war in Lyon recht hoch. 60 20
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Buchhandel in Lyon Der internationale Buchgroßhandel Lyons lag in der Zeit von 1530 bis 1560 in der Hand von sechs Familien, marchand-libraires, die innerhalb der Lyoner Gesellschaft zur Oberschicht des Handels gehörten.22 Der reichste Buchgroßhändler, Senneton, handelte außer mit Druckerzeugnissen auch mit Seide. Er war der reichste Lyoner Bürger überhaupt. Die marchand-libraires gingen kein großes unternehmerisches Risiko ein: Sie verlegten Bücher mit guten Absatzchancen wie Ausgaben des Corpus Iuris Civilis und des Corpus Iuris Canonici (Familie De La Porte) oder ein Buch, das in keinem calvinistischen Haushalt fehlte, den Psautier (Antoine Vincent).23 Als Verlagsleiter wählte ein marchand-libraire die Texte und Autoren seiner Publikationen aus, legte die Schrift und die Illustrationen fest und besorgte das Druckpapier.24 Den Vertrieb des Buches übernahm er ebenfalls. Als Kaufleute hielten die Buchgroßhändler mit ihren Faktoren und anderen Buchhändlern Kontakt und kümmerten sich um Lagerhaltung, Bestellung und Abrechnung.25 Eigene Druckpressen besaßen die marchand-libraires meistens nicht. Vermutlich waren sie als Kaufleute daran interessiert, ihr Kapital nicht in Pressen und in relativ teure Drucktypen zu binden. Mit Satz und Druck selbst wurden im allgemeinen die selbständigen Druckermeister (imprimeurs) beauftragt.
selbständige Betriebe waren in den nommée-Listen von 1545 verzeichnet. Davis geht von etwa 75 bis 100 Druckermeistern fur die Zeit um 1550 aus; vgl. Davis, Monde, S. 262. 22 Es handelt sich um die Familien Gabiano, La Porte, Giunta, Vincent, Senneton, Rouillé. Die nommées von 1545 führen insgesamt 29 libraires auf. Von diesen waren sechs im internationalen Handel tätig, ca. 20 libraires konkurrierten mit ihnen in einem begrenzten Handelsraum; vgl. Davis, Monde, S. 255 und 261; Gascon, commerce, S. 373, 395 und 416. 23 Antoine Vincent gelang es, am 19.10.1561 für den Psautier eine Approbation zu erhalten, die die Rechtgläubigkeit des Textes bestätigte. Außerdem erhielt er ein Privileg des Königs, das anderen Verlegern den Nachdruck verbot. In den folgenden drei Jahren erschienen mindestens fünf Ausgaben in Paris, Lyon und Caen in seinem Auftrag; vgl. Eugénie Droz, A. Vincent, La propagande protestante par le psautier, in: Aspects de la propagande religieuse, Genf 1957, S. 279-281; Meyer, Claude Albert, Bibliographie des éditions de Clément Marot publiées au XVIe siècle, Paris 1975. Luxusausgaben des Kirchen- und Zivilrechts, die in den Gerichten und Parlamenten einen sicheren Kundenkreis hatten, wurden von einer Handelsgesellschaft der Großhändler, der Grande Compagnie des Libraires, herausgebracht. Kapital für Investitionen dieser Größenordnung wäre selbst für ein Konsortium selbständiger Druckerverleger nicht aufzubringen gewesen; vgl. Davis, Monde, S. 256. 24 Druckereien bezogen ihr Papier direkt vom Hersteller. Der Lyoner Bedarf an Papier wurde ab 1540 fast ausschließlich von den Papiermühlen in Ambert gedeckt, lediglich Luxuspapier wurde aus Florenz importiert; vgl. Gascon, commerce, S. 106. 25 Vgl. Febvre, Apparition, frz., S. 204-206; Davis, Monde, S. 258-260.
Buchproduktion und Buchhandel in Lyon
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Die durchschnittliche Werkstattgröße eines imprimeur lag bei maximal zwei Druckpressen, so daß bei guter Auslastung ein Meister fünf bis zehn Angestellte beschäftigen konnte.26 Die Arbeit des Druckermeisters bestand darin, den Text entsprechend den typographischen Anweisungen des Verlegers von seinen Setzern herstellen zu lassen, den Produktionsprozeß des Buches zu koordinieren und die Probeabdrucke Korrektur zu lesen, sofern nicht der Auftraggeber einen Korrektor stellte. Außerdem wachte der imprimeur über die Qualität der Arbeit seiner Angestellten, um weitere Aufträge des Verlegers zu erhalten und um neue Auftraggeber werben zu können.27 Dieses Bild bot das Lyoner Buchgewerbe in seiner Blütezeit von etwa 1540 bis 1562. An die 150.000 Bücher wurden jährlich produziert. Das entsprach zwar nur der Hälfte der Pariser Buchproduktion, vergleicht man aber die Einwohnerzahl von Lyon (60.000) mit der von Paris (300.000), so wird deutlich, welchen Rang das Buchgewerbe in Lyon einnahm.28 Die Aufteilung in Drukker, Druckerverleger und Buchhändler war in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts weniger ausgeprägt gewesen. Die Zahl der Drucker, die in kleinerem Umfang auf eigene Rechnung Bücher produzierten und vertrieben, war größer, während gleichzeitig die Gesamtzahl der produzierten Titel kleiner war. Erst mit dem Aufschwung des Buchgewerbes und der Entwicklung des internationalen Buchhandels trennten sich die Arbeitsbereiche. Diese Entwicklung läßt sich anhand der verschiedenen Ausgaben des Corpus Iuris Canonici, die in der Stichprobe enthalten sind, nachvollziehen. Der Drucker François Fradin hatte sich auf Gesetzestexte spezialisiert und seit 1515 fast jedes Jahr abwechselnd jeweils eine Gesamtausgabe des Zivilund des Kirchenrechts veröffentlicht. Seine große Druckermarke auf den Titelseiten der Ausgaben zeugt von seinem Selbstbewußtsein als Drucker und Verleger.29 Nun führte die Expansion des Buchmarktes seit den 1530er Jahren dazu, daß die Drucker die Produktionskosten nicht mehr selbst tragen konnten. Verleger traten als Geldgeber auf - in diesem Fall die Familie De La Porte - und finanzierten große Buchprojekte wie die Edition eines Gesetzes26 Im allgemeinen waren Druckereien nicht permanent ausgelastet, so daß viele Betriebe nur für Aufträge Gesellen einstellten. Der "Brotdruck" von einseitigen Edikten, Plakaten u.a. war auch von Meister und Lehrling allein zu bewerkstelligen. Für den Buchdruck allerdings waren fünf qualifizierte Arbeiter pro Presse erforderlich; vgl. Febvre, Apparition, frz., S. 195. 27 Vgl. Febvre, Apparition, frz., S. 203; Veyrin, S. 280; Davis, Monde, S. 262. Auch die selbständigen Druckermeister produzierten hin und wieder ein Buch auf eigene Rechnung. Von den insgesamt 295 Verlegern, die Billon und Popoff in der Zeit von 1480 bis 1620 gezählt haben, veröffentlichten 230 maximal 10 Bücher; vgl. Tableau I und III. 28 Martin, classements, S. 442; Parent, Annie, Les Métiers du livre à Paris au XVIe siècle (1535-1560), Genf 1974, S. 2. 29 In der Stichprobe ist aus dieser Zeit eine Ausgabe des Corpus Iuris Civilis enthalten, Nr. 20.
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Eruditus: Der gelehrte Leser
korpus vor. Die Drucker übernahmen nur noch die handwerkliche Ausführung ohne unternehmerisches Risiko und mußten dafür den Platz auf der Titelseite räumen. Der Name des Druckers wurde nun im Kolophon genannt, während die Verleger ihre Marke auf die Titelseite setzten.30 Die Verlegerfamilie nutzte die Gelegenheit, dem „liebenswerten und wohlmeinenden Leser" den Zusammenhang folgendermaßen zu erläutern: „Bester Leser, du sollst wissen, warum das Aussehen des Buches bei dieser Ausgabe ganz anders ist. Vor einigen Jahren starb François Fradin, bei dem die Werke beider Rechte erschienen, die wir und unsere Vorfahren herausgegeben haben. ... Da wir die von ihm gedruckten Bücher für uns wieder auflegen wollten, schien es uns ratsam, die Notiz auf der ersten Seite zu verändern."
Man habe sich bemüht, die Qualität der Vorfahren zu halten oder gar zu übertreffen. „Nun sollen die Bücher auf unsere Kosten, in unserem Namen und schließlich mit unserem Zeichen an die Öffentlichkeit gehen."31 Protestantische
Verleger in Lyon
In Lyon wuchs die protestantische Gemeinde seit den 1540er Jahren kontinuierlich. Bereits Anfang der 60er Jahre gehörte ihr die Hälfte der Lyoner Bevölkerung an. Unter den im Buchgewerbe Tätigen war der Anteil der Protestanten so hoch, daß sich leichter diejenigen Druckerverleger nennen lassen, die dem katholischen Glauben treu blieben. Nur Guillaume Rouillé und Michel Jouve, der mit 248 produzierten Titeln noch zu den zehn größten Lyoner Verlegern gehörte, sympathisierten nicht mit dem neuen Glauben.32 Im Mai 1562 übernahmen die Protestanten nach einem Aufstand die Stadtregierung. Entsprechend dem Vorbild Genfs wurde ein Konsistorium als religiöse und kommunale Aufsichtsbehörde eingerichtet.33 Doch hatte der am 7. Mai 1562 neu gewählte Stadtrat, dem ausschließlich Protestanten angehörten, wenig Handlungsspielraum. Wenige Wochen nach der Wahl wurden die Versorgungswege der Stadt von katholischen Truppen belagert. Fast ein Jahr hielt
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Nr. 141. 141, fol. 2re. Quae nos ratio impulerit, ut primam huius voluminis faciem omni prope ex parte dissimilem antea excuses recudendam curaremus, optime lector numero cognosce. Paucis abhinc annis Franciscus Fradinus, ex cuius officina ingens utriusque iuris librorum vis , tum nostris, tum nostrorum maiorum sumptibus in publicum prodierat, mortem obiit. ... Cum libros nobis ab eo excusos recudere pararemus, ... non inconsultum visum est una quoque primae faciei notam commutare. ... Hoc vero tempore cum libri nostro sumptu, nostro nomine, nostro denique insigni in publicum exeant. 32 Davis, Monde, S. 277; Billon, Tabelle IV. 33 Hours, Henri, Le XVLe siècle, in: Histoire des Diocèses de France, Bd. 16, Paris 1983, S. 120-134, hier S. 126; Prestwich, Menna, France 1555-1629, in: International Calvinism 1541-1715, Hg. M. Prestwich, Oxford 1985, S. 71-107, hier S. 90-94. 31
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die Stadt der Belagerung stand, doch als der Stadtrat am 9. Juni 1563 auf das Edikt von Amboise einging, das die freie Religionsausübung zusicherte, waren Handel und Gewerbe von Lyon zerstört.34 Die Buchproduktion sank auf ihren absoluten Tiefpunkt: Nur 13 Titel erschienen im Jahre 1563, alle waren religiösen Inhalts.35 Eine Pestwelle raffte 1564 zahlreiche der durch die Belagerung der Stadt geschwächten Bewohner hin, darunter auch den Verleger Jean de Tournes. Im Anschluß an die Bartholomäusnacht in Paris 1572 wurden bei den Vepres Lyonnaises zahlreiche Protestanten Lyons von aufgebrachten Katholiken umgebracht. Viele Anhänger des neuen Glaubens, darunter auch zahlreiche Drucker, flohen nach Genf.36 In den folgenden Jahren konnte die Stadt nicht zu ihrer einstigen Rolle als Verlags- und Messestadt zurückkehren. Die andauernden Religionskriege lähmten den Handel und die Lieferung des für den Buchdruck so wichtigen Rohstoffs Papier.37 Viele protestantische Druckerverleger gingen nach Genf ins Exil, wodurch sich die Lyoner Verlagsstruktur zugunsten der Großhändler veränderte. Selbst die Druckergesellen, die 1551 als erste Psalmen singend durch die Straßen Lyons gezogen waren, kehrten - soweit sie in der Stadt geblieben waren - zum alten Glauben zurück.38 Sie arbeiteten nun bei den Druckermeistern, die die Aufträge der Großhändler ausführten.39 Doch die Blütezeit des Lyoner Buchdrucks war vorbei. Die Produktion der Jahre 1579/80 erreichte nur noch 60% der Spitzenjahre um 1560, die Qualität von Druck und Papier ließ spürbar nach.40 Thematische Schwerpunkte der Lyoner Buchproduktion Der Charakter des Verlagsortes Lyon war geprägt durch die am Ort ansässigen Autoren und Gelehrten, die medizinische Universität von Montpellier und die relative Nähe der Universität von Bourges mit ihrer berühmten juristischen Fakultät. Eine wichtige Rolle spielten auch die geringe Entfernung zu Genf und zu Italien sowie die intensiven Handelsbeziehungen mit dem schweizerischen und italienischen Raum. Das Spezialgebiet der Lyoner Verleger waren die juristischen Drucke. Die Lyoner belieferten mit ihren Ausgaben des Corpus Iuris Civilis und Corpus
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Vgl. Doucet, Lyon, S. 4 1 7 ^ 2 0 . Vgl. Catach, Nina, L'orthographe française à l'époque de la Renaissance (auteurs, imprimeurs, ateliers d'imprimerie), Genf 1968, S. 9. 36 Vgl. Prestwich, S. 98. 37 Bücher, die auf dem 1560 für alle Bücher verwendeten feinen, elastischen Büttenpapier gedruckt wurden, sind 1579/80 die Ausnahme. Ebenso erkennt man am Druckbild das Alter der Letternsätze; vgl. auch Doucet, Lyon, S. 422. 38 Vgl. Davis, Streik, S. 29. 39 Vgl. Davis, Monde, S. 277; Higman, S. 320. 40 Zahlen nach Billon, Popoff, Kurve 6. 35
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Eruditus: Der gelehrte Leser
Iuris Canonici Kunden an allen Orten Europas.41 Hinzu kamen Originalausgaben juristischer Kommentare von Professoren der Universität von Bourges. Relativ viele Originalausgaben publizierten die Lyoner Verleger auch im Bereich der zeitgenössischen Literatur sowie bei Übersetzungen von literarischen Werken und medizinischen und juristischen Fachtexten ins Französische. Doch bei weitem den größten Teil aller in Lyon erschienenen Bücher stellten die Nachdrucke. Nur etwa ein Viertel der Bücher waren Erstdrucke, sei es von neu verfaßten, neu übersetzten, oder neu bearbeiteten Texten. Lyon war nicht der Ort, an dem die großen philologischen Entwicklungen stattfanden. Die profiliertesten Gelehrten arbeiteten in Paris, Venedig, Rom und Basel. Die Lyoner Verleger beschränkten sich in diesem Bereich darauf, wichtige und gute Neuerscheinungen nachzudrucken, anstatt neue Übersetzungen antiker Autoren herauszubringen.42 In der Stichprobe befinden sich unter den 58 Ausgaben von Texten antiker Autoren nur zwei Lyoner Originalausgaben in lateinischer Sprache und kein einziger Text in griechischen Lettern 43 Das Publikum, das in der Lage war, griechische Texte im Original zu lesen, muß so klein gewesen sein, daß es mit den Originalausgaben der Titel und den Nachdrucken desselben Verlegers bedient wurde. Für Lyoner Drucker scheint es sich nicht gelohnt zu haben, diese Titel nachzudrucken, zumal sie dafür speziell ausgebildete Setzer hätten anstellen müssen.44 Fast alle Klassikerausgaben der Stichprobe, die bis 1540 erschienen, sind Nachdrucke von Originalausgaben aus Italien. Ab etwa 1535 kann man fest41 Die Kataloge der großen Bibliotheken wie der National Union Catalogue (NUC) oder der Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek München belegen dies ebenso wie die Inventare der Privatbibliotheken von Juristen, die teilweise Einträge enthalten wie: "Ung cours canon. Impression de Lyon", vgl. Aquilon, avocats, S. 513. 42 Die einzige Übersetzung eines französischen Gelehrten, die sich in meiner Quellenauswahl befindet, Rerum romanorum von Cassius Dio in der Übersetzung Guillaume Blancs von 1550, fand vor den Augen des im oberdeutschen und Schweizer Raum tätigen Gelehrten Wilhelm Xylander wenig Gnade. In gewählten doch unmißverständlichen Worten bemerkte er: "Als ich dieses Buch mit einem griechischen Exemplar verglich ... mußte ich an vielen Stellen Anstoß nehmen, die von Xiphilinus [dem Kompilator im 11. Jahrhundert] und selbst von Dio anders geschrieben waren als vom Übersetzer." Nr. 150, S. 417, Z.9-13. Sed cum librum hunc cum Graeco exemplari contulissem ... offendissemque compluribus in locis aliter a Xiphilino et ipso Dione, quam ab interprete scriptum. 43 Der Anteil der griechischen Ausgaben ist in Lyon ohnehin sehr niedrig; vgl. Baudrier, passim. Die Originalausgaben in der Stichprobe sind Nr. 199 und Nr. 12 (Nachdruck einer Lyoner Ausgabe von 1510). 44 Einen griechischen Letternsatz hatten manche Druckereien dennoch, um griechische Zitate, die in den lateinischen Übersetzungen zum Teil enthalten waren, ausfuhren zu können. Allerdings scheint es sich dabei um abgelegte Letternsätze anderer Drucker zu handeln, denn die Qualität ist recht schlecht. Außerdem hatten auf griechische Drucke spezialisierte Verleger ab etwa 1520 besser lesbare griechische Lettern als die von den Lyoner Druckern für Zitate verwendeten.
Buchproduktion und Buchhandel in Lyon
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stellen, daß bei manchen Titeln der Zeitraum zwischen der Erstausgabe und dem Lyoner Nachdruck kürzer wird. So erschien die Ausgabe der philosophischen Werke Ciceros 1536 als Originalausgabe in Venedig und bereits 1540 als französische Erstausgabe bei Sebastian Gryphe in Lyon. Mit vier Aldinennachdrucken und den Ciceroausgaben von Andrea Navagero und Piero Vettori, die als Standardausgabe galten, enthält selbst die nach Zufallskriterien zusammengestellte Stichprobe Nachdrucke der wichtigsten und besten italienischen Klassikerpublikationen.45 Daß die führende Rolle bei der Edition und Verbesserung griechischer Texte seit 1520 von französischen Gelehrten übernommen worden war, nachdem in den Jahrzehnten zuvor die Erstausgaben griechischer Autoren in griechischer Sprache bei Aldo Manuzio erschienen waren, spiegelt sich in der Stichprobe nicht. Auch wenn griechische Lehrer wie Janus Laskaris, ihre begeisterten Schüler Guillaume Budé und Lazare de Baif unterrichteten, die die ersten antiquarischen Texte aus griechischen und lateinischen Quellen verfaßten, und Henri Estienne und Simon de Colines in Paris die neuen Ausgaben der Philologen publizierten, blieb der Bezugspunkt für die Lyoner Verleger, die sich in diesem Bereich engagierten, der deutschsprachige Raum. Sie druckten ab etwa 1540 vorwiegend Ausgaben nach, die zuerst in Basel erschienen waren.46 Unter den Lyoner Klassikerausgaben der Publikationsjahrgänge 1559/60 befindet sich keine italienische Bearbeitung mehr, deutschsprachige und französische Herausgeber und Übersetzer dominierten nun die Lyoner Produktion.47 Die Verleger hatten darauf reagiert, daß die neuen Entwicklungen in der Philologie sich nun nördlich der Alpen entfalteten. Deutlich wird auch hier, wie behäbig die Nachfrage neuen Entwicklungen hinterherhinkte. 1520 hatte die Blütezeit der Basler Drucker begonnen, und noch fast zwanzig Jahre nach der Basler Erstausgabe der Vitae von Plutarch in der Übersetzung von Gemusaeus (1542) druckte der Lyoner Verleger Mathieu Bonhomme den Text 1560 nach.
45 Aldinennachdrucke: Nr. 19, 87, 103/104, 124. Ciceroausgaben: Nr. 59, 110-114. Zur Bewertung der Ausgaben vgl. Grafton, Scaliger, S. 94. 46 Als einen Beleg für die intensiven Beziehungen zwischen den schweizerischen und den Lyoner Verlegern kann man die Marc Aurel-Ausgabe von Wilhelm Xylander werten. Sie erschien 1558 als Erstdruck in Zürich und wurde bereits 1559 in Lyon nachgedruckt. Außerdem wurden die erste zweisprachige synoptische Ausgabe von Strabos De situ Orbis, die 1549 Marcus Höpperli in Basel herausgebracht hatte (Nr. 192), und die Vitae Plutarchs, die Hieronymus Gschmus 1542 ebenfalls in Basel publiziert hatte (Nr. 245), in Lyon nachgedruckt; vgl. Grafton, Scaliger, S. 74f; Pfeiffer, S. 131-138. 47 Eine Ausnahme zur Bestätigung der Regel: Die Übersetzung Polizianos der Historiae von Herodian, die 1493 erstmals erschien, ist in der Stichprobe in einer Ausgabe von 1559 enthalten.
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Eruditus: Der gelehrte Leser
Gelehrte, die an der neuesten Entwicklung der Philologie interessiert waren, können kaum unter den Käufern der Lyoner Ausgaben gewesen sein, lagen doch zwischen der Erstausgabe und dem Nachdruck in Lyon selten weniger als zehn, oft bis zu dreißig Jahren. Für die wissenschaftliche Philologie waren derart alte Ausgaben von geringem Nutzen. Im Bereich der Klassikerausgaben kann es sich beim Publikum der Lyoner Verleger kaum um professionelle Textkritiker gehandelt haben.
III. Humanistische Ideale: Doctrina - Gelehrsamkeit Humanistische Gelehrte der Renaissance verstanden sich als Verwalter und Hüter der überlieferten antiken Kultur. Als Autoren und Editoren trugen sie zur Entwicklung der humanistischen Wissenschaften bei. Doch waren sie nicht die einzigen, die Bücher lasen, nicht einmal die einzigen, die Texte antiker Autoren lasen. Neben diesen gelehrten Lesern, die es als ihre Aufgabe ansahen, das antike Erbe in seiner ursprünglichen Form zu bewahren und es zu interpretieren, entstand eine Gruppe, die zwar antike Autoren las, doch ein andersgerichtetes Interesse hatte. Wie differenziert tradiertes Wissen genutzt werden konnte, läßt sich anhand der Lyoner Buchproduktion der Jahre 1519 bis 1580 nachzeichnen. In den Widmungen und Vorreden gingen Herausgeber, Bearbeiter und Übersetzer auf die Vorlieben und Fähigkeiten dieser gebildeten Leser ein. Auch die Art der Textpräsentation läßt auf die Erwartungen dieser Lesergruppe schließen. Drei Arten, mit dem antiken Wissen umzugehen, lassen sich unterscheiden: Die des humanistischen Wissenschaftlers, die des Schülers und die des gebildeten Amateurs. Im folgenden soll zunächst anhand der wissenschaftlichen Publikationen dieser Jahre die Weiterentwicklung der humanistischen Wissenschaften kurz vorgestellt werden, um anschließend vor diesem Hintergrund herauszuarbeiten, wodurch sich die Humanismusrezeption der französischen „gebildeten Amateure" auszeichnete. Eingefügt wude ein kleines Kapitel über gebildete Leser in jungen Jahren: Vorreden von Schulbüchern geben Aufschluß über die Bildungsideale, die Schülern vermittelt werden sollten.
1. Der gelehrte Leser: humanistische Wissenschaften Die Methode der humanistischen Textkritik war an lateinischen Texten antiker Autoren entwickelt worden. Seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts wurde sie auch für die Edition griechischer Texte verwendet. Darüberhinaus eigneten sich die quellenkritischen Methoden der philologisch arbeitenden Humanisten nicht nur für literarische und historische Texte. Auch juristische und medizinische Texte konnten auf diese Weise bearbeitet werden und so weitere Teilbereiche der antiken Überlieferung erschließen. Selbst für religiöse Texte eignete sich die Philologie, doch war der textkritische Umgang mit den Glau-
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Doctrina — Gelehrsamkeit
bensgrundsätzen nicht immer mit den Vorstellungen der Kirche zu vereinbaren. Wichtige Verlagsorte der humanistischen Wissenschaftsbewegung des 16. Jahrhunderts waren Paris, Venedig und Basel, die ab der Mitte des Jahrhunderts von Löwen und Frankfurt abgelöst wurden. Lyon spielte auf dem Gebiet der humanistischen Jurisprudenz eine wichtige Rolle. Anhand der in der Stichprobe enthaltenen Ausgaben der humanistischen Jurisprudenz und Theologie wird im Folgenden die Entwicklung dieser Wissenschaften vorgestellt.1 Humanistische
Jurisprudenz
Bald nachdem die editiones principes der meisten antiken literarischen Autoren erschienen waren, wandten sich humanistische Gelehrte in Frankreich der juristischen Überlieferung zu. Es entstand wie in der Philologie eine gelehrte Tradition, die auf der Grundlage eines veränderten Verständnisses der Antike neue Fragestellungen entwickelte. Humanistisch gebildete Juristen begannen um 1500 in Frankreich das Corpus Iuris Civilis quellenkritisch zu lesen. Sie erkannten verschiedene Überlieferungsschichten, aus denen sie die „Urschicht" herauslösten. Außer dem Corpus Iuris Civilis edierten die französischen Juristen vorjustinianische Texte und byzantinische Rechtsquellen. Daneben entwickelten die humanistischen Juristen neue Textformen fiir Monographien: In ihren Kommentaren und Traktaten benutzten sie nicht länger das scholastische £ec/wra-Schema mit seiner weitläufigen Darstellung der communis opinio doctorum in pro et contra, sondern sie erklärten den Text im wesentlichen aus sich selbst. Sofern doch auf Zitate zurückgegriffen wurde, bezog man sich auf zeitgenössische Autoren oder scholastische Autoritäten, wie Bartolus und Baldus. Die Universität von Bourges wurde ein Zentrum dieser neuen Wissenschaftsrichtung, die sich ab 1550 durchsetzte. Man bezeichnet sie als mos gallicus, um sie damit vom mos italicus, der in Italien verfolgten Form der Jurisprudenz abzusetzen, die die traditionelle Kommentarform beibehielt.2
1 Die humanistische Medizin wird in dieser Arbeit nicht behandelt. Zwar ließe sich philologische Arbeit der Mediziner an den Vorreden der Medizinbücher nachzeichnen, doch würde sie lediglich ein weiteres, in sich abgeschlossenes Beispiel neben der viel zentraleren Theologie und Jurisprudenz darstellen. 2 Diese Unterscheidung wird von neueren Forschungen differenziert betrachtet; vgl. Maclean, Ian, Interpretation and meaning in the Renaissance. The Case of Law, Cambridge 1992, S. 204. Der Vergleich zwischen humanistischer Philologie und humanistischer Jurisprudenz zeigt, daß in beiden Bereichen die französischen und die italienischen Wissenschaftler getrennte Wege gingen. Während die italienischen Juristen und Philologen weiterhin an einer möglichst vollständigen Zusammenstellung aller die Überlieferung des jeweiligen Textes betreffenden Informationen interessiert waren, bevorzugten die französischen Philologen und Juristen die monographische Behandlung von Spezialproblemen. S. o. Kapitel II.l.
Der gelehrte Leser
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Textausgaben des Corpus Iuris Civilis und des Corpus Iuris Canonici waren ein unverzichtbares Arbeitsmittel fur jeden Juristen. Sie waren in jeder Fachbibliothek zu finden, auch Klosterbibliotheken besaßen diese Texte. In Lyon erschienen solche Gesamtausgaben des Kirchen- und des Zivilrechts fast jährlich im Auftrag der Verlegerfamilie de la Porte, den Großhändlern und Verlegern Senneton und ab 1539 bei der Compagnie des Libraires, einem Zusammenschluß von Lyoner Großhändlern und Verlegern. Anhand der Vorreden läßt sich erkennen, wie die Verleger auf die Entwicklung der humanistischen Jurisprudenz einerseits und die Ansprüche ihrer Leser andererseits reagierten. Corpus Iuris Civilis Seit 1510 wurde die Standardausgabe des Corpus Iuris Civilis bei dem Lyoner Drucker François Fradin gedruckt. Sie enthielt orthographische Verbesserungsvorschläge des italienischen Juristen Lodovico Bolognini, woran sie als humanistische Ausgabe zu erkennen war.3 In den folgenden Jahrzehnten bemühten sich humanistische Juristen kontinuierlich um die Verbesserung des justinianischen Urtextes. Neuausgaben erschienen in Lyon, Florenz, Nürnberg, Paris und Antwerpen.4 Von den zahlreichen Lyoner Ausgaben des Corpus Iuris Civilis ist in der Stichprobe nur eine Teilausgabe enthalten: die 1571 von Antonio Contio bearbeiteten Novellae. Diese Fassung ist ein aussagekräftiges Beispiel für die Entwicklung der juristischen Literatur, denn es wird aus dem Vorwort deutlich, daß die Textausgaben des Corpus Iuris Civilis seit mehreren Jahrzehnten ein Arbeitsgebiet humanistisch gelehrter Juristen war. Der Editor referierte die Überlieferungsgeschichte des Textes, wobei er besonders auf den Umgang mit den Passagen in griechischer Sprache einging. Die Edition und Kritik griechischer Texte war zum Hauptarbeitsfeld der Philologen geworden, nachdem die lateinischen Texte in guten Editionen vorlagen. Indem Contio auf seine Arbeit am griechischen Text einging, proklamierte er seine Zugehörigkeit zur Avantgarde der gelehrten Elite.
3
Vgl. Troje, S. 650. Zur Editionsgeschichte des Corpus Iuris Civilis vgl. Troje, S. 648-649. Ähnlich wie bei den humanistischen Klassikerausgaben waren die verschiedenen Textfassungen gleichzeitig auf dem Markt, so daß häufig schwierig zu belegen ist, auf welche Textgrundlage sich ein Bearbeiter bezieht. Erst 1582 brachte Denis Godefroy die littera vulgata des Corpus Iuris Civilis heraus, die bis ins 18. Jahrhundert die maßgebliche Textgrundlage blieb. Eine Bibliographie der glossierten und unglossierten Ausgaben fehlt bis heute, so daß Aussagen über die Rezeption der humanistischen Neuerungen in der Forschung stets nur auf einer zufällig zusammengestellten Auswahl von Ausgaben beruhen; vgl. Troje, S. 645 und 649; Weimar, P., s.v. Corpus Iuris Civilis, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. III, München/Zürich 1986, Sp. 270-277, hier Sp. 276. 4
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Doctrina — Gelehrsamkeit
„Warum viele von ihnen verloren gingen, liegt an den folgenden Gründen: Einige enthielten ein Lokalrecht, das den Langobarden, die die Musen und die menschlicheren Wissenschaften verachteten, nicht nützte."5 In typisch humanistischer Manier führte Contio den Verlust der kostbaren antiken Texte auf die barbarischen Umstände zurück, die bei den Völkern herrschten, die sich nicht den studio humanitatis widmeten. Dank einiger Buchhändler und Kommentatoren wurden sie jedoch bewahrt, so daß der Herausgeber Contio sie nun erstmals nach einem Manuskript von Jacques Cujas in lateinischer Übersetzung dem Novellentext hinzufügen konnte. Weder sein Vorgänger Haloander kannte diese Texte, noch waren sie in der Ausgabe von Scrimger in lateinischer Übersetzung enthalten, berichtete der Herausgeber stolz. 6 „Trotz seiner vielen Fehler möchte ich ihm [Haloander, S. V.] für seine Arbeit zum Wohle der Gelehrten danken. Noch besser wäre es meiner Ansicht nach für die öffentlichen Studien gewesen, wenn er, wegen des Gebrauchs der Glossen, die immer die ersten Worte der Kapitel und Paragraphen einnehmen, und auf die wir in der vulgata editio nicht verzichten können, sich bei der Korrektur der Übersetzungen mehr Mühe gegeben hätte", so schloß Contio gönnerhaft. 7 Er ging davon aus, daß seine Überarbeitung der Novellae Bestandteil der zukünftigen editio vulgata werden würde. Doch erst die 1583 von Denis Godefroy besorgte Ausgabe enthielt den Bearbeitungsstand des Corpus Iuris Civilis, der für die folgenden Jahrhunderte maßgeblich blieb. 8 Corpus Iuris
Canonici
Die Textausgaben des Kirchenrechts sind in der Stichprobe zahlreicher vertreten. Sie erschienen ausnahmslos bei der Verlegerfamilie de la Porte. Text und Vorrede blieben von der ersten Ausgabe 1519 bis zur letzten 1559 unverän5
306, fol. a2ve. Cur autem multae deperierint, in causa haec sunt. Erant inter has leges per multae constitutiones locales, quarum nullus fere usus visus est illes praesertim Langobardis plus aequo Musas et humaniorum literas abhorrentibus ..., ut aliaquae omnino perierint. 6 Die unglossierte Ausgabe von Haloander, die 1528-71 in Nürnberg erschien, war die erste, die griechische Textstellen einfügte. Die Ausgabe von Scrimger erschien 1558 in Genf und enthielt Novellen Leos des Weisen und der Kaiser Justinian und Tiberius in griechischer Sprache; vgl. Troje, S. 648 und ders., Graeca leguntur. Die Aneignung des byzantinischen Rechts und die Entstehung eines humanistischen Corpus iuris civilis in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, Köln/Wien 1971, S. 50-60. 7 306, fol. a2ve. Melius tarnen (ut opinor) publicis studiis esset consultum, quando propter glossarum usum, quae prima capitum seu paragraphorum verba Semper usurpant, vulgata editione carere non possumus, si in illius translationis vitiis perpurgandis, quamvis permulta sint, elaborasset. 8 Vgl. Troje, S. 648.
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dert, während das Erscheinungsbild der Bücher der Entwicklung angepaßt wurde. Erschien die Ausgabe von 1519 noch in gotischen Lettern im Folioformat, war die Titelseite der Ausgabe von 1540 schon in modernen Antiqualettern gedruckt. Doch wie bei vielen juristischen Büchern dieser Jahre beschränkte sich die Modernisierung der Ausgabe auf die Titelseite.9 Der Text der Bücher wurde weiterhin in der bis dahin für überlieferte juristische Texte üblichen gotischen Schrift gedruckt. 1544 erhielt Hugues de la Porte vom Parlament ein Privileg, das Zivil- und Kirchenrecht zu drucken und zu verkaufen: „in kleinem Format, mit schönen und guten Lettern, korrigiert, verbessert, erläutert und ergänzt, nach den alten und richtigen Exemplaren, die er selbst oder gelehrte Doktoren entdeckt haben." 10
Doch erst 1554 publizierte er die erste Ausgabe des Corpus Iuris Canonici im Quartformat und in Antiqualettern, 1559 erschien eine weitere. Auch das Vorwort des Buches war nun in der Humanistenschrift zu lesen, ohne daß es inhaltlich verändert worden wäre. Wie 1519 erfuhr der Leser, daß das Werk in je vier Punkten verbessert, erweitert und verändert worden war. Was die Verbesserungen anging, sei es erstens sorgfaltiger gereinigt, zweitens angemessener geordnet, drittens offensichtlicher annotiert, viertens ansehnlicher ausgeführt. Die Erweiterungen bezögen sich auf die Vervielfachung der Ergänzungen, auf die Erläuterung der Gesetze, außerdem auf die Erläuterungen der Titel und auf die Vergrößerung der Inhaltsverzeichnisse. Die Veränderungen lägen erstens in der Herleitung, zweitens in der Anordnung der Fälle, die „von der Sorglosigkeit und Unwissenheit der Drucker in Unordnung geraten" sei, drittens in der Übersetzung des Zivilrechts, das zuvor „nicht ohne großes Durcheinander" für das Kirchenrecht verwendet worden sei und viertens in der Zusammenstellung von Kommentaren der wichtigsten Juristen.11 Optimus iste Uber, dieses Buch ist das Beste, dieser suggestiven Aussage in der Überschrift der Vorrede von 1519 konnte sich der Leser kaum verschließen. Sortieren, annotieren, vergleichen, das waren die Tätigkeiten, an denen man den humanistischen Gelehrten erkannte. Wenn dann noch in das Lamento auf die schlechte Arbeit der Drucker eingestimmt wurde, konnte der 9
In der Stichprobe haben nicht wenige juristische Titel der Publikationsjahre 1539/40 eine "moderne" Titelseite und einen traditionellen Text. So zum Beispiel die Nr. 83, 122, 250. 10 204, fol. aalve. ... en petit volume, beaux et bons caractères, corrigés, emendés, annotés, selon les vrays et anciens Exemplaires par luy recouvers, et par docteurs sçavans. 11 20, fol. a2re und 204, fol. aa2re; in hisce tamen capitulis impressorum incuria vel ignorantia potius hune ordinem turbaverat; ... que enim prius in circuitum regularum iuris pontificii satis inconsulte et non sine magna confusione fìierant applicate.
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Doctrina — Gelehrsamkeit
zeitgenössische Leser sicher sein, ein Werk humanistischer Gelehrsamkeit in Händen zu halten. Doch wundert sich der heutige Leser, daß die Ausgaben des Corpus Iuris Canonici während mindestens vierzig Jahren mit der gleichen lobenden Vorrede erschienen, denn das bedeutet, daß der Text ebenfalls nicht bearbeitet worden war. Man sollte meinen, daß im Laufe dieser vierzig Jahre, während derer das Corpus Iuris Civilis textkritisch gelesen worden war, auch das Kirchenrecht überarbeitet wurde. Der Jurist des 16. Jahrhunderts hingegen wußte, daß die katholische Kirche aus Angst vor häretischen Lesarten das Corpus Iuris Canonici nur sehr zurückhaltend von humanistischen Juristen bearbeiten ließ. 1553/4 brachte Charles Dumoulin in Lyon ohne Erlaubnis der Kirche eine textkritische Dekret- und Dekretalenedition heraus, die 1572 wegen ihrer dogmenkritischen Teile indiziert wurde.12 Die 1566 von Papst Pius V. eingesetzte 35-köpfige Kommission, die eine Neuausgabe des Kirchenrechts nach den neuesten philologischen Kenntnissen erarbeiten sollte, wurde durch derart strenge Auflagen eingeschränkt, daß sie keine wirklich kritische Textausgabe erstellen konnte. Bereits 1580 erließ Papst Gregor XIII. die Promulgationsbulle Cum pro munere, die für alle Zeiten verbat, den Text der editio romana, die schließlich 1582 erschien, zu verändern. Im Gegensatz zum Bibeltext, der von reformatorischen Philologen trotz des Verbotes der Kirche neu übersetzt und bearbeitet wurde, blieb das Corpus Iuris Canonici weitgehend in seinem überlieferten Zustand. Wenn das Parlament von Paris in seinem Privileg von 1544 dem Verleger Hugues de la Porte das Alleinvertriebsrecht für neubearbeitete und annotierte Ausgaben des Kirchen- und Zivilrechts zusprach, überschritt es seine Kompetenzen. Der Verleger durfte keineswegs den Text des Corpus Iuris Canonici in einer neubearbeiteten Fassung auf den Markt bringen, denn seit 1542 war die theologische Fakultät der Universität von Paris für die Begutachtung aller Texte religiösen Inhalts zuständig. Man kann annehmen, daß die Veränderung des Buchformats und des Schrifttyps den Rahmen der möglichen Veränderungen bereits fast ausschöpfte, wollte der Verleger das Risiko vermeiden, seine Bücher indiziert zu sehen. Wie groß der Einfluß der Kirche auf die Entwicklung und Verbreitung von wissenschaftlichen Methoden sein konnte, zeigt sich an diesen Texten. Edition vorjustinianischer
Quellen
Der humanistische Jurist Pardulphe DuPrat13 aus Lyon widmete sich einem weiteren Gebiet der juristischen Philologie: der Edition voijustinianischer Quellen. 1559 erschien in Lyon sein Werk Iurisprudentia vetus. Draconis et 12
Zapp, H., s.v. Corpus Iuris Canonici, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. III, München/Zürich 1986, Sp. 263-270, Sp.264. 13 Pardulphe DuPrat (um 1520- um 1570) Zur Biographie vgl.: NBG, 16, 361.
Der gelehrte Leser
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solonis leges, in dem er erstmals eine nach modernen philologischen Kriterien verbesserte und aus dem Griechischen übersetzte Textfassung der Gesetze Drakons und Solons vorlegte. Dieses Buch, das in dem für klassische Textausgaben üblichen Oktavformat und in Antiquaschrift erschien, konnte im Hinblick auf sein Erscheinungsbild den Vergleich mit den Aldinen aufnehmen: nur der Titel, der Name Pardulpho Prateio Augustobuconiate collectore et interprete, die Verlegermarke sowie Druckort und -jähr waren auf der Titelseite zu lesen. Mit seiner Edition wandte sich DuPrat nicht an die praktizierenden Rechtsanwälte und Notare. Diese waren bislang mit den von römischen Autoren überlieferten Teilen der drakonischen und solonischen Gesetze ausgekommen, wie DuPrat in seiner Vorrede einräumt. „Ich stelle nicht in Abrede, daß Plato, Herodot, Demosthenes, Aristoteles, Cicero, Plutarch, Ulpian, Caesar, Aulus Gellius und Diogenes Laertius einiges zusammengetragen haben: doch was diese j e w e i l s weggelassen hatten, habe ich in übereinstimmenden Titeln (soweit die Sache es zuließ) so umgestellt und angeordnet, daß ein Gesetz vom anderen w i e auf einem künstlich geleiteten W e g abzuhängen scheint." 1 4
Einen besonderen Nutzen seiner Edition jenseits der neuen Anordnung - hier war der humanistische Jurist more gallico in seinem Element gewesen - erwähnt DuPrat in seiner mit griechischen Zitaten gespickten Vorrede nicht. Er beginnt den Text mit der humanistischen Parole Ad fontes: „Die ältesten Interpreten des Zivilrechts hielten es für besser, die Jurisprudenz, die Königin aller, aus ihren Quellen zu schöpfen, als aus kleinen Bächen." 1 5
Anschließend macht er sich Gedanken über den Ursprung und die Überlieferungsgeschichte der Gesetze und kommt dann zur eigentlichen Widmung. Er lobt die humanitas seines Mäzens François Villar, dessen Rechtskenntnis und - dies ist eine Eigenart von Widmungen juristischer Texte, auf die später eingegangen wird - die Qualität seiner Amtsausübung als conseiller du Roi. Der äußeren Form und der Widmung nach zu urteilen, handelte es sich bei dieser Ausgabe um einen Text für humanistisch gebildete Leser mit juristischen Kenntnissen. Die Edition konnte im Einzelfall praktisch verwendet werden, war aber eher für den wissenschaftlichen Gebrauch publiziert worden.
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160, S. 5. Porro Platonem, ... congesisse aliquot non diffiteor: sed quas illia singuli praetermiserunt, congruis (ut res patiebatur) titulis huc transtuli, atque ita digessi, ut una lex ex alia ductili quadam via pendere videatur. 15 160, S. 3. Iurisprudentiam universi Reginam, ex fontibus ipsis, quam ex rivulis hauriendam satius existimavere antiquissimi iuris Civilis interpretis.
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Doctrina — Gelehrsamkeit
Monographien
und
Traktate
Die in der Stichprobe enthaltenen Monographien humanistischer Juristen sind von prominenten Vertretern des mos gallicus verfaßt worden, die zumindest zeitweise einen Lehrstuhl an der Universität von Bourges innehatten. 16 Schon an der Titelseite konnte man sie von den älteren mittelalterlichen Kommentaren unterscheiden: Ihre Titelseiten entsprachen dem Vorbild der Aldinen. Außerdem enthielten ihre Werke ausfuhrliche Widmungen, die formal denen der Klassikerausgaben gleichen. Durch die Art ihrer Präsentation wurden die Arbeiten der humanistischen Juristen als Teilgebiet der humanistischen Wissenschaften vorgestellt. Der Verleger Etienne Dolet geht in der Widmung seiner Ausgabe des Soldatenrechts von Claude Coterau auf den Zusammenhang von studia humanitatis und humanistischer Jurisprudenz explizit ein: „Meine Sorge um die in jeder Hinsicht weiter zu befördernde humanistische Wissenschaft hat mich zu [diesem Werk] geführt, damit ich mich mehr und mehr darum bemühe, die Sache nicht nur durch die vielen bereits von mir veröffentlichten Werke, sondern auch auf anderem Wege voranzubringen. Die Methode, mit der ich dies erreiche und der ich mich ganz widme, ist die Buchdruckerkunst. Während ich meinen Beruf ausübte und dabei das Gut der Wissenschaft mit allen Kräften vergrößerte, nahm ich mir vor, mich nicht so sehr mit den heiligen Seelen der Verstorbenen zu verbinden, indem ich deren Werke fehlerfrei druckte, sondern ich dachte, daß ich auch einen gleichen Teil unserer Mühe und unseres Fleißes den gelehrten Abhandlungen unserer Zeitgenossen widmen müßte. ... Und so habe ich nun vor, den gelehrten Autoren, die dieses Namens auch würdig sind, unsere Dienste zu leisten, sei es denen, die das Leben vor langer Zeit beendet haben, sei es denen, die das Leben genießen. Ich glaube, daß Claude Coterau ... von diesen nicht verschieden ist." 17
16 Dies trifft auf Poulve, Tiraqueau, Rebuffi, Cujas, Juarez, Alciato und Hotman zu. Es entwickelten sich neue juristische Textformen: Neben das ältere Traktat, das ein sachlich zusammenhängendes Gebiet interpretierte, trat das jüngere Traktat. Dieses bezog antike Klassiker in den Zitatenschatz ein, was zur Folge hatte, daß die Texte immer länger wurden. Aus dem Traktat entwickelten sich weitere monographische Textformen, wie die Disputatio und die Observatio. Diese neuen Textformen folgten keinem Erörterungsschema mehr und richteten sich in der Form nach den Vorstellungen des Autors; vgl. Holthöfer, Ernst, Die Literatur des gemeinen und partikularen Rechts in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Hg. Helmut Coing, Bd. 2/1, München 1977, S. 103-500, hier S. 316-320. 17 62.2, fol. *2re. Adduxit in id mea me literarum humaniorum latius undequaque promovendarum cura, ut non editis solum iam multis a me Operibus, sed via etiam, rationeque alia rem tandem ex omnium usu conficere, magis, magisque studeam. In viam vero, qua id plene assequar, me ad extremum dedi, Calchographicam sane artem. Ubi dum institutum urgeo meum, et literarium bonum amplificare totis viribus conor, non tantum sacros Antiquorum manes, excudendis emendate illorum monumentis, mihi devinciendos statui, sed operae, industriaeque nostrae partem aequalium etiam nostrorum
Der gelehrte Leser
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Im Verlag von Etienne Dolet erschienen zahlreiche Klassikerausgaben nach dem Vorbild der Aldinen. Nicht zu Unrecht, wenngleich sehr ausfuhrlich, verwies er daher auf seine eigenen Verdienste um die studia humanitatis.18 Für ihn beschränkte sich die humanistische Wissenschaft nicht auf die Edition überlieferter Texte. Gelehrte Abhandlungen der Zeitgenossen, soweit sie an Qualität den antiken Vorbildern gleichkamen, verdienten ebenfalls dieses Prädikat. Als Qualitätsmaß benutzte Dolet das Erkennungszeichen des humanistischen Gelehrten, den Stil. „Er hat eine besonders g e f ä l l i g e Art zu schreiben, er strebt nach der sanften und g l e i c h m ä ß i g e n Form der Rede, die der von ihm unternommenen Sache a n g e m e s s e n ist", 1 9
lobte der Verleger seinen Autor und verglich ihn mit den Juristen Bude, Alciato und Zasius.20 Textkritik der Theologen Humanistische Gelehrte interessierten sich für alle überlieferten Texte, so auch für die Bibel. Doch anders als bei den Texten antiker Juristen oder Schriftsteller wurde ihrem philologischen Eifer bei religiösen Texten von einer übergeordneten Instanz eine Grenze gesetzt. Zwar hatte die mittelalterliche Überlieferung auch die religiösen Texte verändert oder verfälscht, doch ließen sich diese nicht ohne weiteres als das Werk von Unwissenden oder Barbaren entfernen. Sie waren fest in die katholischen Glaubensgrundsätze verwoben und erfüllten eine oft entscheidende Funktion. Immerhin gelang es den philologisch arbeitenden Theologen, eine Diskussion um die Authentizität des Bibeltextes anzuregen. Die Kontroverse zwischen den „Philologen" und ihren dogmatischen Gegnern wurde allerdings nicht in den Vorreden der Bibel selbst deutlich. Das „Buch der Bücher", das in unzähligen Ausgaben erschien, war für eine Auseinandersetzung offenbar nicht der rich-
Commentationibus relinquendam putavi. ... Itaque doctis solum, et nomine dignis Scriptoribus sive pridem vita functis, sive lucis usura adhuc fruentibus operam nostram navare, nobis in animo est. Ab iis Claudium Coterraeum, ..., non abhorrere duxi. Über Claude Coterau waren leider keine biographischen Daten in Erfahrung zu bringen. 18 Vgl. Longeon, Claude, Bibliographie des oeuvres d'Étienne Dolet. Ecrivain, éditeur et imprimeur, Genf 1980. 19 62.2, fol *2re. Summissimum, et placidum scribendi genus habet: lenem, et aequabilem orationis formam sequitur: quae rem ab eo susceptam decet. 20 Möglicherweise griff Dolet mit diesem Vergleich etwas zu hoch, denn dieses schon zu seiner Zeit so genannte "Triumvirat" hatte die humanistische Reform der Rechtswissenschaft begründet; vgl. K.Luig, Mos gallicus und Mos italicus, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, Berlin 1984, Sp.693-698, hier Sp.693.
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tige Ort.21 In den Vorreden der drei Psalmenausgaben der Stichprobe hingegen sind die wichtigsten Argumente beider Fraktionen erkennbar. Der Streit entzündete sich an der Frage, ob Hieronymus als Übersetzer des Bibeltextes, der seit Jahrhunderten in der katholischen Kirche verwendet wurde, gelten könne. Damit in Zusammenhang stand die Überlegung, ob die Texte der Vulgata mit den griechischen und hebräischen Originaltexten übereinstimmten. Im Mittelalter hatte man nicht in Frage gestellt, daß die göttliche Inspiration von Hieronymus die Vertrauenswürdigkeit, Authentizität und Autorität seiner Übersetzungen garantierte.22 Dieser Auffassung schloß sich der Franziskaner Frans Titelmans an, Praelektor für Heilige Schrift an der Universität von Löwen. Im Vorwort seines Psalmenkommentars geht er nicht ausdrücklich auf diese Frage ein, doch der Hinweis darauf, daß seine Erläuterungen dem sogenannten Psalterium Gallicanum in „unserer Vulgata" folgten, zeigt, daß er die Autorität der Bibelausgabe nicht in Frage stellte.23 Seine Ansicht wurde von anderen Professoren des Collegium Trilingüe in Löwen nicht geteilt. Als vom Humanismus beeinflußte Theologen behandelten sie überlieferte religiöse Schriften textkritisch, ebenso wie die Werke antiker Autoren. Seit dem 13. Jahrhundert waren Zweifel an der Urheberschaft des Vulgatatextes geäußert worden, denn Kenner der hebräischen Sprache hatten Diskrepanzen zwischen dem hebräischen und dem lateinischen Text festgestellt.24 Der Vergleich der hebräischen Quellen mit der Vulgataübersetzung der Humanisten Valla, Reuchlin und Erasmus mündete in die Frage: Wie kann der göttliche Hieronymus Autor einer derart fehlerhaften Übersetzung sein? Jan van Campen, ein Repräsentant der textkritischen Auffassung, benutzte für seine lateinische Paraphrase der Psalmen den hebräischen Originaltext, nicht die Vulgata. Sein Urteil über den Vulgatatext war deutlich:
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Die Bibelvorreden folgten einer eigenen Gesetzmäßigkeit; vgl. Schild, Maurice, Abendländische Bibelvorreden bis zur Lutherbibel, (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, 39), Gütersloh 1970, S. 107-109 und 135f. 22 Vgl. Rice, Eugene F. jr., Anthony Grafton, The Foundations of Early Modern Europe, 1460-1559, London/New York 2 1994, S. 179. 23 138, Epístola ad lectorem, fol. a6re. ... vulgatam nostram editionem (quam Gallicanam appellant). Das Psalterium Gallicanum ist die in der Vulgata enthaltene von Hieronymus überarbeitete Version einer älteren lateinischen Übersetzung. Die ebenfalls von Hieronymus angefertigte Neuübersetzung aus dem Hebräischen wurde nicht in die Vulgata aufgenommen; vgl. Rice/Grafton, S. 185. In der traditionellen Auffassung von Titelmans ( 1 5 0 2 - 1 5 3 7 ) sah die theologische Fakultät eine Gefahr für den Ruf ihres Collegiums, zumal nachdem dieser in einigen seiner Schriften Erasmus und Valla direkt angegriffen hatte. Der Versuch der theologischen Fakultät Titelmans an der Veröffentlichung seiner Schriften zu hindern glückte nur teilweise: Titelmans veröffentlichte seine Texte nicht in Löwen, sondern in Antwerpen. Vgl. auch zur Biographie: Contemporaries 2, 326. 24
Vgl. Rice/Grafton, S. 176.
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„Wer der Autor der Ausgabe ist, die in der Kirche verwendet wird, geht mich wenig an. Ich bestehe aber darauf, daß sie des göttlichen Hieronymus nicht würdig ist." 25
Die dritte Psalmausgabe der Stichprobe verfaßte Cornelius Jansen 1549. 1568 überarbeitete er sie und versah sie mit einer neuen Widmung. In der Zwischenzeit hatte der Autor am Konzil von Trient teilgenommen, wo er an der Neufassung des katholischen Katechismus federführend mitgearbeitet hatte.26 Das Konzil von Trient bestätigte am 8. April 1546, entsprechend dem Grundtenor der meisten Dekrete, die Autorität sowohl der Schrift als auch der Tradition.27 In der Anerkennung der Vulgata verbinden sich die beiden Aspekte sinnfällig, denn die Heilige Schrift wurde in ihrer seit Jahrhunderten tradierten Form als Grundlage der katholischen Religion bestätigt. Dem Fachmann für biblische Fragen, Cornelius Jansen, gelang das Kunststück, in seiner Vorrede zu den Psalmen die Vulgata mit den textkritischen Vorbehalten zu vereinbaren. „Es gibt viele Psalmkommentare, die denjenigen, der den Geist der Psalmen verstehen will, nicht zufriedenstellen," räumte Jansen am Beginn der fünf große Folioseiten langen Vorrede ein.28 Manche Kommentatoren wollten die Psalmen erläutern, indem sie die lateinische Vulgata-Ausgabe benutzten und nur wenig oder gar nicht die Originale heranzogen. Sie behandelten die Psalmen, als ob sie zuerst in Latein geschrieben worden wären und erklärten unbekümmert den Sinn der lateinischen Worte, ohne sie mit den ursprünglichen Quellen zu vergleichen. Schon Augustinus habe gesagt, daß die Menschen außer der lateinischen Sprache zwei weitere, Hebräisch und Griechisch, brauchten, damit sie im Zweifelsfall der lateinischen Übersetzung viele Varianten gegenüber stellen könnten. „Andere haben die Vulgata ganz zurückgewiesen und viele neue Versionen vorgeschlagen", spielte Jansen auf die neuen Übersetzungen der Humanisten und Reformatoren an und schloß dann diesen Gedanken: „Es ist sicher, daß man mit diesen Kommentaren, die aus den jüdischen Sümpfen geschöpft sind, unsere Vulgata nicht genügend erläutern kann,
25
106, fol. a2re. Quis autem fuerit autor huius editiones, qua Ecclesia utitur, mea non multum refert: hoc unum tantum affirmo, indignam esse quae divo Hieronymo tribuatur. Zur Biographie vgl. Jan van Campen (1491-1538): Contemporaries 1, 255f. 26 Der Kommentar des Pater Noster, der die größte Nähe zum Bibeltext haben sollte, war vom Papst den Theologen aus Louvain übertragen worde; vgl. Le temps des réformes et la Bible, Hg. Guy Bedouelle, Bernard Roussel, (Bible de tous les temps, 5), Paris 1989, S. 359-360. Zur Biographie vgl. Cornelius Jansen (1510-1576): NB G 26, 344. 27 Vgl. zur Bewertung des Tridentinischen Konzils: Grafton/Rice, S. 173-175. 28 299.1, fol. *2re. Quanquam enim extent innumeri pene comentarii in Psalmos, ... ut non satisfaciant ei qui... nativam eius quaerit intelligentiam.
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auch wenn das heilige und berühmte Tridentinische Konzil zu Recht feststellte, daß man sie weiterhin berücksichtigen sollte." 29 Jansen argumentierte dafür, die Quellen einzubeziehen, ohne den Text der Vulgata grundsätzlich in Frage zu stellen. Deutlicher als im Vorwort der Psalmenedition formulierte er sein salomonisches Urteil in der Vorrede des Kommentars In Ecclesiasticum, der 1579 in Lyon zusammen mit seinem Psalmenkommentar und den Weisheiten Salomons erschien. „Es ist nicht unnötig, in diesem unseren Jahrhundert eine neue Übersetzung aus den griechischen Quellen zu veröffentlichen, die mit dem Original besser harmoniert und klarer und eleganter ist. ... Da das Tridentinische Konzil unserer Vulgata wegen deren Alter die Ehre der Bestätigung aussprach, muß man ihr so weit es geht folgen. Man darf die Lesart dieser Bücher in der Vulgata nicht zurückweisen, sondern muß sie beibehalten, verbessern und schmücken." 30 Die gelehrte Tradition, die von den Humanisten des Quattrocento begonnen worden war, wurde von Philologen, Juristen, Theologen und Medizinern im 16. Jahrhundert fortgesetzt. Sie verbesserten und kommentierten die überlieferten Texte in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache und entwickelten die einzelnen Zweige der humanistischen Wissenschaften weiter. Dabei blieb der Bezugspunkt ihrer Arbeit die res publica literarum, deren Mitglieder die Überzeugung teilten, daß die Beschäftigung mit dem antiken Erbe einen eigenen Wert besaß. Ein Ziel außerhalb der Wissenschaft wie etwa den sozialen Aufstieg verfolgten die humanistischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts zumeist nicht.
29 299.1, fol. *2re. ... commentaria etiam quandoque tantum ex ludaeorum lacunis hausta adficientes, ex quibus vulgatam nostrani lectionem non satis illustrare posse certuni est, cum tandem eandem iustissimis de causis retinendam esse recte iudicaverit sanctissimum et celeberrimum Concilium Tridentinum. 30 299.3, fol. *2re. Has ob causas non inutiliter quidam hoc nostro saeculo novam ex Graecis fontibus versionem huius nostri Ecclesiastici mundo aediderunt, quae cum originalibus magis conveniret, et clarior esset atque elegantior. ... vulgatae nostrae versioni ob suam antiquitatem, et iustissimam Concilii Tridentini approbationem suus sit honor, quatenus fieri potest, servandus: sane vulgata huius libri lectio non temere reiicienda est, sed ea retenta omnibus modis iuvanda est, et exornanda.
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2. Der unfreiwillige Leser: Schulbücher Für die bürgerlichen Beamten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die doctrina eine andere Bedeutung als für die Gelehrten. Lucien Febvre beschrieb ihren Umgang mit Büchern: „Leurs livres, pour ces durs juristes, sont moins des amis et des confidents que les instruments indispensables de leur fortune et de leur élévation. La science est leur gagne-pain: plus encore et mieux, la source de leur pouvoir, de leur dignité, du triomphe collectif de leur classe sociale." 1
„Le bourgeois, lui, est fils du livre", folgerte Febvre und stellte damit einen engen Zusammenhang zwischen Buchbesitz und Standesbewußtsein der officiers her. Fast wortgleich beschreibt Anthony Grafton die Beziehung zwischen Bildung und gesellschaftlicher Position der Pariser bourgeoisie de savoir: „Knowledge was their business and in their large libraries and in the dark, handsome studies that provided the private space at the centers o f their city houses and country villas, they studied, and made their sons study, the latin texts that contained the kingdom o f social power." 2
Tatsächlich scheinen die Inventare der Privatbibliotheken von officiers die Forschungsmeinung ebenso zu bestätigen wie die französische Buchproduktionsstatistik: Parallel zur Zunahme der juristischen Ämter in der königlichen Verwaltung entwickelte sich die Produktion von Buchausgaben antiker Autoren.3 Auch die Entwicklung des kommunalen Schulwesens seit den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts ist ein Indiz für die Beziehung zwischen humanistischer Bildung und sozialem Aufstieg. Die Entwicklung des kommunalen Schulwesens Die Vermittler zwischen Büchern und Bürgern waren zunächst die humanistischen Gelehrten, die als Hauslehrer interessierte Bürgersöhne unterrichteten. Seit dem Mittelalter hatte die Kirche Kathedralschulen unterhalten, die jedoch für eine Karriere außerhalb der Kirchenhierarchie nach dem Aufkommen der studia humanitatis nicht mehr das nötige Rüstzeug vermittelten. Die Kenntnis klassischer Texte für das von humanistischen Rechtsgelehrten reformierte
1
Vgl. Febvre, Lucien, Philippe II et la Franche-Comté. Étude d'histoire politique, religieuse et sociale, (Erstausgabe Paris 1912), Paris 1970, S. 214. 2 Vgl. Grafton, Budé, S. 149. 3 Vgl. Aquilon, avocats, S. 502-552; Martin, classements, S. 447.
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Jurastudium konnte an den kirchlichen Schulen, die die lateinische Sprache anhand des Bibeltextes und der Kirchenväter lehrten, nicht erworben werden.4 Eine Möglichkeit das nötige Wissen zu erwerben, war es, Privatunterricht zu nehmen. Absolventen der Pariser Artesfakultät, die sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts auch in kleineren Städten als Hauslehrer niederließen, boten Lateinunterricht an, der sich am Studienkanon ihrer Universität orientierte: Ausschließlich antike literarische Autoren standen auf dem Lehrplan.5 Zudem begannen um das Jahr 1520 französische Gemeinden den Unterricht in den studia humanitatis als öffentliche Aufgabe anzusehen. In den Stadträten wurde von aufstiegswilligen Kaufleuten die schon von dem Humanisten Leonardo Bruni formulierte Ansicht vertreten, daß Bildung für die Entfaltung des Menschen nötig sei. Eine kommunale Schule, finanziert aus Steuermitteln, diene so der gesamten Bürgerschaft.6 Den Aufschwung der kommunalen Schulen seit den 20er Jahren kann man aus der Rückschau kaum mit einem selbstlosen Interesse der Stadträte an der Gelehrsamkeit begründen. Auch wenn die Räte vorbrachten, daß Bildung zur Entfaltung der Persönlichkeit diene und gut ausgebildete Beamte zum Wohle der Stadtbevölkerung beitrügen, dürfte dies eher ein taktisches Argument gewesen zu sein, schließlich waren sie selbst ohne humanistische Bildung zur Stadtelite aufgestiegen. Man könnte die Argumentation der Consuln als ein Indiz dafür ansehen, daß sich die Normen der Funktionselite verändert hatten. Denkbar ist aber auch, daß sich die wesentlichen Inhalte der Selbstdarstellung humanistischer Gelehrter so weit verbreitet und verselbständigt hatten, daß sie den Charakter von stehenden Redewendungen oder Slogans angenommen hatten, und so in einer kommunalpolitischen Auseinandersetzung als Argument verwendet werden konnte. Zweifellos spricht das für die Rezeption des Humanismus in Frankreich, doch hatten die Vertreter der Kaufleute in den Stadträten mit den humanistischen Idealen nicht zwangsläufig etwas im Sinn. 4 Vgl. Huppert, George, The social function of classical schooling in Renaissance France, in: Gerarchie economiche e gerarchie sociali, secoli XVI - XVIII. (Atti della Dodicesima Settimana die Studi, 18. bis 23. Aprii 1980) Prato 1990, S. 6 6 2 - 6 6 3 , hier S. 654. (zit. Social Function) In diesem Aufsatz faßt Huppert sein Buch "Public Schools in Renaissance France", Urbana (III.) 1984, zusammen. 5 Vgl. Grendler, Paul F., Schooling in Western Europe, in: Renaissance Quarterly 43(1990)4, S. 7 7 5 - 7 8 7 , (zit. Schooling), hier S. 777. 6 Vgl. Huppert, Social Function, S. 661; Huppert, George, Ruined Schools: The End of the Renaissance System of Education in France, in: Humanism in Crisis. The End of the French Renaissance, Hg. Philippe Desan, Ann Arbour, Mich., 1991, S. 5 5 - 6 7 . (zit. schools), S. 62. Die wenigen Vertreter der Handwerker in den Stadträten hingegen sahen in den kommunalen Schulen eine Verschwendung ihrer Steuergelder, die sie lieber zur Unterstützung der Armen verwendet hätten. Sie argumentierten, daß die Stadträte ohnehin über genügend Geld für die Ausbildung ihrer Kinder verfügten. Doch als ihnen die Lehrgeldfreiheit für ihre Söhne zugesichert wurde, stimmten sie schließlich der Schulgründung zu.
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„Bildimg zum Wohle der Bürgerschaft" wurde hier lediglich als Argument verwendet, mit dem die reichen Kaufleute die Ausbildungskosten ihrer Söhne auf den Stadtsäckel abwälzten. In den Anfangsjahren der städtischen collèges legten die Stadträte großen Wert auf die gute Ausbildung ihrer Söhne. Nicht wenige Städte sandten eine Delegation nach Paris, um unter den dortigen Gelehrten Lehrer für ihre Schule zu gewinnen. Die angeworbenen Lehrer mußten vor Dienstantritt gemeinsam mit den Mitbewerbern eine Prüfung vor dem Stadtrat ablegen.7 Das Vorgehen der Stadträte läßt Rückschlüsse auf ihre Denkweise zu. Überzeugt vom Nutzen der humanistischen Ausbildung für den sozialen Aufstieg, schufen sie die besten und zugleich preiswertesten Bedingungen. Dabei schützten sie sich vor unliebsamer Konkurrenz, indem sie Schulgeldfreiheit nur für Bürger ihrer Städte gewährten. Schüler, die außerhalb der Stadtmauern lebten, mußten ein Schulgeld entrichten und eventuell für die Unterbringung in der Stadt aufkommen.8 Da in der Stadt oft keine Privatlehrer zugelassen waren, sicherten sich die Stadträte zugleich gegeneinander ab. Kein Sohn hatte die Möglichkeit, durch besseren Unterricht eine bessere Ausgangsposition für die Karriere in öffentlichen Ämtern zu erhalten.9 Mit der Einrichtung kommunaler Schulen in Konkurrenz zu den Kathedralschulen verfolgten die Städte eine weitere Absicht. Sie wurden verstanden als ein Zeichen der städtischen Souveränität und Unabhängigkeit von den oft kirchlichen Stadtherren. Kein einziger religiöser Text stand auf dem Lehrplan der kommunalen collèges. Diese Laisierung der Bildung war ein Grund für den geringen Einfluß der Kirche in der französischen Renaissance. Selbst Schüler, die eine kirchliche Laufbahn einschlagen wollten, erhielten ihren ersten Unterricht gemeinsam mit den künftigen Beamten an einem städtischen collège und verfugten über eine entsprechend geringe religiöse Ausbildung.10 7 Vgl. Huppert, Social Function, S. 656. Die Amtszeit der städtischen Lehrer betrug ein Jahr. Hatten sie sich bewährt, wurde der Vertrag verlängert. Je nach der Größe der Stadt schwankte die Zahl der Lehrer. Außer dem régent, dem Schuldirektor, der das Schulbudget verwaltete, waren bis zu drei weitere Lehrer an den Schulen beschäftigt; vgl. Huppert, schools, S. 60; Biot, Brigitte, Un projet innovant pour un collège humaniste. Le Formulaire et Institution du Collège de la Trinité de Lyon par B. Aneau (4 mai 1540), in: Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance 56(1994)2, S. 4 4 5 - 4 6 4 , hier S. 451 f und 448. 8
Vgl. Huppert, Social Function, 664; Biot, S. 454. Vgl. Grendler, Schooling, S. 777; Grafton, Anthony, Lisa Jardine, From Humanism to Humanities. Education and the Liberal Arts in Fifteenth- and Sixteenth-Century Europe, London 1986, passim. Neben den collèges gab es auch volkssprachige Schulen, die Lesen, Schreiben und Rechnen lehrten. Dieser Unterricht wurde teils von städtischen, teils von Privatlehrern erteilt. Da die Absolventen dieser Schulen keine Konkurrenz für die collégiens darstellten, waren sie zugelassen. Grendler, Schooling, S. 784. 10 Vgl. Grendler, Schooling, S. 778f. Möglicherweise waren daher die Verhaltensweisen der hohen Kleriker denen der hohen Beamten so ähnlich: Beide legten Wert auf 9
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Seit etwa 1560 wurde in Frankreich der Aufstieg in die königliche Verwaltung schwieriger, denn viele Positionen waren bereits mit den Absolventen der collèges besetzt. Außerdem wurde angesichts der zunehmenden Verwaltungsaufgaben, die die königlichen Beamten übernahmen, die soziale Nützlichkeit des klassischen Lernens hinterfragt. Nicht mehr der rhetorisch brillante Beamte mit humanistischen Bildungsspuren war gefragt, der in Zeiten der Gegenreformation ohnehin leicht der Häresie verdächtigt werden konnte, sondern der in allen Bereichen beschlagene Universalist.11 Hinzu kam, daß in den Stadträten zu Reichtum und Ansehen gekommene Handwerker in die von den Kaufleuten freigelassenen Positionen nachgerückt waren.12 Anders als zuvor wehrte sich diese neue Elite nicht gegen die Versuche der Kirche, die collèges zu übernehmen, die in der Vergangenheit erbittert zurückgewiesen worden waren. Sie überließ die städtischen Schulen den Jesuiten, die nun die Söhne der neuen Stadtelite auf Kosten der Kirche unterrichteten und sie gemeinsam mit Söhnen der Landbevölkerung auf die Ausbildung zum Priester vorbereiteten. Die neuen Lehrmeister modifizierten den Lehrplan, doch wurde die lateinische Sprache weiterhin an antiken Autoren gelehrt, so daß ein Grundgerüst an humanistischer Bildung erhalten blieb.13 Der Lehrplan der collèges folgte seit der Gründung der städtischen Schulen dem nach der Pariser Artesfakultät so genannten Pariser Stil.14 Die Schüler wurden in Grammatik und Rhetorik unterwiesen, die zu den studia humanitatis gehörten.15 Gelesen wurde der cursus latinus, der aus ausgewählten lateinischen Autoren bestand. Je nach ihrem Kenntnisstand wurden die Schüler in maximal sechs unterschiedliche Klassen eingeteilt.16 Auf dem Lehrplan standen in der Sexta das Lesen und Schreiben des griechischen und des latei-
einen repräsentativen Lebens- und Redestil, der Versatzstücke humanistischer Bildung durchscheinen ließ. Der Hof des Erzbischofs von Lyon unterschied sich nur wenig von dem eines königlichen Beamten. 11 Dieser Umschwung läßt sich an der nach 1550 zunehmenden Zahl von Kompendien zeitgenössischer naturwissenschaftlicher Forschungen nachvollziehen; vgl. auch Grafton/Jardine, Humanities, S. 199. 12 Huppert, schools, S. 61. 13 Huppert, schools, S. 65; ders. Social Function, S. 672. 14 Vgl. Huppert, Public Schools, S. 51; ders. Social Function, S. 658. 15 Das dritte Fach des Triviums der sieben freien Künste, die Dialektik, hatte sich mit dem Aufstieg der Universitäten weiterentwickelt und stand in engem Zusammenhang mit der Naturphilosophie und anderen philosophischen wissenschaftlichen Fächern, während Grammatik und Rhetorik zu Schulfächern wurden; vgl. Kristeller, Paul O., Rhetorik und Philosophie von der Antike bis zur Renaissance, in: Studien zur Geschichte der Rhetorik und zum Begriff des Menschen in der Renaissance, Göttingen 1981, S. 11-62, hier S. 45. 16 In den höheren Klassen waren die Schülerzahlen geringer als in den Anfangsklassen. Bei Geldmangel wurden in kleineren Städten die oberen Klassen geschlossen und die Schüler auf "weiterführende Schulen" in reicheren Orten verwiesen; vgl. Huppert, Social Function, S. 661; Biot, S. 455-^157.
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nischen Alphabets und das Deklinieren von lateinischen und griechischen Substantiven. Gelesen wurden die Disticha Moralia von Cato und die Grammatik von Donatus. In der Quinta las man zusätzlich Cicero und Terenz, außerdem wurden Übersetzungen aus dem Französischen ins Lateinische geübt. Vergil, Ovid und Aulus Gellius standen auf dem Lektüreplan der Quarta. Die rudimenta grammatices von Thomas Linacre und die Elegantiae von Lorenzo Valla dienten als Grammatiklehrbücher. Die Schüler der Tertia lasen De Amicitia und De Senectute von Cicero, Metamorphosen und Episteln von Ovid sowie die Georgika von Vergil. Außerdem widmeten sie sich praktischen Rhetorikübungen und lernten die Grundlagen der griechischen Grammatik. In der Sekunda lasen sie De Officiis von Cicero, die Aeneis von Vergil sowie Oden und Satiren von Horaz. Als Rhetoriklehrbuch benutzten sie De Oratione von Quintilian. Auf dem Lehrplan der Prima standen Texte von Sallust, Livius, Juvenal, Persius, Aristoteles und Xenophon.17 Textausgaben klassischer Autoren Die Ausgaben und Texte, an denen Schüler die lateinischen Autoren kennenlernten, waren in den seltensten Fällen Erstdrucke. Kaum eine Buchart wurde so oft an unterschiedlichen Orten nachgedruckt, wie Texte für den Schulgebrauch. Insbesondere die Lehrbücher und Schulausgaben von Erasmus wurden in allen europäischen Ländern nachgedruckt und verwendet. Die Lehrbücher der Schüler etwa in Deutschland, Frankreich und Italien waren daher teilweise identisch. Hinzu kamen in jedem Land spezielle Vorlieben. Texte deutscher protestantischer Pädagogen wurden etwa in Frankreich nur wenig nachgedruckt. Hingegen gehörten Schulausgaben italienischer Herausgeber ebenso zu den in Lyon mehrfach erschienenen Titeln, wie die Ausgaben des Lehrers und Verlegers Josse Bade, die ursprünglich in Paris erschienen waren. Nach Einschätzung der humanistischen Gelehrten war das Erlernen der lateinischen Sprache ein erster, unverzichtbarer Schritt auf dem Weg zur humanitas. Der Erwerb der copia verborum, des reichhaltigen Vokabulars galt als Voraussetzung für die adäquate Artikulation eigener Gedanken.18 So lag es für sie nahe, die Schüler anhand ausgewählter Autoren die lateinische Sprache zu lehren, zumal sie sich beim Lesen der lateinischen Texte unmittelbar am moralischen Vorbild der Autoren orientieren konnten. Die Vorreden 17 Vgl. Huppert, Public Schools, S. 53f. Auffällig ist der geringe Raum, den in dem vorgestellten Lehrplan der Griechischunterricht einnahm. Die Zahl der griechischen Textausgaben, die in Lyon erschienen, ist so gering, daß man vermuten kann, daß nur in sehr wenigen Schulen Südfrankreichs Griechischunterricht erteilt wurde. Es zeichnet sich ab, daß die griechische Philologie ein Bereich war, der vornehmlich von professionellen Gelehrten bearbeitet wurde, die sich um die lecteurs royaux des 1530 von François I. gegründeten Pariser Collège sammelten; vgl. Pfeiffer, S. 88 und 131. 18 Vgl. Barbara Bauer, Aemulation, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Hg. Gert Ueding, Tübingen 1992, Bd. 1, Sp. 157-172, hier Sp.172.
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mancher Schulausgaben klassischer Autoren betonen diesen Zusammenhang. So widmete Raffaele Regio seine Bearbeitung von Ovid den Jugendlichen, die daraus sowohl lernen sollten, gut und richtig zu leben als auch ihre Beredsamkeit verbessern sollten.19 Giocondo begründet seine Caesaredition damit, daß die Studenten vom Nutzen der Literatur profitieren sollten.20 Und Erasmus verleiht in seiner Cato-Ausgabe, die 1514 zum ersten Mal erschien, der Hoffnung Ausdruck, daß der Autor den Schülern Tugend und Sprachkenntnisse gleichermaßen vermitteln würde.21. Er widmete die Disticha dem Schulleiter Jean de Neve, weil sie „für die Jugend geeignet sind" und ihr „nützlich sein werden". Erasmus formulierte im Vorwort: „Du willst schon seit langem, daß die Maximen aller guten Autoren zusammengetragen werden, damit gleichzeitig der Geist der Jugend zur Tugend gebracht wird, und ihre Sprache zur korrekten Rede."22 Aus dem Lektürekanon der collèges wird deutlich, für wen die Lyoner Verleger, allen voran Sebastien Gryphe, die meisten ihrer Klassikerausgaben druckten: für Schüler, nicht für Gelehrte. Die zahlreichen Ausgaben von Cato und Cicero, Aesop und Aulus Gellius, die in der Stichprobe enthalten sind, wurden als Schulbücher gebraucht. Die hohen Produktionszahlen, die zeitgleich zur Blütezeit der städtischen collèges um 1540 zu verzeichnen sind, sind dafür ein zusätzliches Indiz.23 Die unfreiwilligen Leser dieser Texte waren keine Gelehrten, sondern Schuljungen, die Latein büffelten. Für Schüler spielte es keine Rolle, wie alt die Widmungen und Vorreden ihrer Bücher waren. Sie benötigten nicht die neuesten korrigierten Textausgaben. Ihr Interesse an den Texten war, von einigen begabten Schülern abgesehen, nicht philologisch. Was der Herausgeber zur Verbesserung des Textes getan hatte, scheinen die Verleger teilweise gar für Schüler für derart unerheblich gehalten zu haben, daß sie die Vorreden gleich ganz wegließen. Unter den verschiedenen inhaltlichen Gruppen der Stichprobe enthält die der klassischen Texte die meisten Ausgaben ohne Vorreden: fast die Hälfte dieser Texte erschien „kopflos". Vor allem die literarischen Texte des Lektürekanons, wie zum Beispiel Einzelausgaben aus Ciceros Werken, erschienen ohne Vorreden, so daß man vermuten kann, daß die Lyoner Verleger für Schulausgaben bewußt auf den Abdruck der Vorreden verzichteten. 19
12, fol. a4ve und a5re. 6, fol. A2re. 21 58. Englische Übersetzung in: Collected Works of Erasmus, Bd. 3, S. 2-4. Die Disticha Moralia Catos in der Bearbeitung von Erasmus erschienen 1513 zum ersten Mal und wurden in den folgenden Jahrzehnten überall in Europa, nicht nur in Lyon, häufig nachgedruckt. 22 58. Zitiert nach der engl. Übersetzung, ebd., S. 4. 23 In der Stichprobe Nr. 6, 12, 16, 58, 59, 71, 75, 76, 103, 104, 107, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 119, 131, 167, 199, 200, 222, 231, 260, 261, 262, 270, 279, 280, 282, 283. 20
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Die Cicero-Ausgaben der italienischen Philologen Andrea Navagero und Pietro Vettori hingegen konnten zwar ebenfalls als Schultexte verwendet werden, doch waren sie auf dem neusten Stand der italienischen philologischen Forschung. Die italienischen Herausgeber äußerten sich in ihren Vorreden nur implizit über den moralischen Vorbildcharakter der antiken Autoren, etwa wenn sie den Niedergang der Rhetorik beklagen, oder wenn sie betonen, daß herausragende Dinge in herausragender Sprache behandelt werden müßten.24 Navagero und Vettori scheinen sich jedoch mit ihren Gesamtausgaben von Ciceros Reden und seinen philosophischen Werke weniger an Schüler gewandt zu haben als vielmehr an das gelehrte Publikum, dem der moralische Nutzen des Lateinstudiums ohnehin bekannt war.25 Für dieses Publikum druckte Sebastien Gryphe vermutlich die italienische Ausgabe nur drei Jahre nach ihrem Erscheinen in Lyon nach. Lehrbücher der lateinischen Sprache Neben den Textausgaben antiker Autoren wurden in den Schulen spezielle Lehrbücher der lateinischen Sprache verwendet. Entsprechend den Lehrplänen der kommunalen Schulen sind der überwiegende Teil der Sprachlehrbücher der Stichprobe Grammatiken und Rhetorikbücher. Die wichtigen antiken Lehrtexte von Donatus und Quintilian wurden neu und verbessert aufgelegt, Lehrbücher, die aus der Tätigkeit humanistischer Gelehrter erwachsen waren, nachgedruckt. Einige der wichtigsten neu verfaßten Texte im Bereich der Sprachlehre erschienen 1539/40 als französische Erstausgaben in Lyon: Nicolas Bourbons Tabellae elementariae, Guarnas Bellum grammaticale und Julius C. Scaligers De causis linguae latinae, das als die früheste lateinische Grammatik nach wissenschaftlicher Methode gilt. Insgesamt sieben Titel der Produktionsjahre 1539/40 entfallen auf diesen Bereich.26 Die Autoren und Herausgeber der Grammatiken erwarten in erster Linie Schüler als Leser. Sie nehmen in ihren Vorreden die Gelegenheit wahr, ihnen gegenüber die Wichtigkeit und Berechtigung der Grammatik zu begründen. „Die Grammatik ist wie das Fundament der Wissenschaften, ohne das alles weitere in der Literatur vergeblich gebaut wird", formulierte Heinrich Loriti in seiner Ausgabe der Donatus-Grammatik von 1534 und konnte sich damit der
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59, Bd. 3, S. 5 ( u . ö . ) ; 114, S. 7. Denkbar ist auch, daß im Zuge der Verwissenschaftlichung der Philologie der moralische Aspekt in den Hintergrund trat. Diese Entwicklung ist bei der philologischen Textkritik humanistischer Juristen, Mediziner und Theologen zu verzeichnen. S. o. Kap.III.l. Vgl. auch Buck, Humanismus, S. 153. 26 55, 65, 77, 135, 139, 176, 117. Hinzu kommt die zweisprachige Ausgabe von 340 und als griechische Grammatik Nr. 242. Zur Biographie vgl. Nicolas Bourbon ( 1 5 0 3 1550): Grente, S. 124. Julius C. Scaliger (1484-1558): Grente, S. 636. Über Andrea Guarna waren leider keine biographischen Daten zu finden. 25
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Zustimmung aller Herausgeber von Grammatiken sicher sein.27 Melanchthon und Guarna sahen in der Grammatik weniger einen Wert an sich als vielmehr die Grundlage der weiterfuhrenden Studien. Grammatik, Rhetorik und Dialektik, die Disziplinen des Triviums, sollte der Schüler beherrschen, um die Originaltexte der antiken Autoren mit Gewinn lesen zu können. 28 Julius C. Scaliger formulierte diesen Gedanken allgemeingültig: „Die anderen Lebewesen kennen vielleicht die Dinge selbst, die sie auch scharfsinnig begreifen. Aber nur den Menschen ist es gegeben, den Grund der Dinge zu verstehen. Wer diesen versteht, von dem sagt man, er sei ein Mensch."29 Nur wer den Grund der Sprache, die Grammatik, begreift, wird seinen menschlichen Fähigkeiten gerecht, könnte man Scaliger pointiert zusammenfassen. Doch stellte er selbst keine direkte Analogie zwischen dem „Grund der Dinge" und dem „Grund der Sprache" her. Er begann seine Vorrede zwar mit Ausführungen über die lateinische Sprache und deren Gesetze, doch weitete er seinen Bezugsrahmen im Anschluß an die zitierte Stelle aus. „Mir schien es in der Tat unwürdig, wenn unter diesen [den Wissenschaften, mit denen der Grund der Dinge untersucht wird], die ersten literae selbst einen geringeren Platz haben sollten." 30 Da Scaliger im folgenden von den Studien schrieb, die unter dem Namen studia humanitatis zusammengefaßt werden, ist anzunehmen, daß er mit primae ipsae literae nicht ausschließlich die Grammatik meinte. Doch räumte er der Untersuchung der grundlegenden Zusammenhänge, zu denen die Grammatik gehört, einen wichtigen Platz ein. Die Grammatik war nur die erste Stufe des Triviums, die die Schüler der lateinischen Sprache zu erklimmen hatten. Erst im souveränen Umgang mit rhetorischen Figuren und antiken Zitaten zeigte sich die Meisterschaft der Sprachbeherrschung. Innerhalb der Gelehrtenrepublik waren die rhetorischen Feinheiten entscheidend, doch von den Schülern erreichten vermutlich nur die wenigsten ein Niveau, auf dem der Umgang mit schmückenden Elementen der Rede sinnvoll war. Erst in den letzten zwei Jahren der sechsjährigen Schulzeit, die kaum ein Schüler vollständig absolvierte, lernte man, lateinische Texte frei zu formulieren. 31 Auch für den Rhetorikunterricht gab es Lehrbücher. De duplici copia verborum, eine Sammlung von Synonymen und 27 117, S. 3. ... et omnium scientiarium velut fundamentum, sine qua quidem reliquum in literis frustra superstruetur. Zur Biographie vgl. Heinrich Loriti, auch: Glareanus (1488-1563): D B A 394, 3 4 3 - 3 6 9 ; Pfeiffer, S. 112. 28 77, 84, 85. 29 135, fol. aa2ve. At caetera sane animantium gemerà fortasse cognorint ipsas res, quaedam etiam percipiant acutius: uni Homini rerum caussae ad cognoscendum sunt datae: quas qui animo concipit, ille demum Hominem dicas. 30 135, ebd. Indignum profecto mihi visum fuit, ..., quo minus primae ipsae literae suam in his [sapientiae, quo rerum caussas investigantur] haberent partem. 31 Vgl. Huppert, Public Schools, S. 53f.
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Redewendungen, war von Erasmus 1512 als Nachschlagewerk für Schüler verfaßt worden, die mit dessen Hilfe formvollendete lateinische Texte verfassen sollten. Das von Thierry Morel 1523 herausgegebene Enchiridion ad verborum copiam diente demselben Zweck.32 Verzeichnisse rhetorischer Figuren enthielten der Sammelband De figuris sententiarum und De formis oratoriarum von Erasmus.33 Die Widmungsbriefe empfehlen die rhetorischen Werke Schülern, doch wurden sie vermutlich ebenso oft von Autoren lateinischer Texte benutzt, die die Schule bereits verlassen hatten. Der von Melanchthon vorgebrachte Anspruch an die Studenten der lateinischen Sprache dürfte zumindest an der französischen Realität vorbeigegangen sein: „Die Studierenden müssen stets daran erinnert werden, daß von allen menschlichen Tätigkeiten eine die schwierigste ist, nämlich das gute Reden. Denn wer die Größe der Beredsamkeit und die Schwierigkeit der Sache bedenkt, wird verstehen, daß man, um dieses Lob zu erringen, ein sehr strenges Studium aller sehr großen Künste verfolgen muß. Er wird beschließen, für die Behandlung großer und schwieriger Rechtsfalle in der Kirche und in der Politik nicht nur diese rhetorischen Büchlein zu lesen, sondern auch vollendete Gelehrsamkeit und große Fähigkeit zu erwerben und lange private Übung und ein sehr strenges Studium in Kauf zu nehmen."34 „Große und schwierige Rechtsfalle" wurden in Frankreich nur in Traktaten und Kommentaren von Juraprofessoren in lateinischer Sprache abgehandelt. Bei Gericht wurden die Verhandlungen in französischer Sprache geführt. Selbst die Aufnahmeprüfung, die Käufer eines Gerichtsamtes ablegen mußten, wurde in Französisch abgenommen.35 Wenn französische Schüler und Studenten ein „strenges Studium der Beredsamkeit" verfolgten, dürften sie ihre Mühe mehrheitlich auf die souveräne Beherrschung der französischen Sprache
32 Beide erschienen 1539 in Lyon als Nachdruck: Nr. 70 und 127. Zu diesen Titeln vgl. Cave, Terence, Copia and Cornucopia, in: French Renaissance Studies, 1540-1570. Humanism and the Encyclopedia, Hg. Peter Sharrat, Edinburgh 1976, S. 52-69, hier S. 52-56. Zur Biographie vgl. Thierry Morel (1. Hälfte des 16. Jahrhunderts): Contemporaries 2, 460. 33 Nr. 71 und 119. Beide Werke erschienen in Lyon ohne Vorreden. 34 85, S. 6. Diligenter et hoc monendi sunt studiosi, rem unam esse omnium humanorum operum longe difficilissimam, bene dicere. Etenim qui magnitudinem eloquentiae, et rei difficultatem considerabit, intelliget expetendi hanc laudem acerrimum Studium omnium maximarum artium adhibendum esse, et statuet ad magnarum et difficilium caussarum tractationem in Ecclesia, et in Republica, non tantum hos Rhetoricos libellos, sed perfectam doctrinam et magnam facultatem, longam exercitationem, domesticam, et acerrimum iudicium afferendum esse. 35 Ich danke Dr. A. Cremer, Max-Planck-Institut, Göttingen, für diese Information.
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verwendet haben.36 Die Stichprobe belegt diesen Unterschied zwischen der deutschen und französischen Einschätzung der freien lateinischen Rede insofern als die Zahl der Rhetoriklehrbücher flir das untere Niveau überwiegt. Nur die Rhetorica und die Dialéctica des deutschen Gelehrten Melanchthon richten sich an weit fortgeschrittene Schüler.37 Nützlich für Schüler war das Wörterbuch von Ambrogio Calepio38, das in vielen Auflagen erschien. Es ist in zwei Ausgaben in der Stichprobe enthalten. Calepios Dictionarium erschien erstmals 1502 in Reggio und wurde anschließend in allen Druckorten Europas erweitert und überarbeitet. Bereits 1540 hatte sich der Begriff Calepinus für ein Wörterbuch so weit durchgesetzt, daß Sebastien Gryphe das Buch selbst zu seinen Lesern sprechen ließ: „Calepinus an den Leser. Einst war ich armselig und winzig, kunstlos und ungeordnet, jetzt strahle ich von allen Seiten prächtig, groß und wohlgeordnet. Allen Gelehrten, die sich um mich gekümmert haben, sei Dank. Doch am meisten danke ich dem Verleger Gryphe. Er fügte die Bedeutung vieler Worte und Namen hinzu, er schmückte manche Redewendung und veränderte mich so, daß wer mich vorher kannte, mich nicht wiedererkennt",
legte der unbescheidene Verleger seinem schmucken Folioband in den Mund bzw. auf die erste Seite.39 Bildung und Frömmigkeit Ein Aspekt wurde in den Vorreden der Schulbücher, die in den Jahren 1539/40 erschienen, mehrfach erwähnt, der 20 Jahre später kaum noch auftaucht: die Verbindung von Bildung und Frömmigkeit. Nicht alle Autoren maßen diesem Zusammenhang gleich viel Gewicht bei. Die engste Beziehung stellte Nicolas Bourbon her. Seine Vorrede richtete sich an den „christlichen Leser" und begann mit einem Glaubensbekenntnis. Sein Text könne, so meinte er, „zur Frömmigkeit und zur Eleganz der lateinischen Rede einiges beitragen".40 Diese Verbindung von Christentum und Humanismus entsprach auch den Vorstellungen von Erasmus. In seiner Vorrede des De duplici copia 36
Die Schulordung Lyons von 1540 sah Unterricht in französischer Sprache vor; vgl. Biot, S. 463. 37 Nr. 70, 71, 84, 85, 118, 119, 127. 38 (1435-1510) Zur Biographie vgl.: ABI 229, 26-33. 39 105, fol. alve. Calepinus lectori. Olim pusillus, atque inops,/ Alper, rudis, nullo ordine:/ Dives, politus iam undique,/ Redactus aequum in ordinem,/ Hinc, inde totus splendeo./ Unde omnibus sit gratia/ Doctis, vacarunt qui mihi:/ Longe atque multo maxima/ Sit Gryphio Typographo:/ Verborum hie ingentem addidit/ Vim, nominumque copiam:/ Hie dictionum flosculis/ Ornavit, et compsit me ita,/ Ut esse me iam quilibet,/ Olim qui eram, negaverit. 40 55, fol. 2re. ... tum ad pietatem tum ad latini sermonis elegantiam, nonihil facientibus.
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verborum, die er 1512 dem englischen Schulleiter John Colet, seinem Freund, widmete, lobt er ausführlich die besondere Qualität von dessen Schule. Diese lag darin, daß den Schülern gleichermaßen christliche und literarische Bildung vermittelt wurde.41 In zwei weiteren Schulbüchern der Stichprobe wird ein religiöser Zusammenhang erwähnt: Melanchthon wünschte seinen Schülern, daß Christus ihre Studien lenken möge und Scaliger lobte in einem Atemzug die Bildung und die Frömmigkeit seines Verlegers Sebastien Gryphe. In einer Zeit, in der die Religion ein zentrales Thema der öffentlichen Auseinandersetzung war, wundert es nicht, daß sie auch in Vorworten erwähnt wird. Deutlich wird aber die laizistische Einstellung der französischen Schulen. Sowohl Melanchthon als auch Erasmus stammten aus einem Bildungszusammenhang, der der Religion sehr viel näher war als das französische kommunale Bildungssystem. Französische Schulbuchautoren argumentierten ohne Bezug auf ein außerhalb des eigentlichen Bildungskontextes liegendes Ziel. Hier ist eher das stark religiös geprägte Vorwort von Bourbon die Ausnahme.42 Schulbücher in Lyoner Verlagen Die Schulbücher, die 1559/60 in Lyon erschienen, lassen weitere Rückschlüsse auf das Ziel der französischen Schulausbildung zu. Nicht nur eine neue Bearbeitung der Komödien von Terenz wurde in Lyon gedruckt, sondern drei verschiedene Ausgaben der Texte, die auf dem Lehrplan der fünften und vierten Klasse standen und gern bei Schulfesten aufgeführt wurden. Viele der Komödienverse gingen als Sentenzen in den gelehrten Sprachgebrauch ein. Die Lyoner Ausgaben tragen diesem Umstand Rechnung, indem sie die bekannten bonmots in Großbuchstaben setzten 43 Nur einer der drei Bearbeiter, Marc-Antoine Muret, gab sich als Philologe zu erkennen. Die beiden anderen, der Verleger Thibaud Payen und der Lehrer Pierre Davantes, weisen diese Berufsbezeichnung entschieden zurück. An den Vorreden dieser drei TerenzAusgaben lassen sich die unterschiedlichen Arten des Umgangs mit dem antiken Erbe gut verfolgen. Marc-Antoine Muret verwandte in seiner Vorrede den bewährten Humanisten-Erkennungs-Topos: Der Verleger habe ihn gebeten, die Texte sorgfältig zu überprüfen und sie nach Hinzuziehung alter Bücher unter Berücksichtigung seines Urteils von den Fehlern zu reinigen, die durch die Nachlässigkeit, Un41
70, engl. Übersetzung in: Collected works, Bd. 2, S. 225-229, hier S. 226. Möglicherweise entstand das Lehrbuch am Hof von Aymée de Lafayette, an dem Bourbon als Lehrer von Jeanne d'Albret, der Tochter von Marguerite von Angoulême, angestellt war. Allerdings berichtete Bourbon in seiner Vorrede, daß er sein Lehrbuch für Knaben verfaßte, die er in die Grundlagen der lateinischen Sprache einführen wollte. Von einer Schülerin ist nicht die Rede; vgl. Roelker, Nancy Lyman, Queen of Navarre, Jeanne d'Albret. 1528-1572, Cambridge, Mass. 1968, S. 16-33. 43 Vgl. Lawton, Harold Walter, Térence en France au XVIe siècle. Editions et traductions, 2 Bde. Paris 1926 (ND Genf 1972), hier Bd. 2, S. 19. 42
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wissenheit und Kühnheit einiger anderer die Komödien von Terenz verfälscht hatten.44 Muret beschrieb seine Arbeit um 1555 so, wie sie bereits Pomponio Leto 69 Jahre zuvor geschildert hatte: Wie ein typischer Gelehrter korrigierte er Texte anhand von verschiedenen Ausgaben, und bezichtigte außerdem nicht näher bezeichnete „Banausen" des unsachgemäßen Umgangs mit dem antiken Erbe. Doch Muret ließ es nicht bei diesen Andeutungen bewenden. Vielmehr ist seine Vorrede, die er für die Erstausgabe des Buches 1555 in Venedig an seinen italienischen Mäzen Jacob Suriano richtete, ein Plädoyer für die klassische Philologie. 45 „Warum gelingt es so wenigen, im alten römischen Redestil zu schreiben", fragte er rhetorisch, um dann die folgende Antwort zu geben: „Zuerst findet man einige von so bäurischem Talent, daß man glaubt, die gesamte Mühe, die bei der Entwicklung und Vollendung der Rede verwendet wird, werde vergeudet. Dann wiederum gibt es andere, die, wenn sie auch zugeben, ihre Bemühungen darauf zu konzentrieren, schön und geschmückt zu reden, trotzdem der Meinung sind, daß dies nicht in lateinischer oder gar in griechischer Sprache, sondern in der Sprache, die wir im gewöhnlichen Leben verwenden, geschehen müsse. Und jene kann man mit Recht als wahnsinnig und dumm verachten. Deren wirklich absurde Meinung ist durch ganz Italien so verbreitet, ja gewissermaßen ausgesät worden, daß sie unzählige überaus gebildete Jünglinge von der Beschäftigung mit diesen Sprachen abgebracht hat, durch die jegliche Humanität, jegliche elegante und feine Gelehrsamkeit, jegliche Erinnerung an die alten Zeiten bewahrt wird." 46 Nur in lateinischer Sprache, meinte Muret, könnte man so elegant reden, wie es das antike Erbe verlange. Ohne diese ginge jegliche Humanität verloren, so daß man die Vertreter der volkssprachigen Literatur nur als dumm und wahnsinnig bezeichnen könnte. Auch in Frankreich und Deutschland erkannte Muret einen Niedergang der klassischen Sprache, denn die Lateinkundigen 44
200, S. 6. Muret hatte 1555 Frankreich wegen des Verdachts der Häresie verlassen müssen und lebte zur Zeit der Lyoner Publikation seines Buches in Rom. Wie Muret in seinem Vorwort erwähnt, bearbeitete er die Terenz-Komödien für eine Ausgabe, die 1555 bei Paolo Manuzio in Venedig erschien. Insgesamt wurde diese Ausgabe bis 1600 15 Mal nachgedruckt, davon erschienen drei Ausgaben in Lyon, eine in Paris und eine in Frankfurt am Main. Die Lyoner Ausgaben von 1559 und 1560 erschienen als erste nichtitalienische Nachdrucke zeitgleich mit den ersten venezianischen Nachdrucken; vgl. Lawton, Bd. 1, S. 196. 46 200, S. 4f. Primum ita argesti aliquos ingenio reperias, ut, quae in facienda, excolendaque oratione sumitur, omnem perire operam putet: alios, qui, quamvis in ornate loquendi ratione Studium ponendum non negent; non in Latina id tarnen, Graecave lingua, sed in ea, qua vulgo utimur, fieri conseant oportere. atque illos quidem merito possit quilibet, ut amentes aliquos stupidosque, contemnere: horum vero perversa opinio ita iam per omnem Italiani pervagata, quasique proseminata est, ut innumeros praeclaro iuvenes ingenio, a studio earum linguarum, quibus omnis humanitas, omnis doctrina elegans, omnis antiquitatis memoria continetur, abduxerit. 45
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wollten nur „über verschiedene Themen Worte vergießen und die Gedanken ihres Geistes durch irgendeine Art der Rede verständlich machen". Statt sich gut und redegewandt ausdrücken zu können, wollten sie nur schnell und fließend Latein sprechen.47 Muret, einem der profiliertesten Vertreter der klassischen Philologie seiner Zeit, lag diese Argumentation nahe. Er hatte an den lange vernachlässigten Traditionsstrang Polizianos angeknüpft, der den literarischen und philosophischen Wert der antiken Texte besonders hervorhob. Dafür stellte er die an der Vollständigkeit der Lesarten orientierte Textkritik, wie sie Vettori praktizierte und seine Schüler lehrte, zurück.48 Die beiden weiteren Terenz-Ausgaben der Publikationsjahrgänge 1559 und 1560 sind ebenfalls für Schüler gedacht, doch waren ihre Herausgeber keine bekannten Philologen. „Die anderen streben nach der hohen Meinung der Wissenschaft. Ich bekenne offen, daß ich alle meine Kraft verwende, die Jugend auszubilden", wies Pierre Davantes in der Vorrede seiner TerenzAusgabe, die besonders nützlich für junge Schüler sein sollte, jeden wissenschaftlichen Anspruch zurück.49 Er seinerseits hatte keine hohe Meinung von den gelehrten Philologen. „Diese ernsthaften Männer scheinen vor allem die Dinge behandelt zu haben, für die sie selbst die größte Anerkennung erwarten konnten", bezichtigte er sie.50 Das habe zur Folge, daß die leichteren Dinge, die eigentlich am Anfang stehen müßten, nur flüchtig behandelt würden. Die Lateinanfänger, die so zwangsläufig mit den schwierigen Problemen beginnen müßten, bemühten sich daher verzweifelt um Verständnis. „Um sie aus dieser Verzweiflung wieder zur Hoffnung zurückzurufen", erklärte Pierre Davantes in seinem Kommentar selbst die einfachsten Probleme. Keine Silbe von Terenz blieb unkommentiert „und zwar ohne großen Pomp, sondern so kurz und einfach wie wir konnten".51 Darüberhinaus stellte Davantes in seiner dreibändigen Ausgabe, die die Komödien Adrienne, Der Selbstquäler und Der Eunuch enthält, die Annotationen von 18 Terenz-Kommentatoren zusammen. 47 2 00, S. 5. ... pulchrique sibi ac beati videbantur, si earn consequerentur facultatem, ut de rebus propositis verba fondere, animique sui sensus qualicunque orationis genere ad alios perferre possent. 48 Vgl. zur Entwicklung der Philologie in Frankreich und Italien: Grafton, Scaliger, S. 66, 70 und 87. 49 260, fol. *2re. Doctrinae opinionem affecent alii: ego pro mea virili parte me puerorum et formandis et promovendis studiis omnem meam operam addixisse aperte et ingenue fateor. Zur Biographie vgl. Pierre Davantes (um 1520 - um 1580): ABF 23, 4 0 41; 283, 336-343. 50 2 60, fol. *2re. Videntur enim viri illi graves incubuisse in earn curam et cogitationem, quae sibi summam dignitatem et gloriam esset allatura. 51 260, fol. *2re. Ut igitur eos ab huiusmodi desperatione ad spem revocarem,... idque absque ulla verborum pompa aut magnificentia, sed nudis literarum notis, et methodo quam potuimus brevissima et facillima. Die literarische Qualität der Wort-fur Wort-Übersetzungen wird von Lawton besonders hervorgehoben; vgl. Lawton, Bd. 1, S. 500-510.
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Der Elenchus interpretum liest sich wie das „Who's Who" der lateinischen Philologie, alle wichtigen Namen sind vertreten: darunter Erasmus, Pietro Bembo, Etienne Dolet, und Henricus Loriti. Selbst der neue Kommentar von Marc-Antoine Muret wird zitiert. Davantes' Terenz-Ausgabe war eine Art Synopse der Terenz-Kommentare, die darüberhinaus leicht verständliche Erläuterungen enthielt. Im Gegensatz zu Vettoris Cicero-Kommentar strebte Davantes nicht Vollständigkeit, sondern Verständlichkeit an. Er wollte nach eigenem Bekunden nicht die Wissenschaft vorantreiben, sondern sie einem breiteren Kreis von Lesern erschließen. Ein exklusives Verständnis von lateinischer Bildung lag ihm fern. Der Verleger Thibaud Payen publizierte 1559 eine zweisprachige, lateinisch-französische Ausgabe der Komödie Der Selbstquäler. Die „gelehrte und leicht verständliche" Übersetzung von Johannes Ericus verfolgte laut Payens Ausfuhrungen in seiner Vorrede, die er den „Studenten der reinen lateinischen Ausdrucksweise" widmete, zwei Ziele: Zum einen sollte den Lesern die „Eleganz und Ernsthaftigkeit" der Komödie nahegebracht werden, zum anderen sollten sie die Kraft und Eigenart des Terenzschen Stils erlernen. In dieser Verbindung von Moral und Eloquenz wurde bereits von den italienischen Humanisten der Wert des Studiums antiker Texte gesehen. Neu ist in Payens Ausgabe allerdings die Methode, den Lesern „Eleganz" der lateinischen Sprache nahezubringen. Während die älteren Schulbücher - und auch noch Murets Ausgabe für den fortgeschrittenen Schüler - einsprachig in Latein vorgelegt wurden, ist Payens Ausgabe konsequent zweisprachig, „um der französischen Jugend bei der Erkenntnis der reinen terenzianischen Ausdrucksweise eine Hilfe zu sein".52 Sowohl die Prosazusammenfassung am Beginn eines jeden Aktes findet der Leser in beiden Sprachen als auch den Text. „Teils um die Kunstfertigkeit und den Schmuck vor Augen zu führen, teils um die ausgezeichneten Sprachformeln zu erklären", wählte der Übersetzer eine neue Form der Darstellung: Auf jeden Vers des lateinischen Originaltextes, der in der für Versdichtung gebräuchlichen Kursive gesetzt war, folgte die französische Übersetzung in Antiqualettern „entsprechend dem Satzbau des Ausspruchs".53 Der Übersetzer Johannes Ericius hatte bereits 1557 die Komödie Der Eunuch als Schulausgabe herausgebracht. Er wollte ganz sicher gehen, daß die Leser Terenz' grammatische Konstruktionen erkannten. Er erwartete nicht mehr, daß sie die einsprachigen Scholien verstanden, mit denen Lehrer seit Jahrzehnten lateinische Texte kommentiert hatten, sondern er paßte sich an 52
1 99, S. 6. ut ingenuae iuventuti Gallicae ad purae dictionis Terentianae cognitionem adiumento essemus. 53 199, S. 5. Scholia praeterea turn ad artificium ornatumque ostendam, turn ad insigniores loquendi formulas declarandas magno studio singulis scenis post constructionem vocum, gallicamque interpretationem, subiecit.
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das Bildungsniveau seiner Leser an, die offenbar ihre Muttersprache besser beherrschten als Latein. Wort für Wort übersetzte er den lateinischen Text ins Französische. Ihm war es wichtiger, die Schönheit von Terenz' Sprache denen nahe zu bringen, die sich dafür interessierten, als sie für einen exklusiven Kreis von Gelehrten zu bewahren, die wie Muret die lateinische Sprache als einen Tresor sahen, in dem , jegliche Humanität, jegliche elegante und feine Gelehrsamkeit, jegliche Erinnerung an die alten Zeiten bewahrt wird."54 Vermutlich verfolgte Ericius sogar die Absicht, die Muret als „wahnsinnig und dumm" bezeichnet hatte, nämlich „nicht in lateinischer oder gar in griechischer Sprache, sondern in der Sprache, die wir im gewöhnlichen Leben verwenden", schön und geschmückt zu reden. Denn wie Payen in seiner Vorrede erläuterte, hatte Ericius „die Kraft und Eigenart der lateinischen Rede (die Terenz in dieser Komödie gebrauchte) in der französischen Sprache so wiedergegeben, daß er ein anderer, französischer, Terenz zu sein schien".55 Drei weitere Bücher der Stichprobe gehen über den Gebrauch im Schulunterricht hinaus, weil sie sich außer zum Spracherwerb auch zur unterhaltsamen Lektüre eigneten. In der Widmung der ersten Auflage der Collectanea Adagiorum, die 1500 in Paris erschien, stellte der Autor sein Werk als nützlich für die Rhetorik dar, indem er es als „wohlsortierten Laden von Sprichworten" bezeichnete, den sowohl Schüler als auch Gelehrte zur Illustration ihrer Texte benutzen sollten.56 Die Offleina, die Werkstatt, und die Cornucopia, das Füllhorn, von Joannes Ravisius Textor enthalten eine kaum zu überschauende Fülle von Synonymen und Epitheta aus der antiken Dichtung nach Stichworten alphabetisch sortiert.57 Beide Werke wurden in den oberen Klassen der Schulen verwandt, doch waren sie besonders nützlich für Dichter und andere Verfasser lateinischer Reden.58 Sie tragen Züge eines Kompendiums der antiken Lebensweisheit und werden in dieser Eigenschaft im folgenden Kapitel behandelt. Im Gegensatz zu den antiken literarischen und historischen Texten, die in Lyon vorwiegend in Nachdrucken erschienen, waren die Lyoner Verleger bei den Texten für den Schulgebrauch innovativer. Dabei konnten sie auf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits 1504 hatte Josse Bade, damals noch Lehrer und Drucker in Lyon, die Sallust-Ausgabe von Pomponius Leto mit 54 2 00, S. 4. ... a studio earum linguarum, quibus omnis humanitas, omnis doctrina elegans, omnis antiquitatis memoria continetur, abduxerit. 55 1 99, S. 5. Ita enim vim proprietatemque Latini sermonis (quo pure Terentius hac in comoedia usus fixit) Gallico idiomate reddidit, ut alter Terentius Gallicus esse videatur. Vgl. zur Bewertung der Übersetzung: Lawton, Bd. 1, S. 453^158. 56 Nr. 33. 57 Nr. 246 und 247. Vgl. Garanderie, S. 83. 58 Vgl. Ong, Walter J., Commonplace Rhapsody: Ravisius Textor, Zwinger and Shakespeare, in: Classical Influences on European Culture A.D. 1500-1700, Hg. R.R. Bolgar, Cambridge 1976, S. 91-118, hier S. 95-101.
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Kommentaren für den Schulgebrauch versehen und gedruckt. Ebenso war 1510 eine italienische Ovid-Ausgabe von dem Lyoner Lehrer Pierre Lavigne bearbeitet worden. Beide Texte wurden 1519 in Lyon nachgedruckt. Um fundierte Gründe für die Vorliebe der Lyoner Verleger zu finden, reicht die Quellenauswahl nicht aus, doch eine Tendenz läßt sich erkennen. Die italienischen Neuausgaben antiker Autoren strebten an, dem Originaltext so nahe wie möglich zu kommen. Die Tätigkeit der humanistischen Herausgeber war eine an der Vergangenheit orientierte, indem sie versuchten, die Spuren der Überlieferung, die den Text verändert hatten, zu beseitigen. Die in Lyon erschienen Sprachlehrbücher hingegen verfolgten eine gegensätzliche Tendenz: Sie vermittelten zeitgenössischen Lesern Sprachkompetenz beziehungsweise eine innovative Philologie. Dabei stellte die Sprachreinheit der antiken Autoren ein hohes Gut dar, doch zeigen die Lyoner Verleger eine erstaunliche Bereitschaft, Sprache als ein sich veränderndes, lebendiges Gebilde zu verstehen.59 Bereits 1523 gab der Lyoner Gelehrte Thierry Morel einen Anhang zu Erasmus De duplici copia verborum heraus, das 1512 erstmals gedruckt worden war. Angesichts des Mißtrauens gegenüber Verlegern und dem Lesepublikum, das Erasmus unermüdlich betonte und angesichts seines Selbstbewußtseins, stets selbst das Wichtige und Nötige geschrieben zu haben, scheint es zweifelhaft, ob Erasmus eine Erweiterung des von ihm vorgeschlagenen Kanons überhaupt für wünschenswert gehalten hätte. Für Thierry Morel hingegen war es selbstverständlich, daß sich eine Sprache, so auch die lateinische, entwikkelte. Er hatte den Text von Erasmus gründlich überarbeitet und erweitert, denn „es liegt nämlich in der Natur dieser Schriften, daß sie durch die tägliche Lektüre entweder wachsen oder bereinigt werden".60 Ahnlich argumentierte Thibaud Payen auch im Vorwort seiner Ausgabe des Calepino von 1559. „Zunächst haben wir dieses Wörterbuch durch die Hinzunahme von nicht wenigen Worten, die teils von Cicero, teils von anderen geeigneten Autoren stammen, erweitert. Das muß dir nicht ungewöhnlich erscheinen. Denn in welcher Sprache ein Lexikon auch war, es ist so, ... daß man es immer um nicht weniger bereichern kann als um einen großen Schatz, aus dem man in wenigen Tagen neue Werke zusammenstellen kann." 61
59 So war die Übersetzung der Texte Marc Aurels von Xylander in bestes, modernes Latein, die 1558 erstmals publiziert wurde, bereits ein Jahr später in Lyon nachgedruckt worden. 177, Z.138ff. 60 1 27, S. 3. Est enim scriptio num hoc genus natura, ut quotidiana lectione, vel excrescant, vel emaculentur; vgl. zu Morels Enchiridion auch: Garanderie, S. 86-88. 61 149, fol. lve. Primum hoc Dictionarium non parva vocum Latinarum accessione, quae tum ex Cicerone, tum ex aliis quibusque probatis autoribus petitae sunt, auximus. Neque hoc mirum tibi videri debet, nam cuiuslibet linguae lexicon fuerit, eiuscemodi est, ... locuplentari tarnen non minus possit, quam thesaurus etiam refertissimus, in quem dies singulos novas opes licet congerere.
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Die Entwicklung der studia humanitatis insgesamt war für den Lyoner Lehrer Jean Raynier62 ein Grund zur Freude. In der Widmung der von ihm bearbeiteten Musterreden von Agostino Dati schrieb er an seinen ehemaligen Schüler, daß dieser sich glücklich schätzen könnte, in dieser Zeit zu lernen. Viele Gelehrte wären als Lehrer tätig, sie gäben kommentierte Klassikerausgaben heraus, die von den Lyoner Verlegern zum Nutzen der Jugend gedruckt würden. Die Gelehrten reinigten sie von den Fehlern der Überlieferung und der Drucker, „die entweder den Leser täuschen oder aufhalten können, so daß jetzt ein junger Mann innerhalb von zwei Jahren in der Wissenschaft mehr erreichen kann als noch vor wenigen Jahren innerhalb eines Jahrzehnts".63 Daß er in kurzer Zeit von seinen Schülern überflügelt werden könnte, scheint Raynier nicht bedrückt zu haben, ebensowenig wie die Befürchtung, das antike Erbe könnte durch seine weite Verbreitung in unbefugte Hände - oder Köpfe - gelangen. Auch wenn die humanistischen Gelehrten davon ausgingen, daß Eloquenz der Ausdruck von Gelehrsamkeit und Tugend war, sind doch Zweifel berechtigt, daß die Absolventen der collèges tatsächlich wegen ihrer Ausbildung im stile parisien tugendhafte und gelehrte Bürger geworden waren. Immerhin wurden sie sechs Jahre in lateinischer Grammatik und Rhetorik unterrichtet, so daß sie über Grundkenntnisse der Sprache verfügten. Es sind allerdings Zweifel berechtigt, ob diese knappe Ausbildung die Schüler tatsächlich zu den studia humanitatis befähigte und ihnen Eloquenz auf der Basis von Tugend und Gelehrsamkeit vermittelte. Der Lektürekanon der Schulen untergrub einen weiteren Aspekt der humanistischen Gelehrsamkeit: die vollständige Kenntnis der antiken Autoren, die Erasmus gefordert hatte. Denn längst nicht alle Werke standen auf dem Lehrplan. Schon wegen zu geringer Textkenntnis war mit dem Schulbesuch allein die eruditio wie sie der Definition entsprach nicht zu erreichen. Die Ausbildung an einem collège ermöglichte es einem Schüler, die Gelehrtenlaufbahn einzuschlagen, doch qualifizierte sie weniger zum gelehrten Humanisten, als daß sie Grundkenntnisse eines Korpus ausgewählter lateinischer Autoren vermittelte. Dieser Kanon, der nicht sehr groß war und den die Schüler sicher teilweise auswendig konnten, ließ sich umso praktischer nutzen, als er in ganz Europa weitgehend gleich war. Deutsche und italienische Schüler lasen im wesentlichen dieselben Autoren wie ihre französischen Ka-
62 Jean Raynier (1. Hälfte des 16. Jahrhunderts). Zur Biographie vgl. Moss, Ovid, S. 37; Gerig, S. 145. 63 65, S. 3. ... quae lectorem aut fallere, aut remotati possent, tollentes: ut multo uberius puer ad literas biennio nunc pervehi possit, quam paucis ante annis decennio.
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meraden.64 Ihnen gemeinsam war eine gute rhetorische Schulung am antiken Vorbild. Das hatte zur Folge, daß europäische Beamte um 1550 - die erste Generation der kommunalen Schulabsolventen hatte inzwischen die angestrebte Karriere gemacht - unabhängig von ihrer Konfession eine ähnliche Ausbildung hatten. Doch vermutlich hatten die meisten von ihnen kein tiefergehendes Interesse am humanistischen Gelehrtentum. Sie hatten diese Art von „science" oder „knowlegde" erworben nicht um Gelehrte zu werden, sondern um ihr Ziel zu erreichen: den sozialen Aufstieg.65 Vielleicht las der eine oder andere Schulabsolvent nach Feierabend ein lateinisches Buch, aber dies allen Beamten zu unterstellen, dürfte zu weit gehen. Klassische Autoren in der Bibliothek eines Juristen sind kein sicheres Indiz für dessen Wertschätzung der humanistischen Gelehrsamkeit, wie Febvre und Grafton nahelegen. Sie zeigen lediglich, daß er auf dem üblichen Weg die lateinischen Sprachkenntnisse erworben hatte, die er für seinen Beruf brauchte.
3. Die Antike als Baukasten, Teil I: Kompendien Seit etwa 1530 erschienen in Frankreich neue Titel in lateinischer Sprache, die weder zum Lektürekanon der Schulen noch zu den Fachbüchern für Juristen oder Mediziner zählten und auch für humanistische Philologen nur bedingt geeignet waren: Editionen antiker Historiker und verschiedene Arten von Kompendien. Diese Bücher legen die Vermutung nahe, daß einige Schulabsolventen freiwillig und ohne berufliche Interessen lateinische, zumeist nichtliterarische Texte lasen. Dir Interesse an der antiken Überlieferung dürfte ein anderes gewesen sein als das der Humanisten und Fachleser, denn weder eine umfassende Kenntnis der Antike noch berufsbezogene Details konnten sie aus
64 In Deutschland wurde mehr Wert auf die freie Rede in lateinischer Sprache gelegt. Im Gegensatz zu den französischen Schülern lernten die italienischen Knaben häufiger in Privatschulen, während die deutschen Schüler in reformierten Gebieten protestantische Schulen besuchten; vgl. Grendler, Schooling, S. 778-782; Scheible, Heinz, Melanchthons Bildungsprogramm, in: Lebenslehren und WeltentwUrfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik - Bildung - Naturkunde - Theologie. Hg. H. Boockmann u.a., Göttingen 1989, S. 233-248, hier S. 245. 65 Grendler, Schooling, S. 783.
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den neuen Büchern erhalten. Sie lassen vielmehr erkennen, daß sich neben der wissenschaftlichen Beschäftigung eine neue Art des Umgangs mit dem kulturellen Erbe entwickelte, die auf einen Bedeutungswandel der Antike schließen läßt. Historikereditionen Aus den Vorreden der Historikereditionen kann man erste Hinweise auf einen Bedeutungswandel erhalten, denn hier ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen zwischen den Texten, deren Vorreden vor 1530 verfaßt wurden, und denen, die entweder nach diesem Datum bearbeitet wurden und eine Vorrede des Bearbeiters enthalten, oder nach 1530 zum ersten Mal erschienen. Die älteren Widmungen präsentierten den Text wie eine humanistische Klassikeredition und schrieben ihn so in den Kontext der antiken Literatur ein, außerdem stellten sie die humanistische Geschichtstheorie vor. Die späteren Widmungen hingegen behandelten den jeweiligen Text als einzelnes Werk und bezogen ihn auf die Gegenwart. Zunächst zu den älteren Widmungen. Antonio Francini verfaßte in seiner Ausgabe der Duodecim Caesar es Vitae von Sueton, die um 1515 zum ersten Mal erschien, eine geradezu idealtypische Widmung. Sie soll hier als Beispiel dienen.1 Die stilistischen Qualitätsmaßstäbe der historischen Disziplin orientierten sich an denen der antiken Rhetorik. Kurz, klar und wahrscheinlich mußte eine gute Gerichtsrede sein, kurz, klar und anschaulich ein historischer Text. Wie bei literarischen Texten sollte die sprachliche Form dem Inhalt angemessen sein.2 Entsprechend lobte Francini die Kürze und Klarheit von Suetons Stil: „Er beschrieb so sorgfaltig das Leben der Kaiser, daß man nichts hinzufügen kann, nichts entfernen, wunderbar ist seine Kürze, wunderbar auch seine Klarheit, die die größte Tugend aller Autoren und der Geschichtsschreiber ist. ... So groß ist die Tugend dieses Autors, so angemessen und knapp sind seine Worte, daß du nicht weißt, ob die Sache durch die Rede oder die Worte durch Sentenzen geschmückt werden." 3
Im Gegensatz zu poetischen Texten mußten historische Texte wahr sein. Geschichte sei nur nützlich, wenn sie wahrheitsgemäß berichtet werde, lautete eine Überzeugung, die Geschichtstheoretiker von Thukydides bis Schöfferlin 1
Zu den älteren Historikereditionen gehören außerdem: Nr. 6, 16, 19, 139, 156, 171,
191. 2
Vgl. Landfester, S. 83. 37, fol. a2re-a2ve. Tanta enim cura Caesarum vitas scripserit, ut nihil addi, nihil adimi posse videatur. mira eius brevitas, mira etiam diluciditas, que quidem tum omnismodi scriptionis tum historia scribentis est maxime virtus. ... tanta denique est huius scriptoris virtus, ita porro verbis aptus, pressusque est ut nescias utrum res oratione, an verba sententiis illustrentur. 3
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teilten.4 Francini betonte, daß Sueton die Gewähr dafür biete, daß alles wahrheitsgemäß berichtet sei: „Da nämlich die Geschichte nicht aus Vermutungen, sondern aus zuverlässigen Wahrheiten zusammengestellt werden muß, hielt sich Tranquillus nicht nur vom Falschen, sondern selbst vom Verdacht des Falschen so fern, daß er es vorzog, ... von den Taten der Herrscher seiner Zeit zu schweigen." 5
Nützlich war die Geschichte nach Ansicht der humanistischen Theoretiker auf zwei Weisen: Zum einen enthielt sie Beispiele für moralphilosophische Theorien, die dem Leser vor Augen führten, wie ethische Grundsätze in der Praxis umgesetzt wurden.6 Zum anderen enthielten die Texte eine reiche Beispielsammlung menschlicher Verhaltensweisen, die es den Lesern nach Ansicht der antiken Autoren und ihrer humanistischen Herausgeber ermöglichen sollten, sich selbst in allen Situationen klug zu verhalten. Francini erläuterte den Nutzen des Textes: „Unter allen Autoren, die in griechischer oder lateinischer Sprache glänzten, scheinen uns zweifellos die besonders schätzenswert zu sein, deren Werk uns die Taten der besten Völker, der größten Fürsten und aller berühmten Männer berichten. Sie stellen nämlich in den Mittelpunkt das Leben, die Sitten und die Taten derer, von denen wir für öffentliche und private Dinge den größten Nutzen ziehen können. So hat der berühmte Kaiser Alexander, so oft er sich von Kriegsgeschäften frei machen konnte, die Geschichten erfahrener Männer zu Rate gezogen." 7
Anschließend berichtete Francini über seine Tätigkeit, daß er zwar verschiedene alte Handschriften zusammengefaßt und die Fehler korrigiert habe, den Originalzustand jedoch nicht erreicht habe. Wie es sich für einen Gelehrten gehörte, hatte er nachts gearbeitet und widmete nun die Früchte seiner Arbeit seinem Mäzen, den er nicht zu loben versäumt.8 Kaum ein Herausgeber eines historischen Textes behandelte in seiner Widmung die humanistische Ge4
Vgl. Landfester, S. 96. 37, fol. a2re. Nam cum historia non ostentationi sed fidei veritatique sit componenda, tantum non modo a falso, sed ab omni falso suspitione abfuit Tranquillus, ut ... suae aetatis imperatorum gesta, tacere praeoptavit. 6 Vgl. Landfester, S. 57 und 134. 7 37, fol. a2re. Ex omnibus scriptoribus quibus tum graecae tum latinae litterae floruerunt, ii proculdubio de nobis egregie meriti videntur, quorum industria, aut excellentium populorum aut summorum principum, aut omnio illustrium virorum, res gestae historiarum monumentis sunt demandatae, posuerunt namque in medio, vitam, mores, factaque illorum, ex quibus documenta maxima ad publicum privataeque re usum haurire possimus. hinc Alexander ille severus Romanus imperator quoties de bellico negotio deliberandum erat, peritos historiae viros consulebat. 8 37, fol. a2ve. Die Widmung der Herodian-Übersetzung von Poliziano an Innozenz III. enthält die verschiedenen Aspekte der humanistischen Geschichtstheorie in ähnlicher Vollständigkeit. Nr. 171.2. 5
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schichtstheorie so vollständig wie Francini. Einzelne Aspekte werden jedoch stets aufgegriffen. Auch die Topoi humanistischer Textpräsentation sind in den Historikereditionen vor 1530 zumeist enthalten. Das ideale Publikum dieser Ausgaben skizzierte Battista Egnatio9 in der Vorrede seiner Sueton-Ausgabe, die 1517 bei Aldo Manuzio erschien. Er schrieb für Leser, „die sich in ihrer Freizeit vergnügen wollten und schon auf dem richtigen Weg waren". Auf diejenigen hingegen, die erst Latein lernten und für die er sonst häufig publizierte, verzichtete er.10 Die „guten und gebildeten Männer", denen er das Werk widmete, mußten auf größere Kommentare verzichten, denn der vielbeschäftigte Herausgeber hatte nicht genug Zeit, den Text zu kommentieren. Alle Widmungen historischer Texte, die nach 1530 erschienen, insbesondere die der Basler Erstausgaben, setzten andere Schwerpunkte. Sie beschäftigten sich weniger mit humanistischer Geschichtstheorie als mit der Gegenwart. So enthält die Widmung der Vitae Plutarchs von Hieronymus Gschmus Ausführungen über die Probleme der Kulturförderung. Die Mäzene förderten Gelehrte, die ihnen schmeichelten, ohne auf deren wissenschaftliche Qualität zu achten. Zudem waren die Mäzene offenbar nicht in der Lage, die lateinische Sprachkompetenz der angeblichen Gelehrten zu beurteilen. Erst in den letzten Zeilen der Widmung ging Gschmus auf den Platz der Geschichte als erste unter den Wissenschaften ein.11 Simon Greiner äußerte sich in der Vorrede seiner Justinus-Ausgabe zu der Frage, in welchem Verhältnis die historischen Ereignisse zur Wahrnehmung des Lesers stehen.12 Marcus Hopper beantwortet in seiner Strabo-Ausgabe die von Ambrosio Traversari 1435 in der Widmung seiner Diogenes-Übersetzung aufgeworfene Frage, ob der Erkenntnisdrang des Menschen die Wahrheit Gottes gefährde, mit einem Plädoyer für die Wissenschaft. Gott selbst wolle, daß der Mensch verstehe, sonst hätte er ihm keine Erinnerung gegeben. Die Kenntnis fördere das Lob Gottes.13 Obwohl die jüngeren Widmungen historischer Texte nicht auf die Grundlagen der humanistischen Geschichtstheorie insgesamt eingingen, griffen sie 9
Battista Egnatio (1478-1553). Zur Biographie vgl. Schück, Julius, Aldus Manutius und seine Zeitgenossen, Berlin 1862 (ND 1973), S. 69f. 10 193, S. 467. ... in hac, ut ex iusto itinere viatores, otii causa divertentes. Diese Vorrede, die Egnatius 1516 verfaßte, findet sich am Ende einer Sueton-Ausgabe, die bei den Brüdern Frellon 1559 erschien. Der Stammplatz für Widmungsvorreden auf den ersten Seiten des Buches enthält die Vorrede der Sueton-Ausgabe von Erasmus aus dem gleichen Jahr. 11 Nr. 245, fol. a6ve. S. o. Kapitel II.2 über Mäzene. 12 Nr. 237, S. 3. Zur Biographie vgl. Simon Greiner, auch: Grynaeus (1494-1541), Contemporaries, Bd. 2, S. 142f. 13 Nr. 192, S. 4. Zur Biographie vgl. Marcus Hopper, auch: Höpperli (7-1565): DBA, 567, 195; Griechischer Geist, S. 427.
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einen der drei Aspekte auf: den Nutzen des Textes. Während in den älteren Texten zumeist allgemein der Beispielcharakter der antiken Vorbilder herausgehoben wurde, äußerten sich die Herausgeber der neuen Texte konkreter. „Eine große Sache ist es, die Geschichte zu kennen, und nützlicher als man meistens meint. Durch sie können wir verfolgen, während wir sicher und fast müßig im Schatten sitzen, was wir wegen der zahlreichen und großen Mühen und der größten Gefahren für Leben und Besitz kaum mit eigener Kraft hätten erreichen können", 1 4 formulierte Emilio Ferretti diesen Topos. 1 5 Das Geschichtsstudium sah er als Möglichkeit, sich ohne Mühe die Weisheit des Alters anzueignen. Hinzu kam ein weiterer Vorzug, den Marcus Hopper beschreibt: „Über die angenehmen Seiten, die uns diese Fähigkeit bereitet, brauche ich nicht viel zu sagen, denn wir fühlen j a alle, von welch wunderbarem Vergnügen wir angerührt werden, wenn uns jemand von den Sitten und Bräuchen eines anderen Volkes berichtet, die nur wenig verschieden von unseren sind, oder wenn uns jemand von Meeresungeheuern oder anderen merkwürdigen Tieren erzählt, die wir nicht kennen und die ungewöhnlich aussehen. ... Ein wieviel größeres Vergnügen noch bereitet es uns, wenn es uns gelingt, den ganzen Erdkreis mit all seinen Regionen ... zu durchstreifen. Und das sicher mehr, weil wir dies ohne Furcht vor Gefahr und ohne riesige Ausgaben lernen können, während wir bei uns zuhause bleiben." 1 6 Anders als die älteren humanistischen Herausgeber, die die Lektüre antiker Schriftsteller als Möglichkeit zur moralischen Vervollkommnung des Lesers betrachteten, argumentierten die Herausgeber nach 1530 pragmatisch: Bücher konnten eine preiswerte und ungefährliche Reise um die Welt und durch die Zeit bieten. Zwar betonten die Herausgeber weiterhin, daß auch sie von den antiken Beispielen lernen wollten, doch betrachteten sie ihre Vorfahren nicht als unerreichbare Helden, denen sie nur nacheiferten. Vielmehr sahen sie die Geschichte als einen Schatz gesammelter Erfahrung an, der sich vergnüglich lesen ließ. Ihnen war bewußt, daß zwischen ihrer Zeit und der beschriebenen 14
198, S. 2. Magna profecto quaedam res est, et utilior, quam vulgo credatur, historiae cognitio: per quam tuto idem prope in otio umbraque consequimur, quod vix per multos, magnosque labores, summaque pericula vitae ac fortunarum industria nobis nostra comparatur. 15 Vgl. zu diesem Topos Landfester, S. 137. 16 192, S. 7. De iucunditate porro, quam nobis parit haec facultas, non est quod multis disputem: omnes quippe sentimus, mirabili quadam animos nostros affici suavitate, si vel unius alteriusque gentis mores et varios ritus, diversos paulo a nostris, aliquis nobis referat: aut si quis maris aliqua monstra, animalium quorundam incognitas nobis et inauditas formas et effigies narret: ... Quanto igitur maiorem nobis adferet voluptatem, si totum simul hunc terrae orbem, ... perlustrare contingat. Eo certe magis, quod citra periculorum metum, et sumptum immensum, domi etiam apud nostros manentes, discere haec omnia possumus.
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Vergangenheit eine kaum zu überwindende Distanz lag, wie aus der TacitusVorrede von Emilio Ferretti hervorgeht. „Man kann den Lauf der Welt durch die Lektüre von Tacitus nicht aufhalten, genausowenig, wie du der beschriebenen Zeit mit deinem Ratschlag helfen kannst."17 Die Haltung der jüngeren Herausgeber gegenüber überlieferten historischen Texten erläuterte Simon Greiner in seinem geschichtstheoretischen Vorwort De utilitate legendae historiae in klaren Worten.18 Zunächst widersprach er der unter Humanisten verbreiteten Überzeugung, daß zwischen der Lektüre der antiken Autoren und der moralischen Verbesserung des Lesers ein kausaler Zusammenhang bestehe, und stellte damit das wichtigste Argument für die Klassikerlektüre in Frage. Er formulierte demgegenüber: „Es ist erstaunlich, wie sich die Menschen täuschen, die meinen, sie könnten beim Lesen aus der Geschichte lernen. Dabei liefert sie doch nur das Material zum Lernen."19 Erste Voraussetzung des richtigen Geschichtsverständnisses war nach seiner Ansicht die Selbsterkenntnis, denn „niemand kann über das Leben anderer urteilen, wenn er nicht über seines urteilen kann".20 Ebenso wichtig sei es, daß der Leser selbst tugendsam lebte, denn nur so war er in der Lage, das Gelesene zu beurteilen. Die Tugend erwarb der Leser Greiner zufolge jedoch nicht aus dem Text, sondern er mußte sie bereits vorher und auf anderem Wege erlangt haben. Der Autor unterstellte so, daß die in den Geschichtsbüchern beschriebenen Taten sich nicht direkt von der Antike auf die Gegenwart des Lesers beziehen ließen. Eine besonders wichtige Lesertugend war zudem die Mäßigung. Greiner verglich die Menge der Bücher mit einer überreich gedeckten festlichen Tafel, von der jeder Gast das heraussuchen mußte, was ihm selbst bekam. Nicht jeder Leser konnte sich mäßigen, und das Lesen konnte - ähnlich wie Wein - in einen rauschhaften Zustand versetzen, der es unmöglich machte, aus der Geschichte zu lernen.
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198, S. 14. ...poterit Cornelii lectio nonihil in isto concussi orbis motu, simillimo eorum temporum, quae ab ilio describuntur, adiuvare Consilia tua. 18 237. Dieser Text über den Nutzen der Geschichtslektüre wurde von Simon Greiner 1533 als Widmung der Vitae von Plutarch, die 1533 in Basel erschienen, an seinen jungen Freund und Kollegen Johannes Oporin verfaßt. Ab 1540 wurde er - um die persönlichen Passagen gekürzt - in den Basler Justinus-Ausgaben als Vorwort verwendet; vgl. Griechischer Geist aus Basler Pressen, Publikationen der Universitätsbibliothek Basel, Nr. 15, Basel 1992, S. 154f. 19 237, S. 3. Qua quidem in re mirum est quam se fallant homines, dum historiam putant esse quae doceat legentem: quum ea materiam discendi tantum suppeditans sic, quemadmodum convivium illud, talem unicuique praebat usum, qualius ipsius est animo affectus. 20 2 3 7, S. 2. ... cumque difficultas sit eadem et de sua, et de aliorum vita recte iudicandi: nec alienam quisquam, quantumvis persicaces hic simus, intueri recte possit, qui non possit suam.
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„Manche genießen die Süße der Lektüre und geben, indem sie dem Vergnügen nachjagen, die eigentlichen Früchte auf. ... Es gibt nämlich kein Vergnügen, das ohne Tugend genossen werden kann."21 Besonders gefahrlich in diesem Zusammenhang seien Texte, die reich an Beispielen waren - eine Qualität, die gemeinhin an historischen Texten gelobt wurde. Sie läsen sich so leicht, daß sie für die Jugend sowohl Nutzen als auch Gefahren böten. Gefährlich sei die Lektüre, wenn man sie nicht mit der nötigen Sorgfalt betreibe. „Wer nur oberflächlich liest, gleicht den Bauern, die mit der Stadtbevölkerung die Apotheke eines gelehrten Mannes plündern ... und alles mögliche verschlingen, schlürfen, schlucken und fressen. Manche werden krank, andere wahnsinnig oder fallen in Ohnmacht .,."22 Allerdings lag das nicht am Leser allein. Autoren forderten den Leserausch vorsätzlich, indem sie „so schreiben, daß sie nicht nur das Wohlwollen der Leser erlangen, sondern daß man ihnen mit Vergnügen folgt". 23 Da man dem gerne glaube, was einem gefiele, folge daraus, daß der Leser eine auf zwei Weisen verzerrte Wahrnehmung der Dinge habe: Zum einen täusche ihn sein eigenes Urteilsvermögen, zum anderen der Autor. Nach Ansicht von Simon Greiner war das Verhältnis zwischen Gegenwart und Vergangenheit sehr viel komplizierter, als es die älteren Geschichtstheoretiker beschrieben hatten. Keineswegs schien es ihm möglich, aus einem antiken Text unmittelbaren Nutzen für die Gegenwart zu ziehen, selbst wenn dieser den humanistischen Kriterien der Klarheit und Wahrheit entsprach. Vielmehr sah er die historische Überlieferung als einen Fundus, der lediglich das „Material zum Lernen" enthielt. Erst wenn ein Leser, der über genügend Tugend und Selbsterkenntnis verfügte, das Material handhabte, konnte Geschichte nützlich sein. Greiners Darstellung unterschied sich von der älterer Herausgeber in erster Linie durch die Position, die er dem Leser gegenüber der historischen Überlieferung einräumte. Während die älteren Theoretiker den Leser als einen Schüler der antiken Lehrer verstanden, der aus ihren Texten sowohl Tugend als auch Erfahrung ziehen konnte, forderte Greiner den selbstbewußten Umgang mit der Antike, denn nur auf diese Weise ließ sie sich auf die Gegenwart beziehen. 21 237, S. 4. Alios igitur suavitate lectionis abduci videmus, et voluptatem secutos, fructus illos pulcherrimos amittere. ... Nulla enim voluptas est, quae non respicit virtutem. 22 237, S. 6. Perinde enim evenit, si quis vel historiam obiter adeundam, vel vitam ipsam temere, et citra exactam officiorum omnium conservationem transfigendam ducat: quod rusticis: qui cum vicinae urbis populatione, pharmacopolium quoddam instructissimum diripent, ... omnia haurirent, sorberent, vorarent, glutierent, alii correpti morbo, alii phrenesi, plerique exanimati sunt... 23 2 3 7, S. 5. Est vero et illa non minor, quod res gestas sic scriptores apponunt, ut non solum gratiam aliquam captent, sed palatum ipsi quoque suum secuti ...
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Wer könnten nun die Leser sein, die in der Lage waren, historische Texte mit Gewinn zu lesen? Welche Fähigkeiten benötigten sie außer Tugend und Lebenserfahrung? Natürlich mußten sie die lateinische Sprache lesen können, doch benötigten sie nach Ansicht des Übersetzers Holtzmann nicht den Wortschatz eines Gelehrten. Holtzmann verteidigte seine Übersetzung in modernes Latein, bei der er „gewisse Äußerungen, die bei den Älteren nicht gebräuchlich waren, aus Gründen der Verständlichkeit dennoch verwendet" habe.24 Griechischkenntnisse wurden bei den Lesern nicht vorausgesetzt. Guillaume Blanc wandte sich ausdrücklich gegen Übersetzer, die in lateinischen Übersetzungen griechischer Texte Passagen in der Originalsprache beließen, „so daß diejenigen, die nicht die Kenntnis von beiden Sprachen haben, sie nicht verstehen".25 Offenbar handelte es sich bei den angesprochenen Lesern nicht um professionelle Gelehrte, sondern um „Nicht-Ungebildete"26, wie Emilio Ferretti in seiner Tacitus-Vorrede schrieb. Deren Bereitschaft, sich mit schwierigen Texten auseinanderzusetzen, war nach Darstellung der Vorwortautoren allerdings begrenzt. Komplexe Texte lasen sie offensichtlich ungern, denn Holtzmann hob ausdrücklich hervor, daß die Kapitelunterteilung in Marc Aurels Text den Lesern entgegen komme. Auch forderten die zahlreichen Beispiele den Lektürespaß.27 Aus den Vorreden der historischen Texte, die seit etwa 1530 erschienen, ergibt sich zusammenfassend das folgende Bild: Der zeitgenössische Leser beherrschte die lateinische Sprache, nicht aber die griechische, las lieber klar strukturierte als komplexe Texte, diese aber mit Vergnügen in seiner Freizeit, außerhalb der Amtsgeschäfte. Er verfugte über Lebenserfahrung und wollte darüberhinaus von der Anderer profitieren. In der Art des Umgangs mit dem antiken Erbe unterschied sich dieser ideale Leser von einem humanistischen Gelehrten insofern, als sein Interesse an der Vergangenheit nicht seiner moralischen Vervollkommnung dienen sollte. Er betrachtete die Antike vor allem als nützlichen Speicher vergangener Erfahrung. Diese Tendenz zeigt sich noch deutlicher in den Kompendien. Kompilationsl iteratur Das Buch Omnium gentium mores leges et ritus von Johann Boehm stellte die Verbindung zwischen antiken Historikern und Kompilationen her, indem es die bemerkenswertesten Sitten, Bräuche, Gesetze und Orte der Völker aus
24
177, anteriores, 25 150, 26 198, 27 177,
S. 9. ... nisi quod voces quasdam, tritas illas, et aptas, non tamen usitatas apud perspicuitatis causa non contempsi. S. 7. ... obscurus iis, qui non habent utriusque linguae scientiam. S. 3. omnibus, qui non omnino illiterati sunt. S. 6.
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den Werken von 13 antiken und sechs zeitgenössischen Autoren zusammenfaßte.28 Im Vorwort an den Leser stellte der Autor seine Tätigkeit vor: „Damit Du, wißbegieriger Freund und Leser der Geschichte, sie [die Sitten und Bräuche] in einem Buch zusammengestellt lesen kannst und sie leicht findest, wenn Du sie brauchst, habe ich sie in stundenlanger Arbeit von überallher zusammengesucht und in diesem Band geordnet." 2 9
Es handelt sich demnach um einen Sammelband, der Ausschnitte aus den Texten verschiedener Autoren nach neuen Kriterien ordnet. Als stellvertretender Leser hatte Boehm also eine Arbeit übernommen, die nach Erasmus' Ansicht jeder Leser selbst zu leisten hatte: „sibi quam plurimos comparabit locos". Dies riet er denen, die zu den Gelehrten gezählt werden wollten.30 „Wenn Du liest", hatte in diesem Sinne auch schon um 1450 der berühmte Lehrer Guarino Veronese an seinen Schüler Leonello d'Este geschreiben, dann „halte ein Heft bereit, in das Du alles schreiben kannst, was Du möchtest und in dem Du die wichtigen Passagen geordnet vermerken kannst. Wenn Du dann etwas nachschlagen möchtest, brauchst Du nicht so viele Seiten durchzusehen."31 Der Leser solle sich loci, Ordnungsbegriffe, überlegen, nach denen er das Gelesene in seine eigenen Unterlagen, sein persönliches loci-communesHefit, übertrug, um sie sich durch die Wiederholung und Abschrift merken zu können. Er selbst mußte die Ordnung herstellen und sich durch diesen Schritt der gedanklichen Verarbeitung die antike Geisteswelt in ihrer Komplexität schöpferisch anverwandeln.32 Boehm machte in seiner Vorrede deutlich, daß sein Zielpublikum keine Gelehrten waren. Ihm ging es nicht darum, umfassende Kenntnisse der Antike 28 Johann Boehm (um 1485-1535) nennt in seiner Vorrede an den Leser die Autoren: Herodot, Diodorus Siculus, Berosus, Strabo, Solinus, Trogus Pompeius, Ptoloaeus, Plinius, Tacitus, Dionysius Apher, Pomponius Mela, Caesar, Josephus, Vincentius, Aeneas Sylvius (Papst Pius II), Antonio Sabellico, Johannes Nauclerus, Ambrogio Calepino und Niccolò Perotti. 54, S. 6. Zur Biographie von Boehm vgl. NDB 2, 403. 29 54. S. 6. ... ut in uno libro conscriptos haberes, facileque quando usus deposceret invenires, historiam lector cultorque studiosissime, per ocium succisivis horis undique conquaesivi, collegi, et in diarium hunc conscripsi, digessi. 30 S. o. Einleitung. 31 Original im Epistolario di Guarino Veronese, Hg. R. Sabbadini, n.679; II, 270. hier zitiert nach der engl. Übersetzung von Anthony Grafton, in: ders., Building the Classroom without Walls: Festina lente, Manuskript eines Vortrags gehalten an der EHESS, Paris, im Mai 1994, S. 1. 32 Vgl. zur humanistischen Methode der Aneignung antiken Geistesgutes: Buck, August, Die studia humanitatis und ihre Methode, in: August Buck, Die humanistische Tradition in der Romania, Bad Homburg u.a. 1968, S. 133-150, hier S. 149; ders. Humanismus, S. 123 und 153; Cave, Copia, S. 58; Blair, Ann, Humanist Methods in Natural Philosophy: the Commonplace Book, in: Journal of the History of Ideas 53(1992), S. 541-551, hier S. 541f; Blair, Ann, The Theater of Nature. Jean Bodin and Renaissance Science, Princeton, N. J., 1997, S. 49-81.
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zu vermitteln, sondern er gab den Lesern einen Schlüssel, mit dem sie schnell auf die wichtigen Teile zugreifen konnten. Im Gegensatz zu den Vorreden der Textausgaben antiker Historiker, die die Geschichtslektüre als bildende Freizeitlektüre für wichtige Persönlichkeiten dargestellt hatten, empfahl Boehm seinen Sammelband für Leser, die erst in einen hohen Rang aufsteigen wollten. Die Geschichte lehre, daß diejenigen mit öffentlicher Zustimmung in das Amt eines Rates, Richters oder Beamten gewählt wurden, die in weit entfernte Gegenden gereist waren und die Sitten und Städte vieler Völker kennengelernt hatten.33 Um eine Karriere beginnen zu können, war es also nützlich, diese Kenntnisse zu erwerben. Daß der Aufstiegswillige tatsächlich seinen Ranzen schnürte und sich auf den Weg machte, war schon nach Ansicht der bereits vorgestellten Herausgeber antiker Autoren überflüssig gewesen. Auch Boehm hatte den ungefährlicheren Weg gewählt und die Informationen aus den verschiedenen Büchern zusammengetragen, ohne sich aus seinem Studierzimmer fortzubewegen. Nun brauchte der Kandidat für ein öffentliches Amt nicht einmal mehrere Bücher zu lesen, ein Blick in Boehms Kompendium genügte und schon „kannst Du, mein lieblichster Leser, ... die Sitten der berühmtesten Völker und die berühmten Orte, an denen sie wohnen, lesend kennenlernen und ins Herz schließen als würde ich Dich an der Hand von Ort zu Ort geleiten. Wie die Menschen lebten und wie sie heute leben, werde ich Dir von Mund zu Mund berichten und mit dem Finger vor Augen führen." 34 Auch durch einen weiteren Aspekt seiner Omnium gentium mores widersprach Boehm dem Gelehrtenideal. Es handelte sich bei seinem Buch um einen Sammelband, der Texte verschiedener Autoren ohne Angabe des Bearbeiters zusammenfugte. Gerade diese Buchart hatte Erasmus zu einem wahren Wutausbruch veranlaßt: „Der Respekt, den man den großen Werken der Autoren, vor allem nach deren Tod, schuldet, verbietet es, daß man diese Werke dadurch verdirbt, daß man fremde Texte darunter mischt. Es ist in jedem Fall ehrenhafter, die Ergänzungen zu kennzeichnen, damit niemand um seinen Teil des Ruhmes betrogen wird. ... Wolle man sich den Forderungen der Drucker 33 54, S. 12. Boehm spielt hier auf den Anfang der Odyssee an, indem er die Wortstellung und das Versmaß des griechischen Originals in seinem lateinischen Text imitiert: multorum populorum mores cognovere et urbis. Unter der Beispielreihe derjenigen, die aufgrund ihrer Kenntnis ein hohes Amt erwarben, und die sich über eine ganze Textseite erstreckt, wird auch Odysseus genannt. 34 54, S. 13-14. Velis suavissime mi lector conscriptos in hoc Iibro celebriores gentium mores celebrioraque in quibus habitant loca... legendo amplexari et cognoscere, quam si te per manus regionatim circumducens fidelissime, quo instituto, et quo in loco, unaquaeque gens vitam egerit hodieque agat, et ore ad os referrem, et ad oculum digito demonstrarem. Die vergnügliche Reise im Lesesessel ist auch das Thema der Geographicae Poeticae libri quattuor von Lambert Daneau. (Nr. 322)
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beugen, würde man alle Werke der Alten durcheinandermischen und damit die Frucht der Arbeit so vieler Gelehrter preisgeben. Wenn in einem so schweren Fall die Gesetze friedlich weiterschlummern, wenn die Prinzen und die Amtsträger nachsichtig sind, dann müssen Senat und Volk der Musen mit allen ihren Kräften eine so gottlose Kühnheit rächen. Es liegt an ihnen, wenn nichts anderes zu tun bleibt, sie der öffentlichen Abscheu zu überantworten und sie mit ihrer Feder kleinzuschlagen, wie mit einem Dolch." 35 Diese Einschätzung erschien als Nachwort einer neuen Ausgabe der Disticha Moralia Catos, die Erasmus 1526 bei Froben veröffentlichte, zum ersten Mal. 36 In den meisten der sehr zahlreichen Nachdrucke dieses Werkes ist sie enthalten. Erasmus zeigt sich hier noch einmal als entschiedener Vertreter der philologisch arbeitenden Humanisten, deren Anliegen es war, die Originaltexte der antiken Autoren wiederherzustellen. Ihr Selbstbewußtsein zogen diese Gelehrten aus der intensiven Beschäftigung mit einem Autor, ihr Ruhm erwuchs aus der Anerkennung dieser Tätigkeit innerhalb der Gelehrtenrepublik. Zugleich zeigt Erasmus' Schimpftirade, daß die Qualitätskriterien der Gelehrtenrepublik in Gefahr geraten waren. In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts scheint der Gelehrte realisiert zu haben, daß der Buchdruck und damit die Verbreitung der Bücher eine Entwicklung nahm, die er nicht vorausgesehen hatte. Immer zahlreicher wurden die Leser, die sich nicht länger von ihren Lehrern vorschreiben ließen, welche Bücher lesenswert wären. Sie entwickelten Vorlieben, die dem von Erasmus propagierten Bildungsideal nicht entsprachen. Sie lasen neue - auch reformatorische - Schriften. Die Zahl der Leser wuchs, die sich nicht für die philologische Arbeit eines Herausgebers interessierten, sondern die Antike als Wissensspeicher nutzen wollten. Bücher sollten ihnen nurmehr den Zugang zu konkreten Themen erleichtern. Erasmus konnte die Entwicklung nicht aufhalten. Ob mit oder ohne seine Zustimmung - die Verleger druckten, was die Kunden lesen wollten. 37 Sie veröffentlichten Sammelbände und Kompilationen verschiedenster Art: Verzeichnisse antiker Ortsnamen, Kurzfassungen philosophischer Werke und Kompendien für eine nicht-humanistische, aber lateinkundige Leserschaft. Für die Rezeption der von den Humanisten wiederentdeckten Antike sind die35
Die Disticha Moralia Catos sind in drei Ausgaben in der Auswahl enthalten: Nr. 58, 108 und 151. Das Nachwort enthalten nur die Ausgaben Nr. 108 und 151. Eine lateinische Edition des Textes gibt: Allen, epistolae, Nr. 1725. Eine französische Übersetzung ist in: Correspondance d'Erasme, Bd. 6, Nr. 1725. In seinem argumentativen Schwung scheint Erasmus übersehen zu haben, daß seine Adagia auch aus Schriften verschiedener Autoren zusammengemischt waren. 36 Eine ähnliche Einschätzung findet sich in den Adagia unter dem Stichwort "Festina lente". Erasmus, Adagia, dt., S. 493. 37 Die Stichprobe dürfte Erasmus nicht gefallen haben, enthält sie doch einen Querschnitt der Publikationen ab 1519. Sie spiegelt eine Entwicklung, die Erasmus schon ablehnte, bevor sie eigentlich begonnen hatte.
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se Bücher, die in der Stichprobe mit über 30 Titeln vertreten sind, eine hervorragende Quelle, denn Kompilationen sind Ausdruck des allgemeinen Wissensniveaus. Sie geben Überblick über das Standardwissen einer Zeit und lassen erkennen, welche Teile der Überlieferung in welcher Weise verarbeitet wurden.38 Leider ist die Forschungslage bei der Kompilationsliteratur sehr ungleichmäßig. Kompilationen, die das gesamte Wissen umfassen, stießen auf lebhaftes Interesse. Untersucht wurde allerdings weniger, wie sich das antike Erbe inhaltlich durch die Rezeption verändert hat, sondern im Vordergrund standen die Verzeichnungssysteme, nach denen das Wissen geordnet wurde. Diese topischen Systeme stellen eine Beziehung zwischen den einzelnen Stichworten (loci) her, unter denen das Wissen verzeichnet wurde. Sie wurden im Hinblick auf die Vorstellungen einer gedachten Weltordung, die aus den /oc/-Systemen spricht, interpretiert.39 Die einzige Arbeit, die verschiedene Arten von Sammelwerken systematisch untersucht, stammt von Neil Kenny. Er stellt in seiner Untersuchung enzyklopädische Werke, die das notwendige Wissen entsprechend der Ordnung der Dinge selbst enthalten, antienzyklopädischen Werken gegenüber. Während die Enzyklopädien für einen abgeschlossenen Wissenskanon stehen, versteht er die Miscellanea als Ausdruck der Vorstellung eines reichen, unvorhersehbaren Flusses des Wissens.40 Kompilationen jedoch, die nicht das gesamte Wissen der Antike umfassen, sondern nur Teile daraus, fanden bisher kein Interesse bei den Forschern. Gerade diese „kleinen" Kompendien jedoch, die die Überlieferung in ihre Einzelteile zerlegen und sie nicht in neuen, komplexen Systemen zusammenfassen, sind für die Frage nach der Rezeption der studio humanitatis außerhalb des Kreises der Gelehrten besonders ergiebig. Sie zeigen, wie das antike Erbe bearbeitet wurde, um ein nicht-wissenschaftliches Publikum errei-
38 Vgl. Melville, G., Spätmittelalterliche Geschichtskompendien. Eine Aufgabenstellung, in: Römische Historische Mitteilungen 22 (1980), S. 51-104, hier S. 5 2 - 5 7 . 39 Moss, Ann, Printed Commonplace Books and the Structuring of Renaissance Thought, Oxford 1995; von Moos, Peter, Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im Policraticus Johannes von Salisburys, Hildesheim 1988; Schmidt-Biggemann, Wilhelm, Über die Leistungsfähigkeit topischer Kategorien - unter ständiger Rücksichtnahme auf die RenaissancePhilosophie, in: Renaissance-Rhetorik, Renaissance Rhetoric, Hg. Heinrich F. Plett, Berlin, New York, 1993, S. 179-195; Zedelmeier, Helmut, Bibliotheca universalis und Bibliotheca selecta. Das Problem der Ordnung des gelehrten Wissens in der frühen Neuzeit, Köln/Weimar 1992; Furno, Martine, Le cornucopiae de Niccolò Perotti: Culture et méthode d'un humaniste qui aimait les mots, Genf 1995; Goyet, Francis, Le sublime du "lieu commun". L'invention rhétorique dans l'Antiquité et à la Renaissance, Paris 1996; Blair, Ann, Theater of Nature. 40 Vgl. Kenny, Neil, The Palace of Secrets, Béroalde de Verville and Renaissance Conceptions of Knowledge, Oxford 1991, S. 4 0 - 4 4 und 2 4 3 - 2 4 5 .
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chen zu können. Anhand dieser Buchart läßt sich der pragmatische Umgang mit dem antiken Erbe weiter verfolgen. Eine gemeinsame Eigenschaft aller gedruckten Kompilationen bestand darin, daß - wie bei Boehm gezeigt - zwischen die Texte der antiken Autoren und den Leser ein Vermittler, ein stellvertretender Leser trat. Er löste einzelne Teile aus dem antiken Textkorpus und stellte sie in neuer Ordnung zusammen. Dabei reduzierte er die ursprüngliche Komplexität je nach Art des Kompendiums in unterschiedlichem Maße. Zu unterscheiden sind hier zunächst zwei Arten von Kompilationen: Bücher, die Sentenzen, Sprichworte oder Exempla enthielten, mit denen ein Redner seinen lateinischen Vortrag ausschmückte, und Sammelbände, die Wissenswertes unter bestimmten Fragestellungen zusammenfaßten, wie etwa das Geschichtsbuch von Boehm. Die ersteren dienten der eloquentia, die letzteren der doctrina. Für humanistische Gelehrte am Anfang des Jahrhunderts bestand diese Trennung zwischen „Büchern zum Reden" und „Büchern zum Wissen" wahrscheinlich nicht, galt doch die eloquentia als Ausdruck der doctrina. Wenn Erasmus riet, die Früchte der Lektüre unter loci zusammenzufassen, war er der Überzeugung, daß die versammelten Zitate etwa unter dem Stichwort prudentia (Umsicht, Klugheit) sowohl an passender Stelle in die Rede eingeflochten werden konnten als auch, daß sie den Lernenden mit der Geisteshaltung der antiken Vorbilder vertraut machte.41 Im Laufe des 16. Jahrhunderts nahm jedoch die Zahl der Kompendien zu, die Wissen über die Antike zusammenfaßten und sich nur bedingt für die Ausschmückung der Rede eigneten.42 Diese Bücher sollen im folgenden vorgestellt werden, während Florilegien und Exemplasammlungen im Kapitel über den beredten Leser behandelt werden43. Anhand der in der Stichprobe enthaltenen Titel lassen sich drei verschiedene Typen von Kompendien erkennen: Kompilationen aus einem Fachgebiet, Nachschlagewerke in alphabetischer Ordnung und Nachschlagewerke in systematischer Ordnung. Die zweite und dritte Gruppe von Kompilationen schöpfte nicht aus einem Fachgebiet, sondern aus der Gesamtheit der überlieferten Texte und ordnete diese auf unterschiedliche Weise.
41 Im Gegensatz zu den loci der topischen Systeme bestand bei Erasmus allerdings kein Zusammenhang zwischen den einzelnen Stichworten. Sie dienten als eine Art "Schublade", in denen das Gelesene schnell wiedergefunden werden konnte. Die oft alphabetische Ordnung der Stichworte in den loci communes-Heften macht deutlich, daß das Ziel dieser Hefte nicht darin lag, ein Verzeichnungssystem zu entwickeln, das der Weltordnung entsprach. 42
Kompendien, die Wissenswertes aus verschiedenen Bereichen handbuchartig zusammenfaßten, gab es schon im Mittelalter. Man denke etwa an das Landwirtschaftsbuch von Pietro de Crescenzi. Vgl. die Publikationen des Sonderforschungsbereiches der DFG unter dem Reihentitel "Wissensliteratur des Mittelalters", Wiesbaden 1989ff. 43 Kapitel III.3.
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Kompilationen aus einem Fachgebiet Das Geschichtsbuch von Boehm gehört zu den drei Titeln der Stichprobe, die den ersten Typ verdeutlichen. Es enthielt die nach Ansicht des Kompilators wichtigsten Daten und Fakten der antiken Geschichtsschreiber in einem zusammenhängenden Text. Diesem vergleichbar sind die philosophischen Kompilationen von Richard Gorre und Frans Titelmans.44 Titelmans, Professor am Collegium Trilingue in Löwen, veröffentlichte 1533 eine Einführung in die Dialektik von Aristoteles. Er habe die Teile ausgewählt, in denen Wichtiges behandelt werde, nebensächliche Passagen weggelassen und die zentralen Stellen erläutert, stellte Titelmans seine Vorgehensweise dar. Er wolle verhindern, daß die Heranwachsenden von der Masse der unwichtigen Dinge verwirrt würden, den Mut verlören und dann die wichtigeren Studien vernachlässigten. Das sei bis jetzt nicht wenigen Studenten passiert.45 Studenten waren nach Titelmans Ansicht Leser, die nicht über die nötigen Kategorien verfugten, um in Aristoteles' Gesamttext die wesentlichen Teile zu erkennen. Er übernahm an ihrer Stelle die Auswahl und war sich der Zustimmung Piatos sicher, den er mit den Worten zitierte: „Es ist besser, weniges geordnet und klar darzustellen als vieles durcheinander."46 Titelmans stellte seinen Lesern einen „Aristoteles-Extrakt" vor, erweitert um Erläuterungen und Kommentare. Dabei blieb seine Bearbeitung ein Fließtext, der fortlaufend zu lesen war. In der Stichprobe ist der Text dieses katholischen und dem Humanismus kritisch gegenüberstehenden Franziskaners in einem Nachdruck aus dem Jahr 1580 enthalten. Mit seiner im Vorwort vertretenen Absicht, paßte er gut in das gegenreformatorische Klima Lyons in den Jahren nach dem Trienter Konzil: „In dieser Zeit, in der alles von den Häretikern in den Dreck gezogen wird, müssen wir die freien Studien befördern, die zur Verteidigung der Kirche und der katholischen Wahrheit überaus nötig sind, dazu möchte ich nach besten Kräften etwas beitragen".47 Die Tabula, qua totius Philosophia partitiones ... continentur von Richard Gorre, die 1559 in Lyon als Originalausgabe erschien, enthielt eine Zusammenstellung grundlegender philosophischer Sätze. Die Absicht seines Werkes erläutert der Kompilator in seiner Vorrede an die gelehrige Jugend mit den Worten: „Ich dachte, es sei meine Aufgabe, aus unseren täglichen
44 Nr. 232, 339. Zur Biographie von Titelmans vgl. Contemporaries 2, 236. Biographische Daten von Gorré waren nicht in Erfahrung zu bringen. 45 3 3 9, S. 5. 46 3 39, S. 5. ... melius esse pauca quaedam ordinate et lucide proponere, quam multa sine ordine convoluta obscura profundere. 47 3 3 9, S. 4 - 5 . Proinde, ut ... promovendis liberalibus studiis, hoc sane tempore quo omnia ab haereticis contaminantur et commiscentur, ad Ecclesiae et veritatis catholicae defensione permaxime necessariis, pro mea virili nonihil conferrem ...
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Vorlesungen das auszuwählen, was euren Studien ein wenig helfen kann."48 Alles ließe sich untergliedern, fahrt er fort, die Mathematik, die Physik, selbst die Rede. Daher habe er auch die Philosophie in einzelne Kapitel aufgeteilt.49 So lautete die Überschrift des ersten Kapitels: „Man sagt, die Philosophie sei das Studium der Weisheit". In Gorres Zusammenfassung wechselten sich wörtliche Zitate mit paraphrasierenden Teilen ab. Wie Titelmans hatte auch Gorre einzelne Teile aus einem größeren Zusammenhang herausgelöst, neu geordnet und erläutert. Er sah es als seine Aufgabe an, die Kategorien und Überschriften auszuwählen, unter denen die Teile zu einem neuen Text zusammengefaßt wurden. Sowohl Titelmans als auch Gorre übernahmen einen Teil der Gedankenarbeit, die der gelehrte Leser selbst erledigen könnte. Damit erleichterten sie, die als Lehrer für ihre Schüler schrieben, den Zugang zu komplexen Zusammenhängen. Gleichzeitig schränkten sie durch ihre Reduktion die Interpretationsmöglichkeiten ein. Indem sie bestimmten, was in dem jeweiligen Zusammenhang wichtig war, schlössen sie andere Gewichtungen weitgehend aus. Es lag so in ihrer Macht, die Wissenschaft zu definieren. In ihren Büchern, die sie als stellvertretende Leser kompiliert hatten, war Philosophie das, was sie dafür erklärten. Weder Titelmans noch Gorre äußerten sich in ihren Vorreden zu der Frage, ob ihre anvisierten Leser zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem sie das Einfuhrungsstadium überwunden hatten, zur eigenen Lektüre der Originalwerke voranschreiten sollten, oder ob sie sich auf die Auswahl der Herausgeber beschränken sollten. Ob die Kompilationen den Studenten eine zensierte Kurzfassung der Philosophie oder eine Einführung in die studio humanitatis bieten wollten, ist aus den Vorreden nicht zu klären. Die Möglichkeit war jedoch gegeben, daß Studenten mit geringerer Leidenschaft für die „einem Menschen sich ziemenden Studien" sich mit den Kompilationen begnügten und so die gerade zu neuem Leben erweckte Wissenschaft nur in einer reduzierten Form rezipierten. Die bisher vorgestellten Kompilationen des ersten Typs von Boehm, Titelmans und Gorre umfassen einen inhaltlich geschlossenen Ausschnitt des antiken Textkorpus. Sie enthalten einen Teil der Geschichte oder der Philosophie, der als „Extrakt" auf das Ganze verweist. Das Beste oder das Notwendigste, was ein Leser aus dem jeweiligen Teilbereich wissen sollte, hatten die Kompilatoren pars pro toto versammelt.
48
232, S. 3. Mearum esse partium duxi, ex quotidianis nostris praelectionibus quaedam colligere, quae studia vestra haud mediocriter adiuvare poterunt. 49 232, S. 11.
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Nachschlagewerke in alphabetischer Ordnung Das älteste alphabetisch geordnete Nachschlagewerk der Stichprobe ist das Dictionarium poeticum von Herman Van der Beke50. Es wurde 1498 in Deventer zum ersten Mal aufgelegt. Im folgenden Jahrhundert wurde das Buch häufig nachgedruckt, in der Stichprobe ist es in einer Ausgabe von 1540 mit der Widmung der Originalausgabe enthalten. Der Autor berichtet über seine Motivation, das Nachschlagewerk zu verfassen, daß die neuen Texte und Gedichte, die täglich von den Gelehrten herausgebracht würden, den ungeübten Leser vor einige Schwierigkeiten stellten. Er sei gebeten worden, die Texte für Schüler und Studenten zu kommentieren. Beim Durchblättern der verschiedenen Bücher sei ihm ein besonders erklärungsbedürftiger Bereich aufgefallen: „Mir schien es der M ü h e wert, in einem Buch die B e g r i f f e zusammenzufassen, die v o n den Poeten am häufigsten benutzt werden, das heißt, die N a m e n der Sagengötter, der berühmten Männer, der Provinzen, Inseln, Städte, Flüsse, Q u e l l e n und Berge. D a s sind die Begriffe, die den Leser oft in den dichtesten N e b e l versetzen." 5 1
Diese habe er aus vielen Mythen und altehrwürdigen Geschichten zusammengetragen und kurzgefaßt in alphabetischer Reihenfolge geordnet.52 Außerdem habe er sein Verzeichnis um Orte und Namen aus der Bibel ergänzt. Van der Beke löste für sein Kompendium Textstellen aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang. Sie waren dadurch nicht länger Teil eines Verses oder Prosatextes, sondern Informationen. Der Kompilator hatte das antike Textkorpus in kleine Einheiten zerlegt und in eine neue Ordnung gebracht. Die Summae von Charles Estienne enthielten ebenfalls Erläuterungen zu lateinischen termini technici, die von verschiedenen Stellen des antiken Textkorpus zusammengetragen waren. Sie beruhen auf Kompendien von Lazare de Bai'f über die römische Kleidung, römische Schiffe und Gefäße, die um das Jahr 1530 erschienen.53 Aus den sehr umfangreichen Foliobänden für „Gelehrte und Gebildete" stellte Charles Estienne Summae im Oktavformat für Schüler zusammen. Diese Auszüge, die man als Kompilation zweiten Grades bezeichnen könnte, verbreiteten sich sehr viel weiter als die Original
50
Vgl. Contemporaries, Bd. 3, S. 331 f. 101, fol. 2re. Operae pretium duxi fore si in unum libellum redigerentur ea vocabula, quibus poetae frequentius utuntur, hoc est, fabulorum Deorum, illustrium hominum, provinciarum, insularum, urbium, fluviorum, fontium, et montium nomina: item patronymica quae magnam saepe nubem legentibus obiiciunt. 52 Die Erläuterung zu Lyon lautet: Lugdunum urbs gallie: a Planto rhodano per consule condita in colle ubi arar rhodano miscetur: gallice dicitur leuns. 53 Im Katalog der BN sind als Erscheinungsjahre der Bände von Lazare de Baïf 1526 und 1532 angegeben. Nur ein Nachdruck aus den 40er Jahren ist verzeichnet; vgl. Garanderie, S. 71-76. Zur Biographie vgl. Lazare de Baïf (um 1500-1547): Grente, S. 79. 51
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ausgaben.54 Wie im Dictionarium wurden in den Nachschlagewerken von Baïf und Estienne lateinische Begriffe zu bestimmten Themen mit Textstellen oder Zitaten erklärt, deren ursprünglicher Zusammenhang nicht mehr erkennbar ist.55 Wie die Herausgeber in den Vorworten erläuterten, wurden Kompilationen dieser Art für Schüler und Studenten verfaßt, um ihnen Begriffe der römischen Kultur, für die es in ihrer eigenen Erfahrung keine äquivalenten Gegenstände gab, zu erklären. Die Kleidung der Römer, ihre Gefäße und Schiffstypen sollte der Schüler kennen, um sich ein Bild davon machen zu können, was im alten Rom passiert war. Doch neben der Funktion als Nachschlagewerk dienten die Bücher von Charles Estienne einem weiteren Zweck: Schüler der höheren Klassen an den städtischen collèges waren angehalten, auch ihre Privatgespräche in lateinischer Sprache zu führen.56 Die Themen, über die sich die Schüler austauschten, werden dabei von ihrem aktiven Wortschatz bestimmt gewesen sein. Diesen konnten die Bücher Estiennes erweitern. „Ihr werdet alle Schiffe auf unseren Flüssen leicht benennen können und verstehen, welche bei Vergil, Cicero, Livius und anderen bewährten Autoren beschrieben sind",
erläuterte Estienne die Vorzüge des De re navali liber. Schiffe jedoch scheinen nach Ansicht des Herausgebers kein besonders ergiebiges Gesprächsthema gewesen zu sein, denn er fügt an: „Die Sache ist es wert, daß ihr euch damit eingehend beschäftigt und daß ihr wißt, was sie damals bedeutete, denn auch wenn man sie selten braucht, ist sie nützlich und wichtig."57 Pflanzen54 Sie sind in der Stichprobe als Nachdrucke aus den Jahren 1539 und 1540 enthalten. Charles Estienne, Sohn des berühmten Pariser Druckers und Verlegers Henri Estienne, verfaßte zahlreiche Kompendien. Die Summen aus De vestiaria und De vasculis, die 1535 im Verlag seines Bruders Robert Estienne erschienen, sind seine ersten Bücher überhaupt; vgl. Garanderie, S. 77-79. Zur Biographie vgl. Antoine Auguste Renouard, Annales de l'imprimerie des Estienne, Paris 1843 (ND New York o.J.), Bd. 2, S. 356. 55 Hinzu kommt in den Werken von Estienne, die für französische Schüler verfaßt wurden, eine französische Übersetzung der Stichworte. Zur Illustration ein Beispiel aus Summa rei vasculariae (51, S. 5): Vas, ung vaisseau, quod antiqui vasum dixere (quo etiam nomine Cato et Plautus utuntur) id significat quod vel liquorem, vel quidpiam aliud continent in usum nostrum, vel etiam quo liquorem aliquem haurimus, sive haurire signiflcet, puyser. ut, Haurire aquam ex puteo: sive quod vulgo dicitur, humer, ou avaller. 56 Vgl. Biot, S. 450. 57 98, S. 4. Fiet inde, iuvenculi, ut posthac quae super ipsis fluminibus sunt varia navigia, facile suis nominibus exprimatis, atque adea ea quae cum a Vergilio, Cicerone, Livio, tum etiam aliis probatis auctoribus de marinis navigiis scripta sunt, facilime intelligatis. Res est certe digna quae a vobis honorifice tractetur, et eo in honore habeatur quo res hae haberi solent, quae rarae cum sint, utilissimae sunt tarnen, et apprime necessariae.
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namen scheinen häufiger benötigt worden zu sein, denn Estienne berichtet, die Schüler hätten ihn nachdrücklich gedrängt, die Namen der wichtigsten Kräuter und Blumen, die von den lateinischen und griechischen Autoren verwendet werden, in einem eigenen Buch nach dem Vorbild der Bai'f-Summen zusammenzufassen. Ihre Begründung ist überzeugend: „Wenn wir einen Garten betreten, von dem jeder zuweilen erfreut ist, möchten wir nicht stumm scheinen." 58 Doch Estienne hatte Vorbehalte, ob den Schülern mit einer Beschreibung der antiken Pflanzen gedient sei, denn „unsere Gärten sind ganz anders als die der Alten und wir kennen nicht alles, was sie offenkundig hatten. Hingegen ist bei uns einiges gebräuchlich, was die Gärtner der Antike offenbar nicht kannten."59 Aus Estiennes Aussagen wird deutlich, daß er die Antike als eine von der Gegenwart verschiedene Zeit ansah. Wenn man versuchte, mit der alten Sprache die neue Zeit zu beschreiben, gab es Gegenstände, die nicht benannt werden konnten. Paradox mutet an, daß in den Schulen dennoch das Unmögliche gelehrt wurde: Die Schüler sollten Latein sprechen. Ob sie es tatsächlich taten, auch wenn kein Lehrer in der Nähe war, sei dahingestellt, aber die von Estienne berichteten Situationen der lateinisch sprechenden Schüler im Garten oder am Flußufer scheinen nicht völlig ungewöhnlich gewesen zu sein. Die Kompendien dienten so nicht nur als Nachschlagewerke für die Klassikerlektüre, sondern auch zur Vergrößerung des aktiven Wortschatzes. Es waren nicht nur „Bücher zum Wissen", sondern - wie die Sentenzensammlungen auch „Bücher zum Reden". Die Kompilationen von Estienne und Van der Beke faßten kurze Erklärungen zu einzelnen Begriffen in alphabetischer Ordnung zusammen. Daneben entstanden Werke, die Erläuterungen in derselben Art enthielten, sich jedoch nicht auf Begriffe, sondern auf Sachverhalte bezogen. Die Offlcina, der einzeln daraus veröffentlichte Teil Cornucopia von Jean Tixier und das De re cibaria liber (Buch über die Nahrungsmittel) von Jean-Baptiste Bruyerin belegen dies. Die Cornucopia führte auf, was an welchen Orten im Überfluß vorhanden ist. Das erste Kapitel begann mit dem Buchstaben A. Aurum, Gold, wurde als erstes behandelt. Tixier berichtete: „Dalmatien ist eine Region in Illyrien, in der während der Herrschaft Neros so viel Gold gefunden wurde, daß täglich 50 Pfund gefördert wer-
58 49, S. 4. ... ut saltern siquando nobis contingat, hortulos invisere, quibus nemo est qui non animi causa plurimum interdum oblectetur, muti non videamur. 59 49, S. 3. ... cum et omnino diversus sit hortorum nostrorum ab antiquis cultus, et non omnia habeamus quae illis erant in promptu: nobis quoque in usum veniant, quibus plane antiqui hortorum cultores caruisse videantur. Estiennes Gartenbuch wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Im Katalog der Bibiliothèque Nationale sind eine italienische, eine holländische und eine deutsche Ausgabe verzeichnet.
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den konnten. Statius läßt in seinem ersten Buch seiner Sylvae die Stärke und den Reichtum des dalmatinischen Metalls leuchten." 6 0
In dieser Art wurden die Goldvorkommen in Spanien, Indien, Italien, Griechenland und anderen Orten beschrieben. Weiter ging es dann über argentum, Silber, und apis, Bienen, zu Seen, Holz und Wein. Die Officina begann mit einem Blutbad: Selbstmorde und sonstige Todesfälle der Antike wurden aufgeführt. Das Ordnungskriterium war dabei die alphabetische Ordnung der Namen der gestorbenen Persönlichkeiten. Eine andere Rubrik widmete sich unter der Überschrift „libidinosi et lascivi" den Lastern der antiken Größen. Daneben enthielt das Werk eine Zusammenstellung aller bekannten Krankheiten mit ihren Symptomen und Beschreibungen von Tieren und Fabelwesen, jeweils in alphabetischer Ordnung. Tixiers Kompendien erschienen 1520 in Paris zum ersten Mal. In der Stichprobe sind sie in einem Nachdruck von 1560 enthalten. In der Sekundärliteratur werden die Kompendien Tixiers als eine Art Metaphernkatalog für neulateinische Autoren betrachtet. Die antiken Bilder des Überflusses aus der Cornucopia seien häufig für Texte gebraucht worden, ebenso die Anspielungen auf den Lebenswandel historischer Persönlichkeiten.61 Allerdings eigneten sich die ersten Auflagen der Officina kaum für eine zielgerichtete Nutzung als Nachschlagewerk. Die einzelnen Rubriken sind ohne erkennbare Ordnung durcheinandergewürfelt, auch der Index enthält nur eine Auflistung aller behandelten Personen und Begebenheiten in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Andererseits könnte diese Unordnung zum Blättern und Schmökern anregen.62 Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Autor diesen Effekt beabsichtigte. Daß die Werke Tixiers in weit größerer Zahl erschienen, als es neulateinische Autoren gab, legt es nahe, daß das Buch auch Leser ohne poetische Absichten fand. Tatsächlich findet sich die Officina auch in den Bibliotheken von Juristen, die sich nicht in lateinischer, sondern in französischer Sprache äußerten.63 Ein weiteres Indiz für das Interesse des Publikums an Sammelbänden, die Details aus der antiken Überlieferung unter wenig bildungsbeflissenen Fragestellungen zusammenfaßten und sich so vergnüglich lesen ließen, läßt sich aus einem 1560 neu erschienen Kompendium gewinnen, das in der Stichprobe ne-
60 246, S. 7. Dalmatia regio est Illyrica, in qua aurum inventum est principato Neronis, tanta quidem copia, ut quinquagintas quotidie libras effunderet. Statius libro I. Syll. Robora Dalmatico lucent satiata metallo. Zur Biographie vgl. Jean Tixier, auch: Johannes Ravisius Textor (um 1480-1524), Grente, S. 662; NBG 41, 728. 61 Vgl. Cave, Copia, S. 58: Ong, Commonplace, S. 104-108; Grafìton, Festina lente, S. 12. 62 Vgl. Kenny, S. 247. 63 Vgl. Aquilon, avocats und Megret/Connat.
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ben den Nachdrucken von Tixier enthalten ist. Jean-Baptiste Bruyerin64 behandelte in seinem De re cibaria liber im Gegensatz zu Tixier weder Gold und Reichtum, noch „Sex and Crime", sondern ein weiteres Thema, das bis heute in Unterhaltungsblättern nicht fehlt: Diätvorschläge. Zur Entstehung seines bereits in den 1520er Jahren begonnenen Buches berichtet Bruyerin, er habe seinen Mäzen Michel de l'Hôpital, dem er das Werk anläßlich seiner Amtseinführung als Kanzler widmete, oft beim gemeinsamen Mittag- oder Abendessen mit François I. gesehen. Viele Themen seien bei Tisch beredet worden, die Wissenschaften (literis et disciplinis) ebenso wie die Wirkung und Natur der Speisen. Das habe ihn bewogen, zu diesem Thema Textstellen zusammenzutragen. Allerdings schreibe er nicht nur als Arzt. Sein Werk diene zwar dem Wohle des Körpers, aber auch dem des Geistes. Er habe griechische und lateinische Dichter zu Rate gezogen, Historiker und Redner, außerdem Philosophen und Mediziner.65 Wie ernst Bruyerin sein Vorhaben, aus literarischen Texten Aussagen über die Wirkung von Speisen zusammenzustellen, tatsächlich meinte, ist schwer zu beurteilen. Für heutige Leser wirkt es fast wie eine Parodie auf den gelehrten humanistischen Habitus, wenn er schreibt: „Über den Essig. ... Daß die Kräfte des Essigs sehr stark und ungestüm sind, weiß jeder, der auch nur etwas gebildet ist. Daher wird sein mäßiger Gebrauch von den Gelehrten nicht abgelehnt, sei es als Gewürz oder zum Eintauchen. Der unmäßige Gebrauch oder das häufige Trinken jedoch wird ganz und gar abgelehnt." 6 6
Der Gelehrte wurde von Bruyerin als ein durch und durch gemäßigter Mensch dargestellt. Seine Tugend zeigte sich nicht nur im heiteren und freundlichen Umgang mit seinen Mitmenschen. Seine Texte schrieb er in angemessener Form, und auch bei seiner Ernährung trachtete er danach, sich von wilden und ungestümen Wirkungen fernzuhalten. Unmäßigkeit jeder Art disqualifizierte den Gelehrten. Die von Bruyerin beschriebene Situation der Tischkonversation läßt allerdings darauf schließen, daß er sein Buch als rhetorischen Ratgeber verstand. Ihm lag daran, seinem Mäzen dazu zu verhelfen, die Tischgespräche über das Essen um einige antike Bezüge zu bereichern. Diese Aussage wirft ein interessantes Licht auf den Umgang mit dem antiken Erbe. Im Rahmen einer 64 Auch: Jean-Bruyren Champier (um 1530-1560): Zur Biographie vgl. NBG 7, 666; ABF 202, 189-190. 65 220, fol. a4re. 66 2 20, Liber III, caput 3. De Aceto. ... Vires aceti acerimas et vehementissimas, nemo vel paulo humanior ignorât. Quare modicum eius usum docti non improbant, ad condimenta, et intinctus: immodicum vero et frequentiorem haustum penitus damnant. In der Tat war die Wirkung des Essigs ein von sogar Medizinern kontrovers diskutiertes Thema; vgl. Mayer, C.A., Pierre Tolet and the Paradoxe de la Faculté du Vinaigre, in: Mayer, C.A., Clément Marot et autres études sur la littérature française de la Renaissance, Paris 1993, S. 299-308.
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gleichermaßen gelehrten wie eloquenten Tischkonversation war es offenbar geboten, passende Details aus der Antike einzuwerfen. Bruyerins Buch war so ein Rednerhandbuch, während der Informationsgehalt über die Geisteswelt der Antike in den zusammengestellten Textauszügen denkbar gering war. Als Schlüssel zu den Originaltexten taugten sie kaum. Den Kompilationen des zweiten Typs vergleichbar sind Texte zu antiken Hilfswissenschaften. Auch sie enthalten Erklärungen zu einzelnen Begriffen. In der Stichprobe ist eine Abhandlung von Constanzo Landi67 über römische Numismatik enthalten. Der Autor widmete sie 1559 seinem Mäzen, dem Präfekten von Piacenza, den er als „sehr gelehrt in römischen Altertümern" bezeichnete. 68 Die Qualitäten des Präfekten lagen demnach in besonderem Maße in der Kenntnis antiker Sachquellen, weniger in der Kenntnis der römischen und griechischen Geisteswelt insgesamt. Auch die lateinischen rhetorischen Fähigkeiten des Mäzens scheinen nicht überragend gewesen zu sein. In der Widmung wurde erwähnt, daß er sich in sein Musaeum zurückzog, um in seinen Büchern zu blättern, die er gekauft hatte, weil sie „die Kenntnis des Lateinischen und Griechischen vermitteln". Auch verfaßte er lateinische Texte, doch das Resultat seien nur „gelehrte Verschen und elegante kleine Reden" gewesen.69 Eine leichte Herablassung scheint aus den Worten des Autors zu sprechen. Das antike Münzwesen hingegen war ein gemeinsames Interessengebiet von Autor und Mäzen. Bedauernd stellte Landi fest, daß er leider nur eine Ausgabe ohne Abbildungen herausbringen könne, da zum einen zur Zeit keine fähigen Holzschneider zur Verfügung ständen und zum anderen die Verleger zu geizig wären. Sie von der Bedeutung der römischen Münzen zu überzeugen und zur Publikation entsprechender Bücher zu bewegen, war nicht leicht, wie Landis Klage vermuten läßt: „Einige sind so borniert, daß sie, wenn sie selbst nichts über die Antike wissen, anderen nicht zugestehen wollen, es zu erklären."70 Nur wenige Freunde gäbe es, die sich darum verdient machten, daß die Münzen mit ihren berühmten Bildern der Alten und der Erinnerung an deren edle Taten endlich veröffentlicht würden. Die Kenntnisse über die antike Numismatik zu verschweigen, würde bedeuten, die interessierten Leser um einen Schatz zu bringen, sie an den Ufern eines Flusses verdursten zu lassen.
67
Constanzo Landi (1521-1564): Zur Biographie vgl. NBG 29, 343. "Romanarum antiquitatum studiosissimum". 69 2 3 8, fol. A3re. Nam quos tu libros, ... qui ad Graecam, Latinamque cognitionem faciant, non conquisisti? ... libri ... te ad eruditos versiculos, ac elegantes oratiunculas perscribendas excitent. 70 2 3 8, fol. A4re. Sunt alii in hoc animo abdurati, qui etiam si ipsi antiquitatem ignorent, aliis quod explicent, nolint concedere. 68
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Die Numismatik war als Wissenschaft offenbar noch so neu, daß die Verleger bezweifelten, genügend Kunden für entsprechende Publikationen zu finden. Von aufwendigen illustrierten Ausgaben waren sie zunächst gar nicht zu überzeugen. Hingegen war die Altertumswissenschaft schon so weit etabliert, daß es eine eigene Bezeichung für diejenigen gab, die sich dem Studium der römischen Altertümer widmeten: „Romanarum antiquitatum studiosissimos homines". Landi und sein Mäzen waren - zusammen mit ihren ebenfalls münzsammelnden Freunden - der Ansicht, daß dieser Zweig der Überlieferung, der sich nicht mit Texten, sondern mit Realien befaßte, einen wichtigen Teilbereich erhellte. Ohne den Blick auf die Teile, hier Münzen, der antiken Überlieferung, so ihre Überzeugung, bliebe die Kenntnis des Ganzen eine Illusion. In der zweiten Gruppe der vorgestellten Sammelbände trugen die Kompilatoren stellvertretend für die Leser zu einzelnen Stichworten aus der gesamten antiken Überlieferung Stellen zusammen, ohne sie in eine systematische Ordnung zu bringen. Indem die Kompilatoren die Stichworte alphabetisch ordneten, lösten sie vielmehr jeden inhaltlichen oder systematischen Zusammenhang auf. Hinsichtlich der Rezeption der Antike sind diese Kompilationen sehr aufschlußreich. Sie zeugen von einem Umgang mit dem antiken Textkorpus, der dem der humanistischen Philologen entgegengesetzt ist. Während diese die größtmögliche Nähe zum Originaltext suchten, bearbeiteten die Kompilatoren die Gesamtheit der Texte nach Kriterien, die sie selbst auswählten. Sie entfernten sich dabei weiter von den Ausgangstexten als die Verfasser historischer und philosophischer Kompendien, die innerhalb des jeweiligen Sachgebietes blieben. Die Kompilatoren setzten kein komplexes Bild der antiken Lebens- und Geisteswelt aus verschiedenen Einzeltexten zusammen, sondern sie zerlegten die Texte in ihre Bestandteile und verwandelten das überlieferte Wissen so in einen Fundus, aus dem Einzelaspekte herausgegriffen werden konnten. Trotz ihres gegensätzlichen Interesses verstanden sich die Kompilatoren als Mitglieder der Gelehrtenrepublik, denn sie hatten genau das getan, was Erasmus von denen verlangte, die zu den Gelehrten gezählt werden wollten. Sie hatten loci, Stichworte, ausgewählt und alle klassischen Autoren im Hinblick darauf durchgearbeitet, was sie zu den jeweiligen Stichworten schrieben. Allerdings war diese Methode ursprünglich für das individuelle Studium vorgesehen, nicht zur Veröffentlichung; nur für den privaten Gebrauch durfte der Gelehrte „die Werke mehrerer Autoren vermischen". Bei gedruckten Ausgaben sahen sich Kompilatoren leicht dem Vorwurf ausgesetzt, sie wollten Jemanden um einen Teil seines Ruhmes betrügen", wie Erasmus formuliert hatte. Schon philologische Bearbeiter von Übersetzungen hatten die Notwendigkeit gesehen, sich gegen den Vorwurf zu wehren, sie wollten sich mit fremden Federn schmücken, wie eine Vorrede von Holtzmann zeigt:
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„Auch wenn ich an vielen Stellen die Übersetzung dieses Epitomes verbessert habe, soll niemand denken, ich habe dies getan, um mich neugierig in die Arbeit eines anderen einzuschleichen, oder um das Lob eines anderen einzuheimsen. Ich bin nämlich nicht jemand, der sich daran erfreut, einem anderen etwas wegzunehmen."71 Da Kompilationen grundsätzlich daraus bestanden, die Gedanken anderer „wegzunehmen", waren die Herausgeber gezwungen, Argumente zu finden, mit denen sie ihre Integrität als Gelehrte belegen konnten. So übernahmen sie die Verantwortung für ihre Texte nicht selbst. Bruyerin verwies auf seine „gebildeten Freunde", deren Drängen, das Buch herauszugeben, er sich nicht habe verschließen können. 72 Estienne und Van der Beke betonten, daß nicht sie auf die Idee gekommen waren, die komplexen Zusammenhänge der Originalwerke in eine reduzierte Form zu bringen. Van der Beke erwähnte, daß Studenten ihn zu diesem Schritt gedrängt hätten und erst nach deren langem Bitten habe er ihre mißliche Lage gesehen.73 Ein weiteres taktisches Argument bestand darin, den möglichen Vorwurf des geistigen Diebstahls selbst aufzugreifen und zu zerstreuen. Charles Estienne ging in jedem seiner Vorworte auf diesen Aspekt ein. So schrieb er: „Man fügt dem Namen eines Gelehrten einen nicht geringen Schaden zu, wenn man seinen Text leichtfertig verändert und ihn dabei eher zerstört, weil man ihn dem Gebrauch der Schülerstudien anpassen will. Ich denke, daß das keinen freut. Meiner Ansicht nach haben sie, die sich an derartigen Diebstählen erfreuen und sich den Namen und die Arbeit eines anderen zuschreiben, eine größere Strafe verdient als die Plagiatoren."74 Für sich selbst wies er leichtfertige Absichten weit zurück und fuhr fort, daß Kompilatoren, die mit dem Einverständnis des Autors, oder zumindest unter Nennung seines Namens, Summen oder Kompendien für Schüler verfaßten, von diesem Vorwurf nicht getroffen wurden. Solange der Text des Autors und die Zusammenfassung als zwei verschiedene Werke erkennbar blieben, war die Tätigkeit des Kompilators zwar nicht besonders reputationsfördernd („Wir wissen, daß man nicht so viel Ruhm erhält, wenn man für Ungebildete und
71 150, S. 417. Quod emendavi multis in locis translationem huius Epitomae, nemo debet existimare, factum a me eo Consilio, quod in aliorum lucubrationes curiosius inquirere, aut alienae laudi detrahere statuerim. non enim is sum, qui repraehendendis aliis me oblectare aut velim, aut debeam. 72 Vgl. 220, fol. a2ve. 73 101, fol. 2re. 74 51, S. 4. ... non modicam iacturam docti alicuius nomen facere, siquando scriptum suum temere a quoquam invertatur, atque immutetur: quinetiam corrumpatur potius, dum ille puerorum studiis bene consultum putat. Hoc certe neminem latere puto: et sunt mea quidem sententia, plus quam plagiatorum poena digni, qui huiuscemodi furtis delectantur, et sibi nomen ac laborem alienum attribuunt. Eine ähnliche Argumentation findet sich in: 339, S. 4; 232, S. 10; 49, S. 3; 51, S. 3; 98, S. 3.
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Anfanger schreibt, wie mit Werken für Gelehrte", räumt Estienne ein), doch nicht verwerflich.75 Offensiver als Estienne hatte Boehm den möglichen Plagiatsvorwurf zurückgewiesen. Auch er hatte mit Kritikern gerechnet, die ihm vorwerfen könnten, uralte Geschichten (rem pervetustissimam) niedergeschrieben zu haben, die schon von vielen Autoren behandelt worden seien, ohne ihnen etwas Neues hinzuzufügen. Er wandte sich an den Leser: „Wenn D u mein Werk sorgfaltig betrachtest, wirst D u erkennen, daß ich Dir, teurer Freund, s o w o h l aus meiner Urteilskraft als aus der meiner Bücher in einem u n g e w ö h n l i c h e n Tresor D i n g e zeige, die nicht nur alt und fremd sind, sondern auch von mir und außerordentlich neu." 7 6
Boehm trat im Gegensatz zu Estienne nicht hinter die Autoren der Originalwerke zurück, sondern er betonte seine eigene schöpferische Leistung. Er sah sich selbst nicht als Kompilator, sondern als Autor, der einen neuen Text hergestellt hatte, indem er aus der Antike schöpfte. Ob dieser Text den antiken Vorbildern qualitativ gleichzusetzen sei, ließ Boehm offen, doch nahm er die Kraft des Geistes und des Urteils (Ingenium) für sich ebenso in Anspruch, wie er sie den antiken Autoren zugestand.77 Nachschlagewerke mit Ordnungssystem Die dritte Gruppe von Kompilationen zeigt eine neue Qualität im Umgang mit der Antike. Die Herausgeber zerlegten die Antike nicht nur in ihre Bestandteile, sondern gaben ihr eine neue Ordnung. Wenn sie sich dabei bemüht hätten, den gesamten Kreis des notwendigen Wissens in seiner eigenen Ordnung niederzuschreiben, könnte man ihre Werke als Enzyklopädien bezeichnen. Die Kompendien der Stichprobe bleiben von diesem Ideal jedoch so weit entfernt, daß sie als Miscellanea gelten müssen.78 An dieser Stelle interessiert jedoch nicht, wie das Wissen neu geordnet wurde, sondern lediglich die Tatsache, daß die Kompilatoren dem antiken Erbe ihre eigene Ordnung aufzwangen. Fünf in der Stichprobe enthaltene Miscellanea verdeutlichen dies. Als erstes Beispiel dienen die Adagia von Erasmus. Der Gelehrte selbst bezeichnete seine kommentierte Sprichwortsammlung als „wohlsortierten La75
51, S. 3. Illud scimus, tantum laudis foenus non parere scriptum aliquod insigne apud rudes et tyrunculos, quantum apud eruditiores et magis literatos adferre soleat. 76 54, S. 14. Verum institutum meum diligentius introspiciens cognoscas, me tam ex ingenii mei, quam librorum meorum thesauro haud vulgari, tibi dilecto hospiti non aliena modo et vetera, sed mea etiam et plurima nova exhibere; vgl. auch Fumo, S. 99f. 77 Ähnlich argumentierte Tixiers, indem er sagte, daß er sich nur für seine Tätigkeit, die Kompilation, loben lassen wollte.Vgl. 247, S. 5. 78 Vgl. Kenny, S. 4 0 - 4 4 ; Simone, Franco, La Notion d'Encyclopédie: Element caractéristique de la Renaissance française, in: French Renaissance Studies. Humanisme and the Encyclopedia (1540-1570), Hg. Peter Sharrat, Edinburgh 1976, S. 234-262, hier S. 236-242. Zu den Adagia vgl. auch Kenny, S. l l l f .
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den". In Wahrheit war sein Laden allerdings außerordentlich unsortiert. Kein Zusammenhang, keine zwingende Reihenfolge der einzelnen Passagen ist erkennbar. Weder richtete er sich nach der Herkunft der verzeichneten Sprichworte, noch nach den darin behandelten Motiven, noch nach dem Alphabet. Seine Ordnung der Antike ist, zumindest in diesem Buch, das Chaos oder, um die Bezeichnung von Neil Kenny zu verwenden, anti-enzyklopädisch.79 Eine Notwendigkeit, sich auf antike Vorbilder wie etwa Aulus Gellius zu beziehen, der seine Attischen Nächte ebenfalls als ungeordneten Wissensvorrat bezeichnet hatte, sah Erasmus nicht.80 Als Kenner des gesamten antiken Textkorpus und berühmter Gelehrter konnte er es sich erlauben, das zu notieren und zu publizieren, was ihm in den Sinn kam. Kein späterer Bearbeiter der Adagia hat es jemals gewagt, Erasmus' Unordnung zu beseitigen. Anders erging es Jean Tixier. Die Originalausgabe seiner Officina aus dem Jahr 1520 läßt ebenfalls jedes Ordnungssystem vermissen. Mehrfach wurde sein Werk unverändert nachgedruckt, bis es 1552 dem Basler Gelehrten und Herausgeber Konrad Wolffhardt81 in die Hände fiel. Wolffhardt könnte man als den Basler Spezialisten für Miscellanea bezeichnen, der im Auftrag des Verlegers Froben die Kompilationen von Erasmus nach dem Tod des Gelehrten betreute. Außerdem bearbeitete er mehrere Sammelbände und Kompendien. Er trug dazu bei, daß Basel um 1550 zum wichtigsten Druckort für Kompilationsliteratur wurde.82 In der Vorrede seiner bearbeiteten Ausgabe von Tixiers Buch verlieh er seinem Unverständnis darüber Ausdruck, daß der sonst als ordentlich bekannte Lehrer sein überaus nützliches Werk in einem derartigen Zustand veröffentlichen konnte. Wolffhardt vermutete, daß der Verleger, von der Hoffnung auf Gewinn getrieben, Tixier keine Zeit gelassen 79
Vgl. Kenny, S. 42 und 243f. Der lateinische Kompilator hatte in der Vorrede seiner attischen Nächte seine Vorgehensweise erläutert: "Wie ich nun diese Gegenstände beim Exzerpieren mir angemerkt, in derselben zufalligen Reihenfolge habe ich sie auch gleich stehen lassen. Wenn ich nun gerade einen griechischen oder lateinischen Schriftsteller las oder irgend etwas Wissenswertes hörte, so zeichnete ich mir nach Gutdünken alles nur Mögliche ... auf und speicherte mir zur Unterstützung des Gedächtnisses eine Art Wissens Vorrat ... auf." Zitiert nach der Übersetzung von Fritz Weiss, Die attischen Nächte, Leipzig 1875 (ND Darmstadt 1965), Bd. 1. In der Stichprobe Nr. 75, 76, 167, 231. 81 Konrad Wolffhardt (1518-1561) stammte aus dem Elsaß. 1535 begann er sein Studium der Theologie, Geschichte und Philosophie in Heidelberg. Seit 1542 lebte er in Basel. Sein latinisierter Gelehrtenname lautete Lycosthenes; vgl. ADB 19, S. 727f; DBA 792, 108-111. 82 Er bearbeitete auch die Exemplasammlung von Brusoni in der Stichprobe, Nr. 219; vgl. auch Brückner, Wolfgang, Historien und Historie. Erzählliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts als Forschungsaufgabe, in: Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch zur Tradierung und Funktion von Erzählstoffen und Erzählliteratur im Protestantismus, Hg. W. Brückner, Berlin 1974, S. 13-123, hier S. 89; Ong, S. 111-112. 80
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habe, seine Einträge zu ordnen.83 In der Tat hatte Tixier notiert, daß er durch den Unterricht so sehr in Anspruch genommen sei und nun keine Zeit finde, den Satz zu überwachen. Er äußerte sich aber nicht darüber, ob die Unordung der Offleina seinen Vorstellungen widerspräche.84 Wolffhardt jedenfalls zückte die Feder und gab dem Werk von Tixier eine Ordnung, die er offenbar für schicklicher hielt. Sein System begann mit der Grundlage seiner christlichen Weltanschauung: mit einem Kapitel über Die Götter und ihren Kultß5 Das zweite Kapitel enthielt Textstellen über Die Welt, das dritte über Die Zeit. Die Kapitel vier bis sieben handelten vom Menschen, von den Ämtern, von den freien Künsten und von verschiedenen Lastern und Tugenden. Die antiken Mordfälle fanden sich nun versteckt im vierten Kapitel. Tixiers ursprünglich sehr stark biographisch geprägter Zugang zu den Themen, der dem Buch fast den Eindruck eines „Klatsch- und Tratschblattes" gab, wurde von Wolffhardts Ordnung überdeckt. Es wäre denkbar, daß den Erben von Sebastien Gryphe, bei denen Tixiers Buch 1560 in der Originalversion von 1520 erschien, die neue Ordnung weniger gefiel als das alte Chaos. Denn sie haben die alte Fassung gedruckt, obwohl die Wolffhardtsche Bearbeitung bereits seit acht Jahren existierte und enge Beziehungen zwischen den Basler und den Lyoner Druckern bestanden.86 Die drei anderen Beispiele für Miscellanea in der Stichprobe enthalten eine Zusammenstellung von antikem Wissen zu den verschiedensten Fragen in einer systematischen Ordnung, die der Kompilator ihnen selbst gegeben hatte. Es handelt sich um die Lectionum Antiquarum libri XXX von Lodovico Ricchieri in einer Ausgabe aus dem Jahr 1560 und die Bände De subtilitate und De varietate von Girolamo Cardano, die in einem Nachdruck von 1580 in der Stichprobe enthalten sind.87 Der vollständige Titel der von Lodovico Ricchieri 1517 herausgegebenen Lectionum Antiquarum libri XXXerläutert, wovon das Buch handelt:
83
Vgl. die Ausgabe Basel o.J. (SBB: Pz 62), fol. a2re. 247, S. 5. 85 Viele Miscellanea, die systematisch gegliedert waren, behandelten entweder Gott oder den Ursprung der Welt im ersten Kapitel; vgl. Kenny, S. 45. 86 Die ebenfalls von Wolffhardt bearbeitete Version der Exempla von Brusoni erschien in Lyon bereits ein Jahr, nachdem die Originalausgabe in Basel herausgekommen war. Man kann spekulieren, ob die Adagia ebenfalls Wolffhardts Ordnungsdrang zum Opfer gefallen wären, wenn Erasmus zu der Zeit als der Basler Gelehrte verschiedene Kompilationen bearbeitete, noch ebenso unbekannt gewesen wäre, wie er es bei der ersten Veröffentlichung seiner Adagia 1500 war. 84
87 Möglicherweise sind die Ausgaben der Stichprobe Raubdrucke; vgl. Maclean, Ian, Cardano and his publishers 1543-1664, in: Girolamo Cardano. Philosoph, Naturwissenschaftler, Arzt, Wiesbaden 1994, S. 3 0 9 - 3 3 6 , hier S. 327. Zur Biographie vgl. Lodovico Ricchieri (um 1450-1525): NBG 42, 134. Girolamo Cardano ( 1 5 0 1 - 1 5 7 4 ) : NBG 8, 686-696.
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„ S o v i e l e und unerschöpfliche Erklärungen der verstecktesten und entferntesten D i n g e und Aussprüche werden zusammengetragen, die den Gelehrten der griechischen und lateinischen Rede nützlich sind, daß man es zu Recht e i n e n ö f f e n t l i c h e n Speicher beider Sprachen nennen kann. Zur größten ö f f e n t l i c h e n Zufriedenheit ist es in drei Bände unterteilt." 8 8
Ricchieri hatte in seiner Kompilation Textpassagen antiker Autoren zu verschiedenen Sach- und Moralfragen zusammengestellt, die er meist nach philologischen Gesichtspunkten kommentierte. Thematisch behandelt sein Werk ein so weites Spektrum, daß man es als Kompendium antiker Welterklärung bezeichnen könnte. Er verfaßte für sein Werk zwei Vorworte: eine Widmung an den Secrétaire du Roi Jean Grolier und ein Vorwort an die „Studenten der guten Literatur". Die Widmung Ricchieris von 1516 an seinen Mäzen Jean Grolier89 gleicht denen, die Aldo Manuzio in dieser Zeit verfaßte. Ricchieri lobte die Verdienste des Mäzens um die studia humanitatis und bekräftigte dessen Ehrenmitgliedschaft in der Gelehrtenrepublik, indem er seine Tugend und Bildung als beispielhaft darstellte.90 Mit der Widmung an Grolier hoffte Ricchieri das Ansehen seines Buches zu steigern, wie er freimütig bekannte. Er habe ihn als Mäzen gewählt, „damit aus der Erhabenheit deines Amtes etwas von der Autorität und Gnade auf unsere Bücher abfällt."91 Die Frage, ob oder warum Grolier das Buch, das mit seinen kurzen Erläuterungen die verschiedensten Bereiche der Antike in leichtverständlichem Latein erschloß, eventuell selbst lesen könnte, fand keinen Platz in der Widmungsvorrede. Hier beschränkte sich Ricchieri darauf, seinen Mäzen zu loben. In der zweiten Vorrede an die „Gelehrten der bonae literae" ging der Autor auf das Anliegen seines Buches ein. Dem Sprachniveau des einleitenden Textes nach zu urteilen, erwartete Ricchieri Leser mit außerordentlich guten Lateinkenntnissen. Sein Text war voll von umständlichen Partizipialkonstruktionen, ungebräuchlichen Vokabeln und selten verwendeten Komposita. Zudem bediente er sich 88 248, Titel. Tarn varia inexhaustaque abstrusarum ac reconditiorum rerum et vocum explicatione referti, tantoque usui Graeci Latinique sermonis studiosis futuri, ut Thesaurus utriusque linguae publicus iure dici possit. Qui magno omnium commodo in très Tomos sunt disperiti. 89 Groliers Bibliothek war mit ihren über 3.000 Titeln eine der größten französischen Privatbibliotheken. Deren Zusammensetzung weist ihn als Leser mit Interesse für die studia humanitatis aus: 86% aller Titel waren in lateinischer Sprache. Daneben interessierte er sich für Texte in italienischer Sprache, sie machen 11% seiner Bibliothek aus. Die restlichen 3% verteilen sich auf französische und spanische Bücher sowie Handschriften; vgl. Charon-Parent, Annie, Les grandes collections du XVIe siècle, in: Histoire des bibliothèques françaises, S. 85-100, hier S. 88-89. 90 248.1, fol. a4ve. Sensit hanc animi tui capacissimam fertilitatem longe clarissimus Gallorum rex Franciscus. 91 248.1, fol. a3re. ... tum ut amplitudinis tuae quadam maiestate nostris libellis quippiam accederet authoritatis et gratiae.
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reichlich aus Erasmus' „wohlsortiertem Laden" von Sprichworten. Ihm selbst muß bewußt gewesen sein, was er von seinen Lesern verlangte, denn etwa auf der Hälfte des Vorwortes fügte er ein: „Diesbezüglich möchte ich freilich nicht, daß alle angesprochenen Leser dieser Lektionen, die wir zum Nutzen der guten Jünglinge bei Nacht erarbeitet haben, in den Mauerangern der Grammatik festgehalten werden."92 Diese Passage diente als Übergang vom ersten Teil seiner Vorrede, in dem er sich über seine Arbeit und mögliche Einwände der Kritiker äußerte, zum zweiten Teil, der eine philosophische Begründung seines Vorhabens enthielt. Hier verfolgte Ricchieri ein ehrgeiziges Ziel. Er versuchte, die Würde und Erhabenheit der antiken Überlieferung und ihrer Vorstellungen von Wahrheit zu bestätigen und dabei gleichzeitig in diesem System Platz für eine christliche Gottesvorstellung zu lassen. Er betonte, daß der Ursprung aller Dinge in der Natur liege, und wollte offenbar belegen, daß der Mensch zwar nicht aus eigener Kraft den Ursprung der Natur erkennen könne, die christliche Religion für diesen Erkenntnisprozeß aber entbehrlich sei.93 Ricchieris Vorrede zeugte von dem großen Anspruch, den er mit seiner Kompilation erhob. Den Ursprung der Dinge, die Wahrheit, wollte er erkennen. Dabei mußte der Kompilator mit zwei Widrigkeiten kämpfen: mit der Vielgestaltigkeit der Materie einerseits und der katholischen Sicht des Problems andererseits. Zudem provozierte er manchen humanistischen Gelehrten mit seinem Anliegen, die verfügbaren Kenntnisse in einer neuen Ordnung zusammenzutragen. Die Philologen, die durch ihre Editionen das Wissen erweitert hatten, wollten sich offenbar nicht zu Hilfswissenschaftlern degradiert sehen.94 In einem kurzen Schlußteil äußerte er sich zu dem Aspekt, der hier von Interesse ist: die Form, die er seinem Werk gab. „Wir haben nämlich mit unserer Urteilskraft verschiedene wunderbare Tränke zu einem Wohlgeruch gemischt, um es mit einem angemessenen Bild zu beschreiben, so daß aus den unterschiedlichen wohlriechenden Säften schließlich ein Duft entsteht."95 Ricchieri verstand sein Werk als eine neue Einheit, deren Teile zu einem Ganzen verschmolzen. Dabei hielt er sein Buch für ein Werk von höherer Qualität als die einzelnen Aspekte, aus denen es zusammengefügt war. Doch trotz sei92
248.2, fol. a7re. In quo sane commonitos harum Lectionum studiosos velim omnes, non intra grammatices pomoeria contineri, quae honorum iuvenum emolumentis elucubra viraus. 93 248, fol. a7re/ve. 94 248.2, fol. a5ve. Et sciant philologi omnes, mancipio permitiere, ac evictionem praestaturos, si quem litem intendat. 95 248.2, fol. a8re. Siquidem adhibita ingenii nostri aura, quaecunque ea est, in saporem unum, imagine quadam aptum, mire diversa confudimus libamenta, uti ex succis odoraminum variis, reliquum tamen fiat spiramentum unum:
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ner Begeisterung für den „Duft", der aus den verschiedenen Säften entstand, verstand Ricchieri sein Werk nicht als in sich völlig abgeschlossen. Deutlich wird dies, wenn er unmittelbar im Anschluß an die eindrucksvolle Beschreibung seines Gesamtwerkes auf die drei Indices einging, mit deren Hilfe - um im Bild zu bleiben - einzelne Säfte wieder herausgefiltert werden konnten. Der erste Index enthielt die Kapitelübersicht, der zweite einen Nachweis der zitierten Autoren. „Schließlich stellten wir Worte und alles Wissenswerte zusammen, damit nachsichtig und wohlwollend, wie wir es für die Nachkommen getan haben, von jetzt an es alle gründlich lernen können."96 Ricchieri ging davon aus, daß sein Werk, das der Verleger in seiner kurzen Vorrede an den Leser als „großen Steindamm" bezeichnete, von den Lesern wieder in seine Einzelteile zerlegt würde. Er selbst gab den Lesern die Mittel an die Hand, mit denen sie sein Gesamtwerk wieder auflösen konnten. Dabei enthält das Verzeichnis der „Wissenswerten Dinge" etwa 20.000 Stichworte aus so unterschiedlichen Bereichen, daß die Lectiones Antiquarum eher ein Ratgeber für alle Lebenslagen als ein Werk über den Ursprung der Welt zu sein scheinen. Informationen über die Arten und Gründe der Pest gab es ebenso, wie zur Überlegenheit der menschlichen Sprache. Auch Interpretationen einzelner Sentenzen von antiken Autoren wurden angeboten. In der Zeit als Ricchieri seine „30 Bücher alten Wissens" herausgab, war die Idee, nicht nur Sentenzen oder Exempla, sondern das gesamte Wissen geordnet zusammenzufassen, relativ neu. Ricchieri gehörte zu den Ersten, die versuchten, allem Wissen einen Platz in einem System zuzuweisen, das den Ursprung der Dinge erkennen ließ.97 Auf diesen Umstand läßt sich wohl zurückführen, daß der Aufbau seines Buches mit seiner Absicht wenig harmoniert. Zwar gab es eine Unterteilung in 30 Bücher, die jeweils 20 bis 30 Kapitel enthielten, doch tragen die Bücher keine Überschriften, die als Ordnungsbegriffe dienen könnten. Die Begriffe der loci-communes-Bücher, die sich auf antike Tugenden bezogen und die Ricchieri als einem Mann mit humanistischer Bildung sicher geläufig waren, eigneten sich in seinen Augen offenbar nicht, um in einem System verwendet zu werden, das den Ursprung der Natur zum Thema hatte. Für neue Begriffe, die diese Funktion übernehmen konnten, standen ihm keine Vorbilder zur Verfugung. So beschränkte er sich darauf, in den einzelnen Büchern inhaltlich verbundene Kapitel zusammenzufassen. Dies glückte jedoch nur in Ansätzen. Zwar enthielt das erste Buch 22 Kapitel über den Anfang der Welt, deren Form und die Planeten, und 96
248.2, fol. a8re. postremo, vocabula et scitu digna complectimur fere omnia: ut indulgenter, ac benevole cum posteris actum a nobis, iam hinc perdiscant omnes. 97 Die Zusammenstellung von Enzyklopädien und Miscellanea von Neil Kenny enthält neben den Adagia als frühere Werke nur von Pietro Crinito, De honesta disciplina lib. XXV, das 1500 zum ersten Mal gedruckt wurde; vgl. Kenny, S. 272-283.
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das zweite Buch 32 Kapitel über Dämonen und andere übersinnliche Phänomene, aber die inhaltliche Kohärenz der einzelnen Bücher wurde gegen Ende geringer.98 Man könnte Ricchieris Werk als einen ersten Versuch betrachten, sich von den traditionellen loci communes zu lösen und sie durch ein neues System der Wissensorganisation zu ersetzen. Als Girolamo Cardano vierzig Jahre später seine Werke De subtilitate und De rerum varietate veröffentlichte, war es üblich geworden, den einzelnen Kapiteln eines umfassenden Werkes Überschriften oder Ordnungsbegriffe voranzustellen. Doch mußte sich der Herausgeber für sein Anliegen, den Ursprung des Universums zu erklären, nach wie vor gegenüber potentiellen Kritikern rechtfertigen." Allerdings sah er diese nicht mehr unter den Vertretern des katholischen Glaubens. Hier ging er von der Überzeugung aus: „Gott ist der Weise am liebsten, dieser muß sehr glücklich sein."100 Cardano versuchte stattdessen eine Fraktion von humanistischen Gelehrten zu überzeugen. Da es seine Absicht war, Aristoteles' Naturgeschichte durch ein neues System zu ersetzen, mit dem sich die Natur in 22 inhaltlich geschlossenen Büchern beschreiben ließ, mußte er sich mit Humanisten auseinandersetzen, die nach seiner Ansicht „starrköpfig sind, und nur das glauben, was von Aristoteles überliefert wird".101 Derart vorgefaßte Meinungen hielt Cardano für einen Widerspruch zur Entwicklung des Wissens. Schon seit der Antike hätten Wissenschaftler versucht, die Kenntnisse der Menschheit zu erweitern und dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Dioskorides habe sein Leben lang nach Pflanzen gesucht, Plinius sei auf den Vesuv gestiegen, um einen Ausbruch zu beobachten, und auch unter den Zeitgenossen wagten manche gefährliche Experimente, indem sie beispielsweise Leichen exhumierten, um sie zu sezieren.
98 Doch nicht allen Lesern wird dieses Manko aufgefallen sein. Das Exemplar der Lectionum Antiquarum libri X X X von Joachim von Alvensleben, das heute in der Herzog-August-Bibliothek aufbewahrt wird, zeigt nur auf den ersten fünfzig Seiten des ersten Bandes, der die Bücher 1 bis 10 enthält, Benutzungsspuren in Form von Annotationen. Der zweite Band ist makellos und im dritten Band sind sogar einige Seiten noch nicht aufgeschnitten. Seit das Buch 1567 gebunden wurde, hat weder der Besitzer noch ein anderer Leser die Bücher 21 bis 30 von Ricchieris Werk vollständig gelesen. HAB: Alv. 424^126.
" 3 1 3 , fol. *2re. 100 3 i 3 ; f 0 ] * 3 v e Ergo Deo sapiens charissimus est, idemque beatissimus esse debet. Seine Ausgabe des Buches De rerum varietate widmete er 1556 dem Bischof von Brixen mit dem Hinweis darauf, daß unter dessen Schutz schon verschiedene Pflanzenbücher erschienen seien. 101 313, fol. *5ve. Verum cum multi adeo pervivaces sint, ut non nisi ab Aristotele tradita recipiant. Vgl. Jensen, Kristian, Cardanus and his readers in the sixteenth Century, in: Girolamo Cardano. Philosoph, Naturwissenschaftler, Arzt, S. 2 6 5 - 3 0 8 , hier S. 267f.
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„So groß ist die Süße der Wissenschaft, daß wer einmal von ihr gekostet hat, wie von einem Zaubertrank der Circe berauscht sein Leben lang nicht von ihr lassen kann",102 war Cardanos feste Überzeugung. Als Wissenschaftler könne man auf den vorhandenen Kenntnissen aufbauen, sie zusammentragen, von Irrtümern befreien und, was zuvor ungenau beschrieben war, mit wenigen Worten erläutern.103 Diese Beschreibung seiner Tätigkeit ähnelt der eines Philologen, doch Cardano als Naturwissenschaftler konnte zu neuen Methoden greifen. Besonders nützlich sei es nämlich, betonte er, sich nicht auf die Logik allein zu verlassen, sondern in Zweifelsfällen empirische Versuche zu machen. Seine Achtung vor rein gedanklichen Problemlösungen scheint nicht besonders hoch gewesen zu sein, denn er bezeichnete sie als „Tändeleien und Fabeln, die man ins Unendliche fortspinnen kann". Ihnen gegenüber stellt er „kluge Experimente", die die Wissenschaft entscheidend voranbrächten. 104 Für diejenigen, die keinen Widerspruch zu den Texten von Aristoteles duldeten, hatte er kein Verständnis und verließ auch damit eine von den Humanisten geteilte Überzeugung. 105 „Es scheinen mir diejenigen, die sich gegen Experimente und die Wahrheit stemmen, denen zu gleichen, die Mauern auf dem Boden verteilen und nicht einen Stein auf den anderen setzen, um etwas zu bauen.106 Etwas Neues bauen, die alten Kenntnisse überprüfen, sie neu kombinieren und erweitern - Cardano fand eindrucksvolle Worte, seine Vorstellung vom Umgang mit dem überlieferten Wissen zu beschreiben. Dabei war es für ihn nicht entscheidend, ob das Ziel, den Ursprung des Universums zu erkennen, erreicht wurde.107 Die Leistung bestand darin, alle Quellen des Wissens zu nutzen: das 102 3 1 3, fol. *3re. Ea est enim studiorum sapientiae dulcedo, ea suavitas, ut quum quis eam degustaverit, quasi poculis Circies captus, non possit unquam ab illis in vita discedere. 103 3 1 3, fol. *5ve. Et licet aliqua sint ab aliis tradita, non parum tarnen fuit ilia a tot mendis, a tot erroribus repurgasse: inter tot alia falsa solo iudicio se legisse, rationem causam adidisse, experimentoque comprobasse: et quo diffusius scripta erant, paucis verbis explicasse. 104 3 1 4, fol. a3ve. Alia enim est ratio verorum experimentorum, alia nugarum et fabularum, quae in immensum proferri possunt. Die Auseinandersetzung um die experimentellen Naturwissenschaften, die in den Jahren um 1600 geführt wurde, zeichnete sich hier bereits ab; vgl. Jensen, S. 279. 105 Vgl. Desan, Crisis, S. 12f. 106 314, fol. a3ve. Itaque cum hi, qui adversus demonstrationes, experimenta, veritatemque nituntur, non mihi aliis videantur similes, quam his qui muros solum deiicere didicerunt, lapidem vero ne unum alteri aedificandi causa superponere. 107 Die Zeitgenossen faßten Cardanos Werk als Kuriositätensammlung auf und erkannten es nicht als ein neues Beispiel für eine systematische Ordnung an. Heinrich Panthaleon, der eine deutschsprachige Zusammenfassung von De subtilitate herausgab, berücksichtigte Cardanos Systematik nicht; vgl. Jensen, S. 270 - 273.
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überlieferte Wissen ebenso wie die eigene Urteilskraft. Cardano verstand seine Tätigkeit als Beitrag zu einem Vermittlungsprozeß, nicht als dessen Endpunkt. Er war stolz auf das Erreichte und sich zugleich dessen bewußt, daß sein Werk fortgesetzt werden konnte. Deutlich wird dies, wenn er den Aufbau seiner beiden Bücher De subtilitate und De rerum varietate beschreibt: „Die Grundlagen der natürlichen und künstlichen Dinge haben wir in den 21 Büchern über die Einfachheit behandelt. Was von der eigenen Beschreibung jedes einzelnen übrig war, habe ich in 17 Büchern zusammengefaßt. Dabei war es sehr schwierig, eine so vielfaltige Geschichte angemessen in einem zusammenzufügen. ... Denn wenn auch alles im Universum in einer fortlaufenden und unteilbaren Reihe zusammengehalten wird, mußte ich mir einzelne Teile daraus als zusammengehörig vorstellen und manches, was nicht zusammengehörte, zusammenfassen."108 Nur sehr selten wird in lateinischen Texten ein Personalpronomen verwendet, da die handelnde Person an der Verbform erkennbar ist. An der zitierten Textstelle läßt sich die Gewichtung der verschiedenen möglichen Selbstbezeichnungen zeigen. Wenn ein Herausgeber über seine Tätigkeit berichtet, verwendet er zumeist das weniger direkte „wir", wie Cardano im ersten Satz des Zitats („tractavimus"). Cardano tritt im zweiten Satz, der die Disposition des Buches beschreibt, bereits im Singular auf („subiungerem", „digessi"). Die unteilbaren Zusammenhänge des Universums in ein System zu zwängen, was Thema des letzten Satzes ist, war eine Aufgabe für eine starke Persönlichkeit. „Ego" war derjenige, der die Ordnung herstellte, nach bestem Wissen und unter Ausschöpfen aller verfügbaren Quellen, aber ohne Anspruch auf absolute Gültigkeit. Kompendien wie die zuletzt vorgestellten, die das Wissen als nicht abgeschlossen verstanden, ihm aber dennoch eine Struktur und Ordnung gaben, bilden eine eigene interessante Untergruppe in der von Neil Kenny aufgestellten Unterscheidung zwischen enzyklopädischen und anti-enzyklopädischen Verzeichnungssystemen. Ihr Charakteristikum liegt weniger in der Art der Ordnung, auch wenn sich eine ungeschriebene Musterordnung, die vom Allgemeinen zum Speziellen voranschritt, entwickelt zu haben scheint, sondern in ihrer Vorläufigkeit. Die Vorreden der beiden Kompilationen der Stichprobe können diese Vermutung bestätigen. Beide Herausgeber betonen weniger, wie 108
3 1 3, fol. *5re. Principia autem rerum naturalium ac artificialium, generali historia in XXI libris de subtilitate tractavimus. Reliquum igitur erat, ut propriam uniuscuiusque enarrationem subiungerem, quam in decem et Septem libros digessi. In quibus id praeter reliqua fuit difficillimum, tarn variam historiam apte in unum connectere. ... si quum omnia in universo contineantur, continuata atque indivisibili serie, ego de illius partibus quasi typum quendam ad illius imaginem fingens, tanquam fasciculum ex pluribus quae una non cohaerent, colligerem.
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sie die Fülle des Materials ordneten als vielmehr, daß sie überhaupt eine Ordnimg herstellten. Auch in der Bearbeitung von Tixiers Officina geht Wolffhardt lediglich auf die Tatsache der Ordnung ein, nicht auf ihre Systematik. Hinzu kommt, daß es weder Cardano noch Ricchieri gelang, jedem Aspekt einen Platz innerhalb der Ordnung zuzuweisen. In diesen Kompendien kristallisiert sich die neue Bedeutung, die nichtwissenschaftliche Leser dem antiken Erbe beimaßen. Alle vorgestellten Werke enthalten Texte antiker Autoren, zerlegt in überschaubare, leichtverständliche Einheiten. Sie erlaubten es dem interessierten lateinkundigen Leser, sich das reiche Erbe der Antike in kleinen, teils unterhaltsam aufbereiteten Teilen anzueignen. In ihrer Eigenschaft als Kurzfassungen der Antike sind diese Werke auf zwei verschiedene Arten interpretierbar. Einerseits trugen sie dazu bei, antike Dichtkunst und Lebensweisheit zu verbreiten. Andererseits war diese leicht verständliche Antike nur noch ein Schatten des ursprünglichen Ganzen. Viele der Bedeutungen, die sich nur aus dem Kontext erschlossen, hatte die „Antike in Einzelteilen" eingebüßt. Damit hatten die Teile jedoch auch eine neue Qualität erhalten. Sie konnten in einem neuen Kontext eine neue Bedeutung annehmen, denn sie waren zu Bausteinen geworden, die nun - wie Cardano schrieb - zu etwas Neuem zusammengefügt werden konnten. Dieses Ansinnen zeugt von einem distanzierten und zugleich souveränen Verhältnis zum überlieferten Wissen. Balf und van der Beke hatten die antiken Texte in ihre Einzelteile zerlegt, Cardano und Ricchieri fügten sie zusammen. Doch verstanden sie sich nicht als Protokollanten einer externen Ordnung, sei sie antik oder göttlich, sondern sie setzten das Maß aufgrund ihrer eigenen Überlegungen selbst. Ihren Vorreden nach zu urteilen, war dieses Vorhaben ein Wagnis. Sie sicherten sich nach allen Seiten gegen mögliche Kritiker ab. Dabei lag es ihnen fern, durch ihr System die in den Dingen enthaltene Ordnung außer Kraft setzen zu wollen. Ihr Ziel war lediglich, eine hypothetische Ordnung aufzustellen, um die Position desjenigen zu stärken, der mit dem Wissen umgehen wollte. Als Leser dieser Werke wurde im wesentlichen eine einzige Gruppe angesprochen, wenn auch zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens. Manche Texte richteten sich an Schüler, andere an ehemalige Schüler: Beamte. Unter ihnen wurden die Leser erwartet, die sich nicht für antike Texte an sich interessierten, sondern für humanistische Erkenntnisse mit praktischem Nutzen. Bruchstücke der Originaltexte genügten ihnen, um in eine höhere soziale Position aufzusteigen (Boehm) oder bei einer Tischunterhaltung einen guten Eindruck zu hinterlassen (Bruyerin). Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis dieser Grad an humanistischer Bildung zu dem der Philologen und der humanistischen Juristen stand. Kann man die Bildung der Beamten tatsächlich wie Febvre und Grafton als „science" oder „knowlegde" bezeichnen und
Die Antike als Baukasten, Teil I
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damit diesen Bildungsgrad implizit mit dem der humanistischen Gelehrten gleichsetzen? Wenn die Verzeichnung lateinischer Originaltexte in einem Inventar lediglich belegt, daß der Besitzer Latein gelernt hatte, wenn das Lesen antiker Historiker nur dem sozialen Aufstieg dienen sollte und die Kenntnis von lateinischen Textstellen eine in französischer Sprache gehaltene Konversation schmückte, dann scheinen Zweifel an dieser Gleichsetzung berechtigt. Vielmehr belegen die Vorreden der Kompilationen und deren Texte selbst, daß sich durch die zweckgerichtete Rezeption die Qualität des Humanismus verändert hatte. Neben den Philologen und Juristen, die die gelehrte Tradition des italienischen Quattrocento fortsetzten, hatte sich eine Form des Umgangs mit dem antiken Erbe entwickelt, die die Bezeichnung „Humanismus" eigentlich nicht verdient. Das Charakteristische der Rezeption des Humanismus durch die aufstiegswilligen Beamten lag in ihrer Distanzierung vom Ideal der humanitas. Der selbstverständliche Umgang mit Teilen der antiken Weisheit, um Macht - und nicht etwa Tugend - zu erlangen, untergrub das humanistische Ideal der Einheit von virtus, doctrina und eloquentia so weitgehend, daß auch die in der Forschung verwendeten Bezeichnungen wie „Vulgärhumanismus" und „humanisme français" den Akzent zu sehr auf die vermeintlich gelehrte Tradition legen.
IV. Humanistische Ideale: Virtus - Tugend In den ersten Jahrzehnten des Buchdrucks erschienen fast ausschließlich juristische und religiöse Titel. Noch während des ganzen 16. Jahrhunderts machten sie zusammen über die Hälfte der Gesamtproduktion aus. Auch in der Stichprobe sind sie jeweils mit etwa 39% vertreten. Von der Menge der publizierten Titel her betrachtet waren diese beiden Bucharten weitaus wichtiger als die gesamte Textproduktion der humanistischen Editoren, Kommentatoren und Autoren zusammen. In unserem Gang durch die Bibliothek dürfen sie daher nicht fehlen. Betrachtet werden sollen diese beiden wichtigen Bucharten im Rahmen der Untersuchung dennoch in erster Linie im Hinblick darauf, was in den Vorreden über die angesprochenen Leserkreise zu erfahren ist. Ein weiterer Aspekt sind die humanistischen Präsentationsmuster, die sich auch in religiösen wie juristischen Büchern finden, selbst wenn diese nicht zum wissenschaftlichen Gebrauch verfaßt wurden.1
1. Der rechtgläubige Leser: religiöse Literatur Jede inventarisierte Bibliothek des 16. Jahrhunderts enthielt religiöse Bücher - selbst wenn sie nur aus einem Buch bestand. Ohne Zweifel hatten diese Titel den größten Leserkreis. Doch wurden Erbauungs- und Stundenbücher, die gerade in den kleinen Privatbibliotheken stets vorhanden waren, meistens so intensiv benutzt, daß der größere Teil von ihnen nicht weiter vererbt werden konnte. In den heutigen Bibliotheken sind daher die Bücher mit der größten Verbreitung im 16. Jahrhundert unterrepräsentiert; die Stichprobe ist in diesem Punkt keine Ausnahme. Die 68 enthaltenen Bücher sind zudem zeitlich recht ungleichmäßig verteilt: 1519/20 machen sie 62% der Titel aus, in den folgenden Stichjahren liegt der Anteil zwischen 10 und 17%. Bezogen auf die Lyoner Gesamtproduktion ist der Anteil im ersten Stichjahr etwas zu hoch, für die späteren Jahre ist er im Rahmen des Erwarteten. Der Anteil der französischsprachigen Texte liegt bei etwa 20%.2 1 Die humanistischen wissenschaftlichen Ausgaben religiöser und juristischer Texte wurden im Kapitel III. 1. behandelt. 2 Vgl. Pallier, Denis, Les réponses catholiques, in: Histoire de l'Edition Française, S. 327-350, hier S. 327, der angibt, daß von der Erfindung des Buchdrucks bis 1520 75% der typographischen Produktion religiösen Inhalts sei. Diese Rate scheint im Vergleich zu der Statistik von Martin (classements, S. 447) zu hoch gegriffen.
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Die Repräsentativität der Stichprobe läßt sich schlecht prüfen, da religiöse Bibliotheken dieser Größenordnung meist Klerikern gehörten, deren Besitz bei ihrem Tod an die Gemeinde fiel, ohne zuvor inventarisiert zu werden. Mit einiger Sicherheit kann man jedoch sagen, daß es keine einzelne Privatbibliothek gab, in der die Bücher der Stichprobe versammelt waren. Zu heterogen ist die Zusammenstellung der einzelnen Bucharten. Dieser Umstand macht eine Interpretation schwierig, denn die Vorreden enthalten zwar eine Anzahl verschiedener Aspekte, doch erlauben sie keine Gewichtung. Hinzu kommt, daß die Vorreden religiöser Texte insgesamt wenig individuelle Aussagen der Autoren oder Herausgeber enthalten. Das lag vor allem an der Zensur, der sich Autoren und Verleger ausgesetzt sahen. Da sie anders als Verfasser von Flugschriften namentlich identifizierbar waren, äußerten sie sich selten zu religiösen Kontroversen.3 Nachdem der Lyoner Verleger Etienne Dolet 1546 wegen seiner häretischen Ansichten, die er auch in Vorreden geäußert hatte, hingerichtet worden war, verzichteten die Verleger aus verständlichen Gründen darauf, die Vorreden zu einem Forum der religiösen Auseinandersetzungen zu machen. Vielmehr benutzten die Verleger die exponierten ersten Buchseiten dazu, die Zensurbehörde von der Rechtgläubigkeit des Buches zu überzeugen. Oft enthielten religiöse Bücher zudem keine neuen Texte, sondern Nachdrucke von alten Texten, wie zum Beispiel der Bibel. Lesern, die diese Bücher kauften, war der Inhalt bekannt, ebenso wußten sie zumeist, zu welchem Zweck sie die Bücher lesen sollten, sei es, weil sie professionelle Leser (Kleriker) waren, oder weil ihnen geraten worden war, das Buch zu kaufen, was man bei einigen Erbauungsbüchern annehmen kann. In allen Fällen begleitete die Lektüre der Bücher ein umfangreicher mündlicher Kommunikationsprozeß, so daß Vorreden diese Funktion nicht erfüllen mußten. Aussagen über den Umgang des Lesers mit dem religiösen Buch sind daher aus den Hauptquellen dieser Arbeit, den Vorreden, in weitaus geringerem Maße zu erwarten als bei neu verfaßten oder neu entdeckten Texten. Für zwei Aspekte lassen sich aus ihnen dennoch Hinweise erhalten. Zum einen läßt sich ein Wandel des angesprochenen Publikums im Untersuchungszeitraum, der die Reformation, das Konzil von Trient, die Religionskriege und die Gegenreformation umfaßt, nachzeichnen, zum anderen lassen sich Strategien erkennen, mit denen die Verleger ihre religiöse Überzeugung, der Zensur zum Trotz, zu verbreiten versuchten. Die folgende Darstellung orientiert sich an der Chronologie der Stichjahre. Dieses Verfahren bietet sich an, da die in Lyon seit etwa 1530 verlegten religiösen Titel vergleichsweise aktuell waren. Selten lagen zwischen der Erstausgabe und dem Lyoner Nachdruck mehr als zehn Jahre, so 3
Vgl. Guilleminot-Chrétien, Geneviève, Le contrôle de l'édition en France dans les aneés 1560: la genèse de l'édit de Moulins, in: Le Livre dans l'Europe de la Renaissance, S. 378-385; Pallier, S. 327.
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daß man annehmen kann, daß die zum Zeitpunkt des Erstdrucks angesprochene Leserkonstellation mit der zum Zeitpunkt des Nachdrucks in etwa übereinstimmt. Nachdrucke mittelalterlicher
Ausgaben
Die Vorreden der 1519 und 1520 erschienenen religiösen Bücher sind im Hinblick auf die Frage nach den Lesern wenig ergiebig. Denn bei allen überlieferten, also nicht neu verfaßten, religiösen Texten, seien es Ausgaben der Kirchenväter, mittelalterliche Beichtspiegel oder Bibeln, druckte man die Texte mit allen Vorreden, die sie im Laufe ihrer handschriftlichen Überlieferung von den Bearbeitern erhalten hatten. Durch den Buchdruck änderte sich bei diesen Texten die Form der Überlieferung kaum. Ebenso wie in den Handschriften gehörten der Haupttext und die seine Überlieferung begleitenden Texte zusammen. Nur selten wurden für den Druck zusätzlich neue Vorreden verfaßt, die dann in die Nachdrucke aufgenommen wurden.4 20 der 26 Bücher der Stichprobe enthalten unveränderte Nachdrucke von Titeln, die bereits im 15. Jahrhundert publiziert worden waren, so daß selbst die neueren Vorreden mindestens 20 Jahre alt waren. In allen Vorworten wurden die Leser selten angesprochen. Wer die Bücher lesen sollte, war in jenen Jahren nicht der Rede wert, stand doch der Kreis der lesefahigen Interessenten ohnehin fest. Fast nur Mitglieder des Klerus oder von Kongregationen konnten lesen und sich die großen, dicken Foliobände leisten. An sie richteten sich die Vorreden. Interessierte Laien mit Lateinkenntnissen, wie Juristen und Mediziner, könnte man sich in den Jahren um 1520 zusätzlich als Leser vorstellen. Doch wenn sie sich für diese Texte interessiert haben sollten, dann wurden sie als potentielle Leser zumindest nicht eigens angesprochen. Auch über die Frage, zu welchem Zweck die Bücher gelesen wurden, war man sich offenbar so einig, daß dies zumindest in den Bibeln und den Textausgaben der Kirchenväter nicht erwähnt zu werden brauchte. In den Vorreden der theologischen Gebrauchsliteratur wurde dagegen regelmäßig dargestellt, wofür sie zu verwenden war. Doch diese Informationen überraschen kaum. Ein Beichtspiegel sei ein nützliches Buch für Beichtväter und diejenigen, die lobenswert leben wollen, erfährt man in der Vorrede der Summa angelica de casibus conscientiae von Angelo de Clavasio, zudem stehe der Beichtspiegel auf dem Fundament des Rechts.5 4
Vgl. Winteroll, Hans Michael, Summae innumerae. Die Buchanzeigen der Inkunabelzeit und der Wandel lateinischer Gebrauchstexte im frühen Buchdruck, Stuttgart 1987, S. 4 2 1 - 4 2 4 . Die Schriften des Thomas von Aquin wurden für den Lyoner Verleger Jean Koberger von seinem Landsmann Lambert Feldmann, auch: Lambertus Campester, neu herausgegeben. 5 22, fol. aa2re. Ähnlich Nr. 36 und 13.1. Angelus de Clavasio, auch: Carletus, lebte von 1411-1495.
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Für einen weiteren Zuhörerkreis wurden Predigthandbücher verfaßt. Seit dem 13. Jahrhundert gab es Nachschlagewerke, die Exempla und Sentenzen fur Bettelordensprediger enthielten. Hinzu kamen besonders eindrucksvolle Predigten, die als gedruckte Predigtsammlungen verbreitet wurden. Die 1520 in Lyon als Originalausgabe erschienene Sammlung des belgischen Franziskaners Pierre Auxboeuffs wurde vom Herausgeber für einfache und fromme Geister empfohlen, während sie für naseweise und wählerische Zuhörer ungeeignet sei. Er predige für diejenigen, die das Gold nicht im Sack, sondern im Herzen haben.6 Das Publikum der Predigten wird aus Menschen bestanden haben, die üblicherweise keine Bücher besaßen. Dabei wurden sie nicht als Leser angesprochen, sondern als Hörer. Predigtsammlungen waren keine Bücher zum Lesen, sondern eine stumme Übergangsform der gesprochenen Sprache. Sie trugen insofern nicht zur Erweiterung des Leserkreises bei.7 Die Vorreden religiöser Erbauungsbücher und Predigtsammlungen stellten diese als geeignet dar, die Gläubigen zu Gott zu führen. Sie forderten die Andacht, stellten die Sündhaftigkeit des menschlichen Lebens dar und boten einen Ausblick auf das ewige Leben. Schon in den Texten der Kirchenväter wurde das Lesen und Schreiben als eine Tätigkeit frommer gebildeter Männer dargestellt. Die Ausgaben der Stichjahre 1519/20 wandten sich an diesen traditionellen Leserkreis. Eine Öffnung zu weiteren Leserschichten ist aus den Vorreden der Stichprobe nicht zu erkennen. Religiöse Literatur für Laien
1539/40 hatte sich der Adressatenkreis offenkundig gewandelt. Waren die dicken Foliobände der Publikationsjahre 1519/20 in gotischen Lettern vorwiegend für Kleriker gedruckt worden, richteten sich die kleinen Bücher in Antiqualettern der späten 30er Jahre an Laien. Diese Veränderung kann darauf zurückzufuhren sein, daß sich der Kreis derjenigen, die lateinische Texte lesen konnten, durch den Unterricht in den städtischen collèges erweitert hatte. Die Bücher waren auch erheblich aktueller, denn während zuvor die Nachdrucke aus der Inkunabelzeit überwogen hatten, befindet sich unter den Ausgaben der Jahre 1539/40 fast kein Buch, dessen Erstausgabe länger als sieben Jahre zurücklag. Die Leser dieser Produktionsjahre wurden auf zwei Weisen angesprochen: als humanistisch Gebildete und als fromme Leser von Erbauungsbüchern in lateinischer Sprache. Der Verleger Sebastien Gryphe und der Herausgeber Adamo Fumano präsentierten die Ausgaben der von ihnen bearbeiteten Kirchenväter Basilius und 6
26, fol. alre. Pierre Auxboeuffs lebte Anfang des 15. Jahrhunderts. Zur Biographie vgl. NBG 3, 798. 7 Der Herausgeber, Franziskanerbruder Johannes Langrenus aus Lyon, präsentierte das Buch seinem Pater wie ein humanistisches Florilegium: Er habe die Predigten aus zahlreichen fehlerhaften älteren Ausgaben zusammengetragen. 26, fol. alve.
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Prosper de Aquitania, als wären es Werke antiker Autoren, die sie der Gelehrtenrepublik vorstellten. Wie humanistische Editoren beklagten sie sich über die schlechte Textvorlage und hielten ihre Arbeit an der Edition, vor allem den Vergleich der überlieferten Versionen und die Zusammenarbeit der humaniorum literarum studiosi für mitteilenswert.8 Ebenfalls aus dem gelehrten Kontext stammte Jan von Campens Paraphrase der Psalmen. Sie entstand, wie er in seiner Widmung ausführt, ebenfalls ursprünglich nicht für die Seelsorge. „Ich habe sie vor v i e l e n Jahren meinen Hörern nicht diktiert, damit sie veröffentlicht werden, sondern um meine Schüler zum Studium der hebräischen Sprache einzuladen",
ließ er die Leser wissen.9 Denn sie könnten durch das Studium des hebräischen Originaltextes ein tieferes Verständnis der Psalmen erlangen als aus der fehlerhaften lateinischen Übersetzung der Vulgata. „Ich denke, ich habe durch die Sache selbst gezeigt, daß es nicht nur nützlich, sondern nötig ist, die Sprache der heiligen Autoren zu kennen, um sie zu verstehen", 1 0
erläuterte Campen mit dem Argument eines christlichen Humanisten. Daß es sich bei diesen drei Büchern um religiöse Texte handelte, ist aus den Vorreden kaum zu erkennen. In den Widmungen und Vorreden wurden sie vorgestellt wie philologische Ausgaben überlieferter Texte profanen Inhalts.11 Hier wird deutlich, daß die humanistische Methode der Textedition das wissenschaftliche Paradigma der Zeit war. Der Lyoner Verleger der Psalmparaphrase hingegen war hinsichtlich des Zielpublikums seiner Ausgabe anderer Ansicht als der Editor. Deutlich wird dies an dem Format, in dem er den Text herausbrachte. Indem er es im für Humanistentexte 1540 noch sehr unüblichen Halboktavformat publizierte, legte er nahe, daß er es entgegen van Campens Aussage als Erbauungsbuch verstanden wissen wollte, denn dieses kleine Format war üblich für Gebetund Erbauungsbücher. Um es als Buch für den gelehrten Leser zu präsentieren, hätte er vermutlich das in diesen Jahren übliche Standard-Aldinen-Format gewählt, in dem die Klassikerausgaben erschienen. Die in einigen Vorreden geführte Kontroverse um das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie läßt ebenfalls darauf schließen, daß ein Teil des Publikums religiöser Texte über humanistische Bildung verfugte. Philipp 8
88, 100. Zur Biographie vgl. Adamo Fumano (7-1587): ABI 440, 186. 106, fol. a3re. Auditoribus meis non in hoc dictaveram, ut unquam evulgaretur: sed ut aliquos ad Studium Hebraicarum literarum invitarem. 10 106, fol. a3re. Re ipsa ostendere conatus sum, non utilem solum, sed necessariam fore ad sacros autores intelligendos, eius linguae nonullam cognitionem: 11 Vgl. zur Verbindung von Humanismus und Christentum: Kristeller, Heidentum, S. 73-83. 9
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Agricola, von dem man als Widmung der Römerbriefexegese des Mainzer Dompredigers Johannes Wild einen Text religiösen Inhalts erwarten könnte, äußerte sich in seinem Plädoyer für den Wert der Bildung zugunsten der Philosophie: „Da nun so große Kontroversen über die Religion und den Glauben auftreten, daß man nicht weiß, wer sie lösen könnte und da diese Kontroversen große Unruhe und Irrtümer hervorrufen, frage ich, von wem, wenn nicht von den Philosophenschulen kann man eine Lösung dieser unentwirrbaren Streitereien erwarten?" 12 Die Gegenposition wurde in der Vorrede der Virtutum Vitiorumque Exempla vertreten. Der Dominikaner Nicolaus de Hannapes aus der Diözese Reims hatte um 1250 biblische Geschichten aus dem alten und neuen Testament zusammengestellt, anhand derer die Bettelordensmönche in ihren Predigten Tugenden und Laster anschaulich erläutern konnten. 13 Der Bearbeiter Maximus Trochäus, der ebenfalls dem Dominikanerorden angehörte, erläuterte bei der Neuausgabe der Sammlung 1537 dem „glühenden Redekünstler der göttlichen Rede": „Du sollst wissen, daß sie [die Exempla] den gläubigen Christen mehr nutzen werden als die Schriften der Philosophen, die, obwohl sie immer weiter lernten, niemals zur Erkenntnis der Wahrheit vorgedrungen sind." 14 Aus den in der Stichprobe enthaltenen Vorreden, die sich zu diesem Thema äußerten, zeichnet sich ab, daß die Frage der Hierarchie zwischen den beiden Wissenschaften für die Kirche wichtiger wurde, je mehr sie durch die Reformation in die Defensive geriet. Auch in Sentenzensammlungen des Quattrocento oder in Ricchieris Kompilation aus dem Jahre 1518 war dieses Thema behandelt worden, doch ohne zu einer dezidierten Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Seite zu kommen. Vielmehr war die Vereinbarkeit beider Sichtweisen hervorgehoben worden. 15 Erst seit der Mitte 12
93, S. 6. Praeterea cum subinde graves controversiae de religione ac fide incidant, adeo ut non cuiusvis sit eas explicare, et interdum illae controversiae magnorum motuum ... ac errorum causae existant, unde quaeso inestricabilium rixarum espeditio, quam si a scholis peti poterit? Zur Biographie vgl. Johannes Wild, auch: Ferus (1495-1554), LThK 10, 1123. Philipp Agricola (16. Jahrhundert): ADB 1, 151. 13 Die Exempla waren schon in der handschriftlichen Überlieferung alphabetisch nach Stichworten wie "Blasphemia", "Avaritia" und "Consolatio Divina" geordnet. Zur Biographie vgl. Nicolaus de Hannapes (1225-1291): LThK 7, 986. 14 181, Anrede und fol. *2ve. F. Maximus Trochaeus Tarvisius almi praedicatorum Ordinis, ferventissimo Divini eloquii declamatori S. P.D. ... Hunc itaque libellum simplici corde, benignoque suscipe vultu. Sciens haec fidelibus Christi magis profutura quam Philosophorum scripta, qui Semper addiscentes, nunquam ad scientiam veritatis pervenerunt. Die Wortwahl seiner Bitte um freundliche Aufnahme des Textes entspricht den humanistischen Konventionen. S. o. Kapitel II. 1. 15 Mancinelli und Ricchieri, Nr. 11 und 248.
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der 30er Jahre formulierten katholische Kleriker wie Trochäus oder Agostino Steuco die Überlegenheit der Theologie. 16 Inwieweit die französischen Leser diese Diskussion verfolgten, ist aus der Stichprobe nicht zu rekonstruieren. Auch von Seiten der Verleger ist in den Stichjahren 1539/40 noch keine Bevorzugung der einen oder der anderen Position zu erkennen.17 Festzuhalten bleibt, daß in Lyon in diesen Jahren religiöse Texte für ein humanistisch gebildetes Publikum erschienen. Neben diesen Texten wurden Erbauungstexte publiziert, die bei ihren Lesern einen geringeren Grad an Bildung voraussetzten. Die Elucidatio in omnes Psalmos Davidis von Frans Titelmans, die im Folioformat erschien, bilden eine Brücke zwischen den beiden Leserkreisen. Titelmans verstand wie Calvin und Luther die Psalmen als Lehrtext, den die Gläubigen nicht kritisch hinterfragen, sondern als Gottes Wort aufnehmen sollten.18 Sein Publikum beschrieb er: „Wir berücksichtigten mehr die f r o m m e n A f f e k t e der e i n f a c h e n Geister als den e r h a b e n e n Geist der G e b i l d e t e n . " 1 9
Um möglichst viele Gläubige mit seinem Text ansprechen zu können, wählte Titelmans für seine Elucidatio eine Art Baukastensystem. Jedem Psalm stellte er ein Argumentum voran, es folgte die erläuternde Paraphrase „in klaren Worten, damit selbst ein aufmerksamer Junge verstehen kann, was gesagt wird".20 Als drittes bot Titelmans Annotationen für Leser an, die Genaueres wissen wollten. Weitere Annotationen, die auf Differenzen zwischen der Vulgata und dem hebräischen Text eingingen, wurden als gesondertes Kapitel am Ende des Buches angefugt. „Du kannst also, Leser, in diesem unserem Werk s o w o h l viel als auch wenig, E i n f a c h e s und Kompliziertes, finden. Für j e d e n G e s c h m a c k und
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Nr. 136. Vgl. Schmidt-Biggemann, S. 186. Erst 1559/60 ist eine Beziehung zwischen den publizierten Titeln und der religiösen Überzeugung der Verleger zu erkennen. Titel, die die Überlegenheit der Theologie postulierten, erschienen bei katholischen Verlegern (Nr. 181), während die Befürworter der Philologie bei protestantischen Verlegern erschienen (Nr. 203). 18 In diesem Punkt ähnelte die von Titelmans vertretene traditionelle katholische Glaubensauffassung eher den oft als emanzipiert geltenden Auffassungen der Reformatoren als der reformwilligen katholischen, vom christlichen Humanismus beeinflußten Auffassung. Letztere wurde an der theologischen Fakultät des Collegium trilingue in Louvain gepflegt. Ein Vertreter dieser Richtung in der Stichprobe ist der Theologe Cornelius Jansen, Nr. 299. S. o. Kapitel über humanistische Wissenschaft. III. 1. Vgl. auch Rice/Grafton, S. 170. 19 138. Epistola ad lectorem, fol. aöre. Nos tarnen ... simpliciorum piis affectibus magis quam eruditiorum sublimibus ingeniis consulentes ... nostro labore vel simplicem qualemcumque Psalmorum intelligentiam administraremus. 20 138, fol. aöre. ... ut vel puerulus attentus possit quae dicitur intellegere. 17
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jede Verstandeskrafit (die Du selbst am besten einschätzen kannst) ist das Richtige vorhanden", formulierte Titelmans im Stil eines Werbetexters.21 Jeder, vom Schuljungen bis zum philologisch Gebildeten, kam als Käufer dieses Buches in Frage. Allerdings setzte das Format sowohl dem Kauf als auch dem Gebrauch Grenzen. Ein so großes und mit etwa 750 Seiten auch recht dickes Buch konnten sich nur wohlhabende Leser leisten. Stand es aber im Studierzimmer, konnte der Sohn des Hauses schon nach den ersten Unterrichtsstunden in Latein darin lesen. In der Aufteilung des Textes erinnerte die Psalmenausgabe an glossierte juristische Texte oder scholastische Kommentare. Die Seite war in zwei unterschiedlich breite Spalten unterteilt. Die linke Spalte, die etwa ein Drittel des Satzspiegels umfaßte, enthielt den Psalmentext, die rechte, breitere Spalte die Auslegung. Man könnte sich vorstellen, daß die Käufer dieses gewichtigen Werkes aus Gruppen stammten, denen diese Textaufteilung vertraut war. Auf Geistliche und Angestellte der königlichen oder kirchlichen Verwaltung mit juristischen Kenntnissen träfe das zu. Sie verfugten auch über die nötigen Mittel, ein teures Buch zu kaufen. Die Tatsache, daß Lyoner Drucker in demselben Jahr sowohl den Text von Titelmans als auch den von Campen nachdruckten, sagt wenig über ihre religiöse Einstellung. Eher zeigt sich ihr Geschäftsinteresse. Es lohnte sich ebenso für reiche Leser zu arbeiten wie für Kunden mit schmalem Geldbeutel, die an einer neuen Übersetzung der Psalmen interessiert waren.22 Ebenfalls an „einfache Geister" richteten sich weitere Erbauungsbücher, die zumeist im Oktav- oder Halboktavformat erschienen. Nicht wenige dieser Bücher enthielten eine Art Anthologie von Bibel- und Kirchenväterzitaten: „Es ist nämlich in diesem Band das zusammengefaßt, was du sonst lange in der Bibel suchen müßtest", rühmte der Herausgeber Jean Bignon die Vorzüge seiner Fons vitae. „Du findest sofort nicht nur was dich tröstet, sondern auch, was dich aufrichtet, wenn du erschüttert bist."23 Bignon erwartete als Käufer seiner Quelle des Lebens offenbar keine Kleriker, die den Text der Bibel gut kannten, sondern Laien, die sich mit dem Florilegium tröstender Bibelworte zur Andacht zurückziehen wollten. Einen weiteren Vorzug kurzgefaßter Aus21
138, fol. aöre. Habes itaque, lector, in hoc nostro opere vel multa, vel pauca, vel simplicia, vel grandia, iuxta varium palati tui affectum, et ingennii (cuius tu ipse optimus potes esse iudex) captum. 22 Die Psalmenausgabe van Campens erschien 1540 bei Sebastien Gryphe bereits in der dritten Auflage. 23 53, fol. A2re. Sunt enim haec compendio quodam congesta, ut quae alioqui longo labore in Bibliis querenda tibi forent, hic statim ad manum offendas quibus non solum tuis succuras vulneribus, sed proximum etiam tuum quavis adversitate labefactum erigas. Ebenfalls als Andachts- und Erbauungsbuch verfaßte Erasmus seine kurzen Texte De preparatione ad mortem und Declamatio de morte (Nr. 72). Zur Biographie vgl. Jean Bignon (nachweisbar 1512-1544): ABF 103, 246.
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wahlbände erwähnte Thomas Cajetan im Vorwort seiner Summa Caietani: Umfassende Beichtspiegel, die Meinungen verschiedener Autoren zusammenfaßten, hinterließen den Leser verwirrt. In seiner kleinen Summe hingegen habe er auf Kommentare verzichtet, „damit niemand durch irgendeine Ablenkung von der Wahrheit ferngehalten wird."24 Die Wahrheit zu vermitteln waren Auswahlbände das geeignete Medium. Sie ermöglichten es dem Herausgeber zu bestimmen, was er unter „Wahrheit" verstanden wissen wollte. Zwei Titel der 1539/40er Produktion erschienen in französischer Sprache. Der Lucidaire Second war der Nachdruck eines seit 1320 überlieferten und 1488 erstmals gedruckten Lehrgedichts, das von Predigern als bequeme Fundgrube für einfache Predigten vor Laienpublikum benutzt werden konnte. Im Dialog zwischen Lehrer und Schüler wurden „die wunderbaren und rätselhaften Dinge Gottes Wahrheit betreffend" behandelt.25 Schon vor dem Druck kursierte der Lucidaire als schmuckloses Gebrauchs- und nicht als aufwendiges Bibliotheksmanuskript. Es wurde in zahlreichen Auflagen gedruckt und erschien in Lyon mit einem Titelholzschnitt und in gotischer Schrift.26 Sein dialogischer Aufbau machte es als Vorlesebuch besonders geeignet. De l'Humanité du Christ erschien 1540 in Lyon als Übersetzung aus dem Italienischen. „Es ist ein sehr elegantes LEBEN CHRISTI, an dem sich nicht nur die Intellektuellen, sondern auch die bodenständigen Menschen erfreuen können",27
ließ der Übersetzer seine Mäzenin Marguerite de Navarre wissen. Jean de Vauzelles, der zum Kreis der Lyoner Dichter um Maurice Scève gehörte, präsentierte das erbauliche Buch Pietro Aretinos als modernen belletristischen
24 57, fol. a8re. ... ut nullus aemulatione aliqua a veritatis sequela retrahatur. Zur Biographie vgl. Thomas Cajetan (1469-1534): LThK 2, 884. 25 Nr. 123, Titel. ... les choses obscures et merveilleuses touchant les faitz de Dieu. Vgl. Ruhe, Ernstpeter: Praedicatio es translatio. Das Elucidarium in der altfranzösischen Predigt, in: Elucidarium und Lucidaires. Zur Rezeption des Werks von Honorius Augustodenensis in der Romania und in England, E. Ruhe (Hg.), Wiesbaden 1993, S. 9 - 2 7 , hier S. 16. 26 Vgl. Ruhe, Doris, Vom Handbuch für Priester zum Hausbuch für jedermann. Die Drucke des französischen Lucidaire und ihre Geschichte, in: Germanisch-romanische Monatsschrift 70(1989)3, S. 2 6 9 - 2 8 3 , hier S. 2 6 9 - 2 7 7 ; Lefèvre, Yves, L'Elucidarium et les lucidaires. Contribution, par l'histoire d'un texte, à l'histoire des croyances réligieuses en France au moyen âge, Paris 1954, S. 2 7 1 - 3 0 5 . Vgl. zur Ausstattung des Buches: Grendler, Paul F., Form and Function in Populär Books, in: Renaissance Quarterly 46(1993)3, S. 4 5 1 ^ 8 5 . 27 46, fol. *6ve-*7re. Le tout neantmoins composé pour en faire un treselegant, et orné dire d'un VITA CHRISTI, auquel se pourront non seulement delecter les spirituelz, mais außi les mondains ...
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Text von hoher literarischer Qualität.28 Im Gegensatz 2x1 dem Lucidaire, das sich durch die gotischen Lettern als populäres Buch auswies, erschien der Text von Aretino in der Schrift für Gebildete: in Antiqualettern. Im Stil der französischen Renaissanceliteratur übersetzt, präsentiert von einem Literaten und der selbst dichtenden Marguerite de Navarre gewidmet, fand die Humanité du Christ sicher unter den Lesern zeitgenössischer Belletristik ihr Publikum.29 Die religiösen Texte der Jahre 1539/40 wandten sich überwiegend an ein Laienpublikum mit und ohne humanistische Bildung. Erbauungsbücher mit Kompendiencharakter lassen auf Leser mit geringem Abstraktionsvermögen und auf Herausgeber mit einer präzisen Vorstellung von der „wahren Lehre" schließen. Die Texte in französischer Sprache richteten sich an sehr verschiedene Leserkreise: an ein gebildetes Publikum belletristischer zeitgenössischer Texte und an unkritische Zuhörer. Kirchenväterausgaben im Stil humanistischer Editionen belegen die enge Verbindung von Humanismus und Religion und lassen auf ein gebildetes Publikum schließen. Im Gegensatz zu dem Stichjahr 1519/20 ist der Adressatenkreis deutlich heterogener geworden; das Lesen war nicht mehr allein den Klerikern und Juristen vorbehalten. Für die nicht-professionellen Leser religiöser Texte war mit der religiösen Belletristik eine neue Vermittlungsform alter Inhalte entwickelt worden. Mit der Zunahme der gebildeten Leser erweiterte sich das Potential für literarische Diskussionen, wie etwa die um das Verhältnis zwischen Philosophie und Religion. Gleichwohl spiegeln sich die religiösen Auseinandersetzungen in den Texten der Auswahl kaum. Lediglich das Privileg des Erzbischofs von Lyon, das dem Text Aretinos die Unbedenklichkeit bescheinigte, sowie der Nachdruck von Melanchthons De anima lassen die Reformation ahnen.30 Deutlichere Stellungnahmen zu religiösen Fragen finden sich in zwei nichtreligiösen Büchern der Stichprobe. Der Verleger Sebastien Gryphe bezog sich in der Vorrede seiner Cicero-Ausgabe auf die Beziehung zwischen Buchdruck und Reformation. Er berichtete, daß es im Umkreis von König François I. 28
Montaigne schloß sich diesem Urteil Jean de Vauzelles' nicht an. Er schreibt über Aretino: "... an dem ich außer seinem schwülstigen, von zwar einfallsreichen, aber verstiegenen und weit hergeholten Pointen überquellenden Stil, also außer seinen ungeheuren Eloquenz (was immer das sein mag) nichts entdecken kann ..." Essais, Buch I, Kap.51, Über die Eitelkeit der Worte, dt. S. 155. Zur Biographie vgl. Pietro Aretino (1492-1556): NB G 3, 99-103. 29 Vgl. Hausmann, S. 112; Higman, Francis, Ideas for Export: Translations in the Early Reformation, in: Brink, Jean (Hg.), Renaissance Culture in Context: Theory and Practice, Aldershot 1993, S. 100-113, hier: S. l l l f . 30 Im großen Index des Tridentinums, der 1559/64 in Rom erlassen wurde, wurden dennoch alle Werke Aretinos zensiert. Index des livres interdits, vol.8. Index de Rome, 1557, 1559, 1564, Nr. 843. Les premiers index romains et l'index du Concile de Trente, Hg. J.-M. De Bujanda, Sherbrooke 1990.
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Überlegungen gab, den Buchdruck zu verbieten, weil die Druckkunst die „Fehler der Lutheraner" verbreite. Daran konnte dem Verleger nicht gelegen sein. Er verteidigte die Bücher: „Als wären Waffen per se schlecht und unheilvoll. Und weil man mit Waffen Verletzungen und den Tod herbeiführen kann, seien sie zu verbieten. Mit ihnen kann man Gewalt von sich und vom Vaterland abwenden. Sie werden verschieden verwendet, von Schädlingen schädlich. Selbst wenn die Wißbegierigen und die Aufrührerischen mit der typographischen Kunst den Irrtum und ihre Unfähigkeit weit verbreiten, meinte irgendjemand, man sollte wegen der Vergehen der Wißbegierigen diese göttliche Kunst verbieten? Ist sie nicht nichts weniger als schädlich und zum Ruhm der Sterblichen und zur Verbreitung von deren Namen nötig?" 3 1 Gryphe zeigte sich hier wieder als Meister der Redekunst. Ohne seine eigene Meinung zu der religiösen Frage deutlich zu äußern, unterstellte er, daß man die Druckkunst ebensogut wie für die Verbreitung häretischen Gedankengutes dazu verwenden könne, den katholischen Glauben zu unterstützen. Überhaupt sei die Auseinandersetzung in gedruckten Büchern zu fuhren, scheint der geschäftstüchtige Verleger vorzuschlagen. Als hätte Nicolas Bourbon ihm zugehört, leistete er einen gedruckten Beitrag zu der Diskussion, indem er seiner Elementargrammatik eine Vorrede voranstellte, die mehr einem Glaubensbekenntnis als einem Einleitungstext glich: „Wenn wir überzeugt sind, was ich hoffe, daß der Herr Christus uns durch sein Kreuz und Tod mit dem Vater versöhnt und uns von der Herrschaft der Finsternis befreit hat, was ist dann für uns eine größere Aufgabe, als über dieses Kreuz und diesen Tod fortwährend nachzudenken und ihn zu feiern und zu heiligen? Aus unserer Niedergeschlagenheit hat er uns durch seinen Tod befreit und uns das ewige Heil geschenkt." 3 2 Insgesamt sind die reformatorischen Töne in den Lyoner Büchern der Stichjahre 1539/40 noch sehr verhalten. Der Calvinismus begann erst langsam Fuß zu fassen; deutsche Autoren, die bereits dezidiert anti-katholische Posi31 59, Bd. 1, fol. *3re. Quasi vero arma per se mala, et exitiosa sint: et, quod armis vulnus, morsque inferatur, ideo arma sint tollenda: quibus et vim a se, et a patria propulsant boni: inique tantum iniqui, et flagitiose flagitiosi utuntur. Ita si perdite curiosi, et seditio nescio qui Typographica arte errorem, ineptitasque suas latius disséminant, quis ob curiosorum culpam, divinam illam artem e medio tollendam arbitretur? per se nihil minus quam perniciosam, et mortalium floriae, nominique propagando plus reliquis rebus necessariam? Mit dem letzten Argument traf er den König vermutlich an seiner Achillesferse, der Eitelkeit. 32 55, fol. a2re. Si persuasissimum nobis est, ut esse spero, Dominum Christum, per crucem ac mortem suam, nos Deo patri suo reconciliasse, atque a tyrannide principis tenebrarum asservisse: quid magis ex officio nostro est, quam huiusmodi Crucem ac Mortem Domini noctu atque interdiu meditari, celebrare, sacrosanctam habere? Adflictio, hoc est, crux illius, aeternis cruciatibus nos exemit: Mors eiusdem immortalitatem nobis ac salutem peperit.
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tionen vertraten, wurden von den Kunden der Lyoner Verleger offenbar wenig nachgefragt. Das Lyoner Verlagswesen unter dem Einfluß der Reformation 1559/60 hatte sich das Bild geändert. Der Calvinismus hatte sich im Südwesten Frankreichs ausgebreitet, besonders unter den Angehörigen des Druckgewerbes war die Zahl der Protestanten hoch. In der Zwischenzeit hatte jedoch auch das Konzil von Trient getagt und verschiedene Dekrete und Indices zur Verbreitung religiöser Texte erlassen.33 Die Titel der Stichprobe vermitteln in diesen Jahren eher einen Eindruck von den Bemühungen der Verleger, ihre Religion zu verteidigen, als ein Bild der Leser. Die katholischen Verleger Guillaume Rouillé und Michel Jouve publizierten in diesen Jahren fast ausschließlich pro-katholische Bücher. Ihre Titel wandten sich, soweit es sich nicht um Erbauungsbücher handelte, an Fachleser, während das humanistisch gebildete Laienpublikum von ihnen nicht bedient wurde. So erschienen bei Rouillé die Synodalstatuten der Diözesen Lyon und Besançon, die 1560 anläßlich der Einberufung der Synode von den jeweiligen Erzbischöfen in lateinischer Sprache für die Äbte, Dekane, Erzdiakone, Pröpste, Prioren, die weltlichen und die Ordenspriester und alle anderen kirchlichen Teilnehmer der Zusammenkunft publiziert wurden.34 Die Statutensammlungen richteten sich ausdrücklich an „toutes personnes ecclesiastiques", wie der französischsprachige Hinweis des Erzbischofs von Besançon am Anfang seines lateinischen Textes erläuterte. Als Waffe im Kampf gegen die Häresie verstand auch Stephan Charpin, Priester in Lyon, den Text Über die Sakramente des spanischen Priesters Juvencus (4. Jh. n.Chr.), die er bei Michel Jouve drucken ließ. In seiner Widmung an den Pfarrer der Lyoner Kirche beschrieb er die Lage mit drastischen Worten: Die Häretiker „treiben das Schwinden der Orthodoxie von ihren Festungen aus derart voran, daß sie schließlich geradewegs in den Orkus gehen werden".35 Die katholischen Verleger taten mit dem Druck dieser Bücher ihr Möglichstes, der Verbreitung des neuen Glaubens Einhalt zu gebieten. Die protestantischen Verleger Lyons dagegen publizierten zumeist keine dezidiert katholischen Titel. Sie konnten jedoch nicht den gesamten Markt fur religiöse, nicht-reformatorische Bücher ihren Konkurrenten Jouve und Rouillé überlassen. So erschienen bei ihnen Nachdrucke alter Sentenzenkommentare oder eine neue Übersetzung des Neoplatonikers Hierocles, der im Mittelalter we33 Venard, Marc, Das Fünfte Laterankonzil (1512-1517) und das Konzil von Trient (1545-1563), in: Geschichte der Konzilien. Vom Nicaeum bis zum Vaticanum II, Hg. G. Alberigo, Düsseldorf 1993, S. 333-385. 34 Vgl. 253 und 254, Grußformel. 35 175, fol. Alre. ... a castris orthodoxie defectionem ita permoveant, ut recta ad Orci ... tandem veniant.
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gen seiner Nähe zu christlichen Anschauungen beliebt gewesen war.36 Als „Buch von kleinem Format, aber großer Belehrung", das die Kenntnis von Gott und seinem Sohn vermittelte, gehörte es zu den Erbauungsbüchern. Dieser Text wurde einer Dame gewidmet und verweist schon dadurch auf einen weiteren Leserkreis.37 Ob die von Hierocles vertretenen Ansichten auch nach dem Konzil von Trient noch mit der katholischen Religion harmonierten, ist schwer zu entscheiden. In der Vorrede an den Leser verwies der Übersetzer auf die Hauptirrtümer der stoischen Philosophie im Verhältnis zur Religion. Allein dieses Vorwort ermöglichte es vermutlich, daß der Lyoner Verleger das Privileg für den Druck erhielt. Manche Bücher wurden in Lyon gedruckt, obwohl sie auf dem Index standen. So erschien ein zweiter Band des Predigers Wild, der bereits 1551 auf den Index von Paris gesetzt worden war, bei dem protestantischen Verleger Antoine Vincent.38 Ähnliches gilt für Bibeln in französischer Übersetzung. 1546 hatte das Tridentinische Konzil die theologische Fakultät von Löwen beauftragt, einen neuen umfassenden Index der verbotenen Bücher anzulegen. Alle Bibelausgaben, die zusätzlich zum Bibeltext Vorreden, Indices oder Marginalien enthielten, galten daraufhin als nicht rechtgläubig, ebenso wie alle Bibeln in Volkssprachen. Bereits seit 1525 hatte das Pariser Parlement die Übersetzung des Neuen Testaments von Lefevre d'Etaples als „lutheranisch" verboten, seit 1544 standen alle Ausgaben der Bible de Genève auf dem Index der Pariser Universität. Ein Edikt verbat 1547 Druck und Verkauf von allen Büchern, die die Heilige Schrift betrafen, solange sie nicht von der theologischen Fakultät überprüft waren. Das hatte zur Folge, daß in Paris, wo die Zensur leichter eingreifen konnte, von 1525 bis 1565 keine französische Bibelausgabe erschien.39 In Lyon hingegen wurden französische Bibeln gedruckt. Allein in den Stichjahren 1559/60 erschienen in Lyon zwei französische Bibeln im Folioformat: eine kleine Taschenausgabe des Neuen Testamentes und je eine französische und italienische Ausgabe von illustrierten Kurzfassungen des Neuen Testamentes. Die beiden französischen Vollbibeln der Stichprobe folgten dem Text der Genfer Ausgabe von 1553, doch enthielten sie nicht die dort übliche Vorrede von Jean Calvin. Vielmehr beinhalteten sie - offenbar zur Tarnung - eine französische Übersetzung der in den katholischen Bibeln üblichen Vorworte
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Nr. 226 und 234. 234, fol. a2re. Livre de bien petit volume, mais d'instruction tres-grande. 38 Index des livres interdits, v o l . l . Index de l'Université de Paris, 1544, 1545, 1547, 1551, 1556, Hg. J.-M. De Bujanda, Francis M.Higman, Sherbroke 1985. Die Predigten Wilds sind verzeichnet unter den Nummern 105 und 106, S. 183f. 39 Higman, S. 3 1 7 - 3 2 0 ; Chambers, Bettye T., Bibliography of French Bibles. Fifteenth and Sixteenth Century, (Travaux d'Humanisme et Renaissance, 192), Genf 1983, S. Xllf. 37
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von Hieronymus.40 Die Ausgabe des Neuen Testaments verfugte darüberhinaus über einen Anhang mit dem katholischen Leseplan fur das Kirchenjahr. Darüber, daß alle Bibelübersetzungen verboten waren, konnte allerdings auch die katholische Verbrämung nicht hinwegtäuschen. Die Leser scheint das Verbot wenig berührt zu haben. In fast allen Inventaren, die mehr als ein Buch verzeichnen, ist eine Bibel enthalten. In etwa der Hälfte dieser Fälle handelt es sich dabei um eine Bibel in französischer Sprache.41 Auch wenn die Bibellektüre bei den Calvinisten eine große Rolle spielte, sie daher häufiger über Bibeln verfugten als ihre katholischen Nachbarn, ist es sehr unwahrscheinlich, daß alle Besitzer von französischen Bibeln Protestanten waren. Man kann vermuten, daß auch katholische Leser das „Buch der Bücher" in französischer Übersetzung kauften und es als Familienbesitz weitervererbten. Die große Nachfrage nach französischen Bibelausgaben bewog selbst den katholischen Verleger Guillaume Rouillé alle Vorbehalte hintan zu stellen und bereits 1554, ein Jahr nach der Erstausgabe, Bibeln der Genfer Version zu drucken.42 Von allen Zensurmaßnahmen unbeachtet blieb eine Gruppe von Erbauungsbüchern, die sich an ein breites Publikum richtete und daher eigentlich die besondere Aufmerksamkeit des Konzils von Trient hätte herausfordern müssen: illustrierte Ausgaben, die ganze Bücher der Bibel in einem lateinischen, französischen oder italienischen Gedicht zusammenfaßten. Das Bibeldekret des Konzils von 1546 bestätigte zwar die Authentizität der Vulgata und riet von der Lektüre von Übersetzungen ab, doch enthält es keine konkreten Bestimmungen, wie mit derartigen Bibelsummen und Kurzfassungen verfahren werden sollte.43 So konnten illustrierte Kurzbibeln in Lyon regelmäßig in der Stichprobe in den Jahren 1539, 1559 und 1579 - und offenbar unbehelligt erscheinen. Die Historiarum
Veteris Testamenti Icônes von 1539 zeigten Szenen des
alten Testamentes in Holzschnitten von Hans Holbein mit sehr kurzen Texten in lateinischer Sprache. So wurden die ersten beiden Kapitel des Buches Genesis zusammengefaßt mit den Worten: „Durch das Wort des allmächtigen Gottes wurden Erde, Tag, Nacht, Meer, Sonne, Mond, Sterne, Fische und Landtiere geschaffen und gesegnet. Adam und Eva wurden ebenfalls geschaffen."44 40
Zu den Bibelvorreden lateinischer Ausgaben vgl. Schild, S. 108-109 und 135-137 und S. 274. 41 Vgl. Labarre, Amiens, S. 164; Doucet, Paris, S. 34-36. 42 Zu Rouillé als Katholik vgl. auch Pallier, S. 329; Zu Genfer Bibeln bei Rouillé vgl. Chambers, Nr. 198-200. 43 Vgl. Rice/Grafton, S. 185. 44 60, S. A2re. Dei Omnipotentis verbo creantur ac benedicuntur terra, dies, nox, coelum, mare, sol, luna, stellae, pisces, et bestiae terrae. Creantur quoque Adam et Heva. (Orthographiegeschichtlich ist interessant, daß der Buchstabe h, der nicht ausgesprochen wurde, den Setzern offenbar so rätselhaft war, daß er vor jedem Vokal am Wortanfang eingefügt werden konnte)
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Der Holzschnitt zeigte die Geschöpfe Gottes und den Schöpfer selbst, wie er Eva behilflich ist, aus der Rippe Adams zu steigen. Sowohl die Vorrede des Verlegers François Frellon an den christlichen Leser in lateinischer Sprache als auch von Gilles Corrozet45 in französischer Sprache gaben genaue Auskunft über den Sinn und Nutzen des Buches: Durch das Vergnügen beim Betrachten der Bilder werde die Liebe zu Gott angeregt. Der Leser werde motiviert, Gott zu dienen und dadurch von Sünden und Lastern ferngehalten. Dies sei eines christlichen Menschen besonders würdig. Doch neben dieser traditionellen Aufgabe religiöser Malerei verfolgten Verleger Frellon und Autor Corrozet in ihrem Buch noch eine weitere Absicht. In Vorrede und Gedicht forderten Frellon und Corrozet die Leser auf, „die unzüchtigen Bilder, die den Geist zu Fehltritten anregen und durch Unzucht in Versuchung führen" aus den Häusern zu entfernen. Seit Beginn der Renaissance hatten die bildenden Künstler begonnen, Themen abzubilden, die nicht aus der Bibel stammten. Besonders auf Vasen, Tellern und Kacheln, aber auch auf Gemälden, Holzschnitten und Fresken verdrängten Gestalten aus antiken Mythen die ehemaligen Hauptdarsteller aus ihren Positionen. Neben heldenhaften Männern wie Herkules und Orpheus wurden schöne Frauen und Göttinnen wie Helena, Dido, Venus und Diana abgebildet. Nach Ansicht von Frellon und Corrozet sollten diese ersetzt werden durch „heilige Geschichten, wie ihr sie in diesem Büchlein findet".46 Diese Funktion der illustrierten Andachtsbücher wurde in den drei späteren Ausgaben, die bei Jean de Tournes erschienen, nicht erwähnt. Die Texter Damiano Maraffi und Charles Fontaine sowie der Verleger Jean de Tournes stellten das Vergnügen des Betrachters in den Mittelpunkt ihrer Vorreden. Die Kenntnis Gottes sei der sicherste Weg ins Paradies, doch diese durch Hören oder Lesen zu erwerben sei manchmal mühsam, schrieb Damiano Maraffi an den frommen und klugen Leser: „und das Lesen allein macht oft keinen großen Spaß und fesselt deshalb den frommen Leser nicht mit Vergnügen. Daher geben wir jetzt den Freunden der Erkenntnis Abbildungen und Zeichnungen, die unserem ersten Sinn alles Bestehende zeigen, und toskanische Verse, die noch
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Gilles Corrozet (1510-1568). Zur Biographie vgl. Grente, S. 203f; NBG 11, 931. Zitat nach der französischen Ausgabe, die 1547 in Lyon erschien: Mettez au lieu, et soyent vos chambres ceinctes/ Des dictz sacrez, et des histoires sainctes,/ Telles que sont celles que voyez cy/ En ce livret... (HAB: 1089.13 Theol.) Lateinische Ausgabe: Nr. 60, fol. Alve. ... ut reiectis Veneris et Danae, ceterarumque dearum libidinosis imaginibus, quae animum veli errore impediunt, vel turpitudine labefactant ad has sacrosanctas Icônes ... 46
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einiges zur Malerei hinzufügen. Diese beiden Dinge zusammen geben so viel Erkenntnis und grenzenloses Vergnügen, wie nichts anderes."47 Außerdem, so fugte Jean de Tournes hinzu, behielte man die Dinge, die man sehe und nicht nur höre, besser im Gedächtnis. Deswegen habe er dieses Büchlein über die „wichtigsten Artikel, Geheimnisse und Punkte unseres Heiles und des heiligen christlichen und katholischen Glaubens" gemacht.48 Vom Protestanten Jean de Tournes hätte man nun nicht erwartet, daß er sich um die Geheimnisse des katholischen Glaubens verdient machte, wobei er diesen Zusammenhang nur in der französischen Textausgabe erwähnt. In der italienischen Version, die eine Übersetzung seines Vorwortes enthielt, fehlte diese Passage. Man kann nur spekulieren, warum die illustrierten Bibelausgaben mit den Kurztexten zum einen nicht zensiert wurden und zum anderen in zahlreichen Auflagen bei protestantischen Verlegern erschienen. Daß die Zensur hier nicht eingriff, mag darin begründet sein, daß die Illustrationen sich als Andachtsbilder für Nicht-Lesekundige eigneten. Die persönliche Konzentration auf den Grundtext der katholischen Religion war mit den handlichen Büchern an jedem Ort möglich, was mit dem Ziel des Tridentinums, die Religiosität wieder im Alltag zu verwurzeln, im Einklang stand. Zudem bestand bei Analphabeten keine Gefahr, daß sie den Text falsch verstanden. Jean de Tournes hätte als Protestant eigentlich den asketischen Vorstellungen Calvins folgen müssen und nur Texte ohne Abbildungen veröffentlichen dürfen. Die zahlreichen illustrierten Bücher aus seiner Presse belegen jedoch, daß er eine Vorliebe für schöne Bücher hatte. Sein Holzschneider Bernhard Salomon, der die Buchillustrationen herstellte, hatte auch die Metamorphosen von Ovid illustriert, ein Band, der zu den schönsten illustrierten Büchern gehört, die im 16. Jahrhundert gedruckt wurden.49 Leser der illustrierten Bibeln konnten aus allen gesellschaftlichen Schichten und Kreisen stammen. Die Widmungen an Marguerite de France zeugten von einer gebildeten Frau als andächtiger Leserin, zugleich stellten die Vorreden an den „frommen Leser" die Kenntnis der Bibel als wichtig für jeden Gläubigen dar. Jeder, ob er lesen konnte oder nicht, sollte es „zur Freude der Augen, Gedächtnisstütze und Beruhigung des Geistes" benutzen.50 Für die 47 2 09, fol. A4ve. Ed il legger nudo, non ha spesso in se gran piacere: e però non rattiene con diletto il pio Lettore. Per tanto diamo hora a'fedeli dal cognizione, con figure, e pitture che monstrono al principal senso nostro, tutto inessere, e con versi vulgari Toscani, quali anchor' assai aiutino la pittura. Danno queste due cose insieme, tanta cognizione con sommo, ed infinito piacere. 48 210, fol. A2re. ... concernans les principaux articles, mysteres, et points de nostre salut, et sainte Foy Chrestienne et Catholique. 49 Cartier, A., Audin, M., Vial, E., Bibliographie des éditions des De Tournes, imprimeurs lyonnais, Paris 1937, Nr. 376. In der Stichprobe Nr. 184. 50 210, fol. A2ve. Recevez le donq, Lecteurs, pour récréation à l'oeil, ayde à la me-
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weite Verbreitung der illustrierten Bibeln spricht auch, daß sie einer anderen sehr populären Buchart glichen: den Emblembüchern. Besonders die Embleme von Andrea Alciato wurden seit ihrer Erstausgabe 1531 in Paris in zahllosen Ausgaben an allen europäischen Druckorten herausgebracht. Sie behandelten wie die illustrierten Bibeln auf jeder Buchseite ein Thema, oft eine antike Tugend. Das Thema wurde durch einen Holzschnitt dargestellt, der am Kopf der Seite von einer Überschrift, am Fuß der Seite von einem meist vierzeiligen Gedicht eingerahmt war. Auch in diesen Büchern wurde die Verbindung von Bild und Text als ideale Kombination von Freude und Nutzen vorgestellt.51 Das wichtigste Buch der französischen Protestanten war der Psautier, das Buch der Psalmen, das in der Stichprobe nicht vertreten ist. Da die heutige Lyoner Stadtbibliothek aus der Bibliothek des kommunalen collèges hervorgegangen ist, dessen Leitung 1565 von der Stadt auf die Jesuiten überging, könnte man vermuten, daß die katholischen Gegenreformatoren protestantische Bücher aus der Bibliothek entfernt haben.52 Doch kann man das Fehlen einer Psalmenausgabe nicht dem Eifer der Jesuiten zuschreiben, denn weder 1559/60 noch 1579/80 wurden in Lyon Psalmen gedruckt. Besonders für den ersten Zeitraum ist das verwunderlich, denn in dieser Zeit stellten die Hugenotten die Hälfte der Stadtbevölkerung und fast alle Drucker. Die Psalmen Marots wurden 1559/60 in mindestens drei Auflagen in Paris und Genf gedruckt, nicht in Lyon. Von den 32 bekannten Ausgaben bis 1580 erschien etwa ein Drittel in Paris, die übrigen Ausgaben verteilen sich zu jeweils einem Drittel auf Lyon, Genf und andere Orte.53 Lyon war einer der drei wichtigen Druckorte des Psautiers. Das Buch soll daher hier kurz vorgestellt werden, auch wenn in der Stichprobe keine Ausgabe der calvinistischen Psalmen enthalten ist. Calvin hatte während seines Aufenthaltes in Straßburg 1539 den Psalmengesang gehört und sich von seiner Wirkung überzeugen lassen.
moire, et contentement de l'esprit... 51 Leider ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, auf diese Buchart, die auch für den Umgang mit antiken Idealen zentral ist, in angemessener Weise einzugehen. Vgl. Mattews Grieco, Sara F., Ange ou Diablesse: La représentation de la femme au XVIe siècle, Paris 1991, S. 3 8 - 4 1 ; Höpel, Ingrid, Emblem und Sinnbild. Vom Kunstbuch zum Erbauungsbuch, Frankfurt a.M. 1987. 52 Vgl. Parguez, Guy, Lyon. Bibliothèque Municipale, in: Richesses des bibliothèques françaises, Pol Neveux, Emile Dacier (Hg.), o.O. o.J. (BML: Us2 37E) 53 Laut Meyer, Claude Albert, Bibliographie des Editions de Clément Marot publiées au XVIe siècle, Paris 1975. 1561 hatte der Lyoner Verleger Antoine Vincent ein Privileg des Königs für die Psalmen-Ausgabe von Marot und Beze erhalten. Sechs der 10 Ausgaben, die zwischen 1562 und 1565 erschienen, wurden in Paris, Genf und Lyon in seinem Auftrag gedruckt; vgl. E. Droz, S. 2 7 9 - 2 8 1 .
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„Und tatsächlich haben wir festgestellt, daß der Gesang große Gewalt und Kraft hat das menschliche Herz zu bewegen und zu entflammen daß es Gott mit besonderer Andacht anruft und lobt," berichtete Calvin von seinen Erfahrungen im Vorwort des Genfer Psalters.54 Der religiöse Gesang eignete sich, so hoffte Calvin, das Bedürfnis der Gläubigen nach Musik zu stillen, nachdem Tanzmusik als gotteslästerlich verboten war. Um aus den biblischen Psalmen Lieder für den Gemeindegesang zu machen, mußten sie nicht nur übersetzt werden, sondern eine Form bekommen, die der Musik der Zeit entsprach. Die meisten Volks- und Tanzliedtexte hatten vierzeilige Strophen mit vierhebigen Versen. Sie dienten als Modell für viele der Psalmen-Reime.55 Clément Marot, Dichter am Hofe des französischen Königs, gehörte zu den ersten, die Psalmverse dichteten.56 Er widmete die Texte, die bereits Ende 1539 zum ersten Mal gedruckt wurden, seinem Mäzen François I., dessen Förderung es ermöglicht hatte, die Psalmen neu aus dem Hebräischen zu übersetzen. Die Psalmverse Marots stießen am Hofe offenbar auf große Zustimmung, denn in der Vorrede einer erweiterten Ausgabe der Texte bedankte sich Marot für die Unterstützung des französischen Königs. Die ersten Gesamtausgaben der Psalmen Marots, die auch weitere gereimte Gebetstexte enthielten, erschienen ohne Noten. Seit 1554 lassen sich Gesang54 In Genf veröffentlichte Calvin den Genfer Psalter mit einem Vorwort "A tous les chrestiens et amateurs de la parole de Dieu, Salut", das in den Ausgaben der Psalmverse von Marot häufig abgedruckt wurde. "Et à la vérité, nous cognoissons par expérience, que le chant a grand force et vigueur d'esmouvoir et enfiamber le coeur des hommes, pour invoquer et louer Dieu d'un zèle plus ardent et vehement." Zitiert nach der Ausgabe Psaumes de Clément Marot et Theodore de Beze, Lyon (Vincent) 1565, fol. 3re - 9ve. [HAB: T1 193]. Vgl. Reid, S. 37; Jeanneret, Michel, Poésie et tradition biblique au XVIe siècle, Paris 1969 (Kurztitel: Poésie) S. 330-338. In den katholischen Gottesdiensten sangen der Klerus, der Kantor und die Schola Choräle in lateinischer Sprache, die zwinglianischen Gemeinden sangen überhaupt nicht und in den von Luther beeinflußten Gegenden der Reformation sang die ganze Gemeinde geistliche Lieder und Psalmen auf deutsch. In Straßburg wurden seit den 20er Jahren Gesangbücher gedruckt; vgl. Chrisman, Miriam Usher, Lay Culture, learned culture: books and social change in Strasbourg, 1480-1599, New Häven 1982, S. 166. Das Genfer Konsistorium führte aufwendige Gerichtsverfahren gegen unerlaubten Buchbesitz; vgl. Lescaze, Bernard, Livres volés, livres lus à Genève au XVIe siècle, in: Cinq siècles d'imprimerie genévoise. Actes du colloque international sur l'histoire de l'imprimerie et du livre à Genève, 27-30 avril 1978, Hg. Jean-Daniel Candaux, Bernard Lescaze, Genève 1980, S. 133-150, hier S. 137-139. 55 Ich danke Dianne McMullen, Adelphi University, New York, für die anregenden Gespräche über Tanzlieder der Renaissance. Zur Form von Marots Psalmenreimen vgl. auch: Jeanneret, Poésie, S. 71-78. 56 Vgl. Jeanneret, Poésie, S. 51-55 und 107. Seine Texte erschienen zunächst in einem Sammelband mit vertonten Psalmen anderer Übersetzer, 1541 in Antwerpen als Monographie. 1542 wurde diese Ausgabe mit dem Titel Psaumes de David, Traduicts en rithme français selon la vérité hebraique in Lyon von dem protestantischen Verleger Etienne Dolet nachgedruckt; vgl. Reid, S. 39; Mayer, Bibliographie.
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bücher nachweisen, die neben dem Text eine Melodie enthielten. Sie wurden im handlichen Halboktav- oder sogar im winzigen Vierteloktavformat gedruckt. Nach dem Tod Marots 1543 ergänzte Theodor de Beze die insgesamt 83 von Marot übersetzten Psalmen um 63 weitere Psalmreime und fugte vertonte Versionen an. Dieses Kompendium mit Gebeten und Psalmen fiir alle Lebenslagen (in vielen Ausgaben war der passende Anlaß jeweils ausdrücklich genannt) war bis 1580 in mindestens 30.000 Exemplaren erschienen.57 Die Psalmen, die ursprünglich dem katholischen König von Frankreich gewidmet waren, wurden die Hymne der Hugenotten, der Gesang zu einem identitätsstiftenden Merkmal. Wenn Hugenotten sich als Gruppe zu erkennen geben wollten, sei es, um katholische Autoritäten zu provozieren, im Gefängnis, auf dem Weg zur Hinrichtung, vor und nach einer Schlacht im Religionskrieg, sangen sie Psalmen. Die gedruckten Ausgaben der gereimten Psalmen wurden zum protestantischen Buch schlechthin.58 Insgesamt läßt sich feststellen, daß unter den Titeln der Jahre 1559/60 der Anteil der explizit katholischen Bücher deutlich gesunken ist. Nur die Verleger Jouve und Rouillé bedienten diesen Bereich. Die protestantischen Verleger hingegen druckten, oft ohne Privileg, Texte, denen ihre religiöse Orientierung nicht ohne weiteres anzusehen war. Das angesprochene Publikum ist in diesem Stichjahr außerordentlich heterogen. Neben den Synodalstatuten für Kleriker in lateinischer Sprache gab es für Leser und Analphabeten erbauliche Texte wie die illustrierten Bibeln und die HieroclesAusgabe. Die lateinischen Predigten des Mainzer Johannes Wild, die zahlreiche Antikenzitate enthielten, wandten sich an ein humanistisch gebildetes Publikum. Die französischen Bibeln wurden für einen breiten Leserkreis produziert, der Leser der Predigten Wilds einschließen konnte. Die religiösen Titel der Stichprobe spiegeln so die Vielfalt der Lyoner Buchproduktion in ihrer Blütezeit. Keiner der religiösen Titel der protestantischen Verleger ging offensichtlich auf die Reformation ein. Dennoch gab es auch 1559/60 Bücher, die das Verhältnis der beiden Glaubensrichtungen behandelten. Die Verleger Lyons waren inzwischen recht geübt im Tarnen von Texten. Häufig gaben sie einem reformatorischen Text ein katholisches Vorwort, oder sie druckten in einem unverdächtigen Sammelwerk antiker Autoren ein proreformatorisches Vorwort ab. Das Cicero-Vorwort von Gryphe ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Texte Agrícolas in den Ausgaben der Predigten Wilds. Zwei nicht-religiöse Titel der 1559/60er Produktion enthalten Vorreden, die an der Sympathie der Verleger für den neuen Glauben keinen Zweifel aufkommen lassen. 57
Vgl. die Bibliographie von Meyer und zwei weitere Ausgaben in der HAB. Vgl. Reid, S. 37; Davis, Natalie Zemon, The protestant printing workers of Lyon in 1551, in: Aspects de la propagande religieuse, Genf 1957, S. 247-257, hier S. 247 und 251. 58
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Die Facetiarum
exemplorumque
Leser
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libri VII des italienischen Humanisten
Lucio Domizio Brusoni59 erschienen 1518 in Rom. 1559 wurden sie in Basel von Konrad Wolffhardt, dem Prediger und Miscellanea-Experten, bearbeitet und neu geordnet. Er verfaßte eine Vorrede, die er dem „Volk und Senat von Schaffhausen" widmete, das wie Basel, Genf und Zürich ein protestantisches Kirchenregiment eingeführt hatte.60 Ein Jahr nachdem das Werk in Basel erschienen war, druckte es der protestantische Lyoner Verleger Jean Frellon mit dem Vorwort von Wolffhardt nach. Ohne daß die Zensur eingegriffen hätte, erfuhren die Lyoner Leser, daß die Schaffhausener „ihren sehr würdigen Staat mit reiner, heiler und unbescholtener Verkündigung des Evangeliums" schmückten, „durch die dem Volk eine einzigartige Ruhe des Geistes und wahres Heil gegeben wird".61 Wolffhardt war überzeugt, daß die protestantische Stadtregierung derer der meisten Fürsten und Könige überlegen war, denn diese seien weder humanistisch gebildet noch förderten sie die Studien. Vielmehr pflegten sie, anstatt sich mit „in jeder Art von Wissenschaften gelehrten Männern" zu umgeben, den Umgang mit Schmeichlern und Hofnarren.62 In Schaffhausen hingegen stehe die Schule unter der Aufsicht der Regierung, die auch besonders befähigte Studenten zum Studium nach Basel delegiere. In zahlreichen weiteren Aspekten lobte Wolffhardt die vorbildlichen protestantischen Regierungen Schaffhausens und Basels, unter denen die humanistischen Studien den herausragenden Platz erhielten, der ihnen seiner Ansicht nach zustand.63 Die Beschreibung Wolffhardts von den so paradiesisch anmutenden Zuständen in den protestantischen Städten Schaffhausen und Basel dürfte in Lyon auf offene Ohren gestoßen sein. Zwar bekleideten im Lyoner Stadtrat 1560 die katholischen Ratsherren noch die einflußreicheren Positionen, doch war während der jahrelangen Abwesenheit des Lyoner Erzbischofs François 59
Domizio Brusoni (1. Hälfte des 16. Jahrhunderts). Zur Biographie vgl.: NBG 7,
656. 60
Der Reformationsbeschluß datiert vom 29. September 1529; vgl. Wipf, Jakob, Reformationsgeschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, Zürich 1929, S. 284. 61 219, fol. *3ve. ... qui amplissimam vestram Rempub. pura, salva atque integra Evangelii praedicatione ornatis, qua unica mentis quies et vera salus reditur populo. Für Hilfe bei der Übersetzung dieses Textes danke ich Hartmut Bohnhammel. 62 219, fol. *4ve. ... qua ii qui principatum gerunt, nec literis humanioribus instituti sunt, nec harum etiam cultores magni faciunt: quorum certe aulae potius bibones, adulatores, scurrae, thrasones, moriones, atque canum demum venatici, quam docti in omni scientiarum genere viri (quibus omnis aditus praecluditur) frequentare solent. Auch der Schweizer Gschmus hatte von Schmeichlern berichtet, die den ehrenwerten Gelehrten die Lebensgrundlage nahmen. Nr. 245. 63 Zur Entwicklung der Schaffhauser Schule vgl. Wipf, S. 339-344. Von den Studenten kehrten einige in den Senat von Schaffhausen zurück, andere wurden als Berater an den Hof berühmter Fürsten berufen - unter denen es offenbar doch einige gab, die sich nicht nur mit Hofharren umgaben. 219, fol. *3ve.
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von Tournon die Zahl der Protestanten angestiegen. Etwa die Hälfte der 60.000 Lyoner Bürger bekannte sich teils verdeckt, teils offen zum neuen Glauben.64 Wolffhardts Schilderung der protestantischen Stadtregierung wird der Grund gewesen sein, aus dem Jean Frellon Brusonis Text nachdruckte, denn in einem anderen Punkt konnte er dem Basler Gelehrten vermutlich nicht folgen. Sein Widmungstext zeugt von einer Wertschätzung des Humanismus, die in dieser Konsequenz in Frankreich und Italien kaum noch existierte. Das protestantische Basel war um 1550 wieder, wie schon in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, ein Versammlungsort der Gelehrten geworden. Glaubensflüchtlinge aus allen Nationen lebten in der protestantischen Stadt und ließen ihre Arbeiten von den Basler Verlegern herausgeben. Zwischen 1540 und 1580 erschienen hier Texte der italienischen Renaissance in neuen Editionen - das gesamte klassische Korpus humanistischen Wissens wurde noch einmal ausgebreitet.65 Wolffhardts Widmungsbrief an Senat und Volk von Schaffhausen enthielt lange Passagen, in denen er den Nutzen des otium litterar um für die Staatsfuhrung an historischen Beispielen erläuterte und damit das Ideal des humanistisch gebildeten Herrschers weitertrug, der vita activa und vita contemplativa verbindet. In seiner Argumentation ließ die Wertschätzung, die Basels protestantische Stadtregierung dem Unterricht in den studio humaniora entgegenbrachte, diese selbst in einem besonders guten Licht dastehen. Die protestantische Religion war es am Ende, die „auf den Schultern der Riesen" stand - und damit weit über der katholischen. Vorworte, die Leser Lyoner Bücher sonst zu lesen bekamen, propagierten weder so eindeutig das Weiterleben der humanistischen Gelehrsamkeit noch die Überlegenheit der protestantischen Religion. Die Widmung an Antoine de Bourbon des Sententiarum volumen absolutissimum Etienne Bellengards66, das 1559 bei Jean de Tournes im Folioformat erschien, kommt in Bezug auf die religiöse Position der von Wolffhardt noch am nächsten. Sie zeigt dabei deutlich die Unterschiede zwischen der Basler Gelehrtenrepublik und dem Zielpublikum der Lyoner Verleger. Bellengards Interesse war nicht ein Kanon des gelehrten christlichen Humanismus. Er stellte für den König von Navarra eine Auswahl zusammen, die „nicht den Scharfsinn der Dialektiker, nicht die lauten Streitereien der Marktplätze, nicht die leeren Tändeleien der Poeten anbietet ... sondern
64
Vgl. Hours, S. 126. Vgl. Guggisberg, Hans R., Reformierter Stadtstaat und Zentrum der Spätrenaissance: Basel in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Renaissance - Reformation. Gegensätze und Gemeinsamkeiten, Hg. August Buck, Wiesbaden 1984, S. 197-216, hier S. 203-205. 66 Biographische Daten Bellengards, die über die Aussagen in der Widmung des Volumens hinausgehen, sind nicht bekannt; vgl. ABF 79, 413. 65
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das, was die Philosophen über die Sitten, die Verwaltung des Staates, über die gerechte Kriegsführung hinterlassen hatten" 67
enthielt. Seine Auswahl sollte weniger einem moralischen Leben nach christlichen Grundsätzen zuträglich sein, als vielmehr das Wissen der Antike in politischen Dingen erschließen. Antoine de Bourbon und seine Frau Jeanne d'Albret sympathisierten mit dem neuen Glauben. Sie behinderten in ihrem Königreich die Prediger aus Genf nicht, die 1558 im Südwesten Frankreichs eingetroffen waren. Bereits 1557 hatte Calvin einen Brief an den König von Navarra geschrieben, in dem er ihm die Vorzüge der protestantischen Religion erläuterte.68 Zwar äußerte sich Bellengard nicht explizit zu seiner religiösen Überzeugung, doch kann man vermuten, daß die Veröffentlichung der Sammlung bei dem den neuen religiösen Ideen geneigten Verleger Jean de Tournes - mit einer Widmung an einen der einflußreichsten Sympathisanten des neuen Glaubens - bewußt geschah. In der Einschätzung des antiken Erbes unterschied sich Bellengards Position allerdings deutlich von der Wolffhardts. Zwar bezog sich Bellengard ebenfalls auf den Nutzen antiker Lebensweisheit für die Staatsfuhrung, doch wies er ausdrücklich den Gedanken zurück, der „Scharfsinn der Dialektiker" oder die „leeren Tändeleien der Poeten" könnten von einem König oder Fürsten mit Gewinn gelesen werden.69 Schon die Tatsache, daß Bellengard die Werke der Dichter als „leere Tändeleien" abqualifizierte, zeigt, daß es nicht in seiner Absicht lag, den Diskurs der Antike zu verfolgen. Er wollte nicht das antike Erbe als Ganzes weitergeben, sondern Teile davon zweckgerichtet einsetzen. Wolffhardt hingegen war ein Verfechter der Tradition des gesamten antiken Erbes, wie es auf dem Basler Buchmarkt seiner Zeit erschien. Er arbeitete zum Wohle einer res publica literarum, die für die Lyoner Verleger zu dieser Zeit kein interessanter Kundenkreis mehr war. Der Verleger Jean Frellon hatte trotzdem mehrere Gründe anzunehmen, daß die Brusoni-Ausgabe in Frankreich ihr Publikum finden würde. Zum einen dürften sich die Anhänger der protestantischen Glaubensrichtung an der eindeutigen Widmung erfreut haben, selbst wenn sie möglicherweise die Wertschätzung Wolffhardts für die studia humanitatis nicht teilten. Zum anderen entsprachen Maximen und Exempla aus der christlichen und antiken 67 1 46, fol. A3re. Non hic dialecticorum argutiae, non clamosi fori inurgia, non inanes poetarum nugae, mentis tuae vigor offeruntur: sed ea scitu dignissima quae de moribus, de Repub. administranda, de bello iuste gerendo prodiderunt philosophi. Der erste Teil des Satzes ist wörtlich aus dem Vorwort zu den Parabolae von Erasmus übernommen; vgl. Erasmus von Rotterdam, Opus Epistolarum, Hg. P.S. Allen, H.M. Allen, Brief 312. 68 Corpus Reformatorum, Opera Calvine, Bd. 16, Nr. 2774. 69 146, fol. A3re.
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Tradition in lateinischer Sprache dem Bedarf der französischen Leser - mehr als die Originalausgaben der Autoren selbst.70 Außerdem enthielt die Kompilation von Brusoni nicht nur exempla, also eher moralische Geschichten, sondern auch facetiae, scherzhafte Geschichten. Das Lyoner Verlagswesen in der Gegenreformation 1579/80 hatte sich die Situation Lyons verändert. Die protestantische Stadtregierung war aufgelöst worden, viele der protestantischen Verleger waren emigriert, und die Gegenreformation hatte Fuß gefaßt. Die Buchproduktion war ein Zeuge dieser Entwicklung: die 15 Titel religiösen Inhalts dieser Stichjahre - davon sieben in französischer Sprache - propagierten ausnahmslos den katholischen Glauben. Ein Buch der Stichprobe ist vermutlich in erster Linie von Fachlesern gekauft worden: Die Sammlung der Trienter Konzilsbeschlüsse wurde in lateinischer Sprache im Oktavformat veröffentlicht und umfaßt beinahe vierhundert Seiten. Der Index der verbotenen Bücher und die Ausfuhrungsbestimmungen für die Zensurbehörden, die auf den letzten 25 Seiten des Bandes abgedruckt sind, lassen es zudem als Buch für Juristen geeignet scheinen. Der Psalmenkommentar des belgischen Theologen Cornelius Jansen hingegen dürfte sich seinen philologisch-textkritischen Ausführungen entsprechend an ein relativ gebildetes katholisches Publikum gewandt haben, das sowohl über theologische als auch über philologische Kenntnisse verfugte. Eine Gruppe, die diese Anforderungen erfüllte, waren die hohen Amtsträger in den Parlamenten, die schon in den Jahren zuvor wenig Neigung für reformatorische Ideen gezeigt hatten. Daneben kamen die Jesuiten als Leser in Frage, in deren Ausbildung sich humanistischer Geist mit der Theologie der Gegenreformation verband.71 Eine annotierte und kommentierte Ausgabe der Psalmen aus der Hand eines vom Konzil anerkannten Bibliologen war darüber hinaus auch für andere Geistliche ein geeignetes Nachschlagewerk. Im kleinen Halboktavformat erschienen mystische Texte deutscher Herkunft vom Anfang des 14. Jahrhunderts, die mit der auf dem Konzil von Trient beschlossenen neuen Spiritualität des katholischen Glaubens in Einklang standen, und Kompendien „aller theologischen Wahrheiten" in lateinischer Sprache.72 Der Katechismus, der ebenfalls vom Konzil in Auftrag gegeben worden war, erschien in französischer Sprache ebenso wie literarische Texte, die geeignet waren, die Leser in ihrem katholischen Glauben zu 70 Allein die Stichprobe enthält sechs derartige Bücher in lateinischer Sprache. Nr. 3, 11, 53, 146, 219, 338. 71 Vgl. Roelker, Nancy Lyman, One Kind, one Faith. The Parlement of Paris and the Religious Reformations of the Sixteenth Century, Berkeley (Cal.) 1996, S. 1 6 4 - 1 7 4 und S. 4 7 8 - 4 8 1 ; Rice/Grafton, S. 172. 72 Nr. 275, 285, 2 8 9 , 3 3 7 .
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leiten und zu stärken.73 Die Bibellektüre hingegen war nur nach Genehmigung des Ortsgeistlichen gestattet.74 Der erbauliche Prosatext Livre de la Vanité du Monde des Spaniers Diego Estella75 zeigt, wie die Zensur durchgriff. Das Buch trug auf der Rückseite des Titelblatts eine Approbation der theologischen Fakultät von Paris, die die Unbedenklichkeit des Textes bescheinigte. Um ein übriges zu tun, hatte der katholische Verleger Michel Jouve die Übersetzung der Erstausgabe von einem Lyoner Jesuitenpater überarbeiten lassen. Nun konnten auch die anspruchsvollsten Leser, „die sich vor allem an der Lektüre geistlicher Werke erfreuen zur heiligen Stärkung ihrer Seelen", auf dieses Werk zurückgreifen.76 Auf den letzten Seiten enthielt der Band eine Liste von 13 „geistlichen Büchern, die man kaufen soll und oft lesen".77 Darunter waren Heiligenviten, De l'imitation de Jesu Christ von Jean Gerson und auch das Buch von Estella, in dem sich die Liste befand. Diese Aufstellung belegt - was das kleine Format und die Veröffentlichung in französischer Sprache nahelegten - , daß die religiösen Texte, die 1579/80 in Lyon gedruckt wurden als Erbauungslektüre fur Laien gedacht waren. In der Stichprobe befinden sich außerdem die Notables sentences de la Bible, tournées en quatrains von Anselme du Chastel. Es handelt sich um eine zweisprachige Ausgabe der wichtigsten Bibelstellen, bei der die französische Übersetzung in Versform gehalten war. 1579 wurde sie erstmals in Lyon gedruckt und mußte in einem umständlichen Verfahren kontrolliert werden. Zunächst prüfte ein Doktor der Theologie aus Paris. Dieser hatte „nichts bemerkt, was den Druck derselben verhindern könnte". Daraufhin war das Buch dem Lyoner Generalvikar vorgelegt worden, der sich ebenfalls bereit erklärte, 73
Nr. 317, 291, 296, 324, 330. Vgl. Rice/Grafton, S. 175. Das Konzil von Trient erließ am 24. März 1564 die vierte Regel zum Index mit folgendem Wortlaut: "Da es eine Erfahrungsweisheit ist, daß, wenn man den Gebrauch der heiligen Bibel in der Volkssprache ohne Unterschied erlaubt, daraus wegen des Leichtsinns der Menschen mehr Schaden als Nutzen entsteht, sollen Bischöfe und Inquisitoren in dieser Sache die folgende Haltung einnehmen: Mit dem Einverständnis des Pfarrers oder des Beichtvaters können sie jenen Personen, bei denen sie sicher sind, daß sie aus dieser Lektüre keinen Schaden, sondern Gewinn für ihren Glauben und ihre Frömmigkeit ziehen, das Lesen einer von katholischen Autoren übersetzten Bibel gestatten. Diese Personen müssen dafür eine schriftliche Erlaubnis haben. Jene aber, die sich herausnehmen, ohne Erlaubnis eine Bibel zu lesen oder zu besitzen, müssen diese beim Bischof abliefern, bevor sie die Lossprechung von ihren Sünden erlangen können." Zitat nach Venard, S. 368f. 74
75 Diego Estella (1542-1578). Zur Biographie vgl. Indice Biogrâfico de Espafia, Portugal e Iberoamerica, Hg. Victor Herrero Mediavilla, München u.a. 1995, Bd. 3, S. 1030. 76 3 3 0, fol. a2re. Plusieurs gens de bien (qui sur tout se delectent a la lecture des bons livres spirituels pour repaistre saictement leurs ames.) 77 3 30. Mémoire des livres desquels en doibt faire provision et lire souvent.
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den Druck des Buches nicht zu verhindern, da es nichts enthalte, „das gegen die katholische, apostolische und römische Kirche ist".78 Erst nach diesen beiden Kontrollen konnte der Verleger das königliche Druckprivileg, das anderen Verlegern den Druck und Vertrieb des Buches verbot, erhalten. Doppelt geprüft konnten die Bibelsentenzen von katholischen Gläubigen mit oder ohne Lateinkenntnisse gelesen werden. Nicht alle Bücher durchliefen diese aufwendige Prozedur, die in Lyon sicher erst nach dem Einzug der Jesuiten 1565 durchgeführt wurde. Zumindest hinterließ sie nur in wenigen Büchern ihre Spuren. Allerdings war die religiöse Belletristik ein Bereich, in dem häretisches Gedankengut leicht getarnt werden konnte. Die Indexkommission in Rom hatte 1559 und 1564 versucht, dem vorzubeugen, indem sie die Verbreitung vieler Autoren, darunter Pietro Aretino und Antonio Doni, ganz oder teilweise untersagt hatte.79 Der Katechismus, der vom Trienter Konzil in Auftrag gegeben wurde, war eigentlich ein Buch für Kleriker. Er enthielt, als er 1566 zunächst in lateinischer Sprache erschien, Erläuterungen zum Glaubensbekenntnis, zum Vater Unser, zu den Zehn Geboten und zu den Sakramenten. Den Zweck des Buches erläuterte der Verleger Michel Jouve in seinem Nachdruck, der 1580 in Lyon erschien: „Das heilige Konzil von Trient hat gewollt, daß ein lateinischer Katechismus für die Priester verfaßt werde, der die Grundlagen des Glaubens enthält, damit diese die einfachen Leute und die neu Bekehrten in den Grundlagen des Glaubens unterweisen." 8 0
Noch 1566 wurde der Katechismus in italienischer Sprache veröffentlicht, bald darauf wurde er ins Deutsche, Französische und Polnische übersetzt.81 Das machte ihn „vertrauter und verständlicher und trug außerdem derart zu seiner Verbreitung bei, daß es heute kein Buch gibt, das mehr durchgeblättert wird,
78 291.1 ... n'y avons rien remarqué qui puisse empescher l'impression d'icelles. 291.2 ... attendu qu'il n'y a chose qui soit contre la religion Catholique, Apostolique et Romaine. 79 Vgl. Index des livres interdits, vol.8. Index de Rome, 1557, 1559, 1564. Les premiers index romains et l'index du Concile de Trente, Hg. J.-M. De Bujanda, Sherbrooke 1990. Von Antonio Doni waren nur die Briefe verboten, von Pietro Aretino, dessen Humanité du Christ in einer Ausgabe von 1539 in meiner Stichprobe enthalten ist, wurde das Gesamtwerk indiziert. 80 317, fol. A3ve und A4re. Le sacré Concile de Trente ... auroit voulu estre rédigé par escrit et en langue Latine certain Catechisme contenant l'institution et formulaire que les Curez de chacune paroisse doyvent tenir et garder à l'instruction et enseignement des rudes et nouvellement initiés à la religion Chrestienne. 81 Vgl. Venard, S. 370; Bedouelle, S. 359-360.
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wegen des Nutzens, den jeder darin erkennt und in geistlicher Hinsicht daraus bezieht".82 Jouve entschloß sich daher im Auftrag des Erzbischofs von Lyon, den Katechismus in kleinerem Format auf den Markt zu bringen. „Das erschien mir praktischer, weil es dann leichter zu tragen ist und man ihn weniger umständlich handhaben und tragen kann und außerdem der Preis geringer ist."83 Der Nachfrage nach zu urteilen, scheint der Katechismus auch außerhalb des Klerus Abnehmer gefunden zu haben. Die Tatsache, daß er auf der genannten Liste der empfohlenen Bücher vermerkt war, läßt ebenfalls auf Laienleser schließen. Ähnliches dürfte für die Kompendien gelten, die in lateinischer Sprache erschienen. Möglicherweise gab es eine weitere Lesergruppe dieser Texte unter den ungebildeten Klerikern, die traditionell mit kurzgefaßten Handbüchern versorgt wurden.84 Um keine Zweifel aufkommen zu lassen und die Leser vor dem „Überdruß des Überflusses" und vor falschen Interpretationen zu bewahren, enthielt das Kompendium
aller theologischen
Wahrheiten nach Art der
Loci communes Textstellen zu den sieben Glaubenswahrheiten - Natur Gottes, Schöpfung, Sünde, Humanitas Christi, göttliche Gnade, Sakramente und Jenseits - , die es zusammenstellte und kommentierte.85 Alle religiösen Bücher der Lyoner Produktion der Jahre 1579/80 waren Teil der Rekatholisierung, die das Konzil von Trient beschlossen hatte. Kleriker erhielten die nötigen Nachschlagewerke, Laien sollten aus Erbauungsbüchern die für ein christliches Leben nötigen Wahrheiten lernen und sie wiederholt andächtig lesen. Der Bildungsgrad der Bevölkerung war inzwischen, zumindest in den Städten, so hoch, daß es sinnvoll war, religiöse Bücher für ein Publikum außerhalb des Klerus zu publizieren. Deutlich ist der große Anteil von kompendienartigen Büchern, die das Wichtigste zusammenfaßten. 82 317, fol. A4ve. ... pour le rendre plus familier et intelligible, et au surplus tellement practiqué qu'il n'y a livre pour le jourd'huy qui plus soit feuilletté, pour le proufït et utilité que un chacun en ressent et spirituellement retire. 83 3 1 7, fol. A6re. Elle [la forme] m'a semble plus commode et propre ... tant par ce qu'elle le rend plus portatif et moins fâcheux à manier et porter, que aussi le pris d'iceluy est moindre. Michel Jouve nutzt die Möglichkeit, die Widmung als Werbetext zu gebrauchen, denn so schwierig in der Handhabung können die vorhergehenden Ausgaben nicht gewesen sein, wenn sie so schnell ausverkauft waren. 84 Die Konzilsteilnehmer waren sich darüber einig gewesen, daß gut ausgebildete Geistliche nötig sein würden, um die vom Protestantismus infizierten Gläubigen wieder in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Nicht zuletzt wurde der Jesuitenorden, zu dessen Charakteristika die strenge Ausbildung gehörte, zu diesem Zweck gegründet und vom Konzil approbiert. Vgl. Rice/Grafton, S. 173-175. 85 2 85, Praefatio, fol. A3re und A3ve. Fastidii mater prolixitas. ... Primus est de natura deitatis. Secundus, de operibus conditoris. Tertius, de corruptela peccati. Quartus, de humanitate Christi. Quintus, de sanctificatione gratiarum. Sextus, de virtute sacramentorum. Septimus, de ultimis temporibus, et de poenis malorum, ac praemiis bonorum.
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Hier zeigt sich eine Tendenz, die auch außerhalb der religiösen Literatur zu erkennen ist: Der Leser des späten 16. Jahrhunderts nutzte die Sachkenntnis der Herausgeber, um aus der Vielfalt der von Fachleuten bearbeiteten Themen selbst ein umfassendes Bild der Welt zu gewinnen. Welche Aussagen lassen sich nun auf der Basis der Stichprobe über die Leser religiöser Bücher zwischen 1519 und 1580 treffen? Zunächst wird deutlich, daß am Anfang und am Ende des Untersuchungszeitraumes die katholische Religion unangefochten dominierte. Die Leser wurden als weitgehend passive Rezipienten einer Überzeugung behandelt, die zu hinterfragen sie keine Anregung aus den Büchern erhielten. Gewandelt hat sich während der 61 Jahre allerdings selbst bei den katholischen Büchern die Ausbildung der Leser: Wandten sich die Bücher von 1519/20 ausschließlich an Kleriker, überwiegen 1579/80 die Titel für Laienleser - männlichen wie weiblichen Geschlechts. Die erwartete Leserschaft der religiösen Bücher um die Jahrhundertmitte war heterogener. Synodalstatuten wurden für Geistliche gedruckt, theoretische Texte für humanistisch gebildete Leser, Erbauungsbücher für Lateinkundige und Lateinunkundige, belletristische Werke für kultivierte Französinnen und Franzosen, französische Bibeln für Leser, die der Bibel selbst auf den Grund gehen wollten, Predigtsammlungen sowie Dialogbücher für Zuhörer und Bibelbilderbücher für alle. 86 Im Gegensatz zum Anfang und Ende des Jahrhunderts waren unterschiedliche Positionen zu religiösen Fragen in den Büchern und in den Vorreden erkennbar. Sie regten die Leser an, die katholische Religion nicht als unumstößliche Wahrheit anzusehen, sondern sich selbst eine Meinung zu bilden. Verglichen mit der Vehemenz, mit der die Religionskriege in Frankreich geführt wurden, waren die Auseinandersetzungen in den Büchern sehr gemäßigt. Offene Polemiken und Beleidigungen fanden sich nicht in den Kommunikationsmitteln der Gelehrtenrepublik. Vielleicht kann man dies darauf zurückführen, daß Bücher im 16. Jahrhundert einen anderen Stellenwert hatten als Pamphlete oder libelles, in denen es an deutlichen Aussagen nicht fehlte. Bücher bildeten mit all ihren Widersprüchen die Bibliothek des Weltwissens. Aktuelle politische Aussagen fanden in diesem ehrwürdigen Medium keinen Platz. Eine wichtigere Rolle spielte jedoch sicher die Zensur. Selbst wenn es in Lyon möglich war, in einer Vorrede ein Lob der protestantischen
86
Vgl. Davis, Natalie Zemon, Beyond the market: Books as Gifts in SixteenthCentury France, in: Transactions of the Royal Historical Society, Serie 5, 33(1983), S. 69-88.
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Der rechtskundige Leser
Lyoner Stadtregierung zu veröffentlichen, scheinen deutlichere Worte zum Verbot des Buches geführt zu haben - in der Stichprobe zumindest ist kein Buch enthalten, das sich eindeutig zugunsten der Reformation äußerte.
2. Der rechtskundige Leser: juristische
Literatur
Mit gut 60 Titeln ist die Zahl der juristischen Bücher der Stichprobe ebenso groß wie die der religiösen. Da in Lyon, dem führenden europäischen Verlagsort in diesem Bereich, das ganze Spektrum der überlieferten und der von den humanistischen Gelehrten erneuerten Wissenschaft produziert wurde, ließe sich anhand der Lyoner Produktion die Rezeption und Entwicklung des kanonischen Rechts, des Zivil- und des französischen Partikularrechts gut verfolgen.1 Von Textausgaben des Gewohnheits-, Zivil- und Kirchenrechts über den italienischen scholastischen Kommentar bis zu Traktaten und Monographien der humanistischen Jurisprudenz more gallico sind in der Stichprobe die wichtigsten Textarten vertreten, daneben zahlreiche Konsiliensammlungen und Handbücher. Im folgenden soll jedoch nicht die Entwicklung des Rechts und der Rechtswissenschaft im einzelnen nachgezeichnet werden, vielmehr dienen die Titelseiten und Vorreden der juristischen Bücher sowie deren Format und Gestaltung als Quellen für eine Beurteilung der angesprochenen Leserkreise.2 Untersucht werden soll auch, inwieweit humanistische Präsentations- und Argumentationsmuster in den Vorreden juristischer Texte zu verzeichnen sind und so auf die Rezeption des Humanismus auch außerhalb des engeren gelehrten Diskurses verweisen. Die Repräsentativität der Stichprobe läßt sich prüfen anhand der von Pierre Aquilon edierten Bibliotheksinventare von vier Richtern und Rechtsanwälten am Presidial von Angers.3 Zunächst kann man feststellen, daß die von Aquilon untersuchten, zwischen 1586 und 1592 inventarisierten Bibliotheken der Juristen mit etwa 120 Titeln doppelt so viele juristische Titel enthielten wie die Stichprobe. Hinsichtlich der Zusammensetzung stimmen die Inventare jedoch mit der Stichprobe weitgehend überein. Unterschiede zwischen der Stichprobe und den Juristenbibliotheken gibt es bei den Ausgaben des Gewohnheitsrechts, die in den Bibliotheken der Juristen aus Angers stärker 1 Einen Überblick geben: Wesenberg, Gerhard, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte im Rahmen der europäischen Rechtsentwicklung, Wien/Köln/Graz 4 1985, (zit.: PRG) S. 60-65; Weimar, Peter, Die legistische Literatur der Glossatorenzeit, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Hg. Helmut Coing, Bd. I, München 1973, S. 129-260. 2 Die wissenschaftliche Bearbeitung der überlieferten Rechtsquellen von humanistischen Juristen wurde in Kapitel III. 1. behandelt. 3 Aquilon, avocats. Drei der Anwälte waren auch Professoren an der Universität von Angers.
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vertreten sind, sowie bei den Traktaten der humanistischen Jurisprudenz, die in der Stichprobe in verhältnismäßig großer Zahl vorhanden sind. Als praktisch arbeitende Juristen im Norden Frankreichs, dem Gebiet des droit coutumier, benötigten die Rechtsanwälte in Angers Ausgaben der Coutumes du Maine et du Anjou und des Grand Coutumier
von Charles Du Moulin,
die nur in Paris gedruckt worden waren und daher in der Stichprobe nicht vorhanden sind.4 Die fünf kurzen Traktate des Lyoner Juristen Julien Tabouet wiederum, die 1559/60 in Lyon gedruckt wurden, erschienen nur in dieser einen Auflage und sind ohne Einfluß auf die Entwicklung der französichen Jurisprudenz geblieben. Ihr statistischer Anteil von knapp 10% in der Stichprobe ist nicht repräsentativ. Das verbindende Element aller Juristen, die im folgenden behandelt werden, ist, daß sie lesen konnten und in ihrem Beruf Fachbücher lesen mußten. Im Gegensatz zu humanistischen oder belletristischen Büchern läßt sich daher die Leserschaft juristischer Texte zweifelsfrei benennen. Auch die Autoren lassen sich einordnen: Sie waren ebenfalls Juristen. Gelehrte Fachbücher wurden von Fachleuten für ihresgleichen verfaßt oder herausgegeben. Die Autoren selbst waren Leser der Werke ihrer Kollegen, so daß Autoren und Leser gemeinsam zu einem recht geschlossenen Kreis gehörten. Trotz ihres unterschiedlichen Bildungsgrades bildeten die lese- und schreibkundigen Beamten und Angestellten der königlichen, kommunalen und kirchlichen Justiz gemeinsam die Elite der Gesellschaft. Die interne Hierarchie dieser Gruppe zu rekonstruieren, soll anhand der juristischen Bücher und ihrer Vorreden versucht werden. Um die Rezeption des überlieferten Wissens in Frankreich zu verfolgen, sind die „Juristen" im weiteren Sinne - königliche und städtische Beamte - die wichtigste Gruppe. Sie stellten zahlenmäßig die meisten Bibliotheksbesitzer überhaupt und sind daher für die Frage nach der Rezeption des in Büchern verbreiteten Wissens die interessanteste Gruppe.5 Um die Bürgersöhne auf eine juristische Karriere vorzubereiten, waren die kommunalen collèges seit 1520 eingerichtet worden. Die dort vermittelten 4 Die Grenze zwischen dem Geltungsbereich des geschriebenen, römischen Rechts und dem Gewohnheitsrecht verlief in west-östlicher Richtung durch Frankreich, entlang des nördlichen Randes der Charente und des Limousin, der Südgrenze der Auvergne, am Nordrand des Lyonnais entlang, die Rhône aufwärts bis zum Genfer See. Um 1280 begann man, die regionalen Gewohnheitsrechte, coutumes, niederzuschreiben, 1454 ordnete der französische König deren Aufzeichnung nochmals an. Der Coutume de Paris wurde erst 1510 schriftlich niedergelegt; vgl. Wesenberg, S. 6 0 - 6 2 ; Kelley, Donald R., Second Nature. The Idea of Custom in European Law, Society and Culture, in: The Transmission of Culture in Early Modern Europe, Hg. Anthony Grafton, Philadelphia, Penn., 1990, S. 131-172, hier S. 142-143. 5 Vgl. Doucet, Paris, S. 2 6 - 3 1 ; Labarre, Amiens, S. 196-207 und 244; Aquilon, avocats, S. 5 0 2 - 5 0 6 ; Aquilon, Pierre, La bibliothèque de Jean de la Rebertière, professeur de droit à l'université de Paris en 1585, in: Langage et vérité. Etudes offerts à JeanClaude Margolin, Hg. Jean Céard, Genf 1993, S. 2 1 3 - 2 2 1 , hier S. 2 1 5 - 2 2 0 .
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studia humanitatis galten als Rüstzeug für den sozialen Aufstieg und Vorbereitung für das Jurastudium oder eine Beamtentätigkeit. In den Jurabüchern, den Fachbüchern der collège-Absolventen, müßte daher erkennbar sein, auf welche Weise der Unterricht in den studia humanitatis sich in der Arbeit der Juristen oder in ihrer Selbstdarstellung niederschlug. „Juristen" wird im folgenden als eine weite Kategorie verwendet. Alle im Gerichtswesen Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie über ein Jurastudium verfugten oder nur das collège besucht hatten, werden unter dem Begriff zusammengefaßt. Durch die Art der Quellen ist der Personenkreis allerdings auf diejenigen beschränkt, die für ihre Berufsausübung auf Fachbücher zurückgreifen mußten. Dabei war zwischen einem umfassend gebildeten Hochschulabsolventen, der als avocat du Roi oder lieutenant-général arbeitete, und einem notaire, der nur ein kurzes oder kein Jurastudium absolviert hatte, der Abstand in der sozialen Hierarchie beträchtlich.6 Dies spiegelte sich auch in der Größe und Zusammensetzung ihrer Bibliotheken, die ebenso unterschiedlich waren, wie ihre Besitzer. Religiöse Bücher waren in jeder Bibliothek vorhanden, so auch bei den Juristen. Diejenigen, die höhere Positionen in der königlichen Verwaltung bekleideten, besaßen oft noch ihre alten Schulbücher mit den Texten antiker Autoren sowie eine Auswahl von französischen und antiken historischen Autoren und Sentenzensammlungen. Daneben verfügten sie natürlich über Fachbücher. Die in Lyon für den europäischen Markt gedruckten Ausgaben des Corpus Iuris Civilis waren in ihren Bibliotheken ebenso zu finden, wie einige Kommentare und oft auch eine Ausgabe des Corpus Iuris Canonici. Die Bibliothek von städtischen Notaren und einfachen practiciens hingegen bestand oft nur aus Musterbüchern fur Verträge und ähnlichen Nachschlagewerken. In der Forschung sind die nicht wissenschaftlich arbeitenden Juristen bislang nur untersucht worden, soweit sie führende Positionen in der königlichen Verwaltung einnahmen.7 Worin die konkrete Berufsausübung dieser praktisch arbeitenden Juristen bestand, ist bloß in Umrissen bekannt. Musterbücher und Nachschlagewerke sind für diese Fragen eine hervorragende und bislang un6 Da sich das Jurastudium seit Beginn des 16. Jahrhunderts als hilfreich für den sozialen Aufstieg erwiesen hatte, wundert es nicht, daß in der öffentlichen Verwaltung im Laufe des 16. Jahrhunderts die Zahl der ausgebildeten Juristen zunahm, selbst in Bereichen, die ursprünglich kein Jurastudium erfordert hatten, wie zum Beispiel bei den Notaren; vgl. Lloyd, Howell A., The State, France and the 16th Century, London 1983, S. 42; Mousnier, Roland, Le conseil du Roi de Louis XII à la Révolution, Paris 1970, S. 17-19; Reulos, Michel, L'Interprétation des compilations de Justinien dans la tradition antique reprise par l'humanisme, in: L'humanisme français au début de la Renaissance, Paris 1973, S. 273-286, S. 283. 7 Cremer, Albert, Bürger am Hof. Versuch und Scheitern am Beispiel der Richter am Pariser Parlament 1650-1610, in: Mentalitäten und Lebensverhältnisse. Beispiele aus der Sozialgeschichte der Neuzeit (FS Vierhaus), Göttingen 1982, S. 191-204.
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entdeckte Quelle. 8 Sie sollen neben den übrigen juristischen Texten als Indizien für die vermutete Beziehung zwischen humanistischer Bildung und Standesbewußtsein dienen. Außerdem wird die Verschiedenartigkeit der juristischen Bücher in Beziehung gesetzt zur Differenzierung innerhalb der Berufsgruppe der Juristen. Bücher in lateinischer
Sprache
Die Vielfalt der juristischen Bücher zeigte sich bereits auf den Titelseiten. Es gab Monographien und Traktatsammlungen, die von humanistisch-philologisch arbeitenden Juristen verfaßt worden waren und deren Titelseiten sich an klassischen Textausgaben orientierten. Daneben gab es auf juristischen Büchern die traditionell werbenden Titeltexte, die für nicht-humanistische Bücher typisch waren. Darin wurden Autor sowie Inhalt des Buchs genannt und die Qualität der Ausgabe gerühmt. Der Titeltext des Dekretalenkommentars des italienischen Kanonisten Felino-Maria Sandeo, der seit 1486 als Jurist im Dienste des Papstes arbeitete, wurde beispielsweise folgendermaßen angepriesen: „Erster Band des berühmtesten und unwidersprochen besten Doktors Felinus, der, nehmt es mir nicht übel, ihr anderen Kanonisten, kein Rätsel des kanonischen Rechts ungelöst ließ. Es enthält den Ertrag der feinsinnigsten Kommentare über die fünf Dekretalenbücher des Herrn Felinus Sandeus aus Ferrara, des Hörers des Zivil- und Kirchenrechts. Nebst den gelehrtesten Herren des Gerichts von Sempronia Benedictus Vadus und Andrea Mocenigo. Johannis de Gradi legte an dieses Werk die letzte Hand an. Er erläuterte es durch sowohl nötige als auch nützliche Zugaben und stellte den Kapiteln Zusammenfassungen voran, besonders nützliche Postillen der berühmtesten Professoren beider Rechte und dazu bei 1000 Stellen die Zurückführung derselben zum wahren Original. Das Repertorium des vorgenannten Herrn Benedictus Vadi enthält Indices der Kapitel nach Titel, Seiten, Nummern und Versen, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat. Besonders fein und vollständig hergestellt in Lyon." 9 8
Im Rahmen der Untersuchung können sie nicht erschöpfend behandelt werden. 17, Titel. Primum volumen Felini clarissimi irrefragabilisque doctoris. ac qui/pace aliorum canonistarum dixerim/ius canonici nullum enigma ignoravit. domini Felini Sandei ferrariensis: sacri palatii auditoris: commentaria subtilissima frugi quoque in quinque libros decretalium. cum clarissimorum dominorum Benedicti Vadi foro sempronienisis. Andree Mocenigo. Necnon Joannis de gradibus/qui extremam huic operi apponens manum illud ubi opere precium visus fuit: non minus necessarius quam utilibus additamentis illustravi et summaria ante capitula apposuit/iuris utriusque professorum utilissimus apostillis. ac cum in mille locis ad verum originale illius reductione. Quod repertorio prenominati domi. Benedicti vadi: cum capitulorum post titulos: foliorum: numerorum: versiculorum quoque/huiusque non fuerat: indicibus. castigatissime ac piene actum Lugduni. Ähnlich lang ist der Titel des Dekretalenkommentars von Henri Bouhic, Nr. 28. Bis zum Ende des Jahrhunderts wurde für Nachdrucke der scholastischen juristischen Texte die ausführliche Titelseite beibehalten. Zur Biographie vgl. Felino-Maria Sandeo (1444-1503): NBG 43, 279; Schulte, Bd. 2, S. 350. 9
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Die Jurabücher unterschieden sich in der Art des Titeltextes weder von mittelalterlichen Geschichtsbüchern noch von Predigtsammlungen. Allerdings schlug sich die Tradition der Gerichtsrede auf den Titelseiten der Jurabücher nieder. Ihr Wortreichtum wurde von keiner anderen Buchart übertroffen. Fast kein Adjektiv ließ sich in den Titeltexten der scholastischen Kommentare finden, das nicht bis zum Superlativ gesteigert war, kein Lob war den Verlegern zu überzogen, um die Vorteile ihrer Ausgaben den Buchkunden deutlich zu machen. 10 Je länger der Titeltext, desto kürzer die Vorrede, so könnte man etwas vereinfachend das Verhältnis zwischen der Titelseite und den ersten Buchseiten der juristischen Veröffentlichungen beschreiben. Bei einigen Ausgaben mit besonders langen Titeltexten wurde gar ganz auf Vorworte verzichtet. 11 An den langen Titeltexten erkannte der juristische Buchkäufer scholastische Kommentare, die er zum Nachschlagen benötigte. In dieser Aufmachung erschienen jedoch nicht nur bewährte Texte, sondern ebenfalls neu verfaßte Handbücher und Lexika. Das Lexicon iuris civilis et canonici des humanistischen Juristen Pardulphe DuPrat, das 1566 erstmals erschien und 1580 bereits zum dritten Mal aufgelegt wurde, präsentierte der Verleger Rouillé seinen Kunden mit den Worten: „Lexikon des Zivil- und Kirchenrechts oder eher Bedeutungskommentar der Worte, die zu beiden Rechten und zu den überlieferten Sitten der Römer gehören, vermehrt um einen äußerst umfangreichen Index der Gesetze des römischen Volkes. Einst von einem gewissen Pardulphe DuPrat mit Eifer verfaßt, nun durch den Fleiß einiger sehr gelehrter Männer so hergerichtet und erklärt mit den Ausdrücken, die in allen Ausgaben aller enthalten sind und so zahlreich und berühmt und bisher nicht benutzt sind, damit zu seinem außerordentlichen Glanz nichts weiter gewünscht werden kann. Was außerdem in dieser dritten Ausgabe herausragend ist, wird dich der Brief an den Leser lehren." 12 10 Zur scholastischen Jurisprudenz vgl. Troje, S. 617; Coing, Helmut, Die juristische Fakultät und ihr Lehrprogramm, in: PRG I, S. 39-128, hier S. 56. 11 Vgl. Nr. 17, 18, 45, 52, 95, 99, 250. Die Saliceto-Ausgabe von 1560 enthielt ein Kolophon, das allerdings nicht auf den Inhalt des Buches einging. Der Drucker wies darin seine Verantwortung für mögliche Fehler im Text zurück und tat seinen Unmut über unqualifizierte Kollegen kund, die den Text entstellt hätten. Es ist wahrscheinlich, daß das Kolophon nicht vom Drucker dieser Ausgabe verfaßt wurde, sondern daß es aus der Vorlage übernommen worden ist. Seit etwa 1520 wandte sich der Drucker - wenn überhaupt - am Anfang des Buches zu Wort. Kolophone stammen aus der Inkunabelzeit. 12 227 j Xitel. Lexicon iuris civilis et canonici sivi potius, commentarius de verborum quae ad utrumque ius pertinent significatione, Antiquitatum Romanorum elementis et legum Pop. Rom. copiosissimo indice, adauctus. Olim quidem Pardulqus Prateius diligentia informatus: nunc verodenuo doctiss. aliquot virorum industria ita constructus, et supra omnes omnium editiones tarn multis et praeclaris et hactenus non explicatis dictionibus illustratus, ut ad eius eximium splendorem et nihil desiderari posssit. quid praeterea in hac tertia editione praestitum sit, epistola ad Lectorem docebit.
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Obwohl es sich bei DuPrats Lexikon um das Werk eines humanistischen Juristen handelte, reihte der Verleger es nicht unter die Bücher ein, die durch ihre Titelseite andeuteten, daß sie den Zugang zur exklusiven Welt der Bildung eröffneten. Vielmehr formulierte er auf der Titelseite einen offensiven Werbetext, in dem er jeden Leser aufforderte, die Schwelle des Buches - die Titelseite - zu überschreiten und sich im vestibulum des Buches, im eigens für den Leser verfaßten Vorwort, von den Qualitäten der Ausgabe zu überzeugen.13 So sollte der Leser unmittelbar mit dem Gebrauch des Buches beginnen. Nicht der Autor, sondern die intendierte Leserschaft beziehungsweise die intendierte Lesehaltung waren für die Gestaltung der Titelseite maßgeblich, wie das Beispiel zeigt. Dennoch behielt man nach dem Vorbild der Aldinen die „humanistische Ausstattung" für Werke aus dem gelehrten Kontext bei, auch als diese gegen Ende des Jahrhunderts deutlich vielfältiger geworden waren. Die Unterscheidung wurde beibehalten: Bücher, deren Inhalt Antwort auf konkrete Fragen gab, sprachen den Leser in einem Titeltext direkt an, baten ihn, in das Buch einzutreten. Juristische Bücher hingegen, die von humanistischen Juristen für gelehrte Leser veröffentlicht wurden oder Rechte und Privilegien einer kleinen gesellschaftlichen Gruppe, wie der Rechtsanwälte bei Gericht oder der Soldaten, enthielten, gaben sich bereits auf der Titelseite reserviert.14 So erschienen die Werke der Vertreter des mos gallicus und Professoren aus Bourges André Tiraqueau und Jaques Cujas mit schlichten Titelseiten, ebenso die Sammelbände der berühmten Juristen Andrea Alciato und Rodrigo Juarez.15 Das Aussehen der Titelseite zeigte die Nähe des jeweiligen Textes zur res publica literarum. Am besonders schlicht gehaltenen Titel erkannte der humanistisch gebildete Leser die für ihn gedachten Texte.16
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Die Bezeichnung vestibulum verwendete Jean Crispin. Nr. 321. So z . B . N r . 186. 15 Nr. 263, 265, 264, 298, 154, 174, 212. 16 Die Fragen nach der Beziehung zwischen Leser und Titelseite, sowie zwischen Titelseite und Buchinhalt stellte auch Wolfgang Harms anhand von Titelseiten naturkundlicher Bücher. Er vermutete, daß die Verleger mit Hilfe einer illustrierten Titelseite einem neuen Text besondere Würde verleihen wollten. Doch diese These läßt sich nicht halten. Nicht die Würde des Autors ist entscheidend ftlr die Gestaltung der Titelseite, sondern der Bezug zur gelehrten Bildungstradition. Texte antiker Autoren konnten durch die Rezeption ihre Funktion verändern. Wenn sie zu einem Speicher praktisch verwertbaren, nützlichen Wissens wurden, der zudem durch einen auf der Titelseite angekündigten volkssprachigen Index erschlossen wurde, legten sie ihre humanistische Titelseite ab; vgl. Wolfgang Harms, Zwischen Werk und Leser. Naturkundliche illustrierte Titelblätter als Ort der Vermittlung von Autor und Lesererwartungen, in: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit (Symposium Wolfenbüttel 1981) Hg.v. Ludger Grenzmann und Karl Stackmann, Stuttgart 1984, S. 4 2 7 - 4 6 1 , hier S. 434. 14
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Wie nun stellten sich Autoren, Bearbeiter und Verleger ihren Lesern dar, nachdem diese die Schwelle des Buches hinter sich gelassen hatten? Einige juristische Gebrauchstexte enthielten zusätzlich zur werbenden Titelseite ein kurzes Vorwort des Herausgebers. 17 Dieser wandte sich oft nicht an einen Mäzen, wie die Editoren klassischer Texte, sondern an den Leser oder an die Rechtsgelehrten. Das „dem Verstand der Heranwachsenden vorzügliche angemessene" Breviarium von Jean Faure wurde für Tyrunculi, Anfanger, gedruckt, denn 18 „diejenigen, welche sich um ihre Vorhaben bemühten, die sie Prunkreden nannten, benötigen dafür das gesamte Gesetzeskorpus als Proviant."19 „Ich wollte freilich eure Studien, heranwachsende Gelehrte, durch meine Bemühungen, von denen ich weiß, daß sie weniger als mittelmäßig sind, unterstützen", ließ der Verleger Jean Crispin die Leser seines Institutionenlehrbuches wissen.20 Entsprechend der studentischen Finanzlage erschienen beide Bücher im Oktavformat. Sammlungen der Consilia und Decisiones, die aus der juristischen Praxis entstanden waren, wurden oft als besonders nützlich auch für Studenten beschrieben.21 Das Lexicón iuris civilis von DuPrat sollte den Gelehrten des Zivilrechts und den Anfangern auf diesem „langen Weg" eine Hilfe sein.22 Die scholastischen Kommentare und Konsiliensammlungen wandten sich auf ihren Titelseiten und in ihren Vorreden an iuris studiosi, an Rechtsgelehrte. Einige anspruchsvollere Quaestionensammlungen, die rein theoretische Rechtsfragen behandelten, nannten als Adressaten wissenschaftlich arbeitende Juristen und Richter an den Parlamenten.23 Für die juristische Literatur in lateinischer Sprache wurden nur Fachleser erwartet. Bei der Beschreibung ihrer Arbeit am überlieferten Text orientierten sich die juristischen Herausgeber an den Vorreden humanistischer Editoren und belegen so, daß sich als wissenschaftlicher Standard für die Bearbeitung von Texten die humanistische Textkritik durchgesetzt hatte. So klagte Matheus Quadrigarius im Jahre 1520 über den schlechten Zustand, in dem er das Bre-
17
Nr. 28, 34, 35, 121, 204, 304, 306. 34.2, fol. a3ve. notas adolescentulum ingeniis apprime acommodatas. Zur Biographie vgl. Jean Faure, auch: Johannes Faber (7-1340): ABF 630, 285-287. 19 34.2, fol. a3re. Quibus in expeditionem aliquam (quam comissionem vocant) tendentibus totius legalis corporis opus fuit vectura. 20 321, fol. A3 ve. Volui quidem certe studiis vestris, studiosi adolescentes, industria mea aliqua, quam infra omnem mediocritatem esse agnosco, consulere. 21 Nr. 121, 133, 212, 288. 22 3 27, fol. **3re. iuris civilis studiosis ... ingessurisque longissimum iter. 23 Nr. 174 und Teile von Nr. 212 und 298. 18
162 viarium super Codice erhalten hatte:
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Johannes Fabers von seinen Studenten zur Bearbeitung
„Anfangs war ich von der unglaublichen Seuche so erschreckt, daß ich kaum den Schritt zurückhalten konnte. Und wenn ich auch wünschte, energisch die Fehler zu beseitigen, wurde ich doch bald von dieser Verlockung abgeschreckt, von diesem Reiz gehemmt und von diesem Antrieb gezügelt, denn es wimmelte überall von fehlerhaften Ausdrucksweisen und Fehlern. So viele literarische Redewendungen waren nicht nur verändert, sondern geradewegs zerstört und zeigten sich wie häßliche Fratzen. Ich fühlte mich, als wäre ich unter eine Herde von lybischen Schlangen geraten, umzingelt wie in der Schlucht der Thermopylen, schließlich als wäre ich (wie man sagt) bei den Cimmern in Trübsal und endlose Finsternis eingehüllt." 2 4 Wenn auch kaum ein Emendator eine so bildreiche Sprache wählte, befand sich Quadrigarius mit seinem Lamento doch in bester humanistischer Tradition. Auch bei seiner Verbesserungsarbeit wahrte er die von den Philologen entwickelte Vorgehensweise: „Ich habe nicht wenige Exemplare zusammengesucht, eines aus und viele von anderen Orten. Als ich sie zusammengestellt hatte, ich nach Kräften darüber, Fehlendes hinzuzufügen, Falsches zu sern, Überflüssiges herauszustreichen. ... Es gab Gewährsleute, von mir Bearbeitete prüfen sollten." 25
Angers brütete verbesdie das
Verschiedene Handschriften zu vergleichen und daraus eine verbesserte Textversion anzufertigen, stellten die humanistischen Philologen in ihren Widmungsbriefen als ihre Tätigkeit vor. Wenn das Ergebnis dann noch Fachkollegen zur Durchsicht vorgelegt wurde, waren die besten Voraussetzungen für eine korrekte Textfassung gegeben. Der Gruß des Druckers Benedict Boyn an den Leser in einer Ausgabe der Entscheidungssammlung von Guy de LaPape ist zwar weniger wortreich, doch von ähnlichem Inhalt. „Da dieses Buch den Gelehrten des Rechts von nicht kleinem Nutzen sein wird, sahen wir es als unsere Aufgabe an, es bald zu drucken. Wir haben viele Fehler korrigiert, damit die lieben Leser nicht ungewiß und im Herzen schwankend zurückbleiben. Wir fügen diese Edition mit zwei weiteren 24 34, fol. alve. Primo in lumine immensa lue ita sum absterritus ut pene gradum represserim ac licet vehementer errores exstirpare cuperem: ipsis tarnen illecebris deterrebar/stimulis refrenebar/atque incitamentis cohibebar Soloecismi nempe defectusque innumeri ubique scatebant: tot literarum dictionum orationumque conversarum/immo prorsus eversam larve deformes extabant: ut mihi serpentum lybicos greges versari viderer/thermopylas angustiis claudi/denique cimmeriis (ut aiunt) tenebris perpetuaque obvolui caligine. 25 34, fol. a2re, Z.64-70. Exemplaria non pauca unum ex Andegavensi bibliotheca: aliaque multifariam exquisivi. eis collatis pro viribus insudavi que deerant suggerere/eversa reformare/superflua expungere atque elimare: ... Testes erant qui transcriptum a me emendatum viderint.
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Bänden zusammen, die gut gedruckt und mit der Hand geschrieben waren. Wir haben dieses Büchlein so verbessert, daß es, so gut es bisher war, nun noch gestraffter in die Hände der Leser gelangen kann."26 Uneigennützig war diese Form der Präsentation eines Textes nicht. Der Leser, zu dessen Wohl die Herausgeber keine Kosten und Mühen scheuten und sich selbst von häßlichen Fratzen nicht erschrecken ließen, schuldete seinen heldenhaften Wohltätern Dank und Anerkennung - indem er das Buch kaufte. Die Vorreden von juristischen Gebrauchstexten waren wie die ausführlichen Titeltexte in erster Linie Werbetexte. Von den hier zitierten Vorwortautoren wurden die philologischen Methoden der humanistischen Gelehrten als Werkzeuge der Textverbesserung verwandt. Der moralische Ansprach der neuen Wissenschaftsbewegung, der auf ein tugendsames Leben seiner Anhänger nach antikem Vorbild Wert gelegt hatte, blieb dagegen unberücksichtigt. Wie die Verbindung von Tugend und Bildung möglich gewesen wäre, läßt sich an einer einzigen Vorrede zeigen, dies ist zugleich der älteste juristische Text der Stichprobe. Antoine de Rambaud, jüngster Professor am Gericht von Grenoble, stellte in seinem Vorwort von 1503 eine Verbindung zwischen seinem Handeln und den antiken Vorbildern her. „Es ist uns nämlich von Natur aus die Begierde nach dem wahren Guten angeboren, wie Leonardo Aretino ... sagt. Und auch aus anderer Quelle wird von Marcus Tullius bezeugt, daß wir für andere geboren sind. Jeder soll zum Wohle der Gemeinschaft so viel beitragen wie er nach seiner Begabung und seiner Arbeit vermag. Denn wie Aristoteles, der Prinz der Peripathetiker, über das Gute sagt, ist es je allgemeiner, desto besser."27 Er führte im folgenden aus, die Sorge um das öffentliche Wohl habe ihn seinerseits bewegt, die Entscheidungen von Guy de LaPape zu bearbeiten und herauszugeben. Rambaud verfaßte den Text 1503, in einer Zeit, in der humanistische Bildung noch auf einen kleinen Kreis von Gelehrten beschränkt war, die in brieflicher Verbindung standen. Rambauds Vorrede war daher, wie die
26 121, fol. aalve. Libellum hunc iuris studiosis non exigue utilitati futurum/proxime lapis diebus cum typis nostris excusuri essemus/multa subinde corrupta offendimus/que ne ancipites ac animi pendentes lectores candidos remorarentur/contulimus hanc editionem cum bis codicibus qui fuerant accurate impressi/ac manu scripti: opulusculumque hoc sic emaculavimus/ut quam hactenus fuerit multo castigatius in manus hominum nunc exeat. Zur Biographie vgl. Guy de LaPape (um 1400 bis um 1470): ABF 806, 87-129; Holthòfer, S. 112. 27 35, fol. bbóre. Est enim veri boni a natura nobis ingenerata cupido. Ut dicit Leonardus aretinus ... Et ut alibi testificatur fons eloquentie Marcus Tullius aliis quoque et nati sumus: et tantum quidem est in communem hominum societatem conferendum quantum quisque et ingenio et opere ac labore assequi valuerit. Quoniam ut inquit Aristoteles princeps ille peripatheticorum omne bono quanto communius tanto melius.
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Widmungen der Klassikerausgaben dieser Zeit, auf den humanistischen Briefkodex verpflichtet. Der Versuch, Beziehungen in einem exklusiven Kreis von Gebildeten zu stiften, indem man sich auf gemeinsame Bekannte berief oder die amicitia beschwor, war in den Vorreden juristischer Texte nicht zu finden. Die Ausgrenzungsstrategien, die humanistische Editoren der antiken Textausgaben so souverän beherrschten, ließen die Vorwortautoren der juristischen Texte ungenutzt. Juristische Textausgaben für den allgemeinen Gebrauch waren offenbar nicht der Ort, an dem gelehrte Netzwerke geknüpft wurden. Dennoch wäre es verfehlt, dabei eine absichtliche Öffnung des Leserkreises zu vermuten, denn die Interessenten für juristische Fachliteratur, die oft in dicken Foliobänden erschien, blieben ohnehin begrenzt. Zudem benutzten nicht wenige Juristen einen anderen Weg, sich von weniger Gebildeten zu unterscheiden. Mit kurzen lateinischen Bonmots schmückten sie ihre Reden und Schriften und dokumentierten damit ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der in der neuen Wissenschaft Gebildeten. Als Absolventen der Universität, die zuvor die Grundlagen der studia humanitatis bei einem Hauslehrer oder in einem collège kennengelernt hatten, verfügten sie über einen Bildungsschatz, mit dem sie wuchern konnten. Schließlich hatten sie eine Auswahl lateinischer Autoren intensiv studiert und einige griechische Autoren in Übersetzung gelesen. Zudem kannten viele Juristen gelehrte Sprichworte und Redewendungen, denn Florilegien und Sentenzensammlungen gehörten zu ihren Bibiotheken. Zitate griechischer
Autoren
Tatsächlich zeichnet sich unter den Texten der Stichprobe ab, daß im Laufe des Jahrhunderts der Bezug auf die Antike häufiger wurde. Zitierten in den 24 juristischen Buchausgaben der Stichprobe bis 1540 nur drei Autoren einen antiken Autor, waren es in den 39 Ausgaben der Jahre 1559 bis 1580 dreizehn.28 Es stellt sich daher die Frage, wie der Bezug zur antiken Überlieferung im einzelnen hergestellt wurde. Dabei lassen sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen feststellen: Entweder es werden griechische Autoren in griechischer Sprache und griechischen Lettern zitiert, oder lateinische und griechische Autoren in lateinischer Sprache. Zunächst zu den griechischen Zitaten.29 Nur sehr wenige Autoren von Vorreden juristischer Texte gaben griechische Zitate in ihrer Originalsprache 28
In der Zeit bis 1540 sind es Rambaud, Quadrigarius und der humanistische Verleger Etienne Dolet. Nr. 34, 35 und 62. In der Zeit nach 1540 sind es die Autoren der Titel Nr. 160, 174, 194, 195, 196, 197, 212, 251, 276, 284, 298, 321, 327. 29 Hin und wieder findet man Fachtermini aus dem griechischen wie Antinomia oder Isagoge in ihrer Originalschreibweise. Um diese zu entziffern dürften die Griechischkenntnisse eines collège-Absolventen vermutlich ausgereicht haben. Sie werden hier nicht als Zitate verstanden.
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wieder. Von den in der Stichprobe in den Produktionsjahren bis 1560 vertretenen Autoren taten dies lediglich der Lyoner Jurist Pardoux DuPrat und der Italiener Andrea Alciato, der in Frankreich lebte. Bei den Büchern, in denen griechische Zitate verwendet werden, handelt es sich um die Jurisprudentia vetus von DuPrat30, die eine Edition griechischer Rechtsquellen darstellt, sowie um eine Sammelausgabe, an der beide Juristen beteiligt waren: Alciato als Autor juristischer Traktate und Kommentare sowie Autor einer Vorrede und DuPrat als Herausgeber der Texte von Alciato, für die er zusätzlich ein eigenes Vorwort verfaßte.31 DuPrat gehörte zu den besten Kennern der griechischen Sprache unter den Juristen seiner Zeit. Er veröffentlichte zusätzlich zu dem genannten Text ein Rechtswörterbuch, das auch griechische Begriffe erläuterte.32 Daß er in seinen Vorreden griechische Zitate verwendete, verwundert daher nicht. In der Vorrede seiner eigenen Jurisprudentia vetus beschränkte er sich auf kürzere Zitate von einer Zeile Länge. In der Vorrede zur posthum erschienenen Commentaria-Ausgabe von Andrea Alciato33 zitierte er allerdings Xenophon über drei lange Foliozeilen, ohne eine lateinische Übersetzung oder Paraphrase zu geben. Alciato selbst hatte in seiner eigenen Vorrede zu einer Teilausgabe der Lyoner Edition seiner Texte eine Sentenz von Homer in der Originalsprache zitiert. Man kann vermuten, daß es für DuPrat und Alciato, die beide wissenschaftlich arbeitende humanistische Juristen waren, zu den Selbstverständlichkeiten gehörte, beide alten Sprachen zu benutzen. Indem sie in griechischer Sprache zitierten, verwiesen sie auf den gelehrten Diskussionskreis, in dem sie verkehrten. Es dürfte ihnen jedoch nicht unbekannt gewesen sein, daß die überwiegende Zahl ihrer Leser - selbst wenn es sich um studierte Juristen handelte - des Griechischen nicht mächtig war. Man könnte daher vermuten, daß sie mit dieser Vorgehensweise nicht nur ihre eigene Zugehörigkeit zu einem Kreis von wissenschaftlich arbeitenden Juristen zum Ausdruck bringen wollten, sondern gleichzeitig auch weniger gebildeten Lesern demonstrierten, daß diese nicht zu dem herausgehobenen Kreis der Griechischkundigen gehörten. Die griechische Sprache war möglicherweise ein Einschließungs- und Ausschließungsmerkmal. Als weiteres Indiz für diese Vermutung kann die Ausstattung der Bücher herangezogen werden. Die Jurisprudentia vetus war - wie andere Editionen überlieferter Texte - einem Mäzen in hoher Position gewidmet, dessen humanitas und Rechtskenntnis in der Widmung gelobt wurden. In seiner Präsentationsform (kleines Format, schlichte Titelseite) glich es den Aldinen
30 31 32 33
Nr. 160. Nr. 212. Nr. 327. Andrea Alciato (1492-1550) Zur Biographie vgl. NBG 1, 697.
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und wandte sich so an einen exklusiven Leserkreis. Die griechischen Zitate begründeten die Exklusivität jedoch nicht, sie unterstrichen sie lediglich. Alciatos Commentaria erschienen zusammen mit anderen Texten des Autors 1560 in einer siebenbändigen Folioausgabe. Auch wenn es sich nur um eine Auswahl seiner Texte handelte, wurde sie wie eine Gesamtausgabe präsentiert. Sehr sorgfaltiger Satz, sehr feines Papier und eine imposante Größe zeichneten die Edition aus. Die Bände wurden durch einen gemeinsamen Index erschlossen, so daß der Kauf eines Einzelbandes wenig sinnvoll war. Alle Bände zusammen aber stellten eine erhebliche Investition dar. Der Kreis der Käufer dieser Ausgabe dürfte sich auf gut situierte Juristen beschränkt haben. In der Vorrede der Paradoxa Dispunctionesque von 1529, die in der Edition von 1560 enthalten war, machte Alciato deutlich, daß er für ein genau definiertes Publikum schrieb. Sein Text enthielt ein Plädoyer für die humanistische Rechtswissenschaft und war durchaus darauf bedacht, weniger gebildete Juristen zu diskreditieren. „Ich habe dieses Werk nicht veröffentlicht, um den Ruhm zu erstreben, nach dem dieses Jahrhundert so begierig ist, sondern weil ich die Ansicht der Doktoren, die ebenfalls unsere Studien als ihr Fach angegeben haben, untergraben wollte, die meinen, daß die Kenntnis der bonae literae für Rechtsgelehrte nicht nur unwichtig sei, sondern daß man sich dieser reizenden Lust für alle Studien widersetzen müsse. Wie Odysseus den Seeleuten müsse man sich die Ohren mit Wachs verschließen, damit man von dem Gesang der Sirenen nicht abgelenkt würde. Was von ihnen alles Falsches gesagt wurde, kann ich nicht gleichmütig berichten. Es scheint eine Eigenart der Menschen zu sein, daß sie gerne verurteilen, was sie selbst nicht vermögen." 34
In diesem Duktus fuhr Alciato über drei ganze Folioseiten fort und schloß mit einer kurzen Sentenz in griechischen Lettern. Man kann davon ausgehen, daß es sein Ziel war, Leser auszuschließen. Er wandte sich nur an diejenigen, die seine Wertschätzung des Humanismus teilten und griechische Zitate verstanden. Vier Vorreden juristischer Bücher aus den Produktionsjahren 1579/80 enthalten Zitate antiker Autoren in griechischer Sprache. Verfaßt wurden sie in allen Fällen von Verlegern. Jeanne Giunta, Jean Crispin, Guillaume Rouillé 34 212, Bd. 6, fol. AAa2re. quod opus non tam ut gloriam, cuius ille aetas solet esse avissima, captarem, a me editum fuit, quam ut aliquo modo Doctorum, qui turn studia hac nostra profitebantur, judicium convellerem, qui bonarum literarum cognitionem non modo Iureconsulto non necessarium ubique inclambant, sed contrarium potius, et seriis omnibus studiis blanda quadam et illici voluptate repugnantem: quapropter non secus quam a navigantibus Homericae illae Syrenes evitandam, Ulyssisque exemplum imitandum qui se malo navis alligavit, sociisque aures cera illivit, ne vocum modulatione capti, coeptum cursum non tenerent. quae ab eis ut non prorsus in omnibus falsa, absque tamen delectu ubique praedicari aequo animo ferre non poteram: quoniam fieri hominum more apparebat, ea libenter damnantium, quae assequi ipsi non potuerunt.
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und ein anonymer bibliopola stellten damit unter Beweis, daß sie als Verleger den wissenschaftlichen Autoren kompetente Gesprächspartner waren.35 Sie präsentierten sich nicht als Kaufleute und Handwerker, sondern blieben auch nach dem Ende der Blütezeit des Lyoner Buchdrucks und trotz der unruhigen Zeiten dem Ideal des humanistischen Verlegers verpflichtet.36 Möglicherweise waren sie, die Verleger, die letzten, die sich für die humanistische Bildung einsetzten. Ob es überhaupt noch Leser für griechische Texte gab, nachdem das städtische Schulwesen an Bedeutung verloren hatte und die Zahl der lateinischen Publikationen sank, ist an dieser Stelle nicht zu klären. Der Tod der letzten Generation der humanistischen Verleger am Ende des 16. Jahrhunderts wird in der Forschung jedoch als Indiz für die Krise des Humanismus angesehen.37 Zitate lateinischer
Autoren
An der Verwendung lateinischer Zitate in Vorreden läßt sich nachweisen, wie eng das Zurschaustellen von humanistischer Bildung mit Profilierungsabsichten zusammenhing. Rückgriffe auf die Antike finden sich nach 1540 fast nur in Widmungen relativ unbedeutender Juristen, die zumeist ein öffentliches Amt bekleiden (z.B. Adrien Poulve als Rechtsanwalt oder Julien Tabouet als Finanzbeamter), an weltliche oder kirchliche Würdenträger in sehr hohen Positionen (Bischöfe, Kanzler, Fürsten).38 In ihren Texten benutzten die Autoren die Zitate so, wie es Erasmus vorgeschlagen hatte: als Metaphernblitze und Sentenzbrillanten.39 Mit dem scharfen Auge des Lynceus habe man sich auf die Suche nach Fehlern gemacht, betonte DuPrat. Um den wahren Sinn der fehlerhaft überlieferten Autoren zu ergründen, müsse man eher eine Sphinx sein als ein Jurist, beschrieb Gabriele Saraina die Schwierigkeit seiner Arbeit.40 So wie die Spartaner ihre Kriegszüge unter den Schutz der Götter 35
Nr. 284, 321, 327, 304. Es ist nicht sicher, ob Jeanne Giunta die Widmung selbst verfaßt hat. Baudrier nimmt an, daß sie nicht lesen und schreiben konnte und auch nicht eigenhändig unterschreiben konnte. In diesem Fall wird sie einen Gelehrten mit dem Verfassen des Textes beauftragt haben. Sicher ist aber, daß sie um die Bedeutung eines Textes auf den ersten Seiten eines Buches wußte, und ihrem "ghostwriter" die entsprechenden Vorgaben gemacht hatte; vgl. Baudrier, VI, S. 338. 37 Vgl. Maclean, Ian, scholarly books, S. 17-18. 38 Zur Biographie vgl. Julien Tabouet, auch: Taboetius (um 1500-1562): Grente, S. 657; NBG 44, 758f; Berriot, Papón, S. 206. Adrien Poulvé, auch: Pulvaeus (um 1520?): Schulte, Bd. 3, S. 560. 39 Vgl. Nr. 33. Übersetzung nach: Collected Works of Erasmus, Bd. 1, Toronto 1977, S. 257. 40 212, Bd. 1, fol. *5re. errata quaedam inter excudendam admissa depraehendi, quae vel Lyncei oculatissimi aciem effugeret; 251, fol. +3re, ut Sphinge potius, ..., quam Jurisconsulto, ad verum authoris sensum eruendum, et interpretandum opus esset; Zur Biographie vgl.: Gabriele Saraina (um 1540-1590): ABI 888, 309. 36
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gestellt hatten, stellten die Autoren nun ihre Werke unter den Schutz ihrer Gönner, spann F. Suarez die Vergleiche zwischen Antike und Gegenwart weiter - und ging damit möglicherweise doch etwas zu weit.41 Keiner der Autoren, der sich auf die Überlieferung bezieht, ging inhaltlich auf seine antiken Gewährsleute ein: Mehr als name-dropping fand oft nicht statt. Dem juristischen Autor war nicht daran gelegen, ein antikes Bildungsideal wiederzubeleben. Er benutzte die Zitate nicht als Teil eines komplexen Systems, sondern lediglich als Versatzstück zur Illustration. Eine weitere Möglichkeit der Profilierung bestand darin, die Wichtigkeit des Gegenstandes zu betonen, mit dem man sich befaßte. Gesetze galten für alle Menschen gleichermaßen, jeder mußte sich ihnen beugen und ohne sie konnte ein Gemeinwesen, zumindest nach Ansicht der Juristen, nicht funktionieren. Die Juristen als Sachwalter der Gesetze und damit der République standen so über allen anderen Bürgern. Die juristischen Autoren und Herausgeber waren sich in diesem Punkt so einig, daß man aus ihren Vorreden ein gemeinsames Gespräch zu hören meint: „Wer auch immer darüber nachdenkt, den v o l l k o m m e n e n Zustand des G e m e i n w e s e n s richtig herzustellen, muß zuerst mit großem Eifer dafür sorgen, daß das G e m e i n w e s e n mit W a f f e n und G e s e t z e n w i e mit gut errichteten Fundamenten außerordentlich gut befestigt ist,"
begann Claude Coterau seinen Widmungsbrief an den Cardinal Du Beilay.42 Adrien Poulvé führte diesen Gedanken fort: Noch in einem gut errichteten Gemeinwesen „legen unsere juristischen Autoren auf nichts größeren Wert als darauf, w i e Frieden und Eintracht der Bürger untereinander in dieser menschlichen G e s e l l s c h a f t beibehalten und befestigt werden kann ... K e i n e s w e g s soll sie durch Meinungsverschiedenheiten erschüttert werden, denn oft greifen die streitenden Parteien zu W a f f e n und schon beginnt ein Gemetzel." 4 3
Der Gefahr eines Blutbades unter der Stadtbevölkerung konnten die Juristen vorbeugen, zumal Verleger wie Philippe Tinghi ihnen halfen. Sein Ziel war es,
41
174, fol. aa2re. 62, fol. Aire. Quicunque perfectum Reipublicae statum recte constituere meditantur R.P. magnum primo studio providere illi debent, ut et in armis, et legibus, tanquam bene iactis fundamentis, eximie sit ea stabilita. Es handelt sich um eine Abhandlung über Rechte und Privilegien der Soldaten, daraus erklärt sich die große Rolle, die Coterau den Waffen für die Ordnung des Staates beimißt. 43 187, S. 79. Prudenter a Iuris nostri autoribus animadversum est, ... nulla re magis, quam mutua inter se civium pace et concordia hanc humani generis societatem retineri ac conservari posse: ... contra vero dissensionibus everti ac labefactari, quod ex his saepenumero partes ad rixam et arma procédant, indeque caedes oriantur. 42
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„die Tätigkeit derer zu unterstützen, die öffentliche und private Angelegenheiten behandeln und Streitigkeiten ihrer Klienten durch ihren Rat schlichten und sie durch ihre Kunst ohne Nachteil und Schmerz versöhnen." 44
Auf die ehrwürdige Tradition des Rechts verwies André Tiraqueau: „Manches Mittel, einen Streit zu schlichten, ist von den Alten so sorgfältig erdacht worden, daß die Nachfahren es derart begierig aufnahmen als wäre es die Annehmlichkeit und Freundlichkeit der Natur." 45
Ob das Recht in der Natur liege, von Gott gegeben oder von Menschen geschaffen sei, wird in einigen Vorreden thematisiert. Doch entwickelten die Autoren keine zusammenhängende Naturrechtstheorie. Eher, so scheint es, wollten sie auf den erhabenen Ursprung ihrer Tätigkeit hinweisen, um so ihre eigene Bedeutung zu unterstreichen.46 Diese Position an der Spitze der Gesellschaft war nicht nur ehrenvoll, sondern schloß eine Verantwortung der Juristen für den Staat mit ein. Jean Bodin appellierte in der Vorrede seiner Six livres de la République an den Parlamentspräsident Guy du Faur de Pibrac sich dieser Verantwortung zu stellen. Angesichts des Bürgerkrieges, der wie „ein wütender Sturm unser Staatsschiff mit solcher Heftigkeit zu erschüttern begonnen hat, daß sein Kapitän selbst und die Steuerleute wie von pausenloser Arbeit müde und erschöpft sind,"
sei es nun nötig, daß sich jedermann, nicht nur die Regierenden, fur das Wohl des Staates engagiere. Bodin wählte daher die „Sprache des Volkes", um sich „bei allen gebürtigen Franzosen verständlich zu machen. Damit meine ich jene, die den Wunsch und den Willen haben, daß unser Königreich wieder im alten Glanz erstrahlen und eine neue Blütezeit in Krieg und Frieden erleben möge." 4 7
Ob Bodin tatsächlich „alle Franzosen" mit seinem philosophischen Text über den Staat erreichte, ist mehr als fraglich. Unter den Juristen allerdings erlangte sein Buch einen gewissen Repräsentationswert. In einigen Bibliotheken stand ein Exemplar des innerhalb von vier Jahren mindestens vier Mal aufgelegten Werkes, eingebunden in einen teuren Einband.48 Der Folioband 44
288, fol. a2re. Itaque cum hic scopus meus sit Primarius, studia ¡Horum maxima fovere, qui tam res publicas, quam privatorum in universum tractant, ut controversis consultorum suorum, et Consilio dirimant, et arte sine fraude ac dolo componant. 45 2 65, Ad lectorem admonitio, fol. AA2ve. Varia expediendarum litium remedia tam anxie veteres quaesierunt, ut posteri tanquam naturae convenientia atque amica ea receperint avidissime. Zur Biographie vgl. André Tiraqueau, auch: Andrea Tiraquella ( 1 4 8 8 1558): Kisch, S. 55; Grente, S. 665; NBG 45,420. 46 Nr. 83; 212, Bd. 1 Pardulphe DuPrat an die Rechtsgelehrten; 321; 327. 47 3 1 2. Zitiert nach: Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat, übersetzt von Bernd Wimmer, München 1981, S. 93-94. 48 Vgl. Aquilon, Rebertière, S. 220.
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scheint so zumindest als Symbol für staatstragende und friedenswillige Juristen gewirkt zu haben und damit die von Bodin beabsichtigte Wirkung eines Friedenssignals möglicherweise erfüllt zu haben. Ihre Identität als Mitglieder einer wichtigen gesellschaftlichen Gruppe bestätigen sich die Autoren dieser Texte unablässig. Sie werden nicht müde, die Jurisprudenz als eine Säule der Gesellschaft darzustellen und den Berufsstand der Juristen, der schließlich an den Grundlagen der Gesellschaft arbeitete, als außerordentlich wichtig und gelehrt zu präsentieren. Um diesen Eindruck zu unterstreichen und mögliche Zweifel auszuräumen, wurden in den Widmungen auch die charakterlichen Vorzüge der Juristen beschrieben. Während Widmungen von Klassikereditionen sich persönlich an Mäzene in hohen Positionen in der Verwaltung richteten, widmeten Juristen ihre Bücher zwar der gleichen Bevölkerungsgruppe, aber nicht in ihrer Eigenschaft als Privatperson und Freund der Musen, sondern eher als einflußreiche Fachkollegen. 49 In der Präsentationsform glichen Widmungen juristischer Bücher den Klassikereditionen weitgehend. So wurden den juristischen Widmungsadressaten die gleichen Charaktereigenschaften zugeschrieben wie den humanistischen Mäzenen: Der gute Jurist zeichnete sich durch Autorität, Rechtskenntnis und Frömmigkeit aus. 50 Bei Texten, die die Nähe zur humanistischen Jurisprudenz betonten, wurde dem Adressaten humanitas bescheinigt oder seine Eloquenz und humanistische Bildung gelobt.51 Einen Unterschied gab es allerdings zwischen dem Umfang des Lobes für den juristischen Mäzen und den humanistischen Mäzen. Während die Mitglieder der Gelehrtenrepublik nur geistig verbunden waren, und für sie daher der Kopf das wichtigste Körperteil war, verfügte der ideale Jurist nicht nur über Gaben des Geistes, sondern war exzellent von Kopf bis Fuß. „Nicht zu Unrecht ist das Ideal des Juristen bewundernswert: seine Seele verehrt Gott, sein Geist dient der Pflege der Gesetze, sein Gehirn einem klaren Urteil, seine Augen und seine Zunge der Gelehrsamkeit, seine Brust der beharrlichen Erinnerung, sein Herz dem aufrichtigen Willen, seine Hand der Tat des aufrichtigen Willens und seine Füße der Beständigkeit, alles der Billigkeit und Würde."52
49
Die Widmungen scheinen so zusätzlich den Charakter eines Werbeschreibens zu übernehmen. 50 154, S. 323. Jacques Cujas lobte hier die auctoritas, iuris scientia und pietas seines Mäzens. Vgl. auch Nr. 276. 51 160, S. 8 DuPrat lobt die humanitas, rerum cognitia und ingenii dexteritas. 194, S. 3: eruditio, eloquentia; 284, fol. (?)2ve: doctrina. 52 251, fol. +4re. Neque id iniuria, cum iurisconsulti effigies, et simulacrum sit admirabile: Cuius anima est Dei cultus: spiritus, legis cura: cerebrum, iudicium perspicax: oculi, linguaque, doctrina: pectus, memoria tenax: cor, recta voluntas: manus, recta voluntas effectus: pedes, perseverantia: totum aequitas, atque gravitas. Genau denselben Wortlaut enthält 83, fol. lve. Dies legt nahe, daß es sich um eine feststehende Redewen-
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Noch in einem weiteren Punkt unterschieden sich die Juristen von den Mitgliedern der Gelehrtenrepublik: ihre Position in der Hierarchie war meßbar. Wurde in den humanistischen Widmungsbriefen die interne Hierarchie häufig thematisiert, aber dann durch die Wendung „Ähnlichkeit im Wesen stiftet Freundschaft" wieder ausgeglichen, hatte ein Jurist ein Amt und einen damit verbundenen, eindeutigen gesellschaftlichen Rang. Dieser Rang wurde in der Anrede des Widmungsbriefes ebenso erwähnt wie dessen schmückende Wirkung für das Buch in der Widmungsfloskel am Ende des Textes. Doch fällt auf, daß im Text diese Würde nicht als unveränderlicher Zustand beschrieben wurde. So verweisen die Autoren auf die Karriere des Adressaten, nehmen eine unmittelbar stattgefundene Beförderung als Anlaß für ihr Schreiben, oder vertreten gar die Ansicht, daß dem Mäzen eigentlich ein höheres Amt zustehen würde, in dem er seine Fähigkeiten besser entfalten könne.53 Der soziale Aufstieg wurde von den Zeitgenossen offenbar als ein Prozeß verstanden, dessen Ende unbegrenzt war. Als Student stand man am Beginn einer Entwicklung, die mit dem Amt eines Rechtsanwalts keineswegs abgeschlossen war. Das dominierende Thema in den Vorreden der lateinischen Jurabücher war die besondere Wichtigkeit des Rechts und der Rechtsgelehrten. Indem sich die Juristen gegenseitig die Qualität ihrer Tätigkeit bestätigten, schufen sie einen Grad von Exklusivität, der dem der Gelehrtenrepublik ähnlich war. Sie grenzten sich gegen Nicht-Juristen ab, ohne allerdings ihre Gemeinschaft zu beschwören. Ihr verbindendes Element waren weder die persönlichen Beziehungen noch die studio humanitatis, sondern die Anerkennung ihres Berufs und die damit verbundenen sozialen Aufstiegsmöglichkeiten. Die Beherrschung der lateinischen Sprache hatte für Juristen offenbar einen anderen Wert als für philologisch arbeitende Gelehrte. Sie war eine Voraussetzung der Berufsausübung und wurde im allgemeinen nicht als Ausschlußkriterium verwandt. Die Gemeinschaft der Juristen, wie sie sich in den Vorreden zeigt, war durchlässiger, offener für Aufsteiger, als die der humanistischen Gelehrten.
dung handelt, deren ursprüngliche Herkunft und Bedeutung ich leider nicht nachweisen kann. 53 251, hier ist das Thema der gesamten Vorrede die Karriere des Adressaten. 236, fol. *2re beschreibt ebenfalls die vorangegangenen Beförderungen des Adressaten. 186, fol. A2ve nimmt die Ernennung des Adressaten zum Legaten zum Anlaß der Widmung. 212, Bd. 4, fol. Aa2re: durch Deine Tugend konntest Du die Würde eines Kardinals erreichen; 83, fol. lve: Du erwarbst so viel Ruhm durch Deine Amtsführung, daß Du eine Beförderung verdient zu haben scheinst, (...meritumque tibi amplitudinis pariet incrementum.)
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Sprache
Mit einer licence ès droits oder einem doctorat und dem entsprechenden Geld konnte ein Universitätsabsolvent ein königliches Gerichtsamt kaufen nur nutzten ihm dort seine Kenntnisse der scholastischen und humanistischen Jurisprudenz wenig. Weder kannte er sich in französischem Gewohnheitsrecht aus, noch wußte er, wie an einem französischen Gericht ein Prozeß geführt wurde.54 Seit Beginn des 16. Jahrhunderts wurde das Gewohnheitsrecht, coutumes, der französischen Regionen in größerem Umfang niedergeschrieben und gedruckt, ohne daß es jedoch in den Lehrplan der Universitäten aufgenommen wurde. Die meisten dieser coutumiers erschienen in Paris, das im Geltungsbereich des Gewohnheitsrechts lag, während in Lyon, einer der nördlichsten Regionen im Gebiet des römischen Rechts, einige Kommentare zu Sachfragen des Gewohnheitsrechts erschienen.55 Unter den humanistischen Juristen waren die Meinungen gegenüber den coutumes geteilt. Einige herausragende Gelehrte, allen voran Jacques Cujas, sahen das geschriebene, römische, Recht als die Domäne der wissenschaftlichen Juristen an. Ihnen gegenüber standen André Tiraqueau oder Pierre Rebuffi, ebenfalls Professoren, die sich dem Partikularrecht widmeten.56 Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Fraktionen waren recht lebhaft, wie die Vorrede des Lyoner Richters Claude de Rubys57 zeigt. Er hatte 1580 das Recht der nördlich Lyons gelegenen Bourgogne niedergeschrieben und äußerte sich über den Nutzen der humanistischen Jurisprudenz für den praktisch arbeitenden Juristen. Auf den möglichen Einwand, warum er in seiner Erläuterung des Gewohnheitsrechts der Bourgogne nicht auf die „éloquence et pureté" eines Duraren, Cujas oder eines anderen Rechtsgelehrten seiner Zeit zurückgegriffen habe, sondern die Begriffe der Alten Accursius, Bartolus, Baldus und anderer bevorzuge, erwiderte er, daß die einzige Sprache, die bei Gericht zugelassen sei, die französische sei: „und daß sich in dieser die B e g r i f f e der Alten sehr viel besser ausdrücken lassen als die zu exquisite Latinität der modernen Herren. Außerdem werden in Prozessen sehr viel öfter die Meinungen dieser guten Väter herangezogen, die als herrschende angesehen werden als die neuen Spitzfindigkeiten, Korrekturen und subtilen Wahrsagungen der Juristen unserer Zeit. D i e s e sind besser geeignet, einen Schüler oder Studenten zu beein-
54
Vgl. Reulos, S. 283-284. Nr. 188, 276, 174, 2 6 5 , 3 0 5 . 56 Vgl. Holthöfer, S. 213-220; Kelley, nature, S. 141-145; Wesenberg, S. 6 5 - 6 7 . Zur Biographie vgl. Jacques Cujas, auch: Jacobus Cuiacius (1522-1590): Kisch, S. 55; NBG 13, 592-606. Pierre Rebuffi (1487-1557): Grente, S. 600; NBG 41, 807. 57 Claude de Rubys (1533-1613). Zur Biographie vgl. Grente, S. 622; NBG 42, 852. 55
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drucken als eine Rechtsfrage zu lösen und einen gut untersuchten Fall zu beenden." 58
Möglicherweise war Claude de Rubys Spott etwas überzogen, doch in einem Punkt wurde seine Ansicht von anderen Juristen aus der Praxis geteilt: mit einem Universitätsstudium allein wurde man zum savant légiste, nicht aber zum practicien. Jean Papon, in den Jahren 1547 bis 1585 lieutenantgénéral und damit höchster Richter in der Lyon benachbarten bailliage Forez, stimmte Rubys zu. Er vertrat in der Vorrede seines Recueil d'Arrests notables die Meinung, daß er mit seinem Studium allein sein hohes Amt in der königlichen Jurisdiktion nicht angemessen ausüben könnte: „Das bißchen, was ich [im Studium] gelernt hatte, konnte ich nicht benutzen, bevor es sich durch die Erfahrung gefestigt hatte. Erfahrung ist es, mit der man sich am weitesten perfektioniert, auch wenn man damit die meiste Zeit und das meiste Geld verliert." 59
Er selbst habe diese Erfahrung erworben, indem er als junger Jurist die Geschäfte seines Herrn, des Bischofs von St. Flour, geführt habe und während dieser Zeit an den cours souveraines hospitiert habe. Papons Meinung nach sollten Inhaber hoher königlicher Ämter grundsätzlich diese umfassende Ausbildung genießen, doch offenbar sah er selbst, daß nicht alle künftigen Richter diesen mühsamen und teuren Weg einschlagen konnten. Um denen, die nur über die formale Ausbildung, den juristischen Universitätsgrad, verfugten, wenigstens die wichtigsten Entscheidungen zur Verfugung zu stellen, faßte Papon sie in seinem Band zusammen.60 Nicht wenige Handbücher fiir practiciens, praktisch arbeitende Juristen, wurden im 16. Jahrhundert gedruckt. Einige erschienen in mehr als zehn Auflagen. Die Käufer dieser Bücher sind schwer zu beschreiben, denn die Gruppe, die sie bildeten, war sehr heterogen. Alle Berufe, die mit Rechtsprechung zu tun hatten, vom Parlamentspräsidenten über die Richter in der 58 336, S. 7. ... et que à icelle les termes de ces anciens s'accomodent beaucoup mieux que la trop exquise latinité de ces Messieurs les modernes: ioint que Ion void naturellement plus juger de procès par l'opinion de ces bons peres, qui est tenue pour la commune, que par les nouveaux intellects, corrections de textes, et subtiles divinations des I.C. de ce temps, beaucoup plus propres pour ostenter un homme en une escolle et en une chaire, que pour résoudre un bon poincte de droit, à vuyder un procès instruict et prest à juger. 59 Papon, Jean, Recueil d'Arrests notables des cours souveraines de France, Paris (Marnef et Cavellat) 1566, fol. *2ve. [HAB: 126+127 Jur.] Ce peu que i'avois obtenu, ne pouvait proffiter sans estre asseuré de quelque experience: qui es la chose en laquelle, d'autant que Ion se parfait le plus, aussi y va le plus de depense de temps et de biens. 60 Vgl. Berriot-Salvadore, Evelyne, L'illustration d'une bourgeoise sagesse. Les "Arrests notables" de Jean Papon, in: Etudes sur Etienne Dolet, le théâtre au XVIe siècle, le Forez, le Lyonnais et l'histoire du livre, publiées à la mémoire de Claude Longeon, Hg. G. Pérouse, Genf 1993, S. 201-211.
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Finanzverwaltung bis zum Anwalt bei einem städtischen Gericht, ja sogar bis zum Notar oder Gerichtsschreiber, greffier, fallen unter diese Bezeichnung. Die einzigen Juristen, die man nicht practiciens nannte, waren die Professoren an den Universitäten. Die in der Stichprobe enthaltenen Handbücher reichen nicht aus, um diese Berufsgruppe differenziert zu betrachten. Auch die Sekundärliteratur ist in diesem Punkt kaum ergiebig. Sowohl die Rechtsgeschichte als auch die Forschungen zur sozialen Mobilität widmen sich vor allem der „Vorhut" der Juristen, die innovativ war oder kurz vor der Nobilitierung stand. Die alltäglichen Geschäfte der Juristen auf den unteren Positionen der Karriereleiter sind bisher wenig beachtet worden.61 Betrachtet man das Tätigkeitsfeld der practiciens, kommt man zu dem Schluß, daß sie eine mehijährige Schulausbildung an einem collège durchlaufen haben mußten. Für ihren Beruf brauchten sie Übung im systematischen Denken, sie mußten sehr gut lesen und schreiben können und außerdem in der Lage sein, lateinische Texte zu lesen. Daß einige sehr weit verbreitete Entscheidungssammlungen nur in lateinischer Sprache erschienen, stützt diese Vermutung. Besonders profunde Lateinkenntnisse brauchten sie dazu nicht, denn um diese Texte zu lesen, waren keine besonderen grammatikalischen Kenntnisse nötig. Der Wortschatz beschränkte sich auf die juristische Fachsprache, für die es im Zweifelsfall Speziallexika gab.62 Einige Entscheidungssammlungen, wie die von Papon, erschienen auch in der Gerichtssprache Französisch. Für Richter oder Rechtsanwälte waren demnach Lateinkenntnisse nötig, ein Universitätsstudium, das ohnehin nicht für die Praxis qualifizierte, jedoch nicht. Seit der Mitte des Jahrhunderts sind zwei gegenläufige Entwicklungen zu erkennen. Einerseits wurden im Zuge des verstärkten Zugangs zu den juristischen Fakultäten zunehmend mehr Ämter an studierte Juristen vergeben, selbst einfache Notariatsarbeiten wurden von ihnen übernommen. Andererseits nahm die Zahl der Handbücher speziell für practiciens ohne Lateinkenntnisse zu.63 So erschien das Handbuch des geschriebenen französischen Rechts, das Jean Imbert 1558 in lateinischer Sprache als für 61 Eine Ausnahme bildet die Arbeit von Kuno Böse (Amt und soziale Stellung. Die Institution der élus in Frankreich im 16. und 17. Jahrhundert am Beispiel der Elektion Troyes, Frankfurt, Bern, N e w York 1986) die eine weniger exponierte Institution, die Finanzverwaltung von Troyes, untersucht. Doch finden sich auch hier wenig detaillierte Angaben über die tatsächliche Tätigkeit der Beamten in den unterschiedlichen Positionen; vgl. Böse S. 7 5 - 7 7 und S. 139. 62
Z.B. das Lexicon iuris civilis von DuPrat, Nr. 327. Vgl. Lloyd, S. 42; Reulos, S. 283; Febvre, Philippe II, S. 174. Für Ämter in der Finanzverwaltung ohne juristische Kompetenzen war offenbar keine formale Ausbildung erforderlich. Kuno Böse stellte jedoch fest, daß die Kronanwälte (procureur du Roi und avocat du Roi) immer ein Jurastudium absolviert hatten und häufig auch als avocat en parlement anerkannt waren; vgl. Böse, S. 139. 63
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„alle Rechtsanwälte und die übrigen in der französischen Gerichtspraxis Gebildeten überaus nützlich und nötig" herausgegeben hatte, bereits 1559 in französischer Übersetzung. 64 Der Übersetzer Nicolas Theveneau legte dem Amy Lecteur seine Gründe dar: „Als mir das Handbuch (Amy Lecteur) des Herrn Imbert in die Hände fiel und ich es mehrfach durchgelesen hatte - und da ich wußte, daß es denen, die praktisch arbeiten so überaus nützlich war, allerdings nur denen, die die lateinische Sprache beherrschen - wollte ich es nicht zulassen, daß dem Practicien François ein so großes Gut und Glück so lange vorenthalten werden sollte."65 Theveneau zufolge gab es Juristen, die zwar kein Latein konnten, aber dennoch Bedarf nach einem Buch hatten, das bislang von den besser ausgebildeten Juristen benutzt worden war. Die gleiche Entwicklung zeigt sich bei einem anderen Werk von Imbert. Sein Institutionum forensium Galliae libri IV, das im 16. Jahrhundert am häufigsten benutzte praktische Handbuch zur Prozeßordnung, wurde vom Autor selbst übersetzt und erschien auf Französisch unter dem Titel Institutions forenses, ou pratique judiciaire in Paris.66 Da die Prozeßordnung für alle Gerichte verbindlich war, kann man annehmen, daß diese französischen Ausgaben für Gerichtsangestellte auf den unteren Positionen der Hierarchie und für kleine Gerichte auf dem Land, deren Personal vermutlich kein Latein konnte, verfaßt wurden. 67 Ob diese Übersetzungen darüberhinaus ein Indiz dafür sind, daß die Zahl der Richter und Rechtsanwälte ohne Lateinkenntnisse zunahm - was relativ unwahrscheinlich ist, da die städtische Schulbildung immer lateinisch war - oder ob
64 2 3 6, Titel. Enchiridion iuris scripti Galliae moribus et consuetudine frequentiore usitati, itemque abrogati, autore J. Imb. Ruppelano Fontenaiensique causarum patrono omnibus causidicis et caeteris iudicialis Gallicae praxis studiosis apprime necessarium et utile. Titel der französischen Ausgabe, Nr. 172: Enchiridion ou manuel de Jean Imbert contenant un brief recueil tant du droit escrit gardé et observé en France, que du droit abrogé ou aboly par coutumes et augmenté de la plus grande partie, comme pourra veoir le Lecteur par l'advertissement que nous avons mis cy après. Avec ample Indice tant des Sommaires que des principales matières. Zur Biographie vgl. Jean Imbert (um 1522- um 1600): Grente, S. 390; Holthöfer, S. 297. 65
1 72.2, fol. *4re. Estant tombé entre mes mains (Amy Lecteur) le Manuel de monsieur Imbert, et après l'avoir leu et releu par plusieurs fois: cognoissant le grand fruit qu'il produiseroit à ceux, qui ont fait profession en la langue Latine: ie n'ay voulu permettre que le Practicien François fust prive et exheredé d'un tel bien et heur par un si long temps. 66 Erstausgabe: Poitiers 1562. 67 Strafprozeßordnungen wurden 1498, 1536 und 1539 erlassen. Die wichtigste ist enthalten in der "Ordonnance sur le fait de la justice", Villers-Cotterêts, August 1539, die auch französisch als Gerichtssprache verbindlich vorschreibt. Edition in: Recueil général des anciennes lois françaises, Hg. Isambert et al., Bd. 12, S. 600-640, Paris 1822-1833 (ND Ridgewood, N.J., 1964).
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die Juristen wegen der größeren Bequemlichkeit die französischen Übersetzungen benutzten, nachdem sie vorhanden waren, läßt sich anhand der Stichprobe nicht entscheiden. Tatsache ist jedoch, daß der Autor und Jurist Jean Papon, stets um die Verbesserung des französischen Gerichtswesens bemüht, zwischen 1575 und 1579 ein dreibändiges Handbuch der Gerichtspraxis in französischer Sprache herausgab. Im ersten und dritten Band der Trois Notaires stellte Papon Musterverträge zusammen und gab Hinweise fiir den Aufbau von Gerichtsreden. In der Widmung des zweiten Bandes, der 1580 in einer zweiten Auflage erschien, erläuterte er den Zweck seines Werkes: „Ich stelle nun den Lesern in diesem zweiten Band einen zweiten Notar vor, der unter dem genannten Titel wie ein Gerichtsschreiber die juristische Trias vorstellt, indem er zeigt, auf welche Weise gemäß dem Recht, den Edikten und Statuten und den Bräuchen in Frankreich plädiert, beantragt, angeklagt, gerechtfertigt, verteidigt, geurteilt, vollzogen und auf andere Weise vorgegangen wird." 68 Jeder, der die drei Foliobände kaufte und durcharbeitete, wußte anschließend über die wichtigsten Tätigkeiten eines practiciens Bescheid. Er konnte formal korrekte Verträge aufsetzen, was die Tätigkeit eines Notars war, er konnte verteidigen und Gerichtsreden halten wie ein Rechtsanwalt und urteilen wie ein Richter. Der große Erfolg der Werke Papons zeigt, daß ein Bedarf für Werke zur Gerichtspraxis vorhanden war, doch werden die Trois Notaires trotz ihres Titels in erster Linie ein Nachschlagewerk für Richter und Rechtsanwälte gewesen sein. 69 Die drei dicken Bände waren so teuer, daß sie das Budget eines einfachen Notars vermutlich überschritten. Drei der vier Rechtsanwälte aus Angers, deren Bibliotheken Aquilon rekonstruiert hat, besaßen die Trois Notaires. Außerdem hatten sie weitere juristische Handbücher in französischer Sprache, die in meiner Auswahl nicht enthalten sind. Das legt nahe, daß auch studierte Juristen, die für ihren Beruf lateinische Fachliteratur benutzten, auf Übersetzungen zurückgriffen. 70 Neben den vorgestellten Nachschlagewerken für Juristen gab es Handbücher, die sich tatsächlich an Notare richteten. So erschien in vielen Auflagen
68 333, fol. +4re. le proposay lors aux lecteurs un second notaire, qui est le present et second Tome, et qui sous ledit tiltre comme d'un greffier represente le trias Iudiciel par le discours de l'usage de plaider, demander accuser, iustifier, defendre, iuger, executer, et autrement procéder en prattiquant la loy, les edicts, statuts, et observance de France. 69 Insgesamt 23 Editionen des Recueils und der Trois Notaires erschienen zu Lebzeiten Papons; vgl. Berriot, Papon, S. 202. 70 Zum Beispiel einen Ratgeber für Strafmaße von Jean Duret: Traicté des peines et amendes, tant pour les matières criminèles que civiles, Lyon 1573 oder den Extraict d'aucuns pledoyers et arrestz faitz et donnés en cour de Parlement de Paris von Pierre Ayrault, der in Paris 1571 erschien.
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ein Neues Regelwerk für Notare, Hilfsnotare, Gerichtsschreiber, Gerichtsbüttel und andere practiciens der weltlichen Gerichte.11 Dieses kleine Buch enthielt Musterverträge für die üblichen Situationen, die notariell geregelt werden mußten: Hochzeiten und Patenschaften, Kredite, Inventare, Testamente, außerdem Vorlagen für Klageschriften und Gerichtsbescheide. Hinzu kam auf den ersten Seiten ein Katalog der Tugenden und Fähigkeiten, die ein Notar aufweisen sollte. Zu diesen gehörte ein klarer Verstand und gute Grammatikkenntnis, „damit sie in den Fällen, die in Latein, oder in Französisch niedergeschrieben werden müssen, die Sprache beherrschen".72 Im Idealfall sollten Notare die lateinische Sprache beherrschen, doch für die alltäglichen Fälle reichte wohl die französische Sprache aus. Ein ähnliches Buch dieser Art ist der Guidon des Practiciens, der 1576 bei Benoit Rigaud in Lyon erschien.73 Für einen vergleichbaren Leserkreis dürften die Plusieurs arrests notables sur la decision des matieres Civilles les plus frequentes et ordinaires sein, die Philippe Chrestien 1559 als Oktavbuch herausgab. Nach seinen Angaben druckte er es zum Vorteil derjenigen, die kein Geld für dicke Bücher haben".74 Dieses Publikum konnten keine Rechtsanwälte sein, denn die Grundlage ihrer Tätigkeit, das Corpus Iuris Civilis, war in einem dünnen Buch nicht unterzubringen. Je nach Format umfaßte eine Druckausgabe des Corpus drei bis fünf Bände. Chrestien schrieb, er habe aus dem Recueil des arrests notables von Papon und den Piacitorum Summae apud Gallos curiae libri XII von Jean Du Luc75 einige Entscheidungen zusammengestellt, „die üblichsten, die man für die normalen Fälle braucht".76 Beide genannten Bände, die meistens im 71 Nouveau Stile et protocole des Notaires, Tabellions, Greffiers, Sergens, et autres practiciens de court laye: Contenant la maniéré de rediger par escrit tous Contracz, Instruments, Partages, Inventaires, Comptes, Comissions, Rapports, Demandes, Actes, et Exploits de Iustice: Avec le Guidon des Notaires, et Secrétaires, contenant la maniéré d'escrire, et adresser toutes missives. Es enthält die Art, wie man schriftlich alle Verträge verfaßt, außerdem Dokumente, Teilungen, Inventare, Rechnungen, Kreditbriefe, Berichte, Anfragen, Akten und Übertragungen. Mit dem Ratgeber für Notare und Sekretäre und der Art, wie man Empfehlungsschreiben verfaßt und adressiert. Paris (Bonfons) 1581, [HAB: Alv Fg 112], 72 ebd., fol. 9re. et à tout le moins faut qu'ils soient bons grammariens, afin qu'és choses qu'il convient rediger en Latin ou en François, ils puissent ordonner leur language. (Es folgt eine längere Klage über den tatsächlichen Bildungsgrad der Notare. Derartige Ratgeber für Notare auszuwerten wäre eine lohnende Forschungsaufgabe.) 73 [HAB: Alv Ff 105] Zahlreiche weitere Bücher dieser Art erschienen im 16. Jahrhundert. 74 1 52, fol. A2ve. pour la commodité de ceux qui n'ont puissance d'acheter de gros volumes. 75 12 Bücher der Urteile des höchsten französischen Gerichts. Erstausgabe: Paris (Estienne) 1553, weitere Ausgaben 1556 und 1559. 76 1 52, fol. A2ve. ... les plus communs, et desquels on se doibt servir pour les matieres vulgaires.
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Folioformat veröffentlicht wurden, enthielten bereits eine Auswahl der an den cours souveraines gefällten Entscheidungen, so daß man Chrestiens Bändchen als „Auswahlband zweiten Grades" bezeichnen könnte. Er selbst verstand sein Buch entsprechend, denn er meinte, es sei „sehr gefragt und gebräuchlich, daß man aus einem dicken Band die Quintessenz in Form eines Epitome oder Handbuch ziehe". 77
Sein Handbuch der wichtigsten Entscheidungen war für den Gebrauch eines Rechtsanwalts offenbar tatsächlich zu allgemein, denn in den Bibliotheken der Juristen aus Angers befanden sich zwar die Bücher von Du Luc und Papon, aus denen Chrestien sein Manuel zusammenstellte, nicht aber das Buch von Chrestien selbst, von dem drei Auflagen aus den Jahren 1558 und 1559 nachweisbar sind.78 Sein Publikum könnten Notare oder eventuell auch interessierte Großkaufleute gewesen sein, die im Rahmen ihrer Geschäfte einfachere Verträge abschlössen. Alle bisher behandelten Bücher juristischen Inhalts sind Nachschlagewerke oder Handbücher, die zum professionellen Gebrauch verfaßt worden waren. Sie waren nicht als Freizeitlektüre gedacht, nicht einmal zum kontinuierlichen Lesen von der ersten bis zur letzten Seite. Sie faßten zumeist eine unüberschaubare Fülle von Erlassen oder Entscheidungen zusammen und machten sie dem Leser zugänglich. Doch gebot die große Konkurrenz den Verlegern, dem Leser den Gebrauch so angenehm wie möglich zu machen. „Ich habe mich entschlossen, mir diese Mühe zu machen, damit dieses goldene Werk nicht durch Untätigkeit erschlafft, und damit es den Lesern leichter zugänglich ist",
beschrieb Benedictus Vadus seine Beweggründe, ein Repertorium zu den Werken des Juristen Felino Sandeo anzulegen.79 Jean Crispin hatte den Text der Institutionen übersichtlich angeordnet, um das Nachschlagen zu erleichtern.80 „Der unermüdliche Liebhaber findet in dieser Entscheidungssammlung, 77 1 52, fol. A2ve. ... tresrequis et usité que d'un gros volume on en retire la sentence par forme d'Epitome ou Manuel. 78 in: Index Aureliensis, Nr. 136.605; National Union Catalogue und der Stichprobe, Nr. 152. 79 133, fol. 2 des Repertoriums. Sed potius sum ausus aggredi onus hoc: ne opus istud aureum maruscat ocio: et ut legentibus sit facilior aditus. Liest man das ganze Vorwort im Zusammenhang, wirkt der Herausgeber weniger engagiert. Er beginnt mit der Beteuerung, daß er eigentlich nur Leser sei und nicht die Absicht hatte, irgendetwas herauszugeben. Durch die Qualität der Kommentare habe er sich doch zu der Arbeit hinreißen lassen. Sein Text schließt: "So freue ich mich, wenn ich eure Wünsche und eure Erwartungen an mich erfüllen kann und gratuliere mir und euch. Ihr werdet mich entschuldigen, ich habe nämlich viel zu tun." 80 321, fol. A3ve. Id vero a nobis observatum est, quantum fieri potuit, ut singulae interpretationes ac maxime necessariae, ita suo loco apponerentur, ut indices literae, quas superiores vocamus, tum in contextu, tum ad marginem, apte inter se convenirent.
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was er anderswo verstreut sucht", ließ der Verleger Simon Vincent seine Kunden wissen. 81 „Wer die steilen Schwellen der Gerechtigkeit leicht überschreiten will", wurde von Verleger Rouillé bestens bedient.82 Indices wurden grundsätzlich mit den Adjektiven wohlgeordnet und leicht verständlich beschrieben. Und Pierre Rebuffi begründete 1547 seine Neuausgabe der Ordonnanzen und Erlasse der französischen Könige mit den Worten: „Die Reihenfolge war so durcheinander und das Durcheinander so groß, daß diese Ordonnances von vielen Leuten mißachtet und von mehreren für überflüssig gehalten wurden. Denn um einen kurzen Artikel schnell zu finden, mußte man das ganze Werk durchblättern, sowohl da man nicht wußte wie die Materie geordnet war als auch um anschließend zu prüfen, ob es keinen anderen Artikel gab, der diesen einschränkte. Das war eine lästige Qual."83 Die Herausgeber und Verleger ließen kein Argument aus, ihren Lesern eine leichte und angenehme Lektüre zu versprechen. Obwohl sich die Juristen als überlegen und gebildet präsentierten, wollten sie offenbar auf ihre Arbeit nicht mehr Mühe verwenden als unbedingt erforderlich. Ihre ernsthafte Lektüre gestalteten sie sich so vergnüglich wie möglich. Leser juristischer
Bücher
Die Leser der verschiedenen juristischen Bücher zu unterscheiden, ist auf der Basis der Stichprobe und der Sekundärliteratur nur in Ansätzen möglich; zu klein ist die Stichprobe und zu schlecht die Forschungslage über die practiciens außerhalb der parlements oder der königlichen Finanzverwaltung. Hinzu kommt, daß sich bei den juristischen Büchern, anders als bei den religiösen, keine Trennungslinie zwischen den Lesern der lateinischen und den Lesern der französischen Titel ziehen läßt. Doch lassen sich drei Gruppen un81 35, fol. aalve. Proinde in hac luculentissima decisionum collectanea reperiet cultor assiduus quicquid alibi sparsim querit. 82 3 27, fol **6ve. Ardua Justitiae quiscandere limina prompte/ et sibi quam celeres parat ad illa vias, ... me legat, aptus erit. 83 188.3, fol. *3re. L'ordre en estoit si confiiz, si meslé, et la perplexité si grande, qu'elle rendoit icelles Ordonnances à beaucoup des gens nonchalues, et a plusieurs inutiles. Car pour trouver un brief article instant ou requis, il falloit poursuyvre l'oeuvre total, tant pour ne scavoir en quel ordre des choses il gisoit, comme pour adviser à la suite s'il auroit pouint autre article derogant au premier. Ce qu'estoit une peine ennuyeuse. Um die Vorbehalte seiner studierten Kollegen gegen die Gültigkeit der königlichen Erlasse zu zerstreuen, ordnete Rebuffi sie nicht nur nach sachlichen Gesichtspunkten, sondern wies durch entsprechende Parallelstellen aus dem römischen Recht nach, "pour donner à cognoistre cesdictes Ordonnances, et Constitutions Royalles n'estre point establies temerairement à la seule, simple et absolue volonté des Roys de France: mais icelies, et la volunté de leurs auteurs Princes de François, estre fondées (selon la nécessité, ou l'exigence des temps et lieux, et autres circonstances) sur legitime raison de la Loy Romaine, et droict Cesarían." 188.1, fol. *2re.
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Virtus — Tugend
terscheiden: wissenschaftlich arbeitende Juristen, practiciens mit Universitätsstudium und practiciens ohne Universitätsstudium. Akademische Juristen schrieben ausschließlich in lateinischer Sprache. Diese erlaubte ihnen die Kommunikation mit ihren internationalen Fachkollegen.84 Doch auch Entscheidungssammlungen für Praktiker wurden in lateinischer Sprache publiziert, so daß Latein für alle mit Rechtsfragen Beschäftigten wichtig blieb, obwohl die Gerichtssprache seit 1539 französisch war. Deutlich wurde dies beispielsweise in den Kommentaren und Entscheidungssammlungen zum französischen Recht. Der Ordonnanzen-Kommentar von Rebuffi zitierte den französischen Text in der Originalsprache, um ihn anschließend auf lateinisch zu kommentieren und Nicolas Bohier publizierte die Entscheidungen des Gerichts von Bordeaux in lateinischer Sprache, obwohl sie in französisch getroffen worden waren.85 Zudem lehrten Richter und Rechtsanwälte an Universitäten. Sie benutzten lateinische und französische Texte gleichermaßen. Die Grenze zwischen den Theoretikern und den Praktikern war den Beteiligten dennoch deutlich, wie etwa die Vorrede von Claude de Rubys zeigte, der die akademische humanistische Jurisprudenz für Praktiker für irrelevant hielt. In den französischsprachigen Fachbüchern für Richter und Rechtsanwälte stellten sich diese als verantwortungsvoll arbeitende Menschen für das Gemeinwesen dar, dessen Teil sie waren. Eine Hierarchie zwischen ihnen und ihren Mandanten wurde nicht aufgestellt. Auch das Vorwort von Jean Bodin zu seinen Six livres de la République, das er ausdrücklich in französisch veröffentlichte, um alle Landsleute erreichen zu können, verdeutlichte: Ein nationalbewußter Franzose demonstrierte seine Verantwortung für das Gemeinwesen in seiner Muttersprache. Französisch hatte hier also nicht nur eine praktische, sondern auch eine symbolische Funktion. Das gleiche galt - unter umgekehrten Vorzeichen - für lateinische juristische Bücher. Ihre Präsentationsform zeigte, daß sich die studierten Juristen als eine Gruppe verstanden, die sich durch Bildung und Sozialprestige von denjenigen unterschied, die lateinische Texte nicht lesen konnten. Alle juristischen Texte in der Sprache der Gelehrten maßen sich in den Vorreden an den humanistischen Qualitätskriterien der Textbearbeitung, alle Autoren präsentierten sich und ihre Leser als 84 Die Spuren dieser Kommunikation werden in den alten Universitätsbibliotheken von Helmstedt oder Göttingen deutlich. Ein großer Teil der dort benutzten Drucke stammt aus Lyon; vgl. den Katalog der HAB, Wolfenbüttel oder der Universitätsbibliothek Göttingen. 85 Nr. 188, 276. Für Entscheidungssammlungen dienten möglicherweise die ersten Bücher dieser Art von Guy de LaPape, die er Anfang des 16. Jahrhunderts in lateinischer Sprache publiziert hatte, als Vorbild (Nr. 8). Wie das statistische Verhältnis zwischen Entscheidungssammlungen in französischer Sprache (wie die von Papon) und denen in lateinischer Sprache sich im Laufe des Jahrhunderts entwickelt, wäre eine Untersuchung wert.
Der rechtskundige Leser
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Mitglieder einer exklusiven gesellschaftlichen Gruppe. Die lateinische Sprache, die 2ai lernen die collèges besucht worden waren, hatte ihre Funktion als Unterscheidungsmerkmal offensichtlich erfüllt. Den moralischen Anteil der studia humanitatis hingegen, der sich in der humanitas bündelte, hatten die französischen Juristen durch ihr Nationalbewußtsein ersetzt. Von den Notaren, Schreibern und ähnlichen Bediensteten des Gerichtswesens wie etwa Schiedsmännern wurden (meistens) keine Lateinkenntnisse erwartet. Für sie wurden Handbücher in französischer Sprache herausgegeben, die sie mit den wichtigsten Verfahrensfragen vertraut machten. Bezüge zu humanistischen Präsentationsmustern fanden sich in diesen Werken nicht. In der Hierarchie der hier behandelten lese- und schreibkundigen Juristen bildeten die Notare das Schlußlicht, doch bezogen auf die gesamte Bevölkerung gehörten sie zur Elite, „wenn man bedenkt, daß sie so hohe und herausragende Ämter und Ränge einnehmen, die so wichtig sind", wie der Nouveau Stile et protocole des Notaires vermerkte.86 Bücher für
Nicht-Juristen
In der Stichprobe befinden sich zwei juristische Bände, deren Inhalt man als Juristisch" bezeichnen kann, die jedoch nicht als Fachliteratur für Juristen gedruckt wurden. Dennoch sollen sie kurz vorgestellt werden. Es handelt sich um die Police de l'Aulmosne de Lyon von 1539 und die Ordonnances et privilèges des faires de Lyon: et leur antiquité, die 1560 von dem Lyoner Gelehrten Barthélémy Aneau neu bearbeitet und herausgegeben worden waren, nachdem François II. 1559 der Stadt Lyon das Recht bestätigt hatte, vier jährliche Messen abzuhalten.87 Die gedruckten Messeprivilegien Lyons enthielten auf den ersten beiden Seiten das Privileggesuch des Lyoner Stadtrates und ein Vorwort, in denen der Zweck der Publikation erläutert wurde. Der Stadtrat von Lyon bat, „um sie allen Nationen und Kaufleuten sowohl des Königreiches als auch aus dem Ausland bekanntzumachen", die Messeprivilegien veröffentlichen zu dürfen, in der Absicht „um die genannten Kaufleute zu einem häufigeren Besuch zu bewegen".88 Der Stadtrat wollte demnach eine Werbebroschüre für die Lyoner Messen drucken lassen. Da die Privilegien von Pierre Fradin gedruckt werden sollten, dessen Textausgaben des Corpus Iuris Civilis und Corpus Iuris Canonici in ganz Europa nachgefragt wurden, konnte man dessen Vertriebswege nutzen, um die günstigen Bedingungen der Lyoner Messen weithin bekannt zu machen. „Weil das Gedächtnis des Menschen schlecht ist", und weil „die lite86
Nouveau Stile et protocole des Notaires, fol. 9re. (s. o.) [HAB: Alv Fg 112] ... veu que ce sont si hauts et arduz estats et offices, et de si grosse conséquence. 87 Nr. 48 und 216. 88 216, fol. lve. ... pour donner a cognoistre à toutes nations et Marchans, tant du Royaume que estrangiers; pour plus frequentement y attraire lesdicts Marchans.
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Virtus — Tugend
rarische oder gedruckte Schrift dauernder und haltbarer ist", sei es nötig, die Messeprivilegien Lyons zu drucken, „damit niemand behaupten kann, er habe sie nicht gekannt. ... Es ist in diesem kleinen handlichen Buch alles chronologisch und nach den Fürsten geordnet, damit es leicht zur Hand und leicht zu tragen ist." 8 9
Mit seinem Messeprivilegienbuch wollte der Lyoner Stadtrat offenbar gleichzeitig verhindern, daß die Privilegien der Stadt eingeschränkt oder entzogen werden könnten. Wenn die Privilegien in gedruckter Form überall in Europa bekannt würden, scheinen die Stadträte gedacht zu haben, wäre das der beste Schutz für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Stadt. Denn wollte der französische König die Rechte Lyons antasten, würde er an öffentlichem Ansehen verlieren. Die Police de l'Aulmosne enthielt die Ordnung der Lyoner Armenversorgung. Bei einer großen Hungersnot im Jahre 1536 strömten viele Arme aus der Umgebung Lyons in die Stadt, in der Hoffnung in der reichen Handelsmetropole nicht Hungers sterben zu müssen.90 Überall in Europa setzte sich in den 20er und 30er Jahren unabhängig von der Religion die Ansicht durch, daß es Lebensbedingungen gab, die eine Stadt nicht dulden durfte, da sie sein sollte wie eine Gemeinschaft guter Brüder. In vielen Städten wurden Armenhäuser eingerichtet, in denen Bettler leben konnten und Unterstützung erhielten, sofern sie nicht bettelten. Zudem arbeiteten sie für die Stadt, soweit ihr Gesundheitszustand das zuließ.91 Der Lyoner Stadtrat richtete daraufhin aus städtischen Mitteln die Aumône ein. Die gedruckte Ordnung der Armenversorgung diente zwei Zielen. Zum einen sollte diese vorbildliche Einrichtung Lyons bekannt gemacht werden, möglicherweise konnten auch bei der Aumône Beschäftigte in Zweifelsfallen darin nachschlagen. Zum anderen
89 2 1 6, fol2re. Pource que la memoire des hommes est labile ... l'escriture literaire, ou d'estampe est plus perpetuelle et durable ... affin que nul n'en puisse pretendre ignorance... Le tout reduict par ordre de temps, et des Princes en ce petit livre manuel, pour estre plus prompt et portatif. 90 Vgl. zur Entstehung der Aumône: Davis, Natalie Zemon, Armenpflege, Humanismus und Ketzerei, in: dies., Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt, S. 30-74. 91 Vgl. Davis, Arme, S. 65-70.
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aber, und das scheint der Hauptzweck gewesen zu sein, wurde durch den Verkauf der Ordnungen ein Erlös erzielt, der in die Aumône-Kasse floß. Das Privileg für Sebastien Gryphe besagte, daß der Drucker aus dem Verkauf der Ordnung nur seine Unkosten deckte, den Profit hingegen für die Aumône spendete. Er ging den Lesern mit gutem Beispiel voran, die im Einleitungsgedicht aufgefordert wurden, ebenfalls fur die Aumône zu spenden. Durch den Kauf der Police de l'Aulmosne konnten sich die Lyoner Bürger an der städtischen Gemeinschaftsaufgabe, die die Armenversorgung darstellte, beteiligen.
V. Humanistische Ideale: Eloquentia - Beredsamkeit Daß die Sprache der Spiegel der Seele sei, davon waren die Humanisten überzeugt. In der Beredsamkeit äußerten sich Gelehrsamkeit und Tugend, sie galt als Aushängeschild für die Mitgliedschaft in der internationalen Gelehrtenrepublik. In Frankreich übernahm man die Wertschätzung der geschliffenen Sprache, dabei erhielt sie jedoch eine neue Bedeutung. Das Ideal war nicht länger die lateinische eloquentia, sondern Beredsamkeit in französischer Sprache: éloquence. Der Stolz der Franzosen auf ihre eigene Sprache und Kultur kam darin zum Ausdruck.
1. Die Antike als Baukasten, Teil II: Florilegien „Was ist so nützlich, um einen Prosatext mit Heiterkeit zu zieren oder ihn mit gelehrten Scherzen zu erhellen oder mit gebildetem Witz zu würzen, ihn mit Metapherjuwelen zu schmücken, mit den Blitzen eines Epigramms zum Funkeln zu bringen, ihn mit kleinen allegorischen Gemmen abwechslungsreich zu machen oder schließlich mit all den Reizen der Antike zu garnieren, w i e ein großer Vorrat, ein wohlsortierter Laden von Sprichworten?" 1
Diese Frage stellte Erasmus den Lesern seiner Adagia und machte damit deutlich, daß die eloquentia sich nicht auf die perfekte Beherrschung der lateinischen Sprache beschränkte. Erhellt, geziert oder geschmückt genug für so anspruchsvolle Leser, wie es die Humanisten waren, wurde eine Rede erst, wenn sie mehr als den Inhalt enthielt: Sie brauchte prägnante Bonmots und illustrierende Beispiele. Dieses Qualitätsmerkmal hatten nicht die Humanisten erfunden; schon die Bettelordensprediger benutzten erläuternde Exempla, aber zum ersten Mal erwähnt wurde das Verfahren von Aristoteles. Er hatte acht inhaltliche Redemittel genannt, die eine Rede wohlgefällig machen: Sententia, proverbium, historia sive exemplum, fabula, parabola, similitudo et metaphora.2 Diese Methode, einen Text abwechslungsreicher zu gestalten, wird cum grano salis bis heute verwendet. 1 33. Übersetzung nach der Ausgabe in: Collected Works of Erasmus, Bd. 1, Toronto 1977, S. 257, Z.37-43. 2 Rhetorica ad Herennium, Buch IV, Kapitel 17 bis 24.
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Guarino Yeronese, Erasmus und Melanchthon lehrten Schüler der studio humanitatis gleichermaßen, sich von Beginn ihrer Ausbildung an wichtige und geeignete Passagen unter Stichworten in loci-communes-Heften zu notieren. Auf diese Weise sollten sie sich nicht nur einen Vorrat von Zitaten für ihre eigene Textproduktion anlegen, sondern sich auch mit der antiken Überlieferung und ihren moralischen Werten vertraut machen - und zwar durch die exzerpierende Lektüre. Zudem sollten die Textstellen, in denen sich die antike Lebenserfahrung bündelte, den Schülern als Vorbild für ihr eigenes Leben dienen. Auch in ihrer Rede sollte die eloquentia Ausdruck von virtus und doctrina sein. Doch schon im Lehrverständnis von Guarino Veronese deutete sich an, daß Schüler, insbesondere Adlige, im Rahmen ihres Unterrichts in den studio humanitatis sich nicht immer mit den kompletten antiken Originaltexten befaßten. „Du magst es zu langweilig finden oder zu störend, selbst alles in ein locicommunes-Heft zu schreiben. Wenn dem so ist, sollte ein geeigneter und wohlerzogener Junge diese Aufgabe fiir dich übernehmen", hatte Guarino seinem Schüler Leonello d'Este Mitte des 15. Jahrhundert, also vor Erfindung des Buchdrucks, geraten.3 Die französischen Leser des 16. Jahrhunderts scheinen sich der Meinung von Leonello angeschlossen zu haben. Doch brauchten sie keinen „geeigneten Jungen" zu beauftragen: Sie konnten eine gedruckte Sentenzensammlung kaufen. Wie in den Kompendien nahm in Sentenzensammlungen der Herausgeber die Position eines stellvertretenden Lesers für diejenigen ein, die sich nicht auf eine intensive Auseinandersetzung mit der Antike einlassen wollten oder sollten. Jeder, der lateinische Texte lesen konnte, seien sie nun religiösen, medizinischen oder juristischen Inhalts, brauchte nicht mehr zum Humanisten zu werden, der seinen Eifer in die Edition und Verbesserung der Originaltexte setzte. Aus den gesammelten Quellenpassagen konnte er die Quintessenz der Antike erfahren und seine eloquentia beweisen, indem er Sentenzen verwendete. Sentenzensammlungen verarbeiteten das antike Erbe und regten zu dessen Aneignung an. Für die Frage nach dem Wandel des Umgangs mit dem kulturellen Erbe sind sie so eine hervorragende Quelle. Die kaum überschaubare Zahl von Florilegien, Sentenzen- und Exemplasammlungen, die heute noch in den Bibliotheken vorhanden ist, belegt 3 Epistolario di Guarino Veronese, Hg. R. Sabbadini, n.679, II, 270. Zitiert nach Grafton, Festina lente, S. 1. Deutsche Präzeptoren scheinen weniger großzügig gewesen zu sein. Der Herzog von Braunschweig legte sein loci-communes-Hefit als Schüler eigenhändig an. (HAB: Cod. Guelf.) Die Stichworte hatte ihm allerdings sein Lehrer vorgegeben, der vermutlich auch auf die Auswahl der Sentenzen Einfluß nahm. Sollte dies die übliche Vorgehensweise gewesen sein, sind allerdings selbst handschriftliche loci-communes-Hefte kein Ausdruck des individuellen Umgangs mit den antiken Texten. Für die Erläuterungen zu dem Wolfenbütteler Manuskript danke ich Gilbert Hess.
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Eloquentia — Beredsamkeit
anschaulich, wie verbreitet diese Buchart war. Allein die Stichprobe enthält zwölf verschiedene Sammlungen lateinischer Sprache in sechzehn Exemplaren, hinzu kommen die bereits vorgestellten 30 Kompendien.4 Nur zwei der Sentenzensammlungen sind Originalausgaben von Lyoner Verlegern, alle anderen sind Nachdrucke von Werken, deren Erstdrucke zumeist im deutschen Sprachraum oder in Italien erschienen waren und die anschließend oft, auch von anderen französischen Verlegern, publiziert wurden.5 Über eine Million Exemplare der verschiedenen Sammlungen waren im Handel. Doch was versprachen sich die Käufer der Florilegien von dieser Lektüre? Schon die zeitliche Streuung der Exemplare der Stichprobe gibt erste Hinweise auf die möglichen Interessen der Leser. Drei verschiedene Sammlungen mit deutlich erkennbaren religiösen Bezügen vertreten die Stichjahre 1519/20; in den Jahren 1539/40, der besten Zeit der öffentlichen Schulen, gibt es außer den als Schulbücher verwendeten Disticha moralia Catos keine Sentenzensammlungen. Erst in den Jahren 1559/60, nachdem die Zahl der an lateinischen Autoren ausgebildeten Schulabsolventen gestiegen war, sind fünf teils neu herausgegebene, teils nach 1540 bearbeitete Florilegien antiker Autoren in der Auswahl enthalten. Die Sammlungen der Jahre 1579/80 zeugen vom Einfluß der Gegenreformation: alle drei Werke entsprechen den Vorschriften der katholischen Zensurbehörde. Berücksichtigt man zusätzlich die Daten der Erstdrucke, ergeben sich zwei zeitliche Schwerpunkte. Um 1500 und um 1540 läßt sich eine Konzentration von Florilegienerstausgaben oder -neubearbeitungen feststellen. Dabei wurden die älteren Ausgaben von den neueren abgelöst: Die Titel der Stichjahre 1519/20 sind in den späteren Jahren nicht mehr vorhanden. Das legt die Vermutung nahe, daß sich das Publikum und seine Vorlieben durch die Verbreitung der lateinischen Bildung seit den 30er Jahren verändert hatte. Unverändert blieben Form und Aufbau der Werke. Alle Florilegien waren unabhängig von ihrem Alter nach Stichworten, loci communes, geordnet, die allerdings je nach Art des Buches stark voneinander abweichen können.6 Die meisten hatten einen oder mehrere Indices, um die Orientierung
4 In lateinischer Sprache: Nr. 3, 11, 33, 58, 107, 108, 146, 151, 179, 181, 219, 244, 281, 303, 328, 338. Hinzu kommen drei vergleichbare Titel in französisch: Nr. 159, 223, 286, 335. Catos Disticha moralia sind in vier Exemplaren vertreten, sie wurden in den ersten Klassen der Schulen gelesen. Vgl. Kapitel III.3. 5 De tribus virtutibus animae von Jean de Beaugency mit einem Vorwort des Lyoner Arztes Antonio Toledo von 1519 (Nr. 3) und das Sententiarum volumen absolutissimum von Bellengard, das 1559 erschien (Nr. 146). Beiden ist gemeinsam, daß sie nicht von anderen Verlegern nachgedruckt wurden. Die Sammlung von Jean de Beaugency scheint nur in dieser einen Auflage erschienen zu sein, das Volumen erschien 1587 in einer Bearbeitung bei dem Verleger der ersten Ausgabe Jean II de Tournes. 6 Die Ausnahme zur Bestätigung der Regel sind die Adagia von Erasmus, die ungeordnet sind. Florilegien aus christlichen Autoren enthalten Stichworte wie blasphemia, scandalum, die aus antiken Autoren eher amicitia, amor oder ars.
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im Text zu erleichtern. Ihre Größe wies die Florilegien als handliche Nachschlagewerke aus. Die hier vorgestellten Titel sind bis auf eine Ausnahme7 nicht größer als Oktavformat. Ältere
Sentenzensammlungen
Welche Entwicklung im Umgang mit dem antike Erbe läßt sich nun aus den Sentenzensammlungen erkennen? Betrachten wir zunächst die drei Titel der Stichjahre 1519/20. Es handelt sich zunächst um die Lyoner Originalausgabe mit dem Titel De tribus virtutibus animae, die Jean de Beaugency zusammengestellt hatte. Außerdem ist in der Stichprobe eine Lyoner Ausgabe mit zwei Werken des italienischen Humanisten Antonio Mancinelli: die in Italien um 1495 erstmals erschienenen Speculum de moribus und Vitae Sylva. Hinzu kommt eine Lyoner Ausgabe der Adagia Collectanea von Erasmus. Der Mediziner Antonio Toledo, der die Sentenzensammlung von Jean de Beaugency8 in Lyon herausgab, schrieb in seiner Widmung am 25. August 1519: „Als ich in den letzten Tagen über meinen Büchern schwitzte und mich fragte, w a s aus meiner kleinen Bibliothek ich noch einmal l e s e n sollte, fiel mir d i e s e s kleine Traktat in die Hände, das mir der Magister der M e d i z i n Raphael Romerus, ein außerordentlich gesitteter und in Philosophie gebildeter Mann, tags zuvor geschickt hatte", 9
Toledo entschied sich, den Band, den er von seinem Kollegen erhalten hatte, publizieren zu lassen, weil ihn „Stil, Eloquenz und Gelehrsamkeit des Büchleins beeindruckt" hatten.10. Der beste Verlag für eine derartige Sentenzensammlung war der des Lyoner Verlegers Claude Nourry, dessen Spezialgebiet Sentenzen- und Sprichwortsammlungen in lateinischer und französischer Sprache waren. Durch die beschriebene Lesesituation stellte Toledo sich als humanistischen Gelehrten vor: Er saß in seinem Studierzimmer und betrachtete seine kleine Bibliothek. Offenbar kannte er schon alle Bücher, so daß das
7
Das Volumen Sententiarium von Bellengard, Nr. 146. Jean de Beaugency (1452-Ì505). Zur Biographie vgl. Contemporaries, Bd. 2, S. 373. 9 3, fol. A l ve. Cum hisce diebus ocioli quicquam nactus literarie rei insudarem, queritansque quid in bibliothecula mea tunc a me relegendum sese offerret. Incidit in manus meas tractatulus iste quem egregius medicine magister Raphael Romerus vir et moribus et doctrina philosophus ad me pridie missitaverat. 10 3, fol. A l v e . cuius libellam eloquentiam, stylus doctrinam demiratus: non potui non mihi persuadere: quin is impresssione: quo studiosis communior fieret: propediem demandaretur. Zu Nourry vgl. Davis, Natalie Zemon, Spruchweisheiten und populäre Irrlehren, in: Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.-20. Jahrhundert), Hg. Richard van Dülmen, Norbert Schindler, Frankfurt 3.M. 1984, S. 78-116, hier S. 87. Zur Biographie von Antonio Toledo waren keine näheren Informationen zu finden. 8
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Eloquentia — Beredsamkeit
Manuskript, das ihm sein gelehrter Kollege schicken ließ, eine angenehme Abwechslung bot. Die Kriterien, nach denen Toledo das ausgeliehene Manuskript beurteilte, waren eines Gelehrten würdig: Stil, Eloquenz und Gelehrsamkeit - die Qualitätsmaßstäbe, die in der Gelehrtenrepublik galten. Sein Ansinnen, das Buch drucken zu lassen, „damit es allen Gelehrten vertrauter wird", dürfte um 1520 wegen der geringen Zahl der Lateinkundigen in Lyon und Umgebung nicht als ungebührliche Popularisierung gelehrten Gedankengutes angesehen worden sein. In einem Punkt durchbrach Toledo allerdings die Konventionen gelehrter Selbstdarstellung. Ein Humanist, der etwas auf sich hielt, arbeitete nachts und bezeichnete entsprechend seine Tätigkeit als lucubrationes. Schwitzend unter sengender Lyoner Sommersonne zu sitzen war als Topos nicht gebräuchlich. Das Nachwort, das wie die Widmung in sehr persönlichem Ton gehalten ist, richtete Toledo an sechs namentlich genannte „redegewandte Bearbeiter der apollinischen Künste und hochgeachtete Gefährten", die in keinem biographischen Nachschlagewerk zu finden sind. Auch wenn in Toledos Texten nicht einmal das unter Humanisten so wichtige Wort amicitia fallt, werden die Gefährten wohl tatsächlich seine Freunde gewesen sein; repräsentative Ämter, die sie als Mäzene prädestiniert hätten, nahmen sie in der Lyoner Gesellschaft offenbar nicht ein, sonst wären ihre Biographien bekannt. Er empfahl ihnen das Buch, das unvergänglicher als steinerne Denkmale den Geist der Antike bewahre, als überaus notwendig für Theosophen, Philosophen und Ärzte. Die Gefährten von Antonio Toledo achteten offenbar auf die Qualität der Texte, die sie lasen, denn Toledo gestand ihnen die Möglichkeit zu, das Buch zurückzuweisen: Der große Nutzen des Buches könnte sich ihnen nur erschließen, wenn sie sich nicht weigerten, es durchzulesen.11 Die zweite ältere Sentenzensammlung der Stichprobe besteht aus zwei Teilen: Vitae silva (Wald des Lebens) und Speculum de moribus (Sittenspiegel), die zusammen in einem Band erschienen. Die Texte von Antonio Mancinelli entsprachen in Bezug auf das Thema der Sammlung von Jean de Beaugency. Wie dessen De tribus virtutis animae behandelten die Texte Mancinellis moralphilosophische Fragen und schöpften gleichermaßen aus antiken wie christlichen Quellen. Die Sammlungen beider Autoren verbanden antikes Erbe, Eleganz des Stils und christliche Moral. Doch wird deutlich, daß Mancinellis Sentenzen aus einem anderen kulturellen Kontext stammten. Er widmete seine Texte einem repräsentativeren Mäzen: Alessandro Farnese, der durch seine Tugend das Werk vor der „vor Neid gelben Menge und ihren bösartigen Angriffen" schützen sollte.12 Auch stilistisch ist Mancinellis Vorrede recht anspruchsvoll, da er in seinen poetischen Hexametern recht ausgefallene Worte verwendete. Leser wurden in dieser 11 12
3, fol. E6re. 11, fol. A l v e . Lurida nec morsu turba nocebit ei.
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formalisierten Art der Widmung nicht erwähnt. Allerdings besaß die Lyoner Ausgabe der Werke Mancinellis einen Anhang, der die Förmlichkeit des Buchanfangs etwas ausglich. Der Lyoner Verleger François Carcan hatte im zweiten und dritten Drittel des Buches ein zweisprachig französischlateinisches Verzeichnis von Sprichworten und Redensarten angefügt. Unter dem örtlichen Publikum vermutete Carcan offenbar zu wenig Kunden fur ein Florilegium mit ausschließlich moralphilosophischen Sentenzen in lateinischer Sprache. Unter den Titeln der Stichjahre 1519/20 ist es das einzige Buch, das überhaupt französischen Text enthält.13 Erasmus knüpfte in seinen Adagia, der dritten älteren Sentenzensammlung der Stichprobe, nicht an die Sentenzenbände in der Art von Mancinelli an, sondern stellte seine Sammlung als völlig neuartig dar. „Meines Wissens ist noch kein lateinischer Autor vor mir durch die verschiedenen Gärten der Klassiker geschlendert" und hat die „schönsten und ältesten Sprichworte gepflückt", schrieb Erasmus im Widmungsvorwort an seinen englischen Freund Lord Montjoy.14 Auch der Pariser Verleger Jean Philippe, bei dem der Erstdruck 1500 erschien, betonte auf der Titelseite, das Werk sei „ebenso neu als auch der Verschönerung und Erläuterung jeder Art von Schrift und Rede auf wunderbare Weise zuträglich".15 Erasmus wandte sich mit seinen Adagia an mindestens zwei Lesergruppen. Er schöpfte aus seinen Erfahrungen als Hauslehrer bei drei Familien in Paris und schrieb zum einen explizit für die „studierende Jugend" und die „geistvollen jungen Leute", um sie „zu unterrichten oder wenigstens zu interessieren für einen Schreibstil, den viele gelehrte und fromme Autoren aus guten Gründen anwandten".16 Sein wortreiches Plädoyer hingegen für die literarische Qualität und den rhetorischen 13 Natalie Zemon Davis verweist darauf, daß wegen des moralischen und rhetorischen Nutzens ein starkes Interesse von Gelehrten an Sprichworten bestand. Zudem wurden die zweisprachigen Ausgaben offenbar zum Lateinlernen verwendet; vgl. Davis, Sprüche, S. 82-96. 14 33, zitiert nach: Collected works of Erasmus, Bd. 1, Toronto 1975, S. 257, Z.20. 15 Vgl. Collected Works, Bd. 1, S. 258 (Reproduktion der Titelseite der Pariser Erstausgabe); Payr, S. XV. Ganz so neu, wie Verleger und Autor behaupteten, war die Sprichwortsammlung von Erasmus jedoch nicht. Bereits 1498 war das Proverbiorum Iibellus von Polydore Vergil in Venedig erschienen, das ebenfalls Sprichworte, teils aus der Antike, teils von den Kirchenvätern versammelte. Als gedruckte französische Erstausgabe einer antiken Sprichwortsammlung mag sein Werk durchgehen. Vermutlich kannte Erasmus die italienischen Ausgaben (das Proverbiorum libellus erschien 1500 bereits in dritter Auflage) tatsächlich nicht. Er selbst fuhr erst 1506 zum ersten Mal nach Italien. Daß Erasmus die italienischen Sprichwortsammlungen von 1498/9 nicht kannte, könnte darauf zurückzuführen sein, daß der Austausch von Büchern zwischen Italien und Frankreich vor 1515 nicht sehr lebhaft war. Doch auch später ließ er sich nicht von der Behauptung abbringen, sein Werk sei das erste dieser Art gewesen. Der Vorwurf, seine Sammlung sei ein Plagiat, trifft allerdings nicht zu, wie ein Vergleich der Quellen beider Sammlungen zeigt; vgl. Collected works of Erasmus, Bd. 1, Anm. zu Z.l 12-113, S. 259. 16
33, zitiert nach: Collected works, Bd. 1, S. 264.
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Eloquentia — Beredsamkeit
Nutzen von antiken Sprichworten schrieb Erasmus für Kenner des humanistischen Bildungsideals, die um den Zusammenhang von Eloquenz und Moral wußten, denn er hob ihn nicht explizit hervor. Im Widmungstext der Collectanea setzte er sich über mehrere Seiten differenziert mit möglichen kritischen Einwänden auseinander, die kaum von Schülern vorgetragen werden konnten. Als Mitglied der res publica literarum schrieb er sich auch in diesen gelehrten Diskussionskreis ein. Das französische Lesepublikum schien Erasmus' Erstlingswerk zunächst nicht besonders zu schätzen. Die Adagiorum collectanea, von Erasmus als eine Art Probelauf-"zu vergleichsweise geringen Kosten und Risiken, um zu sehen, wie dieses neue Werk aussehen würde"- bezeichnet, wurde fünf Jahre lang nicht nachgedruckt.17 Die „Leselustigen, die die Alltagssprache nicht mögen und nach größerer Eleganz und einem verfeinerten Stil suchen", waren offenbar nicht sehr zahlreich.18 Möglicherweise hielt das Publikum, das an alphabetisch sortierte Florilegien gewöhnt war, das Buch für zu unpraktisch: Schließlich waren die Sprichworte ohne erkennbare Ordnung durcheinandergewürfelt.19 Die Lyoner Teilausgabe der Adagia collectanea erschien 1520 ebenso wie die beiden anderen Sentenzensammlungen im Oktavformat, das zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich für klassische Textausgaben verwendet wurde. Die erste Ausgabe der Adagia war 1500 in Paris hingegen als Foliant erschienen, dem seinerzeit für umfangreiche Bücher üblichen, größten Buchformat. Sowohl Bibeln als auch Gesetzestexte'und medizinische Traktate wurden in gotischen Lettern auf großen Papierbögen gedruckt und im Folioformat publiziert. Auch die erweiterte zweite Ausgabe der Adagia mit ihren 1200 Sätzen, die über 40 mal im 16. Jahrhundert nachgedruckt wurde, erschien 1508 bei Aldo Manuzio in Venedig im großen Format. Die Adagiorum Chiliades mit ihren schließlich über 5.000 Sprichworten und Kommentaren waren eher ein gewichtiges Nachschlagewerk, vergleichbar einer Sammlung von Gesetzestexten, als eine Textausgabe antiker Autoren und erschienen ebenfalls in Folioformat. Die Wahl des kleinen Formates für die Lyoner Ausgabe läßt Rückschlüsse auf die Publikationsstrategie der Lyoner Verleger zu. Sie produzierten offen17 Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erschienen mindestens 130 Nachdrucke der Adagia, die in drei Ausgaben auf dem Markt waren: Die ursprünglichen Adagiorum Collectanea, die 818 Sprichworte enthielten, die von Erasmus mehrfach erweiterten Adagiorum Chiliades mit ihren am Ende über 5.000 Sprichworten und die Kurzfassung Epitome Adagiorum, die Adrianus Barlandus 1521 mit Erasmus Einverständnis zusammenstellte; vgl. Bibliotheca Erasmiana, Répertoire des oeuvres d'Érasme, Hg. Frans Van der Haeghen, 1er série, Gand 1897 (ND Nieuwkoop 1961), Vol.l. 18
33, zitiert nach: Collected works of Erasmus, Bd. 1, S. 257. Die in der Stichprobe enthaltene Ausgabe hat einen Index, der nachträglich von F. Fouque angelegt wurde. 19
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bar - im Gegensatz zu einigen ihrer Basler, Straßburger und Pariser Kollegen, deren Sentenzenbücher und Adagia-Ausgaben zum Teil weiterhin mindestens im Quartformat erschienen - für ein Publikum, das sich die größeren, teureren Ausgaben nicht leisten konnte oder wollte. Dieser Kundenkreis könnte größer gewesen sein als derjenige von Lesern antiker Autoren in Originalausgaben. Denn im Gegensatz zu den für Aldinen üblicherweise verwendeten Antiqualettern erschienen die Sentenzensammlungen der Lyoner Verleger zwar im Aldinenformat, doch in gotischer Schrift. Diese Schrift wurde noch bis in die 50er Jahre des 16. Jahrhunderts in Volksbüchern und auf Flugschriften für französischsprachige Texte verwendet. In gotischer Schrift und meist im Folioformat erschienen Texte, mit denen Kleriker, Juristen und Mediziner beruflich umgingen (Bibeln und Patristik, Gesetzestexte). Die Antiqualettern hingegen wirkten seit ihrer Erfindung wie eine Grenze zwischen Texten, die für ein humanistisch gebildetes Publikum bestimmt waren, und denen, die sich an Nicht-Humanisten wandten. Eine Sentenzensammlung, wie die Lyoner Ausgabe der Adagia, in kleinem Format mit gotischer Schrift bildete so eine Brücke zwischen diesen beiden Kreisen. Sie übersetzte gleichsam die „Weisheit der Alten" für diejenigen, die zwar außerhalb der res publica literarum standen, doch lateinische Texte lesen konnten. Das kleine Format machte die Lyoner Ausgabe erschwinglicher und nahm ihr außerdem den Anschein eines ehrwürdigen, unantastbaren Wissensschatzes. Es machte sie eher zu einem Ratgeber, der sich leicht handhaben und transportieren ließ. Durch die Wahl der gotischen Lettern boten die Verleger ihren französischen Kunden die Sentenzen der antiken Autoren, die aus dem kulturellen Umfeld der Gelehrten stammten, als Teil ihrer eigenen, gebildeten Kultur an. Nach Toledos Beschreibung in Vor- und Nachwort von De tribus virtutis animae gab es Anfang des 16. Jahrhunderts einen kleinen gelehrten Zirkel in Lyon, zu dem einige Ärzte und der Prior des Dominikanerklosters gehörten. Sie widmeten sich in ihrer Freizeit der Lektüre antiker Autoren. Gemeinsam diskutierten sie die gelesenen Texte, unter denen sicher auch die MancinelliAusgabe und die Adagia von Erasmus waren, die in der Stichprobe enthalten sind. Man kann vermuten, daß sich die Lyoner sodalitas Mancinelli, der ebenfalls studierter Mediziner gewesen war, und seinen gelehrten Kollegen verbunden fühlte. Doch unterschieden sich die Lyoner Freunde der Literatur von ihren florentinischen, venezianischen, römischen und Pariser Zeitgenossen. Toledo und seine „apollinischen Gefährten" verbanden mit ihrer humanistischen Tätigkeit keine Ambitionen auf einen sozialen Aufstieg. Die Lyoner Publikation der Sammlung von Jean de Beaugency erfüllte keine repräsentative Funktion. In bezeichnender Weise unterschied sich die raffinierte, elegante Sprache in Mancinellis Widmungsgedicht von der leichtverständlichen Vorrede Toledos. Sein Florilegium wandte sich an keinen Mäzen, sondern zeugte nur vom Interesse einiger Lyoner Gelehrter. De tribus virtutis animae er-
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schien nur in dieser einen Auflage. Man kann spekulieren, ob ein einflußreicher Mäzen die Nachfrage nach dieser Sammlung gesteigert hätte oder ob gegen 1520 das Interesse an dieser Art von Sentenzensammlungen in der Tradition des italienischen Quattrocento ohnehin nachgelassen hatte. Auch in den anderen beiden Sentenzensammlungen der Stichjahre 1519/20 zeichnet sich die Tendenz ab, daß den Kunden der Lyoner Verleger die auf Wirkung bedachte lateinische Eloquenz der italienischen Humanisten und das Streben nach Prestige und Reputation mithilfe derselben fern lag. Wahrscheinlicher ist, daß das von Toledo herausgegebene Buch von seinen Freunden und anderen Lyoner Lesern als unterhaltsame und erbauliche Freizeitlektüre gelesen und besprochen wurde. Als gedrucktes loci-communes-Heft sollte es weder die eigenen Notizen ersetzen noch einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Auch die Mancinelli-Ausgabe mit ihrem zweisprachigen Sprichwortanhang (der zwei Drittel des gesamten Buches ausmacht) legt die Vermutung nahe, daß sich das Lyoner Publikum am Anfang des 16. Jahrhunderts weniger für den italienischen Humanismus interessierte, als vielmehr seine eigene, französische Kultur um einige äußere Einflüsse bereichern wollte. In den frühen vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts ist ein Umbruch auf dem Florilegienmarkt festzustellen. Keine der alten Ausgaben wurde unverändert nachgedruckt. Sie wurden neu bearbeitet, teils erweitert, und neue Sammlungen wurden herausgegeben. Diese Florilegien und Sentenzensammlungen erschienen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts oft in vielen Auflagen an verschiedenen Verlagsorten. Die Stichprobe enthält in den Jahren 1559/60 und 1579/80 Nachdrucke dieser weitverbreiteten Bände.20 Alle diese Ausgaben enthielten Vorreden, in denen der Herausgeber seine Arbeit darstellte und sich über den erwarteten Nutzen seines Textes äußerte. Sie können Aufschluß geben über das Interesse, das die Herausgeber von den Lesern erwarteten. Auch im Hinblick auf die Vorgehensweise, mit der Herausgeber die Fülle der antiken Texte auf kurze Sentenzen reduzierten, sind die Vorreden interessant. Sie enthalten die Argumente, mit denen die Herausgeber ihre Selektion begründeten. Bearbeitungen der Illustrium poetarum flores Einen guten Überblick über die Argumentationsmuster bieten die Vorreden der Illustrium poetarum flores, die in zwei Exemplaren in der Stichprobe vertreten sind. Dieses Florilegium, das im folgenden genauer betrachtet werden soll, wurde von seiner Entstehung bis zur letzten Druckfassung drei Mal bearbeitet. Der Augustinerkanoniker Ottaviano Mirandola kompilierte es Mitte des 15. Jahrhunderts, um 1500 wurde es von dem Humanisten Filippo 20 1539/40 enthält die Stichprobe lediglich drei Ausgaben der als Schulbuch verwendeten Disticha Moralia Catos.
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Beroaldo bearbeitet und um 1540 neu geordnet.21 Alle Herausgeber äußerten sich in Vorworten, die in den späteren Ausgaben enthalten sind, so daß sich an ihnen die Tradition dieser Textgattung verfolgen läßt. Seit dem 13. Jahrhundert wurden Bibelzitate und Vätersentenzen, Exempel und Fabeln in den Predigthandbüchern der Bettelorden zusammengestellt. Werke wie das Speculum maius von Vinzenz von Beauvais oder das Breviarum Historiarum von Landulph de Columna dienten als Nachschlagewerk für die Predigt und im Kampf gegen die Ketzerei. Sammlungen von populären Sprichworten wurden im Mittelalter ebenso handschriftlich tradiert wie Maximen antiker Philosophen, deren Werke im Mittelalter oft durch Florilegien bekannter waren als durch komplette Texte.22 Alle diese Kompendien christlicher und nichtchristlicher Literatur enthielten keine Interpretation der Quellen - zumindest war das nicht ihr Ziel sondern sie gaben sie lediglich in neuer und zweckmäßiger Ordnung wider. An diese Kompendien knüpfte Ottaviano Mirandola an, wie ein Vergleich seiner Vorrede mit denen von Landulph de Columna und Vinzenz von Beauvais zeigt. Landulph de Columna hatte um 1320 das Breviarum historiarum zusammengestellt. Als Motivation für seine Arbeit hatte er angegeben, daß die Menge des überlieferten Wissens die Leser überfordern würde. Sie sei ein derart weites und tiefes Meer, daß der Leser darin nur orientierungslos herumirren könnte. Dank seines Einsatzes könne nun dem Leser eine Auswahl aus dem gesamten Wissen und ein gutes Inhaltsverzeichnis zur Verfügung gestellt werden.23 Ganz ähnliche Metaphern benutzte Ottaviano Mirandola im Vorwort seiner Sentenzensammlung, die etwa 130 Jahre später entstand. Er beschrieb nicht die furchteinflößende Weite und Tiefe des Meeres, sondern ihn erschreckte die Weite der Ebene, „die sich an j e d e m Punkt noch weiter öffnet, daß man sich darin lesend nicht leicht zurechtfindet und man kaum die Spitzen des Geistes erkennen kann". 24
Während Landulph irgendeinen Leser (aliquis) in der Weite der Überlieferung verloren sah, war Mirandola präziser: Er wollte zunächst vermeiden, daß der
21 Zur Biographie vgl. Ottaviano Mirandola (7-1503): ABI 660, 365-366. Filippo Beroaldo (1453-1505): ABI 146, 396-430. 22 Vgl. Davis, Sprüche, S. 82; Proverbs and Sententiae, in: Dictionary of the Middle Ages, Bd. 10, NY 1988, S. 189-182. 23 Vgl. Melville, S. 63. 24 179, fol. a3ve. Horum enim quaedam veluti vastissimam camporum planitiem, omnimoda rerum specie refertam se tam late aperiunt, ut nedum legendo peragrari facile, sed vix ingenii acumine complecti possint.
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„Mönch, der die Aufgabe zu predigen hat und sich der heiligen Schrift widmet", zu viel Zeit auf die Lektüre antiker Autoren verschwendete.25 Mirandolas Argument legt nahe, daß es einerseits grundsätzlich strittig war, ob Geistliche antike Autoren lesen durften, und daß es andererseits die Vorstellung eines präzisen Quantums an Zeit gab, das einem Geistlichen zur Beschäftigung mit antiken Autoren zustand. Auch Vinzenz von Beauvais setzte sich mit diesem Einwand auseinander. Er erläuterte, er habe in seinem Speculum maius heidnische Autoren berücksichtigt, die er für Predigermönche bei der Predigt für nützlich hielt - soweit deren Aussagen zur christlichen Lehre paßten. Auch auf die Mengenbegrenzung für die Lektüre heidnischer Autoren ging er ein: Manchmal sei er, besonders bei Außerbiblischem, über das von seinem Berufsstand gesetzte Maß hinausgegangen. Der Wissenshunger lasse ihn wohl in das Laster der Neugier (curiositas) verfallen. Doch wolle er mit dem Werk nicht nur seine Ordensbrüder zufriedenstellen, sondern auch andere Exegeten und christliche Gelehrte sowie alle übrigen Wißbegierigen, schrieb er in seiner Apología Actoris. In dieser Diskrepanz zwischen dem „Laster der Neugier" und dem unbestreitbaren Nutzen einiger antiker Sentenzen sah sich auch der Herausgeber der Flores, Mirandola, aber er brauchte die Verantwortung für seine einem Geistlichen unangemessene Klassikerlektüre nicht selbst zu übernehmen. Er hatte einen Sündenbock: „Besiegt durch das Feuer des Mitleids und die Plato, die uns lehrt, daß der M e n s c h nicht nur für siegt durch die h ä u f i g e und zu Recht vorgetragene Religion, die man nur zu Unrecht hätte abschlagen
Sentenz des göttlichen sich allein lebt, und beBitte der Studenten der können," 2 7
habe er sich nach besten Kräften daran gemacht, die nützlichsten und dem menschlichen Leben zuträglichsten Textstellen zusammenzufassen. Nicht etwa aus eigenem Interesse hatte sich der Kleriker mit heidnischen Texten befaßt, sondern um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Philosophie und Religion zugunsten der Religion zu entscheiden. Mirandola argumentierte, daß Sentenzen antiker Autoren moralisch vertretbar seien und man sie demnach wie Bibelzitate in einer Predigt verwenden könnte. Der Tugendkatalog der Antike könne den der christlichen Religion ergänzen. Um dieses zu un25 179, fol. a3ve. Utpote quod cum magno labore non parum discriminis habeat: et multo plus temporis et studii exigat, quam impositae praedicandi sarcine mancipato, et sacris literis vacanti religioso concedi soleat. 26 Vgl. Brincken, Anna-Dorothee v. d., Geschichtsbetrachtung bei Vinzenz von Beauvais. Die Apologia Actoris zum Speculum maius, in: Deutsches Archiv 34(1978), S. 410-464, hier S. 425-435; Furno, Martine, Le cornucopiae de Niccolò Perotti: Culture et méthode d'un humaniste qui aimait les mots, Genf 1995, S. 85-86. 27 1 79, fol. a4re. ... vicit charitatis vigor, ... vicit divi Piatonis sententia, per quam docemur hominem non tantummodo sibi nasci. Vicit et studentium religiosorum frequens et iusta postulatio, quibus non absque iniuria, quod fieri liceat negari non potuit.
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terstreichen, wurde in manche Ausgaben der Illustrium poetarum flores zusätzlich ein Text von Antonio Mancinelli mit dem Titel Über die Tugend der Dichtung und wie sie das Studium der Humanitas zum Guten treibt hinzugefügt. Mancinelli versuchte in diesem Text, der erstmals 1486 veröffentlicht wurde, Vorwürfe gegen die antiken Dichter zurückzuweisen. Zu Unrecht werfe man ihnen vor, daß sie die Leser vom katholischen Glauben entfremden würden. „Ich werde mit den Worten der Dichter zeigen, daß das falsch ist. Wir werden die zehn Gebote in ihnen finden, wir werden sehen, wie sie die sieben Todsünden verdammen und ablehnen und sehr viel Gutes lehren..."28 Doch stimmten Antike und Christentum trotz des Plädoyers von Mancinelli bei weitem nicht in allen ihren Grundsätzen überein. Leser der antiken Texte, deren curiositas nicht durch einen geistlichen Beruf eingeschränkt war, konnten diese Widersprüche entdecken - und unter Umständen kirchliche Dogmen in Frage stellen.29 Auch wenn nach Ansicht der katholischen Kompilatoren von Vinzenz bis Mirandola klassische Autoren eine gute Lektüre selbst für Kleriker waren, konnte man die Auswahl nicht dem Leser selbst überlassen. Das Risiko, daß er auf Widersprüche zwischen der christlichen Lehre und den antiken Gedanken stieß, war zu groß. Um diese Gefahr auszuschalten, waren Sammelbände ausgewählter Textstellen ein geeignetes Mittel. Sie setzen der Neugierde des Lesers Grenzen. Mirandola versuchte, den Lesern seine Auswahl schmackhaft zu machen, indem er nicht nur die Vorzüge seiner Sammlung herausstrich, sondern durch seine abschreckende Schilderung ein weitergehendes Interesse abzuwenden versuchte. Er berichtete: "Der Schatz der Poeten war so vielfaltig und die zu behandelnden Traktate waren so dunkel, daß sie selbst dem Kühnsten Angst einflößten".30 Ob Mirandolas Taktik aufging ist zumindest fraglich, zumal er anscheinend selbst an der Lektüre Vergnügen fand und seine Tätigkeit als das Einsammeln von
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De poetica virtute, et studio humanitatis impellente ad bonum, Straßburg 1544 (Wendelin Rihelin). [SBB PK: Wc 36] Iniuria igitur a quibusdam damnari videntur praesertim quod a catholica fide removeant eis invigilantes. Id equidem ego falsum eorundem Poetarum verbis ostendam. Decem namque legis praecepta in ipsis reperiemus, Septem quoque mortalia vicia illos et damnare et prohibere vedebimus, plurima item quam otrima edocere ... 29 1540 gab der Bibliothekar der päpstlichen Bibliothek Agostino Steuco das Buch De perennis philosophia (Nr. 136) heraus, das die katholische Religion auf elegante Weise aus diesem Dilemma befreite; vgl. Schmidt-Biggemann, Kategorie, S. 185f. 30 179, fol. a3ve. Alia vero in tam densam verborum sylvam sensus occludunt, ut nisi studio et labore vim inferam, se mihi minime aperiri videntur.
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„duftenden Früchten der Hesperiden" beschrieb.31 Mit seinem Vorwort jedoch schrieb sich Mirandola in die Tradition der Kompendienvorworte ein. Das zweite Vorwort der Illustrium poetarum flores wurde von Filippo Beroaldo verfaßt. Es erschien zusammen mit dem bis dahin ungedruckten Manuskript Mirandolas posthum im Jahre 1507 bei einem venezianischen Drucker. Beroaldo knüpfte in seiner Vorrede an die Tradition der locicommunes-Hefte an und begann mit einer grundsätzlichen Anmerkung: „ E s ist e i n e Sitte d e r G e l e h r t e n , u n d d a s ist sehr l o b e n s w e r t , d a ß sie, w e n n sie W e r k e b e r ü h m t e r A u t o r e n d u r c h l e s e n , v i e l e s a n s t r e i c h e n u n d a u s w ä h len, w a s d e r E r i n n e r u n g w ü r d i g zu sein s c h e i n t . V o n P l i n i u s ist ü b e r l i e f e r t , d a ß er n i c h t s las, o h n e es zu e x z e r p i e r e n " . 3 2
Sicher hatte Beroaldo selbst ebenfalls ein Heft angelegt, in dem er rhetorische Floskeln, Synonyme und Zitate unter bestimmten Stichworten (loci communes) notiert hatte, denn die von ihm genannte „Sitte der Gelehrten" war die typische humanistische Studienmethode. Allerdings war die von Beroaldo bearbeitete Ausgabe, die unter dem Titel Viridarium Illustrium poetarum erschien, noch nicht nach dem loci-communes-Vrinzip geordnet, sondern nach dem Alphabet der Autoren. Beroaldo pries in seinem Vorwort das Werk als eine Mischung aus einem gedruckten loci-communes-Heft und einem herkömmlichen Florilegium an: „ J ü n g s t h a t O t t a v i a n o M i r a n d o l a , ein w ü r d i g e r A u g u s t i n e r R e g u l a r k a n o n i ker, d e r f ü r s e i n e G e l e h r s a m k e i t u n d F r ö m m i g k e i t b e r ü h m t ist, n a c h d e m B e i s p i e l d e r A l t e n a u s s e i n e r L e k t ü r e g e s a m m e l t u n d e x z e r p i e r t , als h ä t t e er v o n e i n e r w u n d e r s c h ö n e n W i e s e d i e d u f t e n d s t e n B l u m e n g e p f l ü c k t . " 3 3
Angesichts des Lesepensums der Humanisten schien ihm diese Sentenzenauswahl ein geeignetes Hilfsmittel zu sein. Kein Buch sei so schlecht, daß man nicht irgendeinen Nutzen daraus ziehen könnte, schloß er sich Plinius' Meinung an.34 Beroaldo teilte die Vorbehalte Mirandolas gegenüber der cu31
179, fol. a4re. tanquam de Hesperidum hortis redolentiores fructus in unum colligens, opusculum hoc confeci. 32 179, fol. a2ve. Mos est studiosorum, et is plane laudabilis, ut celeberrimorum scriptorum perlegentes, annotent seligantque non parum multa, quae memoratu digna esse videantur. Hoc Plinium ilium multiscium factitasse tradunt, qui nihil unquam legit, quod non excerperet. 33 179, fol. a2ve. Nuperrime quoque Octavianus Mirandula divi Augustini canonicus regularis sacerdotali dignitate praeditus, nec minus doctrina quam religione clarus, exemplo maiorum ex multiqua lectione collegit excerpsitque, veluti ex pulcherrimo prato flosculis odoratissimos. 34 179, fol. a2ve. ... nullum librum esse tarn malum, ut non aliqua es parte prodesset. Um ein Zitat zu einem bestimmten Thema zu finden, konnte man in einem 112 Seiten umfassenden Verzeichnis am Beginn des Buches nachschlagen, in dem die Inhalte der Textstellen kurz zusammengefaßt und alphabetisch geordnet waren, unter anderem "Poeta delectare: aut prodesse debent: vel ambo simul perficere". Schlägt man an der
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riositas nicht. Mit keinem Wort versuchte er, unbefugte Leser von eigener Lektüre der Originaltexte abzuhalten; weder schrieb er von unerforschlicher Weite noch von undurchdringlichem Dunkel der Überlieferung. Vielmehr betrachtete er sie als eine wunderschöne Wiese mit duftenden Blüten. Die unterschiedlichen Einschätzungen der gesamten Überlieferung, der christlichen wie der heidnischen, könnten kaum deutlicher werden als in diesen gegensätzlichen Metaphern. Mirandola beschrieb sich als klein gegenüber der übermächtigen Fülle der Texte. Nur mit Kühnheit und strengen Kategorien war es ihm möglich, deren Weite zu durchdringen. Stellvertretend für die Studenten der Religion hatte er sich etwas mehr curiositas gestattet als ihm zustand, um sie so von der eigenen Lektüre fernzuhalten. Auch Beroaldo beschrieb die Fülle der Überlieferung, doch hatte sie ihren furchteinflößenden Charakter verloren. Sie hatte sich in einen lieblichen Ort, einen Paradiesgarten verwandelt, den sich der Humanist zu eigen machen konnte. Für ihn und die gebildeten Kanzler, Sekretäre und wohlhabenden Amateure des Quattrocento, die in der lateinischen und griechischen Sprache die edelsten Medien der Weisheit sahen, war das Laster der curiositas eher eine Tugend. Ende der 30er Jahre wurde das Florilegium erneut bearbeitet. Wie auf der Titelseite der Neuausgabe zu lesen war, hatte ein nicht näher bezeichneter „studiosus quidam" die Sentenzen aus der ursprünglichen alphabetischen Ordnung der Autoren in eine Ordnung nach Stichworten (loci) umsortiert und sie „sorgfaltigst durchgesehen", wie es sich für einen Bearbeiter mit wissenschaftlichem Anspruch gehörte.35 Erst mit dieser neuen Ordnung war aus dem Predigerhandbuch ein gedrucktes loci-communes-Heft geworden, wie sie seit 1540 in großer Zahl publiziert wurden. 1555 erschien in Lyon der französische Erstdruck der lllustrium poetarum flores im Halboktavformat. Der geschulte Leser konnte die etwa zweihundert Jahre alte Geschichte der Florilegien auf den ersten Seiten des Buches nachvollziehen. Da die Vorreden in der für Nachdrucke üblichen Reihenfolge entgegen der Chronologie angeordnet waren, entfernte er sich beim Lesen von seiner Gegenwart: Vom pragmatischen Umgang mit den wohlsortierten Zitaten über die euphorische Bewunderung Beroaldos bis zur zurückhaltenden Wertschätzung Mirandolas. Über die Interessen der Leser, für die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zahlreiche Nachdrucke dieses Buches erschienen, lassen sich aus den Vorreden dennoch nur wenige Schlüsse ziehen. Da die Texte nicht datiert waren und zudem Sentenzensammlungen in Format und Schrift immer der aktuellen Mode angepaßt wurden, ist es durchaus möglich, daß Leser, denen angegebenen Stelle nach, findet man in der Abteilung Horaz: "Aut prodesse volunt: aut delectare poetae. Aut simul et iucunda et idonea dicere vitae." Die Zusammenfassung im Inhaltsverzeichnis ist fast genauso lang wie das Originalzitat. 35 Der erste Nachweis für diese Sentenzensammlung mit dem neuen Titel lllustrium poetarum flores im National Union Catalogue ist aus dem Jahr 1538.
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die Details der curiositas-Dob&tte nicht bekannt waren, die französische Erstausgabe für ein neues Buch hielten, sah es doch mit seiner neuen Ordnung aus wie ein modernes Florilegium. Neu herausgegebene
Sentenzensammlungen
Die Autoren der Vorreden von Sentenzensammlungen, die seit 1540 neu zusammengestellt wurden, gingen nicht auf die Geschichte der Textgattung ein, sondern wandten sich direkt an ihre zeitgenössischen Leser. Ihre Texte erlauben daher Rückschlüsse auf den Gebrauch von Sentenzensammlungen, wie er zum Zeitpunkt ihrer Tätigkeit üblich war. Als Beispiele dienen die Auswahl von Cicero-Sentenzen, die Pierre Lagnier 1541 zusammenstellte, die PlatoSammlung von Jean II de Tournes aus dem Jahr 1560 und das Sententiarum volumen absolutissimum von Etienne Bellengard, das 1559 in Lyon als Erstdruck erschien. Lagnier hatte Sentenzen Ciceros zusammengefaßt und sie um einige von ihm ausgewählte „Sinnsprüche und Parabeln, die uns zur christlichen Religion zu fuhren scheinen", ergänzt.36 Doch seine Kompilationsleistung beschränkte sich nicht auf die Sentenzen. Vielmehr ist seine Vorrede eine Kurzfassung aller Argumente für die Klassikerlektüre, die von einem christlichen Humanisten vorgebracht werden konnten.37 Die Verbindung von Eloquenz und Moral wurde von ihm, wie auch schon von den italienischen Humanisten, besonders betont. Lagnier empfahl Sentenzen als Schmuck der Rede und seine Sammlung für den Schulgebrauch. Er erwähnte den Nutzen der Kenntnis der Antike und wies einen Widerspruch zwischen Antike und Christentum zurück. Die sorgfaltige Korrektur und Verbesserung des Textes, auf die ein humanistischer Editor grundsätzlich verwies, konnte sich Lagnier allerdings nicht auf die Fahnen schreiben, da er auf bereits vorliegende Cicero-Ausgaben (etwa von Pietro Vettori oder Andrea Navagero) zurückgegriffen hatte. Statt dessen betonte er die leichte Handhabbarkeit der Sammlung, auf die er größte Sorgfalt verwendet habe und wies das Lob für den Inhalt der Zitate zurück.38 Bereits die Gelehrten des Mittelalters hatten die Notwendigkeit ihrer Arbeit mit dem Durcheinander der Überlieferung begründet und hervorgehoben, daß ihnen Lob allein für die Ordnung der Texte, nicht für die Texte selbst, gebühre.39 Sie knüpften damit an eine Selbstbeschreibung antiker Autoren an, denn
36 281, S. 3. ... etiam eas sententias, quae nobis proxime ad pietatem, relgionemque Christianam vedebantur accedere. Über Pierre Lagnier waren keine biographischen Daten in Erfahrung zu bringen. 37 Lagnier orientierte sich in dieser Vorgehensweise an mittelalterlichen Kompilatoren. Schon die Vorworte mittelalterlicher Sammelbände waren oft Kompilationen älterer Vorworte; vgl. Furno, S. 87. 38 281, S. 3. 39 Vgl. Melville, S. 61.
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auch diese ließen sich ausschließlich für ihren Fleiß, diligentia, loben.40 Herausgeber und Übersetzer übertrugen dieses Lob auf ihre Tätigkeit. Sie brüsteten sich einerseits mit ihrer fleißigen Jagd auf diejenigen, die die Überlieferung des antiken Erbes durch ihre Nachlässigkeit verunreinigt hatten, und andererseits mit der von ihnen hergestellten Ordnung. Zwar enthielten andere Herausgebervorworte die einzelnen Aspekte nicht in dieser Vollständigkeit, doch wurde bei allen Texten das Bemühen deutlich, Sentenzensammlungen als das Werk eines Gelehrten zu präsentieren. Lagnier tat ein übriges, um seine Sammlung als Bestandteil des gelehrten Schrifttums kenntlich zu machen. Er wandte sich gegen den sogenannten ciceronianischen Redestil, der den Inhalt der Rede zugunsten der vollkommenen Form vernachlässige. Er betonte, daß es zwar wichtig sei, die Rede mit Sentenzen zu schmücken, nicht aber so ausgeprägt, daß am Ende „der Krach selbst der gewähltesten Worte und der leere Lärm ausgelacht wird."41 Die Debatte um den Stil wurde innerhalb der Gelehrtenrepublik geführt. Wahrscheinlich konnten selbst die Leser, die Latein gelernt hatten, wenig damit anfangen. Daß Lagnier sie erwähnte, zeigt, daß er seine Sentenzensammlung im gelehrten Kontext verstanden wissen wollte. Indem er seine Kompilatorentätigkeit mit der von philologischen Editoren auf eine Stufe hob, stellte er allerdings das Selbstverständnis der Gelehrtenrepublik in Frage. Schließlich setzte er implizit die Leser von Sentenzensammlungen mit denen der Originaltexte gleich. Die Leser der Sammelbände, die sich mit der Auswahl eines stellvertretenden Lesers begnügten, wurden angesprochen, als wären sie die unermüdlichen Mitglieder der Gelehrtenrepublik selbst. Lagnier und andere Herausgeber präsentierten ihre Werke nämlich wie einen Extrakt der humanistischen Gelehrsamkeit, die diese Reduktionsprozedur unbeschadet überstanden habe. So vermittelten sie den Eindruck, daß die Sentenzensammlungen, in wissenschaftlicher Vorgehens40
Vgl. Janson, S. 160. 281, fol. a2re. ... ne strepitus ille verborum vel ornatißimorum, et sonitus inanu rideatur. In den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts stritten sich die Ciceronianer mit den Anti-Ciceronianern über die beste Form des lateinischen Stils. Die Ciceronianer vertraten die Ansicht, daß Ciceros Stil als Leitlinie für neue lateinische Texte benutzt werden müsse, um so das klassische Latein wiederherzustellen. Sie gingen dabei so weit, daß sie sogar Ciceros Fehler nachahmten. Die Anti-Ciceronianer hingegen meinten, die lateinische Sprache müsse sich weiterentwickeln. Neolateinische Autoren sollten den ciceronianischen Stil als Vorbild nehmen, um eine ihnen selbst und dem Thema angemessene Form des Ausdrucks zu finden. Ciceros Stil könne für Themen des 16. Jahrhunderts kaum angemessen sein, da er in einer lange zurückliegenden Zeit entstanden sei. Eines der wichtigsten Prinzipien der Rhethorik, das der Angemessenheit (aptus) könne daher in einer Rede im Stile Ciceros grundsätzlich nicht eingehalten werden. So eignete sich Ciceros Wortschatz nicht für die Behandlung eines der wichtigsten Themen der Reformationszeit, der Religion. Ciceronianer vermieden dieses Thema; vgl. Payr, S. XXXVI. 41
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weise erstellt, dem Leser im Hinblick auf seine doctrina, virtus und eloquentia gleichermaßen nützen konnten, verbanden sich doch in den Sentenzen diese drei Haupteigenschaften des Humanisten. Die Leser konnten sich so der exklusiven Gelehrtenrepublik zugehörig fühlen, ohne selbst alle Autoren im Original zu lesen. Es scheint, als wären sich die Herausgeber von Sentenzensammlungen dieser Konsequenz nur teilweise bewußt gewesen. Filippo Beroaldo etwa hatte die Illustrium poetarum flores nicht als erschöpfende Zusammenstellung von Zitaten verstanden. Er hatte die curiositas der Leser nicht einschränken, sondern eher beflügeln wollen und sah sein Buch als Zusatzlektüre für Leser klassischer Texte. Erasmus hingegen stellte in seinem Epitome Adagiorum, einer Kurzfassung der Adagia, die 1521 in Löwen erschien, bewußt eine Auswahl von Zitaten zusammen, um deren unchristliche Moral ohne den zugehörigen Kontext unsichtbar zu machen. Jedes Buch einmal im Leben selbst zu lesen, was Erasmus in De duplici copia noch als Ideal für den Gelehrten formuliert hatte, war offenbar nicht mehr das Ziel des Epitome Adagiorum vielleicht war es nie das Ziel der Adagiorum Chiliades gewesen. Erasmus war es wichtiger geworden, seine Sicht der Antike zu vermitteln, als die individuelle Begegnung des Lesers mit dem klassischen Autor zu fördern.42 Wie die anderen Herausgeber hatte er anscheinend nicht bedacht, daß die vielen Flores, die ohne ihren ursprünglichen Zusammenhang mit oder ohne Ordnung zusammengestellt wurden, in dieser verkürzten Form nicht mehr auf das Ganze der Überlieferung verwiesen. Wenn sich die Leser auf Sentenzensammlungen beschränkten, worin sie die Vorreden bestärkten, erhielten sie nur noch Versatzstücke, die den Sinn der humanitas als ideale Verbindung von doctrina, virtus und eloquentia nicht mehr begründen konnten. Letztlich dürfte es so auf die „stellvertretenden Leser" zurückzuführen sein, daß das Gelehrtenideal, das sich in der humanitas manifestierte, in seine Einzelteile zerfiel. Doctrina, humanistische Gelehrsamkeit, wurde abgelöst und ergänzt durch das Wissen über die Antike, das in enzyklopädischen und antienzyklopädischen Kompendien verzeichnet war. Virtus, Moral oder Tugend, war ein Thema, das durch seine Nähe zu den christlichen Weiten ohnehin kaum ausschließlich den antiken Autoren überlassen wurde. Hier sprechen die Sammlungen der Stichprobe eine deutliche Sprache: Alle Florilegien, die aus mehreren Autoren zusammengestellt wurden, schöpften aus christlichen und klassischen Autoren gleichermaßen. Es blieb die eloquentia als einziger Zweck der gedruckten loci-communes-Kefie.43 42
Vgl. Grafton, festina lente, S. 13; Collected works of Erasmus, Bd. 8, Brief 1206, S. 2 1 5 - 2 2 1 . 43 Insbesondere unter den Ausgaben der Jahre 1579/80 sind Neuauflagen von mittelalterlichen Predigthandbüchern. In dieser Zeit, in der die Lesefähigkeit der Bevölkerung gegenüber derjenigen im Mittelalter deutlich angestiegen war, kann man
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U m 1560 war dieser Prozeß offenbar nahezu abgeschlossen. Dies belegt auch die Buchproduktion ab 1560. Die neu erscheinenden Sentenzensammlungen dieser Jahre wurden vornehmlich für Redner empfohlen. Jean II de Tournes erwähnte in der Vorrede seiner Plato-Sentenzensammlung als einzige Motivation für seine Herausgebertätigkeit, daß er die Sentenzen zusammengefaßt habe, „um die Sentenzen, die in beiden Büchern durcheinander und ungeordnet zerstreut waren, in loci communes zu ordnen, damit der Leser, wenn er in die Verlegenheit kommt, etwas zu schreiben oder mündlich zu erörtern, aus den gut zu unterscheidenden Stichwörtern nehmen kann, was er braucht". 44 Humanistische Tugend oder Gelehrsamkeit war - zumindest als Zweck dieses Buches - für den Herausgeber nebensächlich. Seine Kunden vermutete er unter denen, die öffentlich redeten oder schrieben. Für den gleichen Kundenkreis hatte Konrad Wolffhardt die Exemplasammlung Busonis bearbeitet und nach dem /oc/'-System geordnet, um „eine reiche Vorratskammer aller Stoffe und einen unvergleichlichen Schatz (wenn Du es nicht Füllhorn nennen willst) für jeden, der öffentlich oder privat sprechen möchte", zugänglich zu machen. 45 Die in der Sammlung enthaltenen Scherze und Witze waren dabei besonders nützlich, denn sie trieben „übellaunige Gemüter zu höchster Heiterkeit". Selbst „frommen Ohren" konnte man die Facetien zumuten, denn „die große Wirkung, die ein zeitweiser Scherz und, an seiner Stelle angebracht, ein scherzhaftes Wort im Gespräch haben kann", rechtfertigte dieses Mittel. 46 annehmen, daß sie eine ähnliche Funktion erfüllten wie Erbauungsbücher, denn sie dienten nicht dem Schmuck der Rede. Der katholische Verleger Rouillé legte die eindeutig katholische Sammlung Flores omnium pene doctorum des Dominikaners Thomas Palmeranus 1580 wieder auf. (Nr. 338) Diese im 13. Jahrhundert als Predigt-Handbuch konzipierte Sentenzensammlung war in Italien am Ende des 15. Jahrhunderts in einigen Auflagen erschienen. Im Vorwort des Verlegers wird sie beschrieben als "Anthologie, die nicht nur ein Schatz der Theologie, sondern auch der Philosophie ist: Du kannst daraus Geistesbildung, Anstand und ein aufrichtiges und würdiges Leben lernen". Anthologiam habes a nobis, candide Lector, vel, ut vero dicam, non modo Theologiae, sed etiam totius Philosophiae thesaurum: ex quo tibi est integrum, cultum ingenii, morum elegantiam, et vitae integritatem ac dignitatem colligere et eruere. 338, S. 3. 44 244, S. 2. ... sed ut utrorumque horum libellorum sententias confuse et permiste dispersas in locos quosdam communes digeremus, indeque lector, sive scribendi, sive disserendi occasio incideret, tanquam e certis distinctis loculis, quid sibi conveniret, petere posset. 45 219, fol. *5re. Ut sive publice sive privatim dicturus quispiam, ditissimum materiarum omnium promptuarium, atque incomparabilis (si Copiaecornu appellare nolis) thésaurus existât. 46 2 1 9, fol. *5ve. His non raro inservuntur etiam facetiae atque ioci, piis tarnen auribus nequaquam infesti: qui solo loco ac tempore accommodati, animos male affectos ad summam hilaritatem excitabunt: atque in orationibus iudicio adhibiti magnam etiam vim effficaciamque habere poterunt.
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Auch die in derselben Zeit entstandene Sentenzensammlung Etienne Bellengards konnte von Rednern als Nachschlagewerk verwendet werden, obwohl er sie ursprünglich für die „studierende Jugend" angefertigt hatte. Er hatte als Lehrer in Limoges so schlechte Erfahrungen mit der „ungeschliffenen Sprache" seiner Schüler gemacht, daß er für sie eine neue, leicht zugängliche Sentenzensammlung zusammenstellte, die über ein leicht verständliches Ordnungssystem zu erschließen war. "Ich bemerkte, daß meine Rede und die vieler anderer nicht den Reichtum der Sentenzen zum Vorschein brachte, sondern daß sie wie ein Fluß leerer Worte hervorsprudelte", begründete Bellengard seinen Schritt.47 Das Werk mit dem anspruchsvollen Titel Sententiarum volumen absolutissimum, das Bellengard dem König von Navarra, Antoine de Bourbon, widmete, erschien bei Jean de Tournes im Folioformat. Schon durch die Buchgröße wurde deutlich, welchem Vorbild Bellengard nacheiferte: Er wollte seine Sammlung als Tresor der Antike, ähnlich der Adagia des Erasmus, verstanden wissen. Die Sentenzen schöpfte er allerdings nicht aus den klassischen Autoren selbst, sondern aus den Sammlungen seiner Vorgänger. Zwar behauptete er, keine am Rande des Weges ,,herumliegende[n] Steinchen" aufgesammelt zu haben, sondern die besten Stellen aus den verschlossenen Tresoren der Antike und den geheimsten Heiligtümern der Natur48, doch gab er später zu, nicht über die Werke von Mirandola, Lagnier, Valerius Maximus und die Similia, Paroemia und Apophtegmata von Erasmus hinausgegangen zu sein. Die nach humanistischen Gelehrtenkriterien fehlende Begegnung mit der Individualität des antiken Autors hinderte Bellengard aber keineswegs daran, sich für die Sentenzen zu begeistern. „Ich konnte keineswegs meinen Geist zügeln, da ja gleichsam alle Arten von Blüten auf der Wiese strahlten", beschrieb er seine Tätigkeit.49 So sorgfältig Bellengard die vorhandenen Sentenzensammlungen studiert hatte, so sorgfältig studierte er deren Vorworte. Anders als Pierre Lagnier in seiner Cicero-Sammlung hatte Bellengard nicht nur alle „üblichen" Aspekte eines Herausgebervorwortes zusammengefaßt, sondern sie auf zweieinhalb Folioseiten zu einem eigenen Text mit einer durchgängigen Dramaturgie verarbeitet. Die einzelnen Bestandteile der Vorlagen sind allerdings so deutlich zu erkennen, daß einige Zweifel an der Aufrichtigkeit Bellengards aufkommen. Wenn er mit denselben Worten wie Erasmus in der Vorrede seiner
47 146, fol. A2re. ... cum et meorum et permultorum aliorum orationes nulla sententiarum ubertate valere, sed inanium duntaxat verborum flumine scatere viderem. 48 Diese Passage übernahm Bellengard wörtlich aus dem Vorwort zu den Parabolae von Erasmus. Allen, Opus Epistolarum, Brief 312 (Letters, Bd. 3, S. 5 1 - 5 7 ) . 49 146, fol. A2ve. ... nequaquam animum cohibere meum potui, quin tanquam ex prato omnium florum genere refulgenti, ...
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Adagia schrieb, daß er andere, wichtigere Arbeiten für die Vorbereitung der Sentenzensammlung habe zurückstellen müssen, wem von beiden kann man dann glauben? Die anti-ciceronianische Äußerung Lagniers tauchte bei Bellengard in abgewandelter Form auf. Zwar zitiert er seinen Vorgänger fast wörtlich („damit nicht das leere Geschwätz der Worte verlacht wird"), doch meint er das genaue Gegenteil. Während Lagnier vor zu viel Schmuck warnte, gab es für Bellengard kein Zuviel. Eine gute Rede muß Sentenzen haben, war seine Überzeugung: „Die Rede muß daher nicht nur mit Worten, sondern mit Sentenzen unterstützt werden, damit nicht das leere Geschwätz der Worte verlacht wird. Denn es ist j a so, daß der Geist beim Hören oder Lesen vom wenig schönklingenden Getöse der Worte erlahmt, wenn nirgends der Schmuck der Sentenzen glänzt." 5 0
Von Mirandola hatte Bellengard das Bild des heldenhaften Herausgebers übernommen. Er schreibt: „Aber bei Gottes und der Menschen Glauben, wie unordentlich und konfus waren die Sentenzen bis jetzt in den vielen Bänden, daß sie jedem, auch dem Kühnsten, Schrecken einjagten? Sie hatten den Sinn in einen so dichten Wald eingeschlossen, daß, wenn nicht der Eifer mit Gewalt hineingetragen worden wäre, sie sich mir kaum erschlossen hätten." 5 1
Allerdings war Bellengard sehr viel leichter zu erschrecken als noch Mirandola oder Landulphus. Während diese die unendliche Weite der gesamten Überlieferung als furchteinflößend und nicht überschaubar darstellten, meinte Bellengard, daß schon die vier genannten Sentenzenbände ausreichten, um den Leser berechtigterweise zu dem Ausruf „Ohe - iam satis est"52 zu veranlassen, wenn er ein Zitat suchte. „Ich sah voraus, daß die Studenten mit Tantalusqualen mitten im Strom der Sentenzen verdorren würden", beschrieb er die verzweifelte Lage seiner Schüler.53
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146, fol. A2ve. Orationem denique non tarn verbis, quam sententiis fulciendam, ne verborum garritus tanquam inanis rideatur: siquidem haud phalerato verborum strepitu, vel legentis, vel audientis capitur animus, ubi nullus sententiarum renitet ornatus. 51 146, fol. A2ve. Sed, proh deum atque homini, quam confuse, nulloque servato ordine, in tot tantisque voluminibus hactenus iacuerunt sententiae, ut cuique etiam audentissimo terrorem incuterent? Quaedam in tarn densam sylvam sensus occludebant, ut nisi studio vis inferretur, se vix mihi aperiri viderentur. 52 "Mir reicht's schon!" 53 1 46, fol. A2ve. ..cum eos Tantalica cupiditate in medio sententiarum flumine arescere praeviderem. Seine abschätzigen Worte über die Unordnung der vorhandenen Sentenzensammlungen scheinen allerdings nur verkaufsfördernden Gründen zu dienen, denn sein Volumen ist genauso wie die anderen nach dem alphabetischen Loci-Prinzip geordnet.
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Die Vorstellung, daß ein Leser sich an die Lektüre der Originaltexte wagen könnte, schien für Bellengard ganz abwegig zu sein. Zu Beginn seines Textes erwähnt er, in fast denselben Worten wie Mirandola den „Brauch der Studenten, der sehr lobenswerte, die fleißig Sammelbände über die Sitten durchblättern und Sentenzen auswählen, die den Geist schmücken und der Erinnerung würdig sind".54 Diesen Brauch gab er als Anstoß für seine Arbeit an, doch im Gegensatz zu Mirandola bezog er sich nicht auf die Leser der antiken Originaltexte, sondern auf Studenten, die aus bereits bestehenden Sammlungen ihre private Blütenlese zusammenstellten. Bellengards Band ist eine Florilegiensammlung aus verschiedenen Florilegiensammlungen, eine Sammlung zweiten Grades. Auch wenn den Sentenzen ein gewisser geistiger Wert zugemessen wird, verfaßte Bellengard sein Sententiarum volumen absolutissimum in erster Linie als Handbuch für Redner. Leser von
Sentenzensammlungen
Doch wer könnten diese Redner gewesen sein, die so dringend Sentenzen brauchten, und deren Kenntnisse nicht reichten, selbst in mehreren Florilegien nachzuschlagen? Wo wurde außerhalb der Gelehrtenrepublik Wert auf eine sentenzenreiche Ausdrucksweise gelegt? Das eleganteste und beste Französisch wurde nach Ansicht des französischen Grammatikers Robert Estienne am Königshof und an den hohen Gerichten gesprochen.55 Den Königshof hatte Jean-Baptiste Bruyerin in seinen De re cibaria libri 22 als einen Ort vorgestellt, an dem die Tischkonversation mit Antikenzitaten über die Speisen gewürzt wurde.56 Sicher war es in diesem Kreis üblich, nicht nur über Lebensmittel, sondern auch zu artes et disciplinae, die ebenfalls Gegenstand des Gesprächs waren, lateinische Sentenzen einzustreuen. Unter den hohen Beamten im Umkreis des Hofes, etwa den 120 secrétaires du Roi, sind so die Benutzer von Sentenzensammlungen zu vermuten.57 Sentenzenbenutzer wa54 1 46, fol. A2re. Studiosorum tarnen mos, isque vere laudabilis, mihi venit in mentem, qui de moribus luculenter conscripta volumina, pervigili et accurata diligentia evoluentes, quae et animum exornat, et memoratu dignae sunt, sententias seligunt. 55 Vgl. Fumaroli, Marc, L'Âge de l'Éloquence. Rhétorique et res literaria de la Renaissance au seuil de l'époque classique, Paris 1980, S. 483. 56 S. o. Kapitel III.3. 57 Im Gegensatz zu den Juristen an den Gerichtshöfen hatten sie selten eine formale Ausbildung an Schule und Universität durchlaufen, die ihnen umfassende Lateinkenntnisse und den klassischen Redestil vermittelt hätte. Sie waren zumeist in ihren Familien auf die Amtsausübung vorbereitet worden. Praktische Kenntnisse in Jura, gute Umgangsformen und brillante Konversationsführung waren die wichtigsten Qualifikationen der secrétaires du Roi, deren Lebensstil dem sehr vornehmer Adliger glich. Wie eine Auswertung ihrer Bibliotheksinventare zeigte, besaßen sie tatsächlich auffallend viele Sentenzen- und Maximensammlungen antiker Autoren. Auch die Adagia, Parabolae und
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ren ebenfalls die Richter und Rechtsanwälte am Pariser Parlament, das sich zu einer Institution französischer Eloquenz entwickelte. Hier wurden seit den 1560er Jahren jeweils zur Eröffnung der Sitzimgsperiode an Ostern und am Martinstag große Eröffnungsreden, remonstrances, von den avocats du Roi gehalten. Ihre Reden richteten sich an die versammelten avocats. Sie dienten zum einen der Selbstdarstellung des Redners, und zum anderen dazu, die rhetorische Norm der Rede am höchsten Gericht zu etablieren. Der neue stilus curiae parlamenti in französischer Sprache orientierte sich an den Kommentaren der Philologen: eine antike Sentenz wurde in der Originalsprache zitiert und anschließend in französischer Sprache interpretiert. Marc Fumaroli wies darauf hin, daß die humanistische Ausbildung selbst der großen Redner oft nicht ausreichte, geeignete Sentenzen in den Originaltexten selbst zu finden.58 Sie waren offenbar diejenigen, die „in Verlegenheit kamen, eine Rede zu halten" und dafür auf Sentenzensammlungen wie die von Jean II de Tournes herausgegebene zurückgriffen. Bleibt allerdings die Frage, warum die derart eloquenten Redner den alten kommentierenden Redestil beibehielten, obwohl sie dessen Grundlage, die Sentenzen, eigentlich nicht beherrschten. Ihr Festhalten an der humanistischen Form des Kommentars muß eine Bedeutung gehabt haben, die über die reine Brillanz der Rede hinausging. Fumarolis Untersuchung deutet auf eine mögliche Antwort hin. Der von ihm als rhétorique des citations bezeichnete Redestil der Juristen wurde vom Publikum verstanden als ein öffentlicher Dialog des Redners mit dem antiken Autor. Der Redner griff den schriftlichen Dialog des Philologen mit seiner Quelle auf und führte so formal die gelehrte Tradition fort. Der Redner erweckte den Anschein, das Ideal der humanitas, in dem sich doctrina, virtus und eloquentia verbanden, zu verkörpern. Auf diese Weise konnte er sich als legitimer Erbe der Humanisten darstellen. Tatsächlich waren die Vorträge der avocats kein Ausdruck von wirklicher Gelehrsamkeit mehr. In den Sentenzen bündelte sich nicht mehr die antike Lebenserfahrung, um derentwillen die Humanisten die Sammlungen angelegt hatten, sondern nur noch das Bild des gelehrten Humanisten. Sie fungierten als Chiffre für einen Bildungsgrad. Es war „le mythe même de l'humanisme érudit gallican qui se donnait en spectacle", wie Fumaroli schreibt.59 Die gedruckten loci-communes-Hefte hatten dieser Entwicklung unfreiwillig Vorschub geleistet, indem sie die Zitate ohne ihren ursprünglichen Zusam-
Colloquia'von Erasmus waren in den Bibliotheken der secrétaires du Roi weit verbreitet. Vgl. Charton, Chancellerie, S. 210 und 315. 58 Fumaroli, âge, S. 466. 59 ebd; vgl. auch ders., Rhetoric, Politics and Society. From Italian Ciceronianism to French Classicism, in: Renaissance Eloquence. Studies in the Theory and Practice of Renaissance Rhetoric, Hg. James J. Murphy, Berkeley, Cal., 1983, S. 2 5 3 - 2 7 3 , hier S. 262f.
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menhang versammelt hatten. Sentenzen zu verwenden hatte nun einen symbolischen Wert: Wer sie benutzte, wies sich als Mitglied der gebildeten Elite aus. Diese Wirkung konnten Klassikerzitate nur in ihrer Originalsprache entfalten, denn viele antike Sprichworte hatten sich bereits seit dem Mittelalter in volkssprachigen Übersetzungen verbreitet. Kein Zuhörer hätte sie als solche erkannt, wären sie bloß in ihrer übersetzten Form zitiert worden.60 Abgesehen davon, daß die Zitate nur in der lateinischen Originalversion als Erkennungszeichen für den Bildungsgrad des Redners wirkten, sprachen auch philologische Gründe dagegen, sie ins Französische zu übersetzen. Philologen wie Budé und Turnébe, die als Hofbibliothekar und lecteur royal arbeiteten, betonten, daß die Sentenzen erst wenige Jahrzehnte zuvor aus der fehlerhaften Überlieferung des Mittelalters wieder in korrektes Latein versetzt worden waren, und daß es eine Schande sei, sie nun in die französische Sprache übersetzen zu wollen. In der Institution du Prince, die 1542 posthum in französischer Sprache erschien, bemerkte Budé mit verblüffender Offenheit: „Die berühmten Worte und Taten haben viel mehr Eleganz, Kraft, Liebreiz, Größe und überzeugende Würde, w e n n man sie in griechischer oder lateinischer Sprache zitiert. Sie haben dann größere B e d e u t u n g und Wirkung und b e z i e h e n sich stärker auf die großen Sentenzen, als sie es in unserer französischen Sprache tun. Außerdem ist es gut angesehen unter denen, die über eine genügend große Kenntnis der genannten Sprachen verfügen." 6 1
Ob die Sentenzen durch Übersetzung an Schärfe verlieren würden, wie Budé behauptete, war vermutlich nicht unumstritten. Die Debatte über die Ebenbürtigkeit der Volkssprachen und der Sprachen der klassischen Antike war um 1540 noch nicht abgeschlossen, doch gab es eine starke Fraktion, die von der Kraft der französischen Sprache überzeugt war. Es ist jedoch naheliegend, daß die französischen Beamten, die ihren sozialen Aufstieg ihrer humanistischen Bildung verdankten, sich den Argumenten der Philologen nicht verschlossen. 60 Vgl. Lutz Röhrich, Wolfgang Mieder, Sprichwort, Stuttgart 1977, S. 37-38. Die zweisprachige Sprichwortsammlung in der Mancinelli-Ausgabe belegt dies. N.Z. Davis verweist darauf, daß der Richter Claude de Rubys in einer Gerichtsrede Sprichworte verwandte; vgl. Davis, Spruchweisheiten, S. 91. Der Prozeß, den Walter Ong für die alphabetischen Zitatverzeichnisse beschrieben hat, würde mit einer derartigen Entwicklung wieder umgekehrt: Bestandteile der gesprochenen Rede lassen sich nur vorübergehend in Büchern festhalten. Ihr Aufenthaltsort ist die kollektive Erinnerung; vgl. Ong, Commonplace, S. 105-108. 61 Zitiert nach: Brunot, Ferdinand, Histoire de la langue française des origines à 1900, Tome II: Le Seizième Siècle, Paris 1906, S. 76. Les faictz et dictz notables ont trop plus d'élegance, d'auctorité, de venusteté, et de maiesté, et de grâce persuasive proférés en langue Greque, ou Latine, et se disent par plus grande signifiance et efficace, et reverence des grandes sentences, ou notables, qu'ils ne font a nostre langue francoyse, ainsi qu'il est tout notoire entre ceulx qui ont cognoissance suffisante desdites langues.
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Sie bemühten sich, die lateinischen Sentenzen korrekt zu zitieren.62 Schon unter den Zeitgenossen gab es Kritiker der rhétorique des citations. Etienne Pasquier bezeichnete die lateinischen Zitate als „schwere Stücke", die der französische Magen nicht verarbeitet habe und unverdaut wieder ausspucke.63 Doch die Sentenzen waren unverzichtbar: Sie symbolisierten nicht nur einen humanistischen Habitus, sie erfüllten eine Funktion. Es ist daher kein Zufall, daß nach 1535 zahlreiche Neubearbeitungen von Zitatensammlungen erschienen, während gleichzeitig die Zahl der Originalausgaben zurückging. Die in Lyon erscheinenden Schulausgaben von Terenz, in denen als Sentenzen verwendbare Textstellen hervorgehoben wurden, sind ebenso ein Indiz für diese Zitat-Funktion wie die häufig verzeichneten Hippokrates-Aphorismen in den Inventaren von Juristen. Oft sind sie das einzige Medizinbuch in einer mehr als 100 Bücher umfassenden Bibliothek. Sehr unwahrscheinlich scheint es daher zu sein, die Hippokrates-Ausgaben als Ausdruck eines spezifischen medizinischen Interesses zu werten. Die Anwälte werden vermutlich wenig spezifische Sentenzen wie „Ars longa, vita brevis" in ihre Reden einbezogen haben. Die weite Verbreitung von Sentenzenbüchern in der Provinz läßt zudem darauf schließen, daß nicht nur Rechtsanwälte am Parlement und Beamte im Umkreis des Hofes Klassikerzitate als Ausweis ihrer Bildung benutzten. Ähnliches gilt sicher für die gesellschaftlichen Kreise der höheren städtischen und königlichen Beamten sowie der Adligen außerhalb von Paris, deren Vorbild in zunehmenden Maße das Leben am Hof wurde. Auch ihre curiositas in Bezug auf die studio humanitatis insgesamt dürfte gering gewesen sein. Wahrscheinlicher ist, daß sie sich bemühten, durch die Verwendung der Zitate ihre Zugehörigkeit zu einem herausgehobenen Kreis zu belegen. Im Hinblick auf seinen geistigen Hintergrund unterschied sich dieser Kreis grundlegend von der Gelehrtenrepublik, die sich in den Humanistenbriefen Anfang des Jahrhunderts manifestiert hatte. Im Hinblick auf seine Exklusivität und auf die Bedeutung der Eloquenz als Distinktionsmerkmal trug er verwandte Züge. Diesen Umgang mit dem antiken Erbe als humanisme français zu bezeichnen, tut jedoch sowohl dem Humanismus als auch den Franzosen unrecht. Der Humanismus hatte sich dadurch definiert, daß er einen durch die mittelalterliche Überlieferung fragmentierten Zusammenhang wieder neu erschloß. Sein Ziel war es, die Antike als ein komplexes Ganzes zu neuem Leben zu erwecken. Das Maß an humanistischer Bildung hingegen, das die Beamten bei ihrer Berufsausübung und in ihrer Freizeit erkennen ließen, deutet weniger auf ein Interesse am Ganzen der antiken Überlieferung, als vielmehr auf ein Interesse an den Einzelteilen - wie Sentenzen oder römische Münzen - hin. Ihre Motivation war der humanistischer Gelehrter entgegenge62 63
Vgl. Fumaroli,âge, S. 465. Vgl. Fumaroli, âge, S. 471.
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setzt. Wenn man für die Beurteilung der französischen Geistes- und Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts den italienischen und nordalpinen Humanismus als Maßstab nimmt, könnte man die lesenden Franzosen bestenfalls als AntiHumanisten bezeichnen. Dieser klassische Humanismus ist jedoch das falsche Maß für die französische Entwicklung. Die Schulbücher, Kompilationen und Sentenzensammlungen lassen eine Entwicklung erkennen, die sich in den französischsprachigen Büchern fortsetzt und konkretisiert. Die französischen Autoren, Verleger und Leser entwickelten den Wissens- und Erfahrungsschatz weiter, den ihnen die italienischen und deutschen Gelehrten erschlossen hatten. Sie verwendeten die Teile, die ihnen nutzten: antike Historiker als gefahrlosen Weg, Lebenserfahrung zu sammeln, Sentenzen zur Erbauung und als prestigeträchtige Bonmots, römische Münzen als Hobby. Doch beschränkten sie sich nicht auf diesen Kanon: Wissenschaftler wie Cardano sprengten den Rahmen, den die studia humanitatis gesetzt hatten. Sie bezogen empirische Erkenntnisse, „Experimente", ein. Die Elemente antiker Überlieferung wurden zu Bestandteilen der französischen Kultur, aber sie veränderten dabei ihre von den humanistischen Gelehrten beabsichtigte Bedeutung. Sie verwiesen nicht mehr auf einen großen Zusammenhang, nicht auf das vorbildliche Leben längst gestorbener Männer in vergangenen Zeiten. Die Bausteine der antiken Kultur wurden dazu verwendet, ein neues, komplexes Ganzes zu bilden: eine eigene französische Kultur.
2. Der stolze Leser: Übersetzungen „Ich wünschte mir, ich beherrschte alle Sprachen. Dann könnte ich alle verstehen", träumte der Arzt und Übersetzer Pierre Tolet im Jahre 1539.1 Aber von diesem Wunschtraum war die Realität des 16. Jahrhunderts weit entfernt. Die meisten Menschen verstanden nur eine Sprache: ihre Muttersprache, und die Gebildeten beherrschten eine zweite: Latein. Einige besonders Gelehrte konnten auch Griechisch, das eigentlich zum regulären Bildungskanon der städtischen collèges gehörte. Doch blieb die Kenntnis dieser Sprache auf einen kleinen Kreis beschränkt und ging mit dem Niedergang der collèges ab 1560 ganz zurück.2 Ein Blick in die Kataloge der großen Bibliotheken zeigt, 1 128, S. 5f. Et a ma voulunté qu'il se peulst faire, que ¡'eusse l'intelligence de toutes les langues vulgaires: par lesquelles ie frequenterois ung chascun de langue estrange. Zur Biographie vgl. Pierre Tolet (nachweisbar in Lyon von 1535-1552): C.A.Meyer, Clément Marot et autres études sur la littérature française de la Renaissance, Paris 1993, S. 299f. 2 Vgl. Huppert, Schools, passim; Pade, Marianne, The Reception of the Greek Historians in Fifteenth-century Italy, erscheint in: Transactions of the International Society for the Classical Tradition, Boston, MA. 2000.
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daß die Zahl der Drucke in griechischer Sprache nie sehr hoch war und seit der Mitte des 16. Jahrhunderts weiter abnahm.3 Unter Humanisten galten mangelnde Griechischkenntnisse zwar als Hindernis für das Verständnis der antiken Kultur, aber es ließ sich mit der Ehre der Gebildeten vereinbaren.4 Schon Cicero hatte griechische Autoren ins Lateinische übersetzt, so daß man sich in einer guten Tradition befand, wenn man griechische Autoren in lateinischer Übersetzung las. Beide Sprachen galten in der Hierarchie als gleichwertig und waren als antikes Erbe gleichermaßen geeignet, antike Sachverhalte zu beschreiben. Die Volkssprachen hingegen hatten den Beigeschmack von „vulgär" und „gemein". Daß man in ihnen komplexe Gedankengänge ausdrücken könnte, bestritt noch 1555 der Verleger Thibaud Payen in der Vorrede seiner Ausgabe des einsprachig lateinischen Lexikons von Ambrogio Calepio. „Was hilft der beste Gedanke, wenn Du ihn nicht ausdrücken kannst?" fragte er rhetorisch und unterstellte damit, daß einzig in Latein komplexe Gedanken auszudrücken seien.5 Dieser Vorbehalt scheint im Laufe des 16. Jahrhunderts immer weniger Leser beeindruckt zu haben. Mit dem Ausbau der städtischen Schulen wuchs zwar der Kreis der Lese- und Lateinkundigen, doch lasen die Absolventen sowohl im Beruf als auch in ihrer Freizeit offenbar lieber Bücher in französischer Sprache. Schon um eine elegante französische Rede vorzutragen, die von lateinischen Sentenzen geziert wurde, mußte ihnen daran gelegen sein, sich an literarischen Vorbildern in ihrer Muttersprache zu orientieren. Obwohl es Anfang des 16. Jahrhunderts bereits alle literarischen Formen in französischer Sprache gab, begannen die Franzosen erst seit etwa 1530 in größerem Umfang Prosatexte in ihrer Muttersprache zu schreiben und Bücher ins Französische zu übersetzen. Französische Autoren der Pléiade schlössen sich der Argumentation der in Italien diskutierten questione della lingua an, wenn sie betonten daß es selbst im besten ciceronianischen Stil nicht möglich sei, mit den antiken Autoren in lateinischer Sprache zu konkurrieren. Zum einen hatten die antiken Autoren ein unerreichbares Maß an Perfektion erlangt, zum anderen so der Vorwurf in der Ciceronianus-Debatte - erschwerte die Konzentration auf die Sprache die Beschäftigung mit inhaltlichen Fragen oder machte sie sogar unmöglich.6 Ein spitzfindiges Argument in der Auseinandersetzung um 3 Vgl. Martin, classements, S. 445. In der Stichprobe befindet sich kein griechischer Titel. 4 Pierre Cousteau zitiert in seinem Emblembuch Le Pegme die Ansicht, daß die Kultur der Griechen ohne die Kenntnis der Sprache nicht zu verstehen sei. 224, S. 4. 5 149, fol. alve. Nam parum, imo nullius fere momenti, est, egregia quaeque praeclaraque animo concipere nisi ea diserte ornateque eloqui possis. 6 Vgl. Worth, Valerie, Practising translation in Renaissance France. The Example of Etienne Dolet, Oxford 1988, S. 42-48; Payr, S. XXXIV-LII; Bauer, s.v. Aemulatio, Sp.l68f; Zur Bedeutung der neulateinischen Literatur in Frankreich vgl. Ijsewijn, The Companion to Neo-Latin Studies, Amsterdam 1977, S. 127-136.
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die Hierarchie der Sprachen war, daß Rom mit seiner eigenen Sprache Weltgeltung errungen habe. In der Antike seien die Sprachkenntnisse kein Hindernis für das Verständnis der großen Autoren gewesen, jeder Römer habe Ciceros Reden verstehen können. Um das Erbe Roms antreten zu können, sei es daher nötig, die eigene, französische, Sprache zu entwickeln und nicht die fremde, lateinische, zu pflegen. Man komme dem Ideal der verehrten Antike näher, so die Unterstützer der volkssprachigen Literatur, wenn die für die Entwicklung der Gesellschaft wichtigen Themen in einer allgemein verstandenen Sprache behandelt würden.7 Die Auseinandersetzung um die Hierarchie der Sprachen war nur der Schauplatz eines grundsätzlicheren Nachdenkens über Sprache, zu dem die humanistischen Philologen die volkssprachigen Theoretiker angeregt hatten. Neben Vordenkern wie Jean Lemaire des Beiges oder Jacques Pelletier beschäftigten sich auch Praktiker - Autoren, Herausgeber oder Übersetzer - mit den Möglichkeiten und Fähigkeiten von Sprache. Die Vorreden der Stichprobe enthalten ein breites Spektrum der diskutierten Aspekte, denn in Lyon arbeiteten einige der profiliertesten Theoretiker. Doch ging es um weit mehr als um Sprache. Es wurde darum gestritten, welche nation das Erbe der Antike zu Recht antreten dürfe - und wer den richtigen Umgang mit diesem Erbe pflege.8 Im folgenden werden die verschiedenen theoretischen und praktischen Aspekte dieser Diskussion, wie sie in den Vorreden der Stichprobe enthalten sind, vorgestellt. Die Hierarchie der Sprachen In vielen Vorreden wurde die Frage behandelt, ob es überhaupt möglich sei, in zwei verschiedenen Sprachen das Gleiche auszudrücken.9 Vor allem Übersetzern stellte sich dieses Problem, ob sie nun aus dem Lateinischen, dem Italienischen oder dem Spanischen ins Französische übersetzten.
1
Vgl. Huchon, Mireille, Le Français de la Renaissance, (Que sais-je? 2389), Paris 1988, S. 2 0 - 2 5 ; Stackelberg, Jürgen von, Kleine Geschichte der französischen Literatur, München 1990, S. 28; Brunot, Tome II, S. 83-85; Berschin, Helmut, Josef Felixberger, Hans Goebl, Französische Sprachgeschichte, München 1978, S. 194. 8 Unter Nation wurde im 16. Jahrhundert kein staatliches Gebilde verstanden, sondern eine Sprachgemeinschaft. Auch die französischen Übersetzer des 16. Jahrhunderts sprachen von Mitgliedern zum Beispiel der "toscanischen Nation". Die. gemeinsame Sprache war zwar ein Kennzeichen kollektiver Identität, doch war sie nicht das wichtigste Kriterium einer nationalen Identität im heutigen Sinne; vgl. Schulze, Hagen, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 1994, S. 119, Armstrong, J., Nations before Nationalism, Chapel Hill, N.J., 1982, S. 279; Burke, Peter, Sprache und Identität im Italien der frühen Neuzeit, in: Reden und Schweigen, Zur Geschichte sprachlicher Identität, Berlin 1994, S. 7 - 3 0 , S. 13. 9 Bowen, Barbara C., Words and the man in French Renaissance literature, Lexington 1983, S. 2 4 - 2 5 .
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„Jede Sprache enthält - ich weiß nicht was - Ursprüngliches und Eigenes, das in einer anderen Sprache nicht mit derselben Tugend und demselben Enthusiasmus ausgedrückt werden kann",
bedauerte Gabriel Chappuys in seiner Übersetzung aus dem Italienischen.10 Auch der Übersetzer eines Textes von Galen sähe es lieber, wenn die Lateinund Griechischkenntnisse unter den Ärzten weiter verbreitet wären, denn J e d e Sprache hat ihre Eigenart, so daß man viele Dinge in Französisch nicht so gut ausdrücken kann, wie sie in Griechisch oder Latein geschrieben sind." 11
Übersetzungen veränderten grundsätzlich den Originaltext und zwar nicht unbedingt zu dessen Vorteil. In diesem Punkt stimmten beide Übersetzer überein. Sie sahen den Text in einem Maße an seine Ausgangssprache gebunden, das eine Übersetzung schwierig machte, denn neben der eigenen Art und Atmosphäre hatte jede Sprache auch ihren eigenen Wortschatz. Nicht nur die antiken Sprachen, deren Eignung für komplizierte Sachverhalte erwiesen war, waren dabei der französischen überlegen. Auch das Italienische, dessen Entwicklung zur Literatursprache eher begonnen hatte als die des Französischen, galt als nuancenreicher. Der Übersetzer des Decamerone von Giovanni Boccaccio gab im Jahre 1558 zu, daß er noch vor einiger Zeit selbst geglaubt hatte, „daß unsere Sprache nicht so reich an Ausdrücken und Worten sei wie die ihre [der Italiener]". Da nach Ansicht der Gelehrten der Stil Boccaccios so gut und elegant sei wie der von Cicero, hatte er „von vielen seiner [Boccaccios] Nation sagen hören, daß sie weder denken noch glauben konnten, daß man ihn ins Französische übersetzen könne, beziehungsweise das sagen, was er gesagt hat." 12
Angesichts dieser pessimistischen Einschätzung der französischen Sprache sollte man meinen, daß die Übersetzer des 16. Jahrhunderts ihre Arbeit aufgaben, bevor sie überhaupt anfingen. Daß Übersetzungen ins Französische und in alle anderen Sprachen möglich waren, belegen allerdings schon die Publikationszahlen übersetzter Texte, die zum Teil europaweit in verschiedenen Volkssprachen erschienen. Der Lyoner Arzt und Übersetzer Pierre Tolet gehörte zur Avantgarde der Übersetzungstheoretiker, als er 1539, zu einer Zeit, in der noch sehr wenige Texte in französischer Übersetzung erschienen, die 10
324, fol. *4ve. ... car chacune langue emporte ie ne sçay quoy de propre et de naïf, qui ne peut estre exprimé en autre langue avec telle vertu et enthusiasme. Zur Biographie vgl. Gabriel Chappuys (1546-1611): Grente, S. 170. 11 74, fol. 29ve. Chascune langue a sa propriété tellement quon ne peult pas exprimer beaucoup de choses en francois si bien quelles sont escriptes en Grec ou latin. 12 218, S. 4 und S. 3. ... que nostre langue ne fust si riche en termes, et vocables, comme la leur. ... i'avoys ouy dire à plusieurs de sa nation qu'ilz ne pouvoient penser, ne croyre, qu'il fust possible qu'on le seust bien traduire en Françoys, ne dire tout ce qu'il avoit dit.
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Überzeugung formulierte, daß es kein Wissen auf der Welt gebe, das durch die menschliche Sprache nicht ausgedrückt werden könne. Französisch wie Latein seien gleichermaßen geeignet, Sachverhalte zu vermitteln, mit dem einzigen Unterschied, daß Französisch den meisten Lesern bekannt sei, während sie Latein nicht verstünden.13 Problematisch war für die Übersetzer dennoch, daß es für manche lateinische oder italienische Worte im Französischen zunächst keine Entsprechungen gab. Das machte den Rückstand der französischen Sprache deutlich, denn die Größe des Wortschatzes war es, an der, neben einer kodifizierten Grammatik, die Perfektion einer Sprache gemessen wurde.14 Den französischen Autoren und Übersetzern war daher daran gelegen, den Wortschatz zu bereichern und die Sprache grammatisch zu regeln. Die Theoretiker waren unterschiedlicher Ansicht, auf welche Weise neue französische Worte gebildet werden sollten, um den Vorsprung der lateinischen Sprache zu verringern. Jacques Pelletier15 riet, die lateinischen Worte mit einer französischen Endimg zu versehen, sie also lediglich zu französisieren. Viele Übersetzer, die oft seit ihrer Jugend Latein lernten, führten diese Latinismen in die französische Sprache ein. Zwar ließen sich so problemlos für alle lateinischen Worte Entsprechungen finden, aber die Identität der französischen Sprache war gefährdet. Joachim Du Beilay schrieb in seiner Deffence et Illustration de la langue frangoyse, die 1549 erschien, Latinismen seien „in unserer Sprache wie Fremde in einer Stadt".16 Er zog es vor, die betreffenden Ausdrücke in guter französischer Sprache zu paraphrasieren. Bathelemy Aneau schlug vor, bei zunächst nicht übersetzbaren Worten ein Äquivalent in der französischen Alltagssprache zu finden. Auf diese Weise erweiterte sich der französische Wortschatz um zahlreiche Synonyme mit Bedeutungsnuancen, die schon nach einhundert Jahren nicht mehr unterschieden werden konnten. Übersetzungen aus dem Italienischen enthielten oft Italianismen, die sich, auch aufgrund des großen Anteils der Italiener an der gebildeten Stadtbevölkerung in den Handelsstädten, in der französischen Sprache einbürgerten. Dialektworte, wie sie von einigen Übersetzern verwendet wurden, verschwanden später wieder aus dem französischen Wortschatz.17
13 128, S. 6 und S. 10. Car il n'y a scavoir au monde, qui par la langue de lhomme ne me feust exprimé. ... Et ce fruit leur procédera par le moyen de la langue Francoyse a eulx congnue, comme la langue Latine incongnue. 14 Nur einer Nation, deren Sprache an Wortreichtum und grammatischer Fixierung der lateinischen Sprache glich, kam die Ehre zu, deren Erbe anzutreten. Die PlutarchÜbersetzung, die 1559 von Jacques Amyot vorgelegt wurde, bereicherte die französische Sprache sehr; vgl. Berschin, S. 225 und Huchon, S. 65. 15 Zur Biographie vgl. Jacques Pelletier (1517-1582): ABF 816, 156-216. 16 ... en nostre langue comme étrangers en une cité... Zitiert nach Huchon, S. 66 17 vgl. Huchon, S. 65-71.
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Ein weiteres Problem der Übersetzer lag darin, daß die regionalen Dialekte innerhalb des französischen Königreiches außerordentlich unterschiedlich waren. Noch im 16. Jahrhundert war die Ile de France die einzige Region des französischen Königreiches, in der ausschließlich französisch gesprochen wurde. Zwar zeichnete sich seit etwa 1150 ab, daß die Sprache der Francia, des französischen Kernlandes, die Grundlage für die spätere Nationalsprache abgeben würde, doch wurden noch im 17. Jahrhundert im Süden und in einigen Gebieten des Nordens Frankreichs Dialekte gesprochen, die Reisende der Pariser Gesellschaft nicht verstanden.18 Als Schriftsprache begann sich das Französische im Süden seit dem Ende des 15. Jahrhunderts mit der Ausbreitung der königlichen Besitzungen durchzusetzen. Der Ausbau der königlichen Verwaltung und die Einrichtung von Parlements, deren Amtsträger zum Teil aus dem Umkreis des Hofes entsandt wurden, trugen zur Verbreitung der französischen Sprache in der Oberschicht ebenso bei wie der Buchdruck.19 Ähnlich wie in Italien, wo sich der toskanische Dialekt als Literatursprache durchsetzte, blieben auch in Frankreich die Dialekte der Regionen außerhalb der Ile de France ohne Einfluß auf die Entwicklung der nationalen Literatursprache. So gab es ab 1530 keine bedeutende Literatur in Regionalsprachen mehr. Regionalismen in Aussprache, Morphologie, Syntax und Vokabular waren in der Literatur des 16. Jahrhundert dennoch enthalten. Zwei Übersetzer, deren Werke die Stichprobe enthält, behandelten die Diskrepanz zwischen dem Hochfranzösischen und ihrer Muttersprache. Beide, der eine aus der Dauphiné, der andere aus Navarra, betonten in ihren Vorworten, daß ihre Muttersprache recht weit vom bon Francoys entfernt war, und baten die Leser um Nachsicht, falls sie Dialektwendungen in den Texten erkennen sollten.20. In beiden Gebieten hatte die französische Schriftsprache die okzitanische erst nach 1540, also aufgrund der Ordonnance de Villers-Cotterêts 1539, abgelöst.21 Allerdings handelte es sich nicht um professionelle Übersetzer. Antoine Le Maçon aus der Dauphiné übersetzte Boccaccio auf ausdrücklichen Wunsch von Marguerite de Navarre. Jean de Guttery aus Navarra, der Guevaras Epístolas morales übersetzte, verstand seine Übersetzung mehr als Stilübungen mit dem Ziel, seine französischen Sprachkenntnisse zu perfektionieren.22 Die professionellen Übersetzer, die zum Teil von einzelnen Verlegern fest unter Vertrag genommen wurden, äußerten sich in den Vorreden nicht zu der Frage, ob es verschiedene regionale Färbungen der französischen Sprache gebe. Für
18
Vgl. Berschin, S. 214. Vgl. Berschin, S. 212, Huchon, S. 4. 20 Antoine Le Maçon, Nr. 218; Jean de Guttery, Nr. 170. 21 Vgl. Berschin, S. 209. 22 Zur Biographie vgl. Antoine Le Maçon (nachweisbar Mitte des 16. Jahrhunderts): Grente, S. 443. Jean de Guttery (nachweisbar Mitte des 16. Jahrhunderts): ABF 495, 410. 19
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sie war der Umgang mit der Hochsprache offenbar so selbstverständlich, daß sie sich darüber weder untereinander noch mit den Lesern verständigen mußten. Sehr viel weniger selbstverständlich war die Orthographie. Zwei Hauptströmungen konkurrierten im 16. Jahrhundert: das Prinzip der derivación, also der Etymologie, bei dem sich die Orthographie im Französischen nach den lateinischen Ursprungsworten richtete (statt derivación hieße es dann derivation) und das Prinzip der prononciacion, bei dem die Autoren versuchten, eine Art Lautschrift zu entwickeln.23 Ihren Höhepunkt erreichte die Debatte um 1550. Einen Lyoner Beitrag zum prononciacion-Yxmzvp leistete der Autor und Übersetzer Jean de Boyssiéres.24 Er schloß sich der Beobachtung an, daß die französische Orthographie zahlreiche Buchstaben enthielt, die nicht ausgesprochen wurden, während es gleichzeitig für einen Laut verschiedene Schreibweisen gab. Die nicht gesprochenen Buchstaben kamen zum Teil aus dem Bestreben, die Zusammengehörigkeit von Adjektiven und Substantiven graphisch erkennbar zu machen (temporelltemps) oder um Worte mit gleicher Schreibweise und verschiedener Bedeutung unterscheidbar zu machen. Da die Unterscheidung zwischen v und u im Buchdruck erst im 17. Jahrhundert eingeführt wurde, war ein h nötig, um hui! von v/7 unterscheiden zu können.25 Boyssiéres und seine Mitstreiter schlugen vor, das System zu vereinfachen, indem nur ein Graphem pro Phonem verwendet werden sollte. Die Ariost-Übersetzung der Stichprobe von Boyssiéres zeugt von seinen Bemühungen.26 Seinen eigenen Namen schreibt der Übersetzer „Boessieres" und entsprechend alle [wa]-Laute mit oe. Mais quoi? wird so zu Més quoé?. Alle anderen ä- und e-Laute vereinfacht er zu e oder é. Tirer au vrai liest sich bei Boissieres tirer au vre. Bei Substantiven auf -ment (bzw. -mentum im Lateinischen) fällt das phonetische Prinzip besonders auf. Analog zur französischen nasalierten Aussprache von an (z.B. in dans) schreibt Boissiéres das aus dem lateinischen abgeleitete „ornement" orneman?1 Das prononciation-Prinzip brachte allerdings einige Probleme mit sich. Zunächst war die Beziehung von Laut zu Buchstabe bei den unterschiedlichen Nasalen genausowenig offensichtlich wie bei den verschiedenen Tönungen des e. Sonderzeichen mußten eingeführt werden, und genau darin lag das zweite Problem. Die Befürworter waren sich zwar in ihrem Anliegen einig, nicht aber in der Realisierung, so daß jeder ein eigenes Orthographiesystem einführte, auf das sich die Leser jeweils einrichten mußten. Pierre de la 23
Vgl. das Nachwort des Orthographen in 210, fol. G4re. Jean de Boyssières (1555 - um 1600). Zur Biographie vgl.: NBG 7, 200f. 25 Vgl. Huchon, S. 40-43. 26 Nr. 309. 27 Vgl. Cioranescu, Alexander, L'Arioste en France. Des origines à la fin du XVIIIe siècle, Paris 1939, S. 99-102. 24
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Ramée, einer der Protagonisten in dieser Auseinandersetzung, erfand gar so viele Sonderzeichen, daß er eine Übersicht über die von ihm verwendeten Zeichen und ihre Bedeutung hinzufügen mußte. Das dritte Problem machte die Bemühungen aller Reformer hinfällig: Es gab in Frankreich im 16. Jahrhundert keine Aussprachenorm. Je nach Region, Dialekt und Bildungsgrad klang selbst die französische Hochsprache zu unterschiedlich, um sie als Maßstab für die Rechtschreibung benutzen zu können. Der Versuch mußte scheitern.28 Auch wenn die Vereinheitlichung der Rechtschreibung erst nach 1650 gelang, nahm die Vielfalt der orthographischen Möglichkeiten seit 1570 ab. Daß sich am Ende eine Orthographie durchsetzte, die weitgehend dem etymologischen Prinzip folgte, ist vermutlich weniger auf theoretische Überlegungen als auf produktionstechnische Umstände zurückzufuhren. Die Schriftsetzer in den Druckereien behielten zwar die Vereinfachungen und Sonderzeichen bei, die ihnen die Arbeit erleichterten, machten aber radikale Veränderungen nicht mit. Bis 1560 hatten sie überwiegend lateinische Texte gesetzt, die sie sicher beim lauten Vorlesen während der Korrektur mit französischem Akzent hörten und aussprachen. Für die französischen Worte lateinischer Herkunft, deren Klang mit dem der Ursprungsworte identisch war, eine eigene französische Schreibweise zu beachten, war fur die ständig unter Zeitdruck arbeitenden Setzer ein Umstand, dessen Notwendigkeit sie schwerlich eingesehen haben dürften. Sie behielten die Nähe zur lateinischen Sprache bei, soweit das möglich war. Der Stoßseufzer des Setzers Pascal de Tellier am Ende seiner Primaleon-Ausgabe spricht für diese Annahme: ,rAmy Lecteur, w e n n D u b e i m L e s e n d i e s e s B u c h e s die ü b l i c h e Orthographie an e i n i g e n S t e l l e n e t w a s u n g e w o h n t g e f u n d e n hast, ... d e n k e nicht, daß das v o n m e i n e r Werkstatt kommt, sondern v o n der inständigen Bitte d e s Autors. Ich habe mir selbstverständlich die größte M ü h e g e g e b e n , sie zu b e f o l g e n , s o w e n i g s c h l e c h t e s mir m ö g l i c h war. A l l e r d i n g s habe ich an e i n i g e n S t e l l e n nicht a c h t g e g e b e n und deshalb ein D u r c h e i n a n d e r a n g e richtet, denn m a n c h m a l habe ich sie beachtet, manchmal nicht. Ich m ö c h t e D i c h bitten, daß e s D i r g e f a l l e n m ö g e , m i c h z u entschuldigen." 2 9
28 Vgl. Huchon, S. 4 3 - 4 5 ; Citton, Yves, André Wyss, Les doctrines orthographiques du XVIe siècle en France, Genf 1989, S. 144f. In Frankreich arbeiteten im 16. Jahrhundert sechs Orthographen an der Vereinheitlichung der französischen Rechtschreibung und Interpunktion. Ihre Anregungen wurden von ca. 45% aller französischen Drucker aufgenommen. Die übrigen Drucker folgten individuellen Regeln, so daß unterschiedliche Drucke desselben Textes unterschiedliche Orthographien haben konnten; vgl. Catach, S. 250f. Zur Diskussion um die Einführung einer verbindlichen Rechtschreibung siehe auch die Vorreden des Verlegers und des Herausgebers der Chroniques von Froissart (Nr. 164). 29 3 34, fol 404. Amy lecteur, si tu as veu en lisant ce livre la commune orthographe changee en quelques mots, ... ne pense cela procéder de ma forge, ains de l'affectueuse recommandation de l'autheur: laquelle par moy bien entendue, ay mis peine de l'ensuivre
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Nach 1555, als die Zahl der französischsprachigen Publikationen gegenüber den lateinischen überwog, hatte Französisch nicht nur die alte Unterlegenheit gegenüber dem Lateinischen und Italienischen aufgeholt, sondern sich nach Ansicht des Übersetzers Antoine Le Maçon an die Spitze der Entwicklung gesetzt. „Es sollte nicht dabei bleiben, daß sich die Italiener irren, indem sie meinen, daß die französische Sprache der italienischen an Reichtum und Eleganz nachstehe",
stellte der Bocaccio-Übersetzer seine Überzeugung vor. Alles, was jemals in anderen Sprachen geschrieben worden sei, könne man nun, also zum Zeitpunkt seiner Übersetzung 1558, in französischer Sprache ausdrücken. Er meinte, daß in seinem „so guten und höflichen Französisch" sogar die verborgenen Reize des italienischen Originals besser zum Vorschein kämen.30 Diese Einschätzung, die nahelegte, daß man eines der ersten Meisterwerke der italienischen Literatur besser in französischer Übersetzung als im Original lesen sollte, war zwar sehr überheblich und wäre von Italienern sicher nicht geteilt worden. Andererseits zeigte sie aber den Stolz der Franzosen auf ihre Sprache. Auch der Verleger der Zonaras-Chronik schätzte seine Muttersprache: „ B e w e g t v o n d e m alten Wunsch und der guten Absicht, die wir für das ö f fentliche Wohl hegen, w o l l t e n wir es nicht ertragen, daß einer s o wunderbaren G e s c h i c h t e der Schmuck einer Übersetzung in unserer franz ö s i s c h e n Sprache vorenthalten werden sollte." 3 1
Die französischen Autoren, Verleger und Übersetzer hatten sich der Herausforderung durch die Italiener gestellt, die am Anfang des Jahrhunderts aus der Überlegenheit ihrer Kultur einen Anspruch auf die Überlegenheit ihrer Sprache abgeleitet hatten. Bereits 1511 hatte Jean Lemaire des Beiges in seinem Buch La Concordance des deux languages Italienisch und Französisch als ebenbürtig dargestellt. Ab der Mitte des Jahrhunderts mehrten sich solche Stimmen wie die des zitierten Verlegers der Zonaras-Chronik, bis dann 1579 Henri Estienne endgültig die Überlegenheit der französischen Sprache in seinem Text De la precellence du language François proklamierte. Deutlich
le moins mal qu'il m'a esté possible. Et en ce faisant ie me suis quelque fois oublié, et par ce moyen y ait confusion, l'observant en un lieu, en l'autre non, de cela te veux ie prier qu'il plaise m'excuser. 30 218, S. 4. Il ne faloit point que les Tuscans fussent en telle erreur de croire, que leur Bocace ne peust estre representé en nostre langue, aussi bien qu'il est en la leur, estant la nostre devenue si riche, et copieuse, depuis l'advenement à la Couronne du Roy vostre frere, qu'on n'a jamais escrit aucune chose en autres langues, qui ne se puisse dire en ceste-ci. 31 267, fol. a4re. L'imprimeur aux lecteurs benevoles. Donc emeuz de l'ancien désir et bonne volonté que avons envers le Bien publicq, n'avons voulu souffrir que si excellente Histoire fust privée de l'ornement et traduction de nostre langue Françoise.
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wird, daß die Franzosen, mit neuem Selbstbewußtsein ausgestattet, sich nicht länger als „Ableger" der italienischen Renaissancekultur sahen, sondern ihren Überlegenheitsanspruch fiir die nächsten Jahrzehnte anmeldeten. Freilich ist objektiv kaum zu entscheiden, welche der beiden Sprachen am Ende des Jahrhunderts die elegantere und wortreichere war. In beiden Sprachen waren literarische, religiöse und wissenschaftliche Texte verfaßt worden, die ihr Publikum erreichten. In beiden Sprachräumen verband sich mit dem Stolz auf die Sprache der Stolz auf die kulturellen Leistungen der nation. Über die Hierarchie der Sprachen hinaus äußerten sich die Übersetzer auch zu den praktischen Seiten ihrer Tätigkeit. Die Übersetzungsmethode wurde ebenso diskutiert, wie der angemessene Stil. Mehrere Übersetzer äußerten sich in ihren Vorreden zu der Frage, ob ein Text Wort für Wort übersetzt werden solle oder ob sich die Satzstellung und die Wahl der Worte in der Zielsprache von der der Ursprungssprache unterscheiden dürfe. Sie bezogen sich damit auf eine alte Übersetzerdebatte. Horaz hatte in seiner ars poetica geschrieben: „Nec verbum verbo curabis reddere, fidus interpres."32 Diese Aussage über den treuen Übersetzer wurde von manchen Gelehrten als Argument gegen eine Wort-für-Wort-Übersetzung verstanden. So zitierten die Theologen der Sorbonne 1534 in ihrer Beschwerde über die Unfähigkeit der neu berufenen lecteurs royaux Horaz mit den Worten „Nec verum verbo curabit reddere fidus interpres", was dann bedeutete: „Der treue Übersetzer soll darauf achten, nicht ein Wort durch ein Wort zu übersetzen." Um diese Anweisung zu unterstützen, wurde auch eine Stelle im Digestum des Justinian herangezogen, die besagte, „es ist besser, größeren Wert auf den Sinn als auf die Worte zu legen."33 Eine Wort-fur-Wort Übersetzung galt damit grundsätzlich als unangemessen. Erst Jacques Peletier sah sich den Originaltext von Horaz, der Dank der humanistischen philologischen Arbeit im 16. Jahrhundert von Fehlern gereinigt vorlag, noch einmal genau an, und stellte in seiner Art poetique fest, daß man Horaz falsch interpretierte, wenn man ihn als Gegner einer wörtlichen Übersetzung verstand. Richtig sei vielmehr, daß es sich bei der Übersetzung um eine imitatio, eine möglichst getreue Übersetzung des poetischen Subjekts, handele. Ohne gegen ein Übersetzergesetz zu verstoßen, könne das auch Wort für Wort geschehen. Allerdings seien Sprachen meistens nicht so ähnlich, daß eine wörtliche Übersetzung in allen Fällen möglich sei. Horaz sei
32 Treuer Obersetzer, Du mußt nicht ein Wort durch ein anderes Wort wiedergeben. Horaz, Ars poetica 133-134, zitiert nach Norton, Glynn P., Fidus interpres: a philological contribution to the philosophy of translation in Renaissance France, in: Neo-latin and the vernacular in Renaissance France, (FS Ian McFarlane), Hg. G.Castor und T.Cave, Oxford 1984, S. 227-246, hier S. 228. 33 Melius est sensum magis quam verba amplecte. (Dig. 17.i.6), ebd.
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demnach zu verstehen als: „Treuer Übersetzer, Du mußt nicht unbedingt ein Wort durch ein Wort wiedergeben." 34 Die Übersetzer, die sich in den Vorworten der Stichprobe zu dieser Frage äußerten, hatten zumeist nur eine ungefähre Vorstellung von dieser Diskussion. Keiner der Übersetzer bezog sich explizit auf Horaz, noch schienen sie genau zu wissen, mit welchen Argumenten die Auseinandersetzung geführt worden war. Sie ließen sich bei ihrer Arbeit in erster Linie von praktischen Überlegungen leiten, die eine wörtliche Übersetzung schon wegen der unterschiedlichen Sprachstrukturen meist unmöglich machten.35 Der Übersetzer der Institutio divina von Hierocles bemerkte nur „wenn Du den griechischen und lateinischen Text mit meiner Übersetzung vergleichst, wirst Du merken, daß ich nicht Wort für Wort übersetzt habe (was für alle Übersetzer schwer ist), sondern dem Sinn nach den Autor ins Französische gebracht habe, wie er auf Griechisch und Latein ist, ohne etwas von seinen Worten zu verlieren." 36
Die Möglichkeit, Wort für Wort zu übersetzen, war ihm zwar bekannt, doch schloß er sich der von Peletier vertretenen Ansicht an, daß dieser Weg nicht immer gangbar sei. Gabriel Chappuys hingegen kannte ein „Gesetz des Übersetzers" und sprach sich vehement dagegen aus. Er wolle sich nicht dem Gesetz des Übersetzers unterwerfen, „der ungebildet ist, wenn er denkt, daß er die Kraft einer anderen Sprache durch die eigene ausdrücken kann, ohne etwas zu bewegen, hinzuzufügen oder wegzunehmen." 3 7
Das Ansinnen, um jeden Preis wörtlich zu übersetzen, schien Chappuys derart abwegig zu sein, daß er Übersetzer, die dieses Verfahren befürworteten, kurzerhand als ungebildet bezeichnete. Aufgrund des Bildungsstandes am Ende des 16. Jahrhunderts, so seine selbstbewußte Einschätzung, konnte man diese Meinung nicht länger vertreten. Im Umkehrschluß legt seine Aussage nahe, daß er früheren Zeiten eine derartige Übersetzungmethode durchaus zutraute. Das Bewußtsein, nun in besseren Zeiten der Wissenschaft zu leben, führte Chappuys dazu, dem Mittelalter einen Vorwurf zu machen, der keineswegs 34
Vgl. Norton, Fidus, S. 228-244. Vgl. auch das Ûbersetzervorwort in Nr. 302, fol. a4re. Nous avons fidelement interprété Dioscoride Grec et Latin que Matthioli a suivi, et le Matthioli du latin, ne rendans le plus souvent mot pour mot: car il ne se peut bien faire en traduisant quelque auteur que ce soit. 36 234, fol. a2re. ... en conférant le Grec et Latin avec ma traduction ne trouveras que ie suyve mot a mot la diction (chose grandement difficile à tous traducteurs) mais seulement la substance des sentences pour rendre l'Auteur francois, comme il est en Grec, et Latin, sans perdre rien de son dire. 37 Vgl. 324, fol. *4ve. ... sans m'assuiettir à la loy du traducteur, qui ne peut faillir d'estre rude s'il pense exprimer l'energie d'une autre langue, par la sienne propre, sans rien immuer, ou sans adiouster ou diminuer. 35
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mit der Realität übereinstimmte, denn gerade damals war, wenn auch aufgrund der falschen Herleitung von Horaz, eine wörtliche Übersetzung nicht erlaubt gewesen. Die Aufgaben des
Übersetzers
Die französische Sprache allein machte aus übersetzten Texten noch keine französischen Texte. Die Kluft zwischen sprachlicher und kultureller Übersetzung tat sich für Übersetzer im 16. Jahrhundert ebenso auf wie für die des 20. Jahrhunderts. Damals wie heute ist das oberste Gesetz des Übersetzers das der Wirkungsäquivalenz. Der Text soll auf die Leser der Übersetzung annähernd so wirken, wie er auf die seiner Ursprungssprache gewirkt hat. Eine Ausnahme machen die heutigen Übersetzer allerdings: Aus Respekt vor der Unterschiedlichkeit menschlicher Lebensweisen werden Sprachtatsachen übersetzt, Kulturtatsachen nicht.38 In der Renaissance hingegen war den Übersetzern daran gelegen, die Distanz zwischen dem Leser und dem Text möglichst gering zu halten. Offenbar trauten sie zwar sich selbst, nicht aber ihren Landsleuten, den Umgang mit fremden Kulturtatsachen zu. Nur sie selbst waren in der Lage, zwei, ja drei kulturelle Kontexte zu verstehen, während den Lesern ein homogener Text vorgelegt wurde, der deren eigenem Erfahrungshorizont entsprechen sollte. Gabriel Chappuys bemerkte dazu 1578: „... so darf man sich nicht wundern, daß ich das wunderbare Werk des Florentiners Doni an unseren Gebrauch anpassen wollte, damit es von einem fremden zu einem französischen würde ... wie durch Naturalisierungsbriefe." 3 9
Nach Chappuys Ansicht war es nötig, daß der Übersetzer einige Dinge nach seinen Vorstellungen (fantaisies) veränderte, „um denen, die die Originalsprache nicht verstehen, den Sinn zu erschließen."40 Der Übersetzer des spanischen Originaltextes der Geschichte von Primaleon hatte ebenfalls wenig Bedenken, den Text bei der Übersetzung zu verändern, „ohne allerdings die wahre Geschichte und den Ablauf zu stören. ... Statt dessen habe ich - um es besser auszudrücken und prachtvoller zu machen
38
Vgl. Dieter E. Zimmer, Stetige Bumser im Rücken, in: Die Zeit, 5.2.93, zitiert nach: Der Übersetzer, 27 (1993) 2, S. 21-24. 39 324, fol. *5re. ... ainsi ne doit on trouver estrange si i'ay voulu accomoder à nostre usage l'oeuvre de cest excellent Doni Florentin, à fin qu'il nous fust d'estranger rendu François ... comme par lettres de naturalité. 40 324, fol. *4ve. ... pour en donner à entendre le sens à ceux qui n'entendent la lange en laquelle les livres ont esté escrits.
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- manche ... Sentenzen ... und Zitate von mir aus hinzugefügt, an Stellen an denen das m e i n e m geringen W i s s e n nach paßte." 4 1
Übersetzer im 16. Jahrhundert verstanden ihre Arbeit nicht als reine Weitergabe von Kultur von einem fremden Kulturraum in den eigenen, sondern als Aneignung. Fremdsprachige Texte wurden für die französischen Leser „naturalisiert" und damit zu einem Bestandteil der französischen Kultur. Selbst das römische Recht, das auch weiterhin an den Universitäten in lateinischer Sprache gelehrt und interpretiert wurde, gliederte Louis Papon in seinem Nachschlagewerk für Juristen dem französischen Kulturraum ein. Er habe, so schreibt er in seinem Vorwort, das römische Recht „mit einer französischen Schärpe umschlungen, damit es von allen der Unseren besser erkannt wird."42 Dennoch war der Einfluß der Übersetzer begrenzt. Sie konnten nicht jeden Text leichter verständlich machen. Wenn der Inhalt des Buches in der Originalsprache kompliziert war, blieb er das auch in der Übersetzung, wie der Übersetzer der Theologia Germanica in seinem Vorwort bemerkte. Verwandte der Autor des Originaltextes selbst neue Wortschöpfungen, blieb dem Übersetzer keine andere Möglichkeit, als seinerseits ebenfalls neue Worte zu verwenden, auch wenn das nicht zum Verständnis des Inhaltes beitrug. „Wir müssen durchaus, wo es die Sache verlangt, die Worte beherrschen, nicht ihnen dienen", faßte er seine Überzeugung zusammen.43 Den Übersetzern des 16. Jahrhunderts war bewußt, daß sie Vermittler in vielerlei Hinsichten waren: Zwischen zwei Sprachen und zwischen zwei Kulturkreisen; sie mußten sich selbst in ein Verhältnis zum Autor setzen, sich gegenüber ihren Kollegen profilieren und den Ansprüchen der Leser genügen. Gefangen in diesem Netz von Beziehungen, machte es den Stolz des Übersetzers aus, allen Aspekten gerecht zu werden und den angemessenen Sprachstil zu finden. Die Qualität der Übersetzung hing nicht nur von den theoretischen Möglichkeiten der französischen Sprache ab, sondern wesentlich von den praktischen Fähigkeiten des Übersetzers. Vor Begeisterung über den Reichtum und die Eleganz der französischen Sprache gingen manche Übersetzer offenbar zu weit. „Sie passen mehr die Dinge der Sprache an, als die Sprache den Dingen", rügte Pierre Tolet die Arbeit seiner Kollegen. „Deshalb verändern und verschlechtern sie oft die Aussage des Autors derart, daß schließlich
41
334, fol. a6re. Afin de mieux l'exprimer et rendre plus célébré la lecture d'icelle, ay ... usé souvent des sentences ... assez longues de mon invention, és lieux où ie voyois ce peu que ie sçay y estre propre et convenable, sans toutesfois l'immuer n'y diminuer en rien ... l'ordre et vray fil de l'histoire. 42 333, fol. |4re. ... laquelle i'ay revestue, pour estre mieux congnue de tous les nostres, d'une escharpe Françoise. 43 3 37, S. 7. Debemus omnino, ubi res postulat, verbis imparare, non servire.
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weder der Autor noch der Übersetzer verstanden werden kann." 44 Oberste Priorität für den Übersetzer mußte nach Tolets Ansicht die Verständlichkeit sein. Damit ein gedruckter Text seinen kommunikativen Zweck erfüllen konnte, mußten alle Eitelkeiten des Übersetzers zurücktreten. Das Geltungsbedürfnis des Übersetzers, der einen Text dazu benutzte, seine eigene Brillanz ins rechte Licht zu rücken und dafür den Originaltext vernachlässigte, wurde auch von Jean Louveau thematisiert 45 Er kritisierte seine Übersetzerkollegen, indem er betonte, daß er den Text aus dem Lateinischen ins Französische übersetzt habe „ohne große Satzteile oder abwegige Gedanken und Aspekte nach eigenem Gutdünken wegzulassen oder hinzuzufügen, die nicht dem Autor entsprechen, sondern nur zeigen, daß der Übersetzer ein Fälscher ist, oder jemand, der aus Spaß eine zu hochgestochene Sprache verwendet."46 Auf Denis Sauvage 47 bezog sich die Kritik von Louveau und Tolet sicher nicht. Er gab 1552 die Memoires de Philippe de Comines, die im 15. Jahrhundert verfaßt worden waren, neu heraus. Sein Vorgehen zeugt von einem ausgeprägten Sprachbewußtsein, denn er versuchte einen Mittelweg zwischen einer zeitgemäßen und einer dem historischen Thema angemessenen Sprache, indem er manche inzwischen ungebräuchlichen Worte durch ihre modernen Formen ersetzte. Andere hingegen wollte er, selbst wenn man sie inzwischen besser ausdrücken konnte, nicht aus dem Text entfernen, „um die Vergangenheit nicht mehr als vernünftig abzuwerten". 48 Denis Sauvage verstand seine Wortwahl als Ausdruck seines Umgangs mit der Geschichte. Worte dienten für ihn nicht nur der Verständigung, sondern hatten auch eine Art von Würde, eine symbolische Botschaft aus einer vergangenen Zeit. Ein weniger pathetisches Verhältnis zur Würde aus der Mode geratener Worte hatte der Herausgeber der Histoire des filz du Roi, der 1579 lapidar bemerkte, er habe den Text an den verdorbenen Stellen durchgesehen und verbessert und ihn „in eine schönere Sprache und einen besseren Stil versetzt".49 Besonders wichtig war die Sprache bei Andachtstexten. Der Autor Diego de Estella betonte, daß er seine Texte in einer weichen und eingängigen Spra44 1 28, S. 12f. Le malheur doncq est tel, que les interpreteurs du temps present sont tant astrainctz aux parolles, que plustost ilz accommodent les choses au parler, que les parolles aux choses. Parquoy bien souvent confundent, et depravent le sens de l'autheur, tellement que ny l'autheur, ny l'interpreteur sont entendus. 45 Zur Biographie vgl. Jean Louveau (in Lyon nachweisbar von 1550 bis 1560): Grente, S. 461. 46 3 08, fol. A4re. ... sans y adiouster grandes periphrases et nouveaux propos outre la matiere, ou dictions à plaisir, et ne sentant point son autheur Latin: mais plustost son gaudisseur et plaisanteur. 47 Zur Biographie vgl. Denis Sauvage (um 1520-1587): ABF 941, 87-91. 48 153, fol. A3re. ... et pour ne la desestimer plus que de raison. 49 297, S. 3. ... mis en plus beaux langages et meilleur stille.
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che verfaßt habe, um von allen gelesen und verstanden zu werden. De Estella hatte einige Korrekturen am Stil vorgenommen, um das Buch, das er mit einem exquisiten Stück Fleisch verglich, auch den anspruchsvollen und empfindlichen Lesern schmackhaft zu machen.50 Nicht nur mit den Eigenarten der toskanischen Sprache, sondern auch mit denen des römischen Dialekts, dem „inaccoustumé parler", von Pietro Aretino hatte sein Übersetzer zu kämpfen, bis er schließlich stolz feststellte: „Dieses Buch ist eines der schönsten, besten und elegantesten, die jemals in Französisch gedruckt wurden."51 Religiöse Texte enthielten keine neuen Informationen für die Leser. Bekanntes und Vertrautes wurde hier auf eine Weise angesprochen, die den Leser zu erneuter Beschäftigung mit den Inhalten einlud. Selbst bei häufiger, intensiver Lektüre mußten die Texte noch angenehm bleiben; sich in sie zu versenken, durfte für die Leser nicht zur Qual werden. Der Klang der Sprache und der Reime waren für diese Texte ebenso wichtig wie der Inhalt. Ahnliche Sorgfalt im Umgang mit Sprache wendeten nur die Autoren belletristischer Texte auf. Sprachbarrieren Die Verbreitung von Texten und Übersetzungen nötigte die Gelehrten und Verleger, eine alte Frage neu zu beantworten: Wie sollte mit dem Schatz des aus der Antike und dem Mittelalter überlieferten Wissens verfahren werden? War es besser, ihn möglichst rein zu bewahren, ja noch zu verbessern und zu korrigieren, um ihn dann einem handverlesenen Kreis von Eingeweihten zugänglich zu machen, wie es noch Erasmus gerne gesehen hätte? Oder sollte man ihn in vielen Auflagen drucken, in Handbüchern und Anthologien zusammenstellen und übersetzen, um ihn so weit wie irgend möglich bekannt zu machen? Einige Übersetzer nahmen zu dieser Frage Stellung. Am erbittertsten verteidigten die studierten Mediziner die Exklusivität ihrer Wissenschaft. Seit den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts wurde lebhaft diskutiert, ob Teile aus dem Wissensbereich der Mediziner ausgegliedert werden dürften, um in Volkssprachen übersetzt zu werden. Die Medizinprofessoren an den Universitäten wehrten ein derartiges Ansinnen ab, war doch die lateinische Sprache eine Barriere, die Unbefugten den Umgang mit gelehrtem Wissen unmöglich machte. Doch nicht nur Könige, die einen Leibarzt anstellen konnten, brachen sich Beine oder verdarben sich den Magen. Auch die Bevölkerung wurde krank. Um sie zu versorgen, gab es in Lyon das Krankenhaus Hôtel-Dieu, in dem François Rabelais und andere studierte 50 330, S. 3. ... qui pouvoit de prime face degouster le plus délicats, et les priver d'une viande si exquise, et proufitable à eux. 51 46, fol. *6re. Ce livre est l'un des béaulx, bon et de la meilleure grâce qu'on ait jamais imprimée en francois. Pietro Aretino schrieb seine Texte in römischem Dialekt, um damit seine Opposition gegen die artifiziellen Konventionen des Petrarkismus zum Ausdruck zu bringen; vgl. Burke, Sprache, S. 21.
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Mediziner beschäftigt waren. Daneben praktizierten barbier-chirurgiens, die gebrochene Gliedmaßen schienten und Wunden versorgten, sowie Apotheker. Barbiers-chirurgiens, die einzigen, die in Lyon als Zunft mit Zugangsbeschränkungen organisiert waren, beherrschten die lateinische Sprache zumeist nicht, Lesekenntnisse der französischen Sprache hatten sie hingegen. In lateinischer Sprache gedruckte Bücher über Chirurgie von Galen oder Paulus Aegineta halfen ihnen nur wenig. Die zahlreichen Abbildungen von Verbänden oder Schienen konnten sie aufgrund ihrer Berufserfahrung wohl erkennen, doch auf die Erläuterungen mußten sie verzichten. Die beiden französischsprachigen medizinischen Bücher der Jahre 1539/40 in der Stichprobe sind chirurgische Texte in Erstdrucken. Der Arzt und Übersetzer Jean Canappe stellte fest: „Was die Chirurgie angeht (die eine handwerkliche Tätigkeit ist), schätzen die Mediziner sie als eine zu niedere und ihrem Beruf unwürdige Beschäftigung ein. ... Ebenso haben sie die Behandlung von Tumoren und Geschwüren aufgegeben, so daß sich heute die Barbiere und Chirurgen besser damit auskennen, als einige Ärzte." 52
Da nun den Chirurgen die Behandlung der Bevölkerung oblag, argumentierte Canappes Schüler Pierre Tolet gegenüber dem Adressaten seiner Widmung Monsieur Squirones, Medizinprofessor an der Universität von Montpellier, sei es „zum großen Nutzen eines Jeden"53 sinnvoll, daß den Chirurgen die dafür notwendigen Kenntnisse zur Verfugung gestellt wurden. Damit würde nichts Unrechtes geschehen, denn: J e t z t werden zahlreiche antike und moderne Autoren erläutert und in unserer Umgangssprache veröffentlicht. Dies geschieht nicht nur in Frankreich, sondern in allen anderen Königreichen und Gegenden." 5 4
Die Italiener übersetzten fast alle lateinischen und griechischen Autoren, fuhr er fort. Die Spanier hätten sogar Avicenna aus dem Arabischen übersetzt; die Deutschen, Engländer, Schotten und die zeitgenössischen Griechen erfreuten sich an der Lektüre in ihrer eigenen Sprache. Wenn nun in Frankreich Texte aus dem Lateinischen übersetzt würden, befände man sich in bester Gesellschaft. Die gelehrten Mediziner brauchten sich auch nicht darum zu sorgen, 52 74, fol. 29ve. Et quand a la chirurgie (qui nest sinon manuelle opération) les médecins lestiment une chose trop vile, et indigne de leur profession, ... mais aussi la methode de curer les ulcérés, et tumeurs contre nature a este par eulx delaissee: en sorte que les barbiers et chirurgiens en sont auiourdhuy plus studieux que aulcuns medecins. Zur Biographie vgl. Jean Canappe (um 1500 - um 1550): Gerig, S. 84-92; ABF 179, 179-181. 53 1 28, S. 10. ... au grand profflt d'ung chascun. 54 1 28, S. 4. ... maintenant plusieurs Autheurs antiques, et modernes sont illustrés, et publiés par nostre langue vulgaire. Et non seulement cecy se faict en France, mais en tous aultres Royaulmes, et contrées.
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daß ihr Wissen in unbefugte Hände käme. Schon seit langem hätten die „compaignons Chyrurgiens de la ville de Lyon" ihn, Tolet, darum gebeten, den Text von Paulus Aegineta zu übersetzen. Auch Tolets Lehrer, Canappe, zeigte sich „bewegt von dem großen und brennenden Wunsch etwas zu erfahren, den ich unter den Chirurgen festgestellt habe". Bei den Lesern handele es sich um „klare Geister, begierig zu lernen".55 Beide Übersetzer vertraten eine Vermittlerposition zwischen der universitären Medizin und den Chirurgen. Gegenüber den Medizinern warben sie um Einsicht in die Notwendigkeit, einen Teil ihrer Wissenschaft zum Wohle der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. „Ich finde es nicht abwegig, den Chirurgen unterweisen zu w o l l e n , seine handwerkliche Tätigkeit gut zu machen und sogar einige Medikamente zu kennen, die er für seine Tätigkeit braucht", 5 6
formulierte Tolet höflich gegenüber seinen gelehrten Kollegen.57 In etwas weniger höflichen Worten wandte er sich an „einige Verleumder", die auf die französischen Übersetzer neidisch seien: „Aber ich halte mich nicht mit ihnen auf: und wenn sie w o l l e n , daß unter den Chirurgen die U n w i s s e n h e i t regiert, bin ich nicht dieser M e i n u n g . " 5 8
Der Preis für die Exklusivität des Wissens, so argumentierte Tolet, ist die schlechte Behandlung der Kranken. Auf dem Wissensprivileg der studierten Mediziner zu beharren bedeute, die Gesundheit der Bevölkerung mutwillig aufs Spiel zu setzen. Gerade in Lyon hatte Ende der 30er Jahre dieser Vorwurf einen ganz besonderen Klang, denn 1536 war die Aumône eingerichtet worden, die städtische Armenfursorge.59 Ein Jahr vor Tolets Übersetzung war bei Sebastien Gryphe die Ordnung dieses Amtes, die Police de l'Aulmosne, erschienen. Bis ins Detail wurde darin beschrieben, welche Leistungen die Armen der Stadt beanspruchen konnten. Ein eigenes Kapitel war der Pflege und Ausbildung von Waisenkindern gewidmet. Aus den Vorworten und dem Text des Privilegs geht der Zweck der Publikation hervor, denn für den inter55 74, fol. 29ve. ... esmeu du grand et ardant désir que iay congneu estre esdictz chirurgiens de scavoir quelque chose. 128, S. 14. ... nobles espritz, et convoiteux d'apprendre. 56 128.1, S. 7 - 8 . Plus, ie ne treuve point inconvénient de vouloir enseigner le Chirurgien a bien ouvrer manuellement: voire aussi d'avoir congnoissance d'aulcuns medicamentz propres a son opération. 57 Zum Aufgabenbereich der barbiers-ciriurgiens gehörte seit dem Mittelalter auch die Behandlung mit Medikamenten, sofern es sich um äußerliche Krankheiten handelte; vgl. Siraisi, Nancy G., Médiéval and early renaissance medicine. An Introduction to Knowledge and Practice, Chicago 1990, S. 154. 58 128, S. 9. Tout cecy ie dy pour aulcuns détracteurs, qui portent envie aux interpréteurs Francoys. Mais ie ne m'arreste a eulx: et si veulent, que ignorance regne entre chirurgiens, ie ne suis de ceste opinion. 59 Vgl. Davis, Arme, S. 65.
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nen Gebrauch der Stadtverwaltung war die übliche Auflage von 1.500 Exemplaren viel zu hoch. Lyoner Bürger sollten die Ordnung kaufen, um so einen Beitrag zur städtischen Armenversorgung zu leisten. In einer Stadt, der das öffentliche Wohl derart am Herzen lag, mußte es fast als unmoralisch erscheinen, wenn die Ärzte, nur um ihre Standesprivilegien zu erhalten, die Gesundheit der Bevölkerung gefährdeten, indem sie den Chirurgen die Ausbildung verweigerten. Tolets Argumente waren, bei aller Höflichkeit, sehr gewichtig. Gegenüber den Chirurgen verteidigten die Übersetzer die Autorität der akademischen Medizin. Die Chirurgen sollten nicht etwa Methoden anwenden, die sie durch Erfahrung oder aus der Volksmedizin erlernt hatten, sondern die von den Universitäten approbierten Texte der Antike, argumentierten sie. Selbst bei diesen mußten sie sich mit der Auswahl begnügen, die lateinkundige Mediziner und Übersetzer trafen. Die Bände sieben bis zwölf des Livre therapeutique habe er nicht übersetzt, schrieb Canappe am Beginn des dreizehnten Buches von Galen: „... wir haben auf die Übersetzung der genannten sechs Bücher verzichtet, da wir der Ansicht sind, daß sie Themen behandeln, die eher Medizinern als Chirurgen zustehen." 60 Die wissenschaftliche Medizin blieb so ein Bereich, in den Chirurgen ohne Lateinkenntnisse nicht eindringen konnten. 61 Volksärzte, die nichtakademische Heilungsmethoden anwandten und außerhalb der Zunft der Chirurgen praktizierten, sollten zurückgedrängt werden. Pierre Tolet bezeichnete sie als „dumme Ärzte" und „Armleuchter" (Lanterniers), die aus verschiedenen fremden Ländern nach Frankreich gekommen seien. Ihren Behandlungsmethoden dürfe man sich nicht anvertrauen. „Sie täuschen (zum großen Bedauern der gelehrten Leute) das arme französische Volk, indem sie entweder sich als Magier ausgeben, oder sich (zur Verwunderung aller) bald weiß kleiden, bald grün, bald grau, bald rot. Oh, welche Unwissenheit gibt es im Volk, sich von diesen Bestien und so offensichtlichen Gauklern täuschen zu lassen. Das Ende dieses Mißbrauchs ist immer, daß ein Kranker, der in ihre Hände fallt, für immer leidet oder bald stirbt." 62
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74, fol. 103ve. ... nous avons omis la translation des six livres dessusditz, considerantz que cest matiere plus convenable aux medecins que chirurgiens. 61 Vgl. Siraisi, S. 153-186. 62 128, S. 15. ... lesquelz (au grand regret des gens scavantz) abusent le pauvre populaire Francoys: les ungs faisant profession de magicque: les aultres s'abillant (pour admiration) maintenant de blanc, maintenant de verd, maintenant de gris, maintenant de rouge. O'quelle ignorance de peuple, de se laisser tromper par telles bestes, et abuseurs tant manifestes. Desquelz abus la fin est de faire ung malade (tombant eintre leurs mains) ou a iamais languissant, ou bien tost mort.
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Vertrauenerweckende medizinische Behandlung konnte man, so die Darstellung der Übersetzer, nur von den barbiers-chirurgiens erwarten, da diese auf den Erfahrungsschatz der antiken Medizin, und nur auf diesen, zurückgriffen. Die akademische Medizin und die Verantwortung gegenüber der Bevölkerung ließen sich auf diese Weise vereinbaren. Den neugierigen Geistern unter den Chirurgen waren mit den Übersetzungen von Tolet und Canappe aus den Jahren 1539 und 1540 enge Grenzen gesetzt. Ihre „Sehnsucht nach Wissen" konnten sie nur in dem von den akademischen Medizinern abgesteckten Rahmen befriedigen, solange sie kein Latein lernten. Die 1579 von Laurent Joubert 63 neu übersetzte Grande Chirurgie de Guy de Chauliac grenzte den Handlungsrahmen der Chirurgen noch mehr ein. Joubert betonte, daß es sich bei der Chirurgie um eine Kunst handele, die man eigentlich an einer Universität studieren oder wenigstens durch privaten Unterricht bei einem guten Doktor erlernen müsse. Junge Chirurgen, die dazu nicht die Möglichkeit hätten, müßten „sehr hart arbeiten und fleißig studieren".64 Ohne Lateinkenntnisse könne der Beruf nicht ausgeübt werden: „Was die schwer verständlichen Worte und Begriffe angeht, die ich im Text lassen wollte, ging es mir nicht darum, die Materie zu verdunkeln ... sondern sie denen, die diese Kunst erlernen wollen, vertraut zu machen. Denn es genügt nicht, dieses schöne Buch zu lesen. Man muß auch in den Büchern der ganz alten, wie Hippokrates, Galen, Avicenna, Rhasis und anderen lesen, die nicht ins Französische übersetzt sind. Deshalb muß man mit den griechischen und barbarischen Begiffen, die sie benutzt haben, gut vertraut sein, damit sie einem nicht neu sind, wenn man ihre Schriften durchblättert."65
Die Verleger hingegen vertraten eine andere Position. Sie argumentierten stets für die Verbreitung französischsprachiger Bücher. Die Vorbehalte der Mediziner lagen ihnen fern. Sie waren darauf angewiesen, daß ihre Bücher von möglichst vielen Menschen gelesen wurden. Schließlich waren die Leser ihre Kunden. Ihr Gewinn stieg mit der Zahl der verkauften Bücher. So ist es kein Wunder, daß sie auf die Nachfrage nach französischsprachigen Büchern reagierten. Rhetorisch geschickt behauptete der Verleger Jean Temporal im Sinne des Autors zu handeln, indem er eine Übersetzung herausbrachte:
63 64
Zur Biographie vgl. Laurent Joubert (1529-1582): NBG 27, 14-17. 3 00, S. 10. ... faut qu'ils se travaillent a parvenir d'un excessiv labeur et estude pri-
vé. 65 3 00, S. 8. Touchant aux mots et termes plus obscurs que i'ay voulu retenir, ce n'est pas tant pour obscurcir la matiere ... que pour les rendre plus familiers à ceux qui doivent proffiter en cest art. Car ce n'est pas assez de lire ce beau livre, il faut aussi estudier és livres des plus anciens, Hippocras, Galen, Avicenne, Rhasis, etc. qui ne sont traduicts en François. Parquoy il faut avoir bien familiers les termes grecs et barbares, desquels ceux là ont usé: afin qu'on n'y soit pas nouveau quand on va feulletter leurs escrits.
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„Es ist unwahrscheinlich, daß sich die Autoren (die doch immer arbeiten, um dem öffentlichen Wohl zu dienen) ärgern, wenn sie gut übersetzt werden, um dann von allen verstanden zu werden." 6 6
Dieses Verkaufsargument dürfte mit den Vorstellungen einiger Autoren im Widerspruch gestanden haben. Nicht nur unter den medizinischen Autoren, auch unter den Juristen gab es einige, die die Sprache der Gelehrten verwendeten, um nicht von allen verstanden zu werden. Auch die Kirche pflegte die Sprachbarriere. Die Vorstellung dieser Kreise von „öffentlichem Wohl" war eine andere als die der Verleger. Utilitas publica erstreckte sich fiir sie zwar selbstverständlich auf alle Mitglieder der res publica literarum, die lateinische Texte lesen konnten, doch genauso selbstverständlich waren diejenigen, die kein Latein konnten, davon ausgeschlossen. Diese Einschätzung brauchte nicht ausformuliert zu werden, denn die lateinische Sprache war eine unüberwindliche Grenze. Daß Jean Temporal seine kühne Unterstellung wagen konnte, lag daran, daß sich das Selbstbewußtsein und der Stolz der Franzosen auf ihre eigene Kultur entwickelt hatte. Auch der Übersetzer der Chronik von Zonaras verweist in seinem Vorwort auf diesen Konsens: „Ich wurde von zwei oder drei gelehrten Personen unseres Landes, denen die Entwicklung der bonnes lettres wichtig ist, gebeten und gedrängt, sie [die Chronik] in unsere Sprache zu übersetzen, zum Wohle derer, die aus ihr Nutzen ziehen wollen." 6 7
Für die Frage, ob die Gruppe derer, die Nutzen aus der Geschichte ziehen wollten, wirklich vorhanden war, oder ob sie durch dieses Vorwort erst begründet werden sollte, ist das Vorwort eine schlechte Quelle. Wie in allen Einleitungstexten ging es an der Schwelle des Buches darum, Leser zu werben. Man schmeichelte dem potentiellen Leser dadurch, daß man ihn anregender Gesellschaft bei der Lektüre versicherte, denn indem er las, wurde er zum Mitglied der ehrenwerten Gesellschaft, die die Entwicklung der bonnes lettres vorantrieb.
66
1 72, Le Libraire aux Lecteurs, fol. *5ve. Considéré qu'il n'est vray semblable, que les Auteurs (qui s'estudient tousiours à proufiter au bien public) soient fâchez de se voir fidellement traduits, pour puis après estre entendus d'un chacun. Das Interesse der Autoren, von allen verstanden zu werden, war allerdings ein mehr ideelles, denn sie zogen außer der Ehre keinen Gewinn aus ihren Büchern. Den Verlegern des 16. Jahrhunderts tut man allerdings Unrecht, wenn man sie nur als geldgierige Kaufleute darstellt. Mit dem Drucken und Verlegen von Büchern allein konnte man weder besonders reich werden noch innerhalb der städtischen Gesellschaft einen hohen Rang erreichen. Ohne das Interesse der kleinen Druckerverleger an guten zeitgenössischen Büchern wären die Texte neuer Autoren im 16. Jahrhundert nicht gedruckt worden. 67 267, fol. a3re. ...i'ay esté requis et importuné, de deux ou trois savans personnages de ce pais amateurs de l'avancement des bonnes lettres, et en faveurs des gens desireux de proffiter en icelles, de la mettre en nostre langue vulgaire,...
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Der Schatz des Wissens Alle Übersetzer und Verleger stellten sich als Anwalt ihrer nation dar und betonten, daß ihre Aufgabe darin lag, die Bildung in Frankreich zu mehren. Profit public gaben sie als das Ziel ihrer Bemühungen an. Sie wollten nicht zulassen, daß diejenigen, die juristische oder medizinische Kenntnisse benötigten, wegen fehlender Lateinkenntnisse darauf verzichten mußten, wie der Übersetzer des juristischen Handbuches von Jean Imbert schrieb.68 Ihre Tätigkeit stellten sie mit einem seit der Antike gebräuchlichen Topos vor: Sie hoben für ihre Landsleute den großen Schatz des überlieferten Wissens.69 Entschieden äußerte der Übersetzer des Kräuterbuches von Konrad Gesner: „Ich dachte mir nun, daß ein versteckter Schatz nicht mehr nützt, als einer, den es gar nicht gibt. Dieser Schatz hier war in der lateinischen Sprache eingeschlossen ... und den französischen Männern unbekannt. Wir wollten ihn öffnen, ihnen zeigen und zum Gebrauch geben. Wir haben ihn daher in die reine französische Sprache gesetzt, damit er von allen Franzosen verstanden und genutzt werden kann." 7 0
Auch das juristische Handbuch von Imbert überzeugte den Übersetzer so, daß „ich mich entschlossen habe, Dir eine Freude zu machen und Dir einen so außergewöhnlichen Schatz zu zeigen."71 Der Übersetzer eines religiösen Romans von Antonio Doni, Jean Chappuys, benutzte die Schatzmetapher ebenfalls: „Ich habe mich entschlossen, sie als erster in Frankreich vorzustellen und fühle mich nun so zufrieden, wie jemand, der einen wirklich großen Schatz entdeckt hat." 7 2
Chappuys' Zufriedenheit rührte nicht allein aus der Entdeckung des italienischen Autors her. Der Genuß des Textes bei seiner eigenen Lektüre war nur ein Teil seines Vergnügens - und etwas Entdeckerstolz schwingt in seinen Worten mit. Erst als er ihn seinen Landsleuten in ihrer Sprache zugänglich gemacht hatte, war seine Aufgabe beendet.
68
1 72, fol. *4re. Vgl. Curtius, S. 97. 70 168, fol. bbôre. Or ayant considéré, que un Trésor caché ne sert de rien non plus que s'il n'estoit point en nature. Et que ce Trésor icy enclos en langue latine ... estoit incogneu aux hommes purement François. Nous affin de l'ouvrir, et découvrir à eux, et leur donner l'usage: L'avons mis en pure langue françoise, pour estre de tous françois entendu, et practiqué. Zur Biographie vgl. Konrad Gesner (1516-1565): NBG 20, 339-341. 71 172, fol. *4re. ... ie me suis résolu te faire iouir et te descouvrir un tel thresor si exquis, et te communiquer, en nostre vulgaire, son labeur. 72 324, fol. *2ve. ie me suis advisé le découvrir tout le premier en nostre France, m'en sentant aussi content et ioyeux que celuy qui aurait trouvé un bien riche thresor. Zur Biographie vgl. Antonio Doni (um 1513-1574): NBG 15, 554. 69
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„Den Schatz zu heben" war nach der in den Vorworten geäußerten Ansicht der Übersetzer nicht länger die Aufgabe des Lesers allein. Er brauchte nun nicht mehr Latein zu lernen, die Sprache, deren Kenntnis bis in die Mitte des Jahrhunderts noch als unabdingbar galt, um komplexe Gegenstände zu verstehen.73 Der Übersetzer nahm dem Leser einen Teil der Arbeit ab, brachte ihm den Text so nahe, daß er ihn nur noch in seiner Muttersprache zu lesen brauchte. Längst war es nicht mehr die lateinische Sprache, die als einzige geeignet zu sein schien, wissenschaftliche Gedanken auszudrücken. Jean Bodin zog in seinen erstmals 1576 erschienen Six livres de la République daraus die Konsequenz: „Ich habe ... die Sprache des Volkes gewählt, einmal, weil die Quellen der lateinischen Sprache schon beinahe versiegt sind und gänzlich austrocknen werden, wenn die von den Bürgerkriegen hervorgerufene Barbarei anhält, zum anderen zu dem Zweck, mich bei allen gebürtigen Franzosen besser verständlich zu machen." 7 4
Allen Vorbehalten zum Trotz hatte sich die französische Sprache zur Sprache der Wissenschaft und Literatur entwickelt. Auch wenn Latein die internationale Gelehrtensprache blieb: die französische Kultur stützte sich auf Texte, die in französischer Sprache erschienen. Die Lyoner Verleger unterstützten und förderten diese Entwicklung, indem sie Texte von Autoren publizierten, denen es wichtiger war, fur ihre Landsleute verständlich zu schreiben, als sich an einer internationalen Gelehrtendiskussion zu beteiligen. Durch ihre Tätigkeit trugen sie dazu bei, die französische Kultur zu bereichern, sei es um Aspekte der antiken Überlieferung oder der zeitgenössischen wissenschaftlichen und belletristischen Literatur.
73
Vgl. Nr. 340. 3 1 2, deutsche Übersetzung, S. 94. Um sein Anliegen gegenüber den Gelehrten vorzutragen, übersetzte Bodin sein Werk anschließend in die Gelehrtensprache Latein. So konnte sich kein lesekundiger Franzose hinter dem Argument verstecken, der Text sei ihm nicht zugänglich gewesen; vgl. Ijsewijn, S. 133. 74
VI. Bon esprit'. Der gebildete Leser „In den Büchern suche ich bloß das Vergnügen eines honorigen Zeitvertreibs", schrieb Montaigne in seinem Essai Über Bücher und stellte die Lektüre so als vergnügliche Beschäftigung vor.1 Daß er dabei vornehmlich auf lateinische Texte zurückgriff, die seiner Ansicht nach mehr Kraft hatten als die neuen, unterschied ihn jedoch von seinen Berufskollegen, den Juristen. Wie die Untersuchung der juristischen Fachbücher gezeigt hat, war selbst unter den Richtern und Anwälten die Bereitschaft zurückgegangen, Fachtexte in Latein zu lesen. Man wird ihnen unterstellen dürfen, daß sie sich auch in ihrer Freizeit eher mit französischer Literatur vergnügten. Die zeitgenössischen Vorreden französischer Texte legen nahe, daß sie sehr aufmerksame Leser waren, die kritisch die Arbeit der Autoren und Übersetzer verfolgten.
1. Der unterhaltene Leser: zeitgenössische
Belletristik
Die französische Literatur des 16. Jahrhunderts ist von Literaturwissenschaftlern so gründlich erforscht worden, daß man den Anteil der Belletristik an der Gesamtbuchproduktion oft überschätzt. Während zu Beginn des Jahrhunderts knapp drei Prozent aller Titel literarische Texte in Volkssprachen waren, lag deren Anteil am Ende des Untersuchungszeitraumes bei zehn Prozent. In der Stichprobe sind zeitgenössische literarische Texte in Volkssprachen mit 6,7% der Titel enthalten: 20 Texte in französischer und drei in italienischer Sprache.2 Nur wenige der bekannten Autoren des 16. Jahrhunderts sind vertreten; so fehlen alle Dichter der Pleiade (Ronsard, Baif, Du Beilay, Tyard, Jodelle, Belleau). Die Werke dieser und anderer, weniger bekannter Dichter, die in enger Beziehung zum Hof standen, wurden vorwiegend in Paris gedruckt und können so in der Stichprobe nicht vorhanden sein. Auch die berühmten Lyoner Autoren Louise Labe und Maurice Sceve fehlen, da ihre Werke nicht in den Stichjahren, die der Quellenauswahl zugrunde liegen, erschienen. Auch wenn die großen Namen fehlen, ist die Stichprobe dennoch repräsentativ, denn die zeitgenössischen Autoren machten nur einen kleinen Teil der 1
Montaigne, deutsche Übersetzung, S. 202. Vgl. Charon-Parent, Annie, Aspects de la politique éditoriale de Gaillot du Pré, in: Le Livre dans l'Europe de la Renaissance, S. 209-218. Meine Auswahl enthält nur einen Nachdruck aus dem höfischen Umkreis: Die Boccaccio-Übersetzung von Antoine Le Maçon, Nr. 218. 2
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ohnehin bereits geringen Zahl der im 16. Jahrhundert verlegten literarischen Texte aus. Nachdrucke von Ritterromanen aus dem Mittelalter und Übersetzungen aus dem Italienischen und Spanischen erschienen in weit größerer Anzahl, wie die ausgewerteten Inventare und die Kataloge der großen Bibliotheken zeigen. Literarische Werke hingegen erschienen nur in wenigen Auflagen, oft nur in einer einzigen. Anders als bei den Fachtexten galt ein „Lektürekanon" belletristischer Texte im 16. Jahrhundert nur für einen sehr kleinen Kreis von Lesern. Nur in den wenigen Salons und literarischen Kreisen am Hof, bei Diane de Poitiers, im Forez oder Berry lassen sich die Texte der Pléiade oder des Lyoner Dichterkreises nachweisen. Diese Leser waren mit einer Auflage eines Werkes bedient.3 Den größeren Kreis der Freizeitleser, insbesondere die Juristen, vermochten nur wenige literarische Werke zu erreichen. In vielen Inventaren lassen sich bedeutend weniger französische Autoren nachweisen als mittelalterliche Autoren, historische Texte oder italienische Autoren wie Giovanni Boccaccio oder Torquato Tasso, sei es im Original oder in Übersetzung.4 Im Vergleich zu den klassischen Werken oder den juristischen und religiösen Texten waren die französischen Autoren in viel geringerer Stückzahl auf dem Markt. Ihre geringere Verbreitung hat zur Folge, daß der weitaus überwiegende Teil der Titel nur in einem einzigen zeitgenössischen Inventar nachzuweisen ist.5 Nicht wenige dieser Texte sind heute nur in zwei oder drei Exemplaren bekannt, einige sind Einzelstücke. So trägt selbst eine umfangreiche Titelliste immer den Charakter einer Zufallsauswahl. In diesem Punkt unterscheidet sich die Stichprobe nicht von einem Inventar. Die Wahl des Verlagsortes Lyon beeinträchtigt die Repräsentativität der Stichprobe kaum, denn der Unterschied zwischen den Verlagsorten Paris und Lyon ist bezogen auf die gesamte literarische Buchproduktion einschließlich aller Nachdrucke und Übersetzungen eher quantitativ als qualitativ. In beiden Orten erschienen französische literarische Neuerscheinungen ebenso wie Nachdrucke und Übersetzungen, wobei die Lyoner Produktion nur ein Drittel der Pariser Produktion ausmachte.6 Die Stichprobe ist mit ihren zehn Original3
Vgl. Chartern, chancellerie, S. 287. Vgl. Doucet, Paris, S. 79; Aquilón, Rebertiére, S. 218; Aquilón, avocats, S. 508; Charon, collections, S. 92; Labarre, Amiens, S. 249. 5 Vgl. Connat/Megret, passim. In der gut 300 Bücher umfassenden Bibliothek des Magistrats Antoine III Du Prat befanden sich fast ausschließlich Bücher in französischer Sprache, nur etwa 25 waren in Latein. Unter den französischen Büchern waren sehr viele Übersetzungen antiker oder mittelalterlicher Texte, außerdem zahlreiche Übersetzungen aus dem Italienischen und aus dem Spanischen. Werke zeitgenössischer französischer Autoren machen selbst bei diesem an Belletristik interessierten Leser höchstens 10% aller Bücher aus; vgl. auch die ausgewerteten Inventare von Pierre Aquilón und Alexander Schutz, Vernacular Books, S. 3. 6 Vgl. Martin, classements, S. 442. Ob der Anteil der literarischen Texte von 6,7% 4
232
Bon esprit: Der gebildete Leser
texten, zehn Übersetzungen und drei Texten in italienischer Sprache ein recht getreuer Spiegel des Publikumsgeschmacks.7 Jedes dieser Bücher hat eine Vorrede oder eine Widmung, darüberhinaus gibt es zu jedem dieser Werke mindestens eine literaturwissenschaftliche Untersuchung - ein glücklicher Umstand, verglichen mit der Forschungslage bei den lateinischen Texten. Doch leider gehen die Interessen der Vorredenautoren literarischer Texte des 16. Jahrhunderts und die der Literaturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts auseinander. Während Literaturwissenschaftler das Werk in seinen gattungsgeschichtlichen Kontext einordnen oder spezielle Aspekte untersuchen, beschränkten sich Vorredenautoren auf das eine Werk, das sie mit ihrem Text dem Leser präsentieren. Nur selten behandeln Forscher und Vorredenautor eines Werkes dieselben Fragen, so daß die Interpretation der Vorreden volkssprachiger Texte ebenso wie die lateinischer Texte meist auf die Quellen selbst zurückgreifen muß. Préface - Prologue - Widmung Angeregt durch das Buch Seuils von Gérard Genette beschäftigten sich einige Forscher mit der Funktion der Vorrede volkssprachiger literarischer Texte.8 Ihre wichtigste Funktion liege darin, eine Schwelle zu bilden, die die chaotische Welt von der literarischen Erfahrung trenne, kann man die Forschungen zusammenfassen.9 Die Schwelle stelle einen Kontext für den Leser her, stifte meiner Auswahl insgesamt zu niedrig ist, läßt sich anhand der Sekundärliteratur nicht prüfen. Martin faßt in seinen Statistiken (S. 447) unter der Überschrift belles-lettres die literarischen Texte antiker, mittelalterlicher und zeitgenössischer Autoren zusammen und fügt die Dialektik-, Grammatik- und Rhetoriktraktate hinzu. Diese Gruppe macht zusammen im Durchschnitt etwa ein Drittel der Produktion aus. Auf meine Auswahl träfe dies auch in etwa zu. Nach meinen eigenen Stichproben in den Katalogen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Bibliothèque Nationale scheint der Anteil der literarischen Publikationen in französischer Sprache um 1520 bei etwa 1% gelegen zu haben, um 1540 höchstens bei 5% und bis zum Ende des Jahrhunderts bei maximal 8%. Insofern wäre der Anteil französischer Texte nahe an den statistischen Werten. 7 Zu den "literarischen Texten" zählt hier auch Utopia von Thomas More. In seiner originalen lateinischen Version war Utopia ein Werk, das sich an Humanisten und Staatsmänner des frühen 16. Jahrhunderts wandte, und als solches unter der Überschrift "literarische Texte" sicher an der falschen Stelle steht. (Vgl. Baumann, Uwe, Hans-Peter Heinrich, Thomas Morus. Humanistische Schriften, Darstadt 1986, S. 135 und Allen, P.R., Utopia and European Humanism. The Function of Prefatory Letters, in: Studies in the Renaissance, 10(1963), S. 91-107, hier S. 106-107.) In seiner Vorrede präsentiert Aneau 1559 die Übersetzung wie einen Roman, weshalb er hier eingeordnet wurde. 8 Genette, Gérard, Seuils, Paris 1987. 9 Rigolot, François, Prolégomènes à une étude du statut de l'appareil liminaire des textes littéraires, in: L'Esprit créateur, 22(1987)3, S. 7-18, hier S. 7; Tripet, Arnaud, Aux abords du prologue, in: Versants, Revue suisse des littératures romanes, 15(1989), S. 7-20, hier S. 14; Leiner, Wolfgang, Préface à la journée des préfaces, in: Cahier de l'Association Internationale des études françaises, 42(1990), S. 111-119.
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Verbindung zwischen dem bekannten Vergangenen und dem bevorstehenden Unbekannten und sei damit ein Scharnier zwischen Altem und Neuem. Sie solle den Leser in das Werk einstimmen und zur Lektüre verfuhren.10 In ihrer Eigenschaft als Werbetext bemühten sich viele Vorreden und Widmungen auch nicht-literarischer Texte darum, den Leser zur Lektüre, also zum Kauf des Buches, zu verfuhren. Den Leser in das Werk einzustimmen und ihm das Tor zur literarischen Erfahrung zu öffnen, ist eine Eigenschaft, die literarische Vorreden auszeichnet. Literaturwissenschaftler gehen bei ihren Überlegungen stillschweigend davon aus, daß Vorreden literarischer Texte vom Autor selbst verfaßt wurden. Er ist in der Tat derjenige, der die Stimmung seines Buches dem Leser am eindringlichsten zu vermitteln in der Lage ist. Ein Blick auf die Buchauswahl der Stichprobe zeigt allerdings, daß nur in den wenigsten Fällen die Widmung oder Vorrede aus der Feder des Autors stammt. Vielmehr lassen sich drei unterschiedliche Typen von Einleitungen literarischer Texte unterscheiden: der Prolog, die Autorenwidmung und das Herausgeber- oder das Übersetzervorwort. Helisenne De Crenne stellte ihren Angoysses douloureuses einen Prolog voran, den sie im Stil einer Widmimg mit Aux lisantes und ä toutes honnestes Dames überschrieb. Die Autorin des ersten in Ichform aus weiblicher Sicht geschriebenen Eheromans bat ihre Leserinnen um Mitleid, „dem die Damen von Natur aus zugeneigt sind".11 Ihnen wollte sie ihre großen Schmerzen schildern, die Tränen des Mitleids hervorrufen würden. Der Grund für ihr Leid war schnell gesagt: „Nicht endenwollende Begierden und verliebte Stiche" fochten ihr trauriges Herz an.12 Ihren Leserinnen riet sie, sich diesen Gefahren nicht auszusetzen, sondern die gefahrlichen Seen der Liebe zu umgehen, indem sie das Laster vermeiden und sich ehrenwerten Beschäftigungen widmeten. Mit Rücksicht auf die gesellschaftlichen Erwartungen an den moralischen Lebenswandel von Frauen mußten Autorinnen in Vorworten immer das Publikum von ihrer Moral überzeugen, da sie, indem sie publizierten, aus dem ihnen zugewiesenen privaten Bereich heraustraten.13 Helisenne De Crenne erfüllte diese Anforderungen, indem sie ihre Leserinnen um Beistand bat und so
10
Rigolot, Prolégomènes, S. 8. 63, fol. A2re. ... les dames naturellement son inclinees a avoir compassion. Zur Autorin (um 1510- nach 1552) vgl. Hausmann, S. 121. 12 63, fol. A2ve. Helas quand ie vins a rememorer les afflictions, dont mon triste cueur a este, et est continuellement agite, par infiniz désirs et amoureux agillonnemens. 13 Vgl. Rigolot, François, Kirk D. Read, Discours liminaire et identité littéraire, Remarques sur la préface féminine au XVIe siècle, in: Versants, Revue suisse des littératures romanes, 15(1989), S. 75-98, hier S. 76. 11
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eher den privaten Bereich ausweitete, als in den öffentlichen Bereich hinauszutreten. Darüberhinaus stellte sie den Grund ihres Leidens als verabscheuenswürdig dar, was Zeugnis von ihrer gesellschaftskonformen Vorstellung von Moral ablegte. Ausdrücklich rief sie ihre Leserinnen in der Überschrift der Widmung auf, „gut und ehrenwert zu lieben und jede unkeusche Liebe zu vermeiden".14 Die Autorin stellte den Inhalt des Buches nicht sachlich vor, sondern stimmte die Leserin in einen Roman ein, der von Schmerz und Liebe handelt. Die Nähe von Widmung und Buchinhalt war allerdings in diesem Fall so groß, daß man dem einleitenden Text weniger den Charakter eines Vorwortes, das außerhalb des Textes steht, als eher den eines Prologes, der bereits Teil des Romans ist, zuschreiben möchte.15 Obwohl der erste Text des Buches, der mit Helisenne aux lisantes überschrieben ist, den Eindruck erweckt, es handele sich um eine herkömmliche Widmung, bei der die Autorin als „Privatperson" in einen Dialog mit ihren Leserinnen tritt, verschwimmt die Grenze zwischen ihr und der literarischen Hauptfigur des Romans. Die Autorin tritt nur wenig aus ihrer Rolle als Ich-Erzählerin heraus, die sie im Text ihres Romas einnehmen wird. Insofern ist ihre Widmung kein Preface, sondern Bestandteil des Romans. Ähnlich ist die Situation bei zwei der älteren Texte der Auswahl: Les grans et merveilleux faitz du seigneur Nemo von Jean d'Abundance und Le chasteau de labeur von Pierre Gringoire, die thematisch sehr unterschiedlich sind.16 Während die Geschichte von Herrn Niemand unterhaltsam ist, ist die von Gringoire moralisch-belehrend. Beide wurden in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts zum ersten Mal gedruckt und beginnen mit einem Prolog des Autors. Während Gringoires Prolog durch eine Überschrift als solcher kenntlich gemacht ist, erfüllt in dem Text von d'Abundance der Textanfang diese Funktion. Wie Helisenne De Crenne begannen die Autoren, indem sie die Leser ansprachen. Jean d'Abundance schrieb: „Fromme Leute, mir scheint, ihr seid hier aus ehrenwerten Gründen versammelt. Ihr scheint ungelogen sehr gebildet und äußerst rechtgläubig zu sein."17 14 63, fol. A2re. Et les exhorte par icelle bien et honnestement aymer, en évitant toute vaine et impudique amour. 15 Deborah Losse beschreibt den fließenden Übergang der Vorreden in den Roman als ein typisches Phänomen von literarischen Autorenvorworten des 16. Jahrhunderts; vgl. Losse, Deborah N., Sampling the Book: Renaissance Prologues and the French Contuers, London/Toronto 1994, S. 102. 16 Zur Biographie vgl. Jean d'Abundance (7-1544): NBG 1, 157. Pierre Gringoire (1475-1538): ABF 480, 108-161. 17 43, fol Aire. Devotes gens qui cy ensemble/Estes ainsi comme il me semble/Pour honneste cause assemblez/Et qui sans mentir me me semblez/Estre gens de haultes sciences/Et de tresbonnes consciences.
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„Männer und Frauen, die ihr die himmlischen Güter haben und Reichtum auf der Erde erlangen wollt, lernt dieses Buch auswendig."18 lautete der Anfang des Prologs von Gringoire. Die Strategie, mit der die Leser umworben wurden, ist bei De Crenne und den beiden mittelalterlichen Autoren vergleichbar: Hélisenne De Crenne hatte sich an alle „ehrenwerten Damen" gewandt, Gringoire und d'Abundance schmeichelten ihren Lesern und Leserinnen, indem sie ihnen Bildung beziehungsweise das Streben nach himmlischen Gütern unterstellten. Auch in die Stimmung der Bücher wurde der Leser bereits im Prolog versetzt. Die heiteren Wunderbaren Abenteuer des Herrn Niemand wurden eingeleitet mit: „Wenn es Euch gefallt, habe ich die Absicht, eine Rede zu halten, aber nicht, um Euch zu belehren, sondern um Euch zu erfreuen. Denn ich mache dies vor allem zu Eurer Erheiterung."19 Der Prolog des Schlosses der Arbeit hingegen endete mit einem Hinweis auf die Ernsthaftigkeit des Buchinhalts: „Deshalb, werter Herr, der ihr dieses Buch lest, denkt daran, daß das Leben kurz ist. ... Damit ich nur mit meiner Vorrede zu Ende komme und es einen Anfang gibt, möchte ich allen öffentlich die zwei Wege zeigen meine einfache Schlichtheit wollt ihr verzeihen: der eine führt direkt in die Armut, der andere zum Reichtum."20 Diese beiden Prologe sind in Bezug auf ihre Nähe zum Text und die Position des Autors mit den Widmungen von Hélisenne De Crenne vergleichbar. In allen drei Fällen führte der Autor beziehungsweise die Autorin in Inhalt und Atmosphäre der folgenden Geschichte ein, ohne eine erkennbar verschiedene Haltung von der Figur des literarischen Erzählers einzunehmen. Autorenwidmungen, die eindeutig als Préface erkennbar sind, verfaßte Gabriello Simeoni.21 Bei den beiden hier zu besprechenden Werken handelt es sich um illustrierte Bücher, in denen er Gedichte zur Erläuterung von Holzschnitten verfaßte. Sein Vita et metamorfoseo di Ovido, ßgurato & abbreviato in forma d'epigrammi widmete der Autor, der in den Jahren 1559
18 296, fol A2re. Hommes et femmes qui desirez avoir/Les biens celestes: et acquérir avoir/Au mortel monde, estudiez ce livre. 19 43, fol Aire. Jay sii vous plaist intention/De faire une collation/Icy non pas pour vous apprendre/Mais pour delectation prendre/Car je le fais principallement/Pour vostre resiouissement. 20 296, fol. A3ve. Pource seigneur qui ce livre lisez/A vostre cas pensez et advisez/En contemplant vostre vie qui est brefve,/.../Afin donques que mon propos acheve/Et que par tout y a commencement,/Demonstrer vueil à tous publiquement,/En excusant ma petite simplesse/Les deux chemins: l'un va iustement/A pauvreté, l'autre va à richesse. 21 Zur Biographie vgl. Gabriello Simeoni (1509-1575): Grente, S. 655; NBG 43, S. 1020-1022.
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bis 1561 in Frankreich lebte, der Dame Diane de Poitiers22. Zu Beginn des Textes betonte er seine Ergebenheit und leitete dann dazu über, daß er das Werk im Auftrag seiner Mäzenin verfaßt habe, deren Tugend und Kunstgeschmack er lobte. Ähnlich im Tenor ist die Widmung seiner Imprese heroiche e morali an Anne de Montmorency, die 1559 in italienischer und französischer Sprache erschienen sind.23 Simeoni belebte mit seinen Widmungtexten eine lange Tradition neu, die von den Humanisten nicht weitergeführt worden war: die Autorenwidmung. Tore Janson hat Vorreden und Widmungen antiker Texte im Hinblick auf die Selbstdarstellung der Autoren untersucht und kam zu dem Ergebnis, daß sich antike Autoren stets als abhängig von einer Autorität darstellten, deren Wünschen sie entsprechen wollten. Selten gab ein Autor zu, etwas aus eigener Initiative zu tun, meistens waren seine Tätigkeiten von den Wünschen anderer diktiert. Den Hauptakzent legten die Autoren auf ihre Bescheidenheit. In ihre eigene Schreibkunst setzten sie so wenig Vertrauen, daß sie die Verantwortung auf den Leser oder den Adressaten legten, den sie um Korrekturen baten.24 Das stereotype Selbstbild zeigte den antiken Autor als Mann mit geringen Fähigkeiten, der nur in fremdem Auftrag arbeitete und für das Werk keine Verantwortung übernahm. Durch sein bescheidenes Auftreten sollte das Wohlwollen des Hörers geweckt werden. In der lateinischen Literatur des Mittelalters wurde dieser Topos der Selbstdarstellung des Autors übernommen, den Ernst Robert Curtius „affektierte Bescheidenheit" nannte.25 Die Humanisten knüpften zwar an diese Tradition an, doch setzten sie einen anderen Akzent. Da sie in den meisten Fällen nicht als Autor, sondern als Bearbeiter auftraten, war ihre Verantwortung für den Text geringer. Sie stellten sich zwar als bescheiden dar, doch hinderte sie das nicht daran, ihre eigene Leistung zu betonen und die ihrer Vorgänger vehement zu kritisieren. Ihre Vorworte könnte man in Abgrenzung zu den Autorenwidmungen als Herausgebervorworte bezeichnen. Volkssprachige Schriftsteller hingegen, die in dieser Zeit schrieben, orientierten sich nach wie vor oft am antiken Autorenideal. Das führte dazu, daß die Umgangsformen zwischen Autoren und Mäzenen literarischer Texte im Grunde seit der Antike unverändert blieben. Weder der Medienwechsel von der Handschrift zum Buchdruck noch der Übergang von Latein zur Volkssprache hatte nachhaltige Folgen.26
22 Die große Bibliothek von Diane de Poitiers war berühmt; vgl. Charon-Parent, collections, S. 88. 23 Nr. 184, 189, 190. 24 Janson, Tore, Latin Prose Prefaces. Studies in literary conventions, Stockholm 1964, S. 158-160. 25 Curtius, Ernst Robert, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 1948 ( 4 1963), S. 93. 26 Vgl. Leiner, Widmungsbrief, passim.
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Die von Clément Marot27 verfaßte Widmung seiner Oeuvres ist für Autorenwidmungen dagegen untypisch. Weder zeugte sie von der affektierten Bescheidenheit des Autors noch bildete sie ein Tor zur literarischen Erfahrung. Marot wandte sich in seinem Widmungsgedicht und -brief weder an die Leser noch an einen Mäzen, sondern an sein Buch und an die Drucker der vorhergehenden Auflagen seiner Werke. An die Adresse „deijenigen, die bisher seine Werke gedruckt haben", richtete er den folgenden Brief: „Das Unrecht, was ihr mir angetan habt, ihr anderen, die ihr bisher meine Werke gedruckt habt, ist so groß und so schändlich, daß es meine Ehre angegriffen hat und meine Person gefährdet. Denn wegen des unmäßigen Wunsches, teurer zu verkaufen, was sich bereits gut verkaufte, habt ihr meinen Werken verschiedene andere hinzugefügt, die mir nichts nützen. Von diesen sind die einen kalt und wenig elegant gedichtet und machen so mich für die Unfähigkeit eines Anderen verantwortlich, und die anderen sind voller Sündhaftigkeit und Revolte."28 Und seinem Buch, das der Autor anredet, als sei es sein Kind, gibt er mit auf den Weg: „Komm her mein Buch, ich möchte/so viele Texte entfernen, die andere gemacht haben./Jetzt geh, es ist passiert: Lauf leicht und unbeschwert/von einem schweren Gewicht habe ich Dich befreit./Wenn sie (zufällig) schlechte Schriften verfaßt haben/Willst Du Dich fur ihre Fehler schelten lassen:/Wenn sie sie gut gemacht haben, oder besser als ich/Warum willst Du Dich mit ihrem Ruhm schmücken."29 Damit präsentierte Marot seine Werke den Lesern nicht in der Eigenschaft als Autor, sondern als Herausgeber. Er nahm eine Position ein, aus der heraus Leser literarischer volkssprachiger Werke häufig angesprochen wurden, da die meisten Texte dieser Art nicht der Autor selbst einleitete. Lesern lateinischer Texte war diese Form der Präsentation vertraut. Wie die Herausgeber humanistischer Texte glaubte Marot gegen gewinnsüchtige Verleger kämpfen zu müssen, die die Reinheit seines Textes zugunsten höherer Profitraten vernachlässigten. Die Ehre des Autors selbst schien ihm durch diese Praxis angegriffen. Die Argumentation Marots ähnelt deijenigen, die Erasmus im 27
Zur Biographie vgl. Clément Marot (1494-1544): Hausmann, S. 109. 80, fol. 2re. Le tort, que vous m'avez faict, vous aultres, qui par cy devant avez imprime mes Oeuvres, est si grand, et si oultrageux, qu'il a touché mon honneur, et mis en danger ma personne: car par avare convoitise de vendre plus cher, et plustost, ce qui se vendoit assez, vous avez adiousté a ¡celles miennes oeuvres plusieurs aultres, qui ne me sont rien: dont les unes sont froidement, et de mauvaise grâce composées, mettant sur moy l'ignorance d'aultruy: et les aultres toutes pleines de scandale, et sédition. 29 80, fol. Ire. Oster ie veulx (approche toy mon Livre)/Ung tas d'escriptz, qui par dautres son faictz. Or va, d'est faict: cours legier, et delivre:/Deschargé t'ay d'ung lourd, et pesant faiz. S'ilz font escriptz (d'adventure) imparfaictz/Te veulx tu fairen ein leirs faultes reprendre:/S'ilz les font bien, ou mieulx, que ie ne fais,/Pourquoy veulx tu sur leur gloire entreprendre. 28
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Vorwort seiner Ausgabe der Disticha Moralia Catos verwendet hatte. Erasmus hatte verlangt, daß aus Respekt vor den großen Werken der Autoren keine fremden Texte unter deren Werke gemischt werden dürften. Er kritisierte die Drucker, aus Profitgier Sammelbände herauszugeben. 30 Es ist wahrscheinlich, daß Marot die Vorrede zu Erasmus' Cato-Ausgabe kannte, denn die Disticha moralia waren einer der Texte, die jeder Lateinschüler kennenlernte. Unter den verschiedenen Ausgaben war die von Erasmus eine häufig nachgedruckte. Wenn nun Marot sein Werk auf eine Stufe mit „den großen Autoren" der Vergangenheit stellte, indem er denselben Schutz der Autorenehre reklamierte, zeugte dies von einem soliden Selbstbewußtsein. Keinen Moment scheint Marot daran gezweifelt zu haben, daß die Ehre ihm als Autor französischsprachiger Texte gleichermaßen zustand. 31 Humanistische
Präsentationsmuster
Man kann Marots Argumentation als Indiz für seine Nähe zum Humanismus bewerten, doch interessanter ist eigentlich die Frage, wie groß sein Abstand war. Zweifellos benutzte Marot ein vom Humanismus beeinflußtes Argumentationsschema. Doch was wollte er damit beweisen? Im Gegensatz zu den humanistischen Vorworten begründete er nicht die Ehrwürdigkeit eines antiken Gegenstandes, sondern seine eigene Ehre. Mit den humanistischen Argumenten, die ihre Stärke bereits bewiesen hatten, legitimierte er den Wert seiner eigenen, französischen Texte. Ähnlich argumentierte der Herausgeber der Trois fils des Rois in seiner Widmung an den Leser. „... nur nebenbei möchte ich bemerken, daß dieses Werk ein reicher Schatz ist, der es nicht verdient, vergraben zu werden. Es wäre beinahe in Vergessenheit geraten in diesen unruhigen und kriegerischen Zeiten, von denen das französische Königreich heimgesucht wird. Ich habe es durchgesehen, die schlimmsten Fehler korrigiert und die Sprache und den Stil verbessert."32 30
58, Erasmus von Rotterdam, Opus Epistolarum, Hg. P. S. Allen, Brief 1725. Ähnlich argumentierte Jean de Boyssières, der Übersetzer des Orlando furioso von Lodovico Ariosto. Den italienischen Dichtern werde Unrecht getan, wenn französische Dichter nach dem Beispiel der italienischen Autoren Gedichte verfaßten, die sie dann als Werke der französischen Literatur ausgäben. Um die französischen Leser über die Täuschung aufzuklären, wolle er die italienischen Originale ins Französische übersetzen. In seinem Discours A Monsieur Pigeon legt de Boyssières Ariost die folgenden Worte in den Mund: "Las (dit-il) Ion me fet un grand tord an la Françe,/L'on m'y depoulye tout d'honneur, et de sçiance,/Et m'ôtent le grand bien, qu'au traval de l'esprit/I'avoés doctemant u, par meint, et meint écrit. 309, fol. n4re. 32 297, S. 3. ... seulement diray je en passant que ledit oeuvre pour estre rare et pour en estre la memoire quasi perdue et esteinte causant de l'iniure du temps aussi des guerres civiles et intestines en ce plus qu'affligé Royaume de France ne mérité di-ie (après avoir esté reveu et corrigé par les lieux plus corrompus encor mis en plus beaux langages 31
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Die Form der Präsentation wäre einem antiken Text angemessen. Die schlechte Überlieferung des Textes und sein Nutzen für die Gegenwart waren Qualitäten, die die Herausgeber klassischer Autoren an den von ihnen betreuten Werken lobten. Doch handelt es sich bei den Drei Söhnen um einen französischen Ritterroman. Wieder wurde ein von Humanisten verwendetes Argumentationsmuster benutzt, um die Qualität der eigenen literarischen Produktion zu begründen. Auch das Lob, das Jean de Guttery, Übersetzer der Epístolas morales von Antonio de Guevara, der Bildung seines Mäzens zollte, stand durchaus in der Tradition humanistischer Einschätzungen. Auch der Schweizer Gelehrte Hieronymus Gschmus hatte 1542 ein ähnliches Argument verwandt.33 „Durch diese herausragende Bildung haben Sie die unmenschliche Dreistigkeit ich w e i ß nicht welcher rohen und barbarischen Geister niedergeschlagen, die vorhatten, die Musen zu knebeln und die die dumme Ansicht verbreiten wollten, daß die Künste [lettres] der Größe der Reiche und Republiken und der Handhabung der Waffen schaden würden. Das ist so sehr im Gegensatz zur Wahrheit, daß man nur mit großer Mühe eine Nation von hohem Rang finden wird, in der nicht die Künste und Wissenschaften [lettres et disciplines] blühen." 3 4
Was verstand Jean de Guttery unter „lettres et disciplines"? Seine Beipiele kluger Staatsmänner reichen von Moses bis zu Karl dem Großen, der „so gebildet war, wie es zu seiner Zeit möglich war".35 Deutlich wird, daß Bildung und Wissenschaft für den Übersetzer Jean de Guttery nicht auf die studia humanitatis beschränkt waren, denn weder Moses noch Karl der Große konnten über den Erfahrungsschatz der antiken Dichter verfugen. Über die Bildung von Moses ist wenig bekannt, und zu Zeiten Karls des Großen waren es wenige Kleriker, die über die Kenntnis der Antike verfügten. De Gutterys sah Bildung nicht abstrakt, als einen unveränderlichen Wissenskanon, sondern setzte sie in Beziehung zu den Anforderungen der jeweiligen Epoche. Die epístolas, die er übersetzte, entsprechen diesem Bildungsideal. In spanischer Sprache, nicht etwa in Latein, hatte Antonio de Guevara, der am spanischen Hof lebte, antike Zitate und Sentenzen zu einem eigenen Gedankengang zuet meilleur stille) qu'auparavant comme si riche thresor estre enfouymis et caché soubs terre... 33 245, fol. a3ve. 34 1 70, Bd. 2, fol. Aa3re. Par celle excellente érudition, vous avez abbatu l'inhumaine audace de ie ne sçay quelz espritz brutz et barbares, qui entreprenoient de mettre les baillons en la bouche des muses et vouloient faire naistre une sotte opinion entre nous, que les lettres nuysent à la grandeur des Empires et Republiques, et au maniment des armes: ce qui est tant contraire à la vérité, qu'a grande peine se trouvera il une nation pervenue à un souverain degré d'honneur, que quand elle n'ait floury aux lettres et disciplines. 35 170, Bd. 2, fol. Aa3re/ve. Et comme luy mesme estoit docte ainsi que ce temps là le pouvoit souffrir.
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sammengefaßt. Sein Ziel war nicht, die antike Geisteswelt zu rekonstruieren, sondern - in einer Vorform der essais von Montaigne - seine Meinung zu Themen der Gegenwart zu äußern.36 Der französische Übersetzer Jean de Guttery lobte an den Briefen ihre „doctrine si variable", aufgrund derer sie „den großen Herren als Rat, den N e u g i e r i g e n zur Kenntnis der Antike und den Untätigen als ehrenwerter und nützlicher Zeitvertreib dienen können, da er die B i l d u n g so sehr mit Eleganz und S c h m e i c h e l e i e n mischt". 3 7
Auch die Haltung gegenüber dem Erwerb der Bildung hatte sich verändert. Sie galt hier nicht mehr als ein mühsam zu erwerbendes Gut, sondern als Zeitvertreib, der zudem auf angenehme Weise vermittelt wurde. 1553 erschien in Lyon eine neue Übersetzung des Goldenen Esels von Apuleius. In seinem Advertissement au Lecteur wies der Übersetzer Jean Louveau die Amis lecteurs auf die schlechte Qualität der alten Übersetzung hin. Der Druck sei schlecht, die Übersetzung falsch und oft seien Passagen hinzugefügt, die im Zusammenhang keinen Sinn ergäben. Als er die französische Übersetzung mit den verschiedenen venezianischen und deutschen Ausgaben verglichen habe, seien ihm die „schönen Geschichten und eloquenten Fabeln" aufgefallen, die das Buch enthielt, und er habe daran großen Gefallen gefunden. „Als ich darüber mit einigen sehr gelehrten Leuten, meinen guten Freunden gesprochen hatte, wurde ich gebeten, es in die französische Sprache zu übersetzen." 3 8
Er habe das gern getan, zum einen wegen der schlechten alten Übersetzung, die er an dieser Stelle seines Textes diskret mit „aus dem oben genannten Grund" umschrieb, zum anderen, weil die Geschichte von Cupido und Psyche „sehr schön zu sehen und anzuhören" war. Wie ein humanistischer Gelehrter beschrieb sich der Übersetzer als Mitglied eines gelehrten Kreises, doch anders als etwa bei Aldo Manuzio, der seine „gelehrten Freunde" in wenigen Vorreden zu erwähnen vergaß, möchte man Jean Louveau glauben, daß er wirklich ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Ratgebern hatte. Zu beiläufig und zu selbstverständlich erwähnte er die „bons amis miens" als daß er die Absicht gehabt haben könnte, durch diese Freunde sein eigenes Ansehen steigern zu wollen.
36
Vgl. Schon, Peter M., Vorformen des Essays in Antike und Humanismus. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Essais von Montaigne, Wiesbaden 1954, S. 55-57. In Spanien wurde seit dem 15. Jahrhundert als Gerichtssprache die spanische Sprache verwendet. Die Entwicklung der volkssprachigen Literatur setzte daher früher ein. 37 170, Bd. 1, fol. a2ve. ... aux grans Seigneurs elles servent de conseil, aux curieux de connoissance de l'antiquité, et aux gens de loysir d'honneste et proufitable passetemps, tant parmy l'érudition il entremesle de grâce et douceur. 38 308.2, fol. A3ve. Adonc après en avoir tenu propos à plusieurs gens doctes et bons amis miens, ay esté prié le traduire en langage Francoys.
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„Ich habe es also v o m Lateinischen ins Französische übersetzt, s o getreu und sorgfaltig es mir m ö g l i c h war, nicht ohne große Mühe, denn Latein ist wirklich sehr schwer. Ich habe auch nichts w e g g e l a s s e n und keine großen Ergänzungen hinzugefugt ... D a s kann nämlich manchmal den Leser durcheinander bringen und dazu führen, daß er den Faden, den Sinn, den Gedankengang oder den Satz des Autors verliert. Aber ich habe es s o nahe w i e m ö g l i c h am Lateinischen übersetzt und mit der französischen Sprache geschmückt, so gut ich es konnte." 3 9
Wie ein humanistischer Gelehrter betonte Jean Louveau, daß er dem Original des lateinischen Autors verpflichtet war. Den Text von Fehlern und Verfälschungen zu reinigen, sah er als seine Aufgabe - mit dem Unterschied, daß Apuleius am Ende nicht in makellosem Latein, sondern in elegantem Französisch dem Leser präsentiert wurde. In den gezeigten Beispielen sahen die Herausgeber und Übersetzer die studio humanitatis nicht als ein komplexes Gedankengebäude an, durch dessen Studium man der als Ideal verstandenen Antike näher kam. Ihr Verhältnis zu den studio humanitatis war pragmatisch. Sie benutzten diese als eine Kulturtechnik, die es ihnen erlaubte, das antike Erbe für ihre eigene Gegenwart nutzbar zu machen. Französische Übersetzer und Herausgeber ermunterten die Leser durch ihr Beispiel, selbstbewußt mit dem humanistischen Erbe umzugehen. Jean Louveau stellte sich mit den Verhaltensweisen eines Humanisten dar, doch war sein Ziel nicht, das Erbe der Antike auf einen exklusiven Kreis zu beschränken. Völlig „unhumanistisch" entsprach er der Bitte des Verlegers, das Buch in Kapitel zu unterteilen und jedem Kapitel eine Zusammenfassung voranzustellen, die am Ende des Buches in einem Inhaltsverzeichnis zu finden war. „ D e m habe ich gerne zugestimmt und gleich begonnen, um Euch, Leser, zu entlasten. D e n n oft hat man nicht genügend Zeit, die Geschichten zu suchen, die man sofort sehen möchte." 4 0
Louveau ging davon aus, daß die Leser wenig Zeit hatten, selbst im Goldenen Esel die Geschichte zu suchen, die sie lesen wollten. Die Lektüre antiker Autoren scheint nicht ihre Hauptbeschäftigung gewesen zu sein. Offenbar waren sie mit anderen Dingen befaßt und lasen nur in ihren Pausen lustige Geschich39
308.2, fol. A4re. Or donc ie l'ay traduit de Latin en François le plus fidelement et songneusement qu'il ma esté possible, non sans grande peine, d'autant que le Latin est fort difficile sur tous, et sans y diminuer ny adiouster grandes periphrases et nouveaux propos outre la matiere, ou dictions à plaisir, ... choses qui peuvent quelquefois esgarer le Lecteur, et avec ce, rompre le fil, et le sens, et déduction, ou phrase de l'Autheur. Mais ie l'ay traduit au plus près du Latin, et orné en langage François, au mieux i'ay peu. 40 308, fol. A4ve. ... à quoy ay bien voulu consentir, et y vaquer pour le soulas et relèvement de vous Lecteurs: car bien souvent chacun n'a pas le temps à commandement pour aller chercher les matières, que Ion desire veoir sur le champ.
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ten, um sich zu vergnügen. Diese Gruppe der erholungsbedürftigen Berufstätigen, die lesen konnten, aber zu ihrer Zerstreuung keine lateinischen, sondern französische Texte bevorzugten, scheint in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zugenommen zu haben. Außer der Apuleius-Übersetzung von 1553 erschienen 1559 und 1560 in Lyon zwei weitere Unterhaltungsbücher als französische Erstausgaben. Unterhaltungsbücher
Der Verleger Guillaume Rouillé brachte 1560 eine Übersetzung der Piacevoli notte von Gian-Francesco Straparola, einer Novellensammlung in der Art des Dekamerone, heraus. Seine Widmung an François Rogier, einen königlichen Beamten, eröffnete er mit einer Begründung: „Früher wie heute haben die Gelehrten der Heiligen Schrift, Philosophie, Mathematik oder Medizin und anderer ernster Wissenschaften manchmal ihre harte Arbeit unterbrochen und sich nicht geschämt, einige lustige Bücher zu lesen wie Fabeln oder andere neue Späße. Dadurch haben sie ihren Geist von der harten Arbeit erleichtert. Manchmal haben sie eine derartige Freude daran gehabt, daß sie ihre Federn niedriger fliegen ließen und selbst Bücher von einzigartiger Heiterkeit verfaßten." 41
Der Leser befand sich demnach in einer ehrwürdigen Tradition und in guter Gesellschaft, wenn er selbst in lustigen Büchern schmökerte. Schon Petrarca habe die Unterhaltungslektüre als Abwechslung während der schweren Arbeit des Forschens gelobt, las man in den Vorreden der Originalausgaben italienischer Novellen. 42 Die gleiche Tradition reklamierte Rouillé fur sich, denn seine Arbeit stand in enger Beziehung zu der seiner Kunden. Sie lasen die Texte, die er ihnen zur Verfugung stellte. Zudem war er als Verleger ebenfalls Leser: der erste Leser jedes Buches. Eigentlich sollte ihm daher niemand einen Vorwurf machen, „wenn ich nun, nachdem ich zahlreiche Bücher von herausragenden und bekannten Autoren verschiedener Fachgebiete gedruckt habe, beginne,
41 255, S. 3. Comme iadis, et à present, maints excellents et doctes personnages addonnez à l'estude des Saintes lettres, de Philosophie, de Mathématique, ou de Medecine, et telles autres sciences graves et ardues, donnans quelquefois intermission à leur labeur journalier, n'ont dédaigné et ne dedaignent encor la lecture de quelques Livres facecieux, comme Fables et autres nouvelles ioyeusetez, recreans par ce moyen, leurs espritz du travail enduré, et encor mesmement y ont pris telle delectation, que abaissans le vol de leurs plumes, ilz ont escrit et composé semblables volumes plains de singulière allégresse. Zur Biographie vgl. Gian-Francesco Straparola (um 1500-1557): NBG 44, 547f. 42 Vgl. Sozzi, Lionello, L'intention du Conteur. Des textes introductifs aux recueils des nouvelles, in: L'Ecrivain face à son public en France et en Italie à la Renaissance. (Actes du Colloque International de Tours, 4-6 déc. 1986), Hg. Ch. A. Fiorato, J. C. Margolin, Paris 1989, S. 71-83, hier S. 73.
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manchmal auch einige kleine Bücher herauszubringen, aus denen man Freude und Entspannung ziehen kann."43 Der Verleger selbst stellte sich als einen jener Schreibtischarbeiter dar, die sich manchmal entspannen möchten, um hinterher umso ernsthafter weiterzuarbeiten.44 Fast hat man den Eindruck, Rouillé über die Schulter schauen zu können, wenn er schreibt: „Als ich in den letzten Tagen in meinem Studierzimmer die Manuskripte einiger neuer Bücher durchsah, fiel mir das Buch der facecieuses nuitz von Herrn Ian François Straparole in die Hände, das ich wegen seiner unterhaltsamen Geschichten schon vor einem Jahr von Meister Jean Louveau habe übersetzen lassen."45 Eine weitere Publikation zur Zerstreuung von Berufslesern ist die zweisprachigen Anthologie Facetiez et mots subtils von Lodovico Domenichi, die 1559 erstmals erschien. 46 Im Vorwort umwarb der Herausgeber und Verleger Rouillé die anvisierten Leser folgendermaßen: „Keiner zweifelt, daß der sehr gute und sehr große Gott die menschliche Natur so geschaffen hat, daß sie (zumal sie so anfällig fur Wankelmut und Leidenschaft ist) keine ständige Anstrengung ertragen kann. Und wie Gott durch seine große Umsicht seit Beginn der Welt angeordnet hat, ... daß der helle Tag mit der Arbeit und die dunkle Nacht mit der Erholung sich abwechseln, so ist es auch mit dem menschlichen Herzen. ... Es ist also nötig, daß sich das menschliche Denken manchmal eine angenehme Erholung verschafft, um nicht fortdauerndem Mißvergnügen zu unterliegen oder an der ständigen Erschöpfung zu sterben, vor allem, wenn man be-
43 255, S. 3. ... si ayant par cy devant Imprimé naotable nombre de Livres yssus d'Autheurs exquis et renommez en diverses facultez, ie m'adonne à mettre en lumiere aucunefois quelques petis livres, esquelz on peut cueillir quelque plaisir et contentement d'esprit. Michel Simonin interpretiert die Aussage Rouillés dahingehend, daß der Verleger tatsächlich seinen guten Ruf aufs Spiel setzte, indem er lustige Bücher herausbrachte. Ich halte hingegen für wahrscheinlicher, daß Rouillé mit der Tradition kokettierte, um sich selbst als Leser zu präsentieren. Simonin, Michel, De Masuccio aux Comptes du Monde Adventureux, in: L'Ecrivain face à son public, S. 39-50, hier S. 41. 44 Vgl. Sozzi, S. 73. 45 2 55, S. 4. Pource en visitant ces iours passez plusieurs copies des Livres nouveaux que ie me retrouve en mon estude, davanture me tomba és mains le Livre des Facecieuses Nuitz et Enigmes du Seigneur Ian François Straparole, lequel pour sa naive récréation i'avoye ià dés l'an passé fait traduire d'Italien en François, par Maitre Ian Louveau. 46 Die Lyoner Ausgabe enthält eine Zusammenstellung von historischen Anekdoten, Maximen und Witzen aus den Fazetien von Domenichi, aus der Historia desselben Autors und aus den Divers propos von Gilles Corrozet; vgl. Bowen, Barbara C., Facezie franco-italiane a Lione nel 1559, in: Il Rinascimento a Lione, Rom 1988, S. 115-126, hier S. 118-122. Zur Biographie vgl. Lodovico Domenichi (um 1500-1654): NBG 15, 486f.
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rücksichtigt, daß nach den Propheten ein trauriger Geist die Knochen vertrocknen lasse. Wer sich nicht erholt, wird nicht lange leben."47 Schwere Geschütze wurden aufgefahren, um den Leser von der Notwendigkeit des Vergnügens zu überzeugen. Bei Androhung des Todes wurde ihm nahegelegt, seinen großen Vorbildern nicht nur in geistigen, sondern auch in vergnüglichen Dingen zu folgen. Schließlich hätten Scipio und Laelius, wenn sie ihre Amtsgeschäfte leid gewesen wären, Muscheln gesucht, der sehr ernste Sokrates habe sich einen Stock zwischen die Beine geklemmt und mit kleinen Kindern Steckenpferd gespielt, und selbst der heilige Augustin habe seinem Freund geraten, sich gelegentlich zu den Musen zurückzuziehen. Die Fazetiensammlung von Domenichi war zweifellos geeignet, die Persönlichkeit des Lesers abzurunden, indem sie ihm die nötige Erheiterung ermöglichte. Einhundertneunzig treffende Antworten von Persönlichkeiten der jüngeren Geschichte (Lorenzo de'Medici, François I.), überraschende Wortwitze, bissige Urteile, spöttische Bemerkungen, erotische Histörchen und Zweideutigkeiten waren in der französisch-italienischen Ausgabe enthalten, die 1559 in Lyon erschien.48 Formal sind die Fazetien den älteren Exempla zum Verwechseln ähnlich, die religiöse oder weltliche Beispielgeschichten enthielten und häufig von einer bekannten Person berichteten, die sich durch kluges Verhalten aus einer schwierigen Situation befreite.49 Hier wie dort handelt es sich um Sammlun47
159, fol. 2re. Nul est entre nous qui doute, la nature humaine estre tellement crée de Dieu tresbon et tresgrand, qu'elle ne puisse (avec un si debile corps subiet à diverses infirmitez et passions) souffrir les continuelles fatigues. Et tout ainsi que Dieu par une supreme prudence, ordonna dés le commencement du monde ... que ores resplendist le jour serain, commode aux travaux ...: ores survient la nuit obscure aymant le repos, et reparant les forces perdues, semblablement au cueur des hommes ... Il est donques besoin, que la pensée humaine, aucunefois se procure, quelque peu de récréation aggreable, pour ne succomber sous les continuelz desplaisirs, ou bien pour ne mourir entre les perseverantes fatigues. Attendu mesmement que, selon les prophettes l'esprit triste deseiche les os. Et celuy qui ne prend repos, ne pourra longuement durer. 48 Vgl. Schenda, Rudolf, Enzyklopädie des Märchens, Bd. 3, s.v. Domenichi, Lodovico, Sp.747—751; Bowen, Facezie, S. 121-126. Viele der Anekdoten über gewitztes Verhalten von zeitgenössischen Persönlichkeiten in kniffligen Situationen sind heute nicht zu verstehen. Sie machen deutlich, wie groß das Maß an Vorwissen ist, das zum Verständnis von politischer Satire nötig ist. Die Frage, auf welche Weise ein Leser des 16. Jahrhunderts dieses Wissen erlangen konnte (ob aus Chroniken, Flugblättern, mündlicher Tradition), wäre eine eigene Untersuchung wert. Witze über widerspenstige Frauen sind jedoch zeitlos: "Un cherchant sa femme, qui s'estoit noyée dans l'eau, alloit en contre mont la riviere. Dont s'esbahissent aucuns, pourquoy il ne l'alloit cherchant selon le cours de l'eau. Il n'est possible (dit le mary) qu'au fil de l'eau on la peust trouver, car elle estoit si rebarbative et contraire aux opinions d'autruy, qu'elle ne pourroit sinon au rebours de la riviere aller." 49 Als erster Titel dieser Textgattung gelten die Dicta et facta memorabilium von Valerius Maximus. Ab 1470 wurde die Kompilation von Valerius Maximus, die im er-
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gen von „Romanen in Pillenform", also um Erzählmotive, die literarisch nicht ausgestaltet sind. Von der literaturwissenschaftlichen Forschung wurde diese Kompendientradition bislang recht stiefmütterlich behandelt, denn offenbar entsprechen diese kurzen Geschichten ohne Autor nicht der Vorstellung von „Literatur". Die Märchen- und Erzählforschung widmete sich den Fazetien vor allem motivgeschichtlich. Sie kam dabei zu dem Ergebnis, daß zahlreiche Motive sowohl in der lateinischen als auch in der volkssprachigen Schwankdichtung vertreten seien, so daß man von einer europaweiten Lachtradition sprechen könne. Literaturhistoriker gingen der Frage nach, aus welchen Quellen die verschiedenen Fazetiensammlungen schöpften und in welchem Maße sie sich aufeinander bezogen.50 Doch auf die Frage, wer die Leser dieser ab der Mitte des 16. Jahrhunderts auf den Markt drängenden Witzbücher sein konnten, wurde bislang noch keine Antwort gefunden. Die Kürze der Geschichten legt nahe, daß sie nicht nur gelesen, sondern auch bei geselligen Anlässen weitererzählt wurden. Es ist durchaus denkbar, daß die Tradition der geschmückten lateinischen Rede, für die Erasmus in den Adagia einen Vorrat an illustrierenden Elementen bereithielt, auch in den Volkssprachen weitergeführt wurde. Die gedruckten Fazetien ließen sich so verstehen als ein Nachschlagewerk für Redner. Warum die Anthologie Domenichis zweisprachig erschien, konnte bis heute in der Forschung ebenfalls nicht überzeugend begründet werden. Weder als Italienischlehrbuch noch als Mittel gegen Heimweh für die nach Lyon übergesiedelten Italiener scheint es besonders geeignet zu sein.51 Als Lehrbuch käme es nur für sehr fortgeschrittene Schüler in Frage und gegen Heimweh dürften einsprachig italienische Bücher, die in Lyon ebenfalls erschienen, besser geholfen haben. Man kann vielleicht die zweisprachige Witzsammlung als Indiz für die Konversationskultur der höheren gesellschaftlichen Kreise verstehen. Die Lyoner Oberschicht bestand aus französischen und italienischen Großkaufleuten. Beide Gruppen hatten ihre eigenen Kirchen und sozialen Netze, doch bestanden vielfaltige Kontakte. Durch Heirat oder langjährigen Aufenthalt in der Stadt waren nicht wenige Italiener naturalisiert und geschäftliche Kontakte zwischen Mitgliedern beider Gruppen sten Jahrhundert n. Chr. für den Unterricht an Rhetorenschulen verfaßt worden und nach dem loci-Prinzip geordnet war, in vielen Auflagen gedruckt; vgl. Weber, H., La Facétie et le bon mot du Pogge à Bonaventure des Périers, in: Humanism in France at the End of the Middle Ages and in early Renaissance, Hg. A.H.T. Levi, Manchester, N.Y., 1970, S. 82-105; Brückner, S. 88. 50 Vgl. Weber, La Facétie, passim. 51 Diese beiden Varianten schlagen Gabriel Pérouse und Barbara Bowen vor; vgl. Pérouse, Gabriel-André, Humanisme et élites urbaines à Lyon au XVIe siècle, in: Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 16. Jahrhundert, Hg. Klaus Malettke und Jürgen Voss, (= Pariser Historische Studien, Bd. 27), Bonn 1989, S. 223-238, hier S. 225-226; Bowen, facezie, S. 123f.
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ohnehin die Regel. Französisch wie Italienisch war auf Lyons Straßen zu hören. Wenn man nun bedenkt, wie wichtig in den oberen gesellschaftlichen Kreisen Konversation war, wie viel Eindruck eine eingestreute Sentenz machte, kann man sich vorstellen, daß die Lyoner bei einem festlichen Anlaß in kleinem Kreise Anekdoten berühmter Persönlichkeiten erzählten. Um die Wortwitze nicht aus dem Stegreif übersetzen zu müssen, enthielt Domenichis Sammlung in der Lyoner Ausgabe eine Version des Witzes in jeder der beiden Verkehrssprachen. Lyrikanthologien
Eine weitere Möglichkeit der Zerstreuung stellte Antoine du Saix vor: Er dichtete selbst. Sein Buch leitete er passend zur Textgattung nicht mit einem Prosatext, sondern mit einem Gedicht ein, mit dem er sich an die Amys lecteurs wandte.52 In einem 12-zeiligen Gedicht stellte sich der Autor, der als Gesandter des Königs von Savoyen seinen Lebensunterhalt bestritt, als bescheidenen und vielbeschäftigten Mann vor, der gern mehr Zeit auf das Dichten verwenden würde. Du Saix illustrierte mit seinem Widmungsgedicht die Vorstellung einer Gedichtsammlung als Florilegium, Blütenlese. „Wenn ich mich von den Geschäften fernhalten könnte,/um zu gärtnern und Euch demütig und freudig/alle meine Blumen zeigen könnte/,daß man sie betrachten könnte, an Stelle des süßen Jasmins ..." 53
Die Forschung zu Lyrikanthologien ermöglicht Rückschlüsse auf die Leser seiner Gedichte. In Italien erschienen zwischen 1545 und 1558 neun Anthologien - zwei von ihnen trugen den Titel Fiori, Blüten - mit Gedichten von insgesamt 300 Autoren, die auch in Frankreich großen Erfolg hatten.54 Da etwa die Hälfte der Autoren nur in einem Band mit einem Gedicht vertreten sind und die Herausgeber in den Vorworten betonen, daß nur eine kleine Auswahl der Gedichte veröffentlicht werden konnte, muß die Zahl derjenigen, die sich so intensiv mit Gedichten auseinandersetzten, daß sie selbst zur Feder griffen, um dem Vorbild Petrarca nachzueifern, demnach noch größer gewesen sein. Viele der Autoren stammten entweder aus dem Adel oder, wie Du Saix, aus dessen Umkreis. In diesen elitären Kreisen war der Austausch von Gedichten ein beliebtes Spiel.55 Auch in Paris und bei Hof blühte die Dichtung, in Lyon bildete sich neben verschiedenen humanistischen Zirkeln die
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Nr. 161 und 277. Zur Biographie vgl. Antoine Du Saix (1505-1679): Grente, S. 280. 53 161, S. 2. Mais si je puis d'affaires me sevrer,/ Pour iardiner mes fleurs tant que l'oye,/Qu'on les estime au lieu de doux Iasmin ... 54 Vgl. Piéjus, Marie-Françoise, Lecture et écriture selon les anthologies poétiques au XVIe siècle en Italie, in: L'Ecrivain face à son public, S. 337-358, hier S. 339-342. 55 Vgl. Piéjus, S. 348.
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Lyoner Dichterschule, zu der Maurice Scève und Louise Labé gehörten.56 Die Mitglieder dieses Kreises stammten zumeist aus der hohen Verwaltung. Es ist anzunehmen, daß die Amys lecteurs, denen Du Saix seinen Text widmete, aus ähnlichen Schichten stammten. Plaisir et profit Das Vergnügen des Lesers wurde nicht nur in den Vorreden der explizit lustigen literarischen Texte erwähnt, sondern in fast allen französischsprachigen Büchern belletristischen Inhalts. Nun ist das bei Texten, deren Absicht nicht in der Vermittlung von Wissen liegt, nicht völlig überraschend. Erst der Vergleich mit den Vorreden lateinischer literarischer Texte macht den Unterschied deutlich. Nie wurde in einer lateinischen Vorrede das delectare als einziger Effekt des Textes genannt. Immer taucht es mit seinem ständigen Begleiter, dem prodesse, auf, dem es in der stehenden Redewendung stets den Vortritt ließ. Mit prodesse et delectare beschrieben lateinische Gelehrte seit Horaz die Qualität von literarischen Texten.57 Fast kein Herausgeber lateinischer Werke entließ seine Leser ohne einen Hinweis auf die Nützlichkeit des Werkes, das ihn auch, aber erst in zweiter Linie, erfreuen sollte - obwohl die Geschichte vom Goldenen Esel auf Latein ebenso lustig ist wie auf Französisch. Französischen Autoren und Herausgebern war das Begriffspaar Nutzen und Vergnügen natürlich bekannt. Die meisten von ihnen dürften eine Grundausbildung in den studia humanitatis gehabt haben, war doch das kommunale collège mit seinem humanistischen Lehrplan der Ort, an dem Lesen und Schreiben gelehrt wurde. Folglich tauchte dieses Begriffspaar in nicht wenigen französischen Vorreden auch der literarischen Texte auf, jedoch in bemerkenswert abgewandelter Form: der Nutzen mußte seinen ersten Platz räumen. Plaisir et profit war die Formel, mit der französische Vorredenautoren die Qualität des Textes lobten. Französische literarische Texte kamen sogar teilweise ganz ohne profit für den Leser aus. Wurde in der Vorrede der Faceties von Domenichi immerhin noch dem Vergnügen ein indirekter Nutzen für die Vervollkommnung der Persönlichkeit zugeschrieben, so stritt der Vorredenautor der Neuausgabe des pseudo-astrologischen Glücksspiels Le Dodecheron de Fortune von Jean de Meung, 1556 in Paris erschienen, ausdrücklich jeden Nutzen des Spiels ab.58 Auch fehlt in der Widmung des Romans Alector von Barthélemy Aneau ein Hinweis auf den Nutzen des Buches vollständig. Das Buch berichtet von einer fiktiven Reise um die Welt, die der Held Alector auf einem Flußpferd unter56
Vgl. Hausmann, S. 110. Vgl. Dahlmann (1962), S. 575. 58 3 29.1, fol. A4ve. ... si aucun y prend plaisir, il n'en doit point abuser ne en esperer aucune certitude. Car l'intention de l'autheur n'a esté sinon pour donner plaisir et passetemps, ... 57
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nimmt.59 In der Widmung an Mademoiselle Le Coq erinnerte sich der etwa 60jährige Autor an die erste Begegnung mit der Adressatin, die inzwischen etwa 40 Jahre alt geworden war. Als Witwe eines reichen königlichen Beamten war sie eine geeignete Mäzenin, der zu schmeicheln sich empfahl. Aneau blickte zurück: „Sie waren damals ein kleines Fräulein von zwölf oder dreizehn Jahren, nach ihrem kindlichen Gesicht und dem zarten Körper zu urteilen, aber was die Weisheit, Ehrenhaftigkeit, Anmut und Aufgeschlossenheit des Geistes angeht, schon viel reifer und fortgeschrittener." 60
Schon damals hätten ihn der Vorschein des Verstandes und des anmutigen Liebreizes fasziniert, die sich seitdem zu ihrer Vollkommenheit entfalteten. Begeistert und tief beeindruckt von der Ausstrahlung der Mademoiselle Catherine sann Aneau nach, wie er seiner Bewunderung Ausdruck verleihen könnte und entschied sich schließlich, ihr eine „fabulöse Geschichte" zu übersetzen, die er als Fragment gefunden hatte. Bei der Beschreibung des jugendlichen Helden sparte Aneau nicht mit guten Eigenschaften: ein kluger, kühner und wachsamer Ritter sei er. Aneau machte sich nicht die Mühe, zu verschleiern, daß er den Ritter Alector als Stellvertreter zu Mademoiselle Catherine sandte und es vorgezogen hätte, sich statt seiner „liberalement donner ä vous".61 Der eventuelle Nutzen seines Werkes wurde vom Autor nicht zum Thema gemacht. Er habe das Werk übersetzt, „damit es Ihnen, wenn Sie, Mademoiselle, sich manchmal zerstreuen oder unterhalten wollen und es lesen oder sich vorlesen lassen, vertraulich erzähle." 6 2
Auffallend ist, daß das reine Vergnügen an der Lektüre ohne jeden Nutzen, wie es Aneau seiner Leserin nahelegte, ein Vorrecht der Leserinnen gewesen zu sein scheint. Der Übersetzer des Decamerone von Giovanni Boccaccio, der als Beamter arbeitete, rechnete mit ernsten Vorwürfen, da er sich der Lektüre des unterhaltsamen Buches gewidmet hatte und in dieser Zeit seine beruflichen Aufgaben vernachlässigte:
59 Zur Biographie vgl. Barthélémy Aneau (um 1500 - 1565): Grente, S. 48. Zur Einordnung des Werkes: Fontaine, M.-M., Introduction, in: Aneau, Barthélémy, Alector ou le Coq, editée par M.-M. Fontaine, Genf 1996, S. IX-CXXXII. 60 215, fol. *4ve. Vous alors estant petite damoyselle en l'eage de douze ou treize ans quant a la vetie de l'infante face, et du tendre corps: mais quant en prouvenante sagesse, honnesteté, bonne grâce, et gentillesse d'esprit, ia beaucoup plus meure, et avancee. 61 215, fol. *5ve. Aneau verwendet das Wort ostage, das zunächst "Bürge" bedeutet, doch legt der Zusammenhang nahe, daß er es im Sinne von "Stellvertreter" meint. Fontaine betont, daß der Romanheld Alector im Gegensatz zu dem in der Widmung hervorgerufenen Eindruck kein ritterlicher Schmeichler sei; vgl. Fontaine, S. 355. 62 2 1 5, fol. *5ve. Affin que si vous (madamoiselle) prenez quelquefois ou récréation, ou patience de le lire, ou escoutter lire, il vous soit plus familièrement parlant.
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„Einige hochnäsige und pingelige Frauen könnten sich darüber aufregen, wenn sie beginnen, das ganze Buch zu lesen oder anzuhören ..., wie ich, obwohl ich mit wichtigen öffentlichen Angelegenheiten beschäftigt bin, mich mit der Übersetzung vergnügt habe. Andere werden sagen, ... daß ich mit größerem Nutzen meine Zeit für ein anderes Werk verwendet hätte."63 Auch die Art des Buches war offenbar nicht eines pflichtbewußten Beamten gemäß. Welches andere Werk ihm einen größeren Nutzen gebracht hätte, führte der Übersetzer Antoine Le Maçons nicht aus. Wenn man seiner Darstellung glauben kann, gab es konkrete Vorstellungen darüber, wie hohe königliche Beamte ihre Zeit zu verbringen hatten: mit nützlichen Tätigkeiten für das öffentliche Wohl, nicht mit vergnüglichen Novellen. Doch Maçon konnte diese Vorwürfe zurückweisen. Immer habe er zuerst seine Pflicht gegenüber dem König und dessen wichtigsten Ministern erfüllt und in dieser Zeit das Werk ruhen lassen. Im Hinblick auf den Nutzen des Buches beteuerte er seinen Kritikern: „Sie werden in ihrem ganzen Leben kein unterhaltsames Buch finden, aus dem man mehr Nutzen ziehen kann als aus diesem hier, auch wenn sie suchen."64 In der Verbindung von Vergnügen und Nutzen, soweit der Konsens, lag die Qualität eines Buches. Ob nun der Nutzen oder das Vergnügen einen größeren Stellenwert hatte, hing von der Person des Lesers beziehungsweise der Leserin ab. Erkennbar ist jedoch die Tendenz, vergnügliche Bücher auch für männliche Leser als Unterhaltungsbücher zu bezeichnen und den Nutzen als eine sekundäre oder zumindest vermittelte Qualität des Buches zurückzustellen. Leser volkssprachiger
belletristischer
Texte
Was läßt sich nun über die Leser volkssprachiger belletristischer Texte sagen? Zunächst gab es zwei besondere Gruppen: Jean d'Abundance richtete sich ausdrücklich nicht an Leser, sondern an Zuhörer. „Ihr habt Euch versammelt, um eine Rede anzuhören" sprach der Erzähler der Wunderbaren Abenteuer des Herrn Niemand sein Publikum an. Das Schloß der Arbeit hingegen richtete sich in seinem Prolog an Leser. Da es sich bei beiden Texten um Geschichten in Reimform handelte, die seit Beginn des Jahrhunderts auf dem Buchmarkt gehandelt wurden, kann man jedoch annehmen, daß der Text von Pierre Gringoire ebenfalls vorgelesen wurde.
63 218, S. 5. ...quelques femmes desdaigneuses, et sucrees qui s'esbahiront (s'ilz se mettent à lire, ou escouter tout le livre ...) comment moy tant chargé de gros affaires publiques, me fus amusé à les traduire. Autres diront, ... que ¡'eusse mieux fait d'employer le temps à quelque autre oeuvre de plus grand fruict. 64 2 1 8, S. 6. ... ilz ne veirent paraventure de leur vie oeuvre de plaisir d'où l'on peust plus cueillir de fruict qu'on fera de ceste-ci, s'ilz l'y veulent bien chercher.
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Die Angoysses douloureuses von Hélisenne De Crenne richteten sich ebenfalls nicht an Leser, sondern an Leserinnen. Diese Publikumsgruppe war vergleichsweise klein: Nur bei literarischen und religiösen Texten in Volkssprachen wurden Frauen überhaupt als Adressaten erwähnt. Leider lassen sich auf der Basis der Stichprobe weder eine unbekannte Autorin noch unbekannte Leserinnen entdecken. Wie in der Sekundärliteratur beschrieben, handelt es sich bei den Adressatinnen zumeist um Adlige wie Diane de Poitiers oder um Töchter von Beamten in hohen Positionen.65 Die Lektürehaltung der Leserinnen und Zuhörer wurde grundlegend anders dargestellt als bei den gelehrten Lesern. Während sich diese nachts allein in ihrer Studierstube um das Wiedererwachen der Antike bemühten, saßen jene beieinander und ließen sich unterhalten. Die Leser männlichen Geschlechts hingegen trifft man in derselben Situation an wie die gelehrten Leser: allein im Studierzimmer. Zufallig war diese Ähnlichkeit nicht, war doch jeder Franzose, der lateinische Texte lesen konnte, ebenso in der Lage, Texte in seiner Muttersprache zu lesen. Das Publikum beider Sprachen dürfte sich so breit überschnitten haben, daß man kaum von einem eigenen Profil der Leser französischer Texte ausgehen kann. Nicht nur Leser, selbst Autoren wie Du Saix oder Übersetzer wie Le Maçon waren Beamte. Dieses Publikum interessierte sich für französische Literatur, obwohl es lateinische Texte lesen konnte - nur wollte es sie nicht lesen. Um sich zu vergnügen, bedienten sich französische Leser an französischen Romanen, Novellen, Gedichten und Witzen, statt an der neulateinischen Poesie und Prosa. Ganz ohne Bezug zur Geisteswelt der Antike mußten sie trotzdem nicht bleiben, da Übersetzer wie Louveau und Autoren wie Guevare, dessen Werke in zahllosen Auflagen und vielen Sprachen erschienen, ihnen die antiken Weisheiten für ihre Gegenwart übersetzten. Das Interesse der französischen Leser am internationalen Austausch, der für die Gelehrtenrepublik wesentlich gewesen war, trat in den Hintergrund, auch wenn er durch die hohe Zahl von Übersetzungen de facto vorhanden war. Wichtiger war ihnen, daß der Text eine Beziehung zu ihnen selbst hatte - zumindest lassen sich die Vorreden als Reaktion auf diese Erwartungshaltung verstehen. Französische Geschichten fur vergnügte Leser, die allen Grund hatten, stolz auf ihre Nation zu sein, versprachen die Autoren gemeinsam mit den Übersetzern.
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S. o. die Widmung von B. Aneau an Catherine Le Coq, Nr. 215.
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2. Der selbstbewußte Leser: französische
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Sammelwerke
Vorreden französischsprachiger Texte richteten sich im allgemeinen an ein selbstbewußtes,Lesepublikum. Die Autoren stellten sich häufig als ihren Lesern gegenüber gleichberechtigt dar, indem sie darauf eingingen, welche Ansprüche die Leser stellen könnten. Dieser Umgang zwischen Autoren und Lesern war in manchen Punkten den Regeln der Gelehrtenrepublik, die von den humanistischen Gelehrten in lateinischer Sprache gepflegt wurde, ähnlich. Auch unter den Lesern französischsprachiger Texte gab es offenbar einige, die wie die Leser lateinischer gelehrter Texte besonders kritisch und aufmerksam die Arbeit von Autoren und Herausgebern verfolgten. Der kritische Leser Der Übersetzer des ursprünglich spanischen Primaleon unterschied in seinem Widmungsgedicht zwei unterschiedlich anspruchsvolle Lesergruppen: „Wer du auch bist, Leser, der sagen könnte, daß ich hier Worte benutze, die du nicht verstehst: Mache dich daran, sie mit der Zeit verstehen und lesen zu lernen. Ich habe mich wirklich darum bemüht, außergewöhnliche Wendungen zu wählen. Dadurch habe ich die Absicht, besonders die bons
esprits zufriedenzustellen."1
Neben dem lecteur quiconque erwartete er den bon esprit, den zufriedenzustellen er sich besondere Mühe gab: Mit außergewöhnlichen Wendungen und nicht alltäglichen Worten wollte er das Wohlwollen dieser speziellen Lesergruppe gewinnen. Das zitierte Vorwort ist nicht das einzige, in dem bons esprits explizit angesprochen wurden, so daß man annehmen kann, daß sich hinter dieser Bezeichnung eine konkrete Vorstellung verbarg. Die verschiedenen Eigenschaften dieses geistvollen Lesers literarischer Texte sollen im folgenden zusammengestellt werden. Als Fähigkeit der bons esprits erwähnte der Primaleon-Übersetzer einen großen Wortschatz, die Voraussetzung für Eloquenz. Auch Antoine Le Maçon, der sich bereits von kritischen Lesern hatte ermahnen lassen müssen, sich „nützlichen Büchern" zuzuwenden, erläuterte seinen Lesern:
1 334, fol. a7ve. Quiconque sois, lecteur, qui pourrois dire,/Que i'use icy de mots que tu n'entends,/Préparé toy d'aprendre avec le temps/A les entendre aussi bien qu'à les lire:/I'ay vrayment de traits voulu eslire/Hors du commun, ce faisant ie pretens/Les bons esprits trop plus rendre contens.
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„Ich möchte euch nicht lange von der Übersetzung aus alter Zeit erzählen, denn sie war so schlecht, daß ich meine, daß kein homme de bort esprit auch nur ihren Titel ansehen möchte."2 Er unterstellte den bons esprits ebenfalls eine Sensibilität fur die französische Sprache, denn sie achteten besonders auf die Qualität eines Textes. Mit ihrem großen Wortschatz und dem Wissen um einen guten Stil scheinen sich die bons esprits um éloquence, eine der drei Haupteigenschaften des humanistischen Gelehrten bemüht zu haben. Der Übersetzer des Goldenen Esels, Jean Louveau, bezog sich auf eine weitere Eigenschaft seiner Leser: „Ich glaube kaum und kann mir nicht vorstellen, daß es irgendjemanden gibt, der so wenig Urteilsvermögen hat, und dem die Vernunft so fern ist, daß er beim Lesen dieses Werkes denken könnte, daß ein Mann tatsächlich in einen Esel verwandelt wurde mit einem so einfachen Mittel wie einer Salbe, und dann durch simplen Aberglauben wieder in seine ursprüngliche Form zurückversetzt."3 Undenkbar war es fur ihn, daß die Leser den Text fur bare Münze nehmen könnten. Für ihn war es selbstverständlich, daß sie zwischen Fiktion und Realität unterscheiden konnten. 4 Selbst das abschließende Urteil über die Geschichte überließ der Übersetzer allen bons esprits.5 Auch der Übersetzer des sehr verwirrenden und phantastischen Buches von Doni über die Himmlischen, irdischen und höllischen Welten traute einem Leser de bon entendement zu, „die hohen Mysterien und Geheimnisse, die in diesem Buch versteckt und verborgen sind, leicht zu entdecken und zu erkennen".6 2 218, S. 8. le rae'arresteray à vous r'amener en conte l'autre traduction du vieil temps: car elle estoit de si peu de mérité que ¡'estime que nul homme de bon esprit ne voudroit maintenant la regarder seulement par le tiltre. 3 308, fol. A2ve. ... car ie ne pense, et ne me puis aucunement persuader qu'il y ait aucun tant loing de bon iugement, et estrange de la raison, qui en lisant cest oeuvre puisse croire et imaginer en son esprit un homme avoir esté mué en Asne, par un si facile moyen d'un oignement: puis derechef retourné en sa premiere forme par une simple superstition. 4 Die Übersetzung der Utopia von Thomas More hingegen, die eigentlich filr gelehrte Humanisten verfaßt wurde, wird vom französischen Übersetzer Barthélémy Aneau für ein weniger kritikfähiges Publikum präsentiert. Er betont wiederholt, daß es sich um Phantasie, nicht um Realität handele. (Nr. 180) 5 308, fol. A3re. ... neantmoins ie remets le tout à vostre iugement, et de tous bons esprits. 6 324, fol. *3ve. Brief en ce livre sont cachez et voilez plusieurs hauts secrets et mystères, que l'homme de bon entendement tel que vous, pourra facilement remarquer et cognoistre. Zum zeitgenössischen Gebrauch der Bezeichnung "homme de bon entendement" vgl. auch Campagne, Hervé, Savoir, économie et société dans les Divers leçons d'Antoine du Verdier, in: Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance 57(1995)3, S. 6 2 3 635, hier S. 632.
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Urteilsvermögen und Vernunft, das waren die Fähigkeiten eines Lesers, der etwas gelernt hatte, der die Möglichkeit hatte, etwas Neues mit etwas Bekanntem zu vergleichen und die Differenz zu benennen. Mit doctrine, der zweiten Eigenschaft der humanistischen Gelehrten, könnte man diese Fähigkeit der bons esprits bezeichnen. Die vorgestellten Charakterisierungen des bon esprit stammen von Übersetzern, die Texte aus dem Lateinischen, Spanischen und Italienischen für französische Leser übertragen hatten. Sie erwarteten von den bons esprits nicht, daß diese die Texte in ihrer jeweiligen Originalsprache lasen. Eher gingen sie von der gegenteiligen Annahme aus: So wie sie die bons esprits darstellten, bestanden diese völlig zu Recht darauf, Zugang zu den anderen Literaturen zu erhalten. Die europäische Literatur von Frankreich aus zu betrachten und sie darauf zu beziehen, sahen die Übersetzer, selbst Franzosen, als eine völlig legitime Perspektive an. Den Qualitätsansprüchen der stolzen französischen Leser besonders im Hinblick auf die sprachliche Eleganz zu entsprechen, gaben sich die Übersetzer einige Mühe. Mit ihrer éloquence und doctrine wiesen die bons esprits Züge auf, die sie in die Nähe der eruditi rücken lassen, und auch der dritte Pfeiler der humanistischen Trias, virtus, wurde mit ihnen in Beziehung gebracht. Der Drucker des dritten Gedichtbandes von Boyssières empfahl das „lobenswerte Buch" speziell den bons esprits und charakterisierte sie genauer: Sie seien „von Wissenschaft und Tugend begeistert".7 Eloquence, doctrine und vertu - mit diesen Attributen könnten die bons esprits als französische Humanisten gelten. Dennoch waren die Unterschiede zwischen bons esprits und eruditi beträchtlich. Grundlegend war die Sprachdifferenz, hier Französisch, dort Latein, und auch das Verhältnis der bons esprits zu den einzelnen Charakterisierungen war sehr verschieden. Vertu war eine Eigenschaft, die vornehmlich von Frauen erwartet wurde. Wenn dieser Begriff überhaupt für Männer angewendet wurde, dann - zumindest entsteht dieser Eindruck - nur aus Gründen der Vollständigkeit oder Gewohnheit. Selten wurde vertu als männliche Eigenschaft allein genannt, meist erschien sie wie eine Ergänzung in Kombination mit einer anderen Zuschreibung wie science oder auch als Ausdruck des Nationalstolzes. Eloquentia und doctrina, die sich für die Humanisten mit der virtus zur prägenden Charaktereigenschaft der humanitas verbanden, hatten für die bons esprits einen anderen Stellenwert. Sie waren weniger Eigenschaften, als vielmehr Fähigkeiten. Die humanitas galt in der Gelehrtenrepublik als Ergebnis der menschenformenden studia humanitatis. Bon esprit zu sein hingegen bedeutete lediglich, wie der Name andeutet, es zu verstehen, seinen Geist zu gebrauchen. Kritischer Umgang mit Bücherwissen, mit nicht-empirischer Erfahrung, machte die doctrine der bons esprits aus.
7
277, fol. **4re. De la science et des vertus espris ...
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Ihre éloquence zeigte sich nicht nur in der Sprachbeherrschung und der eleganten Einbeziehung lateinischer Sentenzen. Sie besaßen zudem eine Fähigkeit, die die eruditi nicht brauchten: Geschmack. Er war der einzige Maßstab, mit dem die französische Sprache beurteilt werden konnte, gab es doch kein Ideal, an dem man sich hätte orientieren können. Das bon françoys war die gesprochene Sprache des Pariser Parlaments - zur Bewertung von geschriebener Sprache mußten sich die bons esprits auf ihr eigenes Urteil verlassen. Doctrine, éloquence und vertu besaßen die bons esprits, und doch kann man sie nicht als französische Humanisten ansehen. Sie hatten der humanistischen Trias eine neue Bedeutung und zudem eine neue Funktion gegeben. Sie zu beherrschen war nicht länger eine Lebensaufgabe, sondern lediglich ein Mittel, um die Gegenwart zu meistern. Die bons esprits beschäftigten sich mit zeitgenössischer Dichtung, Übersetzungen von italienischer Prosa oder auch von antiken Autoren. Sie griffen auf die Antike nur zurück, soweit sie ihnen nützlich war. Bücher für neugierige Leser: Geschichtswerke Die bons esprits lassen sich als angesprochene Lesergruppe nicht nur in belletristischen Texten nachweisen. Ebenso wurden ihnen Geschichtswerke als geeigneter Lesestoff präsentiert. Aus den Vorreden der Chroniques ou Analles von Johannes Zonaras wird deutlich, welches Verhältnis zur Antike einerseits der Übersetzer, andererseits der Verleger des Werkes von den französischen Lesern erwartete. Für den gebildeten Leser lateinischer Texte waren Bücher zu historischen Themen wichtige Lesestoffe gewesen.8 Auch fur bons esprits als gebildete Leser französischer Texte behielt diese Buchart ihre Bedeutung. Das Werk des byzantinischen Geschichtsschreibers aus dem 12. Jahrhundert umfaßt die Geschichte der Welt von der Schöpfung bis etwa zum Jahre 400 nach Christus. 1557 wurde es in Basel erstmals in einer lateinischen und griechischen Übersetzung gedruckt.9 Ein Exemplar dieser Ausgabe war offenbar gelehrten Franzosen in die Hände gefallen, die daraufhin den Übersetzer Jean Millet „gebeten und gedrängt" hatten, es zu übersetzen.10 Jean Millet selbst stand der humanistischen Gelehrtenwelt sehr nahe - seine Kenntnis des Griechischen und Lateinischen sind dafür ebenso Indizien wie die Art seiner Präsentation der Übersetzung. Waren in einem humanistischen geschichtstheoretischen Text in lateinischer Sprache drei Gesichtspunkte der historischen Überlieferung hervorgehoben worden: der Nutzen, 8
S. o. Kapitel III.3. Joannis Zonarae Monachi Chronicon ... in tres tomos distinctum ... labore Hieronymi Wolfii Graece et Latine ..., Basel 1557. 10 267, fol. a3re. ... i'ay esté requis et importuné ... Zur Biographie vgl. Jean Millet (1513-1576): Grente, S. 513. 9
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sowohl in moralischer wie in politischer Hinsicht, die klare Sprache und die Wahrheit des Gesagten, so wurden diese drei Punkte in den Vorreden der Zonaras-Chronik ebenfalls genannt.11 Die humanistischen Gelehrten hoben darauf ab, daß die Geschichte praktische Beispiele für die philosophisch begründete Ethik enthielt. 12 Millet schloß sich den humanistischen Denkern an, wenn er in seiner französischen Vorrede ausführte: „Doch verweisen uns die Erfahrensten an die Geschichte, um leicht belehrt zu werden: Sie ist eine Art gröbere und schwere Philosophie, die das private und öffentliche Leben eher durch heilsame Beispiele als durch zu subtile Begründungen anleitet."13 Neben den moralischen hatten die humanistischen Gelehrten auch politische Beispiele aus der Geschichte als Hinweise für ihr eigenes Handeln geschätzt.14 Diesen Vorzug empfahl Millet seinen Lesern ebenfalls: „Man achte immer auf die Lehre der Beispiele, ... damit man für die Zukunft daraus entnehmen kann, was man nachahmen soll und was vermeiden."15 Daß das Geschichtsstudium eine Möglichkeit bot, sich ohne die Mühen eines langen und gefahrvollen Lebens lebenspraktische Klugheit anzueignen, wurde von antiken Autoren wie humanistischen Gelehrten gleichermaßen hervorgehoben, doch keiner brachte es auf eine so griffige Formel, wie Millet: „Das Leben ist kurz, die Beurteilung schwierig und Erfahrung gefahrlich." 16 So faßte er die Vorteile der Lektüre in den „stummen Lehrern" (precepteurs muets) zusammen. Die übrigen beiden Aspekte der humanistischen Geschichtstheorie, die Wahrheit des Gesagten und die klare Sprache, stellte der Verleger der Zonaras-Chronik, Macé Bonhomme, den Lesern in seiner Vorrede vor. Man könne Zonaras uneingeschränkt vertrauen, betonte er die Wahrheit des Textes. Eine Person seines Standes sei ehrenhaft und glaubwürdig.17 Bei der Sprache nun wird der Unterschied zwischen humanistischen Geschichtsschreibern und der französischen Zonaras-Ausgabe deutlich. Bonhomme lobte die Sprache des 11
S. o. Kapitel III.3. Vgl. Landfester, S. 57. 13 267, fol. a2ve. A raison de quoy les plus experimentez de tous nous renvoyent à la Histoire pour estre plus facilement instruitz: laquelle estant une maniere de Philosophie plus grossiere et lourde, dresse la vie privée et politique plus par exemples salutaires, que par raisons trop subtiles. 14 Vgl. Landfester, S. 152. 15 267, fol. a3re. Tousiours on regarde aux enseignement des exemples ..., à fin que de là on puisse emprunter à l'avenir tant ce que l'on doit imiter particulièrement, comme se que l'on doit eviter. 16 267, fol. a3re. La vie de l'homme est briefve, le iugement difficile, et l'experience dangereuse. , 17 267.2, fol. a4re. 12
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Geschichtswerkes, doch handelte es sich keineswegs um die Kürze und Klarheit des Lateinischen. „Bewegt von dem alten Wunsch und dem guten Willen, den wir gegenüber dem öffentlichen Wohl hegen, wollten wir es nicht ertragen, daß einer so exzellenten Geschichte der Schmuck und die Übersetzung unserer französischen Sprache vorenthalten werden sollte",
teilte der Verleger seinen „wohlmeinenden Lesern" mit.18 Das Publikum, dem Übersetzer und Verleger den Text in humanistischer Manier präsentierten, war insofern nicht unbedingt mit der Leserschaft der Texte historischer Autoren in lateinischer Sprache identisch. Auch wenn die idealen Leser jener Texte keine Gelehrten im engeren Sinne gewesen waren, beherrschten sie doch die lateinische Sprache.19 Von den bons esprits hingegen erwarteten Millet und Bonhomme keine lateinischen Sprachkenntnisse. Millet übersetzte den Text von Zonaras, „damit diejenigen, denen das Griechische und Lateinische nicht vertraut (familier) ist, den Nutzen, den sie daraus ziehen könnten, nicht entbehren müssen".20 Es fragt sich, wie gering die Vertrautheit der anvisierten Leser mit der lateinischen Sprache tatsächlich war. Relativ unwahrscheinlich ist, daß die potentiellen Kunden dieses dreibändigen Werkes im Folioformat mehrheitlich des Lateinischen völlig unkundig waren. Nur Mitglieder der Oberschicht verfügten über genügend Geld, sich ein derart luxuriöses Werk zu kaufen. In den Bibliotheken der reichen Handwerker und Kaufleute, die selten die lateinische Sprache beherrschten, sind zwar Geschichtsbücher nachzuweisen, doch handelte es sich bei ihnen meist um Werke der französischen Geschichte. Handwerker und Kaufleute kommen als Kunden für die Zonaras-Chronik nur in zweiter Linie in Betracht. Mit der antiken Geschichte und Literatur befaßten sich vielmehr vornehmlich Juristen und Beamte, sowie einige Adlige, wie Claude d'Urfé, der bailli des Forez.21 Diese Gruppe hatte Latein im Rahmen des humanistischen Bildungskanons entweder in den kommunalen collèges oder bei Hauslehrern gelernt. Aufgrund des Inhalts und der Ausstattung des Buches sind unter ihnen die Leser der Chronik zu vermuten. Latein lernen und Latein lesen waren allerdings auch für die Lateinkundigen des 16. Jahrhunderts zwei verschiedene Dinge. Millets Äußerung scheint 18 267.2, fol. a4re. Donc emeuz de l'ancien désir et bonne volonté que avons envers le Bien publiq, nous n'avons voulu souffrir que si excellente Histoire fust privée de l'ornement et traduction de nostre langue Françoise, ... 19 S. o. Kapitel III.3. 20 2 67, fol. a3re. ... à fin que ceux ausquelz le Grec et Latin ne sont familiers, ne se trouvassent privez du proufit qu'ilz y pourront recueillir doresnavant. 21 Vgl. Martin, Henri-Jean, Livres et société, in: Histoire de l'Edition Française, S. 513-562, hier S. 544. Martin, classements, S. 450; Doucet, Paris,.S. 21; Davis, Monde, S. 255.
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darauf hinzudeuten, daß auch unter denjenigen Lesern, die die lateinische Sprache beherrschten, die Bereitschaft nachließ, Texte in der Originalsprache zu lesen. Für ihn als französischen Gelehrter dürfte dies noch kein Grund zur Besorgnis gewesen zu sein, denn die Diskussion um die Hierarchie der Sprachen war 1560 bereits gefuhrt und zugunsten der Volkssprachen entschieden worden. Die lateinische Sprache galt nicht mehr als die einzige, in der komplexe Gedankengänge angemessen ausgedrückt werden konnten, selbst das Italienische sahen die Franzosen ihrer Sprache gegenüber als unterlegen an.22 Eine Übersetzung ins Französische schadete insofern dem humanistischen Bildungskanon nicht. Doch scheinen mit der Sprache auch die Inhalte in einem Maße vernachlässigt worden zu sein, das den Gelehrten Millet zu einem empörten Ausbruch hinriß: „Es ist eine große Schande, die wichtigsten Dinge der wichtigsten Monarchien seit dem Beginn der Welt bis in unsere Zeit nicht zu wissen, zumindest so weit es unserer schwachen und sterblichen Natur möglich ist," 23
ereiferte er sich. Für ihn war es mit der Ehre des Lesers nicht vereinbar, auf die Kenntnis der Geschichte zu verzichten.24 Der Verleger Bonhomme vertrat in diesem Punkt eine weniger moralische, eher pragmatische Position: „Hier findet jeder bon esprit ein nützliches Hilfsmittel für das, was ihm unter so vielen erinnerungswürdigen Dingen aus dem Gedächtnis entfallen sein könnte. Denn er findet in der kurzen Zusammenstellung das Würdigste für die Nachwelt so genau und sorgfältig behandelt, daß nichts zu wünschen übrig bleibt." 25
Angesichts der „so vielen erinnerungswürdigen Dinge" fragt es sich, ob der bon esprit sie tatsächlich jemals im Kopf hatte, wie Millet forderte, oder ob er nicht eher über eine gute Halbbildung verfugte und wußte, wo er im Zweifelsfall nachschlagen konnte: in dem mit so diskreten Worten beworbenen „Hilfsmittel" aus der Druckerei von Bonhomme. Der Stellenwert der Geschichtskenntnis für den bon esprit scheint von Millet und Bonhomme verschieden eingeschätzt worden zu sein. Während Millet auf ein Mindestmaß an historischen Daten und Fakten nicht verzichten wollte, stellte Bonhomme in Rechnung, daß unter der Vielzahl der Dinge, die ein bon esprit wissen konnte, hi22
S. o. Kapitel V.2. und 215 (Maçon). Vgl. Landfester, S. 29. 267.1, fol. a3re. c'est une grande honte de ne savoir les principales choses des souveraines Monarchies depuis le commencement du monde, au moins si avant qu'il est permis à nostre nature caduque et mortelle, iusques à nostre âge. 24 Um das Ideal des ehrenwerten Lesers zu erreichen, reichte die Zonaras-Chronik allerdings nicht aus, denn sie endete bereits etwa im Jahre 1110. 25 267.2, fol. a4re. Encor en luy tout bon esprit trouvera un remede secourable de ce qui luy seroit eschappé de la souzvenance de tant de choses mémorables, veu que en un sommaire amas il ha si exactement et curieusement traicté ce qui estoit plus digne de la postérité, que rien ne s'y trouve desirable. 23
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storische Ereignisse aus einer lange vergangenen Zeit in den Hintergrund treten konnten. Einig waren sich Millet und Bonhomme dahingehend, daß ein bon esprit im Gegensatz zu seinen humanistischen Ahnherren keine lateinischen Originaltexte zu lesen brauchte, um von der Geschichte zu profitieren. Bonhomme pries die kurze Zusammenfassung von Zonaras und Millet betonte, es sei für den Leser „totalement necessaire", jemanden zu finden, „dem das Wohl der anderen so sehr am Herzen liegt, daß er keine Mühe und Gefahr seiner Gesundheit gescheut hat, um das Wichtigste in wenigen Worten zusammenzufassen und so denen einen Gefallen zu tun, die sich um die öffentlichen und privaten Angelegenheiten kümmern, wichtigeren Studien nachgehen oder vielleicht ein schlechtes Gedächtnis haben." 2 6
Der bon esprit hatte bedeutendere Tätigkeiten und wichtigere Studien, als die studia humanitatis - eine Einschätzung, die kein Humanist am Anfang des Jahrhunderts geteilt hätte. Für den bon esprit genügte es, sein Wissen nicht aus den Originalen, sondern aus Kompendien zu beziehen. Präsentiert wurde ihm die Geschichte in der Art lateinischer Geschichtswerke, doch auch wenn sie als vorbildhaft, wahr und in klarer Sprache vorgestellt wurde, wurde dem bon esprit nicht die Absicht unterstellt, wissenschaftlich zu arbeiten. Schon die Herausgeber der neuen lateinischen Ausgaben antiker Geschichtsautoren hatten dem erlahmenden Interesse der Freizeitleser an komplexen Texten Rechnung getragen, indem sie die Texte durch Kapitelüberschriften strukturierten.27 Das Kompendium von Millet und Bonhomme ging in dieser Hinsicht weiter, denn es enthielt eine Art „Extrakt", das Minimum an doctrina, präsentiert in humanistischer Form, doch in französischer Sprache. Der bon esprit brauchte sich die Weisheit der Antike nicht mehr durch eigene Lektüre zu erschließen, sondern konnte sich auf stellvertretende Leser verlassen. Diese stellvertretenden Leser, die Herausgeber und Übersetzer, sahen es als ihre Aufgabe an, „dem Leser als Führer dabei zu dienen, diesen heiligen und mühsamen Weg der Tugend glücklich zu beschreiten".28 Das hohe Ziel, Tugend und Glück zu verbinden, erreichten die Herausgeber mit einem einfachen Mittel: indem sie ihren Lesern das Wichtigste der historischen Überlieferung in Kürze zusammenfaßten und ihnen so erlaubten, sich als gebildet zu präsentieren. 26
267.1. fol. a3re. Il est totalement necessaire à ceux qui veullent proufiter en telle maniere de savoir, trouver quelque personnage tant ami du bien d'autruy, qu'il n'ait reffiisé aucune peine, ou dangier de sa propre santé, pour comprendre les choses susdittes en peu de parolles, taschant de gratifier à ceux, qui sont empeschez és affaires publiques, et domestiques, ou attachez és estudes plus graves, ou paravanture destituez de memoire plus ferme et tenante. 27 Vgl. das Vorwort von Xylander zu Marc Aurel: 198, S. 3. 28 267.2, fol. a4re. ... pour servir d'eguillon aux Lecteurs à tracer heureusement ceste sainte et penible voye de vertu.
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Nicht alle französischsprachigen historischen Texte der Stichprobe wandten sich an bons esprits, die Geschichte als einen Fundus vergangener Erfahrung betrachteten. Einige Franzosen interessierten sich für die Herkunft und den ursprünglichen Zweck der großen Ruinen, die aus der Zeit der antiken Autoren zurückgeblieben waren: die Theater in Nîmes, Orange und Lyon, der Pont du Gard und weitere Teile der römischen Wasserleitungen. Diese Bauwerke stellten einen Bezug zur Vergangenheit her, der im Süden Frankreichs sichtbar und alltäglich war. 29 Die Autoren der Stichprobe Gilles Corrozet, Jean Poldo d'Albenas und Guillaume DuChoul behandelten in ihren Werken diese Ruinen, aber ihre Art des Umgangs mit der römischen Hinterlassenschaft war sehr unterschiedlich. 30 Gilles Corrozets Catalogue des antiques érections des villes et cites, der in Lyon 1539 erschien, ähnelt im Hinblick auf das Verhältnis zur Antike und die Charakterisierung der Leser der Zonaras-Chronik. „Wenn nach der Einschätzung deines klaren Geistes (o freundlicher Leser) ... die Ordnung der beschriebenen Städte unrichtig erscheint, wirst du mir verzeihen",31 begann seine Vorrede. Der kritischen Lesehaltung nach zu urteilen, die Corrozet von seinen Lesern erwartete, hätte er den Ausdruck bon esprit vermutlich verwendet, wenn es ihn zum Zeitpunkt der Erstausgabe, 1535, bereits gegeben hätte. Durch ihr iugement und ihren klaren Geist zeichneten sich nämlich auch die bons esprits aus, außerdem wurden ihnen nicht selten Kompendien empfohlen. So betonte auch Corrozet, daß es sich bei seinem Katalog nicht um eine Kosmographie handele, sondern daß sein Werk weniger als ein Viertel aller Städte enthalte. Wegen der „Faulheit und Achtlosigkeit der Alten" habe er nur wenige schriftliche Zeugnisse gefunden. 32 Mit diesem Mißstand hatten sich die früheren Geschichtsschreiber französischer Sprache offenbar abgefunden. Corrozets Herausgeber Claude Champier bedauerte, daß sie „vieles weggelassen und weniger lobend hervorgehoben [hatten], als die Geschichte der Gallier es verdient hätte".33
29
Vgl. Perouse, S. 225. Zur Biographie vgl. Gilles Corrozet (1510-1568): Grente, S. 203f; Jean Poldo d'Albenas (1512-1563): NBG 1, 538; Guillaume DuChoul (nachweisbar um 1550 in Lyon): Grente, S. 261. 31 61, fol. a3ve. Sy au iugement de ton noble esprit (O gracieulx Lecteur) semble rude et mal consonant... lordre des Citez, tu me tiendras pour excuse. 32 61, fol. a4re. ... pource que par la grant antiquité dicelles, ou par la paresse et nonchalance des anciens, nen est rien trouve par escript, quen bien petit nombre. 33 61, fol. a2re. Voire presque tous ceulx, qui en langue Gallique ont descript, avoir beaucoup de choses omis, et moins satisfaict que la dignité de lhistoire des gestes Galliques ne meritoit. 30
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Das habe dazu beigetragen, daß die französischen Städte in der Wertschätzung der Ausländer („gens estrangiers, et loingtains") gesunken seien. „Das muß uns Franzosen überaus mißfallen", schloß Champier und lobte seinen Autor Corrozet:34 „Wenn nun kürzlich Gilles Corrozet mit seiner kurzen, zusammenfassenden Darstellung die Geschichte der antiken Städte der Gallier wieder ans Licht ziehen wollte, ... hat er damit das Wohlwollen zum Ausdruck gebracht, das er für sein Land empfindet." 3 5
Der Autor Corrozet und der Herausgeber Champier betrachteten die antiken Bauwerke als Leistungen ihrer Vorfahren, der Gallier, auf die sie, Franzosen, stolz sein konnten. Nicht etwa kulturvolle Römer, Mitglieder einer zivilisierten, aber fremden und abgeschlossenen Gesellschaft, hinterließen ihre Spuren, sondern Gallier. Sich mit diesen zu befassen und auseinanderzusetzen, galt ihnen als Ausdruck des Nationalbewußtseins. Die Autoren der beiden anderen historischen Werke der Stichprobe, die sich nicht explizit an bons esprits wandten, Jean Poldo d'Albenas und Guillaume DuChoul, beschäftigten sich mit der Hinterlassenschaft der Antike aus einem anderen Blickwinkel. Beide gehörten zu einer Gruppe von Gelehrten, die sich wissenschaftlich mit einzelnen Aspekten der Antike befaßten. Im Gegensatz zu den philologisch arbeitenden Gelehrten, die antike Texte edierten, konzentrierten sie sich nicht auf Texte, sondern auf materielle Hinterlassenschaften der Antike. Ihr großes Vorbild war Guillaume Bude, der 1518 in seinem Buch De Asse das Maß- und Gewichtssystem der Römer rekonstruiert hatte. Ein ähnliches Werk ist die Einführung in die römische Numismatik von Constanzo Landi, die ebenfalls in der Stichprobe enthalten ist.36 Von Bude und Landi unterschieden sich Albenas und DuChoul durch die Sprache: beide schrieben in Französisch - sonst wäre ihren Mäzenen die Lektüre schwer gefallen. Während Guillaume Bude, einer der ersten humanistischen Gelehrten Frankreichs, nicht nur Latein, sondern auch Griechisch beherrschte, war bereits der Mäzen des lateinischen Textes von Constanzo Landi kein brillanter lateinischer Redner mehr gewesen. Albenas' Mäzen nun, Jean Visconte de Joyeuse, Gouverneur des Languedoc, scheint des Lateinischen gar nicht mächtig gewesen zu sein, während Claude d'Urfe, der Mäzen von DuChoul, immerhin lateinische Texte lesen konnte. Zur „Zerstreuung nach einem langen
34
61, fol. a2ve. ... laquelle chose doibt certes a nous Francois par trop deplaire. 61, fol. a2ve. Que si naguiere Gilles Corrozet a voulu retirer en lumiere par briefve, et compendieuse narration lhistoire de lerection des Cites antiques des Gaules, ... il a monstre en ce le bon vouloir, quii ha a son pais. 36 Nr. 238. 35
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Arbeitstag" beschäftigte er sich mit der Religion der alten Römer jedoch offenbar lieber in französischer Sprache.37 Wie Budé und Landi begeisterte Albenas sich für die Leistungen der Römer - nicht der Franzosen - wenn er im Discours historial de l'antique et illustre cité de Nismes das römische Theater, die Tempel, Epitaphe und Medaillen beschrieb. Wie fern und abgeschlossen DuChoul die Antike verstand, zeigt sich in seiner Widmung, denn er verzichtete darauf, eine Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Er verfaßte den Text 1556, in einer Zeit, in der „die Symbole der Religion und die Zeremonien und Opfer der Heiligtümer", deren römische Erscheinungsform er in seinem Buch beschreibt, in Frankreich tagtäglich in Frage gestellt wurden. DuChoul ließ die Riten und Symbole der Römer auf sich beruhen und beschrieb sie lediglich als „angenehm anzusehen".38 Die Texte der sogenannten „Antiquare" in der Stichprobe werden in der Forschung als Teil der „Verwissenschaftlichung des Humanismus" beschrieben.39 Im Laufe des Jahrhunderts zerfielen die humanistischen Bildungsinhalte, die an dessen Anfang noch als Einheit verstanden worden waren, in einzelne Segmente. Die Beschäftigung mit den antiken Texten wurde zur reinen Philologie; Topographie, Epigraphik und Numismatik begannen sich als wissenschaftliche Disziplinen zu entwickeln, die nicht zwangsläufig in lateinischer Sprache behandelt werden mußten. Die menschenformende Absicht der studia humanitatis trat zunehmend in den Hintergrund während sich die Altertumswissenschaft zum Selbstzweck entwickelte. Die historischen Texte der Stichprobe spiegeln den Prozeß der Verwissenschaftlichung und verwei37
326, S. 3-4. I'ay consideré que ce vous seroit chose agreable de le veoir, pour vous desennuier, après estre lassé d'une infinité d'affaires. D'Urfés Familie besaß eine große Bibliothek mit Büchern vieler antiker Autoren; vgl. Charon, collections, S. 88. 38 Ganz anders behandelt Balthasar Perez, der Übersetzer der spanischen Ausgabe, diese Frage. Er widmete seine Übersetzung, die 1579 in Lyon gedruckt wurde, Philipp II. (292, fol. *2re - *4ve.) "Man könnte mich fragen, warum ich diesen Text übersetzt habe" formulierte er rhetorisch, um dann (sinngemäß) zu antworten: Ich habe diesen Text übersetzt, damit alle Untertanen Seiner Majestät sehen, daß die Alten keinen Glauben hatten und es besser ist, unserem frommen König zu folgen, als einem anderen, (fol. *4re.) Die beiden anderen Teile des Buches von DuChoul über Kriegskunst und Festungsbau der Römer, die in der französischen Ausgabe fehlen, übersetzte Perez ebenfalls. Und auch hier erscheint die antike Weltmacht in einem schlechten Licht: Das Reich Philipps in der Neuen Welt sei das größte der Welt und zudem besser regiert als alle anderen. Philipp habe Gegner geschlagen, die unbesiegbar schienen, selbst Julius Caesar habe sie in vielen Jahren nicht überwältigen und in das römische Reich eingliedern können. (fol. *3re) Perez betrachtete die Römer weder ehrfürchtig, noch war er auf ein antikes Erbe stolz. Er verwendete die Antike als Folie, vor der der Glanz des katholischen spanischen Weltreiches sich entfalten konnte. Ein derart respektloser Umgang mit dem antiken Erbe ist in keinem Buch eines französischen Autors in der Stichprobe festzustellen. 39
Vgl. Tremí, S. 105; Buck, Humanismus, S. 153; Grafton, Scaliger, passim.
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sen gleichzeitig darauf, daß diese nicht die einzige Form der Transmission of Culture war. Neben die „Antiquare" traten zumindest die bons esprits, deren Interesse an der Antike anders ausgerichtet war. In den Vorreden wurden sie angesprochen als interessierte Leser, deren Motivation, sich mit Geschichte zu befassen, nicht darin bestand, die antiken Hinterlassenschaften mit allen ihren Texten, Münzen und Grabinschriften zu sammeln. Vielmehr erwarteten die Vorredenautoren von den bons esprits, daß sie aus dem großen Fundus der Überlieferung schöpften, um ihre eigene Nation weiterzuentwickeln. Es dürfte kein Zufall sein, daß in den Vorreden der antiquarischen Texte die kritischen, gegenwartsorientierten bons esprits nicht als Leser erwartet werden. Die Titel der Stichprobe, die sich mit der seinerzeit jüngeren französischen Geschichte auseinandersetzen, stammen aus unterschiedlichen Perioden. Sie wandten sich daher an verschiedene Leserkreise. Die Histoire des gestes du chevalier Bayard Dauphinois von Symphorien Champier erschien erstmals 1525 in Lyon.40 Der Autor war einer der ersten humanistischen Gelehrten der Stadt und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Lyoner collège. Champier waren die humanistischen Ideale und Konventionen der Widmungsbriefe so geläufig, daß es nicht ungewöhnlich ist, wenn auch er „vertu et doctrine" seines Mäzens lobte. Ungewöhnlich für ihn selbst war offenbar die Wahl der Sprache und der Gegenstand. Zweimal erwähnte er in der Widmung an Laurent d'Allemans, Bischof von Grenoble in der Dauphiné, daß er die Geschichte eines Ritters aus der Dauphiné „in unserer modernen französischen Sprache" niedergeschrieben habe und bittet, ihn gegen eventuelle Kritiker zu verteidigen.41 In der zweiten Vorrede des Buches an den 20 Jahre jüngeren Merlin de Saint-Gelais zeigte sich Champier als aufmerksamer Leser humanistischer geschichtstheoretischer Texte, indem er die drei grundlegenden Anforderungen an historische Werke erwähnte: den Nutzen, die Wahrheit und die Klarheit der Sprache. Die Kenntnis der Geschichte erfreue den Leser nicht nur, sondern man könne aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, hob er den Nutzen hervor. Manchmal seien die Jungen weiser, als einige Alte, nur weil sie Geschichtswerke gelesen hätten. Wenn er einige ungünstige Momente der französischen Geschichte der letzten Zeit erwähne, solle man ihm das nicht verübeln. Ein wahrer Historiker müsse von Gutem und Schlechtem gleichermaßen berichten. Im Hinblick auf die Sprache solle Merlin Nachsicht walten lassen, weil die wahre Rhetorik seine Sache nicht sei.42 Autor und Adressat 40
Nr. 318. Zur Biographie vgl. Symphorien Champier (1472-1533): Grente, S. 165. 318, fol. A2ve. ... me suis enhardi et entremeslé de mettre la main à escrire, en cestre nostre langue Fran^oyse ... en nostre langue moderne. 42 Im Gegensatz zu Merlins Onkel Octavien de Saint-Gelais, der zu den bekannten französischen rhétoriceurs gehörte; vgl. Hausmann, S. 109. Bei diesem Text Champiers handelt es sich weniger um eine Widmung, als um einen Brief unter Freunden, um einen Humanistenbrief. 41
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waren Mitglieder des Anfang des Jahrhunderts noch sehr kleinen Kreises französischer Dichter und Gelehrter, die in ihrer Muttersprache schrieben. Innerhalb dieses Kreises zeichnete sich bereits die neue Tendenz im Umgang mit der humanistischen Bildung ab. Champier wandte das humanistische Präsentationsmuster auf die zwar ritterliche, aber doch keinesfalls vor antiker Geistesbildung sprühende Geschichte des Chevalier Bayard an. Auf diese Weise verband er als einer der ersten die humanistische Tradition und Gelehrsamkeit mit der französischen Gegenwart und ihrer jüngeren Geschichte. Die bons esprits, die Söhne dieser ersten französischen Gelehrtengeneration, führten diese Verbindung von humanistischem Habitus und Gegenwartsbezug fort und entwickelten sie weiter. Die beiden großen französischen Geschichtswerke von Jean Froissart und Philippe de Comines wurden von Denis Sauvage Ende der 1550er Jahre bearbeitet. Sauvage, Hofhistoriograph von Henri II, stellte die Texte als „nötig und ehrenhaft für die französische Nation" dar.43 Er habe in sich die Pflicht gefühlt, dem Vaterland zu dienen, gab er in seiner Ausgabe der Memoires de Philippe de Comines als Grund für seine Tätigkeit an.44 Dem Publikum habe er mit seiner Arbeit Wertschätzung und Wohlwollen erweisen wollen, betonte er in der Vorrede der vierbändigen Ausgabe der Froissart'schen Chroniques,45 So habe er textkritische Ausgaben der beiden Werke hergestellt, die zwar gedruckt, aber fehlerhaft vorlagen. „Alle Herren und Untertanen Frankreichs" sollten das Werk von Froissart über die Tapferkeit des Rittertums während des Hundertjährigen Krieges und die Memoires von Comines lesen, und daraus „grand plaisir et profit" ziehen.46 Sauvage stellte den Lesern die Geschichte als nützlich dar, doch lag der Nutzen nicht nur im Beispielcharakter des Dargestellten, was die Herausgeber antiker Geschichtswerke stets betont hatten. Vielmehr läßt Sauvage in seinen Vorreden deutlich erkennen, daß es ihm darüberhinaus ein Anliegen war, die Kenntnisse der französischen Geschichte einem breiteren Leserkreis vorzustellen. Noch in der Vorrede zum vierten
43 Sauvage hatte bereits die Analles de France von Nicole Gilles bearbeitet, die in der Stichprobe nicht enthalten sind. 153, fol. A2re. ... i'ay vacqué à oeuvre tant nécessaire et honorable à la nation Françoise. 44 1 53, fol. A2re. ... suyvant ma promesse, pour lors adioustee au commun devoir de profiter à la patrie. 45 1 64, Bd. 2, fol. A2re. ... en considération et faveur du Public. 46 153, fol. A2re. ... chose qui apportast... grand plaisir et profit à tous Seigneurs et peuples de France. Comines behandelt in den Büchern 1 bis 6 (die Einteilung stammt von Denis Sauvage) seine Zeit bei Louis XI, in den Büchern 7 und 8 den Italienfeldzug und die Verhältnisse in Italien; vgl. Ernst, Fritz, Einleitung, In: Philippe de Commynes, Memoiren, Europa in der Krise zwischen Mittelalter und Neuzeit, Übers. F.Ernst, Stuttgart 1972, S. IX-XXXVII, hier S. XV. Die Einschätzung der Ausgaben von Sauvage als "textkritisch" oder "wissenschaftlich" stammt von F. Ernst (S. XXXVI).
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Band, nach Abschluß der Arbeit, die sich über mehrere Jahre hingezogen hatte, betonte Sauvage, daß sein Ziel die Unterhaltung der Leser und der öffentliche Nutzen gewesen sei. Zudem war es ihm ein Anliegen, den Stolz auf die französische Nation zu wecken und zu fördern. Trotz der hohen Erwartungen an die Leser fehlt in den von Sauvage bearbeiteten französischen Geschichtswerken eine direkte Bezugnahme auf die bons esprits, die als Leser von antiken historischen Autoren in französischer Übersetzung angesprochen worden waren. Möglicherweise liegt das daran, daß es sich im Unterschied zu den zuvor vorgestellten Geschichtswerken bei den von Sauvage neu herausgegebenen Texten um die jüngere französische Geschichte handelte, nicht um die antike Überlieferung. Es scheint, daß die Bezeichnung bons esprits denjenigen gebildeten Lesern vorbehalten war, die mit der Antike beziehungsweise mit den humanistischen Formen der Wissensvermittlung vertraut waren. Dies könnte die Vermutung stützen, daß es sich bei den bons esprits um die kulturellen Erben der humanistischen Gelehrten handelte. Bücher für neugierige Leser: Kompendien „Für die bons esprits ist das Wissen unerschöpflich, nie können sie davon satt werden"47, dichtete Pierre Cousteau in seinem Emblembuch Le Pegme und stellt damit eine weitere Eigenschaft der bons esprits vor. Mindestens einmal alle Autoren des humanistischen Kanons gelesen zu haben, hatte Erasmus als Anspruch für denjenigen formuliert, der zu den Gebildeten gezählt werden wollte. Ein großes Programm, doch klein im Verhältnis zu dem, was ein bon esprit wissen wollte. Nach Cousteaus Darstellung beschränkte sich der bon esprit nicht auf einen festgelegten Wissenskanon, sondern war grundsätzlich auf alles neugierig. So wundert es nicht, daß man ihm auch außerhalb des literarischen und historischen Genres begegnet. Mit seiner grenzenlosen Neugier drang der bon esprit in Bereiche der Wissenschaft vor, die gemeinhin von Gelehrten bearbeitet wurden, ohne daß er selbst das entsprechende Studium vorweisen konnte. Sein Interesse für alles, was ihn umgab, schloß auch die Natur ein. „Es weiß doch jeder genau, daß alle bons esprits so dringend alle guten Dinge wissen möchten, daß sich die Grenzen ihres Wissens so weit wie das Universum erstrecken."48 47
224, S. 50. De tout satiété fors que des lettres. Aux bons espris scavoir n'est limité,/Duquel n'y eut iamais satiété. 48 3 02, fol. a2ve. ... mais chacun sait bien que tous bons esprits sont tant desireux de connoitre toutes bones choses, que les limites de leur savoir s'estendent autant que tout l'univers. Ebenfalls an bons esprits richteten sich auch die Kräuterbücher Nr. 325 und 168. In den französischen Kräuterbüchern der Stichprobe stellte keiner der Vorredner den Bezug zu dem "Buch der Natur" her, in dem der Leser die Vollkommenheit der
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Mit diesen Worten begründete der Übersetzer Jean des Moulins, warum er die Commentaires sur les six livres de Pedacius Discorides sur la matière medicale von Pietro Matthioli49 auch für Nicht-Mediziner aus dem Italienischen übersetzt hatte. Wissen bis zu den Grenzen des Universums, das war es, was die bons esprits sich vorgenommen hatten. Die so wißbegierigen Leser scheinen das eigentliche Zielpublikum des Übersetzers zu sein, denn in der Vorrede bezieht er sich öfter auf sie als auf Apotheker und Mediziner, für die das Kräuterbuch von Matthioli ursprünglich verfaßt worden war. Die Hochachtung gegenüber seinen Lesern bringt Moulins zum Ausdruck, indem er ihnen die Ehre zugestand, die Qualitätskriterien zu bestimmen, nach denen er den Commentaire bewerten wollte. Er eröffnete seine Widmung mit den Worten: „Zwei Dinge braucht eine Schrift, um würdig zu sein, in die Hände der zu fallen und ihre Wertschätzung zu erwerben: das Vergnügen und den Nutzen, den man daraus zieht." 5 0
hommes de bon ésprit
Der bon esprit war demnach ein zweifach anspruchsvoller Leser literarischer Texte. Jede Schrift beurteilte er im Hinblick darauf, ob sie ihm Vergnügen und Nutzen in angemessener Menge bereitete. Seit Horaz wurde Büchern die Eigenschaft zugeschrieben, dem Leser zu nützen und ihn zu erfreuen, aber kein Leser vor den bons esprits war offenbar mit einer so selbstbewußten Haltung an Bücher herangetreten, daß er von ihnen Vergnügen und Nutzen forderte. Man könnte einen Moment vermuten, daß Moulins die bons esprits ironisch als anmaßend darstellen wollte, indem er schrieb, eine Schrift müsse, um „würdig zu sein, in die Hände der bons esprits zu fallen", Vergnügen und Nutzen bieten. Doch im Verlauf des Textes erläuterte der Übersetzer seinem Mäzen so wortreich, daß das Kräuterbuch von Matthioli mit seinen schönen Holzschnitten von Hunderten Pflanzen und den nützlichen Erläuterungen „plaisir et proufit" auf das Angenehmste verbände, daß der Eindruck entsteht, Moulins hielt diese Kriterien tatsächlich für diejenigen, nach denen ein Text zu Recht zu bewerten war. Plaisir, commodité und delices werden so häufig erwähnt, daß selbst der heutige Leser überzeugt wird: Lesen ist ein Vergnügen, und das Lesevergnügen ist der entscheidende Qualitätsmaßstab.
göttlichen Schöpfung erkennen konnte; vgl. Masters, G. Mallary, L'humanisme montpelliérain au service des sciences naturelles. Quelques préfaces littéraires de textes médicaux de la Renaissance, in: Bulletin de l'Academie des Sciences et Lettres de Montpellier, 22(1991), S. 313-337, hier S. 320. 49 (1500-1577) Zur Biographie vgl.: NBG 34, 326. 50 3 02, fol. a2re. Toutes choses requises à ce qu'un escrit mérité de tomber entre les mains des homes de bon esprit, et de leur estre en bonne recommandation, se peuvent réduire à deux, s'estasavoir au plaisir et au profit qu'on y prend.
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Doch war der bon esprit pflichtbewußt. Er gab sich nicht ohne Unterlaß seinem grenzenlosen Vergnügen hin, sondern stillte seinen „extremen und unstillbaren Durst nach Wissen" nach Feierabend. Nach „den wichtigeren und ernsthafteren Tätigkeiten" saß er in seiner Bibliothek und nahm die Bücher zur Hand, „um sie manchmal durchzublättern und zu lesen".51 Manche Leser hatten jedoch offenbar nicht genügend Muße, umfangreiche Bücher durchzublättern. Martin Mathee, ein Lyoner Übersetzer, bemerkte, er habe in seinem Auszug aus Matthiolis Pflanzenbuch, den er bereits 1559 herausgebracht hatte, nur kurze Erläuterungen angefugt, weil er das französische Naturell kenne: „Man studiert gern und schätzt die Kürze".52 Zwei weitere Bücher, die den „französischen" Geschmack trafen, erschienen in Lyon in Übersetzung aus dem Italienischen beziehungsweise aus dem Spanischen: eine Ausgabe der Problèmes von Girolamo Garimberto und die Divers Leçons von Pedro Mexia, einschließlich der Fortsetzung von Antoine du Verdier.53 Beide Bücher behandelten die verschiedensten Fragen zwischen Himmel und Erde, die ein bon esprit in seiner grenzenlosen Neugierde stellen konnte, und schöpften ihre Antworten aus antiken philosophischen wie naturwissenschaftlichen Quellen gleichermaßen. So las man in den Problèmes die Fragen: Warum die meisten Menschen so schnell die Fehler bei anderen erkennen und die eigenen so selten oder nie? Warum die Venezianer so undeutlich und langsamer sprechen als die anderen Italiener? Und: Woher es kommt, daß die Frau mehr Probleme mit der Schwangerschaft habe als andere Tiere? Die Antworten zeigen, aus welchen Quellen der gebildete zeitgenössi51 302, fol. a3re/ve. A la lecture desquels ie m'asseure que prendrez plaisir après vos plus graves et serieuses occupations, pour estancher l'extreme et insatiable soif qu'avez touiours de connoitre toutes bones sciences. ... que vous luy [dem Buch] assignerez place en vostre belle et ample bibliothèque ... pour estre quelquefois manié et leu de vous. Bücher besitzen, durchblättern und lesen, waren demnach drei unterschiedliche Tätigkeiten, die auch getrennt voneinander absolviert werden konnten. Matthiolis DioskoridesKommentar war sehr umfangreich. Auf 852 großen Folioseiten wurden 1000 Pflanzen in Holzschnitten vorgestellt und ihre Wirkung erläutert. Indices füllten weitere hundert Seiten am Beginn des Buches. Sie enthielten ein alphabetisches Verzeichnis der Pflanzennamen, ein Register der Krankheiten, die man mit den im Buch beschriebenen Pflanzen behandeln konnte, eine Übersicht der Maße und Gewichte sowie der griechischen Bezeichnungen. Im Verhältnis zu anderen Büchern des Publikationsjahres 1579 war es von ungewöhnlich guter Qualität in Druck und Papier. Sicher war es auch wegen der zahlreichen Holzschnitte ein sehr teures Buch, das sich nur Fachleser, das heißt Apotheker, und wohlhabende bons esprits leisten konnten. 52
157, fol. *2ve. ... sachant tresbien le naturel de la nation Françoise s'estuder: et complaire à la breveté 53 De Subtilitate von Girolamo Cardano (Nr. 314) erschien ebenfalls in französischer Übersetzung. Es wurde zwischen 1556 und 1584 vier Mal in Paris aufgelegt. Zur Biographie vgl. Girolamo Garimberti (1506-1575): ABI 458, 42-63. Pedro Mexia (14991552): Kindlers Literatur Lexikon im Deutschen Taschenbuch Verlag, Bd. 20, München 1974, S. 8732. Antoine Du Verdier (1544-1600): Grente, S. 283.
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sehe Leser sein Wissen bezog: Sich selbst zu erkennen ist schwierig, sagen die Philosophen, lautete die Antwort auf die erste Frage. Die feuchte Lufit in Venedig lähme die Zungenmuskeln, erfuhr man zur zweiten Frage. Menschen bewegten sich weniger als Tiere, besonders Stadtfrauen würden sich bei der kleinsten Erschöpfung ausruhen, so daß es bei ihnen noch mehr Komplikationen gäbe als bei Landfrauen, die bis kurz vor der Entbindung arbeiteten, erläuterte Garimberto zur letzten Frage. Auch für komplizierte Probleme gab es eine einfache Antwort, indem man die antike Überlieferung mit Naturwissenschaft und einem Schuß Pragmatismus mischte. Die Divers leçons von Piero Mexia bezogen sich stärker auf antike Texte als die Problèmes von Garimberto, doch faßten sie - ähnlich wie die Officina von Tixier - die klassischen Fundstücke unter Fragestellungen zusammen, die von den Originalkontexten recht weit entfernt waren. Zudem stellten sie oft einen Bezug zur Gegenwart her. So mündete ein Kapitel über Amazonen in die Frage, wie Männer ihre Überlegenheit gegenüber Frauen begründeten. Männer bezichtigten Frauen, so Mexia, leichtlebig und anspruchsvoll zu sein und darüberhinaus weitere Verfehlungen zu begehen. Doch konnte er dieser Einschätzung nicht zustimmen und betonte: „Eigentlich weisen die Männer viel mehr derartige Mängel auf. Genaugenommen übertreffen sie [die Frauen] die Männer in allen Tugenden, zumindest stehen sie ihnen in nichts nach." 54
Mexia leitete in seiner Argumentation bruchlos von den Amazonen zu allgemeinen Fragestellungen über, die er vor der Folie zeitgenössischer Werte, Moralvorstellungen und Verhaltensweisen kommentierte. In den französischsprachigen Geschichtswerken und Kompendien wurde so eine Entwicklung fortgesetzt, die sich in den lateinischen Kompilationen bereits abgezeichnet hatte. Ein stellvertretender Leser wählte aus der Fülle des Überlieferten einzelne Aspekte aus und stellte sie in neuer Ordnung zusammen. Dabei gingen die volkssprachigen Herausgeber über den Rahmen des antiken Wissens hinaus. Sie mischten nicht nur die alten Karten neu wie Bruyerin und Ricchieri, sondern zogen auch mittelalterliche Quellen und eigene Erfahrungen hinzu. Mehr noch als die lateinischen Kompilatoren ließen sich die Herausgeber der volkssprachigen Werke von konkreten Zielvorstellungen leiten: sie suchten Antworten auf aktuelle Fragen. Diese Art des Umgangs mit 54 3 32, Premiere Partie, Chap. X. Zitiert nach der Ausgabe Tournon 1610, [SBB: Ag 2150] Combien donc il se treuve plusieurs hommes qui prennent plaisir d'abbaisser la perfection des femmes, les taxans de legereté, delicatesse, et mainte autre imperfection: si est-ce que les hommes encourent beaucoup plus en telles defectuositez. Ob diese Aussage ernst zu nehmen war, oder ob sie zu den Textstellen gehörte, die die Leser erheitern sollten, kann hier nicht geklärt werden. Jedenfalls beschreibt der Übersetzer des ersten Bandes die Divers Leçons in der Vorrede als ein Buch, aus dem man großes Vergnügen ziehen könne. Nr. 331, S. 3.
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der Überlieferung war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht grundsätzlich neu. Doch indem die volkssprachigen Kompilatoren überliefertes Wissen aus verschiedenen Quellen unmittelbar auf ihre Gegenwart bezogen, distanzierten sie sich weiter von einem Verständnis der Antike als geschlossenes Ganzes. Der selbstbewußte Leser: bon esprit Wer genau zu den bons esprits gezählt wurde, ist aus den Vorreden nicht eindeutig festzustellen. Kein Text bescheinigt einem Mäzen ausdrücklich, ein bon esprit zu sein, doch waren sie fur die Zeitgenossen offenbar eine so deutlich erkennbare Gruppe, daß sie einen eigenen Namen erhielten. Was die bons esprits auszeichnete, war eine besondere Art des Lesens, die der Verleger Guillaume Rouillé zusammenfassend beschrieb: „Die lobenswerteste Tätigkeit, die es heutzutage unter den Menschen gibt, ist, sich einige Stunden mit den Büchern zu befassen. Denn wem die Lektüre derselben Vergnügen bereitet, weiß über alles Bescheid, was in der Vergangenheit geschehen ist und was heute üblich ist. Er erlangt auf diese Weise ein großes und solides Urteilsvermögen, so daß er auf lobenswerte Weise Staaten regieren und verwalten kann." 55
In einigen Punkten glich der bon esprit dem Ideal eines humanistisch gelehrten Staatsmannes des Cinquecento. Wie dieser bemühte er sich um Eloquenz und Gelehrsamkeit, wie dieser schöpfte er in seiner Freizeit Bildung und Zerstreuung aus den Büchern seiner Bibliothek. Beide griffen auf die in den Texten gespeicherte Erfahrung zurück, um dem Gemeinwesen nützlich zu sein. Beide legten Wert darauf, ihre Urteilskraft auszubilden. Mit seiner grenzenlosen curiosité erinnerte der bon esprit an den Humanisten Beroaldo, der ebenfalls die mittelalterliche Furcht vor der Weite der überlieferten Literatur abgelegt hatte und sie stattdessen als liebliche Wiese ansah. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten zwischen humanistischen Gelehrten und bons esprits. Weder glaubte der bon esprit, daß die Tugenden der antiken Autoren sich durch Lektüre auf ihn übertrugen, noch beschränkte er sich auf antike Weisheiten. Der bon esprit las Bücher zur Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen: zeitgenössische, mittelalterliche und antike schöne Literatur, französische und antike Geschichte sowie Pflanzenkunde und Medizin. Er hatte eine unabhängigere, selbstbewußtere Position gegenüber dem Bücherwissen; auf einen Kanon des Wissens ließ er sich nicht festlegen, und sei er so edel, wie die studia humanitatis. Sein bon jugement erwarb er, indem er Kenntnisse 55
166, S. 2. ...quelques heures sucessives pour se recreer avec les livres, qui est la chose plus louable qui soyt auiourdhui entre les hommes. Car qui prend plaisir à la lecture d'iceux, il n'ignore rien de ce qui s'est fait par le passé et se practique pour le present: tellement qu'il s'acquiert un si grand et solide iugement, qu'il peut louablement régir et gouverner les Republiques.
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aus vielen Teilbereichen zusammentrug, die erst einen Sinn ergaben, wenn er selbst sie auf seine Gegenwart bezog. Er stellte unbekümmert Fragen, auf die ein humanistischer Gelehrter vermutlich nicht gekommen wäre. Auch legte er keinen Wert darauf, Mitglied in einer internationalen Gelehrtenrepublik zu sein. Die bons esprits waren Franzosen und interessierten sich für die Gegenwart und ihre nationale Geschichte. Sie waren eloquent in französischer Sprache. Für humanitas und virtus hatten sie wenig übrig, ja fast hat man den Eindruck, daß diese humanistischen Primärtugenden bei ihnen von curiosité und dem Stolz auf die französische nation ersetzt worden waren. Die französischen Leser des 16. Jahrhunderts lasen, um zu einem Urteil zu gelangen - über die Qualität einer Übersetzung ebenso wie über politische Probleme. Dafür brauchten sie die antiken Autoren nicht vollständig zu lesen: Kompendien hielten Bausteine des Wissens bereit, die nur darauf warteten, in einen neuen Zusammenhang gestellt zu werden. Sie waren der Schlüssel zu einem Schatz gesammelter Erfahrung, den der bon esprit vergnügt zu etwas Neuem, Französischem und noch nie Dagewesenen zusammenfügte. Die Vorreden der französischsprachigen Kompendien skizzieren eine Lesergruppe, die mit den bisherigen Untersuchungen nicht erfaßt werden konnte, da lediglich der Buchbesitz oder einzelne Leser betrachtet wurden. Erst der Querschnitt durch die französische Buchproduktion machte die bons esprits sichtbar. Zwar ist die Quellenbasis nicht außerordentlich breit, aber unverkennbar ist dennoch, daß sich eine gesellschaftlich neue Gruppe formierte. Bildung war das Vehikel ihres sozialen Aufstiegs, aber sie übernahmen nicht das klassische Bildungsideal, sondern entwickelten ein neues Konzept des Wissenstransfers.
VII. Zusammenfassung Wenn sich Erasmus und Montaigne hätten treffen können, wären sie bei einem Gespräch vermutlich über einige höfliche gelehrte Floskeln nicht hinausgekommen. Auch wenn sie sich beide für antike Literatur und Philosophie interessierten, gingen sie doch auf unterschiedliche Weise mit ihr um. Sie hätten sich vermutlich nicht einmal über das Lesen streiten können, denn ihre unterschiedlichen Lesehaltungen drückten zwei grundsätzlich verschiedene Bewertungen der Antike aus. Der gelehrte Leser Erasmus sah sie als Aufgabe, der gebildete Leser Montaigne als Möglichkeit. Dabei war der Jurist Montaigne nicht einmal der ideale Repräsentant des französischen bon esprit, da ihn sein Grad an lateinischer Bildung in die Nähe der wissenschaftlichen Traditionslinie rückte. Erasmus wiederum verkörperte nur einen Typ des eruditus, der sich von den italienischen Humanisten des Quattrocento ebenso unterschied wie von den oberdeutschen Gelehrten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Untersuchung der Widmungen und Vorreden der 340 Lyoner Bücher in der Stichprobe zeigte, daß sowohl die Position von Erasmus als auch die von Montaigne Stationen in einem Vermittlungsprozeß der Antike waren, der weder mit Erasmus begann, noch mit Montaigne endete. Dieser Prozeß äußerte sich im Wandel des Ideals von Bildung und Gelehrsamkeit. In seiner spezifisch französischen Ausprägung ist er bislang unbekannt geblieben, denn er wurde getragen von Autoren und Lesern, die zwischen die Interessensgebiete der Wissenschaftler fallen, die sich für das 16. Jahrhundert interessieren. Wissenschafts- und Literaturhistoriker haben bisher überwiegend Schriften der Autoren untersucht, die zum wissenschaftlichen Fortschritt beitrugen. In diesen Spitzen der Gelehrsamkeit ist der Wandel jedoch kaum zu erkennen. Auch aus der Gegenüberstellung mit den populären Lesern läßt sich die Entwicklung nicht nachzeichnen. Die Beschränkung auf einzelne Disziplinen wie Jura, Philologie, antike oder auch französische Literatur macht es zudem schwierig, die allgemeine Entwicklung des Umgangs mit dem antiken Erbe zu verfolgen. Die vorliegende Untersuchung beruhte dagegen auf einer Quellengrundlage, die das gesamte Spektrum der Lyoner Buchproduktion umfaßte. Schon die Zusammensetzung der Stichprobe zeigte, daß die Verleger Lyons, des zweitgrößten französischen Druckortes, weder überwiegend für professionelle Gelehrte arbeiteten, noch in größerem Umfang populäre Lesestoffe herausbrachten. Die in Lyon in großer Zahl erscheinenden Nachdrucke, Sammelbände und Kompilationen wandten sich daher ganz offensichtlich an
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eine Lesergruppe zwischen „Volk" und „Gelehrten". Diese Bücher und diese Leser erwiesen sich als das Rückgrat des Kulturtransfers in der frühen Neuzeit. In ihrer Auseinandersetzung mit dem überlieferten Wissen maßen die Kompilatoren und die Leser von Kompilationen dem antiken Erbe neue Bedeutungen bei. Der Aufbau der Arbeit ergab sich aus dem methodischen Ansatz der Untersuchung. Die Bücher der Stichprobe wurden in der Art einer imaginären Bibliothek so angeordnet, daß der fortschreitende Aneignungsprozeß des antiken Erbes sichtbar wurde. Der Gang durch die Bibliothek begann bei den humanistischen Philologen, die sich in den Vorreden der Klassikereditionen äußerten, die zumeist in Italien am Ende des 15. Jahrhunderts zum ersten Mal erschienen waren und von Lyoner Verlegern nachgedruckt wurden. Sie sahen es als ihre Pflicht an, die Geisteswelt der Antike als Ganzes zu erfassen, und setzten sich dafür ein, das durch die mittelalterliche Überlieferung verunreinigte Erbe wieder in den Originalzustand zurückzuversetzen. Sie waren überzeugt, das Ideal des gebildeten Menschen zu erreichen, indem sie sich den Kanon des gelehrten Wissens aneigneten. Nur sie konnten durch die Studien zum „wahren Menschen" werden, dem homo civilis. Nur mit ernsthaftem Studium war diese Aufgabe zu bewältigen. In der Gelehrtenrepublik spielte die lateinische Sprache eine wichtige Rolle. Die eloquentia wurde als Ausdruck von Tugend und Gelehrsamkeit des Redners verstanden. Durch die perfekte Sprachbeherrschung zeigte sich der Gelehrte als Mitglied der res publica literarum. Neben dieser symbolischen Bedeutung hatte die lateinische Sprache eine praktische Funktion: Sie ermöglichte die Kommunikation innerhalb der Gelehrtenrepublik über Ländergrenzen hinweg. Die lateinische Sprache wurde so zur Schlüsselqualifikation für alle, die sich mit den studia humanitatis beschäftigen wollten. Das Bildungsideal der Gelehrten war allerdings seit seiner Entstehung gefährdet. Sowohl Mäzene als auch Verleger mußten in die Gemeinschaft aufgenommen werden, wollte man neue Manuskripte erwerben und die Editionen drucken. Die Gelehrten versuchten daher, sich von diesen NichtGelehrten abzugrenzen, aber sie konnten nicht verhindern, daß das Mäzenatentum als Symbol des sozialen Aufstiegs angesehen wurde und damit der Humanismus eine Bedeutung bekam, die unabhängig von seinem Bildungsideal war. Die zahlreichen Ausgaben lateinischer Autoren, die in den 1530er und 1540er Jahren erschienen, spiegeln die Blütezeit der kommunalen collèges, deren Lehrplan sich am Kanon des gelehrten Wissens orientierte. Doch dürften die Schulausgaben mehrheitlich nicht auf begeisterte Leser gestoßen sein. Schüler benutzten sie nicht, um Gelehrte zu werden, sondern weil ihre Eltern humanistische Bildung für den Weg zum sozialen Aufstieg hielten. Ein Jurastudium, das auf lange Sicht den Erwerb eines nobilitierenden Amtes er-
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möglichte, baute auf den Kenntnissen, nicht zuletzt den Sprachkenntnissen auf, die von humanistischen Lehrern vermittelt wurden. Die Funktionalisierung der studia humanitatis blieb nicht ohne Folgen für das Bildungsideal: Es entstanden zwei unterschiedliche Formen des Umgangs mit dem antiken Erbe. Humanistische Gelehrte setzten die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Antike fort. Philologen arbeiteten weiter an der Edition antiker Autoren, humanistische Mediziner übersetzten und kommentierten Hippokrates und Galen, humanistische Juristen verbesserten den Text des Corpus Iuris Civilis in philologischer Methode und verfaßten Monographien zu einzelnen Sachfragen. Selbst die Bibel sollte textkritisch bearbeitet werden. Topographie, Epigraphik und Numismatik entwickelten sich als wissenschaftliche Disziplinen. Doch daneben entstand eine ständig wachsende Gruppe von gebildeten Bürgern, die sich nicht als Gelehrte verstanden, obwohl sie die Sprache der Gelehrten beherrschten. Sie arbeiteten zumeist in der königlichen Verwaltung. Für diese Leser wurden Geschichtswerke, Kompendien und Sentenzensammlungen verlegt. Vorredenautoren lateinischer Geschichtswerke empfahlen historische Texte als einen preiswerten und ungefährlichen Weg aus der Erfahrung anderer zu lernen. Dabei betonten sie jedoch, daß sich die Vergangenheit nicht unmittelbar auf die Gegenwart übertragen ließe. In den historischen Texten sahen sie lediglich das „Material zum Lernen" für Leser, die souverän mit den Texten umgehen konnten. Kompendien richteten sich ebenfalls an ein Publikum, das von dem überlieferten Wissen profitieren wollte, doch trat ihm bei dieser Buchart der Herausgeber helfend zur Seite. Als „stellvertretender Leser" sah er die Originaltexte durch und stellte das Wichtigste zusammen. Durch ihre Tätigkeit verarbeiteten die Herausgeber das antike Erbe in einer Weise, die dem humanistischen Ideal der Gelehrsamkeit zuwiderlief: Anstatt die ursprüngliche Komplexität herzustellen, lösten sie einzelne Teile aus dem Zusammenhang. Dabei entfernten sie sich unterschiedlich weit von der „Antike der Humanisten". Handbücher zu einzelnen Fachgebieten konnten sowohl als kurzgefaßtes Kompendium als auch zur vorbereitenden Lektüre für den Originaltext dienen. Nachschlagewerke und Stichwortsammlungen hingegen enthielten einzelne Informationen ohne ihren einstigen Kontext. Diese Teile antiker Bildung verloren so zwar Dimensionen ihrer ursprünglichen Bedeutung, doch hatten sie gleichzeitig an Vieldeutigkeit gewonnen. Sie konnten nun in eine neue Ordnung gebracht werden, die dem Bedarf der zeitgenössischen Leser entsprach. Einige Herausgeber versuchten diese Teile in ein System zu bringen, das der Ordnung der Natur entsprach. Daß sie in diesem Unternehmen scheiterten, war für sie jedoch kein Grund zur Sorge, denn ihr Anliegen war es vor allem gewesen, das überlieferte Wissen so zu ordnen, daß es für denjenigen, der sich daraus bedienen wollte, leicht zu benutzen war.
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Für die Frage nach dem Umgang mit dem antiken Erbe nahmen die religiösen Bücher der Stichprobe nur eine Randposition ein. Zwar gab es vielfaltige Berührungspunkte zwischen Humanismus und Religion - so wurden auch Texte von Kirchenvätern präsentiert, als handele es sich um humanistische Editionen - , aber die religiösen Texte gehören zu einem Überlieferungsstrang, der seinen eigenen Gesetzen folgte. Deutlich wurde, daß die Zahl der religiösen Bücher für gebildete Laien innerhalb des Untersuchungszeitraums erheblich zunahm. Außerdem waren verschiedene Strategien der Lyoner Verleger erkennbar, mit denen sie ihre religiöse Überzeugung zum Ausdruck brachten. Die juristischen Bücher erlaubten es, das Profil der wichtigsten Gruppe der Buchbesitzer genauer zu umreißen. Es zeigte sich, daß unter der Bezeichung „Juristen" sehr unterschiedliche Berufe zusammengefaßt wurden: vom Juraprofessor und Président du Parlement über den Rechtsanwalt bis zum einfachen Notar. Viele der co//ège-Absolventen hatten ihre lateinische Bildung tatsächlich benutzt, um eine Karriere zu beginnen. Der Stolz auf den Erfolg ist in den Vorreden der von ihnen verfaßten juristischen Bücher zu spüren, denn ihre Position in der Hierarchie ist ein oft erwähntes Thema. Die Juristen setzten ihre lateinischen Sprachkenntnisse vor allem berufsbezogen ein, sei es um in einem Kommentar nachzuschlagen oder um bei einer öffentlichen Rede, die in französischer Sprache gehalten wurde, durch „Sentenz-Brillanten" den Eindruck von großer Bildung zu erwecken und sich so gegenüber weniger gebildeten Stadtbürgern abzugrenzen. Seit etwa 1540 wurden zahlreiche neue Sentenzensammlungen von Lyoner Verlegern herausgebracht, in denen antike Zitate und Wendungen leicht zu finden waren. Doch von der Wiederbelebung der Antike in ihrer ursprünglichen Komplexität sind die in den Sammelbänden enthaltenen Bausteine antiker Bildung schon weit entfernt. Für die Rezeption des humanistischen Gedankengutes spielten die Übersetzer eine zentrale Rolle. Indem sie Texte antiker Autoren aus dem Lateinischen übersetzten, untergruben sie den Anspruch der Gelehrten, die in der lateinischen Sprache die einzig angemessene Form der Auseinandersetzung mit antiken Inhalten sahen. Die Übersetzer vertraten die Überzeugung, daß ihre Sprache der lateinischen in Präzision und Eleganz in nichts nachstand und die französische Nation daher das Erbe der Antike zu Recht antrete. Auch den anderen Volkssprachen sei das Französische ebenbürtig, wenn nicht überlegen. Die französische Sprache hatte zudem die symbolische Bedeutung übernommen, die Latein für die Gelehrtenrepublik besessen hatte: Wer sich in ihr äußerte, zeigte sich als Mitglied der französischen nation. Viel Vergnügen und etwas Nutzen versprachen die Autoren und Herausgeber der schönen Literatur ihren Lesern. Und obwohl sie mit ihren Texten an volkssprachige Traditionen anknüpften, ist ein Einfluß der studio humanitatis
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erkennbar. Nicht wenige französische Herausgeber und Autoren dürften lateinische Klassikerausgaben gelesen haben, denn sie kannten die Formeln, die ein Philologe benutzte, und verwandten Formen der humanistischen Selbstdarstellung zur Präsentation ihrer Texte. Fast jeder Philologe hatte im Vorwort einer Edition auf den schlechten Überlieferungszustand des Textes verwiesen und seine eigene Leistung für die Renaissance der Antike duch die Textverbesserung hervorgehoben. Sie taten es so den Gelehrten gleich und klagten gleichfalls über die schlechte Überlieferung, um den Wert ihrer eigenen Tätigkeit ins rechte Licht zu rücken. Doch wollten sie sich mit dieser Form der Selbstdarstellung nicht als Humanisten zeigen, denn ihre Texte waren weder antik noch lateinisch. Sie machten stattdessen deutlich, daß das humanistische Präsentationsmuster einen neuen Inhalt erhalten hatte. Es konnte nun verwendet werden, um die moderne französische Belletristik als wertvolles Kulturgut darzustellen, und symbolisierte, daß der Text den Ansprüchen der neuen, französischen Leserrepublik entsprach. Dieses Publikum unterschied sich in der Art des Umgangs mit dem überlieferten Wissen nicht grundsätzlich von lateinischen Kompilatoren wie Cardano oder Ricchieri: Auch diese hatten ein distanziertes Verhältnis zur Antike. Aber es handelte sich bei dem französischen Publikum nicht um einzelne Herausgeber, sondern es war eine Gruppe von Lesern, die für die Zeitgenossen ein so deutlich erkennbares Profil hatten, daß sie einen eigenen Namen erhielten: bon esprit. Die bons esprits sahen es nicht als ihre Aufgabe an, die Antike zu bewundern und zu rekonstruieren. Auch waren für sie die studia humanitatis nicht der einzige Weg zum „wahren Menschen" zu werden. Vielmehr gingen sie selbstbewußt mit dem Schatz gesammelter Erfahrung um, indem sie ihn in seine Einzelteile zerlegten, ihn neu ordneten und erweiterten. Nicht nur Texte aus der Antike, auch die eigene, französische Tradition und neue Erkenntnisse gehörten zu dem Fundus, aus dem man schöpfen konnte. Der gebildete bon esprit ließ sich von der Wissensfülle nicht überwältigen. Er vertraute auf sein Urteilsvermögen und konnte so eine Distanz zu den Texten halten, die es ihm erlaubte, mit dem überlieferten Wissen so umzugehen, daß es ihm Antwort auf konkrete Fragen gab. Der bon esprit sah es nicht als Pflicht sich die antiken Autoren vollständig anzueignen, um aus dem Fundus der überlieferten Erfahrung schöpfen zu dürfen. Er setzte sich über die gelehrte Tradition hinweg und begründete eine neue Art des Umgangs: Er betrachtete das antike Wissen neben anderen überlieferten und eigenen Erfahrungen als eine Möglichkeit, eine Herausforderung, die er nach seinen eigenen Vorstellungen nutzen konnte - und sei es, um darüber zu lachen.
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Verzeichnis der Quellen in numerischer Folge Dieses Verzeichnis enthält die Titel, die in Lyon in den Stichjahren 1519/20, 1539/40, 1559/60 und 1579/80 erschienen sind und die zum Bestand der Bibliothèque Municipale de Lyon gehören. Es werden genannt: Autor
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Quellen- und Literaturverzeichnis
(Namensansetzung entsprechend den Konventionen der Bayerischen Staatsbibliothek, München), Titel (entsprechend der Titelansetzung der BML), Verleger, Erscheinungsjahr und Format. Erscheinungsort ist für alle Titel Lyon. Mit "Erstausgabe" sind die Titel gekennzeichnet, bei denen es sich um neue Bearbeitungen, neue Übersetzungen oder neue Texte handelt. Andere Ausgaben dieser Texte können bereits zu einem früheren Zeitpunkt publiziert worden sein. 1. Astesano [de Ast], Summa de casibus conscientiae, Etienne Gueynard, 1519, 2° 2. Augustinus, Aurelius, Ennarationes in psalmos, Luc-Antoine Giunta, 1519, 2° 3. Johannes [Balgensiacensis], De tribus virtutibus anime, Claude Nourry, 1519, 8° (Erstausgabe) 4. Bartholomeus [de Pisis], Sermones lucidissimi et insignis, Romain Morin, 1519, 8° 5. Biel, Gabriel, Repertorium generale, Jean Clein, 1519, 2° 6. Caesar, Caius I., Commentaria ... de bello gallico, Gabiano Héritiers, 1519, 8° 7. Denisse, Nicolas, Spéculum mortalium, Constantin Fradin, 1519, 8° 8. LaPape, Guy de, Consilia singularia, Simon Vincent, 1519, 4° (Erstausgabe) 9. Ferrarius de Gradibus, Johannes M., Practica, Barthélémy Trot, 1519, 2° 10. Lucianus [de Samostata], Opera, Barthélémy Trot, 1519, 8° 11. Mancinelli, Antonio, Spéculum de moribus, François Carcan, 1519,8° 12. Ovidus Naso, Publius, Metamorphoseos libri moralizati, Jacques Mareschal, 1519, 4° 13. Petrus [de Natalibus], Catalogus sanctorum, Luc-Antoine Giunta, 1519, 2° 14. Raulin, Jean, Doctrinale mortis, Jean Clein, 1519, 4° (Erstausgabe) 15. Rainerus [de Pisis], Pantheologia, Constantin Fradin, 1519, 4° 16. Sallustius Crispus, Gaius, Opera, Simon Vincent, 1519, 4° 17. Sandeo, Felino M., Commentaria in V libres decretalium, Compagnie des libraires, 1519, 2°
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Register
1. Personenregister Abundance, Jean d' 234, 235, 249 Aesopus 82 Agrícola, Philipp 4, 133 Alhenas, Jean Poldo d' 259, 260, 261 Alciato, Andrea 27, 72, 73, 144, 160, 165, 166 Angelo de Clavasio 130 Antoine de Bourbon 148, 149, 202 Ardighello, Nicoiao 28 Aretino, Pietro 137, 152, 163, 222 Aristoteles 71, 81, 107, 123, 124, 163, 184 Augustinus 75 Aulus Gellius 21, 71, 81, 82 Auxboeuff, Pierre 131 Bade, Josse 48, 52, 81, 91 Ba'if, Lazare de 63, 109, 111, 126, 230 Bellengard, Etienne 149,186,187, 198, 202, 203, 204 Bembo, Pietro 25, 26, 27, 90 Beroaldo, Filippo 193, 196, 200, 268 Bignon, Jean 135 Blanc, Guillaume 33, 41, 101 Boccaccio, Giovanni 1, 211, 213, 230, 231, 248 Bodin, Jean 16, 102, 169, 180, 229 Boehm, Hans 101, 102, 103, 106, 107, 108, 117, 126 Bonhomme, Macé 64, 255, 256, 257, 258 Bourbon, Nicolas 83, 86, 87, 138, 149, 202 Boyssiéres, Jean de 2 1 4 , 2 3 8 , 2 5 3 Bruni, Leonardo 22, 78 Brusoni, Lucio-Domitio 118, 119, 147, 149
Bruyerin, Jean Baptiste (auch: Jean Bruyerin Champier) 111, 113, 116, 126, 204, 267 Caesar, Gaius Julius 30, 71, 102, 261 Cajetan, Thomas 136 Calepio, Ambrogio 86, 209 Calvin, Jean 134, 140, 144, 145, 149 Campen, Jan van 74, 75, 132, 135 Canappe, Jean 223, 224, 225, 226 Carcan, François 189 Cardano, Girolamo 119, 123, 124, 125, 126, 208, 266, 274 Cato, Marcus Porcius 31, 81, 82, 110, 238 Champier, Symphorien 113, 259, 260, 262 Chappuys, Gabriel 2 1 1 , 2 1 8 , 2 1 9 , 2 2 8 Cicero, Marcus Tullius 25, 26, 28, 31, 32, 37, 49, 71, 81, 82, 83, 90, 92, 110, 137, 146, 198, 202, 209, 211 Colines, Simon 52, 54, 63 Comines, Philippe de 221,263 Compagnie des Libraires 12, 58, 67 Contio, Antonio 67, 68 Corrozet, Gilles 142, 243, 259, 260 Coterau, Claude 72, 73, 168 Cousteau, Pierre 2 0 9 , 2 6 4 Crenne, Helisenne de 233, 234, 235, 250 Cujas, Jacques 4, 68, 72, 160, 170, 172 Curtius, Ernst Robert 25, 27, 228, 236 Davantes, Pierre 87 De La Porte (Verlegerfamilie) 58, 60 d'Esté, Leonello 102,185 De Tournes, Jean 1 2 , 5 4 , 5 5 , 5 6 , 5 7 , 61, 142, 143, 148, 149, 186, 198, 201,202, 205
314 Diane de Poitiers 40, 231, 236, 250 Diogenes Laertius 29, 71, 97 Dolet, Etienne 72, 73, 90, 129, 145, 164, 173, 209 Domenichi, Lodovico 243, 244, 247 Donatus, Aelius 81, 83 Doni, Antonio 152,219,228,252 Du Bellay, Jean 1, 7, 49, 50, 51, 168, 212, 230 Du Chastel, Anselme 151 Du Moulin, Charles 4, 156 Du Saix, Antoine 246, 250 Du Verdier, Antoine 252, 266 DuChoul, Guillaume 259,260,261 DuPrat, Pardoux 70, 71, 159, 161, 165, 167, 169, 170, 174 Egnatio, Giovanni Battista 97 Erasmus von Rotterdam lf, 4, 17, 21 ff, 51, 55, 74, 81 ff, 97, 102ff, 135, 149, 167, 184f, 222, 237f, 245, 264, 270 Estella, Diego 151,221 Estienne, Charles 109,110,116 Estienne, Henri 52, 63, 110, 216 Estienne, Robert 52, 110, 204 Faber, Johannes 161 Farnese, Alessandro 27, 188 Ferretti, Emilio 41, 98, 99, 101 Fradin (Verlegerfamilie) 59, 60, 67, 181 Francini, Antonio 31, 95, 96 François de Tournon 4 0 , 4 1 Frellon (Verlegerfamilie) 97, 142, 147, 148, 149 Froben, Johannes 52, 104, 118 Froissart, Jean 215,263 Fumano, Adamo 131,132 Garimberto, Girolamo 266, 267 Georges d'Armagnac 41 Gesner, Konrad 228 Giocondo, Giovanni 30, 32, 33, 42, 82 Giunta (Verlegerfamilie) 12, 13,58, 166, 167 Godefroy, Denis 67, 68 Gorré, Richard 107, 108 Greiner, Simon 97, 99, 100 Gringoire, Pierre 234, 235, 249 Gryphe, Sebastien 7, 12, 48ff, 82ff, 119, 131, 135ff, 146, 183,224 Gschmus, Hieronymus 4 1 , 4 4 , 6 3 , 9 7 , 147, 239
Register Guarino Veronese 37, 102, 185 Guttery, Jean de 213,239 Haloander (eigentlich: Gregor Meltzer) 68 Hierokles 139,146,218 Holtzmann, Wilhelm 41, 101, 115 Hopper, Marcus 97, 98 Horaz Flaccus, Quintus 53,81, 197, 217ff, 247, 265 Imbert, Jean 174f, 228 Jansen, Cornélius 75f, 134, 150 Jeanne d'Albret 87, 149 Joubert, Laurent 226 Jouve, Michel 60, 139, 146, 151ff Justinus, Marcus Junianus 97, 99 Kenny, Neil 105, 112, 117ff, 122, 125 Labé, Louise 54, 56, 230, 247 Lagnier, Pierre 198f, 202 Landi, Constanzo 114f, 260f Landulph de Columna 193 LaPape, Guy de 162f, 180 Lavigne, Pierre 48, 92 Le Maçon, Antoine 213,216,230, 250f Leto, Pomponio 34, 37, 48, 51, 88, 91 Linacre, Thomas 81 Loriti, Heinrich 83f, 90 Louveau, Jean 221, 240ff, 250, 252 Mancinelli, Antonio 133, 187ff, 206 Manuzio, Aldo 29ff, 48ff, 63, 88, 97, 120, 190, 240 Marc Aurei (Marcus Aurelius Antonius) 63,258 Marguerite de Navarre 1, 39, 136, 213 Marot, Clément 1, 56, 58, 113, 144ff, 208, 237f Matthioli, Pietro-Andrea 218,265 Melanchthon 4, 55, 84ff, 185 Mexia, Pero 266f Millet, Jean 254ff Mirandola, Ottaviano 192ff Montaigne, Michel de lf, 18, 45f, 137, 230, 240, 270 More, Thomas 16, 232, 252 Morel, Thierry 85, 92 Muret, Marc-Antoine 1, 35, 87, 88, 90, 91 Navagero, Andrea 25f, 30, 63, 83, 198 Nicolaus de Hannapes 133 Nourry, Claude 187
Register Ovidius Naso, Publius 33, 35, 48, 81f, 92f, 143 Payen, Thibaud 87, 90ff, 209 Peletier, Jacques 212, 217f Petrarca, Francesco 2 1 , 2 9 , 2 4 2 , 2 4 6 Plutarch 63, 97 Poliziano 28, 31 ff, 96 Poulvé, Adrien 72, 167f Quintilian 3 7 , 8 1 , 8 3 Raynier, Jean 93 Rebuffi, Pierre 72, 172, 179f Regio, Raffaele 30ff, 48, 82 Ricchieri, Lodovico 119ff, 126, 133, 267, 274 Rouillé, Guillaume 12, 54ff, 139, 141, 146, 159, 166, 179, 201, 242f, 268 Rubys, Claude de 172f, 180, 206 Sadoleto, Jacopo 25ff Sallust, Gaius C. Crispus 81 Sandeo, Felino-Maria 158f, 178 Saraina, Gabriele 50, 167 Sauvage, Denis 221,'263f Scaliger, Julius Caesar 4, 16, 29, 31ff, 63, 83ff, 261 Sceve, Maurice 54, 230 Senneton (Verlegerfamilie) 58, 67 Simeoni, Gabriello 23 5f Steuco, Agostino 134,195 Strabon 97, 102
315 Straparola, Gian-Francesco 242 Sueton, Gaius Tranquillus 31,95ff Tabouet, Julien 156,167 Tacitus, Publius Cornelius 99, 101f Terenz, Publius T. Afer 35, 81, 87ff, 207 Tiraqueau, André 72, 160, 169, 172 Titelmans, Frans 74, 107f, 134, 135 Tixier, Jean (auch: Ravisius Textor) 111 ff, 267 Tolet, Pierre 208 Traversari, Antonio 29, 97 Valla, Lorenzo 74, 81 Van der Beke, Hermann 109, 111, 116 Vauzelles, Jean de 136,137 Vergil, Publius V. Maro 53, 81, 110, 189 Vettori, Pietro 28, 32, 43, 63, 83, 89, 198 Vincent (Verlegerfamilie) 12,58, 140, 144f, 179 Vinzenz von Beauvais 193f Vives, Juan L. 55 Wild, Johannes (auch: Johannes Fero) 133, 140, 146 Wolffhardt, Konrad (auch: Lycosthenes) 118f, 126, 147ff, 201 Xenophon 81, 165
2. Ortsregister Basel 9, 27, 52, 62f, 66, 99, 118f, 147, 148, 254 Forez 40, 173, 231, 256 Frankfurt 1, 6f, 9, 13, 15, 66, 88, 144, 174, 187 Genf 1, 4, 9, 11, 15, 58, 59, 61, 68, 73, 87, 105, 140, 144ff, 156, 173, 194, 215,248 Löwen 66, 74, 107, 140, 200 Nürnberg 9, 67, 68
Paris 9, 12ff, 23, 38, 39, 40, 48, 52ff, 70, 75, 77, 79, 81, 87f, 91, 102, 105, 11 Off, 136, 140ff, 150fr, 156f, 172f, 189, 204, 206ff, 214, 230ff, 242, 246f, 256, 266 Rom 9, 33, 62, 88, 110, 137, 147, 152, 159,210, 243 Straßburg 9, 145, 195 Venedig 9, 30, 33f, 43, 52, 62, 66, 88, 189f, 267
3. Sachregister Adagia 1, 27, 34f, 42, 44, 51, 104, 117, 119, 122, 184ff, 200ff, 245 Aldinen 48f, 52f, 71ff, 132, 160, 165, 191,277 amicitia 23, 26, 164, 186, 188 Andachtsbücher 142 Antiqualettern 54, 69, 90, 131, 137, 191 Antiquare 261 Antiquaschrift 56,71 Artesfakultät 5; 38, 78, 80 Ausbildung 39, 48, 78f, 80, 93, 150, 153f, 173f, 185, 204f, 224 Beamte 5, 18, 39, 45, 78, 80, 94, 126, 156, 207, 249, 250, 256 Beichtspiegel 130, 136 Bibel 55f, 73, 109, 129f, 135, 140ff, 151, 154, 190f, 272 Buchproduktion 7, 11, 16f, 21, 52, 59, 61, 65, 146, 150, 231, 269, 270, 277 Calvinismus 56, 138, 139 curiositas 194f, 197f, 200, 207 Dialektik 80, 84, 107, 232 diligentia 159, 199, 204 Druckermarke 54, 59 Druckerverleger 48, 56ff, 227 Edition 7, 1 lff, 23, 30, 32, 38f, 52f, 57, 60, 63ff, 94, 104, 121, 128, 132, 137, 148, 162, 165f, 175f, 185,256, 27lff, 274, 277 Erstdrucke 9, 10, 62f, 81, 186, 189, 197, 198 Fazetien 243f Format (Folio) 54,69, 134, 140, 148, 178, 190f, 202, 256 Format (Quart) 56, 69, 191 Format (Oktav) 52, 56, 71, 109, 150, 161, 187, 190 Format (Halboktav) 132, 135, 150, 197 Gegenreformation 80, 129, 150, 186, 278
Gelehrtenrepublik (siehe auch: res publica literarum) 5, 17, 23, 26, 28, 36ff, 84, 104, 115, 120, 132, 148, 154, 170f, 184, 188, 199, 204, 207, 250ff, 269, 271,273 Geschichtstheorie 4, 95ff, 255 Gesundheit 36,224,258 Grammatik 22, 45, 80ff, 93, 121, 212, 232 Handwerker 48, 52, 78, 80, 167, 256 Häresie 80, 88, 139 Hauslehrer 2, 5, 37f, 48, 52, 77, 78, 164, 189 Humanistenbrief 25, 43, 263 Index 48, 112, 122, 137, 140, 150ff, 159, 160, 166, 178, 190 ingenium 28, 40, 117 Inventar 14, 55, 127, 141, 207, 231 Jesuiten 80, 144, 150, 152 Kaufleute 39, 58, 78, 167, 181, 227, 256 Kirchenrecht 59, 68ff, 155, 158, 159 Kleriker 79, 129, 131, 134f, 146, 152f, 154, 191ff, 239 Kolophon 48, 54, 60, 159 Kommentar 23, 28ff, 62, 75, 89f, 97, 107, 135f, 155ff, 165, 172, 178, 180, 266, 273 König, französischer 38f, 137f, 146ff, 156, 182, 202, 249, 261 Konzil von Trient 10, 37, 75f, 107, 129, 139, 140f, 150ff Lektürekanon 82,93,94,231 loci communes 102, 105f, 115, 122, 185f, 192, 196ff, 245 Mäzen 8, 17, 21, 32f, 39ff, 88, 96f, 113ff, 120, 145, 161, 165, 170f, 188, 191, 237, 260, 265, 268, 271, 277 Medizin 7, 36, 55, 66, 187, 224ff, 242, 268 Miscellanea 32, 105, 117f, 122, 147
318 Moral 90, 188, 190, 198, 200, 233 mos gallicus 66,72, 160 mos italicus 66 Nachdruck 8, 10, 29ff, 39, 47, 48, 55, 58, 62ff, 85, 88, 104, 107, 109f, 112, 119, 129ff, 136, 137, 139, 152, 158, 186, 190, 192, 197, 230f, 270, 277 Nation 45, 21 Off, 217, 228, 239, 250, 262f„ 266, 269, 273 Numismatik 114f, 260, 261, 272 Originalausgabe 9, 33, 39, 62f, 107, 109f, 118f, 131, 186f, 191,207, 242 Orthographie 3 5 , 2 1 4 , 2 1 5 Parlament, Pariser 9, 69f, 157, 205 Philologie 23, 28f, 38f, 52, 63ff, 70, 81,83, 88ff, 134, 261,270, 277 Philosophie 3, 80, 105, 108, 118, 132, 137, 140, 187, 194, 201, 242, 255, 270 Predigtsammlungen 131, 154, 159 Privatbibliotheken 62, 77, 120, 128 Psalmen 61, 74f, 132,f, 144ff, 150 Reformation 39, 118, 129, 133, 137, 139, 145, 146, 148, 155, 278 Religionskriege 146
Register res publica literarum (siehe auch: Gelehrtenrepublik) 9 , 2 1 , 2 3 , 2 8 , 3 3 , 37, 45f, 55, 76, 149, 160, 190f, 227, 271 Rhetorik 6, 22, 24, 80ff, 91, 93, 95, 105, 262 Schulen 5, 44, 78ff, 91, 93, 94, 111, 186, 209 sodalitas 191 Sprachlehrbücher 83, 92 Textkritik 31, 65, 73, 83, 89, 161, 277 Titelseite 8, 35, 47, 52ff, 69, 71f, 155, 159ff, 189, 197 Trias, humanistische 4, 176, 253f Übersetzung 1, 9, 14, 29, 38f, 56, 62f, 68ff, 82, 87, 90ff, 184, 206, 209ff, 266, 269, 278 Universität 5, 9, 38, 44, 61f, 66, 70, 72, 74, 78, 140, 155, 164, 204, 223, 226 Verwaltung 15, 39, 77, 80, 135, 149, 157, 170,213,247, 272 Vulgata 74ff, 132, 134, 141 Zensur 11, 18, 129, 140, 143, 147, 151, 154 Zerstreuung 18, 242f, 246, 268
Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe Herausgegeben von Heiko A. Oberman in Verbindung mit Berndt Hamm, Kaspar Elm, Jürgen Miethke und Heinz Schilling
Band 1 Matthias Benad Domus und Religion in Montaillou 1990. X, 398 Seiten und 12 Seiten Kunstdruck. Leinen. Band 2 Manfred Schulze Fürsten und Reformation Geistliche Reformpolitik weltlicher Fürsten vor der Reformation 1991. VII, 231 Seiten. Leinen. Band 3 Sabine Holtz Theologie und Alltag Lehre und Leben in den Predigten der Tübinger Theologen 1550-1750 1993. IX, 479 Seiten. Leinen. Band 4 Ute Gause Paracelsus (1493-1541) Genese und Entfaltung seiner frühen Theologie 1993. XI, 299 Seiten. Leinen. Band 5 Hans Christoph Stoodt Katharismus im Untergrund Die Reorganisation durch Petrus Auterii 1300-1310 1996. IX, 373 Seiten und 1 Landkarte. Leinen. Band 6 Thomas Hohenberger Lutherische Rechtfertigungslehre in den reformatorischen Flugschriften der Jahre 1521-22 1996. XIII, 445 Seiten und 1 Kunstdrucktafel. Leinen.
Band 7 Ralph Weinbrenner Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis Der Augustinereremit Andreas Proles (1429-1503) und die privilegierte Observanz 1996. XII, 284 Seiten. Leinen. Band Holger8 Flachmann Martin Luther und das Buch Eine historische Studie zur Bedeutung des Buches im Handeln und Denken des Reformators 1996. X, 385 Seiten. Leinen. Band 9 Ulrich Hinz Die Brüder vom Gemeinsamen der Reformation Das Münstersche Kolloquium 1997. XII, 357 Seiten. Leinen.
Leben im
Jahrhundert
Band 10 Petra Seegets Passionstheologie und Passionsfrömmigkeit im ausgehenden Mittelalter Der Nürnberger Franziskaner Stephan Fridolin (gest. 1498) zwischen Kloster und Stadt 1998. X, 388 Seiten. Leinen. Band 11 Gerhard Faix Gabriel Biel und die Brüder vom gemeinsamen Leben Quellen und Untersuchungen zu Verfassung und Selbstverständnis des oberdeutschen Generalkapitels 1999. XI, 423 Seiten. Leinen. Band 12 Sabine Vogel Kulturtransfer in der frühen Neuzeit Die Vorworte der Lyoner Drucke des 16. Jahrhunderts 1999. X, 322 Seiten. Leinen.
Mohr Siebeck