Krieg ohne Raum: Asymmetrische Konflikte in einer entgrenzten Welt 9783515091350, 3515091351

In diesem Buch geht es um den Zusammenhang von Krieg, Staat und Raum. Mit der Installierung eines Raketenabwehrsystems i

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English Pages 315 [318] Year 2008

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Table of contents :
Editorial
Vorwort
INHALT
Schaubilder
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Staat , Krieg und Raum
2. Asymmetrie der Macht
3. Streitkr äfte im Wandel
4. Krieg als Schicksal
5. Krieg und Politik
6. Weltöffentlichkeit
7. Entgrenzter Krieg
Teil I: Krieg ohne Raum?
Kapitel 1: Begrifflichkeit
1. Bewaffnete Konflikte
2. Deterritorialisierung
Kapitel 2: Kriegsforschung
1. Bausteine
2. Kriegsarten
3. Asymmetrische Kriege
Teil II: Krieg und Politik
Kapitel 1: Existenzielle Erfahrung
1. Schule der Männlichkeit
2. Schmutziger Krieg
3. Krieg als Horrortrip
Kapitel 2: Kriegsmaschine und Staatsapparat
1. Demobilisierung
2. Verbot von Angriffskriegen
3. Duell der Nationen
Kapitel 3: Jahrhundert der Kriege
1. Zementierung des Status quo
2. Wandel des Krieges
3. Bilanz der Kriege
Teil III: Krieg und Raum
1. Sicherung der Grenzen
2. Dimensionen des Krieges
Kapitel 1: Geostrategie
1. Raum und Zeit
2. Ende des politischen Raumes?
Kapitel 2: Expansionskriege
1. Zeitalter der Territorialität
2. Landkrieg und Seekrieg
3. Luftraum und Weltraum
Teil IV: Symmetrische Kriege
Abschnitt 1: Krieg als Machtinstrument
1. Dem Gegner seinen Willen aufzwingen
2. Drei Akteursebenen im Krieg
3. Staatspolitik mit anderen Mitteln
Abschnitt 2: Kriegsmotive
Kapitel 1: Imperiale Kriege
1. Amerikanisches Jahrhundert?
2. Kolonialkriege
3. Neuordnung der Welt
Kapitel 2: Wirtschaftskriege
1. Rohstoffkriege
2. Währungskriege
3. Handelskriege
Kapitel 3: Unabhängigkeits - und Einigungskriege
1. Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg
2. Deutscher Einigungskrieg
3. Amerikanischer Sezessionskrieg
Kapitel 4: Revanchekriege
1. Preis der Aussöhnung
2. Noch ist Polen nicht verloren
3. Ethnische Säuberungen
4. Völkerrechtliche Anerkennung
Kapitel 5: Übervölkerungskriege
Abschnitt 3: Kriegsformen
Kapitel 1: Staatenkrieg
1. Vom Kabinettskrieg zum totalen Krieg
2. Verstaatlichung des Krieges
3. Kabinettskrieg
Kapitel 2: Volkskrieg
1. Charakteristika
2. Ursachen
Kapitel 3: Totaler Krieg
1. Mobilisierung aller Kräfte
2. Freund -Feind -Gegensatz
3. Postheroische Kriegführung
Teil V: Asymmetrische Kriege
Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege
1. Konflikteskalation
2. Irreguläre Kriegführung
Kapitel 1: Bürgerkrieg
Kapitel 2: Partisanenkrieg
1. Kleiner Krieg
2. Irregulärer Krieg
3. Partisanenkampf
Kapitel 3: Identitätskrieg
1. Globalisierte Kriege
2. Politik der Identität
3. Privatisierung der Gewalt
Abschnitt 2: Krieg und Terrorismus
Kapitel 1: Terrorismus
1. Definitionsmacht
2. Nichtstaatlicher Terrorismus
3. Unsichtbarer Feind
Kapitel 2: Religion , Konflikt und Gewalt
1. Primordialisten
2. Instrumentalisten
3. Konstruktivisten
Kapitel 3: Sieg über den Rechtsstaat ?
1. Bewaffnete Interventionen
2. Weiche Ziele
3. Psychologie des Terrors
Abschnitt 3: Krieg und Frieden
1. Friedenssicherung
2. Gerechter Krieg ?
3. Pazifismus und Bellizismus
4. Abrüstung und Rüstungsbegrenzung
5. Primat des Kampfes ?
6. Klugheit der Politik
7. Wiederherstellung von Legitimität
Kapitel 1: Hegung des Krieges
1. Genfer Konventionen
2. Westfälische Staatenordnung
3. Neues Völkerrecht?
4. Neue UNO?
5. Schutz von Kulturdenkmälern
6. Internationaler Strafgerichtshof
7. Kriegsvölkerrecht
Kapitel 2: Moralische Kriege
Kapitel 3: Humanitäre Kriege
1. Voraussetzungen humanitärer Interventionen
2. Prinzipielle Einwände
Teil VI: Krieg und Information
1. Mediale Dimensionen
2. Propaganda
3. Kampf um Informationen
4. Horizonterweiterung
5. Kommunikationsrevolution
Kapitel 1: Informationskrieg
1. Cyberwar
2. Krieg im Internet
3. Streitkräfte für den Informationskrieg
Kapitel 2: Krieg der Worte
1. Begriffe besetzen
2. Nachrichtenhoheit
3. Kriegsberichterstattung
4. Zensur
5. Feindbilder in der Presse
6. War Message
7. Krieg der Symbole
Kapitel 3: Krieg der Bilder
1. Waffen im Medienkrieg
2. Propaganda im Film
3. Mediale Wirklichkeit
4. Echtzeitberichterstattung
Teil VII: Kriegsinstrumente
1. Krieg und Industrialisierung
2. Bild des Kriegers
3. Kriegstechnologie
4. Finanzierung des Krieges
5. Waffenhandel
Kapitel 1: Krieger
1. Vormoderne Kämpfer
2. Militär und Nation
3. Organisation und Leistung
4. Moderne Streitkräfte
5. Irreguläre Truppen
Kapitel 2: Kriegstechnik
1. Kriegsindustrie
2. Waffengattungen
3. Massenvernichtungswaffen
4. Nicht-tödliche Waffen
Kapitel 3: Kriegsfinanzierung
1. Kriege der Industriestaaten
2. Kriegskosten
3. Neuartige Kriege
Schluss
: Krieg ohne Raum
1. Krieg
2. Asymmetrie
3. Partisanen
4. Terrorismus
5. Deterritorialisierung
6. Weltordnung
7. Freiheit
Kriege
Literatur
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Krieg ohne Raum: Asymmetrische Konflikte in einer entgrenzten Welt
 9783515091350, 3515091351

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Rüdiger Voigt Krieg ohne Raum

Staatsdiskurse Herausgegeben von Rüdiger Voigt Band 2 Wissenschaftlicher Beirat: Andreas Anter, Leipzig Eun-Jeung Lee, Seoul Marcus Llanque, Berlin

Rüdiger Voigt

Krieg ohne Raum Asymmetrische Konflikte in einer entgrenzten Welt

Franz Steiner Verlag Stuttgart 2008

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09135-0 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2008 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungs­beständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Printed in Germany

Den Gefallenen des Zweiten Weltkriegs In memoriam Kurt Voigt (4.11.1899 – 4.4.1945) Kapitän zur See

Editorial

Der Staat des 21. Jahrhunderts steht in einem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Ordnung und Veränderung, zwischen Herrschaft und Demokratie. Er befindet sich zudem in einem Dilemma. Internationale Transaktionen reduzieren seine Souveränität nach außen, gesellschaftliche Partikularinteressen schränken seine Handlungsfähigkeit im Innern ein. Anliegen der Reihe Staatsdiskurse ist es, die Entwicklung des Staates zu be­ob­­achten und sein Verhältnis zu Recht, Macht und Politik zu analysieren. Hat der Staat angesichts der mit „Globalisierung“ bezeichneten Phänomene, im Hinblick auf die angestrebte europäische Integration und vor dem Hintergrund einer Parteipolitisierung des Staatsapparates ausgedient? Der Staat ist einerseits „arbeitender Staat“ (Lorenz von Stein), andererseits verkörpert er als „Idee“ (Hegel) die Gemeinschaft eines Staatsvolkes. Ohne ein Mindestmaß an kollektiver Identität lassen sich die Herausforderungen einer entgrenzten Welt nicht bewältigen. Hierzu bedarf es eines Staates, der als „organisierte Entscheidungs- und Wirkeinheit“ (Heller) Freiheit, Solidarität und Demokratie durch seine Rechtsordnung gewährleistet. Gefragt ist darüber hinaus die Republik, bestehend aus selbstbewussten Republikanern, die den Staat zu ihrer eigenen Angelegenheit machen. Der Staat seinerseits ist aufgefordert, seinen Bürgerinnen und Bürgern eine politische Partizipation zu ermöglichen, die den Namen verdient. Dies kann – idealtypisch – in der Form der „deliberativen Politik“ (Habermas), als Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den Staat (Gramsci) oder als Gründung der Gemeinschaft auf die Gleichheit zwischen ihren Mitgliedern (Rancière) geschehen. Leitidee der Reihe Staatsdiskurse ist eine integrative Staatswissenschaft, die einem interdisziplinären Selbstverständnis folgt; sie verbindet politikwissenschaftliche, rechtswissenschaftliche, soziologische und philosophische Perspektiven. Dabei geht es um eine Analyse des Staates in allen seinen Facetten und Emanationen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des In- und Auslands sind zu einem offenen Diskurs aufgefordert und zur Veröffentlichung ihrer Ergebnisse in dieser Reihe eingeladen. Rüdiger Voigt

Vorwort

Aus dem Orbit erscheinen dem Astronauten Länder, Kontinente, ja die ganze Erde als unendlich klein. Als winzig kleiner Mensch schwebt er in einem Schutzanzug an einem Greifarm im Weltall, um ein defektes Sonnensegel zu reparieren. Kaum ein anderes Ereignis macht die Veränderung der räumlichen Perspektive deutlicher sichtbar als die Bilder von den Außenarbeiten an der Internationalen Raumstation ISS. Damit hat eine technische Maßstabvergrößerung stattgefunden, die noch kaum in das Bewusstsein der Menschen vorgedrungen ist. Raketenabwehrsysteme sind eine erste militärische Antwort auf diese neue Situation. Auf der anderen Seite ziehen sich viele Menschen immer mehr in ihre lokale Welt zurück und nehmen damit für sich selbst eine Maßstabverkleinerung vor. Quasi unter dieser Oberfläche schwelt ein Flächenbrand, der globale Kriegszustand im Zeichen des transnationalen Terrorismus. Es geht also auch und vor allem um die Raumdimension von Krieg. Kann und sollte man über den Krieg schreiben? Wäre es nicht besser, diese Geißel der Menschheit mit Nichtachtung zu strafen? Oder könnte man die Kriegsproblematik lösen, indem man die Definition möglichst eng fasst und sich letztlich nur auf den Staatenkrieg bezieht? Leider wird es wenig helfen, den Kopf – wie der legendäre Vogel Strauß – in den Sand zu stecken. Krieg ist eine Realität, mit der wir uns wohl oder übel abfinden müssen. Um Krieg handelt es sich keineswegs nur dann, wenn er von Staaten geführt wird oder zumindest auf der einen Seite eine staatliche Armee beteiligt ist. Vielmehr verwischen sich die Grenzen zwischen Krieg, Korruption und Kriminalität in manchen Gegenden der Welt so sehr, dass sie kaum noch zu unterscheiden sind. In gescheiterten oder vom Scheitern bedrohten Staaten militärische Aufbauhilfe zu leisten, das Land zu befrieden und dauerhaft zu stabilisieren, wird heute als eine der wichtigsten Aufgaben des Militärs in westlichen Staaten angesehen. „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“, hatte der damalige Bundesverteidigungsminister Struck verkündet und damit auf die von den Taliban ausgehende Gefahr terroristischer Anschläge in deutschen Städten angespielt. Aber kann man gleichzeitig in einem Teil des Landes Aufbauhilfe leisten (wobei man die „Drogenbarone“ tunlichst ungeschoren lässt) und im anderen Teil Krieg führen? Wird man dabei nicht allzu leicht zum verhassten Besatzer, den die Einheimischen bald zum Teufel wünschen? In Deutschland ist die Kriegsforschung nach dem Zweiten Weltkrieg aus nachvollziehbaren Gründen lange vernachlässigt worden. Trotz des großen Engagements ihrer Vertreter hatte die deutsche Friedensforschung nur eine relativ kurze Blütezeit. Konfliktforschung und Kriegsursachenforschung behandeln wichtige Teilaspekte des Themas, ergeben aber noch kein vollständiges Bild des Krieges. Arbeiten der Strategic Studies und der Sicherheitspolitik kommen hinzu. Bislang musste die Wissenschaft vom Krieg vor allem auf die Arbeiten von John Keegan und Martin van Creveld zurückgreifen. In letzter Zeit sind jedoch auch von deut-

10

Vorwort

schen Autoren zahlreiche Bücher zum Krieg erschienen, die bereits ein weites Spektrum der Kriegsthematik abdecken. Eine systematische Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Staat, Krieg und Raum fehlt jedoch bislang. Diese Lücke zu schließen, wird mit dem vorliegenden Buch versucht. Seiner Unzulänglichkeiten bin ich mir wohl bewusst. Um den Rahmen eines solchen Buches nicht zu sprengen, konnte aus dem reichhaltigen Material nur das ausgewählt werden, was als unverzichtbar erschien. Bereits in diesem subjektiven Auswahlvorgang liegt eine gewisse Willkür. Einen Versuch war es wert, und ich hoffe, damit die Diskussion zumindest angestoßen, wenn nicht sogar ein wenig vorangebracht zu haben. München, im Dezember 2007

Rüdiger Voigt

INHALT

Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Schaubildverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Einleitung 1. 2. 3. 4. 4.1 4.2 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6. 7.

25

Staat, Krieg und Raum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Asymmetrie der Macht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Streitkräfte im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Krieg als Schicksal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Staatenordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Recht zum Krieg?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Krieg und Politik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Geopolitische Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kriegsneigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zugehörigkeitstest. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Amerika und Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Strafe des Imperiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Weltöffentlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Entgrenzter Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Teil I: Krieg ohne Raum

41

Kapitel 1: Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2

Bewaffnete Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Konflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Deterritorialisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Durchlässige Grenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Raumgewinn – Raumverlust. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Kapitel 2: Kriegsforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Bausteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.1 Wehrwissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.2 Friedens- und Konfliktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

12 1.3 2. 2.1 2.2 3.

Inhalt

Strategische Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Kriegsarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Weltordnungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Wirtschaftskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Asymmetrische Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Teil II: Krieg und Politik

59

Kapitel 1: Existenzielle Erfahrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. 2. 3.

Schule der Männlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Schmutziger Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Krieg als Horrortrip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Kapitel 2: Kriegsmaschine und Staatsapparat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. 2. 3.

Demobilisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Verbot von Angriffskriegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Duell der Nationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Kapitel 3: Jahrhundert der Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. 2. 3.

Zementierung des Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Wandel des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Bilanz der Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Teil III: Krieg und Raum 1. 2.

73

Sicherung der Grenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Dimensionen des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Kapitel 1: Geostrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3

Raum und Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Raumaspekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Raum menschlicher Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Zeitfaktor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Ende des politischen Raumes?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Reale oder virtuelle Grenzen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Deterritorialisierte Politik?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Kriegsraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Kapitel 2: Expansionskriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Zeitalter der Territorialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1.1 Eroberung fremden Territoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Inhalt

1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3 3.

13

Raumgewinn als Machtzuwachs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Kolonialisierung und Dekolonialisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Landkrieg und Seekrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Zugangsfreiheit versus Vorherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Seehandel und Seeherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Partisanen des Meeres. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Luftraum und Weltraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Teil IV: Symmetrische Kriege

95

Abschnitt 1: Krieg als Machtinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. 2. 3.

Dem Gegner seinen Willen aufzwingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Drei Akteursebenen im Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Staatspolitik mit anderen Mitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Abschnitt 2: Kriegsmotive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Kapitel 1: Imperiale Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. 2. 3.

Amerikanisches Jahrhundert?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Kolonialkriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Neuordnung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Kapitel 2: Wirtschaftskriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. 2. 3.

Rohstoffkriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Währungskriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Handelskriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Kapitel 3: Unabhängigkeits- und Einigungskriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. 2. 3.

Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Deutscher Einigungskrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Amerikanischer Sezessionskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Kapitel 4: Revanchekriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. 2. 3. 4.

Preis der Aussöhnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Noch ist Polen nicht verloren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Ethnische Säuberungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Völkerrechtliche Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Kapitel 5: Übervölkerungskriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

14

Inhalt

Abschnitt 3: Kriegsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Kapitel 1: Staatenkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. 2. 3.

Vom Kabinettskrieg zum totalen Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Verstaatlichung des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Kabinettskrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Kapitel 2: Volkskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. 2.

Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Ursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Kapitel 3: Totaler Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. 2. 3.

Mobilisierung aller Kräfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Freund-Feind-Gegensatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Postheroische Kriegführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Teil V: Asymmetrische Kriege

139

Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. 2.

Konflikteskalation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Irreguläre Kriegführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Kapitel 1: Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Kapitel 2: Partisanenkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3

Kleiner Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Irregulärer Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Zweck heiligt Mittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Zwischen Legalität und Illegalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Partisanenkampf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Verteidigung des eigenen Bodens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Partisanenbewegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Guerillakampf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Kapitel 3: Identitätskrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. 2. 3.

Globalisierte Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Politik der Identität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Privatisierung der Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Inhalt

15

Abschnitt 2: Krieg und Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Kapitel 1: Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. 2. 3.

Definitionsmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Nichtstaatlicher Terrorismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Unsichtbarer Feind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Kapitel 2: Religion, Konflikt und Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. 2. 3.

Primordialisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Instrumentalisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Konstruktivisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Kapitel 3: Sieg über den Rechtsstaat?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. 2. 3.

Bewaffnete Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Weiche Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Psychologie des Terrors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Abschnitt 3: Krieg und Frieden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 4. 5. 6. 7.

Friedenssicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Gerechter Krieg?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Moralische Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Pazifismus und Bellizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Formen des Pazifismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Gesinnungspazifisten und Rechtspazifisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Völkerrecht einer „Weltbürgergesellschaft“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Abrüstung und Rüstungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Primat des Kampfes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Klugheit der Politik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Wiederherstellung von Legitimität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Kapitel 1: Hegung des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Genfer Konventionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Westfälische Staatenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Neues Völkerrecht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Neue UNO?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Schutz von Kulturdenkmälern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Internationaler Strafgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Kriegsvölkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Kapitel 2: Moralische Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

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Inhalt

Kapitel 3: Humanitäre Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. 1.1 1.2 2.

Voraussetzungen humanitärer Interventionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Mandat der UNO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Mandat der NATO?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Prinzipielle Einwände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Teil VI: Krieg und Information 1. 2. 3. 4. 5.

197

Mediale Dimensionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Propaganda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Kampf um Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Horizonterweiterung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Kommunikationsrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Kapitel 1: Informationskrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. 2. 2.1 2.2 3.

Cyberwar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Krieg im Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Vorteile des Netwar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Folgen des Netwar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Streitkräfte für den Informationskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Kapitel 2: Krieg der Worte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Begriffe besetzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Nachrichtenhoheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Kriegsberichterstattung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3.1 Traditionslinien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3.2 Kriegsberichterstatter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3.3 Propaganda-Kompanien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.4 „Eingebetteter“ Journalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.4.1 Quadratur des Kreises. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3.4.2 Korruption durch Nähe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Zensur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4.1 Zwei Arten von Zensur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4.2 Propaganda und „Gleichschaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 5. Feindbilder in der Presse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 5.1 Schurkenstaaten und Untermenschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 5.2 Feinde statt Gegner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6. War Message. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 7. Krieg der Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

Inhalt

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Kapitel 3: Krieg der Bilder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.2

Waffen im Medienkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Propaganda im Film. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Spielfilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Mediale Mobilmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Leitmedium Fernsehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Mediale Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Wahrnehmungsänderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Realitätsänderung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Manipulation und Fälschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Echtzeitberichterstattung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Kampf der Giganten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Gegenöffentlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Umgekehrter CNN-Effekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Teil VII: Kriegsinstrumente 1. 2. 3. 4. 5.

237

Krieg und Industrialisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Bild des Kriegers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Kriegstechnologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Finanzierung des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Waffenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Kapitel 1: Krieger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Vormoderne Kämpfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Militär und Nation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Organisation und Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Moderne Streitkräfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4.1 Berufssoldaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.1.1 Postmodernes Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.1.2 Umbau der US-Streitkräfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4.1.3 Demobilisiertes Militärpersonal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4.2 Wehrpflichtige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.3 Soldaten aus der Fremde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.4 Frauen in den Streitkräften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4.5 Spezialeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5. Irreguläre Truppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5.1 Partisanen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5.2 Söldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5.3 Private Militärunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5.3.1 Problematische Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.3.2 Weitere Militärunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5.4 Urban Warriors. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

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Inhalt

5.5 Kindersoldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5.5.1 Einsatz von Kindern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5.5.2 Verbot des Einsatzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5.6 Warlords und Kriegsunternehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Kapitel 2: Kriegstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 3. 3.1 3.2 3.3 4.

Kriegsindustrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Waffengattungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Luftwaffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Panzer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 U-Boote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Raketen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Massenvernichtungswaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Atomwaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Chemische Waffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Biologische Waffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Nicht-tödliche Waffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Kapitel 3: Kriegsfinanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2

Kriege der Industriestaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Kriegskosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Ausgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Rüstungsexport und –import. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Rüstungskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Neuartige Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Bodenschätze und Rauschgift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Kriegssteuern und Schutzgelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Schluss: Krieg ohne Raum 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

279

Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Asymmetrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Partisanen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Terrorismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Deterritorialisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Weltordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Schaubilder

Schaubild 1 Schaubild 2 Schaubild 3 Schaubild 4 Schaubild 5 Schaubild 6 Schaubild 7 Schaubild 8 Schaubild 9 Schaubild 10 Schaubild 11 Schaubild 12 Schaubild 13 Schaubild 14 Schaubild 15 Schaubild 16 Schaubild 17 Schaubild 18 Schaubild 19 Schaubild 20 Schaubild 21 Schaubild 22 Schaubild 23 Schaubild 24 Schaubild 25 Schaubild 26 Schaubild 27 Schaubild 28 Schaubild 29 Schaubild 30 Schaubild 31 Schaubild 32 Schaubild 33 Schaubild 34 Schaubild 35

Kriege in der preußisch-deutschen und amerikanischen Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Formen nichtstaatlicher Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Sicherheitsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Kriegsarten (nach Akteuren und Territorium). . . . . . . . . . . . . . 46 Gescheiterte Staaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Klassische Geopolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Raumkategorien des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Auflösung des politischen Raumbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Territorium als Kriegsursache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Akteursebenen im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Geburten je 1.000 der Bevölkerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Großräume als Rivalen des 21. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . 98 Exporte nach Iran. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Entwicklung der Weltbevölkerung von 1750 bis 2050 . . . . . . 112 Charakteristika verschiedener Kriegsarten . . . . . . . . . . . . . . . 114 Drei Formen des Staatenkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Systematik des Kabinettskrieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Systematik des Volkskrieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Systematik des Totalen Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Krieg und Feindbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Gewaltorientierung nichtstaatlicher Akteure. . . . . . . . . . . . . . 132 Verschiedene Formen innerstaatlicher Kriege. . . . . . . . . . . . . 134 Partisanenbewegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Terrorismus im Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Religion, Konflikt und Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Ethik des gerechten Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Nicht-internationale Kriege und die dazu gehörenden Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Theoretische Einstellungen zur humanitären Intervention . . . 181 Aufgaben der Propaganda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Vermittlungsinstanzen für Propagandabotschaften. . . . . . . . . 192 Information Warfare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Merkmale der Kriegsberichterstattung in historischer Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Freund-Feind-Bilder in der Presse während des 2. Golfkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Drei relevante Typen von Realität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Typologie militärischer Protagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

20 Schaubild 36 Schaubild 37 Schaubild 38 Schaubild 39 Schaubild 40 Schaubild 41 Schaubild 42

Schaubilder

Flugzeugproduktion im Ersten Weltkrieg (in Stück). . . . . . . . 252 Atomwaffen der Atommächte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Rüstung und Gewaltökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Staaten mit den höchsten Militärausgaben . . . . . . . . . . . . . . . 264 Die größten Waffenexporteure der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Die wichtigsten Empfängerländer von Waffen . . . . . . . . . . . . 266 Die Stadien der großen Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Abkürzungsverzeichnis

ABM APuZ ARPA AWACS BMV BWC CCTV CENTCOM CIA CNN CNS CPA CWC CyberW C2W C4I DSEi EG EIW ENMOD EO EU EuGH EW EWG FAZ FIS ggf. GPS

Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (Anti-Ballistic Missiles) Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“. Agentur für fortgeschrittene Forschungsprojekte (Advanced Research Projects Agency) Luftgestütztes Überwachungsystem (Airborne Warning and Control System) Badisches Militärvereinsblatt B-Waffenkonvention (Biological Weapons Convention) Closed-Circuit Televison Cameras Oberkommando der US-Streitkräfte im Mittleren Osten (Central Command) US-Geheimdienst (Central Intelligence Agency) Cable News Network Cybercast News Service Provisorische US-Verwaltung im Irak (Coalition Provisional Authority) Chemiewaffenkonvention (Chemical Weapons Convention) Elektronischer Krieg mit Hilfe des Internets (Cyberwarfare) Elektronischer Angriff zum Ausschalten der gegnerischen Führung (Command- and Control Warfare) Command, Control, Communication, Computer and Intellegence Internationale Rüstungsmesse in London (Defense Systems & Equipment International) Europäische Gemeinschaft(en) Economic Information Warfare Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindlichen Nutzung umweltverändernder Technologien Executive Outcomes Europäische Union Europäischer Gerichtshof Electronic Warfare Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Islamische Heilsfront (Front Islamique du Salut) gegebenenfalls Globales Ortsbestimmungssystem (Global Positioning System)

22 HARM Hellfire HPM HW IAEO IBW ICC i. d. R. INF ISS IW JIB MGFA MPRI MSNBC NATO NBC NEMP NZZ OASD PC PK PKK PMC PNAC PR PsyW PVS RADAR RAF RENAMO SALT I u. II SEC SIPRI SOG SONAR

Abkürzungsverzeichnis

High-speed Anti-Radiation Missiles Helicopter launched fire-and-forget High Power Microwave Hacker Warfare Internationale Atomenergie-Organisation Information based Warfare Internationaler Strafgerichtshof (International Criminal Court) in der Regel Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate Range Nuclear Forces) Internationale Raumstation (International Space Station) Informationskrieg (Information Warfare) Gemeinsames Informationsamt in Dharan (Joint Information Bureau) Militärgeschichtliches Forschungsamt der Bundeswehr Military Professional Resources Incorporated Kombination von Microsoft Network und NBC Nordatlantische Verteidigungsorganisation (North Atlantic Treaty Organisation) Nationale Rundfunkgesellschaft (National Broadcasting Company) Nuklearer Elektromagnetischer Impuls (Nuclear Electronical Magnetic Puls) Neue Zürcher Zeitung Staatssekretär für Öffentlichkeitsarbeit im US-Verteidigungsministerium (Assistant Secretary of Defense for Public Affairs) Persönlicher Rechner (Personal Computer) Propaganda-Kompanie Kurdische Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistan) Private Militärunternehmen (Private Military Companies) Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert (Project for the New American Century) Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) Psychologischer Krieg (Psychological Warfare) Politische Vierteljahresschrift Radio Detection and Ranging Rote Armee Fraktion Nationaler Widerstand Mosambiks (Resistência Nacional Moçambicana) Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung (Strategic Arms Limitation Talks) US-Börsenaufsicht (Security and Exchange Commission) Stockholm International Peace Research Institute Special Operations Group Sound Navigation and Ranging

Abkürzungsverzeichnis

START I u. II SZ taz TNT UČK UdSSR UFA UNITA UNPROFOR ZfP

Vertrag zur Verringerung der Strategischen Nuklearwaffen (Strategic Arms Reduction Treaty) Süddeutsche Zeitung Die Tageszeitung Tri­Nitro-Toluol, ein besonders wirkungsvoller Sprengstoff Befreiungsarmee des Kosovo (Ushtria Çlirimtare e Kosověs) Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjetunion) Universum Film AG Nationalunion für die vollständige Befreiung Angolas (União Nacional para a Independência Total de Angola) United Nations Protection Force Zeitschrift für Politik

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„Von nun an verlor der Ort an Bedeutung, zogen sich entsprechend der wachsenden Geschwin­ digkeit die geografischen Räume zusammen, büßte die strategische Lokalisierung zunehmend an Bedeutung ein – stattdessen vollzog sich eine Entlokalisierung durch die Vektoren und ihre Leistungen, eine tellurische und technische Er­scheinung, mit der eine topologische Scheinwelt sich konstituierte, in der alle Oberflächen des Globus einander unmittelbar konfrontiert sind“.

„Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ hatte Thomas Hobbes im Leviathan festgestellt und daraus die Notwendigkeit eines starken Staates zur Friedenserhaltung abgeleitet. Hobbes ging es dabei um die Sicherheit nach Innen; dass die Staaten gegeneinander Krieg führten, war für ihn selbstverständlich. Die Habgier des Menschen treibt ihn dazu, die Früchte, Felder und Frauen des Nachbarn zu begehren und sich diese – wenn nötig mit Gewalt – zu nehmen und anschließend als seinen Besitz zu verteidigen. Weitere Objekte des Begehrens kamen hinzu: Wasser, Holz, Gold, Diamanten, Erdöl, Uran, seltene Metalle oder ganz einfach das fremde Territorium, der Zugang zu Absatzmärkten oder das technische Wissen. Im Laufe der Zeit wurden die Waffen verfeinert und die Taktik des Angriffs und der Verteidigung verbessert. Statt Pfeil und Bogen wurden Arkebusen und Musketen verwendet, in der Verteidigung traten Festungen an die Stelle von Burgen, bis die Artillerie so durchschlagkräftig wurde, dass keine Mauer ihr standhielt. Das alles hatte bereits Auswirkungen auf die räumliche Dimension des Krieges. Weit gravierender jedoch veränderten Panzer (tanks) und Flugzeuge gegen Ende des Ersten Weltkriegs das Bild des Krieges. Die damals entwickelten Tauchboote wurden im Zweiten Weltkrieg zur gefürchteten U-Bootwaffe; damit erhielt der traditionelle Seekrieg eine neue Dimension. Aus vereinzelten Luftkämpfen wurde der aus der Luft geführte (Brand-) Bombenkrieg gegen die Städte des Gegners. Die V-Waffe der Deutschen wiederum bildete die Grundlage für die (ballistische) Raketentechnik der Supermächte USA und UdSSR. Der Luftkrieg weitete sich zum Krieg im Orbit aus. Zwar wiederholten sich im Zweiten Weltkrieg die Giftgasangriffe des Ersten Weltkrieges nicht, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen gehören heute aber ebenso selbstverständlich zum Kriegsarsenal der großen Mächte wie die atomare Bewaffnung. Mithilfe von Langstreckenbombern und Interkontinentalraketen können diese Massenvernichtungswaffen an 

Virilio 1989, S. 83.

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jeden Ort der Welt gebracht werden. Mit dem Raketenabwehrschild der USA – und bald auch Russlands – ist eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Ein halbes Jahrhundert lang wirkte die Menschheit wie gelähmt angesichts der (keineswegs unrealistischen) Vorstellung, die beiden Supermächte könnten im atomaren Schlagabtausch die gesamte Erde für Menschen unbewohnbar machen. Eine neue Bedrohung ist durch die Militarisierung des Weltraums hinzugekommen. Im Orbit stationierte Killersatelliten könnten nicht nur angreifende Raketen ausschalten, sondern auch selber jeden Ort der Erde vernichten. Die Kommunikationstechnologie verändert auch das Erscheinungsbild konventioneller Kriege. 1. Staat, Krieg und Raum Staat, Krieg und Raum stehen in einem engen wechselseitigen Verhältnis zueinander. Solange der Territorialstaat über das Gewaltmonopol verfügte, lag es in seiner Hand, mit den anderen Staaten strikte Regeln für das Austragen von bewaffneten Konflikten zu vereinbaren. Die Souveränität des Staates und damit sein Bestand wurden durch gegenseitige Anerkennung gesichert. Bürgerkriege galten als innerstaatliche Angelegenheiten. Zwischen den Staaten wurden völkerrechtliche Vereinbarungen getroffen und damit der Krieg „eingehegt“ (Carl Schmitt). Die Grenzen der Staaten konnten lediglich durch freiwillige Anerkennung (Vertrag) oder durch Zwang (Krieg) verändert werden. Im Friedensvertrag wurde dann beides miteinander versöhnt. Dieser Verstaatlichung steht heute eine Entstaatlichung bis hin zur Privatisierung des Krieges gegenüber. Zugleich hat der Raum im Zuge der Globalisierung seine Bedeutung teils gewandelt, teils verloren. Die enge Verbindung von Ökonomie und Informationstechnologie hat Raum und Zeit relativiert. Nationalstaatliche Grenzen können nicht mehr zuverlässig geschützt werden. Raumübergreifende Akteure, wie Weltkonzerne, globale Fonds oder transnationale Terrornetzwerke und Verbrechersyndikate, überwinden staatliche Regeln und Schutzmaßnahmen mühelos. Der Schutz der Bürger, die eigentliche Legitimationsgrundlage des Staates, ist nicht mehr gewährleistet. Diese Entwicklung hat gravierende Folgen für das Kriegsgeschehen. Dieses Buch beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Krieg und Raum aus der Perspektive der Staatlichkeit. Eine wichtige Anregung geht dabei von der Denkfigur aus, die Deleuxe und Guattari in ihrem Buch Tausend Plateaus ins Spiel gebracht haben. Staat und Krieg haben danach verschiedene Wurzeln, Krieg kann es auch ohne Staat geben, wenn auch unter anderen Bedingungen. Das führt zu der Frage, welche Auswirkungen staatlicher Souveränitätsverlust und – schlimmer noch – das Scheitern von Staaten auf den Krieg haben. Zudem steht den kriegführenden Kräften – Staaten, terroristischen Organisationen, Warlords, kriminellen Banden – heute eine Technik zur Verfügung, die mit der Überwindung des Raumes Kriege auch an entfernten Orten möglich macht. Gleichzeitig wandelt sich das Bewusstsein der Menschen für den Raum, in dem sie leben. Über mehrere Jahrhunderte führte das auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung beruhende Westfälische Staatensystem in der Alten Welt zu symmetrischen

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Kriegen. Die Kriminalisierung des Kriegsgegners zum verabscheuenswürdigen Feind, den es zu vernichten gilt, hat jedoch eine (nicht nur geografische) Entgrenzung des Krieges in Gang gesetzt, die noch nicht an ihren Schlusspunkt gelangt ist. Spätestens mit dem Ende der bipolaren Weltordnung sind asymmetrische Kriege an der Tagesordnung. Hierzu gehören die Militärinterventionen, die das Empire Amerika – mit oder ohne UN-Mandat – durchführt ebenso wie die vielen kleinen Kriege in schwachen oder gescheiterten Staaten, in denen regionale Streitigkeiten zu Kriegen eskalieren und völkerrechtliche Begrenzungen der Gewaltausübung nicht durchzusetzen sind. 2. Asymmetrie der Macht Zwar gab es zu allen Zeiten mächtigere und weniger mächtige Staaten und Imperien. In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich aber die gegenwärtige Lage von früheren Machtkonstellationen. Nach dem Ende der bipolaren Weltordnung, die von der Supermächten USA und UdSSR beherrscht wurde, haben die Vereinigten Staaten von Amerika für einen Zeitraum von knapp zwei Jahrzehnten eine einzigartige Stellung erlangt. Erst im August 2007 hat Russland die permanenten Flüge von Langstreckenbombern, die mit atomwaffenfähigen Raketen bestückt sind, wieder aufgenommen, die es 1992 einseitig eingestellt hatte. Die ökonomische und (massen-) kulturelle, vor allem aber seine militärische Dominanz hat es dem Empire Amerika bislang erlaubt, die Spielregeln des internationalen Systems nicht nur maßgeblich zu beeinflussen, sondern teilweise auch einseitig festzulegen. Nicht nur, dass der US-Präsident allein bestimmt, wer von seinen Gefolgs­leuten Präsident der Weltbank wird, vielmehr ist auch der UN-Generalsekretär regelmäßig ein bloßer „Frühstücksdirektor“ von Amerikas Gnaden. Kofi Annan hat dieses „Gesetz“ am eigenen Leibe spüren müssen, als er – vorsichtig und ansatzweise – versuchte, eine eigenständige Politik der UNO durchzusetzen. Am deutlichsten zeigt diese Machtasymmetrie zwischen Amerika und der übrigen Welt allerdings das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba. Die USA haben nicht nur im Alleingang – unter Missachtung des geltenden Völkerrechts – die Kategorie Unlawful Combattants geschaffen, um in Afghanistan aufgegriffene Kämpfer willkürlich ohne Rechtsschutz und unter menschenunwürdigen Bedingungen festzuhalten. Viel stärker wirkt, dass selbst Kriegsverbündete wie Großbritannien, Kanada und Australien es nicht wagen, gegen dieses Verfahren Klage zu erheben, nicht einmal dann, wenn es ihre eigenen Staatsangehörigen (die überwiegend muslimischen Glaubens sind) betrifft. Den Konkurrenten Amerikas in Russland und China kommt dieses Versagen des amerikanischen Rechtsstaates sehr gelegen, erlaubt es ihnen doch, ihre eigenen Menschenrechtsverletzungen zu bemänteln. Lediglich US-Gerichte können durch ihre Urteile vor allem deswegen mäßigend einwirken, weil sich der US-Präsident einer starken Opposition im Repräsentantenhaus gegenübersieht und auch seine eigenen Parteifreunde angesichts ungünstiger Wahlprognosen nicht mehr hinter ihm stehen. Dass die deutsche Bundesregierung sich von der Opposition lieber selbst völkerrechtswidriges Verhalten – z. B. im Fall des türkischen Staatsbürgers al Masri –

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vorhalten lässt, als die eigentlichen Verursacher klar und deutlich beim Namen zu nennen, versteht sich beinahe von selbst. Denn die Folgen für Deutschland könnten katastrophal sein, sollten sich die USA dazu entschließen, ihr gesamtes Droh- und Machtpotenzial gegen eine unbotmäßige Mittelmacht mit eingeschränkter Souveränität einzusetzen, auf deren Territorium sie jederzeit mobilisierbare Truppen stationiert hat. Deutschland wird sich angesichts einer sich verändernden Weltlage, in der neben dem Empire Amerika auch Russland und China zu großen Mitspielern heranwachsen, also genau überlegen müssen, wie es sich künftig positionieren will. Frankreich zeigt unter seinem Präsidenten Sarkozy, der sein Land – ganz gegen die gaullistische Staatsräson – wieder den USA annähert, dass die „europäische Karte“ zum ganz großen Spiel nicht mehr taugt. Das Europa der 27 ist zwar wirtschaftlich nach wie vor stark, politisch aber heillos zerstritten und kaum zukunftsfähig. 3. Streitkräfte im Wandel Der Raum, in dem heute Politik stattfindet, hat sich in seinen Dimensionen nachhaltig verändert. Einerseits zeigt die „Globalisierung“, dass Probleme wie Klimawandel oder Terrorismus nur noch staatenübergreifend angegangen werden können. Andererseits lässt die gleichzeitig ablaufende „Lokalisierung“, der Rückzug in die Kleinräumigkeit der Lebensverhältnisse, erkennen, dass bestimmte Probleme zu spezifisch lokaler Natur sind, als dass sie auf einer höheren Ebene (Staat, Europa) gelöst werden könnten. Diese Veränderungen haben maßgeblichen Einfluss auf Ausbruch, Verlauf und Ende von Kriegen. Was bedeutet nun diese Maßstabsveränderung für das Militär und die Kriegführung zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Da die eigenen Soldaten nicht nur auf Grund einer langen und kostspieligen Ausbildung, sondern auch wegen der Aufmerksamkeit der heimischen Öffentlichkeit wertvoll sind, werden sie möglichst nicht verlust­ reichen Bodenkämpfen ausgesetzt. Vielmehr wird bei Militärinterventionen das gegnerische Terrain aus sicherer Distanz solange bombardiert und mit Raketen beschossen, bis kaum noch Widerstand zu erwarten ist. Erst dann gelangen Bodentruppen zum Einsatz, die für die Inbesitznahme eines Territoriums allerdings nach wie vor unverzichtbar sind. In den Weltkriegen standen sich Millionenheere gegenüber, und in der Zeit des „Kalten Krieges“ waren alle Beteiligten nicht nur technisch, sondern auch personell hoch gerüstet. In Mitteleuropa wurde im Ernstfall mit einem – weitgehend ungebremsten – Vormarsch der sowjetischen Panzerarmee durch Westdeutschland bis zum Rhein gerechnet. Die Bundeswehr hatte damals einen Umfang von 500.000 Mann. Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation war jedoch auch ein radikaler Abbau der Personalstärke der europäischen Streitkräfte verbunden. Massive Panzerabwehrkräfte erschienen nun als weitgehend überflüssig. Die beteiligten Staaten, vor allem die des Westens, versprachen sich davon eine „Friedensdividende“, d. h. ganz erhebliche Einsparungen, um fortan stärker in die Wirtschaft investieren zu können. Gleichzeitig mussten die Armeen den neuen Anforderungen entsprechend umgebaut werden. Peace-Enforcement und Peace-Keeping wurden zu entscheidenden

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militärpolitischen Zielen. Für die europäischen Streitkräfte sind damit Aus­ landseinsätze an die Stelle der Territorialverteidigung getreten. Das erfordert eine neue Strategie, eine neue Bewaffnung, aber auch ein neues Leitbild des Soldaten. Alle EU-Länder zusammen verfügen über ca. 1,6 Millionen Soldaten im Vergleich zu den 1,4 Millionen Soldaten, welche die Vereinigten Staaten unter Waffen haben, die freilich mit einem mehr als doppelt so hohen Verteidigungsetat ausgestattet sind. Dem stehen 2,3 Millionen Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee gegenüber, deren Bewaffnung zwar noch nicht westlichen Standards entspricht, die aber mit einem ständig steigenden Militäretat rechnen können. Nicht nur in den USA ist zudem der Bedeutungszuwachs privater Militärunternehmen zu beobachten, deren Mitarbeiter in bestimmten Situationen an Stelle von regulären Soldaten eingesetzt werden. In den Kriegen an der Peripherie spielen neben den PMCs zunehmend Kriegsherren (warlords) und Kindersoldaten eine wichtige Rolle. 4. Krieg als Schicksal Mit der Atombombe begann ein neues Zeitalter der Menschheit. Zum ersten Mal erschien die Möglichkeit als real, dass sich die gesamte Menschheit selbst vernichten könnte. Die Atombombe, die kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges von den USA auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen worden war, wirkt freilich noch geradezu „harmlos“ im Vergleich zu späteren Bombengenerationen. Die Zerstörungskraft der Atomwaffen wächst unaufhörlich. Das Bedrohungspotenzial ist damit enorm gestiegen, allerdings – bis Ende der 1980er Jahre – auf beiden Seiten einer bipolaren Welt. Das „Gleichgewicht des Schreckens“ zwischen den Supermächten USA und UdSSR beruhte auf der Möglichkeit der angegriffenen Seite, noch vor dem eigenen Untergang das Territorium des Angreifers zu vernichten. Grundlage der Bedrohbarkeit war also die Territorialität. Die Verwundbarkeit des eigenen Staatsgebietes hielt beide vom Einsatz dieser Massenvernichtungswaffe ab. Ein Atombombensperrvertrag sollte und soll die Weitergabe an andere Staaten verhindern. Großbritannien durfte an der US-Technologie partizipieren, zumal es den USA selbst die Ergebnisse seiner Grundlagenforschung ausgehändigt hatte. Von den übrigen westeuropäischen Staatsführungen gelang es lediglich de Gaulle in den Anfangsjahren nach dem Krieg noch, Frankreich legal zu einer Atommacht (Stichwort: force de frappe) zu machen. Weitere Mächte, wie Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea etc., folgten. Sie entwickelten die Bombe jedoch illegal. Der Versuch einer Eingrenzung scheiterte letztlich am Verhalten der Atommächte selbst, die nicht bereit waren, ihren Verpflichtungen zur Abrüstung aus dem Atomwaffensperrvertrag nachzukommen. Die Atommächte rüsteten aber nicht nur nicht konsequent ab, sie gaben und geben ihr Wissen vielmehr auch gezielt weiter. Der Einsatz von tak 

Offiziell wird der Wehretat für 2007 mit 44,96 Mrd. US-$ angegeben, er dürfte aber etwa doppelt so hoch sein. Münkler 2004, S. 22–37 [28 FN 7].

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tischen Atombomben ist nicht mehr länger tabuisiert, seitdem die USA ihn erklärtermaßen nicht länger ausschließen. Der konventionelle Krieg ist damit keineswegs verschwunden. Er wird aber mit anderen Mitteln und oft auch aus anderen Gründen geführt als etwa die beiden Weltkriege oder die Folgekriege in Korea und Vietnam. 4.1 Staatenordnung Kriege haben das Schicksal Europas bestimmt wie das anderer Kontinente auch, wenn auch häufig mit durchschlagenderer Wirkung. Reiche wurden geschaffen und wieder zerstört, Dynastien kamen und gingen, Grenzen wurden im Laufe der Jahrhunderte hin- und her geschoben. Die erste große Zäsur im Übergang vom vormodernen Krieg zum modernen Krieg bildete der Dreißigjährige Krieg. Er war als Religionskrieg im Gefolge der Lutherschen Reformation (1517) entstanden, entwickelte sich aber im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Kampf um die Mitte Europas. Frankreich und Schweden wurden dabei zu den wichtigsten Machtfaktoren, sie mussten als „Garanten des Friedens“ anerkannt werden, was ihnen jederzeit das Recht zur Intervention gab. Dieser Krieg verwüstete fast ganz Europa und warf Deutschland in seiner Entwicklung um Jahrzehnte, wenn nicht um ein ganzes Jahrhundert, zurück. Die Bevölkerung Deutschlands schrumpfte von 16,5 Mill. im Jahr 1618 auf 10,5 Mill. im Jahr 1648. Von nun an war die deutsche Frage stets auch eine europäische Angelegenheit. Sein wichtigstes weltpolitisches Ergebnis war, dass am Ende dieses Krieges der Westfälische Frieden (genauer: Friedensschluss) stand, der eine neue Ordnung etablierte. Die damals in der Welt führende europäische Staatenwelt wurde neu geordnet und der Krieg auf diese Staatenordnung bezogen. 4.2 Recht zum Krieg? Jeder von den anderen Mächten anerkannte Staat konnte gegen jeden anderen souveränen Staat „legal“ Krieg führen (jus ad bellum). Seine inneren Angelegenheiten waren hingegen von ihm selbst – ohne Einmischung von außen – zu regeln. Der Kabinettskrieg wurde die Regel, in dem es um begrenzte dynastische und territoriale Ziele ging. Diese europäische Entwicklung blieb nicht auf die Alte Welt beschränkt, vielmehr hatten die Europäer bereits damit begonnen, sich die Erde untertan zu machen und riesige Kolonialreiche zu schaffen. Aufgrund ihrer ökonomischen, waffentechnischen und strategischen Überlegenheit waren sie nicht nur in der Lage dazu, über den ganzen Erdball hinweg Militärstützpunkte und Kolonien    

Vgl. Der Spiegel, vom 19.05.2003. Am 31.10.1517 veröffentlichte Martin Luther (1483–1546) seine 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg. Englund 1998. Frieden von Münster und Osnabrück, 1648.

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– auf „herrenlosem Land“ bzw. auf dem Territorium anderer Völker – zu begründen, sondern darüber hinaus gelang es ihnen auch, sich zum Vorbild zu stilisieren, dem weniger (besser gesagt: anders) entwickelte Völker und Länder nachzueifern hatten. Ende des 19. Jahrhunderts begann sich das Machtzentrum jedoch allmählich von der Alten in die Neue Welt zu verlagern. Die Vereinigten Staaten von Amerika schickten sich an, zu einer Weltmacht zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden fast alle europäischen Kolonien im Zuge einer von den USA forcierten Dekolonialisierung zu selbständigen Staaten. 5. Krieg und Politik Das Charakteristische an einem Krieg ist, dass nach seinem Ende nichts mehr so ist, wie es vorher war. Wirtschaft, Politik, Umwelt, Menschen haben sich stets – u. U. sogar nachhaltig – verändert. Die alte Ordnung wird bewusst oder unbewusst gestürzt, und eine neue Ordnung kommt zum Vorschein, die sich dann allmählich durchsetzt. Sowohl der Erste wie der Zweite Weltkrieg zeigen das besonders deutlich am Beispiel Deutschlands. Die Monarchie wurde durch die Republik abgelöst, als nach einer kurzen revolutionären Phase 1919 die Weimarer Republik begründet worden war. Nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht endete faktisch (wenn auch nicht völkerrechtlich) das Deutsche Reich und wurde nach dem Ende der Besatzungszeit durch die Bundesrepublik Deutschland einerseits sowie die Deutsche Demokratische Republik andererseits ersetzt. Dieser Beginn einer neuen Ordnung nach dem Krieg wurde in beiden Fällen (1919 und 1949) durch eine neue Verfassung zugleich dokumentiert und symbolisiert. Krieg und Politik stehen dabei in einem eigentümlichen Wechselverhältnis zueinander. Auf der Grundlage seiner Erfahrungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat Clausewitz den instrumentellen Charakter des Krieges betont. Diese Sichtweise war nicht nur für das 19. sondern auch noch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts charakteristisch. Nach den beiden Weltkriegen schien sich zumindest in Europa jedoch die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass der Krieg als Instrument der Politik im europäischen Raum unter allen Umständen vermieden werden müsse. Und tatsächlich blieb Europa bis zum Kosovokonflikt kriegsfrei, wenn auch nicht ohne bewaffnete Konflikte,10 die eigentlichen Kriege hatten sich jedoch in andere Teile der Welt verlagert. Besonders die Deutschen gefielen sich in der Vorstellung, man könne den Krieg mit einem Tabu belegen und ihn damit vermeidbar machen. „Demokratien führen keine Kriege!“ (gegeneinander) hieß das Motto. Der Revolver mit dem verknoteten Lauf, der vor dem UNO-Gebäude in New York steht, symbolisiert diese Vorstellung. Eine solche Sicht des Verhältnisses von Krieg und Politik ist jedoch nicht nur naiv, sondern sie ist falsch. Sie unterstellt, dass der Staat die Oberhoheit über den  Voigt 2005.  Clausewitz 2002, S. 15. 10 Z. B. Nordirland-Konflikt.

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Einleitung

Krieg habe und diesen kraft eigener Machtvollkommenheit verhindern könne. Tatsächlich gab es auf der Erde niemals eine Epoche ohne Kriege, vielmehr haben sich lediglich die räumlichen und inhaltlichen Schwerpunkte immer wieder verschoben. Auch während des „Europäische Friedens“ in den Jahren 1945 bis 1999 gab es zahllose Kriege auf anderen Kontinenten. Die Konflikte vor der eigenen Haustür wurden hingegen von den beiden Supermächten klein gehalten, um die ganz große – die Menschheit und damit sie selbst bedrohende – Konfrontation zu vermeiden. Der heiße Krieg wurde nicht geführt, sondern die bestehenden Kon­flikte zu einem „Kalten Krieg“ heruntergekocht. Allenfalls Stellvertreterkriege an der Peripherie wurden geduldet. Nach dem Ende der bipolaren Ordnung haben die Balkankriege gezeigt, dass Kriege auch in Europa wieder möglich sind. Lange aufgestautes Konfliktpotenzial (latente Gewalt) explodiert, die aufgeschobenen Auseinandersetzungen kommen ungehindert zum Ausbruch, seitdem die bipolare Ordnung mit ihren Zwang, den Direktiven der einen oder der anderen Supermacht zu folgen, aufgehört hat zu existieren. 5.1 Geopolitische Konflikte Neben regionalen Konflikten, die zu Kriegen eskalieren, gibt es eine Entwicklungslinie globaler geopolitischer Interessenkonflikte, die durch die jeweils führende Macht – von Spanien bis zu den USA – über die Jahrhunderte hinweg stets mit kriegerischen Mitteln ausgetragen wurden. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dabei – wie andere Staaten auch – Krieg immer als erlaubtes Instrument der Politik angesehen, um expansive und schließlich imperiale Ziele durchzusetzen. Sie haben ihre Absichten allerdings stets mit wohlklingenden Attributen wie Freiheit, Wohlstand und Glück versehen, für die es zu kämpfen gelte. Ihre Kriege führten und führen die Amerikaner gern als Kreuzzüge zur Befreiung von unterdrückten Völkern. Dass diese Befreiungs- und Befriedungsaktionen auch eine geopolitische, machtbezogene und ökonomische „Dividende“ für das eigene Land abwerfen, versteht sich von selbst. Vorgeschichte und Verlauf des Irakkriegs von 2003 haben dabei allerdings ein Missverständnis sichtbar werden lassen, das zwischen Amerikanern und Europäern herrscht. Insbesondere die Deutschen sind dem Propagandamärchen aufgesessen, dass die USA jene Macht seien, die – frei nach Goethes Faust – stets das Gute will und damit natürlich auch stets das Gute schafft. Mit großer Selbstverständlichkeit setzt das Empire Amerika seine Interessen als Welthegemon auch mit Hilfe von Kriegen durch, wenn andere Mittel nicht zum erwünschten Ergebnis führen. Das schließt den strategischen Zugriff der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Energiereserven der Welt und das frühzeitige Ausschalten eines aufstrebenden Landes als potenziellen Bedrohungsfaktor ebenso ein wie die Verbesserung der eigenen geostrategischen Lage. Erlaubnis hierzu erteilt nicht etwa die „Weltgemeinschaft“, sondern die durch Meinungsumfragen ermittelte Stimmung der eigenen Bevölkerung und die Mehrheitsverhältnisse im Kongress der Vereinigten Staaten. Amerika hat die UNO nach dem Zweiten Weltkrieg zur Durchsetzung seiner Ziele geschaffen. Funktioniert di-

33

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ese jedoch nicht wie erwartet, dann wird sie – wenn nicht abgeschafft – so doch zumindest zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Aus der Sicht der Amerikaner sind es die USA, welche – ggf. im Verbund mit ihren Juniorpartnern – die Spielregeln einer neuen Weltordnung definieren.11 Schaubild 1: Kriege in der preußisch-deutschen und amerikanischen Geschichte Bezeichnung des Krieges

Daten

Amerik. Unabhängigkeitskrieg

1776–1783

Koalitionskrieg I

1792–1779

Beteiligung

Preußen/ USA Deutschland x

Dauer in Jahren Preußen/ Deutschland

Bay. Erbfolgekrieg

1778–1779

x

1,3

Koalitionskrieg II

1799–1801

x

2

Koalitionskrieg III

Franz.-Preuss.-Russ. Krieg

1805

1806–1807

Franz.-Österr. Krieg

1809

Amerik.-Engl. Krieg

1812–1814

Befreiungskriege

Aktionen d. USA gg. Tripolitan. Seeräuber

1812–1815

x

Amerikan.-Mexikan. Krieg

1845–1848

Amerik. Bürgerkrieg

1861–1865

Deutsch-Dän. Krieg

1864

x

1870–1871

x

Amerik.-Span. Krieg Boxeraufstand

Amerik. Interventionen in Mexiko Erster Weltkrieg

Zweiter Weltkrieg Gesamt

1898

x

1914–1918 1939–1945

(Quelle: Van Creveld 2007, S. 24) 11 Kagan 2003; Voigt 2005.

x

x

1900

1911–1912

x

2,9

2 1

x x

Deutsch-Franz. Krieg

0,65

x

1848–1850

1866

0,9

x

Deutsch-Dän. Krieg

Preuss.-Öster. Krieg

0,4

x

1803–1804

7,25

5,5

x

x

USA

2,9 2,8 0,75

3,5

0,15 x

0,9

0,8

x

0,3

x

x

4,3

1,65

14

10

28,6

23,9

x

x

x

5,75

0,3 1

3,5

34

Einleitung

5.2 Kriegsneigung Dabei wird im öffentlichen Disput häufig unterstellt, dass die Deutschen „kriegslüsterner“ seien als beispielsweise die Amerikaner.Van Crefeld hat dazu in seinem Buch Kampfkraft eine Tabelle (Schaubild 1) vorgelegt, die ein differenzierteres Bild bietet. Bei Berücksichtigung der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg würden sich die Zahlen für die USA sogar auf 13 Kriege und 37,9 Jahre Kriegsdauer insgesamt erhöhen.12 Eine besondere Kriegsneigung der Deutschen lässt sich daraus jedenfalls nicht ablesen. 5.3 Zugehörigkeitstest Die Kriege des letzten Jahrzehnts am Golf, auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak haben noch einen tieferen Sinn, der sich jedoch erst auf den zweiten Blick erschließt. Es ist dies der Zugehörigkeitstest, verbunden mit einer ständigen Anpassung der globalen „Hackordnung“ an die veränderten Machtverhältnisse und Umweltbedingungen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gruppieren sich die westlichen Verbündeten um die USA als ökonomisch-militärischen Machtkern. Durch Unterordnung versuchten die Alliierten einen mehr oder minder großen Anteil an der Macht des Empire Amerika („Brosamen von des Reichen Tisch“) zu gewinnen.13 Beispielhaft hierfür ist die Rolle Großbritanniens, das nach dem – nach offizieller Lesart „gewonnenen“ – Krieg 1945 den Status als Weltmacht noch eine Weile behalten durfte, wenn auch von Gnaden der Vereinigten Staaten. Lange ließ sich diese Fiktion jedoch nicht aufrechterhalten, vielmehr zeigte sich schon bald, dass das einstige British Empire zerbrach und das Potenzial des Vereinigten Königreichs nur noch für eine Mittelmacht ausreichte. Atommachtstatus und partielle Teilhabe an den militärischen (Atom-) Geheimnissen der USA sowie die Position als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat verschleierten diesen Zustand jedoch. Die Rolle als Juniorpartner Amerikas schien auf Dauer angelegt, konkurrenzlos und vorteilhaft. Die NATO bot den hierfür geeigneten Rahmen, der zugleich die beiden nordamerikanischen Staaten zusammenfasste, Großbritannien eng an die USA band und die übrigen Länder Westeuropas unter dem Oberbefehl eines amerikanischen VierSterne-Generals und unter dem Vorsitz eines willfährigen Generalsekretärs auf die US-Position verpflichtete. De Gaulle hatte diese Funktion der NATO als Erster erkannt und daraus die Konsequenzen gezogen. 1966 trat Frankreich aus dem militärischen Teil der NATO aus.14 In den letzten Jahrzehnten wuchs der Einfluss der Europäer auf die Entscheidungen der NATO. Um Deutschland (und Italien) von dem Wunsch nach einer eigenen Atombewaffnung abzubringen, wurde 1966 die Nukleare Planungsgruppe der NATO gegründet, die bis 1979 vier ständige (USA, 12 Van Creveld 2007, S. 24. 13 Hondrich 2002, S. 28. 14 Das NATO-Hauptquartier musste daraufhin von Fontainebleau nach Mons in Belgien verlegt werden.

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Großbritannien, Deutschland, Italien) und vier nicht ständige Mitglieder umfasste.15 Unter der Präsidentschaft von G. W. Bush änderten die USA ihre Politik jedoch grundlegend und begannen damit, ihre Interessen mit wechselnden Mehrheiten unter den Alliierten („Koalitionen der Willigen“) ohne Einbeziehung der NATO durchzusetzen. 5.4 Amerika und Europa Für die USA rückten im Laufe der Zeit andere Präferenzen in den Vordergrund. Von Zeit zu Zeit wird sogar Deutschland auf Grund seiner geostrategischen Bedeutung im Zentrum Europas und seines ökonomischen sowie militärischen Potenzials zum bevorzugten Partner der Vereinigten Staaten. Der Zweite Golfkrieg und der Irakkrieg von 2003 sahen hingegen das Vereinigte Königreich wiederum als Favorit an der Seite des Seniorpartners, allerdings mit ständig schrumpfender Bedeutung. Noch nie war Großbritannien in einer so misslichen Lage: Die Gunst des Großen Bruders schwindet auf Grund des eigenen Bedeutungsverlusts, die Kernländer der Europäischen Union ziehen Konsequenzen aus dem Verhalten des unsicheren Kantonisten, die innenpolitischen Fesseln erlauben keine klare Hinwendung nach Europa z. B. durch Beitritt zur Eurozone. Andererseits hat die Bevölkerung Großbritanniens seine Ablehnung des Irakkrieges durch Massendemonstrationen besonders deutlich zum Ausdruck gebracht. Die britische Regierung möchte die wirtschaftlichen Vorteile der europäischen Integration nutzen, aber eher als Freihandelszone, denn als politische Organisation.16 Eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die den Namen verdienen würde, liegt daher nicht im britischen (Regierungs-) Interesse. Einen EUAußenminister mit echten Kompetenzen und einen Rechtsstatus der EU, der ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen erlauben würde, lehnt das Vereinigte Königreich kategorisch ab. Der jetzt ins Leben gerufene „Außenbeauftragte“ der EU ist nur ein geringer Ersatz für den EU-Außenminister. Eine Verfassung für Europa ist – nicht zuletzt auf Betreiben der Briten – längst „zu Grabe getragen“ worden. In mehreren dieser Forderungen wird Großbritannien durch das EU-Altmitglied Dänemark sowie durch die Neumitglieder Polen (jedenfalls bis zur Neuwahl des Seijm) und Tschechien bestärkt. 5.5 Strafe des Imperiums Kriege dienen als Lackmustest für die Verlässlichkeit von Bündnispartnern. In jedem dieser Kriege des letzten Jahrzehnts wurde daher erneut die Frage gestellt, welche Nation wo steht und wer zu wem gehört.17 Deutschland konnte sich zwar 15 Seit 1979 steht die Nukleare Planungsgruppe allen NATO-Mitgliedern offen, die formal alle gleichberechtigt sind. 16 Vgl. The Economist, June 4th 2005, S. 11 („The Europe that died“). 17 Hondrich 2002, S. 29.

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noch kurz nach der Wiedervereinigung unter Verweis auf seine ursprünglich als pazifistisch konzipierte Nachkriegsverfassung im Zweiten Golfkrieg aus dem Kriegsgeschehen heraushalten und seiner „moralischen Pflicht“ durch größere Geldzahlungen genügen. In den Balkankriegen und im Afghanistankrieg musste es aber mit eigenen Truppen deutlich machen, dass es Bestandteil der westlichen Welt, also dem um die USA kreisenden Satellitensystem, war. Die Verweigerungshaltung der Bundesregierung im Irakkrieg von 2003 und die amerikanische Reaktion hierauf ließen schlaglichtartig erkennen, dass Deutschland – zumindest zeitweise – nicht mehr „dazu gehörte“. Dies war umso gefährlicher, als die Bush-Doktrin galt: „Wer nicht für uns ist, ist unser Feind!“. Zum anderen zeigte sich in allen Kriegen mit deutscher Beteiligung, dass Deutschland trotz seines großen ökonomischen Potenzials zu den militärischen „Leichtgewichten“ gezählt wurde, dem Großbritannien und Frankreich dank ihrer kriegserprobten Verbände und höheren Militärausgaben haushoch überlegen zu sein schienen. In der Rangordnung schien Deutschland also einen Platz weit unten einzunehmen. Das änderte sich erst, als die Bundesregierung im Herbst 2002 öffentlich erklärte, sie werde sich nicht an einem Irakkrieg beteiligen. In dem folgenden harten Ringen in der Öffentlichkeit,18 im Sicherheitsrat und an anderen Schauplätzen erwies sich nämlich, dass Deutschland eine Schlüsselrolle innehat und zum Kristallisationskern einer politischen Gegenbewegung gegen die absoluten Hegemonialansprüche der Vereinigten Staaten werden kann. Die „Strafe“ der Supermacht für den unbotmäßigen Vasallen sollte hart sein, denn der Einsatz ist hoch. So entzog USPräsident G. W. Bush Deutschland die amerikanische Unterstützung für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, die sein Vater als 41. Präsident der USA der Regierung Kohl noch in Aussicht gestellt hatte. Allerdings setzt Amerika nicht nur die Peitsche, sondern auch das Zuckerbrot ein, um Alliierte, auf die es nicht verzichten kann und will, auf Kurs zu bringen. Der Wechsel der Regierungen in Deutschland (2005) und Frankreich (2007) einerseits sowie ein Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress (2007) andererseits hat die Konfrontation zwischen dem „Alten Europa“ und den USA jedoch entschärft. Sowohl Merkel als auch Sarkozy gelten als „amerikafreundlich“, und die demokratische Mehrheit im Kongress nötigt Busch zu einer Kompromisspolitik. 6. Weltöffentlichkeit Im nationalstaatlichen Kontext ist die mediale Öffentlichkeit weitgehend auf die eigene Gesellschaft begrenzt. Sprachprobleme hindern die meisten Menschen daran, die öffentliche Diskussion in anderen Gesellschaften zu verfolgen oder gar daran teilzunehmen. Sie sind dabei auf die eigenen Medien und deren (selektive) Berichterstattung angewiesen. Im Zeichen der Globalisierung und des Kosmopoli18 Entgegen allen sonst üblichen Gepflogenheiten verweigerte die CDU/CSU in diesem Punkt den nationalen „Schulterschluss“ und suchte sich durch „Bittgänge“ nach Washington innenpolitische Vorteile zu verschaffen. In Frankreich versuchte Sarkozy, sich auf ähnliche Weise zu profilieren.

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tismus der Eliten setzt sich jedoch das Englische als globale Verkehrssprache immer mehr durch, so dass englischsprachige Zeitungen und Zeitschriften – wie z. B. New York Herald Tribune oder Newsweek – weltweit gelesen werden. Zudem ermöglicht die Satellitenübertragung den Empfang von globalen Nachrichtensendern wie CNN an jedem Ort der Welt. Fernsehsendungen über Sportereignisse wie Olympiaden erreichen u. U. ein Milliardenpublikum. Informationen, die durch ­diese Medien verbreitet werden, haben Einfluss auf die Meinungsbildung vieler Menschen, insbesondere von Entscheidungsträgern, wie Politikern, Managern, Bankern, und Journalisten. Der Aktienmarkt reagiert sensibel auf jedes wirtschaftsrelevante Ereignis (oder Gerücht) auf der Welt. Eine politische Weltöffentlichkeit stellt sich hingegen bislang nur bei historischen Großereignissen wie dem 11. September 2001 punktuell her. „Dank der elektronischen Medien und infolge der erstaunlichen Erfolge von weltweit operierenden nichtstaatlichen Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch könnte sie aber eines Tages eine festere Infrastruktur annehmen und größere Kontinuität gewinnen“.19 7. Entgrenzter Krieg Das vorliegende Buch setzt sich in sieben Teilen, die in 30 Kapitel gegliedert sind, mit dem Zusammenhang von Staat, Krieg und Raum auseinander (siehe Schaubild). Dabei geht es nicht nur, aber vordringlich um asymmetrische Konflikte in einer deterritorialisierten Welt. Jedem Teil sind Vorbemerkungen vorangestellt, die einen ersten Überblick über die Thematik geben, die anschließend in den Kapiteln näher behandelt wird. Unter der Überschrift „Krieg ohne Raum?“ wird im ersten Teil zunächst die Begrifflichkeit erörtert. Was ist eigentlich ein Krieg, und wie hängt er mit den Be­ griffen „Konflikt“ und „Gewalt“ zusammen? Was bedeutet Deterritorialisierung für den Krieg? Sodann geht es um Bausteine für eine moderne Kriegsforschung, um Kriegsarten und schließlich um einen ersten Hinweis auf den neuen Typus des asymmetrischen Krieges. Der zweite Teil thematisiert unter der Überschrift „Krieg und Politik“ den Krieg als existenzielle Erfahrung, die (durchaus auflösbare) Verbindung von Kriegsmaschine und Staat (unter Rückgriff auf Deleuze und Guattari) sowie das 20. Jahrhundert als das „Jahrhundert der Kriege“. Ein zentraler Aspekt des „entgrenzten Krieges“ ist natürlich die Interdependenz zwischen Krieg und Raum, die Gegenstand des dritten Teils ist. Zwar ist die Geopolitik – im Hinblick auf ihre Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten – in Deutschland lange vernachlässigt worden, die Rohstoff- und Energieabhängigkeit der deutschen Industrie zwingt aber auch die Bundesregierung zu eigenen geostrategischen Überlegungen. Expansionskriege sind Kennzeichen eines Zeit­alters der Territorialität, sie scheinen der Vergangenheit anzugehören. Das Empire Amerika geht andere Wege, um seine Rohstoff- und Energiebasis zu sichern, es führt dazu freilich auch Kriege, die sie jedoch mit dem Etikett „Befreiung“ versieht. 19 Habermas 2002, S. 27–45 [44].

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Einleitung

Schaubild: Aufteilung des Buches Teil

Abschnitt

Einleitung

Kapitel

I. Krieg ohne Raum

1. Begrifflichkeit

II. Krieg und Politik

1. Existentielle Erfahrung

2. Kriegsforschung

2. Kriegsmaschine und Staatsapparat 3. Jahrhundert der Kriege

III. Krieg und Raum IV. Symmetrische Kriege

1. Geostrategie 1. Krieg als Machtinstrument 2. Kriegsmotive

2. Expansionskriege 1. Imperiale Kriege

2. Wirtschaftskriege

3. Unabhängigkeits- und Einigungskriege 4. Revanchekriege 3. Kriegsformen

V. Asymmetrische Kriege

1. Innerstaatliche Kriege

2. Krieg und Terrorismus

3. Krieg und Frieden

VI. Krieg und Information VII. Kriegsinstrumente

Schluss: Krieg ohne Raum

5. Übervölkerungskriege 1. Staatenkrieg 2. Volkskrieg

3. Totaler Krieg 1. Bürgerkrieg

2. Partisanenkrieg 3. Identitätskrieg 1. Terrorismus

2. Religion, Konflikt und Gewalt 3. Sieg über den Rechtsstaat? 1. Hegung des Krieges 2. Moralische Kriege

3. Humanitäre Kriege 1. Informationskrieg 2. Krieg der Worte

3. Krieg der Bilder 1. Krieger

2. Kriegstechnik

3. Kriegsfinanzierung

Einleitung

39

Die Westfälische Staatenordnung ging von dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Staaten aus, symmetrische Kriege waren ihr Kennzeichen. Diese werden im vierten Teil behandelt. Der Krieg diente als Machtinstrument, um dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen (Clausewitz), war gleichzeitig aber auch streng geregelt. Imperialen Kriegen, wie z. B. Kolonialkriegen, sowie Wirtschaftskriegen, Unabhängigkeits- und Einigungskriegen, Revanchekriegen und Übervölkerungskriegen liegen unterschiedliche Motive und Ursachen zugrunde. Als Kriegsformen werden sodann der Staatenkrieg, der Volkskrieg und der totale Krieg identifiziert, aus denen sich auch eine gewisse zeitliche Reihenfolge ablesen lässt. Im fünften Teil geht es um asymmetrische Kriege, die für den Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert typisch sind. Bürgerkriege, Partisanenkriege und Identitätskriege sind verschiedene Ausprägungen innerstaatlicher Kriege (Abschnitt 1). Demgegenüber ist der zweite Abschnitt dieses Teils dem Themenkomplex „Krieg und Terrorismus“ gewidmet. Er beschäftigt sich mit der Frage, was ist eigentlich Terrorismus, und gibt es neben den al-Qaida-Terroristen auch andere, womöglich staatliche Terroristen? In diesem Zusammenhang spielen offenbar die Interdependenzen zwischen religiösem Fundamentalismus, Konflikten und Gewalt eine besondere Rolle. Die Gefahr wächst, dass im Zuge des Abwehrkampfes gegen den weltweiten Terrorismus so viele Rechte der Bürger einkassiert werden, dass die Freiheit auf der Strecke bleibt und der Terrorismus auf diese Weise gesiegt hätte. Um Krieg und Frieden geht es im dritten Abschnitt. Dazu gehört ganz besonders die „Hegung“ des Krieges mit Hilfe des Völkerrechts. In diesem Zusammenhang sind aber auch die neuen moralischen Kriege und humanitären Interventionen zu besprechen. Wieweit kann, soll und muss sich die so genannte Staatengemeinschaft – gemeint ist ein um das Empire Amerika als Sonne kreisendes Satellitensystem – in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einmischen? Die UN-Charta verbietet dies, ein möglicherweise gegebenes Nothilferecht würde es im Falle unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben der Angehörigen dieses Staates gebieten. Sind wir seit dem Kosovokrieg auf dem Wege zu einem neuen Völkerrecht für eine „Weltbürgergesellschaft“? Im Zeitalter des Internets muss auch der Zusammenhang von Krieg und Information (6. Teil) näher beleuchtet werden. Neuere Kriegsformen wie der Cyberwar knüpfen teilweise an ältere Kriegsformen, wie den psychologischen Krieg, an. Virilio spricht sogar von der „Informationsbombe“ als der wirksamsten Waffe des modernen Krieges. Fest steht jedenfalls, dass Informationen in den heutigen Kriegen – je nach technologischem Niveau der Beteiligten – eine wichtige, wenn nicht sogar eine ausschlaggebende Rolle spielen können. Dafür müssen auch die modernen Streitkräfte umgerüstet werden. An den älteren Krieg der Worte schließt sich der moderne (und sehr viel wirkungsvollere) Krieg der Bilder an. Dabei geht es nicht nur (aber auch) um Manipulation, um Fälschung und Desinformation, sondern auch um eine willkürliche Veränderung der wahrgenommenen Realität. Die Echtzeitberichterstattung vom Kriegsgeschehen hat seit dem Zweiten Golfkrieg die Fernsehgewohnheiten revolutioniert. Die „Wahrheit“, von der man sagt, dass sie das erste Opfer des Krieges sei, ist damit freilich keineswegs leichter zu erkennen.

40

Einleitung

Zur Kriegsführung bedarf es bestimmter Mittel, einer gewissen Technik und speziell hierfür ausgebildeten Personals. Der siebte Teil beschäftigt sich daher unter der Überschrift „Kriegsinstrumente“ mit dem Krieger, der sowohl in regulären Streitkräften als Soldat, als auch in irregulären Verbänden als Partisan, Söldner oder Angestellter eines privaten Militärunternehmens (PMC) kämpfen kann. Dabei spielen in den Kriegen an der Peripherie zunehmend Warlords und Kriegsunternehmer eine Rolle, die ein enges Netzwerk aus kriegerischen und kriminellen Aktivitäten knüpfen. Zu allen Zeiten war der Stand der Kriegstechnik ein ausschlaggebender Faktor für Sieg oder Niederlage. Im Zeichen der Massenvernichtungswaffen, der Interkontinentalraketen und der Raketenabwehrschirme im Orbit rücken die Waffengattungen in den Hintergrund. Immer wichtiger wird jedoch die Finanzierung der Kriege. Dabei ist eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Während die High-Tech-Waffen immer teurer werden, erreichen die Preise für Handfeuerwaffen (Stichwort: Kalaschnikow) ein solches Niedrigpreisniveau, dass praktisch jede zum Aufruhr bereite Gruppe z. B. in Afrika genügend Waffen kaufen kann, um ihre Truppe – ggf. unter Einschluss von Kindersoldaten – bewaffnen zu können. In den schmutzigen Kriegen an der Peripherie Europas ist es inzwischen selbstverständlich, dass sich die kriegführenden Banden an den Hilfslieferungen der humanitären Organisationen bereichern und ggf. von ihren Landsleuten in den reichen Ländern des Westens Kriegssteuern erpressen.

Teil I: Krieg ohne Raum?

Ist das 20. Jahrhundert das Jahrhundert des Raumes, wie Foucault meint, ein Jahrhundert, in dem die Überwindung von Grenzen und die Durchdringung von Räumen die bestimmenden Charakteristika sind? Und müsste man dann nicht das 21. Jahrhundert, in dem Grenzen nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu haben scheinen, als das Jahrhundert der Deterritorialisierung oder Entgrenzung bezeichnen? Dann stellt sich aber die Frage, was diese Deterritorialisierung für den Krieg bedeutet. Natürlich findet Krieg nicht ohne Raum, sondern in einem (wie auch immer gearteten) „Raum“ statt, aber die Grenzen, die unabdingbar zu der Definition eines Raumes gehören, sind teils ganz verschwunden (Stichwort: Schengen), teils signifikant durchlässiger geworden. Der Raum selbst hat sich in vielerlei Hinsicht grundlegend verändert, und zwar: − Geografisch: Durch die Verfügbarkeit von Interkontinentalraketen und Satelliten hat eine Maßstabveränderung stattgefunden, die einerseits den Weltraum (Orbit) einbezieht, andererseits dazu führt, dass auch ein Krieg an der Peripherie sich weit über die eigene Region hinaus auswirkt. − Geopolitisch: Durch einen Krieg wird in aller Regel das bislang bestehende Machtgleichgewicht verändert, z. B. wenn der Sieger damit sein Territorium vergrößert (Expansionskrieg) bzw. die Verfügung über lebenswichtige Roh­ stoff- und Energiequellen erhält (Rohstoffkrieg), oder wenn ein multiethnischer Staat nach dem Krieg zu zerfallen droht. − Sicherheitspolitisch: Die geringe Vorwarnzeit für Angriffe z. B. aus dem Orbit, aber auch durch Interkontinentalraketen, verändert die Sicherheitsvorstellungen von Militärs und Politikern; Raketenabwehrsysteme scheinen auf den ersten Blick einen ausschließlich defensiven Charakter zu haben, sie werden aber dann als Bedrohung der eigenen Sicherheit angesehen, wenn dadurch der Betreiber unangreifbar wird. − Psychisch: Vermittelt durch die Massenmedien (Fernsehen), die in Echtzeit berichten, rückt auch ein Krieg in einem weit entfernten Erdteil in das Bewusstsein der Menschen, die nicht direkt von diesem Krieg betroffen sind; für die Kriegführenden bedeutet das, dass sie versuchen müssen, ihre Sicht der Dinge in der Weltöffentlichkeit durchzusetzen. − Moralisch: Vor allem die westlichen Demokratien fühlen sich berufen, den Staaten mit anderer Ausrichtung (totalitär, autokratisch, religiös) vorzuschreiben, wie sie zu agieren haben (Stichwort: good governance); im Falle von Menschenrechtsverletzungen wird daraus ein Recht zum humanitären Krieg abgeleitet.

42

Teil I: Krieg ohne Raum?

Die Folgen dieser Veränderung des Raumes für Ausbruch, Verlauf und Ende von Kriegen werden dabei sichtbar, sie gehen freilich über das bislang Gesagte weit hinaus.

Kapitel 1: Begrifflichkeit Um sich dem Thema „Krieg ohne Raum“ nähern zu können, muss zunächst Klarheit über einige der zentralen Begriffe hergestellt werden. Es sind dies vor allem natürlich die Begriffe Krieg und Raum. Da es sich bei Kriegen um bewaffnete Konflikte handelt, stehen hier die Aspekte Konflikt und Gewalt im Vordergrund der Überlegungen. Der Dimension des Raumes wird hingegen im Folgenden durch die Aspekte Deterritorialisierung und Geopolitik Rechnung getragen. 1. Bewaffnete Konflikte Obgleich auf den ersten Blick offensichtlich zu sein scheint, was man unter einem Krieg versteht, zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass es auf der Skala zwischen Konflikt und Krieg zahlreiche Zwischenstadien gibt. „Der Krieg gleicht dem Wasser. Wie Wasser hat er keine feste Form“, hatte der chinesische Kriegstheoretiker Sun Tsu bereits vor 2500 Jahren festgestellt. Clausewitz verdanken wir die Einsicht, dass der Krieg alle Lebensbereiche erfasst und sich nicht auf einen rein militärischoperativen Vorgang begrenzen lässt. Tatsächlich hat der Krieg im Laufe der geschichtlichen Entwicklung seine Gestalt ständig verändert. Gesellschaftlicher Wandel und technischer Fortschritt treiben diese Veränderung voran. In jeder Epoche muss also über den Kriegsbegriff und sein Verhältnis zu Staat und Raum neu nachgedacht werden. Diese Aufgabe wird allerdings dadurch erschwert, dass heute verschiedene Kriegsformen in einer Art Gemengelage nebeneinander existieren und oft sogar ineinander übergehen. Es gibt aber durchaus einige grundlegenden Gemeinsamkeiten, die es zunächst herauszuarbeiten gilt. 1.1 Krieg Unter Krieg wird regelmäßig eine Auseinandersetzung bewaffneter Kräfte verstanden, die um die Durchsetzung bzw. Verhinderung bestimmter Zielsetzungen gegeneinander kämpfen. Ausgangspunkt für eine Definition des Krieges ist dabei die Clausewitzsche Kriegstheorie. Dass es offenbar mehr Gegner als Befürworter dieser Theorie gibt, hängt zum einen damit zusammen, dass manche der Formulierungen in seinem Buch Vom Kriege von den Interpreten missverstanden worden sind, zum anderen sind gerade bei der Kriegsdefinition Deskription und Präskription eng miteinander verknüpft, und drittens schließlich sind mit der Kriegsdefinition oft eigene Rechtfertigungs- bzw. Ablehnungsstrategien verbunden. Clausewitz 

Münkler 1992.

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Teil I: Krieg ohne Raum?

hat den Krieg geradezu zeitlos folgendermaßen definiert: „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“. Die Gewalt ist das Mittel, die Erfüllung des Willens der Zweck. Über die Natur der Gegner verliert er kein Wort. Es geht ihm also – entgegen landläufiger Meinung – keineswegs nur um Staatenkriege, bei denen immer zumindest auf einer Seite der Staat mit seinem Militär beteiligt sein muss. Clausewitz selbst hat den Krieg als „wunderliche Dreifaltigkeit“ bezeichnet, „zusammengesetzt aus der ursprünglichen Gewaltsamkeit seines Elementes, dem Hass und der Feindschaft, die wie ein blinder Naturtrieb anzusehen sind […]“. Form und Dynamik des Krieges hängen von mehreren Faktoren ab: − Konfliktstruktur − Wissenschaftlich-ökonomisches Potenzial − Waffentechnik − Professionalisierung − Propaganda. Während die Konfliktstruktur für Dauer und Intensität des Krieges maßgeblich sein kann, hängt der Ausgang des Krieges (Sieg oder Niederlage) oft von dem wissenschaftlich-ökonomischen Potenzial der Krieg führenden Parteien ab. Waffentechnik und Professionalisierung stehen in einem engen Zusammenhang. Die Professionalisierung einer Armee wird am stärksten vorangetrieben, wenn die Streitkräfte aus gut ausgebildeten und hoch spezialisierten Berufssoldaten bestehen. In bestimmten Fällen kommen für kriegerische Aktionen neben speziellen Einsatztruppen (special forces) aber auch Private Militärunternehmen in Betracht, die sich ihrerseits auf bestimmte Einsätze spezialisiert haben. Anders als Soldaten fehlt ihren Mitarbeitern jedoch die staatlich anerkannte Legitimation für ihr Handeln. Die Kämpfer in nichtstaatlichen Kriegen verfügen meist über eine leichte Bewaffnung (Stichwort: Kalaschnikow), für die eine kostspielige und langwierige Ausbildung nicht erforderlich ist. Auch beim Einsatz von Soldaten zeigt sich, dass Gewalt gewissermaßen ein Eigenleben hat. Oft wird die als Kampf stilisierte und ritualisierte Gewalt als Identität stiftende Kraft eigner Art erlebt. Sie verleiht dann der eigenen Sache, sei es der Kampf um die nationale Einigung, die Befreiung von Fremdherrschaft oder auch die sendungsbewusste Ausmerzung des Bösen, eine Aura des Sakralen. Der religiöse Fundamentalismus, keineswegs nur der islamische, steigert die Brisanz dieser Gewalt bei den Kämpfern noch erheblich.

  

Clausewitz, Vom Kriege, I, 1, 2, S. 191 f. Vgl. Sikora 2003, S. 213. Hondrich 2002, S. 15.

Kapitel 1: Begrifflichkeit

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1.2 Konflikt Ein Konflikt ist eine unvereinbare Positions- bzw. Interessendifferenz zwischen mindestens zwei Akteuren. Es handelt sich also um eine Interessenkonstellation, nicht um das Handeln von Akteuren. Allerdings deutet sich im Konflikt bereits „eine besondere Situation der Rivalität an, in der beide Seiten sich der Unvereinbarkeit ihrer potenziellen künftigen Handlungen bewusst sind und in der jeder von beiden sich zu einer Haltung gedrängt fühlt, die mit den erkennbaren Interessen des Anderen unvereinbar ist“. Bis zum Ende der Ära des atomaren Gleichgewichts enthielten fast alle analytischen Konzeptionen – zumindest implizit – die Annahme der Symmetrie. Gedanklicher Ausgangspunkt war also stets ein symmetrischer Konflikt, bei dem die Ressourcen, Methoden und Ziele der Konfliktgruppen ähnlich sind. Tatsächlich gibt es heute jedoch weit mehr asymmetrische als symmetrische Konflikte. Der transnationale Terrorismus hat diese Tendenz noch verstärkt. Nicht nur die Ziele sind grundverschieden, sondern auch bei Ressourcen und Methoden ergeben sich erhebliche Unterschiede. Während die westlichen Staaten im Kampf gegen den Terror über ungleich viel mehr materielle und personelle Ressourcen sowie über die neueste Waffentechnik verfügen, spielen die Terroristen ihre Überlegenheit auf dem Gebiet der Methoden aus. So sind z. B. Selbstmordanschläge auch mit einem überwältigen Sicherheitsaufgebot und einem hohen technischen Niveau des Staates kaum zu verhindern, zumal sie sich zumeist gegen so genannte „weiche“ Ziele richten, die weniger bewacht werden, weil sie – zumindest scheinbar – eine geringere strategische Bedeutung haben. Ausgangspunkt einer Definition des Krieges sind also Konflikte zwischen Bewaffneten, die zwar nicht immer, aber doch häufig zu Kriegen eskalieren. Dabei lassen sich rückblickend aus einer Analyse der großen Kriege fünf Faktoren feststellen, die beim Ausbruch eines Staatenkrieges eine wichtige Rolle spielen können: 1. 2. 3. 4. 5.

Persönlichkeitsmerkmale Mächtige Interessengruppen Herrschende nationale Machtelite Massenmedien und öffentliche Meinung Politische Kultur (bellizistisch, militaristisch, pazifistisch).

In der modernen globalisierten Welt wird die Eskalation von Konflikten immer wahrscheinlicher, da die Reibungsflächen für Konflikte zunehmen. Imperiale Interessen sowie geostrategische, ökonomische, ethnische, religiöse, kulturelle und andere Unterschiede bilden die Basis für die Konflikte dieser Welt. Expansive Ideologien sorgen für eine Eskalation solcher Konflikte zu grenzüberschreitenden Kriegen, zumal die staatliche Autorität zur Einhegung des Krieges zumeist fehlt. Der transnationale Terrorismus ist ohnehin nicht auf ein Staatsgebiet beschränkt, seine    

Zangl/Zürn 2003, S. 83. Boulding 1957, S. 131. Jacobsen 1971, S. 5–15. Vgl. Deutsch/Senghaas 1982, S. 177–229.

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Teil I: Krieg ohne Raum?

Protagonisten sind in aller Regel keine staatlichen Akteure. Frieden hingegen ist nicht nur Abwesenheit von Krieg (negativer Friedensbegriff), wie es Hobbes 1651 formuliert hatte, sondern darüber hinaus auch ein wünschenswerter Zustand der Gewaltlosigkeit (positiver Friedensbegriff10), der allerdings nur selten und – wenn überhaupt – nur für kurze Zeit erreicht wird. Ungelöste internationale Konflikte, wie z. B. Grenzstreitigkeiten oder Verteilungskonflikte, etwa um Erdöl- oder Erdgasfelder im Meer11 oder um den Zugang zu Trinkwasser, erhöhen regelmäßig das Kriegsrisiko. 1.3 Gewalt Soziologisch lassen sich Kriege als Versuche definieren, Konflikte mittels gemeinschaftlich organisierter Gewalt zu lösen. Gewalt ist ein asymmetrisches Verhältnis von Handlungsmacht und Erleiden, sie wird – nach Clausewitz – erst dadurch zum Kampf, dass sich die Unterdrückten zur Wehr setzen.12 Andernfalls handelt es sich bei massenhafter Gewalt um Massaker, Massenvernichtung oder Massenmord.13 Erst wenn diese Gewalt gebündelt, kollektiv organisiert und nach außen gewandt wird, wird aus einem Konflikt ein Krieg.14 Das grenzt den Krieg zwar von jeder Gewaltaktion ab, die einem Einzelnen oder einer Gruppe zuzuordnen ist, beschränkt ihn aber nicht auf den Krieg von Staaten. Dabei könnte sich die Ausdifferenzierung von fünf Formen von Gewalt als nützlich erweisen,15 um Krieg von anderen Formen der Gewaltausübung zu unterscheiden: − − − − −

auf Vernichtung angelegte Gewalt instrumentelle Gewalt rituelle Gewalt strukturelle Gewalt latente Gewalt.

Bringt man diese Gewaltformen in eine Art Hierarchie und greift die beiden Extrempositionen heraus, dann ergibt sich Folgendes: Während das Vorhandensein latenter Gewalt bzw. Gewaltbereitschaft in einer Gesellschaft nicht unbedingt zum Krieg führen muss (obwohl die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist), bricht sich die auf Vernichtung angelegte Gewalt regelmäßig in Kriegen Bahn. Instrumentelle Gewalt kommt zum Ausbruch, wenn z. B. eine starke und kampfbereite Armee auf ihren Einsatz im Krieg drängt, um ihre Stärke unter Beweis zu stellen. Dieses Risiko erhöht sich signifikant, wenn sich die Armee wirksam der zivilen Kontrolle entzieht (Stichwort: Staat im Staate) oder bereits in großer Zahl in die Nähe eines  10 11 12 13 14 15

„Die Zeit aber, in der kein Krieg herrscht, heißt Frieden“, Hobbes 2000. Kant, Zum ewigen Frieden. Beispiel: Streit zwischen Australien und Osttimor. Herberg-Rothe 2003, S. 12 f. Waldmann 1998, S. 16 f. Hondrich 2002, S. 12, 16 f. Sikora 2003, S. 210–238 [225].

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Kapitel 1: Begrifflichkeit

potenziellen Kriegsschauplatzes transportiert worden ist (Beispiel: Irakkrieg von 2003). Strukturelle Gewalt bezieht sich auf das Gewaltpotenzial, das in politischen, juristischen und ökonomischen Machtstrukturen zum Ausdruck kommt. Rituelle Gewalt scheint hingegen eher für archaische, ggf. auch für faschistische Gesellschaften typisch zu sein. An die Stelle staatlicher Gewalt in den Kriegen herkömmlicher Art treten allerdings in den heutigen Kriegen zunehmend Formen nicht-staatlicher Gewalt (siehe Schaubild 2). Schaubild 2: Formen nichtstaatlicher Gewalt Gegenstaat­ liche Gewalt den Staat bekämpfend Akteure (z. B.)

Parastaat­ liche Gewalt

Mafiöse Gewalt

ersetzend

unterminierend ignorierend

ergänzend

hochgradig organisierte kriminelle Vereinigungen

Selbstschutz­ komitees, Bürgerwehren

Bürgerkriegs­ Paramilitärs armee, Guerilla, Terrorgruppen

„Normale“ Gewalt nicht politisch motivierte Jugendbanden

Extrastaatliche Gewalt

(Quelle: Bendel/Krennerich 2003, S. 13)

2. Deterritorialisierung Deleuze und Guattari haben den unterschiedlichen Umgang mit der Kategorie Raum am Vergleich der Brettspiele Schach und Go zu zeigen versucht: „Beim Schach wird der Raum kodiert und decodiert, während Go […] den Raum territorialisiert und deterritorialisiert“.16 Ähnliches gilt für den modernen Krieg, der sich unterschiedlicher Raumdimensionen bedient. Im Hinblick auf die europäischen Territorialstaaten scheint jedenfalls festzustehen, dass sie im Rahmen der Globalisierung erheblich an Bedeutung verloren haben. Das Empire Amerika ist mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums für einen gewissen Zeitraum zur einzigen globalen Supermacht mit dem Anspruch auf die Position des Welthegemons avanciert.17 Funktionsstörungen im Sozialsystem und Kommunikationsstörungen im politischen System verbunden mit einem weitgehenden Verlust des einzelstaatlichen Gestaltungsspielraums im Bereich der Wirtschaft bringen selbst in den stabilen Nationalstaaten des Westens eine Legitimationskrise mit sich. In den ohnehin gefährdeten Staaten der Peripherie bedeutet das eine gravierende Schwächung des staatlichen Gewaltmonopols, die sich in konkurrierenden Machthabern (Stichwort: warlords) und permanentem Bürgerkrieg zeigt und unter Umständen zum Scheitern des Staates führt. Es liegt auf der Hand, dass dies gravierende Folgen für den Krieg hat.

16 Deleuze/Guattari 2005, S. 484. 17 Vgl. Voigt 2005.

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Teil I: Krieg ohne Raum?

2.1 Durchlässige Grenzen Überall sind die territorialstaatlichen Grenzen durchlässig geworden. Die Mobilität von Kapital, Waren und Arbeitskräften gehört zu den Imperativen des Kapitalismus. Es wird – zumindest auf Dauer – immer und überall durchgesetzt. Das Staatsgebiet auch gut organisierter Industriestaaten ist – vor allem gegen die Angriffe fanatischer Terroristen – kaum noch zu schützen. Erschwerend kommt hinzu, dass die terroristischen Angreifer nicht auf „ihrem“ Territorium zu fassen sind, weil sie transnational agieren und – meist ungebetene – Gäste verschiedener Staaten sind. Ihre „Heimat“ ist der Untergrund, verwahrloste Slumgebiete in den Großstädten der Peripherie, unzugängliche Bergregionen oder unkontrollierbare Grenzgebiete zwischen schwachen oder gescheiterten Staaten. Diese Entwicklung ist begleitet von einem anhaltenden Trend zur Privatisierung (para-) militärischer Aufgaben im Bereich der Logistik sowie militärischer Sicherheitsaufgaben. Private Militärunternehmen (PMC) bieten nicht nur Schutz und Beratung, Ausbildung und Logistik an, sondern auch die Bereitstellung von Spezialeinheiten, die besonders in Krisengebieten kriegsmäßig eingesetzt werden können. Den Regierungen erlaubt ihr Einsatz die Umgehung des Parlaments und letztlich die Täuschung ihrer Wähler. Die wahltaktisch unbequeme Verantwortung für Tote und Verwundete lässt sich auf private Dienstleister abschieben, die für den Einsatz bezahlt werden und die Folgen selbst zu tragen haben. 2.2 Raumgewinn – Raumverlust Dem Raumgewinn durch das Ausgreifen in den Weltraum steht ein „gefühlter“ Raumverlust auf der Erde gegenüber. Ein ganzer Kontinent, Afrika, versinkt im Chaos, und niemand sieht sich in der Lage oder ist Willens, in gescheiterten Staaten, wie z. B. Somalia oder bei kriminellen Regierungen wie im Sudan, Ordnung zu schaffen. Gerade der Fall Somalia zeigt auch, dass solche neuartigen Kriege nicht mehr auf das Gebiet eines Staates begrenzt sind bzw. sich begrenzen lassen: − Sie dehnen sich wie ein Flächenbrand aus und können ganze Regionen erfassen. − Reguläre und irreguläre Truppen von Nachbarstaaten sind beteiligt. − Kinder werden als Soldaten rekrutiert und – oft unter Drogeneinfluss – zu Massakern und Gräueltaten abgerichtet. − Söldner bzw. Angehörige von PMCs sind beteiligt. − Bewaffnete Banden regionaler Kriegsherren (warlords) führen ihren privaten Raubkrieg (Gold, Diamanten, Rauschgift, Frauen etc.); die Grenze zwischen Soldaten und Kriminellen verschwimmt. − Großkonzerne haben ihre Hände im Spiel, um sich Vorteile bei der Konkurrenz um wertvolle Bodenschätze, Holz etc. zu verschaffen.

Kapitel 1: Begrifflichkeit

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− Ein permanenter Konkurrenzkampf wird zwischen dem Empire Amerika, Europa (in Afrika: meist Frankreich), Russland und China um geostrategische Ziele ausgetragen.

Kapitel 2: Kriegsforschung „Der Krieg ist so alt wie die Menschheit, deren jeweiligen Verhältnissen er sich anpasst. Seine Erscheinungsformen sind verschieden, seine innere Gesetzmäßigkeit dagegen stets die gleiche“.18

In Deutschland hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Krieg zwar eine lange Tradition, diese Traditionslinie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch abrupt durchtrennt. Mit dem verloren Krieg und einem pazifistischen Grundgesetz schien es zunächst undenkbar, dass Deutschland sich jemals wieder an einem Krieg beteiligen würde. Selbst die Vorstellung, es könnte wieder eine deutsche Armee geben, lag in den Jahren vor und nach 1949 fern. Eine Wiederbewaffnung Deutschlands war von den Alliierten auf lange Sicht nicht vorgesehen. Erst die veränderte weltpolitische Lage führte schließlich Mitte der 1950er Jahre dazu, dass die USA zur eigenen Entlastung im Zentrum Europas deutsche Soldaten brauchten. Allerdings stellten die in der Bundesrepublik stationierten alliierten Stationierungstruppen bewusst ein Gegengewicht im Verhältnis 1 zu 1 zur Bundeswehr dar.19 Die Bundeswehr war mit Aufbau und Ausrüstung einer Armee sowie der Propagierung und Umsetzung ihrer Leitbilder „Bürger in Uniform“ und „Innere Führung“ ausgelastet. Für eine Wiederbelebung der Kriegsforschung in Deutschland ließ der Zeitgeist keinen Raum. Eine pazifistisch orientierte Friedensforschung schien das Gebot der Stunde, ein Trend, den die mit der 68-Bewegung verbundene „Kulturrevolution“ noch verstärkte. Eine sinnvolle Ergänzung für die Friedens- und Konfliktforschung bildete die Kriegsursachenforschung. Gleichzeitig wurde von interessierten Kreisen in Westdeutschland die Sicherheitspolitik wissenschaftlich bearbeitet, die allerdings weitgehend den Prämissen der bipolaren Weltordnung verpflichtet war. Schaubild 3: Sicherheitsbedrohungen Objekt

Subjekt Staat

Gesellschaft

Staat

Klassischer Krieg

Bürgerkrieg, (nichtstaatlicher) Terrorismus, Staatszerfall

Gesellschaft

Menschenrechtsverletzungen, Staatsterrorismus

Gewaltkriminalität

(Quelle: Zangl/Zürn 2003, S. 174, mit eigenen Änderungen) 18 Franke 1936a, S. 171–175 [171]. 19 Thiel 1975, S. 510–513.

Kapitel 2: Kriegsforschung

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Bedrohungen der Sicherheit spielen aber auch heute, nach dem Ende des „Gleichgewichts des Schreckens“ eine zentrale Rolle im Denken der staatlichen Akteure. Unterscheidet man dabei nach dem Subjekt als Verursacher der Bedrohung und dem Objekt als Adressat der Bedrohung, dann lassen sich daraus interessante Schlussfolgerungen für bestimmte Kategorien von Krieg ziehen (siehe Schaubild 3). Die aus dem angelsächsischen Raum kommenden Stategic Studies wurden erst nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auch von deutschen Wissenschaftlern ernsthaft betrieben. Während vor allem die USA, aber auch Großbritannien, Frankreich, Israel und andere Staaten sich weitgehend unbefangen mit der Kriegsforschung befassen, hat dieser Begriff in Deutschland immer noch einen unangenehmen Beigeschmack. Da der Krieg spätestens mit dem Kosovokrieg (wohl oder übel) in das Bewusstsein der Deutschen zurückgekehrt ist, scheint eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Krieg nunmehr jedoch unausweichlich zu sein. Bei der Wiederbegründung einer deutschen Kriegsforschung kann auf ältere deutsche Traditionslinien (vor allem auf Clausewitz) zurückgegriffen werden, ohne freilich den neuesten Stand der im Ausland betriebenen Militär- und Kriegswissenschaft (symbolisiert etwa in den Autoren Keegan und van Creveld) aus dem Auge zu verlieren. Seit geraumer Zeit gibt es auch einige (wenige) deutsche Autoren (Münkler, Daase, Herberg-Rothe), die sich vorurteilsfrei mit dem Krieg befassen. Ihren Arbeiten wird besondere Aufmerksamkeit zu zollen sein.20 1. Bausteine Welche Wissenschaftsdisziplinen sind dabei in die – notwendigerweise multisdisziplinäre – Kriegsforschung einzubeziehen? Es ist dies in erster Linie die Politikwissenschaft, die gleich mehrere ihrer Teilgebiete einbringen kann: Politische Theorie bzw. Philosophie, Verwaltungswissenschaft, Internationale Politik einschließlich Sicherheitspolitik. Sodann ist die Einbeziehung der Rechtswissenschaft unverzichtbar, insbesondere des Völkerrechts, der Menschenrechte und des Kriegsvölkerrechts. Unter den Gesichtspunkten der Rüstungswirtschaft und der Finanzierung von Kriegen spielen auch die Wirtschaftswissenschaften, insbesondere die Finanzwissenschaft, eine nicht unbedeutende Rolle. Geowissenschaft, Soziologie, Geschichte und Psychologie können ebenfalls wichtige Teilbereiche beisteuern, auf die im Interesse einer Gesamtsicht des Krieges nicht verzichtet werden kann.

20 Wichtige Zeitschriften sind z. B. die Österreichische Militärische Zeitschrift und die Wehrwissenschaftliche Rundschau sowie die Neue Zeitschrift für Wehrrecht.

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Teil I: Krieg ohne Raum?

1.1 Wehrwissenschaft Im Laufe der Zeit haben sich unterschiedliche Bezeichnungen und disziplinäre Abgrenzungen für die Kriegsforschung ergeben. Während man zu der Zeit von Clausewitz noch von Kriegs- und Militärwissenschaften sprach, bürgerte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland der Begriff Wehrwissenschaften ein.21 Ihr Gegenstand sollte nicht mehr nur der Krieg der Militärs sein. Vielmehr sollte die Gesamterscheinung des Krieges, der Kriegführung und der Vorbereitung wissenschaftlich erfasst werden. Daraus ergab sich eine Dreiteilung der Wehrwissenschaften in Fragen nach dem Zweck, den Mitteln und den Methoden des „Wehrens“. Da es sich dabei um die oberste Aufgabe des Staates handeln soll, ist hinter dem Begriff unschwer die Hobbessche Verpflichtung des Sicherheitsstaates zu erkennen. Zu der Lehre vom Wesen und Zweck des Wehrens sollten Kriegsphilosophie, Theorie des Krieges, Völkerrecht und Kriegsrecht, Wehrpolitik sowie Wehrgeopolitik gehören. Demgegenüber wurde die Lehre von den Mitteln des Wehrens in lebende Wehrkräfte (Mensch, Tier, Organisation), materielle Wehrmittel (Technik, Chemie, Physik, Bauwesen und Wirtschaft) und räumliche Wehrkräfte (Geopolitik, Geografie, Geologie) unterteilt. Und in die Lehre von den Methoden des Wehrens schließlich wurden neben der Wehrpolitik die Methoden der Kriegführung einbezogen. Die Kriegsgeschichte wurde zwar als unentbehrlich angesehen, aber nicht in den Kanon der Wehrwissenschaften eingegliedert. In Frankreich etablierte sich ab 1945 unter dem Namen Polemologie eine Soziologie vom Krieg.22 Das damals gegründete Institut für Polemologie wurde bald auch von der französischen Regierung finanziell gefördert und als Beratungsinstanz genutzt. Frankreich war zu dieser Zeit in zahlreiche Kriege – zumeist Dekolonialisierungskriege – involviert und hatte daher ein starkes Interesse an der Kriegsforschung.23 Da die grundlegende Hypothese der polemologischen Forschung war, dass der Krieg eine Krankheit sei, stand insbesondere die Aggressionsforschung im Vordergrund. Dazu gehörte auch ein Vierteljahres-Kalender der kollektiven Aggressivität. 1.2 Friedens- und Konfliktforschung Nach dem Kriege begannen skandinavische und (bundes-) deutsche Politikwissenschaftler im Zeichen des Pazifismus mit der Friedens- und Konfliktforschung. Mit der Erweiterung zu einer Kriegsursachenforschung wurde ein weiterer Teilaspekt erfasst. Die von der 1970 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung in Angriff genommenen Projekte zeigen die Ausrichtung:24 21 22 23 24

Linnebach 1936, S. 741–744. Polemos (griech. für Krieg). Carrère 1971, S. 42–63. Link 1972, S. 9–28 [21 f.].

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− Konflik- und krisentheoretische Studien − Konfliktpotenziale internationaler Schichtungen und Abhängigkeiten − Zusammenhang von sozio-ökonomischer Struktur und außenpolitischem Verhalten − Rüstungsdynamik und Konflikte − Friedlicher Wandel und Übergangsstrategien − Formen transnationaler und multinationaler Kooperation − Gewaltfreie Aktionen − Pädagogische Bedingungen des Friedens − Umsetzung von Friedensforschung in Politik. Obwohl dies zweifellos wichtige Fragestellungen umfasst, greift der Ansatz doch zu kurz, da er Verlauf und Folgen eines Krieges notgedrungen ausblendet. Dies zeigt sich besonders deutlich an einem scheinbar umfassenderen Ansatz einer Theorie von Krieg und Frieden, die Deutsch und Senghaas 1970 vorgelegt haben.25 Danach geht es um die folgenden drei Aufgaben: 1. Definition von Krieg und Frieden sowie Charakterisierung dieser Zustände durch zusätzliche operationale Kriterien; Differenzierung zwischen „begrenzten“ und „unbegrenzten“ Kriegen, „verhältnismäßig sicherem Frieden“ und (akuter) „Kriegsgefahr“. 2. Wahrscheinlichkeitsannahmen darüber, unter welchen Bedingungen jede dieser Situationen mehr oder weniger wahrscheinlich eintritt; Überprüfung anhand von Daten über das Verhalten von Individuen, Gruppen, Nationen und des internationalen Systems. 3. Erarbeiten von überlegten politischen Maßnahmen, durch die das Eintreten eines Krieges weniger wahrscheinlich und der Krieg als relevante Verfahrensweise in menschlichen Streitfällen schließlich ganz abgeschafft werden könnte. 1.3 Strategische Studien Eine notwendige Ergänzung bildeten die angelsächsischen Strategic Studies, die weite Teile der heutigen Kriegsforschung einschließen. Auch sie verfolgen einen multidisziplinären Ansatz, der heute als unverzichtbar erscheint. Ihr Erkenntnisziel ist die Erklärung, die Optimierung und die Prognose politischer und militärischer Entscheidungen. Clausewitz hatte bereits auf die Bedeutung der Strategie hingewiesen: „Die Strategie ist der Gebrauch des Gefechts zum Zweck des Krieges; sie muss also dem ganzen kriegerischen Akt ein Ziel setzen, welches dem Zweck desselben entspricht, d. h. sie entwirft den Kriegsplan, und an dieses Ziel knüpft sie die Reihe der Handlungen an, welche zu demselben führen sollen […]“.26 Das Grundproblem aller Strategien ist das Verhältnis von Ziel und Mittel. Da der heutige 25 Deutsch/Senghaas 1982, S. 177–229 [178]. 26 Clausewitz 2000, S. 158 ff. (Drittes Buch, erstes Kapitel).

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Teil I: Krieg ohne Raum?

Sprachgebrauch das Wort „Strategie“ ganz allgemein als Bezeichnung für ein planvolles Handeln verwendet, sollte man in dem hier interessierenden Zusammenhang allerdings besser von Militärstrategien sprechen.27 2. Kriegsarten Um Kriege voneinander zu unterscheiden, bieten sich verschiedene Aspekte an. Knüpft man an die Akteure an, dann lassen sich vier Typen von Kriegen unterscheiden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist der mit dem Krieg verfolgte Zweck (Kriegsziel). Schaubild 4: Kriegsarten (nach Akteuren und Territorium) Staat

nicht-staatliche Akteure

Staat

Staatenkrieg („klassischer Krieg“)

Anti-Regime-Krieg (auf eigenem Staatsgebiet)

Nicht-staatliche Akteure

Interventionskrieg (auf einem fremden Staatsterritorium)

Bürgerkrieg

(Quelle: In Anlehnung an den Text von Zang/Zürn 2003, S. 28)

Geht es um die Sicherung der Grenzen, die Erweiterung des Territoriums, den Zugang zu wertvollen Ressourcen, die Öffnung neuer Absatzmärkte, die Schaffung eines Imperiums, den Sieg der Revolution; geht es um Revanche für eine erlittene Niederlage oder darum, die eigene Bevölkerung von den Missständen im Lande abzulenken oder sogar darum, sie mit dem Kriegsrecht niederzuhalten. In jedem Fall spielt der Machtaspekt eine dominierende Rolle. An zwei Beispielen soll das erläutert werden, an den Weltordnungskonflikten sowie an den Wirtschaftskonflikten. Natürlich gibt es noch weitere, ebenfalls wichtige Konfliktbereiche, auf die aber an anderer Stelle eingegangen werden soll. 2.1 Weltordnungskonflikte Mächtige Könige und Heerführer haben ihre Imperien stets durch Kriege begründet, erweitert bzw. verteidigt, in denen sie die Nachbarn und Gegner zu unterwerfen suchten. Die Westfälische Staatenordnung (1648–1918) war insofern ein historischer Sonderfall, als sie – in Europa – nicht auf den Prinzipien von Hierarchie und Unterordnung, sondern auf den Prinzipien der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung beruhte. Im Verlauf des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts stiegen die Vereinigten Staaten von Amerika jedoch zur Weltmacht und schließlich zur alles beherrschenden Supermacht auf. Aber auch für die UdSSR bedeutete der Sieg im Zweiten Weltkrieg, die Okkupation deutschen und polnischen Territoriums (sowie des Baltikums) und die Besetzung Osteuropas (Stichwort: „Satellitenstaaten“) den 27 Schubert 1978, S. 16 f.

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Aufstieg zur (zweiten) Supermacht. Der Preis, den die Sowjetvölker und die unterdrückten Nationen dafür zu zahlen hatten, war hoch, nämlich: Raubbau an den Ressourcen der Menschen und der Natur, materielle und kulturelle Verarmung breiter Massen, Unfreiheit und schlimmstenfalls der Tod in der kommunistischen Diktatur. In der Zeit des Kalten Krieges wurde die Welt in zwei Einflusssphären geteilt, denen sich nur wenige – meist an der Peripherie gelegene – Staaten entziehen konnten. Ein bipolares Weltbild mit klaren Konturen beherrschte das Denken der meisten Menschen. Erst nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums zeichnete sich Ende der 1980er Jahre eine Situation ab, die Demokratie, Freiheit und Wohlstand für alle Menschen – unabhängig von ihrem Wohnort und ihrer Staatsangehörigkeit – versprach. Die eine verbleibende Supermacht stieg damit jedoch zur Welthegemonialmacht auf. Anders als seine Vorgänger – Bush sen. und Clinton – macht G. W. Bush aus seinen imperialen Absichten kein Hehl. Punkt für Punkt wurde ein Masterplan in die Tat umgesetzt, den konservative „Denkfabriken“ (think tanks) lange vor seinem Amtsantritt entworfen hatten.28 Unter seiner Ägide wurde die Neigung der Amerikaner zu Alleingängen und zur Missachtung internationaler Abkommen und Institutionen einschließlich der UNO zu der mehr oder weniger offiziellen Handlungsdoktrin der Regierung, wie nicht zuletzt die Nationale Sicherheitsstrategie von 2002 gezeigt hat.29 Erst nach dem Wahlsieg der Demokraten und der daraus resultierenden Mehrheit im US-Kongress sieht sich Bush gezwungen, zumindest auf wichtige Verbündete Rücksicht zu nehmen. In der Zwischenzeit sind China und Russland zu ernsthaften Konkurrenten der USA herangewachsen. Zwar haben sie noch keinesfalls eine vergleichbare militärische oder ökonomische Stärke erreicht, aus unterschiedlichen Gründen gelingt es ihnen jedoch, ihre Position stetig weiter auszubauen. Während Russland über schier unerschöpfliche Energiequellen (Erdgas und Erdöl) verfügt, wächst die chinesische Wirtschaft mit beängstigender Geschwindigkeit. China setzt seinen großen Handelsbilanzüberschuss dazu ein, sich in strategisch wichtige Industrieunternehmen des Westens einzukaufen und seine Rüstung auf den neuesten Stand zu bringen. Zudem nutzt es ausländisches Know-how ohne Rücksicht auf den Schutz geistigen Eigentums. Beide Konkurrenten sind Atommächte und vetoberechtigte Mitglieder des Sicherheitsrates. Beide verfügen über das für eine Weltmacht erforderliche (riesige) Territorium und China darüber hinaus über die größte Bevölkerung der Erde. 2.2 Wirtschaftskonflikte Heute ist der entscheidende Machtfaktor die wirtschaftliche Stärke eines Staates, aus der sich die militärische dann gewissermaßen von selbst ergibt, es sei denn dem wirtschaftlichen Riesen würden von außen Restriktionen auferlegt.30 Die eigenen 28 Voigt 2005, S. 110 ff. 29 Department of Defense 2002. 30 Wie dies der Fall der ökonomisch starken Bundesrepublik Deutschland vor 1990 zeigte, die

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Machtinteressen müssen dementsprechend auch nicht unbedingt stets durch direkte militärische Aktionen durchgesetzt werden. Ist z. B. die eigene Bevölkerung kriegsmüde (Deutschland nach 1918), oder herrscht in der Öffentlichkeit eine gegen den Krieg gerichtete Stimmung vor (USA bis 1941), oder sollen mögliche Gegenspieler nicht zum Eingreifen provoziert werden, kann auf andere Weise, nämlich mit ökonomischen Mitteln, Druck auf die gegnerische Seite ausgeübt werden. Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass in einem Staatenkrieg die Partei, mit der man sich verbunden fühlt, mehr oder weniger offen wirtschaftlich unter­ stützt und die andere Partei ggf. boykottiert wird. So hatten die Vereinigten Staaten von Amerika Japan bereits lange vor 1941 mit einem Wirtschaftsboykott belegt. Sowohl im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg belieferten die USA die Briten mit kriegswichtigen Gütern, lange bevor sie selbst (1917 bzw. 1941) in den Krieg gegen Deutschland eintraten. Umgekehrt setzten Amerikaner und Briten die lateinamerikanischen und europäischen Staaten, die mit dem Deutschen Reich sympathisierten, unter Druck, ihre neutrale Haltung aufzugeben und sich der Sache der Alliierten anzuschließen. Vor allem sollte die Schweiz nicht länger Präzisionszünder und Geschütze an die Wehrmacht liefern und Goldgeschäfte mit der Reichsbank machen dürfen. Jahrzehnte nach Kriegsende ließen sich die Schweizer Banken nur unter massivem Druck von außen dazu bewegen, für das im Zweiten Weltkrieg gehortete jüdische Gold- und Barvermögen Entschädigung an die Antragsteller zu leisten. Auch der Boykott französischer Waren in den USA (Stichwort: liberty fries) als Reaktion auf die Kriegsablehnung Frankreichs im Jahre 2003 lässt sich durchaus als eine (milde) Form des Wirtschaftskrieges verstehen. Mit Hilfe von wirtschaftlichen Maßnahmen kann das Verhalten widerstrebender Staaten nämlich auch im „Frieden“ u. U. nachhaltig beeinflusst werden. Die Franzosen betreiben zu diesem Zweck seit 1997 eine École de guerre économique in Paris, deren Ausbildung offenbar erfolgreich ist. Mit den Mitteln des Wirtschaftskrieges kann der Zugang zu wichtigen Märkten, Krediten und/oder Rohstoffen je nach Interessenlage gesperrt oder geöffnet werden, ohne dass offiziell ein Wirtschaftskrieg ausgerufen würde. Ein Beispiel hierfür ist das Sperren der Erdgaszufuhr für die Ukraine (und später auch für Weißrussland), als diese die von Russland geforderten Weltmarktpreise nicht bezahlen wollten bzw. konnten. Ähnliches gilt für die Aktionen der Israelis, die im November 2007 nicht nur ihre Strom- und Treibstofflieferungen in den GazaStreifen eingestellt, sondern auch den Geldverkehr (Abzug israelischer Banken) unterbrochen haben. Ein besonderes Problem stellt die Wirtschaftsspionage dar. Aber es kann auch einfach darum gehen, Weltunternehmen des Nachbarn, insbesondere solche aus dem High-Tech- und Rüstungsbereich, in die eigene Hand zu bekommen. Während des Kalten Krieges war jedermann klar, dass die Spione des Ostblocks besonders an technischem Wissen interessiert waren, das ihnen der Westen vorenthalten wollte. Jetzt geraten auch die USA und Großbritannien – neben China allgemein als „politischer Zwerg“ angesehen wurde; die Bundeswehr war dementsprechend keine Armee, über welche die Bundesregierung frei hätte verfügen können.

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und Russland – in den Verdacht, Wirtschaftsspionage gegen ihre europäischen Verbündeten zu betreiben. Im Blickpunkt der Recherchen eines Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments steht dabei der globale Abhörverbund Echelon, dessen wichtigste Stützpunkte in Bad Aibling (Bayern) und Menwith Hill (Großbritannien) liegen. Der britische Journalist Duncan Campbell hat im Auftrag des EU-Parlaments die Hintergründe beleuchtet und schätzt, dass „rund 40 Prozent der Geheimdienstaktivitäten wirtschaftlicher Natur“ sind.31 Hunderte von US-Firmen sollen mit Hilfe von Erkenntnissen einer Spezialabteilung des US-Wirtschaftsministeriums europäischen Firmen im Ausland Aufträge weggeschnappt haben. Obwohl keiner der von Campbell angeführten Fälle eindeutig bewiesen ist, geht er von Schäden für Deutschland in Höhe von ca. 4 Milliarden US-Dollar und für Frankreich sogar von 17 Mrd. US-$ aus. 3. Asymmetrische Kriege Die Unterscheidung zwischen Symmetrie und Asymmetrie spielt in der Kriegsforschung inzwischen eine zentrale Rolle. „Sie bildet die Grundtextur bewaffneter Konflikte und liefert die Vorgaben für Eskalationsdynamiken ebenso wie für Möglichkeiten der Konflikthegung und Friedenssicherung“.32 Während das klassische Völkerrecht immer noch von dem symmetrischen Krieg als Normalfall ausgeht, sind die tatsächlich stattfindenden Kriege unserer Zeit in aller Regel asymmetrische Kriege. Dabei stehen sich in einem asymmetrischen Staatenkrieg Goliath und David gegenüber, also eine übermächtige Militärmacht auf der einen Seite und ein Drittweltland auf der anderen Seite. „Asymmetrisch sind Staatenkriege, wenn der Sieg eines Angreifers, der nicht auf eine konventionelle Niederlage, sondern auf die Zerstörung eines Regimes abzielt, auf Grund des transparenten Kräfteverhältnisses a priori feststeht“.33 Ein besonders drastisches Beispiel ist die Militärintervention der USA in Grenada 1983, die USPräsident Reagan mit der (wenig glaubwürdigen) Begründung in Gang setzte, das Leben von US-Bürgern sei bedroht. Ein weiterer Beispielfall ist der Afghanistankrieg der USA im Jahre 2002 gegen die dortigen Taliban-Machthaber und die Qaida. Es ging um die Bestrafung von Terroristen für die Anschläge vom 11. September 2001, die nicht im Namen eines Staates operiert hatten, wenn sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach von bin Laden von dessen Domizil in Afghanistan aus dirigiert worden waren.34 Teilweise wurden bei diesem Krieg von den US-Streitkräften Bomben im Wert von mehreren hunderttausend US-Dollar eingesetzt, um kleine Gruppen feindlicher Soldaten (oder sogar einzelne Kämpfer) zu vernichten. Allein die (letztlich erfolglose) Bombardierung der Gebirgsregion Tora Bora, in der bin Laden – versteckt in einem Höhlensystem – vermutet wurde, kostete Millionen. 31 32 33 34

Schulzki-Haddouti 2004, S. 128 f. Münkler 2004, S. 22–37 [23]. Habermas 2004, S. 27–45 [36]. Auch die Trainingslager der Qaida waren in Afghanistan im Grenzgebiet zu Pakistan.

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Teil I: Krieg ohne Raum?

Auch der Irakkrieg des Jahres 2003 zeigte eine technologisch hochgerüstete US-Streitmacht mit unbegrenzten Ressourcen im Kampf gegen mehrheitlich schlecht ausgerüstete Soldaten der irakischen Armee. Selbst die so genannten Elitekämpfer Saddam Husseins entpuppten sich bei näherem Hinsehen als militärtechnisch weit unterlegen. Umso unerwarteter war der anfänglich starke Widerstand der Iraker gegen die Truppen der USA und Großbritanniens. Diese hatten nicht – wie erwartet – von türkischem Territorium aus einmarschieren können, da die Türkei dies kurzfristig untersagt hatte. Das Endergebnis war dennoch nicht überraschend: Die alliierten Streitkräfte besetzten den Irak und teilten ihn in Besatzungszonen unter sich auf. Auch Polen erhielt trotz seines geringen Kontingents – aus politischstrategischen Gründen – eine eigene Besatzungszone35. Die eigentliche Katastrophe begann jedoch erst nach dem offiziellen Ende dieses Krieges. Seither finden fast täglich Selbstmordanschläge unterschiedlicher Terroristengruppen statt, die zahlreiche Opfer unter den US-Soldaten, vor allem aber unter der irakischen Zivilbevölkerung fordern. Der Irak ist dabei, in einen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten zu versinken, während die Kurden zielstrebig ihren eigenen Staat zu schaffen versuchen. Der asymmetrische Krieg führte hier nur scheinbar zu einem Ende, indem G. W. Bush am 1. Mai 2003 auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln, der sich auf dem Heimweg nach San Diego befand, feierlich das Ende der Kampfhandlungen verkündete (Stichwort: mission accomplished). Tatsächlich folgte erst darauf die blutige Auseinandersetzung, in der mehr US-Soldaten starben als während des „offiziellen“ Krieges. Das Paradoxe hierbei ist: Hat die überlegene Macht während des Krieges den technisch-industriellen Vorteil auf ihrer Seite, so verkehrt sich dies während der Besetzung des Landes u. U. in sein Gegenteil. Gegen Terroristen, die kein erkennbares „Hinterland“ haben, das man zerstören könnte, die keine Regierung hinter sich haben, die zur Rechenschaft gezogen werden könnte und die als Selbstmordattentäter ihr eigenes Leben als Waffe einsetzen, ist der Kampf der Okkupanten fast aussichtslos, selbst dann, wenn sie völkerrechtswidrig handeln und z. B. systematisch die Häuser der Familien von Terroristen zerstören (Stichwort: „Sippenhaft“). Erst spät – vielleicht zu spät – haben die US-Streitkräfte damit begonnen, neue Strategien und Taktiken im Kampf gegen die Terroristen zu entwickeln.

35 Die neue polnische Regierung unter Donald Tusk will jetzt die eigenen Soldaten jedoch aus dem Irak abziehen.

Teil II: Krieg und Politik

„Der Krieg wird zu einem bestimmten Zeitpunkt die Anwendung einer Reihe von Mitteln sein, die die Politik festgelegt hat und von denen das Militär eine der grundlegenden und konstitutiven Dimensionen darstellt“.

In Staatenkriegen spielt die Politik stets eine bedeutende Rolle, zumindest solange, bis die Kriegsmaschinerie den Staaten entgleitet. Nach dem Irakkrieg des Jahres 2003, den die USA und ihre Verbündeten ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates geführt haben, stellt sich allerdings die Frage neu, in welchem Verhältnis Krieg und Politik zueinander stehen. Ist Krieg – immer noch oder schon wieder – die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Trifft also die Einschätzung von Clausewitz zu, dass der Krieg ein Instrument der Politik ist. Oder gilt Foucaults Entgegnung: „Die Politik ist der mit anderen Mitteln fortgesetzte Krieg“, der im Übrigen meinte, dass es diesen Grundsatz bereits lange vor Clausewitz gegeben habe? Staaten, die Krieg führen, wie die Vereinigten Staaten von Amerika, bekennen sich ganz offen zu der Position von Clausewitz. Oder ist Krieg unter allen Umständen zu vermeiden, wie die meisten Menschen in Europa meinen, wenn diese Einsicht auch nur bedingt von ihren politischen Führern geteilt wird (Beispiel: Tony Blair)? Oder ist Krieg eine Art Naturereignis, das die Länder in unregelmäßigen Abständen heimsucht wie eine Heuschreckenplage oder die mittelalterliche Pest? Haben wir womöglich einen permanenten globalen Kriegszustand? Viele Menschen in Afrika empfinden den permanenten Krieg in ihrem Land auf diese Weise. Eines ist jedenfalls sicher: Krieg und Gewalt sind Teile der Moderne und nicht nur (aber auch) ihrer Vorgeschichte. Groß- und Supermächte neigen dazu, Krieg als „normales“ Mittel der Politik anzusehen und zu verwenden. Als Welthegemon haben die USA damit begonnen, ihre Vorstellung von einer neuen Weltordnung, in der es nur noch ein Machtzentrum gibt, zu realisieren. Die UNO soll danach nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ins Spiel kommen. Etwa bei solchen Konflikten, welche die Interessen des globalen Empire Amerika nicht soweit tangieren, dass es selbst intervenieren will oder eine UN-Intervention nicht in seinem Interesse liegt (Beispiel: Israel). Bei Kriegen, die von den USA initiiert werden, soll die UNO erst dann eingreifen, wenn     

Foucault 2004, S. 442. Clausewitz 2000. Foucault 1999, S. 63. Hardt/Negri 2004, S. 27 f. Joas 1996, S. 13–27 [13].

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Teil II: Krieg und Politik

es um die Finanzierung der im Krieg verursachten Schäden geht. Auch Art. 51 UNCharta, dem zufolge Krieg nur als Mittel der Selbstverteidigung eingesetzt werden darf, erfährt eine nachhaltige Umdeutung. Zur Selbstverteidigung gehören für die USA auch so genannte Präemptivkriege (preemptive strikes), also Militärschläge, die dem vermuteten (aber noch ungewissen) Angriff eines Gegners zuvorkommen sollen. Der Angreifer hofft dabei, sich mit einem Angriff militärische Vorteile zu verschaffen. Niemand soll und kann die Vereinigten Staaten von Amerika künftig daran hindern, Krieg zu führen, um die eigenen Interessen zu verwirklichen. Um diese Ziele durchsetzen zu können, haben die USA ihren Militäretat nicht nur ins Unermessliche gesteigert (2007 = 489,3 Mrd. US-$), sondern sie passen die Struktur ihrer Streitkräfte auch mit Nachdruck den neuen Prioritäten an. Amerika muss danach gleichzeitig mehrere Konflikte an unterschiedlichen Orten der Erde bewältigen können, um seine imperiale Hegemonie aufrechterhalten zu können. Die Europäer, die einerseits den USA militärisch weit unterlegen, andererseits in der NATO mit den USA institutionell und organisatorisch verbunden sind, setzen auf die UNO als eine Art Weltregierung, die allerdings dem dezidierten Willen des Empire Amerika ggf. wenig oder gar nichts entgegenzusetzen hat. Die Vereinigten Staaten ihrerseits nutzen sowohl die UNO als auch die NATO nur partiell und suchen sich stattdessen ihre Verbündeten von Fall zu Fall nach Nützlichkeitsgesichtspunkten aus. Die Europäische Union könnte mit eigenen Streitkräften ein Gegengewicht bilden, interne Meinungsunterschiede, die von den USA genutzt (und geschürt) werden, verhindern jedoch jedes zielgerichtete Vorgehen in diese Richtung. Immerhin dringt der französische Präsident Sarkozy darauf, dass neben der NATO funktionsfähige europäische Streitkräfte aufgebaut werden müssen.

 

Department of Defense = 439,3; Global War on Terror = 50,0 Mrd. US-$, http://www.whitehouse.gov/omb/budget/fy2007/pdf/budget/tables.pdf, Zugriff am 19.8.2007. Voigt 2005.

Kapitel 1: Existenzielle Erfahrung „Man hat den Eindruck, Kriegsjahre seien keine wirklichen Jahre, sondern sie gehörten zu einem Alptraum, bei dem die Wirklichkeit außer Kraft gesetzt war“.

Der Beginn des „Jahrhunderts der Gewalt“ war bei einem Großteil der Europäer eher von Kriegsbegeisterung, denn von Friedenssehnsucht geprägt.10 Der „große Krieg“ (Erster Weltkrieg) hatte sich bereits lange angekündigt und wurde von vielen Menschen als „reinigendes Gewitter“ empfunden.11 Niemand konnte und wollte sich die kommende Apokalypse vorstellen. Im Gegenteil: Auch Intellektuelle hofften auf eine „revitalisierende Wirkung“ des Krieges oder versprachen sich von ihm einen deutlichen Modernisierungsschub.12 Weder die Dauer des Krieges (vier Jahre), noch die katastrophalen Folgen (Millionen Tote, Kriegsversehrte, Inflation, Verarmung und Hunger, zerstörte Brücken, Straßen und Häuser) waren vorhersehbar. Erst die existenzielle Erfahrung von Verwundung, Erblindung (z. B. durch den Einsatz von Giftgas) oder Tod der Soldaten in den Vernichtungsschlachten des Ersten Weltkriegs öffnete den Menschen in den europäischen Gesellschaften die Augen. Dies führte bald nach Kriegsende zu dem Ruf „Nie wieder Krieg!“. Die Lehre aus den Kriegen um die Jahrtausendwende ist, dass Krieg mit ansteigendem Entwicklungsniveau nicht obsolet wird. Vielmehr kann Krieg auch und gerade für Industriestaaten im 21. Jahrhundert zu einer bestimmenden Größe der Politik werden. Nach wie vor werden internationale und innerstaatliche Konflikte nur in Ausnahmefällen gewaltfrei gelöst. 1. Schule der Männlichkeit Gerade das Kämpferische im Krieg wird oft als Identität stiftende Kraft erlebt.13 Freyer brachte das bereits 1925 zum Ausdruck, als er formulierte, dass „die Einheit des politischen Volks aus Gewalt und Krieg geboren wurde und nicht billiger zu haben ist“.14 Nicht nur den Deutschen erschien der Erste Weltkrieg als glänzendes Ritual zur Reinigung einer dekadenten Gesellschaft durch männlichen Mut, Tapfer  10 11 12 13 14

Agatha Christie, zitiert nach Virilio 2002, S. 37. Pfetsch 2002, S. 223–239. Vgl. Wirsching 2002, S. 37–58; Bohse 1988. Schneider/Schumann (Hrsg.) 2000. Sombart 1915; Joas 1996, S. 21. Hondrich 2002, S. 15. Freyer 1925, S. 20.

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Teil II: Krieg und Politik

keit und Kameradschaft.15 Die Frage nach der Schuld an dieser Dekadenz war schnell zu beantworten: als schuldig wurde die Politik angesehen. Der Krieg hingegen wurde als „Schule der Männlichkeit“ empfunden. „Der Krieg unterscheidet sich schon deshalb vollkommen von Diplomatie und Politik, weil Männer ihn führen müssen, deren Werte und Fähigkeiten nicht die von Politikern oder Diplomaten sind“ schrieb Keegan in seinem Buch Die Kultur des Krieges.16 Und einen ähnlichen Mythos formulierte der Held der Schlacht um den Pazifik, General Mac­ Arthur:17 „Große Soldaten sterben nicht, sie schwinden dahin“. In seinem Buch In Stahlgewittern hatte Ernst Jünger, der als Frontsoldat vierzehnmal verwundet und mit dem Orden Pour le mérite ausgezeichnet worden war, der „Ekstase der Gewalt“ Ausdruck verliehen.18 Seine Anhänger fand Jüngers literarisches Werk nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und in vielen anderen Ländern.19 Er brachte seine Erfahrungen im Krieg auf den Punkt: „Mut, tollkühner Einsatz der eigenen Person wirken immer begeisternd“. Eine besondere Affinität zum Krieg hatten Faschismus und Nationalsozialismus. Für beide galt, dass sie das heroische Moment für eine neue Ordnung aus dem Krieg gewannen und die Gewalt zum Selbstzweck erklärten.20 So hatte Mussolini 1934 verkündet: „Nur der Krieg bringt alle Kräfte des Menschen zur stärksten Anspannung und adelt die Völker, die die Fähigkeit haben, ihm ins Auge zu sehen“.21 Und im Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften schrieb der Herausgeber im Jahre 1936:22 Der Krieg ist „die große, heroische und unbestechliche Probe für Wert und Lebenskraft. Nur diejenigen Völker können sie bestehen, die kraftvoll, opferwillig und bereit sind, trotz aller Schrecken des Krieges auch das Letzte einzusetzen zur Erhaltung und Förderung ihrer Art, zur Wahrung von Ehre und Freiheit, deren nachdrückliche Behauptung höchste sittliche Pflicht ist“. 2. Schmutziger Krieg Ganz anders hatte Fichte bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannt, dass der Krieg sowohl Helden als auch feige Diebe, Vergewaltiger, Folterer und Mörder hervorbringt.23 Jede Schilderung von den feindlichen Soldaten, die nach Beendigung der Kampfhandlungen als „Befreier“ kommen und von den Befreiten dafür 15 Zur Heroisierung und Ästhetisierung von Krieg und Gewalt in der Französischen Revolution: Thamer 1999, S. 75–91. 16 Keegan 2001, S. 18. 17 Zitiert nach: Virilio 1998a, S. 59. MacArthur (1880–1964) wurde vor allem als Oberbefehlshaber der US-Truppen im Pazifikraum während des Zweiten Weltkrieges berühmt, führte aber auch die Truppen im Koreakrieg. 18 Jünger 1941. 19 Lenk/Meuter/Otten 1996, S. 122–175 [130 f.]. 20 Nolte 1963. 21 Mussolini in einem Artikel der Enciclopedia Italiana über die „Lehre vom Faschismus“, zitiert nach Toynbee 1958, S. 25. 22 Franke 1936, S. 171. 23 Fichte 1973, S. 125 f.

Kapitel 1: Existenzielle Erfahrung

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geliebt werden, erweist sich bei nüchterner Betrachtung daher als blanker Opportunismus, wenn nicht sogar als Propagandamärchen. Beliebt sind Besatzungssoldaten nur dann, wenn sie Geld, Lebensmittel, Zigaretten und Süßigkeiten bringen und bald das Land wieder verlassen. War der Koreakrieg noch ein Waffengang, in dem die US-amerikanischen Truppen – ausgerüstet mit einem Quasi-Mandat der UNO und von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbehelligt – ihren Kampf gegen den feindlichen Sowjetimperialismus führen konnten, so änderte sich dieses Bild im Vietnamkrieg grundlegend. 3. Krieg als Horrortrip Inzwischen hatte das Fernsehen Einzug in die Wohnzimmer US-amerikanischer und westeuropäischer Familien gehalten. Der Vietnamkrieg entpuppte sich alsbald als schmutzige Angelegenheit,24 der Dschungel Indochinas wurde buchstäblich zum Sumpf (quagmire), in dem die US-Soldaten militärisch und moralisch immer mehr versanken. Das Ende des Krieges wurde zum Alptraum (night mare), der Krieg wirkt bis heute in der amerikanischen Gesellschaft nach. Seither verwendet jeder US-Präsident, der seinem Volk eine Kriegsbotschaft überbringt, die Beschwörungsformel:25 „This will not become another Vietnam!“ Die Frage nach Gut und Böse, nach Freund und Feind war für die GIs im Verlauf dieses Krieges immer schwieriger zu beantworten, bis schließlich vielen Soldaten der Satz, der in fataler Weise an die Indianerkriege in Nordamerika erinnerte, durchaus praktikabel, zumindest aber plausibel schien: „Nur ein toter Vietnamese ist ein guter Vietnamese!“ Wie sollte man den ständig lächelnden und ähnlich gekleideten Vietnamesen („Schlitzaugen“) ansehen, ob sie zum verhassten Vietcong gehörten oder aber friedliche Bauern waren?26 Dieser Krieg in Indochina war kein Heldenepos, sondern für Soldaten und Zivilisten ein Horrortrip. Das Kriegsverbrechen von My Lai, das die Menschen in aller Welt aufschreckte, ließ dieses Dilemma sichtbar werden. US-Soldaten der 11. Infanterie-Brigade hatten am 16. März 1968 unter Leitung von Leutnant Calley das Dorf My Lai nach Vietcong durchsucht und dabei fast alle Bewohner des Dorfes (503 Zivilisten) erschossen, darunter 182 Frauen, 172 Kinder und 60 Greise. Ein Jahr später wurden nach Presseberichten über das Massaker vier Soldaten vor ein Militärgericht gestellt.27 Calley, der zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt worden war, wurde von US-Präsident Nixon zu drei Jahren Hausarrest begnadigt. Nixon verstieß damit gegen fundamentale Grundsätze der Strafbarkeit von Kriegsverbrechen, die von den USA selbst zur Begründung der Tribunale in Nürnberg und Tokio ins Leben gerufen worden waren. Das Gegenbild vom Mythos des reinigenden Stahlgewitters ist also der schmutzige Krieg, für den der Vietnamkrieg zum 24 Mausbach 2002, S. 83–107. 25 So auch Präsident G. W. Bush im August 2007 in Bezug auf den Irakkrieg. 26 Nach dem NATO-Alphabet (C = Charlie) nannten die amerikanischen Soldaten den Viet Cong auch einfach Charlie. 27 Der Journalist Seymour Hersh hatte den Fall an die Öffentlichkeit gebracht.

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Teil II: Krieg und Politik

Synonym geworden ist. Seine Merkmale sind: wahlloses Töten von Zivilisten, Flächenbombardement, Entlaubungs- und Umsiedlungsaktionen bis hin zum seelenlosen body count, dem Zählen der getöteten und verwundeten Feinde. Damit endete ganz offensichtlich das „heroische Zeitalter“.

Kapitel 2: Kriegsmaschine und Staatsapparat „Was die Kriegsmaschine selber betrifft, so scheint sie nicht vom Staatsapparat abhängig zu sein, sie liegt außerhalb seiner Souveränität und steht über seinem Gesetz: sie kommt von woanders“.28

Auf den ersten Blick erscheint es als selbstverständlich, dass Kriegsmaschine und Staatsapparat unauflöslich miteinander verbunden sind. Dieses Bild ist jedoch vor allem von den Kabinettskriegen und den beiden Weltkriegen bestimmt und erfasst daher nur einen, wenn auch wichtigen Ausschnitt aus der Kriegsgeschichte. Dennoch hält es sich trotz offensichtlicher Missdeutungen und zeitbedingter Veränderungen bei vielen Beobachtern hartnäckig. Deleuze und Guattari haben in ihrer Studie Tausend Plateaus eindringlich auf die „natürliche“ Trennung beider hingewiesen: „Der Staat hat keine Kriegsmaschine. Er eignet sie sich in Form einer militärischen Institution an, die ihm immer wieder Probleme bereitet“.29 Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es auch zur Zeit der Weltkriege – besonders in schwierigen Zeiten – Verselbständigungstendenzen des Militärs gab (Stichwort: „Soldateska“). In der Renaissance war es üblich, die unvermeidbaren Kriege durch Kriegsunternehmer (Condottieri) führen zu lassen. Ähnliches galt für den Dreißigjährigen Krieg (Beispiel: Wallenstein) mit seinen „Landsknechtshaufen“. Erst mit dem Aufstellen stehender Heere durch den Monarchen im 17. Jahrhundert30 wurden Staat und Kriegsmaschine zu einer Einheit. Typisch für diese Zeit, in der der Monarch buchstäblich der Staat war (L’etat c’est moi!), waren die Kabinettskriege. Durch die Französische Revolution wurde diese Tradition für geraume Zeit durchbrochen, durch Napoleon aber wieder hergestellt. Er nutzte das Volksheer so, wie ein absoluter Monarch früher sein stehendes Heer genutzt hatte, zur Durchsetzung seiner eigenen politischen Ziele, die er zu Zielen Frankreichs erhob. Die Partisanen machen aber bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutlich, dass es nicht der Staat ist, für den sie kämpfen, sie setzen ihr Leben vielmehr ausschließlich für ihre eigenen (tellurischen) Interessen ein. Die Partisanen Titos kämpften zwar gegen eine staatliche Kriegsmaschinerie, die deutsche Wehrmacht, ihre eigene Kriegsmaschinerie war jedoch nichtstaatlich. Partisanen sind daher in den Augen der regulären Truppen Kriminelle, die in der Regel aufgehängt werden. Erst durch die Gründung der Volksrepublik Jugoslawien, deren erster Ministerprä28 Deleuze/Guattari 2005, S. 482 f. 29 Deleuze/Guattari 2005, S.486 f. (Hervorhebung im Original). 30 Gemeint ist die eigentliche Stabilisierung der stehenden Heere, die Anfänge liegen z. T. viel früher.

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Teil II: Krieg und Politik

sident und späterer Präsident Tito war, wurde dessen Partisanentruppe in den Staat eingegliedert. Ähnliches gilt für den früheren UČK-Anführer Hashim Taci, der nach seinem Sieg bei den Parlamentswahlen im November 2007 als Regierungschef den Kosovo in die Unabhängigkeit führen will. In dieser Entwicklungslinie finden sich nicht nur die lateinamerikanischen und asiatischen Guerilleros, sondern besonders die islamistischen Terroristen. Auf der anderen Seite steht die Tradition der nichtstaatlichen Kriegsmaschinerie. Frankreich setzt die Fremdenlegion, deren Soldaten aus anderen Ländern angeworben werden, als Machtinstrument auf dubiosen Kriegsschauplätzen in Asien und Afrika ein. Gerade der transnationale Terrorismus zeigt besonders eindrücklich, dass die Verbindung zwischen Kriegsmaschinerie und Staat jedenfalls in dieser Weise nicht selbstverständlich ist. Vor allem die USA, aber auch Großbritannien, greifen überdies auf Private Militärunternehmen (PMC) zurück, um an den staatlichen Institutionen (Kongress, Gerichte) vorbei unkontrolliert Krieg führen zu können. 1. Demobilisierung Einem lange andauernden „großen“ Krieg mit seiner fast vollständigen Mobilisierung von Menschen und Material folgt in aller Regel eine weitgehende Demobilisierung der Armee. In einem Transformationsprozess muss die Kriegswirtschaft auf eine Friedenswirtschaft umgestellt werden.31 Die ehemaligen Soldaten müssen wieder in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft eingegliedert werden. Das gilt vor allem für die Wehrpflichtigen, die in ihre alten Berufe zurückkehren sollen. Dieser Vorgang misslang freilich in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Zwar wurden dem Deutschen Reich durch den Versailler Vertrag umfangreiche Abrüstungsverpflichtungen auferlegt (Stichwort: „Huntertausend-Mann-Heer“), zum Schutz seiner Grenzen diente allerdings eine so genannte Schwarze Reichswehr. Die Siegermächte selbst rüsteten bald nach Kriegsende wieder auf, statt abzurüsten. Und Hitler setzte unmittelbar nach seiner Machtübernahme alles daran, die Rüstung des Deutschen Reiches auf ein vergleichbares Niveau zu bringen. Das Wettrüsten verschärfte sich. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges steigerten alle beteiligten Mächte ihre Rüstungsanstrengungen ganz erheblich. Die größte Kriegsmaschinerie entwickelten allerdings die Vereinigten Staaten von Amerika. Unmittelbar mit ihrem Kriegseintritt 1941 stellten sie ihre Wirtschaft gezielt und rigoros auf die Rüstungsproduktion um und schufen – im Vergleich zu den Europäern – gigantische Kapazitäten. Sie führten damit zwei Kriege gleichzeitig – in Europa und im Pazifik – und versorgten obendrein Großbritannien (und die Sowjetunion) mit Waffen und anderem Kriegsmaterial. Schließlich waren sie sogar in der Lage, als erste Macht der Erde eine einsatzfähige Atombombe zu bauen und kurz vor Kriegsende auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen.

31 Frodl 1995.

Kapitel 2: Kriegsmaschine und Staatsapparat

67

2. Verbot von Angriffskriegen Nach dem schrecklichen Ende des Zweiten Weltkrieges erhofften sich nicht nur die Deutschen eine gewaltfreie zweite Hälfte des Jahrhunderts. Mit der UNO schien endlich ein funktionsfähiges System zur Konfliktregelung ohne den willkürlichen Einsatz von Gewalt geschaffen worden zu sein. Das Völkerrecht wurde zu verbindlichem deutschen Recht erklärt (Art. 25 GG). Das Grundgesetz von 1949 sah daher folgerichtig eine eigene Armee nicht vor, erst das Eskalieren des Ost-West-Gegensatzes und die Erfahrung des Koreakrieges ließen es den USA geraten erscheinen, das westliche Deutschland (1955/56) wieder zu bewaffnen und zum Mitglied der NATO zu machen.32 Der Versuch der Franzosen, die Westdeutschen durch eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) aus der NATO herauszuhalten, scheiterte an Querelen in der französischen Nationalversammlung.33 Die Bundeswehr wurde der NATO unterstellt; bis zur Wiedervereinigung wurde bewusst auf eine eigene deutsche Kommandoorganisation verzichtet. Die neue weltpolitische Rolle des vereinten Deutschland ließ jedoch den Ruf nach deutscher Truppenpräsenz schon im Zweiten Golfkrieg laut werden. Der von Kohl geführten Bundesregierung gelang es zwar – ebenso wie Japan – noch einmal, sich durch beträchtliche Geldzahlungen freizukaufen, im Somaliakrieg war – zwei Jahre später – die Schonfrist dann allerdings endgültig vorüber. Und im Kosovokrieg, der ohne UNO-Mandat von der NATO geführt wurde, gehörte Deutschland bereits zu den Hauptkriegführenden. Nach wie vor gilt jedoch Art. 26 des Grundgesetzes: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen“. Dieser Artikel gewann Ende 2002 neue Aktualität, als die USA ihre Absicht bekundeten, den Irak notfalls auch ohne UNO-Mandat anzugreifen. Die Bundesregierung schloss eine Beteiligung an einem Irakkrieg aus. Damit blieb freilich das Problem ungelöst, wie mit den US-amerikanischen Truppen und militärischen Einrichtungen auf deutschem Boden zu verfahren sei. Es ging also darum, ob die US-Luftwaffe Überflugrechte erhalten sollte, ob die Amerikaner deutsche See- und Flughäfen zum Transport von Truppen und Kriegsmaterial nutzen durften und ob verwundete US-Soldaten in Lazaretten auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland behandelt werden sollten. Tatsächlich erteilte die Bundesregierung die entsprechenden Genehmigungen sämtlich ohne großes Aufsehen, obgleich dieser Krieg von vielen deutschen Juristen als völkerrechtswidriger Angriffskrieg qualifiziert wird.34

32 Gleichzeitig wurde die kasernierte Volkspolizei der DDR zu einer Volksarmee aufgerüstet und in den Warschauer Pakt eingegliedert. 33 Voigt 2006, S. 206 f. 34 Vgl. Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 11. Juni 2005, BVerWG 2 WD 12.04, Leitsätze 6 und 7.

68

Teil II: Krieg und Politik

3. Duell der Nationen „Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf. Wollen wir uns die Unzahl der einzelnen Zweikämpfe, aus denen er besteht, als Einheit denken, so tun wir besser daran, uns zwei Ringende vorzustellen. Jeder sucht den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen“.35 Diese Einschätzung Clausewitz’ setzt freilich den „symmetrischen Krieg“ voraus, bei dem sich etwa gleich starke Staaten und Armeen gegenüberstehen. Viele Deutsche hatten sich im Herbst 1914 mit großer Begeisterung in diesen Krieg gestürzt, um einen solchen Zweikampf mit dem „Erzfeind“ Frankreich auszufechten. Auch die Auseinandersetzung mit England lässt sich als ein „Duell der Nationen“ interpretieren. Der Krieg gegen Russland passt allerdings nicht so recht in dieses Schema. Im Ersten Weltkrieg gelang es der Obersten Heeresleitung, nach dem Sieg von Tannenberg den durch die Wirren der Revolution geschwächten Russen den Separatfrieden von Brestlitowsk (1917) zu diktieren. Nach diesem Sieg folgte jedoch die demütigende Niederlage Deutschlands im Westen. Auch die Zwischenkriegszeit war alles andere als friedlich. Im „Großen Vaterländischen Krieg“ (Zweiter Weltkrieg) setzte die Rote Armee Stalins den deutschen Truppen dann bei der Verteidigung ihrer Heimat so erbitterten Widerstand entgegen, dass spätestens mit der Katastrophe von Stalingrad (1943) der Krieg für die Wehrmacht faktisch verloren war. Schließlich kämpften sich die sowjetischen Soldaten – unter ungeheuren Verlusten – bis nach Berlin vor, um die alte Reichshauptstadt zu erobern und zu besetzen.

35 Clausewitz 2000, S. 27 (Hervorhebungen im Original).

Kapitel 3: Jahrhundert der Kriege „Im Leben der Einzelnen wie der Völker ist der Kampf ums Dasein die bewegende Kraft, und der Widerstreit und Wettstreit der Interessen wird unter Staaten im äußersten Falle niemals anders als durch Krieg […] geschlichtet werden können“.36

Das 20. Jahrhundert gilt allgemein als das „Jahrhundert der Kriege“.37 Tatsächlich hat der Krieg mit den beiden Weltkriegen eine neue Dimension erreicht. Kriegsanstrengungen diesen Umfangs und von derartiger Effektivität waren vorher ebenso unbekannt wie die bloße Zahl der Kriegsteilnehmer und schließlich der Opfer von Krieg, Gewalt und Bombenterror. Nach den beiden Weltkriegen herrschte in Eu­ ropa zwar offiziell „Frieden“, allerdings war dies lediglich die Abwesenheit von Krieg. Da sich beide Seiten gegenseitig belauerten und auf eine Gelegenheit zum Angriff warteten, wurde dieser Zustand als „Kalter Krieg“ bezeichnet. In Europa standen sich die hochgerüsteten Armeen des West- und des Ostblocks gegenüber, ohne dass es freilich zum Ausbruch eines Krieges kam. In anderen Teilen der Welt brachen sich die aufgestauten Konflikte aber umso erbitterter Bahn. Die Niederlage der Franzosen und die Beinahe-Niederlage der Briten im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen in Europa und gegen die Japaner im pazifischen Raum, die nur durch das Eingreifen der USA verhindert wurde, zeigte den Kolonialvölkern, wie verwundbar ihre „Herren“ waren. Die Dekolonialisierung Afrikas und Asiens wurde schrittweise – und zumeist im Gefolge blutiger Unabhängigkeitskriege – erreicht. Die Amerikaner unterstützten diese Antikolonialisierungsbewegung durchaus im eigenen Interesse. Das französische Kolonialreich, von dem aus de Gaulle noch während des Zweiten Weltkrieges, als seine Heimat besetzt war, erfolgreich hatte operieren können, zerfiel nach und nach. Der Krieg der Franzosen in Indochina gehörte zu den blutigsten Stationen auf diesem Weg. Er läutete letztlich das Ende der Weltgeltung Frankreichs ein. Zugleich verlor das Britische Empire nach und nach an Boden. Der schwerste Schlag war der Verlust des indischen Subkontinents, der als „Kronjuwel des Empire“ zugleich das Rückgrat des Weltreichs bildete. Neue Staaten traten an die Stelle der alten Kolonialgebiete, bis schließlich im Commonwealth sich nur noch die „weißen“ Dominions Australien, Kanada, Neuseeland sowie (zeitweise) Südafrika und Rhodesien als Stützen des Mutterlandes gerierten. Hier blieb der 36 Badisches Militärvereinsblatt 15, 1911, S. 140 f. 37 Vgl. Kolko 1999.

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Teil II: Krieg und Politik

Einfluss Großbritanniens zwar länger erhalten, musste aber schließlich doch Schritt für Schritt der amerikanischen Dominanz weichen. 1. Zementierung des Status quo Das wichtigste Ergebnis des Zweiten Weltkrieges war freilich der Aufstieg der USA und der UdSSR zu nahezu gleich starken Supermächten, die sich anschickten, die Welt unter sich aufzuteilen. In gigantischen Rüstungsanstrengungen wurden Militärblöcke geschmiedet, die sich waffenstarrend mitten in Deutschland gegenüber standen. Die Respektierung der einmal anerkannten Grenzziehung verbot jedoch – zumindest faktisch – die Intervention der einen Macht in das Territorium der anderen.38 So konnten die Volksaufstände in der DDR (17. Juni 1953), in Ungarn (1956), in der Tschechoslowakei („Prager Frühling“, 1968) und in Polen (1980/81) von den Truppen des Ostblocks niedergeschlagen werden, ohne dass NATO oder USA sich einmischten. Durch diese strikte Anerkennung von Machtsphären in Europa wurde letztlich der Dritte Weltkrieg vermieden. Dabei traten die Vereinigten Staaten von Amerika nun endgültig das Erbe der einstigen Weltmacht Großbritannien, die das 19. Jahrhundert beherrscht hatte, an. Schon bald zeigte sich, dass die Briten politisch zu einer Mittelmacht am Rande Europas geschrumpft waren und dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine globale Hegemonie anstrebten. 2. Wandel des Krieges Bereits im 19. Jahrhundert und verstärkt im 20. Jahrhundert, dem „Jahrhundert der Gewalt“,39 ist es zu Veränderungen gekommen, die aus dem Kabinettskrieg den Volkskrieg, aus dem begrenzten den absoluten Krieg (Clausewitz) und schließlich den totalen Krieg (Ludendorff) werden ließen. An die Stelle des symmetrischen Krieges trat der asymmetrische Krieg. Bürgerkriege in gescheiterten oder vor dem Scheitern stehenden Staaten bestimmen das Bild. Das US-Magazin Foreign Policy veröffentlicht jährlich einen Index der gescheiterten Staaten. Dazu werden auf insgesamt 177 Staaten zwölf Indikatoren angewandt, die soziale, ökonomische und politische Aspekte messen sollen. Die Messung erfolgt von 1–10, wobei 10 die schlechteste Note ist. In Schaubild 5 wurden die ersten 15 Staaten des Index sowie fünf Indikatoren ausgewählt. Andere Indikatoren, wie z. B. Bevölkerungsdruck, Flüchtlinge etc. können aber ebenfalls von Bedeutung sein. Dabei zeigt sich, dass insbesondere bei den ersten vier Staaten der Tabelle fast alle Indikatoren äußerst schlechte Werte aufweisen. Besonders in gescheiterten Staaten, aber auch in Staaten, die auseinander zu brechen drohen, kommt es zu so genannten Identitätskriegen. Dies setzt freilich voraus, dass z. B. Minderheiten nicht in den Gesamtstaat integriert werden können. Dabei handelt es sich 38 Voigt 2005. 39 Vgl. Lehmann 1996; Pfetsch 2002, S. 223–239.

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Kapitel 3: Jahrhundert der Kriege

zwar in aller Regel um einen asymmetrischen Krieg, der Identitätskrieg hat aber keineswegs den Staatenkrieg vollständig abgelöst. Schaubild 5: Gescheiterte Staaten Staat

Indikatoren für Instabilität (ausgewählt) Unterentwicklung

Wirtschaft

Delegitimierung des Staates

Öffentliche Verwaltung

Externe Intervention

1. Sudan

9,1

7,7

10

9,5

9,8

2. Irak

8,5

8,0

9,4

8,5

10

3. Somalia

7,5

9,2

10

10

10

4. Simbabwe

9,5

10

9,5

9,6

7,0

5. Tschad

9,0

8,3

9,5

9,1

9,0

6. Elfenbeinküste

8,0

8,9

9,5

7,9

9,8

7. Dem. Republik Kongo

9,1

8,0

8,3

8,7

9,6

8. Afghanistan

8,0

8,3

8,8

8,0

10

9. Guinea

8,5

8,5

9,6

8,9

8,5

10. Zentralafrikan. Republik

8,6

8,4

9,0

8,0

9,0

11. Haiti

8,2

8,4

9,2

9,0

9,6

12. Pakistan

8,5

5,8

8,7

7,1

8,5

13. Nordkorea

8,8

9,6

9,8

9,5

7,9

14. Burma

8,9

7,6

9,1

8,3

4,0

15. Uganda

8,5

7,5

8,5

8,2

7,4

(Quelle: The Failed States Index 2007, S. 840)

3. Bilanz der Kriege Für eine Bilanz des Kriegsgeschehens seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erweisen sich folgende Charakteristika als nützlich, die Gantzel und Schwinghammer für die Situation seit 1945 herausgearbeitet haben:41 − Die Zahl der jährlich laufenden Kriege steigt fast stetig, der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde Anfang der 1990er Jahre erreicht. − Der überwiegende Teil aller Kriege (ca. 90 %) findet in den Regionen der „Dritten Welt“ (Peripherie) statt. 40 www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=3865&page=7 41 Gantzel/Schwinghammer (Hrsg.) 1995.

72

Teil II: Krieg und Politik

− Weit überwiegend sind es innergesellschaftliche Kriege, die durch eine deutlich längere Dauer und schwierigere Beendigung charakterisiert sind. − Die hoch entwickelten Länder in Europa und Nordamerika sind so gut wie kriegsfrei.42 Offensichtlich war die nationalstaatliche Konsolidierung in einigen Weltgegenden im Zeitalter der Blöcke lediglich aufgeschoben, aber nicht – wie insbesondere deutsche Zeitgenossen glaubten – aufgehoben.43 Vielmehr kam es mit dem Ende des Kalten Krieges vor allem auf dem Territorium des ehemaligen Ostblocks zu einem Nachholprozess bei der Bildung von Nationalstaaten.44 Diese neuen Nationalstaaten waren umso eifersüchtiger darauf bedacht, ihre mühsam errungene Souveränität gegen Eingriffe anderer Mächte zu verteidigen. Dies zeigt sich nicht zuletzt im Verhalten Polens gegenüber der EU bis zum Spätherbst 2007. Minderheiten blieben unter dem Druck totalitärer Regime solange im ungeliebten Staatsverband, bis das Regime schwächer und damit seine Legitimationsdefizite sichtbarer wurden. Dann brach sich allerdings – z. B. auf dem Balkan – der aufgestaute Zorn Bahn, ohne dass ihn rationale Erwägungen hätten stoppen können. Jede Volksgruppe verlangte nach einem eigenen Nationalstaat.

42 Dabei sind aufgrund des Untersuchungszeitraumes (bis 1992) die Balkankriege noch nicht berücksichtigt. 43 Vgl. aber Voigt (Hrsg.) 1998. 44 Vgl. Ferdowsi 1993, S. 27–42.

Teil III: Krieg und Raum

Seit es Staaten gibt, ist der Raum eine Kategorie, die mit der Herrschaft von Staaten und damit auch mit dem Krieg aufs Engste verbunden ist. Kriege wurden stets vor allem zum Schutz des eigenen oder zur Eroberung fremden Territoriums geführt. Freilich hat die deutsche Politikwissenschaft noch immer keine Theorie des politischen Raumes entwickelt. Eine der Ursachen hierfür liegt in der Instrumentalisierung der Geopolitik durch die Nationalsozialisten. Danach wurde Geopolitik als „eigene Vorbereitungs-Wissenschaft zur Kunst der Politik und Kriegführung“ definiert. Nur für die Experten lag auf der Hand, dass das deutsche Territorium in der Zeit des Ost-West-Gegensatzes eine Glacisfunktion der vier Mächte erfüllte: „Alle Mächte gedachten, sich auf deutschem Boden selbst zu verteidigen, und weil sie sich selbst hier verteidigen wollten, erklärten sie, dass jede Antastung ihres Gebietes ein Angriff auf sie selber sei“. Der deutschen Öffentlichkeit blieb dieser Zusammenhang freilich verborgen. In jüngster Zeit ist die Geopolitik oder Geostrategie durch die militärischen Interventionen der USA in Afghanistan und Irak und die Auslandseinsätze der Bundeswehr wieder stärker in den Blickpunkt auch des Interesses deutscher Wissenschaftler getreten. Obgleich sich im Laufe der Zeit der Raumbegriff nachhaltig geändert hat, ist doch klar, dass ohne eine breite räumliche Basis Herrschaftsansprüche kaum durchzusetzen sind. 1. Sicherung der Grenzen „Als Scheidelinie entspricht die Grenze dem juristischen Ideal der Sichtbarkeit und Unzweideutigkeit, wie sie von der dichten Besiedelung und dem demokratischen Staat der Neuzeit erfordert werden“. Sichere Grenzen und eine angemessene räumliche Ausdehnung – z. B. auf einem ganzen Kontinent oder zumindest einem Subkontinent – sind entscheidend für die Entwicklungschancen eines Gemeinwesens, wie das Beispiel der USA zeigt. Hätten die Südstaaten anstelle der Nordstaaten den Sezessionskrieg gewonnen, hätte es aller Voraussicht nach zwei Staatsgebilde mit unterschiedlicher Kultur und – daraus resultierend – mit unterschiedlichen politischen Prioritäten gegeben. Großbritannien blieb nach dem Unabhängigkeitskrieg in Nordamerika nur seine Kolonie Kanada, und Russland verlor seinen Zugriff durch den Verkauf von Alaska an die USA im Jahre 1867. Verfügt eine Nation nicht    

Vgl. aber Schmitt-Egner 2005; Schmitt (Hrsg.) 2002. Haushofer 1936, S. 112–117. Brill 1994, S. 240. Heller 1934, S. 142–147 [145].

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Teil III: Krieg und Raum

über ein eigenes Staatsgebiet, dann fehlt ihr eine wichtige Voraussetzung zur Staatlichkeit. Sie wird alles daran setzen, ein eigenes Territorium zu gewinnen, z. B. durch Befreiung von einer Kolonialherrschaft, durch Trennung (Separation) von einem anderen Staat oder durch Zusammenfassung mehrerer Territorien zu einer Einheit. So streben die Kurden bereits seit Langem eine Vereinigung ihrer türkischen, irakischen und iranischen Siedlungsgebiete, kurzfristig zumindest eine Autonomie des Nordiraks, an. Die betroffenen Staaten wehren sich jedoch mit aller Macht gegen eine Abspaltung von ihrem Staatsgebiet. Dabei ist Krieg oft das einzige Mittel, das zum Ziel zu führen scheint. Allerdings wird durch den Krieg gegen ein Land u. U. eine ganze Region destabilisiert. Der Irakkrieg von 2003 zeigt das eindrucksvoll. Nach Kriegsende muss dann versucht werden, wiederum ein Gleichgewicht der Kräfte in dieser Region herzustellen. Dieses raumbezogene Denken und Handeln spielt im heutigen Kriegsgeschehen zwar durchaus noch eine Rolle, es hat aber eine andere Dimension gewonnen. Die USA verfügen über ein weltumspannendes Netz von Stützpunkten und Flotteneinheiten, ihre geopolitischen Interessen beziehen über die Erde hinaus auch den Weltraum, zumindest den Orbit, ein. Schwer zu übersteigende Berge oder das Meer galten solange als sichere Grenzen, bis Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen jedes derartige Hindernis überwindbar machten. Während das riesige USBotschaftsgebäude in Bagdad mit entsprechender Personalausstattung deutlich macht, dass das Empire Amerika auch nach einem späteren (Teil-) Abzug seiner Truppen aus dem Irak dieses Land zum amerikanischen Herrschaftsbereich zählt, werden heute – neben der militärischen Besetzung fremden Territoriums – meist subtilere Methoden der Herrschaftsausübung angewandt. Dazu gehören etwa ökonomische, strategische oder energiepolitische Abhängigkeiten von einer Großmacht. 2. Dimensionen des Krieges Mit dem Einzug der Informationstechnologie in das Kriegsgeschehen hat sich der Krieg nachhaltig verändert. Ergaben sich die Dimensionen früherer Schlachtfelder aus der begrenzten Reichweite menschlicher Sinne sowie der Reichweite der Geschütze, so diktieren heute neue technische Möglichkeiten das Kriegsgeschehen. Seit dem Ersten und verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg, die zugleich Weltordnungskriege waren, hat sich die Raumdimension der Welt und mit ihr auch der Krieg gewandelt. Das Ende der bipolaren Ordnung bedeutete eine weitere Zäsur. Im Zeitalter der Globalisierung, der digitalen Vernetzung und der Einbeziehung des Weltraums (Orbit) in die Strategie hat der Krieg seinen festen Ort in Zeit und Raum verloren. Der souveräne Territorialstaat ist nicht mehr der einzige und oft nicht einmal der wichtigste Akteur; neben ihn und oft sogar an seine Stelle sind politische Bewegungen, halbstaatliche Organisationen, Kriegsunternehmer mit zweifelhaftem Ruf, marodierende Banden und Terroristen getreten. Kleinere und mittlere Staaten können ihr Staatsgebiet nicht mehr allein verteidigen, sie schließen sich Militär-

Teil III: Krieg und Raum

75

bündnissen an, die zumeist von einer hegemonialen Macht mittlerer Reichweite oder vom Empire Amerika dominiert werden. Damit können diese Staaten zumindest einen Restbestand an Souveränität bewahren. Die Regierungen vieler Länder der Dritten Welt sind hingegen auf ihre eigenen Sicherheitskräfte (Militär, Polizei) angewiesen, die ggf. durch (freischaffende) Söldner oder Angehörige von Privaten Militärunternehmen verstärkt werden. Sie müssen sich auf ihrem Staatsgebiet auf militärische Konflikte mit konkurrierenden Akteuren einlassen, deren Ausgang höchst fraglich ist, weil sie nicht über das Gewaltmonopol und vor allem nicht über die erforderliche Legitimation verfügen. Damit fehlen ihnen unverzichtbare Voraussetzungen für die Ausübung staatlicher Souveränität. Im Krieg übernehmen sie zumeist die irreguläre Kriegführung ihrer Gegner und untergraben damit zusätzlich die Prinzipien ihrer eigenen Staatlichkeit.



Das war beim Warschauer Pakt selbstverständlich die Sowjetunion, bei der NATO waren bzw. sind es die Vereinigten Staaten.

Kapitel 1: Geostrategie „Geopolitik ist die Lehre über den Staat als geographischem Organismus oder Erscheinung im Raum: also der Staat als Land, Territorium, Gebiet oder am ausgeprägtesten, als Reich“.

Zentrales Gestaltungsmittel der Politik im Verhältnis von Macht und Raum ist die Geopolitik. Geopolitik ist das Denken in Herrschaftsterritorien, Einflusszonen und Machträumen, das für die Einstellung zum Krieg von großer Bedeutung ist (siehe Schaubild 6). Schaubild 6: Klassische Geopolitik Zeitraum

Geopolitische Ordnung

Geopolitischer Diskurs

Vor 1815–1875

Geopolitische Hegemonialordnung durch das Britische Empire

Geopolitik als harmonisch statisches Volk-Raum-Gefüge (Herder)

1875–1945

Zwischenstaatliche Auseinander­ setzungen in der Phase des Imperialismus

Geopolitik als dynamisierter „natürlicher“ Kampf um Lebensraum (Ratzel, Haushofer)

1945–1990

Bipolare Ordnung des Kalten Krieges

Geopolitik als Ideologie, Realpolitik (Kissinger, Waltz)

1990–2002

Transnationaler Liberalismus, Ökologischer Kollaps, Kampf der Kulturen

Diversifizierte geopolitische Diskurse (Fukuyama, Kaplan, Huntington)

2002–?

Kampf des Empire Amerika um die globale geopolitische Hegemonie

Geopolitik als Ausdruck christlichen Sendungsbewusstseins (Kagan, Kristol)

(Quelle: Auf der Basis von: Albert/Reuber/Wolkersdorfer 2003, S. 514)

Geopolitik und Geostrategie, die militärpolitische Komponente der Geopolitik, haben immer eine wesentliche Rolle im Denken der Staaten gespielt. Die Atombombe hat hier jedoch zu einem tiefgreifenden Wandel geführt. Denn im Zeichen des atomaren Gleichgewichts sind sowohl die Grenzen, die durch den Zweiten Weltkrieg entstanden sind als auch diejenigen, die durch die Dekolonialisierung zustande gekommen sind, „eingefroren“. Weder in Europa noch in Afrika traut sich jemand ernsthaft an die Revision der durch die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs bedingten Grenzen heran.   

Kjellèn 1917, S. 46. Dicke 2002, S. 15. Carrère 1971, S. 42–63.

Kapitel 1: Geostrategie

77

Kriege wurden und werden um Erdölreserven, Rohstoffvorkommen (Diamanten, Uran, Gold etc.), um sichere Grenzen (Flüsse etc.), um Siedlungsgebiete und Wasservorräte geführt. Der Kampf um den Weltraum schien nach dem Niedergang der Sowjetunion bereits zu Gunsten der USA entschieden zu sein. Allerdings holt Russland allmählich wieder auf, seine Raumschiffe gelten als sehr zuverlässig und werden auch von den Europäern z. B. zum Transport von Satelliten eingesetzt. China positioniert sich in aller Stille mit seinen eigenen Raumfahrtambitionen, inzwischen sogar mit einer eigenen Mondmission. Ehemalige und immer noch bestehende Kolonien dienen beim erdumspannenden Einsatz der US-Streitkräfte als Stützpunkte und Versorgungsbasen (Stichwort: Diego Garcia). Auch die europäische Raumfahrt nutzt eine Abschussrampe in Kuru in Französisch Guayana. Besonders deutlich zeigt sich die Tragweite geostrategischer Entscheidungen bei der Erweiterung von NATO und EU. EU- und NATO-Außengrenze sind bis in den russischen Einflussbereich (Baltikum, Polen, Ukraine) vorgeschoben worden. Russland fühlt sich zwangsläufig in seiner militärischen Sicherheit bedroht.10 Dies wird durch die geplante Stationierung von Abschussbasen des Raketenabwehrsystems der USA in Polen noch verstärkt. Die Reaktion des russischen Präsidenten Putin besteht in der Ankündigung eines eigenen Raketenabwehrprogramms, das bis zum Jahre 2015 fertiggestellt sein soll. Die USA haben damit zwar die potenziellen Kontrahenten in Mitteleuropa militärisch neutralisiert und – zumindest zeitweise – die EU gespalten, den alten Rivalen Russland haben sie damit jedoch noch nicht abgehängt. Allerdings haben sich die Gewichte in der Allianz zu Gunsten der Amerikabefürworter, zu denen vor allem auch die neuen Mitglieder der NATO gehören, verschoben. Das alte Zentrum Europas hat zunächst an Bedeutung verloren, es muss also nach neuen Wegen militärischer Eigenständigkeit suchen oder sich ganz dem Hegemon un­terordnen. Frankreich sucht unter seinem neuen Präsidenten Sarkozy wieder den Schulterschluss mit den USA, ohne – bislang – die enge Kooperation mit Deutschland ganz aufzugeben. Auch die EU folgt bei ihrer territorialen Erweiterung geostrategischen Imperativen, die teils von den USA vorgegeben werden, teils eigene Ziele der EU verwirklichen. So waren Spanien und Portugal an der Südwestflanke der damaligen EG – nicht zuletzt wegen der Meerenge von Gibraltar – von strategischer Bedeutung. Mit Griechenland ließ sich die Südostflanke der EG sichern. Ähnliches gilt für die letzte Erweiterungsrunde um die ehemaligen Ostblockländer. Und auch die Einbeziehung der Türkei wäre vor allem aus geo­strategischen Gesichtspunkten wichtig. Besonders die USA üben in dieser Frage Druck auf die EU aus. Die Bedeutung der Geostrategie tritt jetzt auch für Deutschland deutlicher zutage, seitdem es seine Rolle als global engagierte Mittelmacht anzunehmen begonnen hat.



Im November 2007 startete China eine Rakete des Typs „Langer Marsch 3A“ vom Raumfahrtzentrum Xichang, die seine Raumsonde Chang’e 1 erfolgreich in eine Umlaufbahn um den Mond gebracht hat. 10 Putin hat daher den KSE-Vertrag über konventionelle Abrüstung vorerst außer Kraft gesetzt.

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Teil III: Krieg und Raum

1. Raum und Zeit Raum11 und Zeit spielen im kriegerischen Geschehen aller Epochen eine besondere Rolle. Waffentechnische Innovationen – wie der Einsatz von Panzern, Unterseebooten, Flugzeugen, Raketen, moderner Nachrichtentechnik,12 Satelliten-, Computer- und Nukleartechnologie – haben vor allem im 20. Jahrhundert nachhaltigen Einfluss auf die Raum- und Zeitdimension genommen.13 Im 19. Jahrhundert diente die Eisenbahn dazu, Truppen schneller an den Einsatzort zu transportieren. Im 20. Jahrhundert kamen die Autobahnen sowie schwimmende Truppentransporter und schließlich die Transportflugzeuge sowie Hubschrauber als Transportmittel hinzu.14 Marschflugkörper und unbemannte Drohnen15 verändern die Raumdimension des Krieges ebenfalls nachhaltig. Vorläufig lassen sich also nach ihrer Raumdimension fünf Arten von Krieg unterscheiden: Landkrieg, Seekrieg, Luftkrieg, Krieg im Orbit und Cyberwar. Ein großer Krieg umfasst zumeist alle diese Kriegsarten. Wegen der Reichweite moderner Waffen, wegen der Mobilität der Kämpfer und vor allem wegen der wirtschaftlichen und politischen Interessen außen stehender Mächte lassen sich Kriege zudem kaum noch auf ein bestimmtes Territorium beschränken. Schaubild 7: Raumkategorien des Krieges Landkrieg

Seekrieg

Luftkrieg

Kriegsgründe

territoriale Streitigkeiten

Seeblockade, Erstarken eines potenziellen Konkurrenten

Ausschaltern des Erringen der DesorienGegnersZermür- Welthegemonie tierung des ben der ZivilbeGegners völkerung

Kriegsziele

Landgewinn

Seeherrschaft, freier Zugang zum Meer

Lufthoheit

Unangreifbarkeit

Art der Streitkräfte

Landstreitkräfte

Kriegsmarine

Luftwaffe

„Space Forces“ Militärische „Hacker“; IT-Einheiten

U-Boote, Flugzeugträger Lenkwaffenfregatten

Jäger, (Langstre- Killersatelliten cken-) Bomber

Bewaffnung Artillerie, Panzer

Krieg im Orbit

Cyberswar

Lahmlegen gegnerischer ITSysteme

Hardware (Computer), Software

11 Vgl. Schmitt (Hrsg.) 2002; Conrad (Hrsg.) 2002; Anderson 1996; Fürst 1993, S. 292–315. 12 Van Creveld weist auf die „beispiellos effiziente Mobilmachung und strategische Bereitstellung von Streitkräften“ als einen gewaltigen militärischen Vorteil hin, van Creveld 1998, S. 75. 13 Die Frage, ob das technologische oder das politische Element bei kriegsgeschichtlichen Revolutionen dominiere, erörtert eingehend: Münkler 1992, S. 30 ff. 14 Für weit entfernte Länder bzw. Kriegsschauplätze spielten noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Truppentransportschiffe eine besondere Rolle. 15 Im Englischen „drone“, ein unbemanntes Fluggerät, das i. d. R. wiederverwendet und zumeist aus der Entfernung gesteuert werden kann.

Kapitel 1: Geostrategie

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1.1 Raumaspekte Der Begründer der Geopolitik, der schwedische Politikwissenschaftler und Politiker Kjellèn (1864–1922), war davon überzeugt, dass Staaten ausschließlich durch ihr Territorium beeinflusst werden. Ein Staat kann danach gar nicht anders handeln, als es ihm durch seine geografischen Gegebenheiten vorbestimmt ist (Stichwort: „Geodeterminismus“). Seemächte handeln also anders als Landmächte, Staaten mit großem Territorium anders als solche mit kleinem, Staaten mit natürlichen Grenzen anders als solche ohne natürliche Begrenzungen. Charakteristisch für den Raum ist seine Endlichkeit, die durch Grenzen zum Ausdruck kommt. Da die Bestimmung eines konkreten Raumes voraussetzt, dass es mindestens noch einen anderen, den ersteren umgebenden Raum gibt, trägt der Raumbegriff die Tendenz zur Ausweitung bereits in sich.16 In diesem Sinne lassen sich Grenzen auch als „Kampfzonen“ (Ratzel) definieren, um deren Sicherung oder Veränderung Kriege geführt wurden und werden. Dabei zeigt sich, dass ein Raum mehr umfasst als nur das Territorium, denn auch soziale Beziehungsgeflechte und Kommunikationsstrukturen gehören dazu.17 Menschen erleben den Raum, sie leben innerhalb seiner Grenzen, so dass man den Raum auch als eine Art „Handlungsrahmen“ betrachten kann, in dem Menschen agieren.18 Jeder Raum hat also nicht nur eine physikalische Dimension, sondern ist zugleich immer auch durch die Existenzerfahrung des Menschen geprägt. Dabei sind fünf Faktoren von Bedeutung:19 − Jede Vorstellung von Räumlichkeit in der Natur ist zugleich menschliche Praxis in dem entsprechenden Raum. − Geschichte als menschliches Erinnerungssystem ist stets auf einen spezifischen Raum bezogen. − Der natürliche Raum macht die Personen, die Personen machen den Raum aus. − Jeder Raum ist exklusiv: „Die Raumeigenschaft eines Raumes ist eine subjektive oder intersubjektive Schöpfung und ist daher auch nur für das Individuum oder die Gruppenmitglieder offensichtlich, die sie geschaffen haben“.20 − Jeder Raumbezug entsteht aus der Anwendung von Gewalt; das Vorhandensein von Gewaltandrohung macht den Raum erst zu einer exklusiven Größe. 1.2 Raum menschlicher Wahrnehmung Für den Raumbegriff des Krieges ist daneben vor allem der Raum menschlicher Wahrnehmung von besonderer Bedeutung. Gerade hier entfalten technische Neuerungen besonders große Wirkung. Auch die Mobilität kann auf diese Weise erheb16 17 18 19 20

Vgl. Malpas 1998, S. 28. Laskowski 2001, S. 12. Smith/Light/Roberts 1998, S. 2. Smith/Light/Roberts 1998, S. 4–6; Nitschke 2006, S. 301–318 [303]. Smith/Light/Roberts 1998, S. 6 (eigene Übersetzung).

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Teil III: Krieg und Raum

lich gesteigert werden. Neben dem Raum kommt dabei dem Zeitfaktor besondere Bedeutung im kriegerischen Geschehen zu. Aus einer „Überproduktion von Bewegung“ resultiert die Relativität von Entfernungen im Krieg.21 Zeit unterliegt in der Mediengesellschaft freilich einer anderen Maßeinheit als in den Gesellschaften früherer Epochen. Handlungsabläufe scheinen – auch im Kriegsgeschehen – einer ungeheuren Beschleunigung zu unterliegen. Kameras in den Gefechtsköpfen von Raketen liefern direkte Aufnahmen von Treffern oder Fehlschüssen sowie vom Zerstörungsgrad. Durch die moderne Kommunikationstechnologie ist die Zeitspanne zwischen einer Nachricht und ihrer Übermittlung in manchen Bereichen auf Null geschrumpft. Das bedeutet, dass nicht nur die Befehlszentrale unmittelbar das Gefechtsgeschehen beobachten und dirigieren kann, sondern auch, dass Nachrichten über den Krieg der Außenwelt in Echtzeit (live) übermittelt werden können.22 Grundsätzliche Probleme, wie etwa Entwicklungsunterschiede zwischen den Gesellschaften, aber auch taktische Erwägungen der Staaten spielen bei der Bestimmung des Zeitfaktors ebenfalls eine Rolle. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (Ernst Bloch23) bedingt, dass es auch heute neben den hoch entwickelten Industriegesellschaften Westeuropas, Nordamerikas und Ostasiens Gesellschaften gibt, die einen großen Nachholbedarf an Entwicklung haben. Hier finden nicht nur häufiger Bürgerkriege statt, die oft auf die Nachbarländer übergreifen. Vielmehr verlaufen Kriege zwischen diesen beiden Welten asymmetrisch, wenn – z. B. im Irakkrieg von 2003 – „Goliath“ mit seiner gewaltigen Militärmaschinerie gegen das Drittweltland „David“ kämpft. Unterentwickelte Gesellschaften tragen überdies häufig fundamentalistische Züge. Als Vorteil der Asymmetrie kommt für den Schwachen allerdings zum Tragen, dass die Zerstörungskraft moderner Vernichtungswaffen ihre volle Wirkung nur in dicht bevölkertem Gebiet entfaltet, in menschenleerem Gelände die Wirkung hingegen weitgehend verpufft. Dabei erweist es sich, dass ein unterentwickeltes Land wie Afghanistan auch mit einer überragenden Kriegstechnologie nicht endgültig zu „besiegen“ oder gar zu „befrieden“ ist. 1.3 Zeitfaktor Zeit spielt im Krieg eine besonders wichtige Rolle. Mit dem berühmten (aber nicht verbürgten) Ausspruch „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen!“ brachte der Herzog von Wellington in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 die damalige Bedeutung von Zeit auf den Punkt. Es ging um das Durchhalten für einen gewissen Zeitraum, bis militärische (Blüchers Soldaten) oder natürliche Hilfe (nachts wurde nicht gekämpft) nahte. Die Zeit spielt aber nicht nur bei der Verteidigung gegen einen überlegenen Gegner, sondern auch beim Angriff eine große Rolle. Womöglich kann man den Gegner überrumpeln, weil er noch nicht mit dem Eintreffen der Armee gerechnet hatte. In modernen Kriegen ist das Beschleunigungspoten21 Virilio 1989a, S. 44. 22 Virilio 1993, S. 32. 23 Bloch 1985.

Kapitel 1: Geostrategie

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zial unter Umständen kriegsentscheidend. Größere motorisierte Truppenkontingente werden über Autobahnen herangeführt; Flugzeuge und Hubschrauber, im Seekrieg auch Schnellboote, erlauben einen raschen und unerwarteten Ortswechsel des Kriegsgeschehens. Im Extremfall ist damit die tendenzielle Unverwundbarkeit des Gegners verbunden, während die andere Seite zum bloßen Opfer wird.24 Die Zeit des Kampfes spielt für den an den Kampfhandlungen teilnehmenden Soldaten darüber hinaus eine entscheidende Rolle. Das Warten kann nervtötend sein. Der konkrete Zeitpunkt der Schlacht, in dem es für den Soldaten um Leben oder Tod geht, wird oft als eine Art „Rausch totaler Präsenz aller körperlichen und geistigen Kräfte“ beschrieben.25 Und schließlich hat auch der Zeitpunkt technisch-militärischer Innovationen und ihrer Umsetzung u. U. nachhaltige Folgen.26 Wer zuerst über ein einsatzfähiges Radar bzw. Sonar verfügte, um frühzeitig die gegnerischen Flugzeuge, Schiffe etc. orten zu können, hatte z. B. im Zweiten Weltkrieg einen strategischen Vorteil. Ähnliches galt für den Staat (USA), dem es als Erstem gelang, die Nukleartechnologie zur „Bombenreife“ zu bringen oder ein funktionsfähiges Raketenabwehrsystem im Weltraum zu installieren.27 Der Einsatz der Luftwaffe und später von Raketen lässt Vorwarnzeiten auf Minuten oder gar Sekunden zusammenschrumpfen, selbst wenn man über moderne Satellitenbeobachtungssysteme oder sogar Raketenabwehrsysteme verfügt. Tarnkappenbomber (stealth) und Marschflugköper (cruise missiles) ermöglichen die Bombardierung gegnerischer Ziele ohne Gefährdung der eigenen Truppen. 2. Ende des politischen Raumes? Handelt es sich bei dieser Entwicklung um den schleichenden Zerfall der Territorialität28 und resultiert daraus womöglich das „Ende der Geografie“29 oder sogar das „Ende des Raums“?30 „Globalisierung“ bedeutet in erster Linie Entgrenzung, also die „Inkongruenz räumlicher Bezugssysteme in der sozialen Welt auf der einen, sowie deren zunehmende Multiplizität und Durchmengung auf der anderen Seite“.31 Diese Entgrenzungsphänomene sind zum einen Begleiterscheinung eines ungesteuerten technischen Entwicklungsprozesses, zum anderen sind sie virtueller Natur. Es geht also nicht nur (aber auch) um das tatsächliche Verschwinden real existierender Grenzen,32 sondern auch um den virtuellen („gefühlten“) Raum, dessen Merkmale 24 Münkler 2004, S. 22–37 [31]. 25 Oberender 2006, S. 9–22 [13]. 26 Schon Clausewitz war davon überzeugt, dass die Waffentechnik maßgeblichen Einfluss auf die Gestalt des Krieges hat, Gembruch 1980, S. 465–473 [468]. 27 Vgl. Der Spiegel, Nr. 34 vom 20.8.2001, S. 120–122. 28 Enzensberger 1993, S. 55. 29 O’Brian 1992. 30 Virilio 2000, S. 14. 31 Albert 2000, S. 121. 32 Von dem im größten Teil der Europäischen Union geltenden Schengener Abkommen (I und II),

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Teil III: Krieg und Raum

Reichweiten und Erreichbarkeiten sind. Zudem verlaufen Entgrenzung („Globalisierung“) und Eingrenzung („Lokalisierung“) teilweise parallel. Der Raum hat also nur scheinbar seine Bedeutung verloren.33 Grade zur demokratischen Legitimierung ist Politik nach wie vor an den Raum gebunden.34 Aber auch der Krieg kann nicht ganz auf einen konkreten Raum verzichten. 2.1 Reale oder virtuelle Grenzen? Grenzen spielen sowohl in sozialer wie in politischer Hinsicht immer noch eine wesentliche Rolle.35 Dabei lassen sich fünf verschiedene Funktionen von Grenzen unterscheiden.36 Vielleicht mit Ausnahme der sozialpsychologischen Funktion gilt jedoch keine der Grenzfunktionen in den Zeiten des Internets noch absolut, vielmehr gibt es zahlreiche Durchbrechungen. − Militärische Schutzfunktion: Die ursprüngliche Funktion von Grenzen, wie z. B. der Chinesischen Mauer oder des Römischen Limes, ist die Verteidigung. − Rechtliche Funktion: Die Grenze bildet den Rahmen für die Verfassungs- und Rechtsordnung sowie für die Verwaltungsorganisation; nur Staatsbürger haben im Regelfall ungehinderten Zutritt zum Staatsgebiet. − Wirtschaftliche Funktion: Die Zollgrenze (Stichwort: „Schutzzölle“) schottete früher die Nationalökonomie erfolgreich gegenüber fremden Märkten ab. Lediglich durch „Schmuggler“ wurden diese Grenzen durchbrochen. − Ideologische Funktion: Grenzen können Bestandteil einer nationalistischen Idee sein oder – wie z. B. der „Eiserne Vorhang“ – ideologische Einflusssphären trennen. Nur in zurückgebliebenen Diktaturen wie Nordkorea lässt sich diese Funktion auch heute noch weitgehend aufrechterhalten. − Sozialpsychologische Funktion: Das Individuum konstruiert sich ein Territorium als „Erlebnisraum“, das ihm durch die Differenz von Innen und außen Orientierung („Heimat“) ermöglicht und ihm das Gefühl gibt, geschützt zu sein. 2.2 Deterritorialisierte Politik? Ein Staat ohne Raum ist kaum vorstellbar, wie sich am Beispiel des Kampfes der Kurden um einen eigenen Staat zeigen lässt. Deshalb ist das Konzept des politischen Raumes sowohl für das moderne Politikverständnis wie für das moderne

33 34 35 36

das die Freizügigkeit in dem betroffenen EU-Territorium gewährleistet, kann nicht ohne Weiteres auf andere Weltgegenden geschlossen werden. Laidi 1995, S. 156–168 [156]. Greven 1997, S. 45–65; Zürn 1998, S. 69; vgl. Dittgen 1999, S. 3–26; Nitschke 2006, S. 301– 318. Anderson 1996. Dittgen 1999, S. 3–26 [8 f.].

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Kapitel 1: Geostrategie

Staatsverständnis unverzichtbar.37 Das gilt auch für den Krieg, für den eine Deterritorialisierung eine ganz neue Dimension bedeutet. Wer selbst räumlich nicht greifbar ist – wie z. B. das Terrornetzwerk al-Qaida – hat damit einen gewaltigen Vorteil. Denn mit Hilfe solcher Netzwerke entterritorialisieren sich die Terroristen, sie sind nicht mehr eindeutig zu verorten. Die Ebene der strategischen Planspiele oder gar der Formulierung von Sicherheitsdoktrinen hat die Vorstellung eines deterritorialisierten Gegners freilich erst nach dem 11. September 2001 erreicht.38 Die meisten Staaten erkennen nunmehr, dass in vielen Politikbereichen neben ihre souveränen Entscheidungen eine transnationale Politik getreten ist. Es liegt auf der Hand, dass dies Konsequenzen für das Verhältnis von Staat (en) und Krieg hat. Stellt man die Prinzipien nationalstaatlicher Territorialität den Strukturen transnationaler und den Prinzipien deterritorialer (entgrenzter) Politik gegenüber, dann erhalten Begriffe wie Souveränität, Macht und nationale Sicherheit eine neue Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass die Folgen der Deterritorialisierung für die nationale Sicherheit in neuen Bedrohungsszenarien liegen, die es mit „unsichtbaren“, d. h. räumlich nicht zuzuordnenden, anonymen und damit nicht identifizierbaren potenziellen Gegnern zu tun haben. Schaubild 8: Auflösung des politischen Raumbegriffs Prinzipien nationalstaatlicher Strukturen transnationaler Territorialität Politik

Prinzipien deterritorialer Politik

Souveränität Souveränität als Gewaltmonopol des Staates und Gebietsherrschaft

Autonomie Kampf um Autonomie; transnationale Akteure entziehen sich nationalem und internationalem Recht

Macht Macht als deterritoriale soziale und politische Beziehung, asym­metrische Machtbeziehungen

Integration nationale Integration als Gegenmodell zu politischer, sozialer und kultureller Differenzierung

Netzwerke Nationenübergreifende und durchschreitende Netzwerkbildungen; strategische Allianzen

Funktionale Differenzierung Deterritoriale Netzwerke; funktionale Fragmentierung und Differenzierung: ‚Fragmegration‘

Territoriale Grenzen rechtliche, ideologische, sozialpsychologische und sicherheitspolitische Funktionen

Funktionale Grenzen Substitution ideologischer und sozialpsychologischer Territorialgrenzen durch funktionale Grenzen; Auflösung rechtlicher und sicherheitspolitischer Grenzen (territorial und funktional)

Entgrenzung/funktionale Grenzen Auflösung des politischen Raumbegriffes: Einführung des Begriffs des ‚transnationalen Ortes‘

Nationale Sicherheit Konzept der ‚nationalen Sicherheit‘; Territorialitätsaxiome

Mobile Akteure territorial ungebundene Akteure und Bedrohungen

‚virtual threats‘ Auflösung des ‚Gegners‘ im Sinne des klassischen Akteurs; Unkalkulierbarkeit, Anonymität und universelle Potenzialität von Bedrohungen

(Quelle: In Anlehnung an Schirm 2002, S. 76) 37 Behr 2002, S. 59–78 [74]; Schmitt (Hrsg.) 2002. 38 Münkler 2004, S. 22–37 [30].

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Teil III: Krieg und Raum

Das Neue besteht darin, dass nicht mehr nur bereits bestehende, sondern vor allem künftige Bedrohungen erkannt, abgeschätzt und rechtzeitig bekämpft werden sollen (siehe Schaubild 8). Der damalige Präsident des Europäischen Parlaments, Pat Cox, warnte im Jahre 2003 eindringlich vor der „Entwicklung einer schleichenden Extraterritorialität“. Dabei ging es um das Verlangen der US-Zollbehörden, 40 Datensätze aller aus Europa in die USA reisenden – jährlich etwa elf Millionen – Flugpassagiere vorab zu erhalten. Die EU stimmte dem Abkommen mit den USA schließlich im Mai 2004 zu, da die USA damit drohten, den europäischen Fluglinien per Gesetz die Landerechte in den USA zu entziehen.39 Inzwischen ist zwar die Zahl der Datensätze reduziert worden, dafür sind die einzelnen Datensätze jedoch deutlich umfangreicher geworden. Da die Daten allen US-Behörden zur Verfügung stehen, ist ein Missbrauch zu Ungunsten der EU-Bürger und EU-Staaten nicht auszuschließen. 2.3 Kriegsraum „Jede Steigerung der menschlichen Technik produziert neue Räume und unübersehbare Veränderungen der überkommenen Raumstrukturen. Wir erleben die Entwicklung von so genannten Echtzeit-Technologien“.40 Der Begriff „Kriegsraum“ hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen kennzeichnet er das Territorium (Staaten, Kontinente, Orbit), in dem ein Krieg stattfindet bzw. das vom Krieg betroffen ist. Zum anderen geht es um das konkrete, räumlich abgrenzbare Schlachtfeld. Das Verhältnis zwischen Kriegsraum und Kriegsschauplatz beschreibt Clausewitz im Fünften Buch seines Werkes Vom Kriege, das vom Kriegstheater handelt: „Eigentlich denkt man sich darunter einen solchen Teil des ganzen Kriegsraumes, der gedeckte Seiten und dadurch eine gewisse Selbständigkeit hat. […] Ein solcher Teil ist kein bloßes Stück des Ganzen, sondern selbst ein kleines Ganzes […]“.41 Dementsprechend muss der Befehlshaber vor Ort die notwendigen Entscheidungen treffen, da er den Verlauf der Dinge am besten überschauen kann. Solche (in sich abgeschlossenen) Schlachtfelder im Clausewitzschen Sinne sind für die heutigen Kriege jedoch eher untypisch. Neue Kommunikationstechniken ermöglichen vielmehr sowohl die Überwachung des Gefechtsfeldes durch eine ggf. weit entfernte Befehlszentrale als auch die direkte (live) Übermittlung von Befehlen an die Kämpfenden. Mit der Änderung der Raumdimension ändert sich auch der Raum, in dem Krieg stattfindet. Standen zunächst lokale, regionale und schließlich zwischen­ staatliche Auseinandersetzungen im Vordergrund, so wandelte sich dies durch die Inbesitznahme der „Neuen Welt“ und den sich daran anschließenden Kolonialismus zur interkontinentalen Dimension, bis sich im Gefolge der Weltkriege im 20. Jahrhundert schließlich die erdumfassende Dimension endgültig durchsetzte. Die gegenläufigen Tendenzen der Globalisierung und der Lokalisierung erfassen auch den 39 Schulzki-Haddouti 2004. 40 Virilio 1993, S. 32. 41 Clausewitz 2000, S. 276.

Kapitel 1: Geostrategie

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Krieg. Einerseits verhindert das nach wie vor bestehende atomare Gleichgewicht den Dritten Weltkrieg, weil diesen keiner der Beteiligten überleben könnte. Andererseits ist ein Krieg heute nicht mehr auf ein bestimmtes Gebiet zu begrenzen, sondern hat Auswirkungen auf die Nachbarländer (z. B. Flüchtlingsströme, Gefährdung durch Soldaten, welche die Grenze überschreiten, Nahrungsmittelknappheit), u. U. aber auch globale Wirkungen auf Umwelt, Energieversorgung und Weltwirtschaft. Drittens schließlich entzünden sich Konflikte oft gerade im kleinräumigen Maßstab und breiten sich erst nach und nach – oft durch das Eingreifen von Nachbarstaaten oder interessierten Großmächten – weiter aus.

Kapitel 2: Expansionskriege „Das spezifisch Neue, das unvergleichbar Aktuelle des heutigen Krieges liegt darin, dass für oder gegen eine neue Raumordnung gekämpft wird“.42

In der Vergangenheit wurden Kriege oft geführt, um den eigenen Raum durch Veränderung der Grenzen zu erweitern. Im 19. Jahrhundert kam in verschiedenen Teilen der Erde die Vorstellung hinzu, der Staat sei verpflichtet (und berechtigt), den für erforderlich gehaltenen Lebensraum (Platz an der Sonne) für die eigene Bevölkerung – notfalls auch mit Gewalt – zu gewinnen. Meistens wurde dieses Ziel mit einer politisch oder religiös motivierten Ideologie begründet. Die Ausbreitung des Christentums mit Feuer und Schwert kann man letztlich auch zu der Kategorie der Expansionskriege zählen wie die Feldzüge Mohammeds und seiner Nachfolger im 7. Jahrhundert. Auch die Kolonialkriege zielten auf Expansion. Mit dem Krieg gegen Polen und die Sowjetunion wollte Hitler auf Kosten der angeblich rassisch minderwertigen Bewohner neues Siedlungsgebiet für die Deutschen erobern. Unter ähnlichen Vorzeichen stand der Expansionskrieg Japans im pazifischen Raum. Auch die Japaner hielten sich – wie die Deutschen und zuvor die Engländer – für eine den anderen Menschen überlegene Herrenrasse. Der Krieg auf beiden Kriegsschauplätzen führte nicht nur zu einem Fehlschlagen der Expansion, sondern auch zu territorialen Verlusten der besiegten Nationen.43 Aus einer anderen Sicht gewinnt auch der Palästinakonflikt seine besondere Brisanz aus dem Gefühl vieler Israelis, dass die palästinensische Westbank als biblisches Judäa und Samaria zum jüdischen Kernland gehöre und daher durch militärisch gesicherte Siedlungen in Besitz genommen und verteidigt werden müsse. Auch in den Augen der christlichen Fundamentalisten in den USA sind die Palästinenser die Störenfriede und nicht die viel später gekommenen Israelis, die danach lediglich ihre biblischen Rechte verteidigen, wenn sie Wehrsiedlungen auf der Westbank errichten. 1. Zeitalter der Territorialität Im Zeitalter der Territorialität wurden Kriege zwar stets auch mit dem Ziel der räumlichen Expansion geführt. Das muss freilich nicht zwangsläufig die Eroberung und dauerhafte Besetzung fremden Territoriums bedeuten. Vielmehr kann es sich auch – wie im Falle Englands – auf die Beherrschung der Meere beziehen. Das erfordert dann lediglich Stützpunkte und Hafenkolonien (Beispiele: Aden, Hongkong, 42 Schmitt 1940. 43 So verlor Japan z. B. die Kurilen, Deutschland die Ostgebiete.

Kapitel 2: Expansionskriege

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Singapur) sowie eine starke Flotte, die allen anderen Flotten überlegen ist. Das feste Land erscheint dann als bloßes „Hinterland“.44 Bevölkerungsreiche Länder wie Japan und Deutschland versuchten mit dem Anspruch auf Lebensraum für ihr Volk ihre Expansionsbestrebungen zu legitimieren. Tatsächlich waren aber beide Länder – anders als USA, China oder Russland – von vornherein zu klein, um ohne dauerhaften Raumgewinn einen Weltmachtstatus zu gewinnen und vor allem auch verteidigen zu können. Der Zweite Weltkrieg war nicht zuletzt ein Weltordnungskrieg um die Vorherrschaft in den unendlichen Räumen Eurasiens und Ostasiens einerseits sowie über die Weltmeere (Atlantik, Pazifik) andererseits. Der Raumgewinn der UdSSR nach dem Vormarsch der Roten Armee war eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Status einer Supermacht gewinnen zu können. Ergänzt und abgesichert wurde dieser Status freilich durch umfassende Land- und Seestreitkräfte und ein gewaltiges Arsenal von Lang- und Mittelstreckenraketen, die mit atomaren Mehrfachsprengköpfen bestückt waren. Geopolitisch folgerichtig beharrt der russische Präsident Putin heute darauf, das nach dem Krieg annektierte Königsberg (Kaliningrad) – wider alle ökonomische Vernunft – behalten zu wollen, auch wenn dieses Gebiet nach dem Beitritt der baltischen Staaten zur Europäischen Union zu einer scheinbar nutzlosen Exklave im EU-Umland geworden ist. Was jedoch für Putin zählt, ist der geostrategische Wert dieses Brückenkopfes. Er will es auch als „Faustpfand“ für künftige Auseinandersetzungen behalten. Der Verlust des Baltikums und die relative Unabhängigkeit früherer Sowjetrepubliken, wie Weißrusslands und der Ukraine, mindern die Chancen Russlands, erfolgreich als „Großmacht“ zu agieren. Von den Russen wird dies als schwerwiegendes Manko empfunden und durch massive Einflussnahme auf die dortigen Regierungen auszugleichen versucht. Dabei benutzen sie ihre Landsleute, die in diesen Ländern leben, als Hebel zur Durchsetzung ihrer Interessen. 1.1 Eroberung fremden Territoriums Ein zentrales Element des Staatsbegriffs ist ein räumlich abgrenzbares Territorium.45 Das Staatsgebiet ist neben Staatsvolk und Staatsmacht ein klassisches Begriffsmerkmal von Staatlichkeit.46 Seiner Erweiterung dienten Expansionskriege, aber auch andere politische Maßnahmen. Die Donaumonarchie z. B. war berühmt für ihre Heiratspolitik („Mögen andere Länder Krieg führen, du, glückliches Österreich, heirate!“), mit der sie ihr Territorium vergrößerte. Andere Länder wie die USA kombinierten die Politik des Landkaufs mit der Drohung und dem Einsatz von Gewalt, um die Expansion voranzutreiben. 1803 kauften die Vereinigten Staaten von Amerika von Frankreich Louisiana und verdoppelten damit ihr Staatsgebiet.47 44 45 46 47

Schmitt, L+M. Zur Bedeutung des Raumbegriffs: Schmitt 19974; Schmitt 1981; Schmitt 1991; Schmitt 19933. Jellinek 1914. Seit 1762 war Louisiana spanische Kolonie gewesen und erst 1800 von Napoleon wieder unter französische Kontrolle gebracht worden; von den USA wurden dafür an Frankreich 22,5 Mill. Dollar bezahlt.

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Teil III: Krieg und Raum

Im Jahre 1867 erwarben sie Alaska von Russland. Zugleich führten sie allerdings auch Kriege gegen Spanien und Mexiko, um Land zu gewinnen, um es anschließend zu kaufen. Jahrhunderte lang waren die Grenzen zwischen Nachbarländern umstritten. So ist die „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich ohne die Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Nationen, die lange nicht nur ihr Verhältnis zueinander, sondern die Geschicke Europas bestimmt haben, nicht zu verstehen. In den letzten Jahrhunderten wurden die Grenzen zwischen Polen und Preußen/ Deutschland, Österreich und Russland immer wieder durch Kriege verändert, bis von Polen schließlich kein selbständiges Territorium mehr übrig blieb und der Name 1797 von der Landkarte gelöscht wurde. 1.2 Raumgewinn als Machtzuwachs Einer der zentralen Gründe, Krieg zu führen, war also bis in jüngste Zeit Raumgewinn und damit Machtzuwachs durch die Eroberung fremden Territoriums. In diesem Sinne ist sowohl die Aufteilung Polens48 zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion zu Beginn des Zweiten Weltkrieges als auch die Annexion der sowjetisch besetzten und der unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Territorien („Ostgebiete“) nach dem Krieg durch die UdSSR bzw. die Volksrepublik Polen als geostrategischer Raumgewinn zu verstehen. Auch nach der Demokratisierung der ehemaligen Ostblockstaaten kam interessanterweise nicht der Gedanke auf, die unrechtmäßige Landnahme der kommunistischen Vorgängerregime zu korrigieren oder auch nur zu diskutieren. Es geht dabei vielmehr um den mit dem Raum verbundenen Ressourcengewinn sowie um geistige und materielle Reichtümer, die sich im Gefolge eines Krieges als „Beute“ mit Beschlag belegen lassen. Dazu können Bodenschätze (Erdöl, Gold, Diamanten, Uran etc.), Kunstschätze (Stichwort: „Beutekunst“) oder fruchtbares Land für den Getreideanbau ebenso gehören wie der Zuwachs an menschlichen Arbeitskräften, an Spezialwissen (Stichwort: Raumfahrttechnik) bis hin zu Patenten, die der Sieger dem Besiegten abnimmt und anschließend selber ausbeutet. Schaubild 9: Territorium als Kriegsursache 1648–1714

1715–1814

1815–1914

1918–1941

1945–1989

Territorium in % aller Konfliktgründe

24

26

14

14

8

Territorium als eine Kriegsursache in % aller Kriege

55

67

42

47

24

Konfliktgrund

(Quelle: Holsti 1991, S. 307–309). 48 Diesem Ereignis sind bekanntlich mehrere ‚polnische Teilungen‘ vorangegangen, von denen Russland, Österreich und Preußen profitiert haben, bis schließlich Polen aufhörte, als selbständiger Staat zu existieren.

Kapitel 2: Expansionskriege

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Tatsächlich zeigt die Erhebung von Holsti aus dem Jahre 1991 (Schaubild 9) über einen Zeitraum von 450 Jahren,49 dass bei der Kriegsursache Territorium zwar insgesamt eine abnehmende Tendenz zu beobachten ist, dass andererseits jedoch das Territorium auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – zumindest als eine Kriegsursache unter mehreren – eine Rolle spielt. 1.3 Kolonialisierung und Dekolonialisierung Mit der Staatskrise in Spanien und der Besetzung durch die Grande Armee brach 1811 mit der Gründung der ersten Republik auch in Lateinamerika die Kolonialherrschaft zusammen. Regionale Juntas in den lateinamerikanischen Kolonien – zunächst Venezuela, das heutige Bolivien und das Vizekönigreich Rio de la Plata sowie Mexiko – nahmen die von Napoleon erzwungene Abdankung König Ferdinands VII. (1808) zum Anlass, die Souveränität für sich zu reklamieren. In dem damit einsetzenden Dekolonialisierungsprozess, den die Spanier vor Ort heftig bekämpften, entstand die lateinamerikanische Guerilla. Etwa 6.000 europäische Söldner nahmen daran teil, zumeist Engländer, aber auch Iren und ca. 300 Deutsche. Frankreich hatte stets seine grandeur durch den Status als Kolonialmacht definiert. So empfanden die Franzosen den nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden Dekolonialisierungsprozess als besonders schmerzlich. 1955 wurde Tunesien und 1956 Französisch Marokko in die Unabhängigkeit entlassen. Um Algerien, wo mehr französische Siedler lebten als in anderen französischen Kolonien, entbrannte hingegen ein Krieg, der acht Jahre dauerte, bis er mit der Installierung eines unabhängigen Algerien endete. Selbst Mitterrand verkündete in der Nationalversammlung am 12. November 1954 als französischer Innenminister: „Algerien, das ist Frankreich. Und wer von Ihnen, meine Damen und Herren, würde zögern, alle Mittel einzusetzen, um Frankreich zu schützen?“50 Bereits 1956 standen ca. 360.000 Soldaten der französischen Armee auf algerischem Boden, und die Zahl wurde fast täglich erhöht. 2. Landkrieg und Seekrieg Die territoriale Dimension des Landgewinns bezieht sich vorrangig auf den Landkrieg, denn nur in diesem kann man dem Gegner ein durch Grenzen bezeichnetes Territorium wegnehmen. Geländegewinne spielten daher im Landkrieg stets eine besondere Rolle. Umso quälender war der Stellungskrieg im Westen, den sich Deutschland mit Frankreich bzw. Großbritannien im Verlauf des Ersten Weltkrieges lieferte (Stichwort: Verdun). Ein weit verzweigtes Netz von Schützengräben und ein ständiges Hin- und Herwogen der Kämpfe ohne dauerhaften Erfolg bestimmten 49 Holsti 1991. 50 Renken 2006, S. 50.

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Teil III: Krieg und Raum

das Bild des Krieges über lange Strecken.51 Materialschlachten führten zu ungeheuren Verlusten an Menschen. Die von jeder der beiden Seiten angestrebten und als kriegsentscheidend angesehenen Geländegewinne waren hingegen nur kurzfristig möglich und wurden alsbald vom Gegner wieder rückgängig gemacht. Ähnliche Szenarien zeigte der Vietnamkrieg, wenn die US-Army tagsüber unter Verlusten einen Hügel erobert hatte, der nachts vom Vietcong zurückgeholt und daher bei Tag – wiederum unter Verlusten – erneut erobert werden musste. 2.1 Zugangsfreiheit versus Vorherrschaft Bei Seekriegen geht es hingegen – je nach Position der Beteiligten – für die neu Hinzukommenden um den freien Zugang zum Meer, für die führende Seemacht hingegen um die Vorherrschaft auf den Meeren52 bzw. um eine Handelsblockade feindlicher Landmächte (z. B. England gegen das napoleonische Frankreich). Auch der Seekrieg veränderte sein Gesicht dem Stand der Technik folgend. Kompass, Segeltechnik und Geschütze führten im 16. Jahrhundert zu den ersten Seeschlachten im modernen Sinne. Schnellere Schiffsmotoren, dickere Panzerung und weiter reichende Kanonen auf größeren Schiffen beherrschten das Bild des Seekrieges im Ersten Weltkrieg. Aber bereits im Zweiten Weltkrieg zeigte sich, dass große Schlachtschiffe wie Bismarck und Tirpitz keine kriegsentscheidende Bedeutung mehr hatten, als die Lufthoheit verloren gegangen war. Radar und Sonar, neue Antriebs- und Navigationstechniken (GPS), Flugzeugträger und schließlich Lenkwaffenbestückung kennzeichnen moderne Marineverbände. Auch U-Boote haben damit einen Teil ihrer Bedeutung verloren. Meerengen, wie die Dardanellen oder den Bosporus, kann man relativ leicht abriegeln und damit der gegnerischen Flotte den Zugang zum Meer versperren. So war es für das Russische Reich stets von kriegsentscheidender Bedeutung durchzusetzen, dass es seine Schwarzmeerflotte auch außerhalb seines eigenen Herrschaftsbereichs, z. B. im Mittelmeer, einsetzen konnte. Eisfreie Häfen an der Ostsee- und Pazifikküste gehörten ebenfalls zu den geostrategischen Zielen Russlands und später der Sowjetunion. Eine Zwitterstellung nehmen die Mündungen großer Flüsse ein, auf denen und um die in Kriegszeiten ebenfalls gekämpft wird (Stichworte: Mekong, Shat el Arab), deren Zugang zum Meer aber auch gesperrt werden kann. So gerieten die Flussmündungen von Rhein und Weser, Elbe und Oder in Folge des Westfälischen Friedens (1648) unter ausländische Kontrolle (Holland, Spanien, Schweden, Dänemark). Und nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Kaiser-Wilhelm-Kanal (NordOstsee-Kanal) den Deutschen weggenommen und internationaler Hoheit unterstellt.

51 Vgl. Remarque 2000. 52 Vgl. Schmitt Großraum.

Kapitel 2: Expansionskriege

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2.2 Seehandel und Seeherrschaft „Das Land hat sich auf das Meer ausgedehnt“, so zitiert Carl Schmitt den französischen Admiral Castex,53 der Seemacht als zentrales Element jeglicher geostrategischer Überlegenheit ansah.54 Eine maritime Weltmacht wie Großbritannien muss also vor allem die Meere beherrschen (Britannia rules the waves). Folgerichtig setzte das Britische Empire schon vor dem Ersten Weltkrieg alles daran, dem konkurrierenden Deutschen Reich eine Flottenpolitik aufzuoktroyieren, die jede potenzielle Bedrohung der britischen Herrschaft über die Weltmeere ausschloss. Man orientierte sich dabei an der damals sehr einflussreichen Seemachtstheorie Mahans, die dieser im Jahre 1890 erstmals veröffentlicht hatte55 und die wesentlich zur maritimen Aufrüstung vor dem Ersten Weltkrieg beigetragen hat. Auf der Grundlage des Naval-Defense-Act verstärkte Großbritannien seine Flotte ab 1889 durch große Schiffe. Es galt der Two-Powers-Standard, der besagte, dass die Royal Navy mindestens so stark sein musste wie die beiden nächstgrößten Flotten zusammen.56 So wurde selbst der (relativ bescheidene) Tirpitzplan,57 der eine so genannte Risikoflotte zur Abschreckung aller anderen Seemächte vorsah, von Großbritannien erbittert bekämpft. Gerade England hatte als neue Seemacht im Kampf gegen die damalige Vormacht Spanien stets die Freiheit der Meere und den freien Seehandel verfochten, um später mit seiner übermächtigen Marine umso ungestörter die Weltmeere beherrschen zu können. Ist die Seeherrschaft erst einmal erreicht, dann gilt es, den potenziellen Konkurrenten den Zugang zu versperren. Der Wahlspruch des britischen Premierministers Disraeli: „Aller Handel ist Welthandel, aller Welthandel ist Seehandel“, galt freilich nur so lange uneingeschränkt, bis mit dem Flugzeug ein überlegenes Beförderungsmittel zur Verfügung stand. Massengüter werden freilich wegen der extrem niedrigen Frachtraten nach wie vor auf Schiffen transportiert. 2.3 Partisanen des Meeres Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts galt der Grundsatz: „Wer die Meere beherrscht, kontrolliert den Welthandel und hat damit Weltmachtstatus“. Umso bedrohlicher empfanden die Briten den Einsatz von deutschen Unterseebooten im Ersten und stärker noch im Zweiten Weltkrieg, der sie an ihrer empfindlichsten Stelle traf. U-Boote konnten sich unentdeckt bis auf Torpedoschussweite an die größten Schlachtschiffe, Truppentransporter und Nachschubschiffe heranschleichen und diese vernichten oder zumindest schwer beschädigen, ohne dass sie damals – vor Einführung des Sonars – hätten geortet und erfolgreich bekämpft werden 53 Admiral Raoul Castex (1878–1968), von 1936 bis 1939 Leiter des Institut des hautes études de la défense nationale. 54 Schmitt Großraum, S. 238 f. 55 Mahan 1988, Alfred Thayer Mahan (1840–1914). 56 Vgl. Hobson 2004. 57 Alfred von Tirpitz (1849–1930).

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Teil III: Krieg und Raum

können. Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt die U-Boot-Flotte eine wirksame Waffe der schwächeren Seite. Mit dieser Waffe ließ sich der strategische Nachteil (Stichwort: Asymmetrie) gegenüber einer größeren Seestreitmacht zumindest teilweise ausgleichen. Die Briten sahen darin eine flagrante Verletzung des Seekriegsvölkerrechts. Man könnte die Unterseeboote wenn nicht als „Piraten“, so doch als „Partisanen“ des Meeres bezeichnen. Nach britischer Auffassung war es zwar gerechtfertigt, dass die neutralen USA das kriegführende Großbritannien mit Waffen und anderen kriegswichtigen Handelsgütern versorgten; und den US-Geleitschiffen war es gestattet, das Feuer auf deutsche Kriegsschiffe zu eröffnen, die nach Konterbande58 hätten suchen können. Umgekehrt wurde den Deutschen aber nicht das Recht zugestanden, diesen Transport durch den Einsatz von U-Booten wirksam zu unterbinden, nicht zuletzt, weil sie das Leben „neutraler“ Amerikaner gefährdeten. Gegen die von Napoleon gegen die Briten verhängte Kontinentalsperre wehrten sich die Briten ihrerseits mit einer Seeblockade Frankreichs. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war die Situation der Briten hingegen sehr viel günstiger. Sie konnten ungehindert am 2. November 1914 eine Fernblockade gegen Deutschland verhängen, mit der die deutsche Bevölkerung ausgehungert werden sollte. Als Gegenmaßnahme befahl die deutsche Marineleitung am 22. Februar 1915 den U-Bootkommandanten das warnungslose Versenken von Feindschiffen. Damit wurde jedoch die Versorgung der Briten durch die USA mit kriegswichtigen Gütern gefährdet. Als U 20 am 7. Mai 1915 das britische Passagierschiff Lusitania versenkte und unter den 1.198 Opfern auch 128 US-Staatsbürger waren, gab es einen „Aufschrei“ in der Weltöffentlichkeit.59 Dabei wurde freilich verschwiegen, dass die „Lusitania“ – mit zwölf 15,2 cm-Geschützen bestückt – bereits am 17. September 1914 als bewaffneter Hilfskreuzer in das britische Flottenregister aufgenommen worden war und zum Zeitpunkt der Versenkung Waffen in großem Umfang transportierte.60 Zudem hatte die Kaiserliche Botschaft rechtzeitig die Transatlantik-Passagierlinien gewarnt. Aufgrund des großen Imageschadens wurde der uneingeschränkte UBootkrieg von der deutschen Regierung zeitweise eingestellt.61 In seiner War Message vom 2. April 1917 vor dem Kongress benutzte US-Präsident Wilson wiederum den U-Bootkrieg als Begründung für den Kriegseintritt: „Der gegenwärtige deutsche U-Bootkrieg gegen den Handel ist ein Krieg gegen die Menschheit“.62 Nach dem Krieg gelang es den Briten, mit dem Londoner Protokoll von 1936 den U-Bootkrieg völkerrechtlich zu entschärfen. Unterseeboote wurden den Überwasserfahrzeugen rechtlich gleichgestellt und darüber hinaus festgelegt, dass vor Versenkung eines Schiffes zunächst die Besatzung in Sicherheit gebracht werden 58 Das sind für eine kriegführende Macht bestimmte kriegswichtige Güter, die verbotener Weise von neutralen Schiffen mitgeführt werden. 59 O’Sullivan 1999. 60 Sie hatte auf ihrem Weg von USA nach Großbritannien 1.248 Kisten mit 7,5 cm-Granaten, 4.927 Kisten mit Gewehrmunition, ca. 2.000 Kisten mit Munition für Handfeuerwaffen sowie insgesamt ca. 10,5 t Sprengstoff geladen. 61 Am 1. Februar 1917 erklärte Deutschland erneut den uneingeschränkten U-Bootkrieg. 62 Woodrow Wilson, War Messages, 65th Congr., 1st Sess. Senate Doc. No. 5, Serial No 7264, Washington, D. C., 1917; pp. 3–8.

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musste. Damit war die U-Bootwaffe ihrer Wirksamkeit beraubt worden, nämlich der „Unsichtbarkeit“; die Gewichte im Seekrieg hatten sich eindeutig zu Gunsten der großen Flotten von Überwasserfahrzeugen verschoben. Im Zweiten Weltkrieg wurden U-Boote von allen Seiten eingesetzt, und im Atomzeitalter gelang es, Unterseeboote zu konstruieren, die mit ihren atomgetriebenen Antriebsmaschinen nahezu unbegrenzt unter Wasser operieren konnten. Zeitweise galten Atom-U-Boote mit Interkontinentalraketen, die unter Wasser abgeschossen werden konnten und mit atomaren Mehrfachsprengköpfen bestückt waren, als das sicherste Mittel, einen atomaren Erstschlag der Sowjetunion zu verhindern. Erst der Untergang des russischen U-Boots Kursk (K-141) am 12. August 2000 in der Barentssee hat die Diskussion über die Risiken atomkraftgetriebener U-Boote in Gang gebracht, obgleich auch zuvor zahlreiche Unglücksfälle mit Atom-U-Booten registriert worden waren.63 3. Luftraum und Weltraum Bereits die Einführung der Luftwaffe (Luftraum) und stärker noch der Einsatz von Raketen (Weltraum) im 20. Jahrhundert hat die Raumdimension nachhaltig verändert. Unter den Bedingungen des Luftkrieges verlor im Zweiten Weltkrieg die Unterscheidung zwischen Frontgebiet und Heimat ihre Bedeutung, die noch im Ersten Weltkrieg selbstverständlich schien.64 Mehr noch: Da die Kriegsindustrie für Erfolg oder Misserfolg des Krieges ausschlaggebend war, wurden nicht nur die Fabriken der Rüstungsindustrie bombardiert, vielmehr wurden auch ihre Arbeiter zu „QuasiKombattanten“, die wie Soldaten bekämpft werden mussten. Die Luftwaffe führte also keineswegs zum Ende aller Kriege, wie Spaight noch in den 1930er Jahren geglaubt hatte,65 sie trug vielmehr im Gegenteil zu einer gewaltigen Steigerung der Zerstörungskraft bei. Zudem lässt sich selbst bei gutem Willen bei Luftangriffen kaum zwischen Kombattanten und Non-Kombattanten unterscheiden, wie zuletzt die britischen und US-amerikanischen Luftangriffe in Afghanistan und im Irak gezeigt haben. Jeder Bürger ist potenzieller Kriegsteilnehmer oder jedenfalls Kriegsbetroffener (Stichwort: „Kollateralschäden“).66 Dies gilt auch im Zeitalter des Global Positioning Systems (GPS), das die High-Tech-Armeen zur zielgenauen Steuerung von Lenkwaffen und so genannten Smart Bombs verwenden. Ein besonders anschauliches Beispiel liefert die AGM-114 Hellfire, eine von Helikoptern oder Drohnen (predator) abgeschossene Rakete, die ihr Ziel selbständig verfolgt. Die radargelenkte Version67 braucht nach dem Abschuss keinerlei steuernden Eingriff mehr, ihr programmierbarer Autopilot ermöglicht auch den Ge63 Im Herbst 2007 hat Präsident Putin angekündigt, wieder atomgetriebene U-Boote bauen zu lassen. 64 Vgl. Adam 1991, S. 145–158 [152]. 65 Spaight 1930, S. 13. 66 Seit der Zerstörung des World Trade Center am 11.9.2001 gilt das auch für die Bürger der USA. 67 AH-64 Apache Longbow-D.

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Teil III: Krieg und Raum

ländefolgeflug. Beim Einsatz solcher Raketen zur gezielten Vernichtung einzelner Gegner kann es allerdings auch zur Tötung (relativ) unbeteiligter Dritter kommen. Bei Weltraumwaffen könnte z. B. die Ionosphäre als Richtspiegel genutzt werden, um hochfrequente Strahlen gezielt auf genau begrenzte Felder der Erdoberfläche zu richten.68 Künftige im Weltraum und aus dem Orbit heraus geführte Kriege (Star Wars) werden vermutlich eher den Seekriegen ähneln, glaubt man den Science Fiction-Autoren. Sie unterscheiden sich von diesen stärker in den technischen Mitteln als in den Zielen. Auch hierbei geht es letztlich um das Erringen der Weltherrschaft. Satellitengestützte Beobachtungssysteme zeigen nicht nur oberirdische Militäreinrichtungen und Truppenbewegungen, sondern können u. U. auch unter die Erdoberfläche „sehen“. So gibt es z. B. mit dem High Frequency Active Auroral Programm ein globales Informationsinstrument,69 das eigentlich zum Erkunden unterirdischer Rohstoffvorkommen oder zur Wetterbeobachtung gedacht ist. Tatsächlich lassen sich mit dieser Technologie aber auch unterirdische Tunnel, Fabriken, Atomanlagen etc., die von militärischem Interesse sind, finden.

68 Arndt 2005, S. 51. 69 Arndt 2005, S. 50.

Teil IV: Symmetrische Kriege

Über Jahrhunderte waren Kriege in Europa stets als symmetrische Kriege gedacht worden. Die Voraussetzung hierfür waren die Prinzipien von Gleichrangigkeit und Gleichberechtigung, die – zumindest in Europa – unabhängig von der Größe und militärischen Stärke eines Staates galten. So sah es die Westfälische Staatenordnung vor. Ein Staat oder ein Staatenbund führte Krieg gegen einen anderen Staat und dessen Verbündete, wenn er dies für opportun hielt. Zumindest annähernd gleichstarke Armeen trafen aufeinander. Insofern kann man die Feldzüge Preußens gegen Dänemark (1864) und gegen Österreich (1866) geradezu als Clausewitzsche Kriege bezeichnen. Sie waren politisch, finanziell und militärisch genau geplant und endeten, als das Ziel erreicht war. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 hingegen war zwar ein symmetrischer, aber kein Clausewitzscher Krieg, weil er zumindest in seiner zweiten Phase außer Kontrolle geriet. Der Erste Weltkrieg wurde dann spätestens mit dem Eintritt der USA im Jahre 1917 bereits zu einem asymmetrischen Krieg. Charakteristisch für den symmetrischen Krieg ist die „Hegung“ des Krieges durch völkerrechtliche Regeln (Haager Landkriegsordnung) sowie ein Friedensvertrag, mit dem der Krieg sein Ende findet.



Stürmer 2006.

Abschnitt 1: Krieg als Machtinstrument Ist Krieg eine „Sprache“ der Politik, deren „Grammatik“ aus Granaten und Patronen besteht, ist Krieg ein legitimes Instrument der Politik? Clausewitz hat dazu in seinem Buch Vom Kriege eine klare Aussage getroffen: „Also noch einmal: der Krieg ist ein Instrument der Politik, er muss notwendig ihren Charakter tragen, er muss mit ihrem Maße messen; die Führung des Krieges in seinen Hauptumrissen ist daher die Politik selbst, welche die Feder mit dem Degen vertauscht, aber darum nicht aufgehört hat, nach ihren eigenen Gesetzen zu denken“. Mit diesen Worten hat der große preußische Stratege zum Ausdruck gebracht, dass einerseits die Politik unter bestimmten Umständen den Krieg als Instrument einsetzen darf, dass andererseits die Politik stets „Herrin“ des Krieges bleiben muss. Hat er sich damit tatsächlich als Schüler Machiavellis zu erkennen gegeben, wie Aron meinte? „War Clausewitz ein Machiavellist?“. Clausewitz ging bei seinen Überlegungen freilich zunächst vom Kabinettskrieg, dem Prototyp des symmetrischen Krieges, aus, mit dem nach damaligem Verständnis dynastische und andere Interessen legitimerweise verfolgt werden durften. Erst der durch die Französische Revolution (1789) möglich gewordene Volkskrieg brachte für Clausewitz ein neues Element in die Argumentation. Er sah darin den absoluten Krieg, während er den totalen Krieg noch nicht berücksichtigen konnte, da dieser erst Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam. Den nichtstaatlichen Krieg lernte Clausewitz hingegen in Form des Partisanenkrieges kennen, der sich wiederum gegen einen Staat richtete. Der Krieg ist als Angriffskrieg heute gemäß Art. 61 der UN-Charta völkerrechtlich geächtet, und die Frage, ob die politische Führung einen Krieg, wenn er denn einmal ausgebrochen ist, wirklich beherrschen kann, ist zumindest offen. Vielmehr spricht viel dafür, dass der Krieg eine Eigendynamik entfaltet, welche die Politiker oft zu bloßen „Erfüllungsgehilfen“ des Krieges oder zumindest der Militärs werden lässt. Dies zeigte sich z. B. gegen Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland, als Ludendorff mit der Übernahme der Obersten Heeresleitung (gemeinsam mit Hindenburg) diktatorische Vollmachten auch im Zivilbereich erhielt. Ist Clausewitz damit überholt, wie der israelische Militärwissenschaftler van Creveld meint? Vor allem in der angelsächsischen Literatur wird Clausewitz häufig als der wichtigste Vertreter der Entgrenzung des Krieges seit der Französischen Revolution angesehen.

    

Münkler 2002, S. 8. Clausewitz 2000, S, 690. Münkler 2002b, S. 75 ff. Aron 1980, S. 22. Van Creveld 1991, S. 186 ff.

Abschnitt 1: Krieg als Machtinstrument

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− War er der „Apostel einer revolutionären Lehre vom Krieg“, wie ihn der britische Militärhistoriker Keegan genannt hat? − War für Clausewitz der Endzweck des Krieges tatsächlich die Auslöschung des Gegners? − War er womöglich der Wegbereiter des totalen Krieges? Diese Fragen gewinnen umso mehr an Bedeutung, als Clausewitz’ Buch Vom Kriege zum festen Bestandteil des Lehrplans der Militärakademien nicht nur der Verei­ nigten Staaten, sondern auch der lateinamerikanischen und asiatischen Staaten gehört. Viele bedeutende US-Generäle fühlten sich der Clausewitzschen Militärdoktrin verpflichtet. 1. Dem Gegner seinen Willen aufzwingen Clausewitz selbst hat im 1. Buch seines großen Werkes Vom Kriege formuliert: „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen […] Um diesen Zweck sicher zu erreichen, müssen wir den Feind wehrlos machen, und dies ist dem Begriff nach das eigentliche Ziel der kriegerischen Handlung“. Hierzu dient die äußerste Anwendung von Gewalt, die jedoch nicht zur totalen Vernichtung des Gegners führen soll. Ein Krieg, der zur wechselseitigen Auslöschung führen würde, wie dies bei einem atomaren Schlagabtausch zu erwarten wäre, ist damit also sinnlos. Gerade unter dem Aspekt, dass sich der Staatenkrieg im Atomzeitalter seinem Modell von einem absoluten Krieg so stark angenähert hat, könnte Clausewitz’ Theorie heute wiederum Gültigkeit beanspruchen. Angesichts der Erfahrungen mit zwei Weltkriegen erscheint Clausewitz’ Diktum eher gemäßigt. Bei der Frage, wie denn der Gegner „zur Erfüllung unseres Willens“ gezwungen werden soll, unterscheidet Clausewitz drei Aspekte:10 − Streitkraft − Land − Brechen des feindlichen Willens. Die gegnerische Streitkraft soll „in einen solchen Zustand versetzt werden, dass sie den Kampf nicht mehr fortsetzen kann“. Allein darauf beschränkt sich die „Vernichtung“ des Feindes. Das Land muss erobert werden, andernfalls könnte sich aus dem Land eine neue Streitmacht bilden. Da der Feind auf diese Weise kampfunfähig gemacht worden ist, ergibt sich daraus, dass sein Wille zum Krieg bezwungen worden ist. Der Friedensvertrag dient vor allem dem Zweck, diesen (neuen) Zustand vertraglich zu fixieren. Der instrumentelle Krieg im Clausewitzschen Sinne setzt zudem die Anerkennung des Gegners als politisches Subjekt voraus. Aus heu   10

Keegen 2001, S. 43. Clausewitz 2000, S. 27 f. Gantzel 2001, S. 6 f. Clausewitz 2000, S. 47 f.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

tiger Sicht muss freilich bezweifelt werden, dass durch die Besetzung ihres Territoriums bereits der Widerstandswille der gegnerischen Bevölkerung gebrochen wird. Die erste und zweite palästinensische Intifada gegen die israelischen Besatzer spricht ebenso dagegen wie die Nachkriegszeit im Irak. Dass Clausewitz überhaupt in den Verdacht gekommen ist, ein Protagonist des totalen Krieges zu sein, beruht letztlich auf der Interpretation seines Werkes durch Carl Schmitt,11 der den FreundFeind-Gegensatz12 in die Diskussion eingeführt hat. Im Krieg teilt sich danach das soziale Feld in Freunde und Feinde: „Wer nicht Freund, der ist Feind“.13 Die Parallele zu dem Schwarz-Weiß-Denken des US-amerikanischen Präsidenten G. W. Bush liegt auf der Hand: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“ 2. Drei Akteursebenen im Krieg Zweifellos haben die Erfolge der französischen Armeen, besonders unter der Führung Napoleons, Clausewitz tief beeindruckt. Nach den Niederlagen des preußischen Heeres im Jahre 1806 war er nicht der Einzige, der einen Umdenkungsprozess vollzog, dessen erste Station der absolute Krieg, der Volkskrieg, war. Freilich hat er später, als Napoleons Siegessträhne beendet war, daraus die Konsequenz gezogen, der Entgrenzung der Gewalt, die lediglich an den militärischen Erfolg gebunden war, die Begrenzung dieser Gewalt entgegen zu halten.14 Trotz seiner Erfahrungen mit dem Volkskrieg gegen Napoleon dachte Clausewitz vorwiegend in den Kategorien des Kabinettskrieges. In Vom Kriege unterscheidet Clausewitz drei Akteursebenen im Krieg, denen er bestimmte handlungsleitende Prinzipien und „Wechselwirkungen“ (Ziele) zuordnet. Klarer lässt sich der klassische Staatenkrieg kaum definieren. Der Krieg ist also eine rationale Angelegenheit des Staates, für die es jedoch auf Seiten der Armee und ihrer Generale der „Fortune“ (Friedrich der Große) bedarf und die mit Stimmungen und Emotionen in der Bevölkerung, die für die eigenen Ziele eingesetzt werden sollen, zu rechnen hat. Schaubild 10: Akteursebenen im Krieg Ebene

Prinzip

Ziel

Staat

Vernunft

Widerstand überwinden

Armee

Fortune/Strategie

Gegner entwaffnen

Volk

Gefühl

Emotionen nutzen

(Quelle: In Anlehnung an Clausewitz)

Gegen Terroristen und Verbrecher kann man keinen herkömmlichen Krieg mit Erfolg führen, sondern allenfalls (militär-) polizeiliche Maßnahmen durchführen. Erst 11 12 13 14

Schmitt 1987, S. 479–502. Vgl. Geulen/Heiden/Liebsch (Hrsg.) 2002. Sofsky 1995, S. 63. Herberg-Rothe 1999, S. 191.

Abschnitt 1: Krieg als Machtinstrument

99

dann, wenn der Gegner als politisches Subjekt handelt, z. B. indem er den Anspruch auf die Führung des gesamten Staates oder einzelner Territorien erhebt, kann es einen Krieg um begrenzte Ziele mit begrenzten Mitteln geben. Verweigert sich der Gegner als Verantwortung übernehmender Verhandlungspartner oder wird er umgekehrt vom Sieger, z. B. bei Waffenstillstands- oder Friedensverhandlungen, nicht als solcher akzeptiert, dann gibt es auch kein klar zu definierendes und von beiden Seiten als verbindlich akzeptiertes Kriegsende und Kriegsergebnis. So musste die Beendigung der gesamtdeutschen Souveränität15 nach der bedingungslosen Kapitulation des Jahres 1945 und der Absetzung der Regierung Dönitz dazu führen, dass ein Friedensvertrag mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht geschlossen werden konnte.16 An dem entscheidenden Schritt zur Anerkennung als politisches Subjekt fehlte es lange auch im israelisch-palästinensischen Konflikt. „Wenn nur die Vernichtung des Gegners die Gewähr dafür bietet, nicht selbst vernichtet zu werden, ist in dieser Logik eine grenzenlose Spirale der Gewalt unausweichlich“.17 Und „je mehr der Widerstand sich versteift, desto massiver der Einsatz, je mehr Gegengewalt die eigene Gewalt hemmt, desto hemmungsloser die Aggression“.18 Nicht zuletzt aus diesem Grund eskalierte die Gewaltausübung im Nahost-Konflikt mit geradezu beängstigender Geschwindigkeit. Die Wahl von Abbas zum palästinensischen Präsidenten hat neue Perspektiven eröffnet, da Abbas – im Gegensatz zu Arafat – auch von dem israelischen Ministerpräsidenten und der Außenministerin der USA als Gesprächspartner akzeptiert wird. Freilich scheint aufgrund des Bürgerkrieges zwischen Hamas- und Fatah-Anhängern eine dauerhafte Trennung Palästinas in das Westjordanland und Gaza unvermeidlich zu sein. Offenbar strebt Israel den Anschluss von Gaza an Ägypten an. 3. Staatspolitik mit anderen Mitteln Clausewitz’ Ausgangspunkt19 ist der Krieg zwischen Staaten um ein definierbares politisches Ziel.20 Mit den Worten: „Man fängt keinen Krieg an, ohne sich zu sagen, was man mit und was man in demselben erreichen will, das erstere ist der Zweck, das andere das Ziel“,21 hat er diese Position beschrieben. Nach Clausewitz ist der Krieg ein Instrument der Politik, der er untergeordnet ist: „[…] der Krieg [ist] nichts […] als die fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln“.22 Kurz vor seinem Tode hat Clausewitz noch einmal die Quintessenz aus seinen Kriegserfahrungen gezogen 15 Dönitz, der von Hitler als Reichspräsident bestellt worden war, wurde von den britischen Besatzungstruppen abgesetzt und in Flensburg verhaftet. 16 Die Alliierten zerstritten sich bald, so dass auch deshalb ein gemeinsamer Friedensvertrag mit Deutschland kaum noch möglich schien. Insofern ist der Zwei-plus-vier-Vertrag lediglich eine Hilfskonstruktion, vgl. Voigt 1996, S. 173 f. 17 Herberg-Rothe 1999, S. 206. 18 Sofsky 1995. 19 Vgl. hierzu Kleemeier 2002. 20 Vgl. Kondylis 1988. 21 Clausewitz 198019, S. 952. 22 Clausewitz 198019, S. 10.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

und den Krieg als „wunderliche Dreifaltigkeit“ bezeichnet, die aus drei gegensätzlichen Tendenzen zusammengesetzt sei:23 1. „ursprüngliche Gewaltsamkeit“ des Krieges 2. Eigendynamik des Kampfes 3. untergeordnete Natur des Krieges als eines politischen Werkzeuges. Gerade die letzte These spricht eher für eine Begrenzung als für eine Entgrenzung des Krieges. Dabei zeigt sich, dass es Widersprüche und Gegensätze auch in seinem unvollendet gebliebenen Hauptwerk Vom Kriege gibt, die sich als unterschiedliche Entwicklungsstufen im Clausewitzschen Denken interpretieren lassen.24 HerbergRothe hat dazu ein Spannungsfeld aus drei Aspekten entwickelt, in das er Clausewitz’ Auffassung von der Entgrenzung des Krieges eingebunden sieht25 und das letztlich zu einer Art Phasenmodell führt: − Unterschätzung: Die Folgen einer Entgrenzung der Gewalt im Krieg zwischen regulären und irregulären Truppen werden unterschätzt. − Begrenzung: Durch die Orientierung am militärischen Erfolg (Ziel) wird der Krieg begrenzt, seine Entgrenzung also relativiert. − Rückführung: Ziel ist es, den entgrenzten Krieg wieder in die begrenzenden Formen von „Sitte“, Professionalisierung und gegenseitiger Achtung einzubinden. In diesem Sinne erwies sich der vormalige US-amerikanische Generalstabschef und spätere US-Außenminister Powell als gelehriger Clausewitz-Schüler,26 als er im Zweiten Golfkrieg diesen Grundsatz der Begrenzung für den Einsatz von US-Truppen als so genannte Powell-Doktrin postulierte.27 Die Vereinigten Staaten dürften nur dann mit eigenen Soldaten intervenieren, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: − Klares Ziel: Auftrag und Ziel müssen klar definiert sein („the mission is clear“). − Lebenswichtige Interessen: Es müssen vitale Interessen der USA auf dem Spiel stehen. − Öffentliche Zustimmung: Die amerikanische Öffentlichkeit muss für die Intervention sein. − Exit-Option: Auswege müssen klar erkennbar sein. − Win-win-Situation: Der Sieg muss gewiss sein. − Schneller Erfolg: Die angestrebten Ziele müssen innerhalb eines genau definierten Zeitraumes erreicht sein. 23 Herberg-Rothe 2000, S. 19. 24 Herberg-Rothe 1999, S. 189; das Buch entstand während eines längeren Zeitraums, so dass einzelne Kapitel neueren Datums sind als andere. 25 Herberg-Rothe 1999, S. 194. 26 Während des Krieges soll Powell deutlich sichtbar ein Exemplar von Clausewitz’ Buch „Vom Kriege“ mit sich getragen haben, vgl. Stürmer 2006. 27 Vgl. Newsweek, March 5, 2001, S. 16–20 [18].

Abschnitt 1: Krieg als Machtinstrument

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Das hat zur Konsequenz, dass die eigenen Streitkräfte auch schnell wieder das besiegte Land verlassen können. Diese Powell-Doktrin wurde allerdings – zum Schaden der USA wie der Region – im Irakkrieg von 2003 nicht angewandt. Ein lang anhaltender zermürbender Guerillakrieg, wie er unter erschwerten Bedingungen gegenwärtig im Irak stattfindet, ist geradezu das Gegenteil dieser Strategie.

Abschnitt 2: Kriegsmotive Krieg hat offensichtlich die unterschiedlichsten Ursachen und Beweggründe. Glaubenskriege, Eroberungskriege, Revanchekriege, Rohstoffkriege, Kolonialkriege, Sezessionskriege, Partisanenkriege etc. zeugen davon. Ein wichtiges Motiv für Kriege von europäischen Staatenallianzen war nicht selten die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Kräfte, das durch eine Hegemonialmacht bedroht schien. So gingen z. B. England, Preußen und andere Mächte geschlossen gegen Napoleon vor, als dieser durch seine Feldzüge seine Herrschaft über Europa errichten wollte. Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 ließ sich zwar eine Allianz zwischen Großbritannien und Frankreich gegen die Expansionsbestrebungen Hitlers schmieden, die jedoch die Niederlage des britischen Expeditionskorps in Dünkirchen kaum überdauerte. Umgekehrt wurde und wird Krieg von Imperien geführt, um die Weltordnung zu stabilisieren, indem sie ihre Hegemonialstellung aber erhalten oder verändern, um ihre Position weiter auszubauen. Häufig sind Wirtschaftskriege die Vorstufe zu einem imperialen Krieg. Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert wurden an vielen Stellen der Welt Unabhängigkeits- und Einigungskriege geführt. Das Führen eines Revanchekrieges ist oft lediglich ein Motiv unter mehreren anderen Kriegsmotiven. Schaubild 11: Geburten je 1.000 der Bevölkerung (‰)28 Staat bzw. Großraum

2007

2005

Afrika

ca. 45

ca. 44

China

13,45

13,14

Europäische Union

10

10

Indien

22,69

22,32

Russland

10,92

9,8

USA

14,41

14,06

Und schließlich hat die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung (Schaubild 11) Auswirkungen auf die Kriegsgefahr. So wächst die Bevölkerung – trotz der verheerenden Folgen von AIDS – in Afrika immerhin viereinhalbmal so schnell wie in Europa. Der Übervölkerungsdruck kann dann, wenn sich kein anderes „Ventil“ – wie z. B. die Auswanderung nach Amerika oder in die Kolonien – findet, durchaus zum Krieg führen.

28 Vgl. www.welt-auf-einen-blick.de/bevoelkerung/geburtenrate.php

Kapitel 1: Imperiale Kriege „Wenn es eine globale Macht und ein (ernst zu nehmender) Mitspieler in der NATO sein will, dann muss Europa wieder lernen, Krieg zu führen“.29

Europa kann nur dann eine angemessene Rolle in der Welt spielen, wenn es die „Spielregeln“ befolgt: Konflikte um Macht, Geld und Einfluss werden (wieder?) mit Waffengewalt ausgetragen. Zakaria, ein durchaus europafreundlicher Leitartikler des US-Nachrichtenmagazins Newsweek, hat mit diesen klaren Worten versucht, die Europäer auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Schon das Römische Imperium beruhte ebenso wie das British Empire auf imperialen Kriegen. Nur mit Hilfe von Kriegen ließ und lässt sich letztlich ein Imperium errichten und aufrechterhalten. Auch das Empire Amerika ist sich nicht zu schade, einen (asymmetrischen) Krieg gegen ein Land wie den Irak zu führen, um seinen hegemonialen Anspruch zu unterstreichen. Der Irakkrieg des Jahres 1990/91 („Zweiter Golfkrieg“) wurde zwar unter der Führung der USA, aber unter Zustimmung und Mithilfe einer großen Zahl anderer Staaten geführt. US-Präsident Bush sen. hatte es verstanden, nicht nur ein UNO-Mandat zu erhalten, sondern auch die arabischen Staaten gegen Saddam Hussein zu mobilisieren, als dieser in Kuwait einmarschiert war und damit das Tabu unatastbarer Grenzen verletzt hatte. Zu diesem Zeitpunkt herrschte noch bei vielen Beobachtern der Eindruck vor, die reichen Industriestaaten würden ein Kartell bilden, um die armen Menschen in der übrigen Welt zu dominieren. Der Kosovokrieg schien dieser Einschätzung Recht zu geben. Mit dem Irakkrieg des Jahres 2003 ist jedoch endgültig klar geworden, dass es nicht die „westliche Welt“ ist, die nach hegemonialer Herrschaft strebt, sondern dass es allein die USA sind, welche die Rolle des Welthegemons übernehmen wollen. Dazu gehört eine politische Moral,30 mit deren Hilfe Amerika die Guten von den Bösen scheidet („Achse des Bösen“: Irak, Iran, Syrien, Nordkorea und früher auch Libyen). Wer sich dem Machtanspruch des Empire Amerika widersetzt, handelt danach unmoralisch. Über seine eigenen Intentionen kann nicht verhandelt werden.

29 Fareed Zakaria in: Newsweek: „If it wants to be a global power and a player in the Atlantic alliance, Europe has to get back into the business of making war“. 30 Naumann 2002.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

1. Amerikanisches Jahrhundert? In den 1990er Jahren wurden in amerikanischen „Denkfabriken“ (think tanks) Pläne für eine neue Weltordnung entwickelt, die heute zum großen Teil bereits realisiert sind. So wurde 1997 ein Project for the New American Century (PNAC) gegründet, das laut Statut für „Amerikas globale Führerschaft“ kämpft. Wichtige Mitglieder dieses Projekts waren heutige und frühere Mitglieder der US-Regie­rung (Rumsfeld, Wolfowitz,31 Armitage, Perle, Khalilza).32 Danach sollten die USA in die Lage versetzt werden, dauerhaft die Rohstoffvorräte der Erde zu kontrollieren und jeden möglichen Konkurrenten mit allen Mitteln diplomatischer, publizistischer, ökonomischer und militärischer Macht klein zu halten. Dabei durften auch Völkerrecht und UNO nicht stören. Dieses Konzept basiert auf einer völlig neuen Globalstrategie, die in einer verteidigungspolitischen Planungsvorgabe (Defense Planning Guidance) niedergelegt wurde. Im September 2000 wurde schließlich die Studie Rebuilding America’s Defenses fertig, die im Auftrag von Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz und Libby erstellt wurde. Diese Studie kann als Masterplan für die Außenpolitik der Regierung Bush gelten. Kritik an dieser neuen Strategie ist bis zur letzten Kongresswahl in Amerika nur vereinzelt zu hören gewesen. Mit Blick auf den damals noch bevorstehenden Irakkrieg wies US-Senator Byrd auf den wichtigsten Punkt hin: „Diese Nation ist dabei, ihre revolutionäre Präventivschlag-Doktrin zu testen und sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt anzuwenden. Sie beinhaltet die Idee, dass die USA oder jede andere Nation ganz legitim ein Land angreifen, das sie nicht unmittelbar bedroht, sondern das sie in der Zukunft bedrohen könnte – hier handelt es sich um einen ganz grundsätzlichen Dreh der traditionellen Vorstellung der Selbstverteidigung“.33 2. Kolonialkriege Bereits vor der Entdeckung der Neuen Welt durch Columbus im Jahre 1492 versuchten Europäer und andere Völker bzw. Imperien Kolonien zu erlangen. Ursprünglich geht der Begriff „Kolonie“ auf die Römer zurück. Die für die moderne Kriegsforschung interessante Zeit beginnt jedoch erst mit der Gründung der Kolonien in Mittel-, Süd- und Nordamerika und setzt sich über Indien nach Afrika fort. Im Zeitalter des Kolonialismus versuchte fast jeder Staat, seinen Reichtum und Einfluss durch die Inbesitznahme von fremden Territorien in Amerika, Asien, A­frika und Ozeanien zu mehren. Fortan dienten Kolonien den unterschiedlichsten Zwecken, wie z. B. der Sicherung von Militärstützpunkten, der Rohstoffversorgung, der Erschließung von Absatzmärkten, und nicht zuletzt auch der Ansiedlung von überzähliger Bevölkerung des Mutterlandes. Solange die Kolonialisierten sich nicht zur Wehr setzten, handelte es sich zwar um eine Aggression von Seiten der Kolonial31 Wolfowitz war im Anschluss daran Präsident der Weltbank, musste aber wegen eines Skandals diesen Posten aufgeben. 32 Vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,druck-238643,00.html vom 11.03.2003. 33 Vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,237371,00.html vom 22.02.2003.

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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mächte, aber nicht um einen Krieg. Denn zum Krieg wird ein Konflikt – nach Clausewitz – erst dann, wenn sich der Angegriffene auch verteidigt. Der norwegische Friedensforscher Galtung hat diese unbefriedigende Situation durch die Einführung des Begriffs „strukturelle Gewalt“ zu klären versucht. Darunter versteht Galtung Strukturen, in denen grundlegende menschliche Bedürfnisse erheblich beeinträchtigt werden. Neben der Gewalt, die von Personen ausgeübt wird und daher leichter erkennbar ist, geht es ihm um die gewaltbedingte globale Struktur,34 die sich in einer Zentrum-Peripherie-Beziehung manifestiert.35 Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Zeit des Antikolonialismus. Selten gaben die Kolonialmächte ihre Kolonien jedoch freiwillig auf. Häufig kam es vielmehr zu blutigen Auseinandersetzungen (z. B. Mau-Mau-Bewegung in Kenia), die sich oft auch dann noch fortsetzten, wenn der Kolonialstatus des betreffenden Gebietes offiziell längst beendet war. Denn im Falle des Rückzugs der Kolonialmacht trat an die Stelle der alten häufig eine neue Konfliktlinie. Grundsätzlich muss man sogar davon ausgehen, dass die Dekolonialisierung – gemessen an ihren postulierten Zielen – misslungen ist. In den seltensten Fällen wurden aus den Kolonien selbstbestimmte demokratische und wirtschaftlich lebensfähige Staaten. Die Kolonialmächte hatten ihre Kolonien meist zu einseitigen Rohstofflieferanten ausgebaut (Stichwort: Monokulturen). Die Grenzen waren oft willkürlich ohne Berücksichtigung ethnischer, religiöser oder kultureller Zugehörigkeiten „mit dem Lineal“ gezogen worden. Manche Kolonialmächte, wie z. B. Belgien, hatten es bewusst unterlassen, geeignete einheimische Führungskräfte für die nachkoloniale Zeit heranzubilden. Zudem wurden häufig billige Arbeitskräfte aus Asien (Chinesen, Inder) importiert und z. T. auch auf Dauer angesiedelt. In der postkolonialen Ära leben seither in einem Land Muslime und Christen (z. B. Nigeria), Malaien und Chinesen (z. B. Malaysia, Indonesien), Hindus und Muslime (Indien), Melanesier und Inder (Fidschi Inseln) häufig mehr schlecht als recht zusammen. Gewaltsame Auseinandersetzungen waren und sind damit gewissermaßen vorprogrammiert. Keine Regierung traut sich, die „Büchse der Pandora“ zu öffnen und eine Veränderung der alten Grenzen auch nur zu diskutieren. Eine weitere Konfliktlinie bildete sich an der Nahtstelle zwischen den durch ihre Ausbildung in Europa (Großbritannien, Frankreich) häufig westlich orientierten Eliten einerseits und der im Lande verbliebenen – von Bildung und Ausbildung weitgehend ausgeschlossenen – indigenen Bevölkerung andererseits. In Ermanglung eines einheitlichen Nationalbewusstseins stützen sich die Machthaber vor allem auf ihren eigenen Clan, während die Angehörigen anderer Clans benachteiligt werden. Es liegt auf der Hand, dass sich daraus neue Konflikte ergeben. Einzig verbindendes Element war in diesen Staaten oft das Militär, bis auch hier die ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede ihre Sprengkraft entfalteten.

34 Galtung 1997, S. 475–479 [477]. 35 Das Zentrum-Peripherie-Modell erscheint wegen seiner Zweidimensionalität heute als überholt, vgl. Senghaas (Hrsg.) 1974.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

3. Neuordnung der Welt Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellt sich die Situation freilich anders dar. Während die europäische Kolonialmächte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Kolonien weitgehend verloren haben, sind die Vereinigten Staaten von Amerika zu einer selbstbewussten imperialen Supermacht herangewachsen, die – ohne „falsche“ Bescheidenheit – die Rolle des „Weltpolizisten“ übernommen hat. Verträge und Institutionen stören dabei nur, wenn sie die Handlungsfreiheit des Empire Amerika unnötig einschränken. Die militärische Überlegenheit ermöglicht es, den künftigen Konkurrenten Grenzen zu setzen. In diese Strategie passt nahtlos das selbst gewährte Recht der USA, vorbeugende Militärschläge (preemptive strikes) gegen erwartete Bedrohungen einzusetzen. Die Sicherheitszone beginnt bereits weit außerhalb des eigenen Territoriums. Zur Festigung der globalen Vorherrschaft dienen u. a. 65 größere militärische Stützpunkte, die größte Flugzeugträgerflotte sowie die modernste High-Tech-Armee der Welt. Diesem Welthegemon stehen vier mögliche Rivalen gegenüber: China, Europa, Indien, Russland, die über unterschiedliches Entwicklungspotenzial verfügen, das zwar bei einigen Beteiligten in bestimmten Bereichen an das der USA heranreicht oder dieses sogar übertrifft, bei keinem der Rivalen aber einen Gleichstand in allen vier Bereichen erkennen lässt. Unter dem Gesichtspunkt der Bevölkerung ragen China und Indien deutlich heraus, sie haben jeder mehr Einwohner als die drei Kleineren (Europa, USA, Russland) zusammen genommen. Beim Bruttoinlandsprodukt liegen USA und Europa annähernd gleichauf, während China, Indien und Russland erst mit großem Abstand folgen. Allerdings haben Indien und vor allem China deutlich höhere Wachstumsraten als die übrigen Mächte. Schaubild 12: Großräume als Rivalen zu Beginn des 21. Jahrhunderts Großraum

Bevölkerung

BSP36

Militärausgaben

Atomwaffen37

USA

290 Mill.

8.889 Mrd. €

360 Mrd. €

10.656

Europäische Union

451 Mill.

8.903 Mrd. €

111 Mrd. €38

348 (F) / 185 (GB)

Russland

143 Mill.

1.188 Mrd. €

ca. 72 Mrd. €

ca. 10.000

China

1.262 Mill.

6.956 Mrd. €

34 Mrd. €

370

Indien

1.016 Mill.

2.834 Mrd. €

ca. 16 Mrd. €

60

36 37 38

Alle fünf Großräume haben eine nicht geringe Zahl von strategischen und taktischen Atomwaffen, Indien hat die geringste Anzahl, USA und Russland haben mit je ca. 10.000 die größte Zahl dieser Waffen. Europa ist dadurch im Nachteil, dass die Atomwaffen nicht unter einem einheitlichen Befehl stehen, sondern teils Frank36 BSP = Bruttosizialprodukt des Jahres 2006, vgl. www.welt-auf-einen-blick.de/wirtschaft/bspabsolut. bhp, umgerechnet zum Tageskurs von US-$ in Euro (10.10.2007). 37 Atomare Gefechtsköpfe ohne Reserven. 38 Schätzungen des SIPRI für das Europa der 25 im Jahre 2002.

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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reich, teils Großbritannien gehören. Bei den Militärausgaben stehen die USA hingegen einsam an der Spitze, Europa, Russland, China und Indien folgen in weitem Abstand. Neben den USA verfügen China und Russland über einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Indien nicht. Europa ist hier in einer ähnlichen Lage wie bei den Atomwaffen. Großbritannien und Frankreich sind ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, beide Mächte verfolgen aber unterschiedliche Interessen, damit hat Europa in diesem Gremium keine eigene Stimme. Durch den Sieg der USA über den Irak, den sie gemeinsam mit Großbritannien errungen haben, verfügen sie über einen großen Teil der Erdölreserven der Welt. Damit wird es ihnen möglich, auf erdölabhängige Länder wie Japan, Deutschland, Frankreich – und perspektivisch auch auf China39 – größeren Druck auszuüben. Russland ist als größter Erdgasexporteur der Welt hingegen auf dem Energiesektor unabhängig.

39 Ab 2030 muss China voraussichtlich ca. 84 % ihres Erdölbedarfs importieren, vgl. Der Spiegel, Nr. 17 vom 19.04.2003, S. 18–29 [28].

Kapitel 2: Wirtschaftskriege Die Abgrenzung zwischen wirtschaftspolitischen Konflikten und Wirtschaftskriegen ist nicht ganz einfach, zumal charakteristisch für einen Wirtschaftskrieg ist, dass ihm keine Kriegserklärung vorausgeht. Letztlich sind daher Intensitätsgrad der Auseinandersetzung und Zielsetzung der Akteure entscheidend für die Zuordnung. Häufig ist der Wirtschaftskrieg zudem lediglich ein Teilaspekt eines größeren Kriegsgeschehens. Wirtschaftskriege bestehen in der Regel aus einer Kombination mehrerer (nicht unbedingt aller) der nachstehenden sieben Elemente: 1. Zugangserzwingung: Erzwingen der Öffnung von durch Einfuhrverbote abgeschotteten Absatzmärkten, des Zugangs zu Rohstoffen etc. 2. Boykott: Einfuhrverbot für Waren eines bestimmten Landes in aggressiver Absicht. 3. Blockade: Abschneiden eines Landes von wichtigen Rohstoffen, Rüstungsgütern oder Nahrungsmitteln. 4. Einfrieren von Konten: Verweigerung des Zugangs zu Geldmitteln, die auf Bankkonten im Ausland deponiert sind. 5. Währungsmanipulation: Gezielte Angriffe auf den Wert (Parität) der gegnerischen Währung, ggf. durch Kursmanipulation, in Einzelfällen auch durch Fälschen von Banknoten. 6. Rüstungshilfe: Unterstützung einer kriegführenden Partei durch Belieferung mit Rüstungsgütern. 7. Feindliche Übernahme: Gezieltes (heimliches) Aufkaufen von Aktienpaketen der Unternehmen, vor allem der militärisch relevanten High-Tech-Branche, die für den Gegner von großer Bedeutung sind. Als einen solchen Wirtschaftskrieg kann man den Boxer-Aufstand in China um 1900 interpretieren. Während es den Chinesen u. a. darum ging, dass – neben anderen unerwünschten Waren – das Rauschgift Opium nicht länger importiert wurde, kämpften die Kolonialmächte vor allem um den ungehinderten Zugang zu den chinesischen Absatzmärkten, und dazu gehörte auch der Opiumhandel. Ein anderes Mittel ist die Besetzung eines Industrie-, Kohle- oder Erdölfördergebiets im oder auch nach dem Krieg. So hatte Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg alles daran gesetzt, das Ruhrgebiet und damit die deutsche Montanindustrie unter seine Kontrolle zu bringen (Rheinland-Besetzung). Auch die (zeitweilige) wirtschaftliche Ausbeutung des Saarlandes durch Frankreich gehörte dazu. Die Besetzung des „entmilitarisierten“ Rheinlands wurde erst 1936 von Hitler durch einseitigen Akt beendet. Und im Algerienkrieg ging es nicht zuletzt auch um die Verfügungsmacht über die algerischen Erdölfelder. Eine befriedende Alternative stellt eine Wirtschaftsgemeinschaft wie die Montanunion dar, mit der das deutsche Industriepotenzial neutralisiert werden sollte. Später wurde die EWG geschaffen und schließlich

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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zur Europäischen Union weiterentwickelt, so dass ein Geflecht gegenseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten entstanden ist, das Kriege zwischen den Beteiligten eher unwahrscheinlich macht. Wirtschaftssanktionen, mit denen Druck auf ein bestimmtes Land ausgeübt werden kann, sind ein häufig verwendetes Instrument. Ein Beispiel hierfür ist die Politik der USA gegenüber Syrien nach dem gewonnenen Irakkrieg von 2003. Die syrische Unterstützung der Hisbollah im Libanon gegen Israel etwa stört die USRegierung. Um sich Syrien gefügig zu machen, haben die US-Streitkräfte im Frühjahr 2003 u. a. die Pipeline zwischen dem Irak und dem syrischen Hafen Banjas auf irakischer Seite unterbunden. An ihre Stelle ist eine neue Pipeline getreten, die von Mossul nach Haifa führt. Vor Gründung des Staates Israel hatte es schon einmal eine solche Pipeline nach Haifa gegeben. Auch der Streit um Agrarlieferungen zwischen Russland und Polen lässt sich so interpretieren. Zum Wirtschaftskrieg gehört u. U. auch die Produktion von Falschgeld in großem Stil, um die Währung des Feindes zu schwächen, sowie Industriespionage und Falschmeldungen über die Kreditwürdigkeit (Bonität) des Gegners, um seine Wirtschaft zu beeinträchtigen.40 Die Übergänge zwischen den Modalitäten des Casino-Kapitalis­mus und denen des Wirtschaftskrieges sind dabei durchaus fließend. 1. Rohstoffkriege Rohstoffarme Länder wie Japan und Deutschland sind vor allem auf den Import bestimmter Ressourcen angewiesen, die sie zur industriellen Verarbeitung oder zur Herstellung bestimmter Rüstungsgüter benötigen. Waren dies früher vor allem Eisenerz, Kohle, Kupfer, Gold und Diamanten, so sind es heute vor allem Erdöl, Uran und seltene Metalle, die für die Chipherstellung, die Kernkrafterzeugung oder die Raketenindustrie unverzichtbar sind. Um die Verfügungsgewalt über diese Rohstoffe, die von strategischer Bedeutung sein kann, wurden früher und werden auch heute noch Kriege geführt. Hinzu kommen Konflikte um die lebensnotwendigen Güter wie Wasser, Acker- und Weideland sowie Siedlungsgebiet etc., sobald diese knapp werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es im westlichen Afrika zu einem solchen Rohstoffkrieg, als sich das erdölreiche Biafra der christlichen Ibos mit belgisch-französischer Unterstützung von dem übrigen Nigeria, das bis 1960 britische Kolonie war und unter Vorherrschaft der muslimischen Haussa stand, loslösen wollte. Der Kampf im und um den Kongo (Lumumba) stand unter ähnlichen Vorzeichen. Und auch der Herero-Aufstand in der Kolonie Deutsch Südwest (heute Namibia) im Jahre 1904 war ein Kampf um die Lebensgrundlagen.41 Hier kämpften die einheimischen Hereros gegen die Kolonialherren vor allem um Weideland und Wasserstellen für ihre Rinder.42 40 Aly 2005. 41 Die Bundesregierung hat sich im Herbst 2007 verpflichtet, im Rahmen einer Versöhnungsinitiative in den nächsten drei bis fünf Jahren 20 Mill. € an Namibia zu zahlen. 42 Deutsch Südwest war als Siedlungskolonie vorgesehen; von 1897 bis 1903 hatte sich die Zahl der deutschen Siedler von ca. 2.400 auf 4.800 verdoppelt.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

In Afrika sind Rohstoffkriege besonders häufig, weil dort Gold, Diamanten, Erdöl, Edelhölzer und wertvolle Metalle abgebaut werden können. Jede politische Instabilität führt zu Eingriffen von außen, teils durch die Nachbarländer, teils durch außerafrikanische Mächte, die sich davon wirtschaftliche und politische Vorteile versprechen. Umgekehrt führen Eingriffe von außen oft erst zu dieser politischen Instabilität. Gold und Coltan43 spielen auch in dem gegenwärtigen Kongokonflikt eine wesentliche Rolle. Seitdem Staatschef Mobuto im Jahre 1997 vertrieben und durch womöglich noch korruptere Politiker ersetzt wurde (Stichwort: Kleptokratie), bereichern sich alle Seiten ungehindert an den Bodenschätzen des Kongo. Aber auch die Irakkriege der Jahre 1990/91 und 2003 sind zumindest insofern auch Rohstoffkriege, als es für die USA und ihre Verbündeten um die strategisch bedeutsame Verfügungsmacht über die Erölreserven des Iraks (und Kuwaits) ging. Nach dem Zweiten Golfkrieg schien es noch so, als ob die hoch entwickelten Staaten gemeinsam handeln würden: „Am Horizont erscheint ein von den reichen Industrienationen dominiertes […] System, das die bestehenden Besitz- und Einflusszonen militärisch absichert und durch eine Kombination von Geld, Gewalt und Informationstechnik einen einschüchternden Effekt auf die wachsende Masse der Menschen in armen Ländern ausübt“44. 2. Währungskriege Ein wirksames Mittel, um einem Wirtschaftskrieg gegen einen gegnerischen Staat und dessen Volkswirtschaft zu führen, ist der Angriff auf seine Währung. Von Gerüchten über die mangelnde Kreditwürdigkeit bis hin zum Fälschen und Inumlaufbringen von falschen Banknoten („Blüten“) reicht das Instrumentarium der Währungskriege. So kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass Nordkorea große Mengen von US-Dollars gefälscht hat. Einfrieren von Konten, Nichtbedienen von Krediten, Nichtakzeptieren der Währung zum Umtausch (Nichtkonvertierbarkeit) gehören ebenfalls zu den üblichen Maßnahmen. Aber auch in Friedenszeiten wird zwischen „befreundeten“ Ländern um Währungsparitäten gerungen. So war der Euro seit seiner Einführung im Jahre 2001 gegenüber dem Dollar unterbewertet worden.45 Erst im Gefolge des Irakkrieges fiel der Dollar im Frühjahr 2003 erheblich, so dass zunächst Gleichstand und schließlich sogar ein Übergewicht des Euro entstand. Damit verteuerten sich nicht nur die Exporte der Europäer in die Vereinigten Staaten, sondern auch der in US-Dollar berechneten Erdöl-Einfuhren mit der Folge von Wachstumseinbußen. Die negativen Volksabstimmungen über die EU-Verfassung in Frankreich (29. Mai 2005) und den Niederlanden (1. Juni 2005) haben zeitweise zu einer schlechteren Bewertung des Euros geführt, zumal Gerüchte über eine Auflösung der Eurozone lanciert wurden. Seit seinem Amtsantritt versucht der französische Präsident Sarkozy, auf 43 Coltan ist ein für die Handy-Produktion wichtiges Metall. 44 Fernsehautor Hill in der Sendung Saddam. Einübung in ein Tribunal (Autoren: Werner Hill/ Horst Königstein; gesendet am 28.09.1991 in ARD, N 3). 45 Zur Erinnerung: Am 1. Januar 1957 betrug der Wert eines US-$ 4,20 DM.

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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die (unabhängige) Europäische Zentralbank Einfluss zu nehmen, um diese zu einer Abwertung des Euro zu bewegen. In einer Rede vor dem US-Kongress hat Sarkozy 2007 die Amerikaner eindringlich dazu ermahnt, endlich wirkungsvolle Maßnahmen zur Stabilisierung des Dollarwertes zu ergreifen. Umgekehrt verbilligten sich die Importe der Europäer aus den USA durch den Wertverfall. Inzwischen hat sich der Wert des Euro gegenüber dem US-Dollar auf einem hohen Niveau stabilisiert. Diese für sie günstige Entwicklung könnte von den USA dazu genutzt werden, den Dollar gezielt nach unten zu manipulieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Konzerne zu schwächen. Ihr Handelsbilanzdefizit wuchs von 80 Mrd. Dollar im Jahre 1990 auf fast 760 Mrd. US-$ im Jahre 2007.46 Durch eine Steigerung ihrer Exporte könnten die USA – zumindest theortetisch – ihr Handelsbilanzdefizit, das inzwischen mehr als 6,5 Prozent des Bruttosozialprodukts beträgt, reduzieren. Tatsächlich exportierten sie vor allem die Inflation, täglich werden rund zwei Mrd. US-$ in die Vereinigten Staaten transferiert. Die Bereitschaft, Dollar zu kaufen, nimmt tendenziell allerdings ab, so dass der Dollaranteil an den weltweiten Währungsreserven von 80 Prozent in den 1970er Jahren auf gegenwärtig etwa 64,8 Prozent geschrumpft ist. Viele Zentralbanken schichten einen Teil ihrer Währungsreserven in Euro (25,6 %) um. Die Auslandsverschuldung der USA beträgt mehr als 2,5 Billionen US-$. Die Chinesen halten einen großen Teil der (z. T. kurzfristigen) US-Schuldverschrei­bungen, die sie bei passender Gelegenheit einlösen und damit die US-Wirtschaft in Turbulenzen bringen könnten. 3. Handelskriege Ein wichtiges Mittel, um eigene Machtansprüche durchzusetzen bzw. fremde Machtansprüche abzuwehren, ist der Handelskrieg. Dazu gehören die Erzwingung des Zugangs eigener Waren, der Boykott der Produkte des Gegners, Zugangssperren (Embargo) und der Ausschluss von einer bestimmten hochwertigen, ggf. kriegsrelevanten Technologie. So erließ z. B. US-Präsident James Madison (1809–1817) ein Handelsembargo gegen Frankreich und Großbritannien, um diese zur Anerkennung der politischen Unabhängigkeit der USA zu zwingen. Im Jahre 1962 kam es zu einem Streit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA um die Lieferung von 163.000 Tonnen Stahlröhren durch die Firma Mannesmann im Wert von 28 Mill. US-Dollar. US-Regierung und NATO verhängten ein Röhrenembargo, sodass Mannesmann von dem Geschäft zurücktreten musste. In der Zeit der bipolaren Weltordnung führte das gegen die Sowjetunion und den gesamten Ostblock verhängte Ausfuhrverbot für elektronische Rechner und deren Zubehör zu einem signifikanten Entwicklungsdefizit der betroffenen Staaten auf diesem Gebiet. Heute erscheint der Wirtschaftskrieg lediglich als Anwendungsfall des großen Kampfes um die Vorherrschaft in der Welt. Zu dieser neueren Form des Wirtschaftskrieges gehört es, Großbanken oder wichtige Industrieunternehmen („Weltmarktführer“) 46 Vgl. Der Spiegel, Nr. 48 vom 26.11.2007, S. 75 f.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

zu zwingen, eigenen Wirtschaftsprüfer den Zugang zu Be­triebsinterna zu gewähren. Diese Betriebsgeheimnisse lassen sich dann bei Gelegenheit nutzen, um den eigenen Unternehmen eine bessere Position im Weltmarkt zu verschaffen. Wichtigster Akteur ist dabei die amerikanische Börsenaufsicht SEC, die im Jahre 1934 gegründet wurde und deren fünf Kommissare von dem Präsidenten der USA – mit Einverständnis des US-Senats – ernannt werden. Den Kontrollmaßnahmen dieser Aufsichtsbehörde unterliegen alle Unternehmen, die an der New Yorker Börse gelistet sind. So musste die deutsche Firma Siemens die Überprüfung durch US-Anwälte hinnehmen, als ihr der Vorwurf gemacht wurde, bestimmte Aufträge nur gegen Zahlung einer hohen Provision erhalten zu haben (Korruption). Sobald auch vergleichbare Unternehmen in anderen Ländern denselben Maßnahmen ausgesetzt sind, ist dies im Sinne einer größeren Transparenz sicher akzeptabel. Das Maß des Erträglichen wird aber von der SEC längst deutlich überschritten. Commerzbank, Dresdner Bank und Deutsche Bank wurden nicht nur gezwungen, ihre Geschäfte mit iranischen Geschäftspartnern einzustellen. Unter dem Vorwand, ­diese Banken würden mit ihren Geschäften der Finanzierung des Terrors Vorschub leisten, wurden sie überdies gezwungen, amerikanische Großkanzleien zu engagieren, die – gegen ein von den Banken selbst zu zahlendes Millionenhonorar – untersuchen und bescheinigen sollen, das die Banken alle Geschäfte mit den Iranern abgebrochen haben. Zu diesem Zweck müssen selbstverständlich alle – auch vertrauliche und geheime – Unterlagen offen gelegt werden. Andernfalls drohen den Banken schmerzhafte Sanktionen wie z. B. der Ausschluss von den Pensionsfonds in den USA, die ihr Geld vor allem in Aktien anlegen. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner des Irans ist und die US-Regierung die Maßnahmen der SEC nicht nur deckt, sondern vermutlich sogar selbst initiiert hat,47 wird ihr Sinn schnell klar. Die Steigerung der US-Exporte von 2002 auf 2006 um 627 % (Schaubild 13) spricht eine deutliche Sprache.48 Schaubild 13: Exporte nach Iran Staat

Exporte in Mill. US-$ (2006)

Veränderung ggü. 2002

Deutschland

5.147

+185 %

Frankreich

2.648

+139 %

China

2.157

+143 %

Japan

1.310

+66 %

Großbritannien

982

+47 %

USA

109

+627 %

(Quelle: Der Spiegel, Nr. 45 vom 5.11.2007, S. 28)

47 „Königin der Hinterzimmer“. In: Der Spiegel, Nr. 45 vom 5.11.2007, S. 26–32. 48 Auf diese Weise könnten die USA eines Tages Deutschland von Platz 1 der Iranexporteure ablösen.

Kapitel 3: Unabhängigkeits- und Einigungskriege Am Anfang eines neuen Staates oder Reiches steht oft ein Krieg, mit dem die Unabhängigkeit erkämpft bzw. die Einheit gegen den Widerstand der Nachbarn herbeigeführt wird. Während Unabhängigkeitskriege in der Regel gegen eine Kolonialmacht geführt wurden, aus deren Herrschaft man sich lösen wollte, ging es in den Einigungskriegen des 19. Jahrhunderts um die Bildung eines Nationalstaates aus Einzelstaaten, die derselben Kulturnation angehören. Kriegsgegner waren dabei häufig Nachbarstaaten (z. B. Frankreich 1870), die durch die Schaffung eines neuen, einheitlichen Staates ihren Einfluss bedroht sahen. Beispiele hierfür sind Italien und Deutschland. Da die Nachbarn zumeist großes Interesse am Fortbestand leichter manipulierbarer Kleinstaaten (Stichwort: les querelles allemands) haben, kommt es hier zu Konflikten, die oft zu Kriegen eskalieren. Seit den Befreiungskriegen (1813–1814) gegen die napoleonische Vorherrschaft auf dem Kontinent waren die Deutschen von der Idee beseelt, ein einheitliches Deutsches Reich wiederherzustellen, nachdem dieses 1806 untergegangen war. An seine Stelle war der Deutsche Bund getreten. Napoleon hatte dem Reich den „Todesstoß“ versetzt. Allerdings konnte es kaum im Interesse der europäischen Nachbarn liegen, das Machtvakuum im Zentrum Europas durch einen starken deutschen Nationalstaat zu füllen. Mit ihm konnte man unmöglich so vorteilhafte Beziehungen pflegen wie mit den deutschen Kleinstaaten, die sich überdies – z. B. im „Rheinbund“ – vortrefflich gegeneinander ausspielen ließen. Dieses Mitentscheidungsrecht bei der Gestaltung Deutschlands, das 1648 im Westfälischen Frieden geschaffen worden war und das Napoleon als Machtinstrument zu Frankreichs Gunsten vervollkommnet hatte, wollte keiner der Begünstigten freiwillig aus der Hand geben. Die bürgerliche Revolution von 1848 erwies sich in Deutschland letztlich als nicht stark genug, um diese Widerstände zu überwinden. Erst der klug kalkulierten Machtpolitik Bismarcks mit ihren gezielten Militärschlägen gegen Österreich und Frankreich gelang es, die Voraussetzungen für die deutsche Einigung zu schaffen. Seine maßvolle Expansionspolitik schien 1871 auch den mächtigen Nachbarn Großbritannien und Russland eine bessere Garantie für ein europäisches Gleichgewicht zu bieten, als sie die „Revolutionäre“ des Jahres 1848 geboten hatten. Nicht nur Italien und Deutschland sind in Einigungskriegen zu Nationalstaaten zusammengeschweißt worden. Vielmehr mussten auch die nordamerikanischen Kolonien im 18. Jahrhundert zunächst ihren Unabhängigkeitskrieg gegen die englische Krone führen, bevor sie zu den Vereinigten Staaten von Amerika werden konnten. Im Sezessionskrieg der Südstaaten gegen die Nordstaaten standen sich dann zwei unterschiedliche Staatskonzeptionen unversöhnlich gegenüber. Erst mit dem Sieg der Nordstaaten war der Weg frei für eine tragende Rolle der USA in der Weltpolitik.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

Zumindest partiell lässt sich auch der Kosovokonflikt als Sezessionskrieg interpretieren. Während die albanisch stämmigen Kosovaren die Selbständigkeit mit Waffengewalt durchsetzen wollten, setzte die serbische Regierung die jugoslawische Armee ein, um den Verbleib der Provinz Kosovo im jugoslawischen Staatsverband zu erzwingen. Größere Grenzverschiebungen, die das etablierte Staatensystem verändern, sind selten friedlich auf dem Wege von Verhandlungen herzustellen. Zumeist bedarf es eines Krieges oder sogar mehrerer Kriege, um entweder das angestrebte Ziel zu erreichen oder aber auf Dauer daran gehindert zu werden. Eines der seltenen Beispiele für eine friedliche Sezession im 20. Jahrhundert ist die Tschechoslowakei, die sich am 26. August 1992 durch Vertrag in die neuen Staaten Tschechien und Slowakei teilte. Weniger friedlich verlief fast zur gleichen Zeit die Aufspaltung Jugoslawiens in Einzelrepubliken. Zu stark waren die Interessen auswärtiger Mächte an der Aufrechterhaltung ihres Einflusses, als dass sie kampflos zugesehen hätten, wie sich das Mächtegleichgewicht auf dem Balkan verschob. 1. Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg Gegen die Kolonialmacht England erkämpften sich die amerikanischen Siedler die Unabhängigkeit vom Mutterland. Der Ausgangspunkt war die Einführung einer Teesteuer in den Kolonien. In der Boston Tea Party überfielen am 12. Dezember 1773 als Indianer verkleidete Kolonisten britische Schiffe, schütteten den Tee ins Wasser und provozierten damit die Kolonialmacht. Auch später verkleideten sich US-amerikanische Partisanen häufig als Indianer, um unerkannt zu bleiben und gleichzeitig mit ihrer Kriegsbemalung die britischen Soldaten in Angst und Schrecken zu versetzen. Schließlich gelang es General Washington mit seiner Continental Army, unterstützt von einer umfangreichen Partisanenbewegung, die Kolonialmacht zu vertreiben. Allerdings waren keineswegs alle Bewohner der ehemaligen Kolonien mit der Loslösung vom Mutterland einverstanden. Sie mischten sich auf Seiten der Briten in die Kämpfe ein, so dass es fast zu einem Bürgerkrieg gekommen wäre. Die Auswanderung von 60.000 bis 100.000 Personen nach Kanada, in die Karibik oder nach Großbritannien verhinderte dies jedoch.49 2. Deutscher Einigungskrieg Auch die deutsche Einheit wurde im Jahre 1871 erst dann möglich, als Bismarck den Konkurrenten Österreich 1868 im preußisch-österreichischen Krieg besiegt hatte. Der siegreiche deutsch-französische Krieg50 von 1870/1871 schuf die Voraussetzungen für die Gründung des Deutschen Reiches. Symbolträchtig wurde der König von Preußen im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt. 49 Schmidt 2003, S. 168. 50 Offizieller Kriegsgegner Frankreichs war der Deutsche Bund.

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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Freilich wirkte dieser Akt der Krönung wie ein „Stachel im Fleisch“ der Franzosen. Ähnlich war es Italien einige Jahre zuvor ergangen, das ebenfalls zersplittert war und erst geeinigt werden musste. Auch hier hatte Frankreich ein großes Interesse an der Aufrechterhaltung des Status quo. Die deutsche Wiedervereinigung des Jahres 1990 verlief hingegen wie die ihr vorausgehende „Revolution“ der Deutschen in der DDR friedlich. Die sowjetische Besatzungsarmee mischte sich nicht ein, sie ließ sich vielmehr im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Bundeskanzler Kohl und Sowjetpräsident Gorbatschow – gegen Zahlung einer großen Summe (vermutlich ca. 7,5 Mrd. €) – zum vollständigen Abzug bewegen. Freilich unternahm besonders der französische Präsident Mitterrand alles, um die Wiedervereinigung zu verhindern. Und auch die britische Premierministerin Thatcher war eine erklärte Gegnerin einer Vereinigung Deutschlands. 3. Amerikanischer Sezessionskrieg Als Lincoln 1861 zum Präsidenten der USA gewählt wurde, betrachteten die Südstaaten ihn wegen seiner Haltung gegenüber der Sklaverei als ihren politischen Gegner. Elf Staaten verließen daraufhin, angeführt von South Carolina, nach und nach die Union. Als Südstaatentruppen Fort Sumter51 im Hafen von Charleston beschossen, begann in Nordamerika ein erbitterter Krieg um Trennung oder staatliche Gemeinsamkeit. Im Zuge dieses Krieges wurde von dem in Deutschland geborenen Francis (Franz) Lieber für die Armee der Nordstaaten der so genannte LieberCode als Handbuch für die Truppe entworfen, der heute als Vorläufer des modernen Völkerrechts gilt.

51 Das Fort lag mitten im feindlichen Gebiet der Südstaaten, die Besatzung des Forts ergab sich bereits nach einem Tag.

Kapitel 4: Revanchekriege Kriege sind wie Krebsgeschwüre, sie vermehren sich quasi aus sich selbst, ein Krieg zieht den nächsten nach sich. Ursache ist häufig ein Gebietsverlust in Folge eines verlorenen Krieges, wenn die Verlierernation sich mit dem Verlust nicht abfinden kann, auf Revanche sinnt und sich stark genug für einen Gegenschlag fühlt. Auf diese Weise kam es z. B. zu der deutsch-französischen Erbfeindschaft, welche die beiden Nationen für lange Zeit entzweit hat. Für die Deutschen gehörte Elsass-Lothringen zu den deutschen Kernlanden, auch wenn die Franzosen dieses Gebiet teilweise schon vor längerer Zeit erobert hatten. Aus deutscher Perspektive war der deutsch-französische Krieg von 1870/71, in dem Elsass-Lothringen dem Deutschen Reich einverleibt wurde, (auch) ein Revanchekrieg, der Napoleons Eroberungen sowie bereits früher erlittene Gebietsverluste rückgängig machen sollte. Pikanterweise war es zugleich der Krieg, der die außenpolitische Basis für die Reichsgründung schuf. Aus französischer Sicht war hingegen der Erste Weltkrieg ein Revanchekrieg, in dem auch um die Wiedererlangung von Elsass-Lothringen gekämpft wurde. Diese Geschichte ließe sich fast endlos fortsetzen. Denn als Hitler Frankreich in einem Blitzkrieg 1940 besiegt hatte, forderte und erhielt er nicht nur Elsass-Lothringen zurück, sondern er teilte zugleich Frankreich, indem er den Norden besetzte und nur im Restbereich die Installierung des mit Deutschland verbündeten Vichy-Regimes unter der Leitung des Kriegshelden Marschall Pétain gestattete. Nachdem die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg vor den Alliierten bedingungslos kapituliert hatte, wurde Deutschland geteilt, und Frankreich, das sich zu den Siegern zählen durfte, erhielt eine eigene Besatzungszone (Baden, RheinlandPfalz). Elsass-Lothringen kam wieder an Frankreich. Das Saarland wurde Frankreich zur Ausbeutung überlassen, bis es in einer Volksabstimmung 1955 – überraschend – für den Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland votierte.52 Erst jetzt konnte die scheinbar zwangsläufige Folge der Revanchekriege durch endgültige Anerkennung der deutschen Gebietsverluste durch die Bundesregierung durchbrochen werden. 1. Preis der Aussöhnung Der Preis, den Deutschland für eine Aussöhnung mit Frankreich und mit den anderen Westmächten zu zahlen hatte, war allerdings hoch. Um Deutschland auf ein „erträgliches Maß“ zurückzustutzen, bestanden Frankreich und Großbritannien kompromisslos auf der endgültigen Abtretung der Ostgebiete. Gegenüber der So52 1935 hatte das Saarland bereits einmal über den Verbleib beim Deutschen Reich abstimmen müssen.

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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wjetunion (und Polen) entschärften sie damit einen potenziellen Interessenkonflikt, „legitimierten“ damit aber auch einen riesigen (illegalen) Machtzuwachs des Sowjetimperiums. Zwar scheiterte die Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft an innerfranzösischem Unwillen und Ungeschick, aber es gelang doch wenigstens, die gefährliche Industriekapazität und Wirtschaftskraft der Deutschen in ein Vertragssystem einzubinden. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) wurde der Ausgangspunkt für die Römischen Verträge, die schließlich zur Europäischen Union und zur Ablösung der DM-Vorherrschaft durch die Schaffung einer Euro-Zone führte. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 wurde dieser Gebietszuschnitt Deutschlands dann endgültig völkerrechtlich festgeschrieben. Die 1956 neu aufgestellte Bundeswehr wurde in die NATO integriert und vollständig deren Kommando unterstellt. Auf eine eigene Kommandostruktur wurde bewusst verzichtet. Die erste große Bewährungsprobe für die deutsch-fran­zösischen Beziehungen nach der Wiedervereinigung war jedoch zunächst der Vertrag von Nizza, der am 1. Februar 2003 in Kraft getreten ist, wo es um die Stimmenverteilung im Ministerrat ging, und dann die Auseinandersetzung um den Irakkrieg. Setzte sich bei der Stimmengewichtung Staatspräsident Chirac – mit negativen Folgen für die beiden europäischen „Motoren“ – durch, so übernahm in der Irakkrise Bundeskanzler Schröder die Führungsrolle. Frankreich schloss sich nach kurzem Zögern dem strikten Antikriegsvotum Deutschlands an und drohte mit einem Veto im UNSicherheitsrat53, was jede weitere von den USA und Groß­britannien (sowie Spanien) eingebrachte Kriegsresolution zu Fall gebracht hätte. Auch Russland gesellte sich zu den Kriegsgegnern. Vor allem Deutschland und Frankreich haben sich damit den Zorn des Welthegemons zugezogen, wenn dieser auch in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck gebracht wurde. 2. Noch ist Polen nicht verloren Ähnlich konfliktbeladen wie die deutsch-französischen Beziehungen war das Verhältnis zwischen Preußen und Polen. In zahlreichen polnischen Teilungen (1667, 1793 und 1795) war Polen zwischen den großen Nachbarn Russland, Österreich und Preußen nach und nach ganz aufgeteilt worden. Den Polen selbst blieb nur die Hoffnung: „Noch ist Polen nicht verloren!“. Ein unbändiger Nationalstolz, gestärkt durch ein einheitliches Bekenntnis zum Katholizismus, ließ die Nation trotz widrigster Umstände an ihrem Ziel festhalten, das Staatsgebiet und damit den eigenen Staat zurück zu erhalten. Der Ausgang des Ersten Weltkrieges bot diese Chance, als einerseits das geschlagene und in Revolutionswirren verstrickte Russland, andererseits das geschlagene Deutsche Reich sowie Rest-Österreich gezwungen wurden, der Wiederherstellung Polens zuzustimmen. Zu diesem Zweck wurden mehr oder weniger ordnungsgemäße Volksabstimmungen (Stichwort: „Selbstbestimmungs53 Deutschland war vom 1. Januar 2002 an für zwei Jahre nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

recht der Völker“) in den umstrittenen Gebieten durchgeführt, die zu einem Verlust großer Teile des Reiches an Polen führten. Danzig wurde zur „freien Stadt“ unter dem Mandat des Völkerbundes erklärt. Ein polnischer Landstreifen trennte Westpreußen von Ostpreußen. Der Gedanke lag nahe, dass hier die Ursache für einen weiteren Weltkrieg zu vermuten war (Lloyd George). Vermutlich eher halbherzig versuchte Hitler 1939 erfolglos, den Polen die Zustimmung zu einem „Korridor“ abzuringen, einer Straßen- bzw. Eisenbahnverbindung zwischen den von einander getrennten Reichsteilen. Nicht zuletzt gestützt auf britische und französische Garantien lehnte die polnische Regierung jede Verhandlungslösung ab. Deutschland griff am 1. September 1939 Polen – ohne Kriegserklärung – mit dem Ziel nachhaltiger Gebietsveränderungen an, das in kürzester Zeit (Stichwort: „Blitzkrieg“) besiegt wurde und eine neue Teilung, diesmal zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion, hinnehmen musste. Ein Revanchekrieg war wiederum vorprogrammiert, der schließlich zu signifikanten Gebietsverschiebungen zwischen dem sowjetischen bzw. russischen, polnischen und dem deutschen Staatsterritorium führte. 3. Ethnische Säuberungen Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Gebiete des Deutschen Reiches östlich der Oder-Neiße-Linie zunächst unter polnische bzw. unter sowjetische (Ostpreußen) Verwaltung gestellt wurden und dann auf Befehl Stalins dem polnischen Staat bzw. der UdSSR einverleibt wurden, war wiederum ein Konflikt vorprogrammiert. Allerdings entschärfte die deutsche Teilung dieses Problem, da die DDR als Mitglied des Ostblocks schon früh die neue Grenze als verbindlich anerkannte. Die Bundesrepublik hingegen hatte mit Polen keine natürliche Grenze, und die Westmächte, allen voran Frankreich als traditionelle Schutzmacht Polens, ließen keinen Zweifel daran, dass sie einer Wiederherstellung der alten Reichsgrenzen niemals zustimmen würden. Noch bedeutsamer war hingegen die Vertreibung der Deutschen aus diesen Gebieten, denn eine „ethnische Säuberung“ diesen Ausmaßes führt zumindest dann, wenn sie lange genug durchgehalten werden kann, zum Verlust der territorialen Ansprüche.54 Die Vertriebenen sahen sich daher bald schutzlos dem Vorwurf des Revanchismus ausgesetzt, als sie sich nicht sogleich widerspruchslos der neuen Doktrin fügen wollten. Das Revanchismusargument wurde zum wichtigsten Kampfinstrument der polnisch-sowjetischen Propaganda, als es auch in deutschen Kreisen aufgenommen und schließlich verinnerlicht wurde. Die von den westlichen Alliierten Schritt für Schritt mit eigenen Souveränitätsrechten ausgestattete Bundesregierung sah sich also in einem Dilemma. Zum einen wollte und musste sie als einzige demokratisch legitimierte und dem Völkerrecht verpflichtete deutsche Regierung den Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland in den Grenzen von 1938 aufrechterhalten. Zum anderen versagten ihr auch die engsten Verbündeten aus eigenen geostrate54 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet Israel.

Abschnitt 2: Kriegsmotive

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gischen und bündnispolitischen Interessen die Unterstützung bei der Wahrung des völkerrechtlichen Anspruchs auf Rückgabe der widerrechtlich abgetrennten Territorien. Der damalige Bundeskanzler Adenauer befand sich damit auf einer schwierigen Gradwanderung zwischen der politischen Einbindung der damals noch starken Vertriebenenverbände in die alte Bundesrepublik, den Imperativen der Besatzungsmächte und der Aufrechterhaltung der gesamtdeutschen Rechtsansprüche.55 4. Völkerrechtliche Anerkennung Art. 23 GG a. F.,56 dem gemäß die Länder der ehemaligen DDR dem Grundgesetz beigetreten waren, musste mit der Wiedervereinigung aus der deutschen Verfassung eliminiert werden. Zu groß schien seine Sprengkraft, falls Pommern, Schlesien, Ostpreußen oder andere Regionen auf die Idee gekommen wären, sich auf diese Weise der prosperierenden Bundesrepublik Deutschland anzuschließen. Fazit: Nach Abschluss dieser Verträge bestehen keine Gebietsansprüche Deutschlands gegen seine Nachbarn, und umgekehrt bestehen auch keine Gebietsansprüche der Nachbarn gegenüber dem deutschen Territorium. Die Rolle Deutschlands als territorial geschrumpfte Mittelmacht scheint damit auf alle Zeiten festgeschrieben zu sein. Zugleich wurde mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union ein langfristiges Ziel der deutschen Bundesregierung(en) erreicht, nämlich eine durchlässiger werdende Grenze zum östlichen Nachbarn und damit der Zugang zu den verlorenen Gebieten (Stichwort: Reisefreiheit). Seit Polen EU-Mitglied ist, kommen polnische Arbeiter in Scharen nach Deutschland, was die Deutschen um ihre Arbeitsplätze fürchten lässt. Zugleich beginnen deutsche Staatsbürger damit, Grundstücke im grenznahen Polen zu erwerben. Dies schürt freilich auf polnischer Seite die Angst vor einer „Rückkehr der Deutschen“. Die Forderung einer von den deutschen Vertriebenenverbänden getragenen Stiftung nach einem Zentrum gegen Vertreibung in Berlin bringt die polnische Seite besonders in Rage. Erst als sich die westdeutschen Eliten den Gedanken zueigen gemacht hatten, dass zwar andere Nationen besetztes oder abgetrenntes Territorium selbstverständlich zurückverlangen dürften, die schuldbeladenen Deutschen aber nicht, schien sich das Problem allmählich zu lösen. Die Ostpolitik der Regierung Brandt führte mit dem deutsch-polnischen Vertrag, der faktisch, wenn auch nicht völkerrechtlich die Abtretung der Ostgebiete an Polen festschrieb, noch einmal zu einer innenpolitischen Kontroverse. Mehr als ein Jahrzehnt später gewann das Thema dann noch einmal politische Brisanz, als der damalige Bundeskanzler Kohl am Vorabend der Wiedervereinigung zögerte, die Abtretung der deutschen Ostgebiete völkerrechtlich zu besiegeln. Angesichts der massiven Pressionen seiner westlichen Verbündeten ebenso wie der östlichen Vormacht und angesichts des geringen Rückhalts bei den bundesdeutschen Eliten blieb Kohl jedoch keine andere Wahl, wollte er den 55 Vgl. Voigt 1996. 56 „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen […]. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen“.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages und damit die Wiedervereinigung nicht gefährden. Art. 1 Abs. 3 dieses Vertrages stellt nunmehr eindeutig klar: „Das vereinte Deutschland hat keinerlei Gebietsansprüche gegen andere Staaten und wird solche auch in Zukunft nicht erheben“.

Kapitel 5: Übervölkerungskriege Eine weitere Kategorie von Kriegen könnte in Zukunft eine immer größere Rolle spielen, die so genannten Übervölkerungskriege.57 Vor allem im zentralen Afrika erzeugt das Bevölkerungswachstum einen mörderischen Wettbewerb um die knappen Ressourcen: Wasser, Boden, Vieh etc.58 Der dort entstehende Bevölkerungsdruck führt zu Wanderungsbewegungen in Richtung Europa, wo immer neue „Wellen“ von Flüchtlingen auf dem Landweg (Beispiel: Cëuta) oder auf dem Seeweg (Beispiel: Lampedusa) oft unter Lebensgefahr den illegalen Zutritt in ein europäisches Land suchen. Sollte die „Festung Europa“ einmal endgültig seine Grenzen hermetisch abriegeln, so würde die Spannung rasch eskalieren und sich in gewaltsamen Aktionen entladen. Kriegerische Auseinandersetzungen an diesen Grenzen wären dann wohl unvermeidlich. Freilich wachsen mit der Zuwanderung auch die Spannungen innerhalb der europäischen Gesellschaften. Die Konkurrenz um knapper werdende Arbeitsplätze, Wohnungen, Sozialleistungen etc. führt zusammen mit der Angst der autochthonen Bevölkerung vor dem Verlust der eigenen Heimat und der Furcht vor der Verwestlichung der zugewanderten (häufig muslimischen) Bevölkerung zu Konflikten, die allzu leicht zu gewaltsamen Auseiandersetzungen eskalieren können. Schaubild 14: Entwicklung der Weltbevölkerung von 1750 bis 205059 Kontinent

1750 absolut %

1900 absolut

1950

1998

2050

% absolut

%

absolut

%

absolut

%

Afrika

106

-

133

25

221

66

749

238

1.766

135

Asien

902

-

947

88

1.402

48

3.585

155

5.268

46

Europa

163

-

408

150

547

34

729

33

628

-13

Mittel- und Südamerika

16

-

74

362

167

125

504

201

809

60

Nordamerika

2

-

82

4.000

172

109

305

77

392

28

Ozeanien

2

-

6

200

13

116

30

130

46

53

791

-

1.650

108

2.521

52

5.901

134

8.909

150

Welt

Schaubild 14 zeigt, dass die Bevölkerung vor allem in Afrika (135 %) und Lateinamerika (60 %), also auf der südlichen Erdhalbkugel, geradezu sprunghaft angestie57 Diessenbacher 1998. 58 Homer-Dixon/Blitt (Hrsg.) 1998. 59 In Mill. Menschen, für 2050 geschätzt, Stand: 8.4.2007, vgl. www.welt-auf-einen-blick.de/bevölkerung/index.php.

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gen ist und weiter ansteigt, während auf der nördlichen Erdhalbkugel Nordamerika (28 %) nur noch geringfügig wächst und Europa (–13 %) – trotz einer großen Zahl von Einwanderern – sogar signifikant schrumpft. Die Süd-Nord-Wanderung wird also eher noch zunehmen und damit der Migrationsdruck steigen. Die Frage ist also, wielange die autochthone Bevölkerung (Stichwort: „Festung Europa“) die damit verbundenen ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme hinnehmen wird, ehe es zu einem Krieg kommt. Aber nicht nur Afrika, sondern auch Asien und Lateinamerika haben mit einem riesigen Bevölkerungswachstum zu kämpfen. So wächst Chinas Bevölkerung trotz der staatlich verordneten Ein-Kind-Ehe ständig. Zahllose Auslandschinesen leben darüber hinaus in allen Teilen der Erde. Noch rascher wächst die Bevölkerung in Indien, Pakistan und Indonesien. An der Grenze zwischen den USA und Mexiko kommt es immer wieder zu dramatischen Szenen, wenn Mexikaner trotz einer ungewöhnlich stark gesicherten Grenze verzweifelt versuchen, das US-Territorium zu erreichen. Eine organisierte Form von Landraub findet seit 1950 in Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo, statt. Seither sind von der indonesischen Armee etwa anderthalb Millionen Familien – vorwiegend aus dem übervölkerten Java – planmäßig umgesiedelt worden. Sie werden als „Bollwerk“ gegen die einheimischen Dayaks (ehemals: Kopfjäger) eingesetzt, die nur noch eine 40-Prozent-Minderheit im eigenen Land sind. Ihr Widerstand gegen die Enteignung wird von der Armee blutig unterdrückt und von der Regierung totgeschwiegen. Jede Diskussion über diese Probleme ist verboten.60 Diessenbacher spricht in diesem Zusammenhang von dem „Überzähligen“ als der prägenden Gestalt des 21. Jahrhunderts,61 der etwa in einem Slum von Rio de Janeiro, Shanghai oder Kalkutta in ärmlichsten und oft menschenunwürdigen Verhältnissen lebt. Oft bleibt ihm keine andere Wahl, als sich mit Waffengewalt den Zugang zu einem Land zu verschaffen, in dem er überleben kann.

60 Vgl. Gottshalk 2001. 61 Diessenbacher 1998.

Abschnitt 3: Kriegsformen Art und Form, in der Kriege durchgeführt werden, sind einem ständigen Wandel unterworfen. Häufig beginnen die Kontrahenten mit den Kriegshandlungen in einer Form, die sich im Laufe des Krieges als veraltet herausstellt. So gingen die Soldaten 1914 mit bunten Uniformen in die Schlacht, die deutschen sogar mit blitzenden Pickelhauben. Schon bald wichen die bunten Farben, die den gegnerischen Scharfschützen ein gutes Ziel boten, überall einem Feldgrau, das besser zum Stellungskrieg dieser Zeit passte. Schaubild 15: Charakteristika verschiedener Kriegsarten Kabinettskrieg

Volkskrieg

Partisanenkrieg

Totaler Krieg

Identitätskrieg

Staat versus Gesellschaft

Staat

Staat und Gesellschaft

Teile der Gesellschaft

Staat und Gesellschaft

Teile der Gesellschaft

Finanzierung

Staatshaushalt („Kriegskasse“)

Staatshaushalt, „Beutezüge“ Spenden

Staatshaushalt, Notenpresse

freiwillige und erpresste „Kriegssteuern“, illegale Wegezölle

Kriegsgründe

territorial dynastisch

Verteidigung der Nation

Befreiung von militärischer Besatzung

HegemonieIdentitätsstreben („Groß- sicherung raum“) (religiös bzw. kulturell)

Kriegsherr

Monarch

Volkstribun, Konvent

Partisanenchef Kriegspremier, Diktator

Kriegsziele

Niederwerfen des Gegners

Sieg der Revolution (Nation)

befreiter eigener Staat

Vernichtung des „ethnische Gegners Säuberung“

Art der Streitkräfte

gepresste Bauernsöhne

Volksheer

Guerillabewegung

Massenheer

rivalisierende Trupps, paramilitärische Verbände („Banden“)

Wehrpflicht

nein

ja

Nein

ja

nein

Hegung des Krieges

ja

ja/nein

Nein

nein, nur partiell

nein

ja

Nein

nein

nein

Unterschied ja Non-/Kombattanten

(kriminelle) Kriegsunternehmer, Warlords

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Teil IV: Symmetrische Kriege

Die polnischen Soldaten kämpften 1939 oft noch zu Pferde gegen die damals modernste Armee Europas. Die Wehrmacht setzte ihrerseits die neuesten Panzer und Sturzkampfbomber („StuKas“) ein. Gesellschaftliche Veränderungen, technische Neuerungen und historische Erfahrungen beeinflussen Formen und Mittel des Krieges zum Teil nachhaltig. Während der Kabinettskrieg das 17. und 18. Jahrhundert beherrschte und im 19. Jahrhundert nach der Wiener Konferenz von 1815 noch einmal eine (kurze) Renaissance erlebte, ist der Volkskrieg vor allem eine Erscheinung revolutionärer Umschwünge, wie sie besonders die Französische Revolution von 1789 darstellt. Aus dem absoluten Krieg entwickelte sich dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts der totale Krieg. Auch er steht freilich nicht am Ende der Entwicklung. In der Folge eines Buches von Mary Kaldor („Alte und neue Kriege“) gehen viele Autoren davon aus, dass es neben den alten auch „neue Kriege“ mit ganz eigenen Merkmalen gibt.62 Ob sich diese jedoch grundsätzlich von den althergebrachten Kriegen unterscheiden, ist immerhin fraglich. Ein anderer Anhaltspunkt ergibt sich aus einer Typisierung von Kriegsarten nach bestimmten Merkmalskategorien, wie z. B. Finanzierung, Art der Streitkräfte etc. Einen Überblick über diese Charakteristika gibt das Schaubild 15. Obgleich die Kriegsarten selten in reiner Form vorkommen, weil es sich letztlich um Idealtypen handelt, wird bei der Einteilung von Kriegen in diesem Buch einerseits nach Zwecken, andererseits nach den hier angeführten Charakteristika differenziert. Bei der Zuordnung konkreter Kriege zu den genannten Kriegsformen wird ohnehin deutlich, dass es nicht immer möglich ist, trennscharf zwischen den Erscheinungsformen des Krieges zu unterscheiden. Oft schieben sich die diesen Kriegen zugrunde liegenden Konflikte wie tektonische Platten ineinander bzw. verstärken sich gegenseitig.63 Reale Kriege sind dann häufig eine Mischform aus den hier beschriebenen Kriegsformen und Kriegsarten, z. B. ein Staatenkrieg, der durch revolutionäre Umwälzungen zum Volkskrieg (Außendimension) oder zum Bürgerkrieg (Innendimension) wird. Die hier vorgenommene Systematisierung erhebt also keinen Absolutheitsanspruch, sie soll vielmehr in erster Linie dazu dienen, den Gesamtkomplex „Krieg“ zu systematisieren, um ihn bearbeiten und verstehen zu können.

62 Kaldor 2000; Münkler 2002; Frech/Trummer (Hrsg.) 2005. 63 Hondrich 2002, S. 13.

Kapitel 1: Staatenkrieg Seit dem Westfälischen Frieden sind anerkannte Gegner in den klassischen Kriegen die Staaten. Zunächst wurden diese Staaten noch in aller Regel durch einen Herrscher repräsentiert, der z. B. zur Durchsetzung seiner dynastischen Interessen Kriege führen konnte. Ein Beispiel hierfür ist etwa der Spanische Erbfolgekrieg. Mit dem Übergang von den auf Kriegszeiten beschränkten Heeren auf ständige, „stehende Heere“ im 18. Jahrhundert veränderte sich auch die organisatorische Grundlage.64 Aus quasi privatwirtschaftlichen Strukturen wurden staatliche Institutionen. Aus dem im Dienste eines Kriegsherrn stehenden Landsknecht wurde schließlich ein aus der Staatskasse besoldeter Soldat. In der Französischen Revolution von 1789 wurde die Idee des Nationalstaates geboren. Territorialstaat und Nation gingen eine Verbindung ein, die für das Kriegsgeschehen des 19. und 20. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung war. Aus der Nationalisierung des Heerwesens ergab sich nicht nur eine neue Organisation des Militärs, sondern es entstand auch eine neue Legitimierung des Kriegsdienstes.65 Fortan erklärten sich ganze Nationen, verkörpert durch ihre Staatsführung, den Krieg. Massenheere stießen aufeinander. Die „Bataille des Königs“, die den Bürger nach alter Lesart nichts anging, wurde zur Schlacht, in der ganze Völkerschaften auf einander prallten (Stichwort: Völkerschlacht bei Leipzig). Aus dem Kabinettskrieg wurden zunächst der revolutionäre Volkskrieg und schließlich der totale Krieg, bei dem die Beteiligten bis zur endgültigen Vernichtung des Gegners kämpfen. 1. Vom Kabinettskrieg zum totalen Krieg Kabinettskriege lassen sich dadurch beschreiben, dass – ohne emotionales Engagement der Völker – um relativ klar umrissene („rationale“) Ziele gekämpft wird. Die Truppen, mit denen der Kabinettskrieg geführt wird, sind i. d. R. „gepresste“, also zum Kriegsdienst gezwungene Bauernsöhne, die an den Kriegszielen kein persönliches Interesse haben. Sie müssen daher beim Kampf in strenger Formation auftreten, um die mehr oder weniger unfreiwillig Kämpfenden am Weglaufen zu hindern. Die Kampftechnik des geschlossenen Vorgehens und eine Marschmusik, die exakte Bewegungen der Kampfformationen rhythmisch unterstützt, ergänzen sich gegenseitig. Da die Soldaten sich wegen der Gefahr der Fahnenflucht nicht frei bewegen dürfen, müssen sie staatlicherseits mit Nahrung und allem Lebensnotwendigen versorgt werden. In der Folge entwickelte sich ein umfangreiches Versorgungssystem (Stichwort: Logistik). Erst mit der Verbindung von Staat und Nation zum National64 Sikora 2003, S. 210–238 [213]. 65 Sikora 2003, S. 218.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

staat kommt es dazu, dass das Volk im Volkskrieg zum Träger des Krieges wird. Taktik, Bewaffnung, Uniform und Militärmusik wandelten sich allmählich. Nicht mehr nach strengem Reglement gedrillte Soldaten, sondern von revolutionärem Elan beflügelte Volkskämpfer bevölkerten das Schlachtfeld. Charakteristisch für diese Form des Krieges ist die Marseillaise mit dem Refrain „Zu den Waffen, Bürger! Formiert Eure Bataillone. Vorwärts, marschieren wir! Damit unreines Blut unsere Furchen tränke!“, die bald jedem Franzosen vertraut war.66 Eine Weiterentwicklung des Volkskrieges stellt der totale Krieg dar. Zum einen werden nun alle materiellen und menschlichen Ressourcen in den Krieg einbezogen. Die Rüstungsarbeiter werden – obgleich Zivilisten – zu Quasi-Kombat­tanten. Zum anderen radikalisieren sich Ziele und Methoden des Krieges. Es wird bis zur völligen Erschöpfung aller Ressourcen (Stichwort: „Abnutzungskrieg“) und bis zur Vernichtung des Gegners (Stichwort: „Ausbluten“) gekämpft. Das Gebiet des Gegners wird wirtschaftlich ausgebeutet, ggf. wird bei Verlassen dieses Gebiets nur noch „verbrannte Erde“ hinterlassen, um die gegnerische Seite zu schwächen. Am Ende des totalen Krieges steht der Diktatfrieden, zu dem es keine Alternative gibt als die Fortsetzung des Krieges. 2. Verstaatlichung des Krieges „War made the state, and the state made war“, hatte Tilly apodiktisch erklärt.67 Krieg und Staat stehen tatsächlich in einem engen wechselseitigen Verhältnis zueinander. Das bedeutet freilich nicht, dass es nicht auch Kriege ohne Staatsbeteiligung gäbe. Herzstück des modernen Territorialstaates ist das staatliche Gewaltmonopol, das nur mit Hilfe eines stehenden Heeres durchzusetzen war. Ein effektives Steuersystem wurde erforderlich, um die benötigten Mittel für das Militär aufbringen zu können. Insofern liegt der Gedanke nicht fern, die Begründung des modernen rationalen Staates auf militärische Notwendigkeiten zurückzuführen.68 War Kriegsherr zunächst der Monarch, so ging diese Funktion im Gefolge der Französischen Revolution auf den Nationalstaat über.69 Der Krieg wurde aber weiter als alleinige Domäne des Staates angesehen, der in aller Regel allein oder im Verbund mit anderen Staaten Krieg gegen einen oder mehrere Staaten führte. „Der Krieg ist also keine Beziehung von Mensch zu Mensch, sondern eine Beziehung von Staat zu Staat, in der die Einzelnen nur durch Zufall Feinde sind, nicht als Menschen und nicht einmal als Bürger, sondern als Soldaten, nicht als Glieder des Vaterlandes, sondern als seine Verteidiger. Kurz, ein Staat kann in Anbetracht dessen, dass sich

66 Der Text der Marseillaise wurde auch in Frankreich wegen seiner Kriegslüsternheit immer wieder kritisiert 67 Tilly 1975, S. 42. 68 Kaldor 1999, S. 32 f. Insbesondere im Hinblick auf Preußen drängt sich eine solche Auffassung geradezu auf. 69 Vgl. Voigt (Hrsg.) 1998; Herberg-Rothe 1999, S. 185–209 [195].

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Abschnitt 3: Kriegsformen

zwischen Dingen unterschiedlicher Natur auf Dauer keine wahre Beziehung herstellen lässt, nur andere Staaten zu Feinden haben und nicht Menschen“.70 Die Verstaatlichung des Krieges kann man – mit Rousseau – als Errungenschaft der zivilisierten Völker ansehen.71 Im Zeitalter der Hochindustrialisierung ließ sich jedoch dagegen argumentieren, dass erst der Industriestaat dem Krieg die nötigen Ressourcen zugeführt hat, die seine Dauer und Intensität ermöglichten.72 Heute erscheint die Rousseausche Sicht angesichts neuartiger Kriege, in denen die Grenzen zwischen Krieg und organisierter Kriminalität bzw. zwischen (staatlichem) Krieg und Terrorismus73 verschwimmen, wieder als erstaunlich aktuell. Der „rechtmäßige“ staatliche Krieg sah Mobilmachung und Kriegserklärung vor, bevor mit den Kampfhandlungen begonnen werden durfte. Das Völkerrecht hat diesen „klassischen“ Krieg durch die Haager Landkriegsordnung und ähnliche Regelungen zu humanisieren („hegen“) versucht. Zwischen den Kombattanten einerseits und den Zivilisten andererseits wurde bewusst unterschieden, nur die Ersteren sollten am Kampf teilnehmen, während die Letzteren sich aus diesem herauszuhalten hatten und gegebenenfalls vor diesem zu schützen waren.74 Clausewitz ging in seinen kriegstheoretischen Überlegungen davon aus, dass die Gegner wie in einem Zweikampf miteinander ringen. Schaubild 16: Drei Formen des Staatenkrieges Kabinettskrieg

Volkskrieg

Totaler Krieg

Finanzen

Steuern/Staatsschatz

Steuern

Steuern/Staatsanleihen

Wissenschaft

keine tragende Rolle

Kriegstechnik

einfach, gleichbleibend, Linientaktik

Kriegsziel

Wirtschaft

Medizin Ernährung Bildung

Geschichte

Verhandlungsfrieden

kaum mit einbezogen

Vernichtung der gegnerischen Armee integriert, vorindustriell

Bekehrung oder totale Vernichtung instrumentalisiert, Kriegsökonomie

keine nennenswerte Rolle wird durch den Krieg vorangetrieben und treibt selbst den Krieg voran taktisches Verhalten

alles, was möglich ist

Eigenversorgung, schlechte Betreuung

keine organisierte Versorgung

organisierte Versorgung durch Sanitätstruppe

einfache bis gar keine

„Levée en masse“

einfache bis hohe Bildung

Versorgung aus dem Land (Magazine)

allenfalls dynastische Tradition

Versorgung aus dem Land, Unterstützung durch die Bevölkerung revolutionäre „Geschichte“

Versorgung durch eigene Einheiten

„Historischer Auftrag“

70 Rousseau 1988, S. 12 f. 71 Allerdings hat Rousseau auch auf den Zusammenhang von Krieg nach außen und Despotismus im Innern hingewiesen, Rousseau 1989, S. 40. 72 Krippendorff 1985. 73 Hoffmann 2001. 74 Vgl. Hinz/Rauch 1984.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

Dieses Bild vom Zweikampf („Duell“) macht nur dann Sinn, wenn es sich um zumindest annähernd gleich starke Gegner in einem symmetrischen Krieg handelt. Ein Beispielfall ist etwa der Deutsch-französische Krieg von 1871, in dem sich zwei Industriestaaten gegenüber standen, die sich wechselseitig als prinzipiell ebenbürtig betrachteten. Der Kriegsausgang stand dementsprechend nicht von vornherein fest, zumal sich die übrigen Mächte – aus unterschiedlichen Gründen – nicht an dem Krieg beteiligten. Im Folgenden sollen drei Kriegstypen vorgestellt werden, die zwar zeitlich aufeinander folgten, aber u. U. auch zur gleichen Zeit, wenn auch an verschiedenen Stellen, geführt wurden: der Kabinettskrieg, der Volkskrieg und der Totale Krieg. In Schaubild 16 werden diese drei Kriegstypen unter neun Gesichtspunkten miteinander verglichen. 3. Kabinettskrieg Seit dem Westfälischen Frieden, mit dem die Souveränität der Staaten wechselseitig anerkannt wurde, war es in aller Regel der Monarch mit seinem Kabinett, der einen Krieg gegen einen anderen Monarchen und dessen Kabinett führte. Zur Zeit des Absolutismus bestand dieses Kabinett aus einem Unterbau von („Geheimen“) Räten, die dem Monarchen zuarbeiteten. Später wurden aus den Räten Staatsse­ kretäre, die unter der Leitung eines Ministers standen und schließlich Minister unter dem Vorsitz eines Ministerpräsidenten. Der Kabinettskrieg lässt sich definieren als „Auseinandersetzung zwischen Souveränen und ihren Armeen […] mit begrenzter Zielsetzung und unter weitgehender Schonung von Non-Kombattanten und produktiven Sachwerten […]“.75 Als klassische Beispiele gelten Kriege im 18. und 19. Jahrhundert,76 wie der Spanische Erbfolgekrieg, der Polnische Thronfolgekrieg, der Siebenjährige Krieg, der Bayerische Erbfolgekrieg, der Krimkrieg und der Krieg zwischen Frankreich, Sardinien-Piemont und Österreich. Zumeist definiert der Monarch klare Kriegsziele, bei denen es i. d. R. um das Durchsetzen von politischen, ökonomischen, territorialen oder dynastischen Interessen geht. Die Feldzüge sind zeitlich limitiert und werden von zahlenmäßig begrenzten Berufsarmeen geführt. Militärischer und ziviler Sektor werden möglichst scharf voneinander getrennt. Es geht nicht um die Existenzberechtigung bzw. Vernichtung der kriegführenden Partei, sondern um die Niederwerfung des Gegners. Einzelne Schlachten entscheiden den Krieg, der in einen Verhandlungsfrieden einmündet. Eine Neuerung gegenüber der Zeit der Landsknechte stellte das stehende Heer (miles perpetuus) dar, über das der Herrscher jederzeit verfügen konnte, um sein Gewaltmonopol zu sichern. Strenge Exerzierreglements sorgten für Ordnung und Disziplin in der Truppe. Jeder Souverän besaß ein kriegsrelevantes Potenzial, das sich aus den Faktoren Truppen- und Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft und mone75 Woyke (Hrsg.) 1995, S. 243. 76 Siehe Zeittafel am Schluss des Buches.

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Abschnitt 3: Kriegsformen

tären Rücklagen bestimmen ließ. Kriegshandlungen sollten von Soldaten durchgeführt werden, ohne dass die Bevölkerung nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wurde. Schaubild 17: Systematik des Kabinettskrieges Ablauf

Charakteristik

Politische Organisation

Kriegserklärung

stehende Heere

Territorialstaat

klare (territoriale oder dynastische) Kriegsziele

Unterscheidung zwischen Front Symmetrie der Konfrontation und Hinterland

geregelte Kriegführung

Uniformierung und Disziplin

politische Kontrolle der Kriegführung

Konzentration der Kräfte in Raum und Zeit

räumliche Eingrenzung

Finanzierung durch Steuern und Staatsschatz

Entscheidungsschlacht

schwere Bewaffnung (Artillerie)

Friedensschluss (Verhandlungsfrieden)

Veränderung und Verteuerung der Verteidigungsanlagen

Verrechtlichung des Krieges

Da junge Männer sich nur selten freiwillig dem Heer anschlossen, wurden viele zwangsweise rekrutiert („gespresst“). Feldzüge liefen nach einem zuvor ausgearbeiteten Kriegsplan ab und verfolgten zumeist territoriale oder dynastische Ziele („Erbfolgekriege“). Im Feld war jedem Regiment und jedem Bataillon ein bestimmter Platz zugewiesen.77 Es galt die Lineartaktik, nach der eine Infanterielinie auf den Feind vorrückt und diesen dann mit Salvenfeuer niederkämpft. Möglich wurde diese Taktik durch die um 1600 erfundene Muskete, die zur Hauptwaffe der Infanterie avancierte. Für diese Taktik wurden gut gedrillte und professionell agierende Soldaten benötigt, die ihre Waffen beherrschten. Allerdings handelte es sich häufig um einfache Bauernsöhne, deren Ausbildung zu Soldaten langwierig war. Die direkte Konfrontation auf dem Schlachtfeld wurde daher so weit wie möglich vermieden, um den Verlust „kostbarer“ Soldaten zu verhindern. Die Versorgung wurde durch stationäre Magazine sichergestellt, die dem Zugriff des Feindes entzogen sein sollten. Das schränkte den Aktionsradius der Truppen naturgemäß stark ein. Andererseits versuchte jede Seite, die Versorgung des Gegners lahm zu legen. Die Strategie glich einem Schachspiel, in dem die Feldherren das gegnerische Heer ausschalten, um die „Königin“ (den gegnerischen Feldherrn) matt zu setzen. Mit der Disziplinierung der Soldaten gelang es, diese einerseits am Weglaufen zu hindern, andererseits ihre Aggressionen zu kanalisieren. Um seine Todesangst zu überwinden, wird jeder Soldat auf Automatismen konditioniert, die ihn wie eine Maschine funktionieren zu lassen.78 Der Drill wurde zum Disziplinierungsideal, dem sich auch die Marschmusik anzupassen hatte. Präzise wie ein Uhrwerk sollten 77 Im Falle einer lockeren Formation wäre die Gefahr der Desertion zu groß gewesen. 78 Oberender 2006, S. 9–22.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

die Bewegungen der Soldaten sein, um damit die Bewegung der einzelnen Körper der Bewegung der militärischen Formation unterzuordnen.79 Dieses „mechanische Ballett“ spiegelte sich auch in den Märschen dieser Zeit wieder.

79 Kleinschmidt 1996, S. 173–200.

Kapitel 2: Volkskrieg Am Anfang aller Überlegungen zum Verhältnis von Krieg und Nationalstaat steht die Französische Revolution von 1789. Die Deklaration der Levée en masse durch Konventsdekret vom 23. August 1783 stellte unmissverständlich klar, dass alle Franzosen, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, sich – jeder auf seine Weise – am Krieg zu beteiligen hatten:80 − Aufgebot: Von diesem Augenblick an bis zu dem Zeitpunkt, da alle Feinde vom Territorium der Republik verjagt werden, befinden sich alle Franzosen im ständigen Aufgebot für den Armeedienst. − Kampf: Die jungen Männer ziehen in den Kampf. − Waffen: Die verheirateten Männer werden Waffen schmieden und die Versorgungsgüter befördern. − Frauen: Die Frauen werden Zelte und Kleidung herstellen und in den Krankenhäusern arbeiten. − Kinder: Die Kinder werden aus alter Wäsche Verbandsmull herstellen. − Alte: Die alten Leute begeben sich auf die öffentlichen Plätze, um dort die Kampfmoral der Krieger zu stärken und den Hass auf die Könige sowie die Einheit der Republik zu verkünden. Die „Große Revolution“ veränderte die Welt auch in militärischer Hinsicht grundlegend. An die Stelle des Kabinettskriegs trat der Volkskrieg, an die Stelle der Berufsarmee das Heer der Freiwilligen und Wehrpflichtigen. Das gesamte Volk wurde fortan für den Krieg mobilisiert. Der Kampf gegen die eigene Monarchie bzw. gegen fremde Monarchen einigte das Volk. Nicht mehr zwangsweise rekrutierte Bauernsöhne kämpften in geschlossener militärischer Formation, sondern von der Idee der Nation begeisterte Patrioten. Drill und Stock wurden durch politische Motivation ersetzt. Dem trug auch die neue Militärmusik Rechnung. Waren die preußischen Märsche noch auf die mechanische Schrittfolge der Infanterie ausgerichtet, so zielten Kampflieder wie die Marseillaise jetzt auf die Herzen der Revolutionäre und Patrioten.81 Die allgemeine Wehrpflicht war nicht nur Verpflichtung zum Dienst an der Nation, sondern auch das Recht, daran teilzunehmen. Der Krieg war nicht mehr nur Sache der Soldaten, sondern aller Bürger. Eine klare Unterscheidung zwischen Kombattanten und Non-Kombattanten gab es nicht mehr.

80 Zit. nach Soboul 1980, S. 295. 81 Vgl. Münkler 1992, S. 54 f.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

1. Charakteristika Die Charakteristika des Volkskrieges sind: − Nationalismus − Bewaffnung des Volkes − Mobilisierung des gesamten Volkes bzw. großer Teile davon für die Kriegsführung − Politisch motivierte Wehrpflichtarmeen teilweise mit Milizencharakter − Ausbrechen des Krieges aus althergebrachten Konventionen. Indem die Kabinette den Krieg nicht bloß seinen Mitteln, sondern auch seinem Ziel nach immer mehr auf das Heer selbst beschränkt hatten, hatten sie ihn zugleich zu einem bloßen Geschäft der Regierungen gemacht und dem Interesse des Volkes entfremdet. Jetzt wurde der Krieg zu einer Sache des ganzen Volkes:82 − Durch die Deklaration der levée en masse wurde der Krieg nunmehr eine Sache des Volkes und zwar im Falle Frankreichs eines Volkes von 30 Millionen, von denen sich alle Erwachsenen als Staatsbürger betrachteten. − Jetzt, da das Volk mit seinem ganzen natürlichen Gewicht in die Waagschale getreten war, hatten die Mittel, welche angewandt, die Anstrengungen, welche aufgeboten werden konnten, keine bestimmte Grenze mehr. − Ende 1794 verfügte Carnot, der Organisator der französischen Revolutionsarmeen, über eine Streitmacht von mehr als einer Million Soldaten. − Der Volkskrieg hatte alle Hegungen der Kabinettskriege („Der König hat eine Bataille verloren, Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!“) abgestreift. Schaubild 18: Systematik des Volkskrieges Ablauf

Charakteristik

Politische Organisation

Kriegserklärung

Mobilisierung der Nation

Revolutionäres Regime

Kriegsziel: Verbreitung der Revolution

keine Unterscheidung zwischen Finanzierung durch Steuern Soldaten und Zivilisten und Spenden

Eindringen der bewaffneten Bürger in das feindliche Territorium

eher unzureichende Uniformierung

ungeregelte Kriegführung

offene Schlachtordnung

Entscheidungsschlacht

leichte Bewaffnung

Friedensschluss

Verhandlungsfrieden

Requirierung im Feindesland

Friedenskonferenz (z. B. Wiener Kongress)

82 Münkler 1992, S. 56 f. unter Verwendung von Zitaten aus Clausewitz 2000, S. 969.

Abschnitt 3: Kriegsformen

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2. Ursachen Als Ursachen für den Volkskrieg hat Esdaile drei wesentliche Voraussetzungen benannt:83 1. Unzufriedenheit mit der alten Dynastie 2. Innere und soziale Spannungen 3. Tradition der Selbstbewaffnung des Volkes. Vor allem dort, wo wegen des Konfliktes unter den Eliten um die „richtige“ Staatskonzeption ein Machtvakuum entstanden war, konnten sich die bewaffneten Massen in den Prozess der Nationsbildung einschalten.84 Dies erklärt zumindest teilweise, warum es in Preußen zur Zeit der napoleonischen Besatzung nicht in gleicher Weise zum Partisanenkampf kam wie etwa in Spanien.

83 Esdaile 1995, S. 117–125; diese Aufstellung passt sowohl für den Volkskrieg in dem hier verwendeten Wortsinn als auch für den Partisanenkrieg. 84 Schmidt 2003, S. 187.

Kapitel 3: Totaler Krieg „Es ist mithin ein selbstverständliches Gebot der Selbsterhaltung, im Kriege alle seelischen, geistigen, körperlichen und sachlichen Kräfte des ganzen Volkes im entschlossenen Kampfeswillen planmäßig, restlos und mit einer bis zum Äußersten gesteigerten Gewalt einzusetzen“.85

Mit dem totalen Krieg wurde der Übergang vom raumbezogenen zum entgrenzten Krieg, vom territorial definierten zum deterritorialisierten Krieg eingeleitet. Der Begriff taucht zuerst bei dem französischen Schriftsteller Léon Daudet auf,86 wird dann aber ab Mitte der 1930er Jahre auch in Deutschland populär. „Im Krieg steckt der Kern der Dinge. Von der Art des totalen Krieges her bestimmen sich Art und Gestalt des Staates; von der besonderen Art der entscheidenden Waffen her bestimmt sich die besondere Art und Gestalt der Totalität des Krieges. Der totale Krieg aber erhält seinen Sinn durch den totalen Feind“, formulierte Carl Schmitt im Jahre 1940.87 Welcher Krieg der erste totale Krieg war, hängt nicht zuletzt von der Definition ab. Stellt man dabei vor allem auf die Einbeziehung der Zivilbevölkerung in das Kriegsgeschehen ab, spricht viel für den Amerikanischen Bürgerkrieg. Legt man hingegen das Schwergewicht auf den Aspekt der Entgrenzung, dann bietet sich der Erste Weltkrieg an. Im Zweiten Weltkrieg tritt dieser Gesichtspunkt besonders deutlich zutage. Zumindest in seiner Endphase hatte dieser Krieg grundsätzlich alle Staaten der Welt erfasst. Niemand, nicht einmal die traditionell neutrale Schweiz, konnte sich schließlich abseits halten und gute Beziehungen zu beiden Kriegsparteien pflegen. Gegen Ende des Krieges stand eine Koalition aus fast allen Staaten der Welt dem Deutschen Reich gegenüber. Am 18. Februar 1943 brachte dann Propagandaminister Goebbels seine Botschaft in der berühmten Sportpalast-Rede auf die mythische Formel „Nun, Volk, steh auf – und Sturm, brich los!“.88 „Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen Krieg, sagen die Engländer, sondern die Kapitulation! Ich frage euch: Wollt Ihr den totalen Krieg? Wollt Ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?“.89 Der totale Krieg ist also in hochindustrialisierten Massengesellschaften eine Steigerung des Volkskrieges, der die gesamte Nation einschließt. Zur Erreichung dieses Ziels verleibt sich der Staat gewis85 86 87 88

Franke 1936, S. 172. Daudet 1918. Schmitt 1940, S. 236. Etwa zur gleichen Zeit hatte auch US-Präsident Roosevelt den totalen Krieg ausgerufen, vgl. Virilio 1989a, S. 140. 89 Goebbels in einer Rede am 18.02.1943, vgl. Fetscher 1998, S. 63–98 [95].

Abschnitt 3: Kriegsformen

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sermaßen die Gesellschaft ein,90 so dass nicht nur die Trennung von Öffentlichem und Privatem, sondern auch die Unterscheidung zwischen Kombattanten und NonKombattanten endgültig verschwindet. Kriegsgegner sind nicht mehr nur die Staaten, sondern die Völker einschließlich der Greise, Frauen und Kinder. Es ist die „Mobilmachung aller militärischen, wirtschaftlichen und geistig-weltan­schaulichen Ressourcen für die Kriegführung“; letztlich geht es um die „völlige Vernichtung des zum absoluten Feind erklärten Gegners“ mit allen (auch inhumanen) Mitteln.91 Diese Totalität bzw. Schrankenlosigkeit des Krieges bezieht sich dabei auf fünf Aspekte:92 1. 2. 3. 4. 5.

Ziele Methoden Mobilisierung Kontrolle Beendigung. 1. Mobilisierung aller Kräfte

Zu den unverzichtbaren Kriegszielen gehört seitdem die bedingungslose Kapitulation. Buchstäblich alle Methoden, einschließlich der Bombardierung ziviler Ziele sowie des Einsatzes chemischer (Giftgas), biologischer und atomarer Massenvernichtungswaffen, werden angewandt, um den Feind zu vernichten. Der totale Krieg ist ein mit allen Mitteln und unter Missachtung aller Konventionen geführter Vernichtungskampf. Zur Mobilisierung aller Kräfte der Nation ist jedes Mittel recht. Jeder Soldat hat „bis zur letzten Patrone“ zu kämpfen (Stichwort: „Stalin­grad“), und auch jeder Zivilist hat das Letzte zu geben. Ein immer raffinierteres System von Lügen und Halbwahrheiten wird von den Propagandisten beider Seiten zu diesem Zweck eingesetzt. Und schließlich gehört dazu auch, dass Handlungen, Ziele und Absichten bis hin zu den Gedanken staatlicher Kontrolle unterliegen. Im Nationalsozialismus fand das seinen äußeren Ausdruck in der Schaffung eines Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. An der Spitze dieses Ministeriums stand der geniale Demagoge Goebbels, der fortan die Klaviatur der Meinungsmanipulation bediente. Ein solcher Krieg kann auch nicht anders als total beendet werden. Im Falle eines Rückzugs wird die Strategie der „verbrannten Erde“ verfolgt, d. h. alles wird verwüstet, um dem Gegner keinen Vorteil zukommen zu lassen. Im Falle eines Sieges wird das Territorium des besiegten Gegners besetzt, die Bedingungen für das Weiterleben der Menschen werden vom Sieger diktiert.93 In diesem Sinne ist bereits der Versailler Friedensvertrag vom 18. Juni 1919 zu verstehen, über dessen Inhalt zu verhandeln den Repräsentanten des 90 91 92 93

Kaldor 1999, S. 43. Meyers 20008, S. 246. Förster 2002, S. 59–81 [67 ff.]. Das galt bereits für den Waffenstillstand von 1918 und umso mehr für die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches vom Mai 1945.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

besiegten Deutschen Reiches nicht gestattet wurde. Auf die totale Propaganda im Krieg folgt die Umerziehung (Stichwort: reeducation to democracy) der Besiegten, die Weiterexistenz des Staates wird zumeist von einem Verzicht auf jegliche Bewaffnung abhängig gemacht.94 Schaubild 19: Systematik des Totalen Krieges Ablauf

Charakteristik

Politische Organisation

Kriegserklärung

Mobilisierung der gesamten Bevölkerung („Volkssturm“)

Verbündete (Mittelmächte contra Alliierte)

gesuchter oder provozierter Kriegsgrund

keine Unterscheidung zwischen politische Kontrolle Kombattanten und Nonder Kriegführung Kombattanten

Kriegsziel: völlige Vernichtung des Gegners

räumliche Entgrenzung

Finanzierung durch Notenpresse (Inflation)

bewusste Zerstörung der gegnerischen Infrastruktur Diktatfrieden

Entwicklung und Einsatz von Massenvernichtungswaffen

Entrechtlichung des Krieges

2. Freund-Feind-Gegensatz Von Carl Schmitt stammt die Fixierung des Politischen auf den Freund-Feind-Gegensatz, der in letzter Konsequenz zum totalen Krieg führt.95 Bei der Frage, welche Rolle in diesem Zusammenhang ein Feindbild spielt, kommt es wesentlich auf die Einschätzung des Weltgeschehens und die (positive oder negative) Bewertung des Krieges an. Anknüpfend an Gedanken von Clausewitz schrieb Ludendorff, der führende Kopf der deutschen Generalität im Ersten Weltkrieg, 1935: „Wo die Kraft des Heeres und der Marine begann, die des Volkes aufhörte, war in dem jetzigen Kriege nicht mehr zu unterscheiden. Die Welt sah den Volkskrieg im buchstäblichen Sinne des Wortes. In dieser versammelten Kraft standen die mächtigen Staaten der Erde gegeneinander. […] Der totale Krieg, der nicht nur Angelegenheit der Streitkräfte ist, sondern auch unmittelbar Leben und Seele jedes einzelnen Mitgliedes der kriegführenden Völker berührt, war geboren […]“.96 Freilich verkehrte Ludendorff die Clausewitzsche Lehre vom Krieg als Instrument der Politik in ihr Gegenteil. Da der Krieg die „höchste Äußerung völkischen Lebenswillens“ sei, habe eine „totale Politik“ der Kriegführung zu dienen.97 Dementsprechend handelte Ludendorff, als er 94 So das zunächst pazifistische ausgerichtete deutsche Grundgesetz von 1949, aber auch Art. 9 der japanischen Verfassung von 1947, der eine Nichtanerkennung des Rechtes eines Staates zur Kriegführung sowie einen Verzicht auf eigene Streitkräfte enthält. 95 Schmitt 1940. 96 Ludendorff 1980, S. 513. 97 Vgl. Beck 1980, S. 520–541.

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Abschnitt 3: Kriegsformen

in der Position eines Generalquartiermeisters98 die Innen- und Wirtschaftspolitik, aber auch die Außenpolitik unter seine Kontrolle zu bringen versuchte und schließlich eine Art „Kriegsdiktatur“ errichtete.99 Dazu gehörte „selbstverständlich“ auch die totale Mobilisierung der deutschen Wirtschaft, um alle Ressourcen für den Krieg einsetzen zu können. Mit dem Hindenburgpro­gramm wurde die gesamte deutsche Industrie reorganisiert und auf kriegswichtige Produktion umgestellt. Durch das Hilfsdienstgesetz vom 5. Dezember 1916 wurden alle männlichen Deutschen zwischen 17 und 60 Jahren für dienstpflichtig erklärt. Schaubild 20: Krieg und Feindbild Theorem

Einschätzung des Weltgeschehens

Bewertung des Krieges

Bedeutung des Feindbildes

Schwarz-WeißTheorem

Kampfschauplatz des Guten gegen das Böse

gerechtfertigt; notwendig, zentrale Rolle um dem Guten zum Sieg zu verhelfen

Realpolitiktheorem

durch Machtkonkur- unvermeidlich; rationale renz bestimmtes Antwort auf bedrohliche Anarchisches System Situation

Konflikttheorem

komplexe Konfliktstruktur; Akteure verfolgen ihre Interessen auf verschiedenen Ebenen

untergeordnete Rolle

trägt zur Eskalation unvermeidliche Stufe auf bei der Konflikt-Eskalationsleiter

(Quelle: Weller 1995, S. 70)

Im modernen totalen Krieg geht es nicht mehr nur darum, dass Soldaten gegen Soldaten kämpfen, sondern es wird wichtiger, die Waffenproduktion des Gegners im Hinterland zu stoppen und den Kriegswillen der Bevölkerung zu brechen. NonKombattanten, Fabriken, Staudämme, Straßen, Wohnhäuser und schließlich sogar Flüchtlingstrecks werden zu selbstverständlichen Zielen der feindlichen Bomber und iherer Bordschützen. 3. Postheroische Kriegführung Das unterschiedslose Bombardieren von Zivilisten wurde von nun an mit dem Argument, die Moral des Feindes müsse gebrochen werden (moral bombing), gerechtfertigt.100 Die deutliche Luftüberlegenheit der Alliierten einerseits gegenüber der deutschen Luftwaffe, andererseits gegenüber den Japanern im Pazifik führte bereits 98 Ludendorff und Hindenburg waren als „Sieger von Tannenberg“ (26.–30.08.1914) an die Spitze des deutschen Heeres (Chefs der OHL 1916–1918) berufen worden. 99 Vgl. Kitchen 1976. 100 Liddel Hart 1980, S. 542–557; Friedrich 2002.

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Teil IV: Symmetrische Kriege

im Zweiten Weltkrieg dazu, dass insbesondere die USA die besonders verlustarme Strategie der Mehrfachbombardierung entwickelten, die sie auch im Kosovokrieg beibehalten haben. Erst nach einem intensiven Bombardement greifen Boden- bzw. Landungstruppen in die Kämpfe ein. Das Risiko großer Verluste an eigenen Soldaten wird mit dieser Strategie erheblich reduziert.101 Dabei werden die feindlichen Stellungen – u. U. in mehreren „Wellen“ – solange bombardiert, bis sich kein Widerstand mehr regt. So geschah es bei der Eroberung der Pazifikinseln ebenso wie später bei der alliierten Invasion in Frankreich (Stichwort: „D-Day“). Es liegt auf der Hand, dass es den Soldaten bei einer solchen „postheroischen Kriegführung“102 schwer fällt, sich als Helden zu fühlen. Der Krieg wird an der „Heimatfront“ entschieden. Es muss vermieden werden, dass das Bild von „Zinksärgen“, welche die Gefallenen symbolisieren, die Diskussion in der medialen Öffentlichkeit bestimmt. Alles und jedermann wird in den Dienst des Krieges gegen den Feind gestellt. Eine mehr oder weniger ausgeklügelte Kriegspropaganda erklärt den Gegner zum Feind, dem Gräueltaten nachgesagt werden, um sein Bild besonders abschreckend auszumalen. Bekannt geworden sind die Propagandabilder aus dem Ersten Weltkrieg, die deutsche Soldaten in Belgien „zeigen“, die Frauen verschleppen und Kinder fressen. In Extremfällen wird der Gegner solange und soweit herabgewürdigt, bis die menschliche Beisshemmung schwindet.103 So wurden die sowjetischen Soldaten von der Nazi-Propaganda zu „Untermenschen“ erklärt; für die US-Soldaten im Vietnamkrieg wurden schließlich alle Vietnamesen zu „gooks“ oder „Schlitzaugen“.

101 Auch im Kosovokrieg standen am Anfang Luftangriffe, erst nach langem Zögern wurden Bodentruppen eingesetzt. 102 Luttwak 1995. 103 Vgl. Eibl-Eibesfeldt 1984, S. 148.

Teil V: Asymmetrische Kriege

„David antwortete Goliath: Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du ver­höhnt hast. / So besiegte David den Philister mit einer Schleuder und einem Stein; er traf den Philister und tötete ihn, ohne ein Schwert in der Hand zu haben“.

Der biblische Zweikampf des David gegen den Goliath ist gewissermaßen der Prototyp des asymmetrischen Kampfes. Asymmetrische Kriege stellen – historisch betrachtet – eher die Regel als die Ausnahme dar. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich erkennbar ungleiche Gegner gegenüberstehen. Aus der Perspektive der Beteiligten kann es sich dabei um eine Asymmetrie der Stärke oder aber der Schwäche handeln. Der Unterlegene („David“) wird eine andere Strategie anwenden müssen als der Überlegene („Goliath“), wie schon das Beispiel aus der Bibel deutlich macht. Unter dem Raumaspekt ist von entscheidender Bedeutung, ob sich eine Seite Räume der Kriegführung erschließen kann, in die ihr der Gegner nicht folgen kann. Das kann bei einer Seemacht, die gegen eine starke Landmacht kämpft, z. B. das offene Meer sein. Es gilt, sich für den Gegner unsichtbar zu machen. U-Boote sind eine Waffe der Schwachen im Kampf gegen eine starke Seemacht. Guerillas wählen die Zentren von Großstädten (Märkte, Bahnhöfe etc.), wo die staatliche Macht wegen der großen Zahl von Unbeteiligten nicht ungehemmt zuschlagen kann. Und Terroristen dehnen ihre Angriffe auf so genannte „weiche Ziele“ aus, die wegen ihrer großen Zahl kaum beschützt bzw. zu schützen sind. Indem sie den Überlebensreflex der religiös bestimmten Selbstmordattentäter ausschalten, nehmen sie dem Staat jede Möglichkeit der rechtzeitigen Reaktion. Bei asymmetrischen Konflikten kann es sich aber auch um eine militärische Intervention der UNO in einen kleineren Staat handeln, der den Weltfrieden bedroht oder zumindest die Menschenrechte in massivem Ausmaß verletzt. Oder es wird ein Krieg der „westlichen Welt“ unter Führung der USA – mit oder ohne UNO-Mandat – gegen einen relativ kleinen Staat wie (Rest-)Jugoslawien geführt. Schließlich kann es aber auch ein bewaffneter Konflikt eines Imperiums oder einer Großmacht mit einem Land in seinem „Hinterhof“ sein. Hierzu gehören die militärischen Interventionen der USA in lateinamerikanische Staaten ebenso wie der Tschetschenienkrieg, den Russland führt. Ein asymmetrischer Krieg war auch der Irakkrieg des  

Altes Testament, 1 Samuel 17, 45/50. Münkler 2006, S. 163.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Jahres 2003. Welche Organisationsform die unterlegene Seite wählt, ist damit noch nicht gesagt und hängt oft auch davon ab, in welchem Stadium sich der bewaffnete Konflikt befindet. Hat beispielsweise die Armee des unterlegenen Staates kapituliert, kommt es nicht selten zu einem Guerillakrieg gegen die überlegene Armee, die oft zugleich als Besatzungsmacht auftritt bzw. erscheint. Während der Partisanenkrieg eher defensiv geführt wird, ist vor allem der transnationale Terrorismus eine offensive und aggressive Form. Es liegt also nahe, zwischen innerstaatlichen Kriegen einerseits und dem Terrorismus andererseits zu differenzieren. Im Folgenden geht es nicht um asymmetrische Staatenkriege, sondern um innerstaatliche Kriege wie Bürgerkrieg, Partisanenkrieg und Guerillakampf sowie um den Zusammenhang zwischen Krieg und Terrorismus und schließlich um Krieg und Frieden. Bei allen diesen Kriegen spielt die Gewalt eine besondere Role, die von den Akteuren zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt wird. Mithilfe von vier Aspekten lassen sich die Gewaltgruppen relativ trennscharf von einander abgrenzen: − − − −

Änderung versus Absicherung des Status quo Territoriale versus nichtterritoriale Orientierung Physische versus psychische Gewaltausübung Politische versus ökonomische Motivation.

Schaubild 21: Gewaltorientierung nichtstaatlicher Akteure Änderung vs. Absicherung des Status quo

Territorial vs. nichtterritorial

Physische vs. Politische vs. psychische Gewalt ökonomische Gewalt

Terroristen

Änderung

nichtterritorial

psychisch

politisch

Rebellen

Änderung

territorial

physisch

politisch

Milizen

Absicherung

territorial/ nichtterritorial

psychisch/ physisch

politisch

Warlords

Absicherung

territorial

psychisch/ physisch

ökonomisch

Kriminelle

Absicherung

nichtterritorial

psychisch

ökonomisch

Söldner

indifferent

territorial

physisch

ökonomisch

Marodeure

indifferent

nichtterritorial

psychisch

ökonomisch

(Quelle: Schneckener 2006, S. 37)

 

Münkler 1990. Schneckener 2006, S. 36 ff.

Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege Mit dem Scheitern von Staaten vor allem in der Dritten Welt kommt es verstärkt zu Kriegen, an denen nicht nur Staaten, sondern auch gesellschaftliche Gruppen, Kriegsunternehmer, Frauen oder sogar Kinder beteiligt sind. Träger des Krieges sind oft gesellschaftliche Gruppen, die regelmäßig andere politische Ziele verfolgen als die Regierenden. Diese sind regelmäßig in erster Linie auf den Erhalt ihrer Macht fixiert. Während die Regierung in diesen Fällen zumeist auf das Militär und damit auf schwere Waffen, wie Panzer, Flugzeuge etc., zurückgreifen kann, sind ihre Gegner regelmäßig auf leichte, transportable und billige Waffen angewiesen. Die leichte Beschaffbarkeit solcher Waffen macht innerstaatliche Kriege immer wahrscheinlicher. Neben dem Bürgerkrieg gehören auch der Partisanenkrieg und der Identitätskrieg zu dieser Kategorie der asymmetrischen Kriege. 1. Konflikteskalation Eskalieren die politischen Differenzen zwischen den verschiedenen Gruppierungen in einem Staat über ein bestimmtes Maß hinaus, ohne dass es eine institutionalisierte Konfliktregelung gibt und diese auch funktioniert, dann kommt es zum Bürgerkrieg. Dieser kann kulturelle, religiöse oder politische Ursachen haben. Bür­ gerkriegsparteien kämpfen in einem Staat um die politische Vorherrschaft. Dabei geht es nicht zuletzt um die damit verbundenen „Pfründen“, wie gut bezahlte Posten, u. U. aber auch um die Umleitung von Rohstoffverkaufserlösen in die eigenen Taschen oder ganz einfach um die Ausplünderung der Bevölkerung (Beispiel: Kongo). Oft greifen auch einflussreiche Mächte mit eigenen Interessen von außen in das Geschehen ein, in dem sie Waffen liefern, Militärberater stellen, Ausbildungshilfe leisten oder sogar eigene Truppen entsenden. Beispielhaft hierfür ist der Spanische Bürgerkrieg, in dem auf Seiten der Franco-Faschisten das Deutsche Reich („Legion Condor“), auf Seiten der Linken sowohl kommunistische wie liberaldemokratische Kämpfer (Wem die Stunde schlägt) eingriffen. Partisanen wenden sich zumeist gegen eine Besatzungsmacht, oft nachdem die regulären Truppen gegenüber dieser Macht kapituliert haben. So versuchten die spanischen Bauernpartisanen unter Einsatz archaischer Gewalt die napoleonischen Soldaten von ihrem Grund und Boden zu vertreiben. Während der Dekolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften Partisanen für die Befreiung ihres Landes von der Kolonialherrschaft. Neben bodenständigen Partisanen treten vor allem im 20. Jahrhundert auch ideologisch motivierte Kämpfer auf, die sich als Angehörige einer Befreiungsbewegung sehen und gegen ein verhasstes Regime kämpfen. Zahlreiche Beispiele für solche Partisanenkriege finden sich etwa in Lateinamerika (Stichwort: Ché Guevara).

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Kein Individuum kann auf eine eigene, unverwechselbare Identität verzichten. Das gilt auch für Gemeinschaften und deren kollektive Identität. Gerade für ethnische, religiöse oder kulturelle Minderheiten werden die Möglichkeiten zum Ausleben ihrer eigenen Identität aber häufig aus Gründen der Staatsräson im Gesamtstaat eingeschränkt. Ethnischer und kultureller Pluralismus werden als Gefahren für die nationale Identität und den damit verbundenen nationalen Zusammenhalt angesehen. Dies wird von den Minderheiten als besonders drückend empfunden, wenn der Gesamtstaat vor nicht allzu langer Zeit durch den Einsatz von massiver Gewalt entstanden ist. Eine neue Art Krieg zielt darauf ab, ethnische bzw. religiöse Konflikte soweit eskalieren zu lassen, dass im Kampf eine bereits bestehende Identität bestätigt bzw. gestärkt oder aber eine neue Identität begründet wird. Oft sind solche Identitätskriege von Massenvergewaltigungen, Zerstörung von Kulturdenkmälern und „ethnischen Säuberungen“ begleitet. 2. Irreguläre Kriegführung Nach dem Zusammenbruch des inneren Konsenses in ihrem Herrschaftsgebiet sind die Regierungen vieler Länder der Dritten Welt in militärische Konflikte mit nichtstaatlichen Akteuren verwickelt, in denen sie häufig die irreguläre Kriegführung ihrer Gegner übernehmen. Damit werden zugleich aber auch die Grenzen zwischen militärischer und nichtmilitärischer Gewalt verwischt, die traditionelle Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Sicherheit in Frage gestellt und letztlich die Prinzipien ihrer eigenen Staatlichkeit untergraben. In Schaubild 22 werden die drei Typen innerstaatlicher Kriege behandelt: Bürgerkrieg, Partisanenkrieg und Identitätskrieg. Schaubild 22: Formen innerstaatlicher Kriege Bürgerkrieg

Partisanenkrieg

Identitätskrieg

Kriegserklärung

nein

nein

nein

Kriegsziele

Übernahme der Macht (Rück-) Eroberung Vertreibung der ethnisch im Staat des eigenen Territori- oder kulturell Anderen; ums Schaffung bzw. Verstärkung der eigenen Identität

Kriegführung

Bekämpfen der gegnerischen Bürgerkriegspartei mit allen Mitteln

Friedensschluss

nach Erschöpfung des nach Abzug der Gegners gegnerischen (fremden) Streitkräfte

  

Kaldor 2000. Vgl. Vad 2002, S. 7. Vgl. Daase 1999, S. 11.

mit allen Mitteln, da „Ethnische Säuberungen“; (zunächst) militärisch Massenvergewaltigungen; weit unterlegen Zerstörung von Kulturdenkmälern nur unter Druck eines Dritten (UNO, NATO, USA)

Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege

143

Bürgerkriege, in die sich u. U. Mächte von außen einmischen, erschüttern instabile Staaten. Vor allem dort, wo große Armeen ein Land besetzt haben, treten Partisanen auf, die ihr Land zu befreien trachten. In ethnisch inhomogenen Staaten kann es zu Identitätskriegen kommen, wenn der äußere Zwang nachlässt, eine Diktatur zerbricht und damit die Spannungen zwischen den Ethnien, Religionen und Kulturen übermächtig werden. Ein Beispiel hierfür ist die „Demokratische Republik Kongo“ nach dem Ende der Herrschaft Mobutos. Verstärkt treten so genannte Warlords auf, die sich solcher Konflikte bedienen, um in einem überschaubaren Territorium Macht und Reichtum zu gewinnen. Auch westliche Investoren tragen oft zur Finanzierung von Kriegen bei, indem sie Bohr- oder Schürfrechte von diesen zwielichtigen Personen erwerben, die neben Drogen- und Menschenhandel – quasi im Nebenberuf – Kleinkriege führen. Der Volksrepublik China, aber auch Russland und den USA kommen solche Machtverhältnisse oft gelegen, lassen sich doch mit diesen Machthabern oft lukrative Geschäfte betreiben und zugleich die eigene geostrategische Machtposition weiter ausbauen.

Kapitel 1: Bürgerkrieg Hobbes hatte sein Modell des allmächtigen Staates vor allem mit der Notwendigkeit begründet, den Krieg aller gegen alle, also den Bürgerkrieg, zu vermeiden. Die rivalisierenden Kräfte innerhalb eines Staates müssen danach durch eine starke Autorität in Schach gehalten werden. Gegen Aufständische kann die Regierung also auch militärische Gewalt anwenden, ohne dass dies bereits ein Krieg wäre. „Erst wenn dieser Versuch einer gewaltsamen Befriedung misslingt und die Regierung selbst zu einer unter mehreren kämpfenden Parteien herabsinkt, ist von ‚Bürgerkrieg‘ die Rede“. In diesem Fall beanspruchen zumeist zwei feindliche Gemeinschaften dasselbe Territorium. Lässt sich der Konflikt zwischen diesen zwei oder mehr Parteien innerhalb eines Staates nicht mehr auf friedlichem Wege lösen, dann kommt es im Allgemeinen zu einem innerstaatlichen Krieg, zum Bürgerkrieg. Hierfür gibt es zahllose Beispiele in der Geschichte. Oft haben auswärtige Mächte in den Konflikt eingegriffen und damit bewirkt, dass er noch schwerer beizulegen war. Neben dem Amerikanischen Bürgerkrieg gilt vor allem der Spanische Bürgerkrieg als besonders interessant, weil er als eine Art „Vorübung“ für den Zweiten Weltkrieg angesehen werden kann. Auf beiden Seiten griffen die späteren Kontrahenten des Weltkrieges in den Bürgerkrieg ein. Kriege in der Dritten Welt oder auf dem Balkan sind in aller Regel keine Kriege im klassischen Sinne.10 Sie ähneln eher Bürgerkriegen zwischen den herrschenden Eliten auf der einen Seite und oft nur schwer definierbaren Gruppen oder Banden auf der anderen Seite. Mary Kaldor sieht darin „Mischgebilde aus Krieg, Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen“.11 Und Enzensberger spricht von einem „molekularen Bürgerkrieg“, der unmerklich aus dem Zerfall der Territorialität entstehe.12 Dabei geht es vor allem um die Raumgebundenheit der Politik, aber auch um die schwindende Autorität oder sogar ganz fehlende Legitimation der Regierungen. Tatsächlich entsteht nicht nur in Ländern der Dritten Welt eine Bürgerkriegsgesellschaft, in der das Faustrecht gilt. Organisierte Kriminalität und militärisch organisierte Guerilla verbünden sich auch anderswo miteinander, und die Opfer auf diesen Schlachtfeldern sind fast immer die Schwachen und Unbewaffneten. Infolge des Niedergangs der staatlichen Autorität fehlt es dann oft an einem „die Konflikte hegenden und moderierenden Akteur“.13 Die Täter selbst sind unfähig  Hobbes 1996; Voigt (Hrsg.) 2000; Voigt 2007.  Habermas 2004, S. 27–45 [36]. 10 In Anlehnung an Holsti könnte man sie auch als Kriege der dritten Art (wars of the third kind) bezeichnen, Holsti 1996. 11 Kaldor 1999, S. 8. 12 Enzensberger 1993, S. 51 ff. 13 Münkler 1995, S. 3 (unter Berufung auf Carl Schmitt).

Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege

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oder unwillig, zwischen Zerstörung und Selbstzerstörung zu unterscheiden.14 Auch dort, wo sich scheinbar zivilisierte Streitkräfte gegenüberstehen, sind diese neuartigen Kriege fast immer von massiven Menschenrechtsverletzungen, von Totschlag, Raub und Plünderung begleitet. Die Gewalt richtet sich dabei weniger gegen den militärischen Gegner, als vielmehr gegen die Zivilbevölkerung, die in vielen Fällen in „Geiselhaft“ genommen und misshandelt wird. Systematische Vergewaltigungen gehören ebenso dazu wie Folterungen und Massenerschießungen.15 In den Gewaltmärkten Afrikas und Lateinamerikas verselbständigt sich im Laufe von lang anhaltenden Bürgerkriegen die Gewalt. Die dort agierenden Aufstandsbewegungen sind nicht auf rasche Erfolge aus, dazu ist die regierende Clique meist zu stark. Vielmehr verfolgen sie weitreichende Ziele, die nur langfristig erreicht werden können. Die Folge ist ein „schwelender Krieg“ auf niedrigem Niveau (Low Intensity Conflict), der jedoch jederzeit erneut aufflammen kann. Oft besetzen die Aufständischen bestimmte, von der Zentrale schlecht zu erreichende Gebiete und nehmen dort selbst Polizeiaufgaben etc. wahr. Eine Teilung des Landes in Einflusszonen kann die Folge sein. In Einzelfällen (Beispiel: Kolumbien) kann es auch dazu kommen, dass die gesamte Gesellschaft von der Gewalt durchdrungen wird. „Todesschwadronen“ und Auftragskiller erledigen Morde als käufliche Dienstleistungen. In Bürgerkriegsökonomien herrschen zudem andere „Gesetze“ als in Rechtsstaaten. Oft ist der gesamte Wirtschaftskreislauf vom Drogen- und/oder Mädchenhandel abhängig. Dem gewinnträchtigen Mohnanbau der zumeist armen Bauern kann die Regierung nichts ähnlich Lukratives entgegensetzen. Zerstörte Mohnfelder werden also in aller Regel sehr schnell wieder hergerichtet, zumal die von den „Drogenbaronen“ unterhaltene Infrastruktur oft besser funktioniert als die staatliche.

14 Enzensberger 1993, S. 20. 15 In den Kriegen der 1990er Jahre gehören ca. 80 % der Kriegsopfer der Zivilbevölkerung an, Kaldor 1997, S. 5 ff.

Kapitel 2: Partisanenkrieg Während der Volkskrieg letztlich auf die Levée en masse vom 23. August 1793 zurückgeht, ist der Partisanenkrieg in seiner bekanntesten Erscheinungsform eine Konsequenz der militärischen Erfolge Napoleons. Im 18. und 19. Jahrhundert eiferten die gesellschaftlichen Eliten überall den Franzosen nach (Stichwort: weiche Macht), z. B. indem sie deren Kultur, Sprache und Geschmack annahmen, ihr Widerstand gegen die Okkupation war i. d. R. schwach. In den eroberten Gebieten bildete sich daher eine neue Form des Krieges „von unten“ heraus, der Volkskrieg von Bauernpartisanen. Dabei handelte es sich der Definition nach um bewaffnete Kämpfer, die nicht zu den regulären Streitkräften gehörten.16 Allerdings war der amerikanische Unabhängigkeitskrieg ebenfalls auf weite Strecken ein Partisanenkrieg, auch wenn dies in den meisten Darstellungen zur amerikanischen Revolution übergangen wird.17 Ähnliches gilt für die südamerikanischen Dekolonialisierungskonflikte. Vor dem „Kriegsgott“ Napoleon kapitulierten die veralteten Heere der europäischen Monarchen und überließen die ihnen anvertrauten Menschen der Fremdherrschaft. Sie waren nicht zuletzt dem „Kulturimperialismus“ Frankreichs erlegen. Die Bauern in den besetzten Ländern waren es, die sich schließlich an vielen Orten aus eigener Kraft gegen die Eroberer zur Wehr setzten. Daraus leitet sich eine Tradition der Partisanenkriege ab, die von den Franktireurs im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und später im Ersten Weltkrieg bis zu den Partisanen im Zweiten Weltkrieg und den Befreiungs- bzw. Dekolonialisierungskriegen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts reicht. Es handelt sich um bewaffnete Erhebungen gegen Fremd- oder Gewaltherrschaft, die nationale, nationalrevolutionäre, sozialrevolutionäre oder sozialistische Zielsetzungen verfolgen können. Ihre Instrumente sind Überfälle, Sabotageakte und vergleichbare Gewalthandlungen gegen die Einrichtungen einer Besatzungsbzw. Kolonialmacht, manchmal auch der Streitkräfte des eigenen Staates, wenn diese als Feinde angesehen werden. Titos Partisanen (1941–1944), die nach der deutschen Niederlage die Regierungsgewalt in Jugoslawien übernehmen konnten, waren nicht die letzten erfolgreichen Freischärler. Nach ihnen kamen Chinesen, Vietnamesen, Algerier und andere. Der Erfolg von Partisanen im Zweiten Weltkrieg schlug sich in der Anerkennung des Partisanenkrieges nieder, indem die Haager Landkriegsordnung von 1907 durch die vier Genfer Konventionen von 1949 weiterentwickelt und durch die beiden Zusatzprotokolle von 1977 bestätigt wurde. Freilich gilt dies nur, wenn die Partisanen sich völkerrechtsgemäß verhalten. In Belgien und den Niederlanden wird sogar die Ansicht vertreten, dass im Falle eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges eine Widerstandspflicht gegen die Besetzer bestehe. Erst in jüngster Zeit werden Partisanen oft genug auch dann zu Terroristen 16 Der Begriff „Partisan“ ist von dem italienischen Wort „Partigiano“ abgeleitet. 17 Schmidt 2003, S. 161–190 [166].

Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege

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abgewertet, wenn sie berechtigte Interessen gegen eine Besatzungsmacht mit Gewalt durchzusetzen versuchen. Der Gedanke liegt nahe, dass dieser Widerstand dann von der Staatsmacht bzw. Besatzungsmacht mit allen Mitteln gebrochen werden darf. 1. Kleiner Krieg Volkskrieg und Partisanenkrieg werden gemeinhin mit dem „kleinen Krieg“ gleichgesetzt.18 Während der große Krieg im Spanischen guerra heißt, bezeichnet guerilla den kleinen Krieg. Für den Partisanenkrieg hat sich daher heute der (tautologische) Begriff Guerillakrieg durchgesetzt. Die Partisanen werden dementsprechend Guerilleros genannt. Vier herausragende Merkmale kennzeichnen – nach Carl Schmitt19 – den Partisan: − Irregularität: Die Kämpfenden gehören nicht den regulären Streitkräften an. − Politisches Engagement: Die Partisanen nehmen am politischen Geschehen intensiv teil. − Gesteigerte Mobilität: Leicht Bewaffnete, die in beweglichen Einheiten organisiert sind, wechseln häufig den Einsatzort und vermeiden die Schlacht. − Tellurischer Charakter: Die Aktionen sind durch Defensivität, Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit gekennzeichnet.20 Partisanen konzentrieren sich in ihren Kampfhandlungen auf Überraschungsan­ griffe, verüben Sabotageakte oder locken den Feind in den Hinterhalt. Obwohl zu ihren (vom Völkerrecht geforderten) Wesensmerkmalen gehört, dass sie die Gesetze und Gebräuche des Krieges achten und ihre Waffen offen führen, tragen sie doch zu einer Enthegung des Krieges bei. Im Gegensatz zum regulären („großen“) Krieg ist der Partisanenkrieg „ubiquitär und permanent“, d. h. er findet überall und ständig statt.21 Mobilität spielt daher für den Partisan eine große Rolle. Allerdings darf der einzelne Kämpfer durch allzu große Mobilität nicht seine Erdverbundenheit und damit die Unterstützung der bodenständigen Bevölkerung verlieren. Die Partisanen bemühen sich, die Strategie der Gegenseite zu unterlaufen. Die politische und/oder militärische Führung möchte den bewaffneten Konflikt auf einen möglichst kurzen Feldzug begrenzen und die Kampfhandlungen auf die Front konzentrieren. Die Partisanen zwingen dem Gegner stattdessen einen langwierigen Krieg an wechselnden Orten auf, in dem die Soldaten zermürbt und demoralisiert werden sollen.22 Die steigenden Lasten des Krieges führen dann u. U. zu einer abnehmenden Kriegsbereitschaft der Mehrheit und damit zu einem schwindenden Rückhalt der etablierten politischen Führung, die bekämpft werden soll, in der Be18 Vgl. hierzu Daase 1999. 19 Schmitt 19954, S. 28. 20 Dieses Element gilt meist nicht für sozialistisch/kommunistisch inspirierte Partisanen (Stichwort: „Weltrevolution“). 21 Münkler 1990, S. 27. 22 Vgl. Foerster (Hrsg.) 1968.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

völkerung. Umgekehrt ist Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Partisanenkrieges, dass er vor allem in der Landbevölkerung verankert ist. Aber auch asiatische und lateinamerikanische Großstädte sind wegen der dort vorherrschenden Anonymität für Partisanenaktivitäten geeignet. Der Partisan muss sich in der ihn umgebenden Masse bewegen wie ein Fisch, der im Wasser schwimmt (Mao Zedong23). 2. Irregulärer Krieg Der Ursprung des Partisanenkrieges wird zumeist in dem Guerillakrieg der Spanier gegen die napoleonischen Eroberer gesehen. Er lässt sich aber durchaus auf noch frühere Ereignisse zurückführen. Allerdings waren die Aktionen der Bauern im Dreißigjährigen Krieg, die man durchaus „partisanisch“ nennen könnte,24 noch kein Partisanenkrieg im heutigen Sinne, weil es damals noch keinen klar konturierten „regulären“ Krieg mit festen Regeln gab. Aber schon während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges hatte Washington in seiner Continental Army niemals mehr als 17.000 Mann regulärer Truppen zur Verfügung, viel zu wenig, um gegen die Engländer bestehen zu können. Er war daher auf Milizen und auf Partisanen angewiesen.25 In den Südstaaten traten Partisanenführer mit martialischen Kriegsnahmen auf, so z. B. Francis Marion (Swamp Fox) und Thomas Sumter (Gamecock), die den englischen Truppen empfindliche Niederlagen beibrachten.26 Die amerikanischen Partisanen verkleideten sich oft als Viehhirten oder Landarbeiter, um nicht aufzufallen. Bei Angriffen traten sie als Indianer auf, um bereits durch ihr Aussehen Angst und Schrecken zu verbreiten. 2.1 Zweck heiligt Mittel In Europa brauchten sich die Partisanen hingegen im Allgemeinen nicht zu verkleiden, weil es sich tatsächlich um Bauern und andere einfache Leute handelte. Der Freiheitskampf der spanischen Bauern gegen die napoleonischen Besatzer diente überall dort als Vorbild, wo Napoleon ebenfalls fremdes Land besetzt hielt. Der Widerstand begann am 2. Mai 1808, als sich die Bürger Madrids gegen die französischen Besatzungstruppen erhoben. König Ferdinand VII. war von Napoleon zur Abdankung gezwungen worden. Schließlich erklärten die Cortez von Cádiz (1810– 1813) alle Spanier zu Verteidigern des Vaterlandes. In Tirol und in Kalabrien wurde ähnlich heftiger Widerstand gegen die französischen Besatzungstruppen geleistet. In Preußen zog auch Clausewitz während der napoleonischen Besetzung Parallelen zwischen der preußischen und der spanischen Situation und forderte die Preußen auf, sich gegen die Besatzer zu wehren. Für kurze Zeit erhob das Landsturmedikt 23 24 25 26

Mao 1966, S. 8. Schmitt 19954, S. 11. Münkler 1990, S. 14–39 [23]. Schmidt 2003, S. 167.

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des preußischen Königs vom April 1813 den Partisanenkrieg in den Rang einer offiziellen Kriegsdoktrin. Seine Legitimation bestand darin, dass Preußen sich in einer Notwehrsituation befand, „die alle Mittel heiligt“ (§ 7 des Edikts). Danach war jeder Staatsbürger verpflichtet, sich den Anordnungen des Feindes zu widersetzen und ihn notfalls mit Beilen, Heugabeln, Sensen oder Schrotflinten zu bekämpfen.27 2.2 Zwischen Legalität und Illegalität Europäer und Amerikaner waren sich im 19. Jahrhundert einig, dass der Guerillakrieg eine illegale Form des Kampfes sei. Partisanen haben seither eine schwierige Position zwischen den regulären Truppen einerseits und den Terroristen andererseits. Für sie besteht stets die Gefahr, in den Bereich des Kriminellen abzugleiten. Im Gegensatz zum Terroristen trägt der Partisan im Regelfall eine uniformähnliche Kleidung, folgt einer auch nach außen erkennbaren Kommandostruktur, unterwirft sich einer gewissen (militärischen) Disziplin und respektiert die Normen und Regeln des Kriegsvölkerrechts. Folgerichtig hat schon Clausewitz dafür plädiert, die Partisanen ebenfalls unter den Schutz des Staates zu stellen, dem sie angehören. Das Kriegsvölkerrecht hat daraus die Konsequenzen gezogen und Milizen, Freikorps und Mitkämpfer spontaner Volkserhebungen den regulären Soldaten gleich gestellt. Angesichts der Erfahrungen aus dem Partisanenkrieg in den vom Dritten Reich besetzten Gebieten haben die Genfer Konventionen vom 12. August 1949 Mitglieder einer „organisierten Widerstandsbewegung“ in ihren Schutz aufgenommen. Schaubild 23: Partisanenbewegungen Prototypen

Bauernpartisanen im Kampf gegen die (napoleonische) Besetzung

Zeitraum

19. Jahrhundert, Zeitalter der demokratisch-bürgerlichen Revolutionen

Beispiele

Partisanen als Befreier des eigenen Landes

Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, Erster Weltkrieg, teilweise auch im Zweiten Weltkrieg

Franktireurs im deutschfranzösischen Krieg 1870–1871

Partisanen als ideologisch geprägte Revolutionäre in Waffen

zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, Kalter Krieg

spanischer Aufstand gegen die napoleonische Besetzung, 1808–1813; Tirol: Andreas Hofer, 1810

Kommunisten in China, Vietmin und Vietcong in Vietnam, Castro-Bewegung auf Kuba

Partisanen als religiös geprägte Wende vom 20. zum 21. Mujaheddin in Afghanistan fundamentalistische Kämpfer Jahrhundert, nach dem Zusammenbruch der bipolaren Ordnung (ab 1989/90)

27 Schmitt 19954, S. 47 f.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Die Staatlichkeit der Kriegführung und die Unterscheidung von Kombattanten und Non-Kombattanten blieben als Grundlagen des klassischen Völkerrechts jedoch 1949 noch erhalten.28 Aus historischer Perspektive lassen sich „Wellen“ von Partisanenbewegungen erkennen,29 mit denen Prototypen von Partisanen korrespondieren (siehe Schaubild 23), die allerdings im Einzelfall auch durchaus mit einander vermischt sein können. 3. Partisanenkampf Der Partisanenkrieg ist eine defensive Form des Kampfes, er ist ein Krieg der Schwachen.30 Dabei geht es um die Belästigung, die allmähliche Einkreisung und letztlich die Vernichtung des Feindes, um den umkämpften Raum besetzten zu können.31 Mao32 hatte bereits 1928 ein Konzept des Partisanenkampfes formuliert, das aus vier Losungen besteht:33 − − − −

Rückzug: Wenn der Feind vorrückt, ziehen wir uns zurück. Belästigung: Wenn der Feind Halt macht und sich lagert, belästigen wir ihn. Angriff: Wenn der Feind die Schlacht vermeiden will, greifen wir ihn an. Verfolgung: Wenn der Feind sich zurückzieht, verfolgen wir ihn.

Typisch für den Partisanenkampf ist allerdings, dass nach der Schwächung der geg­ ­nerischen Streitkräfte die eigentliche Entscheidung wiederum in einer Schlacht zwischen regulären Streitkräften gesucht wird. Ché Guevara hat diesen Grundsatz formuliert: „Genauer gesagt, ist der Guerillakrieg nur eine Etappe eines Krieges regulärer Streitkräfte, und deshalb kann durch den Guerillakrieg allein der Sieg nie errungen werden“.34 3.1 Verteidigung des eigenen Bodens Der Partisan, der in aller Regel der Landbevölkerung angehört, kann bei seinem Kampf unterschiedliche Ziele verfolgen. Entweder verteidigt er überkommene Traditionen und Werte, oder er kämpft als Revolutionär für den Umsturz. Die Bauernpartisanen des spanischen Guerilla-Krieges gehörten zur ersten Kategorie, sie kämpften für die Befreiung ihres eigenen Bodens von den ausländischen Besatzern. Carl Schmitt hat daher stets den „tellurischen“ Charakter des wahren Partisanen, also seine Erd- und Heimatverbundenheit, betont. Die kommunistischen Partisanen in China gehörten eher zur zweiten Kategorie. Sie bekämpften zunächst die japa28 29 30 31 32 33 34

Vgl. Art. 3 der Haager Landkriegsordnung. Schmitt 2003, S. 163. Münkler 1990, S. 16, 26. Waldmann 1998, S. 17. Maos sechs Richtlinien über die Aufgaben des Partisanen finden sich in: Mao 1968 II, S. 123. Vgl. Schrupp 1990, S. 98–115 [105]. Guevara 1968, S. 29.

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nischen Okkupatoren und dann das verhasste Kuomintang-Regime, um selbst einen kommunistischen Staat zu etablieren.35 Dementsprechend bestand für Mao das strategische Ziel des Partisanenkrieges darin, aus der Guerillabewegung eine reguläre Armee werden zu lassen. Denn sein Ziel war der Sieg über den japanischen und dann über den (national-) chinesischen Feind, um eine kommunistische „Volksrepublik“ zu etablieren. Der endgültige Sieg kann danach nur durch die Entscheidungsschlacht einer regulären Armee errungen werden.36 Durch seine Interpretation des Krieges als revolutionären Klassenkampf war Lenin zuvor zum Wegbereiter dieses Partisanenverständnisses geworden.37 Mit dem von ihm pro­klamierten „Großen Vaterländischen Krieg“ gegen die Wehrmacht hat Stalin die kommunistische Ideologie hinter sich gelassen und als eigentliche legitime Begründung für den Krieg die Verteidigung des eigenen Landes, also das tellurische Element, in den Vordergrund gerückt. Damit gelang es ihm, den regulären Krieg mit dem Partisanenkampf zu einer schlagkräftigen Einheit zu verbinden. Alle Sowjetbürger und -bürgerinnen wurden zu potenziellen Kombattanten. 3.2 Partisanenbewegung Unerreichtes Vorbild für diese Aktionen war der Kampf der spanischen Bauern gegen Napoleons Soldaten, nachdem die eigene Armee kapituliert hatte. An dieser äußerst wirksamen, aber auch extrem grausamen Art des Krieges haben sich die Geister immer wieder entzündet.38 Er setzte sich aus etwa 200 regionalen Kleinkriegen zusammen, an denen bis zu 50.000 Partisanen beteiligt waren. Mit dieser geringen Zahl an Kämpfern gelang es immerhin, 250.000 französische Soldaten in Spanien zu binden, die damit für andere kriegerische Aktivitäten nicht zur Verfügung standen. Diesen Vorteil wussten die Engländer im Kampf gegen Napoleon zu nutzen. Einen ähnlichen Effekt erzielten die Partisanen Titos und anderer Partisanenführer auf dem Balkan, wo sie große Teile der Wehrmacht banden,39 ohne dass diese ein Konzept zu ihrer wirksamen Bekämpfung besessen hätte. Vielmehr steigerten Geiselnahmen, Erschießungen und Zerstörungen ganzer Dörfer auch hier vor allem den Hass der Bevölkerung auf die Besatzungsarmee, nicht jedoch auf die Partisanen. Umgekehrt gelang es der nationalsozialistischen Führung nicht, in den letzten Monaten vor Kriegsende mit dem „Werwolf“ eine eigene Partisanenorganisation der Jugend ins Leben zu rufen, um gegen die alliierten Soldaten auf deutschen Boden zu kämpfen.40 Und in den Zeiten einer militärischen Bedrohung des 35 Vgl. Haffner 1980, S. 652–663. 36 Ähnlich hatte schon Gambetta im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 agiert und damit möglicherweise den Sieg der Franktireurs über die deutschen Truppen verspielt. 37 Lenin war zudem ein großer Kenner und Bewunderer von Clausewitz. 38 Tolstojs Roman Krieg und Frieden sowie Kleists Drama Die Herrmannschlacht gehören zu den ganz großen Kriegsdichtungen. 39 Die russischen Partisanen haben nach Schätzungen ungefähr zwanzig deutsche Divisionen auf sich gelenkt, vgl. Schmitt 19954, S. 58 f. 40 Vgl. Etscheit 1990, S. 148–165.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Westens durch die Armeen des Warschauer Paktes machte das Leitmotiv bestimmter bundesdeutscher Kreise „Lieber rot als tot!“ deutlich,41 dass es bei einer sowjetischen Besetzung Westdeutschlands kaum zu einer deutschen Partisanenbewegung gekommen wäre. Demgegenüber verstanden sich die Mitglieder der RAF (Rote Armee Fraktion),42 die in der alten Bundesrepublik vor allem in den 1970er Jahren Terroranschläge verübten, als Stadtguerilla. Folgerichtig ließen sie sich ab Sommer 1969 von palästinensischen Guerillagruppen im Guerillakampf ausbilden. Wegen ihrer Taten vor Gericht gestellt, verlangten sie (vergeblich), als „politische Kämpfer“ und nicht als Kriminelle behandelt zu werden. 3.3 Guerillakampf In diese Tradition des tellurischen Partisanenkampfes gehört auch der Krieg von Ho Chi Minh43 und General Giap gegen die Franzosen in Indochina,44 der zu der vernichtenden Niederlage der Kolonialherren in Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 führte. Er beruhte ebenso auf dem Einsatz von Partisanen (Vietminh45) wie die Fortsetzung des Partisanenkrieges gegen die Amerikaner (Vietcong46). Ziel dieser Partisanenorganisation, die sich 1960 unter dem Namen Front National de Libération (FNL; Nationale Front für die Befreiung Vietnams) gegründet hatte, war nicht der bloße Regimewechsel im Süden, sondern – im Zuge einer Wiedervereinigung – die Übernahme der Macht in ganz Vietnam. Um die Fremden aus Vietnam zu vertreiben und einen gemeinsamen sozialistischen Staat bilden zu können, war eine enge Kooperation der Guerilla mit den regulären nordvietnamesischen Streitkräften erforderlich. Zu diesem Zweck sollte der Krieg nach den Plänen seiner Protagonisten – vor allem des genialen Strategen General Giap – auf vietnamesischer Seite drei Phasen durchlaufen, die man in der üblichen Terminologie auch als Stellungskrieg, Bewegungskrieg und Gegenoffensive bezeichnen könnte. In der Sprache der Vietnamesen klingt das freilich blumiger:47 1. Den Feind binden: In der Defensive müssen möglichst viele gegnerische Soldaten an einem Ort gebunden werden, damit der Feind die Möglichkeit zur Initiative verliert. Dabei müssen allerdings eigene Verluste unbedingt vermieden werden. Hierzu bietet sich ein Beschuss mit Granatwerfern und Raketen aus sicherer Entfernung an. Das Motto lautet: Du musst vom Feind alles wissen, über deine eigene Stärke musst du den Feind täuschen! 41 42 43 44 45 46

In eine ähnliche Richtung zielte das Motto „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!“. Die RAF war der ‚militärische‘ Arm der Baader-Meinhof-Gruppe. Bürgerlicher Name Nguyen Sinh Cung (1890–1969). Vietnam war seit 1883 französisches Protektorat. Benannt nach dem politischen Führer und Mitbegründer Ho Chi Minh. Als pejorativ gemeinte Kurzform für Vietnamesische Kommunisten, obwohl die FNL keineswegs mehrheitlich aus Kommunisten bestand, Kraushaar 2006a, S. 751–767; vgl. auch NgohAnh 1981. 47 Chingh 1968, S. 156; Beer 1995, S. 4.

Abschnitt 1: Innerstaatliche Kriege

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2. Den Feind in Bewegung halten: In der Pattsituation müssen die gegnerischen Soldaten von mobilen Guerillaeinheiten durch das ganze Land gehetzt werden, damit die feindlichen Kräfte zersplittert und verunsichert werden. Das Motto lautet: Schnell marschieren, schnell zuschlagen, schnell verschwinden! Wechsle ständig Methoden und Verfahren, der Feind darf nie ein Schema hinter deinem Handeln erkennen können. 3. Den Feind vernichten: In der Offensive muss der Gegner in einer oder mehreren Entscheidungsschlachten mit Hilfe der regulären Armee vernichtend geschlagen werden. Diese letzte Phase ist besonders risikoreich, da sich jetzt die eigenen Streitkräfte mit der gegnerischen Armee in direkter Konfrontation messen müssen. Die Vorteile des Guerillakampfes sind damit weitgehend auf einzelne Kommandoaktionen begrenzt. Die verschiedenen Kampfformen des Guerillakrieges:48 Krieg der ineinander greifenden Aktionen, Krieg der Verwirrung, Krieg ohne Fronten, Krieg der Einkreisung und Krieg der verbrannten Erde, mussten freilich möglichst genau aufeinander abgestimmt werden. Der Tet-Offensive vom Januar 1968 folgte vier Jahre später (März 1972) die Osteroffensive des Vietcong, die letztlich dazu führte, dass die USA das Waffenstillstandsabkommen vom 27. Januar 1973 schlossen und ihre Truppen aus Vietnam abzogen. Am 1. Juli 1976 wurde die Volksrepublik Vietnam auf dem gesamten vietnamesischen Territorium errichtet.

48 Vgl. Arend 1880, S. 166–185 [168 f.].

Kapitel 3: Identitätskrieg Nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes ist die Rückbesinnung auf ethnische, nationale und religiöse Traditionen in vielen Bereichen an die Stelle der großen Ideologien getreten.49 Funktionierende Nationalstaaten können in ihrem Binnenverhältnis eine große kulturelle Vielfalt, sei es ethnische, religiöse, kulturelle oder auch sprachliche Unterschiede, verarbeiten, ohne dass diese zu ihrem Auseinanderbrechen führen müsste. Deutschland und vor allem Frankreich bieten hierfür reiches Anschauungsmaterial. Dort, wo die Bindekraft der Nationalstaatlichkeit jedoch fehlt oder nachlässt, führt dies oft zur Abspaltung von Minderheiten. Unter Umständen kommt es zur Gründung neuer Staatsgebilde, die in sich ethnisch bzw. religiös homogener sind. Ist eine solche Separierung auf friedlichem Wege nicht möglich, z. B. weil es starken Widerstand von Innen und außen gibt, kann es zu blutigen Auseinandersetzungen kommen. Dabei werden politische Grenzen oft mit Gewalt so verändert, dass sie schließlich mit den kulturellen Grenzen weitgehend übereinstimmen.50 Die Kriege zwischen den ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens zeigen dies besonders deutlich. Solche Identitätskriege werden häufig besonders erbittert und grausam geführt, nicht obwohl, sondern weil man gegen den Nachbarn kämpft. Haus und Hof werden niedergebrannt, Frauen vergewaltigt und Kinder getötet. Die destruktive Gewalt richtet sich auch gegen historische Denkmäler, weil diese ein wichtiges Medium der Identitätsvergewisserung sind. Denkmäler wirken hier als Symbole, die in der kollektiven Erinnerung einer Nation die Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden.51 Diese Symbole zu nutzen oder aber zu zerstören ist Teil derselben Kommunikationsstrategie,52 mit der politische Anliegen (staatliche Unabhängigkeit, Systemwechsel, Einführung der Scharia etc.) – in aller Regel in einer durch Asymmetrie gekennzeichneten Situation – kommuniziert werden sollen. 1. Globalisierte Kriege Diese neuartigen Kriege sind „globalisierte“ Kriege,53 bei denen die Grenzen zwischen traditionellem Krieg und organisiertem Verbrechen verschwimmen.54 Ihre Folgen sind äußerst gefährlich für den Weltfrieden, sie führen tendenziell zu:55 49 50 51 52 53 54 55

Meyer 2002, S. 92. Hondrich 2002, S. 18. Vgl. Lübbe 1996: 15–27 [20]. Waldmann 2003, S. 38. Vgl. Münkler 2002. Bauman 2001, S. 11–28. Daase 1999, S. 104.

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− Kohäsionsverfall: Abnahme des gesellschaftlichen Zusammenhalts in den beteiligten Staaten. − Legitimitätsverlust: Verlust politischer Legitimität der staatlichen Akteure. − Militarisierung: Übergewicht der militärischen über die zivile Sphäre des Staates. − Normenerosion: Zersetzung und Veränderung der Normen und Regeln der Kriegführung, aber auch des Strafrechts. − Souveränitätsverfall: Infragestellung des Souveränitätsprinzips als Fundament der Staatlichkeit. − Stabilitätsverlust: Unterminierung der auf formaler Gleichheit der Staaten basierenden Stabilität des internationalen Systems. 2. Politik der Identität Ziel der „molekularen Bürgerkriege“ – z. B. auf dem Balkan – ist nicht die Eroberung von Territorium durch militärische Erfolge (Entscheidungsschlachten), sondern die endgültige Inbesitznahme des Landes durch die Massenvertreibung. Es geht um die „Schaffung eines ethnisch homogenen Gebietes, indem Personen anderer ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit durch Gewalt oder Einschüchterung aus diesem Gebiet entfernt werden“.56 Diese ethnische Säuberung, ein Begriff, der bereits für die Vertreibung der Griechen und Armenier aus der Türkei zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet wurde, hat eine „Politik der Identität“ zum Ziel. Diese Identität muss freilich in Zeiten des Umbruchs erst hergestellt, durchgesetzt und schließlich auch verteidigt werden. Die Gewalt richtet sich daher in erster Linie gegen die Zivilbevölkerung,57 sowie gegen historische Bauten und Denkmäler, soweit sie Symbole einer anderen Identität sind.58 Zudem gibt es keine klaren geografischen Abgrenzungen („Fronten“) zwischen den Konfliktteilnehmern. In manchen Fällen gibt es nicht einmal verantwortliche Regierungen („politische Subjekte“), die ansprechbar oder sogar in die Pflicht zu nehmen wären.59 Im Falle des gescheiterten Staates Somalia60 bekriegten sich konkurrierende Clans, an deren Spitze Kriegsherren (warlords) standen. In bestimmten ethnisch-religiösen Konflikten reicht die Autorität der Regierung für eine Konfliktlösung nicht aus. Die Delegitimierung der Regierung wird durch Vetternwirtschaft (Bevorzugung des eigenen Clans), Korruption, wirtschaftlichen Verfall und Verfolgung von Minderheiten hervorgerufen bzw. beschleunigt.61 Der Hintergrund dieser Kriege ist regelmäßig eine

56 UN-Final Report 1992. 57 Eberwein/Chojnacki/Götze/Topçu 1999, S. 31–38 [32]. 58 Vor diesem Hintergrund wird erklärlich, warum die afghanischen Taliban das Weltkulturerbe der in den Fels gehauenen Buddha-Statuen zerstört haben. 59 Hippler 1993, S. 139–154 [141]. 60 Vgl. Rezwanian-Amiri 2000. 61 Vgl. hierzu den Artikel in der taz (die tageszeitung) vom 02.06.2001 über Söldner, Milizen und Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols. Gewalt wird zunehmend privatisiert und paramilitärischen Banden, ggf. auch Söldnern überlassen.62 3. Privatisierung der Gewalt Durch die Privatisierung der staatlichen Gewalt bieten diese neuartigen Kriege den Kriegsunternehmern eine Scheinlegitimation dafür, sich auf kriminellem Wege zu bereichern. Sie erzielen ihr Einkommen aber gerade durch den gewaltsamen, nichtlegitimierten Zugriff auf Ressourcen. Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien zeigen, wie dabei die Unterschiede nicht nur zwischen militärischen und paramilitärischen Einheiten, sondern auch zwischen militärischen Verbänden und kriminellen Banden verblassen. Bei den beteiligten Kampfeinheiten kann man zwischen fünf Haupttypen unterscheiden:63 − − − − −

Reguläre Streitkräfte oder das, was von ihnen übrig geblieben ist, Paramilitärische Gruppen Selbstverteidigungseinheiten Ausländische Söldner Ausländische reguläre Truppen (zumeist) mit einem internationalen Mandat.

Im Bosnienkrieg gab es zunächst vor allem Milizen, aus denen erst im Laufe des Krieges die regulären Streitkräfte der Konfliktparteien gebildet wurden,64 die bosnisch-serbische Armee, der kroatische Verteidigungsrat und die Armee von Bosnien-Herzegowina. Daneben waren weiterhin paramilitärische Verbände auf Seiten der Serben sowie auf Seiten der Kroaten aktiv, die z. T. eng mit dem kriminellen Milieu verbunden waren. Auch die bosnischen paramilitärischen Gruppen hatten Verbindung zur Unterwelt. Die UNO zählte insgesamt 83 paramilitärische Gruppierungen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Ausländische Söldner65 griffen auf allen Seiten in den Krieg ein. Am bekanntesten sind die Mudjaheddin, Veteranen des sowjetischen Afghanistankrieges, die für die muslimische Sache kämpften und vor allem vom Iran finanziert wurden. Daneben gab es im Bosnienkrieg aber auch Söldner aus Italien („Garibaldi“), Russland, Dänemark, Deutschland,66 Finnland, Schweden, Großbritannien und den USA.

62 63 64 65 66

Kaldor 1999, S. 14; Eppler 2002; Münkler 2002. Kaldor 1999, S. 147. Kaldor 1999, S. 74 f. Zur kriegsvölkerrechtlichen Stellung des Söldners: Maaß 1990. Auch deutsche Staatsbürger waren offenbar in den Balkankriegen als Söldner im Einsatz, davon allein mehr als 100 Rechtsextremisten, vgl. Kleine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion vom 23.05.2001.

Abschnitt 2: Krieg und Terrorismus „Ein Krieg, bei dem es darum geht, eine gesellschaftliche Ordnung zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, kann kein Ende haben. Ein solcher Krieg bedeutet die unaufhörliche Ausübung von Macht und Anwendung von Gewalt“.67

Die größte Herausforderung für die höchstentwickelten Staaten der Erde ist der Terrorismus. Allerdings ist das, was Terror und Terrorismus genannt wird, nicht immer und überall dasselbe.68 Fünf Elemente sind für den Terrorismus charakteristisch:69 1. 2. 3. 4. 5.

Vorsätzliche Akte direkter physischer Gewalt. Durchführung ist punktuell und vorhersehbar, aber systematisch. Psychische Wirkung zielt auf andere als die physisch getroffenen Opfer. Ausführung im Rahmen einer politischen Strategie. Asymmetrische Gewaltkonstellation.

Terroristische Anschläge auf die Zentren der politischen, wirtschaftlichen und monetären Macht von Industriestaaten bedrohen die staatliche Ordnung. Stets geht es um die Entmutigung des Gegners durch Verbreitung von Angst und Schrecken sowie um die Destabilisierung von Institutionen. Das Empire Amerika hat diesem globalen Terrorismus den Krieg erklärt (war on terrorism), einen Krieg, der immer und überall geführt werden muss, der also weder zeitlich noch räumlich begrenzt ist. Da ein Ende nicht in Sicht ist, könnte man den damit verbundenen Zustand permanenter Kriegshysterie, die nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel ist, – mit Hardt und Negri – durchaus als „globalen Kriegszustand“ beschreiben.70 Es liegt auf der Hand, dass zu diesem Kriegszustand nicht ein Gegner, sondern ein Feind gehört, möglicherweise ein „Feind der gesamten Menschheit“.71

67 68 69 70 71

Hardt/Negri 2004, S. 30. Walther 2006, S. 64–77 [65]. Vgl. Hess (Hrsg.) 1988, S. 56. Hardt/Negri 2004, S, 27 ff. Hardt/Negri 2004, S, 31 f.

Kapitel 1: Terrorismus Terrorismus kann einerseits als Revolte, andererseits als Repression wirken.72 Es sind also nicht nur Untergrundorganisationen, sondern auch Staaten, die Terror ausüben. In der Französischen Revolution wurden mit terreur (1793–1794) Formen unmittelbarer Gewaltanwendung unter dem Schutz und im Interesse des Staates bezeichnet. Auch Hobbes verwendet den Begriff häufig in diesem Sinne, z. B. als terror of legal punishment. Staatlicher Terror kann vor allem in einem diktatorischen Regime gegen die Bevölkerung des eigenen Landes angewandt werden, z. B. um einen Regimewechsel zu verhindern (Beispiel: Simbabwe). Dann wendet er sich insbesondere gegen einzelne exponierte Personen wie Journalisten oder Richter. Er kann sich aber auch gegen die Menschen in einem besetzten Territorium richten, die am Widerstand gegen die Okkupation gehindert werden sollen. Und schließlich bedienen sich einige Staaten aus ideologischen Gründen terroristischer Maßnahmen gegenüber anderen Staaten. Hier tritt der Terror an die Stelle eines erklärten Krieges, weil der angreifende Staat zu schwach ist, einen offiziell erklärten Krieg gegen den Feindstaat zu führen oder den Gegenschlag von diesem bzw. dessen Verbündeten fürchtet. Der Terror kann dazu dienen, die staatliche Ordnung in dem angegriffenen Staat so zu destabilisieren, dass sich dort ein ihm genehmes Regime installieren lässt, ohne dass der Initiator bloßgestellt würde. Solche Formen des staatlichen Terrors lassen sich als Krieg qualifizieren und müssen mit Hilfe der Streitkräfte, die hierfür freilich eine Spezialausbildung benötigen, bekämpft werden. Nichtstaatliche Terroristen verwenden den Terror in aller Regel vor allem als psychologisches Kampfinstrument. Dessen Anwendung kann unter bestimmten Voraussetzungen als subjektiv legitim angesehen werden. Laqueur geht sogar noch einen Schritt weiter: „Terrorismus ist moralisch dann gerechtfertigt, wenn sich kein anderer Ausweg aus einer untragbaren Situation anbietet“.73 Diese untragbare Situation könnte z. B. bei der Verfolgung von Minderheiten oder in dem Verbot legaler politischer Betätigung vorliegen. Dabei geht es den Terroristen weniger um die Zerstörung an sich, als vielmehr um die Wirkung auf das Vertrauen der Menschen in die demokratischen Institutionen. Zur Bekämpfung dieser Art des Terrorismus ist militärische Hochtechnologie in aller Regel ungeeignet. Hier müssen vielmehr – ggf. Nationen übergreifend und international koordiniert – Spezialeinheiten, Polizei und Grenzschutz, Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung, Geheimdienste und Propagandaabteilungen zum Einsatz kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass Terrorismus eine überaus billige Form der Kriegführung ist. Denn sie nutzt die Infra72 Hess 2006, S. 103–122 [106]. 73 Laqueur 1978, S. 222.

Abschnitt 2: Krieg und Terrorismus

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struktur des Gegners (Bahnhöfe, Flugzeuge etc.) und muss nur in begrenztem Umfang eigene Ressourcen bereitstellen. Terrorismus ist stets asymmetrisch und zwar unter drei Gesichtspunkten:74 1. Auswahl der Ziele und Art des Angriffs: Terroristen entziehen sich einer Konfrontation mit dem Gegner, in der sie wegen dessen Überlegenheit ggf. den Kürzeren ziehen würden. Darin gleichen sie den Partisanen. 2. Organisationsstruktur der Angreifer: Terroristen organisieren sich in Form von lose miteinander verknüpften Netzwerken, so dass für einen zerstörten Teil eines Netzwerks sogleich ein anderer einspringen kann. 3. Strategie der Entschleunigung: Terroristen zwingen dem Gegner einen lange anhaltenden (womöglich „ewigen“) Krieg auf, indem sie das Kriegsgeschehen systematisch verlangsamen. Auch dies entspricht der Vorgehensweise der Partisanen. 1. Definitionsmacht Um den Zusammenhang zwischen Terrorismus und Krieg angemessen erfassen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung zu definieren, was unter „terroristisch“ verstanden werden soll. Dabei kommt es vor allem auf die Beobachterperspektive sowie auf die Definitionsmacht an. Aus der Sicht der Unterdrücker bedeutet Terrorismus etwas anderes als aus der Perspektive der Unterdrückten. Aus dem Blickwinkel eines unbeteiligten Beobachters stellt sich derselbe Sachverhalt möglicherweise ganz anders dar. Auch die Qualifizierung der Akteure ist freilich im Streit: Wer darf den Status des Unterdrückten für sich in Anspruch nehmen, und wer muss sich die Negativbezeichnung Unterdrücker gefallen lassen? Stuft man den Befreiungskampf einer von einem Kolonial- oder Besatzungsregime unter­drückten Ethnie als terroristisch ein, lassen sich die Gegenmaßnahmen selbst dann noch nach außen als legitim darstellen, wenn sie ihrerseits den Tatbestand des Terrors erfüllen. Es liegt im ureigensten Interesse jeder Hegemonialmacht, dass sich ihre Definition von Gut und Böse, von Recht und Unrecht, von Erlaubt und Verboten möglichst unangefochten durchsetzt. Das gilt im Weltmaßstab umso mehr, wo das Setzen von Standards zu den wichtigsten Bestandteilen der weichen Macht gehört.75 Hier kann sich die Definitionsmacht sogar darauf erstrecken, dass Staaten nach dem Gut-Böse-Schema qualifiziert werden und sich u. U. in einer Liste von so genannten Schurkenstaaten (Achse des Bösen) wieder finden. Bezieht man jede Maßnahme, die Horror und Schrecken hervorruft, unabhängig vom Verursacher in die Definition ein, dann schließt das allerdings den Staatsterrorismus ein. Hierbei spielt wiederum die Einteilung in „gute“ und „böse“ Staaten eine Rolle. Die eine Kategorie

74 Vgl. Münkler 2004, S. 32 f. 75 Nye 2004.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

scheidet nämlich bereits per definitionem als Anwärter für den Staatsterrorismus aus, während die andere Kategorie als Unterstützer von Terroristen ins Visier des „Weltpolizisten“ (USA) gerät.76 2. Nichtstaatlicher Terrorismus Nimmt man hingegen die offiziellen Repräsentanten von Staaten – also auch Soldaten – als mögliche Akteure aus, dann reduziert sich der Terrorismus auf die Gegner einer staatlichen Ordnung. Dies bringt Waldmanns Definition zum Ausdruck: „Terrorismus ist die bevorzugte Gewaltstrategie relativ schwacher Gruppen“.77 Terrorristen sind in diesem Fall Angehörige von Gruppen, die nicht stark genug sind, um ein Stück nationalen Territoriums militärisch zu besetzen und der Staatsmacht offen Paroli zu bieten. „Anders als der Soldat, der Partisan oder der Revolutionär befindet sich der Terrorist immer in der paradoxen Situation, Handlungen zu begehen, deren unmittelbare physische Folgen nicht eigentlich von ihm gewollt sind“.78 Terroristen versuchen zumeist, die Macht des Gegners durch Provokation zu instrumentalisieren, um mit dessen Reaktion eine Gegenmacht zu mobilisieren, die ihre eigenen Kräfte weit übersteigt.79 Ziel der Terroristen ist es, das Vertrauen in den (gegnerischen) Staat und seine Fähigkeit zum Bürgerschutz zu untergraben sowie – wenn möglich – Zustimmung zu der eigenen Vorgehensweise zu finden. Gerade deshalb waren die Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September 2001 in vielen Teilen der islamischen Welt so beunruhigend. Sie reichten von Gleichgültigkeit über Schadenfreude bis hin zu einer fanatischen Zustimmung zu der Vernichtung von Menschenleben. Von vielen Autoren wird der Terrorismus nicht als Krieg angesehen.80 Gemeinsam ist beiden Kategorien von Terroristen allerdings, den nichtstaatlichen wie den staatlichen, dass sie Gewalt nicht in erster Linie wegen ihres Zerstörungseffektes einsetzen, sondern als auslösendes Signal für eine psychologische (Breiten-)Wirkung.81

76 77 78 79 80 81

Kitfield 2001, S. 3327–3331. Waldmann 1998. Fromkin 1977, S. 94. Fromkin 1975, S. 683–698. Vgl. Fisch 2002, S. N 3. Vgl. Münkler 2002a, S. 8.

Abschnitt 2: Krieg und Terrorismus

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Schaubild 24: Terrorismus im Vergleich Kriterium

sozialrevolutionärer Terrorismus

ethnisch-nationalistischer Terrorismus.

gesellschaftliche Rahmenbedingungen

hochentwickelte Industriegesellschaften

Peripherieregionen, von Metropolen abhängig, teils relativ entwickelt, teils zurückgeblieben

sozio-ökonomische, institutio- Bewusstseinswandel unter nelle und mentale Ursachen Einfluss des Neomarxismus

effektive Gefährdung der Regional- bzw. Minderheitenkultur durch Modernisierung, Zu- oder Abwanderung und Machtausdehnung des Zentralstaates

politische Kultur

Gewaltmonopol des Staates, das jedoch durch studentische Protestbewegungen in Frage gestellt wird

eingeschränktes staatliches Gewaltmonopol; Tradition der Konfliktivität und der gewaltsamen Selbsthilfe

Ziele, ideologische Begründung

radikale Veränderung von Staat vermehrte Autonomie oder und Gesellschaft im Sinne Gründung eines eigenen Staates marxistischer Ideologie unter Berufung auf historisch gewachsene Besonderheit

Identifikation mit Eigen- oder Identifikation mit als interesFremdgruppe siert unterstellter Drittgruppe, Distanzierung von Eigengruppe

Identifikation mit bedrohter Eigengruppe

Vermittelbarkeit der Ziele und ideologische Botschaft bzw. Aktionen Sinn terroristischer Anschläge schwer vermittelbar

Ziele und gewaltsames Engagement sind für breitere Minderheitsschichten einsichtig

sozialstatistische Merkmale der Terroristen

überwiegend aus akademischer aus populistischem Sozialmilieu Mittelschicht, Frauen stark vertreten

soziale Einbindung der Terroristen

gesellschaftlich isoliert Generationenkonflikt; numerisch begrenzte Sympathisantenszene

abgestützt durch breites Bevölkerungssegment innerhalb der Minderheit; soziale Einbettung in Primärgruppen bleibt erhalten; Generationenkontinuität

(Quelle: Waldmann 1998, S. 91, mit eigenen Änderungen)

Diese Erörterung zeigt bereits, von welch unschätzbarem strategischem Wert es ist, als militärische, ökonomische und kulturelle Weltmacht über ein Definitionsmonopol zu verfügen. Diese kann dann nämlich nach ihren eigenen Interessen – u. U. sogar von Fall zu Fall – entscheiden, ob diese oder jene Maßnahme terroristisch war, bzw. ob diese oder jene Akteure Terroristen sind. Im Regelfall kann sie ihre Sicht der Dinge auch in der „Weltöffentlichkeit“ durchsetzen. Damit wird dann auch die Frage beantwortet, ob Terrorismus eine Kriegsform ist oder aber eine Ge-

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Teil V: Asymmetrische Kriege

waltstrategie unterhalb der Schwelle des Krieges. In engem Zusammenhang damit steht wiederum der Status der Handelnden als Kombattanten, die unter dem Schutz des Völkerrechts stehen oder aber als illegale Kämpfer, denen – vorgeblich – keinerlei Rechte zustehen. Eine exakte Grenzziehung zwischen den moralisch zu rechtfertigenden Handlungen von Partisanen und den zumeist inhumanen Aktionen von Terroristen ist allerdings nicht immer möglich. War nämlich die Kampf­weise der Partisanen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in erster Linie auf die gezielte physische Vernichtung oder zumindest Kampfunfähigkeit des militärischen Gegners ausgerichtet, so hat sich im Verlauf des Kalten Krieges diese Handlungsweise allmählich verändert. Nicht zuletzt die Abhängigkeit vom Medienecho treibt die Guerilleros zu immer neuen spektakulären Aktionen, die zum einen Aufmerksamkeit erzeugen und zum anderen der psychischen Einschüchterung dienen sollen.82 Damit entfällt auch die Unterscheidung zwischen Kombattanten und wehrlosen Unbeteiligten, zumal es erheblich risikoloser ist, „weiche Ziele“, also nicht unter militärischem Schutz stehende Objekte, anzugreifen. Eine moralische Rechtfertigung unterbleibt dabei regelmäßig. 3. Unsichtbarer Feind Nichtstaatliche Terroristen sind nicht zu verorten, sie sind quasi unsichtbar. Zwar sind sie grundsätzlich schwächer als der angegriffene Staat, sie nutzen aber die „Asymmetrie der Unterlegenheit“ (Münkler83), indem sie den Krieg in Raum und Zeit soweit ausdehnen, dass damit die Kräfte des Angegriffenen überfordert werden. Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist es dem Terror-Netzwerk alQaida zum ersten Mal gelungen, einen wirkungsvollen terroristischen Anschlag im Kernland der USA durchzuführen. Vorhergehende Anschläge auf das World-TradeCenter, auf US-Botschaften im Ausland oder auf das Kriegsschiff USS Cole im Hafen von Aden (2002) waren entweder nicht erfolgreich oder fanden nicht auf USamerikanischem Heimatboden statt. Während die US-Streitkräfte der Streitmacht jedes anderen Staates oder Staatenbündnisses haushoch überlegen sind, wurden ­diese Anschläge von einem Netzwerk ausgeführt, das nahezu un­sichtbar zu sein scheint. Es nutzt die Sicherheitslücken einer offenen Gesellschaft. Schneckener kommt in seinem Buch Transnationaler Terrorismus bei der Zählung der wesentlichen Anschläge von al-Qaida bzw. nahe stehenden Gruppen in der Zeit vom 9. September 2001 bis zum 9. November 2005 auf 27 Anschläge. Dabei sind insgesamt mehr als 700 Menschen getötet und ca. 3.000 Personen verletzt worden.84 Es sind nicht so sehr diese Zahlen, die beunruhigen, sondern die Vielzahl von Anschlägen an ganz unterschiedlichen Orten. Damit erweckt al-Qaida den Eindruck, als ob das Terrornetzwerk allgegenwärtig wäre und es nur von den Terroristen abhinge, wann und wo sie zuschlagen wollten. Da der „unsichtbare“ Feind kei82 Vgl. Schmidt 2003, S. 161–190 [161]. 83 Münkler 2004, S. 22–37 [33]. 84 Schneckener 2006, S. 252–254,

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nem Staat ernsthaft als Verursacher zugerechnet werden kann, sind auch technisch hochgerüstete Truppen meist ungeeignet, um ihn wirksam zu bekämpfen. Stattdessen sind es Staatsanwälte, Steuerfahnder und Polizisten, die den weltweiten Kampf gegen den internationalen Terrorismus führen. Unter dem Signum der Terrorismusbekämpfung geführte Kriege sind zwar geeignet, Rückzugsgebiete des Feindes zu zerstören. Da sie sich in aller Regel gegen islamische Länder richten, bewirken sie allerdings gleichzeitig eine Radikalisierung der Muslime auch in Europa und in den USA und damit eine Verbreiterung der Rekrutierungsbasis der Qaida. Ein womöglich globaler „Krieg gegen den Terrorismus“ ist also äußerst problematisch, zumal er kaum zu gewinnen ist. Es erweist sich vielmehr als Irrtum, man könne unerwünschte terroristische Gewalt quasi „mit Stumpf und Stiehl“ ausrotten.85 Vielmehr ist zu befürchten, dass für jeden getöteten Terroristen drei neue entstehen.

85 Hondrich 2002, S. 12.

Kapitel 2: Religion, Konflikt und Gewalt Terrorismus wird häufig mit religiösem Fundamentalismus in Zusammenhang gebracht. Gewaltbereite Muslime werden dann als Islamisten bezeichnet. In besonderen Fällen wird von diesen Gruppen sogar der Dschihad, der Heilige Krieg, ausgerufen, obgleich die hohe muslimische Geistlichkeit immer wieder betont, dass der Koran einen Heiligen Krieg aus den von den Terroristen angeführten Gründen nicht zulasse. Religiöser Fundamentalismus findet sich allerdings keineswegs nur im Islam, sondern auch im Rahmen bestimmter christlicher Gruppen und Sekten in den USA (Stichwort: bibel belt) sowie sogar in dem als besonders friedlich geltenden Hinduismus. Der Anschlag in der U-Bahn von Tokio im Jahr 1995 war der erste Terrorakt, den eine religiöse Sekte (Aum) mit Massenvernichtungsmitteln (Giftgas) ausführte. Die Religion ist gewissermaßen repolitisiert worden.86 Zum besseren Verständnis soll im Folgenden der Zusammenhang von Religion, Konflikt und Gewalt beleuchtet werden. Bei der Beurteilung dieser Faktoren und ihrer Interdependenzen gibt es allerdings grundlegende Auffassungsunterschiede. Dabei lassen sich drei Richtungen herausarbeiten, Primordialisten, Instrumentalisten und Konstruktivisten, wie Schaubild 25 zeigt. Schaubild 25: Religion, Konflikt und Gewalt Primordialisten

Instrumentalisten

Konstruktivisten

zugrunde liegender Konflikt

kulturell

sozio-ökonomisch

sozio-ökonomisch

Religion

unabhängige Variable

Scheinzusammenhang

intervenierende Variable

Erwartungen

Allianzen entlang kultureller Gemeinsamkeiten und Krieg der Religionen

sozio-ökonomische sozio-ökonomische Spaltungen und Bürger- Spaltungen, politische kriege Konflikte und latente Militanz/Gewalt

empfohlene Strategie

Balance of Power/ Threat

Entwicklung und Modernisierung

Dialog

Ziel

Einschüchterung und Unterdrückung

gleiche Verteilung von Lebenschancen

Kultur der gegenseitigen Anerkennung

(Quelle: Rittberger/Hasenclever 2000, S. 36)

86 Lübbe 2004, S. 53–60.

Abschnitt 2: Krieg und Terrorismus

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1. Primordialisten Für Primordialisten, wie z. B. Huntington,87 erscheinen religiöse Überzeugungen als eigenständige Wirkmächte in der Weltpolitik. Diese „urwüchsigen Antriebskräfte menschlichen Denkens, Wertens, Handelns“ bringen nach ihrer Ansicht Angehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen zwangsläufig gegeneinander auf und treiben sie regelmäßig in gewaltsame Konflikte. Aus der Perspektive ihrer Anhänger scheiden religiöse Überzeugungen gleichsam unverrückbar und naturgegeben Gläubige von Ungläubigen und bestimmen damit, wer als Freund und wer als Feind gilt, mit wem kooperiert werden kann, und wer bekämpft werden muss.88 Nach Überzeugung der Primordialisten steht die Weltpolitik mit dem Ende der ideologisch begründeten Ost-West-Konfrontation und der überall zu be­obachtenden Renaissance der Religionen am Anfang einer neuen Ära. Huntington hat dies mit seinem Buch Kampf der Kulturen anschaulich zum Ausdruck gebracht.89 Sein Szenario ist geradezu zum Rahmen für die gegenwärtige Diskussion geworden.90 Der Irakkrieg von 2003 scheint ihm auf den ersten Blick Recht zu geben, in dem das christliche Amerika gegen den islamischen Irak kämpfte. In dieses Bild passt freilich nicht, dass der Irak des Saddam Hussein ein laizistischer Staat war, in dem zwar die sunnitische Minderheit herrschte, in dem aber auch Schiiten, Christen u. a. nebeneinander lebten. 2. Instrumentalisten Instrumentalisten91 lassen sich durch ihre Überzeugung charakterisieren, dass Unterschiede im Glaubensbekenntnis nur in den seltensten Fällen genuine Ursache von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen menschlichen Kollektiven sind. Vielmehr werden nach dieser Meinung innerstaatliche wie zwischenstaatliche Kriege durch handfeste materielle und politische Interessen von konkurrierenden politischen Eliten ausgelöst. Von diesen Eliten werden religiöse Überzeugungen allerdings gezielt zur Mobilisierung von Parteigängern instrumentalisiert. So zeigte sich etwa Saddam Hussein in Kriegszeiten als „frommer“ Muslim, der den „Heiligen Krieg“ gegen die Ungläubigen verkündete. Deshalb erscheint die weltweit zu beobachtende Renaissance der Religionen aus dieser Perspektive als Epiphänomen, das dem Macht- und Wohlfahrtskonflikt zwischen konkurrierenden Gruppen, z. B. Ethnien, und deren Eliten, zugrunde liege. Vor allem zwei Befunde stützen diese Einschätzung: 1. In der internationalen Politik der Gegenwart lassen sich im Gegensatz zu den Erwartungen der Primordialisten keine eindeutigen Blockbildungsprozesse 87 88 89 90 91

Neben Samuel Huntington z. B. Gilles Kepel, Bassam Tibi. Rittberger/Hasenclever 2000, S. 36. Huntington 1996. Meyer 2002, S. 92. Z. B. Graham Fuller, Thomas Meyer, Dieter Senghaas.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

entlang religiös oder kulturell definierter Konfliktlinien erkennen. Die Mehrzahl der gegenwärtigen Kriege sind Bürgerkriege, die in kulturell und religiös relativ homogenen Räumen stattfinden.92 Mit dem Irakkrieg des Jahres 2003 hat sich jedoch gezeigt, dass ein Krieg zwischen der westlichen (christlichen) Hegemonialmacht USA und einem muslimischen Staat durchaus möglich ist. Nicht zufällig wurde dieser asymmetrische Krieg von den Muslimen in aller Welt als moderner „Kreuzzug“ gegen den Islam (miss-)verstanden. 2. Vor allem in den krisengeschüttelten Ländern der südlichen Hemisphäre kann festgestellt werden, dass die religiöse Radikalisierung und die Politisierung von Religionen regelmäßig der sozialen Verelendung und wirtschaftlichen Diskriminierung ganzer Bevölkerungsschichten folgt. Immer dann, wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet, wenn Modernisierungsgewinner und Modernisierungsverlierer klar unterscheidbar werden, erhalten religiöse Bewegungen starken Zulauf. Sie bieten verunsicherten und orientierungslosen Menschen Enklaven der Geborgenheit.93 3. Konstruktivisten Konstruktivisten94 sind demgegenüber der Überzeugung, dass soziale Konflikte aus der Perspektive der Beteiligten immer in intersubjektive Strukturen wie beispielsweise Ideologie, Nationalismus, Ethnizität oder eben auch Religion eingebettet sind. Diese Strukturen, die nach Wendt aus kollektiven Weltdeutungen, geteilten Werten und wechselseitigen Verhaltenserwartungen bestehen,95 prägen das Selbstund das Fremdverständnis der Akteure und beeinflussen in sozialen Auseinandersetzungen ihre Strategiewahl. Aus konstruktivistischer Perspektive macht es für die Bearbeitung von ansonsten ähnlichen Konflikten einen Unterschied, ob sich die Parteien als Freunde oder als Feinde wahrnehmen. Hier finden sich Parallelen zum Schmittschen Freund-Feind-Gegensatz. Sehen sich die Gegner als Feinde an, dann ist der Rückgriff auf Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Interessen wesentlich wahrscheinlicher als im ersten Fall. Umgekehrt ist im Fall der freundschaftlichen Beziehungen die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Beteiligten eine einvernehmliche und für alle befriedigende Lösung des Konfliktes finden, als im Falle feindlicher Wahrnehmung.96 Freilich kann sich diese Wahrnehmung – nicht zuletzt durch den Einsatz von Propaganda – auch ändern, wie sich beim Auseinanderbrechen des jugoslawischen Bundesstaates gezeigt hat, als an die Stelle gutnachbarlicher, freundschaftlicher oder sogar familiärer Beziehungen zwischen Serben, Kroaten, Slowenen und anderen Volksgruppen Feindbilder traten.

92 93 94 95 96

Rittberger/Hasenclever 2000, S. 37. Kepel 1991, S 61; Rittberger/Hasenclever 2000, S. 38. Z. B. Ted Hopf, Lewis W. Snider, Valery Tishkov. Wendt 1994, S. 384–396. Rittberger/Hasenclever 2000, S. 39.

Kapitel 3: Sieg über den Rechtsstaat? „Wegen der kolossalen möglichen Schäden muss die geheimdienstliche, polizeiliche und militärische Bekämpfung ganz auf Prävention abgestellt sein, und zwar auf eine Prävention, die – darüber sollte man sich keinen Illusionen hingeben – kaum ohne einen Abbau bürgerlicher Freiheiten und rechtsstaatlicher Sicherungen auskommen wird“.97

Während es bei den im vorigen Kapitel benannten theoretischen Richtungen vor allem um mögliche globale Ursachen des Terrorismus geht, ist die Aufmerksamkeit nunmehr auf die Folgen des Terrorismus zu richten. Dabei drängt sich die Frage auf: Welche Folgen haben die terroristischen Aktivitäten rund um den 11. September 2001 für den Krieg? Zunächst ist festzustellen, dass verschiedene Staaten die „Gunst der Stunde“ nutzen, um ihre Konflikte mit abtrünnigen Provinzen, militärisch besetzten Territorien, mit ethnischen und/oder religiösen Minderheiten neu zu etikettieren. Unter dem Banner des Krieges gegen den Terrorismus gewinnen sie eine Scheinlegitimation auch für ein brutales Vorgehen und entziehen dieses damit weitgehend der Kritik der Weltöffentlichkeit. Dies wird allerdings nur dadurch möglich, dass die Bush-Administration den Begriff des Terrorismus ihren eigenen Zielen entsprechend zugleich weit und eng auslegt sowie die Aktivitäten Israels gegen die Palästinenser, Russlands gegen die Tschetschenen, Chinas gegen seine ethnischen Minderheiten etc. in ihrer besonderen Perspektive als Abwehrmaßnahmen gegen den Terror, nicht jedoch selbst als terroristisch einstuft. Terroristen sind danach stets diejenigen, die sich gegen eine etablierte Macht wenden, die von Amerika als legitim betrachtet wird. Keine Terroristen sind hingegen die Repräsentanten der „guten“ Staaten, selbst dann, wenn diese ihre Gegner mit terroristischen Mitteln bekämpfen. 1. Bewaffnete Interventionen Die Definitionsmacht der USA in dieser Frage führt aber auch dazu, dass der USPräsident von seinen Verbündeten militärische u. a. Hilfsdienste für bewaffnete Interventionen in Länder einfordert, die er als terroristisch deklariert. Dies hat Deutschland betroffen, als die USA für den von ihnen initiierten Irakkrieg für die amerikanischen Truppen nicht nur Überflugrechte und die Nutzung der US-Stützpunkte auf deutschem Boden verlangten, sondern auch den Einsatz von Spezial97 Hess 2006, S. 103–122 [103].

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kräften der Bundeswehr erwarteten. Jetzt geht es (nur) noch um den Einsatz von Soldaten der Bundeswehr bei der Neuorganisation des Irak, der freilich besonders gefährlich ist, wie die täglichen Verluste an Menschenleben zeigen. Die Bundesregierung der Großen Koalition will einen Einsatz jedoch – jedenfalls vorerst – nicht in Betracht ziehen. Die größte Gefahr liegt allerdings in einem immerhin möglichen Sieg des Terrorismus über den Rechtsstaat, wenn dieser nämlich in seinem Abwehrkampf die Freiheitsrechte seiner Bürger erheblich einschränken oder schlimmstenfalls zu Mitteln des Staatsterrorismus greifen sollte.98 Der moderne transnationale Terrorismus ist – im Gegensatz zu fast allen anderen Strategien – nicht an einen konkreten Raum gebunden. Terrorismus ist vielmehr eine globale Kommunikationsstrategie, die von einer symbiotischen Beziehung zwischen Terrorismus und Medien profitiert.99 Zwar werden einzelne Aktionen von Qaida-Zellen vorbereitet und durchgeführt. Ohne die massenmediale Berichterstattung würden sie aber ihren Zweck verfehlen, die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Medien greifen terroristische Taten i. d. R. begierig auf und verstärken sie noch.100 Die weltweit übertragene „Endlosschleife“ der einstürzenden Türme des World Trade Center zeigt diese Verstärkerwirkung der Medien besonders deutlich. 2. Weiche Ziele Die Bekämpfung nichtstaatlicher terroristischer Gewalt ist deshalb so schwierig, weil sie die Schwachstellen einer hochindustrialisierten offenen Gesellschaft ausnutzt und stets dort zuschlägt, wo sie nicht erwartet wird. Seitdem vor allem „weiche Ziele“, also nicht durch besondere Sicherheitsmaßnahmen geschützte Objekte, ins Visier des Terrorismus geraten, ist der Staat nahezu ohnmächtig. Die Verbindung des Terrors mit organisierter Kriminalität, politischer Korruption und fundamentalistischen Religionen führt überdies zu explosiven Mischungen, die fast jede Gesellschaft sprengen können. Die westlichen Gesellschaften geraten dabei zunehmend in ein Dilemma: Einerseits verstehen sie sich als offen, pluralistisch und tolerant, was drastische Eingriffe in die Freiheitsrechte ihrer Bürger verbietet, andererseits solidarisiert sich ein stetig steigender Anteil der muslimischen Bevölkerung in diesen Ländern mit den Fundamentalisten. Ethnische und religiöse Minderheiten bilden Gettos in den westlichen Großstädten, in denen sie ihre eigene Subkultur entwickeln. Staatliche Eingriffe zur Herstellung der inneren Sicherheit erscheinen zwar als dringend erforderlich, sind hier aber von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine Lösung dieser Probleme erscheint kaum möglich. Entscheidend wichtig ist aber, dass das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit nicht dauerhaft zu Lasten der Freiheit verändert wird.

98 Vgl. Virilio 1998, S. 135 ff. 99 Hirschmann 2003, S. 20. 100 Hess 2006, S. 103–122 [105].

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3. Psychologie des Terrors Gewalt wird von Terroristen in erster Linie als psychologische Waffe eingesetzt. Es geht ihnen weniger um Vernichtung und Zerstörung als vielmehr um Angst und Schrecken. Handelt es sich um nichtstaatlichen Terrorismus, sind die Mittel konventioneller Kriegführung zur Bekämpfung – z. B. durch die internationale Gemeinschaft – meist wenig geeignet. Das gilt auch für Terroranschläge ausländischer Fundamentalisten auf Einrichtungen eines bestimmten Staates,101 wie die Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon zeigen.102 Hier wurde Gewalt nicht in erster Linie wegen ihres Zerstörungseffektes eingesetzt, sondern als Signal verwendet, um eine psychologische Breitenwirkung zu erzielen.103 Die Botschaft hieß: „Das Zentrum des Weltkapitals ist nicht unverwundbar. Eine Handvoll entschlossener Männer kann dem Empire Amerika schweren Schaden zufügen“. Diese Botschaft ist offenbar angekommen, denn zum ersten Mal in ihrer Geschichte haben US-Amerikaner in ihrem eigenen Land Angst vor terroristischen Anschlägen. Es kommt hinzu, dass die islamistischen Angreifer in der großen Anzahl friedlicher Muslime nahezu „unsichtbar“ sind. Angesichts der großen Zahl muslimischer Amerikaner arabischer Herkunft und einer veränderten Wahrnehmung dieses Problems in der amerikanischen Öffentlichkeit ließ sich auch eine Maßnahme, wie die Internierung der in USA lebenden Japaner und der japanischstämmigen sowie zahlreicher deutschstämmiger Amerikaner im Zweiten Weltkrieg, nicht wiederholen. Die Terroristen selbst sind keinem bestimmten Staat zuzurechnen. Afghanistan bot sich nach dem 11. September 2001 als Ziel von anglo-amerikanischen Luftangriffen nur deshalb an, weil bin Laden „Gast“ und vermutlich auch „spiritus rector“ des Taliban-Regimes war. Durch den Einsatz regulärer Truppen kann der unsichtbare Gegner jedoch kaum wirksam bekämpft werden, wie das Fortbestehen des QaidaNetzwerkes zeigt. Erfolgreicher scheint das „Austrocknen“ seiner Finanzierungsquellen durch Aufspüren der Geldströme, Verhindern von „Geldwäsche“ und „Einfrieren“ der Konten zu sein. Ein (unlösbares) Problem scheint allerdings darin zu liegen, dass saudi-arabische Finanziers – bis hinein in das Königshaus – al-Qaida unterstützen, die Amerikaner dies allerdings nicht publik machen wollen. Die Speicherung biometrischer Daten und die Rasterfahndung ermöglichen das schnelle Aufspüren von Personen, die als potenzielle Terroristen in Betracht kommen, stellen gleichzeitig aber auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für offene Gesellschaften und deren Rechtsstaatlichkeit dar.

101 Hierzu gehört das Terror-Netzwerk al Qaida, das bin Laden aufgebaut und finanziert hat, vgl. Pohly/Durán 2001. 102 Vorausgegangen waren bereits Anschläge auf militärische (USS Cole) und zivile Einrichtungen (US-Botschaften in Afrika). 103 Waldmann 1998, S. 17.

Abschnitt 3: Krieg und Frieden „Der Friedenszustand unter Menschen, die nebeneinander leben, ist kein Naturzustand (status naturalis), der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, d. i. wenngleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muß also gestiftet werden […]“.104

Die UN-Charta von 1948 hat den Angriffskrieg – wie zuvor bereits der Briand-Kellog-Pakt von 1928 – geächtet und damit versucht, im Interesse eines dauerhaften Weltfriedens den Staaten mit dem Jus ad bellum (Recht zum Krieg) das wichtigste Instrument ihrer Souveränität aus der Hand zu nehmen. An die Stelle von Macht soll Recht treten, das in geregelten Verfahren von internationalen Gremien gesetzt und von jedem Staat anerkannt werden soll. In der Friendly Relations Declaration der UN-Generalversammlung vom 24. Oktober 1970105 wurden die Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten noch einmal kon­kretisiert. Danach gilt ein striktes Interventionsverbot: „Kein Staat und keine Staatengruppe hat das Recht, sich aus irgendeinem Grund unmittelbar oder mittelbar in die inneren und äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen. Folglich sind die bewaffnete Intervention und alle anderen Formen von Einmischung oder Drohversuchen gegen die Rechtspersönlichkeit eines Staates oder gegen seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bestandteile völkerrechtswidrig“. Vornehmste Aufgabe des modernen Völkerrechts ist also die Aufrechterhaltung des zwischenstaatlichen Friedens. Allerdings bleibt dabei offen, was Frieden eigentlich bedeutet, ist es lediglich die Abwesenheit von Krieg, oder ist es ein echtes Aliud zum Krieg. Erich Kaufmann hat dazu in seinem Buch Das Wesen des Völkerrechts 1911, also vor Beginn des Ersten Weltkriegs, konstatiert: „Der Friede ist kein Begriff mit positivem Inhalt, er ist ein bloßer Korrelatbegriff, der ohne sein Gegenstück, den Krieg, keinen Sinn hat“.106 Offensichtlich ist es schwer, den Frieden auf den Begriff zu bringen. Der Verlauf der Geschichte seither zeigt jedenfalls, dass sich die Absicht, Frieden durch Völkerrecht zu schaffen, nur selten durchsetzen ließ. Lediglich der geografische Fokus des Kriegsgeschehens hat sich verändert. Während Europa für lange Zeit weitgehend kriegsfrei blieb, wurden Asien, Afrika und der Nahe Osten umso mehr von Kriegen heimgesucht. Auch der Untergang des Sowjetimperiums hat nicht zu 104 Kant 1795, S. 15. 105 Anhang der Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 2625 (XXV), deutsche Übersetzung aus Vereinte Nationen, Heft 4/1978, S. 138. 106 Kaufmann 1911, S. 136.

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einem Verzicht auf den Krieg als Instrument der Machtdurchsetzung geführt. Vielmehr ist der erste große Krieg des 21. Jahrhunderts ein Krieg der USA, den sie mit wenigen Verbündeten (Koalition der Willigen), aber ohne UN-Mandat geführt haben. Es ist offensichtlich, dass die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, die UNO als übergeordnete oder auch nur gleichgeordnete Macht anzuerkennen. Ihr Verhalten im Sicherheitsrat während der Irakkrise 2002/2003 sowie die Ablehnung des Klima-Abkommens (Stichwort: Kyoto-Protokoll), der Vereinbarung über ABCWaffen, der Landminen-Konvention, des Protokolls zur Vereinbarung über Kinderkrieger, besonders aber die Nichtanerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn der Ton des US-Präsidenten jetzt – angesichts einer demokratischen Mehrheit im Kongress – moderater geworden ist. 1. Friedenssicherung Seit Beginn der Menschheit befinden wir uns permanent im Zustand des Krieges, der lediglich von kürzeren oder längeren Perioden der Abwesenheit von Krieg unterbrochen ist. Dieser „Nichtkrieg“ war und ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Frieden. Frieden ist vielmehr eine philosophische Kategorie, die in der politischen Realität allenfalls annäherungsweise erreicht werden kann. Die Friedenssehnsucht der Menschen ist jedoch fast überall auf der Welt stark ausgeprägt. Der Beweggrund, zur Erhaltung bzw. Schaffung von Frieden Krieg zu führen, ist hingegen relativ neu in der Geschichte der Kriege. Art. 1 Ziff. 1 der UN-Charta nennt als das wichtigste Ziel der Vereinten Nationen: „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen […]“. Art. 41 und 42 der UN-Charta zählen die für diesen Fall vorgesehenen Sanktionen auf, sowohl gewaltlose als auch militärische. Versagen die Ersteren nach Auffassung des Sicherheitsrates, „so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen“ (Art. 42 Satz 2). Es ist allerdings durchaus fraglich, ob man Frieden durch den Einsatz militärischer Gewalt tatsächlich erzwingen kann.107 Der bisherige Verlauf der einzelnen Interventionen gibt hierüber keine eindeutige Auskunft, so dass die Kontroverse weitergeht. Eines scheint aber festzustehen: Abgesehen von dem in Art. 51 UN-Charta bestätigten „naturgegebene(n) Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ hat nur die UNO das Recht, militärische Sanktionen anzuordnen. Militärische Interventionen unter dem Kommando der NATO (Kosovokrieg) oder der USA (Irakkrieg) sind daher ebenso völkerrechtswidrig wie Präemptivkriege.

107 Skeptisch: Calließ 1995, S. 37–46; Voigt 2006, S. 157–174.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

2. Gerechter Krieg? Die Geschichte der Theorie des gerechten Krieges (bellum iustum) ist vor allem mit dem Namen de Vitorias verbunden, der den spanischen Konquistadoren in ihren Kolonialkriegen Rechtfertigungsgründe (causae iustae) für den militärischen Angriff lieferte.108 Auch dabei ging es bereits um eine moralische Rechtfertigung (Verteidigung des Christentums). Grotius und Pufendorf hatten ihre eigene naturrechtliche Sicht von Krieg und Frieden.109 Bezieht man sich heute auf die Legitimationsfigur des gerechten Krieges, dann kann man darin durchaus einen „Rückfall in mittelalterliche und religiös verbrämte Kriegsrechtfertigungen“ sehen.110 Dass es überhaupt eine moralische Rechtfertigung für einen Krieg gibt oder geben kann, wird von zwei konträren Positionen verneint. Während die Protagonisten des so genannten Kriegs-Realismus (Thukydides, Machiavelli, Hobbes) davon ausgehen, dass es im Krieg keine moralischen Regeln gibt, sind die Pazifisten davon überzeugt, dass Kriege niemals moralisch gerechtfertigt sein können. Während eines Krieges bedarf es freilich großen Mutes, eine pazifistische Position angesichts der Strafdrohungen aufrecht zu erhalten. Ein beeindruckendes Beispiel von Zivilcourage im Zweiten Weltkrieg zeigte der Bischof von Chichester, George Bell, als er am 9. Februar 1944 vor dem britischen Oberhaus die Unrechtsnatur der Bombardierung deutscher Städte herausstellte und verlangte, dass die Regierung dafür zur Rechenschaft gezogen werden müsse, dass im gegenwärtigen Umfang Zivilisten, Non-Kombattanten, nichtmilitärische und nichtindustrielle Ziele angegriffen würden. Sein Bekenntnis gipfelte in den Worten: „Aber es muss eine Verhältnismäßigkeit zwischen den eingesetzten Mitteln und dem erreichten Zweck bestehen“.111 2.1 Kriterien Sieht man von einer moralischen Rechtfertigung zunächst ab, so lassen sich die Kriterien für den gerechten Krieg in drei Gruppen einteilen, die allerdings aufeinander bezogen sind und voneinander abhängen:112 (1) Kriterien dafür, wann überhaupt Krieg geführt werden darf (ius ad bellum):

− − − −

Grund, der Gewalt bzw. Krieg rechtfertigt (causa iusta), (vor allem Wiederherstellung der Rechtsordnung) Richtige Entscheidungsinstanz (auctoritas principis) Keine Alternative (ultima ratio) Erfolg ist wahrscheinlich

108 Vitoria 1952. 109 Grotius 1950; Pufendorf 1994, S. 202–207. 110 Hauchler/Messner/Nuscheler 2003, S. 9–27 [12]. 111 Bell, zitiert nach Friedrich 2002, S. 99 f. 112 Meggle 2004, S. 129–146 [135 f.].

Abschnitt 3: Krieg und Frieden



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− Mit dem Krieg ist Frieden erreichbar − Makro-Proportionalität: Der Gewinn muss den Gesamtschaden des Krieges „wert“ sein.

(2) Kriterien dafür, wie ein erlaubter Krieg zu führen ist (jus in bello):

Art der Kriegführung − ist für das Kriegseinsatz-Ziel erforderlich und ihm dienlich − richtet sich nicht gegen unbeteiligte Dritte (Unschuldige),



Möglichst geringe Schädigung − der eigenen Seite − des Gegners (keine großzügige Inkaufnahme von „Kollateralschäden“). − Keine an sich schlechten (mala in se) Waffen oder Methoden.

(3) Kriterien, wie der Kriegszustand wieder zu beenden und insbesondere Frieden und Gerechtigkeit wieder herzustellen sind (ius post bellum):

− − − −

Aggressor ergibt sich, Verhandlungsbereitschaft Richtige Entscheidungsinstanz Verantwortlich versus nichtverantwortlich Verhältnismäßigkeit (ein „gerechter Frieden“ darf nicht von den militärischen Siegern diktiert werden und muss sich an bestimmten Normen orientieren). 2.2 Moralische Kriege

Dabei stellt sich zunächst die Frage nach der Moral, von der die Einstellung zum Problem der humanitären Intervention im hohen Maße abhängt. Da es immer nur als ultima ratio erlaubt ist, in einen Krieg einzutreten, ergibt sich daraus, dass Kriege nur dann moralisch erlaubt sind, wenn sie auch moralisch geboten sind.113 Die zum Krieg bereiten Politiker werden also zum einen immer einen moralischen Grund finden, der ihnen erlaubt den Krieg zu führen. Zum anderen werden sie stets eine moralische Notwendigkeit zum Eingreifen behaupten. Bei der Beantwortung, ob und wann ein moralischer Krieg im konkreten Fall ein gerechter Krieg ist, könnte die in Schaubild 26 dargestellte Ethik des gerechten Krieges114 helfen.

113 Meggle 2004, S. 137. 114 Vgl. Walzer 1977; Childress 1978, S. 9–21; Hehir 1999, S. 1–8.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Schaubild 26: Ethik des gerechten Krieges Ausgangsgebot

Ausnahme

Fragen

Kriterien

Füge niemandem Böses zu!

Schutz von Unschuldigen

warum?

gerechter Grund

wann?

angemessene Autorität richtige Intention letzter Ausweg Aussicht auf Erfolg

wie?

Verhältnismäßigkeit der Mittel

(Quelle: Tenbergen 2002, S. 193–220 [198])

Imperiale Mächte haben stets versucht, die von ihnen geführten Kriege zu gerechten Kriegen zu stilisieren. Auf diese Weise wird der Krieg zu einem notwendigen Mittel, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.115 Für das Empire Amerika gilt das in besonderem Maße, zumal es dies mit religiösen, humanitären und demokratischen Werten begründet. Die religiös gefärbte Rhetorik G. W. Bushs ist also keineswegs neu. Vielmehr knüpft Bush an die von Reagan verwendete Rhetorik, der die Sowjetunion das „Reich des Bösen“ genannt hatte, an, wenn er von der „Achse des Bösen“ spricht. Dass zur Durchsetzung imperialer Ambitionen durchaus auch der Krieg als Instrument der Politik gehören kann, lässt sich an vielen Beispielen in der Geschichte zeigen. 3. Pazifismus und Bellizismus Offenbar gibt es zwei Seiten des Krieges.116 Damit ist hier allerdings weder die zuvor behandelte „klassische“ Differenzierung in „gerechte“ und „ungerechte“ Kriege,117 noch die ideologische Unterscheidung zwischen „fortschrittlichen“ und „reaktionären“ Kriegen gemeint, wie sie vor allem die kommunistische Ideologie verwendet hat.118 Auch steht hier nicht die Frage des Krieges als unvermeidliches „Gesetz“ der Geschichte im Vordergrund, wie es Faschisten und Nationalsozialisten propagierten. Vielmehr geht es um eine grundsätzliche Bejahung oder Verneinung des Krieges als Mittel der Auseinandersetzung. Sehen die einen in ihm ein legitimes Mittel zur Lösung von Konflikten („Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, Clausewitz), so lehnen die anderen den Krieg in jeder Form und zu jedem Zweck ab. Den Pazifisten stehen die Bellizisten gegenüber. „Ihr sagt, die gute Sa115 Vgl. Straub 1998. 116 Mausbach spricht in diesem Zusammenhang von der ‚Janusköpfigkeit“ des Krieges, vgl. Mausbach 2002, S. 83–106. 117 Walzer 1982, vgl. Hajo Schmidt 2002, S. 109–130. 118 Vgl. Andreas Wirsching 2002, S. 37–58.

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che sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt“,119 brachte Nietzsche die Position des Bellizismus auf den Punkt. Und Carl Schmitt sekundierte in einem Artikel, den er am 11. November 1933 anlässlich des Austritts Deutschlands aus dem Völkerbund schrieb: „Dieser Pazifismus bringt es fertig, menschenmörderische Beschießungen und furchtbare Schlachten kaltblütig als ‚friedliche Maßnahmen‘ hinzustellen“.120 Die Grundpositionen des Bellizismus und des Pazifismus sind in jüngster Zeit jedoch nicht mehr so klar konturiert wie damals. 3.1 Formen des Pazifismus Die Antikriegsbewegung hatte in den Zeiten des Vietnamkriegs in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre weltweit großen Auftrieb erhalten. Der Vietcong, der für Eigenschaften wie: Zähigkeit, Kampfmoral, List, Leidensfähigkeit, Einfalls- und Entbehrungsreichtum stand, wurde in dieser Zeit zu einem der wichtigsten Identifikationsobjekte. Damit wurde nicht nur der Grundstein für die 68er Bewegung gelegt, vielmehr wurden auch bestimmte Züge der Antiglobalisierungsbewegung bereits vorweggenommen.121 Die Massendemonstrationen erreichten in den USA und in West­deutschland – wie in anderen Ländern – Ende der 1960er Jahre zeitweilig Millionenstärke. In Deutschland bewegte die Menschen schon in der Weimarer Republik Remarques realistischer Klassiker Im Westen nichts Neues über das Los eines deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Später wurde dieses Buch, das von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt worden war, mehrfach verfilmt. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Fülle von Antikriegsbüchern und -filmen in Deutschland. Der suggestiven Wirkung der 08/15-Filme konnten sich zumindest die jüngeren Menschen damals kaum entziehen, auch wenn diese Filme heute seltsam antiquiert wirken.122 Wickies Film Die Brücke setzte den Irrsinn des Zweiten Weltkrieges, der seinen Kulminationspunkt im „Volkssturm“ fand, jedem schaurigen letzten Aufgebot von Kindern und alten Männern, meisterhaft ins Bild123. Diese Generation der (West-)Deutschen wurde freilich in den US-ameri­kanischen Kriegsfilmen mit der anderen Seite desselben Krieges konfrontiert, auf der die guten Soldaten für eine gerechte Sache fochten. Strahlende Helden auf der einen Seite, finstere Schurken auf der anderen Seite, ein Muster, das aus dem klassischen Westernfilm bekannt ist. Ausdruck dieser Ablehnung des Krieges war der mehr oder weniger freiwillige Verzicht der alten Bundesrepublik auf eigene Streitkräfte, der erst Mitte der 1950er Jahre angesichts des sich verschärfenden Ost-West-Gegensatzes und auf Betreiben der USA überwunden wurde. Art. 26 Abs. 1 GG legte darüber hinaus fest, dass ins119 Nietzsche 1966, S. 312. 120 Schmitt 1933. 121 Kraushaar 2006, S. 751–767 [754]. 122 Voigt 2005a, S. 23–57. 123 Zurzeit wird ein Remake für das Fernsehen vorbereitet.

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besondere die Vorbereitung eines Angriffskrieges verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen ist. Dieses Bekenntnis wurde im Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 als Grundlage der Wiedervereinigung nochmals bekräftigt. 3.2 Gesinnungspazifisten und Rechtspazifisten Nach dem Ersten und stärker noch nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Bedeutung des Friedens im Denken der Europäer erheblich zugenommen.124 Die Folge war ein weit verbreiteter Pazifismus (Nie wieder Krieg!), der in der Zeit des Kalten Krieges125 gerade in Westeuropa als realisierbare Alternative erschien. In der alten Bundesrepublik erlebte die Friedensforschung in der deutschen Politikwissenschaft eine – wenn auch vergleichsweise kurze – Blüte.126 Ein Zentralproblem war dabei die Definition von Frieden als bloße Abwesenheit von Krieg (negativer Friedensbegriff) oder aber als „konkrete Utopie“ von Gewaltlosigkeit, Gleichheit und Gerechtigkeit (positiver Friedensbegriff). Angesichts der zahllosen „kleinen Kriege“127 im Schatten des bipolaren Gleichgewichts nahm die Skepsis gegenüber allzu idealistischen Zielsetzungen zu, bis schließlich die „ethnischen Säuberungen“ auf dem Balkan deutlich werden ließen, dass Verantwortung für das Unglück Anderer nicht nur durch Handeln, sondern auch durch Unterlassen entstehen kann. Dieses (unlösbare) moralische Dilemma hat die pazifistische Bewegung in Gesinnungspazifisten und Rechtspazifisten gespalten. Während die Gesinnungspazifisten nach wie vor jede kriegerische Aktion ablehnen, sind die Rechtspazifisten von ihrer moralischen Pflicht zum Eingreifen überzeugt. Wird das Leiden von Menschen durch einen Tyrannen oder durch ein verbrecherisches System verursacht, den oder das niemand mit friedlichen Mitteln an den Grausamkeiten hindern kann, dann müsse auch die kriegerische Intervention erlaubt sein. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sie durch die UNO angeordnet oder zumindest gedeckt werde.128 Im Falle des Krieges der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak mit der erklärten Absicht, den Diktator Saddam Hussein, der Zugang zu Massenvernichtungswaffen habe, zu eliminieren, ging es um eben diese Frage. Durften die Amerikaner diesen Krieg als eine Art präventiven „Verteidigungskrieg“ (Art. 51 UN-Charta) – womöglich zur Sicherung des Weltfriedens – in eigener Verantwortung führen, oder hätte es dazu nicht vielmehr eines gesonderten Mandats der UNO bedurft?

124 Joas/Steiner (Hrsg.) 1989. 125 Vgl. hierzu Schild 2002, S. 241–261. 126 Statt vieler: Czempiel 1986. 127 Daase 1999. 128 Vgl. Blumenwitz 1994, S 3–10; zu den Grenzen der Einmischung: Matthies 1993, S. 7–23; zu den möglichen Folgen: Rezwanian-Amiri 2000.

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3.3 Völkerrecht einer „Weltbürgergesellschaft“ Der Kosovokrieg führte insofern zu besonderen Begründungsproblemen, als er – unter Beteiligung Deutschlands – von der NATO ohne UN-Mandat geführt wurde. Habermas hat in einem vielbeachteten Artikel in der Zeit zur moralischen Qualität dieses Krieges Position bezogen.129 Nach seiner Ansicht war die Intervention moralisch und damit – nach einem neuen Völkerrechtsverständnis – auch völkerrechtlich legitimiert. Mehr noch: Habermas interpretiert diese Frieden schaffende Mission als „Sprung auf dem Wege des klassischen Völkerrechts der Staaten zum kosmopolitischen Recht einer Weltbürgergesellschaft“. Daraus ergeben sich zwei gravierende Probleme, das Fehlen eines UN-Mandats für die Intervention und das Verbot zumindest des klassischen Völkerrechts, sich von außen in die eigenen Angelegenheiten eines souveränen Nationalstaates einzumischen. Die NATO selbst hat sich bei ihrer Intervention im Kosovo auf das Recht zur Nothilfe130 für eine ethnische und hier zudem religiöse Minderheit berufen. Gibt es also so etwas wie eine „moralische Geltung“ des Völkerrechts, deren Normen trotz Fehlens effektiver und anerkannter Instanzen zur Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung angewandt werden durften? Habermas bejaht dies im vorliegenden Fall und begründet es als Vorgriff auf einen künftigen kosmopolitischen Zustand, ist sich aber durchaus darüber im Klaren, dass vor allem Menschenrechte darauf angewiesen sind, „in einer Ordnung zwingenden Rechts positive Geltung zu erlangen“.131 Von einer „Weltbürgergesellschaft“, wie sie hinter diesen Worten sichtbar wird, sind wir freilich noch weit entfernt.132 So hat die Zahl der Kriege – entgegen allen optimistischen Prognosen – nach dem Zusammenbruch der bipolaren Ordnung nicht ab-, sondern zugenommen. 4. Abrüstung und Rüstungsbegrenzung Schon nach dem Ersten Weltkrieg gab es viele Befürworter einer rigorosen Abrüstung. Der Krieg war beendet, die Soldaten wurden demobilisiert, aber die Waffenarsenale der Siegermächte waren nach wie vor randvoll. Hinzu kamen noch die Kriegsschiffe, Flugzeuge etc., die das besiegte Deutsche Reich seinen Gegnern auszuhändigen hatte. Deutschland wurde im Versailler Vertrag eine strikte Rüstungsbegrenzung auferlegt, die Reichswehr durfte nicht mehr als 100.000 Mann umfassen, davon nur 15.000 Mann bei der Marine. Diese Restriktionen wirkten sich besonders zu Beginn des Zweiten Weltkrieges negativ für die deutsche Wehrmacht aus, weil das deutsche Heer lediglich aus einem Kern von einigen tausend erfahrenen Reichs129 Habermas 1999, S. 6–7. 130 Auch der damalige Bundespräsident Herzog, selbst anerkannter Staatsrechtslehrer und zuvor Präsident des Bundesverfassungsgerichts, machte sich öffentlich für das Vorliegen von ‚Nothilfe‘ stark. 131 Habermas 1999, S. 7. 132 Vgl. Voigt 2005; Voigt 2006, S. 157–174.

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wehroffizieren bestand,133 welche die gesamte Führungsstruktur für ein Millionenheer entwickeln mussten. Zudem waren schwere Waffen jeder Art (Schlachtschiffe, Panzer) sowie U-Boote verboten. Diese Begrenzung wurde aber bereits durch die Reichswehr in der Weimarer Republik teilweise unterlaufen, indem gemeinsame Manöver – z. T. mit Panzerattrappen – mit der Roten Armee auf dem Gebiet der Sowjetunion abgehalten wurden. Die Kriegsmarine entwickelte nach den Vorgaben des Versailler Vertrages einen „Taschen-Panzerkreuzer“ (10.000 Tonnen), der als wesentliche technische Neuerung später von den Alliierten kopiert wurde. Die Abrüstung Deutschlands hätte Anlass für die anderen Staaten sein können, die eigenen Rüstungsanstrengungen zu reduzieren, womöglich sogar weitgehend abzurüsten. Das hätte es der Reichsregierung in der Weimarer Zeit sicher leichter gemacht, den eigenen Bürgern die Konsequenzen des verlorenen Krieges vor Augen zu halten. Die Furcht vor den feindlichen Nachbarn war jedoch so groß, dass eher noch aufgerüstet wurde. Die Chance zu einer von allen Seiten getragenen Rüstungsbegrenzung wurde damit vertan. Hitler machte die deutsche Wehrmacht zur modernsten Armee der Welt, und die übrigen Länder verstärkten ihre Rüstungsanstrengungen noch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Verlierernationen Deutschland und Japan gänzlich abgerüstet, sie verloren – zumindest zeitweilig – das Recht auf eigene Streitkräfte. Später wurde der Bundesrepublik im Rahmen der NATO-Mitgliedschaft erlaubt, eine Bundeswehr im Umfang von 500.000 Mann aufzustellen. In einem schwierigen parlamentarischen Verfahren wurde dazu das bis dahin pazifistische Grundgesetz geändert. Im Zuge der wachsenden Ost-West-Spannungen wurde dann jedoch auf Seiten sowohl der USA als auch der Sowjetunion in einem bis dahin unbekannten Maße aufgerüstet, bis schließlich beide Seiten über eine mehrfache Overkill-Kapazität verfügten, das heißt, jeder konnte den Gegner mit Hilfe seiner Atomwaffen mehrfach vollständig vernichten. Bereits im Jahre 1955 traf sich US-Präsident Eisenhower (1953–1961) mit Vertretern der UdSSR zu Abrüstungsgesprächen in Genf. Aber erst in den 1970er Jahren begannen die erfolgreicheren Abrüstungsverhandlungen zwischen Amerikanern und Sowjets, die schließlich zu SALT, START, ABM etc. führten. Diese Papiere hatten zwar durchaus rüstungsbegrenzende Auswirkungen, rechtliche Verbindlichkeit erlangten sie jedoch nicht. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag verpflichtete sich Deutschland, seine Streitkräfte innerhalb von drei bis vier Jahren auf eine Personalstärke von 370.000 Mann zu reduzieren. Die Nationale Volksarmee der DDR (ca. 170.000 Mann) wurde daher zunächst in die Bundeswehr integriert, um anschließend durch Personalabbau die vertraglich vereinbarte Gesamtstärke zu erreichen. Vor allem aus finanziellen, aber auch aus militärstrategischen Gründen wurde die Bundeswehr personell allerdings noch erheblich stärker reduziert und gleichzeitig zu einer Interventionsarmee umgebaut. Für ganz Europa wurde am 17. Juli 1992 der KSE-Vertrag von 29 Staaten in Kraft gesetzt und 1999 den neuen sicherheitspolitischen Bedingungen angepasst. Es handelt sich dabei um das umfassendste Abrüstungsabkommen über konventionelle Streitkräfte in Europa, das jemals beschlossen wurde. Obergrenzen werden 133 Frieser 1995, S. 34.

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darin für fünf Waffenkategorien festgelegt: Kampfpanzer, Jets, Kampfhubschrauber, Artillerie und Mörser sowie gepanzerte Fahrzeuge. Rund die Hälfte der 1988 vorhandenen etwa 290.000 Waffensysteme wurde tatsächlich zerstört. Allerdings wurde der Vertrag niemals ratifiziert, Russland hat den Vertrag im Herbst 2007 zunächst vorläufig und dann – durch Duma-Beschluss endgültig – ausgesetzt. 5. Primat des Kampfes? Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Clausewitz hatte mit seinem berühmten Wort vom Krieg als Instrument der Politik deutlich gemacht, dass trotz der ursprünglichen Gewaltsamkeit des Krieges und der Eigendynamik des Kampfes der Primat der Politik gewährleistet sein muss. Angesichts der schwindenden Autorität der Staatsgewalt in vielen Ländern der Peripherie fragt es sich allerdings, ob stets ein „politisches Subjekt“ zur Verfügung steht, das diesen Primat wahrnehmen kann. Sollten sich in künftigen Kriegen tatsächlich die „Schwachen“ in einer besseren Position als die „Starken“ befinden,134 dann ergeben sich daraus auch für die Kriegstheorie weitgehende Konsequenzen. Denn diese Schwachen kämpfen in aller Regel nicht mehr um Raumgewinn, sondern um ihre Identität,135 ihr Kriegsziel ist die „Herrschaft über die Seelen“ der Menschen. Reguläre militärische Einheiten sind für einen solchen Kampf nicht ausgebildet. Mit der herkömmlichen Kriegführung sind solche Kriege nicht zu gewinnen. Möglicherweise können sie von keiner Seite rein militärisch gewonnen werden.136 Der israelische Militärtheoretiker van Creveld hat daraus in seinem Buch Die Zukunft des Krieges den Schluss gezogen, künftig müsse es zu einem Primat des gewaltsamen Kampfes und zu einer Autonomie der Kämpfenden kommen.137 Das spielt natürlich auf die besondere Rolle der Einzelkämpfer in Spezialkräften (special forces) an. Dagegen ist jedoch einwenden, dass die Unterscheidung zwischen legitimer und illegitimer Gewaltanwendung trotz aller Differenzen im Einzelnen das Fundament unserer zivilen Gesellschaft ist.138 Auf sie kann auch im Krieg nicht verzichtet werden. Verantwortliches Handeln setzt die Fähigkeit voraus, die Konsequenzen eines Krieges abzuwägen und auf dieser Grundlage ein moralisches Urteil zu fällen.139 Prinzipiell gilt dies für jedermann und für jede Staatsführung. Die Politik darf dabei allerdings nicht durch Moralisierung überfordert werden. So schießt der Ruf nach humanitärer Intervention, wo immer Menschen in Not sind, weit über das Ziel hinaus. Die Interventionen der letzten Zeit (von Somalia bis Afghanistan) haben gezeigt, dass sich nicht jeder Konflikt durch militärisches Eingreifen lösen

134 Van Creveld 1999. 135 Kaldor 1999, S. 121 f. 136 Hippler 1993, S 145. 137 Van Creveld 1999. 138 Herberg-Rothe 2000, S. 19. 139 Hausken 1995, S. 79–88 [79].

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lässt. Umgekehrt gilt das aber auch für die Forderung, die westliche Welt und insbesondere Deutschland müsse sich grundsätzlich aus jedem bewaffneten Konflikt heraushalten. 6. Klugheit der Politik Die Reaktion auf diesen neuen Typus des Krieges muss hingegen viel stärker politisch, d. h. sowohl ethisch fundiert als auch pragmatisch ausgerichtet sein. Politisches Handeln erfordert Klugheit. „Sie kennt das prinzipiell Gesollte und fragt nach den situativ gegebenen Möglichkeiten und Grenzen seiner Verwirklichung“.140 Dazu gehören fünf Grundvoraussetzungen:141 1. 2. 3. 4. 5.

Timing: Den richtigen Zeitpunkt wählen. Augenmaß: Potenziale abschätzen. Flexibilität: Kompromisse schließen. Bargaining: Zugeständnisse machen. Politik (politics): Um Macht und Mehrheiten kämpfen. 7. Wiederherstellung von Legitimität

Die generelle Erweiterung der Raum- und Zeitdimension ins Unendliche hat gezeigt, dass die Entscheidung über Krieg und Frieden einer neuen (globalen) Legitimitätsgrundlage bedarf. Es liegt nahe, diese eher bei einer „Weltgemeinschaft“ als bei den Einzelstaaten zu suchen. Als einzige bereits existierende internationale Institution von Gewicht kommen hierfür nur die Vereinten Nationen in Betracht. Freilich müsste dies eine UNO sein, die auch wirklich demokratisch legitimierte Entscheidungen treffen kann. Das würde allerdings als Legitimationsbasis voraussetzen, dass sich alle Beteiligten zumindest auf „vorletzte“ (wenn schon nicht auf letzte) gemeinsame Werte und Überzeugungen verständigen könnten. Angesichts der weltweit zunehmenden Tendenz zum Fundamentalismus verbergen sich hier freilich kaum lösbare Probleme. Zum anderen wäre eine Neuorganisation des Sicherheitsrates erforderlich, der bislang kaum über die Qualitäten einer demokratisch legitimierten Weltregierung verfügt. Ob die bereits von dem vorigen UNO-Generalsekretär Annan vorgeschlagene Reform des Sicherheitsrates diesen Anforderungen genügt, wird sich erst nach ihrer – allerdings eher unwahrscheinlichen – Umsetzung zeigen. Und schließlich wäre auch ein Umdenken der Vereinigten Staaten von Amerika vonnöten. Eine freiwillige Unterordnung unter rechtlich geregelte und demokratisch legitimierte Ent140 Sutor 1983, S. 369–373 [272 f.]. 141 Dies lässt sich beispielhaft an dem Streit um den Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr im August 2001 zeigen.

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scheidungen zu Ungunsten der USA zu akzeptieren, ist aber nicht nur für eine Mehrheit im amerikanischen Kongress, sondern auch für einen großen Teil der politischen Eliten inakzeptabel. Im Gegenteil: Mit dem Griff nach dem Weltraum ist der Wille der USA verbunden, ihre Position als globale Hegemonialmacht weiter auszubauen und auf Dauer zu stellen. Solange diese Voraussetzungen vorliegen, kommt wohl nur eine pragmatische Lösung in Betracht, wie sie z. B. Walzer vorschlägt.142 Danach muss nach einer Übereinstimmung von mehrseitiger Autorisierung und einseitiger Initiative, mit anderen Worten: nach einer Versöhnung von Utopie und Realität, gesucht werden.

142 Walzer 1995, S. 52.

Kapitel 1: Hegung des Krieges „Ohne Monopolisierung und Legitimierung von Gewalt kann es weder Sicherheit noch Entwicklung geben“143.

Die Legitimierung des Krieges ist Voraussetzung seiner Limitierung.144 Das heißt, dass aus dieser Perspektive der Einsatz militärischer Mittel sowie der Krieg zwischen Staaten als legitim gelten. Der Gegner wird nicht als Rechtsbrecher oder sogar als Verbrecher angesehen, sondern als grundsätzlich gleichberechtigt. Zur Hegung des Krieges wurde das Völkerrecht geschaffen, das auf den Grundsätzen der Gleichberechtigung und der Souveränität der Staaten basiert. Die wichtigste Instanz zur Legitimierung von Gewalt ist der Staat, der das Monopol legitimer Gewaltsamkeit (Max Weber) besitzt oder doch besitzen sollte.145 Da dieses jedoch an die Schutzfunktion des Staates gebunden ist, verliert ein Staat, der diesen Schutz seiner Bürger nicht mehr gewährleistet, seine Legitimation zum Einsatz von Gewalt. Dies gilt besonders für gescheiterte Staaten. Im Zeitalter globaler Vernetzung leidet aber auch der klassische, territorial gebundene Nationalstaat unter einem zumindest partiellen Souveränitätsverlust. Kaum ein Staat ist noch in der Lage, seine Bürger vor den globalen Gefahren für Arbeit, Umwelt und Ökonomie zu schützen. Nicht zuletzt aus der Sorge vor ausufernder Gewalt resultiert der Wunsch nach einer alle Länder der Erde umgreifenden Organisation, die den Souveränitätsverlust der Einzelstaaten wettmachen könnte. Der nach dem Ersten Weltkrieg ins Leben gerufene Völkerbund scheiterte auch an der Weigerung der Vereinigten Staaten, diesem beizutreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg ergriffen die USA selbst die Initiative zur Gründung einer Weltorganisation, der UNO. Für die Siegermächte, vor allem für Amerika und die Sowjetunion, war die UNO ein Instrument zur Absicherung ihrer Kriegsgewinne mit Hilfe eines von ihnen selbst geschaffenen Rechts, für die kleineren Staaten bot sich hier ein Forum, um die eigenen Interessen – vor allem in der Vollversammlung – wenigstens zu Gehör zu bringen. Freilich war der Sicherheitsrat von vornherein so konzipiert, dass den fünf Vetomächten: USA, UdSSR, China, Großbritannien und Frankreich, kein anderes Land wirklich gefährlich werden konnte. Die Verlierer Deutschland und Japan waren ohnehin machtlos und wurden nicht beteiligt.146 Solange sich die „Großen Fünf“ einig waren, funktionierte dieses System, als jedoch die Sowjetunion begann, ihre Vetomacht bewusst einzu143 Hondrich 2002, S. 17, 19. 144 Schmitt, Partisan. 145 Vgl. Voigt 2007. 146 Deutschland konnte zunächst wegen der Teilung und der damit verbundenen Aufwertung der DDR nicht der UNO beitreten, erst 1973 wurden beide deutschen Staaten in die UNO aufgenommen, allerdings mit minderem Status.

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setzen, um ihr nicht genehme Entscheidungen zu blockieren, ließ das Interesse der Amerikaner für dieses nur noch teilweise brauchbare Herrschaftsinstrument deutlich nach. Das Mandat für den Koreakrieg erhielten die USA nur, weil sich die Sowjetunion zeitweilig aus dem Sicherheitsrat zurückgezogen hatte, den Vietnamkrieg führten sie bereits ohne jede UNO-Legitimation. 1. Genfer Konventionen Schon die Anfänge des Völkerrechts hatten zum Ziel, den Krieg rechtlich zu regeln und damit „einzuhegen“ (Carl Schmitt). Dazu wurden im Lauf der Zeit zahlreiche Regelwerke entworfen und von den meisten Staaten anerkannt. Das herausragendste Werk dieser Art ist die Haager Landkriegsordnung. Sie führt die Ideen des LieberCode, der Petersburger Erklärung und anderer ähnlicher Abkommen zusammen. Die auf der Anregung von Henri Dunant beruhenden Bestimmungen zur Verbesserung des Loses der verwundeten Soldaten im Felde wurden am 6. Juli 1906 neu gefasst und mit dem Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 auf den Seekrieg ausgedehnt. In den Genfer Konventionen ist das moderne Kriegsvölkerrecht niedergelegt. Allerdings werden diese Konventionen nicht von allen Staaten anerkannt bzw. befolgt. So verletzen die Vereinigten Staaten von Amerika z. B. die 3. Genfer Konvention, indem sie Afghanistan-Kämpfer im Lager Guantánamo auf Kuba internieren und diese nicht als Kriegsgefangene behandeln, obwohl die USA diese Konvention ratifiziert haben. Menschenrechtsverletzungen z. B. durch diktatorische Regime widersprechen den Wertvorstellungen der westlichen Welt. Dazu gehören Genozid, ethnische Säuberungen, Folterungen etc., wie dies die Charta des Internationalen Strafgerichtshofs nunmehr festlegt, die von den USA jedoch nicht anerkannt wird. Das traditionelle Völkerrecht geht aber davon aus, dass zwar das zwischenstaatliche, nicht jedoch das innerstaatliche Verhalten von der UN-Charta geregelt wird. So schreibt Art. 2 Ziff. 4 der Charta vor: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“. Damit wird zwar die Freiheit der Kriegführung eingeschränkt, nicht jedoch die innerstaatliche Souveränität.147 Die Weltmeinung fordert bewaffnete Maßnahmen gegen den Verursacher von Menschenrechtsverletzungen, um diesen an weiteren Untaten zu hindern. Die Frage ist allerdings, wer die Wertmaßstäbe bestimmt und wieweit sich diese Maßstäbe auf andere als westliche Gesellschaften übertragen lassen. Ergibt sich daraus eine Legitimation für „moralische Kriege“? Wieweit soll der Wille der Bevölkerung eines Landes respektiert werden, wenn sich dieser zwar in demokratischen Wahlen artikuliert, im Ergebnis aber zu einem im westlichen Sinne undemokratischen, z. B. theokratischen Regime führt? Die Wahlen des Jahres 1991 zur algerischen Nationalversammlung ließen erwarten, dass die Partei der Islamisten (Islamische Heils147 Vgl. Zygojannis 2003, S. 38 f.

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front, FIS) die Mehrheit erringen würde.148 Daraufhin wurde die Parlamentswahl in einem Staatsstreich des Militärs am 11. Januar 1992 mit der Begründung ausgesetzt, ein FIS-Wahlsieg hätte von der Demokratie zu einer Theokratie geführt. Der historische Führer des FLN-Unabhängigkeitskampfes Mohamed Boudiaf, der aus dem Exil geholt worden war, wurde zum neuen Präsidenten eingesetzt.149 Die westliche Welt nahm dies ohne Protest hin. Es war sogar ganz in ihrem Sinne. Die Genfer Konventionen befassen sich nicht nur mit den Kriegen zwischen Staaten, sondern auch mit den verschiedenen Formen nicht-internationaler Kriege, die vor allem in den Ländern der Peripherie immer häufiger werden. Schaubild 27: Nicht-internationale Kriege und Völkerrechtsnormen Juristischer Kriegstyp

Völkerrechtsnormen

Antikolonialer Befreiungskrieg in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts

Erstes Zusatzprotokoll von 1977

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und aufständischen Soldaten

Zweites Zusatzprotokoll von 1977

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und organisierten Rebellen, die einen Teil des Staatsgebietes kontrollieren

Zweites Zusatzprotokoll von 1977

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und organisierten Rebellen, die kein Territorium besetzt halten

Gemeinsamer Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen mehreren Rebellengruppen

Gemeinsamer Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949

Innere Unruhen oder vereinzelte Gewalttaten, bei denen der Einsatz der Polizei ausreicht

Nationales Recht (nach Art. 3 des Zweiten Zusatzprotokolls)

(Quelle: Daase 1999, S. 241, unter Bezugnahme auf Partsch 1981, S. 515–530)

Der Staat hat vor allem seine eigenen Staatsbürger zu schützen. Daraus gewinnt er seine innere Legitimation. Verletzt ein Staat diese Schutzpflicht oder begeht er sogar selbst Menschenrechtsverletzungen an seinen Bürgern, dann verliert er auch seine Legitimation. Insbesondere dann, wenn – z. B. durch Hungersnot, Vertreibung oder Völkermord – eine humanitäre Katastrophe droht, die von einem verbrecherischen Regime zu verantworten ist, wird der Ruf nach einem militärischen Eingreifen aus humanitären Gründen laut. Der Kosovokrieg hat jedoch gezeigt, welche Folgen ein solcher humanitärer Krieg haben kann und wie schwer es ist, Gut und Böse jeweils trennscharf zu unterscheiden. Nach wie vor ist der Kosovo ein Protektorat westlicher Organisationen (NATO bzw. EU).

148 Die FIS hatte im ersten Wahlgang bei einer Wahlbeteiligung von 52 % 188 von 430 Sitzen errungen. 149 Boudiaf wurde bereits fünf Monate nach seinem Amtsantritt ermordet.

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2. Westfälische Staatenordnung Dem klassischen Völkerrecht liegt das Modell einer Staatenordnung zugrunde, die mit dem Westfälischen Frieden von 1648 etabliert wurde, der den Dreißigjährigen Krieg beendete. Dabei war konstituierendes Element die Souveränität jedes von den anderen Mächten anerkannten Staates.150 Innerstaatliche Kriege waren Bürgerkriege, in die sich die Nachbarn nur in Ausnahmefällen einmischen durften. Kriege wurden demgegenüber zwischen den Staaten geführt. Kissinger, der ehemalige US-Außenminister, hat in einer Aufsehen erregenden Stellungnahme kürzlich darauf hingewiesen, dass ein Krieg gegen den Irak mit dem Ziel der Systemänderung der Westfälischen Ordnung widerspreche. Diese Staatenordnung scheint mit dem Ende des Kalten Krieges und mit fortschreitender Globalisierung jedoch an ihr Ende gelangt zu sein. Während die dreihundert Jahre später geschaffene Weltorganisation UNO – und zuvor in noch schwächerer Form der Völkerbund – der Westfälischen Ordnung lediglich ein Dach – repräsentiert vor allem im Sicherheitsrat als einer Art „Weltregierung“ – übergestülpt hat, wird mit dem Zweiten Golfkrieg beginnend diese Ordnung Schritt für Schritt ausgehebelt. Der Sicherheitsrat leidet allerdings ohnedies an einem Geburtsfehler. Die Sieger des Zweiten Weltkriegs haben sich als vetobefugte Vollmitglieder des Sicherheitsrates selbst ernannt. Lediglich die andere Hälfte des Sicherheitsrats, die zehn nichtständigen Mitglieder, wird von der Vollversammlung gewählt; diesen Mitgliedern steht allerdings kein Vetorecht zu. Den Vollmitgliedern fehlt andererseits ein wichtiges Element demokratische Legitimation, sie sind nicht von der Vollversammlung bestimmt, sondern stehen von vornherein fest. Ja, es ist nicht einmal einsichtig, warum gerade Staaten wie Frankreich oder Großbritannien ständige Sicherheitsratsmitglieder sind, andere Staaten aber, wie z. B. Japan oder Indien, bislang nicht.151 Der Schutz der Ärmsten und Schwächsten ist Aufgabe und Zweck jedes Staates. Eine internationale Ordnung wie die UNO kann diese Aufgabe nicht ohne Weiteres übernehmen, vor allem dann nicht, wenn sie es mit nicht funktionsfähigen Staaten zu tun hat. Gescheiterte Staaten wie z. B. Somalia lassen erkennen, welche Folgen das daraus resultierende Chaos hat. Das bedeutet jedoch, dass es einer stabilen Binnenstruktur aus Nationalstaaten bedarf, die von mehrheitlicher Zustimmung getragen sind, damit eine Rechts- und Friedensordnung funktionieren kann.152 Der Krieg gegen den Terrorismus zeigt das Dilemma, wenn sich der Kampf gegen eine namenlose Gruppe von Aktivisten richtet, die ihren Terror nicht im Namen eines Staates ausüben und auch nicht bezwecken, einen eigenen Staat zu errichten. Im Falle des 11. September 2001 hatte das zur Folge, dass das zufällige „Gastland“ bin Ladens, Afghanistan, von den Amerikanern kurzerhand zum verantwortlichen Staat erklärt wurde. Gegen al-Qaida konnte man kaum militärische Aktionen durchführen, gegen das von den Taliban regierte Afghanistan jedoch sehr wohl. Der Form 150 Vgl. Koller 2000, S. 96–118. 151 Annans Reformkonzept sah allerdings vor, dass beide Staaten als ständige Mitglieder (ohne Vetorecht) in den Sicherheitsrat aufgenommen werden sollen. 152 Hondrich 2002, S. 17, 19.

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halber wurde die Talibanführung ultimativ zur Auslieferung bin Ladens aufgefordert. Beweise, welche z. B. die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls und damit ein rechtmäßiges Auslieferungsverfahren ermöglicht hätten, wurden nicht vorgelegt, sie wären in angemessener Zeit auch nicht zu beschaffen gewesen. Zudem ist es zweifelhaft, ob ein internationaler Haftbefehl von der Talibanregierung überhaupt beachtet oder ggf. sogar vollstreckt worden wäre. Es liegt auf der Hand, dass die Veto-Mächte des Sicherheitsrates oft höchst unterschiedliche Ziele verfolgen und dass es vor allem dann zu Blockaden kommt, wenn „Klienten“ der Mächte betroffen sind. Das legt den pragmatischen, aber rechtlich fragwürdigen Gedanken nahe, dass im Falle einer solchen Blockade dennoch humanitäre Interventionen aus moralischen Erwägungen durchgeführt werden dürfen, notfalls auch ohne UN-Mandat. Kann die intervenierende Macht in einem solchen Fall von einer „stillschweigenden Autorisierung“ durch die UNO ausgehen? Wenn ja, um welche Art von Völkerrecht handelt es sich dabei? 3. Neues Völkerrecht? Was ein Angriffskrieg ist, bestimmt sich nach dem Völkerrecht. Die USA sind jedoch mit ihrer Doktrin des präemptiven Krieges weit darüber hinaus gegangen. „Die Argumente vieler Militärs, die Idee des Präemptivkrieges sei durch die Unmittelbarkeit – sprich: Einsatzschnelligkeit – moderner Waffenträgersysteme begründet, ist größtenteils unstrittig in den Stäben wie in der Politik“.153 Höchst problematisch ist jedoch, dass Intentionen und nicht nachweisbare Aggressionsvermutungen – anstelle von Beweisen, die im Falle eines Präventivkrieges erforderlich wären, – solche Kriege legitimieren sollen. Damit kommt ein Element der Willkür in die Argumentation, das zu einer „Enthegung des Völkerrechts“ beiträgt. Die NATO hat im Kosovokonflikt ohne UN-Mandat einen Krieg im Namen der Menschenrechte geführt. Das Völkerrecht ist politisches Recht, wie bereits Carl Schmitt erkannt hatte. Muss sich das Völkerrecht also den realen Machtverhältnissen anpassen? Sind wir also gerade „Augenzeugen, wie wir ein neues Völkerrecht bekommen: eines, das humanitäre Interventionen zulässt“? Schreibt die Praxis das Recht? 154 Dabei geht Denninger davon aus, dass der Nationalstaat, der Schwächen nach innen und nach außen zeige, nicht mehr absoluter Herr über sein Territorium und seine Menschen sei. Staatsgrenzen würden nicht mehr als unverletzlich („sakrosankt“) angesehen. Da die Grenze zwischen innerstaatlichem Bürgerkrieg und zwischenstaatlichem Krieg immer mehr verschwimme, werde das Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten als obsolet betrachtet. In der internationalen Politik schwinde der Respekt vor der Autorität des souveränen Staates. Stattdessen werde dem Schutz der Menschenrechte und der Ahndung ihrer Verletzung Vorrang eingeräumt. Dabei handele es sich allerdings nicht um einen erlaubten „humani153 Arnswald 2003, S. 2. 154 „Einladung zum Missbrauch“. Der Verfassungsrechtler Erhard Denninger über die Rechtmäßigkeit der NATO-Angriffe und ein neues Völkerrecht. In: Der Spiegel, Nr. 13 vom 29.3.1999, S. 222.

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tären Angriffskrieg“, vielmehr gehe es um eine Art Nothilfe-Pflicht, der im Ernstfall mit den Mitteln des Militärs nachzukommen wäre. Denninger verkennt allerdings nicht, dass die Befugnis, mit moralischen Argumenten in andere Staaten einzufallen, eine hochgefährliche Sache und zudem eine Einladung zum Missbrauch ist. Hier setzt auch Habermas an, indem er fordert: „Wir brauchen auch die Fortbildung des Jus in bello zu einem Interventionsrecht, das den innerstaatlichen Polizeirechten sehr viel ähnlicher sehen würde als die Haager Landkriegsordnung, die ja immer noch auf Kriegshandlungen zugeschnitten ist und nicht auf zivile Formen der Strafvereitelung und des Strafvollzugs“.155 Hauptstreitpunkte in dieser Diskussion sind die Bedeutung von Staaten und – darauf beruhend – die Qualität des Völkerrechts156. Handelt es sich bei dem Völkerrecht immer noch um zwischenstaatliches Recht zur Erhaltung des Friedens, wie bisher weitgehend übereinstimmend angenommen wurde, oder geht es darum, ein neues, von der Moral (wenn ja, welcher?) bestimmtes Recht zu setzen? Die Grenze zwischen dem „Tugendterror der Mächtigen“ und der Chance für einen zivilisierten Umgang der Staaten miteinander liegt aber gerade zwischen „moralistischer Politik und Völkerrecht“. Denn Völkerrecht ist kein moralisches Prinzip, sondern ein rechtliches Verfahren, wie Ingeborg Maus zutreffend argumentiert.157 Seine Anpassungsfähigkeit hat die Völkerrechtsordnung unter Beweis gestellt, als der UN-Sicherheitsrat bereits am 12. September 2001 die Anschläge vom 11. September als eine Friedensgefährdung im Sinne des Art. 39 der UN-Charta bezeichnet hat. Terroranschläge von nichtstaatlichen Akteuren können danach auch als eine das Selbstverteidigungsrecht auslösende Angriffshandlung angesehen werden. 4. Neue UNO? Der UN-Sicherheitsrat hat im Vorfeld des Irakkrieges von 2003 die Probleme des Völkerrechts und der Weltorganisation UNO klar zu Tage treten lassen. Die Vereinten Nationen und ihre Charta waren für eine weltpolitische Lage geschaffen worden, in der die USA die globale Macht noch mit anderen Staaten teilen mussten. Die Sowjetunion als Widerpart konnte von Fall zu Fall mit Hilfe Großbritanniens und ggf. auch Frankreichs und Chinas neutralisiert werden. Überstimmen konnte man eine der fünf Vetomächte der UN-Charta gemäß freilich nicht. Das nutzten auch die Vereinigten Staaten aus, in dem sie ihren Schützling Israel durch ihr Veto vor allzu unangenehmen Sicherheitsratsresolutionen bewahrten. Mehr als dreißigmal verhinderte Amerika durch sein Veto eine Verurteilung Israels wegen seiner Besatzungspolitik. Während der Zeit des Kalten Krieges mussten die USA stets mit einem Veto der Sowjetunion und – nach Zuerkennung des chinesischen Sicherheitsratssitzes an das kommunistische Regime durch die USA158 – ggf. auch Chinas rechnen. 155 Habermas 2004, S. 27–45 [38]. 156 Vgl. Forum Globale Fragen 2006. 157 Maus 1999, S.1. 158 Bis 1971 war die Republik China auf Taiwan ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums änderte sich jedoch die Situation grundlegend. Das Empire Amerika hat so stark aufgerüstet, dass es nunmehr ebenso wenig auf seine Verbündeten wie auf die UNO angewiesen ist (oder zu sein scheint). Sicherheitsratsentscheidungen geraten damit noch stärker unter den Druck von amerikanischen Nützlichkeitserwägungen. Erst die Regierungszeit von G. W. Bush ließ dann auch für die größten Optimisten sichtbar werden, dass die USA künftig nur dann mit der UNO zusammengehen würden, wenn dies dem US-Präsidenten und seinen Parteigängern im Kongress als nützlich erscheint. Im Falle eines unüberwindbaren Widerspruchs im Sicherheitsrat wird der Welthegemon – so wie beim Irakkrieg – in Zukunft allein oder mit auserwählten Verbündeten handeln. Die Frage nach einer neuen UNO erledigt sich damit im Grunde von selbst. Ein Sicherheitsrat, den manche bereits als eine Art „Weltregierung“ sahen, müsste die realen Machtverhältnisse abbilden, wenn er von den USA ernst genommen werden soll. Als bloße Ja-Sager wären sich aber vermutlich die Europäer selbst dann zu schade, wenn es den USA gelingen sollte, Frankreich aus dem Sicherheitsrat hinauszudrängen. 5. Schutz von Kulturdenkmälern Die Kultur der Anderen, die sich in Denkmälern, Bauwerken und Kunstwerken manifestiert, kann zum Angriffsziel werden, wenn die (fehlende) staatliche Autorität dies zulässt. Gerade Interventionsmächte sind verpflichtet, Kulturgüter, lebenswichtige Versorgungsanlagen etc. in einem von ihnen eroberten Gebiet zu schützen. Im Irakkrieg von 2003 wurde gegen dieses Gebot jedoch mehrfach verstoßen. So sahen die US-amerikanischen Truppen nach ihrem Einmarsch in Bagdad zunächst tatenlos zu, wie nicht nur Ministerien und Privathäuser geplündert, sondern auch Krankenhäuser und Denkmäler demoliert wurden, die zum Weltkulturerbe gehören. Besonders schwerwiegend war die Plünderung des irakischen Nationalmuseums, das unschätzbare Zeugnisse der mesopotamischen Kultur enthielt, die als „Wiege der Menschheit“ gilt. US-Offiziere hatten mehrfach gefordert, ca. 3.000 Angehörige der Militärpolizei aus Europa in den Irak zu verlegen, um Versorgungslinien zu schützen und Polizeiaufgaben in Bagdad zu übernehmen. Der damalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld hatte dies jedoch u. a. mit dem Argument strikt abgelehnt, dann müssten diese Militärpolizisten durch neu einberufene Reservisten ersetzt werden. Damit wäre jedoch der Vorwurf gegen Rumsfeld untermauert worden, er habe von Anfang an zuwenige Truppen in den Irak entsandt.159 6. Internationaler Strafgerichtshof Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) wurde gegründet, um Verstöße gegen die Menschlichkeit ahnden zu können, seine Satzung enthält einen umfangreichen Zuständigkeitskatalog. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind dem ICC-Abkom159 Vgl. Newsweek April 28, 2003, S. 11.

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men nicht beigetreten, sie haben vielmehr alles unternommen, um zunächst seine Zuständigkeiten einzuengen, das Verfahren zu verzögern, dann die Unterschrift von US-Präsident Clinton zurückzuziehen und die Ratifizierung zu verweigern sowie schließlich die Unterzeichnung durch kleinere Länder möglichst zu verhindern. Darüber hinaus verlangen sie von jedem einzelnen Mitgliedstaat in einem bilateralen Vertrag die Garantie, dass weder amerikanische Soldaten noch US-Politiker jemals vor dem Tribunal erscheinen müssen. Auch für die Verurteilung der verbrecherischen Taten des Saddam-Regimes wollten die USA weder den Internationalen Strafgerichtshof noch einen ad-hoc-Gerichtshof der UNO nach dem Vorbild des Jugoslawien-Tribunals einrichten. Vielmehr wurden Saddam Hussein und seine engsten Gefolgsleute von irakischen Richtern im Irak verurteilt, der Diktator zum Tode verurteilt und gehenkt. Demgegenüber sollen die Fedajin Saddam, die keine Uniform trugen und Zivilisten als Deckung missbrauchten, unter die neue Kategorie „ungesetzliche Kombattanten“ fallen. Nach dem Afghanistankrieg hatten die Vereinigten Staaten vorgebliche und tatsächliche Mitglieder des Qaida-Netzwerks auf der kubanischen US-Basis Guantánamo auf unbestimmte Zeit interniert. Nach amerikanischer Auffassung haben sie als Terroristen keinen Anspruch auf Schutz durch die Genfer Konventionen. Trotz der Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs durch die USA könnte US-Präsident G. W. Bush als Kriegsverbrecher angeklagt werden, auf Grund der realen Machtverhältnisse allerdings nur symbolisch. Ähnlich wie zu Zeiten des Vietnamkrieges ein so genanntes Russel-Tribunal160 die Kriegsverbrechen der Amerikaner symbolisch verhandelte und verurteilte, planten japanische Juristen in Tokio ein Tribunal gegen den US-Präsidenten. Dabei sollten Menschenrechtsverletzungen des US-Militärs in Afghanistan und im Irak zur Debatte stehen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. Ein noch größerer Eklat wurde verursacht, als im Juni 2003 belgische Kriegsgegner den vormaligen US-Präsidenten Bush sen. sowie den damaligen Generalstabschef Powell wegen des Begehens von Kriegsverbrechen im Zweiten Golfkrieg angezeigt haben. US-Verteidigungsminister Rumsfeld drohte auf der NATO-Tagung damit, die NATO-Einrichtungen aus Belgien abzuziehen, falls solche Anzeigen von den belgischen Behörden weiter verfolgt würden. 7. Kriegsvölkerrecht Das Kriegsvölkerrecht umfasst zwei große Komplexe, das Recht zum Krieg (ius ad bellum) und das Recht im Krieg (ius in bello). Es ist also nicht nur völkerrechtlich festgelegt, wann und unter welchen Umständen ein Krieg geführt werden darf. Vielmehr bestimmt das humanitäre Völkerrecht auch, welches Verhalten gegenüber Kombattanten und Non-Kombattanten, Verwundeten, Kranken, Schiffbrüchigen, abgestürzten Piloten, Kriegsgefangenen erlaubt bzw. verboten ist, wie mit Kulturgütern umzugehen ist etc. Die mit einem Krieg verbundenen Leiden und Schäden sollen so auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Damit wurde der weitgehend 160 Benannt nach dem britischen Philosophen Bertrand Russel.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

rechtlose Raum des Krieges zumindest teilweise verrechtlicht und die Gewalt „eingehegt“. Bestimmte Konventionen verbieten heute den Einsatz biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen. Dazu kam es freilich erst auf dem Hintergrund bitterster Erfahrungen in den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts. Nach dem Giftgaseinsatz im Ersten Weltkrieg gelang es, – zunächst durch ein stillschweigendes Übereinkommen – chemische Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten.161 Nichtsdestoweniger hatten alle Seiten auf diesem Gebiet geforscht, so dass ein Einsatz bei nächster Gelegenheit immer wahrscheinlicher wurde. Im Vietnamkrieg setzten die US-Streitkräfte Entlaubungsmittel und dioxinhaltige Pflanzengifte ein. Die bekanntesten Herbizide, die hier zum Einsatz kamen, waren Agent Orange, Agent White und Agent Blue. Die Folgen ihres Einsatzes hatten und haben die kontaminierten Kriegsteilnehmer und Zivilisten auf beiden Seiten zu tragen. Eine Wiedergutmachung der dadurch entstandenen Gesundheitsschäden ist in vielen Fällen nicht durchsetzbar. Während US-Veteranen von amerikanischen Gerichten Entschädigungszahlungen zugebilligt wurden, erhielten die vietnamesischen Opfer, insbesondere missgebildete Kinder von Vietnamesen, die sich zur fraglichen Zeit in diesem Gebiet aufgehalten hatten, keine Entschädigung.

161 Allerdings hatte Churchill gegen Ende des Krieges bereits Giftgas bei den Amerikanern bestellt, das dann aber nicht mehr zum Einsatz kam, Friedrich 2002.

Kapitel 2: Moralische Kriege „Nicht Atavismen und niedere Instinkte sichern dem Krieg eine lange Zukunft, sondern die Eigendynamik einer Moral mit universalistischem Anspruch“.162

Zwar ist die moralische Expansion nicht – wie Hondrich meint – an die Stelle der territorialen Expansion getreten, Moral und imperialer Expansionismus sind aber eine unheilige Allianz eingegangen. Zum einen finden sich in der Tat immer mehr gute moralische Gründe, in den Krieg zu ziehen, z. B. um grausame Diktatoren zu entmachten, zum anderen wird zunehmend aber auch Kriegen, die aus ganz anderen Motiven geführt werden, gern ein moralisches „Deckmäntelchen“ umgehängt. In beiden Fällen werden moralische Wertvorstellungen, zumeist die der westlichen Welt, verabsolutiert und deren globaler Gültigkeitsanspruch nicht nur postuliert, sondern u. U. sogar mit Waffengewalt durchgesetzt. Dabei stellt sich zunächst die Frage nach der Moral, von der die Einstellung zum Problem der humanitären Intervention im hohen Maße abhängt. Mit Schaubild 28 wird eine Einordnung der verschiedenen Positionen unter dem Begriffspaar Moral und Gewalt in der Politik vorgenommen163. Schaubild 28: Einstellungen zur humanitären Intervention Moral in der Politik

Gewalt in der Politik kann notwendig sein

ist immer schlecht

wichtig

Bellum-iustum-Tradition

Pazifismus

unwichtig

Pragmatismus

Isolationismus

(Quelle: Tenbergen 2002, S. 194)

Für ein Imperium erscheint es geradezu als selbstverständlich, dass es bei allen seinen Aktionen eine gerechte Sache vertritt oder jedenfalls zu vertreten vorgibt. Das galt bereits für das Imperium Romanum und später für das British Empire. Für die Vereinigten Staaten von Amerika gehört dies zum Gründungsmythos. So hatte bereits Präsident Jefferson (1801–1809) klargestellt, dass Amerika die Interessen der Welt wahrnehme, wenn es die eigenen Ziele verfolge. G. W. Bush hat dies in seiner Nationalen Sicherheitsstrategie noch einmal festhalten lassen: „[…] Diese Werte der Freiheit sind für alle Menschen und in jeder Gesellschaft richtig und wahr, und die Pflicht, diese Werte gegen Feinde zu verteidigen, ist die 162 Hondrich 2002, S. 25. 163 Tenbergen 2002, S. 193–220 [194].

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Teil V: Asymmetrische Kriege

gemeinsame Aufgabe aller freiheitsliebenden Menschen überall auf der Welt und zu allen Zeiten. […] Und wir werden den Frieden gegen Bedrohungen durch Terroristen und Tyrannen verteidigen. Wir werden den Frieden durch den Aufbau guter Beziehungen zwischen den Großmächten bewahren. Wir werden den Frieden verbreiten, indem wir freie und offene Gesellschaften auf jedem Kontinent fördern“.164 Tatsächlich ermunterte Bush die iranischen Studenten, als sie im Dezember 2006 gegen ihre Regierung protestierten, zum Aufstand, indem er ihnen – von Amerika aus – zurief, das die Vereinigten Staaten auf ihrer Seite stünden und sie in ihrem Freiheitskampf unterstützen würden.

164 Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten vom 20. September 2002, Einleitung (amtliche Übersetzung nach „Amerika Dienst“ der Berliner US-Botschaft). In: Blätter zur deutschen und internationalen Politik, 11/2002, S. 1391–1393.

Kapitel 3: Humanitäre Kriege „Kriege und die Bereitschaft von Selbstmordattentätern, um des Angriffs willen sich selbst zu zerstören, machen bewusst, dass allein das Recht mit seinen Pflichten und Sanktionsdrohungen den inneren und äußeren Frieden nicht mehr gewährleisten kann, wir vielmehr eine von den Menschenrechten geprägte, weltumspannende Friedenskultur brauchen“.165

Wie kann eine solche weltumspannende Friedenskultur initiiert und durchgesetzt werden? Sind dazu auch humanitäre Militärinterventionen von außen gerechtfertigt? Dabei geht es um humanitäre Prinzipien, durch welche die destruktiven Begleiterscheinungen von Kriegen oder ähnlichen Konflikten zumindest eingeschränkt, möglichst aber verhindert werden sollen.166 Allerdings besteht bei jeder Intervention die Gefahr, dass die Legitimationsgrundlage humanitären Handelns verlassen wird, die gleichermaßen für zivile humanitäre Hilfe wie für militärische humanitäre Interventionen gilt. Wenn diese Grundlage verlassen wird, ist eine wichtige Erfolgsbedingung, nämlich die Akzeptanz aller Beteiligten, jedoch in Frage gestellt. Es sind dies die drei Prinzipien:167 1. Humanität 2. Neutralität 3. Unparteilichkeit. 1. Voraussetzungen humanitärer Interventionen In der Westfälischen Staatenordnung war die Souveränität noch für prinzipiell unantastbar erklärt worden, der Krieg war auf den Staatenkrieg begrenzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden jedoch an vielen Stellen der Welt Situationen, die den Gedanken nahe legten, aus humanitären Gründen einzugreifen. Den Staaten war gemäß Art. 51 UN-Charta allerdings nur noch ein Krieg zur Selbstverteidigung erlaubt.168 Hatte das Völkergewohnheitsrecht bis zum Inkrafttreten der UN-Charta ein militärisches Eingreifen in ein fremdes Staatsgebiet unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt,169 so galt dies nach 1949 als Verletzung des Gewaltverbots. 165 Kirchhof 2003, S. 234–240 [235]. 166 Leader 1998, S. 288–308. 167 Eberwein/Chojnacki/Götze/Topçu 1999, S. 31–38 [31]. 168 „[…] das naturgegebene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung […]“. 169 Zum gerechten Krieg: Walzer 1982.

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Teil V: Asymmetrische Kriege

Heute wird eine humanitäre Intervention jedenfalls dann für gerechtfertigt gehalten, wenn sie dem Schutz von Menschen dienen soll, die sich in einer schwerwiegenden Notlage befinden.170 Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Staat nicht willens oder nicht fähig ist, den ihm anvertrauten Menschen Schutz zu bieten. In diesem Fall ist die Zustimmung des betroffenen Staates nicht unbedingt erforderlich. 1.1 Mandat der UNO Allerdings wird hierzu regelmäßig ein Mandat des UN-Sicherheitsrates verlangt, da die UNO als die einzig legitimierte Institution angesehen wird, die zur Friedenstiftung mithilfe militärischer Gewalt befugt ist. Das setzt jedoch voraus, dass die humanitäre Notlage gemäß Art. 39 UN-Charta als Bedrohung des Weltfriedens angesehen wird. Erst dann ist ein Beschluss des Sicherheitsrates gemäß Art. 42 UNCharta möglich, der feststellt, dass friedliche Mittel unzulänglich, militärische Sanktionen hingegen verhältnismäßig sind. Zudem müssen die Maßnahmen geeignet sein, um Frieden und internationale Sicherheit zu bewahren bzw. wieder herzustellen. In den Zeiten des Kalten Krieges war ein solches Mandat kaum jemals zu erlangen, weil sich die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gegenseitig blockierten. Zwar kann man heute nicht mehr von einer ständigen Blockade ausgehen, dennoch stoßen Interventionsbegehren immer dann auf das Veto einer der beteiligten Mächte, wenn diese sich in ihren Interessen bedroht sieht. 1.2 Mandat der NATO? In solchen Fällen der Blockade des Sicherheitsrates wird in letzter Zeit ein Recht der NATO zur humanitären Intervention unterstellt, wenn anders der Schutz für eine bedrohte Bevölkerungsgruppe nicht gewährleistet werden kann („Nothilfe“). Allerdings muss vor Beginn der Intervention der Zielstaat aufgefordert worden sein, die festgestellten Menschenrechtsverletzungen einzustellen bzw. zumindest zu dem Vorwurf Stellung zu beziehen. Im Verlauf der Konflikte, die zu humanitären Interventionen führen, lassen sich acht Phasen unterscheiden: 1. 2. 3. 4. 5.

Interessenkonflikt, Regime versucht, an der Macht zu bleiben Bürgerkrieg bzw. bürgerkriegsähnliche Zustände Eintritt der humanitären Katastrophe Medienberichte führen den Menschen die Katastrophe vor Augen Beschluss des UN-Sicherheitsrates (evtl. auch der NATO?) zu einer humanitären Intervention 6. Bombardierung des betreffenden Gebietes, kombiniert mit dem Einsatz von Elitetruppen vor Ort 7. Einsatz von Bodentruppen 8. (Dauerhafte) Stationierung von Truppen nach erfolgreicher Intervention. 170 Krennerich 1996, S. 260–263 [260].

Abschnitt 3: Krieg und Frieden

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2. Prinzipielle Einwände Diese Argumentation erscheint jedoch als äußerst fragwürdig und gefährlich. Das gilt besonders für nicht UN-autorisierte Interventionen. Aber auch gegen eine von der UNO legitimierte Aktion lassen sich mindestens drei prinzipielle Einwände erheben:171 − Gefahr des Missbrauchs − Zwang zur Selektion − Angemessenheit und Wirksamkeit. Träger der Intervention wird in aller Regel eine starke Macht (z. B. USA) oder ein Militärbündnis (z. B. NATO) sein, das mit dem Eingreifen auch andere als humanitäre Ziele verfolgen kann. Dabei bieten sich geopolitische Ziele, wie etwa die Sicherung der Erdölzufuhr, besonders an. Beispiel hierfür ist der Zweite Golfkrieg. Zudem können unmöglich alle bedrohten Völker oder Volksgruppen auf der Erde durch militärische Aktionen gerettet oder befreit werden. Es besteht also die Gefahr, dass hier – womöglich wiederum nach machtpolitischen Interessen – willkürlich selektiert wird. So wurde zwar zugunsten der Kosovaren interveniert, nicht aber zugunsten der Kurden oder der Tibeter. Und schließlich gilt auch bei solchen Interventionen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Welche Maßnahme ist angemessen? Sollen die eingreifenden Kräfte schnell hinein- und wieder herausgehen (30Tage-Mandat), oder sind sie auf längere Sicht zur Aufrechterhaltung der inneren Stabilität notwendig (Stichwort: Protektorat)? Dabei spielt die Unterscheidung von Guten und Bösen, von Tätern und Opfern eine bestimmende Rolle.172 In diesen Kriegen ist aber selten eindeutig auszumachen, welche Gruppe zu der einen oder anderen Kategorie gehört. Oft sind die Opfer zugleich Täter. Das Festhalten an überkommenen Denkmustern und Feindbildern führt zu Wahrnehmungsfehlern,173 die den Erfolg friedensstiftender Maßnahmen wenn nicht vereiteln, so doch jedenfalls gefährden. Um diesen Gefahren zu begegnen, sollten bestimmte Maßstäbe für eine Intervention im Sinne eines Code of Conduct festgelegt werden. Diese Maßstäbe müssten zumindest die folgenden fünf Elemente enthalten: 1. Warnung: Der Zielstaat der Intervention muss rechtzeitig gewarnt werden. 2. Verantwortung: Die Interventionsstaaten sind für jede Verletzung des internationalen (humanitären) Rechts verantwortlich. 3. Begrenzung: Das militärische Engagement muss zeitlich begrenzt sein. 4. Rückzug: Die Interventionsstreitkräfte haben sich nach Erreichen des Ziels zurückzuziehen. 5. Wiederaufbau: Die Interventionsstaaten haben sich am Wiederaufbau des Zielstaates (einschließlich Einrichtung einer Zivilverwaltung) nach Abschluss der Intervention zu beteiligen. 171 Krennerich 1996, S. 262. 172 Walzer 1995, S. 47–54 [49]. 173 Kaldor 1999, S. 178.

Teil VI: Krieg und Information

„Der Zugang der Allgemeinheit zu Informationen soll durch die Vielfalt der ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen und -mittel gewährleistet werden, um so jedem Einzelnen die Überprüfung der Richtigkeit von Tatsachen sowie die objektive Bewertung von Ereignissen zu ermöglichen“.

Informationen sind in der Mediengesellschaft von größter Bedeutung. Wer über sie verfügt, hat eine wichtige Machtressource in der Hand. Im Zeitalter der Informatik ist die Regierung daher mehr den je bestrebt, sich die Entscheidung über die Verbreitung von Wissen vorzubehalten. Dies gilt besonders im Kriegsfall, spielt aber auch außerhalb des Krieges eine bedeutende Rolle. „Macht wird heute über den raschen Zugriff auf – militärische oder zivile – Informationen ausgeübt“. Damit wandelt sich auch das Kriegsbild nachhaltig. War früher der Sieg über die feindliche Streitmacht und später die Zerstörung des militärischen Potenzials des Gegners entscheidend, so geht es im Informationszeitalter in erster Linie um die Herrschaft über die gegnerischen Informationen und die Zerstörung der informationellen Infrastruktur. Kriege werden heute nicht mehr nur durch waffentechnische Überlegenheit entschieden, sondern vor allem auch durch die Übermacht der Medien bzw. durch das bessere „Standing“ in der Weltöffentlichkeit. Dabei fällt dem Unterlegenen die „Beweislast“ zu, er muss beweisen, dass er sich lediglich verteidigt hat etc. Diese Erkenntnis ist freilich nicht neu. Bereits Hobbes wusste, dass mit der Souveränität die Entscheidung darüber verknüpft ist, „welche Meinungen und Lehren dem Frieden abträglich und welche ihm förderlich sind“. Der Souverän sollte darüber entscheiden, was man den Menschen in öffentlichen Reden anvertrauen konnte und wer die Bücher zensieren sollte, bevor sie veröffentlicht werden. „Denn die Handlungen der Menschen entspringen aus ihren Meinungen; und in der guten Lenkung der Meinungen besteht die gute Lenkung der Handlungen in Hinsicht auf ihren Frieden und ihre Eintracht“. Das Internet wird demgegenüber als eine Art „Gegenwaffe“ angesehen, das – zumindest weitgehend – gegen die Waffen des In      

Art. 2 des Medienkatalogs der UNESCO. Lyotard 1986, S. 35. Virilio 1993, S. 8. Vgl. Albrecht 2002, S. 263–289. Vgl. Khalilzad/White 1999. Vgl. Albrecht/Becker (Hrsg.) 2002; Thrall 2000. Hobbes, Leviathan, Kap. 18, VI.

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Teil VI: Krieg und Information

formationskrieges gefeit ist. Tatsächlich stammen die Inhalte des Internets aus zahlreichen verschiedenen Quellen aus aller Welt, so dass es den Krieg führenden Mächten kaum möglich ist, eine einheitliche Sicht des Kriegsgeschehens durchzusetzen. 1. Mediale Dimensionen Bei näherem Hinsehen hat der Krieg allerdings mehrere mediale Dimensionen, die man erstens nach der Empfängerfunktion, zweitens nach der Senderfunktion und drittens nach der Kommunikationsfunktion differenzieren kann. Als Empfänger werden Medien zur Verstärkung der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen eingesetzt. Die zweite Dimension wird sichtbar, wenn es um die Manipulation des Bewusstseins der Menschen bei der Wahrnehmung von konkreten Kriegsereignissen geht. Hier werden – meist zu propagandistischen Zwecken – Massenmedien eingesetzt, um eine bestimmte Sicht des kriegerischen Geschehens zu vermitteln. Die Kriegspropaganda richtet sich zum einen an den Feind, der zur Aufgabe überredet werden soll, zum anderen an die eigene Bevölkerung, um deren Zustimmung geworben wird und schließlich an die Weltöffentlichkeit. Eine funktionale Dimension schließlich wird deutlich, wenn man die Fortschritte in der Kommunikationstechnik in Betracht zieht, die militärisch genutzt bzw. initiiert werden. 2. Propaganda Vor allem im Krieg versucht jede Seite mit einer zielgerichteten Überzeugungsarbeit („Propaganda“), den eigenen Bürgern wie denen auf Seiten des gegnerischen Staates eine ihr genehme Version der Geschehnisse zu vermitteln. Auf diese Weise soll die Bereitschaft der eigenen Bevölkerung, in den Krieg zu ziehen, gestärkt und die der gegnerischen Seite geschwächt werden. Zudem war die Propaganda stets ein wichtiges Instrument, um Freiwillige für die Front zu gewinnen. Schaubild 29: Aufgaben der Propaganda Adressat

eigenes Volk und Verbündete neutrale Länder Front und Heimat des Kriegsgegners

Aufgabe

Beeinflussung im Sinne der militärischen und politischen Zielsetzung

Gewinnen von Sympathie und nach Möglichkeit auch Kooperation Untergraben der Widerstandskraft

(Quelle: In Anlehnung an Schuh 1871, S. 116–150 [116])  

Becker 2002a, S. 13–26; Becker 2002b, S. 139–172. Nach Art. 20 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gilt jedoch auch für Deutschland: „Jede Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten“.

Teil VI: Krieg und Information

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Im Ersten Weltkrieg setzte die deutsche Oberste Heeresleitung Postkarten und Souvenirartikel als Propagandamittel ein. In Karikaturen wurden die Stärke der deutschen Truppen und ihre Überlegenheit gegenüber dem Feind dargestellt. Gegen die ausgefeilte Propagandamaschinerie der Briten, aber auch der Franzosen und – nach Kriegseintritt (1917) – der Amerikaner kamen diese eher unprofessionellen Maßnahmen allerdings nicht an. Den Franzosen gelang es, ein Flugblattgeschoss zu konstruieren, das aus einer 75-mm-Kanone verschossen werden konnte.10 Die Engländer unterschieden zwischen weniger eiligen, eiligen und aktuellen Flugblättern, die innerhalb von 48 Stunden gedruckt und verteilt werden konnten. Die Amerikaner schufen drei Organisationen für die Frontpropaganda, die insgesamt etwa 8 Millionen Flugblätter an der deutschen Westfront verbreiteten:11 1. Propaganda-Unterabteilung des militärischen Geheimdienstes12 (später: Psychologiche Unterabteilung) 2. Frontabteilung des Kommitees für Öffentliche Information13 3. Amerikanische Freunde der deutschen Demokratie14, eine von Deutschamerikanern gegründete Organisation zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen der USA. Ludendorff erkannte als Erster die Bedeutung des Films für Propagandazwecke. Ihm ist es zu verdanken, dass die deutsche Oberste Heeresleitung 1917 zu Propagandazwecken ein eigenes Bild- und Filmamt (BUFA) gründete, aus dem später die erste deutsche Filmgesellschaft, die UFA, hervorging. Aufgabe des BUFA war es, den Film für die psychologische Kriegführung einzusetzen. Im Zweiten Weltkrieg gehörten zu den Propagandakompanien auch Fotografen und Kameramänner.15 3. Kampf um Informationen In hochentwickelten Staaten beherrschen Informationen einen großen Teil des Lebens. Wissenschaftliche und technische Informationen und ihre computergesteuerte Anwendung sind aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wenn die Produktion und Nutzung des postmodernen Wissens national­staatlich organisiert ist, dann ist es nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass statt um Territorien und Rohstoffe vor allem um die Beherrschung von Informationen gekämpft wird.16 Ähnliches gilt für den Krieg, der obendrein als eine Art Katalysator für den technologischen Fortschritt wirkt. Ohne Krieg und Raumfahrt, die in einem besonders engen Zusammenhang zu einander stehen, wäre manch eine Erfindung nicht gemacht worden. Ohne ihre kriegsentscheidenden Einsatzmöglichkeiten wä10 11 12 13 14 15 16

Schuh 1971, S. 116–150 [120]. Schuh 1971, S. 128 f. Propaganda Subsection of Military Intelligence. Committee on Public Information. Friends of German Democracy. Einer von ihnen war Lothar-Günther Buchheim, siehe Das Boot, 1973. Lyotard 1986. S. 26.

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Teil VI: Krieg und Information

ren Atombombe oder Wasserstoffbombe kaum entwickelt worden. Ohne den deutschen Raketenbau zu Kriegszwecken (V 1 und V 2) wären die Raumfahrterfolge weder der Sowjetunion noch der Vereinigten Staaten denkbar gewesen. Wissenschaft und Technik wurden und werden in den Dienst des Krieges gestellt. Mit wissenschaftlicher Akribie wurde – erst in Deutschland, dann in Großbritannien – berechnet, wie sich durch eine Kombination aus Brand- und Sprengbomben ein alles vernichtender Feuersturm in den Städten erzeugen ließ.17 In Großlaboratorien wurden und werden in Amerika und Russland chemische und biologische Kampfstoffe entwickelt, erprobt und bereitgehalten. Und um auf künftige Kriege vorbereitet zu sein, betreiben die USA z. B. ein riesiges Forschungsinstitut, die Defense Advanced Research Projects Agency, mit einem Jahresetat von 3 Mrd. US-Dollar, in dem sich hervorragende Wissenschaftler aller Disziplinen mit Kriegsszenarien der Zukunft befassen. Das Internet dient vielfältigen Zwecken, die nur teilweise mit kriegerischen Aktivitäten verbunden sind. So lassen sich problemlos über das Internet Terrorbotschaften, Statements von bin Laden oder anderen Terroristen, Appelle der Entführungsopfer an ihre Regierungen oder sogar Enthauptungsszenen verbreiten. Die Terroristen wissen die Kommunikationsgewohnheiten westlicher Konsumenten zu nutzen. Zugleich hat sich im Internet aber auch eine Art Gegenöffentlichkeit zu der offiziellen Kriegsberichterstattung etabliert. Gerade der Umstand, dass die US-Regierung nur vorzensierte Berichte zur Veröffentlichung frei gibt, führt dazu, dass ungeprüfte und vom Konsumenten kaum nachprüfbare Informationen über das Internet gestreut werden. Dabei spielen so genannte Blogs von privaten Internetbetreibern eine große Rolle. Das Wort Blog ist aus den Begriffen web (für das Internet) und log (für Logbuch) zusammengesetzt.18 Viele Blogger sehen sich als „Speerspitze der Meinungsfreiheit und Alternativöffentlichkeit“.19 Ihr Ziel ist es, ungefilterte Informationen weiterzugeben. Ob das zu einer dauerhaften Schwächung der traditionellen Propaganda führen wird, ist allerdings fraglich. Eher werden sich wohl die Zensoren und Propagandisten auf das neue Medium einstellen. 4. Horizonterweiterung Ähnlich wie das Radar20 hat die Fernsehüberwachung durch Satellitensysteme eine ungeheure Horizonterweiterung zur Folge.21 Aber nicht nur im Weltraum, sondern auch auf dem Erdboden verändert die Hightech-Ausrüstung das Gesicht der Schlacht von morgen. Die Kombination von Verkehrsmittel (Ballon, Flugzeug, Rakete oder Drohne) und Kamera (zunächst analog, dann digital) bietet ungeahnte Möglichkeiten der Beobachtung des Feindes, oder anders gesagt: einer erweiterten „Logis17 18 19 20

Friedrich 2002. Elter 2005, S. 367. Elter 2005, S. 368. Das erste funktionsfähige Radar (‚Telemobiloskope‘) war von Christian Hülsmeyer bereits 1904 fertiggestellt worden, Müller/Spangenberg 1991, S. 291. 21 Müller/Spangenberg 1991, S. 275–302.

Teil VI: Krieg und Information

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tik der Wahrnehmung“.22 Der Raum erhält damit eine andere Dimension. Gegenüber Fotografie und Filmen besteht die Leistungssteigerung des Fernsehens in der Gleichzeitigkeit von beobachtetem Ereignis und Sichtbarkeit für den Beobachter. Kamera bestückte Drohnen und Kleinroboter ermöglichen es, feindliche Stellungen auszukundschaften, ohne das Leben der eigenen Soldaten zu gefährden. Das hat vor allem Auswirkungen auf den Häuserkampf in Großstädten. Die „Fusion von Auge und Waffe“23 schließt aber nicht zuletzt auch die Sichtbarma­chung des für das menschliche Auge Nichtsichtbaren durch technologische Sensorien wie Infrarot ein. Hierzu gehören letztlich auch die Systeme von Radar (über Wasser) und Sonar (unter Wasser). Auch das blitzschnelle Berechnen von Flug- bzw. Geschossbahnen durch Hochleistungs-Computer24 wirkt enorm leistungssteigernd. Und umgekehrt musste das Sichtbare unsichtbar gemacht werden: „Zu den Systemen der traditionellen sichtbaren Waffen […] kam das Geflecht der unsicht­baren Waffen des elektronischen Krieges […]“.25 Zu denken ist etwa an den „Tarnkappenbomber“ Stealth, der von herkömmlichen Radaranlagen nicht geortet werden kann. Eine Kombination dieser verschiedenen Techniken bietet der Warfighter I, ein Hochleistungssatellit der USA, der sich noch in der Testphase befindet. Seine hyperspektralen Sensoren sollen jedes Ziel auf der Erde – auch im Erdboden oder unter Wasser – erspähen können. Damit wurde die Praxis der elektronischen Aufnahme- und Überwachungssysteme fortgesetzt, die Ende der 1950er Jahre mit dem Einsatz der Lockheed U 2 begonnen hatte, später an der chinesischen Grenze und z. B. im Golfkrieg durch die AWACS26 fortgesetzt wurde. Das von den USA geplante und teilweise bereits erprobte Satellitensystem zur Raketenabwehr aus dem Weltall gewinnt damit erstmals schärfere Konturen. 5. Kommunikationsrevolution Eine dritte mediale Dimension wird sichtbar, wenn man an die Revolutionierung der Nachrichtentechnik zunächst durch Telegrafen und Telefone, dann durch Fernseher und schließlich durch Mobiltelefone denkt. Stellte der optische Telegraf27 gegenüber den reitenden Boten bereits einen gewissen Fortschritt dar, so boten die leitungsgebundenen Kommunikationssysteme erstmals eine Möglichkeit der zeitgleichen Verständigung. Telefone und Funkgeräte erlauben die unmittelbare Übertragung von Befehlen, wenn die Verbindung hergestellt werden kann. Aber gerade darin besteht auch ihre Verwundbarkeit: Leitungen können durchtrennt, Funkverbindungen können gestört werden. Noch im Zweiten Weltkrieg waren die Fernsehbilder zu unscharf, um diese Technik militärisch sinnvoll einsetzen zu können. 22 Virilio 1989b, S. 10. 23 Virilio 1989, S. 180. 24 Die ersten Computer wurden bei der Entschlüsselung der Codierverfahren der deutschen Chiffriermaschine Enigma angewandt, Müller/Spangenberg 1991, S. 295. 25 Virilio 1989, S. 170. 26 Airborne Warning and Control System. 27 Dieser kam bereits 1794 erstmalig zum Einsatz, Virilio 1989a, S. 83.

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Teil VI: Krieg und Information

Eine echte Revolution stellten hingegen in den 1990er Jahren die Mobiltelefone dar, die z. B. im Kosovokrieg von paramilitärischen Verbänden zur schnellen Verständigung eingesetzt wurden. Bereits die somalischen Milizen benutzten Anfang der 1990er Jahre handelsübliche Handys, die damals noch den Vorteil hatten, abhörsicher zu sein. Trotz ihrer technischen Ausrüstung auf höchstem Niveau gelang es den US-Streitkräften nicht, die mit diesen einfachen Mobiltelefonen geführten Gespräche abzuhören.28 Künftige Soldaten des High-Tech-Krieges wird man sich nicht nur ausgerüstet mit mobilen Kleinstfunkgeräten im Kevlarhelm, sondern auch mit Laserbrillen und tragbaren Computern für den Internet-Zugang vorstellen müssen. In Spielfilmen gehört das oftmals bereits zum Standardrepertoire.29 Schaubild 30: Vermittlungsinstanzen für Propagandabotschaften Kategorie

Medium (Beispiele)

Kino

Spielfilm

Internet/PC

Homepages Email CD-ROM

Rundfunk

Audiomedien

Audiovisuelle Medien Druckerzeugnisse

Telekommunikation Direkte Kommunikation

Postwesen Objekte mit Botschaften

Fernsehen Hörfunk

Tonträger (CD, MD)

Video, DVD, Film, Foto, Diavorträge Datenprojektion („Beamer“)

Bücher Tages-/Wochenzeitungen Journale/Magazine Handzettel, Flyer, Flugblätter Poster/Plakate Aufkleber Direkter Anruf/SMS Kurzmitteilungen Service-Nummern

Reden/Vorträge Pressekonferenzen Face-to-Face-Kommunikation Gerüchte Lautsprecherdurchsagen Briefe, Karten, Pakete Postwurfsendungen

Alltags- und Gebrauchsgegenstände Schmuck, Kunst Spielzeug Sportartikel

(Quelle: eigene Darstellung nach Carl 2005, S. 75) 28 Kaldor 1999, S. 153. 29 Eine entsprechende Ausrüstung von Soldaten der Bundeswehr erwies sich bislang als ungeeignet.

Kapitel 1: Informationskrieg Unter „Informationskrieg“ versteht man ganz allgemein die umfassende Störung des Informationsflusses30 der gegnerischen Seite mit dem Ziel, den Gegner möglichst kampunfähig zu machen. Informationskrieg ist „der offensive und defensive Gebrauch von Informationen und Informationssystemen, um die generischen Informationen und Informationssysteme auszubeuten, zu korrumpieren oder zu zerstören, während man die eigenen schützt“.31 Dabei lassen sich – mit Libicki – sieben Formen von Informationskrieg unterscheiden:32 1. Command-and-control-warfare (C2W): Dieser Krieg ist explizit auf das Ausschalten der gegnerischen Führung gerichtet, um die Gegenseite „kopflos“ zu machen. 2. Intellegence-based warfare (IBW): Dabei geht es um das Einspeisen von Echtzeitaufklärungsergebnissen (wie z. B. Zielzuweisung) während einer Operation; dazu werden Sensoren der unterschiedlichsten Art eingesetzt. 3. Electronic Warfare (EW): Darunter versteht man die Gesamtheit aller Maßnahmen mit dem Ziel, einerseits fremde elektromagnetische Ausstrahlungen aufzuklären und zu beeinträchtigen, andererseits sicherzustellen, dass eigene elektromagnetische Ausstrahlungen wirksam angewandt werden, als Einsatzmittel dienen einfache Störsender (jammer), Kryptografie, HARM-Lenk­waffen, HPM-Waffen und so genannte NEMPS. 4. Pschological Warfare (PsyW): In diesem Krieg werden Informationen gegen den menschlichen Geist gerichtet, denn das Bewusstsein des Feindes und der Wille seiner Führer sind viel wichtigere Ziele als die Körper der Soldaten (Mao Tsedong). 5. Hacker Warfare: Hierbei werden Sicherheitslücken ziviler Computernetzwerke ausgenutzt, um Informationen zu beschaffen, zu verfälschen, anzupassen, lahmzulegen oder ganz zu zerstören. 6. Economic Information Warfare (EIW): In diesem Krieg wird der Informationsfluss blockiert oder umgeleitet, um die wirtschaftliche Vorherrschaft zu erlangen; durch das Verwehren des Austausches elektronischer Daten soll eine Nation zur Aufgabe des Widerstandes gezwungen werden. 7. Cyberwarfare: Ein ganzes Bündel von futuristischen Szenarios, z. B. Informationsterrorismus, semantische Angriffe und Simulationskriegführung.

30 Bendrath 2001. 31 Institute for the Advanced Study of Information Warfare 1996. 32 Abegglen 1996; Libicki 1996.

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Teil VI: Krieg und Information

Im einem umfassenden Sinne lässt sich der Informationskrieg als „eine Auseinandersetzung, bei der kampfbereite militärische (aber auch politische, wirtschaftliche, kulturelle und technologische) Einheiten gewaltsam die Infosphäre besetzen und einander die Informationsressourcen streitig machen“, definieren. „Damit sind vor allem Aktivitäten gemeint, im Zuge derer ein Staat Informationen benutzt, (um) seine strategischen Zielsetzungen zu verwirklichen […].33 Mit Virilio kann man von einer „Informationswaffe“ sprechen, zu der die Kriegführenden die Medien einsetzten.34 Schaubild 31: Information Warfare Strategische Ebene

Politik: Zielvorgabe Strategie im weiteren Sinne: Formulierung der strategischen Vorgehensweise; Einsatz der zur Verfügung stehenden Machtmittel: Diplomatie, Wirtschaft, Kultur/Ideologie Mittel: Psychologischer Krieg (PsyW) Informationstechnologie/Informatik Mittel: Netwar (HW, EIW, CyberW) Streitkräfte

Operative Ebene

Strategie im engeren Sinne (Militärstrategie): Umformulierung von Vorgaben der strategischen Ebene in operative Zielsetzungen, Abstimmung der Zwischenziele, Mitteleinsatz und Vorgehensweisen im Einklang mit dem Endziel Mittel: Cyberwar (CyberW, PsyW)

Taktische Ebene

Sphäre des Kampfes und dessen Durchführung Mittel: C2W, IBW, PSYW, EW

Vorgehen

offen

verdeckt

HW (destruktiv) C2W EW CyberW EIW (Sanktionen) Dissuasion

HW (konstruktiv) IBW PsyW CyberW

(Androhung massiver Vergeltung gegen die Informationsinfrastruktur) (Quelle: Abbeglen 1996)

33 Weiguang 1998, S. 68. 34 Virilio 1997, S. 36.

Kapitel 1: Informationskrieg

205

Wie wichtig der Informationskrieg in Zukunft sein wird, zeigen die großen An­ strengungen der USA auf diesem Gebiet. Mit der Veröffentlichung der Joint Vision 2020 über die Zukunft der US-Streitkräfte35 ist quasi eine neue Waffengattung entstanden, die Information Operations. Gleichzeitig werden die Organisationsstrukturen und die Logistik sämtlicher Teilstreitkräfte den veränderten Anforderungen angepasst.36 US-Präsident G. W. Bush hat wiederholt darauf hingewiesen, dass das Angriffspotenzial aus dem Cyberspace eine ähnlich große Gefahr darstelle wie die Arsenale mit Massenvernichtungswaffen. Neben der Zerstörung der öffentlichen Kommunikations- und Notfallsysteme kommt auch die Öffnung der Schleusen eines Staudamms oder der Austritt radioaktiver Strahlung aus Atomkraftwerken in Betracht. Alle diese Einrichtungen hängen bereits von der Steuerung durch Computer ab. Mit Shen Weiguang kann man zwischen dem strategischen und dem taktischen Informationskrieg unterscheiden. Während sich der taktische Informationskrieg auf dem Schlachtfeld abspielt und der Kontrolle über die hierfür relevanten Informationen dient, ist Angriffsziel des strategischen Informationskrieges das Entscheidungszentrum des Feindes. 1. Cyberwar Im Jahre 1993 sprachen Arquilla und Ronfeldt zum ersten Mal vom CyberWar37. Damit waren damals alle mit der Digitalisierung verbundenen Neuerungen auf dem militärischen Sektor gemeint. Im engeren Sinne wird darunter allerdings eine Form der Kriegführung verstanden, die sich auf Mittel und Methoden der nichtphysischen Zerstörung der Funktionsfähigkeit ziviler und militärisch genutzter Informationssysteme stützt.38 Ebenso wie Angriffe auf das Computernetzwerk der Gegenseite gehören zum Cyberwar digital vernetzte Armeen und intelligente Bomben. Und schließlich umfasst der Cyberwar auch solche Eingriffe,39 mit deren Hilfe insbesondere die (Tele-)Kommunikation zwischen der feindlichen Staatsführung und seiner Bevölkerung verhindert oder nachhaltig gestört werden kann. Der Kosovokrieg hat gezeigt, dass die Überschwemmung der Fernsehzuschauer mit Informationen und offensichtlich widersprüchlichen Fakten zur Desinformation der Menschen führt. Es handelt sich dabei um eine Art „Fernsteuerung der Konfusion“, die das Chaos der Zerstörungen vor Ort vollendet. „Im Internet ist die terroristische Versuchung ständig gegenwärtig, denn es ist ganz leicht, vollkommen ungestraft Schaden anzurichten“.40 Eine neuartige Form der Bedrohung, die sich leicht zum Cyberwar auswachsen könnte, geht für Staat 35 36 37 38 39 40

US-Department of Defense 2000. Vgl. Abegglen 1996; Bendrath 2001. Arquilla/Ronfeldt (Hrsg.) 1997. Vgl. Geiger 1997. Virilio 2002, S. 137 ff. [155, 171]. So die Aussage eines ehemaligen Hackers, der zum Manager eines Software-Unternehmens aufstieg, zitiert nach: Virilio 2002, S. 60.

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Teil VI: Krieg und Information

und Wirtschaft von Angriffen im Cyperspace aus.41 Dabei handelt es sich um eine dreidimensionale virtuelle („körperlose“) Welt, durch die man sich bewegen und mit der man in Kontakt treten kann.42 Der Begriff geht auf den 1984 veröffentlichten Roman Newromancer des Science-Fiction-Autors William Gibson zurück. Die weltweite Vernetzung durch das Internet eröffnet Möglichkeiten der jederzeitigen, relativ kostengünstigen Kommunikation rund um den Erdball, die heute vor allem ökonomisch, zunehmend aber auch individuell genutzt wird. Es geht aber nicht nur um die private oder wirtschaftliche Nutzung; vielmehr ist der Cyberspace auch für die internationalen Beziehungen von wachsender Bedeutung. Datentransfer, finanzielle Transaktionen aller Art spielen auch im und für den Krieg eine Rolle. Die hinter der Internetidee stehende „Ethik“ der Hacker verlangt den freien Zugang aller zu jeder Information, den man sich ggf. mit technischer Raffinesse auch erzwingen dürfe. „Cyber ist universell, es gibt weder Verantwortliche noch Oberhäupter […]“.43. Insofern steckt im Internet immer noch ein wenig von der Rebellion und Anarchie der Anfangszeit.44 Die in Datenbanken gehüteten und sorgfältig verschlüsselten Geheimnisse (Stichwort: „Kryptografie“) internationaler Großbanken und transnationaler Konzerne sind bereits seit einiger Zeit beliebte Ziele der Attacken. Manche Hacker schrecken aber selbst davor nicht zurück, ihre Angriffe gegen das US-Verteidigungsministerium zu richten. Als größter Erfolg gilt es in diesen Kreisen, in die Datenbank des Pentagon einzudringen. Denn gerade das US-Militär setzt alles daran, seine geheimen Daten so gründlich wie nur möglich gegen jeden Zugriff von außen zu schützen. Ein Angriff auch auf geheime Daten ist praktisch von jedem Ort der Erde aus möglich, an dem sich ein Internetanschluss herstellen lässt. 2. Krieg im Internet Das Internet wurde ursprünglich von den USA entwickelt. Verantwortlich war die 1958 im US-Verteidigungsministerium noch von Eisenhower gegründete Advanced Research Projects Agency (ARPA). Im Jahre 1969 verband dieses ARPANET die vier Rechnersysteme der Universitäten von Kalifornien in Los Angeles und Santa Barbara, des Stanford Forschungsinstituts und der Universität von Utah. Durch Dislozierung der Rechner und der Netzwerktechnik sollte die Verwundbarkeit des militärischen Informationssystems minimiert werden. Im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion erschien dies als wichtiger Sicherheitsaspekt. Später wurde das Internet für die zivile Nutzung freigegeben. Es ist in besonderem Maße ubiquitär und überdies ein unkontrollierbarer Raum. Das macht ihn auch für kriegerische Attacken interessant. Über seine „natürlichen“ Aufgaben als Informations- und Übertra41 Cyperspace geht über das Internet hinaus und eröffnet weitere künstliche, computererzeugte Räume. 42 Laskowski 2001, S. 105. 43 John Perrx Barlow, Chef des Unternehmens ‚Electronic Frontier Foundation‘, zitiert nach Virilio 2000, S. 30. 44 Vgl. Sassen 2000, S. 330–346.

Kapitel 1: Informationskrieg

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gungssystem hinaus wird das Internet damit zum Angriffs- und Verteidigungsobjekt. Die Inhalte des Internets entziehen sich weitgehend der staatlichen Zensur. Das Internet bietet jedoch potenziellen Angreifern die Möglichkeit, auch technisch und finanziell überlegene Gegner anzugreifen (Stichwort: Asymmetrie). 2.1 Vorteile des Netwar Die wichtigsten Vorteile sind dabei:45 − Niedrige Kosten: Die technischen Mittel für einen Angriff sind preiswert, auf dem Markt für jeden verfügbar; mit geringen Kosten lässt sich ein verhältnismäßig hoher Schaden erreichen; d. h. es besteht ein sehr günstiges Kosten-/Nutzenverhältnis. − Geringes Risiko: Das Risiko und die Entdeckungswahrscheinlichkeit für den Angreifer sind gering; er kann leicht seine Spuren verwischen und anonym bleiben bzw. unter Pseudonym auftreten; er kann vortäuschen, dass die Angriffe von anderer Seite kommen. − Unbeschränkter Angriff: Es gibt keine zeitlichen und geografischen Beschränkungen für einen Angriff, weder auf Seiten des Adressaten noch des Absenders. − Keine Vorwarnzeiten: Die Vorbereitungsaktivitäten für einen Angriff sind schwer oder überhaupt nicht erkennbar; damit entfällt die Vorwarnzeit. − Schneller Erfolg: Der Zweck des Angriffs kann in verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht werden. − Minimale Zerstörung: Der Grad der physischen Zerstörung der (später selbst zu nutzenden) gegnerischen Infrastruktur und der Verlust von Menschenleben auf Seiten des Angreifers kann minimiert werden. 2.2 Folgen des Netwar Angriffe auf gegnerische Computernetzwerke können also mit relativ bescheidenen technischen Mitteln (PC, Internet-Zugang) und mit geringem Fachwissen von jedem Ort der Welt aus auf jedes noch so entfernte Ziel gerichtet werden. Ein geschütztes Staatsgebiet gibt es hier nicht mehr, der militärische Schutz an den Staatsgrenzen bleibt wirkungslos. Allerdings geht es dabei nicht nur um militärische Anlagen, auf die es z. B. Terroristen abgesehen haben könnten. Da heute alle wichtigen Bereiche der Infrastruktur rechnergesteuert sind, können Eingriffe in deren Systeme schwerwiegende Folgen auch für die Sicherheit eines Landes haben. Besonders verletzlich ist die Flugsicherheit, gefährdet sind aber auch alle anderen Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, wie Telekommunikation, Energieversorgung, Verkehr und öffentliche Verwaltung. Die Fähigkeit, technische Störfälle aller Art – z. B. an Atomkraftwerken – zu verursachen, könnte bald wichtiger werden als die 45 Potrafke/Gierhardt 2001.

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Teil VI: Krieg und Information

Zerstörungskapazität von A-, B- und C-Waffen.46 Aber auch die Staaten selbst führen den Netwar. So registrierte z. B. der Geheimdienst der Republik China auf Taiwan binnen sechs Wochen 165 illegale Zugriffe auf das taiwanesische Computernetz, als deren Urheber die Volksrepublik China vermutet wird. Im Herbst 2007 verursachte ein Angriff auf die Computer der deutschen Bundesregierung, der ebenfalls China zugeschrieben wurde, große Aufregung. Angriffe im Internet können beträchtlichen Schaden anrichten. So verursachen Computerviren wie der LoveLetter-Virus am 31. Mai 2001 weltweit Schäden in Höhe von 45 Milliarden USDollar.47 3. Streitkräfte für den Informationskrieg Nicht nur die USA, sondern auch die übrigen hochtechnisierten Staaten haben daher Eingreifgruppen aus Spezialisten gebildet, welche die Sicherheit in der Informationstechnik gewährleisten oder zumindest verbessern sollen.48 Die USA sind mit ihren Streitkräften allerdings auch in diesem Metier allen anderen Staaten dieser Erde haushoch überlegen. Nur für das laufende Haushaltsjahr haben sie in ihrem Verteidigungshaushalt einen dreistelligen Millionen-Betrag für Geheimprogramme zur Entwicklung von offensiven Informationskriegs-Fähigkeiten vorgesehen. Zugleich wurde die Struktur der US-Streitkräfte den neuen Anforderungen an­gepasst.49 Im Verteidigungsministerium gibt es einen eigenen Staatssekretär (As­sistant Secretary of Defense) für Führungs- und Informationssysteme, der als Berater des Verteidigungsministers für Informationskriegsfragen zuständig und für die organisatorische sowie politisch-strategische Planung verantwortlich ist. Nachgeordnete Behörden wie die Joint Task Force – Computer Network Operations in Arlington oder die National Security Agency (NSA) in Meade arbeiten auf der den Teilstreitkräften übergeordneten Ebene. Die Teilstreitkräfte selbst verfügen über eigene Einrichtungen. So ist etwa die Luftwaffe am schnellsten und aggressivsten in ihren Bemühungen, den Informationskrieg für ihre Operationen zu nutzen. Bereits im September 1993 wurde ein eigenes Air Force Information Warfare Center gegründet, das mit ca. 1.000 Leuten in San Antonio residiert. Bei Bedarf kann es Informationskriegs-Teams mit je 25 Leuten zur Unterstützung der Kommandeure in das Einsatzgebiet entsenden. Die Marine verfügt über den Naval Information Warfare Activity (seit 1994) und das Fleet Information Warfare Center (seit 1995), während das Heer seit 1995 die Land Information Warfare Activity betreibt. Und schließlich wurde 1994 an der National Defense University auch eine eigene School of Information Warfare and Strategy etabliert.

46 Virilio 2002, S. 175. 47 Die durch Hackerattacken verursachten Kosten veranschlagte Cohen 1995 auf 10 Mrd. US-$, Cohen 1995. 48 In Deutschland ist dafür das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zuständig. 49 Vgl. Bendrath 2001, S. 8 ff.

Kapitel 2: Krieg der Worte „Die öffentliche Meinung gewinnt den Krieg“ (Public opinion wins war) (Eisenhower 194050)

„Sprechen ist Kämpfen im Sinne des Spielens“.51 Sprechakte gehören zu einem allgemeinen Kampf mit dem Ziel, solche Spielzüge zu unternehmen, die dazu beitragen, dass man gewinnt52. Für den Krieg ist es unter Umständen von entscheidender Bedeutung, welcher Seite es gelingt, die „richtigen“ Worte zu finden und im allgemeinen Sprachgebrauch durchzusetzen. Zum Krieg der Worte gehört es, Begriffe zu besetzen, Geschehnissen also im Vorhinein (ggf. auch im Nachhinein, vor allem aber auf Dauer) ihre Bedeutung zuschreiben und damit Markierungen setzen zu können. Gelingt es dem Empire Amerika, sich mit seiner Definition von Folter durchzusetzen, die ausschließlich solche Quälereien darunter fasst, die zum Tode führen? Dann kann die US-Außenministerin, ohne zu lügen, verkünden, dass die USA niemals und nirgendwo foltern. Oder bleibt es bei der Folterdefinition der Genfer Konventionen? Dann handelt es sich z. B. bei den von US-Militär­polizisten angewandten Verhörmethoden in Abu Ghraib nicht um „Misshandlungen“, sondern um Folter. Bezeichnungen wie „chirurgische Schläge“, „intelligente Bomben“ oder „Kollateralschäden“ dienen dazu, die Aktionen des Krieges auf die Ebene von Videospielen zu bringen und damit ihre schrecklichen Folgen zu verharmlosen. Der Manipulation der Leser, Hörer und Zuschauer ist damit Tür und Tor geöffnet. Dabei ist ein entscheidender Vorteil der USA, dass ihnen die Weltsprache Englisch zur Verfügung steht. Begriffe aus anderen Sprachen müssen erst ins Englische übersetzt werden, bevor sie globale Wirkung entfalten können. Ihre gewaltige Kulturindustrie, die ganz Europa und weite Teile der Welt dominiert, dient dann der Verbreitung dieser „Botschaften“. 1. Begriffe besetzen Häufig verbindet sich bereits mit der Wortwahl eine positive oder negative Wertung. Deshalb ist es für die Kriegführenden von großer Bedeutung, möglichst frühzeitig wichtige Begriffe zu besetzen. So wird in unübersichtlichen Situationen oft sogar das Wort „Krieg“ selbst vermieden und stattdessen von „Sanktionen“, „Militärschlag“ oder „Intervention“ gesprochen. So wurde etwa der Algerienkrieg von der französischen Regierung nicht als Krieg bezeichnet, sondern als „Operationen 50 US-Präsident Eisenhower vor einer US-Verlegerversammlung. 51 Reese-Schäfer 2000, S. 213. 52 Lyotard 1986, S. 40.

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Teil VI: Krieg und Information

zur Wiederherstellung der Ordnung“.53 Ein besonders drastisches Beispiel ist die Wortschöpfung „chirurgische Schläge“, die seit dem Zweiten Golfkrieg für Luftangriffe auf vorher festgelegte Ziele gilt. Dieser Begriff suggeriert einen technisch beherrschbaren Krieg im Sinne eines Computerspiels. Dementsprechend wurden Bilder aus den Raketenkameras gezeigt, die sich mit hoher Geschwindigkeit auf Ziele zu bewegten, die dann mit einer Explosion zerstört wurden. Gut und Böse, Schuldige und Unschuldige, Soldaten und Zivilisten können danach angeblich sauber voneinander getrennt werden. Nicht zufällig nannten die Bomberpiloten im Zweiten Golfkrieg den Hebel, mit dem sie die Bomben ausklinken, „Joystick“. Während die US-Militärs im Vietnamkrieg noch von „Präzisionsbombardement“54 sprachen, hat der damalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld im Irakkrieg des Jahres 2003 den Begriff „Smart Bombs“ populär gemacht, der suggeriert, dass Bomben klug genug seien, zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden. Hier wie dort zeigte sich allerdings, dass Bombenangriffe zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern. Um diesen Tatbestand zu verschleiern, wurde der Begriff „Kollateralschäden“ erfunden, der den Eindruck erwecken soll, bei den Bombenopfern handele es sich um versehentlich Getötete, deren Tod eher einem Unfall („Zur falschen Zeit am falschen Ort“) als einer bewussten kriegerischen Maßnahme zuzuschreiben sei. Kriegsberichterstattung spielt bei der Sicherung der „Heimatfront“ stets eine große Rolle. Nur handverlesene Nachrichten sollen die Bevölkerung zu Hause erreichen, um deren Kriegsbegeisterung zu erhalten oder womöglich noch zu steigern. Wurden im Zweiten Golfkrieg Pools aus akkreditierten Journalisten eingerichtet, die leichter zu kontrollieren waren, so brachte der Irakkrieg 2003 eine neue, subtilere Form der Manipulation, den Embedded Journalism, d. h. einen Journalismus unter den „Fittichen“ des Militärs. Handverlesenen Journalisten aus den USA und anderen kriegsbejahenden Ländern wurde Gelegenheit gegeben, nach einer militärischen Kurzausbildung die kämpfenden Truppen zu begleiten und unmittelbar vom Ort des Geschehens zu berichten. Allerdings durfte nur das Material veröffentlicht werden, das zuvor von den militärischen Stellen freigegeben (zensiert) worden war. Es liegt auf der Hand, dass eine emotionale Nähe der Journalisten zu „ihren Soldaten“ eine objektive Berichterstattung erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht. 2. Nachrichtenhoheit Im Krieg gewinnt die Frage besondere Brisanz, wer welche Nachrichten wann und wo platzieren oder aber ihre Verbreitung verhindern kann. Das Erlangen dieser „Nachrichtenhoheit“ zunächst über die eigene, dann aber auch über die feindliche Bevölkerung und ggf. über die „Weltöffentlichkeit“, ist vor allem in Kriegszeiten 53 Erst durch das Gesetz vom 5.10.1999 wurden die „Operationen“ verbindlich durch den Begriff „Algerienkrieg“ ersetzt. 54 Der Journalist Salisbury hatte 1966 in der New York Times diese Legende entlarvt.

Kapitel 2: Krieg der Worte

211

auch für demokratische Regierungen ein erstrebenswertes Ziel. Umso mehr gilt dies für totalitäre Regime bzw. Diktaturen. So war es zu allen Zeiten üblich, den Abdruck unangenehmer „Wahrheiten“ in den eigenen Zeitungen möglichst zu unterbinden. Das gilt natürlich besonders im Zeitalter des „Imperialismus der vierten Großmacht“,55 in dem die Medien zu dem wichtigsten Meinungsbildungsinstrument und damit unverzichtbar für die Propaganda geworden sind. Die großen Boulevard-Zeitungen (tabloids) können die Stimmung für oder gegen einen Krieg anheizen. Das hatten bereits die Nationalsozialisten erkannt, als sie u. a. auf Hetzblätter wie Streichers Stürmer setzten. Wichtiges Instrument zur Kontrolle der Berichterstattung und notfalls zur Unterdrückung unangenehmer Wahrheiten ist die Zensur. Zur Sicherung der Meinungsfreiheit garantieren demokratische Verfassungen daher die Pressefreiheit, und sie verbieten in aller Regel auch ausdrücklich die Vorzensur. Ein Beispiel hierfür ist Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG: „Eine Zensur findet nicht statt“. Allerdings spielt die Zensur von Printmedien oder Rundfunksendungen heute nicht mehr die entscheidende Rolle, da sich jeder uneingeschränkt aus dem Internet, dem schnellsten aller Medien, mit Informationen versorgen kann. Es droht also weniger die Unter- als vielmehr die Überversorgung mit Informationen, da durch eine Flut von Nachrichten schnell der Blick für das Wesentliche verloren gehen kann. Das Ergebnis ist nicht Information, sondern Desinformation. Eine gute Verbindung zur Öffentlichkeit (Public Relations), die durch den Kontakt mit den Medien hergestellt wird, gehört heute zu den wichtigsten Aufgaben nicht nur privater Unternehmen, sondern auch von Regierung, Justiz, Polizei und Militär. PR-Abteilungen und Pressestäbe, welche die Verbindung zu den Medien herstellen und wahren sollen, gibt es heute nicht nur in Konzernen und Regierungen, sondern auch bei Justiz und Militär. So sollte im Irakkrieg das Office of Strategic Influence, das im Jahre 2003 geschaffen wurde, die Interessen der USA weltweit zur Geltung bringen. Gleichzeitig wurde Charlotte Beers, eine der erfolgreichsten Frauen in der US-Werbebranche, zur Staatssekretärin für Public Diplomacy and Public Affairs ernannt. Im US-Verteidigungsministerium, das besonders um sein gutes Image besorgt ist, gibt es einen Assistant Secretary of Defense for Public Affairs.56 Neben den Worten selbst spielt auch die Sprechweise der Berichterstatter eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung durch die Adressaten. Berühmt geworden ist die bedeutungsschwere Sprache der Deutschen Wochenschau während der Zeit des Nationalsozialismus. Das galt nicht nur, aber besonders für die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Auch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik behielt die Darstellung der Ereignisse in der Wochenschau (Stichwort: „Fox’ Tönende Wochenschau“) großen Einfluss. Erst später verdrängte das Fernsehen mit seinen tagesaktuellen Nachrichtensendungen (Stichwort: „Heute-Journal“) die Kino-Wochen­schau allmählich. Aber auch heute heizen die Kriegsberichterstatter im Fernsehen durch kurze, abgehackte Sätze, die gehetzt gesprochen werden, die Stimmung an und er55 Virilio 1989, S. 65. 56 Zurzeit ist das Dorrance Smith, der mehr als zwei Jahre nach dem Rücktritt von Victoria Clarke berufen wurde, was deutlich macht, wie schwierig dieses Amt (zu besetzen) ist.

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Teil VI: Krieg und Information

wecken damit den Eindruck einer apokalyptischen Bedrohung.57 Die vermehrte Verwendung von Militärexperten in der Medienberichter­stattung führt tendenziell zu Militarisierung der Sprache (Stichwort: militainment). 3. Kriegsberichterstattung Über den Krieg sollen und wollen sowohl die Zeitgenossen wie insbesondere die Nachwelt informiert werden. Vor allem der mit gewonnenen Schlachten verbundene Ruhm muss verbreitet werden. Bereits die frühesten Nachrichten betrafen in erster Linie Katastrophen: Kriege, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche und Seuchen. Kriegsberichterstatter arbeiten schon seit längerer Zeit daran, ihren Lesern, später auch Hörern, Zuschauern und Internetnutzern, die Ereignisse des Krieges nahe zu bringen. Dabei spielen Wortwahl und Art der Darstellung, vor allem aber die Zeitspanne zwischen Ereignis und Bericht, eine bedeutende Rolle. Waren die Berichte der Journalisten vom Kriegsgeschehen früher erst nach Wochen in den Zeitungen nachzulesen, so beschleunigte die Telegrafie die Kommunikation erheblich. Später ermöglichten Telefon und Hörfunk eine aktuellere Berichterstattung. Seit der Erfindung des Satellitenfernsehens hat die Live-Über­tragung vom Kriegsschauplatz eine neue Qualität der Mediendarstellung gebracht. Denn erst die Echtzeitberichterstattung lässt den Empfänger der Nachricht quasi zum Teilnehmer des Geschehens werden. Das Internet verstärkt diesen Effekt mit seinen OnlineNachrichten und -Bildern noch. 3.1 Traditionslinien Die Berichterstattung über den Krieg hat bereits eine lange Tradition. Sie beginnt bei den ersten Boten in den Schlachten im antiken Griechenland („Wanderer, kommst du nach Sparta, so berichte, du habest uns hier liegen gesehen“) und setzt sich fort über Dichter und Schriftsteller bis zu den heutigen Journalisten. Die Kommunikationswege waren zu Beginn der Berichterstattung lang und beschwerlich, allerdings herrschte damals ein anderes Zeitgefühl als heute. Oft erfuhr man erst Jahre später von dem kriegerischen Ereignis. Aus dem Altertum sind uns zahlreiche literarische Zeugnisse überliefert, in denen das hohe Lied der Kriegführenden gesungen wird. Die Ilias von Homer ist sicher die bekannteste Dichtung dieser Art, deren Hauptakteure: Agamemnon, Patroklos, Hektor u. a. noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts jedem deutschen Gymnasiasten vertrauter als mancher zeitgenössische Politiker waren. Der bedeutendste Geschichtsschreiber in Sachen Krieg in der Antike war allerdings Tukydides, der ausführlich über den Peleponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta (431–404 v. Chr.) berichtet hat.

57 Seip 2003, S. 1.

213

Kapitel 2: Krieg der Worte

Schaubild 32: Kriegsberichterstattung in historischer Perspektive Epoche

Beschreibung

Ziele und Wirkungen

Antike

Erzeugung von Ruhm durch Legendenbildung (Sparta)

Desinformation Feldherrn, des Gegners, Schreiber und Beeinflussung der Boten öffentlichen Meinung

unbekannt

Frühes 19. Jahrhundert

Entwicklung von Massenmedien und Massenkrieg; Krimkrieg als erster „Pressekrieg“

Zielerweiterung: Auflagensteigerung durch Kriegsberichte

Präzedenzfall: Zensur im Krimkrieg (1856)

Das „Goldene Zeitalter“ von 1860 bis 1914

neue Technologien (Fotografie, Telegrafie) – neuer Aktualitätshorizont

Mediale Inszenie- Institutionalisierung von Krieg als rung des Berufs„fernes Abenstandes teuer“

(so gut wie) nicht vorhanden

Erster Weltkrieg (1914 bis 1918)

Aufbau großer Propagandaapparate zur „geistigen Kriegsführung“ (Ludendorff)

Wirkungshypothese: „Versagen der Publizistik“ bei der Erzeugung von Kriegs­ begeisterung

Journalisten werden von der Front weitgehend ferngehalten

starre und restriktive Handhabung von Zensur und Presselenkung

Zweiter Weltkrieg Expansion und (1939 bis 1945) Perfektionierung der Informationslenkung

Informations­ management

Propaganda­kom- Zensur und panien, erster Nachrichtensperre Kriegseinsatz von Hörfunk und Film

Vietnamkrieg (1964 bis 1973)

Fernsehberichterstattung ermöglicht ersten „Krieg im Wohnzimmer“

Wirkungshypothese: Medienberichterstattung erzeugt AntiKriegsstimmung

Unabhängige Kriegsberichterstatter

Golfkrieg von 1990/91

„Echtzeit“Berichte durch Satellitentechnologie, CNN-Effekt

erfolgreiche mediale Inszenierung von Krieg als Abfolge „chirurgischer Schläge“

Nachrichtenpools: absolute Nachnur „handverlerichtensperre sene“ Journalisten“ werden zugelassen

Irakkrieg von 2003

Satellitentechnologie verfeinert; CNN erhält Konkurrenz durch arabische Nachrichtensender (z. B. Al Dschasira58)

mediale Inszenierung misslingt weitgehend, es wird über Zivil­ opfer und Fehlschläge berichtet

„Embedded Journalism“: akkreditierte USamerikanische und britische Journalisten begleiten die Truppen an die Front

58

Kriegsberichterstatter

erste „unabhängige“ Kriegsberichterstatter

(Quelle: In Anlehung an Dominikowski 1993, S. 33–48 [34]) 58 In anderen Transskriptionen auch „Al Djasira“ oder „Al Jazeera“.

Zensur

erster (und seit 1914 bisher einziger) Krieg ohne offizielle Zensur

Nachrichtensperre lässt sich nur in den USA weitgehend durchsetzen

214

Teil VI: Krieg und Information

Das Neue daran war, dass seine Analyse auf eigene Erfahrung gestützt war: „Ich bin Zeitgenosse dieses Krieges, habe seine Begebenheiten richtig verfolgen können, nicht nur wegen meines Alters, sondern weil ich genaue Nachrichten zu sammeln mich bemühte“.59 Mit fortschreitender Kommunikationstechnologie wurde auch die Zeitspanne zwischen Ereignis und Bericht immer kürzer. Während des amerikanischen Sezessionskrieges wurden überall in den USA Telefonmasten aufgestellt und Leitungen verlegt. Kriegsberichte von der Front konnten nunmehr erheblich schneller übermittelt werden. Telegraf und Telefon, Hörfunk und Fernsehen, Satellitenübertragung und Internet haben den Nachrichtentransfer ständig beschleunigt. Mit der Echtzeitberichterstattung scheint allerdings der Endpunkt erreicht zu sein, sieht man einmal von dem Horrorszenario ab, dass Medienmogule womöglich die Ereignisse für ihre Schlagzeilen, wie Kriege und andere Katastrophen, selbst in Auftrag geben, um stets die Ersten zu sein.60 Betrachtet man die Kriegsberichterstattung in historischer Perspektive, dann lässt sich eine – allerdings notwendig unvollständige – Bilanz ziehen. Schaubild 32 gibt daher für ausgewählte Epochen einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der Kriegsberichterstattung. 3.2 Kriegsberichterstatter „Ohne Deckung durch das Militär ist die Berichterstattung nur aus der Ferne, aus hochgesicherten Hotelzimmern, möglich. Dort aber ist nichts darüber zu lernen, wie komplex die Lage ist“.61 Kriegsberichterstattung kann von staats- und mili­ tärunabhängigen, „freien“ Journalisten betrieben werden, es gibt aber auch spezielle Einheiten innerhalb des Militärs (Propaganda-Kompanien), die diese Aufgabe wahrnehmen. Ein Mittelding stellt der Embedded Journalism dar, da es sich hier um „freie“ Journalisten handelt, die allerdings vom Militär akkreditiert werden und sich in deren Schutz begeben. Unter den staats- und militärunabhängigen Kriegsberichterstattern lassen sich nach der Nähe zum Geschehen wiederum drei Gruppen unterscheiden:62 1. Salon-Journalisten: Sie erhalten ihre Informationen allein aus Pressekonferenzen und verkehren ansonsten auf Empfängen mit den wichtigsten politischen und militärischen Akteuren. 2. Kriegsreporter: Sie recherchieren am Schauplatz des Krieges aus sicherem Abstand mit kalkulierbarem Risiko und steuern der Sensationsgefahr, die der Krieg in sich trägt, gegen. 3. Abenteurer: Sie wollen ihren Einstieg in die Branche oder einen Aufstieg innerhalb der Redaktion durch Frontberichterstattung erreichen. Diese sind oftmals

59 60 61 62

Thukydides 2000. Vgl. etwa den James-Bond-Film Tomorrow never dies. Fichtner 2007, S. 84–98 [88]. Foggensteiner 1993.

Kapitel 2: Krieg der Worte

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fanatisch in die Sache involviert und liegen dann und wann auch kriegsbegeistert im Schützengraben. Während des Burenkrieges war Churchill 1899/1900 als Kriegsberichterstatter für die Briten tätig. Berühmt geworden sind die Berichte in Buchform, die Fontane über den deutsch-dänischen Krieg von 1864, den Krieg gegen Österreich (1866) und schließlich den gegen Frankreich (1870/71) verfasst hat. Napoleons Generalstab in Italien war es, der als erster systematisch Pressearbeit betrieb.63 Hemingway be­obachtete zwischen 1937 und 1939 den Spanischen Bürgerkrieg. Vor allem sein Buch Wem die Stunde schlägt (1940), das mit Gary Cooper und Ingrid Bergmann verfilmt wurde, machte diesen Krieg weltweit bekannt. 3.3 Propaganda-Kompanien Viele Staats- und Armeeführungen misstrauen den „freien“ Journalisten und verlassen sich lieber auf eigenes Personal für die militärische Berichterstattung. Häufig wird von diesen Berichterstattern verlangt, dass sie lediglich Propaganda betreiben. Das gilt z. B. für die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie. Bereits im Mai 1939 rief Goebbels so genannte Propaganda-Kompanien (PK) ins Leben, die zwar in Uniform auftraten und dem Militär unterstellt waren, ihre Berichte aber direkt dem Propagandaministerium zu überstellen hatten. Eine Propaganda-Kompanie sollte aus 250 Männern mit 24 Offizieren bestehen. Die „leichten Trupps“ waren den Divisionen unterstellt und bestanden aus einem Wortberichterstatter, einem Offizier bzw. „Sonderführer“ und einem Bildberichter. Zu Kriegsbeginn standen 13 Propaganda-Kompanien zur Verfügung, die dem Heer, der Luftwaffe und der Marine zugeteilt waren. Die Waffen-SS verfügte über eigene Kriegsberichter-Einheiten. Die Propagandatruppe wuchs im Verlauf des Krieges von 3.650 auf rund 15.000 Mann (einschließlich des Hilfspersonals), was etwa der Stärke einer ganzen Division entsprach. Zum „Chef der Propagandatruppen“ wurde Generalmajor von Wedel ernannt. Bewegliche Druckereien druckten an der Front Millionen von Flugblättern, die von Flugzeugen, mit kleinen Raketen, mit Ballons oder Drachen zum Feind transportiert wurden. 3.4 „Eingebetteter“ Journalismus Propagandatruppen haben – berechtigterweise – den Ruch des Parteiischen an sich. Die militärische PR-Arbeit in westlichen Demokratien ist daher heute bestrebt, den Eindruck der parteilichen Berichterstattung dadurch zu vermeiden, dass „freie“ Journalisten die Kriegsberichterstattung übernehmen. Andererseits hat der Vietnamkrieg gezeigt, dass es das Militär nicht hinnehmen kann, dass alles, also auch negative Nachrichten, von der Front berichtet wird. Eine Kombination aus beiden 63 Kittler 2000.

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Teil VI: Krieg und Information

Elementen, Propaganda und Pressefreiheit, soll nun diese „Quadratur des Kreises“ bewältigen. 3.4.1 Quadratur des Kreises Um die Deutungsmacht der US-Regierung über die zu erwartenden Bilder im Irakkrieg zu erhalten, haben die US-Militärs schon frühzeitig damit begonnen, die „freien“ Journalisten erfahrener Fernsehstationen wie CNN und Fox für ihre Aufgabe als Kriegsberichterstatter (embedded journalist) auszubilden. Erst der Irakkrieg von 2003 hat diese neue Form von Echtzeitberichterstattung aus dem Krieg hervorgebracht. Es handelt sich dabei um handverlesene, zumeist US-ameri­kanische oder britische Journalisten, die von Regierung oder Militär zur Berichterstattung über bestimmte Projekte zugelassen werden. Im Irakkrieg von 2003 waren es über 660 Journalisten, von denen lediglich 100 nichtamerikanische Medien vertraten.64 Da sich solche „eingebetteten“ Journalisten mit den Kampftruppen dem Frontgeschehen nähern dürfen, nehmen sie eine Zwitterstellung zwischen den Mitgliedern von Propaganda-Kompanien im Zweiten Weltkrieg (z. B. den deutschen PKs) und „freien“ Journalisten ein. Ihre Berichte haben dadurch den Anschein ganz besonderer Authentizität. Die Berichterstattung suggerierte, aktuell zu sein, indem sie z. B. einen CNN-Mann zeigte, der auf einem Panzer durch die Wüste rollte. Allerdings müssen sie sich bei ihrer Berichterstattung der militärischen Zensur unterwerfen. Sie sind gewissermaßen „eingebettet“ in die Militärorganisation, begleiten die amerikanischen und britischen Truppen bei Tag und Nacht auf Flugzeugträgern, Luftwaffenstützpunkten, in Panzern und Schützenpanzern in der irakischen Wüste und tragen Helme und Schutzwesten. Sie sind auch bei Kampfhandlungen dabei. Zwar haben sie eine militärische Kurzausbildung in so genannten „Boot-Camps“ auf US-Truppenübungsplätzen hinter sich, sind aber nicht bewaffnet. Trotzdem fühlten sich viele Journalisten als Helden; so traten beispielsweise die Reporter von CNN mit Stahlhelm vor die Kamera. Charakteristisch war die Ausdrucksweise: „Wir kommen voran, wir kämpfen, wir schießen!“ Der CNN-Reporter Rodgers berichtet von seiner Fahrt mit einem Panzer der 3. Squadron des 7. U. S. Cavalry Regiments: „Es ist wie der Bauch eines Drachens; es knurrt und kreischt“. Da die Journalisten nicht nur eng mit den Soldaten zusammenleben, sondern im Ernstfall ihr eigenes Leben von der Kampfkraft der Soldaten abhängt, ist eine gewisse „emotionale Nähe“ der vereinnahmten Journalisten nahezu unvermeidbar. Zudem fehlt ihnen der Überblick über das Gesamtgeschehen. 3.4.2 Korruption durch Nähe Das Kalkül dahinter ist „Korruption durch Nähe“.65 Letztlich wirken die in das Militär integrierten Journalisten als Sprachrohr von Militär und Regierung. Vor Beginn ihrer Arbeit mussten sich die „eingebetteten“ Journalisten verpflichten, 50 Re64 CNN allein stellte etwa 20 Teams. 65 Vgl. Der Spiegel, Nr. 5 vom 27.01.2002, S. 156–158 [158].

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geln einzuhalten, die darauf abzielten, der gegnerischen Seite mit Informationen und Bildern aus dem Blickwinkel eigener Truppen zuvorzukommen. Letztlich entschieden die Kommandeure und Kommandanten vor Ort, welche Information als vertraulich zurückgehalten wurde. Jede Presseagentur, Rundfunkstation und überregionale Zeitung, die es sich leisten konnte, versuchte einen „eingebetteten“ Journalisten als Berichterstatter an der Front zu haben. Einige US-Journalisten, so z. B. Smucker vom Christian Science Monitor und Rivera von Fox-News, mussten auf Wunsch der Militärs den Irak verlassen. Sie waren offenbar zu „neugierig“ gewesen. Umso schwerer wird es den unabhängigen Journalisten gemacht, die sich oft auf abenteuerlichen Wegen Zugang zum Frontgeschehen zu verschaffen suchen. Sie dürfen sich in aller Regel nicht ungehindert bewegen und laufen ständig Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten, verhaftet, verhört und ggf. eingesperrt zu werden. Im Zweiten Golfkrieg kam das Poolsystem zur Anwendung, das bei der Panama-Invasion (1989) entwickelt worden war. Es erlaubte der amerikanischen Regierung, die Journalisten auszuwählen, die als Berichterstatter akkreditiert wurden und ihre Berichte nur nach strenger Militärzensur an die Medien weiterreichen konnten. Hierfür galten spezielle Richtlinien, die jeder Journalist zu beachten hatte: „Vor oder bei Beginn der Kampfhandlungen werden Medienpools eingerichtet, um Vorsorge für eine ernste Kampfberichterstattung der US-Streitkräfte zu treffen. USMedienvertreter in Saudi-Arabien erhalten die Gelegenheit, CENTCOM-Medienpools66 beizutreten […]. Medienvertreter, die nicht Mitglied des offiziellen CENTCOM-Medienpools sind, erhalten keinen Zugang zu den vorderen Gebieten. Reportern wird strengstens davon abgeraten, sich auf eigene Faust Kampfeinheiten anzuschließen“.67 4. Zensur Es liegt auf der Hand, dass die Kriegführenden eine freie Berichterstattung nur solange zulassen, wie sie ihnen nützt oder zumindest keinen Schaden zufügt. Sobald es aber um kriegswichtige Informationen geht, welche die Berichterstatter womöglich dem Gegner – gewollt oder ungewollt – zugänglich machen, werden regelmäßig Zensurmaßnahmen ergriffen. Diese können von einer totalen Nachrichtensperre über das gezielte Unterdrücken missliebiger Informationen bis zur Manipulation und Fälschung gehen. Fehlen konkrete Informationen, dann spielen Gerüchte eine wichtige Rolle, die auch gezielt „gestreut“ werden können. Die Zielrichtung der Manipulation lässt sich auf folgenden Nenner bringen: „Das Pentagon möchte Ihnen helfen, die Story des Pentagon zu vermitteln“.68 Ein Präzedenzfall für die Pressezensur fand bereits während des Krimkrieges statt, bei dem die Militärs mit der für sie neuen Anwesenheit von Journalisten nicht 66 U. S. Central Command für den Nahen Osten. 67 Zitiert nach: Schwilk 1991, S. 69 ff. 68 Bekam 1996, S. 111.

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umzugehen wussten. Besonders drastisch kamen die Folgen freier Berichterstattung freilich im Jahre 1905 bei der Belagerung von Port Arthur im Russisch-Japanischen Krieg zum Ausdruck. Die auf Schiffen stationierten neutralen Kriegsberichterstatter hatten einen weit besseren Überblick über die Bewegungen der kaiserlich japanischen Marine als die russischen Verteidiger. Sie berichteten ihren Zeitungen per Funk, so dass die russische Armee lediglich diese Funksprüche abzuhören brauchte, um über die Aktionen der Japaner informiert zu sein. Es verwundert nicht, dass aus diesem Vorkommnis eine Verschärfung der Pressezensur resultierte.69 Die militärische Führung begründet die Notwendigkeit der Zensur regelmäßig mit der Sicherheit der militärischen Operationen, die dem Feind nicht vorab bekannt werden dürfen. 4.1 Zwei Arten von Zensur Zwei Arten von Zensur lassen sich dabei unterscheiden, die direkte und die indirekte Zensur:70 1. Direkte Zensur: Sie zielt unmittelbar auf das Vorenthalten von Informationen gegenüber den Medien ab. Dazu gehört die Kontrolle und Selektion des Bildund Tonmaterials, Drehverbote an bestimmten Orten, Nachrichtensperre, Beschlagnahme von Bild- und Tonmaterial, bewusstes Verzögern der Datenübertragung an die Heimatredaktionen, Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Journalisten. 2. Indirekte Zensur: Mit ihr wird mittelbar auf die öffentliche Meinung eingewirkt. Hierbei stellt das Militär professionelles und qualitativ hochwertiges Bild- und Tonmaterial zur Verfügung, das unkommentiert ausgestrahlt werden kann. Durch Manipulation von Drehorten für Kommentare und Interviews kann den Informationen eine bestimmte Richtung gegeben werden. Pressekonferenzen der Militärs werden exakt vorbereitet und geprobt. Beide Formen der Zensur ergänzen sich gegenseitig. Werden durch das Militär Nachrichten oder Bilder zurückgehalten, werden die entstandenen Lücken mit vorgefertigten Videobeiträgen, Meldungen und Bildern aufgefüllt. Im Zweiten Golfkrieg wurde die Zensur anhand der bereits genannten Richtlinien von CENTCOM praktiziert: „Im Falle von Kampfhandlungen werden Arbeiten aus dem Pool unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob sie sensible Informationen über militärische Pläne, Kapazitäten, Operationen oder Schwachstellen […] enthalten, die den Ausgang einer Operation oder die Sicherheit der US- oder verbündeten Streitkräfte gefährden könnten. Das Material wird einzig und allein auf die Übereinstimmung mit den beigefügten Grundregeln hin überprüft, nicht aber, um Kritik zu üben oder Verwirrung zu stiften. Der offizielle Begleiter wird die Berichte aus dem Pool prüfen. Er wird Probleme bezüglich der Grundregeln mit dem Berichter69 Vgl. Kittler 2000. 70 Weischenberg 1993, S. 67.

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statter diskutieren und – in begrenztem Umfang, wo eine Einigung über das zur Diskussion stehende Material nicht erzielt werden kann – dieses sofort an das Joint Information Bureau (JIB), Dharan, senden. Dort wird es durch den Direktor des JIB und den entsprechenden Medienvertreter geprüft. Wenn auch hier keine Übereinstimmung erzielt werden kann, wird das Material an die OASD (PA) zur Überprüfung durch den zuständigen Büroleiter gesandt. Die letzte Entscheidung über die Veröffentlichung wird von dem Presseverband im jeweiligen Herkunftsland des Reporters getroffen“. Nach der Public Affairs Guidance, die von CENTCOM erlassen wurde, waren von der Berichterstattung ausgeschlossen Informationen über − Truppenstärke, Waffensysteme und Ausrüstung der Alliierten − Standort der alliierten Streitkräfte − Geplante, aufgeschobene und gestrichene Operationen der alliierten Streitkräfte − Geheimdienstaktivitäten (Ziele, Methoden, Ergebnisse) − Details über Einsatzpläne − Truppenbewegungen der alliierten Truppen − Identifikation der Ausgangsbasen, von denen Luftangriffe geflogen wurden − Effektivität oder Ineffektivität der Tarnung, Täuschung, Zielsicherheit, des direkten oder indirekten Beschusses, der Informationsbeschaffung und der Sicherheitsmaßnahmen − Spezifische Angaben über vermisste, abgeschossene oder versenkte Flugzeuge und Schiffe, solange noch Such- oder Rettungsaktionen im Gang sind − Methoden, Ausrüstung und Taktik von Spezialeinheiten. 4.2 Propaganda und „Gleichschaltung“ In einem Krieg hat die Propaganda Aufgaben, die sich an unterschiedliche Adressaten richten. Zwar pflegen auch demokratische Regierungen in Kriegszeiten die Meinungs- und Pressefreiheit ihrer Bürger einzuschränken. Totalitäre Regime gehen dabei allerdings deutlich weiter. Sie sorgen dafür, dass nur ihnen genehme Journalisten arbeiten können und dass nur systemkonforme Informationen weitergegeben werden. Meist werden zur Abschreckung hohe Strafen für abweichendes Verhalten verhängt. Die Nationalsozialisten hatten bereits im Jahre 1933 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter der Leitung von Goebbels geschaffen, der durch das Reichskulturkammergesetz vom 22. September 1933 dazu ermächtigt wurde, alle Angehörigen geistiger und künstlerischer Berufe zwangsweise in Kammern zu organisieren und „gleich zu schalten“. Der Begriff „Gleichschaltung“ stammt ursprünglich aus der Elektrotechnik und bezeichnete im Nationalsozialismus71 die Ausrichtung von Organisationen, Institutionen, Parteien, Verbänden, Ver71 Reichsjustizminister Gürtler bei der Formulierung des Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31.03.1933.

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einen und letztlich jedes Bürgers auf die NS-Ideologie.72 So unterstanden der Reichskulturkammer die Reichsschrifttumkammer, die Pressekammer und die Reichsrundfunkkammer. Ein Ausschluss aus der zuständigen Kammer bedeutete für den betroffenen Journalisten ein Berufsverbot. Mit dem Schriftleitergesetz vom 4. September 1933 wurde der Zugang zum Beruf des Redakteurs durch Gesinnungstests und „Rassekriterien“ beschränkt. Im Jahre 1935 wurde Reichspresseschulen gegründet, um den Nachwuchs im eigenen Sinne zu schulen. Diese Maßnahmen wurden durch die Mundpropaganda verstärkt. Dabei wurden Informationen nicht von offizieller Seite vorgetragen, vielmehr waren es bestimmte Journalisten, aber auch einfache Parteimitglieder, die auf diese Weise Nachrichten im gewünschten Sinne verbreiten sollten. 5. Feindbilder in der Presse Besonders in Kriegszeiten legen die Kriegsparteien größten Wert darauf, den Gegner durch bestimmte, negativ besetzte Bezeichnungen zum Feind zu stempeln. Damit lässt sich die Hemmschwelle der Soldaten senken, wenn sie auf einen anderen Menschen schießen sollen. Die Deutschen, die den Briten offenbar viel zu ähnlich waren, wurden im Ersten Weltkrieg als „Hunnen“ tituliert, um sie als unzivilisierte, asiatische Reiterhorde darstellen zu können. Damit wurde auf eine Rede Kaiser Wilhelm II. angespielt, der am 27. Juli 1900 zur Beendigung des Boxer-Aufstandes in China einen unglücklichen Vergleich gebraucht hatte:73 „Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch Euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ 5.1 Schurkenstaaten und Untermenschen Die nationalsozialistische Propaganda wertete die Russen zu „Untermenschen“ ab. Saddam Hussein wurde zu Beginn des zweiten Golfkrieges zum „Wiedergänger“ Hitlers stilisiert. Die Iraner werden gegenwärtig als „Islamofaschistten“ abqualifiziert, um sie für die amerikanische Öffentlichkeit in die Nähe der Nazis zu rücken und damit einen Krieg gegen den Iran zu rechtfertigen. US-Präsident Reagan titulierte die Sowjetunion als das „Reich des Bösen“, und einer seiner Nachfolger, G. W. Bush, wandelte diese einprägsame Formulierung in „Achse des Bösen“ ab, um damit den inneren Zusammenhang zwischen bestimmten, als feindlich angesehenen Staaten zu symbolisieren. Zu diesen so genannten „Schurkenstaaten“ (rogue 72 www.shoa.de/gleichschaltung_der_medien.html. 73 Penzler (Hrsg.) o. J., S. 209–212.

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states) gehören aus amerikanischer Sicht neben dem Irak ursprünglich auch der Iran, Syrien, Nordkorea und Libyen. Als sich bereits im Spätherbst 2002 abzuzeichnen begann, dass Bush für den von ihm gewünschten Krieg gegen Saddam Hussein keine große Unterstützung finden würde, wurde der Begriff coalition of the willing für die eigenen Parteigänger und bald darauf coalition of the weasels74 für die Gegner eines solchen Krieges geprägt. Besonders markant war die Äußerung von US-Verteidigungsminister Rumsfeld, der seiner Verärgerung über die deutsche Antikriegshaltung damit Ausdruck verlieh, dass er – kalkuliert – Deutschland in einem Atemzug mit Libyen und Kuba nannte.75 Worte und Bilder treffen beim Empfänger auf mentale Dispositionen, die zu einer negativen oder positiven Einordnung des Gehörten bzw. Gesehenen führen. Betreffen solche Dispositionen die Bewertung menschlicher Individuen, ethnischer oder religiöser Gruppen bzw. ganzer Völker, dann spricht man von Feindbildern. Feindbilder spielen im Krieg eine zentrale Rolle,76 zum einen für die Bewertung des Krieges und der Kriegführenden, zum anderen für die Ausrichtung der Propaganda. Das Image vom Feind wird zu diesem Zweck so gestaltet, dass es geradezu zwangsläufig abstoßend wirkt und negative Assoziationen beim Betrachter auslöst.77 Hierzu finden sich zahlreiche Beispiele aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Es ist also durchaus konsequent, dass Art. 13 der 3. Genfer Konvention den Schutz von Kriegsgefangenen vor „öffentlicher Neugier“ vorschreibt. Nicht nur die Einschüchterung von Kriegsgefangenen ist verboten, sondern auch ihre „würdelose Behandlung“. 5.2 Feinde statt Gegner Bereits mit der Bezeichnung einer Handlung oder eines Akteurs lässt sich die Bewertung zum Ausdruck bringen. Die Soldaten aller Nationen haben ihren Gegnern Spitznamen gegeben, um ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation oder Truppe auf den Punkt zu bringen. Im Zweiten Weltkrieg nannten die Deutschen die britischen Soldaten „Tommies“, die amerikanischen „Amis“ und die russischen „Ivans“. Umgekehrt wurden die deutschen Soldaten wegen ihrer angeblichen Vorliebe für Sauerkraut „Krauts“ und die französischen Soldaten von den angloamerikanischen Truppen in Anspielung auf das Verspeisen von Froschschenkeln „Frogs“ genannt. Alle diese Bezeichnungen sind weitgehend neutral; sie werden regelmäßig erst dann emotional aufgeladen, wenn man den Soldaten der anderen Seite Untaten vorwirft, die man selber natürlich niemals begehen würde. Weniger neutral ist hingegen eine Bezeichnung, die auf rassische Merkmale abstellt, wie z. B. „Schlitzaugen“ für Asiaten. Zu dieser Art von Propaganda gehören auch die positive Darstellung der Handlungen der ei74 Das „weasel word“, das im Amerikanischen regelmäßig für ein anderes, nicht ausgesprochenes Wort steht, spielt auf Feiglinge an. 75 FAZ vom 13. Februar 2003. 76 Vgl. Voigt (Hrsg.) 1989. 77 Vgl. Voigt 1996, S. 338 f.

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genen Armee und die Abwertung der Aktionen der anderen Seite. Die eigenen „Jungs“ kämpfen stets heldenhaft, während die feindlichen „Horden“ allenfalls verbissen kämpfen. Schaubild 33 gibt einen Überblick über die Verwendung von Freund-Feind-Bildern in der britischen Presse während des Zweiten Golfkrieges. Schaubild 33: Freund-Feind-Bilder in der Presse während des 2. Golfkrieges Freund

Feind

Wir haben die Armee, die Luftwaffe, die Marine, Instruktionen für die Berichterstattung, Communiqués

Sie haben eine Kriegsmaschinerie, Zensur, Propaganda

Wir holen heraus, unterdrücken eliminieren, neutralisieren, graben uns ein

Sie zerstören, töten, verkriechen sich in ihren Löchern

Wir starten den Angriff als Präventionsmaßnahme

Sie starten Raketenangriffe aus dem Hinterhalt ohne Vorwarnung

Unsere Männer sind Jungs, Kerle

Ihre Männer sind Truppen, Horden

Unsere Jungs sind Profis Sie kämpfen mit Löwenmut Sie sind vorsichtig, zuversichtlich Sie sind Helden, junge Helden der Lüfte Sie sind teuflisch gut Sie sind Wüstenratten Sie sind tapfer, loyal, resolut

Ihre Truppen sind: Opfer der Gehirnwäsche, Feiglinge, Papiertiger, verzweifelt, in die Enge getrieben, Kanonenfutter, blind gehorsam, Bastarde von Bagdad, tollwütige Hunde, skrupellos grausam

Unsere Jungs sind motiviert durch ihr lange gewachsenes Pflichtbewusstsein

Ihre Soldaten sind motiviert durch die Furcht vor Saddam

Unsere Geschosse verursachen Verluste auf beiden Seiten

Ihre Geschosse verursachen Verluste bei der Zivilbevölkerung

Wir feuern präzise

Sie feuern auf alles, was sie am Himmel sichten

George Bush (sen.) ist im Einklang mit sich selbst, entschlossen, staatsmännisch, zuversichtlich

Saddam Hussein ist verrückt, verstockt, ein übler Tyrann, ein total verrücktes Ungeheuer

(Quelle: Becker 2002, S. 142–172 [148])

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6. War Message Seit dem Übergang von den Kabinettskriegen zu den modernen Kriegen in Massengesellschaften pflegen Staatsoberhäupter ihr Volk mit einer besonders zündenden Rede darüber in Kenntnis zu setzen, dass sie einen Krieg zu führen beabsichtigen oder bereits begonnen haben. Da die Bevölkerung einerseits die Hauptlast im Kriege zu tragen hat, andererseits jedoch die Regierung (weiter) unterstützen soll, erscheint es als notwendig, die Menschen von der Unabweisbarkeit des Waffenganges zu überzeugen. Für eine Demokratie gilt dies umso mehr, als in aller Regel die Zustimmung des Parlaments benötigt wird, um eine offizielle Kriegserklärung zu beschließen, zumindest jedoch, um die für einen Krieg erforderlichen zusätzlichen Geldmittel zu bewilligen. In Deutschland ist die Rede Kaiser Wilhelms II vom 4. August 1914 vor dem Deutschen Reichstag besonders bekannt geworden, in der er angesichts des beginnenden Ersten Weltkrieges den innenpolitischen Streit für beendet erklärte und die berühmte Formel gebrauchte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“ Reden können zwar ein Land nicht unmittelbar verändern, sie können jedoch eine u. U. nachhaltige Wirkung haben. Von Washington (1789–1797) stammt der Ausspruch „Auf den Krieg vorbereitet zu sein, gehört zu den effektivsten Mitteln den Frieden zu erhalten“.78 So wandte sich z. B. US-Präsident F. D. Roosevelt in seiner Antrittsrede im Jahre 1933 direkt an das Volk und machte mit dem Satz „[…] das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Angst“,79 Geschichte. Bezeichnenderweise reagierte nicht die versammelte Menge auf diesen Satz, vielmehr wurde er erst durch die Berichterstattung in den Zeitungen berühmt. Es war die erste Rede, die aufgezeichnet und in den USA landesweit in Theatern als Tonfilm gezeigt wurde. Truman verkündete in seiner Rede vor dem Kongress am 12. März 1949, Aufgabe der USA sei es künftig, „freie Völker zu unterstützen, die dem Versuch der Unterjochung durch bewaffnete Minderheiten oder durch Druck von außen, widerstehen“.80 In den USA hat die War Message eine lange Tradition, in der sich bestimmte Stereotypen und Verhaltensregeln herausgebildet haben, die auch heutige Reden charakterisieren. US-Präsident Bush sen. sagte in seiner Rede an die Nation am 17. Januar 1991 nach dem Sieg über den Irak: „Als Präsident kann ich der Nation melden, dass die Aggression niedergeschlagen wurde. Der Krieg ist vorbei. Wir kommen wieder nach Hause. Stolz, voller Vertrauen, mit erhobenen Köpfen. Wir sind Amerikaner“. Und seit dem Vietnamdesaster wird immer wieder beschworen: „It will not become a new Vietnam!“.81 Die war massage enthält ein für das amerikanische Publikum erwartbares Esemble aus festen Motiven, Topoi, Bildern und Mythen.82 Jeses Detail des Redetextes und des Gesamtarrangements der Rede ist Er78 „To be prepared for war is one of the most effectual means of preserving peace“. 79 „[…] the only thing, we have to fear is fear“. 80 “[…] to support free peoples who are resisting attempted subjugation by armed minorities or by outside pressures“. In: Compston/Seidman 2003, S. 196. 81 Vgl. McNamara 1996. 82 Volmert 1993, S. 198–230 [198].

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gebnis einer sorgfältigen Planung von Experten. Zu den Stereotypen gehören die Friedensrhetorik sowie das Insistieren darauf, dass die Vereinigten Staaten von Amerika einen gerechten Krieg führen. Dabei spielen auch religiöse Symbole wie das Kreuz eine wichtige Rolle. „Die Kameraperspektive ist so gewählt, dass hinter dem Sprecher ein großes dunkles, nicht spiegelndes Fenster sichtbar wird“. Durch leichtes Versetzen der Bildachse „erscheint ein – sonst verdecktes – Fensterkreuz als komplettes Kreuz-Zeichen direkt über der rechten Schulter des Akteurs“.83 Auch ein Beispiel aus einer Rede von G. W. Bush zur Lage der Nation illustriert diese Tendenz: „Wir wollen Frieden. Wir streben nach Frieden. […] Wenn uns Krieg aufgezwungen wird, werden wir für eine gerechte Sache mit gerechten Mitteln kämpfen – die Unschuldigen in jeder uns möglichen Weise verschonend“. 7. Krieg der Symbole Für den Erfolg eines Krieges ist der Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen zumeist von ausschlaggebender Bedeutung. Zumindest der eigenen Bevölkerung muss der Sinn des Krieges einleuchten, damit sie bereit ist, Opfer auf sich zu nehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die politische Führung die unterschiedlichsten Methoden und Instrumente ein. Ein großer Teil dieses Krieges der Gefühle spielt sich auf der symbolischen Ebene ab. Mythen bilden den emotionalen Hintergrund, sorgen für die gefühlsmäßige Unterstützung des Krieges durch die Menschen. Hierzu gehört die Idee des Kreuzzuges oder ganz allgemein der Kampf der/ des Guten gegen die/das Böse(n). Riten dienen dazu, die Gegenwart mit einer ruhmreichen Vergangenheit zu verknüpfen. Als die Rote Armee am Ende in einer erbitterten und verlustreichen Schlacht im Mai 1945 die Reichshauptstadt Berlin erobert hatte, ließ sie – als Zeichen des Sieges – durch zwei Sergeanten der Roten Armee die Sowjetfahne auf dem Reichstag hissen. Das (nachgestellte) Foto von diesem Ereignis ging um die Welt. Der Symbolwert wurde noch einmal hervorgehoben, als die sowjetische Post später eine Briefmarke mit diesem Motiv auflegte. Das Ende der Herrschaft des Diktators Saddam Hussein wurde in Bagdad durch das Niederreißen der riesigen Saddam-Statue auf dem Firdos-Platz am 9. April 2003 symbolisch besiegelt. Zuvor hatten US-Soldaten die Präsidentenpaläste „entweiht“, indem sie die privaten Gemächer Saddams betraten. Die unsensible Form der Hausdurchsuchung durch US-Soldaten, bei der diese auch in die Schlafzimmer der Frauen vordrangen und die Wüde der Männer durch demütigende Behandlung vor den Augen ihrer Familie verletzten, trog zur Steigerung des Hasses auf die Besatzer bei. Massendemonstrationen von Muslimen und die Zerstörung US-amerikanischer Einrichtungen in vielen Teilen der Welt waren die Folge eines Newsweek-Berichtes über die würdelose Behandlung von Koran-Exemplaren im US-amerikanischen Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba. Mohammed-Kari­katuren in dänischen Zeitungen lösten zur Jahreswende 2005/2006 weltweit – z. T. äußerst gewalttätige – Proteste von Muslimen aus. Dieser Krieg der Symbole stieß in der westlichen 83 Volmert 1993, S. 202.

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Öffentlichkeit weitgehend auf Unverständnis. Sollten die muslimischen Proteste – z. B. als „Schere im Kopf“ – allerdings Erfolg haben, so dass bestimmte Handlungen im Hinblick auf die möglichen Folgen von vornherein unterlassen würden (Abdruck von Fotos, Ausstellen von Bildern, Aufführen von Theaterstücken) wäre das eine herbe Niederlage für den Rechtsstaat durch das (mehr oder weniger freiwillige) Einschränken eines wichtigen Grundrechts. Gerade der Terrorismus „lebt“ von Symbolen, für oder gegen die er kämpft. So sind die Anschläge von 11. September 2001 vor allem als Kampf gegen die Symbole US-amerikanischer Hegemonie in Wirtschaft, Militär und Politik zu verstehen.84 Nicht zufällig richteten sie sich gegen das World Trade Center, gegen das Pentagon und – wenn auch erfolglos – gegen das Weiße Haus.

84 Lübbe 2004, S. 53–60 [59].

Kapitel 3: Krieg der Bilder Der moderne Krieg lebt von Bildern, er kann durchaus zum verführerischen telegenen Spektakel werden.85 Etwas drastischer ausgedrückt: „War sells!“ Krieg verkauft sich nicht nur selbst gut, sondern mit ihm lässt sich auch im Geschäft mit Bildern und Informationen (Medien, Werbung) viel Geld verdienen. Die Einschaltquote schnellt in die Höhe, die Werbeeinnahmen steigen deutlich an. Diplomatische Aktivitäten zur Vermeidung von Krieg suchen sich mühsam ihre Bilder, militärische Aktionen strotzen hingegen geradezu von Ausdruckskraft und Spannungspotenzial. Damit entsprechen sie genau den Ansprüchen von Medien und Journalisten. Bilder sprechen ihre eigene Sprache. Sie haben den Anschein der Wahrheit auf ihrer Seite, obgleich sie oft lediglich montierte Ausschnitte aus der Realität darstellen oder sogar schlicht gefälscht sind. 1. Waffen im Medienkrieg Im Krieg spielen Bilder nicht nur eine wichtige Rolle für die Kriegspropaganda, sondern sie können u. U. sogar kriegsentscheidende Bedeutung erlangen. Bilder sind zu Waffen im Medienkrieg geworden. Das gilt vor allem dann, wenn es der einen Seite gelingt, die – möglichst weltweit wirksame – Interpretationsherrschaft darüber zu erlangen, wer die gerechte Sache vertritt. Gibt es hingegen alternative Bildquellen, also z. B. Sender der Gegenseite, wie z. B. Al Dschasira, die ihrerseits in der Lage sind, weltweit Bilder zu verbreiten, treten die Bilder in Konkurrenz und verlieren damit an propagandistischer Durchschlagskraft. Das Gegenmittel ist dann eine Zensur von staatlicher Seite oder aber eine mehr oder weniger freiwillige Selbstkontrolle der Medien (Selbstzensur). Allerdings ist die Reichweite dieser Maßnahmen oft auf den eigenen Staat begrenzt. Kritisch wird eingewandt, dass das Fernsehen „seine Identität mit der Waffentechnik schon verraten“ habe, als es „die kurzlebigen Fernsehbilder aus dem Gefechtskopf angreifender Marschflugkörper übernahm“.86 Umgekehrt schreibt sich das Fernsehen – nicht nur in Deutschland – selbst die Rolle des Öffentlichen Gewissens zu. Es möchte also alles zugleich sein: Beobachter, Teilnehmer und Richter. Bilder wirken weit stärker und unmittelbarer als Worte. Sie sprechen für sich, sie enthalten und transportieren ihre eigene Botschaft. Waren es zunächst Gemälde von Schlachten und später Zeichnungen, die in den Zeitungen veröffentlicht wurden, so boten Fotografie und Film neue Möglichkeiten aktueller Bildberichterstattung. Die Digitalisierung der Fotos erlaubt heute nicht nur ihre blitzschnelle Übertragung per Datentransfer, sondern auch die „perfekte“ Bildbearbeitung von der 85 Günther 2000; Vad 2002, S. 7. 86 Kittler 2000.

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bloßen Manipulation bis hin zur Fälschung (fakes). Im Zweiten Weltkrieg wurden in den Kinos Wochenschauen gezeigt, die – propagandistisch aufgearbeitete – Filmszenen des kriegerischen Geschehens enthielten. Nach dem Kriege musste das Fernsehen zunächst ebenfalls auf Filmmaterial zurückgreifen, bis die Digitalisierung der Bilder, die Sendetechnik im Inland und die Satellitenkommunikation auch im Ausland eine Live-Berichterstattung aus dem Kampfgebiet möglich machten. Es ist daher kein Zufall, dass die Kriegführenden alles daran setzen, dass nur die von ihnen autorisierten Bilder gesendet werden. Dies lässt sich kaum anders als durch Zensurmaßnahmen bewirken. 2. Propaganda im Film Zur Propaganda dienen Spielfilme ebenso wie Fernsehberichte, das Zeigen oder aber Verbergen von Bildern wie auch das Fälschen von Bildern. Die Aufnahmen des irakischen Fernsehens von getöteten, verletzten und gefangenen US-Soldaten zu Beginn des Irakkrieges von 2003 wären durchaus geeignet gewesen, der amerikanischen Öffentlichkeit einen Schock zu versetzen. Aus früheren Militäreinsätzen (z. B. Somalia) ist bekannt, welch demoralisierende Wirkung die Bilder von gefallenen und misshandelten US-Soldaten auf die Amerikaner haben. Gezeigt wurden Leichen von mehreren Soldaten in US-Uniformen, die in Blutlachen lagen. In einer anderen Sequenz waren fünf nervöse und offensichtlich eingeschüchterte US-Gefangene zu sehen, die nach Namen, Herkunft, Alter und den Gründen ihres Einsatzes im Irak befragt wurden. Diese Bilder wurden von Al Dschasira wiedergegeben. Die großen amerikanischen Fernsehsender ABC, CNS und MSNBC beugten sich hingegen dem Druck der US-Regierung und verzichteten auf das Ausstrahlen dieser Bilder. CNN oder NBC zeigten nur kurze Ausschnitte oder Standbilder aus dem Video. Dabei wurde deutlich, dass die Eigentümer bzw. Chefredakteure dieser Sender in den USA eine bedeutende Rolle als „patriotische Filter“ für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten und Bildern spielen.87 Der damalige USVerteidigungsminister Rumsfeld warf der irakischen Führung vor, sie verwende die Bilder zu Propagandazwecken und verwies darauf, dass die Genfer Konvention (Art. 13) zum Umgang mit Kriegsgefangenen solche Aufnahmen nicht erlaube. Dessen ungeachtet wurden die Bilder irakischer Kriegs­gefangener wiederholt von den US-amerikanischen Fernsehsendern ausgestrahlt. 2.1 Spielfilme Im Gegensatz zum Standbild erzeugt der Film gleichzeitig eine „Dynamisierung des Raumes“ wie auch eine „Verräumlichung der Zeit“,88 die beim Betrachter Faszination auslöst. Als visuelles Medium bedient sich aber auch der Film bestimmter 87 Albrecht/Becker (Hrsg.) 2002. 88 Panofsky 1993, S. 22 ff.

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Bildstereotype, die grafischen Vorbildern entstammen.89 Auf diesen Formenschatz der politischen Bildsprache wird auch bei Spielfilmen, welche die Kriegsbegeisterung steigern sollen, zurückgegriffen.90 Bereits im Ersten Weltkrieg wurde sichtbar, welche staatsbürgerliche Rolle der Film zu spielen hat. Der Film war zunächst stumm, erst nach dem Ersten Weltkrieg kam der Tonfilm.91 Der Film wurde schon früh zu Zwecken der Propaganda und Gegenpropaganda, z. B. zur gezielten Fehlinformation der Gegenseite, eingesetzt. Zentral ist dabei die stereotype Antwort auf die Frage: „Wer sind die Guten, wer sind die Bösen?“ Das Ergebnis kann in der Kreation, zumindest aber in der Verfestigung eines Feindbildes liegen. Harlans Hetzfilm Jud Süß ist ein besonders drastisches Beispiel für die mediale Ausgestaltung eines – in diesem Falle antisemitischen – Feindbildes.92 Berühmt geworden sind freilich gerade jene Filme, welche die „Botschaft“ nur unterschwellig transportieren. Sehr viel subtiler wirkt z. B. der alliierte Propagandafilm Casablanca mit den Schauspielern Ingrid Bergmann und Humphrey Bogart, der heute auch bei vielen Deutschen Kultstatus genießt.93 Da insbesondere Filmstars und erfolgreiche Filmregisseure inzwischen mit zu den wichtigsten Meinungsträgern gehören, werden ihre Äußerungen zum Krieg nicht nur vom Publikum, sondern auch von den Regierungen besonders aufmerksam verfolgt. Amerikanische Künstler, die sich gegen die Kriegspolitik von US-Präsident G. W. Bush ausgesprochen bzw. an Antikriegsdemonstrationen teilgenommen haben, mussten in den USA zeitweilig mit Auftritts- und Drehverboten rechnen.94 Auch die nationalsozialistische Filmindustrie brachte nicht nur Propagandafilme im engeren Sinne, sondern auch scheinbar unpolitische Filme hervor, die ein Millionenpublikum anzogen und z. T. noch heute gern gesehen werden. Die „Helden“ dieser Filme – wie Hans Albers, Heinz Rühmann, Hans Moser, Paul Hörbiger u. a. – erfreuten sich auch nach dem Kriege allgemeiner Beliebtheit.95 Auf der anderen Seite standen Regisseure wie Hitchcock und Buñuel, die auf den ersten Blick als „unverdächtig“ erscheinen, im Dienst alliierter Kriegspropaganda. Das Raffinierte sowohl an den Filmen der Alliierten wie an denen der Nationalsozialisten ist, dass man ihnen ihre Absicht nicht ohne weiteres anmerkt. Diese Indienstnahme von Regisseuren hat nach dem 11. September 2001 eine neue Dimension erhalten. Katastrophen wie Aufprall und Explosion einer vollbesetzten Passagiermaschine in ein Hochhaus hatte es im Film längst gegeben.96 Was lag da für die US-Regierung näher, als die schöpferische Fantasie erfolgreicher Katastrophen89 90 91 92 93

Müller (Marion G.) 1997. Machura/Voigt (Hrsg.) 2005. Vgl. Kittler 2000. Das Buch Jud Süß stammt ursprünglich von Lion Feuchtwanger, Feuchtwanger 1991. Allerdings wurde dieser Film unmittelbar nach dem Krieg in einer stark gekürzten deutschen Fassung vorgeführt, weil man meinte, den Deutschen diese Form von Propaganda nicht zumuten zu können. 94 Das galt z. B. für die Dixie Chicks, weil ihre Sängerin Natalie Maines einen Tag vor Beginn des Irakkrieges bei einem Pop-Konzert in London erklärt hatte: „Wir schämen uns dafür, das der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stammt“. 95 Vgl. Dokumentarfilm Hitlers nützliche Idole (Teile 1–3). 96 Die Idee stammt aus den Turner Diaries des Jahres 1978, MacDonald 2006, S. 200–204.

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filmregisseure in Hollywood heranzuziehen, um bereits im Voraus etwas über möglicherweise drohende, aber bisher unbekannte Katastrophen zu erfahren, um dann entsprechende Vorsorge treffen zu können. 2.2 Mediale Mobilmachung Während im vormedialen Zeitalter die technische Mobilmachung der Soldaten von besonderer Bedeutung war, um einen Krieg überhaupt führen zu können, spielt heute die mediale Mobilmachung der Bevölkerung die wichtigste Rolle. Die eigenen Bürger sowie die Weltöffentlichkeit werden mit Hilfe von PR-Strategien auf den Krieg eingestimmt. Die Regierung selbst bedient sich professioneller Werbefachleute, um das gewünschte Image zu erhalten. „Wir verkaufen ein Produkt“, rechtfertigte der damalige Außenminister Powell solche Reklamebemühungen. Journalistenteams werden z. B. auf einen Flugzeugträger eingeladen, um dort besonders schöne Fernsehbilder machen zu können. Kampflugzeuge vor der untergehenden Sonne am Persischen Golf haben ihre eigene Ästhetik. Krieg ist dabei für viele Fernsehsender eine bloße Frage der Optik, der Geräusche und des „wohligen“ Erschauerns (thrill). Den Betreibern der Fernsehsender geht es letztlich nur um die Einschaltquote. Unterstützt werden die Bemühungen der Regierung von patriotischen Nachrichtensendungen der Fernsehsender, wie z. B. mit der Sendung Target Irak des US-Senders Fox oder Showdown von CNN. Den Fernsehzu­schauern wird damit im sicheren Wohnzimmer der Eindruck des Beteiligtseins vermittelt, zumal Live-Berichterstatter direkt und in Echtzeit vom Ort des Geschehens berichten. Dabei wird die komplexe sicherheitspolitische Lage mit all ihren Voraussetzungen und möglichen Folgen gern auf den Kampf zwischen Gut und Böse reduziert. Da die Grundhaltung der Bevölkerung zu Nation, Krieg und Militär für die USStreitkräfte von zentraler Bedeutung ist, beobachten diese die Filmproduktion in Hollywood mit besonderer Sorgfalt. Ein Verbindungsbüro in Los Angeles mit besonders geschulten Offizieren prüft die Anträge von Filmproduzenten und Filmregisseuren auf Hilfestellung. Um Soldaten als Komparsen, Flugzeuge, Kriegsschiffe etc. preisgünstig oder sogar kostenlos für den geplanten Film zu bekommen, muss zuvor das Drehbuch eingereicht werden. Dieses wird sorgfältig im Hinblick auf die Haltung zu Militär, Nation und Krieg geprüft, ggf. werden (auch umfangreiche) Änderungsvorschläge gemacht. Ohne die Ressourcen des Militärs sind Filme mit Szenen aus dem Kriegsgeschehen aber kaum zu finanzieren. Die Produzenten nehmen daher die Eingriffe des Militärs in ihre künstlerische Freiheit in aller Regel klaglos hin. 2.3 Leitmedium Fernsehen Mediale Darstellungen beruhen auf kulturellen Formen des Wissens, zu deren Bestand die für eine Gesellschaft typischen Diskursarten und Wahrnehmungsmuster gehören. Als kulturelles Leitmedium hat das Fernsehen auf die Aufnahmebereit-

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Teil VI: Krieg und Information

schaft und Verarbeitungsweise von Informationen auch in anderen Medien entscheidenden Einfluss.97 Nicht nur seine Visualisierungen, sondern auch seine Verbalisierungen wirken prägend: „Die Art, wie das Fernsehen die Welt zeigt, wird zur Art, wie wir die Welt sehen“.98 Dabei macht sich zugleich eine Entwicklung bemerkbar, die das Fernsehen auch im Bereich der Nachrichtensendungen und politischen Magazine erfasst, der Trend zum Infotainment, zur Unterhaltung mit Hilfe von Informationen. Hier zeigt sich eine Form der Amerikanisierung, die letztlich auf einem kriegsbedingten Vorsprung der USA auf dem Gebiet der Fernsehtechnik beruht. Während Deutschland und Großbritannien zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 die Weiterentwicklung des zivilen Fernsehens einstellten, gewannen die Vereinigten Staaten durch ihren späteren Kriegseintritt (1917) damals bereits die erforderliche Zeit, um die Technik marktreif zu machen. Heute muss auch die politische Botschaft quasi auf den „Flügeln der Unterhaltung“ daherkommen. Besonders versierten Politikern, wie z. B. dem früheren US-Vertei­di­gungsminister Rumsfeld, gelingt es dann sogar, das unterhaltende mit dem propagandistischen Element des Fernsehens zu einem Advertainment zu verschweißen. 3. Mediale Wirklichkeit Das Fernsehen ist für die Propaganda besonders wichtig, da seine Bilder authentisch wirken. Dieser „Mythos des Authentischen“ wirkt auch dann noch nach, wenn längst bekannt ist, dass Bilder mit Hilfe von Computeranimation so manipuliert werden können, dass dies für den Betrachter unsichtbar bleibt. Es liegt auf der Hand, dass gerade das Medium „Bild“ bevorzugt zur Beeinflussung des Wahrnehmungshorizonts der Menschen eingesetzt wird. Offenbar gibt es kein festes Bild der Wirklichkeit, da sich der Mensch der Wahrheit bekanntlich nur graduell annähern kann (Platon). Diesem Gedanken tragen die Konstruktivisten Rechnung, indem sie folgende Unterscheidung treffen: Wirklichkeit ist alles das, „was durch menschliches Wirken als menschliches Wissen hervorgebracht worden ist“ und Realität ist jene Realität, die „als solche existieren soll, bevor ein Erlebender überhaupt in sie hineingekommen ist“.99 Daraus ließe sich dann die folgende Charakteristik entwickeln, die letztlich zu den in Schaubild 34 dargestellten drei relevanten Typen von Realität führt.

97 Grewenig 1993, S 231–268 [234 f.]. 98 Meyer 1992, S. 108 ff. 99 Von Glasersfeld 1998, S. 11–39 [42].

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Kapitel 3: Krieg der Bilder

Schaubild 34: Drei relevante Typen von Realität Ereignisse Aufzeichnung

Darstellung

Einstellung

objektive politische Realität konstruierte politische Realität

Konstruktion

subjektive politische Realität

Wahrnehmung (Quelle: Vgl. Swanson 1991, S. 11)

In einem weiteren Schritt muss der Blick allerdings stärker auf die Probleme gerichtet werden, die in der Absicht der Realitätsveränderung auf Seiten des Absenders und der Wirkung dieser Manipulation auf Seiten des Adressaten liegen. Ein geradezu klassisches Beispiel hierfür ist die Fernsehberichterstattung über eine Parade zu Ehren des Kriegshelden General McArthur am 26. April 1951 in Chicago, die von Kurt und Glady Lang beschrieben worden ist.100 Das Fernsehen hatte ein Ereignis von historischer Dimension erwartet, tatsächlich war der Empfang aber eher kühl und die Parade langweilig. Den Fernsehzuschauern wurde hingegen das Bild einer begeisterten Menge und eines enthusiastischen Empfangs vermittelt. Gezeigt wurden die Schwerpunkte mit der meisten Publikumsaktivität, gemischt mit Großaufnahmen einzelner, besonders begeisterter Zuschauer sowie durch einen dramatischen Kommentar.101 Dabei spielt der so genannte Reziprozitätseffekt eine wichtige Rolle, der ein Ereignis bereits durch die bloße Tatsache der Berichterstattung entscheidend verändert. Denn immer dort, wo Kameras postiert sind, kommen zumeist viele Leute zusammen, um durch Winken und Jubeln die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Bilder dieser Szenen erwecken dann beim Zuschauer den entsprechend positiven Eindruck. Aber auch die nachträgliche Deutung eines Ereignisses hat u. U. Auswirkungen auf die Wahrnehmung. Insofern gewinnt die Deutungshoheit gerade im Krieg eine möglicherweise kriegsentscheidende Bedeutung. 3.1 Wahrnehmungsänderung Steht die Wahrnehmung eines Konflikts und der daran beteiligten Menschen einer beabsichtigten kriegerischen Intervention im Wege (Beispiel: Roosevelt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs), dann „muss“ diese mit medialen Mitteln verändert werden. Ein neueres Beispiel für die Wahrnehmungsänderung bietet der Kosovokrieg. Dort führten die herzzerreißenden Fernsehbilder von weinenden Flüchtlingskindern zu einer Veränderung der Einstellung gegenüber den Kriegsparteien. Hatten die Deutschen bis dahin eher einen negativen Eindruck von den Kosovo-Albanern, schlug die herrschende Vorstellung in Deutschland angesichts der Flüchtlingstrecks 100 Lang (zit. nach Schulz 1987) 101 Schulz 1987, S. 129–144 [139].

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Teil VI: Krieg und Information

und Flüchtlingslager in Sympathie und Spendenbereitschaft um. Die Kriegführenden bedienen sich inszenierter Bilder, um ein ihnen genehmes Weltbild zu erzeugen oder zumindest zu verstärken. Drei Arten von inszenierten Bildern kom­men hierfür in Betracht:102 − Erregung und Empörung: Dabei geht es um Bilder, welche die öffentliche Empörung über diejenigen, gegen die die militärische Aktion gerichtet ist, auf hohem Niveau halten. − Emotionale Betroffenheit: Hier geht es um Bilder, die jenes Mitgefühl erzeugen, das nur in einer heiklen Balance zwischen desinteressierter Langeweile und angeekeltem Überdruss aufrecht erhalten werden kann. − „Chirurgische Schläge“: Dies sind Bilder, die den Eindruck einer Zerstörungskraft erwecken, die Opfer vermeidet, Gewalt gegen Zivilisten minimiert und säuberlich zwischen Guten und Bösen unterscheidet. Für die politische Durchsetzbarkeit einer militärischen Intervention ist es u. U. von ausschlaggebender Bedeutung, wie die Zuschauer die Ereignisse im Interventionsgebiet (Afghanistan, Balkan, Osttimor etc.) wahrnehmen. Dabei wird selten thematisiert, dass das Fernsehen seine eigene konstruierte „Wirklichkeit“ hervorbringt.103 Wer garantiert also dem Zuschauer, dass das, was er im Fernsehen sieht, auch wirklich (so) geschehen ist? Für den Golfkrieg hat das den französischen Philosophen Baudrillard zu der provokanten Behauptung gebracht, dieser „Krieg“ habe in Wahrheit gar nicht stattgefunden, sondern sei lediglich ein Medienspektakel.104 Tatsächlich kann der Zuschauer nicht mit letzter Sicherheit beurteilen, ob die gezeigten Aufnahmen tatsächlich vom Kriegsschauplatz stammen oder im Studio nachgestellt wurden. Die damalige rot-grüne Bundesregierung verwendete das „Massaker von Račak“ und den „Hufeisenplan“ als Kernstücke ihrer Begründung.105 Beide Ereignisse werden allerdings heute von Experten ernsthaft in Zweifel gezogen.106 Der dritte Fall ist der Afghanistankrieg, in dem die US-Armee den Medien – zumindest bis zur Eroberung Kabuls – nur ausgesuchte Bilder zur Verfügung stellte („Krieg gegen ein Land im schwarzen Medienloch“), so dass sich kaum ein Beobachter ein realistisches Bild vom Kriegsgeschehen und von den Kriegsfolgen vor Ort machen konnte.107 3.2 Realitätsänderung? War es früher üblich, Fotos durch Ausschneiden, Retouchieren bzw. Kopieren zu manipulieren, was relativ leicht zu durchschauen war, bietet heute die Digitalisierung ungeahnte neue Möglichkeiten von Veränderungen, die sich kaum noch fest102 Hall 2001, S. 7–18 [10]. 103 Swanson 1991, S. 11 f. 104 Baudrillard 1995. 105 Ein angeblich serbisches Strategiepapier für die ethnische Säuberung des Kosovo. 106 Vgl. FAZ Nr. 15 vom 18. Januar 2001, S. 49. 107 Vgl. Der Spiegel, Nr. 41 vom 8.10.2001, S. 74.

Kapitel 3: Krieg der Bilder

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stellen lassen. Beliebt ist das so genannte Morphing, bei dem durch den Einsatz computergenerierter Verzerrungen z. B. ein Bild in ein anderes überführt wird. Der Film potenziert diese Möglichkeiten noch. Durch Computeranimation lassen sich nicht nur Standfotos so manipulieren, dass zumindest der Laie nichts davon bemerkt, sondern auch im Film Handlungsabläufe so verändern, dass Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten gelebt haben und gefilmt wurden, scheinbar real aufeinander treffen. So schüttelt etwa der Schauspieler Tom Hanks in dem Spielfilm Forrest Gump dem Jahrzehnte zuvor ermordeten US-Präsidenten Kennedy die Hand. Unter Einsatz kürzlich entwickelter Computerprogramme ist es jetzt auch möglich, Gesichtsmimik und Mundbewegungen einer Person im Film so zu überblenden, dass dieser Person ein fremder Text unterlegt werden kann.108 In Wirklichkeit wird die Stimme durch einen speziellen Rechner generiert, um z. B. falsche Befehle auszulösen109. Massenmedien sind also nicht bloße Mittler von Realität, sondern sie sind selbst Akteure in dem interaktiven sozialen Prozess der Wirklichkeitskonstruktion.110 Der moderne Medienkrieg blendet bestimmte Wirklichkeitsbereiche, wie das Ausmaß der Zerstörungen oder die Zahl der Opfer, einfach aus. Die Einsatzmöglichkeiten für politische Propaganda – gerade auch im Krieg – liegen auf der Hand. 3.3 Manipulation und Fälschung Der Zweite Golfkrieg hat bei vielen Menschen den Eindruck der massiven Manipulation, wenn nicht sogar der Fälschung hinterlassen. Der deutsche Fernsehjournalist Bresser gelangte 1992 zu der folgenden Einschätzung: „Nach allem, was man heute weiß, ist zu sagen: es wurde auf westlicher Seite mehr manipuliert, getäuscht, gelogen als auf der irakischen – nicht so offensichtlich zwar, dafür viel systematischer“.111 So wurde etwa von amerikanischer Seite zu Beginn des Krieges die irakische Truppenstärke mit 540.000 Mann beziffert, später stellte sich heraus, dass es sich allenfalls um 350.000 Soldaten gehandelt hatte.112 Der Bericht einer Krankenschwester vor Ort von Säuglingen, die in Kuwait von den Irakern in ihren Brutkästen ermordet worden waren, erregte die westliche Öffentlichkeit. Später stellte sich heraus, dass es sich bei der „Krankenschwester“ um die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA handelte und die Story frei erfunden war. Besonders drastisch wurde die Inszenierung des Krieges deutlich, nachdem irakische Scud-Raketen Israel getroffen hatten. Um den „Ernst“ der Lage zu zeigen, ließ CNN in seinen Studios in Jerusalem und Tel Aviv Moderatoren und Politiker (u. a. Netanjahu) mit Gasmasken auftreten. Allerdings war für den aufmerksamen Zuschauer die Simulation durchschaubar, da im Hintergrund ein Studiotechniker zu sehen war, der seine 108 In Deutschland steht dazu ein fast unbegrenztes Know-how aus der Synchronisation einer großen Zahl fremdsprachiger Spiel- und Dokumentarfilme zur Verfügung. 109 Arndt 2005, S. 97. 110 Schulz 1976; Tuchmann 1978; Kindelmann 1994, S. 16. 111 Bresser 1992, S. 65. 112 Röhl 1992, S. 232.

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Teil VI: Krieg und Information

Arbeit ohne Gasmaske verrichtete.113 Die deutschen Fernsehsender übernahmen zumeist die CNN-Darstellungen, ohne sie überprüfen zu können. Der enorme „Berichterstattungsdruck“ – täglich sahen ca. 11 Mill. Zuschauer die Sondersendungen von ARD und ZDF – zwang sie dazu, lieber zensierte und ggf. sogar verfälschte Berichte als gar keine Berichte zu senden. 4. Echtzeitberichterstattung Im Vor-Fernseh-Zeitalter war es üblich, Flugblätter hinter den feindlichen Linien abzuwerfen, die Sinn und Legitimität des Einsatzes der gegnerischen Soldaten in Frage stellten. Heute dienen Radio- und Fernsehsendungen (z. B. „Al Hurra“, für den Mittleren Osten) zur Propaganda oder Gegenpropaganda114. Denn mit der Etablierung der arabischsprachigen Fernsehsender Al Dschasira und Al Arabiya haben die USA ihr Monopol bei der Bilderkontrolle verloren.115 Verstärkt kommt auch das Internet als Kommunikationsmedium hinzu, dessen Inhalte allerdings sehr viel schwerer zu kontrollieren sind. Autoritäre Regime wie die Volksrepublik China haben damit auch in Friedenszeiten größte Probleme, weil sie keine „Gegenöffentlichkeit“ zulassen wollen bzw. können. Für die Vereinigten Staaten war es nur schwer zu ertragen, dass der arabische Sender Al Dschasira erfolgreich das amerikanische Nachrichtenmonopol durchbrochen hat. Bereits im Vietnamkrieg hatte eine US-Regierung erstmals erleben müssen, dass sich die Medienberichterstattung gegen sie selbst und ihre gescheiterte Indochina-Politik richtete. Die amerikanischen Kriegsanstrengungen in Vietnam kamen vor allem deshalb zu einem abrupten Ende, weil große Teile der eigenen Bevölkerung, einschließlich der Kriegsveteranen, in Massendemonstrationen gegen den Krieg auf die Straße gingen.116 Sie hatten die grausigen Bilder des sinnlosen Krieges im Fernsehen gesehen. 4.1 Kampf der Giganten Die Live-Berichterstattung von CNN117 veränderte den Fernsehkrieg zum Echtzeitkrieg. Mit den Worten: „CNN ist das 16. Mitglied im UN-Sicherheitsrat“ hatte der damalige UN-Generalsekretär Boutros Ghali die Bedeutung des Senders charakterisiert. Der erste CNN-Krieg war der Somaliakrieg (1993), bei dem die USA ihr Engagement abrupt beendeten, als die Bilder von toten US-Piloten über den Bild113 Beham 1996, S. 114 f. 114 Folgerichtig war es während des Zweiten Weltkrieges der deutschen Bevölkerung verboten, Feindsender (z. B. BBC) zu hören. 115 Seit 2003 sendet der vom arabischen Königshaus finanzierte Sender Al Arabiya aus Katar, Elter 2005, S. 212, 363. 116 Schließlich gelang es Außenminister Kissinger in Geheimverhandlungen, die er im Auftrag von Präsident Nixon führte, mit der Gegenseite ein Arrangement auszuhandeln, das den USA den Rückzug aus Vietnam ermöglichte, vgl. Wölfl 2005. 117 Cable News Network, begründet von Ted Turner.

Kapitel 3: Krieg der Bilder

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schirm gingen, die von der johlenden somalischen Menge durch die Straßen von Mogadischu geschleift wurden. Den wirklichen Durchbruch brachte für CNN allerdings erst der Zweite Golfkrieg, so dass sich die 15 Mill. US-Dollar, die der Sender in die Vorbereitungen investiert hatte, auszahlten. In Deutschland wurde CNN durch die Live-Berichterstattung des CNN-Reporters Arnett aus Bagdad populär, als dieser seinen Zuschauern in den USA, Asien und Europa vom Dach des Hotels Al Rashid aus die Wirkung der Bomben in der irakischen Hauptstadt in dem Moment zeigen konnte, in dem sie einschlugen. Vor allem die Beschreibung der donnernden Einschläge und der Ruhepausen zwischen den Luftangriffen beeindruckte die Zuschauer und Zuhörer. Letztlich spielte sich die Berichterstattung nur auf der emotionalen Ebene („Kampf des Guten gegen das Böse“) ab. Um Exklusivbilder aus Bagdad senden zu können, musste der Sender allerdings die Bedingungen Saddam Husseins für die Berichterstattung akzeptieren. Dazu gehörten die ständige Überwachung durch einen Mann des irakischen Geheimdienstes sowie der Verzicht auf Berichte über militärische Ereignisse und über die Stimmung in der irakischen Bevölkerung. Zudem war diese Live-Berichterstattung nur möglich, wenn der Berichterstatter auf die Überprüfung der Informationen verzichtete. Die Nachrichten spielten damit nicht mehr die Hauptrolle, an ihre Stelle traten Hintergrund, Kommentare und individuelle Meinungen. Alle anderen Teams waren durch die irakische Regierung des Landes verwiesen worden. Da sowohl die US-amerikanische wie die irakische Führung die CNN-News sahen, bedienten sich beide Seiten des Senders zu ihrer eigenen Information, aber auch um ihre „Botschaften“ der anderen Seite zu übermitteln. Die Bedeutung des Senders wurde in einer Frage des CNN-Korrespondenten während eines Interviews von Saddam Hussein deutlich, ob dieser eine Nachricht für Präsident Bush habe: „Das ist eine Gelegenheit, direkt mit ihm zu sprechen“.118 4.2 Gegenöffentlichkeit Im Afghanistankrieg versuchte die US-Regierung, jede Live-Berichterstattung aus dem Kampfgebiet zu unterbinden. Das Ergebnis waren zunächst die bekannten „grünen“ Fernsehbilder als Ausdruck der Desinfomation. Für die Medien war es unmöglich, diese Bilder zuzuordnen und auf ihre Echtheit hin zu überprüfen.119 Diese Lücke wurde zumindest teilweise durch Allouni geschlossen, den Afghanistan-Korrespondenten des Senders Al Dschasira, der sich nicht einmal scheute, bin Laden per Video-Einspielung zu Wort kommen zu lassen.120 Dieser Sender wurde 1996 von Scheich Chalifa al-Thani im Golfemirat Katar als erster panarabischer Informationskanal gegründet,121 so dass die USA keinen direkten Einfluss auf die Berichterstattung hatten.122 Später wurden auf diesem Weg auch grausame 118 Virilio 1997, S. 14. 119 Schultze 2003, S. 5. 120 Schließlich sendete auch CNN – allerdings kommentierte – Ausführungen bin Ladens. 121 Elter 2005, S. 112 ff. 122 Allerdings wird der Vorwurf gegen den Direktor von Al Dschasira Dschassim al-Ali erhoben,

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Teil VI: Krieg und Information

Bilder von verletzten und getöteten palästinensischen Kindern gezeigt, die Opfer israelischer Granaten geworden waren.123 Auf diese Weise nahm der Druck auf die US-Regierung allmählich zu, ihren „Schützling“ Israel zu militärischer Mäßigung und zu Verhandlungsbereitschaft zu drängen. Während des Irakkrieges 2003 zeigte Al Dschasira sowohl die Bombenopfer unter der irakischen Zivilbevölkerung als auch tote und gefangen genommene alliierte Soldaten. Beides lag nicht im Interesse der Regierung der Vereinigten Staaten, die alles unternommen hatte, um die einheimischen Fernsehsender von einer Ausstrahlung dieser Bilder abzuhalten. 4.3 Umgekehrter CNN-Effekt CNN wurde durch den Zweiten Golfkrieg zur globalen Medienmacht Nummer Eins. Weit mehr als die Hälfte (ca. 61 %) der Amerikaner glaubten damals, dass CNN die beste Kriegsberichterstattung aller Sender liefere. Mit einem großen finanziellen Aufwand hatte der CNN-Gründer Turner sein Sendenetz ausgebaut. CNN-Fernsehteams berichteten aus Kairo, Jerusalem, Riad, Amman, Dhahran, Bahrein und Bagdad. Die Glaubwürdigkeit des Senders wurde als außerordentlich hoch eingeschätzt. Dieser so genannte CNN-Effekt, der allerdings von verschiedenen Seiten bestritten wird,124 kann aber auch umgekehrt wirken. Denn kritisiert wird von den Medien nicht nur die kriegerische Aktivität einer Regierung, sondern unter Umständen auch ihre Untätigkeit. Verbreitet das Fernsehen die Bilder humanitärer Katastrophen, dann steigt der Druck der Öffentlichkeit auf die Regierung, etwas dagegen zu unternehmen. Dies zeigte sich bereits im Falle der Somalia-Intervention,125 später beim Kosovokrieg und im Tschetschenienkrieg. Auf ähn­liche Weise geriet US-Präsident G. W. Bush im Vorfeld des Afghanistankriegs unter großen Handlungsdruck. Die amerikanische Öffentlichkeit verlangte geradezu nach einem massiven Gegenschlag als Antwort (Revanche) auf die Terroranschläge vom 11. September 2001.

er habe mit dem irakischen Geheimdienst zusammengearbeitet, vgl. Der Spiegel, Nr. 22 vom 26.5.2003, S. 104–106. 123 Vgl. den Leitartikel von Udo Ulfkotte „Krieg der Bilder“, FAZ Nr. 245 vom 22.10.2001. 124 Vgl. Mermin 1997, S. 385–403. 125 Vgl. Rezwanian-Amiri 2000, S. 177.

Teil VII: Kriegsinstrumente

Die wichtigsten Instrumente des Krieges sind Menschen, Waffen und Geld. Kriege sind nicht ohne Menschen zu führen, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren und fähig sind, zu kämpfen und zu töten. Auf die Krieger und ihr Kriegshandwerk ist also besonderes Augenmerk zu richten. Aber auch die Kriegstechnik (Strategie und Taktik, Instrumentarium, Technologie) ist von großer, manchmal ausschlaggebender Bedeutung für den Kriegsausgang. So hatte das deutsche Militär zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Bedeutung des Flugzeugs nicht richtig eingeschätzt und wurde zudem von den Tanks (Panzern) der Briten überrascht. U-Boote verschafften den Deutschen zwar in beiden Weltkriegen militärische Vorteile, waren aber in ihren Einsatzmöglichkeiten aus unterschiedlichen Gründen begrenzt. Teils scheiterte ihr Einsatz an technischen Problemen (Stichwort: Tauchboot), teils an der zu geringen Zahl von U-Booten, teils daran, dass der U-Bootkrieg mit Hilfe der Weltöffentlichkeit als moralisch verwerflich tabuisiert wurde. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen zwar die waffentechnische Entwicklung – z. B. mit Düsenflugzeug und Raketen – erstaunlich weit vorangetrieben, im Kampf mit den USA fehlten dem Deutschen Reich dann jedoch die materiellen und finanziellen Ressourcen, um diesen technologischen Vorsprung zu nutzen. Den Amerikanern standen hingegen Mittel in schier unbegrenztem Umfang zur Verfügung, so dass sie während des Krieges und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg die eigene und die von den Deutschen erbeutete Kriegstechnologie energisch weiter entwickeln konnten. 1. Krieg und Industrialisierung Je besser die Soldaten ausgebildet, je wirkungsvoller die Waffensysteme, je effiezienter die Industrie und je unproblematischer die Finanzierung ist, desto mehr Siegesaussichten scheint eine Streitmacht zu haben. Bis zur Industrialisierung Europas im 19. Jahrhundert waren die Herstellungsmöglichkeiten für Waffen in quantitativer Hinsicht begrenzt. Die Qualität wurde hingegen durch Handarbeit garantiert. Im Vordergrund des Kriegsgeschehens standen die Krieger, die im Dreißigjährigen Krieg noch als Landsknechte aufgetreten waren, in den Kabinettskriegen durch gepresste Bauernsöhne in festen Marschformationen ersetzt wurden und schließlich zu den Massenheeren aus Wehrpflichtigen und Berufssoldaten wurden, die auch heute noch überwiegend das Bild vom Militär prägen. Auch im Zeitalter der Manufakturen konnte die Waffenproduktion nur unwesentlich gesteigert werden. Erst die industriellen Produktionsmethoden führten schließlich zu den Waffenmengen, die von Massenarmeen benötigt werden. Die Verwendung von Spezialstählen ermöglichten es etwa der Firma Krupp, Kanonen bzw. Mörser (Stichwort: „Dicke Bertha“)

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Teil VII: Kriegsinstrumente

herzustellen, die der deutschen Artillerie im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 durch Reichweite (bis zu 14,2 km) und Durchschlagskraft einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Franzosen verschafften. Bereits im Ersten Weltkrieg erwies sich die Leistungsfähigkeit der Industrie als kriegsentscheidend. Die Frage, wie schnell die Verluste an Material ersetzt und neue, wirkungsvollere Waffensysteme entwickelt werden können, trat in den Mittelpunkt. War für den Ersten Weltkrieg noch die furchterregende Wirkung von neuen britischen Panzern von entscheidender Bedeutung, so ging es im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg für Deutschland nicht zuletzt um die Frage, in welchem Zeitraum z. B. U-Boote, Flugzeuge und (später) Raketen in ausreichender Zahl und Qualität hergestellt werden konnten. Es fehlte nicht nur an Lufttransportkapazität, sondern generell an Rohstoffen sowie vor allem an vor Luftangriffen sicheren Produktionsanlagen. Die V-Waffen bedrohten die britischen Inseln, sie hätten allerdings in viel größerer Zahl eingesetzt werden müssen, um kriegsentscheidend zu werden. Es waren dann die Vereinigten Staaten von Amerika, die eine gigantische Kriegsökonomie aufbauten, die Kriegsschiffe, Flugzeuge, Panzer, Kanonen, Gewehre, Munition etc. in einem bis dahin nicht gekannten Umfang produzierten. Letztlich siegte die überragende Wirtschafts- und Finanzkraft der USA über die rohstoffarmen Gegner in Europa und im Pazifik. Da der Krieg große Geldmengen verschlingt, müssen auch besondere finanzielle Vorkehrungen getroffen werden. Dazu werden mit Steuern und Kriegsanleihen vor allem die eigenen Staatsbürger, ggf. aber auch die Einwohner besetzter Territorien, herangezogen. 2. Bild des Kriegers Von den archaischen Anfängen, als jeder erwachsene Mann den Kriegerstatus hatte, über Kriegerkasten in einzelnen Gesellschaften bis hin zu Rittern und Landsknechten, Söldnern, Wehrpflichtigen und Berufssoldaten, hat sich das Bild des Kriegers nachhaltig geändert. Das zeigt sich auch an der Bekleidung. Herrschten bei den archaischen Kriegern Kriegsbemalung und Tätowierung vor, so waren die Landsknechte bunt schillernd gekleidet, bis schließlich die Soldaten – besonders in den Kabinettskriegen – rote oder weiße Hosen mit prächtigen Röcken und Mützen, Goldtressen und bunten Paspellierungen trugen. Erst im Ersten Weltkrieg wurde die preußische Pickelhaube, die weithin sichtbar blitzte und ein vorzügliches Ziel für Scharfschützen abgab, mit einem feldgrauen Überzug versehen. Die Uniformen wurden schlichter und zweckmäßiger, aber noch im Zweiten Weltkrieg wurden die Soldaten im Winter durch schwere Stoffmäntel und unzulängliche Ausrüstung behindert. Lediglich Fallschirmspringer, Flieger und U-Boot-Besat­zungen waren zweckmäßig gekleidet. Die Amerikaner entwickelten schließlich für den Koreakrieg Kampfanzüge, Kampfstiefel und eine genau auf den Einsatz abgestimmte Ausrüstung, die heute fast alle Armeen der Welt übernommen haben. Die Raumfahrt



Der Stückpreis für das Geschütz betrug 1 Million Mark, jeder Schuss kostete ca. 1.500 Mark.

Teil VII: Kriegsinstrumente

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verstärkte diesen Trend noch, indem sie neue Materialien entwickeln half, die heute im Sport, aber auch beim Militär verwendet werden. An die Stelle von Massenheeren sind mobile Einheiten getreten, die schnell und gezielt zuschlagen können. Moderne Kommunikationsmittel machen es möglich, diese Einheiten aus der Ferne zu führen. Das verändert allerdings auch die Anforderungen an die Soldaten, die ein weit größeres technisches Wissen haben müssen als ihre Vorgänger im 20. Jahrhundert. Weltweit betrachtet hat sich das Bild des Kriegers signifikant gewandelt. Die hohe Wertschätzung insbesondere der adligen Offiziere, die das Bild der wilhelminischen Gesellschaft prägte, gehört der Vergangenheit an. Der Soldatenberuf hat sich auf weite Strecken vergleichbaren zivilen Tätigkeiten, wie Katastrophenschutz, Polizei und Feuerwehr, angepasst. Lediglich der Kombattantenstatus im Krieg unterscheidet die Soldaten noch von den Zivilisten. Die durch Völkerrecht und militärische Gehorsamspflichten „zivilisierten“ Soldaten westlicher Industriegesellschaften gibt es zwar noch, ihnen steht aber inzwischen der „archetypisch wirkende“ Kämpfer gegenüber, der als „Urban Warrior“ oder als „Gotteskrieger“ – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – bereit ist, ggf. sogar seinen Körper als Waffe einzusetzen. Hinzu kommen die militärisch organisierten Räuberbanden von Warlords und zunehmend auch Kindersoldaten. Umgekehrt scheint sich in einigen westlichen Gesellschaften eine Re-Militarisierung anzubahnen, wobei die Amerikaner, wie so oft, die Vorreiterrolle spielen. Sie pflegen nicht nur die Tradition ihrer Militärakademien, allen voran West Point, besonders, sondern beziehen auch Universitäten und Schulen ein. Mit der Bildung von Junior Reserve Officer Training Corps an den High Schools werden bereits die Schüler in Uniform militärisch gedrillt, zugleich wird damit ihre Bereitschaft gesteigert, zur Armee zu gehen. Die Europäer bleiben dem gegenüber skeptisch. 3. Kriegstechnologie Neben den Bevölkerungsstärken waren die Technologien stets auschlaggebend für den Kriegsausgang. Wer über die bessere Waffentechnik verfügte, hatte in aller Regel einen Vorteil, der kaum auf andere Weise wettgemacht werden konnte. Tatsächlich hat sich vor allem im Hinblick auf die Waffen eine geradezu revolutionäre Entwicklung vollzogen, die von Schwert, Armbrust und Muskete über Kanone, Flugzeug, Panzer und U-Boot bis zur satellitengesteuerten Drohne und zur intelligenten Bombe (smart bomb) führt. Marchflugkörper (cruise missiles) verfügen durch ein elektronisches Zielerfassungssystem über eine große Treffgenauigkeit. Die Computertechnologie erlaubt die Vernetzung der kämpfenden Soldaten mit ihren u. U. weit entfernten Gefechtszentralen. Es werden Befehl (command), Kontrolle (control), Kommunikation (communication), Computer und Nachrichtendienst (intellegence service) mit einander verknüpft (C4I). Das Zukunftsbild des Soldaten ist nicht mehr nur von Sprechfunk und Nachtsichtgeräten, sondern auch  

Vgl. Vad 2002, S. 7. Vgl. Der Spiegel, Nr. 22 vom 26.5.2003, S. 69.

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Teil VII: Kriegsinstrumente

von Laptop und „Bildschirmbrillen“ geprägt. Daneben gibt es freilich immer noch die mit Macheten und Kalaschnikow bewaffneten Primitivkrieger. In den HightechKriegen des 21. Jahrhunderts werden die regulären Streitkräfte jedoch von technologischen Kriegern dominiert. Drohnen und Roboter suchen für sie nach Sprengfallen und Hinterhalten im Häuserkampf. Die technische Revolution des Militärs enthält folgende Elemente: – Intelligente Waffensysteme: Zielgenauigkeit von Bomben, Raketen und Marschflugkörpern durch eingebaute topografische Flugpläne, Infrarotsensoren und satellitengestützte Navigation (GPS). – Robotereinsatz: Entwicklung von Kampfrobotern und telegesteuerten Robotfahrzeugen (auch für den Transport) sowie fliegenden Kleinstspionen, die den Soldaten entlasten sollen. – Mensch-Maschine-Systeme: Koppelung von Mensch und Waffentechnik durch die Informationstechnologie; die Soldaten verfügen über Nachtsichtgeräte, Kopfhörer, Mikrofone und Bildschirmbrillen und sind mit der Befehlszentrale vernetzt, sie liefern automatisch Positionsdaten und Videobilder vom Kampfgeschehen. – Digitalisiertes Schlachtfeld: Mit den von Soldaten, Robotern und Drohnen gelieferten Daten können die Kommandeure die Schlacht wie ein Videospiel auf dem Bildschirm verfolgen und lenken. – Nichttödliche Waffen: Waffensysteme, die den Gegner lediglich kampfunfähig machen sollen, spielen eine zunehmende Rolle, dazu gehören Impulswaffen, Taser und das Versprühen halluzinogener Substanzen. Zu bombardierende Ziele werden mit Laser markiert. Immer neue wissenschaftliche Erfindungen werden für militärische Zwecke genutzt. Wissenschaftler werden damit zu unverzichtbaren Helfern des Militärs. Zunächst werden die Arbeiter in den Rüstungsbetrieben, dann die Wissenschaftler in den kriegswichtigen Laboratorien zu Angriffszielen des Gegners. Dabei verliert der Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten, zwischen Kombattanten und Non-Kombattanten, an Trennschärfe, bis sich selbst Krieg und Frieden zum Verwechseln ähneln. 4. Finanzierung des Krieges Ließ sich noch zu Napoleons Zeiten der Krieg im Wesentlichen aus der mitgeführten Kriegskasse sowie aus dem Land heraus finanzieren, das man sich zu erobern anschickte, so werden heute für reguläre Truppen ungeheure Finanzmittel benötigt, um Waffensysteme und Truppen bereitzustellen und zum Einsatzort zu befördern. Zudem hat sich das Verhältnis von Kampf- und Versorgungstruppen deutlich zu Gunsten der Letzteren verändert. Auch illegale Finanzierungsmethoden sind seit Langem bekannt. So hatten die Nationalsozialisten etwa die Goldreserven besetzter Länder an sich gebracht und durch Umschmelzen sowie mit Hilfe Schweizer Ban

Herberg-Rothe 2003, S. 130 f.; vgl. auch Gray 1997.

Teil VII: Kriegsinstrumente

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ken zu Geld gemacht, um die deutschen Militärausgaben im Zweiten Weltkrieg zu finanzieren. Heute erheben Kriegsherren Wegezölle an willkürlich errichteten Straßensperren im Konfliktgebiet, erpressen Kriegssteuern von ihren Landsleuten in der Diaspora etc. Wirksame Waffen in der Hand von Söldnern, Terroristen und Marodeuren, wie z. B. die „berühmte“ Kalaschnikow, Gewehrgranaten oder Tellerminen, sind zu niedrigen Preisen in großer Menge überall zu kaufen. Die beträchtlichen Finanzmittel, über die das terroristische Netzwerk al-Qaida verfügt, könnten von saudischen Sympathisanten stammen. Da diese Mittel für die Finanzierung terroristischer Anschläge unverzichtbar sind, liegt der Gedanke nahe, den Terrorismus durch das Austrocknen seiner Finanzquellen zu bekämpfen. 5. Waffenhandel Weltweit werden Waffen unterschiedlichster Art gehandelt. Insbesondere Handfeuerwaffen, aber auch größere Waffen kann der Interessierte überall kaufen. Die Arsenale der ehemals Roten Armee, der chinesischen Volksbefreiungsarmee und anderer Streitkräfte sind randvoll. Durch Maschinenpistolen und ähnliche Waffen sind in den letzten 30 Jahren etwa so viele Menschen umgekommen wie durch Malaria. Halb- oder sogar vollautomatische Kleinwaffen sind im Original oder als Nachbauten überall zu Niedrigpreisen in beliebiger Menge zu erwerben. Alle Seiten nutzten in den Kriegen auf dem Balkan zum Ankauf von Kriegsmaterial Schwarzmarktquellen, z. T. auch Firmen der jugoslawischen und der chinesischen Volksarmee. Da die gewaltigen Waffenbestände der ehemaligen Sowjetunion und anderer kommunistischer Länder entsorgt werden müssen, sind Kriegswaffen auf allen großen Waffenmärkten der Welt quasi von jedermann für wenig Geld zu erwerben. Ähnliches gilt für die Überproduktion des militärisch-industriellen Komplexes in der westlichen Welt. Auf offiziellen (z. B. in London) und inoffiziellen Waffenmessen (z. B. in Algier) wird die neueste Waffentechnologie, einschließlich Kampflugzeugen, Raketen, Panzern etc., feilgeboten. Die neuen Kriege dienen nicht zuletzt auch dazu, die überzähligen Waffen zu vernichten. Waffenhändler machen mit solchem Material, aber auch mit neuester Militärtechnologie, gute Geschäfte. Daneben gibt es einen offiziellen – gewissermaßen nichtkriminellen – Rüstungsexport, der im Rahmen der NATO gewissen Beschränkungen unterliegt. Für Deutschland gilt das Kriegswaffenkontrollgesetz, das dem deutschen Waffenexport relativ enge Grenzen setzt. Exportbeschränkungen können aber – z. B. durch „Um-Etikettierung“ bzw. durch „Umleitung“ der angeblich für friedliche Regionen bestimmten Waffenlieferungen in Krisengebiete – durchaus zur Bewaffnung von     

Aly 2005. Vgl. Naumann 2002. Auf den Gegensatz zwischen Händlern und Helden hatte bereits Werner Sombart hingewiesen, Sombart 1915. Kaldor 1999, S. 76, 154. Vgl. Albrecht 2002, S. 263–289.

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Teil VII: Kriegsinstrumente

Aufständischen, Milizen, kriminellen Banden etc. umgangen werden.10 Nicht selten werden Kampfhandlungen zum Gegenstand von „geschäftlichen Transaktionen“.11

10 Insofern nützt auch ein Waffenembargo, wie es etwa gegen Bosnien-Herzegowina verhängt wurde, letztlich wenig. 11 Vgl. Kaldor 1999; Voigt (Hrsg.) 2002a.

Kapitel 1: Krieger Die Entwicklung vom Stammeskrieger, zu dessen vornehmsten Aufgaben als Erwachsener es gehörte, im Kampf seinen Mann zu stehen, über den Söldner, der seinen Lebensunterhalt mit dem „Kriegshandwerk“ verdient, und den zum Militär gepressten Bauernsohn, über den Soldaten der Grande Arme und den Frontsoldaten der Weltkriege bis zum hoch professionellen Angehörigen von High-Tech-Streitkräften und schließlich zum einsamen „Urban Warrior“ war lang und oft genug in sich widersprüchlich. Schaubild 35: Typologie militärischer Protagonisten Typus

Fähigkeiten/ Fertigkeiten

Hauptmotiv

Einsatz

Verhaltenscodex

Organisation

Soldat

komplexes militärisches Wissen

Vaterlands­ verteidigung, Dienst, Sold

auf Befehl

Gesetze, Vorschriften, Ehre

nationale Streitkräfte

Legionär

komplexes militärisches Wissen

Geld, auf Befehl soziale Heimat

Gesetze, Vorschriften

fremde Streitkräfte

Rebellensöldner

persönliche Kampfkraft

Geld

auf Befehl

eigene Regeln

Privatarmee

Söldner

persönliche Kampfkraft

Geld

freiwillig

eigene Regeln

fremde Streitkräfte

Ausländischer persönliche KriegsKampfkraft freiwilliger

Ideologie, freiwillig Glauben, Geld

eigene Regeln

fremde Streitkräfte

Military Professional

komplexes militärisches Wissen

Geld

freiwillig

eigene Regeln

Private Militärunternehmen

Technischer Spezialist

komplexes militärisches Wissen

Geld

freiwillig

eigene Regeln

Private Militärunternehmen

(Quelle: G. M. Meyer 2003, S. 131–155 [148], mit eigenen Änderungen)

In den klassischen Staatenkriegen wurde von allen Seiten größter Wert darauf gelegt, die unmittelbar am Kriegsgeschehen Beteiligten, die Kombattanten, von den zufällig Betroffenen, den Non-Kombattanten, zu unterscheiden. Während Erstere berechtigt und verpflichtet waren zu kämpfen, sollten Letztere so weit wie möglich vom Kriegsgeschehen verschont bleiben. Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts

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Teil VII: Kriegsinstrumente

wurde es allerdings immer schwieriger, diese Unterscheidung aufrecht zu erhalten. Neben dem Kriegsschauplatz im engeren Sinne gewann die „Heimatfront“ an Bedeutung. Im Industriezeitalter hing der Ausgang des Krieges nicht zuletzt von der Industriekapazität zur Produktion von Waffen und Munition ab. Zumindest die Arbeiter der Rüstungsbetriebe wurden so zu Quasi-Kombattanten. Der Krieg wurde als Bombenkrieg auf die Industriezentren des Gegners und bald auch auf die Städte ganz allgemein ausgedehnt. Daneben gibt es einen Entwicklungsstrang, der quasi neben dem offiziellen Militär herläuft, die inoffiziellen Krieger. Beginnend mit den spanischen Bauernpartisanen, die Napoleons Soldaten mit Mistgabeln und Dreschflegeln von ihrem Heimatboden vertrieben, führt der Weg zu den Freischärlern und den straff organisierten und ideologisch ausgerichteten Partisanen des 20. Jahrhunderts. Sie haben zum Ziel, ihr Land von einer Besatzungs- oder Kolonialherrschaft zu befreien. Schließlich tritt jedoch neben den tellurischen (erdverbundenen) Charakter die ideologische Motivation: Revolutionäre bekämpfen nach Partisanenart nicht nur das verhasste Regime des eigenen Landes, sondern auch das anderer Länder, die der gegnerischen Ideologie verpflichtet sind (Beispiel: Ché Guevara). Parallel dazu wird der Kampf vom Lande in die Städte getragen, die zu Schauplätzen von Anschlägen werden. Botschaften werden besetzt, Geiseln genommen und Flugzeuge entführt, um Lösegeld zu erlangen und gefangene Gesinnungsgenossen freizupressen. Die vorerst letzte Entwicklung scheint der international vernetzte Terrorismus zu sein, der sich aller möglichen gewaltsamen Mittel bedient, um Unruhe und Verwirrung, Angst und Schrecken zu verbreiten und das Vertrauen in Staat und Wirtschaft zu erschüttern. Dabei handelt es sich um verschiedene unter dem ungenauen Begriff al-Qaida zusammengefasste Terrorgruppen. Zum Letzten entschlossene – meist religiös motivierte – Selbstmordattentäter sprengen sich seit geraumer Zeit in die Luft, um möglichst viele Feinde zu töten; sie selbst erhoffen sich eine Belohnung im Jenseits. Vor allem in den weniger entwickelten Ländern Afrikas und Südamerikas werden überdies in letzter Zeit vermehrt Kindersoldaten eingesetzt, die zu besonderer Grausamkeit erzogen werden. Für sie ist der Krieg oft die einzige Möglichkeit, Anerkennung zu finden. Kriegsherren (warlords) bestim­men als Kriegsunternehmer zudem das Bild des Krieges in Afghanistan, Teilen Afrikas und auf dem Balkan. 1. Vormoderne Kämpfer Zwar beginnt der Krieg der Neuzeit erst mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648. Dennoch lohnt ein Blick auf die Landsknechte, die diesen langen und grausamen Krieg, der fast ganz Europa verwüstete, bestritten haben, aber auch auf ihre Vorläufer. Dabei stößt man sogleich auf die wichtige Frage, die bereits Machiavelli beschäftigt hatte und auch heute wieder aktuell ist: Darf man die Verteidigung des Staates Kriegsunternehmern und ihren Söldnern anvertrauen, oder muss man nicht vielmehr eine aus eigenen Leuten (bei Machiavelli waren das z. B. nicht erbberech-

Kapitel 2: Kriegstechnik

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tigte Bauernsöhne) rekrutierte Bürgerwehr aufstellen, die für den Staat Krieg führt?12 Im Oberitalien des frühen Mittelalters war es üblich, dass die Stadtstaaten einen Kriegsunternehmer mit der Verteidigung der eigenen Grenzen beauftragten, der mit von ihm entlohnten Söldnern Krieg führte. Unter diesen Condottieri gab es glänzende Strategen, fast immer waren sie aber in erster Linie an ihren finanziellen Vorteil und weniger an die Interessen ihres Auftraggebers gebunden. Der Krieg wurde im Sommer geführt, Verluste wurden möglichst vermieden. Eroberte Städte wurden geplündert, wenn sie sich nicht „rechtzeitig“ ergeben hatten. Vor allem durch den Dreißigjährigen Krieg sind die Landsknechte allgemein bekannt geworden, die unter dem Kommando berühmter Feldherrn wie Wallenstein oder Tilly durch die Lande zogen. Ihre Spur war durch Tote, Folteropfer, vergewaltigte Frauen und die Verwüstung von Dörfern und Städten gekennzeichnet. Diese Lands­knechte hatten ihre eigenen Sitten und Gebräuche, zu denen auch eine gewisse Selbstinszenierung gehörte. Auffällige Kleidung, eine laute und unflätige Sprache sowie rohes Benehmen gehörten dazu ebenso wie die Verwendung von „Kriegernamen“.13 Die Loyalität der Landsknechte gehörte allenfalls dem Kriegsherrn, wenn er ein erfolgreicher Feldherr war und reiche Beute machte, die dann aufgeteilt werden konnte, keinesfalls jedoch einem bestimmten „Staat“. 2. Militär und Nation Eine wichtige, wenn nicht überhaupt die wichtigste Akteursebene im Krieg ist das Militär. Das moderne Militär, das sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herausbildete, ist untrennbar mit dem Aufstieg des Nationalstaates verbunden.14 Von den Landsknechten des Dreißigjährigen Krieges führte der Weg zu den stehenden Heeren aus überwiegend Gepressten bis zu den Revolutionsarmeen nach 1793. Die Weltkriege wurden mit Streitkräften geführt, die aus einer großen Zahl von Wehrpflichtigen in den unteren Rängen bestanden, denen ein Korps von Berufsoffizieren – ergänzt durch Reserveoffiziere – gegenüberstand, das sich durch seine Orientierung am Krieg, seine Loyalität gegenüber der Nation und sein Männlichkeitsethos teilweise scharf von der zivilen Gesellschaft unterschied. Der in der Schlacht von Langemarck im Ersten Weltkrieg geborene Mythos vom heldenhaften Opfer für das Vaterland ist dafür charakteristisch.15 Der Soldat, insbesondere der Offizier galt als höherwertig, ihm stand eine Karriere offen, die anderen versagt war.16 Eliteregimenter rekrutierten ihre (Berufs-)Offiziere – z. B. in Preußen – weitgehend aus den Adelsfamilien, was einen großen Imagegewinn für den Offiziersberuf mit sich brachte. Insbesondere für das gehobene Bürgertum war es daher selbstverständlich, dass seine Söhne zumindest den Status eines Reserveoffiziers erlangten. Der Korps12 13 14 15 16

Machiavelli, Arte del Guerra. Schmidt 2003, S. 189. Moskos/Williams/Segal 2002a, S. 1–31 [1]. Kühne 1999. Vergleichbares findet sich heute noch in der Schweiz.

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Teil VII: Kriegsinstrumente

geist der Offiziere wurde schließlich zum stabilisierenden Kern jedes modernen Heerwesens.17. Die Auswüchse dieser Militärgläubigkeit der Kaiserzeit hat Zuckmayer mit der Figur des arbeits- und wohnungslosen Schusters Wilhelm Voigt, der als Hauptmann von Köpenick in Buch und Film seinen Schabernack trieb, trefflich karikiert. Nach den beiden Weltkriegen ist diese Sicht in den europäischen Gesellschaften weitgehend einer eher nüchternen, in manchen Fällen sogar deutlich negativen Einschätzung des Militärs gewichen. 3. Organisation und Leistung Die Qualität einer Armee beruht auf „geistigen, intellektuellen und organisatorischen Grundlagen und findet ihren Ausdruck in Disziplin und Zusammenhalt, Kampfmoral und Initiative, Mut und Härte, im Willen zum Kampf und der Bereitschaft, notfalls zu sterben“.18 Van Creveld nennt dieses qualitative Element „Kampf­ ­kraft“ (fighting power). In seiner vergleichenden Untersuchung der militärischen Organisation und Leistung der deutschen und der US-amerikanischen Armee 1939– 1945 geht er von der Frage aus, wie es möglich war, dass die deutschen Bodentruppen den britischen und amerikanischen Truppen praktisch in jeder Situation ständig Verluste zugefügt haben, die um etwa 50 % höher lagen als ihre eigenen.19 Und dies traf auch dann zu, wenn sie den alliierten Kräften – wie meist – zahlenmäßig unterlegen waren, nicht über die Luftüberlegenheit verfügten oder wenn sie das Gefecht schließlich verloren hatten. Zudem war die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie erheblich geringer als etwa die der amerikanischen Industrie. Munitionsknappheit, Treibstoff- und Ersatzteilmangel waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ein großer Teil der deutschen militärischen Ausrüstung war im Vergleich zu der der Gegner veraltet. Grundsätzlich gilt jedoch, dass eine Armee ohne eine ausreichende und gute Ausrüstung, die rechtzeitig am richtigen Ort ist, kaum große Leistungen erbringen kann. Das heißt, dass eine gute militärische Organisation bei einem großen Krieg – zumal dann, wenn er an weit verstreuten Schauplätzen stattfindet, – eine logistische Meisterleistung vollbringen muss. Sie muss die richtige Munition, die erforderlichen Ersatzteile, Treibstoff in hinreichender Menge und eine Verpflegung, die den Soldaten die nötige körperliche Kraft gibt, die sie für den Kampf brauchen, zur Verfügung stellen. Zudem muss das „geeignete“ militärische Personal (Generale, Offiziere, Ärzte/Sanitäter, Militärkaplane, Unteroffiziere, Mannschaften) bereitgestellt werden. Dabei macht es einen gravierenden Unterschied, ob erschöpfte und halb verhungerte Soldaten kämpfen oder ausgeruhtes und gut verpflegtes Militärpersonal. Ein regelmäßiger Austausch der Kampftruppen ist daher erforderlich. Befähigte und bei ihren Truppen hoch angesehene Generale (Beispiel: Erwin Rommel) können ihre Soldaten überdies zu ganz anderen Leistungen motivieren als 17 Sikora 2003, S. 210–238 [219]. 18 Van Creveld 2007, S.17. 19 Van Creveld 2007, S. 20.

Kapitel 2: Kriegstechnik

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unbeliebte Vorgesetzte. Rekrutierung und Einsatz der militärischen Führer spielt also eine große Rolle. Ohne den Willen zum Kampf, ohne Mut und Zähigkeit sind große militärische Leistungen aber nicht zu vollbringen. Im Zeichen „flacher Hierarchien“ in Wirtschaft und Verwaltung und einer zunehmenden Dezentralisierung hin zu Organisationsnetzwerken bleibt auch das Militär von dieser Entwicklung nicht unbeeinflusst. Die Kommandoebene muss für strategische Zwecke zentralisiert und für taktische Aufgaben dezentralisiert sein. Dies gilt nicht nur für Guerillaverbände, wie Mao meinte, sondern auch für reguläre Truppen. Besonders dringlich erscheint eine Organisationsreform der Streitkräfte aber vor allem deshalb, weil sich der transnationale Terrorismus längst solcher neuen Organisationsformen bedient. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Auftragstaktik („Führen mit Auftrag“) entwickelt, die von der deutschen Wehrmacht angewandt wurde. Danach muss der Soldat bei der Ausführung eines Befehls den Sinn und Zweck des Auftrags im Blick haben und dabei die konkrete Lage vor Ort angemessen berücksichtigen. Er muss also mitdenken. Das gilt umso mehr im High-TechKrieg. Da künftig allen Führungsebenen die Informationen zur gleichen Zeit zur Verfügung stehen werden, es also keine Hierarchie bei Informationsfluss, Strategie, Nachrichten und Befehl (mehr) gibt, könnte das mittlere Management auch beim Militär überflüssig werden.20 4. Moderne Streitkräfte Seit vielen Jahrhunderten spielt das Militärische und Kriegerische eine bedeutende Rolle im Leben der Staaten. Kriegerkasten und eine herausgehobene Stellung der Offiziere in der Gesellschaft weisen darauf hin. Auch nach dem Wandel vom Kabinettskrieg zum Volkskrieg blieb die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Non-Kombattanten zumindest in der Schlacht möglich. Goethe gibt dafür mit seinem Augenzeugenbericht über die Kanonade von Valmy im Herbst 1792 ein anschauliches Beispiel.21 Er beobachtete das „Kriegstheater“,22 das heißt den Schauplatz der Schlacht, aus der er sich selbst jedoch vollständig heraushalten konnte:23 „Bemerkenswert bleibt indessen, dass jenes grässlich Bängliche nur durch die Ohren zu uns gebracht wird: denn der Kanonendonner, das Heulen, Pfeifen, Schmettern der Kugeln durch die Luft ist doch eigentliche Ursache all dieser Empfindungen“. Goethes Haltung erinnert an die des heutigen Fernsehzu­schauers, der den Krieg von seinem Wohnzimmer aus via Fernseher betrachtet. Wie Goethe damals kann er eine Schlacht aus sicherer Entfernung beobachten, ohne an ihr teilnehmen zu müssen. Im 19. Jahrhundert war die Schlacht Sache des Königs, der Bürger hatte mit ihr nicht unmittelbar zu tun. Im 21. Jahrhundert nähern wir uns einer solchen Sichtweise, wenn beispielsweise im Ausland geworbene Soldaten in den US-Streitkräften Amerikas Kriege ausfechten. 20 21 22 23

Vgl. Abegglen 1996. Siehe hierzu das Gemälde der Schlacht bei Paret 1999, S. 103. Virilio 1989, S. 156; Oberender/Peeters/Risthaus (Hrsg.) 2006; stilbildend: Clausewitz 2000. Goethe 1962, S. 287 f.

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Teil VII: Kriegsinstrumente

Der moderne Soldat ist durch drei Aspekte zu charakterisieren:24 1. Starke Wertgebundenheit: Die von den Soldaten („Kriegern“) präferierten Werte spiegeln nicht unbedingt die Werte der Gesellschaft wider, der sie angehören. 2. Klare Distanz zur zivilen Gesellschaft: Im Gegensatz zu dieser haben Stolz auf eine männliche Lebensweise, Anerkennung durch die Kameraden, Symbolisierung der Stellung in der Gemeinschaft durch den militärischen Rang, eine ausschlaggebende Bedeutung.25 3. Hohes Maß an Professionalität: Der Soldat hat seinen Beruf gelernt; durch Erfahrung, Übungen sowie ggf. durch Lehrgänge verbessert er seinen Kenntnisstand kontinuierlich und wird zum Spezialisten in seinem Bereich. 4.1 Berufssoldaten Die Technisierung des Krieges erfordert auf Seiten des Militärs einen hohen Grad an Professionalisierung. Das Personal muss also über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, um in Schulungen und Lehrgängen die nötigen technischen und taktischen bzw. strategischen Kenntnisse erwerben und später auch einsetzen zu können. Hierfür kommen in erster Linie Berufssoldaten und länger dienende Soldaten auf Zeit in Betracht. Wehrpflichtige passen in dieses Konzept nur dann, wenn die Wehrpflicht einen entsprechend langen Zeitraum umfasst, die Wehrpflicht wird jedoch zeitlich immer mehr verkürzt. Zudem eignen sich Wehrpflichtige in Friedenszeiten kaum für den – ggf. gefährlichen – Auslandseinsatz. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat das Militär in allen Industriestaaten einen erheblichen Wandel durchlaufen. Hier können – im Anschluss an Moskos, Williams und Segal – für die zweite Hälfte des zwanzigsten und den Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts drei Phasen unterschieden werden.26 Es ist dies die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs (1. Phase), die Epoche des Kalten Krieges (2. Phase) und schließlich die Phase danach. 4.1.1 Postmodernes Militär Das „postmoderne Militär“ dieser letzten Phase lässt sich durch fünf größere Änderungen kennzeichnen, die mehr oder weniger bereits vollzogen sind: − Zivile und militärische Sphäre durchdringen sich immer häufiger. − Die auf der Zugehörigkeit zu einer Teilstreitkraft (Heer, Luftwaffe, Marine etc.), auf dem Rang bzw. auf der Rolle als kämpfender oder dienstleistender Soldat beruhenden Unterschiede nehmen ab.

24 Vgl. Herberg-Rothe 2003, S. 69 ff. 25 Vgl. Keegan 2000, S. 388–391. 26 Moskos/Williams/Segal 2002a, S. 2 f.

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− Die militärische Aufgabe verschiebt sich vom Austragen von Kriegen hin zu friedenserhaltenden, humanitären etc. Missionen, die nicht im traditionellen Sinne militärisch sind. − Die Streitkräfte sind häufiger in militärischen Einsätzen, die von supra- bzw. internationalen Organisationen (NATO, UNO) angeordnet oder zumindest legitimiert wurden. − Das Militär selbst wird immer mehr internationalisiert, sei es in Eurokorps, bei Kriegen des Empire Amerika (z. B. Irakkrieg), in multinationalen Einheiten der NATO oder in Blauhelmeinsätzen der UNO. 4.1.2 Umbau der US-Streitkräfte Nach dem 11. September 2001 wurde von dem damaligen US-Verteidigungs­minister Rumsfeld eine groß angelegte Umstrukturierung der Streitkräfte in Gang gesetzt, die im Jahre 2003 erste Erfolge zeigte. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts sollen folgende Veränderungen vollzogen sein, deren Raumbezogenheit unmittelbar ins Auge fällt. Unter dem Oberziel „Deterritorialisierung“ werden als Unterziele „Schnelligkeit“, „Mobilität“, „Dezentralisierung“ und „Vernetzung“ genannt. − Bodentruppen: Sie sollen leichter, tödlicher und sehr mobil sein; sie sollen auch weit entfernt von traditionellen Häfen und Luftstützpunkten einsatzfähig und durch Langstrecken-Präzisionswaffensysteme vernetzt sein. − Marine- und Amphibieneinheiten: Sie sollen in unmittelbarer Nähe feindlicher Küstengebiete und weit im Landesinnern operieren. − Weltraumgestützte Einsatzkräfte: Sie sollen mobile feindliche Ziele über weite Gebiete hinweg aufspüren, verfolgen und im Zusammenwirken mit Land- und Seestreitkräften aus großer Entfernung rasch und ohne Vorwarnung angreifen können. − Vernetzte Streitkräfte: Durch Vernetzung sollen die Streitkräfte hochkomplexe und dezentralisierte Operationen über weite Entfernungen hinweg und im Weltraum durchführen. 4.1.3 Demobilisiertes Militärpersonal Der Zusammenbruch des Sowjetimperiums und das damit verbundene Ende des „Gleichgewichts des Schreckens“ haben weltweit zur Entlassung von Militärpersonal geführt. Während die wohlhabenden Staaten des Westens diesen Personalabbau jedoch für die Betroffenen finanziell erträglich gestalten konnten, ist dies in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion weitgehend nicht gelungen. So erhalten Offiziere z. B. in Russland ein so geringes Monatsgehalt, dass über die Hälfte (56 %) der Offiziere der russischen Armee unterhalb der Armutsgrenze lebt. Jüngere, nicht mehr benötigte Militärs suchen sich daher oft eine vergleichbare Beschäftigung bei einer der zahlreichen Sicherheitsdienste oder Privaten Militärunternehmen.

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4.2 Wehrpflichtige Seit der berühmten Levée en masse von 1793 bestehen die Streitkräfte in Kontinentaleuropa zu einem großen Teil aus wehrpflichtigen Männern. Die Wehrpflicht ist geradezu zu einem Kennzeichen demokratischer Nationalstaaten geworden. Sie diente zunächst als „Schule der Nation“ dazu, die jungen Männer auf das Bekennt­ nis zur und die Verteidigung der eigenen Nation einzustimmen. Das Militär wird damit zeitweilig zu der bedeutendsten Einrichtung sekundärer Sozialisation im Staat. So war es für das Einwanderungsland USA selbstverständlich, dass Immi­ granten erst dann die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten konnten, wenn sie ihrer (damals noch geltenden) Wehrpflicht nachgekommen waren. Auch heute noch bedeutet die Wehrpflicht – zumindest symbolisch – die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft (Stichwort: „Bürger in Uniform“). Umso schwerer fällt es den betroffenen Staaten, im Zeichen veränderter Bedrohungsszenarien die Wehrpflicht abzuschaffen und auf Berufssoldaten zurückzugreifen. Dennoch ist sogar in Frankreich, dem Land der Levée en masse, die Wehrpflicht ausgesetzt worden, was faktisch ihrer Abschaffung gleichkommt. Auch Großbritannien und andere europäische Staaten bedienen sich einer Berufsarmee, die sich als technisch versierte Truppe besser für den heimatfernen Einsatz in Krisenregionen eignet. Von den Gegnern der Abschaffung wird zum einen die erschwerte Rekrutierung von Zeit- und Berufssoldaten angeführt, zum anderen die Gefahr, dass der Anteil rechtsradikaler bzw. auf dem Arbeitsmarkt chancenloser, häufig bildungsschwacher Bewerber stark zunehmen würde. Das Beispiel der US-Streitkräfte gibt in der Tat zu denken. Zudem kehrt die alte Angst der Bürger vor einem stehenden Heer (Stichwort: „Staat im Staate“) in gewandelter Form zurück. 4.3 Soldaten aus der Fremde Das berühmteste historische Beispiel für den Einsatz von Nichtstaatsbürgern als Soldaten ist die Schweizer Garde des Papstes. Militärisch bedeutender war und ist allerdings die Französische Fremdenlegion, in der Ausländer unter dem Befehl französischer Offiziere kämpfen. Am 10. März 1831 zum Einsatz in den afrikanischen Kolonien von König Louis-Philippe gegründet, verfügte die Fremdenlegion zeitweilig über mehr als 35.000 Mann, heute gibt es allerdings lediglich 7.700 aktive Fremdenlegionäre. Die Legionäre hatten und haben nach einer extrem harten Ausbildung besonders schwierige und verlustreiche Missionen zu erfüllen. Dafür bietet ihnen Frankreich eine neue Existenz. Mit dem Eintritt in die Legion lässt der Legionär Namen, Vorstrafen, Anklagen, Schulden und Familie zurück. Nach Beendigung seiner Dienstzeit beginnt er als französischer Staatsbürger – ggf. unter neuem Namen – ein neues Leben. Für viele ehemalige Kriegsteilnehmer, Berufssoldaten und Angehörige der Waffen-SS war das ein willkommener Fluchtweg in eine andere Identität. Neben zahlreichen Europäern aus West und Ost haben auch viele Menschen von anderen Kontinenten (z. B. Afrika) diese Möglichkeit wahrgenommen, Franzosen zu werden. Bei diesen Kämpfern besteht ebenso wie bei denen der

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spanischen Fremdenlegion (La Legion) kein Zweifel an ihrem Kombattantenstatus. Das Empire Amerika geht seit einiger Zeit einen ähnlichen Weg. Hatten die USA unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich Staatenlose in Europa als Hilfstruppen der US-Armee in Dienst genommen, so macht Personalmangel der US-Streitkräfte heute ein anderes Vorgehen erforderlich. Es werden Ausländer als US-Soldaten angeworben. Inzwischen haben etwa 32.000 solcher Ausländer die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Weitere 40.000 ausländische US-Armee­ angehörige warten noch auf ihren US-Pass. Waren es im Jahre 2001 lediglich 583, so kamen im Jahre 2006 fast 6.000 Ausländer und Ausländerinnen dazu, die in den US-Streitkräften dienen.27 Seit 2006 ist es dem US-Verteidigungsmi­nisterium sogar erlaubt, Ausländer ohne US-Aufenthaltsgenehmigung (also z. B. Mexikaner, die sich illegal in den USA aufhalten) als Soldaten einzustellen, wenn es „wesentlich dem nationalen Interesse“ dient. Auch im Dienst der USA gefallenen Ausländern wird nachträglich die US-Staatsbürgerschaft verliehen. 4.4 Frauen in den Streitkräften Der Personalmangel bei den westlichen Streitkräften macht sich vor allem dort bemerkbar, wo Kriegseinsätze wahrscheinlich sind. Viele Staaten sind daher dazu übergegangen, neben Männern auch Frauen als Soldaten einzustellen. Während sich Sanitätsdienst, Nachrichtenwesen und Musikkorps für den Einsatz von Frauen auf den ersten Blick anbieten, scheuten viele Gesellschaften vor dem Kampfeinsatz von Frauen zurück. Die in Frankreich, Großbritannien und den USA in den Streitkräften dienenden Frauen werden zwar generell an Kampfeinsätzen beteiligt, unterliegen dabei aber bestimmten Einschränkungen (Dienst auf U-Booten). In Deutschland schloss Art. 12a Abs. 4, Satz 2 GG kategorisch aus, dass Frauen „Dienst mit der Waffe“ leisten. Erst als der Europäische Gerichtshof auf die Klage einer deutschen und einer britischen Klägerin hin tätig wurde, änderte sich die Lage. In seinem Urteil vom 11. Januar 200028 stellte der EuGH fest, dass es gegen die in den EG-Verträgen garantierte Berufsfreiheit verstoße, Frauen vom Dienst in den Streitkräften auszuschließen. Die damalige Bundesregierung nutzte die „Gunst der Stunde“, um personelle Engpässe in der Bundeswehr durch den Einsatz von Frauen zu beheben, indem sie in Bundestag und Bundesrat – jeweils mit Zweidrittelmehrheit – eine Änderung des Grundgesetzes durchsetzte. Seither sind auch in der Bundeswehr Frauen zum Dienst mit der Waffe zugelassen. Derzeit leisten über 13.600 weibliche Soldaten Dienst in den Streitkräften, davon etwa 1.460 als Offiziere. Dieser Einsatz gilt inzwischen in der Bundeswehr als normal und unproblematisch. Eine Wehrpflicht für Frauen ist hingegen nach wie vor ausgeschlossen. In Israel

27 Derzeit dienen 123 Deutsche in den US-Streitkräften, vgl. Der Spiegel, Nr. 42 vom 15.10.2007, S. 136–137 [136]. 28 EuGH NJW 2000, S. 497 ff.

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unterliegen demgegenüber auch die Frauen der allgemeinen Wehrpflicht, die – im Gegensatz zu den Männern (drei Jahre) – zwei Jahre beträgt; seit 1999 können sie Dienst mit der Waffe leisten. 4.5 Spezialeinheiten Hinzu kommt eine zunehmende Professionalisierung des Militärs. Insbesondere die Angehörigen von Spezialtruppen durchlaufen ein jahrelanges Training, das sie zu Höchstleistungen befähigt. Ihre Aufträge (im schlimmsten Fall: license to kill) halten allerdings dann rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht stand, wenn sie z. B. von Spionageorganisationen ausgehen und nicht vom Parlament und auch nicht immer von der Regierung autorisiert sind. Spezialeinheiten (special forces), die besonders gefährliche militärische Aufträge zu erfüllen haben, gibt es in fast allen Armeen der Welt. Berühmt geworden sind die amerikanischen Navy Seals oder die Fallschirmspringer der französischen Fremdenlegion, die als besonders hart gelten. Die CIA hat seit 1998 eine Spezialtruppe, die so genannte Special Operations Group (SOG), die über eigene Schnellboote sowie eigene Flugzeuge und Hubschrauber verfügt. Die etwa 100 Mitglieder der SOG werden aus Angehörigen der Streitkräfte abgeworben und scheiden bei Eintritt in die SOG aus dem Militärdienst aus. Spezialeinheiten der Teilstreitkräfte wie die Navy Seals werden bei Bedarf an die SOG ausgeliehen. Zu den Aufgaben der speziellen Organisationsgruppe gehören Kommandoaktionen, wie: − Sprengen von Brücken im Feindesland. − Ausforschen von Kriegsgebieten. − Ausbilden von Verbündeten. Diese Aufgaben werden jedoch – z. B. in den USA – in zunehmendem Maße auch von Privaten Militärunternehmen wahrgenommen. 5. Irreguläre Truppen Neben dem militärischen Personal, das regulären Streitkräften angehört, gibt es insbesondere in Ausnahmesituationen auch irreguläre Truppen. Schon im 18. Jahrhundert nutzten die regulären Armeen die Dienste von „Jägern“, Husaren oder Kosaken.29 Während die hoch entwickelten Staaten des Westens heute zunehmend auf hoch professionalisierte High-Tech-Armeen setzen, existiert gleichzeitig in der „Dritten Welt“ eine Soldateska, die unter dem Kommando von Kriegsherren und Kriegsunternehmern nicht selten die Grenze zum Kriminellen überschreitet. Verbindungen zu Drogenkartellen und zu organisierter Prostitution und Mädchenhandel bzw. der Einsatz von Kindersoldaten sind hierfür symptomatisch. Westliche Staaten reagieren auf diese Entwicklung teilweise mit dem Einsatz von Söldnern 29 Keegan 2001, S. 25.

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und Privatarmeen (PMC), um das Leben der eigenen Soldaten zu schonen. Diese Söldner übernehmen dann die „Drecksarbeit“ im halboffiziellen Auftrag demokratisch gewählter Regierungen. Zu den irregulären Truppen werden hier neben den Partisanen auch die modernen Söldner, die Stadtguerilla (urban warriors), die Kindersoldaten und die Kriegsunternehmer gerechnet. 5.1 Partisanen Vor allem dann, wenn die regulären Streitkräfte vor der Armee eines übermächtigen Feindes kapituliert haben, bilden sich häufig Partisanenbewegungen, die den Kampf nunmehr verdeckt fortsetzen. Sie rekrutierten sich z. B. in Spanien Anfang des 19. Jahrhunderts aus Kleinbauern und mittellosen Landarbeitern. Ihre Führer waren – wie z. B. Andreas Hofer in Tirol – angesehene Größen der lokalen Selbstverwaltung. In den beiden Amerikas bestand die Guerilla nicht selten auch aus Angehörigen ethnischer Minderheiten. Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg waren das vor allem Neger, im lateinamerikanischen Partisanenkampf hingegen Indios und Mestizen. Dabei ging und geht es in Lateinamerika bis heute fast immer um die Forderung nach Landverteilung. Interessant ist vor allem, aus welcher Gesellschaftsschicht die Partisanenführer stammten. Bei den Anführern des spanischen Partisanenkampfes gegen die napoleonischen Truppen handelte es sich offenbar um eine sozial sehr heterogene Gruppe, zu der sogar Gemeinde- und Ordensgeistliche gehörten. Interessanter ist jedoch der Umstand, dass manche der Anführer vor 1808 in Spanien und an anderen Schauplätzen Banditen oder Schmuggler gewesen waren, die auch nach dem Ende der Kämpfe ihrem kriminellen Milieu treu blieben.30 Viele von ihnen waren – nach dem Urteil des englischen Historikers Lynch – „pathologische Mörder“.31 In Lateinamerika waren die Führer der Guerillaverbände mehrheitlich Mestizen, für die dies ein Mittel zum sozialen Aufstieg darstellte.32 Nicht zufällig gehören die damaligen Guerillaführer, z. B. in Mexiko, Venezuela und Uruguay, oft zu den Gründungsvätern ihres Landes. 5.2 Söldner Söldner leisten Kriegsdienste in Form bezahlter Dienstleistung. Dieses Phänomen hat es auch schon zu früheren Zeiten gegeben, in der Frühen Neuzeit waren sie sogar das Rückgrat der Heeresorganisation. Diese Heere bildeten eigene, von den Kriegsherren zugestandene Rechtsräume, so dass die Söldner einer speziellen Jurisdiktion unterlagen.33 Hier soll allerdings nur von dem Söldnerwesen die Rede sein, das vor allem in Afrika seit Jahrzehnten als Faktor der politischen Destabilisierung gilt. In der Internationalen Konvention gegen Anwerbung, Einsatz, Finanzierung 30 31 32 33

Schmidt 2003, S. 174. Lynch, S. 80. Schmidt 2003, S. 180. Sikora 2003, S. 221.

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und Ausbildung von Söldnern, die von der UNO-Generalversammlung am 4. Dezember 1989 in Kraft gesetzt wurde,34 gibt es eine relativ unscharfe Definition des Söldners. Letztlich hängt es von der Wahrnehmung und der Interpretation ab, ob Kriegsteilnehmer als Söldner betrachtet und behandelt werden. Fünf Merkmale lassen sich jedoch herausarbeiten, die zwar jedes für sich genommen nicht immer eine trennscharfe Unterscheidung zu den Angehörigen regulärer Streitkräfte ermöglichen, die aber in ihrer Gesamtheit den Söldner zutreffend charakterisieren:35 − Kriegsdienst gegen materielle Entlohnung. − Söldner sind in aller Regel Ausländer, sie dienen also nicht dem Staat, dem sie angehören. − Hohe Professionalität. − Unabhängigkeit von ideellen Beweggründen. − Keine tiefere Bindung an den Dienstherrn. Eine Mischform zwischen Partisanen und Söldnern sind jene jungen Männer und Frauen, die aus Europa kommend, wo sie aufgewachsen sind, für den Kriegsdienst im Ausland geworben werden. Geht es dabei den Einen um ein vereinigtes Kurdistan (PKK), so kämpfen die Anderen gegen die westlichen Kreuzzügler in Afghanistan oder anderswo. Da sie in aller Regel nicht in erster Linie für materiellen Lohn kämpfen und nicht frei von ideologischen Beweggründen sind, passen sie nicht in das Raster „Söldner“. Andererseits fällt es schwer, sie auf Grund ihrer Sozialisation in Europa als Verteidiger ihrer Heimat im mittleren oder fernen Osten zu akzeptieren. 5.3 Private Militärunternehmen Bemerkenswert sind die Privaten Militärunternehmen (PMC), die vorzugsweise von ehemaligen US-amerikanischen und britischen Offizieren geleitet werden und die Ware „militärische Sicherheit“ anbieten. Sie können jederzeit – gegen Bezahlung – gut ausgebildete und hervorragend ausgerüstete militärische Dienstleister zur Verfügung stellen, die bereit sind, in jedem Teil der Welt an kriegerischen Auseinandersetzungen teilzunehmen. Die Parallele zu den Condottieri, den Söldnerunternehmern der italienischen Renaissance, liegt auf der Hand. Moderne Söldneragenturen leisten auf Wunsch auch militärische Ausbildungs-, Aufbau- und Beratungsarbeit. Die kroatische Armee und später auch die bosnische Armee wurden von der MPRI (Military Professional Resources Incorporated) aufgebaut, einer von pensionierten Generälen der US-Armee gegründeten Privatfirma mit Sitz in Alexandra, Virginia, die weltweit über 3.000 Angestellte verfügt.36 Der amerikanische Geheimdienst CIA scheint dabei die Vermittlung zwischen der US-Regierung und den Privaten Militärunternehmen übernommen zu haben. Der damaligen US-Re34 International Convention against the Recruitment, Use, Financing and Training of Mercenaries. Resolution der Generalversammlung, A/Res/44/34 vom 4.12.1989. 35 Sikora 2003, S. 210. 36 Shearer 1998; vgl. http://www.mpri.com.

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gierung (Clinton) wurde daher nicht ganz zu Unrecht die „Privatisierung der Friedenserhaltung“ vorgeworfen.37 Im Irakkrieg, dem ersten privatisierten Staatenkrieg, haben die USA etwa 60 private Militärunternehmen mit einer Personalstärke von insgesamt 20.000 Mitarbeitern betraut.38 Private Sicherheits- und Militärunternehmen lassen sich nach folgenden Kriterien differenzieren:39 − Militärdienstleister: Unternehmen, die sich unmittelbar an Kampfeinsätzen beteiligen (military provider firms). − Militärische Beratungsfirmen: Unternehmen, die sich auf militärische Beratung und Ausbildung spezialisiert haben (military support firms). − Militärnahe Dienstleister: Unternehmen, die im militärischen Kontext überwiegend zivile Dienstleistungen erbringen (military consultant firms). 5.3.1 Problematische Rechtslage Das Personal dieser Agenturen besteht oft aus ehemaligen Soldaten, z. T. Angehörigen von Spezialeinheiten, die auf diesem Wege ihre militärorientierte Lebensweise fortsetzen wollen. Sie verkaufen ihre militärischen Fähigkeiten auf den Gebieten von Taktik, Technik, Schießen und Töten. Problematisch ist allerdings, dass die PMC-Mitarbeiter weder der einheimischen Justiz, noch der US-Militär­gerichtsbarkeit unterliegen. Dies wird in der Regel vertraglich vereinbart. Für den einzelnen Mitarbeiter einer PMC ist das u. U. ein lukratives Geschäft,40 für ihren Einsatz im Irak erhalten Blackwater-Mitarbeiter heute 550 US-Dollar pro Tag.41 Allerdings ist das Risiko zum Teil auch extrem hoch. Heute ist besonders die Firma Blackwater ins Gerede gekommen, die über die früher von dem heutigen Vizepräsidenten Cheney geleitete Firma Haliburton mit der US-Regierung ins Geschäft gekommen war. Sie hat im Irak vor allem Bewachungs- und Personenschutzaufgaben übernommen, ihr werden aber wegen Personalmangels bei den US-Streitkräften immer mehr militärische Dienstleistungen übertragen. Blackwater beschäftigt im Irak etwa 1.000 Angestellte und unterhält eine ganze Hubschrauberflotte. Die Dienstleistungen im Irak sollen einen Wert von bis zu 800 Mill. US-$ haben, der Verdienst von Blackwater Worldwide soll inzwischen die Milliardengrenze erreicht haben.42 Der Firmensitz ist in Moyock, North Carolina, wo auch das Blackwater Training Center, mit 24 qkm die größte Anlage zum Schießtraining der USA, liegt. An der Blackwater Academy werden Rekruten umfassend als Nahkämpfer und Scharfschützen ausgebildet.43 Nach einem von Blackwater-Mitarbeitern am 16. September 2007 verursach37 Burton-Rose/Madsen 1999. Dieser Vorwurf erstreckt sich inzwischen auch auf Verbindungen zur UČK, die im Kosovo und in Mazedonien operiert. 38 Krieger 2006, S. 159–186 [159]. 39 Pfeiffer 2007; Singer 2004, S. 159 ff.; Adams 1999, S. 103–116. 40 Bereits in den 1990er Jahren verdiente das einfache Personal im Schnitt 2.400 US-$ im Monat, Shearer 1998, S. 42. 41 Vgl. Der Spiegel, Nr. 50 vom 10.12.2007, S. 102. 42 Vgl. Die Luxuskrieger, in: Der Spiegel, Nr. 50 vom 190.12.2007, S. 98–104 [99] 43 Vgl. Scahill 2007.

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ten Schusswechsel an einer Straßenkreuzung in Bagdad, bei dem 17 unbeteiligte irakische Zivilisten getötet wurden, entschuldigte sich die US-Außenministerin Rice offiziell. Zugleich fand eine Anhörung des Unternehmensleiters Erik Prince vor einem Ausschuss des US-Senats statt. Nach einem vorläufigen Untersuchungsbericht des FBI haben die Blackwater-Leibwächter mindestens 14 Iraker getötet, ohne angegriffen worden zu sein44. Da die „Order 17“ der provisorischen US-Verwaltung im Irak (CPA) Blackwater seit Dezember 2006 quasi Immunität zusichert, ist eine angemessene Reaktion schwierig. Die Regierung al-Maliki hat der Firma die Lizenz für militärische Aktivitäten im Irak entzogen.45 Der US-Kongress hat ein Gesetz verabschiedet, nach dem Blackwater-Mitarbeiter in den USA vor Gericht gestellt werden können. 3.5.2 Weitere Militärunternehmen Eine andere große Firme dieser Art, nämlich DynCorp (ca. 26.000 Beschäftigte), hat ihren Sitz in Virginia/USA und setzte zunächst vorwiegend in Afrika und Lateinamerika militärische Ausrüstung und Personal ein, heute ist die Firma auch im Irak involviert.46 Nach ihrer Auflösung 1999 gingen die Aktivitäten der süd­ afrikanischen Firma Executive Outcomes auf die Sandline International über, bis auch diese 2004 liquidiert wurde. Die Gurkhas waren schon in den britischen Streitkräften als besonders tapfere Truppe berühmt. An diese Tradition knüpfen heute die Gurkha Security Guards aus Nepal als privater Militärdienstleister an. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt lieferte die russische PMC Sukhoi im Krieg gegen Eritrea 1999 Kampfflugzeuge inklusiver russischer Piloten an die äthiopische Armee.47 In Deutschland vermittelt die Firma Delphos mit Sitz in Hamburg Personenschutzfachkräfte in den Irak und nach Afghanistan.48 Solche privaten Sicherheits- und Militärfirmen bieten ihre Dienste ganz „offiziell“ im Internet an. 5.4 Urban Warriors Insbesondere in den Drogenkriegen in Kolumbien und anderen lateinamerikanischen Ländern bilden sich regelrechte Koalitionen aus Händlern, Bauern und organisierter Kriminalität („Drogenbarone“) einerseits und einer militärisch organisierten Guerilla andererseits. Die Kämpfe werden vor allem in den Slums der Großstädte ausgetragen. Gegen diese unheilige Allianz haben nur noch gut bewaffnete, hervorragend ausgebildete und stark motivierte Urban Warriors („Stadtkrieger“) eine Chance, die mit leichten Präzisionswaffen ausgestattet die gesamte Palette der 44 Nur in drei Fällen hält das FBI es für möglich, dass sich die Blackwater-Mitarbeiter bedroht fühlten und deshalb zur Waffe griffen, The New York Times. 45 Allerdings ist nicht sicher, ob Blackwater überhaupt eine solche Lizenz besaß, die hätte entzogen werden können. 46 Vgl. http://www.dyn-int.com. 47 Adams 2006, S. 105. 48 Krieger 2006, S. 159–186 [160, FN 6].

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neuen Technologien (Nachsichtgeräte, Abhörapparaturen, leichte Hubschrauber etc.) zur Verfügung haben. So werden z. B. in Kolumbien die einheimischen Kräfte von solchen Spezialeinheiten der US-Streitkräfte unterstützt. In aller Regel halten sich solche Krieger an einen bestimmten Ehrenkodex, der ihnen Grenzen bei der Gewaltanwendung auferlegt.49 5.5 Kindersoldaten Als Soldaten, die an Kriegshandlungen teilnehmen, kommen in aller Regel nur erwachsene Männer, seltener auch Frauen, in Betracht. Besonders in Afrika, aber auch in Lateinamerika ist die Altersgrenze für Soldaten im letzten Jahrzehnt jedoch deutlich unterschritten worden, indem Kindersoldaten eingesetzt wurden.50 Das heißt, es wurden Kinder zu Soldaten ausgebildet, bewaffnet und in den Kampf geschickt. Nach Schätzungen gibt es weltweit etwa 300.000 Soldaten unter 18 Jahren, manche sind erst sieben bis zehn Jahre alt. Kindersoldaten sind Täter und Opfer zugleich. Als Täter begehen sie oft kaum vorstellbare Grausamkeiten, als Opfer werden sie in einer Weise traumatisiert, die ihnen auch später kaum erlaubt, jemals wieder ein „normales“ Leben zu führen.51 Erst in letzter Zeit ist dieses Drama in westlichen Medien thematisiert worden. So zwangen z. B. in Sierra Leone oppositionelle Streitkräfte Kinder ab dem Alter von sieben Jahren zum Kampf in einem brutalen Bürgerkrieg. In Uganda wurden aus diesem Grunde Kinder verschleppt und gezwungen, Grausamkeiten zu begehen.52 Für die UNITA sollen zeitweise mehr als 3.000 Kinder gekämpft haben.53 In Mosambik wurden Kindersoldaten wegen großer Rekrutierungsprobleme bei den Erwachsenen nicht nur auf Seiten der „Freiheitskämpfer“, sondern auch auf Regierungsseite eingesetzt. Im Kongo haben Kindermilizen der „Union der kongolesischen Patrioten“ vom Stamm der Hema Aufsehen erregt, als sie ihre Widersacher vom Stamm der Lendu wahllos erschossen oder mit Macheten erschlagen haben.54 5.5.1 Einsatz von Kindern Wertesystem und Widerstandskraft sind bei Kindern allgemein weniger stark entwickelt als bei Erwachsenen, das heißt, sie sind leichter zu dirigieren.55

49 50 51 52 53

Herberg-Rothe 2003, S. 71. Vgl. Marcel 1997. Vgl. Schmid/Schmid 2001. Grünhagen/Schubert 2000, S.203–224. Aus: Zusammenfassung des „Globalen Berichts über Kindersoldaten 2001“ in der Übersetzung von terre des hommes Deutschland e.V. 54 Seit Ausbruch der Kämpfe im Jahre 1998 sind im Kongo schätzungsweise zwischen 3 und 4,7 Millionen Menschen ums Leben gekommen, vgl. Der Spiegel, Nr. 22 vom 26.5.2003, S. 112– 115. 55 Grünhagen/Schubert 2000, S. 217.

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Dabei gelten folgende Merkmale: − − − − −

Herrschaft: Sie ordnen sich leichter neuen Herrschaftsstrukturen unter. Werte: Sie verinnerlichen von außen auferlegte Wertesysteme. Gefahr: Sie setzen sich eher einer tödlichen Gefahr aus. Identifikation: Sie identifizieren sich mit einer neuen Gruppe. Loyalität: Sie bringen dieser Gruppe Loyalität entgegen.

Dabei spielt für die Einsatzbereitschaft von Kindersoldaten regelmäßig der rituelle Charakter der Gewalt eine bedeutsame Rolle, der Terror nimmt den Charakter eines „Kults“ an.56 Die Kriegführung enthielt zahlreiche spirituelle Elemente, die zu einem „Krieg der Geister gehörten, den z. B. die RENAMO57 gegen alle Spuren sozialistischer Modernisierungspolitik in Mosambik führte. Die kindlichen Kämpfer unterlagen einem speziellen Initiationsritus, mit dem sie in die Kriegerkaste aufgenommen wurden. Dabei wurden sie zu Gewalttaten gezwungen, um zunächst Angst und dann Aggression auszulösen. Bekannt geworden sind die grausigen Praktiken des Armabschlagens mithilfe einer Machete unterhalb (long sleeve) oder oberhalb des Ellbogens (short sleeve). Häufig werden die Kindersoldaten dazu unter Drogen gesetzt. Ein Wunderheiler (curandeiro) spricht die Kinder anschließend von jeder Schuld frei, stellt sie unter seinen magischen Schutz und gibt ihnen eine neue kriegerische Identität. Der Einsatz von Kindersoldaten, der in der Zivilbevölkerung Angst und Schrecken verbreitete, ermöglichte so erst die Fortführung des Krieges. 5.5.2 Verbot des Einsatzes Bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts musste die traurige Bilanz lauten: „Ohne die extreme Jugend der Soldaten im Ersten Weltkrieg wären Blutbäder wie das auf dem Schlachtfeld von Verdun (fast 700.000 Tote) nicht möglich gewesen“ (Jules Romains58). Seither haben sich die Verhältnisse nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Es war also höchste Zeit, dass sich das internationale Recht der Angelegenheit annahm. So hat jetzt die UNO in einer Zusatzkonvention zur UNKinderrechtskonvention59 den Einsatz von Personen unter 18 Jahren bei Kriegen und bewaffneten Konflikten untersagt. Jugendliche unter 18 dürfen auch nicht mehr zwangsweise zum Wehrdienst eingezogen werden. Nach wie vor ist es jedoch erlaubt, Freiwillige schon ab 16 Jahren zu rekrutieren.60 Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes ist 1992 für Deutschland in Kraft getreten.61 Es fragt sich

56 57 58 59

Wilson 1992, S. 527–582. Resistência Nacional Moçambicana. Zitiert nach: Virilio 2002, S. 90. Der Text findet sich auf der Website www.uni–kassel.de/fb10/frieden/themen/Kindersoldaten/ konvention-text.html 60 Zu den Konsequenzen: de Berry 2001, S. 92–105. 61 BGBL. II, S. 990.

Kapitel 2: Kriegstechnik

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allerdings, ob sich gerade die Gruppen an das Übereinkommen halten werden, die als vom Scheitern bedrohte Staaten, als Revolutionäre oder Kriminelle auch bisher schon zu dem letzten Mittel, der Rekrutierung von Kindersoldaten, gegriffen haben. 5.6 Warlords und Kriegsunternehmer Die Palette der so genannten Warlords reicht von „Gewaltunternehmern“ über die Führer krimineller Banden bis zu lokalen Herrschern mit eigenen kleinen Kriegsfürstentümern.62 Anschauliche Beispiele hierfür finden sich in Afghanistan, wo die Macht der Regierung in Kabul kaum über die Stadtgrenzen hinausreicht, weil sie nicht in die selbst zugeschriebenen Kompetenzen lokaler Stammesfürsten eingreifen kann, die nicht nur über eigene Truppen verfügen, sondern auch Recht sprechen, Steuern erheben und – gegen prozentuale Beteiligung – Konzessionen zum Anbau von Mohn bzw. zum Abbau von Bodenschätzen erteilen. Ähnliches gilt für bestimmte Bereiche Pakistans. Nicht selten werden Kampfhandlungen zum Gegenstand von „geschäftlichen Transaktionen“. Mary Kaldor63 berichtet von einem Telefongespräch zwischen dem muslimischen Ortskommandanten von Mostar und seinem serbischen Gegenspieler, das die UNPROFOR (United Nations Protection Force) abgehört hat. Die Gesprächspartner feilschten um den D-Mark-Preis, der für einen Beschuss der Kroaten durch die Serben zu bezahlen war. Als die Serben im Juli 1993 den Berg Iman einnahmen, von dem aus Sarajewo beschossen werden konnte, setzten zunächst „Verkaufsverhandlungen“ ein. Die paramilitärischen Verbände, die den Berg verteidig­ ten, wollten ihre Stellungen für den Preis einer Kontrolle über die Schwarzmarktrouten „verkaufen“. Ähnliches beschreibt Keene64 für die Regierungstruppen in Sierra Leone, die im gleichen Maße plündern und rauben wie die Rebellen.

62 Herberg-Rothe 2003, S. 72 f.; vgl. Nissen/Radtke 2002. 63 Kaldor 1999, S. 83. 64 Keene 1995.

Kapitel 2: Kriegstechnik „Die Waffensysteme entsprechen den Produktions- und Organisationsformen der Gesellschaft“.65

Tatsächlich ist die Geschichte der Technik eng mit der des Krieges verbunden. Kriege führten oft zu spektakulären technischen Neuerungen. Umgekehrt bedeutete technische Unterlegenheit oft genug die sichere Niederlage im Krieg. Nicht zuletzt die Raketentechnologie verdankt ihre Entstehung dem Zweiten Weltkrieg. Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür ist das so genannte Manhatten-Projekt, nämlich Bau und Entwicklung der ersten Atombombe im Zweiten Weltkrieg, was ungeheure technische, wissenschaftliche und logistische Anstrengungen erforderte. Seither haben sich die USA erfolgreich bemüht, die fähigsten Wissenschaftler aller Disziplinen und Nationen nach Amerika zu holen, um sich stets an der Spitze des technischen Fortschritts zu halten. Die Zahl der US-amerikanischen Nobelpreisträger gibt darüber Auskunft. Ist dieser technologische Vorsprung in symmetrischen Kriegen zwischen ebenbürtigen Gegnern von entscheidender Bedeutung, so spielt er in asymmetrischen Kriegen zwischen einer High-Tech-Armee auf der einen und weniger gut ausgerüsteten Soldaten auf der anderen Seite häufig eine eher untergeordnete Rolle. Hier kommt es stärker auf die folgenden Faktoren an: − − − − −

Kenntnis des Landes Vertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen der Einheimischen Physische und psychische Leistungsfähigkeit Klimaverträglichkeit Motivation der eigenen Soldaten.

Neben der genialen Strategie des Feldherrn und dem Mut der Soldaten spielt die Waffentechnik vor allem in von Staaten geführten Kriegen eine immer größere Rolle. Sie verändert nicht nur das Bild der Schlacht, sondern auch die gesamte Kriegführung. So hat die Einführung einer wirkungsvollen Artillerie die Burgen und Festungen überflüssig werden lassen. Die Maginotlinie brachte nur die Illusion eines absoluten Schutzes für Frankreich, tatsächlich war sie überwindbar wie schließlich auch der deutsche Westwall. Mit mobilen Panzereinheiten setzten die Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg solche als unüberwindlich geltenden Schutzwälle buchstäblich außer Gefecht. Inzwischen lassen sich auch tief in der Erde versenkte Bunker aus meterdicken Betonplatten mit Spezialbomben (bunker buster) sprengen. Im Ersten Weltkrieg wurde der Panzer zur kriegsentscheidenden Waffe. 65 Van Creveld 1998.

Kapitel 2: Kriegstechnik

261

Aber auch kleinere technische Neuerungen sind oft kriegsbedingt entstanden. So brachte es der Erste Weltkrieg mit sich, dass die Uhr seither nicht mehr in der Uhrentasche, sondern am Handgelenk getragen wird. Später gewannen die Flugzeuge und schließlich die Raketen kriegsentscheidende Bedeutung. Der „Hexenmeisterkrieg“, wie der Zweite Weltkrieg bei seinen Ingenieuren hieß, brachte einen ungeheuren technologischen Entwicklungsschub mit sich. Raketen wie die V 1 und V 2 oder Düsenjäger wie die Messerschmidt Me 262 wurden entwickelt, Radar und Funktechnik wurden vervollkommnet. Bis schließlich die Briten Ende 1943 den ersten digitalen Computer zum Laufen brachten und die Amerikaner die Atombombe entwickelten. Heute beherrschen Smart Bombs das Bild, die sich mit Hilfe eigener Steuerungssysteme quasi selbständig ihr Ziel suchen. In jeder Granate befindet sich ein Mikroprozessor, der diese Steuerung ermöglicht. So genannte Drohnen werden nicht nur zur Aufklärung, sondern auch zur Zielerkennung und Zielzuweisung von Spezialraketen eingesetzt. 1. Kriegsindustrie In der Endphase des Ersten Weltkriegs und stärker noch im Zweiten Weltkrieg fand der totale Krieg statt. Dieser ist nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet, dass er durch eine umfassende Umorganisation der Friedensindustrie eine effektive Kriegsindustrie schafft. Wer diesen Umwandlungsprozess besonders schnell und wirkungsvoll realisiert, hat einen entscheidenden Vorteil im Krieg. Nach dem Ende des Krieges muss dieser Vorgang dann allerdings aus ökonomischen Gründen Schritt für Schritt rückgängig gemacht werden (Stichwort: „Konversion“). Der Kalte Krieg führte hingegen über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten zu einem militärisch-industriellen Komplex, der auf Dauer angelegt zu sein schien. Umso deutlicher zeigte das Ende des Sowjetimperiums, mit welchen Schwierigkeiten und vor allem Kosten die Konversion verbunden ist. Große Mengen von Waffen aller Art bis hin zu waffenfähigem Plutonium, die nicht mehr gebraucht wurden, landeten auf dem Schwarzmarkt. Große Armeen wie die chinesische Volksbefreiungsarmee unterhalten ihre eigenen Waffenfabriken, deren Produkte meistbietend verkauft werden. Hinzu kommt die Überproduktion von Rüstungsmaterial in der westlichen Welt, für die lukrative Märkte gefunden werden müssen. Heute sind Hochtechnologiekonzerne längst zu aktiven Mitspielern in der Kriegsvorbereitung und Kriegsdurchführung geworden66. 2. Waffengattungen Aus den einheitlichen Heeren des Kabinettskrieges, die allenfalls von Kavallerie flankiert und von Artillerie unterstützt wurden, entwickelten sich im Laufe der Zeit die Waffengattungen: Heer und Luftwaffe, während die Marine ebenfalls über eine 66 Vgl. Kittler 2000.

262

Teil VII: Kriegsinstrumente

lang zurückreichende Tradition verfügt. Vor allem im Zweiten Weltkrieg, aber auch noch im Koreakrieg, spielten die Fallschirmjäger eine bedeutende Rolle, die auch hinter den feindlichen Linien abspringen und die Front gewissermaßen „von hinten aufrollen“ konnten. Und auch die „Marines“ sind eine traditionsreiche Truppe. Sie sind aus den Seesoldaten alter Art hervorgegangen, die es bereits gab, als England noch mit Spanien und Frankreich um die Vorherrschaft auf den Weltmeeren rang. 2.1 Luftwaffe Vor allem zwei Verwendungsarten charakterisieren das Bild der Luftwaffe: Jäger und Bomber. Während Jäger feindliche Flugzeuge bekämpfen sollen, sind Bomber dazu gedacht, Bomben und Luftminen auf feindliches Territorium abzuwerfen. Im Ersten Weltkrieg schätzte der deutsche Generalstab die militärischen Möglichkeiten des Flugzeugs falsch ein, so dass sich eine Überlegenheit der gegnerischen Luftwaffe ergab. Schaubild 36: Flugzeugproduktion im Ersten Weltkrieg (in Stück) Staat Deutsches Kaiserreich

Österreich–Ungarn Großbritannien Frankreich USA

Italien

Russland

1914

1915

1916

1917

1918

Gesamt­ produktion

1.348

4.432

8.182

19.746

14.123

47.931

70

238

931

1.714

2.438

5.391

245

1.933

6.099

14.748

32.036

55.061





83

1.807

11.950

13.840

541 –

535

4.489 382

1305

7.549 1.255 1.870

14.915 3.871 1.897

24.652 6.532 –

52.146 12.031 5.607

(Quelle: Neugebauer/Ostertag 1993, S. 209)

Zu Kriegsbeginn besaßen die Franzosen die Lufthoheit, obwohl sie über vergleichweise wenige Flugzeuge verfügten. Diese Lufthoheit konnte erst im Herbst 1915 durch ein neues deutsches Jagdflugzeug vom Typ Fokker E 1 – wenn auch nur kurzfristig – gebrochen werden. Die Produktionszahlen in Schaubild 36 zeigen allerdings auch, dass den 21.460 im Jahre 1917 von den Mittelmächten produzierten Flugzeugen 75.170 von der Entente produzierte Flugzeugen, also mehr als dreimal soviele Flugzeuge, gegenüberstanden. In der Gesamtproduktion übertraf allein Großbritannien bereits die insgesamt von den Mittelmächten produzierten Flugzeuge. Frankreich produzierte fast ebenso viele Flugzeuge, die Unterlegenheit des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns in diesem Bereich war also mit Händen zu greifen. Erstmals erlangten die Bomber besondere Bedeutung, als sie begannen, die rückwärtigen Verbindungslinien des Gegners und die feindliche Infrastruktur zu zerstören.

Kapitel 2: Kriegstechnik

263

Im Zweiten Weltkrieg wurden Hunderttausende von Bomben aller Art abgeworfen67. Schließlich beherrschten die Luftflotten der Royal Airforce und der USAirforce den Himmel über Europa und über dem Pazifik gleichermaßen. Die USamerikanischen B-52-Bomber, die in Vietnam und auf späteren Kriegsschauplätzen eingesetzt wurden, hatten eine Bombentraglast von 30 Tonnen und konnten ein Gebiet von 4,5 km Länge und 800 m Breite in eine Kraterlandschaft verwandeln. Eine B-52 kann bis zu 45 so genannte Clusterbomben (Streubomben) tragen, diese Geschosse können aber auch von Haubitzen oder mit Raketen abgefeuert werden. Die Clusterbombe platzt beim Anflug auf und verstreut seine bis zu 650 Tochtergeschosse, faustgroße Minibomben (bomblets), die entweder direkt oder nach Berührung explodieren. Typisch für diese Bombenart ist, dass viele Blindgänger (bis zu 5 %) liegen bleiben, die überdies vom Flugzeug abgeworfenen Lebensmittelpaketen ähneln. Vor allem Kinder sind die potenziellen Opfer solcher Verwechslungen. Clusterbomben wurden sowohl von den USA als auch von der Sowjetunion eingesetzt. Zum ersten Mal geschah das im Vietnamkrieg, später auch im Zweiten Golfkrieg, im Kosovokrieg und in den beiden Afghanistankriegen sowie im Tschetschenienkrieg und im Irakkrieg. Ihr Einsatz widerspricht – bei Einhaltung des Proportionalitätsprinzips – nach herrschender Meinung nicht dem geltenden Kriegsvölkerrecht, ein internationales Verbot wird aber angestrebt. Im Vietnamkrieg wurde die Tradition der Fallschirmjäger, die im Zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg eine große Rolle gespielt hatten, zu luftbeweglichen Infanterie- und Kavalleriedivisionen weiterentwickelt. Ziel dieser Einheiten war es, die Soldaten mit Hubschraubern möglichst nah an den Feind heranzubringen, ihn zu bekämpfen und anschließend wieder zu einer der Garnisonen ausgeflogen zu werden. 2.2 Panzer Das erste geländegängige gepanzerte Fahrzeug (tank) wurde von den Briten entwickelt und am 20. November 1917 gegen die deutschen Truppen eingesetzt. Die Folge war eine Massenpanik bei der deutschen Infanterie. Alsbald wurden jedoch Abwehrmaßnahmen und panzerbrechende Waffen bereitgestellt, so dass die Panzer ihre Abschreckungswirkung zumindest teilweise wieder einbüßten. Im Zweiten Weltkrieg bildeten sie aber noch das Rückgrat der Invasionstruppen, zunächst der deutschen, dann der sowjetischen und der alliierten Truppen. Und auch in der Zeit des Kalten Krieges rechneten die Strategen damit, dass die Sowjetunion im Kriegsfall mit starken Panzerkräften durchbrechen würde. Dementsprechend waren auch die Truppen der NATO, einschließlich der Bundeswehr, mit einer großen Zahl von Panzern ausgerüstet. Seit diese Bedrohung weggefallen ist, orientiert sich die Bundeswehrführung an anderen Leitbildern. Panzer spielen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle.

67 Friedrich 2002.

264

Teil VII: Kriegsinstrumente

2.3 U-Boote Ebenfalls bereits im Ersten Weltkrieg wurden U-Boote entwickelt, die sich in getauchtem Zustand den feindlichen Kriegs- und Handelsschiffen bis auf Schussweite nähern konnten, ohne zunächst selbst gefährdet zu sein. Im Ersten Weltkrieg wurde allerdings von den U-Bootbesatzungen vorwiegend die Bordkanone eingesetzt. Nur durch Artilleriebeschuss oder durch Rammen konnten die britischen Kriegsschiffe zu dieser Zeit gegen die deutschen U-Boote vorgehen. Der deutsche Generalstab hatte allerdings die Bedeutung dieser Waffe weit unterschätzt, so dass Deutschland zu Kriegsbeginn nur 28 U-Boote besaß. Sie wurden zunächst lediglich als Hilfskräfte der Hochseeflotte angesehen. Ernst genommen wurden sie erst, als U 21 am 5. September 1914 den englischen Kreuzer „Pathfinder“ versenkte68. Den Briten gelang es nicht, ein wirksames Abwehrsystem zu entwickeln, so dass sie Handelsschiffe nur noch unter dem Begleitschutz von Kriegsschiffen im Konvoi fahren ließen69. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Deutschland gemäß Artikel XXII des Versailler Vertrages sämtliche Unterseeboote (176) an die Alliierten auszuliefern und die Marine auf 15.000 Mann mit geringem Schiffsbestand zu reduzieren. Die Herstellung von U-Booten wurde Deutschland ganz verboten. Hitler setzte sich allerdings über dieses Verbot hinweg, so dass auch im Zweiten Weltkrieg die U-Boote eine wichtige Rolle spielten. Als US-Präsident F. D. Roosevelt (1933–1945) den Briten im Jahre 1940, unmittelbar nach Kriegsbeginn, jegliche Hilfe im Krieg gegen Deutschland zusagte, stand die Neutralität der USA nur noch auf dem Papier. Per Schiff wurde Kriegsmaterial in großem Umfang von Amerika nach England geschafft. Nur durch den Einsatz von U-Booten war es der deutschen Kriegsmarine möglich, diesen Versorgungsweg zumindest zu stören, wenn auch nicht vollständig zu unterbinden. Durch die Erfindung des Sonars, mit dem U-Boote unter Wasser aufgespürt werden konnten, aber auch durch das Dechiffrieren des deutschen ENIGMA-Geheimcodes durch polnische und britische Mathematiker gelang es den Alliierten, einen großen Teil der deutschen U-Bootflotte zu versenken.70 Mit atomgetriebenen U-Booten wurde es schließlich vor allem den Amerikanern, aber auch den Sowjets und Briten möglich, weitgehend unabhängig von der Überwasserversorgung lange Strecken unter Wasser zurückzulegen. Zeitweilig schienen die mit Mehrfach-Atomsprengköpfen ausgerüsteten U-Boote das letzte Unterpfand für das Überleben zu sein. Mit ihnen ließ sich der Gegner auch dann noch vernichten, wenn dieser das eigene Land bereits mit Atombomben verwüstet hatte. Auf diese Weise wurde der atomare Erstschlag so riskant, dass es nicht zur atomaren Katastrophe kam. Allerdings vernachlässigten Amerikaner und Briten während dessen die Entwicklung konventioneller U-Boote, so dass es Deutschland 68 Wenig später gelang es einem einzigen U-Boot (U 9) sogar, drei britische Panzerkreuzer an einem Tag zu versenken. 69 Vgl. Bendert 2001. 70 Die Entschlüsselung begann bereits im Januar 1940 Erfolge zu zeigen, aber erst im Dezember 1942 konnte das Verschlüsselungsverfahren der Marine geknackt werden.

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zeitweilig gelang, absoluter Marktführer auf diesem Gebiet zu werden. Nicht zuletzt die israelische Marine verlangte und erhielt zahlreiche U-Boote aus deutscher Produktion. 2.4 Raketen Unbemannte Raketen ermöglichen einen Angriff auf entfernte Ziele. Heute unterscheidet man im Wesentlichen zwischen Mittelstreckenraketen und Interkontinentalraketen. Nach dem Zusammenhang zwischen Abschussrampe und Ziel lässt sich aber auch differenzieren in Boden-Boden-, Boden-Luft-, Luft-Luft-Raketen und seegestützte Raketen, die von Schiffen abgefeuert werden. An die Stelle von Flugabwehrkanonen sind Flugabwehrraketen getreten. Bereits im Zweiten Weltkrieg spielten einfache Raketen in Gestalt der V 1 und der V 2 eine Rolle, als die Wehrmacht sie von Peenemünde aus auf englische Städte abfeuern ließ. Sie waren aber noch zu langsam und ließen sich nicht genau genug steuern, so dass ihre Wirkung letztlich begrenzt blieb. Allerdings nahmen die Siegermächte, allen voran die USA und die UdSSR, nach dem Zweiten Weltkrieg die deutschen Raketeningenieure und ihre technischen Unterlagen mit in ihre Länder und ließen sie dort ihre Projekte weiter entwickeln. So gelangten Oberth, von Braun und Andere zu Ruhm und Ansehen, als sie für die NASA ein Programm entwickelten, das schließlich sogar Interkontinentalraketen möglich machte. Im Kalten Krieg standen sich schließlich auch die Raketen der Supermächte gegenüber, mit deren (Mehrfach-) Sprengköpfen sie (fast) die gesamte Menschheit hätten vernichten können. Auch hier verhinderte das „Gleichgewicht des Schreckens“ allerdings das Schlimmste. Nur einmal geriet die Welt an den Rand eines Atomkrieges, als die Sowjetunion auf Kuba 1962 Mittelstreckenraketen zu installieren begann, die unmittelbar US-amerikanische Städte bedrohten. Das Krisenmanagement funktionierte jedoch, so dass die sowjetischen Raketen auf Kuba im Austausch gegen amerikanische Raketen in der Türkei zurückgezogen wurden. Obgleich die Pioniere der Weltraumfahrt bereits exakte Pläne für Raumschiffe vorlegen konnten, scheuten die USA die enormen Kosten. Erst als es der sowjetischen Raumfahrt am 4. Oktober 1957 gelang, einen Erdsatelliten (Sputnik) in den Orbit zu befördern71, begann der Wettlauf zum Mond. Bereits am 28. Juli 1955 hatte USPräsident Eisenhower verkündet, dass er einen Erdsatelliten in Auftrag gegeben habe. Aber erst im Dezember 1968 umrundeten US-amerikanische Astro­nauten den Mond als Erste und landeten ein Jahr später auf dem Erdtrabanten. Außer den beiden Supermächten waren damals nur wenige andere Staaten in der Lage, Raketen herzustellen. Diese Situation hat sich in der Zwischenzeit jedoch grundlegend geändert. China, Indien, Pakistan und sogar Nordkorea, insgesamt 70 Länder der Erde, verfügen inzwischen über Raketen oder Marschflugkörper (Cruise

71 Im selben Jahr wurde mit der Hündin Laika das erste Lebewesen von den Sowjets in den Weltraum geschossen.

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Missiles). Panzerabwehrraketen aus Beständen der ehemaligen Roten Armee befinden sich offenbar sogar in der Hand von Terroristen, wie die Anschläge in Kenia etc. gezeigt haben. 3. Massenvernichtungswaffen Im Verlauf der Kriegsgeschichte wurden die Waffen immer wirkungsvoller, d. h. sie schlossen einen immer größer werden Kreis von potenziellen Opfern ein. Bis zur Erfindung des Maschinengewehrs fand mit Gewehren, Pistolen und Bajonetten im Wesentlichen ein Kampf Mann gegen Mann statt. Später konnten wenige MGSchützen u. U. eine Stellung gegen den Ansturm einer größeren Zahl von Soldaten halten. Artilleriegeschosse und später von Flugzeugen abgeworfene Bomben erhielten immer raffiniertere Zünder und Sprengladungen, mit denen man unzählige Menschen töten oder zumindest verwunden konnte. Schließlich wurden im Zweiten Weltkrieg Spreng- und Splitterbomben mit Brandbomben kombiniert. Damit ließen sich ganze Städte durch künstlich entfachte Feuersbrünste vernichten72. Insbesondere die Napalmbomben erlangten noch einmal eine besondere Bedeutung, als die USA solche Bomben im Vietnamkrieg einsetzten. Moderne Massenvernichtungswaffen, d. h. Waffen mit großer Zerstörungskraft bzw. großer Flächenwirkung, beziehen sich entweder auf die atomare, die chemische oder die biologische Vernichtungskraft (ABC-Waffen). Obwohl es sich um ganz unterschiedliche Waffenkategorien handelt, folgt man bei der Bezeichnung einer Empfehlung der UN-Kommission für konventionelle Rüstung aus dem Jahre 1948. Es liegt auf der Hand, durch internationale Vertragswerke den Einsatz und möglichst auch bereits die Herstellung solcher Massenvernichtungswaffen zumindest einzuschränken, wenn nicht ganz zu verhindern. Diesem Zweck dient z. B. der Atomwaffensperrvertrag73 vom 1. Juli 1968, dem Deutschland beigetreten ist. Kern­ waffen­staaten verpflichten sich darin zur Nichtweitergabe, Nichtkernwaffenstaaten zum Verzicht auf Herstellung und Erwerb von Kernsprengkörpern sowie zur Unterwerfung unter ein von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAO) in Wien kontrolliertes Überwachungssystem74. Theoretisch enthält der Vertrag ein Rücktrittsrecht, die Vertragsparteien haben aber am 11. Mai 1995 – ohne Abstimmung – im Konsens entschieden, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit in Kraft bleiben soll. In eine ähnliche Richtung zielen das Biotoxinwaffen-Über­einkommen vom 10. April 1972 und das Chemiewaffen-Übereinkommen vom 13. Januar 1993. Deutschland hat auch durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag seinen „Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen“ noch einmal bekräftigt (Art. 3 Abs. 1). 72 Friedrich 2002. 73 Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 2.5.1975. 74 Für Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Portugal tritt an die Stelle der IAO die Europäische Atombehörde.

Kapitel 2: Kriegstechnik

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Eine besondere Gefahr stellt allerdings auch hier der Terrorismus dar. Nuklearterroristen könnten sich in den Besitz einer so genannten „schmutzigen Bombe“ bringen und eine solche konventionelle, mit radioaktivem Material kontaminierte Bombe einsetzen. Radioaktives Material ist auf dem „Schwarzen Markt“ in großen Mengen verfügbar. Vor allem die psychologischen Folgen eines solchen Einsatzes wären beträchtlich75. 3.1 Atomwaffen Seit der Entwicklung der ersten Atombombe durch die USA gegen Ende des Zweiten Weltkriegs76 gelten Atomwaffen als die wirkungsvollsten Waffen überhaupt. Ihre Vernichtungskraft übersteigt alles bis dahin Vorstellbare. Deutschland hatte zwar die Grundlagenforschung erbracht, zur Konstruktion einer Atombombe als mögliche „Wunderwaffe“ kam es aus verschiedenen Gründen jedoch nicht. Im Herbst 1940 erhielt US-Präsident Roosevelt von den Briten neben anderen kriegstechnischen Neuerungen die Forschungsergebnisse der Physiker Peierls und Frisch77. Diese hatten die kritische Masse errechnet, die erforderlich war, um mittels Spaltung des Atomkerns eine gewaltige Detonation zu bewirken. Zugleich hatten sich die Briten in Belgisch-Kongo die Katanga-Minen mit dem weltweit größten Uranvorkommen gesichert. Es bedurfte allerdings der unerschöpflichen materiellen und menschlichen Ressourcen der USA, um schließlich das Manhatten-Projekt zu verwirklichen.78 Die ersten Atombomben, die eigentlich für Berlin vorgesehen waren, wurden schließlich auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Sie hatten eine Sprengkraft von 12.500 bzw. 22.000 t TNT, ihr Abwurf wird heute von Völkerrechtlern als Kriegsverbrechen angesehen. Nachdem auch die Sowjetunion sich – nicht zuletzt durch Spionage – in den Besitz von Atomwaffen gesetzt hatte und Großbritannien sowie Frankreich Atommächte geworden waren, lag den Atomwaffenbesitzern daran, sich ihre Monopolstellung zu sichern. Die weitere Ausdehnung sollte durch den am 5. März 1968 in Kraft getretenen Nichtweiterverbreitungsvertrag verhindert werden. Mit ihm wurde ein globales System internationaler Sicherungsmaßnahmen geschaffen, das von der IAEO ggf. mit Hilfe von Inspektoren überwacht wird. Während den Kernwaffenstaaten jegliche Weitergabe von Kernwaffen verboten ist (Art. I), unterliegen die Nichtkernwaffenstaaten einem Bezugs- und einem Herstellungsverbot (Art. II). Ergänzt wird dieser Vertrag durch den Teststopp-Vertrag von 1963 und die Einrichtung von „nuklearfreien Zonen“ in der Antarktis, im Weltraum, in Lateinamerika, auf dem Meeresboden und im Südpazifik.

75 76 77 78

Jahresabrüstungsbericht 2004, S. 31. Die Atombombe war 1945 einsatzreif, die Wasserstoffbombe (H-Bombe) 1951. Friedrich 2002, S. 75. Vgl. Unger 1989, S. 211–260.

268

Teil VII: Kriegsinstrumente

Schaubild 37: Atomwaffen der Atommächte Staat

Strategische Gefechtsköpfe

Nicht-strategische Gefechtsköpfe

Summe aller Gefechtsköpfe (ohne Reserven)

USA

5.021

500

5.521

Russland

3.352

2.330

5.682

Frankreich

348



348

Großbritannien

185



185

China

ca. 130

?

ca. 130

Indien





ca. 50

Pakistan





ca. 60

Israel





100–200

Gesamtsumme





ca. 12.100

(SIPRI-Yearbook 2006, World Nuclear Forces table)

Die IAEO hat die Aufgabe der Sicherheitskontrolle der nuklearen Brennstoffkreisläufe in den Nichtkernwaffenstaaten. Vor allem soll sie das Abzweigen von militärisch verwendbarem Spaltmaterial aufdecken und anzeigen. Zurzeit werden mehr als 900 Kernanlagen in 60 Staaten regelmäßig kontrolliert. Probleme entstehen allerdings immer dann, wenn ein Staat, wie etwa der Iran, Kontrollen seiner Kernkraftwerke nicht zulässt oder deutlich einschränkt. Indien und Pakistan konnten als Nicht-Vertragsmitglieder weitgehend unbemerkt zu Atommächten werden. Im Falle Nordkoreas ist es allerdings einer Staatengruppe, in die auch China einbezogen wurde, in Verhandlungen gelungen, die Beendigung des Atomprogramms durch umfangreiche Lieferzusagen für Energie und Lebensmittel zu erreichen. Nordkorea hat zugesagt, seinen umstrittenen Atomkomplex in Yongbyon bis Ende 2007 unbrauchbar zu machen. Iran hat nach einem Bericht der US-Geheimdienste sein geheimes Atomwaffenprogramm im Jahre 2003 (vorläufig?) aufgegeben. 3.2 Chemische Waffen Am 22. April 1915 wurde im Ersten Weltkrieg von der deutschen Seite erstmals bei Ypern in Belgien Giftgas eingesetzt, später verwendeten alle Kriegsparteien Kampfgase verschiedener Arten. Auch in Bürgerkriegen kam von Zeit zu Zeit Giftgas zum Einsatz. So setzte Saddam Hussein in den 1980er Jahren Giftgas gegen die aufständischen Kurden und Schiiten ein, und auch der Türkei wird nachgesagt, sie habe mit Giftgas die Kurden „ruhig“ zu halten versucht. Das Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen (Chemiewaffenkonvention) trat am 29. April 1997 in Kraft, 167 Staaten haben das Übereinkommen inzwischen unterzeichnet. Zur Durchsetzung, Überwachung und Weiterentwicklung dieses Übereinkommens haben die Mitgliedstaaten eine eigene Organisation zum Verbot von chemischen Waffen ge-

Kapitel 2: Kriegstechnik

269

gründet, die gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Chemiewaffenkonvention ihre Arbeit aufgenommen hat. Sie verfügt über eigene Inspektoren und wird von einem Exekutivrat von Den Haag aus geführt. Um z. B. in Russland die (kostenaufwendige) Vernichtung von Chemiewaffen zu ermöglichen, wird im Rahmen des G 8Programms Globale Partnerschaft internationale finanzielle und technische Hilfe geleistet. Damit lässt sich die Terrorismusgefahr in diesem Bereich zumindest eindämmen, wenn auch nicht bannen. 3.3 Biologische Waffen Biologische Waffen in Gestalt von Krankheitserregern oder tödlichen Viren sind besonders heimtückisch. Dennoch oder gerade deswegen unterhalten alle Großmächte streng abgeschirmte Laboratorien, in denen biologische Waffen hergestellt werden. Nicht nur in US-amerikanischen Unterhaltungsfilmen werden Horrorszenarien dargestellt, in denen tödliche Viren und Bakterien aus den Laboratorien entweichen und unter der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreiten. Die Existenz dieser biologischen Waffen darf aber nicht als bloße Drohgebärde verstanden werden. Vielmehr kann es durchaus zu einer Situation kommen, in der die (moralischen) Bedenken der verantwortlichen Politiker schwinden. So ließ der britische Premierminister Churchill im Zweiten Weltkrieg am 8. März 1944 als „erste Lieferung“ in den USA eine halbe Million Milzbrandbomben bestellen79. Wegen der Invasion Deutschlands und der damit verbundenen Gefährdung alliierter Soldaten kamen diese Bomben jedoch ebenso wenig zum Einsatz wie die Atombomben der USA. Im Dezember 2002 veröffentlichte das Weiße Haus ein siebenseitiges Traktat, das sich ausschließlich mit dem Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen beschäftigt. Es ist dies die Strategy to Combat Weapons of Mass Destruction (Washington 2002). Diese Strategie wird darin als integraler Bestandteil des Kampfes gegen den Terror, der National Security Strategy und der Homeland Security (Dreisäulenmodell) bezeichnet. Dem Center for Disease Control and Prevention steht ein Epidemic Intelligence Service, eine Art Epedemiegeheimdienst, zur Verfügung. Für die Forschung nach und die Herstellung von Gegenmitteln und Impfstoffen stand im Jahre 2003 ein Budget von 4,5 bis zu 5,9 Milliarden Dollar zur Verfügung80. Das Übereinkommen über das Verbot und die Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (B-Waf­fen­kon­vention) von 1972 verbietet daher den Einsatz von biologischen Wirkstoffen und Toxinen (Art. 1)81. Zwar gehören dem Übereinkommen 153 Staaten an, aber Ägypten, Israel und Syrien sind bisher nicht beigetreten. Nicht zuletzt deshalb ist die Überprüfung der Einhaltung ein großes Problem, das bislang nicht gelöst ist. Weder die Forschung noch die Entwicklung von B-Waffen wurden durch die Konvention verhindert. 79 Friedrich 2002, S. 105. 80 National Strategy for Homeland Security 2002, S. 68. 81 Das Übereinkommen trat am 26.3.1975 in Kraft, Deutschland trat dem Übereinkommen am 7.4.1983 bei.

270

Teil VII: Kriegsinstrumente

4. Nicht-tödliche Waffen Zur Ergänzung der bisher verwendeten Waffensysteme werden seit Mitte der 1990er Jahre so genannte nicht-tödliche Waffen entwickelt, die das Risiko für die Getroffenen reduzieren sollen. Sie werden sowohl von der Polizei (riot police) wie vom Militär eingesetzt. Fünf Technologien kommen für solche nicht-tödlichen Waffen in Betracht: 1. Mikrowellen: Mit 95 GHz Frequenz sollen die obersten Hautschichten aufgeheizt werden (US-Projekt Area Denial System). 2. Taktische Laserwaffe: Dieser Sauerstoff-Jod-Laser soll eine Reichweite von 20 km haben (US-Projekt Advanced Tactical Laser). 3. Pulslaserwaffe: Dieser Deuteriumfluorid-Laser sorgt für einen mechanischen Stoß durch explosionsartiges Abdampfen der obersten Schicht des Ziels (USProjekt Pulsed Energy Projectile).82 4. Akustischer Strahl: Dieser Strahl wird durch Überlagerung vieler Einzelquellen eng gebündelt (US-System Long Range Acoustic Device). 5. Infrapulsgenerator: Die dadurch verursachten Wirbelringe dienen u. a. zum Transport von Reizstoffen (Tränengas etc.)(deutsches Projekt).

82 Laut New York Times sind 18 Menschen an den Folgen des Einsatzes einer Laserwaffe gestorben, in den USA waren es 280 Fälle seit 2001.

Kapitel 3: Kriegsfinanzierung „Der Krieg ernährt den Krieg. Gehen Bauern drauf, ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten“83.

Die Zeiten, in denen jede Kriegspartei eine Kriegskasse mit sich führte, aus der sie ihre Ausgaben tätigte und die sich auch vom Gegner erobern ließ, sind längst vorbei. De Gaulle war wohl der Letzte, der über eine echte Kriegskasse verfügte. Bei seiner Abreise aus Frankreich am 16. Juli 1940 händigte ihm der zu der Zeit noch amtierende Ministerpräsident Paul Reynaud für seine Tätigkeit in England eine Kriegskasse in Höhe von 100.000 Franc aus84. Anklänge finden sich aber auch heute noch in den Aktionen von Spezialkräften z. B. der CIA, die im Hinterland mit dem Fallschirm abspringen, um mit den mitgeführten Dollars z. B. afghanische Kriegsherren (warlords) als Kriegsalliierte „einzukaufen“. Eine alte (den Amerikanern offenbar unbekannte) Spruchweisheit besagt allerdings, dass man einen Afghanen nur mieten, aber niemals kaufen könne. In den Zeiten der Kabinettskriege war eine leere Kriegskasse ein entscheidendes Hindernis bei der Kriegführung. Staatenkriege werden heute im Allgemeinen hingegen aus dem Staatshaushalt finanziert. Das hat allerdings u. U. nachhaltige Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf den Wert der eigenen Währung. Oft bleibt als einziger Weg zur Finanzierung des Krieges die Vermehrung des Geldes durch Einsatz der Notenpresse. Die Folge ist dann regelmäßig eine grassierende Inflation, wie die Entwicklung in der Weimarer Republik mit dem Höhepunkt des Jahres 1923 besonders anschaulich zeigt. Oft werden neben den Bodenschätzen und sonstigen Ressourcen besetzter Länder auch deren Gold- und Währungsreserven für die Finanzierung des eigenen Krieges herangezogen. Den von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten wurden im großen Maßstab Gold, Geld und Naturalien entzogen85. Nach Beendigung des Krieges wird dem Verlierer eine Tributzahlung und/oder die Verpflichtung zu Reparationen in Geld bzw. Naturalien, oft auch als Abtretung von eigenem oder fremdem Territorium (Kolonien), auferlegt. Wird ein Unrechtsregime wie das Saddam Husseins im Irak durch militärische Intervention beseitigt, dann erhebt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Schulden. Nach dem Ende des Irakkrieges von 2003 drängte die US-Regierung – trotz des großen Erdölreichtums des Iraks – sogleich auf einen Schuldenerlass durch die Gläubigerländer (u. a. Frankreich, Deutschland, Russland). Für die Besatzungskosten muss nach Völkerrecht ohnehin das besetzte Land aufkommen. Insbesondere in den Zeiten der 83 Isolani, General der Kroaten. In: Schillers Werke in drei Bänden, Band 2, S. 509. 84 Vgl. Schunck 1998. S. 155. 85 Vgl. Aly 2005.

272

Teil VII: Kriegsinstrumente

Weltkriege wurden die Volkswirtschaften der europäischen Kriegsgegner schweren Belastungen ausgesetzt. Bei Kriegsende waren alle europäischen Staaten verarmt. Lediglich die Vereinigten Staaten verfügten nach dem Zweiten Weltkrieg über eine boomende Wirtschaft. 1. Kriege der Industriestaaten Da die Kriege moderner Industriestaaten aus der Staatskasse finanziert werden, müssen gegebenenfalls zusätzliche Etatmittel für kriegerische Einsätze veranschlagt und im Wege des Nachtragshaushalts vom Parlament bewilligt werden. Vor allem dann, wenn ein Finanzsystem – wie im Falle des Deutschen Reiches von 1871 – aufgrund struktureller Mängel nicht funktionsfähig ist, muss das Volk frühzeitig bereits durch Kriegsanleihen an der Finanzierung beteiligt werden. Pa­triotische Gefühle lassen sich in Geld umsetzen, wenn die Bevölkerung nicht nur Barmittel spendet, sondern z. B. den goldenen Ehering gegen einen eisernen Ring („Gold gab ich für Eisen“) austauscht, um die Herstellung von Kanonen zu finanzieren. In einigen Fällen lassen sich die Bodenschätze eroberter Territorien – seien dies nun Diamanten-, Gold- oder Silberfunde – zur Geldbeschaffung heranziehen. Allerdings bedeutet dann die Niederlage den Staatsbankrott mit allen dazu gehörenden finanziellen (Hyperinflation), sozialen (Verarmung) und politischen Folgen (Revolution). Im Falle eines Sieges werden im Extremfall die Goldvorräte der besiegten Länder eingezogen und notfalls durch Umprägung exportfähig gemacht. So wird der Schweiz zum Vorwurf gemacht, bei solchen Geschäften des nationalsozialistischen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg mitgewirkt zu haben86. 2. Kriegskosten „Im Krieg ist die Beschaffung von Geld […] die Gefährtin des Erfolgs“, hatte der griechische Historiker Diodor bereits im 1. Jahrhundert vor Christus erkannt87. Welche ungeheuren Kosten auch nur ein regionaler Krieg verursachen kann, zeigt der Vietnamkrieg. Für diesen knapp neun Jahre dauernden Krieg hatten die USA insgesamt ungefähr 350 Mrd. Dollar ausgegeben und rund 58.000 Mann verloren. Die Schäden, die im Verlauf des Krieges in Vietnam und den Nachbarländern angerichtet wurden, sind dabei freilich noch nicht eingerechnet. Allein die Vietnamesen hatten 1,5 Mill. Opfer zu beklagen. Der Irakkrieg von 2003 liefert ein weiteres Beispiel. Bislang sind 171 tote Soldaten zu beklagen, davon 138 US-Amerikaner und 33 Briten. Die Kosten des Krieges für den US-Haushalt werden auf bis zu 79 Mrd. US-Dollar (70 Mrd. €) beziffert, davon 63 Mrd. US-Dollar reine Kriegskosten. Großbritannien hat für diesen Krieg etwa 4,5 Mrd. € aufgewendet. Heute werden durchschnittlich rund 2,5 % des weltweiten Bruttosozialprodukts in die Rüstung 86 Aly 2005. 87 Diodor XXIX 6,1.

273

Kapitel 3: Kriegsfinanzierung

gesteckt. Inzwischen hat jedoch eine beispiellose Verteuerung wichtiger Rüstungsgüter eingesetzt, die bei knapp bemessenen Verteidigungshaushalten zu beträchtlichen Finanzierungslücken führen kann. Moderne Waffensysteme sind vor allem wegen ihres technischen Niveaus teuer. So kosten Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge, Panzer etc. insbesondere wegen ihrer Elektronik inzwischen soviel wie nie zuvor. Trotzdem kaufen auch ärmere Länder solche Waffen, die sie für unverzichtbar halten, ohne Rücksicht auf die Lebensverhältnisse der Menschen zu nehmen. Oft übersteigen die Militärausgaben in Drittweltländern alle anderen Etatposten. Andererseits sind leichte Waffen, wie die Kalaschnikow, so billig und so leicht und reichlich verfügbar, dass sich Aufständische, Terroristen und Kriminelle ohne weiteres damit versorgen können. Die Industrienationen selbst stehen in einem Wettbewerb um die besten Waffensysteme, den sie gegen die USA freilich nicht gewinnen können. Denn die Rüstungsausgaben der Vereinigten Staaten machen allein fast drei Viertel der weltweiten Gesamtausgaben aus. Schaubild 38: Rüstung und Gewaltökonomie Regionen

Motive

Resultate/Konflikte

Rüstungswettlauf

Gewaltökonomie

Ost-West-Konflikt weltweit Kalter Krieg

Afrika Lateinamerika Russland/Kaukasus urbane Zentren

Einflusssphären Verteidigung Sicherheit Rüstungsprofite

Aufrüstung zwischenstaatliche Kriege

Akteure

Großaktionäre/Manager Apparatschiks Armeen

Art der Waffen

Atomwaffen Großwaffen

Finanzquellen

Rüstungskosten

Dominante Ideologie

Öffentlicher Haushalt

hoch

Systemkonfrontation

(Quelle: Wulf 2001, S. 68, mit eigenen Änderungen)

Profit wirtschaftliches Überleben Gewaltkriminalität Bürgerkriege Raub und Plünderung schwacher Staat

kleptokratische Regierungen Söldner, Warlords, PMCs, kriminelle Netzwerke, Rebellen, Kindersoldaten Kleinwaffen Landminen

Raub, Plünderung Kriegssteuern und Schutzgelder Diaspora, ausländische Regierungen Abzweigen humanitärer Unterstützung begrenzt

Neoliberalismus Globalisierung Schlanker Staat

274

Teil VII: Kriegsinstrumente

2.1 Ausgaben Nach dem Ende des Kalten Krieges waren die Militärausgaben zwar deutlich gesunken, 1998 war aber der Höhepunkt dieser Phase der Abrüstung bereits erreicht, jetzt wachsen die Rüstungsausgaben wieder. Der 11. September 2001 hat die Rüstungspolitik vieler Länder einschneidend verändert. Im Jahre 2006 wurden die Militärhaushalte weltweit – im Vergleich zum Vorjahr – um 3,5 % auf insgesamt 1.204 Mrd. $ erhöht88. China steigerte seinen Rüstungsetat so schnell, dass es die Militärausgaben Japans übertroffen hat und damit den Spitzenplatz in Asien sowie den vierten Platz in der Welt erreicht hat. Im Jahre 2007 betrug der Etat des USVerteidigungsministeriums zwar „nur“ 439,3 Mrd. US-$, was eine Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr von 6,9 % bedeutet, hinzu kommen jedoch noch weitere Ausgaben, wie etwa die für den globalen Krieg gegen den Terror in Höhe von 50,0 Mrd. US-$89. Schaubild 39: Staaten mit den höchsten Militärausgaben Rang

Land

1.

USA

2.

Ausgaben in Mrd. Weltanteil in $ absolut Prozent

Ausgaben pro Kopf in $

Anteil an der Weltbevölkerung in %

528,7

46

1.756

5

Großbritannien

59,2

5

990

1

3.

Frankreich

53,1

5

875

1

4.

China

[49,5]

[4]

[37]

20

5.

Japan

43,7

4

341

2

734,2

63

Summe der ersten Fünf

29

(Quelle: SIPRI Yearbook 2007)

Schaubild 39 zeigt, dass die USA allein fast die Hälfte aller Militärausgaben tätigen und damit stärker sind als alle möglichen Konkurrenten zusammen. Großbritannien belegt den 2. und Frankreich den 3. Platz. Nach dieser Art der Berechnung folgt China auf Platz 4. Legt man allerdings eine Umrechnungsformel der Weltbank zugrunde, die auf einem Vergleich des Bruttosozialprodukts der Staaten beruht, dann rückt China mit geschätzten 188,2 Mrd. US-$ auf Platz 2, Indien mit 114,3 US-$ auf Platz 3 und Russland mit 82,8 Mrd. US-$ auf Platz 4 vor. Ohnehin geben diese Zahlen keine genaue Auskunft über die militärischen Fähigkeiten eines Staates, da diese sich nicht nur am Ausgabenvolumen ablesen lassen. Die Entwicklung der Verteidigungshaushalte der Industriestaaten macht aber deutlich, dass die Vereinigten Staaten die übrigen Länder inzwischen weit überholt 88 Angaben des Stockholm International Peace Research Institute, SIPRI-Yearbook 2007, Chapter summaries, S. 11. 89 http://www.whitehouse.gov/omb/budget/fy2007/pdf/budget/tables.pdf, Zugriff am 19.08.2007.

275

Kapitel 3: Kriegsfinanzierung

haben. Sie geben für ihre Streitkräfte in einem Jahr mehr aus als die nächsten elf Staaten zusammen genommen90. Allein in der Amtszeit von G. W. Bush fand – vor Ausbruch des Irakkrieges 2003 – eine Aufstockung des Verteidigungsetats der USA um 50 Mrd. US-$ statt. Nach internen Angaben hat der Afghanistankrieg bis Ende Februar 2003 37 Mrd. US-Dollar gekostet, für den Irakkrieg wurde dem US-Präsidenten Bush auf seinen Wunsch hin im Jahre 2007 ein weiterer Betrag von ca. 200 Mill. Dollar zur Verfügung gestellt. Die Kosten für den Irakkrieg werden für einen Zeitraum vom Beginn bis zum Jahre 2016 auf insgesamt 2.267 Mrd. US-$ geschätzt. Der Preis, den die USA dafür zahlen, ist allerdings, dass ein von Ex-Präsident Clinton während seiner Amtszeit aufgebauter Haushaltsüberschuss in ein deutliches Defizit verwandelt wurde. Zudem verlangt die nunmehr demokratische Mehrheit im US-Kongress den Abzug der eigenen Truppen aus dem Irak bis zum Frühjahr 2008. Der Präsident konnte nur durch sein Veto verhindern, dass diese Resolution Gesetzeskraft erhielt. 2.2 Rüstungsexport und -import Der internationale Waffenhandel hat inzwischen einen riesigen Umfang angenommen, allerdings sind nicht alle Länder gleichermaßen am Rüstungsexport beteiligt. Schaubild 40: Die größten Waffenexporteure der Welt Land

2006

Rang

1977–2006

Rang

USA

7,7

1.

324,7,9

1.

Russland

6,6

2.

279,9 (incl. SU)

2.

Deutschland

3,9

3.

50,5

4.

Frankreich

1,6

4.

64,8

3.

Niederlande

1,5

5.

14,5

7.

Italien

0,9

6.

21,1

6.

China

0,6

7.

29,8

5.

(Quelle: SIPRI Yearbook 2007, Ausfuhren in Mrd. US-$)

Unter den 100 größten Unternehmen der Waffenproduktion weltweit waren im Jahre 2005 (ausgenommen China) allein 40 US-Firmen (63 % Weltanteil), 32 westeuropäische (29 %) und neun russische Firmen (2 %). Die USA und Russland waren im Zeitraum von 2002 bis 2006 mit 30 % des Weltwaffenexports die größten Waffenexporteure der Welt. Die USA haben nach dem 11. September 2001 ihre Ausfuhrbeschränkungen für Rüstungsgüter gelockert, so dass seither – trotz des Kaschmirkonflikts – auch Indien und Pakistan wieder Militärgüter erhalten.

90 Vgl. Newsweek 2003, Spiegel 2003.

276

Teil VII: Kriegsinstrumente

Nach Angaben der New York Times, die aus einer Studie eines unabhängigen Instituts des US-Kongresses zitiert, verkauften die US-Rüstungskonzerne Rüstungsgüter im Wert von 10,3 Mrd. US-Dollar an Entwicklungs- und Schwellenländer. Neben Pakistan, Indien und Saudi-Arabien gehören auch Oman und Ägypten zu den bevorzugten Empfängerländern von US-Waffenlieferungen. Der größte Waffenimporteur weltweit blieb hingegen auch im Jahre 2006 China, während Indien – nach den Vereinigten Arabischen Emiraten – auf Platz 3 zurückfiel. Schaubild 41: Die wichtigsten Empfängerländer von Waffen Land

2006

Rang

1977–2006

Rang

China

3,3

1.

28,2

8.

VAE91

2,4

2.

15,2

19.

Indien

1,7

3.

59,1

1.

Griechenland

1,5

4.

26,4

10.

Südkorea

1,3

5.

27,6

9.

Israel

1,0

6.

22,0

14.

Iran 91

0,9

7.

25,1

11.

(Quelle: SIPRI Yearbook 2007, Ausfuhren in Mrd. US-$)

2.3 Rüstungskontrolle Mehr als zwanzig bilaterale und multilaterale Rüstungskontrollabkommen sollen dafür sorgen, dass zumindest die Aufrüstung etwas verlangsamt wird, wenn es nicht sogar – in Einzelfällen (z. B. INF-Vertrag) – gelingt, Abrüstungsmaßnahmen durchzusetzen. Durch die bilateralen SALT-Verträge von 1972 und 1979 wurde die Anzahl der strategischen Trägersysteme der USA und der UdSSR beschränkt. Obgleich die Ratifizierung des Vertrages durch den US-Senat nicht stattfand, wurde der Vertrag von beiden Seiten weitgehend eingehalten. Bilateral waren auch die 1991 bzw. 1993 unterzeichneten START-Verträge, welche die Zahl der Weiterentwicklungen von neuen Offensivsystemen der beiden Supermächte erheblich reduzieren sollten. Die Ratifikation durch den US-Senat erfolgte am 26. Januar 1996. Aber erst am 14. April 2000 wurde der START II-Vertrag von der russischen Duma ratifiziert, und auch dann nur unter der Bedingung, dass die USA sich weiterhin an den ABM-Vertrag von 1992 hielten. Von diesem Vertrag, der Entwicklung, Test und Stationierung von Abwehrmitteln gegen ballistische Raketen begrenzen sollte, traten die USA jedoch am 13. Juni 2002 einseitig zurück, so dass START II nicht in Kraft trat. Deutlich erfolgreicher war hingegen der INF-Vertrag vom 8. Dezember 1987. Denn danach wurden Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.000 Kilometern vollständig eliminiert. Die USA 91 Vereinigte Arabische Emirate.

Kapitel 3: Kriegsfinanzierung

277

mussten 846 und die Sowjetunion 1.846 Raketen zerstören. Die letzte Rakete wurde im Mai 1991 demontiert. Der russische Präsident Putin hat einige dieser Abrüstungsverträge ausgesetzt und rüstet die russischen Streitkräfte erheblich auf. Teil der multilateralen Rüstungskontrolle ist die Errichtung und Überwachung von Rüstungsexportkontrollen. Dazu gehört auch die Einrichtung eines Waffenregisters auf UNO-Ebene. Am 9. Dezember 1991 beschloss die UN-Vollversamm­ lung, ein Register über den Export von traditionellen Waffen anzulegen. Eine UNWaffenkonvention, die seit dem 2. Dezember 1986 in Kraft ist, soll den Einsatz bestimmter konventioneller Waffen verhindern, die übermäßiges Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können. Dazu gehören bestimmte Minentypen, versteckte Sprengladungen (Protokoll I) sowie Brandwaffen (Protokoll II). Allerdings ist auch hier das Problem einer wirksamen Kontrolle ungelöst. Im Jahre 1999 trat die Konvention zum Verbot von Landminen in Kraft. Seitdem haben 44 der 131 Unterzeichnerstaaten ihre Vorräte pflichtgemäß vernichtet92. 3. Neuartige Kriege Die Finanzierung der neuartigen Kriege stößt insofern auf Probleme, als die meisten beteiligten Staaten kaum reguläre Steuereinnahmen haben. Zumeist liegen Gewerbe und Industrie – soweit überhaupt vorhanden – am Boden, es fehlt an Arbeitsplätzen und Einkommensmöglichkeiten, die Bevölkerung ist verarmt. Auch einer Umverteilung der noch vorhandenen Vermögenswerte durch die Regierung sind Grenzen gesetzt93. Die Krieg führenden Parteien müssen also nach neuen Wegen zur Finanzierung suchen. 3.1 Bodenschätze und Rauschgift Kriege bzw. Rebellionen gegen die Regierung werden in Afrika vor allem durch den illegalen Abbau von Gold und Diamanten finanziert. So genannte „Blutdiamanten“ werden dazu über Drittländer ausgeführt und überschwemmen die Märkte in Europa und USA. Oft finanzieren sowohl die Rebellen wie die angegriffenen Regierungen ihre Kriegführung mit dem Erlös aus dem Diamantenverkauf. Obgleich große Diamantensyndikate wie de Baer daran größtes Interesse haben, erweist es sich als außerordentlich schwierig, die illegalen Diamanten kenntlich zu machen, um sie von „sauberen“ Diamanten zu unterscheiden. In Asien und Lateinamerika überwiegt hingegen die Finanzierung von Kriegen durch den Verkauf von Rauschgift, das in Kolumbien, Afghanistan und anderswo angebaut wird. Ein weiteres Mittel der Kriegsfinanzierung ist der Mädchenhandel.

92 Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). 93 Einen Sonderfall stellen Gold- oder Diamantenminen in Afrika dar, die zur Kriegsfinanzierung ausgebeutet werden können.

278

Teil VII: Kriegsinstrumente

3.2 Kriegssteuern und Schutzgelder Zur Finanzierung der neuartigen Kriege kommt freiwillige Unterstützung oft aus der ethnischen „Diaspora“, so z. B. von den Auslandskroaten, die aus Westeuropa, aber auch aus Australien, Kanada und den USA, Geld zur Kriegsfinanzierung nach Kroatien transferiert haben. Auch für paramilitärische Verbände wie z. B. die UČK94 kommt diese Geldquelle in Betracht, wenn sie genügend Druck auf ihre Landsleute ausüben95. So werden „Kriegssteuern“ sowohl von den im Lande verbliebenen Unternehmern als auch von den im Ausland lebenden Familien eingetrieben. „Zölle“ in Geld oder Naturalien werden zudem an willkürlich errichteten Kontrollpunkten (Straßensperren) im Lande erhoben. Humanitäre Hilfslieferungen tragen ebenfalls zur Finanzierung solcher Konflikte bei. Mary Kaldor berichtet, dass die internationalen Geberorganisationen inzwischen ein Abzweigen von fünf Prozent der Hilfsgüter durch militärische oder paramilitärische Verbände als noch hinnehmbar betrachten96. Die bosnischen Kroaten verlangten und erhielten im Bosnienkrieg hingegen 27 Prozent der Hilfslieferungen für ihre eigenen Zwecke. Ohnehin sind Erpressung von Schutzgeld, Geiselnahme, Raub und Plünderung auf den Schauplätzen dieser neuartigen Kriege an der Tagesordnung. Darüber hinaus ist auch ein gewisses Maß an Korruption bei den internationalen Angestellten der Geberorganisationen vor Ort nicht auszuschließen. Das Terrornetzwerk al-Qaida finanziert seine Aktivitäten vor allem mit den „Spenden“ muslimischer Geldgeber. Das können kleinere Beträge sein, u. U. aber auch Riesensummen von hohen Würdenträgern der arabischen Staaten, die sich dadurch möglicherweise von Terroranschlägen „loskaufen“ wollen. Auf der anderen Seite verursacht al-Qaida durch seine Anschläge teils direkte, teils indirekte Kosten in Milliardenhöhe. Direkte Kosten entstehen vor allem durch die Zerstörung von Gebäuden etc., indirekte Kosten durch die Sicherung gefährdeter Einrichtungen (Polizeieinsatz etc.). Allein die durch die Anschläge vom 11. September 2001 verursachten Schäden werden von den Versicherungsgesellschaften auf 30 bis 58 Mrd. US-Dollar geschätzt.97

94 95 96 97

Ushtria Clirimtare e Kosoves. Vgl. Karádi 1999, S. 113–124. Kaldor 1999, S 165. Dietl/Hirschmann/Tophoven 2006, S. 349 f.

Schluss: Krieg ohne Raum

„Im Hinblick auf die Souveränität ist dabei am wichtigsten, dass es heute keine gesicherten Möglichkeiten mehr gibt, die Anwendung von Gewalt zu legitimieren, und dass man diese Gewalt nicht mehr in stabile Freund-FeindGrup­pie­rungen einteilen kann“.

Krieg scheint ein Phänomen zu sein, das mit der Menschheit unauflösbar verbunden ist. Die Zeit zwischen den Kriegen, also den Nichtkrieg, Frieden zu nennen, schiene mir allerdings verfehlt. Denn Frieden war und ist ein Traum, ein Zustand, nach dem man sich sehnen kann, für den es sich allerdings auch zu arbeiten lohnt. Kant ist hierzu mit seiner Schrift Zum ewigen Frieden einer der großen Wegweiser. Eine Beschwörungsstrategie des Wegdenkens durch Nichterwähnung des „Un­wortes“ hilft hingegen nicht, eher mutet sie an wie ein karibisches Voodoo-Ritual. Krieg hat es immer und zu allen Zeiten gegeben, und es erscheint mir daher als wenig wahrscheinlich, dass er in absehbarer Zeit aufhört zu existieren. Auch ein zur Weltregierung erstarkter (und halbwegs demokratisch legitimierter) UN-Sicherheitsrat, der freilich nicht in Sicht ist, könnte den Krieg lediglich um den Preis einer rigiden Zwangsherrschaft verbannen. Zu unterschiedlich sind die Wertvorstellungen der Nationen und Völker, als dass sie sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen ließen. Ohnehin gibt es verschiedene Erscheinungsformen von Krieg, die von der bloßen Stammesfehde bis zum Weltkrieg, vom tellurischen Partisanenkrieg bis zum transnationalen Terrorismus reichen. Nicht jeder Krieg wird von einem oder mehreren Staaten geführt. Vielmehr spielen im heutigen Kriegsgeschehen andere Akteure eine manchmal viel wichtigere Rolle: Kriegsunternehmer, Kriminelle, Söldner, Private Sicherheitsfirmen. Auch das Bild des „Kriegers“ und des Militärs hat sich geändert. Über einen langen Zeitraum, den wir etwa von 1648, dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, bis 1783, der Deklaration der Levée en masse, veranschlagen können, dominierte der Kabinettskrieg, der im Verlauf der Französischen Revolution vom Volkskrieg abgelöst wurde. Mit der Geburt des Nationalstaates war es fortan die Nation, die gegen eine (oder mehrere) andere Nation(en) Krieg führte. Diese Form des Krieges, die ich – in Ermanglung eines besseren Begriffs – Staatenkrieg nennen möchte, setzte sich bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fort. Die beiden Weltkriege gehören ebenso dazu wie der Koreakrieg. Dabei wurde aus dem absoluten (Clausewitz) der totale Krieg (Ludendorff). Als späte Nachfolger des Staatenkrieges lassen sich auch die von Israel geführten Kriege, die beiden Golfkriege und der Irakkrieg von 2003 kennzeichnen. Idealtypischer Ausgangspunkt 

Hardt/Negri 2004, S. 265.

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dieses Kriegstyps ist die Symmetrie: alle Staaten werden völkerrechtlich als gleichberechtigt anerkannt, die Kriegsgegner sind in etwa gleich stark. An die Stelle dieses symmetrischen Krieges traten in der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts jedoch immer mehr asymmetrische Kriege, die z.T. durch ein extremes Machtungleichgewicht gekennzeichnet waren. Dabei handelte es sich allerdings nur zum Teil um Staatenkriege. Neue Akteure neben den staatlichen Armeen traten hinzu. Partisanen, Guerillas und später Terroristen haben das Bild des Krieges nachhaltig verändert. Private Militärunternehmen und einfache Söldner sind heute in viele Kriege involviert. Wir müssen uns wohl oder übel damit abfinden, dass der Staatenkrieg nur eine – wenn auch relativ lang andauernde – Ausnahmeerscheinung war. Mit der Reduktion staatlicher Souveränität schwindet auch die Kraft der Staaten, den Krieg „einzuhegen“. Zieht man einmal eine „Bilanz“ des Kriegsgeschehens über etwas mehr als drei Jahrhunderte, dann ergibt sich das folgende Bild: Schaubild 42: Die Stadien der großen Kriege 17./18. Jh.

19. Jh.

Frühes 20. Jh. Spätes 20. Jh. 21. Jh.

Politische Ord­nung

Absolutistischer Staat

Nationalstaat

Allianzen; Blöcke Vielvölkerstaaten; Reiche

USA als Hypermacht Ad hocKoalitionen

Kriegsgründe

Staatsräson Erbfolgekonflikte; Grenzstreitigkeiten

Nationale Konfrontation

Nationale und ideologische Konfrontation

Ideologische Konfrontation

Rohstoffe, Fanatismus

Art der Streitmacht

Söldnerheer; Berufsheer

Berufsheer Konskriptionsheer

Massenheer

technischmilitärische Elite; Berufsheer

Wissenschaftlich-militärische Elite; Berufsheer

Eisenbahn und Telegraf; schnelle Mobilisierung

Massive Feuerkraft; Panzer und Luftwaffe

Nuklearwaffen, WeltraumRaketen gestützte Raketensysteme

Mobilmachungswirtschaft

Militärischindustrieller Komplex

Militärtech- Feuerwaffen; nik Defensivtaktik; Belagerungen Kriegsökonomie

Zentralisierung Ausweitung des Steuer- und von VerwalKreditwesens tung und Bürokratie

(Quelle: Kaldor 1999, S. 27; mit eigenen Veränderungen und Ergänzungen)

Militärischtechnologisches Konglomerat

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1. Krieg Ob es sich bei einem bewaffneten Konflikt um einen Krieg handelt, wird von den interessierten Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich beantwortet. Selbst das Völkerrecht gibt keine klare Antwort. Vielmehr wurden bis zu 70 unterschiedliche Definitionen des Krieges gezählt. Weder objektive Merkmale noch subjektive Bewertungen (ausschlaggebend ist der Wille der Beteiligten) führen zu befriedigenden Ergebnissen. Wegen der kontroversen Auffassungen definieren selbst Kriegsverbotsabkommen wie der Briand-Kellog-Pakt den Krieg nicht. Auch die UN-Charta lässt offen, was unter Krieg zu verstehen ist. Nützlicher erscheint vielmehr die Unterscheidung in einen Begriff des Krieges im materiellen Sinne (Gewaltanwendung) sowie eines Krieges im formellen Sinne (Kriegserklärung). Mir ging und geht es in der vorliegenden Untersuchung vordringlich um den Krieg im materiellen Sinne, weil in einem bewaffneten Konflikt die Gewaltanwendung stets im Vordergrund steht. Auf eine förmliche Kriegserklärung kommt es – zumindest heutzutage – nicht mehr an. Das deckt sich im Übrigen mit der Praxis der Krieg führenden Staaten, die den Begriff „Krieg“ wie der Teufel das Weihwasser fürchten und daher tunlichst vermeiden. Begriffe wie „Militärintervention“ oder „Vergeltungsschlag“ treten an seine Stelle. So lassen sich Kriegsverbote nebst den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen umgehen. Die Verantwortung für den Tod unbeteiligter Zivilisten versucht man dann durch den Begriff „Kollateralschäden“ klein zu reden, während Begriffe wie „chirurchische Schläge“ und „smart bombs“ suggerieren sollen, dass in bewaffneten Auseinandersetzungen zielgenau zwischen Kombattanten und Non-Kombattanten unterschieden werden könnte. Ausgangspunkt der hier angestellten Überlegungen ist die Definition von Clausewitz. Danach ist der Krieg ein „Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“. Die Gewalt ist das Mittel, die Erfüllung des Willens der Zweck. Genau darum geht es sowohl in den beiden Weltkriegen, im Irakkrieg als auch im Krieg der Terroristen und gegen den Terrorismus. Bei einem Krieg treten offensichtlich nicht nur staatliche Armeen als Gegner in einem bewaffneten Konflikt auf. Vielmehr kann auf der einen Seite durchaus eine Partisanentruppe stehen. So bestimmt § 1 der Haager Landkriegsordnung unmissverständlich, dass die Gesetze, die Rechte und die Pflichten des Krieges nicht nur für das Heer, sondern auch für die Milizen und Freiwilligen-Korps gelten, wenn sie bestimmte Bedingungen (Disziplin, Erkennbarkeit, Beachtung des Kriegsrechts und der Kriegsgebräuche) erfüllen. Art. 2 des III. Genfer Abkommens über die Behandlung von Kriegsgefangenen und Art. 2 des IV. Genfer Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten verdeutlichen – überdies in gleichem Wortlaut –, dass diese Abkommen für alle Fälle eines erklärten Krieges (auch wenn der Kriegszustand von einer Partei nicht anerkannt wird) oder eines anderen bewaffneten Konflikts sowie für den Fall vollständiger oder teilweiser Besetzung des Gebietes eines Staa  

Schweitzer 1972, S. 252–258 [253]. Clausewitz, Vom Kriege, I, 1, 2, S. 191 f. Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18.10.1907, für das Deutsche Reich in Kraft getreten am 26.1.1910 (RGBl. 1910, S. 107).

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tes gelten sollen, selbst wenn diese Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand stößt. Sie gehen damit sogar über das Clausewitzsche Verständnis hinaus, der ohne Widerstand auch keinen Krieg als gegeben annahm. 2. Asymmetrie Sowohl am Zweiten Golfkrieg als auch am Irakkrieg von 2003 lässt sich eine Entwicklung ablesen, die über den klassischen Staatenkrieg hinausweist, nämlich die Tendenz zum asymmetrischen Krieg. Damit hat sich im 21. Jahrhundert die postwestfälische Staatenordnung schließlich durchgesetzt. Standen sich noch im Ersten und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges halbwegs gleich starke Kontrahenten (Mittelmächte gegen die Alliierten) gegenüber, so änderte sich seither das Szenario. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges sah sich das Deutsche Reich praktisch der gesamten übrigen Welt als Kriegsgegner gegenüber. Nach einer kurzen Phase der Symmetrie in dem „Gleichgewicht des Schreckens“ zwischen dem Westblock und dem Ostblock veränderte sich diese Situation nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums in Richtung Asymmetrie. Das Empire Amerika führte 1990/91 und 2003 – zusammen mit einer mehr oder weniger großen Zahl von Verbündeten – Krieg gegen das Drittweltland Irak. Goliath kämpfte gegen David, der im Krieg nicht die geringste Chance hatte, den militärischen Sieg davon zu tragen. Der klugen Politik des US-Präsidenten Bush sen. war es zu jedoch verdanken, dass das prekäre Machtgleichgewicht im Mittleren Osten auch nach seinem Sieg im Zweiten Golfkrieg aufrecht erhalten blieb und trotzdem der irakische Diktator Saddam Hussein auf ein erträgliches Maß zurückgestutzt werden konnte. So genannte No-FlighZones im Kurden- und im Schiitengebiet – mit gelegentlichen Luftangriffen der US-amerikanischen und der britischen Luftwaffe zur Aufrechterhaltung der Drohkulisse – stabilisierten die Situation. Den Kurden wurde ein eigener Staat nicht zugestanden, der sogleich Anspruch auf die kurdischen Gebiete in der Türkei und im Iran erhoben hätte. Erst G. W. Bush brachte dieses fragile Gebäude mit seinem Angriff auf den Irak, der mit fadenscheinigen Anschuldigungen begründet wurde, zum Einsturz. Mit seinem völkerrechtswidrigen Krieg stürzte er zugleich die UNO in eine tiefe Krise, da er es – wegen des zu erwartenden Widerstandes im Sicherheitsrat – vermied, eine UNO-Resolution zu beantragen. Seither kämpft das Empire Amerika gegen terroristische Kämpfer im Irak, die sich als Speerspitze des Widerstandes gegen eine verhasste Besatzungsmacht verstehen und buchstäblich vor keinem Mittel der Zerstörung zurückschrecken. Die stärkste High-Tech-Armee der Welt, ausgestattet mit einem gigantischen Rüstungsetat, wirkt gegenüber diesem Gegner geradezu hilflos. Die Vereinigten Staaten haben diesen Krieg verloren, lange nachdem der US-Präsident – reichlich vollmundig – den Sieg (mission accomplished) verkündet hatte. Täglich sterben neben zahllosen meist unbeteiligten Irakern weit mehr amerikanische Soldaten als während des offiziellen Krieges. Ein Ausweg aus die

Vgl. Voigt 2005.

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sem Dilemma ist nicht in Sicht, weil man das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen kann. Verlassen die US-Streitkräfte den Irak, versinkt das Land in einem chaotischen Bürgerkrieg, der alsbald die Nachbarn, allen voran den Iran, aber auch die Türkei, auf den Plan rufen würde. Ein bewaffneter Konflikt um ein vereinigtes Kurdistan dürfte dann unvermeidlich sein. Der Fluch der bösen Tat, nämlich des völkerrechtswidrigen Angriffs der USA (und Großbritanniens) auf den Irak, wird die Welt noch lange beschäftigen. 3. Partisanen Bereits der Vietnamkrieg hat gezeigt, dass es künftig weniger um den Krieg zwischen Staaten als vielmehr um den Krieg eines Staates (USA mit einigen Verbündeten) gegen eine Partisanentruppe (Vietcong), ggf. verbündet mit regulären Streitkräften eines anderen Staates (Volksbefreiungsarmee Nordvietnams), gehen würde. Dabei handelt es sich um einen „klassischen“ Fall von Asymmetrie. Deutlicher jedoch, als bei dem Krieg eines schwachen Staates (David) gegen einen übermächtigen Staat (Goliath) kann der nichtstaatliche David in diesem Fall seine militärische Schwäche durch List in Stärke verwandeln. Partisanen können sich nämlich für den Gegner „unsichtbar“ machen, indem sie den Nichtpartisanen zum Verwechseln ähnlich sind. So sah sich z.B. kein amerikanischer Soldat in der Lage, unter den gleich gekleideten Vietnamesen (schwarzer „Hosenanzug“ mit traditionellem spitzen Strohhut für Männer und Frauen) die zu bekämpfenden Partisanen herauszufinden. Vielmehr erstreckte sich das Feindbild bald auf alle Vietnamesen. In der Folge wurden bei Angriffen wahllos auch unbeteiligte Südvietnamesen getötet (Stichwort: My Lai), die man später zu Vietcong-Mitgliedern (um-)­deklarierte. Da für NonKombattenten kein sicherer Raum bleibt, treibt man damit auf Dauer die bislang unparteiischen Zivilisten in die Arme des Gegners. Partisanen können ihrem Gegner zudem den permanenten Kampf an ungünstigen Stellen aufzwingen, indem sie überall dort blitzschnell zuschlagen, wo sie schwache Stellen erkennen und sich dann wieder zurückziehen, bevor Verstärkung herangeführt werden kann. Überdies können die Partisanen den Krieg endlos in die Länge ziehen, bis die Öffentlichkeit im Lande des Goliath die Geduld verliert und verlangt, die eigenen Soldaten zurückzuholen. Ein ähnliches Szenario spielte sich im sowjetischen Afghanistankrieg ab, als die zahlenmäßig und technisch weit unterlegenen Mujaheddin die ruhmreiche Sowjetarmee schließlich zum Rückzug zwangen. Erleichtert wurde dies freilich durch die finanzielle Unterstützung der USA und amerikanische Waffenlieferungen über Pakistan. Auch bin Laden wurde damals als Gegner der Sowjets von den Amerikanern hofiert. Aus dieser Zeit stammen die engen Beziehungen der Qaida zum pakistanischen Geheimdienst, die es bin Laden und seinen Leuten später immer wieder ermöglicht haben, den US-amerikanischen Häschern stets in letzter Sekunde zu entkommen. Bereits die Sowjetarmee musste erkennen, dass in einem unterentwickelten, dünn besiedelten Land auch Flächenbombardements wenig bewirken. Moderne Waffen sind kaum wirkungsvoll einzusetzen. Auch ohne die wenigen Städte,

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die man in Schutt und Asche legen könnte, können Menschen, die sich aus dem Lande verpflegen und die Landschaft „wie ihre Hosentasche“ kennen, den aufwendigen Militäraktionen des Gegners entkommen. Mit ihren Nadelstichaktionen nutzen sie auf der anderen Seite die Schwachstellen des Gegners: Militärkonvois durch unwegsames Gelände (Schluchten), personell unterbesetzte Außenposten, Verfolgungsaktionen in Bergregionen (Höhlen). Auf die Dauer zermürben sie so die gegnerische Streitmacht und nehmen ihr den Glauben an den eigenen Sieg. Auch der gegenwärtige Krieg der USA mit ihren Verbündeten gegen die Taliban und die Qaida führt in Afghanistan nicht zu dem erwünschten Sieg. Zum einen ist die Öffentlichkeit in den am Krieg beteiligten europäischen Ländern nicht bereit, auf Dauer Tod und Verwundung ihrer Soldaten – von den finanziellen Lasten einmal abgesehen – hinzunehmen. Nicht zufällig vermeidet auch US-Präsident G. W. Bush ängstlich jede im Bild festgehaltene Begegnung mit den Zinksärgen der Gefallenen, die ihn in den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit mit den schrecklichen Folgen seiner Kriege in Verbindung bringen würde. Die Medien werden stattdessen mit ausgesuchten Bildern „gefüttert“, die ein ruhmreiches Empire Amerika suggerieren. Angesichts sinkender Umfragewerte des amtierenden Präsidenten fragt es sich allerdings, ob diese Strategie in den USA noch wirkt. Zum anderen tritt im Kriegsgebiet der typische Partisaneneffekt ein. Mit jeder „Strafaktion“ gegen die bewaffneten Kämpfer werden auch unschuldige Zivilisten getroffen. Es bleibt dann nicht aus, dass alsbald immer größere Teile der Bevölkerung die fremden Soldaten nicht als Befreier, sondern als Besatzer wahrnehmen. Die überaus sinnvolle und verdienstvolle Arbeit der militärischen und zivilen Aufbauteams kann diese Stimmung nicht wenden. Soldaten und Aufbauhelfer geraten vielmehr immer stärker ins Kreuzfeuer der bewaffneten Taliban und Qaida-Terroristen. Das gilt auch für die Soldaten der Bundeswehr, die nun durch den Einsatz der Tornados – verschuldet von unfähigen Politikern – den Afghanen ebenfalls als Besatzer erscheinen, die man vertreiben und – falls sie nicht freiwillig gehen – notfalls töten muss. 4. Terrorismus Eine neue Dimension des Partisanenkampfes kommt ins Spiel, wenn es den Kämpfenden gar nicht in erster Linie um die Vertreibung des militärischen Gegners aus dem eigenen Land, sondern um ideologische (Guerilla) oder um religiös-fundamentalistische (al-Qaida) Ziele geht. Terrorismus ist vor allem im letzteren Fall die bevorzugte Strategie. Dabei erweisen sich nichtstaatliche terroristische Aktivitäten dann als „unbesiegbar“, wenn sie mit Selbstmordattentätern vorgehen. Können die Behörden bei der Bekämpfung von Anschlägen im Allgemeinen von einer Schwachstelle der Täter, nämlich ihrem Selbsterhaltungstrieb, ausgehen, so gilt das nicht für diese neue Form der Attentate. „Klassische“ Täter halten sich üblicherweise stets Fluchtwege offen, um die Tat selbst möglichst unbeschadet zu überstehen. Sie suchen ihren Lohn im Diesseits und ergeben sich notfalls der Übermacht. Selbstmordattentäter hingegen erwarten die „Belohnung“ ihrer Tat aus religiösen Gründen im Jenseits. Sie legen es darauf an, bei der Tat zu sterben und dabei möglichst

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viele andere Menschen mit in den Tod zu reißen. Ihr Selbsterhaltungstrieb, sonst die „Achillesferse“ von Attentätern, kann also nicht als Anknüpfungspunkt zu ihrer rechtzeitigen Bekämpfung genutzt werden. Der betroffene Staat versucht dann, Mittel zu finden bzw. zu aktivieren, mit denen er möglichst bereits im Vorfeld einer Tat den potenziellen Attentätern auf die Spur kommt. Hierbei ist die Gefahr groß, dass in der Hysterie nach einem Anschlag wesentliche Grundrechte der Bürger zur Disposition gestellt werden, ohne dass diese sicher sein könnten, ihre Rechte jemals wieder zurück zu erhalten. Terroristische Aktivitäten zielen auf größtmögliche Wirkung. Dabei ist das Ausmaß der Gewalt und der Zerstörung nicht Selbstzweck, sondern soll vor allem dazu führen, dass die Menschen unsicher werden, Furcht empfinden und ihrer Regierung misstrauen. Angriffe wie der vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York dienten also weniger der Zerstörung von Hochhäusern („Wolkenkratzer“) und der Tötung einer großen Zahl von Menschen. Vielmehr war dies in erster Linie als symbolischer Akt gedacht. Die stärkste Militärmacht und die größte Finanz- und Wirtschaftsmacht der Welt ist auf ihrem eigenen Territorium verwundbar. In den Augen der Muslime in aller Welt war bin Laden damit zum „Erlöser“ der islamischen Umma geworden, die bis zu diesem Zeitpunkt vor der „Unüberwindlichkeit“ der Ungläubigen schier gelähmt zu sein schien. In der Folge des 11. Septembers stürzten nicht nur die Türme des World Trade Centers ein, sondern die Börsenkurse erlebten an der New Yorker Börse (wie an allen anderen Börsen) eine beängstigende Talfahrt. Der Nimbus der absoluten Sicherheit und Unverletzlichkeit von Investitionen in den USA war auch börsenwirksam zerstört worden. Die durch den Angriff verursachte Unsicherheit zeigte dort Wirkung, wo es auch die Mächtigen wirklich schmerzt, nämlich an den Aktienkursen, die Vermögen vernichten können. Bin Laden, selbst Sohn eines (saudischen) Milliardärs, wusste offenbar genau, was er mit diesem Angriff bewirken würde. Seither führt nicht nur al-Qaida Krieg gegen die „Kreuzzügler“ (USA und westliche Verbündete), sondern das Empire Amerika führt auch einen globalen Krieg gegen den Terrorismus. Dabei ist bin Laden Staatsfeind Nr. 1, und seine von ihm berufenen oder selbst ernannten „Unterführer“ werden weltweit gejagt. Die USA verharren dabei in einem simplen Freund-Feind-Denken. Sie verlangen von jedem Staat der Erde, dass er sich diesem Krieg gegen den Terrorismus anschließt, andernfalls drohen ihm z.T. empfindliche Sanktionen. Schlimmstenfalls kommt der widerborstige Staat als „Schurkenstaat“ auf die Schwarze Liste. Die Terroristen ihrerseits lernen viel zu schnell aus den Abwehrmaßnahmen. Anstelle der schwer bewachten („harten“) Ziele wählen sie für ihre Anschläge so genannte „weiche“ Ziele aus: Bahnhöfe in der Provinz, belebte Plätze und zivile Gebäude. Der Schaden ist vor allem deshalb so groß, weil es al-Qaida damit gelingt, den Staat „vorzuführen“, der nicht einmal seine friedlichen Bürger schützen kann. Eine besondere Organisationsstruktur verhindert zudem, dass al-Qaida als Ganzes zerstört werden könnte. Zum einen ist sie als Netzwerk organisiert, so dass es kaum Personen gibt, die – auch unter Folter – Auskunft über andere Zellen geben könnten. Zum anderen 

Umma = Gemeinschaft der Gläubigen (Muslime).

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wachsen wie bei der antiken Hydra für jeden getöteten Terroristen zwei bis drei neue Terroristen nach. Die Rekrutierungsbasis der Qaida scheint schier unerschöpflich zu sein. 5. Deterritorialisierung Vor allem die technologische Entwicklung („Fortschritt“) hat dazu geführt, dass der Raum des Krieges sich enorm erweitert hat. Ermöglichten früher Seeschlachten, später der Einsatz von Langstreckenbombern und dann Interkontinentalraketen Kriege an weit entfernten Orten, so kommt heute der Orbit hinzu, in dem z.B. Killersatelliten zu Raketenabwehrsystemen zusammengeschlossen werden können. Mit dieser enormen Maßstabvergrößerung bei den großen Konflikten geht eine Maßstabverkleinerung bei den Kriegen an der Peripherie einher. Jede im politischen Machtkampf unterlegene Gruppe – z.B. in Afrika – ist heute in der Lage, sich mit billigen Handfeuerwaffen („Kalaschnikow“) zu versorgen und – unter Rekrutierung von Kindersoldaten und ggf. unter Zuhilfenahme von Söldnern – gegen die mehr schlecht als recht legitimierte Regierung vorzugehen. Der illegale Verkauf von Rohstoffen (Diamanten) und/oder die eigennützige „Hilfe“ von außen finanzieren den Krieg. Kriegsfürsten (warlords) erringen und sichern ihre Macht, indem sie den Krieg mit kriminellen Machenschaften (z.B. Frauen- und Drogenhandel) zu einem Netz verweben, das kaum zu zerreißen ist. Keiner der Beteiligten hat Interesse an einer Beendigung des (überaus lukrativen) Krieges. Staatliches Militär ist für diese Art von Kampf kaum geeignet. Eher müssen zu diesem Zweck Spezialkräfte, gelegentlich auch die Angehörigen privater Militärfirmen eingesetzt werden. Aber auch das Militär selbst macht eine Veränderung durch, die der Deterritorialisierung Rechnung trägt. Dabei ist das Empire Amerika – wie so oft – Vorreiter dieser Entwicklung. Das Ziel der politischen Führung (nicht nur der gegenwärtigen) ist es, mit den eigenen Streitkräften mindestens an zwei Schauplätzen gleichzeit Krieg („Militärinterventionen“) führen zu können. Das Internet ist eine weitere Form der Enträumlichung, indem es den „virtuellen Raum“ anbietet. Scheinbar kann jeder mit jedem jederzeit in Echtzeit kommunizieren. Aber auch Angriffe auf feindliche rechnergesteuerte Systeme lassen sich zu niedrigen Kosten und mit geringer Entdeckungsgefahr mit Hilfe des Internets in Gang setzen. Wird der Angriff ruchbar – wie die Attacke der Chinesen auf die Bundesregierung im Herbst 2007 –, dann wird flugs jede Verantwortung geleugnet. Ohnehin lassen sich durch das Internet verbreitete Informationen schlecht auf ihren Wahrheitsgehalt und auf ihre Herkunft hin überprüfen. Hinzu kommt die Indienststellung der herkömmlichen Massenmedien (Presse, Hörfunk, Fernsehen) für politische Propagandazwecke besonders in Kriegszeiten. Nicht zu Unrecht sagt man: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“. Die satellitengestützte Echtzeit­ übertragung von Fernsehsendungen von Kriegsschauplätzen hat die Möglichkeiten der Zuschauer, sich ein zutreffendes Bild vom Kriegsgeschehen zu machen, nur scheinbar verstärkt. Tatsächlich ziehen die Kriegsparteien stets alle Register der Manipulation, um ihrer Sicht der Dinge zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gehört

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nicht nur der Einsatz von Propagandakompanien, sondern heute vor allem auch die Institution des „eingebetteten“ Journalismus (embedded journalism). „Korruption durch Nähe“ droht jede objektive Berichterstattung zu verhindern. Mit Hilfe der so genannten „blogs“ bildet sich im Internet jedoch eine Art Gegenöffentlichkeit, die Informationen anbietet, deren Veröffentlichung in den Massenmedien von den kriegführenden Staaten bewusst verhindert wird. Die mangelnde Nachprüfbarkeit solcher Informationen aus dem Internet führt freilich zu einer gewissen Beliebigkeit. 6. Weltordnung Die großen Zäsuren in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, das Ende des Ersten und des Zweiten Weltkrieges sowie der Zusammenbruch des Sowjetimperiums haben die Weltordnung nachhaltig verändert. Brachte der Sieg über das Deutsche Reich, die Besetzung deutschen Territoriums, die Beherrschung Osteuropas und der Zugang zur Atombombentechnologie der Sowjetunion den Supermachtstatus, so verlor sie diesen Ende der 1980er Jahre mit dem Zusammenbruch der alten Strukturen. Die Nachfolgestaaten der UdSSR – einschließlich der Ukraine und Weissrusslands – wurden selbständig, die ehemaligen osteuropäischen Satellitenstaaten traten der NATO und einige auch der EU bei. Für Russland näherte sich das Empire Amerika, das seit 1989/90 als „Hypermacht“ eine einmalige Stellung in der Welt innehatte, bedrohlich den russischen Grenzen. Die geplante Stationierung von Raketenabschussbasen in Polen und Tschechien brachte das „Fass“ schließlich zum „Überlaufen“. Russland, das unter Putin dank seiner schien unerschöpflichen Erdgasvorräte neue Stärke erlangt hat, wird wieder zu einem ernst zu nehmenden Gegner der USA. Abrüstungsverträge, deren Ratifikation USA und NATO aus einer Position der Überlegenheit heraus verweigert hatten, werden von Putin storniert. Der ständige Einsatz von russischen Langstreckenbombern ist wie­der aufgenommen worden. Die hohe Qualität der russischen Rakententechnologie und die Verfügbarkeit von großen finanziellen Mitteln erlauben die Entwicklung neuer Interkontinentalraketen. Zudem tauchen neue bedeutende Akteure auf der Weltbühne auf, die nicht nur über die größten Bevölkerungen der Erde, sondern auch über ein großes Innovationspotenzial verfügen. China und Indien besitzen beide große Armeen, weitreichende Interkontinenalraketen und einsatzfähige Atomwaffen, beide streben bemannte Missionen zum Mond an. Damit wachsen Konkurrenten heran, die das Herrschaftsmonopol des Empire Amerika bereits mittelfristig bedrohnen. Die Frage ist, ob die Vereinigten Staaten von Amerika noch einmal – wie im Jahre 1941 – die Kraft aufbringen werden, gegen die Staaten, die seine Vorherrschaft bedrohen, einen Weltordnungskrieg zu führen. Noch sind die USA ökonomisch und militärisch stärker als Russland und China zusammen. Falls es zu einem solchen Weltordnungskrieg käme, würde Europa kaum eine andere Wahl bleiben, als sich auf die Seite der Amerikaner zu schlagen. Dasselbe gilt für Japan, das ebenfalls kaum eine eigenständige Politik betreiben kann. Eine Position der Neutralität wird keine der großen Konfliktparteien akzep-

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tieren. Hinter verschlossenen Türen findet dieser Krieg natürlich längst statt. Zum offenen Ausbruch eines militärischen Schlagabtauschs ist es bislang jedoch – aus guten Gründen – (noch) nicht gekommen. Umso gefährlicher ist Bushs Gerede von einem „Dritten Weltkrieg“. Wahrscheinlicher als dieser „große Krieg“ ist allerdings eine Art Stellvertreterkrieg gegen den Iran, wie er von US-Vizepräsident Cheney bereits angedacht worden ist. Israel könnte dabei mit einem Angriff auf die iranischen Atomanlagen – wie kürzlich auf einen syrischen Reaktor – beginnen. Der Gegenschlag der iranischen Luftwaffe würde dann die USA auf den Plan rufen. Gleichzeitig rüsten alle Seiten in großem Maße auf, noch immer übertrifft der US-amerikanische Verteidigungshaushalt jedoch die Militäretats der anderen Länder um ein Mehrfaches. China verbessert aber die Kampfkraft seiner Truppen sowie deren technische Ausrüstung ständig. Für Russland hat Putin eine „grandiose“ Aufrüstung seiner Streitkräfte und die Entwicklung neuer nuklearstrategischer Systeme angekündigt. Darüber hinaus hat er die ständige Luftbereitschaft seiner strategische Bomberflotte wiederhergestellt und eine neue Rakete testen lassen. 7. Freiheit Der Krieg hat sein „Gesicht“ durch die Deterritorialisierung nachhaltig verändert. Ob man deshalb von „neuen“ Kriegen sprechen sollte, steht dahin. Es ist vielmehr der ewig „alte“ Krieg, der sich immer wieder in neue Gewänder hüllt. Das Besondere an dem Staatenkrieg, der ein halbes Jahrtausend die Diskussion bestimmt hat, war einerseits seine enge Verbindung zum modernen Staat und andererseits die Möglichkeit und der ernsthafte Versuch zu seiner „Einhegung“. Spielregeln für das Austragen bewaffneter Konflikte, die Clausewitz zu Recht mit Duellen verglichen hat, gab es schon lange. Dazu gehörten nicht zuletzt Kriegserklärungen und Friedensschlüsse. Das Neue am Völkerrecht war jedoch die rechtliche Regelung des Kombattantenstatus, die zugleich den unbeteiligten Non-Kombattanten schützen sollte. Wer diese Regeln in ekklatantem Maße verletzt, muss zumindest dann mit einer Anklage vor einem Kriegsverbrechertribunal rechnen, wenn er auf der Verliererseite steht. Die Kriegsverbrechen der Sieger bleiben allerdings auch in diesem Fall der Aburteilung durch die heimische Justiz überlassen, die sich kaum an den heimkehrenden „Kriegshelden“ vergreifen wird. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollten künftig nicht nur von ad-hoc-Tribunalen abgeurteilt werden, vielmehr wurde als „Krone des Völkerrechts“ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag geschaffen. Ein Schönheitsfehler verdirbt freilich die Freude an diesem Erfolg. Es gilt Orwells Erkenntnis aus der Farm der Tiere: Alle sind gleich, aber einig sind gleicher als die anderen. Die USA verweigern nicht nur die Mitarbeit, sondern sie verhindern auch (notfalls mit Waffengewalt) den Zugriff auf eigene Militärangehörige und setzen zudem vor allem kleinere Staaten unter Druck, um diese zum Abschluss von Nichtauslieferungsverträgen zu zwingen. 

NZZ online, vgl. www.nz/nachrichten/internationale/russland_plant_neue_atomwaffen-technik_1.57 11 93.html, Zugriff am 22.10.2007.

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Gleichzeitig findet ein permanenter gnadenloser Krieg statt, der mit dem Be­ griff „Terrorismus“ nur unzureichend beschrieben ist. Seine Grundlage ist ein fanatischer Fundamentalismus, der nur die eigene Wertordnung akzeptiert und daher alle anderen Wertordnungen rückhaltslos bekämpft. (Völker-)rechtliche Grenzen für diesen weltweiten Krieg können aus dieser Perspektive nicht akzeptiert werden. Aus dem Gegner ist ein Feind geworden, der mit allen (auch illegalen) Mitteln bekämpft wird. Notfalls wird – wie im „Wilden Westen“ – ein Kopfgeld (most wanted!) auf bin Laden und andere prominente Qaida-Führer ausgesetzt, die ggf. mit einer Hellfire-Rakete eliminiert werden müssen. Der Feind scheint freilich unschlagbar zu sein, die Folge ist ein permanenter Kriegszustand. Gegen terroristische Selbstmordattentäter gibt es keine wirksame Waffe. Inlands- und Auslandsgeheimdienste treten auf den Plan, um mit präventiven Maßnahmen (Online-Durchsuchungen, Handy-Abhören) die Tat bereits vor ihrer Durchführung zu verhindern. Kombiniert mit den präemptiven Militärschlägen, welche die USA gegen potenzielle Bedroher führen, ergibt sich daraus ein beängstigendes Szenario. Am Ende könnte sich der selbstbewusste Bürger – ein Überbleibsel aus der Zeit vor der Terrorismus-Hysterie – fragen, welcher Bestand (Rest) an Freiheitsrechten eigentlich bleibt, den zu verteidigen es sich lohnen würde.

Kriege

Afghanistankrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2001Algerienkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1954–1962 Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1775–1783 Amerikanischer Sezessionskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1861–1865 Bayerischer Erbfolgekrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1778–1779 Befreiungskriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1813–1815 Biafra-Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1967–1970 Boston Tea Party. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1773 Boxeraufstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1900–1901 Burenkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1889/90 Deutsch-dänischer Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1848–1850 Deutsch-französischer Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1870–1871 Dreißigjähriger Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1618–1648 Erster Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1914–1918 Falklandkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1982 Irakkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2003 Herero-Aufstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1904 Koreakrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1950–1953 Kosovokrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1998–2000 Krimkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1853–1856 Mau-Mau-Aufstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1952–1966 Peleponnesischer Krieg zwischen Athen und Sparta . . . . . . . . . . . 431–404 v. Chr. Polnischer Thronfolgekrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1733–1738 Preußisch-österreichischer Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1866 Russisch-japanischer Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1904–1905 Siebenjähriger Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1756–1763 Somalia-Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1992–1995 Spanischer Bürgerkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1936–1939 Spanischer Erbfolgekrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1701–1714 Vietnamkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1964–1974 Zweiter Golfkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1990–1991 Zweiter Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1939–1945

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