Kostfrachtgeschäft und laufende Versicherung [Reprint 2020 ed.] 9783112382288, 9783112382271

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Kostfrachtgeschäft und laufende Versicherung [Reprint 2020 ed.]
 9783112382288, 9783112382271

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Die „Hamburger Rechtsstudien" erscheinen in zwangloser Folge und sind einzeln in jeder Buchhandlung käuflich

Bisher sind erschienen: Heft 1: Der Begriff des Versiciierungsfalles in der Seeversicherung. Von Dr. F. Alexander Bene. Groß-Oktav. 75 Seiten. 1928. RM 4 05 Heft 2: Die Bedeutung des Interesses für die Veräußerung der versicherten Sache. Von Dr. Hermann Heinrich Elkan. Groß-Oktav. 58 Seiten. 1928. RM 3.60 Heift 3: Aktiensonderdepot und Legitimationsübertragung. Frohner. Groß-Oktav. 121 Seiten. 1929

Von

Dr.

Günther RM 6.30

Heft 4: Die Gewinnversicherung. Von Dr. Helmut Winkler. Groß-Oktav. 31 Seiten. 1930. RM 1.80 Heft 5: Der Konnossement-Teilschein. 79 Seiten. 1930. Heft 6: Die Order-Police. 95 Seiten. 1930.

Von

Von

Dr.

Dr. Alexander

Heinz N.

Behlert.

Groß-Oktav. RM 4.50

Tsirintanis.

Groß-Oktav. RM 5.40

Heft 7: Reine Konnossemente gegen Revers. Von Dr. Robert Lion. 78 Seiten. 1930. Heft 8: Versicherung für Rechnung wen es angeht. Groß-Oktav. 39 Seiten. 1930.

Groß-Oktav. RM 4.50

Von Dr. Helmuth Embden. RM 2.70

Heft 9: Die guten Sitten in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung nach dem Kriege. Von Dr. Fritz Oettinger. Groß-Oktav. 84 Seiten. 1931. RM 4.50 Heft 10: Wandlung und Minderung bei einer Mehrheit von Käufern oder Verkäufern. Von Dr. Hans Wogatzky. Groß-Oktav. 115 Seiten. 1931. RM 6 — Heft 11: Das Versicherungszertifikat. 96 Seiten. 1932.

Von Dr. Rudolf Nothmann.

Heft 12: Die Versicherung der Havariegrosse-Schäden. Groß-Oktav. 56 Seiten. 1932.

Von

Groß-Oktav. RM 5.—

Dr. Hans Cramer. RM 3 —

Heft 13: Die Staatshaftung für den Hamburger Hafenlotsen. Mumssen. Groß-Oktav. 110 Seiten. 1932.

Von Dr. Erwin RM 5.—

Heft 14: Gleichberechtigung der Geschlechter im künftigen Elternrecht. Charlotte Cohn. Groß-Oktav. X I u. 56 Seiten. 1932.

Von Dr. RM 3.50

Heft 15: Die SpeditionsVersicherung in den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen. Von Dr. Willi Sdiiering. Groß-Oktav. 74 Seiten. 1932. RM 4 — Heft 16: Quellenkritische Studien zur Bessergebotsklausel (in diem addictio) im römischen Kaufrecht. Von Dr. jur. Harald Sieg. Groß-Oktav. 43 Seiton. 1933. RM 3.— Demnächst erscheint: Heft 18: Acatholicus. Eine Untersuchung über die Stellung der Ungetautten und der Apostaten, Häretiker und Schismatiker sowie der sonstigen exkommunizierten Christen im geltenden kanonischen Recht. Von Dr. Walter Böhm. Groß-Oktav. 59 Seiten. 1933.

Kostfrachtgeschäft und

laufende Versicherung von

Dr. iur. Detlev H i m e r

Hamburg Friederichsen, de Gruyter & C o . m. b. H . 1933

Diese Arbeit ist als Doktordissertation von der Reditsund Staatswissensdiaftlichen F a k u l t ä t der Hamburgischen Universität angenommen worden.

Gedrudtt bei C. Trute, Quakenbrüdc i. H.

Meinen Eltern I

7

Vorwort. In den Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen von 1919 (ADS.) ist die l a u f e n d e V e r s i c h e r u n g in einem einzigen Paragraphen geregelt. Diese der praktischen Bedeutung des Instituts nidit ganz gerecht werdende Behandlung erklärt sich daraus, daß bei der Beratung der ADS. Zweifel bestanden, ob sich die laufende Versicherung überhaupt für eine allgemeine Regelung eigne oder ihre Ausgestaltung vielmehr den besonderen Bedingungen des einzelnen Vertrages überlassen werden müsse. Der von den Verfassern der ADS. eingeschlagene Mittelweg hat es mit si(h gebracht, daß die Regelung der laufenden Versicherung eine Reihe empfindlicher Lücken aufweist Ihre Ausfüllung wäre an sich Sache der besonderen Vertragsbedingungen, doch bleiben auch diese in der Regel unvollständig, weil ihre Verfasser die regelungsbedürftigen Gebiete meistens nicht in zulänglichem Maße überschauen. So ist bis vor kurzem die wichtige Frage des z e i t l i c h e n G e l t u n g s b e r e i c h e s einer laufenden Police ungeregelt geblieben, bis anläßlich der Deklaration von K o s t f r a c h t g e s c h ä f t e n auf laufeiyte Policen Streitigkeiten entstanden, die u. a. im F a l l P i s a n i zum gerichtlichen Austrag kamen. Im Anschluß an diese Prozesse sind in die Maklerbedingungen zumeist neue Klauseln aufgenommen worden, die ähnliche Streitigkeiten für die Zukunft vermeiden sollen. Die zweckentsprechende Abfassung solcher Klauseln setzt jedodi voraus, daß man die einzelnen Seiten des angedeuteten Problems und die sich aus den verschiedenen Regelungsmöglichkeiten ergebenden Folgen genau kennt. Die vorliegende Arbeit stellt in ihrem Hauptteil den Versuch dar, diese Voraussetzungen zu schaffen. Sie will weder eine vollständige Darstellung der mit dem Kostfrachtgeschäft noch der mit der laufenden Versicherung zusammenhängenden Fragen geben, sondern ausschließlich die aus dem Z u s a m m e n t r e f f e n des Kostfrachtgeschäftes mit der laufenden Versicherung sich ergebenden Probleme einer Lösung entgegenführen. Bei ihrer Abfassung hat mich Herr Prof. Dr. B r u c k in freundlicher Weise beraten, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen Dank aussprechen mödite. Herrn Rechtsanwalt Dr. N e u h ä u s e r danke ich für die Ueberlassung der Prozeßakten zum Fall Pisani, Herrn Dr. Hans M ö l l e r für die Anregung zu dieser Arbeit. Hamburg, im September 1933. Detlev Himer.

9

Inhaltsverzeichnis. E I N L E I T U N G .

Seite

Vorwort

. 7

I. Die recbtlidie und wirtschaftliche Bedeutung der Kostfraditklausel

13

I I . Das Wesen der laufenden Versicherung E R S T E R

17

T E I L .

Die laufende Versicherung des Kostfraditkäufers. I. Der Fall

Pisani

.

.

11. Ueberblidc über den Stand der Meinungen I I I . Das Verhältnis des

.

.

Interesses zum materiellen

.

. 2 0

.

22

Versicherungsbeginn

(insbesondere die Rückbeziehung des Interesses) IV. Das

Verhältnis

der

kaufmännischen

Versicherungsbeginn

.

24

Versicherungspflicht .

.

zum

mat.

.

1. D a s Wesen der kaufm. Versicherungspflicht 2. Der Zeitpunkt ihrer Entstehung V. V I. VII. VI II.

Das Verhältnis Das Verhältnis Das Verhältnis Das Verhältnis geltungsdauer

.

.

.

.

des Interesses zur kaufmännischen Versicherungspflicht des Interesses zur Geltungsdauer der Police . . . des materiellen Beginnes zur Geltungsdauer der Police der kaufmännischen Versicherungspflicht zur Policen. . . . . . Z W E I T E R

31 31 . 3 4 36 37 30 42

T E I L

Die laufende Versicherung des Kostfrachtverkäufers. I. Die Stornierung der Versicherung bei dem Verkauf schwimmender Güter II

Die Stellung des Verkäufers bei Rückgängigmachung des Vertrages

44 45

11

Literatur-Verzeichnis. A l m e n : Das skandinavische Kaufrecht, 3 Bände, Heidelberg 1922. B r u c k : Das Privatversicherungsrecht, Mannheim, Berlin, Leipzig, 1930. Bruck-Komm. Bruck, Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 7. Auflage, Berlin, Leipzig 1932. E h r e n b e r g : Versicherungsrecht, Leipzig 1893. E h r e n b e r g RV. = Die Rückversicherung, Hamburg 1885. F a i r p 1 a y , Weekly Shipping Journal, London. F i r g a u : Gutachten zum Prozeß Pisani-Favag. G e r h a r d - H a g e n : Kommentar zum Deutschen Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, Berlin 1908. G r o s s m a n n - D o e r t h : Das Recht des Ueberseekaufes, 1. Band, Mannheim, Berlin, Leipzig 1930. H a g e n : Das Versicherungsrecht (Handbuch des gesamten Handelsrechts, 8. Band. 1. Abteilung, 5. Teil), 2 Bände, Leipzig 1922. H e c k e r : Zur Lehre von der rechtlichen Natur des Versicherungsvertrages, 1. Abteilung: Der Schadensversicherungsvertrag, München 1894. H e r z o g : Die Praxis der Transportversicherung, Berlin 1909. J R P V. = Juristische Rundschau für Privatversicherung, Berlin. I T V. = Mitteilungen des Internationalen Transport-Versicherungs-Verbandes, Berlin. K i s c h : Handbuch des Privatversicherungsrechts, 3 Bände, München, Berlin, Leipzig 1920/2. L a z a r u s : Gutachten zum Prozeß Pisani-Favag. L e n n 6 : Das Versidierungsgeschäft für fremde Rechnung. Marburg 1911. v. L i e b i g : Die Seeversicherung, Berlin 1914. M a t . = Materialien zu den Allgemeinen Deutschen Seeversidierungs-Bedingungen von 1919, herausgegeben von Prof. Bruck, 2 Bände, Hamburg 1919. M i t t e i l u n g e n der Handelskammer Hamburg. M i 11 e 1 s t e i n : Die Cifklausel, Hamburg 1918. M ö l l e r : Cifgesdiäft und Versicherung, Mannheim 1932. M ü l l e r - E r z b a c h : Deutsches Handelsrecht, 2 . - 3 . Auflage, Tübingen 1928. N o t h m a n n : Das Versicherungs-Zertifikat, Hamburg 1932. P a u 1 y : Gutachten zum Prozeß Pisani-Favag. R i t t e r : Das Recht der Seeversicherung, Kommentar zu den Allg. Deutschen Seeversich.-Bedingungen von 1919, 2 Bände, Hamburg 1922/4. S c h i f f a h r t s - J a h r b u c h , Hamburg. S i e v e k i n g : Das Deutsche Seeversicherungsrecht, Berlin 1912.

12 Staub:

Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 12. u. 13. Auflage, Berlin, Leipzig 1927. S t o c k b . A l l g . G e t r e i d e B e s t . = : Allgem. Bestimmungen f ü r den Handel mit Getreide und Futtermitteln (abgedruckt im Handbudi des Landesproduktenhandels S. 1025 ff., Berlin 1929). U l r i c h : Kommentar zu den Allg. Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen von 1919, Hamburg 1921. V o i g t : Das deutsche Seeversicherungsrecht, J e n a 1887. V o i g t D o k . t r a t t e n g e s c h . = Das überseeische Dokumenttrattengeschäft der Banken, Hamburg 1926. Z f V W. = Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, Berlin. Z H B = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht, Stuttgart.

13

Einleitung. I. D i e

rechtliche und w i r t s c h a f t l i c h e der Kostfracht-Klausel.

Bedeutung

Das Kostfrachtgeschäft, kurz c. f.-Gesdiäft genannt>), ist einer der Typen des Ueberseekaufes. Mit dem bekannteren Cifgeschäft stimmt es darin überein, daß der K ä u f e r mit der Gefahr des Seetransportes belastet wird'), und zwar mit der sog. Preis- oder Vergütungsgefahr; d. h. der Käufer ist verpflichtet, den Kaufpreis in voller Höhe zu erbringen, audi wenn die Ware durch Zufall auf dem Seetransport untergeht oder beschädigt wird, und er kann den bereits gezahlten Kaufpreis nicht deshalb zurückverlangen, weil er infolge eines Seeunfalles keine oder nur eine beschädigte Ware erhält. Ferner ist ebenso wie beim Cifgesdiäft der V e r k ä u f e r verpfliditet, für den Seetransport der Ware zu sorgen und die Kosten der Fracht zu tragen 3). Der Preis einer „kostfradit" gekauften Ware versteht sich also einsdiließlich Fracht. Der einzige Unterschied zwischen dem c. f.- und dem cif-Gesdiäft besteht darin, daß bei letzterem der Verkäufer die Kosten der Versicherung des Seetransportes zu tragen hat, bei ersterem der Käufer. Der Preis einer „cif" gekauften Ware schließt also die Versicherungsprämie ein. Regelmäßig ist audi der Verkäufer kraft der cif-Klausel rechtlich verpfliditet, selbst den Versicherungsschutz zu besorgen *). Demgegenüber ist bei dem Preise einer „kostfradit" gekauften Ware die Versicherungsprämie nicht berücksichtigt. Der Preis ist also entsprechend niedriger. Allerdings ist hier der Käufer nicht — wie der Verkäufer beim Cifgesdiäft — rechtlidi verpflichtet, für Versicherungsschutz zu sorgen. Da der Käufer die Gefahr des Seetransportes zu tragen hat, ist er ohnehin stark daran interessiert, sich gegen den aus eventuellen Unfällen entstehenden Schaden zu versichern. Der Verkäufer legt daher keinen Wert darauf, ihn im Kaufvertrage ausdrücklich mit einer Versicherungspflicht zu belasten 5). Der Unterschied zwischen beiden Vertragstypen kommt in dem Wortlaut der Klauseln deutlich zum Ausdruck. Cif ist die Abkürzung von „cost insurance freight", wobei unter „cost" der Nettowarenpreis (ohne die Ver') Andere Ausdrücke sind: „cost and freight", „c. & f" (vgl. Almen I I , 302; Grossm.-Doerth S. 198 u. 215). ») Almen II, 305, 316, Möller S. 11. =•) Almen I I , 302/3, 310; Möller S. 11. «) Staub, Anh. zu § 382 A. 49a; Grossm.-Doerth S. 202, Almen II, 312; Möller S. 11. s ) Ausnahmen kommen jedoch vor. Vgl. Almen II, 306, N. 38; Sto&h. Allg. Getreide Best. § 4 D; Grossm.-Doerth S. 220.

14 sendungskosten) zu verstehen ist'). Im Vertragstext steht die Klausel meistens in unmittelbarer Verbindung mit der Preisangabe, woraus sich ergibt, daß diese Preisangabe neben dem Nettowarenpreis audi die Fracht und die Versicherungsprämie umfaßt. Die c. f.-Kiausei ist nun nichts weiter als die cii-Klausel unter Fortlassung des Wortes „insurance". Bei ihr umfaßt daher die Preisangabe außer dem Nettowarenpreis lediglich die Fracht, nicht auch die Versicherung7). Neben dem cif- und dem c. f.-Geschäft kennt das Recht des Ueberseekaufes noch das Fobgeschäft sowie diejenigen Vertragstypen, die es unter dem Namen „Ankunftsvertrag" zusammenfaßt"). Beim Ankunftsvertrag trägt der Verkäufer Kosten und Gefahr des Seetransportes, beim Fobgeschäft der Käufer. Der einzige Unterschied des Fobgeschäftes vom Kostfrachtgeschäft liegt darin, daß der Käufer auch die Kosten der Fracht trägt. Nach der versicherungsrechtlichen Seite gleichen sich dagegen beide, so daß die Ergebnisse dieser Arbeit, die sich mit dieser Seite beschäftigen will, auch auf das Fobgeschäft anwendbar sind. Die geschilderten Typen des Ueberseekaufes sind in erster Linie nicht Rechtsbegriffe, sondern wirtschaftliche Begriffe, die aus den Gebräudien des Ueberseehandels geboren sind. Daher gehört zu einer vollständigen Charakterisierung des Kostfrachtgeschäftes auch die Darstellung seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Es handelt sich hierbei um die Frage, welche Vorteile und Nachteile das Kostfrachtgeschäft für die unmittelbar und mittelbar beteiligten Personen und darüber hinaus für die Volkswirtschaft im Ganzen hat»), welche Motive also den Kaufmann bewegen, wenn er unter den vielfältigen Klauseln sich bei Abfassung eines Vertrages für die Kostfrachtklausel entscheidet. Für den V e r k ä u f e r zunächst bietet die Klausel den Vorteil, daß der Käufer mit der Gefahr des Seetransportes belastet wird. Der Verkäufer ist also, wenn er alle Kaufbedingungen einhält, insbesondere kontraktmäßige Ware liefert, regelmäßig mit der Abladung der Sorge um das Schicksal der Ware enthoben. Ferner braucht er sich um die Besorgung von Versicherungsschutz nicht zu bekümmern und läuft daher nidit Gefahr, wegen Besorgung mangelhaften Versicherungsschutzes vom Käufer haftpflichtig gemacht zu werden. Er braucht auch die Versicherungsprämie bei der Preiskalkulation nicht zu berücksichtigen. Dagegen muß er die Höhe der Fracht in den Preis einkalkulieren. Hierin liegt ein wesentlicher Nachteil, wenigstens beim Verkauf von Massengütern. Bei Massengütern werden nämlich die Seefrachtverträge börsenmäßig abgeschlossen, so daß die Höhe der Frachten starken Schwankungen unterliegt. Der Verkäufer ist daher gezwungen, sich möglichst schon vor Abgabe einer Offerte eine Fracht zu sichern, damit die kalkulierte Verdienstspanne nicht etwa durch nachträgliche Erhöhung der Frachten aufgezehrt wird. •) Grossm.-Doerth S. 199, Staub a. a. 0 . ; a. A. Mittelstein S. 2 ff. (Kosten der Abladung im Abladebafen); Müller-Erzbach ZHR. 86/129. 7 ) Damit ist nicht gesagt, daß das c. f.-Geschäft aus dem cif-Gesdiäft als dessen Unterart entstanden sei. Beide Eauftypen haben sidi vielmehr selbständig aus dem Fobgeschäft entwickelt. Näheres bei Grossm.-Doerth S. 195, 218. 8 ) Grossm.-Doerth S. 365. Hierher gehören z. B. die Klauseln „frei", „franco", „ex ship", wofern der Bestimmungsort hinzugefügt ist. ») vgl. zum folgenden Grossm.-Doerth S. 218 ff.

15 Dieser Nachteil für den Verkäufer ist ein Vorteil für den K ä u f e r , der sieb auf eine Offerte leichter erklären kann, weil er keine Berechnung über die Fradit aufzustellen braucht. Dem steht der Nachteil gegenüber, daß er die Gefahr trägt, doch ist dieser Umstand nicht allzu bedeutsam, da die Ware stets versichert wird. Ferner wiegt es nicht allzu schwer, daß die Versicherungsprämie in den Kaufpreis nicht eingeschlossen ist und dabei* bei Prüfung der Offerte von ihm selbst berechnet werden muß, denn in der Regel besitzt der Uebersee-Kaufmann eine laufende Police, auf die er den betreffenden Transport zu einem vorher festbestimmten Prämiensatze deklarieren kann. Im Gegensatze zur Berechnung der Fracht genügt also bei der Prämienberechnung ein Blick in die Bedingungen seiner laufenden Police. Wohl aber hat der Kostfrachtkäufer einen entscheidenden Vorteil: er kann sich den Versicherungsschutz nach seinen Wünschen auswählen. Dieser Umstand gibt der Kostfrachtklausel ihre eigentliche Bedeutung; er ist die Ursache, daß trotz der beherrschenden Stellung der Cifklausel im Ueberseekaufrecht gelegentlich immer wieder die c. f.-Klausel herangezogen wird. Der eif-Verkäufer trägt nicht die Gefahr und hat deshalb ein geringeres Interesse an der Besorgung eines guten Versicherungsschutzes. Da die Prämie zu seinen Spesen gehört, ist er im Gegenteil daran interessiert, den Versicherungsschutz möglichst billig zu beschaffen, um seine Spesen herabzudrücken 10 ). Alle diese Schwierigkeiten werden vermieden, wenn der Käufer von vornherein selber die Besorgung des Versicherungsschutzes in Händen hat. Vor allem hat der Käufer dann die Möglichkeit, eine ihm bekannte Versicherungsgesellschaft auszuwählen. An Stelle eines ausländischen Versicherers steht ihm dann eine inländische Versicherungsgesellschaft gegenüber, mit der er in ständiger Geschäftsverbindung steht. Das hat bei der Festlegung der Versicherungsbedingungen und namentlich in Schadensfällen eine kulantere Behandlung zur Folge, da der Gesellschaft an der Erhaltung seiner Kundschaft gelegen i s t " ) . Die Verhandlungen über die Schadensabwicklung sind durch die Möglichkeit persönlicher Fühlungnahme erleichtert. Dieser Vorteil für den Kostfrachtkäufer gegenüber dem Cifgeschäft ist so wesentlich, daß ihm gegenüber der geringe Nachteil, welcher in der Erschwerung der Kalkulation liegt, nicht ins Gewicht fällt. Ein Vergleich zwischen beiden Vertragstypen hat daher das Ergebnis, daß das Kostfrachtgeschäft für den Käufer das günstigere ist. Für den V e r s i c h e r e r ist das Cifgeschäft insofern günstiger als das Kostfrachtgeschäft, als er es in Schadensfällen meist mit einem ausländischen Käufer zu tun hat, um dessen Kundschaft er mangels einer ständigen Geschäftsverbindung nicht so besorgt zu sein braucht. Abgesehen vom einzelnen Fall haben die Versicherer ein erhebliches Interesse daran, daß die Kaufmannschaft ihres Landes solche Geschäfte abschließt, bei denen ihr die Versicherung obliegt, denn in der Regel schließt ein Kaufmann die Versicherung mit einer Gesellschaft seines Landes ab 1S). Für die Versicherer ist es also günstiger, wenn im Ausfuhrhandel Cifgesdiäfte ">) Grossm.-Doerth S. 143, 209, 218; Möller S. 21; ITV. 1921/7a; Axenfeld .TRPV. 1926/17; Herzog S 152, 153; v. Liebig S. 204. »i) Grossm.-Doerth S. 219; Möller S. 23. Möller S. 24; Wüstendörfer, Sdiiff.-Jahrb. 1928/122.

16 und im Einfuhrhandel Kostfrachtgeschäfte getätigt werden. Hierüber wird bei näherer Betrachtung der volkswirtschaftlichen Bedeutung zu sprechen sein. Mittelbar können B a n k e n am Ueberseekaufvertrage beteiligt sein "). Es ist vielfach üblich, daß der Verkäufer eine Bank mit der Einziehung des Kaufpreises beauftragt. Häufig läßt er sich dann von der Bank einen Vorschuß auf den einzuziehenden Kaufpreis geben. Die Bank erhält zur Sicherheit ein Pfandrecht an den die Ware verkörpernden Dokumenten. Ebenso kommt es vor, daß der Käufer eine Bank mit der Einlösung der Dokumente beauftragt, wobei dann oft die Bank die Einlösung vornimmt, ohne Deckung seitens des Käufers zu haben (Remboursekreditgeschäft). In beiden Fällen der Kreditgewährung hat die Bank ein Interesse daran, daß die Ware versichert ist, damit sie für den Fall, daß sie von ihrem Pfandrecht Gebrauch machen muß, keinen Schaden durch einen Seeunfall zu befürchten hat. Beim Cifgeschäft wird diesem Interesse dadurch genügt, daß zu den in den Besitz der Banken gelangenden Dokumenten eine Seeversicherungspolice gehört 14 ). Fehlt diese, so kann die Bank des Verkäufers die Vorschußgewährung, die Bank des Käufers die Einlösung der Dokumente ablehnen. Anders beim Kostfrachtgeschäft. Da hier der Käufer die Versicherung nimmt, gehört zu den Dokumenten kein Versicherungspapier. Diesem Nachteil läßt sich indessen unter Umständen abhelfen, und zwar wird dafür wiederum die laufende Versicherung bedeutsam. Der laufend Versicherte hat nach § 97 Abs. 4 ADS. auf die Ausstellung einer Einzelpolice erst Anspruch, wenn er das betreffende Risiko deklariert hat. Es kommt aber vor, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer schon bei Abschluß des Vertrages über die laufende Versicherung eine Anzahl sogenannter Blankozertifikate aushändigt. Blankozertifikate spielen insbesondere dann eine Rolle, wenn der Vertrag mit mehreren Versicherern geschlossen wird. Es handelt sich dabei um unausgefüllte Urkunden über die Aufgabe des Einzeltransportes, die entweder von allen Versicherern bis auf einen oder von allen Versicherern unterzeichnet werden. Damit sie Gültigkeit erlangen, ist im ersten Falle eine Schlußzeichnung durch den noch nicht unterzeichneten Versicherer, im zweiten eine Gegenzeichnung durch einen Dritten (in der Regel durch den Makler) oder durch den Versicherungsnehmer selbst erforderlich, mit ider zugleich die Haftung dafür übernommen wird, daß das Risiko der laufenden Police entspricht 15 ). Ein solches Blankozertifikat steht einer Einzelpolice im Sinne des § 97 Abs. 4 ADS. gleichie). Ist nun dem Versicherungsnehmer selbst die Gegenzeichnung überlassen, so kann er bei Abschluß eines Kostfrachtkaufes seinem Verkäufer zugleich mit der Annahme der Kaufofferte ein gegengezeichnetes Blankozertifikat übersenden. Füllt dieser dann das Zertifikat mit den notwendigen Angaben über die versicherten Güter aus, so hat er für seine Bank ein vollwertiges Versicherungspapier, ohne daß eine Deklaration auf die laufende Police er") Alm6n II, 361; Voigt, Dok. trattengesdi. S. 4. ") Möller S. 25, 3. Ritter in § 97 Anm. 37, 38; Nothmann S. 16. »•) Ewald in HansGZ. 1929 A Sp. 564.

17 folgt i s t Ebenso kann der Käufer seiner eigenen Bank ein gegengezeichnetes Blankozertiükat einreichen, wodurch diese die für die Kreditierung notwendige Sicherheit erlangt. Allerdings kommt diese Methode nicht tür all« Kostfrachtkäufe in Betracht, da die Versicherer Blankozertifikate der geschilderten Art nur soldien Versicherungsnehmern zu geben pflegen, bei denen sie vollkommen sidier sind, daB sie die Blankozertifikate nicht mißbräuchlich benutzen. Es bleibt dann nur übrig, eine Vereinbarung dahin zu treffen, daB dier Verkäufer nicht eher abzuladen braucht, als bis ihm der Käufer die schriftliche Erklärung einer Versicherungsgesellschaft vorlegt, daß die nötige Versicherung gedeckt sei l 7 ). Mit einer Erklärung lediglich des Käufers, daß er versichert habe, pflegen sich die Banken nicht zufrieden zu geben"). Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus besteht, wie schon angedeutet, ein Interesse daran, daß im Einfuhrhandel möglichst Kostfrachtgeschäfte und im Ausfuhrhandel Cifgeschäfte abgeschlossen werden, da auf diese Weise die Prämien dem inländischen Versicherungsmarkt zufließen. Dies hat vor einigen Jahren die Hamburger Handelskammer und den Verband des Hamburger Einfuhrhandels veranlaßt, ihre Mitglieder zum Abschluß von Kostfrachtgeschäften im Einfuhrhandel aufzufordern1*). Solche Aufforderungen sind allerdings ein zweischneidiges Schwert. Es besteht die Gefahr, daß die betroffenen ausländischen Versicherer sich gleichfalls bei den Importeuren ihrer Länder für den Abschluß von Kostfrachtgeschäften einsetzen. Dadurch wird u. U. der Erfolg der Maßnahme wieder ausgeglichen; es kann sogar sein, daß darüber hinaus eine Einbuße für die inländischen Versicherer entsteht, dann nämlich, wenn die ausländischen Kaufleute den inländischen wirtschaftlich überlegen sind und diesen ihre Bedingungen diktieren können. Es sind die gleichen Gefahren, die bei dem Problem „Autarkie oder Weltwirtschaft" eine Rolle spielen. Im besonderen deutschen Falle waren allerdings diese Gefahren nicht so bedeutend, da die deutschen Versicherer ohnedies nach dem Weltkriege vom Seeversicherungsmarkt stark zurückgedrängt waren und zunächst einmal den verlorenen Stand wiedergewinnen mußten. Praktisch soll auch dem Bestreben der deutschen Versicherer Erfolg beschieden gewesen sein. Die ausländischen Importeure zeigten sich dem Abschluß von Kostfraditgeschäften geneigt, weil sie der Einreichung und Vertretung von Forderungen zugunsten ihrer Käufer enthoben wurden II.

Das

Wesen

der

laufenden

Versicherung.

Die genannten Bestrebungen haben jedodi merkwürdigerweise aus Kreisen der Versicherer selbst eine Hemmung erfahren»). Die Ursache liegt darin, daß der Ueberseekaufmann in de^ Regel eine sognannte laufende Versicherung abschließt. Unter einer laufenden Versicherung versteht man eine solche, die in der Weise genommen wird, daß die versicherten Interessen bei der Schließung des Vertrags nur der Gattung nach beS o § 4 der Stodfh. Allgem. Getreide Best, i») Grossm.-Doerth S. 36. i») Mitt. d. Hand.kammer Hbg. 1928 Nr. 5. »») W. Schues im Fairplay v. 2. 2. 28 i) Mitteilungen der Handelskammer Hamburg 1928 Nr. 24.

18 zeidinet und erst nadi ihrer Entstehung dem Versicherer einzeln aufgegeben werden*). Aus dieser Definition folgt, daß für die gesamten Risiken lediglich e i n Vertrag abgeschlossen wird, und zwar der Vertrag über die laufende Versicherung. Sobald das einzelne Risiko aktuell wird, muß der Versicherungsnehmer es zwar dem Versicherer aufgeben (§ 97 Abs. 6 ADS.), aber diese Deklaration ist lediglich die Erfüllung einer Vertragspflicht, kein neuer Vertragsschluß'). Unterfällt ein Seetransport den Bestimmungen der laufenden Police, so ist er schon vor der Deklaration versichert, ja sogar selbst dann, wenn die Deklaration pflichtwidrig unterlassen wird. Der Versicherungsnehmer hat also die Prämie zu bezahlen, verliert allerdings wegen seiner Vertragsverletzung den Anspruch auf die Entschädigungsleistung. Es kann jedoch auch vereinbart werden, daß die Seetransporte nur dann versichert sein sollen, wenn sie vom Versicherungsnehmer deklariert werden. Alsdann liegt eine f a k u l t a t i v e laufende Versicherung vor«). Bei dieser besteht also keine Deklarationspflicht im geschilderten Sinne, vielmehr ist hier die Deklaration Voraussetzung für die Versicherung des einzelnen Transportes. Die fakultative Versicherung spielt im Seeversicherungsrecht namentlich bei der Versicherung des imaginären Gewinnes eine Rolle, während sie für die Güterversicherung selten ist. Für den Versicherer ist die laufende Versicherung stets obligatorisch. Er muß jeden deklarierten Transport, soweit er in den Rahmen des Vertrages fällt, übernehmen. Die laufende Versicherung bietet für den Versicherungsnehmer den großen Vorteil, daß er nicht erst bei jedem einzelnen Transport einen besonderen Versicherungsvertrag abzuschließen braucht und nicht Gefahr läuft, für ein besonders schweres Risiko auf Versicherungsschutz verzichten zu müssen, weil sich kein Versicherer zur Uebernahme bereit findet. Insbesondere schadet es ihm nicht, wenn in dem Moment, in dem er von dem Transport Kenntnis erhält, das Risiko schon zu laufen begonnen, ja vielleicht schon ein Versicherungsfall eingetreten ist, denn nadi dem laufenden Versicherungsverträge sind die Güter vom Beginn des Risikos ab ohne weiteres versichert. Es schadet ihm also nicht, wenn bei Empfang der Nachricht, daß ein Seetransport für ihn unterwegs ist, sich bereits ein Seeunfall ereignet hat 6 ). Diesen großen Vorteilen für den Versicherungsnehmer stehen natürlich Nachteile auf Seiten des Versicherers gegenüber. Es sind besonders zwei Gefahren, die dem Versicherer erheblichen Schaden bringen können: 1. Da meistens für jeden einzelnen Transport eine besondere Prämie erhoben wird, kommt es vor, daß der Versicherungsnehmer dem Versiche*) § 187 Abs. 2 VVG.; ähnlich § 97 Abs. 1 ADS. ) Der Abschluß der laufenden Versicherung ist also ein perfekter Versicherungsvertrag, nicht etwa nur eine bindende Offerte, die erst mit der Deklaration angenommen wird, und kein Vorvertrag, dem der endgültige Vertragsschluß erst nachfolgt. Das ist heute allgemein anerkannt: Bruck S. 162; Ritter § 07 A. 6, 39; Ehrenberg S. 415, Ehrenbg. RV. S. 44; Gerhard-Hagen 249; He&er S. 105; Moldenhauer ZfVW. 1901/153; Hagen I, 347; RGZ. 4/17; 35/274; 44/83; 90/8; 94/303; RG. in HGZ. 1908/160; 1912/238. A. A. RG. in HGZ. 1888/172; v. Liebig S. 181. «) Ritter § 97 Anm. 13; Ehrenberg S. 411. ») Voigt S. 339K Gerh.-Hagen S. 249; Hagen I, 344; Herzog S. 57. 3

19 rer die leichten Risiken verschweigt und ihm möglichst nur die schlechten aufbürdet*). Der Verhinderung solcher Methoden dient die Deklarationspflicht. Der Versicherungsnehmer hat jeden Transport sobald wie möglich, insbesondere unverzüglich, nachdem er von dem Beginne der Versicherung Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer aufzugeben (§ 97 Abs. 6 ADS.). Es ist aber möglich, daß bei Empfang der Kenntnis der Transport schon ganz oder zum größten Teil beendet ist, so daß der Versicherungsnehmer bei gutem Verlauf der Seereise in Versuchung gerät, die Deklaration zu unterlassen, um die Prämie zu sparen. Es kann auch sein, daß ein unredlicher Versicherungsnehmer abwartet, bis ein Versicherungsfall eingetreten ist. Die Versicherungsgesellschaft kann nicht immer nachprüfen, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis von dem Beginne der Versicherung erhalten hat, ob also die Deklaration rechtzeitig erfolgt ist oder nicht. Allerdings knüpfen die ADS. an die Verletzimg der Deklarationspflicht schwerwiegende Folgen: Der Versicherungsnehmer verliert seinen Anspruch auf die Entschädigung; handelte er vorsätzlich, so endigt sogar der ganze laufende Versicherungsvertrag bei Fortdauer der Prämienpflicht (§ 97 Abs. 6 ADS.). Der Versicherungsnehmer gefährdet also seine sämtlichen laufenden Deckungen, auch diejenigen für ordnungsmäßig deklarierte Transporte. Aber trotz dieser scharfen Bestimmungen sind natugemäß Unredlichkeiten nicht ganz ausgeschlossen. 2. Eine zweite Gefahr der laufenden Versicherung besteht darin, daß der Versicherungsnehmer schlechte Risiken, die eigentlich einen anderen betreffen, übernimmt und auf seiner laufenden Police „unterschiebt" 7 ). Um dieser Gefahr zu begegnen, bestimmt § 97 Abs. 1 ADS., daß die laufende Versicherung sich nur auf solche Güter bezieht, für die der Versicherungsnehmer — sei es für eigene, sei es für fremde Rechnung — nach k a u f m ä n n i s c h e n G r u n d s ä t z e n Versicherung zu nehmen hat. Sie bezieht sich insbesondere nicht auf solche Güter, für die der Versicherungsnehmer nur deshalb Versicherung zu nehmen hat, weil er sich hierzu einem Dritten gegenüber verpflichtet hat. Wie wir sehen werden, vermag auch diese Bestimmung nicht alle Unredlichkeiten auszuschalten. Daher setzt das laufende Versidierungsverhältnis stets ein besonderes Vertrauen des Versicherers in die Redlichkeit des Versicherungsnehmers voraus •).

») Ritter § 97 Anm. 40. ' ) Ritter § 97 A. 26, 30. ») Ritter § 97 A. 40; Ehrenberg S. 407; Hagen I. 346.

20

Erster Teil. Die laufende Versicherung des Kostfrachtkäufers. I. D e r

Fall

Pisani.

Wird eine kostfradit gekaufte Ware von dein Käufer auf dessen laufende Police angemeldet, so kann es sein, daß zur Zeit des Kaufabschlusses der Seetransport bereits begonnen hatte, die Ware also „schwimmend" gekauft wurde. Nadi den ADS. (§§ 88, 124) gilt das Prinzip der Unteilbarkeit der versilberten Seereise, d. h. ein Seetransport ist nicht nadi einzelnen Abschnitten versichert, also nicht etwa vom Zeitpunkt des Kaufabschlusses oder der Deklaration an, sondern für die ganze Dauer der Heise (§ 88 Abs. 1 ADS.). Die Versicherungsgesellschaft haftet daher auch für solche Seeunfälle, die sidi vor Abschluß des Kaufvertrages ereignet haben. Die Haftung beginnt grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem die Güter vom Verfrachter zur Beförderung angenommen werden (§ 88 Abs. 2 ADS.). Man nennt diesen Zeitpunkt den m a t e r i e l l e n Beginn der Versicherung im Unterschied zum formellen Beginn, worunter man den Abschluß des Versicherungsvertrages versteht'). Die Bestimmung hat ihren Grund darin, daß es auf Seereisen oft schwer feststellbar ist, wann ein bestimmter Versicherungsfall eingetreten ist. Diese Regelung bringt aber die Gefahr mit sich, daß schlecht verlaufene Risiken dadurch nachträglich unter Versicherungsschutz gebracht werden, daß die Güter nach Eintritt des Unfalls an einen laufend versicherten Kaufmann „kostfradit" verkauft werden. Dieser beruft sich darauf, daß er als Kostfrachtkäufer nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen habe. Die gekaufte Ware sei daher ohne weiteres vom Beginn der Seereise ab auf seiner laufenden Police versichert. Es braucht hier nicht unbedingt eine Unredlichkeit des Versicherungsnehmers vorzuliegen, denn es kann sein, daß dieser bei Abschluß des Kaufvertrages noch keine Kenntnis von dem Seeunfall hatte. Immerhin ist es für die Versicherungsgesellschaften schwer festzustellen, ob der Kostfrachtkauf in der Absicht erfolgte, für ein schlecht verlaufenes Risiko nachträglich Versicherungsschutz zu erschleichen oder nicht. Vor einer Reihe von Jahren haben sidi infolgedessen mehrere Versicherer auf den Standpunkt gestellt, daß Kostfrachtgeschäfte über schwimmende Ware überhaupt nicht auf eine laufende Police deklariert werden könnten. Mehrere dieser Fälle beschäftigten die Gerichte. Der bekannteste ist der Fall der Hamburger Importfirma P i s a n i»). ' ) Bruck S. 230. *) Die einzelnen Entscheidungen sind im folgenden Absdinitt

zitiert.

21 Die Firma hatte für das Jahr 1926 einen laufenden Versicherungsvertrag mit der Norddeutsdien Versicherungsgesellschaft und für das Jahr 1927 einen soldien mit der Favag abgeschlossen. Im Januar 1927 kaufte sie von einer Londoner Firma eine Partie Haselnußkerne mit der Klausel „c. & f. Hamburg". Die Güter waren bereits am 5. Dezember 1926 in Konstantinopel versdiifft und bisher nicht versichert worden. Die Fa. Pisani meldete den Transport am 11. Januar 1927 auf die laufende Police für 1927 an. Später zog sie die Anmeldung zurück und deklarierte auf die Police für 1926. Bei der Entlöschung der Ware in Hamburg am 18. Januar stellte sich heraus, daß sie stark vom Seewasser beschädigt war. Nach der eigenen Behauptung der Fa. Pisani ist die Beschädigung am 4. Januar und vor Abschluß des Kaufvertrages erfolgt. Sie hatte jedoch erst bei der Entlöschung Kenntnis von dem Unfall erlangt. Trotzdem lehnten beide Versicherungsgesellschaften die Zahlung der Entschädigungssumme ab. Sie machten in erster Linie geltend, daß die Versicherungsnehmerin zur Zeit des materiellen Versicherungsbeginnes, also bei Beginn der Seereise, noch kein versicherbares Interesse an der Ware und ferner nicht nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen gehabt habe, da sie erst durch den Kaufabschluß im Jahre 1927 zu der Ware in Beziehung getreten sei. Die Norddeutsche Versicherungsgesellschaft, bei der die Police für 1926 genommen war, machte außerdem geltend, daß von ihrer Police keine Güter gedeckt werden könnten, an denen die Versicherungsnehmerin erst nach Ablauf der Policendauer ein versicherbares Interesse erworben habe. Wenn dae Güter überhaupt unter die laufende Versicherung fielen, so käme nur die Police für 1927 in Betracht. Die Favag dagegen, bei der die Police für 1927 genommen war, machte geltend, daß für die Deckung eines bestimmten Transportes immer diejenige Police maßgebend sei, unter deren Geltungsdauer der materielle Versicherungsbeginn falle. Wenn daher die Güter überhaupt versichert seien, so käme nur die Police für 1926 in Betracht, weil in diesem Jahre die Abladung erfolgt sei. Die Fa. Pisani verklagte zunächst die Favag, wurde aber in allen drei Instanzen abgewiesen *), weil für die Subsumtion eines Transportes unter eine laufende Police der materielle Versicherungsbeginn maßgebend sei. Das Hauptargument der Versicherungsgesellschaft wurde allerdings nicht anerkannt, sondern vielmehr als Verkehrsanschauung festgestellt, daß das Interesse des Versicherungsnehmers an den Gütern zur Zeit des materiellen Versicherungsbeginnes noch nicht entstanden zu sein brauche und ebensowenig in diesem Zeitpunkt ihn schon die kaufmännische Versicherungspflicht zu treffen brauche. Die Fa. Pisani verklagte daher nunmehr mit den besten Aussichten die Norddeutsche Versicherungsgesellschaft, erlebte aber zu ihrem Erstaunen eine abermalige Abweisung in zwei Instanzen4). Das Hans. OLG: — diesmal ein anderer Senat — stellte sich auf den Standpunkt, daß es nicht genüge, wenn der Beginn der Versicherung in die Geltungsdauer der Police falle, sondern daß außerdem der Versicherungsnehmer während >) LG. Hamburg v. 12. 4. 28; Hans. OLG., I I . Senat, v. 10. 7. 28; RG. I. Senat v. 19. 1. 29 (HansGZ. 1929 B Nr. 141). «) LG Hamburg v. 11. 10. 29. Hans. OLG., 5. Senat, v. 31. 1. 30 (HansGZ, 1930 B Nr. 66).

22 der Geltungsdauer audi ein vereicherbares Interesse an den Gütern erlangt haben müsse. Das Bestehen einer Verkehrsansdiauung, wie sie den Entscheidungen des ersten Prozesses zugrunde gelegt worden war, lehnte das Hans. OLG. auf Grund eines neuen Sachverständigen-Gutachtens ab. Die klagende Firma mußte jetzt befürchten, daß sie trotz dem ihr günstigen Reichsgerichtsurteil des ersten Prozesses von keiner der beiden Gesellschaften eine Entschädigung bekommen würde. Da das erste Reichsgerichtsurteil auf eine Verkehrsauffassung gestützt war und diese im neuen Prozeß von der letzten Tatsacheninstanz verneint worden war, mußte mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß das Reichsgericht seinen im ersten Prozeß vertretenen Standpunkt verlassen und die Revision der Klägerin zurückweisen werde, zumal die Parteien darüber einig waren, daß eine Rechtskraftwirkung des ersten Urteils nicht in Frage käme und die Vorinstanzen das noch ausdrücklich als unbestreitbar festgestellt hatten. Indessen das Reichsgericht ging sorgfältiger zu Werke als die Parteien selbst und besann sich auf die Tatsache, daß die Klägerin im ersten Prozeß gegen die Favag der Norddeutschen Versicherungsgesellschaft den Streit verkündet und diese daraufhin ihren Beitritt erklärt hatte. Allerdings war sie nicht auf Seiten der Streitverkünderin beigetreten, sondern unzulässigerweise auf Seiten der Gegenpartei, so daß das Gericht ihren Beitritt zurückwies. Ob infolgedessen die Streitverkündung in Vergessenheit geraten war oder ob die Unterinstanzen im zweiten Prozesse der Ansicht waren, daß der Beitritt auf der falschen Seite die Interventionswirkungen nicht auslöse, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls kam das Reichsgericht zu der ohne Zweifel richtigen Auffassung, daß ein Beitritt auf der falschen Seite der Ablehnung des Beitritts gleichkomme und daher die Interventionswirkungen nach sich ziehe, mithin die Norddeutsche Versicherungsgesellschaft nicht mit der Behauptung gehört werden könne, daß der Prozeß gegen die Favag unrichtig entschieden sei. Da in diesem ausdrücklich festgestellt worden war, daß der materielle Versicherungsbeginn für die Zugehörigkeit zu einer Police allein entscheidend sei, mußte der Revision der Fa. Pisani stattgegeben werden5). Die Klägerin kam also nach langem vergeblichen Bemühen schließlich doch noch zu einem Erfolg, wenn auch auf einem Wege, der, wie später erörtert werden wird, rechtlich nicht haltbar sein dürfte •). II. U e b e r b l i c k ü b e r d e n S t a n d d e r M e i n u n g e n . Im Anschluß an diesen und die übrigen Rechtsstreitigkeiten hat sich auch die Versicherungswissenschaft dem Problem des zeitlichen Umfanges der laufenden Versicherung zugewandt. Dabei sind fast alle theoretisch überhaupt denkbaren Meinungen vertreten worden. Bevor wir uns der Besprechung des Problems selbst zuwenden, erscheint es angebracht, einen Ueberblick über die Gesamtheit der vertretenen Ansichten zu geben. Wie wir sehen werden, gibt es solche Ansichten, die die Deklaration „schwimmend kostfracht" gekaufter Güter auf die laufende Police des Käufers überhaupt unmöglich machen (I), solche, die sie unter bestimmten «) RO. 1. Senat v. 29. 11. 30 (HansGZ. 1931 B Sp. 188). •) Vgl. S. 35.

23 Umständen unmöglich machen (II) und endlich solche, die ihr kein Hindernis in den Weg legen (III). I. Nadi der Meinung von B r u c k 1 ) , die von dem ehem. 2. Vorsitzenden des VHA., F i r g a u , geteilt wird *), ist Voraussetzung für die Deckung eines Transportes durch eine laufende Police: 1. daß der materielle Versidierungsbeginn (genau: der Zeitpunkt, in dem die Versicherung beginnen würde, wenn eine gültige Versicherung bestände) in die Geltungsdauer der Police fällt u n d 2. in diesem Zeitpunkt das Interesse des Versicherungsnehmers an den Gütern bereits entstanden ist. Die zweite Voraussetzung kann bei einem Kostfrachtgeschäft über schwimmende Ware niemals gegeben sein, da der Käufer bei der Abladung noch in keiner Beziehung zur Ware steht. Die Meinung Brucks macht somit die Deklaration „kostfracht schwimmend" gekaufter Ware innerhalb einer laufenden Versicherung überhaupt unmöglich. Das gleiche gilt von der Ansicht R i t t e r s 3 ) . Nach ihr setzt die Deckung eines Transportes durch eine laufende Police voraus: 1. daß der Zeitpunkt des materiellen Versicherungsbeginnes in die Geltungsdauer der Police fällt u n d 2. der Versicherungsnehmer in diesem Zeitpunkt in dem von § 97 Abs. 1 ADS. vorausgesetzten Verhältnis zu den Gütern steht, d. h. nach kaufmännischen Grundsätzen für die Güter Versicherung zu nehmen hat. Ritters Meinung unterscheidet sich also von der Brucks nur dadurch, daß an die Stelle des Interesses das im § 97 vorausgesetzte Verhältnis tritt. Wo Bruck fordert, daß der Versicherungsnehmer in einer solchen Beziehung zur Ware stehe, die man versicherungsrechtlich als Interesse bezeichnet, da fordert Ritter eine Beziehung, kraft deren der Versicherungsnehmer nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen hat. Beide Ansichten stimmen zwar nicht im Ergebnis überein 4 ) aber auch Ritters Meinung macht die Deklaration von Kostfrachtgeschäften über schwimmende Ware unmöglich, da zur Zeit der Abladung ein Käufer noch nicht vorhanden ist und demnach auch nicht nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen haben kann. II. Die Meinung des 5. Senats des Hans* OLG. deckt sich mit den eben erwähnten Ansichten darin, daß der materielle Versicherungsbeginn in die Geltungsdauer der Police fallen muß. Dagegen braucht in diesem Zeitpunkt der Käufer weder ein Interesse noch nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen haben. Es genügt vielmehr, wenn er bis zum Ablauf der Police ein Interesse erwirbtr>). Da somit die Enti) Bruck S. 494, Anm. 71. ») Priv. Gutachten zum Prozeß Pisani-Favag. Ritter § 97 Anm. 28, 29. *) So Bruck S. 494 A. 71. Wird z. B. ein Spediteur geschäftsüblicherweise beauftragt, das Güterinteresse seines Kunden zu versichern, so hat er zwar nach kaufm. Grundsätzen Versicherung zu nehmen, aber kein Interesse an den Gütern bei Beginn der Versicherung. ») Urteil v. 31. 1. 30 (HansGZ. 1930 B Nr. 66).

24 stehung des Interesses dem materiellen Versicherungsbeginn nachfolgen kann, sind Deklarationen von Kostfrachtgeschäften über schwimmende Ware nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie sind nur dann ausgeschlossen, wenn zufälligerweise in der Zeit zwischen materiellem Versicherungsbeginn und Entstehung des Käuferinteresses die Police abläuft oder eine neue beginnt, wenn also z. B. wie im Falle Pisani die Abladung im Dezember, der Kaufabschluß im Januar des folgenden Jahres während der Geltungsdauer einer neuen Police stattfindet III. Zur dritten Gruppe gehören die Ansichten, welche die Deckung eines Transportes nur von e i n e r Voraussetzung abhängig machen: 1. Der materielle Versicherungsbeginn muß in die Geltungsdauer der Police fallen. Diese Ansicht wird vornehmlich vom Reichsgericht vertreten •). 2. Die Entstehung des versicherten Interesses muß in die Geltungsdauer der Police fallen 7 ). 3. Die Entstehung des im § 97 Abs. 1 ADS. vorausgesetzten Verhältnisses (kraft dessen der Versicherungsnehmer nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen hat) muß innerhalb der Geltungsdauer liegen 8 ). Alle drei Ansichten hemmen die Deklaration von Kostfrachtgeschäften nicht. Sie füllen lediglich die Lücke, die in den ADS. bezüglich des zeitlichen Umfanges der laufenden Versicherung besteht. Es sind also drei verschiedene Ereignisse, die für den zeitlichen Umfang der laufenden Versicherung als bedeutsam erkannt worden sind: der materielle Versicherungsbeginn, die Entstehung des versicherten Interesses und die Entstehung der „kaufmännischen Versidierungspflicht". Inr folgenden soll zunächst das Verhältnis der drei Ereignisse zueinander und sodann ihr Verhältnis zur Geltungsdauer der laufenden Police behandelt werden. III.

D a s V e r h ä l t n i s des I n t e r e s s e s zum materiellen V e r s i ch eru n g s be g i n n , i n s b e s o n d e r e die R ü c k b e z i e h u n g des I n t e r e s s e s . Unter „Interesse" im Sinne des Versicherungsrechts versteht man nach der herrschenden Meinung die Beziehung einer Person zu einem Gut, kraft deren die Person einen Schaden erleiden kann Nach §§ 1, 2 ADS. ist das Vorliegen eines versicherbaren Interesses Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Seeversicherungsvertrages. Diese Regel ist nicht nur durch das positive Recht begründet, sondern die logische Folge davon, daß die Seeversicherung ein Typ der Schadensversicherung ist. Der Zweck des •) RG. v. 19. 1. 29 (HansGZ. 1929 B Nr 141 = RGZ. 123/142), RG. v. 29 11. 1930 (HansGZ. 1931 A Sp. 149 = RGZ. 130/302); RG. v. 29 11. 30 (HansGZ. 1931 B Sp. 188). Ebenso Pauly, Sachverständigen-Gutachten z. Prozeß Pisani-Fnvatt (vgl. RG. v. 19. 1. 29); Hans. OLG., 2. Senat, v. 10. 7. 28; Hochgräber ITV 1929/42, 7) Gerhard in JW. 1929/15815 Lazarus, Sadiverständ. Gutachten z. Fall PisaniFavag (vgl. Hans. OLG. v. 31. 1. 30 in HansGZ. 1930 B Nr. 66). ») Hans. OLG., 7. Senat, Urteile v. 3. 1. 30 u. 17. 1. 30 (HansGZ. 1930 B Nr. 147 und 157).

25 Schadensversidberungsvertrages besteht darin, dem Versicherungsnehmer den durch einen Versidierungsfall verursachten Vermögensschaden zu ersetzen 1). Ein Vermögens schaden kann nur jemanden treffen, der ein Vermögen hat. Versteht man unter Vermögen einen Komplex von wirtsdiaftlidien Gütern, so besteht die Möglichkeit eines Vermögensschadens nur dann, wenn eine Person zu irgendwelchen wirtschaftlichen Gütern in einer Beziehung steht, und zwar in einer Beziehung solcher Art, daß ihre Beeinträchtigung für ihren Inhaber nach wirtschaftlichen Grundsätzen einen Nachteil zur Folge hat. Ohne solche Beziehung einen Versicherungsvertrag abzuschließen, wäre sinnlos, da alsdann kein Schaden eintreten und mithin der Versicherer niemals leistungspflichtig werden könnte*). Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß jedem Schadensversicherungsvertrag ein versicherbares Interesse zugrunde liegen muß. Fraglich ist aber, während welcher Zeit eine Beziehung des Versicherten zu den im Vertrage — generell oder speziell — bezeichneten Gütern bestehen muß, damit der Versicherungsvertrag wirksam ist. Auf den ersten Blick scheint es so, als müsse das versicherte Interesse während der ganzen materiellen Versicherungsdauer bestehen, insbesondere also bereits bei Beginn der Versicherung vorhanden sein, denn die Leistungspflicht des Versicherers kann erst ausgelöst werden, wenn das versicherte Interesse entstanden ist. Für den Normalfall der Versicherung trifft das auch zu. Normalerweise versichert der Versicherungsnehmer eine g e g e n w ä r t i g e Beziehung, d. h. eine solche, die im Augenblick des Vertragsschlusses existent ist und gegen deren zukünftige Beeinträchtigung er sich schützen will. Z. B. jemand versichert am 15. Dezember in seinem Eigentum befindliche Güter für eine Seereise, die am 1. Januar beginnen soll. Daneben kennt das Versicherungsrecht aber die Versicherung zukünftiger Interessen, d. h. solcher, deren Entstehung erst in der Zukunft erwartet wird, und die Versicherung v e r g a n g e n e r Interessen, d. h. solcher, die bereits in der Vergangenheit entstanden sind und deren Schutz für die Vergangenheit durch die Versicherung erstrebt wird. (Rüdcwärtsversidierung.) In beiden Fällen kann es sein, daß für den Haftungsbeginn des Versicherers ein Zeitpunkt gewählt wird, in dem das versicherte Interesse noch nicht entstanden ist. Z. B. jemand versichert am 15. Dezember sein Interesse an einem Hause, das er erst zu erwerben gedenkt, für das folgende Jahr. Die Kaufverhandlungen verzögern sich, so daß er das versicherte Interesse erst am 15. J a n u a r , also nach dem materiellen Versicherungsbeginn erwirbt (Fall der Versicherung zukünftigen Interesses). — Oder jemand versichert am 1. Februar sein Interesse an einer Ware, die er am gleichen Tage gekauft hat, die aber bereits am 15. Januar verschifft worden ist (Fall der Rückwärtsversicherung). In beiden Fällen fragt sich zunächst, ob die Versicherung für die Zeit n a c h der Entstehung des versicherten Interesses wirksam ist, ob der Versicherer also für die nach diesem Zeitpunkt eintretenden Versicherungsfälle haftet. Bruck verneint diese Frage: „ Ist in dem Augenblick i) vgl. § 1 VVG. ') Kisdi I I I , S. 7, VII.

26 des Beginns der Versicherung das versicherte Interesse nodi nicht entstanden, dann ist die Versicherung wegen fehlenden Interesses unwirksam" *). Offenbar ist hier an die Bestimmung des § 2 ADS. gedacht nach der ein Vertrag unwirksam ist, dem ein versidierbares Interesse nicht zugrunde liegt Wie oben ausgeführt wurde, ist diese Regel die logische Folge aus dem Wesen der Schadensversicherung. Sie darf daher m. E. nicht weiter ausgelegt werden, als die logisdie Folgerung es verlangt. Fehlt das Interesse während der ganzen Versicherungsdauer, so muß der Vertrag unwirksam sein, da eine Leistungspflicht des Versicherers ausgeschlossen i s t Gelangt aber das versicherte Interesse während der materiellen Versicherungsdauer, wenn auch nach dem Beginn der Versicherung zur Entstehung, so steht einer Leistungspflicht des Versicherers nichts im Wege, da eine Beeinträchtigung des Interesse nunmehr möglich ist •). Ebenso wie bei nachträglichem Fortfall des Interesses — etwa durch den Untergang des versicherten Gutes — die Wirksamkeit der Versicherung für die Zeit vorher nicht berührt wird, so wenig kann die verspätete Entstehung des Interesses die Wirksamkeit der Versicherung für die Zeit nachher beeinflussen. Wenn in den ADS. oder den besonderen Vertragsbedingungen ein bestimmter Zeitpunkt als Beginn der Versicherung festgelegt ist, so hat dies lediglich den Sinn einer zeitlichen Begrenzung der Haftung des Versicherers. Für Versicherungsfälle außerhalb des durch „Beginn" und „Ende" festgelegten Rahmens will der Versicherer n i c h t haften. Gegen eine Beschränkung seiner Haftungsdauer hingegen hat er nichts einzuwenden, da sie für ihn lediglich eine Verringerung des Umfanges seiner Vertragsleistung bei gleichbleibender Gegenleistung bedeutet. Für den Versicherten andererseits würde es einen schweren Verlust bedeuten, wenn er deshalb, weil ein zu früher Zeitpunkt als materieller Beginn bestimmt ist, seines ganzen Versicherungsschutzes verlustig gehen würde. Die Bestimmungen der ADS. über den materiellen Beginn sind ferner, wie sich schon aus dem Charakter der ADS. als einer Sammlung von Vertragsnonnen ergibt keine zwingenden Bestimmungen 6 ). Wenn also § 88 ADS. bestimmt daß die Güterversicherung mit dem Zeitpunkt beginnt in dem die Güter vom Verfrachter zur Beförderung angenommen werden, so schließt das nicht aus, daß die Parteien einen anderen Zeitpunkt bestimmen. Allgemein anerkannt ist, daß die binnenländischen Vorreisen in die Dauer der Seeversicherung mit eingeschlossen werden können 8 ). Erst recht muß es daher möglich sein, die Haftungsdauer zu verkürzen und nur einen Teil der Seereise zu versichern. Gewiß entstehen in diesem Falle Beweisschwierigkeiten, wenn sich der Zeitpunkt eines Versicherungsfalles nicht genau feststellen läßt, aber das kann kein Grund sein, dem Versicherungsnehmer, der diese Beweisschwierigkeiten in Kauf genommen hat, seinen Versicherungsschutz von vornherein zu entziehen. 3 ) Bruck S. 494 A. 71. E s wird allerdings nicht deutlich, ob sich diese Stelle nur auf die Versicherung zukünftiger Interessen oder auch auf die Rückwärtsversidierung bezieht

*) Vorausgesetzt, daß das Interesse der vorgesehenen Gefahr ausgesetzt wird. Ritter, Vorbem. I I , A. 9. 10. •) Ritter § 125.

27 Aus den ADS. ergibt sich also kein Hindernis für die teilweise Wirksamkeit eines Vertrages, bei dem das versicherte Interesse nadi dem für den materiellen Beginn maßgeblichen Zeitpunkt entsteht. Es bleibt aber zu untersuchen, ob die Versicherung auch für die Zeit v o r der Entstehung des versicherten Interesses wirksam ist, ob der Versicherer also auch für die vorher, wenn auch nach dem materiellen Beginn, eingetretenen Versicherungsfälle haftet. Auf den ersten Blick erscheint diese Frage abwegig. Ist die Ware vor ihrem Erwerb durch den Versicherungsnehmer untergegangen, so scheint es, als sei damit jede Beziehung zu ihr erloschen, so daß der Versicherungsnehmer überhaupt kein Interesse an ihr mehr erwerben kann und folglich der Versicherungsvertrag mangels Entstehung des v e r s i c h e r t e n Interesses gemäß § 2 ADS. unwirksam ist. Ist die Ware vor ihrem Erwerb beschädigt, so scheint es, als sei damit derjenige Teil des Interesses, wegen dessen Verlustes der Versicherungsnehmer allein Entschädigung beanspruchen könnte, erloschen, so daß der Versicherungsnehmer mit dem Erwerb der Ware nur noch ein um diesen Teil gesdunälertes Interesse erwerben könne; nur dieses geschmälerte Interesse werde versichert; die Beeinträchtigung des ursprünglichen Interesses löse daher keine Entschädigungspflicht des Versicherers aus. Dieser Schein trügt jedoch, wie der Fall der Rückwärtsversicherung zeigt. Jeder Versicherungsvertrag setzt seinem Wesen nach eine Gefahr voraus, gegen die man sich versichert. Gefahr in diesem Sinne ist die Möglichkeit, daß ein schädigendes Ereignis bestimmter Art die versicherte Beziehung beeinträchtigt7). Die Rückwärtsversicherung wird nur gerade für den Fall genommen, daß bei Vertragsabsdiluß schon Versicherungsfälle eingetreten sind. Ist das versicherte Gut aber bereits untergegangen, so besteht objektiv nicht mehr die Möglichkeit, daß ein schädigendes Ereignis die Beziehung beeinträchtigt. Die Ungewißheit ist bereits zur Gewißheit geworden. Wohl aber kann vom Standpunkt der Vertragsparteien aus noch Ungewißheit herrschen, weil ihnen der eingetretene Versicherungsfall noch nicht bekannt geworden ist. Unter dieser Voraussetzung erklärt das Versicherungsredit die Rückwärtsversicherung für zulässig 8 ). Das Bestehen einer s u b j e k t i v e n Gefahr genügt»). Hierin herrscht allgemeine Uebereinstimmung. Die versicherungsrechtliche Literatur hat aber bisher nicht versucht, diesen Gedanken in seinen Eonsequenzen weiter zu verfolgen. Eine subjektive Gefahr setzt ebenso wie die objektive Gefahr etwas Gefährdetes voraus. Wie die objektive Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses eine objektive Beziehung bedroht, so muß die bloß eingebildete Möglichkeit eines solchen Ereignisses zumindest eine eingebildete Beziehung bedrohen. Es bleibt also nach dem Untergang der Ware noch eine eingebildete Beziehung zu der Ware bestehen, die Gegenstand des Versicherungsschutzes ist. Wer also annimmt, daß mit dem Untergang der Ware jedes versicherbare Interesse an ihr erloschen sei, andererseits aber die Zulässigkeit der Versicherung gegen eine subjektive *) vgl. Bruck S. 55, 478; Ritter S. 212. ») § 5 ADS., § 2 VVG. •) Bruck S. 53, 390; Komm. Allg. Vorbem. A. 36, § 2, I; Kisch II, S. 17, 130, 136; Ritter S. 212; Ehrenberg S. 325.

28 Gefahr anerkennt, madit sich eines Widerspruches schuldig, da die Versicherung gegen eine subjektive Gefahr die Versicherbarkeit eines bloß eingebildeten Interesses zur Voraussetzung hat. Betrachten wir dieses Interesse in seiner tatsächlichen Gestalt bei der Güterversicherung, so zeigt sich, daß es auch, abgesehen von seiner versicherungsreditlichen Bedeutung, eine ganze Reihe tatsächlicher und rechtlicher Wirkungen ausübt Solange der Interessent von dem Untergang der Güter keine Kenntnis hat, bleibt er in der Lage, einen gültigen Kaufvertrag über die Güter abzuschließen. Obwohl er sich damit zu einer ursprünglich unmöglichen Leistung verpflichtet, findet § 306 BGB. keine Anwendung, wenn der Käufer die Ware schwimmend kauft und mit der Gefahr der Seereise belastet wird, wie es beim Kostfracht-, Cif- und Fobgeschäft der Fall ist. Denn in diesem sehr häufigen Fall muß der Käufer beim Kaufabschluß mit der Möglichkeit rechnen, daß die Ware schon total verloren gegangen ist 10 ). Der Interessent bleibt ferner in der Lage, die Ware mittels des Konnossements zu veräußern und zu verpfänden. Kurzum, seine Stellung ist fast die gleiche wie vor dem Untergang der Ware. Die eingebildete Beziehung steht an Wert der vorher bestehenden objektiven Beziehung nicht nach, da es nicht üblich ist, für eine schwimmend (in Unkenntnis des bisherigen Reiseverlaufs) gekaufte Ware einen geringeren Preis zu bezahlen als für eine noch nicht abgeladene. Der Interessent erleidet daher im Moment des Unterganges der Ware noch keinen Schaden, da an die Stelle der objektiven Beziehung eine gleichwertige eingebildete Beziehung tritt. Erst wenn dem Interessenten der Totalverlust bekannt wird, erlischt die eingebildete Beziehung. Von nun an kann er die Ware nicht mehr verkaufen, veräußern oder verpfänden. Wie die objektive Gefahr sich verwirklicht, wenn die objektive Ungewißheit zur objektiven Gewißheit wird (Eintritt des Versicherungsfalles), so verwirklicht sich die subjektive Gefahr, wenn die subjektive Ungewißheit zur subjektiven Gewißheit wird (Empfang der Kenntnis des Versicherungsfalles). Erst in diesem Moment wirkt sich der durch den Untergang der Ware hervorgerufene Schaden aus. Daher kommt es, daß der Schaden den trifft, der bei Bekanntwerden des Versicherungsfalles das Interesse an den Gütern hatte, nicht den, der bei Eintritt des Versicherungsfalles Interessent ist. Hat also in der Zwischenzeit der Eigentümerinteressent, etwa durch Veräußerung der Ware, gewechselt, so ist der E r w e r b e r der Geschädigte. Er würde jetzt die Vorteile der Ware genießen, wenn diese noch existierte. Ihm ist daher ein Nachteil erwachsen. Der Veräußerer andererseits hat sich dieser Vorteile gerade für den Fall begeben, daß die Seereise glücklich verläuft. Er steht daher jetzt nicht schlechter, als er ohne den Seeunfall stehen würde »). >°) Grossmann-Doerth S. 438. ") Das Versicherungsredit hat sich bisher mit der Konstruktion einer stillschweigenden Zession des Entschädigungsanspruchs behelfen müssen, um dein Käufer zum Ausgleich seines Schadens zu verhelfen. Oder man hat angenommen, daß Verkäufer und Käufer vom Beginn der Seereise ab e v e n t u e l l e Interessen haben, die sich in einer Schwebelage befinden, bis sich klärt, wer der endgültig Geschädigte ist. Stellt sich der Käufer als der Geschädigte heraus, so soll eine Klärung des Schwebezustandes dahin eintreten, daß der Käufer von Anfang an alleiniger Interessent gewesen ist (z. B. RGZ. 13/99; Christoph in HGZ. 1919

29 Daraus ergibt sich, daß ein Interesse audi durdi solche Versicherungsfälle beeinträchtigt werden kann, die v o r seiner Entstehung eingetreten eind. Eine R ü c k b e z i e h u n g des Interesses ist also möglidi"). Man muß die Zeit, während der ein Interesse besteht, unterscheiden von der Zeit, a u f d i e si