Kooperative Lösungen für Nachhaltigkeitsprojekte in der mittelständischen Industrie [1 ed.] 9783896448576, 9783896731142

Das Wort von mehr Innovationen ist in vieler Munde, doch fast alledenken dabei an die technischen Neuerungen in großen F

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Kooperative Lösungen für Nachhaltigkeitsprojekte in der mittelständischen Industrie [1 ed.]
 9783896448576, 9783896731142

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Helge Majer Joa Bauer Ulrich Lison Kai Weinmüller

Kooperative Lösungen für Nachhaltigkeitsprojekte in der mittelständischen Industrie

Verlag Wissenschaft & Praxis

B

Dieses Buch beruht auf einem Projekt, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und vom Ministerium für Umwelt und Verkehr, Baden-Württemberg gefördert wurde.

Helge Majer Joa Bauer Ulrich Lison Kai Weinmüller

Kooperative Lösungen für Nachhaltigkeitsprojekte in der mittelständischen Industrie

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-114-9 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2004 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Printed in Germany Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier.

Inhaltsverzeichnis VORWORT ...............................................................................................................................8 KURZFASSUNG ....................................................................................................................10 I.

NACHHALTIGKEITSPROJEKTE .............................................................................13 1. Fragen ..............................................................................................................................13 2. Elemente ..........................................................................................................................13 2.1 Verbundprojekte.......................................................................................................13 2.2 Nachhaltigkeitsprojekte – erste Näherung ...............................................................14 2.3 Die WUSIK-Ziele.....................................................................................................15 2.4 Nachhaltigkeit: Unternehmerische Vision und Verwirklichung ..............................17 2.5 Nachhaltigkeitsprojekte – zweite Annäherung.........................................................19 3. Einbettung von Nachhaltigkeitsprojekten .......................................................................20 4. Nachhaltigkeitsinnovationen ...........................................................................................25 5. Lösungswege ...................................................................................................................28 6. Konkretisiertes Anreizsystem und Checkliste für Nachhaltigkeitsprojekte....................30 7. Ergebnisse und Schlussfolgerungen ................................................................................34

II. SEKTORALE NACHHALTIGKEITSLÜCKEN........................................................36 1. Fragen ..............................................................................................................................36 2. Die Konzeption von Nachhaltigkeitslücken....................................................................36 3. Erhebungen......................................................................................................................41 3.1 Das Messproblem .....................................................................................................41 3.2 Das Verteilungsproblem...........................................................................................42 3.3 Der Reduktionszeitraum...........................................................................................43 4. Ergebnisse........................................................................................................................44 4.1 Soll-Ist-Vergleich .....................................................................................................44 4.2 Firmenspezifische Indikatoren .................................................................................51 4.3 Projektbezogene Indikatoren....................................................................................53 5. Ergebnisse und Schlussfolgerungen ................................................................................54 III. MEDIATIONS-BASIERTE RUNDE TISCHE ...........................................................55 1. Fragen ..............................................................................................................................55 2. Konzeption ......................................................................................................................55 3. Mediations-basierte Runde Tische als Lernzentren ........................................................58 4. Durchführung ..................................................................................................................59 4.1 Überblick ..................................................................................................................59 4.2 Der erste Runde Tisch ..............................................................................................61 4.3 Der dritte Runde Tisch .............................................................................................65 4.4 Stellung des Runden Tischs im Unternehmen .........................................................72 4.5 Fallstricke bei Runden Tischen ................................................................................72 5. Statistische Auswertungen...............................................................................................76 5.1 Auswertungen des Gruppenverhaltens.....................................................................76 5.2 Ausgewähltes Projekt der Firma N – Abfallmanagement (Abfallwirtschaftskonzept) für den gesamten Betrieb.............................................81 5.3 Umweltbewusstsein vor und nach den Runden Tischen ..........................................83

5

IV. DER MEDIATOR UND DIE MEDIATORIN .............................................................88 1. Fragen ..............................................................................................................................88 2. Problemstellung...............................................................................................................88 3. Elemente ..........................................................................................................................89 4. Erfahrungssätze für den Mediator ...................................................................................90 5. Ergebnisse und Schlussfolgerungen ................................................................................92 V.

ERGEBNISSE DES PROJEKTS ..................................................................................94

LITERATURVERZEICHNIS.............................................................................................106

6

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabelle 1: Anreizsystem ...........................................................................................................31 Tabelle 2: Konkretisierung des Anreizsystems.........................................................................33 Tabelle 3: CO2-Indikatoren der Firma A ..................................................................................45 Tabelle 4: CO2-Szenarien 2030 (Firma A) ...............................................................................46 Tabelle 5: CO2-Indikatoren der Firma B ..................................................................................47 Tabelle 6: CO2-Szenarien 2030 (Firma B)................................................................................48 Tabelle 7: CO2-Indikatoren der Firma C ..................................................................................49 Tabelle 8: CO2-Szenarien 2030 (Firma C)................................................................................49 Tabelle 9: CO2-Indikatoren der Firma D ..................................................................................50 Tabelle 10: CO2-Szenarien 2030 (D)........................................................................................50 Tabelle 11: RHB-Stoffverbrauch (Firma E) .............................................................................51 Tabelle 12: Wasserverbrauch (Firma E) ...................................................................................52 Tabelle 13: Wasserverbrauch (Firma F) ...................................................................................52 Tabelle 14: Papierverbrauch (Firma G) ....................................................................................53 Tabelle 15: Konzeption der Runden Tische..............................................................................60 Tabelle 16: Modulstruktur des ersten Runden Tischs...............................................................65 Tabelle 17: Modulstruktur des dritten Runden Tischs..............................................................67 Tabelle 18: Sprechhäufigkeiten (Erster Runder Tisch, Firma K) .............................................77 Tabelle 19: Auswertung nach Phasen Kategorie e (abstrakt/gefühlsbetont) ............................77 Tabelle 20: Sprechzeiten (Firma L) ..........................................................................................78 Tabelle 21: Auswertung aller Äußerungen nach Personen und Kategorie A ...........................79 Tabelle 22: Gewichtung der Oberkriterien ...............................................................................81 Tabelle 23: Ergebnisse des Brainstorming und Bewertungen ..................................................83 Tabelle 24: Herkömmliche Moderation und Mediation ...........................................................90 Tabelle 25: Arbeitshinweise für den Mediator .........................................................................92 Tabelle 26: Gruppenabhängige Bewertungsergebnisse ............................................................95 Tabelle 27: Echte Lösungen und Scheinlösungen ....................................................................99 Tabelle 28: Bewertungsraster für Nachhaltigkeits-Projekte ...................................................103

Abbildung 1: Nachhaltigkeitsprojekte ......................................................................................20 Abbildung 2: Nachhaltigkeit ist holistisch und dynamisch eingebettet....................................21 Abbildung 3: Holistische Nachhaltigkeit..................................................................................22 Abbildung 4: Ganzheitlichkeit in der Sache – Theorie und Praxis...........................................23 Abbildung 5: Handlungsfeld für Nachhaltigkeitsinnovationen ................................................25 Abbildung 6: Determinantenstruktur ........................................................................................37 Abbildung 7: Allgemeine Systematisierung von Nachhaltigkeitslücken .................................40 Abbildung 8: Spezifische Systematisierung von Nachhaltigkeitslücken..................................41 Abbildung 9: Umweltrisiken.....................................................................................................41 Abbildung 10: Elemente der Mediation....................................................................................56 Abbildung 11: Befassung mit Umweltfragen ...........................................................................85 Abbildung 12: Hindernisse im Umweltschutz..........................................................................86

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Vorwort Mittelständische Firmen haben es vermehrt mit Projekten zu tun, die eine hohe Komplexität aufweisen: Nachhaltigkeitsprojekte. Nachhaltigkeitsprojekte sind Verbundprojekte, die Nachhaltigkeitsziele, mehrere Unternehmensbereiche, mehrere Problemebenen und eine Vielfalt von Werkzeugen für die Lösung betreffen. Für ihre Bearbeitung müssen von Anfang an alle relevanten Akteure in der Firma in die Lösungsaufbereitung und Lösungssuche eingebunden werden. Notwendig ist also eine Unternehmenskultur, in weiterem Sinne ein betriebliches Umweltbildungssystem für Mittelständler, das die Möglichkeiten von innerbetrieblicher Kooperation für neue Lösungen aufzeigt. Wie könnte dies aussehen? Klar ist, dass weder Wissenschaftler noch Praktiker allein diese Frage lösen können. Deshalb haben sich die Chefs von fünf Ulmer Firmen bereit erklärt, die unw-Forschungsgruppe dabei zu unterstützen, ein Handbuch zu erarbeiten, das systematisch und praxisgestützt die Schritte beschreibt, wie Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte kooperativ an mediations-basierten Runden Tischen gelöst werden können. Neben zwei vorbereitenden und einem abschließenden Runden Tisch mit den Firmenchefs wurden in jeder der fünf Firmen je drei Runde Tische durchgeführt. Im Durchschnitt nahmen 10 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichen Bereichen der Firmen teil. Der Mediator wurde vom unw gestellt und von den Teilnehmern der Runden Tische akzeptiert. Vor den Runden Tischen, die jeweils drei Stunden dauerten, fanden Vorgespräche mit Vertretern der Geschäfts- oder Bereichsleitung statt, um die Erwartungen der Wissenschaftler und Praktiker aufeinander abzustimmen. Am ersten Runden Tisch ging es darum, mit den Teilnehmern über den Sinn von Nachhaltigkeit zu sprechen und mit ihnen „ihren“ Nachhaltigkeitsbegriff zu erarbeiten („müssen wir etwas tun?“). Am zweiten Runden Tisch (über den wir hier nicht berichten) wurden anhand der theoretischen Konzeption von unternehmensbezogenen Nachhaltigkeitslücken Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte des Unternehmens gesammelt, geordnet, analysiert und bewertet („was müssen wir tun“?). Am dritten Runden Tisch entwickelte die Gruppe technische, verhaltensbezogene und organisatorische Lösungsansätze, um sie auf ein ausgewähltes Nachhaltigkeitsprojekt anzuwenden („Wir tun etwas“). Aufgrund dieser Erfahrungen und Ergebnisse wurde ein Handbuch erstellt, in das die Module, Arbeitshilfen für den Mediator, praktischen Hinweise und Anweisungen für die Einbettung der Runden Tische ins Unternehmen, Materialien für Informationsmappen und Präsentationsfolien eingegangen sind (Majer, H., Bauer, J., Lison, U., Weinmüller, K., Kooperative Lösungen mit Runden Tischen. Ein Handbuch. unw, Ulm, 1999). Das Handbuch kann jederzeit in Unternehmen eingesetzt und über den unw bezogen werden. Der vorliegende Band ergänzt das Handbuch in mehrerer Hinsicht. Erstens steht ganz und gar die Beschreibung und Begründung von Nachhaltigkeitsprojekten im Mittelpunkt; dabei geht es auch um nachhaltige Innovationen. Zweitens wird in einer Analyse gezeigt, welche Möglichkeiten bestehen, Nachhaltigkeitsprojekte durchzuführen. Kurz kann man es so sagen: Das vorliegende Büchlein ist die wissenschaftliche Ergänzung und Begründung des Handbuchs. Die einzelnen Kapitel des vorliegenden Buches wurden verantwortlich von den folgenden Autoren verfasst: Kapitel I: Helge Majer. Kapitel II: Uli Lison (und Helge Majer). Kapitel III: Joa Bauer und Kai Weinmüller (und Helge Majer). Kapitel IV, V und VI: Helge Majer. Ich habe mit einer weiteren Überarbeitung des gesamten Textes versucht, ein Produkt „aus einem Guss“ herzustellen. Die freimütigen Formulierungen im III. Kapitel habe ich nicht „diplomatisch geglättet“; schließlich vertreten wir im Zielbündel der Nachhaltigkeit nachdrücklich die „kulturelle Vielfalt“. 8

Das o.g. Projekt wurde gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, vom Umweltund Verkehrsministerium Baden-Württemberg, von fünf Ulmer Firmen und vom unw. Herzlicher Dank an Frau Verena Exner von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Herrn MinR Stefan Gloger vom Umwelt- und Verkehrsministerium Baden-Württemberg (UVM) für die engagierte Unterstützung. Ganz besonderer Dank geht an die Firmenchefs Herrn Axel Ebner, Herrn Dr. Axel Groha, Herrn Horst Mayer, Herrn Hermann Scheuffele, und Herrn Dr. Heinz Werner Utz für ihre persönliche und finanzielle Unterstützung des Projekts sowie an ihre engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der unw Forschungsgruppe zusammen 18 Runde Tische und zahlreiche Vorbesprechungen „durchgestanden“ haben. Wertvolle Unterstützung für die technische Fertigstellung dieses Bandes erhielten wir von Jörg Broschek und Matthias von Herrmann in altbewährter Zuverlässigkeit und Präzision. Herzlichen Dank.

Ulm, im März 2003

Helge Majer

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Kurzfassung Nachhaltigkeitsprojekte Verbundprojekte und Nachhaltigkeitsprojekte sind ein neues Phänomen in der unternehmerischen Praxis. Sie sind komplex und liegen in der Organisation der Firmen quer; Nachhaltigkeitsprojekte sind in den Dimensionen Sache, Zeit und Raum abgebildet. Dennoch werden sie meist so behandelt, als seien sie einfach strukturiert, als könnten sie von einzelnen Sachbearbeitern in den zuständigen Abteilungen bearbeitet werden, und dies vornehmlich mit technischen Mitteln. Dabei können Nachhaltigkeitsprojekte nur gelöst werden, wenn sachkundige Personen in den Firmen auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen „Zuständigkeiten“ kooperieren. Die Bearbeitung der Nachhaltigkeitsprojekte sollte selbstreflexiv sein und den gemeinsam erarbeiteten Nachhaltigkeitsbegriff (gruppen-spezifische Bedeutungszuweisung von Nachhaltigkeit) jeweils begleitend in das Projekt einbringen. Als Mittel hierfür wird vorgeschlagen, sog. mediations-basierte Runde Tische durchzuführen und einen erweiterten Innovationsbegriff (Nachhaltigkeitsinnovationen) ins Zentrum zustellen. Nachhaltigkeitsinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen oder nachhaltige Innovationen sind die Lösungen komplexer (bereichsübergreifender) Probleme in Nachhaltigkeitsprojekten. Sie setzen Innovationen in Technik, Verhalten und Institutionen (tvi-Innovationen) für die Problemlösung ein unter der Zielsetzung, gleichzeitig Wirtschaftlichkeit, Umwelt-, Sozial-, International- und Kulturverträglichkeit (WUSIK) zu erreichen. Im Zentrum von nachhaltigen Innovationen steht die Interaktion der Akteure (siehe auch unten). Einbettung Die Nachhaltigkeitsprojekte sind eingebettet. Das bedeutet, dass diese Projekte in den Zusammenhang des Unternehmens, der Unternehmensziele, der Unternehmenskultur, der Wertschöpfungskette, der Anspruchsgruppen (stake-holder), der regionalen Akteure in Gesellschaft und Politik, in Netzwerke, etc. eingefügt werden. Sektorale Nachhaltigkeitslücken Unternehmensbezogene Nachhaltigkeitslücken sind der Versuch, den komplexen Begriff Nachhaltigkeit mit seinem ökologischen Schwerpunkt zu operationalisieren. Die unternehmensbezogene Nachhaltigkeitslücke für CO2 ist zum Beispiel definiert als die Differenz zwischen gemessenem Ist-Wert und angestrebtem Nachhaltigkeits- oder Soll-Wert, wobei eine Determinantenstruktur den Transformationszusammenhang beschreibt. Nachhaltigkeitslücken geben daher die ökologische Nachhaltigkeit an. Das wesentliche Problem liegt in der Bestimmung von Nachhaltigkeitswerten. Die Nachhaltigkeitswerte lassen sich global (CO2), firmenspezifisch (vor allem Rohstoffe und Energie) und projektbezogen (Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte) angeben. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen setzt für CO2 ein Minderungsziel von 80% bis zum Jahr 2030 an; das sind im Durchschnitt 2,7% p.a. Die Firmen müssen Strategien entwickeln, wie diese jährlichen Minderungsziele erreicht werden können. Das vorliegende Buch präsentiert hierzu detaillierte Ergebnisse. Nachhaltigkeitslücken zu berechnen ist aber kein originäres Ziel des vorliegenden Buches; sie sollen aber illustrieren, dass Nachhaltigkeitsprojekte auch gemessen werden können.

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Mediations-basierte Runde Tische Mediations-basierte Runde Tische sollten nicht mit zeittötenden und unverbindlichen „Meetings“ verwechselt werden. Mediations-basierte Runde Tische sollen als eine Art von Lernzentren aufgefasst werden, die sich partizipativer Kooperation bedienen. Diese versuchen, die Kreativitätspotenziale der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu aktivieren. Hierfür sind mehrere Voraussetzungen nötig. Zwei wichtige sind Zeit und Toleranz. Der Mediator muss alles daran setzen, dass die Teilnehmer sich in den Diskussionsablauf über ein eindeutig definiertes Themenfeld einbringen mit Vorschlägen, Abwägungen, Kritik etc. Andererseits muss die Eigenverantwortung der Teilnehmer, muss ihr „Tempo“ und Stil genügend Freiraum erhalten. Die Teilnehmer müssen spüren, dass sie den Diskussionsverlauf und die Ergebnisse bestimmen. Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Runden Tisch kann anhand der Vollständigkeit erfolgen (Wertschöpfungskette). Eine Kerngruppe von 3-4 Personen sammelt Themen für den Runden Tisch und lädt Kollegen und Kolleginnen, ausgewählt nach Problem und Vollständigkeit, zu einer festen Serie von Veranstaltungen ein. Zwischen den Runden Tischen sind Vorgespräche entscheidend für die vertrauensvolle Atmosphäre sowie den inhaltlichen Erfolg der Veranstaltungen (Planungssicherheit). Der Erfolg der weiteren Runden Tische hängt in hohem Maße vom betrieblichen Umfeld, insbesondere den bestehenden Organisations- und Kommunikationsstrukturen ab. Runde Tische haben mit zahlreichen Fallstricken zu kämpfen. Diese werden in einem eigenen Abschnitt ausführlich beschrieben. Der Mediator Der Mediator muss von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Runden Tischs ausdrücklich bestätigt werden. Wichtig ist Unabhängigkeit in verschiedenen Dimensionen (fachlich, personell, sozial, finanziell, etc.). Der Mediator braucht die Unterstützung von einem oder mehreren unabhängigen Beobachtern, die ihm mit geeigneten Hilfen und Hinweisen aus seiner „Verstrickung“ in der Gruppe heraushelfen. Für den Mediator besteht das Problem, die Teilnehmer aus ihrer Reserve zu locken und zu Verbesserungsvorschlägen zu animieren, obgleich diese aufgrund von bestehenden Hierarchien, gemachten Erfahrungen, mangelnder Eloquenz und sprachlicher Unsicherheit im Zweifel lieber „in Deckung“ bleiben. Sehr günstig hat sich für die Arbeit des Mediators ausgewirkt, dass dieselben Themen in fünf verschiedenen Firmen behandelt wurden. Dadurch hat sich eine gewisse Ergebnissicherheit ergeben, die die Menge der möglichen Diskussionspfade reduziert hat. Es zeigte sich, dass die entwickelten Module nach zwei bis drei Runden Tischen sich als recht robust erwiesen. Dies zeigte auch die Auswertung der Videoaufnahmen nach dem von Fietkau vorgeschlagenen Verfahren. Bewertung von Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekten Lösungen können an Runden Tischen erst erarbeitet werden, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gelernt haben, Nachhaltigkeitsprojekte zu bewerten. Nachhaltigkeitsprojekte sind mit den (Ober-) Kriterien Ökologie, Ökonomie und Soziales bewertet worden. Die Inhalte dieser Oberkriterien müssen von den Teilnehmern gemeinsam erarbeitet und detailliert beschrieben werden, damit sie an den Runden Tischen als Bewertungsgrundlage dienen können (Bedeutungszuweisungen der Teilnehmer). 11

Der erweitere Innovationsbegriff und das Anreizsystem Häufig stellt man fest, dass technisch sehr aufwendige und von Ingenieuren mit großer Kreativität entwickelte technische Neuerungen in der Umsetzung scheitern, weil bei der Einführung dieser neuen Techniken die Verhaltensweisen (der „Umsetzer“ und Nutzer) und organisatorischen Voraussetzungen nicht beachtet wurden. Innovation muss als eine Ganzheit gesehen werden von Neuerungen in Technik, Verhalten und Organisation (Institution), die gleichzeitig entwickelt wird. Die technische Innovation wird also ins Verhältnis gesetzt zu neuen Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeiter (verhaltensbezogene Innovationen) und zu neuen organisatorischen Bedingungen (institutionelle Innovationen) im Unternehmen. Diese Erweiterung des Innovationsbegriffs ist der erste Schritt zu „nachhaltigen Innovationen“. Eine nachhaltige Innovation ist demnach der ganzheitliche Lösungsansatz eines Problems, den mehrere Akteure mit einem Bündel von Maßnahmen gemeinsam erarbeiteten. Das Verhalten der Belegschaftsmitglieder und die organisatorischen Neuerungen können mit Hilfe eines Anreizsystems skizziert werden. Wir gehen bei diesem Anreizsystem davon aus, dass das Verhalten der Belegschaftsmitglieder abhängt von Zielen, Regeln, Sanktionen und Information. Die Elemente des Anreizsystems können auch als Checkliste verwendet werden. Evaluation In einem ausführlichen Gespräch müssen Begriffe mit gemeinsamen Bedeutungszuweisungen erarbeitet werden, die mit den konkreten Erfahrungshorizonten der Teilnehmer ausgefüllt sind. Vertrauen und eine gesunde Streitkultur sind wichtige Voraussetzungen für den Erfolg eines Runden Tischs. Emotionalität lässt sich nicht künstlich erzeugen. Die Bedeutung von Bildern und Symbolen ist hoch. Die Vorstellung, dass Innovation immer etwas Technisches ist, kann nur schwer durchbrochen werden. Die Lücke zwischen Absicht und Handeln kann nicht allein durch Kognition geschlossen werden. Kognition und Emotion gemeinsam führen zu Handlungsbereitschaft, die aber zum endgültigen Handeln noch die Handicaps der Situation und der institutionellen Bedingungen zu überwinden hat (Elisabeth Kals). Eine selbstbestimmt und autonom gesteuerte Gruppe organisiert sich selbst und arbeitet hochmotiviert und kreativ. Fazit Mediations-basierte Runde Tische als eine Möglichkeit, betriebliche Umweltbildung theoriegeleitet zu implementieren und damit Nachhaltigkeitsprojekte zu bearbeiten: dies soll das vorliegende Buch zeigen. Damit ist es möglich, einen sehr abstrakten Begriff, nämlich (ökologische) Nachhaltigkeit, für die Zwecke des mittelständischen Unternehmens mit Hilfe der Konzeption der Nachhaltigkeitslücken messbar und operationalisierbar zu machen, und Mittel und Wege aufzuzeigen, wie diese Nachhaltigkeitslücken in Form von Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekten mit mediations-basierten Runden Tischen reduziert werden können. Eine wichtige Erkenntnis war, dass der Erfolg mediations-basierter Runder Tische sehr stark von der Persönlichkeit des Mediators und der Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abhängt. Das Buch ist damit ein Beitrag zur Wiederentdeckung der unersetzlichen Produktivität der Mitarbeiter für die Unternehmen. Der unw sorgt mit seiner Infrastruktur bei seinen Mitgliedsfirmen und darüber hinaus, für die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse: die Verbreitung des Handbuchs, dieses Büchleins und der Ergebnisse über die vielen Vorzüge von Kooperation, die Betreuung von mediationsbasierten Runden Tischen und die Verbesserung der Verfahren. 12

I.

Nachhaltigkeitsprojekte

1.

Fragen

In den letzten 100 Jahren haben wir eine dramatische Differenzierung und Zerschneidung aller Prozesse, Projekte und Kompetenzen erlebt. Mit den Lösungen dieser Tatbestände sind Spezialisten befasst, die in fast grenzenloser Detailliebe ihr oft winziges Spezialgebiet bearbeiten.1 Mit dieser Methode wurden große Rationalisierungsfortschritte erzielt, das steht außer Frage; Henry Fords Revolution der Fertigung (Fordismus) wirkt heute noch nach. Aber diese Methode stößt eindeutig an Grenzen. Manches lässt sich nicht zerschneiden, bei anderem gewinnen wir Effizienz, indem wir zusammenführen.2 In neuerer Zeit können wir eine Klasse von Projekten in den Unternehmen erkennen, mit deren Lösung sich viele sehr schwer tun. Nennen wir sie „Verbundprojekte“. Diese Projekte haben die rigorose Differenzierung und Zerschneidung aller Projekte im Unternehmen unbeschadet überstanden, denn sie lassen sich nicht differenzieren und zerschneiden. Anders die Spezialisten, die zur Lösung dieser Verbundprojekte bereit stehen: sie kommen als Einzelkämpfer mit der Lösung nicht zurecht oder sie spitzen ihre engen Lösungen auf enge Ziele zu. Dies wird zunehmend als unbefriedigend empfunden. Wir können uns fragen: •

Was versteht man unter Verbundprojekten, was ist das Besondere daran? Welcher Unterschied besteht zwischen Verbund- und Nachhaltigkeitsprojekten? Hier geht es um die Kriterien oder Elemente von Verbund- und Nachhaltigkeitsprojekten. Wie sind Nachhaltigkeitsprojekte eingebettet in breitere Zusammenhänge? Wie sehen die Lösungsstrategien für diese Projekte aus? Die Antwort kann lauten: Nachhaltigkeitsinnovationen. Da dies eine neue Art von Projektlösung darstellt, müssen wir nach den Elementen von Nachhaltigkeitsinnovationen fragen. Nachhaltigkeitsinnovation setzt die Kooperationswilligkeit und -fähigkeit von Menschen voraus. Wir müssen uns also mit Kooperation beschäftigen. In der praktischen Kooperationsarbeit werden allgemeine Erfahrungen und Hypothesen verdichtet und konkretisiert. Wie dies geschehen kann, beantwortet der vorletzte Abschnitt dieses Kapitels.

• • • •

2.

Elemente

2.1

Verbundprojekte

In einer ersten Annäherung können Verbundprojekte als bereichsübergreifende Projekte definiert werden. Diese Art von Projekten entspringt der Komplexität moderner Produktion, Produkte und Dienstleistungen. Produktion heißt nicht mehr die Organisierung von einfachen, linearen Abläufen, in denen die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und „Boden“ überschaubar kombiniert werden. Moderne 1

2

So wird dem international renommierten einer HNO-Klinik das Zitat zugeschrieben: „Auf meinem Gebiet weiß ich fast alles.“ Dabei handelt es sich wirklich um einen Bereich, der sich nur im Mikroskop darstellen lässt. Die Allianz Lebensversicherung hat früh erkannt, dass es viel produktiver ist, wenn ein Sachbearbeiter oder eine Sachbearbeiterin einen kompletten Versicherungsvertrag bearbeitet und betreut. Die Allianz hob die starke Aufspaltung der Zuständigkeiten von vielen Mitarbeitern für einzelne Vertragselemente sehr erfolgreich auf.

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Produktion bedeutet die vielfältige Vernetzung von einzelnen Prozessschritten, die von der Produktion in vor- und nachgelagerte Bereiche hineinreichen. Betrachtet man z.B. die Bereitstellung aller Teile aus dem Lager oder Just-In-Time-Vorgaben, die in einem LKW-Werk für die Endmontage von Dutzenden von Modellen punkt- und zeitgenau gegeben sein muss, dann erhält man eine grobe Vorstellung von der Komplexität der Abläufe. Auch wird die gesamte Wertschöpfungskette wichtig. Der vorgelagerte Bereich der Beschaffung etwa hat nicht nur Preis-, Mengen- und Qualitätsaspekte zu beachten, sondern er muss sich – global – auch mit Fragen der Umwelt- und Sozialverträglichkeit in den Lieferländern (Pestizideinsatz, Kinderarbeit) auseinandersetzen. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung muss sich mit den Folgen ihrer technischen und systemischen Lösungsvorschläge präventiv befassen. Nachgelagerte und begleitende Bereiche sind etwa Verkauf und Controlling. Der Verkauf verlangt die Beschreibung von Lösungen, die auch die Kundenbedürfnisse einschließen, das Controlling muss inzwischen ganzheitliche Kontroll- und Planungsunterlagen bereitstellen, wozu auch ökologische Buchhaltung gehört als auch die Erfassung von „weichen Faktoren“ (intangibles). Produktion bedeutet auch die Bereitstellung von Dienstleistungen. Hier geht es häufig um bereichsübergreifende Lösungen, in denen weiche und harte Faktoren vielschichtig kombiniert werden. Bei allen diesen Problemen geht es um die Lösung von Verbundprojekten: die bereichsübergreifende Koordination von Lösungswissen. Doch das Kriterium des „Bereichsübergreifenden“ genügt nicht mehr. Herkömmliche Verbundprojekte mutieren zu einer neuen Qualität, die die Zielebene und die Lösungsvielfalt mit einschließt. Diese Art von Projekten ist rigoros durch ganzheitliche Dimension gekennzeichnet. Ich nenne sie Nachhaltigkeitsprojekte. 2.2

Nachhaltigkeitsprojekte – erste Näherung

Was versteht man unter Nachhaltigkeitsprojekten? Ist dies alter Wein in neuen Schläuchen, Verbundprojekte in neuem Kleid? Oder haben wir es mit etwas wirklich Neuem zu tun? Verstehen wir Nachhaltigkeitsprojekte als ganzheitlich, dann sind sie wirklich neu in dem Sinne, dass sie •

die Ziele Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit, internationale Verträglichkeit und kulturelle Vielfalt gleichermaßen erfüllen sollen,

• • •

der langfristigen Existenzsicherung der Unternehmung dienen und daher eher mittel- und langfristig angelegt sind, kurz-, mittel- und langfristige Unternehmensziele integrieren, keinen sofortigen Geld-Nutzen zeigen,

• • •

von der Geschäftsleitung strategisch verantwortet werden, in ihrer Umsetzung alle relevanten Akteure und Bereiche im Unternehmen tangieren, die gesamte Wertschöpfungskette betreffen können,

• •

verlangen, das umfassende Wissen aus allen Unternehmensbereichen einzubringen, für ihre Lösung einen erweiterten Innovationsbegriff verlangen, der Technik, Verhalten und Organisation einschließt,



das Kreativitäts- (und Produktivitäts-)potenzial der Mitarbeiter aktivieren,

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die Unternehmenskultur und das Verhalten der Mitarbeiter als gestaltende Prinzipien einschließen, durch die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsprojekten die Unternehmenskultur wesentlich verbessern und die Produktivitätspotenziale der Mitarbeiter besser ausnützen, langfristig zum Abbau von Hierarchieebenen und zur Delegierung von mehr Eigenverantwortung an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen führt, engen Kontakt verlangen mit den Betroffenen, die Nachhaltigkeitsprojekte umsetzen und ausfüllen müssen.

• • •

Ein Weiteres kommt hinzu. Nachhaltigkeitsprojekte sind komplex und daher gekennzeichnet durch Unsicherheit, Prozesshaftigkeit und Verteilung. Unsicherheit bedeutet, dass keine Vorhersagen von konkreten zukünftigen Ereignissen möglich sind; Prozesshaftigkeit heißt, dass die Diagnose einzelner Prozessschritte abgelöst werden muss von einer steigen Begleitung von Prozessen; Verteilung verlangt die Auseinandersetzung mit Konflikten, die Lösung von Gerechtigkeitsfragen, etc. Alle drei Probleme lassen sich am besten lösen mit Hilfe intensiver Kooperation und Kommunikation. Jedoch auch bei den Lösungen selbst müssen neue Wege gegangen werden. Es genügt nicht, Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zu schaffen, und dann mit den alten (technischen) Mitteln zu arbeiten. Es müssen neue Handlungsmöglichkeiten gefunden werden, die über die technische Innovation hinausgehen. Nachhaltigkeitsprojekte müssen wesentlich auf Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet sein. Ich definiere diese Ziele mit der Zielfunktion WUSIK, der gleichzeitigen Verwirklichung von Wirtschaftlichkeit, Umwelt-, Sozial-, International- und Kulturverträglichkeit. Für diese Ziele müssen von den beteiligten Akteuren für das spezifische (eingebettete) Projekt Bedeutungszuweisungen erarbeitet werden, die im Lauf des Projekts erweitert und verfeinert werden. Wir haben es also mit einem kontinuierlichen Bewertungsprozess durch die Projektgruppe zu tun, die ihr eigenes Tun regelmäßig hinterfragt (Selbstreflexion). 2.3

Die WUSIK-Ziele

Die WUSIK-Ziele werden als ein Zielbündel aufgefasst, das die gleichzeitige Verwirklichung von • Wirtschaftlichkeit, • Umwelt-, • Sozial-, • International- und • Kulturverträglichkeit anstrebt. Da ich im Folgenden immer wieder mit diesem Zielbündel arbeiten werde, muss sie kurz begründet und erläutert werden (vgl. ausführlicher Majer, 1998a).3 Zur Begründung will ich zweierlei anführen. (1) Die Ziele W-U-S-I sind in den ersten energiewirtschaftlichen Studien (z.B. Meyer-Abich/Scheffold) als entscheidende energiewirtschaftliche Ziele genannt worden. Sie geben die Diskussion in den 1980er Jahren nach Tschernobyl wieder und haben große Akzeptanz erfahren. (2) W-U-S-I ist die Formulierung der „Drei-Säulen-Theorie“ nachhaltiger Entwicklung, ergänzt um die internationale Komponente. Die Drei-Säulen-Theorie besagt, dass eine Balance gefunden werden muss zwischen den Systemen Ökologie (Umwelt), Ökonomie (Wirtschaft) und Sozialem (Gesellschaft). 3

Musikliebhaber können das W auf den Kopf stellen und als Mehrwert interpretieren. So kommt Musik in das Nachhaltigkeits-Zielbündel WUSIK hinein.

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Die WUSIK-Ziele sollen gleichzeitig verwirklicht werden. WUSIK wird als ein sog. langfristiges magisches Fünfeck bezeichnet: es bedarf angeblich eines Magiers, um alle Ziele gleichzeitig zu erfüllen. Man geht davon aus, dass echte oder unechte Zielkonflikte vorliegen. Es wird z.B. immer wieder gesagt, dass kurzfristig ein echter Konflikt bestehe zwischen Wirtschaftlichkeit (W) und Umweltverträglichkeit (U), weil U nur über kostenintensive Investitionen hergestellt werden könne. Kurzfristige Kostensteigerung wird dann als Unwirtschaftlichkeit interpretiert. Mittel- und langfristig löst sich dieser Zielkonflikt in der Regel auf. Denken wir an eine Investition zur Einsparung von Energie: kurzfristig sind Kredite oder liquide Mittel zur Finanzierung einer neuen energiesparenden Anlage nötig (z.B. ein benzinsparender PKW oder ein Blockheizkraftwerk), mittel- und langfristig sparen wir Treibstoff oder andere Energieträger. Der Zielkonflikt ist aufgelöst. Ich gehe davon aus, dass selten ein echter Zielkonflikt existiert. Meist sind die angestrebten Zielwerte nicht maßvoll, falsche Maßnahmen werden von wenig kompetenten „PolitikTrägern“ mit unrealistischen Zeitvorstellungen unter ungeeigneten Rahmenbedingungen eingesetzt. Selten wird die Reaktion der Betroffenen oder Beteiligten ins Kalkül gezogen. Was bedeuten die Ziele im einzelnen? Mit Wirtschaftlichkeit ist die ökonomisch-technische Effizienz gemeint, die wir aus dem täglichen Wirtschaften kennen. Weiter: Maßnahmen sind umwelt-, sozial- und international verträglich, wenn sie die „Gesundheit“ oder Funktionsfähigkeit von Umwelt, nationaler und/oder internationaler Gesellschaft nicht beeinträchtigen. Wesentlich ist natürlich, wie Gesundheit oder Funktionsfähigkeit definiert werden. In vielen Fällen lässt sich ein Schaden oder eine Krankheit eindeutig feststellen, oft sogar messen: Der Einfluss von hohem Schadstoffgehalt in der Luft auf Bronchialerkrankungen, der Einfluss einer Verletzung der Verfassung durch Korruption und Verbrechen, der Einfluss von massiven Waffenlieferungen in Krisengebiete. In allen drei Fällen sind die Umwelt oder die Gesellschaft oder die internationalen Beziehungen nicht gesund. In manchen Fällen sind die Einflüsse aber nicht eindeutig und die Beurteilung des „Krankheitszustandes“ hängt von Bewertungen ab, die raum-, zeit- und personengebunden sind. Z.B. wird ein Industriearbeiter im Jahre 1903 in Irland eine andere Beurteilung über Umweltbelastung, gesellschaftliche Zustände und internationale Beziehungen abgeben als ein Bankmanager, der im Jahre 2003 in Zürich arbeitet. Die Frage, ob ein Zustand gut oder schlecht ist, lässt sich dann nicht allgemein beantworten. Dies dürfte insbesondere für die Ziele der sozialen und internationalen Verträglichkeit zutreffen, ebenso für die kulturelle Vielfalt. Kultur und kulturelle Vielfalt sind regional und sektoral geprägt. Wir beobachten in unterschiedlichen Regionen, Unternehmen oder Branchen unterschiedliche Lebens-, Arbeits-, Umgangs- und Kommunikationsformen, die von spezifischen Werteinstellungen, informellen Regeln wie Sitten, Gebräuchen und Konventionen, und auch von historischen Erfahrungen (kollektives Gedächtnis aller vergangenen Erfahrungen) handeln. Bildung, Wissen und künstlerische Verwirklichung gehören ebenso dazu wie Traditionen, Konfliktaustragungsmechanismen und die Beziehungen zu Kooperation und Wettbewerb. Kultur ist somit der Nährboden menschlicher Aktivitäten. Verengte Kultur, Uniformierung und Einseitigkeit der Werthaltungen und Einstellungen fördern Fundamentalismus und führen zu fehlerhaften Entscheidungen. Sie behindern Lernprozesse, das Entstehen und Ausbreiten von Neuerungen und die flexible Anpassung an Veränderungen. Kulturelle Vielfalt wird daher als eine wichtige Voraussetzung für eine robuste und stabile Entwicklung angesehen. Da sich die Ergebnisse kultureller Vielfalt unmittelbarer Kontrolle und Steuerung weitgehend entziehen, weil sie selbstorganisatorischen und kreativen

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Prozessen entspringen, wird kulturelle Vielfalt nur in wenigen Unternehmen explizit angestrebt. 2.4

Nachhaltigkeit: Unternehmerische Vision und Verwirklichung

Es ist an der Zeit, dass wir uns näher mit Nachhaltigkeit beschäftigen, denn der Begriff ist schon oft gefallen. Nachhaltigkeit wird landläufig als eine Harmonisierung der Ziele Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit verstanden. Für ein Unternehmen heißt dies, wirtschaftliche Effizienz zu verbinden mit umweltverträglichem Wirtschaften und sozialer Verantwortung (A.D. Little, 1999). Diese Ziele betreffen die (1) Wirtschaftlichkeit und Technik, (2) die Nutzung der Umwelt und (3) den Umgang mit Menschen. Technik, Naturnutzung und Menschen werden aber auch als Produktionsfaktoren bezeichnet: Kapital, Boden und Arbeit. Verknüpft man also in dieser Weise die Ziele des Unternehmens mit den eingesetzten Produktionsfaktoren, dann lässt sich nachhaltiges Wirtschaften beschreiben als der Einsatz aller Produktionsfaktoren zur Erstellung von Produkten, die das oben genannte WUSIKZielbündel erfüllen. Um diesen ganzheitlichen Aspekt von Produzieren besser herauszuarbeiten, bietet es sich an, Produktion generell auf den Einsatz von „Kapital“ zurückzuführen (vgl. hierzu Majer, 2001b, S. 233ff.): Die Herstellung von Gütern, Prozessen und Dienstleistungen hängt vom eingesetzten Kapital ab. „Kapital“ hat in dieser Formulierung aber nur noch sehr entfernt etwas mit Maschinen zu tun. Man unterscheidet • • • •

Sachkapital (Kapital im herkömmlichen Sinn als Maschinen und Anlagen), Humankapital (Arbeitskräfte), Naturkapital (die Nutzung von Quellen -Rohstoffe, Energie und Fläche- und Senken Luft, Wasser und Boden- für die Aufnahme von gasförmigen, flüssigen und festen Abfällen) und Sozialkapital (Menge aller Beziehungen einzelner Akteure und deren Bedingungen).

Unternehmerische Nachhaltigkeit würde nach dieser Sichtweise bedeuten, alle Kapitalarten gleichzeitig für die „Produktion“ von Lösungen komplexer Probleme (Nachhaltigkeitsprojekte) einzusetzen. Wie wir später sehen werden, sind in diesen Lösungen natürlich auch die traditionellen Produkte, Prozesse und Dienstleistungen enthalten, aber die Lösung besteht aus mehr als aus diesen Elementen. Unternehmerische Nachhaltigkeit nach dieser Sichtweise ist aber erst seit wenigen Jahren in den Vordergrund getreten, nachdem man z.B. feststellte, dass die besten Unternehmen des Dow Jones Index („best performers“) diejenigen waren, die nachhaltiges Wirtschaften verfolgten. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde dagegen vor allem die erste o.g. Input-Komponente, das Sachkapital, in der Form von neuer Technik zielstrebig ausgeweitet, und die anderen Produktionsmittel traten weit in den Hintergrund. Mit dieser Entwicklung wurden Arbeitskräfte wegen ihrer tatsächlichen oder angeblichen Kosten- und Flexibilitätsprobleme massiv freigesetzt. Auch der missverstandene Begriff der „lean production“ trug dazu bei, dass Arbeitskräfte entlassen wurden. Man kann ohne Übertreibung von einer realkapital-dominierten Wirtschaft sprechen. Seit den 1970er Jahren tritt die Sorge um die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen in den Vordergrund. Die umweltpolitischen Maßnahmen mit starkem ordnungspolitischem Einschlag führen zu reaktiven Maßnahmen in den Unternehmen, um die Umweltbelastung zu verbessern. In den 1990er Jahren zeigt sich jedoch, dass viele Unternehmen auch die ökono17

mischen Vorteile einer pro-aktiven Umweltpolitik erkennen und danach handeln; heute kann sich kein bekanntes Unternehmen mehr einen Internetauftritt leisten, der keine glaubwürdige Dokumentation über Umweltaktivitäten oder Nachhaltigkeitsstrategien enthält. Somit gehören seit den 1990er Jahren Sach- und Naturkapital zu den selbstverständlichen Inputfaktoren in deutschen Unternehmen, verknüpft mit dem Ziel der Herstellung von wirtschaftlichen und umweltverträglichen Produkten, Produktionsprozessen und Dienstleistungen. Und wie steht es mit dem Human- und Sozialkapital, wie gehen die Unternehmen damit um? Hier erleben wir eine völlig widersprüchliche Situation. Einerseits lesen wir heute (2003) fast täglich von massiven Entlassungen und dem Abbau von Arbeitskräften. Andererseits: Verfolgt man die Kolumnen und neueren Bücher wichtiger Unternehmensberater sowie die Hinweise erfolgreicher Unternehmensführer, dann bahnt sich gerade die Wiederentdeckung dieser beiden Produktionsfaktoren an. Die Einsicht, dass der Aufbruch in eine Wissensgesellschaft nur mit hochqualifizierten und stark motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu leisten ist (Humankapital), die sich in einem stimulierenden und funktionierenden Umfeld von Beziehungssystemen und Lernkonstellationen finden (Sozialkapital), setzt sich immer mehr durch. Stichworte sind Unternehmenskultur, lernende Organisation, lernende Region, Stakeholder-Value, Supply-Chain-Management, Change-Management. Danach ist es unbestritten, dass eine ganzheitliche Strategie für ein Unternehmen die vorteilhafteste ist. Ganzheitliche Strategie unter Einsatz von allen Kapitalarten zur Herstellung von WUSIK-Produkten (Lösungen) bedeutet aber nachhaltiges Wirtschaften. Nach diesen Überlegungen bedeutet Nachhaltigkeit auf jeden Fall, den Blick zu weiten auf ganzheitliche Tatbestände. Denn Nachhaltigkeit ist eine ganzheitliche (holistische) Konzeption. Die vorgenannte Beschreibung von unternehmerischer Nachhaltigkeit mit den „drei Säulen“ Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit ist wohl weiter gefasst als dies für die Beschreibung von Produktion üblich ist. Aber sie ist keinesfalls holistisch oder ganzheitlich. Um dies darzustellen, müssen wir ein ganzheitliches Begriffssystem verwenden, in dem die obigen Begriffe als Spezialfälle auftauchen. Ich will im Folgenden einen ganzheitlichen Ansatz für Nachhaltigkeit skizzieren (Majer, 2001a). Ich unterscheide einen normativen und einen praktischen (positivistischen) Aspekt: •



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Der normative Aspekt betrifft die ethische Seite von Nachhaltigkeit: insbesondere Gerechtigkeit, und zwar interpersonale, interregionale und intertemporale.4 Hier geht es darum, verantwortlich zu handeln. Verantwortliches Handeln von Einzelnen oder Gruppen vermeidet Schädigungen anderer Menschen in anderen Regionen und anderen Zeiten (in der Zukunft).5 Der positivistische Aspekt geht davon aus, dass der „Zustand der Welt“ beschrieben werden kann mit den Dimensionen Zeit, Raum und Sache. Diese drei Elemente sollten ganzheitlich aufgefasst werden. Bei Zeit und Raum ist es eigentlich ganz selbstverständlich: bezüglich der Zeit soll das Kurzfristige eingebettet sein in das Mittelfristige, und dieses ins Langfristige. In Bezug auf den Raum soll das Lokale eingebettet sein in das Regionale, dieses ins Nationale, und jenes ins Supra-nationale und Globale. Schwieger wird es, was unter „Sache“ verstanden werden soll. „Sache“ ist die Beschreibung eines raum-zeitbezogenen Zustands. Hier finden wir Dinge vor (z.B. Ausrüstungen), Personen (z.B. Arbeiter), Ideen, Theorien und Wissen (z.B. verkörpert in Büchern, Menschen oder BildträWeitere Kategorien sind nach Marcus Vogt Personalität, Solidarität, Partizipation, Subsidiarität. Dieser Aspekt von Nachhaltigkeit lässt sich mit dem Kantschen Imperativ umschreiben: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kant, 1994, S. 421).

gern), Werte und Visionen (z.B. Zielsysteme). Wenn wir die „Sache“ strukturieren nach den Kriterien Akteure, Handlungsebenen, Handlungsbereiche, Innovationen, Lenkungssysteme, etc. dann gilt es, für diese Kriterien jeweils die Gesamtheit zu finden. Was bedeutet „Handlungsbereiche“? Für das Unternehmen, alle Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Natur) zu nutzen, für den privaten Haushalt Wirtschaftliches, Soziales und Naturnutzung unter einen Hut zu bekommen. Bei Innovationen bedeutet ganzheitliches Sehen und Handeln, sowohl die technischen Neuerungen und Verbesserungen, als auch die verhaltensbezogenen, als auch die organisatorischen ins Blickfeld zu nehmen. Bei den Lenkungssystemen sieht man nicht nur Märkte, sondern auch Netzwerke, Hierarchien, Verhandlungen, etc. Wir erkennen leicht, dass der ganzheitliche Ansatz von Nachhaltigkeit die oben referierten Sichtweisen einschließt: Die sog. „Drei-Säulen-Theorie“ greift die drei Dimensionen oder Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales (WUS) heraus und formuliert sie als Zielsetzungen. Mit der WUSIK-Zielformulierung haben wir internationale Gerechtigkeit und die kulturelle Dimension hinzugefügt. Welchen zusätzlichen Nutzen bringt dem Unternehmen die Einführung des holistischen Ansatzes der Nachhaltigkeit? Erstens werden die Dimensionen Zeit und Raum als wichtige Koordinaten betrachtet. Das ist entscheidend, denn welchen Realitätsgehalt hätte die Zeit- und Raum-Punkt-Betrachtung der drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales? Nachhaltigkeit kann nur in Zeit- und Raum-Zusammenhängen sinnvoll beschrieben werden. Dies zeigt ganz deutlich die Definition der Brundtland-Kommission, die bei nachhaltiger Entwicklung auf intergenerationale Gerechtigkeit für alle Menschen (in allen Regionen) auf diesem Planeten abstellt. Zweitens lässt sich „die Welt“ nur sehr rudimentär beschreiben mit drei oder vier Dimensionen. Auf jeden Fall müssen die Akteure und ihre Handlungsebenen sowie deren Aktivitätsfelder hinzutreten. Und: wie will man die Welt der Industrie oder der Unternehmen verstehen ohne Neuerungen und Lenkungssysteme? Ohne Frage sind diese Faktoren sehr wichtig, um ein Problem zu beschreiben und zu lösen. Ganzheitliche Betrachtung erscheint unerlässlich. Es könnte jedoch sein, dass wir mit der Ausweitung des Blickfelds beim Lösen von „BaumProblemen“ nur noch Wald, und keine Bäume mehr sehen. Mit Baum-Problemen meine ich die Bearbeitung und Lösung von klar beschriebenen Einzelproblemen wie Energieeinsparung, Einführung einer Lebenszyklusanalyse (LCA) oder Erschließung eines neuen Marktes. Die Gefahr, vor lauter Wald keine Bäume mehr zu sehen ist wirklich gegeben, wenn die Zielsetzungen des zu lösenden Problems nicht klar fokussiert sind. Dies sollte man aber bei jeder Zielformulierung vermeiden. Andererseits wird es immer vorteilhaft sein, bei Problemlösungen über ein möglichst weites Lösungsfeld verfügen zu können. Selten gibt es eine einzige Lösung. Ist man jedoch wegen der engen Blickrichtung nur auf eine Lösung fixiert, die aber nicht infrage kommt, dann könnte eine Ausweitung Teil der Lösung sein. 2.5

Nachhaltigkeitsprojekte – zweite Annäherung

Dem holistischen Charakter des Nachhaltigkeitskonzepts entspricht eher der in der folgenden Abbildung 1 dargestellte Ansatz.

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Nachhaltigkeitsprojekte Nachhaltigkeit Ganzheitlichkeit

Zeit

Projekte Ziel Angestrebter Wissensstand

Raum

Sache

Unsicherheit Planungsintensität Zeit Kosten Ertrag Gewinn

Abbildung 1: Nachhaltigkeitsprojekte Halten wir dies als Zwischenergebnis fest: Nachhaltigkeit wird holistisch beschrieben in den Dimensionen Zeit, Raum und Sache. Die Strukturierung von Projekten erfolgt mit den aufgeführten Kriterien.

3.

Einbettung von Nachhaltigkeitsprojekten

Nachhaltigkeitsprojekte sind mit Raum, Zeit und Sache beschrieben. Wählt man eine Darstellung wie die Abbildung 2, dann kann man auch sagen, dass sie damit umfassend und dynamisch eingebettet sind (Majer, 2002a). Die Komplexität des Problems, das es zu lösen gilt, wird dabei unmittelbar deutlich: Wir haben es nicht nur mit den Dimensionen Zeit und Raum zu tun, sondern die Sache selbst tritt noch hinzu, und zwar als multidimensionaler Faktor (siehe S. 18 unten). Dennoch: Holistische Lösungen anzustreben bedeutet nicht, die Welt in einem Wurf zu verändern und alle ihre Probleme gleichzeitig lösen zu wollen. Der holistische Lösungsansatz bedeutet vielmehr, den Kern des Problems ins Auge zu fassen und dabei aber die umgebenden Einflüsse nicht aus dem Blick zu verlieren. Dies gelingt durch Selbstreflexion. Selbstreflexion heißt, (vorläufige) Lösungen systematisch zu hinterfragen und zu verbessern. Ist die Lösung scheinbar gefunden, dann sollte dies der Start für holistisches Fragen sein.

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Raum

Akteure

Lenkungsarten

Dimensionen

Sache

Handlungsebenen Handlungsbereiche

Neuerungen Institutionen

Zeit Abbildung 2: Nachhaltigkeit ist holistisch und dynamisch eingebettet Nachhaltigkeit ist mit Abbildung 3 definiert: Ganzheitlichkeit in Zeit, Raum und Sache. Was den Raum und die Zeit betrifft, so ist die holistische Sichtweise als Einbettung leicht zu verstehen, weil die Systematisierungskriterien von Raum und Zeit eindeutig sind: der kleinere Raum ist den größeren eingebettet, der kurzfristige Zeithorizont in den längerfristigen. Schwerer zu verstehen ist die Ganzheitlichkeit in der Sache. Unter „Sache“ verstehe ich, mit welchen Unterscheidungen oder Kriterien wir unsere konkrete „Welt“ beschreiben. Solche Kriterien habe ich in der Abbildung 4 zusammengestellt, und zwar in ihrer allgemeinen, als auch in ihrer unternehmensbezogenen Bedeutung. Wir können davon ausgehen, dass ein allgemeiner Satz von Kriterien existiert, mit dem die Zustände der Welt beschrieben werden können: • Personen, • Dinge (technische Artefakte), • Theorien (als Definitionen und Erklärungen, Hypothesen), • Systeme als Beschreibungen von Kategorien.

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Nachhaltigkeit Ganzheitlichkeit

Zeit

Kurz-, mittel- langfristig

Raum

Lokal, regional, national, global

Sache

Alle Akteure alle Handlungsebenen alle Handlungsbereiche im Unternehmen, horizontal, vertikal zwischen Unternehmen (Wertschöpfungskette) alle Dimensionen (Ökonomie, Ökologie, Soziales, Kultur) alle Arten von Neuerungen Technik Verhalten Institutionen (Organisation) alle Lenkungsarten

Abbildung 3: Holistische Nachhaltigkeit Personen bezeichne ich als Akteure; technische Neuerungen sind Artefakte oder Dinge. Alle anderen aufgeführten Begriffe oder Kriterien zur Beschreibung der Welt sind den Theorien oder Systemen zuzuordnen: Handlungsebenen und -bereiche, wissenschaftliche Betrachtungsweisen (Disziplinen), Neuerungshandeln, etc. Bei vielen Fragestellungen wird man auf spezifische Kriterien zurückgreifen müssen, die sich aus dem Kausalzusammenhang des betrachteten Gebiets ergeben. Greifen wir die Frage der „Beschäftigung“ heraus. Auch hier gibt es Akteure, Handlungsebenen, etc. Wenn wir aber fragen, wie Beschäftigung holistisch betrachtet werden soll, dann müssen wir auf spezifische Unterscheidungsmerkmale zurückgreifen wie z.B. Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, Bürgerarbeit. Die Frage lautet immer, welche Gesamtheit von Verknüpfungen in einer umfassenden Betrachtung vorliegt. Die Geschichte von den sieben blinden Mäusen, die einen Elefanten erkunden, zeigt dies sehr schön (Young, 1995). Außer der weißen Maus erkunden und interpretieren alle anderen Mäuse nur einen Teil des Elefanten. Eine Maus nimmt sich z.B. den Rüssel vor und interpretiert ihn als große dicke Schlange, die andere die Ohren, die sie als Fächer deutet und eine dritte den Schwanz, der angeblich ein Seil ist. Nur die weiße Maus nimmt die Mühe auf sich, den gesamten Elefanten zu „begehen“ und sie stellt fest, dass das Ganze ein Elefant ist. Für solche Fälle genügt es manchmal, nur ein paar Schritte zurückzutreten, um das Ganze in den Blick zu bekommen. Ganzheitliche Sicht muss man üben; dafür war für uns wenig Gelegenheit. Wir haben in den vergangenen 150 Jahren auf die zunehmend komplexere Welt mit Differenzierung reagiert (Majer, 2002a). Diese funktionale Differenzierung bedeutet, dass Fachbereiche oder Experten mit engen „Zuständigkeiten“ ausgebildet werden, die ein sehr tiefes Fachwissen aufweisen. Wir erkennen diese Differenzierung im alltäglichen Leben beim Arztbesuch oder bei der 22

Konsultierung eines Rechtsanwalts. Im Unternehmen spiegelt sich die funktionale Differenzierung wider in der tiefen Organisationsstruktur. Sogar im Vorstand oder in der Geschäftsführung sind diese Zuständigkeiten berücksichtigt. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit solcher partiellen Organisationsprinzipien ist, dass die verwendeten „Abschneidekriterien“ für die Zuständigkeit nichts Wesentliches abschneiden. Dies kann häufig nicht angenommen werden, wie die Hinwendung der Betriebswirtschaftslehre zur sog. Schnittstellenanalyse zeigt.

Sache Theorie

Praxis

Alle Akteure

Repräsentative Akteure

alle Handlungsebenen

Geschäftsleitung, Abteilungsebene, Gruppenebene

alle Handlungsbereiche im Unternehmen, horizontal, vertikal zwischen Unternehmen (Wertschöpfungskette) alle Dimensionen (Ökonomie, Ökologie, Soziales, Kultur) alle Arten von Neuerungen Technik Verhalten Institutionen (Organisation) alle Lenkungsarten Markt Hierarchie Netzwerke Kultur Verhandlungen Wahlen etc.

nach Organisationsstruktur (z.B. Matrixorganisation) FuE, Beschaffung, Produktion, Vertrieb Zielsystem des Unternehmens

technische Lösungen verhaltensbezogene Lösungen organisatorische Lösungen

pekuniäre Sanktionen im Anreizsystem Oktroi (Verwaltungsvollzug) Arbeitsgruppen, Gruppenarbeit Berufsgruppen (z.B. die Ingenieure) Selbstorganisatorische Elemente

Abbildung 4: Ganzheitlichkeit in der Sache – Theorie und Praxis Mit diesen Informationen über Raum, Zeit und Sache versehen können wir uns nochmals der Abbildung 2 zuwenden, die die Einbettung von Nachhaltigkeitsprojekten beschreiben soll. Ich hatte dort auf das Problem der Mehrdimensionalität in der Sachkategorie hingewiesen; das will ich nun mit einem Beispiel erläutern. Ohne Frage sind die Akteure am wichtigsten und wir werden in Bezug auf die „Sache“ immer wieder auf die Akteure zurückkommen müssen. Angenommen, es geht darum, Lösungen für ein hinreichend beschriebenes Problem zu finden. Diese Lösungen sind in der Regel neu und wir können sie „Innovationen“ nennen. Wie 23

unten (von unten gelesen) dargestellt, erfordert das Ganzheitlichkeitskriterium, dass wir nicht nur technische Innovationen betrachten, sondern auch verhaltensbezogene und institutionellorganisatorische. Wir gehen also in der Abbildung nicht nur auf dem Pfeil nach oben, sondern auch in die begriffliche Breite. Dieses führt auf dem nächsten Pfeil weiter zu der Frage, welchen Organisationseinheiten die (innovierenden) Akteure zugeordnet sind, und zwar innerhalb des Unternehmens auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette. Auch hier erfahren wir wieder durch die Forderung nach Ganzheitlichkeit eine Verbreiterung. Daran schließt sich die Frage der Handlungsebene an, sind die Akteure im Top-Management einzubeziehen, oder treffen andere Ebenen zu? Zu allem tritt noch hinzu, dass diese Aktivitäten „irgendwie“ in das Zielsystem des Unternehmens eingefügt sein sollten. Zielsystem des Unternehmens

Repräsentative Akteure Akteur 1 < > Akteur2

Geschäftsleitung, Abteilungsebene, Gruppenebene

nach Organisationsstruktur (z.B. Matrixorganisation) FuE, Beschaffung, Produktion, Vertrieb

technische Innovationen, verhaltensbezogene Innovationen, organisatorische Innovationen

Problemstellung

Was will ich damit sagen? Wir beginnen in einer Problem- oder Fragestellung mit dem Lösungsansatz der Innovationen. Dabei denken wir vielleicht zunächst nur an technische Innovationen, gelangen dann aber (in einer horizontalen Ausweitung) zu drei verschiedenen Kategorien. Dies führt dann (vertikal) zu einer neuen Problemstellung, der organisatorischen. Auch hier erfahren wir wieder die horizontale Ausweitung. Und so weiter. Der erreichte Komplexitätsgrad beschreibt Verbund- oder Nachhaltigkeitsprojekte mit ihrem eigenen Lösungsweg der Nachhaltigkeitsinnovationen.

24

4.

Nachhaltigkeitsinnovationen

Eine Erweiterung des Innovationsbegriffes wird nötig, wenn man die Erfolgswahrscheinlichkeiten der Durchsetzung von technischen Innovationen betrachtet: Häufig stellt man fest, dass technisch sehr aufwendige und von Ingenieuren mit großer Kreativität entwickelte technische Neuerungen in der Umsetzung scheitern, weil bei der Einführung dieser neuen Technik die Verhaltensweisen der Beteiligten und die organisatorischen Voraussetzungen nicht beachtet wurden. Innovation muss als eine Ganzheit gesehen werden von Neuerungen in Technik, Verhalten und Organisation (Institution), die gleichzeitig entwickelt werden. Die technische Innovation (t) wird also ins Verhältnis gesetzt zu neuen oder wesentlich verbesserten Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeiter (verhaltensbezogene Innovationen, v) und zu neuen oder wesentlich verbesserten organisatorischen Bedingungen (institutionelle Innovationen, i) im Unternehmen.6 Wir können dies tvi-Innovationen nennen. Diese Öffnung des Blickwinkels ist die erste Bedingung für eine nachhaltige Innovation. Die zweite Bedingung ist, dass ein Spektrum von Zielen, das der Nachhaltigkeit zugeschrieben wird, gleichzeitig verwirklicht wird. Wenden wir hierfür die sog. Säulentheorie der Nachhaltigkeit an, dann könnten dies die Ziele Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, internationale Verträglichkeit und kulturelle Vielfalt sein. Ich nenne sie WUSIKZiele.

Mittel/Ziele

Wirtschaftlichkeit

Umweltverträglichkeit

Sozialverträglichkeit

Internationale Verträglichkeit

Kulturelle Vielfalt

Technische Innovation

Verhaltensbezogene Innovation Institutionelle (organisatorische) Innovation Abbildung 5: Handlungsfeld für Nachhaltigkeitsinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen können dadurch gekennzeichnet werden, dass sowohl die Ziele als auch die Prozesse nachhaltig sind. Nachhaltigkeitsinnovationen können also durch eine Verknüpfung der WUSIK-Ziele und der tvi-Innovationen zur Lösung eines Problems definiert werden. Die Felder in der Abbildung 5 veranschaulichen die Transformation von der traditionellen technischen Innovation zur Nachhaltigkeitsinnovation. Dies will ich nun ausführlich beschreiben. Ausgangspunkt ist ein Problem, das gelöst werden muss. Ich greife ein ziemlich schwieriges Problem heraus, das sich aber als Beispiel zur Illustrierung nachhaltiger Innovati-

6

Dies bedeutet auch: Zurück zu Schumpeter. Siehe auch unten.

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onen gut eignet:7 Wie kann individuelle Mobilität mit Hilfe von Nachhaltigkeitsinnovationen erreicht werden? 1. Die traditionelle Lösung: Die traditionelle Lösung besteht darin, das Ziel Wirtschaftlichkeit mit Hilfe einer technischen Innovation zu erreichen. Das Feld tW beschreibt eine Lösung, die technisch-ökonomisch effizient ist und dem Innovator Gewinne bringt. Das individuelle Mobilitätsproblem wird mit der technischen Lösung durch einen PKW beantwortet. Die Wirtschaftlichkeit ist gewährleistet durch die Illusion niedriger Kosten (Kosten sind ausschließlich Treibstoffkosten).8 2. Die traditionelle WUS-Lösung: Umweltzerstörung sowie Unfalltote und -verletzte führen zu Forderungen von Kunden, Politikern, etc., geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Zum Ziel der Wirtschaftlichkeit treten die Ziele Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Wie werden die Maßnahmen aussehen? Die schnellste, profitabelste und bequemste Lösung (für die Autobauer, die Autofahrer und den Staat) ist die technische Innovation: Sicherheitsgurte, Airbags, Bremssystem. Treibstoffsparende Motoren, Katalysator, etc. In der Abbildung 5 bewegen wir uns in der Zeile der t-Innovation von links nach rechts. 3. Die traditionelle WUSI-Lösung: Entstehen durch die Individual-Motorisierung Probleme in den internationalen Beziehungen zwischen Völkern oder Staaten (Zugang zu Öl- oder Gasfeldern, Staus auf Autobahnen durch „Brummis“, Tankerunglücke), dann können wir „auf der Technikschiene“ weiter nach rechts gehen: Neue Antriebsarten für PKW, Verkehrsleitsysteme, Entwicklung von „sicheren“ Tankschiffen. 4. Die Zwei-Ebenen-Lösung: Die technischen Lösungen verursachen unbeabsichtigte Schäden:9 Weiteres material- und energieintensives Wachstum, Hinwendung zu höheren Autoklassen, hoher Energieverbrauch durch falsche Fahrweisen, Kostensteigerungen. Es müssen Lösungen auf anderen Lösungs-Ebenen gefunden werden. Es bietet sich an, das Verhalten der beteiligten Akteure (Autofahrer, Autobauer, Akteure im politischadministrativen System) zu beeinflussen. Wir beziehen die nächste Ebene der Innovationen in das Lösungsfeld ein: v-Innovationen. Die Wirtschaftlichkeit wird verbessert durch den Kauf von Fahrzeugen mit besserem Preis-Leistungsverhältnis, durch treibstoffsparendes Fahren, durch einen Mobilitäts-Mix mit verschiedenen Verkehrsträgern,10 Angebot von integrierten Verbundsystemen (z.B. smartmove travel), etc. Diese Verhaltensänderungen wirken auch positiv auf die Umweltverträglichkeit und die internationale Verträglichkeit. Die Sozialverträglichkeit lässt sich verbessern durch Einhalten von Richtgeschwindigkeiten (weniger Unfälle), Anlegen von Gurten, Plazieren von Kindern und Jugendlichen auf den Rücksitzen, etc. Die kulturelle Vielfalt wird verbessert durch neue Verhaltensweisen im Straßenverkehr. 5. Die Drei-Ebenen-Lösung – Nachhaltigkeitsinnovationen I: Neue Verhaltensweisen (vInnovationen) lassen sich oft nur mit neuen (staatlichen) Regulierungen (Reformen von Gesetzen oder Verordnungen) einführen oder unterstützen. Wir gelangen zur dritten Ebene der Handlungsfelder, zu den i-Innovationen. Durch die Einführung neuer formaler Regeln wird die Wirtschaftlichkeit verbessert, weil z.B. Fördermittel für regenerative Energien für längere Perioden gewährt werden. Bessere Umwelt- und Sozialverträglichkeit kann mit einer Ökologisch-sozialen Steuerreform erreicht werden. Die Internationale Verträglichkeit kann sich verbessern durch internationale Verträge oder Abkommen (Ky7

8

9

10

26

Ich will mit diesem Beispiel nicht eine umfassende Lösung der Mobilitätsprobleme entwickeln, sondern das Beispiel soll meine Überlegungen anschaulich machen. Kostenillusion heißt, dass keine gefühlten Kosten entstehen, weil sie per Bankeinzug abgegolten (Versicherung) oder gedanklich verdrängt (Unfall, Wiederbeschaffung) werden. Ulrich Beck spricht von unintendierten Nebenfolgen technischer Entwicklung, wobei hier vor allem großtechnische Systeme (z.B. der Energieerzeugung) gemeint sind. Modal Split: Gehen, Fahrrad, Bus, Bahn, Auto, Flugzeug.

oto), und die kulturelle Vielfalt wird unterstützt durch Maßnahmen einer Verkehrspolitik, die faire Wettbewerbsbedingungen für alle Verkehrsträger schafft. 6. Die Drei-Ebenen-Lösung – Nachhaltigkeitsinnovationen II: Die Einführung von neuen formalen Regeln muss ergänzt werden durch informelle. Informelle Regeln sind ungeschriebene Verhaltenscodes. Hier geht es darum, auf welche Sitten, Gebräuche und Verhaltensmuster sich die Akteure eines Kulturkreises (Region oder Unternehmen oder Branche) geeinigt haben. Z.B. „am Verkehrsfluss orientierte“ Geschwindigkeitsüberschreitung in der Innenstadt, Mitfahrergemeinschaft, „Einfädeln“. Das Handlungsfeld der Abbildung 5 wird vollständig ausgefüllt. Falls das Problem komplex und bereichsübergreifend ist, führen rein technische Lösungskomponenten wahrscheinlich nicht zu einem befriedigenden Lösungsbündel. Wir beobachten dann, dass Nachbesserungen aller Art, Reklamationen, Ärger mit Kunden, Lieferanten und anderen Anspruchsgruppen, vielleicht sogar juristische Auseinandersetzungen auftreten. Ist das gesamte Handlungsfeld der Abbildung 5 abgedeckt, dann gehe ich davon aus, dass die Nachhaltigkeitsziele mit dem Zielbündel WUSIK erreicht wurden durch den Einsatz nachhaltiger Instrumente, nämlich tvi-Innovationen. Ist dies eine hinreichende Bedingung? 1. Manche Zielen lassen sich durch rein technische Lösungen nicht erreichen, z.B. soziale oder kulturelle. 2. Die einzelnen Ziele lassen sich umso besser erreichen, je mehr Innovationsebenen eingesetzt werden. Z.B. wird die Wirtschaftlichkeit eines PKW gesteigert durch ein Energiesparauto mit ebensolcher Fahrweise. 3. Technische Innovationen setzen sich besser durch, wenn sie durch Veränderungen im Verhalten und in den Regeln begleitet werden. 4. Die Lösungen sind tragfähig, d.h. sie werden von allen Akteuren auf allen Handlungsebenen akzeptiert, weil sie gemeinsam und partizipativ erarbeitet wurden. Eine wesentliche Bedingung hierfür ist Kooperation (und Kommunikation). 5. Dieses Kriterium der Tragfähigkeit erfüllt die Forderung der Langfristigkeit und der Gerechtigkeit. Gerecht sind die Lösungen, wenn sie kooperativ erarbeitet wurden, und wenn die Nutzer in die Lösungssuche eingebunden wurden. Diese Punkte zeigen, dass Nachhaltigkeitsinnovationen durch zwei Bedingungen gekennzeichnet werden können: (1) Abdeckung des Handlungsfeldes WUSIK-Ziele und tviInnovationen. (2) Die Akteure (stake-holder) müssen kooperieren. Nachhaltigkeitsinnovationen liegen also vor, wenn durch interagierende Akteure mit einem Handlungsfeld WUSIK/tvi eine Problemlösung erarbeitet wird. Im Mittelpunkt meiner Beschreibung von Nachhaltigkeitsinnovationen stehen also Problemlösungen, während die traditionelle Innovation auf neue oder wesentlich verbesserte Produkte, Produktionsverfahren, Dienstleistungen etc. zielt. Problemlösungen können natürlich auch Produkte und Produktionsprozesse enthalten, aber sie gehen, wie die Abbildung 5 zeigt, weit darüber hinaus. Dies bedeutet: Nachhaltigkeitsinnovationen sind Lösungen von Nachhaltigkeitsprojekten. Diese Überlegungen eröffnen eine vollständig neue Perspektive. Steht bei den traditionellen Beschreibungen von Innovation ein Produkt im Mittelpunkt, so steht bei der Nachhaltigkeitsinnovation die Problemlösung von Nachhaltigkeitsprojekten im Mittelpunkt. Da Nachhaltigkeitsprojekte durch das Zusammenwirken von Menschen „gelöst“ werden, kann man auch sagen: Bei Nachhaltigkeitsprojekten stehen Menschen im Mittelpunkt, die miteinander agie-

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ren. Nachhaltigkeitsinnovationen entstehen durch die Interaktion von Menschen. Darauf will ich noch näher eingehen. Mit der Interaktion von Menschen (z.B. in Netzwerken) entstehen Lernprozesse. Wie können solche Lernprozesse mit dem Begriff der Innovation verknüpft werden (Majer/Dobes, 2003)? Führen Lernprozesse zu technischen Innovationen? Mit Sicherheit gibt es hier einen Zusammenhang, aber dieser ist bestimmt nicht direkt. Die Ergebnisse von Lernprozessen führen (auch) zu neuen Ideen und Verhaltensweisen. Die Sicht von Innovationen als technische Artefakte würde also zu Blockierungen führen. Eine gute Möglichkeit, die Verbindung zwischen Lernen und Innovieren zu beschreiben, ist der Bezug auf Joseph Schumpeter. Schumpeter definiert Innovation als „the doing of new things or doing of things that are already being done in a new way“ (Schumpeter 1947:151). Ulrich Witt hat diese Definition aufgenommen, indem er Innovationen als alle neuen und wesentlich verbesserten Handlungsmöglichkeiten beschreibt. Ich interpretiere dies als Handlungsmöglichkeiten in Technik, Verhalten und Institutionen (Organisationen) (Majer, 1998a). Nun führen natürlich nicht alle Lernprozesse zu neuen und wesentlich verbesserten Handlungen, geschweige denn zu solchen, die nachhaltig sind. Dies geht aus dem folgenden Schema hervor:

Ergebnisse von Lernprozessen Alte (bekannte) Handlungsweisen

Neue Handlungsweisen = Innovationen Nicht nachhaltig

Nachhaltig (erfüllen die Kriterien wirtschaftlich, umwelt-, sozialverträglich, kulturell vielfältig)

Ein Zwischenfazit lautet dann: Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen von Unternehmen (auch entlang der Wertschöpfungskette) und mit unterschiedlichen Kompetenzen treffen sich an Runden Tischen oder in Netzwerken, um Nachhaltigkeitsprojekte zu bearbeiten. Dabei treten Lernprozesse auf. Die Ergebnisse dieser Lernprozesse bestehen in alten und in neuen Handlungsweisen. Die neuen Handlungsweisen können wir mit Schumpeter und Witt als Innovationen (i.W.S) bezeichnen. Sie sind nachhaltig, wenn sie die Kriterien der Nachhaltigkeitsinnovationen erfüllen: Nachhaltigkeitsinnovationen liegen vor, wenn durch interagierende Akteure mit einem Handlungsfeld WUSIK/tvi eine Problemlösung erarbeitet wird.

5.

Lösungswege

Welche Wege stehen für die Lösung bereichsübergreifender und komplexer Probleme zur Verfügung? Wir können nahtlos an die Überlegungen im letzten Abschnitt über Nachhaltigkeitsinnovationen anknüpfen. Es besteht große Erfahrung in den Firmen, wie man an technische Neuerungen herankommen kann. Auch mit den organisatorischen Begleitmaßnahmen kann man in den Firmen in der Regel gut umgehen. Ein großes Defizit besteht aber darin, wie das Verhalten der Umsetzer und der von der Neuerung Betroffenen beeinflusst werden kann.

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Das Verhalten der Belegschaftsmitglieder und die organisatorischen Neuerungen können mit Hilfe eines Anreizsystems erläutert werden. Die folgende Abbildung 6 zeigt, wie neue Lösungen von Nachhaltigkeitsprojekten an Runden Tischen kooperativ erarbeitet werden können. Im Zentrum stehen die tvi-Innovationen, die als Mittel betrachtet werden, wie sich unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Kompetenzen an einem Runden Tisch zusammenfinden, um ein komplexes bereichsübergreifendes Problem zu lösen. Die Abbildung 6 unterscheidet Bestandsaufnahme und Optimierung. Sie weist außerdem darauf hin, dass hinter den am Runden Tisch versammelten Akteure weitere Akteure oder Runde Tische mit den entsprechenden Kompetenzen, Interessen, Werthaltungen, Erwartungen etc. stehen. Der erste Schritt auf dem Lösungsweg besteht in einer Bestandsaufnahme: Welche Lösungsansätze liegen für das Nachhaltigkeitsprojekt vor? In der Regel bittet man einen Ingenieur oder Techniker zum Vortrag. Der Referent hält i.d.R. seine fertige technische „Lösung“ parat; der Runde Tisch erscheint überflüssig. Daher sollten die Teilnehmer an den Runden Tischen zu fragen beginnen: • • • • •

Können die Techniker (Entwickler) Laien eine technische Neuerung erklären? Können die Techniker den Nutzen und die Bedienungsfreundlichkeit der neuen Technik aufzeigen? Wird die neue Technik von den Betroffenen (Nutzern) akzeptiert? Sehen diese ein, dass die Einführung sinnvoll ist? Welche Vorstellungen (und Ängste, z.B. vor Arbeitslosigkeit, persönlicher Überforderung) löst die neue Technik bei den Nutzern aus? Welche neuen Handlungsmöglichkeiten liegen bei den Technikern und Nutzern vor, um die Einführung und Ausbreitung der Technik in der Firma zu unterstützen? Welche organisatorischen Neuerungen macht die neue Technik notwendig?

Bestandsaufnahme

Umsetzungsweg für Nachhaltigkeitsprojekte Institutionen

Optimierung Institutionen Verhalten

Verhalten Technik Technik

Abbildung 6: Umsetzungswege für Nachhaltigkeitsprojekte

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Es wird rasch deutlich werden, dass der Technik-Experte bei den meisten dieser Fragen unbefriedigende Antworten gibt, insbesondere dann, wenn es sich um eine komplexe Technik handelt, die viele Bereiche im Unternehmen tangiert. Es ist unerlässlich, die Bestandsaufnahme auf Verhalten und Organisation auszudehnen und Fachleute zum Vortrag zu bringen, die über Menschenführung, Personal, Unternehmenskultur etc. Bescheid wissen und solche, die über organisatorische Lösungsmöglichkeiten berichten können. Da an den Runden Tischen Vertreter und Vertreterinnen der einzelnen Unternehmensbereiche teilnehmen, kann durch den Dialog zwischen den Teilnehmern der Runden Tische und den eingeladenen Experten das Problemfeld des Nachhaltigkeitsprojekts sinnvoll aufbereitet werden. Dabei ist es wichtig, nochmals darauf hinzuweisen, dass auch die Interessen und die „Herkunft“ (Unternehmensbereich) der Teilnehmer des Runden Tischs beachtet werden muss. Dies ist in der Abbildung 6 angedeutet mit Kreisen, zu denen die Teilnehmer gehören, und dies sind häufig auch „Kulturen“, Prestigefaktoren, Abhängigkeiten und Vorurteile. Häufig stockt der Lernprozess am Runden Tisch, weil die Anwesenden nicht unabhängig sind in ihren Überlegungen und Entscheidungen und schon während des Prozesses mentale Rückfragen an ihre und Rücksprachen mit ihren Anspruchsgruppen haben.

6.

Konkretisiertes Anreizsystem und Checkliste für Nachhaltigkeitsprojekte

Nun gehen wir auf eine weitere Ebene der Konkretisierung: Wie können die Elemente des (angepassten) neuen Verhaltens und der neuen Organisation für die Teilnehmer am Runden Tisch aufgeschlossen werden? Die Antwort auf diese Frage muss darauf eingehen, wovon das Verhalten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Runden Tisch abhängt. Sehr hilfreich wäre es, wenn diese Erklärung des Verhaltens in eine Art Checkliste führen könnte, um eine größere Praxisnähe zu erreichen. Das folgende Anreizsystem kann diese Zielsetzungen erfüllen (Majer, 2001b). Wir gehen bei diesem Anreizsystem davon aus, dass das Verhalten der Belegschaftsmitglieder abhängt von Zielen, Regeln, Sanktionen und Information. Mit der Beschreibung der Ziele ist natürlich auch etwas über das Menschenbild ausgesagt, das wir bei unseren Überlegungen unterstellen. Egoistische Menschen lassen sich charakterisieren durch kurzfristige Ziele und Nutzenmaximierung, verantwortungsbewusste Menschen richten sich auch an der Gemeinschaft und an längerfristigen Zielen aus. Regeln bestimmen wesentlich das Verhalten. Formale Regeln sind geschrieben oder kodifiziert, und sie wirken sehr stark auf das Verhalten. Denken wir an Gesetze oder Verordnungen, die Verfassung eines Unternehmens nach Aktienrecht oder Verträge und Eigentumsrechte. Auch wenn eine Abweichung des Verhaltens oder eine Vermeidung von Handlungen nicht ausgeschlossen werden kann, immer unterliegen die formalen Regeln einem Satz von Sanktionen, die eintreten, wenn die Regeln nicht befolgt werden. Z.B. gibt es im Betriebsverfassungsgesetz Vorschriften über die Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern bei Entscheidungen im Unternehmen. Werden diese Regeln verletzt und findet sich ein „Kläger“, dann greifen Sanktionen. Weniger beachtet werden die informellen oder nicht geschriebenen Regeln. Hier geht es um implizite oder explizite Übereinkünfte von mehreren Menschen über gewünschte, tolerierte oder verbotene Verhaltensweisen. Eine solche Regel könnte z.B. sein, dass in einer bestimmten Abteilung alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen grundsätzlich 5 Minuten zu spät kommen. Oder: Die Mitarbeiterinnen im 1. Stock eines Unternehmens kopieren grundsätzlich

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Teilsystem

Merkmale

Beispiele

Zielsystem

• Individuelle Ziele • Gemeinschaftliche Ziele • Kurz-, mittel- und langfristige Ziele

Regelsystem

• Formale Regeln • Informelle Regeln

• Nutzenmaximierung, Karriere • Verantwortung für nachfolgende Generationen • Liquidität, Auftragseingang, Existenzsicherung • Eigentumsrechte (Grundbucheintrag eines Gebäudes), Verträge, Gesetze und Verordnungen • Normen, Sitten, Gebräuche, Konventionen • Prämien, niedrige Preise für Konsumenten • Geldstrafen, niedrige Preise für Firmen • Belobigungen, Orden und Auszeichnungen • Rüge, Gefängnis • Steuern • Spende

Sanktionssystem • Geldbezogene „Belohnungen“ und „Bestrafungen“ • Nicht geldbezogene „Belohnungen“ und „Bestrafungen“

• Mit oder • Ohne Zwang Informationssystem

• Codes von Sendern und Empfängern müssen – bei freien „Leitungen“ – gleich sein

• Kürzelsprache von PC-Spezialisten

Tabelle 1: Anreizsystem einseitig auf weißem Papier. Hinweise auf Verhaltensänderungen aus Gründen der Produktivität oder des Umweltschutzes (chlorgebleichtes Papier) sind häufig wirkungslos, wenn man nicht die (sozialen) Sanktionen kennt, die das Verhalten bestimmen.11 Das Informationssystem liegt über den Zielen, Regeln und Sanktionen und gewährleistet die Verknüpfungen zwischen diesen Kategorien (z.B. Regel und Sanktion) als auch das Lernen über Veränderungen. Das Informationssystem ist entscheidend für diese Lernprozesse. Wie kann dieses Anreizsystem nutzbar gemacht werden? In traditioneller Betrachtung sind wir sehr stark ausgerichtet auf • • • •

11

kurzfristige und individuelle Zielsetzungen, formale Regeln (geschriebene Regeln wie Handbücher, Arbeitsplatzbeschreibungen, Verordnungen, Gesetze), geldbezogene Belohnungen und „Bestrafungen“ und gerichtete Informationsströme (eher Information als Anweisung von „oben“ nach „unten“).

In der Tabelle ist von Sanktionen, also Belohnungen und Bestrafungen die Rede. „Bestrafungen“ sollen nicht falsch verstanden werden. Es geht nicht um (martialische) Folterwerkzeuge, sondern um eine große Bandbreite von Maßnahmen, die von nonverbalen Hinweisen bis zur „gesellschaftlichen“ Missachtung führen können.

31

Bei Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekten geht es aber vor allem um • • • • •

die Verbindung von individuellen mit den gemeinschaftlichen Zielsetzungen, die Verbindung von kurzfristigen mit mittel- und langfristigen Zielsetzungen, die Kenntnis der informellen Regeln in einem Unternehmen (ungeschriebene Regeln wie Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten), die Kenntnis von Belohnungen und „Bestrafungen“, die nicht mit Geld verbunden sind (Anerkennung, Ehrungen, Verbesserung des Selbstbewusstseins), die Organisation von vielfältig verflochtenen Informationsströmen.

Dies sind fast dramatische Unterschiede in der Anwendung des Anreizsystems, und diese müssen sich unbedingt in der Unternehmenskultur niederschlagen, wenn eine Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften angestrebt wird. Am Runden Tisch ist diese Verankerung ebenfalls zu berücksichtigen: Die Kategorien und Faktoren des allgemein formulierten Anreizsystems müssen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Runden Tische verständlich aufbereitet werden und sie müssen nachvollziehbar sein. Am besten ist es natürlich, wenn die Kategorien des Anreizsystems von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern inhaltlich gefüllt werden. Ein möglicher Weg besteht darin, die SubSysteme des Anreizsystems mit Fragen aus dem Firmenalltag zu illustrieren. Die Tabelle 2 gibt die Fragen wieder, mit denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihre Firmen zurückgingen, um dort die Akzeptanz und das Verständnis für das Anreizsystem zu erkunden. Das Ergebnis bei den fünf betrachteten Firmen war sehr positiv. Ich bin mit den obigen Ausführungen von der Beschreibung der Elemente von Nachhaltigkeitsprojekten sofort zu den Lösungen gesprungen und haben stillschweigend vorausgesetzt, dass diese an Runden Tischen erarbeitet werden. Es muss nun nachgetragen werden, dass • • • • • •

die Runden Tische mediations-basiert sind, was im vierten Kapitel ausführlich erklärt wird, der „Lösungstisch“ als der dritte in einer Folge von drei Runden Tischen auftritt, vor den Runden Tischen mit Firmenvertretern intensive Vorgespräche mit den Geschäftsleitungen stattfinden, in denen die Interessen des Unternehmens, die Teilnehmer, die organisatorischen Voraussetzungen etc. geklärt werden, der erste Runde Tisch ausschließlich den Sinn von Nachhaltigkeit, insbesondere für die einzelnen Teilnehmer sowie für das Unternehmen, klären soll, der zweite Runde Tisch Nachhaltigkeitsprojekte für das Unternehmen auswählt und bewertet, dann erst im dritten Runden Tisch konkrete Lösungen erarbeitet werden.

In der folgenden Tabelle sind die Fragen zusammengestellt, die das Anreizsystem für die Akteure der Runden Tische verständlich und akzeptabel machen sollten.

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Sub-System des Anreizsystems

Fragen

1. Ziele, Motive, Interes- • sen und Einstellungen der Mitarbeiter • • • • 2. Welche geschriebenen Regeln bestehen für Umweltschutz ?



• • 3. Welche ungeschriebenen Regeln bestehen am Arbeitsplatz ?



4. Belohnungen und Be- • strafungen im Unternehmen: mit Geld verbunden • 5. Belohnungen und Bestrafungen im Unternehmen: nicht mit Geld verbunden





• •

Halten Sie Umweltschutzmaßnahmen in Ihrem Unternehmen oder an Ihrem Arbeitsplatz für sinnvoll ? Würden Sie sich als Umweltbeauftragter für Ihre Abteilung wählen lassen ? Würden Sie Umweltschutzmaßnahmen in Ihrer Abteilung unterstützen, die einen höheren Kosten- und Arbeitsaufwand verursachen, aber der Umwelt erhebliche Vorteile bringen ? Denken Sie manchmal darüber nach, ob Sie einen Arbeitsschritt so durchführen könnten, dass die Umwelt dadurch weniger beeinträchtigt wird ? Was empfinden Sie, wenn Sie einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz geleistet haben? Gibt es Vorschriften, Arbeitsplatzbeschreibungen, Handbücher oder ähnliches an Ihrem Arbeitsplatz oder anderer Stelle im Unternehmen (schwarzes Brett), wie Sie sich umweltgerecht Verhalten können ? Gibt es eine Anweisung bei der Neuanschaffung von Geräten oder Maschinen, die die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen? Gibt es bereits im Umweltprogramm Ihres Unternehmens feste Zielgrößen zur Verbesserung der Umweltsituation für einzelne Bereiche ? Gibt es Routinen oder Ähnliches („so macht man das bei uns im Betrieb“) für Ihren Arbeitsplatz oder fürs Unternehmen, wie Sie sich umweltgerecht verhalten können ? (z B. ist es an Ihrem Arbeitsplatz üblich, nicht genutzte(s) Geräte oder Licht abzuschalten ?) Wie werden Sie an Ihrem Arbeitsplatz oder im Unternehmen mit Geld belohnt (Prämien, Gehaltserhöhung, Urlaubsreise, etc.), wenn Sie etwas Positives für die Umwelt getan haben ? Wie werden Sie zur Rechenschaft gezogen (Geldstrafe, etc.), wenn Sie die Umwelt schädigen ? Wie werden Sie an Ihrem Arbeitsplatz oder im Unternehmen ohne Geld „belohnt“ (Anerkennung, Belobigung bei einer Betriebsfeier, etc.), wenn Sie etwas Positives für die Umwelt getan haben? Würden Sie sich an einem Umweltschutzwettbewerb beteiligen, wenn die „Besten“ - einen Geldpreis erhielten ja/nein - öffentlich belobigt würden ja/nein - gar nichts bekommen würde ja/nein ? Über welche Art von Würdigung würden Sie sich am meisten freuen? Wie werden Sie bestraft, wenn Sie die Umwelt schädigen?

6. Informationssystem Tabelle 2: Konkretisierung des Anreizsystems 33

Es zeigte sich, dass insbesondere bei den Runden Tischen, die sich mit konkreten Lösungen beschäftigten, die Elemente des Anreizsystems als eine Art Checkliste verwendet werden konnten, um Aufschluss über Hemmnisse von Umsetzungsmaßnahmen zu erhalten.

7.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Moderne Produktionsprozesse und die Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen sind originär komplex. Sie können als Verbundprojekte bezeichnet werden, weil sie bereichsübergreifend Lösungen anstreben. Definiert man Verbundprojekte rigoros nach Gesichtspunkten von Ganzheitlichkeit, dann gelangt man zu einer Dimension von Projekten, die ich als Nachhaltigkeitsprojekte bezeichne. Nachhaltigkeitsprojekte werden in den Dimensionen Zeit, Raum und Sache beschrieben. Sie sind komplex, durch Unsicherheit gekennzeichnet und stellen Verteilungsprobleme in den Mittelpunkt. Wenden wir dies auf die Situation in Unternehmen an, dann zeigt sich, dass besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen, unter spezifischen Bedingungen, um Nachhaltigkeitsprojekte zu lösen. Entscheidend ist die ganzheitliche Betrachtung und Behandlung von Nachhaltigkeitsprojekten, Ganzheitlichkeit in Zeit, Raum und Sache. Wie können diese Nachhaltigkeitsprojekte gelöst werden? Die Lösung wird erarbeitet durch die Interaktion von Menschen aus verschiedenen Bereichen im Unternehmen und von Unternehmen (Wertschöpfungskette) und mit verschiedenen Kompetenzen für unterschiedliche Lösungsaspekte in Technik, Verhalten und Institutionen (Organisation). Das Lernen dieser Akteure führt zu bekannten und zu unbekannten, neuen oder wesentlich verbesserten Handlungsmöglichkeiten. Letztere bezeichne ich als tvi-Innovationen. Wenn diese neuen Handlungsmöglichkeiten, die eingebettet sind in Handlungsräume, Nachhaltigkeitsziele (WUSIK) erfüllen, und wenn sie von verschiedenen Akteuren kooperativ erarbeitet wurden, dann können wir sie als Nachhaltigkeitsinnovationen bezeichnen. Nachhaltigkeitsinnovationen entstehen aus der Interaktion von Menschen und sie sind die Lösungen von Nachhaltigkeitsprojekten. Interaktion stellt also eine notwendige Bedingung von Nachhaltigkeitsinnovationen dar. Hinreichende Bedingung ist der Bewertungsprozess mit den Nachhaltigkeitskriterien. Da beide Bedingungen wiederum durch (die Interaktion von) Menschen geleistet werden, kann die Interaktion als das stärkste Kennzeichen von Nachhaltigkeitsinnovationen angesehen werden. Lösungswege bestehen durch tvi-Innovationen, flankiert durch ein als Checkliste interpretiertes Anreizsystem. Es bleiben einige Schlussfolgerungen, die vor allem die Praxis im Unternehmen betreffen. Auch wenn man die vorstehenden Überlegungen als relevant und sinnvoll bezeichnet, so treten doch bei einer möglichen Einführung im Unternehmen Schwierigkeiten auf. Der Großteil dieser Schwierigkeiten hängt mit Einzelpersonen zusammen: • • • • 34

Der Manager könnte sagen, dass durch die Runden Tische Lösungskompetenz von seiner Person abgezogen wird. Der Controller könnte sagen, dass der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist in Bezug auf rasch messbare oder messbare Ergebnisse. Die Mitarbeiter könnten ihre Zeitknappheit und die Mühe der konstruktiven Auseinandersetzung, das Einarbeiten in neue Themenstellungen sowie das Exponieren der eigenen Vorstellungen als karrierehemmend ansehen. Die nicht unmittelbar beteiligten Mitarbeiter könnten Neid und Missgunst hegen.

Diese Liste lässt sich fortsetzen. Entscheidend zur Überwindung dieser Bedenken sind wahrscheinlich Transparenz und „shared vision“. Transparenz der Ziele, Aktivitäten, Ressourcenverbräuche und Ergebnisse der Runden Tische und angelagerter Faktoren stimuliert Lernprozesse, die auf andere Bereiche des Unternehmens ausstrahlen. Dies soll ausdrücklich beabsichtigt sein: Eine neue Unternehmenskultur soll entstehen, die zu Neuerungen führt, insbesondere zu einem neuen Umgang mit komplexen Problemen. Es wird dann auch deutlich, dass die nachhaltigen Lösungen in dem Sinne nachhaltig sind, dass sie im Unternehmen breite Akzeptanz finden und ein Minimum an Anpassungen und kostspieligen nachträglichen Reparaturen mit sich bringen. Hierzu trägt die „shared vision“, die gemeinsame Zielsetzung im Unternehmen ebenfalls bei. Nach meiner Erfahrung erleben wir durch eine gemeinsame Vision im Unternehmen einen Schub an Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, und je stärker die Erfahrungen an den Runden Tischen ins Unternehmen kommuniziert werden, desto effizienter wird das Unternehmen wirtschaften.

35

II.

Sektorale Nachhaltigkeitslücken

1.

Fragen

Es steht die Frage im Vordergrund, ob Nachhaltigkeit im Unternehmen gemessen werden kann. Fasst man Nachhaltigkeit als ganzheitlichen Begriff auf, dann muss dieses Ganzheitliche mit einem Begriffssystem beschrieben werden, und daraus müssen Indikatoren abgeleitet werden. Indikatoren sind Kennziffern, die einen zu messenden Tatbestand möglichst repräsentativ wiedergeben. Ohne Theorie oder Begriffssystem sind Indikatoren wenig aussagekräftig; sie stellen dann lediglich eine Ansammlung von mehr oder weniger unverbundenen Ziffern dar. Im vorliegenden Buch ordnen wir wohl die spezifischen Definitionen von Nachhaltigkeit in einen ganzheitlichen Ansatz ein, aber es gelingt nicht, daran auch ein ganzheitliches Messsystem anzuhängen. Hier verweisen wir auf Arbeiten der Sustainability-Group des Dow Jones u.ä. (SAM, SAFE-Konzept des Wuppertal Instituts). Man könnte jedoch wenigstens einen Teilaspekt von Nachhaltigkeit messen. Der wichtigste ist der ökologische. Dies kann gelingen mit dem Konzept der Nachhaltigkeitslücken, denn hier liegt der Schwerpunkt auf ökologischer Nachhaltigkeit. Ökologische Nachhaltigkeit und Umweltschutz unterscheiden sich allerdings maßgeblich. Bei Fragen des betrieblichen Umweltschutzes geht es um Soll-Ist-Vergleiche anhand von (meist) gesetzlichen oder sonstigen Standards. Bei Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit geht es um einen Soll-Ist-Vergleich von gemessenen Werten (Ist) mit Nachhaltigkeitszielen oder -werten. So wichtig theoretische und systematische Erörterungen sind, den Praktiker und die Praktikerin interessiert die Praxis. Dies ist nun das Besondere am vorliegenden Text: Die verschiedenen Möglichkeiten von Nachhaltigkeitslücken werden mit Zahlen aus der Praxis belegt. Die Zahlen sind mit einem Schlüssel anonymisiert, der die Datensicherheit der beteiligten Firmen gewährleistet; die Proportionen sind aber authentisch. Mit den empirischen Nachhaltigkeitslücken lässt sich die globale Ebene mit der Unternehmensebene verknüpfen. Die Ergebnisse von globalen Studien über Klimapolitik, die von Reduktionsszenarien von 80 - 90% ausgehen, verlieren ihren Schrecken und werden auf der Unternehmensebene handhabbar. Immerhin geht es um Anpassungszeiträume von 30-40 Jahren, die mit strategischen und operativen Maßnahmen ausgefüllt werden müssen.

2.

Die Konzeption von Nachhaltigkeitslücken

Die Konzeption der Nachhaltigkeitslücke ist der Versuch, den komplexen Begriff der Nachhaltigkeit operationalisierbar zu machen (Majer/Stahmer, 1996, Majer et al., 1996). Eine Nachhaltigkeitslücke im Unternehmen liegt vor, wenn bei einem Schad- oder Reststoff oder bei der Menge und Qualität eines Rohstoffs, einer Energieart oder einer Fläche der Nachhaltigkeitswert (Sollwert) unter dem gemessenen Istwert liegt. Das spezifische (dazu passende) Maßnahmenschema (Determinantenstruktur) zeigt auf, wie die Nachhaltigkeitslücke verkleinert werden kann. Da im Unternehmen zahlreiche Rest- und Schadstoffe anfallen, zahlreiche Rohstoffe und Energiearten verbraucht und Flächen genutzt werden, gibt es zahlreiche Nachhaltigkeitslücken (oder: ökologische Nachhaltigkeitsprojekte). 36

Abbildung 6: Determinantenstruktur Mit der Determinantenstruktur12 (Abbildung 6) liegt eine Systematik zur Beschreibung und Analyse der Nachhaltigkeitslücken auf Unternehmensebene vor. Den Ausgangspunkt bildet zunächst die Identifizierung der Systemgrenzen. Als Analyseobjekt wird das Unternehmen (Systemebene) gewählt, das über vielfältige Stoff- und Energieströme in ein ökonomischökologisches Umsystem eingebettet ist. Die Abgrenzung des Unternehmens als offenes System erfolgt anhand rechtlich bzw. organisatorischer Kriterien (Unternehmen, Geschäftsbereiche, Produktionsstandorte). Unter der Annahme gleichbleibender Stoff- und Energiebestände ist dabei die Summe der in einer Periode einfließenden Stoffströme (Input) gleich der Summe der ausfließenden (Output). In den Unternehmen findet somit eine Umwandlung (Transformation) der Inputströme statt. Da mit der Transformation die originären ökologischen Funkti12

Vgl. zum folgenden Lison, 2003

37

onen weitestgehend verloren gehen (z.B. Wasserverbrauch im Produktionsprozess) bzw. in verändertem Zustand an das ökologische Umsystem zurückgegeben werden (z.B. CO2Emissionen) soll in diesem Zusammenhang auch von Umweltverbräuchen gesprochen werden. Die inhaltliche Ausgestaltung des Transformationsprozesses und die damit verbundene Schöpfung eines Mehrwerts lässt sich als Wertschöpfungskette (bzw. Wertschöpfungsring) beschreiben. Trotz der mengenmäßigen Übereinstimmung der Input- und Outputströme müssen für eine umfassende Beurteilung der ökologischen Relevanz beide Seiten der Ökobilanz analysiert werden. Als Gründe sind zu nennen: • Der Transformationsprozess ist im allgemeinen komplex, unstrukturiert und nicht-linear, was zur Folge hat, dass dieser aus Unternehmenssicht als nicht transparent erscheint (Black-box). Insofern lassen sich Kausalitäten zwischen Input- und Outputgrößen nur begrenzt herstellen. • Durch den Transformationsprozess verändert sich die Qualität und Struktur und damit auch die ökologische Relevanz der Stoffströme. • Input- und Outputströme beziehen sich auf unterschiedliche ökologische Funktionen (Produktions- bzw. Trägerfunktion), die eine gesonderte Betrachtung erfordern. Als Konsequenz ergibt sich, dass Nachhaltigkeitslücken nur reduziert werden können, wenn Transparenz der umweltrelevanten Prozesse vorhanden ist. Dies kann – in Grenzen – durch ein Umwelt-Informations-System sichergestellt werden. Zudem sind Unternehmen der vorund nachgelagerten Wertschöpfungsbereiche in die Analyse mit einzubeziehen, da Minderungs- oder Substitutionsstrategien durch eine Reihe von Parametern beeinflusst werden, die außerhalb des Entscheidungsraumes des Unternehmens liegen. Aus der Determinantenstruktur ergeben sich verschiedene Stufen für Reduktionsstrategien, von denen beispielhaft drei genannt werden sollen: Stufe 1: Ist-Umweltverbrauch – Analyse des Ist-Umweltverbrauchs ohne Beeinflussung der übergeordneten Stufen (Produkte, Wertschöpfungsbereiche). • Substitutionsstrategie: Substitution von Inputfaktoren mit unterschiedlicher ökologischer Relevanz bei gleichbleibender Qualität (zum Beispiel Substitution von CO2-intensiven Energieträgern durch regenerative). • Effizienzsteigerung: Verbesserung der ökologischen Effizienz durch technische, verhaltensbezogene und institutionelle Innovationen ohne Veränderung des Transformationsprozesses (z.B. beidseitiges Kopieren, Aufklärung bezüglich Umgang mit Energie/Wasser, Abfalltrennung, Fahrtraining zur Senkung des Benzinverbrauchs etc.). Stufe 2: Produktbereiche – Analyse der Produktbereiche nach ökologischer Relevanz • Substitution von kritischen Einsatzstoffen (insb. toxische Stoffe). • Überprüfung des Produktsortiments durch das Unternehmen und mit den Kunden nach ökologischen Kriterien (z.B. Lebenszyklus-Analyse). • Überprüfung der Inputstoffe durch das Unternehmen und mit den Lieferanten. • Suche nach neuen Aufgabenfeldern (Beratung, Service). • Ökologisches Design (z.B. orientiert an Wertstofftrennung). • Berücksichtigung des ökologischen Lebenszyklusses bei Neuentwicklungen. 38

Stufe 3: Wertschöpfungsbereiche – Analyse der Produktionsstufen nach ökologischer Relevanz • Technische Innovationen zur Steigerung der ökologischen Effizienz im Transformationsprozess (z.B. neue Maschinen mit geringerem Umweltverbrauch). • Überprüfung des Produktionsablaufs (Organisation der Prozessschritte und der Produktionsplanung) unter ökologischen Kriterien (z.B. Reduzierung von Produktionsspitzen). • Verhaltensänderungen (Umgang mit den Materialien, Maschinen etc.). Ich werde diese Stufen beim dritten Runden Tisch wieder aufnehmen (Bewertungsebenen und Innovationsarten in Technik, Verhalten und Organisation). Die Bestimmung von Nachhaltigkeitslücken wird in folgende Schritte unterteilt: 1. Auswahl der Indikatoren, für die Nachhaltigkeitslücken berechnet werden sollen. 2. Datenerhebung der Istwerte: Die Daten zur Berechnung der Nachhaltigkeitslücken lassen sich zum Großteil direkt aus der Ökobilanz (Input-Output-Bilanz) ablesen. 3. Auswahl der Sollwerte (Nachhaltigkeitsziele): Als Sollwerte werden unternehmensbezogene (Ist-Ist-Vergleich), branchenbezogene Werte (Durchschnitt oder Benchmarking) und Minderungsziele aus dem politischnaturwissenschaftlichen Umfeld herangezogen, soweit diese verfügbar sind. 4. Soll-Ist-Vergleich. 5. Skizze des Maßnahmenschemas (Determinantenstruktur) und Ableitung von Lösungen für die Verkleinerung einer möglichen Lücke. Typisierung von Nachhaltigkeitslücken Die Untersuchung von Nachhaltigkeitslücken erfordert eine thematische Abgrenzung. Die gesellschaftlichen Nutzungsansprüche (Lebensstile und Wirtschaftsweisen) führen zu einer entsprechenden Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen. Diese beobachtbare Ist-Situation wird einer Soll-Situation gegenübergestellt, die die Erhaltung Funktionsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleistet. Aus der Gegenüberstellung ergeben sich umweltbezogene Nachhaltigkeitslücken. Die Konzeption wird ergänzt durch eine Determinantenstruktur, die Ansatzpunkte zur Reduzierung der Stoff- und Energieströme liefern soll. Um den Begriff der Nachhaltigkeitslücke operationalisierbar zu machen, muss eine Disaggregation vorgenommen werden – ein schwerwiegender Schritt, denn Nachhaltigkeit ist ein ganzheitliches Prinzip. Die Implikationen dieser Disaggregation für den ganzheitlichen Begriff der Nachhaltigkeit können gemildert werden, indem man die disaggregierte Einheit ins Zentrum der Betrachtung rückt, und davon ausgehend auch andere Aggregationseinheiten analysiert. Diese Disaggregation kann regional, sektoral, institutionell und sachlich begründet sein. Institutionell bedeutet hier organisationsbezogen, sachlich heißt z.B. an Quellen und Senken orientiert. Institutionelle und sachliche Begründungen lassen sich in die regionalen und sektoralen Elemente einordnen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Nachhaltigkeitslücken. Bei den Akteuren können wir unterscheiden zwischen Haushalten und Unternehmen. Diese lassen sich unterteilen in öffentliche und private. Bei den sektoralen Nachhaltigkeitslücken betrachten wir die privaten Unternehmen. Da diese im vorliegenden Fall mit den Projektun-

39

ternehmen in der Ulmer Region angesiedelt sind, werden im folgenden „Ökologische regionale unternehmensbezogene Nachhaltigkeitslücken“ untersucht.

Nachhaltigkeitslücke

Sachverhalte

Ökonomische Nachhaltigkeitslücke Regionale Nachhaltigkeitslücke

Ökologische Nachhaltigkeitslücke

Soziale Nachhaltigkeitslücke Sachverhalte Sektorale Nachhaltigkeitslücke

Abbildung 7: Allgemeine Systematisierung von Nachhaltigkeitslücken Spezifisch lassen sich Nachhaltigkeitslücken dann anhand folgender Differenzierungskriterien bestimmen: • Akteursebene (Industrie, private Haushalte, öffentliche Haushalte etc.) • Bezugsraum (lokal, regional, national, global) • Umweltnutzung: Quellen [Rohstoff, Energie, Fläche] und Senken [Luft, Boden, Wasser] Durch die Verknüpfung verschiedener Differenzierungskriterien lässt sich der letzte Punkt wie in Abbildung 8 auf der nächsten Seite untergliedern. Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitslücken und ökologischen Nachhaltigkeitsprojekten, denn daraus lassen sich spezifische Nachhaltigkeitsprojekte definieren, die für das Umweltmanagement und das EU-Öko-Audit von Bedeutung sind. Im Beispiel (schraffiertes Feld) könnte die Analyse des Bereichs Energie dazu führen, dass gezielt Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz oder zur Suche nach Möglichkeiten regenerativer Energiegewinnung initiiert werden. Mit der regionalen unternehmensbezogenen ökologischen Nachhaltigkeitslücke wird also zunächst eine Eingrenzung auf der Akteursebene vorgenommen, indem das einzelne Unternehmen (in der Region, am Standort) als Akteur im Mittelpunkt steht. Alle weiteren Kriterien sollen zur Systematisierung, nicht aber zur Limitierung des Konzepts beitragen. So soll mit dem Konzept der Nachhaltigkeitslücke eine möglichst umfassende Beurteilung der von den Unternehmen verursachten Stoff- und Energieströme mit medialer und gegebenenfalls räumlicher Differenzierung erfolgen.

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Natürliche Lebensgrundlagen Akteure

Quellen

Senken

Rohstoffe

Energie

Fläche

Luft

Boden

Wasser

RHB-Stoffe (Wasser, Holz, Vorprodukte)

Strom, Heizöl, Fernwärme etc.

Nach Nutzungsarten

Gasförmige Emissionen

Feste Schadstoffeinträge

Abwasser mit Inhaltsstoffen

Private Haushalte

Unternehmen

Weitere Akteure Abbildung 8: Spezifische Systematisierung von Nachhaltigkeitslücken

3.

Erhebungen

3.1

Das Messproblem

Das Messproblem besteht darin, dass systematische Restriktionen über die Information zu Umweltrisiken, und das sind Umweltwirkungen, vorliegen. Im Anschluss an Haberer (1996, S. 18) sind folgende Unterscheidungen möglich:

Umweltrisiken Entstehungsvielfalt Vielfalt von Stoffen bzw. vernetzte Stoffströme

Probleme bei Gefahrenindikation

Wirkungskomplexität

Nicht-lineares dynamisches Verhalten von Ökosystemen bei Stofftransmission

Vielfalt von Wirkungen (Mehrdimensionalität, Gesundheit von Mensch und Natur, Zukunftsbezug)

Bewertungs- und Aggregationsprobleme bei Risikobeurteilung

Informationsdefizite bei Risikoabschätzung

Messprobleme Abbildung 9: Umweltrisiken

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Für die Messung ist insbesondere das Latenzproblem wichtig; viele Umweltbelastungen und -prozesse sind nicht sichtbar. Bei der Bewertung spielen unterschiedliche Sichtweisen und Bewertungsvorstellungen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen (Naturwissenschaftler, Biologen, Wirtschaftswissenschaftler, Mediziner, etc.), von gesellschaftlichen und politischen Institutionen eine Rolle. Den „wahren“ Messwert für Nachhaltigkeit wird es wohl niemals geben. Wir gehen daher davon aus, dass möglichst alle relevanten Studien zu einem Umweltindikator gesammelt und aufbereitet werden (vgl. Majer et al., 1996), die dann in einem Diskurs unter den Verantwortlichen, Betroffenen und Experten evaluiert werden. Man kann sagen, dass damit Intervalle für den Soll-Wert „ausgehandelt“ werden. Wir vertreten also hier eine Konzeption, die objektive und subjektive Elemente gleichzeitig verwendet. Als objektiv bezeichnen wir die Studien über Grenzwerte, Belastungen, Wirkungen etc. aus Wissenschaft (auch Medizin), Gesellschaft und Politik, als subjektiv den diskursgetragenen Bewertungsprozess. Der erste Schritt zur Lösung des Messproblems besteht darin, die Ergebnisse der wichtigsten Studien über Nachhaltigkeitsziele und Reduktionspfade zusammenzustellen. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten: wir können von Absolutwerten oder von relativen Werten ausgehen. Beide hängen miteinander zusammen, wie zu zeigen sein wird. Bei den Absolutwerten wird z.B. nach der globalen Assimilationskapazität von CO2 durch die (globalen) Öko-Systeme gefragt. Hier besteht im Gegensatz zu anderen Umweltproblemen ein (überraschender) Konsens der meisten Wissenschaftler: Die Öko-Systeme können weltweit ca. 13,5 Mrd. t CO2 assimilieren. Das sind ca. 2,3 t pro Kopf der Weltbevölkerung. Der zweite Schritt besteht darin, die unterschiedlichen Ergebnisse zu bewerten. Diese Bewertung sollte in einem Diskurs zwischen den Betroffenen, den Umsetzern und geeigneten Experten stattfinden. In unternehmensbezogenen Diskursen sind die Betroffenen i.d.R. nicht „erreichbar“, soweit sie nicht dem Unternehmen selbst oder (in günstigen Fällen) seinen Stakeholdern angehören. In diesen Fällen ist es den Unternehmen möglich, Trittbrettfahrerstrategien zu überlegen und durchzusetzen. Der Diskurs mit allen Betroffenen ist offensichtlich ein unlösbares Problem, denn die Verschlechterungen der natürlichen Lebensgrundlagen betreffen Raum und Zeit; die Betroffenen leben in anderen Ländern und Kontinenten und (heute vielleicht noch ungeboren) in zukünftigen Zeiten. Daher wird auf der Basis von Repräsentationsüberlegungen immer wieder ein „Zukunftsrat“ oder ähnliches vorgeschlagen. Für den Fall der unternehmensbezogenen Nachhaltigkeitslücken gehen wir davon aus, dass sich im Diskurs des Unternehmens Verantwortliche finden, die sich der Folgen für die Betroffenen (einer Verschlechterung der natürlichen Lebensgrundlagen) annehmen, wie sich auch der „Arbeitsdirektor“ in mitbestimmten Firmen für die Belange der Beschäftigten einsetzt. 3.2

Das Verteilungsproblem

Das Verteilungsproblem muss durch Gewichtung gelöst werden. Das einfachste Gewichtungskonzept ist die Gleichverteilung. Weitere Konzepte sind: • • •

42

Verhandlung (Diskurs), Macht im Sinne von Verhandlungsmacht (z.B. während der Verhandlungen auf dem Klimagipfel in Kyoto), subjektive Faktoren, wie Verhandlungsgeschick, Vorhandensein von Vertrauen, Streitkultur, implizite (informelle) Verteilungsregeln,



objektive Faktoren, wie ökonomische Kenngrößen (Produktivitätsmaße, Kosten, Anzahl der Beschäftigten), Verteilungs„Nachlässe“ aus sozialen Gründen (Armut, Verlust von Würde), aus Vorleistungsgründen (Umweltmanagementsystem etc.) oder aus Gründen gesellschaftlich wertvoller Produktion (ökologischer Anbau etc.).



Wenden wir dieses Konzept auf den obigen Messwert einer globalen CO2Assimilationskapazität von ca. 13,5 Mrd. t an, dann sind dies bei Gleichverteilung pro Kopf der Weltbevölkerung (bei ca. 5,9 Mrd. Menschen13) 2,3 t. Dieser Wert ist aus der Studie „Sustainable Netherlands“ schon seit langem bekannt. Für Deutschland liegt der CO2-Verbrauch pro Kopf (Ist-Wert) heute bei ca. 11 t. Die CO2Nachhaltigkeitslücke beträgt in Deutschland demnach 9,3 t pro Kopf. Um die Nachhaltigkeitslücke auf Null zu bringen, ist eine Reduktion um 80% notwendig, wenn wir 11 t = 100% setzen. Das Reduktionsziel lautet also 80%. Dies ist der relative Nachhaltigkeitswert. Dieser Wert ist, wie gesagt, wissenschaftlich weitgehend unbestritten und wir können daher davon ausgehen. Die Modellrechnung nimmt Bezug auf ein Gerechtigkeitspostulat, nach dem jedem Weltbürger und jeder Weltbürgerin grundsätzlich das gleiche Recht an Umweltnutzung zusteht. Der Akteur „Weltbürger“ lässt sich so abgrenzen und beschreiben, dass ein modellhafter Vergleich zwischen verschiedenen Weltbürgern möglich ist. Diese Annahme der Verteilungsgerechtigkeit lässt sich auf Unternehmensebene nicht aufrecht erhalten. Während auf der einen Seite die Frage gerechtfertigt ist, ob das individuelle Konsumverhalten angesichts ökologischer Restriktionen auch auf die Weltbevölkerung übertragbar ist, versagt diese Sichtweise bei der Analyse des industriellen Sektors. Umweltverbrauch auf Unternehmensebene ist kein Selbstzweck, sondern er ergibt sich aus dem Transformationsprozess, mit dem ein ökonomischer Output für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geschaffen wird. Allerdings kann gefordert werden, dass der Transformationsprozess öko-effizient sei, also mit dem geringstmöglichen Umweltverbrauch auskommt. Anstelle der Verteilungsgerechtigkeit tritt also das Effizienzkriterium. Dies hat zur Folge, dass Umweltbudgets auf der Basis des obigen Abstraktionsniveaus für Unternehmen nicht aufgestellt werden können. Steht nun das Effizienzkriterium im Mittelpunkt, ist danach zu fragen, mit welchen Messgrößen Kausalitäten zwischen ökologischem Input und ökologisch-ökonomischem Output erfasst werden können. Zu diesem Zweck sollen Produktionsoutput und Wertschöpfung herangezogen werden. Damit wird nicht nur dokumentiert, wie sich die ökologische Effizienz des Unternehmens im Zeitablauf verändert, sondern darüber hinaus wird es auch möglich sein, ökologische Entwicklungen im ökonomischen Kontext zu beurteilen. 3.3

Der Reduktionszeitraum

Die entscheidende Frage lautet nun, welcher Zeitraum angesetzt werden soll, um dieses Reduktionsziel zu erreichen (Reduktionszeitraum). Bei dieser Umsetzungsfrage geht es um ein Optimierungsproblem, das ökonomischen und ökologischen Bewertungen unterliegt. Die Bewertung durch Ökonomen könnte (im Extrem) lauten, dass die CO2-Verursacher versuchen, den Anpassungszeitraum so lang wie möglich zu strecken. Hier wird angenommen, dass die CO2-Reduktion Kosten, Nachteile im Wettbewerb und Unbequemlichkeiten, insbesondere für die Unternehmen der Wirtschaft, verursacht (was aber nicht sein muss). Die von 13

Diese Zahl liegt heute (2002) über 6 Mrd.

43

Wissenschaftlern und vom Klimawandel Betroffenen vorgenommene ökologische Bewertung fragt, welche Folgen ein Hinausschieben der Reduktion auf die Öko-Systeme – und auf den Einzelnen – hat. Da die Folgen irreversibel sind, erübrigt sich eigentlich eine Diskussion über die Kostenabwägung (Grenzschadenskosten versus Grenzvermeidungskosten). Diese Diskussion lässt sich dennoch nicht vermeiden: Es liegen große Unsicherheiten über die konkreten Folgen vor, da die Vorhersagbarkeit der Folgen auf komplexen Klimamodellen beruht. Außerdem mag der einzelne sich eine Trittbrettfahrerstrategie überlegen.14

4.

Ergebnisse

4.1

Soll-Ist-Vergleich

Die Berechnung und Analyse der CO2-Nachhaltigkeitslücken ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Verbrauchs bzw. deren Veränderungen (Ist-Werte) in den Unternehmen mit den obigen Zielwerten (Soll-Werten). Dabei wurden folgende Annahmen getroffen: • Das Minderungsziel in Höhe von 80%, wie es vom Sachverständigenrat für Umweltfragen vorgegeben wird, bezieht sich auf den Referenzzeitpunkt 1990. Da in den Unternehmen Daten für 1990 nicht verfügbar sind, werden die Zielgrößen auf Basis der Jahreswerte für 1996 berechnet. • Die Nachhaltigkeitslücken werden auf der Grundlage von langfristigen Minderungszielen ermittelt, die mit den heutigen Verbrauchsniveaus verglichen werden. Reduktionserfolge in den vorherigen Perioden bleiben daher unberücksichtigt. • Die unterschiedlichen Berechnungen basieren auf einer Gleichverteilungsannahme. Jedes Unternehmen muss denselben Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen leisten. • Die abgeleiteten jährlichen Reduktionsziele ergeben sich aus der gleichmäßigen Verteilung des Nachhaltigkeitswertes für CO2 auf 34 Jahre (1996-2030). Neben der Analyse der Nachhaltigkeitslücke soll auch aufgezeigt werden, welchen Weg die Unternehmen in den nächsten Jahren gehen können, um die aufgeführten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu werden drei stark vereinfachte, komparativ-statische Szenarien aufgestellt: • Status-quo-Szenario (Konstanz aller Werte von 1996) • Szenario De-Materialisierung (Minderung der Produktionsmenge um 2% p.a.) • Szenario materielles Wachstum (Steigerung der Produktionsmenge um 2% p.a.)

14

44

Eine solche Strategie fährt z.B. die US-Regierung in Kyoto, die sich auf Prognosen einiger Wissenschaftler stützt, dass sich aus einer weltweiten Veränderung des Klimas für die USA ökonomisch relativ günstige Folgen ergeben. Die ölabhängige Wirtschaft hat dazu bis 2002 Pro-Trittbrettfahrer-TV-Spots geschaltet, die dazu führten, dass einige wesentliche Firmen ausstiegen.

Firma A Die Berechnung der CO2-Nachhaltigkeitslücke geht aus der nachstehenden Tabelle hervor: Kenngrößen / Indikatoren 1.

Emissionen

Zeitpunkt / -raum 1996

2.

Emissionen

1998

T

2.967

3.

Veränderung Emissionen

1996 - 98

%

- 10,2

4.

Nachhaltigkeitswert [20% von Zeile 1.]

2030

T

661

5.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 1.-4.]

1996

T

2.643

6.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 2.-4.]

1998

T

2.306

7.

1996 - 2030

T

77,7

8.

Durchschnittliches Reduktionsziel p.a. Soll [(Zeile 1. - Zeile 4.)/34 Jahre) Jährliche Reduktion Ist [Zeile 1.-2.]

1996 - 98

T

168,5

9.

Zielerfüllungsgrad [Zeilen 7. und 8.]

1996 - 98

%

217

10. Produktionsmenge

1996

T

17.437

11. Produktionsmenge

1998

T

17.593

1996 - 98

%

+ 0,1

13. CO2-Produktivität [Zeile 10. / 1.]

1996

Faktor

5,3

14. CO2-Produktivität [Zeile 11. / 2.]

1998

Faktor

5,9

15. Zielwert CO2-Produktivität [Zeile 10. / 4.]

2030

Faktor

26,4

12. Veränderung Produktion

Dimension

Wert

T

3.304

Tabelle 3: CO2-Indikatoren der Firma A Im Zeitraum zwischen 1996 und 1998 sind die CO2-Emissionen um ca. 337 t zurückgegangen, was einer Minderung um ca. 10% entspricht. Dabei ist die Produktionsmenge leicht angestiegen, so dass sich daraus eine Verbesserung der CO2-Produktivität auf den Faktor 5,9 ergibt. Damit dokumentiert die Firma A eine Entkopplung des Produktionsoutputs vom Verbrauch ökologischer Ressourcen. Die erzielte Reduktion im Betrachtungszeitraum ist u.a. auf energiesparende Maßnahmen (Beleuchtungsoptimierung) und auf einen geringeren Energieverbrauch aufgrund eines milden Winters zurückzuführen. Substitutionseffekte durch den Übergang auf CO2-günstige Energieträger spielten keine Rolle. Auch im Vergleich zum gesamten industriellen Sektor ergibt sich ein ähnlich positives Bild. Die Minderungserfolge liegen aber deutlich über den entsprechenden sektoralen Durchschnittswerten. Auf der Grundlage des Reduktionsziels des Sachverständigenrats für Umweltfragen ergibt sich ein CO2-Zielwert von 661 t/p.a. Daraus resultiert für das Jahr 1996 (1998) eine Nachhaltigkeitslücke in Höhe von 2.643 (2.306) t. Unter der Annahme konstanter Produktionsmengen 45

(in Masseeinheiten) müsste die CO2-Produktivität auf 26,4 bis zum Jahre 2030 anwachsen, um den Nachhaltigkeitswert von 661 t/p.a. zu erreichen. Indikatoren

Status-quo-Szenario

Szenario De-Materialisierung

Szenario materielles Wachstum

Nachhaltigkeitswert [t]

661

661

661

Produktionsmenge [t]

17.437

8.773

34.188

26,4

13,2

51,7

CO2-Produktivität

Tabelle 4: CO2-Szenarien 2030 (Firma A) Bei einem jährlichen Produktionswachstum (bzw. Produktionsminderung) von 2% müsste die CO2-Produktivität auf 51,7 (bzw. 13,2) im Jahre 2030 ansteigen. Damit wird deutlich, welche Anstrengungen erforderlich sind, damit Effizienzsteigerungen nicht durch ein Mengenwachstum überkompensiert werden. Im Status-quo-Szenario ergibt sich für die CO2Produktivität ein Wert von 26,4. Im Vergleich zum heutigen Produktivitätsniveau entspricht dies einer Steigerung um den Faktor vier. Im Wachstumsszenario sind weitaus größere Effizienzsteigerungen erforderlich. Durch produktionstechnischen Fortschritt, Verhaltensänderung und institutionelle Innovationen muss der Faktor um das 8,5fache anwachsen, um nachhaltiges Wirtschaften zu gewährleisten. Zieht man die Veränderungen der letzten Jahre in Betracht, so kann insgesamt von einer Richtungssicherheit zu einer nachhaltigen Entwicklung gesprochen werden. Dies wird insbesondere durch die Minderung der CO2-Emissionen von 1996 bis 1998 um ca. 10% deutlich. Einschränkend ist jedoch zu betonen, dass sich Reduktionspotenziale auf dem heutigen technischen Niveau wahrscheinlich leichter realisieren lassen als auf einem deutlich erhöhten Niveau. Andererseits zeigt die Erhöhung der Arbeitsproduktivität von fast 100% seit 1970, dass es sich hierbei fast um „peanuts“ handelt. Unbefriedigend ist, dass die Reduktionsziele nicht gewichtet sind; die Gleichverteilungsprämisse kann nur in einem ersten Ansatz vertreten werden. Welche Gewichte kommen für die Unternehmen in Frage? Gewichte bedeuten, dass einzelne Firmen bei der CO2-Minderung unterschiedlich behandelt werden. Werden sie unterschiedlich behandelt, weil sie (gesellschaftlich) wichtigere (ökologische?) Produkte herstellen, in „wichtigeren“ Regionen produzieren, mehr Steuern bezahlen, nach dem EU-Öko-Audit validiert sind oder mehr Menschen beschäftigen? Es ist offensichtlich, dass die Kriterien entweder gar nicht quantifiziert werden können, oder dass sie ungeeignet sind. Am besten lässt sich noch das der Beschäftigtenzahl anwenden. Auf Firma A bezogen würde das bedeuten, dass der Wert von 2,3 t auf 500 Beschäftigte hochgerechnet werden müsste. Der CO2-Nachhaltigkeitswert beläuft sich dann auf 1150 t , fast das doppelte von 661 t. Dieses Beispiel macht deutlich, wie wichtig eine firmeninterne Diskussion über diese Fragen ist. Eine innovative Firma kann mit ihren Vorschlägen in diesem noch unbeackerten Feld den Diskussionslauf wesentlich bestimmen.

46

Firma B Die Berechnung der CO2-Nachhaltigkeitslücke basiert auf dem folgenden Datentableau: Kenngrößen / Indikatoren 1.

Emissionen

Zeitpunkt / -raum 1996

2.

Emissionen

1998

T

80,8

3.

Veränderung Emissionen

1996 - 98

%

- 16,5

4.

Nachhaltigkeitswert [20% von Zeile 1.]

2030

T

19,4

5.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 1.-4.]

1996

T

77,6

6.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 2.-4.]

1998

T

61,4

7.

1996 - 2030

T

2,3

8.

Durchschnittliches Reduktionsziel p.a. Soll [(Zeile 1. - Zeile 4.)/34 Jahre) Jährliche Reduktion Ist [Zeile 1.-2.]

1996 - 98

T

8,9

9.

Zielerfüllungsgrad [Zeilen 7. und 8.]

1996 - 98

%

387

10. Produktionsmenge

1996

T

13.667

11. Produktionsmenge

1998

T

12.499

1996 - 98

%

- 9,1

13. CO2-Produktivität [Zeile 10 / 1.]

1996

Faktor

141

14. CO2-Produktivität [Zeile 11. / 2.]

1998

Faktor

155

15. Zielwert CO2-Produktivität [Zeile 10. / 4.]

2030

Faktor

704

12. Veränderung Produktion

Dimension

Wert

T

97

Tabelle 5: CO2-Indikatoren der Firma B Im Betrachtungszeitraum sind die CO2-Emissionen um ca. 16 t zurückgegangen. Dies entspricht einer Reduzierung um 16,5%. Im selben Zeitraum kam es auch zu einem deutlichen Produktionsrückgang (- 9,1%). Insgesamt ist aber auch hier eine Entkopplung des Produktionsoutputs vom CO2-Verbrauch erkennbar. Die Minderungen wurden durch den Einkauf von veredelten Rohstoffen erzielt, weil dadurch die Anlage am Standort weniger Betriebsstunden aufwies. Auf Basis des Nachhaltigkeitsziels ergibt sich für die Firma B ein CO2-Zielwert von 19,4 t/p.a.. Daraus resultiert für das Jahr 1996 (1998) eine Nachhaltigkeitslücke in Höhe von 77,6 (61,4) t. Unter der Annahme gleichbleibender Produktionsmengen auf dem Niveau von 1996 müsste die CO2-Produktivität bis zum Jahre 2030 auf 704 anwachsen, um den Nachhaltigkeitswert von 19,4 t zu erreichen. 47

Indikatoren

Status-quo-Szenario

Szenario De-Materialisierung

Szenario materielles Wachstum

Nachhaltigkeitswert [t]

19,4

19,4

19,4

Produktionsmenge [t]

13.667

6.876

26.796

704

354

1.381

CO2-Produktivität

Tabelle 6: CO2-Szenarien 2030 (Firma B) Bei den unterstellten Szenarien (Steigerung bzw. Minderung des Produktionsoutputs um jährlich 2%) müsste die CO2-Produktivität auf 1.381 (bzw. 354) im Jahre 2030 ansteigen. Im Wachstumsszenario würde dies somit bedeuten, dass man durch Effizienzsteigerungen in der Lage wäre, je Tonne CO2 eine Produktionsmenge in Höhe von 1.381 t zu ermöglichen. Um auf dem heutigen Produktionsniveau nachhaltig zu wirtschaften, müsste die CO2-Produktivität auf 704 anwachsen. Auch bei Firma B erreicht man einen höheren Nachhaltigkeitswert durch Gewichtung mit den Beschäftigten, nämlich 126,5 t. Sehen wir uns die Firma C an, deren Ergebnisse in der Tabelle 7 zusammengestellt sind. Die Entwicklung der CO2-Produktivität zeigt eine leichte Verschlechterung, die angesichts der Datengrundlage jedoch nicht als signifikant zu betrachten ist. Warum ist es nicht zu einer Verbesserung dieses Wertes gekommen? Da die im Rahmen des Projektes bearbeiteten Fragestellungen sich nicht mit Energieverbrauch oder Energieeffizienz beschäftigten, ist es naheliegend, davon auszugehen, das auch ansonsten keine diesbezüglichen Anstrengungen unternommen wurden. Da sich eine nachhaltige Entwicklung letztlich nicht nur an Effizienzkriterien, sondern insbesondere an den tatsächlichen, d.h. absoluten Schadstofffrachten messen lassen muss, ergibt sich folglich eine Vergrößerung der Nachhaltigkeitslücke. Diese Situation spiegelt eine bekannte Problematik wider, die immer wieder Gegenstand umweltpolitischer Diskussionen ist: Dürfen umweltpolitische Zielsetzungen zu einem wesentlichen limitationalen Faktor wirtschaftlichen Wachstums werden? Dem hier dargestellten Nachhaltigkeitskonzept liegt der Kerngedanke zugrunde, dass jeder Akteur zu einer -absoluten- Minderung der Stoff- und Energieströme beitragen soll. Wirtschaftliche Entwicklungen müssen mit dieser Zielsetzung in Einklang gebracht werden. Sie dürfen zumindest nicht dauerhaft als Rechtfertigung dafür angeführt werden, weshalb Umweltziele nicht erreicht werden konnten. Und schließlich zur Tabelle 8: Auf Basis des Nachhaltigkeitszieles ergibt sich ein CO2-Zielwert von 198 t/p.a. Um diesen Wert zu erreichen, sind je nach Strategie unterschiedliche Fortschritte in den CO2-Produktivitäten erforderlich. Ein mit den Beschäftigten gewichteter Nachhaltigkeitswert für CO2 ist für die Firma C sehr günstig, weil sich statt 198 t fast das Vierfache (805 t) errechnet.

48

Firma C Für die Firma C ergibt sich im Analysezeitraum folgende Datenlage: Kenngrößen / Indikatoren 1.

Emissionen

2.

Emissionen

3.

Veränderung Emissionen

4.

Zeitpunkt / Dimension -raum 1997 T

Wert 990

1998

T

1.137

1997 - 98

%

+ 14,8

Nachhaltigkeitswert [20% von Zeile 1.]

2030

T

198

5.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 1.-4.]

1997

T

792

6.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 2.-4.]

1998

T

939

7.

1996 2030 1997 - 98

T

23,3

8.

Durchschnittliches Reduktionsziel p.a. Soll [(Zeile 1. - Zeile 4.)/34 Jahre) jährliche Reduktion Ist [Zeile 1.-2.]

T

9.

Zielerfüllungsgrad [Zeilen 7. und 8.]

1997 - 98

%

+ 147 (Zuwachs) Negativ

10.

Produktionsmenge

1997

T

275

11.

Produktionsmenge

1998

T

307

12.

Veränderung Produktion

1997 - 98

%

+ 11,6

13.

CO2-Produktivität [Zeile 10. / 1.]

1997

Faktor

0,28

14.

CO2-Produktivität [Zeile 11. / 2.]

1998

Faktor

0,27

15.

Zielwert CO2-Produktivität [Zeile 10. / 4.]

2030

Faktor

1,4

Tabelle 7: CO2-Indikatoren der Firma C

Indikatoren

Status-quo-Szenario

Nachhaltigkeitswert [t]

198

Szenario De-Materialisierung 198

Szenario materielles Wachstum 198

Produktionsmenge [t]

275

138

539

CO2-Produktivität

1,4

0,7

2,7

Tabelle 8: CO2-Szenarien 2030 (Firma C)

49

Firma D Für die Firma D ergibt sich im Analysezeitraum folgende Datenlage: Kenngrößen / Indikatoren 1.

Emissionen

2.

Emissionen

3.

Veränderung Emissionen

4.

Zeitpunkt / -raum Dimension 1997 T

Wert 921,368

1998

T

1.017,814

1997-1998

%

+ 10,5

Nachhaltigkeitswert [20% von Zeile 1.]

2030

T

184,273

5.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 1.-4.]

1997

T

737,095

6.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 2.-4.]

1998

T

833,541

7.

1997 bis 2030

T

22,336

8.

durchschnittliches Reduktionsziel p.a. Soll [(Zeile 1. - Zeile 4.)/34 Jahre) jährliche Reduktion Ist [Zeile 1.-2.]

1997 bis 1998

T

9.

Zielerfüllungsgrad [Zeilen 7. und 8.]

%

%

+ 96,446 Zuwachs Negativ

10.

Produktionsmenge

1997

T

94,388

11.

Produktionsmenge

1998

T

102,415

12.

Veränderung Produktion

1997-1998

%

+ 1,1

13.

CO2-Produktivität [Zeile 10. / 1.]

1997

Faktor

0,11

14.

CO2-Produktivität [Zeile 11. / 2.]

1998

Faktor

0,10

15.

Zielwert CO2-Produktivität [Zeile 10. / 4.]

2030

Faktor

0,51

Tabelle 9: CO2-Indikatoren der Firma D

Indikatoren Nachhaltigkeitswert [t]

184,273

Szenario DeMaterialisierung 184,273

Produktionsmenge [t]

94.388

50.746

185.075

0,51

0,28

1,0

CO2-Produktivität

Status-quo-Szenario

Tabelle 10: CO2-Szenarien 2030 (D)

50

Szenario materielles Wachstum 184,273

4.2

Firmenspezifische Indikatoren

Unter firmenspezifischen Indikatoren sind Messgrößen zu verstehen, deren Verbrauchsmengen maßgeblich und unmittelbar mit dem Transformationsprozess zusammenhängen. Sie sind in hohem Maße durch Branchenzugehörigkeit und Produktionsmethoden des Unternehmens determiniert. Es handelt sich um Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und andere Inputfaktoren (z.B. Wasser), die summarisch oder einzeln (z.B. Gefahrstoffe) beurteilt werden sollen. Bei der summarischen Betrachtung werden zur Berechnung der Nachhaltigkeitslücke Zielgrößen des MIPS-Konzepts herangezogen, da hier durch den De-Materialisierungs-Gedanken eine große konzeptionelle Nähe zu den zu beurteilenden Größen gegeben ist. Ansonsten werden Nachhaltigkeitsziele aus den Umweltzielen unterschiedlicher Institutionen abgeleitet.

Firma E Bei den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (RHB-Stoffe) ergeben sich zwischen 1996 und 1998 folgende Verbrauchsmengen: Kenngrößen / Indikatoren 1.

RHB-Stoffe

Zeitpunkt / -raum 1996

Dimension

Wert

T

24.095

2.

RHB-Stoffe

1998

T

25.581

3.

Produktionsmenge

1996

T

17.437

4.

Produktionsmenge

1998

T

17.593

5.

RHB-Produktivität

1996

Faktor

0,72

6.

RHB-Produktivität

1998

Faktor

0,69

7.

Zielwert RHB-Produktivität

-

Faktor

3,6

Tabelle 11: RHB-Stoffverbrauch (Firma E) Bei den RHB-Stoffen ist im Analysezeitraum keine Effizienzsteigerung erkennbar. Die geringe Veränderung der Produktionsmenge ging mit einer deutliche Steigerung der Inputmengen einher. Dies ist insbesondere auf einen erhöhten Papierverbrauch infolge geänderter Kundenanforderungen zurückzuführen. Immerhin 90% des Verbrauchs stammt von Papierlieferanten, die ihre Wälder nach den Kriterien einer nachhaltigen Forstwirtschaft bewirtschaften. Ein wesentlich positiveres Bild ergibt sich aus der Beurteilung des Wasserverbrauchs:

51

Kenngrößen / Indikatoren 1.

Wasserverbrauch

Zeitpunkt / -raum 1996

Dimension

Wert

m3

14.733

2.

Wasserverbrauch

1998

m3

10.836

3.

Produktionsmenge

1996

T

17.437

4.

Produktionsmenge

1998

T

17.593

5.

Wasser-Produktivität

1996

Faktor

1,2

6.

Wasser-Produktivität

1998

Faktor

1,6

7.

Nachhaltigkeitswert [20% von Zeile 1.]

-



2.947

8.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 1. - Zeile 7.]

1996



11.786

9.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 2. - Zeile 7.]

1996



7.889

10.

Zielwert Wasser-Produktivität

-

Faktor

6

Dimension

Wert

m3

5.349

Tabelle 12: Wasserverbrauch (Firma E)

Firma F Kenngrößen / Indikatoren 1.

Wasserverbrauch

Zeitpunkt / -raum 1997

2.

Wasserverbrauch

1998

m3

4.881

3.

Produktionsmenge

1998

T

102.415

4.

Wasser-Produktivität

1997

Faktor

17,6

5.

Wasser-Produktivität

1998

Faktor

20,98

6.

Nachhaltigkeitswert [20% von Zeile 1.]

-



1.070

7.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 1. - Zeile 7.]

1997



4.279

8.

Nachhaltigkeitslücke [Zeile 2. - Zeile 7.]

1998



3.811

9.

Zielwert Wasser-Produktivität

-

Faktor

88

Tabelle 13: Wasserverbrauch (Firma F)

52

Aus dem regionalen Minderungsziel, den Wasserbrauch um 80% zu reduzieren, ergibt sich ein Nachhaltigkeitsziel von 2.947 m³ p.a.. Hierfür wäre auf Basis des Produktionsniveaus von 1996 eine Wasserproduktivität von 6 erforderlich. Die im Betrachtungszeitraum erreichten Erfolge sind signifikant. Die Nachhaltigkeitslücke konnte deutlich reduziert werden, so dass die Maßnahmen im Einklang mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung stehen. Die Differenz ist im wesentlichen auf den Einsatz von neuen Techniken (Computer to Plate) und den Einsatz von Kreislaufsystemen in den einzelnen Produktionsstufen zurückzuführen. Aus dem Nachhaltigkeitsziel, den Wasserbrauch um 80% zu reduzieren, lässt sich eine Nachhaltigkeitslücke für 1997 in Höhe von 4.279 m³ bestimmen. Durch diverse Maßnahmen konnte die Nachhaltigkeitslücke in erheblichem Maße reduziert werden. Da die Waschwässer im Produktionsbereich nach getrennter Sammlung wieder zurückgeführt werden, entsteht hier kein Abwasser. Der Rest wird als überwachungsbedürftiger Abfall entsorgt. Der Zielwert für die Wasser-Produktivität beträgt 88 [t Output/ m³ Wasser]. Ihm liegt die Forderungen nach einer Effizienzsteigerung um den Faktor 4 zugrunde. 4.3

Projektbezogene Indikatoren

Diese Indikatoren kommen unserer Konzeption der Reduktion von Nachhaltigkeitslücken am nächsten. Insbesondere im dritten Runden Tisch wurden Vorschläge entwickelt, wie Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte einer Lösung nähergeführt werden könnten. Da ökologische Nachhaltigkeitsprojekte immer mit Indikatoren verknüpft werden können, auf deren Basis man Nachhaltigkeitslücken berechnen kann, sind hiermit konkrete Ansatzpunkte gegeben. Im folgenden ist ein Projekt von Firma G dargestellt, bei dem es um die Reduktion von Papierverbrauch geht. Der entsprechende Indikator für eine Nachhaltigkeitslücke lautet: Reduktion des Rohstoffverbrauchs (Papier). Die Runden Tische haben zur Reduktion der ökologischen Nachhaltigkeitslücke beigetragen; die Wirkungen von Kooperation (und Umweltbildungsmaßnahmen) können erheblich leichter zugeordnet werden als die anderer Maßnahmen.

Firma G Im Rahmen der Runden Tische wurde ein Umweltprojekt mit dem Ziel angestoßen, den Papierverbrauch im Unternehmen zu reduzieren. In den Jahren 1997 und 1998 ergaben sich nachstehende Verbrauchsmengen (bzw. eingekaufte Mengen). Papierart

Stückzahl DIN A4 (1997) 81.000

Stückzahl Original (1998)

Stückzahl DIN A4 (1998)

DIN A5 Normalpapier

Stückzahl Original (1997) 162.000

108.000

54.000

DIN A4 Normalpapier

2.000.000

2.000.000

1.800.000

1.800.000

DIN A4 Geschäftspapier

150.000

150.000

300.000

300.000

DIN A4, 5-fachDurchschläge Summe DIN A4-Seiten

100.000

500.000

125.400

627.000

Gesamtgewicht

2.731.000

2.781.000

13,7 t

13,9 t

Tabelle 14: Papierverbrauch (Firma G) 53

Im Rahmen des Projektes wurden u.a. folgende Maßnahmen zur Verringerung des Papierverbrauchs beschlossen: • Informationen bezüglich Papiereinsparung (insb. beim Kopieren), • unternehmensweite E-Mail-Adressen, • weitere Einsatzmöglichkeiten von Recyclingpapier. Im Betrachtungszeitraum ist trotz der eingeleiteten Maßnahmen ein leichter Anstieg (ca. 4%) zu verzeichnen. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die beschlossenen Maßnahmen noch nicht komplett umgesetzt werden konnten. Die Verbrauchsmengen im Jahre 1999 sollten zu einer deutlichen Minderung führen. Zudem befindet sich das Unternehmen in einer starken Wachstumsphase (s.o.), so dass die geringen Minderungserfolge im Jahre 1998 durch einen Mehrverbrauch infolge erhöhter Geschäftstätigkeit überkompensiert wurden.

5.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Insgesamt lautete die Frage, ob es gelungen ist, den komplexen Begriff der Nachhaltigkeit aufs Unternehmen herunterzubrechen und die bestehenden Messkonzepte weiterzuentwickeln. Wir haben dies für die ökologische Nachhaltigkeit gezeigt. Das Problem liegt nicht in den gemessenen Ist-Werten15, sondern in der Bestimmung von Soll-Werten. Wenn Soll-Werte bestimmt werden, sei es nach einer DIN-Norm, sei es nach ISO-Normen oder nach Gesetzesverordnungen (BImSchG16), müssen Annahmen über Wirkungen, zeitliche Veränderungen, räumliche Differenzierungen etc. getroffen werden. Bei der bestehenden Unsicherheit ist der „Rand“ nicht exakt zu bestimmen. Die Lücke bleibt somit unscharf.17 Der wesentliche Unterschied zur Bestimmung von Nachhaltigkeitswerten besteht in seinem besonderen Schwierigkeitsgrad. Der Anspruch, Werte bestimmen zu wollen, die in einem komplexen UrsacheWirkungsgefüge wirklich Dauerhaftigkeit, Tragfähigkeit (letztlich für alle Zeiten) widerspiegeln können, lässt sich nicht einlösen. Dennoch wird mit dem Konzept der Nachhaltigkeitslücke und der aufgezeigten Verbindung zu Nachhaltigkeitsprojekten einen Schritt aufgezeigt, wie man ökologische Nachhaltigkeit im Unternehmen fassen und einer empirischen Analyse zugänglich machen kann. Die offenen oder nur teilweise gelösten Fragen sind nochmals zusammengestellt: • •

• •

15 16 17

54

Nachhaltigkeitsziele: Nach welchen Kriterien können Nachhaltigkeitsziele auf Unternehmensebene festgelegt werden? Gewichtung: Welche Gewichtungsfaktoren (Umsatz, Wertschöpfung, Anzahl Mitarbeiter, Anlagevermögen, Relevanz des Produkts, Qualitätskriterien wie EUMAS) sind geeignet: eine Entkoppelung zwischen ökologischer und ökonomischer Entwicklung aufzuzeigen und ein Öko-Benchmarking zu ermöglichen. Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, um den Verbundcharakter von Nachhaltigkeitsprojekten zu erfassen? Welche Lösungsansätze stehen für ökologische Nachhaltigkeitsprojekte zur Verfügung?

Hier gibt es aber ebenfalls genug Probleme: technische, räumliche, zeitliche Faktoren. BundesImmissionsSchutzGesetz. Diese Kritik äußerte Werner Franke, LfU, Karlsruhe.

III. Mediations-basierte Runde Tische 1.

Fragen

Spricht man von Runden Tischen, dann denkt man eher an unproduktive Zusammenkünfte, an Palaverrunden oder an die allseits gefürchteten „Meetings“. Die Frage lautet, wie die Zusammenkünfte von Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Zielsetzungen und Interessen so organisiert werden können, dass sie in einem ganzheitlichen Sinn produktiv sind. Die Lösung, die wir vorschlagen, heißt: mediations-basierte Runde Tische. Was kann man genauer unter diesem Begriff verstehen? Welche Elemente gestalten diese Form der Runden Tische? Welche Faktoren müssen bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung beachtet werden? Wie sieht die praktische Gestaltung der mediations-basierten Runden Tische aus? Die Forschungsgruppe Zukunftsfragen des unw hat im Rahmen des Projekts „Nachhaltigkeit als Leitbild eines Umweltbildungssystems für die mittelständische Industrie in der Region Ulm/Neu-Ulm“ (Majer et al., 1999a) 18 mediations-basierte Runde Tische mit fünf verschiedenen Firmen durchgeführt. Dabei wurden jeweils drei Runde Tische mit unterschiedlicher Zielsetzung – aufeinander aufbauend – je Firma durchgeführt. Hier stellen wir die Frage, welche Erfahrungen der jeweils erste und dritte Runde Tisch vermitteln kann. Den zweiten Runden Tisch lassen wir aus Platzgründen außen vor; er ist aber im Handbuch (Majer et al. 1999b) ausführlich dokumentiert.

2.

Konzeption

Die herkömmliche Gesprächsleitung wird als Moderation bezeichnet. Sie beschreibt vor allem den geordneten Ablauf des Gesprächs einer Gruppe, sei es in Form eines Workshops, einer Arbeitsgruppe, o.ä.. Das Ziel der Besprechung ist vorgegeben und der Moderator hat die Aufgabe, durch seine Gesprächsführung die Teilnehmer dazu zu bringen, dieses Ziel zu erfüllen. Seine Gesprächsleitung ist eher autoritär. Mediations-basierte Runde Tische beruhen auf drei Elementen: den Aufgaben von intermediären Gruppen, der Mediation und den Prinzipien der Kooperation und Partizipation (Majer, 1997a sowie Majer, 1997b, S. 37ff). Der erste Anknüpfungspunkt sind intermediäre Organisationen; diese haben mit den hier durchgeführten Runden Tischen nichts zu tun, aber ihre Zielsetzungen können übernommen werden. Von der Heydt (1997, S. 43f.) stellt als die wichtigsten Aufgaben intermediärer Organisationen heraus: • • • •

Anstifter-Aufgaben (Initiierung, Anregung und Unterstützung), Vermittlungsaufgaben (Moderation), Koordinierungsaufgaben, Qualifizierungs- und Beratungsaufgaben.

Bei allen Aufgaben geht es um Information und Kommunikation. So verschieden die Organisationsstrukturen von intermediären Organisationen, so verschieden sind die Maßnahmen, die diese Organisationen einsetzen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Eine mögliche (und wohl sehr 55

wichtige) Maßnahme besteht in der Kooperation. Ein wichtiger Anlass ist, Verantwortung zu übernehmen. Eine Form, durch Kooperation Verantwortung zu übernehmen und zu organisieren, können Runde Tische sein. Nach Fietkau stellt Mediation „eine bestimmte Form eines sozialen Entscheidungsprozesses dar, der sich von anderen Formen (staatlich geregelten Partizipationsverfahren, offenen Diskussionsrunden, Schiedsverfahren, Gerichtsverfahren usw.) unterscheidet. Die Hauptbesonderheit des Mediationsverfahrens besteht in der Einbeziehung eines ‚Mediators‘ in den Entscheidungsfindungsprozess. Dieser hat die Aufgabe, durch die Gestaltung des Verfahrens und durch Hilfen im Kommunikationsprozess zwischen Beteiligten die Entwicklung einvernehmlicher Konfliktlösungen zu begünstigen. Er soll hierbei weder über die Macht, Entscheidungen in der Sache selbst, etwa i.S. eines Schiedsspruchs zu treffen, verfügen“ (Fietkau/Weidner, 1992, S. 6).

Sinngehalt des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen vermitteln

Projektziele offen formulieren und Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten offenlegen

Mediator Vertrauen, Neutralität, soziale und fachliche Kompetenz, persönliche Unabhängigkeit, angemessener sozialer Status

el t) Zi nda en a ier (M fin de

Th em ab Pro a o gr je de en kt r ze n

Nach den vorliegenden Erfahrungen kann man erwarten: „Informationsgewinn, Zuwachs an Transparenz, kompetentes Argumentieren, Abgrenzung konsensualer und strittiger Punkte und qualitativ bessere Problemlösung (zumindest in Teilfragen). Nicht unbedingt erwarten sollte man: Konsens in allen Fragen, nachhaltige Verbesserung des politischen Klimas, Verfahrensbeschleunigung und Imageverbesserung und Akzeptanzerhöhung der Akteure in der Öffentlichkeit“ (ebenda, S. 7)

Kooperativ ausgehandelte winwin-Lösungen an mediations-basierten Runden Tischen

H b a l e nd de mlö lun g Te r Te sun siln iln gs un p d ak ehm ehm ote P e e nt roer rinn r un iale en e d n

Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen akzeptieren die Regeln des Runden Tisches

ng rtu en o w m nt eh ra rn e h V a w

tiv i

Abbildung 10: Elemente der Mediation 56

Bringt man nun die Methode der Runden Tische mit den Erkenntnissen des Mediationsverfahrens zusammen, dann ergeben sich die Merkmale und Prinzipien, die in der obigen Abbildung zusammengestellt sind. Bei dieser Darstellung handelt es sich grob um den kurzgefassten Stand der Forschung. Das Ziel besteht darin, möglichst Win-win-Lösungen auszuhandeln. Eine solche Lösung sollte keinen der beteiligten Akteure schlechter stellen als vorher, die meisten Teilnehmer sollten aber besser dastehen. Dies weitgehend selbstorganisatorisch zu erreichen, ist im wesentlichen Aufgabe der am Prozess beteiligten Akteure. Eine Schlüsselrolle nimmt der Mediator ein. Wie aus dem entsprechenden Feld in der obigen Abbildung 10 hervorgeht, sollte der Mediator von allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen akzeptiert sein (Vertrauen), er sollte über breite Kompetenzen verfügen, wobei die fachliche nicht die wichtigste ist. Humor, eine gewisse Gelassenheit, gepaart mit Leidenschaft für das Ziel des Runden Tischs, sind ebenso unabdingbar wie psychologisches Einfühlungsvermögen und Schlagfertigkeit. Man kann sagen, dass zahlreiche Qualitäten des Mediators nicht erlernbar sind, sondern angeboren sein müssen. Wie ich später im Detail zeigen werde, sieht sich der Mediator im Laufe einer Veranstaltung mit zahlreichen und vielfältigen Situationen konfrontiert, die unvorhersagbar sind. Entscheidend ist daher eine gute Portion Anpassungsflexibilität und Gestaltungskraft. Je breiter dies angelegt ist, umso besser für den Prozess des Lernens und Lösens. Nun einige Erläuterungen zu den einzelnen Feldern der Abbildung 10: •



• • •



Der Runde Tisch muss ein klar beschriebenes Ziel aufweisen. Ortwin Renn spricht von einem klaren Mandat, das auch verlässlich eingehalten werden sollte. Es geht darum, die Erwartungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu stabilisieren und zu verstetigen. Darüber sollte sich der Runde Tisch beim ersten Treffen einigen. Auch über Regeln müssen sich die Akteure am Beginn des Prozesses verständigen. Was bedeutet fairer Umgang, gegenseitiges Zuhören, Ausreden lassen etc. Was geschieht im Fall von Nichteinigkeit? Welche Abstimmungsquoten sind erforderlich und wie werden abweichende Meinungen berücksichtigt? Die Akteure des Runden Tischs sollen sich mit dem Sinn ihres Projekts, also des Lösungsversuchs eines Nachhaltigkeitsprojekts, beschäftigen. Unterscheidet man intrinsische und extrinsische Motivation, dann sollten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu gemeinsamer intrinsischer Motivation finden; der Begründungszusammenhang für die Aufgabe sollte von jedem und jeder individuell einsichtig sein. Warum ist dies eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Runden Tischs? Intrinsische Motivation wirkt als Motor für die Kreativität der einzelnen und der Gruppe. Sie steckt an, sie lässt nicht ab, Fragen zu stellen und Maßnahmen zu verfolgen. Sie legt auch die Basis für individuelle Verantwortung für die Lösung. Intrinsische Motivation fordert Leistung. Sie aktiviert die im dritten Schritt geforderten Handlungs- und Problemlösungspotenziale der Akteure. Die Projektziele sollten nicht zu eng gefasst sein. Besteht z.B. das Problem darin, von A nach B zu gelangen, dann sollte die Streckenführung nicht auf Entfernung oder Art der Raumüberwindung eingeschränkt sein. Offene und dennoch klare Ziele vergrößern den Lösungsraum. Die Projektziele sollten auch nicht zu allgemein sein. Trotz des holistischen Charakters von Nachhaltigkeitsprojekten muss Überschaubarkeit gegeben sein. Komplexe Probleme müssen daher zu Beginn der Runden Tische in (interdependente) Teilfragen formuliert werden.

57

Die Möglichkeiten der Kooperation und Partizipation hängen vor allem von der Zusammensetzung und Organisation der Runden Tische und von einigen spezifischen Bedingungen ab. Insbesondere geht es um die Frage, welche Zielsetzung die intermediäre Organisation mit dem Runden Tisch verfolgt: Will sie anstiften, vermitteln, koordinieren oder beraten? Bei allen Zielsetzungen spielt die Beratungsfunktion auch eine Querschnittsrolle, denn Entscheidungsprozesse beruhen immer auf Information. Diese Zielsetzungen (anstiften, vermitteln und koordinieren) bestimmen die personelle Zusammensetzung der Runden Tische. Geht man in freier Interpretation von Ortwin Renn davon aus, dass bei einem gesellschaftlichen Diskurs immer mindestens drei Gruppen involviert sind (Betroffene, Experten und Handelnde oder Verantwortliche), dann lassen sich die Zielsetzungen der intermediären Organisation und die Zusammensetzung der Runden Tische verknüpfen: Dient der Runde Tisch dazu, • eine neue Handlungsmöglichkeit zu initiieren, Maßnahmen zur Erreichung bestimmter Ziele anzustoßen, neue Projekte auf den Weg zu bringen, dann wird die Zusammensetzung des Runden Tischs eher homogen sein und spiegelt die unterschiedlichen Verantwortungsfelder des Projekts (Handelnde, Verantwortliche) wider; die Zielsetzung der intermediären Organisation besteht in der Anstifterfunktion durch Runde Tische. • zwischen unterschiedlichen Interessen und Zielsetzungen in Bezug auf ein konkretes Projekt zu vermitteln, dann muss die Zusammensetzung des Tischs die heterogenen Interessen der Betroffenen widerspiegeln; die Zielsetzung der intermediären Organisation besteht in der Vermittlungsfunktion durch Runde Tische. • ein komplexes Problem oder Projekt zu koordinieren, dann werden Betroffene, Experten und Handelnde in heterogener Zusammensetzung teilnehmen; die Zielsetzung der intermediären Organisation besteht in der Koordinierungsfunktion durch Runde Tische. Die Beratung (Information) durch interne oder externe Experten scheint bei allen Phasen ein konstitutives Merkmal zu sein. Die Sequenz Anstiften →Vermitteln→Koordinieren ist allerdings nicht chronologisch und linear; manchmal muss nach der Vermittlung nochmals angestoßen werden. Abhängig von der generellen Zielsetzung der Runden Tische (Gesamtprojekt) ergibt sich ein unterschiedlicher Funktions-Mix. Soll z.B. in einem Unternehmen durch Runde Tische ein Veränderungsprozess hin zu ökologischem Wirtschaften angestoßen werden, dann könnte die Anstifterfunktion auf der Chefebene des Unternehmens ansetzen, die Vermittlungsfunktion vermischt die Mitarbeiter (Betroffene) der unterschiedlichen Unternehmenshierarchien, bei der Koordinierung treffen sich die Handelnden. Die Rolle der Experten muss eindeutig definiert sein. Externe Experten sollten die Gespräche und Verhandlungen nicht dominieren. Das selbstorganisatorische Problemlösungspotenzial der Teilnehmer und Teilnehmerinnen muss aktiviert werden und immer im Vordergrund stehen. Experten sind nur für selektive Informationsinputs zuständig. Inwieweit können mediations-basierte Runde Tische als eine Art von Lernzentren bezeichnet werden? Bei den hier durchgeführten Runden Tischen sind vor allem die Zielsetzungen initiieren, koordinieren und informieren angesprochen, die beiden letztgenannten oft gleichzeitig. Diese Ziele sind nur durch Lernen erreichbar.

3.

Mediations-basierte Runde Tische als Lernzentren

Ein Lernzentrum kann gekennzeichnet werden durch einen Ort, Lernstruktur, Lehr„material“, Lehrende und Lernende, Interaktion und Kommunikation. Bei selbstorganisatorischem Lernen sind Lehrende und Lernende identisch. Im einzelnen: 58

• •







Der Ort des Lernens ist der mediations-basierte Runde Tisch. Die Lernstruktur kann mit harten oder weichen Faktoren ausgestaltet sein. Mit „harter“ Lernstruktur ist die Infrastruktur der Lernprozesse gemeint, Räumlichkeiten, Erreichbarkeit, Ausstattung, Präsentationsgeräte, etc. „Weiche“ Faktoren sind Atmosphäre, Anordnung der Tische und Sitzgelegenheiten, Helligkeit, Vertrauen zu den anderen Akteuren, faire Regeln, „eigener“ Tisch, etc. Einer der wichtigsten Faktoren ist genügend Zeit. Lehr- und Lernmaterial ist verkörpert in Personen, Schrift, Ton und Bild. Die Angemessenheit und Qualität des Lernmaterials trägt wesentlich zu den weichen Lernfaktoren bei. Die Sensibilität der Lernenden in Bezug auf falsche oder unpassende Bilder, Texte oder Äußerungen von Personen wird i.d.R. stark unterschätzt. Lehrende und Lernende müssen eine Mischung aus Konkurrenz und Kooperation schaffen können. Überwiegt das kooperative Element, dann verlässt sich jeder auf den anderen, überwiegt das konkurrierende Element, dann schwindet Vertrauen. Kreativität braucht ein spezifisches „Klima“. Lernprozesse hängen auch wesentlich von der Zusammensetzung der Gruppe ab. Idealisten und „Höhenflieger“ sind ebenso wichtig wie Realisten und Skeptiker. Entscheidend ist, dass sich jeder und jede aktiv in den Lernprozess einbringt. Diese Übernahme von permanenter Verantwortung muss dauerhaft sein, weil Leerläufe, Irrwege und Einseitigkeiten überwunden werden müssen. Impulse können intrapersonal auftreten, müssen aber permanent sein. Einseitige Machtverteilung kann Vertrauen gefährden und Lernen blockieren. Die am Lernprozess Beteiligten wollen und können interagieren und kommunizieren. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für Lernprozesse.

Die Bezeichnung von mediations-basierten Runden Tischen als Lernzentren stellt die Eigenschaft heraus, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Runden Tische weitgehend selbstorganisatorisch aus der Gruppe heraus Lösungen erarbeiten. Dies wurde mit Hilfe von drei Runden Tischen formalisiert und mit Modulen strukturiert, wie im folgenden deutlich wird.

4.

Durchführung

4.1

Überblick

Insgesamt wurden im Rahmen des Projekts drei mediations-basierte Runde Tische durchgeführt; darauf hatten wir schon im ersten Kapitel hingewiesen (Majer et al., 1999a). Wir werden im vorliegenden Text nur auf den ersten und dritten Runden Tisch eingehen. Eine Übersicht über alle drei mediations-basierten Runden Tische gibt jedoch die folgende Tabelle.

59

Runde Tische

Zielsetzung

Erster Runder Tisch

Welchen Sinn macht 1. Wer ist der unw und warum es, nachhaltig zu wirtführt der unw Runde Tische schaften? durch? 2. Filmvorführung und DiskussiWelcher Sinn liegt on über den Film darin, Runde Tische 3. Was bedeutet nachhaltiges durchzuführen? Wirtschaften? Gemeinsame Ableitung der NachhaltigkeitsMotivierung der Teilregeln mit Hilfe der Metanehmer Plan-Technik 4. Was bedeutet dies für die Ebene des Unternehmens und der Tätigkeitsbereiche der Teilnehmer? 5. Gemeinsame Festlegung der Anzahl, Thematik, Dauer und der Ort der Runden Tische. Akzeptanz des Mediators. Entwicklung von 1. Gemeinsame Entwicklung von Methoden für die Hauptkriterien (Ökologie, ÖAuswahl und Bewerkonomie und Soziales) und tung von Nachhaltigbetriebsbezogenen Unterkritekeitsprojekten rien für die Auswahl und Bewertung von Nachhaltigkeitsprojekten 2. Anwendung der Kriterien auf eine vorgegebene Menge von Projekten und Bilden einer Rangfolge 3. Auswahl des weiter zu bearbeitenden Projekts mit Hilfe eines Punkteverfahrens 4. Vorstellung von Analysemethoden („Instrumentenkasten“) Entwicklung von 1. Bestandsaufnahme der techniLösungsschritten für schen, verhaltensbezogenen das ausgewählte und organisatorischen FaktoNachhaltigkeitsproren für das ausgewählte Projekt jekt 2. Präzisierungen und Ergänzungen der Teilnehmer aus der jeweiligen Sicht des Unternehmensbereichs 3. Brainstorming und PortfolioAnalyse mit Lösungsvorschlägen 4. Strukturierung der Vorschläge 5. Erarbeiten eines Projektplans (wer, wann, wie, wo, etc.) 6. Einbindung des Runden Tischs in die Unternehmensorganisation (Wie geht es weiter?)

Zweiter Runder Tisch

Dritter Runder Tisch

Inhalte

Tabelle 15: Konzeption der Runden Tische 60

Bemerkungen Für die einzelnen Gliederungspunkte werden Module entwickelt, für die didaktische Hilfsmittel bereitgestellt werden (Texte, Folien, etc.) Jeder Teilnehmer erhält eine Mappe mit den Texten und Übersichten Während der Dauer der Runden Tische läuft eine Videokamera (außer bei H) Ort: unw als Gastgeber im InnovationsZentrum Ulm Wie oben Die Teilnehmer bewerten mit Hilfe von Punkten und bestimmen damit die Entscheidungsschritte

Wie oben Ort: Gastgeber sind die einzelnen Firmen

Die detaillierte Beschreibung des ersten und dritten Runden Tischs soll die Erfahrungen andeuten, die bei der praktischen Durchführung der theoretischen Konzeption mediationsbasierter Runder Tische gemacht wurden; insgesamt waren es immerhin 18 Runde Tische in fünf Firmen. Wir konnten für den vorliegenden Text die zahlreichen Materialien, die zusammengestellt wurden, auswerten. Schließlich wurden für alle Runden Tische ausführliche Protokolle und, außer drei Runden Tischen, Videoaufnahmen angefertigt (Majer et al., 1999a). Uns geht es hier um eine überschaubare Darstellung mit latentem reichhaltigem Materialhintergrund. 4.2

Der erste Runde Tisch

Konzeption Welche Rolle können die einzelnen Mitarbeiter eines Unternehmens bei der Umsetzung des Konzepts der Nachhaltigkeit eines Unternehmens spielen? Wie können die in den Mitarbeitern schlummernden Potenziale zur Verbesserung der ökologischen Effizienz eines Unternehmens geweckt werden? Der Ansatz, Kooperationsprozesse mit Runden Tischen anzustoßen, sollte mehrstufig erfolgen. Dabei wollten wir mit den von den Unternehmen gebildeten Gruppen von einer relativ abstrakten Betrachtungsebene der Umweltprobleme zu immer konkreteren Problemstellungen im Unternehmen gelangen. Unser erster Schritt sieht vor, mit Gruppen von ca. 10-15 Personen, die einen möglichst breiten Querschnitt der Belegschaft vertreten sollten, den Grundstein für eine langfristige Zusammenarbeit zu legen. Der erste Runde Tisch zielt darauf ab, den Sinn der Runden Tische zu verankern: jeder und jede sollte am Ende dieses Runden Tischs intrinsisch motiviert sein, eine Lösung zu verfolgen. Als ein Weg zu dieser intrinsischen Motivation wurde das Gespräch über allgemeine Aspekte der Umweltzerstörung und die Reaktion der Beteiligten auf diese Aspekte unseres Wirtschaftens gewählt. Auch emotionale Aspekte sollten thematisiert werden, um eine Atmosphäre zu schaffen, die intensive und offene Zusammenarbeit in der Gruppe fördert und deutlich macht, dass die unternehmensbezogenen Zielsetzungen eingebettet sind in die Ansichten und Probleme des Einzelnen zur Umwelt und Nachhaltigkeitsproblematik. Wie kann gewährleistet werden, dass die Arbeit (oder Zusammenarbeit) an den Runden Tischen hochmotiviert und auf Dauer abläuft und die Runden Tische nach erster Euphorie nicht in den „Mühen der Ebenen“ stecken bleiben? Wir können anhand der vorherrschenden Impulse für die Gruppe drei Ansätze unterscheiden: Den hierarchisch-regulativen Ansatz mit extrinsischen Impulsen von der vorgesetzten Stelle, den quasi-hierarchischen Ansatz mit Impulsen von einer als „übergeordnet“ angesehenen Person und den partizipativ-diskursiven Ansatz mit intrinsischen Impulsen aus der Gruppe selbst. •



Der hierarchische Ansatz kann wie folgt beschrieben werden: eine übergeordnete kontrollierende Instanz gibt Anweisungen über Termine, Inhalte, Ziele, vielleicht schon gewünschte Ergebnisse vor. Diese fremdbestimmten extrinsischen Impulse führen dazu, dass die Arbeit an den Runden Tischen „für andere“ geleistet wird. Bei Stockungen (wegen nicht sofort lösbarer Probleme), Schwierigkeiten in der Gruppe und dergleichen warten die Teilnehmer auf neue Impulse von oben. Die Gruppe ist nicht-autonom, fremdgesteuert, weisungsabhängig und unselbständig. Der quasi-hierarchische Ansatz: Abgeschwächt im hierarchischen Schema könnten Impulse von einer Person, wie dem Mediator ausgehen. Der Mediator könnte aber durch solche Impulse geschwächt werden, weil er dadurch Unabhängigkeit verliert; der Mediator lässt sich zu sehr auf die Gruppenprozesse ein. 61



Der partizipativ-diskursive Ansatz geht von selbstbestimmten oder autonomen Impulsen aus der Gruppe aus, die eine Art Motor für die selbstorganisatorische Arbeit bilden. Intrinsische Motivation und Engagement führen zu Kreativität und Lernen. Woher kommt der Motor für diese Selbstorganisation? Unsere Vermutung war, dass die eigene Sinngebung der Gruppe entscheidend sein könnte. Wenn die (permanenten) Teilnehmer der Runden Tische sich selbst ihr Leitbild inhaltlich erarbeiten, dann könnte dies der dauerhafte Impuls sein. Daher haben wir den „Umweg“ über die persönliche Betroffenheit gewählt und uns dafür entschieden, dass die Teilnehmer sich „ihren“ Nachhaltigkeitsbegriff erarbeiten und auf diesen einigen.

Diese Vorgehensweise steht vollständig im Einklang mit dem Modell des (Umwelt-) Handelns von Elisabeth Kals (Kals, 1999a und b; Montada/Kals, 2001). Nach diesem Modell genügt es nicht, (durch hierarchischen „Vollzug“) eine kognitive Kategorie nach „unten“ zu transportieren; dies kann nur die notwendige Voraussetzung sein. Die hinreichende Bedingung für kreatives Arbeiten ist die emotionale Substanz: intrinsische Motivation. Wie wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten mediations-basierten Runden Tischs zusammengebracht? Der direkte Ansprechpartner des unw, der in der Regel auch für das Öko-Audit verantwortlich zeichnet, nannte in Abstimmung mit den Geschäftsleitungen 10-15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Jeder dieser Mitarbeiter bekam eine persönliche Einladung mit einem Fragebogen und einem Kurzprogramm des ersten Runden Tischs zugesandt. Das Programm für diesen ersten Runden Tisch, und nur für diesen, wurde vollständig von der Forschungsgruppe des unw erarbeitet. Für die folgenden Runden Tische sollte das Programm von den Gruppen unter Mitarbeit der Forschungsgruppe des unw gestaltet werden. Das Programm für den ersten Runden Tisch wurde aus einzelnen Modulen aufgebaut, die im folgenden dargestellt werden.

62

Die Module des ersten Runden Tischs Module / Dauer

Beschreibung / Zielsetzung

Materialien

Modul 1 Einführung Dauer 30 Minuten Submodul 1.1 Vorstellungsrunde Submodul 1.2 Das Projekt und die Zielsetzung der Runden Tische

Submodul 1.3 Der unw und seine Arbeit

• Persönliches kennen lernen • Vertrauen schaffen • Atmosphäre auflockern Verwendete Abbildungen • Teilnehmer über Hintergründe und Vorgehensweise • Projekt informieren • Nachhaltigkeitslücke/Das • Win-win Situation darstellen Prinzip der Nachhaltigkeitslücke • Einbindung in das Projekt • Nutzen für Beteiligte an den Runden Tischen • Überblick über den unw geben • Rolle des „ehrlichen Maklers“ darstellen • Über bisherige Erfahrungen mit Runden Tischen berichten

Verwendete Abbildungen • Infrastruktur • Informationsmedien • Mediations-basierte Runde Tische

Modul 2 Film und Diskussion Pause Dauer 45 Minuten / 15 Minuten Submodul 2.1 Film „Söhne der Erde“ mit Einführung und Diskussion

• Betroffenheit auslösen • Emotionalität wecken

Film „Söhne der Erde“

Submodul 2.2 Pause

63

Module / Dauer

Beschreibung / Zielsetzung

Materialien

• Zusammenhänge erkennen und strukturieren

Abbildung • Begriffssuche

dto.

Abbildung • Begriffssuche

dto.

Abbildungen • Begriffssuche • Beziehungen zwischen Ökonomie und Ökologie

dto.

Abbildung • Zielsystem Ökologie-Ökonomie

Modul 3 Brainstorming Dauer 45 Minuten Submodul 3.1 Begriffsfeld Ökonomie Submodul 3.2 Begriffsfeld Ökologie Submodul 3.3 Begriffsfeld Wechselwirkungen Submodul 3.4 Diskussion Zielsystem

Modul 4 Ableitung der (ökologischen) Nachhaltigkeitsregeln Dauer 15 Minuten

Submodul 4.2

• Nachhaltigkeitsbegriff vertiefen • Wege zur Nachhaltigkeit darstellen dto.

Abbauregel Submodul 4.3

dto.

Submodul 4.1 Substitutionsregel

Abbildungen • Bohrinsel / Windräder • Braunkohle / Solarzellen Abbildung • Kahlschlag / nachhaltige Forstbewirtschaftung Abbildung • Waldsterben

Assimilationsregel Submodul 4.4

dto.

Erhaltungsregel

Submodul 4.5 Übersicht Nachhaltigkeitsregeln

64

dto.

Abbildungen • Natur- und Verkehrslandschaft • Flächennutzung • Gefährdete Arten Abbildung • Nachhaltigkeitsregeln

Modul 5 Innovationen Dauer 10 Minuten Innovation in Technik, • Dimensionen für Umsetzung Verhalten und Institution erläutern als Wege zur Nachhal• Praktische Umsetzung tigkeit

Abbildungen • 3 Liter-Auto, • 3 Liter-Fahrer, • 3 Liter-Stadt.

Modul 6 Ansatzpunkte Dauer 15 Minuten Ansatzpunkte für Innovationen im Unternehmen

• Anstöße geben für Ansatzpunkte im Unternehmen • Aufgaben mit auf den Weg geben • Weitere Vorgehensweise besprechen

Abbildung • Nutzungsreduktion durch Innovation

Tabelle 16: Modulstruktur des ersten Runden Tischs Mit dieser Übersicht über die Module wollen wir es bewenden lassen und die ausführliche Erläuterung einzelner Module für den dritten Runden Tisch reservieren.18 4.3

Der dritte Runde Tisch

Konzeption Zur Erinnerung an die Tabelle 16: Das wesentlich Ziel des zweiten (hier nicht dargestellten) Runden Tischs lag darin, Nachhaltigkeitsprojekte in den einzelnen Unternehmen zu definieren, zu bewerten, und nach Prioritäten zu ordnen. Im dritten Runden Tisch sollte für ein ausgewähltes Projekt eine Lösung erarbeitet werden. Der erweiterte Innovationsbegriff und das entwickelte Anreizsystem bildete die Grundlage für den Weg zu einer Lösung (vgl. I. Kapitel, Nachhaltigkeitsprojekte). Dafür war es unerlässlich, dass sich jedes Unternehmen vor der Durchführung des Runden Tischs mit der praktischen Umsetzung des Anreizsystems auseinandersetzt: • •

18

Aushändigung eines Fragebogens an alle Teilnehmer. Die Verteilung lag in der Verantwortung der Firmen. Beschaffung und Aufbereitung von Informationen über das im zweiten Runden Tisch ausgewählte Nachhaltigkeitsprojekt durch die Teilnehmer. Ziel war, eine Bestandsaufnahme hinsichtlich Technik, Verhalten und Organisation durchzuführen um zu veran-

Zum zweiten Runden Tisch vgl. Majer et al., 1999a (Handbuch)

65

schaulichen, welche Faktoren das Projekt beeinflussen. Diese wurden aufbereitet und sollten in Form von drei Referaten den Input für den dritten Runden Tisch liefern.

Die Module des dritten Runden Tischs Module / Dauer

Beschreibung / Zielsetzung

Materialien

• Kurzvortrag eines Mitarbeiters mit Übersicht über das Nachhaltigkeitsprojekt • „Schaltplan“ mit Ort, Menge, Art, Technik (z. B. Alter der Maschine), Alternativen und Soll/KannZustände • Erläuterung der vier Subsysteme Ziele, Regeln, Anreize und Informationen

Abbildung • Anreizsystem

• Wo könnte der Tisch in der Organisation eingegliedert werden ? • Spielregeln (z. B. Treffen zwei mal im Jahr, Bericht an die GL ein mal im Jahr, Themen mit GL zusammen festlegen)

Abbildung • Eingliederung des Runden Tischs in die Organisation

Modul 1 Bestandsaufnahme Dauer 60 Minuten Submodul 1.1 Technik (10 min)

Submodul 1.2 Verhalten (10 min) Submodul 1.3 Organisation (10 min)

Submodul 1.4 Diskussion (30 min)

Abbildung • Anreizsystem

• Teilnehmer haben Gelegenheit, ihre Vorstellung und Vorschläge (Fragebogen) einzubringen und Fragen zu stellen

Modul 2 Lösungsmöglichkeiten Dauer 60 Minuten Submodul 2.1 Brainstorming (30 min)

Submodul 2.2 Bewertung(30 min)

66

• Maßnahmen sammeln und systemati- • Vorbereitete sieren Vorschläge auf Karten • Pinwand, Stifte, Karten • Bewertung mit einer ABC-Analyse Abbildung • ABC-Kriterien mit Nachhaltigkeitskriterien

Modul 3 Die optimale Lösung Dauer 30 Minuten Projekte an Anreizsystem anwenden



Portfolio-Analyse: Teilnehmer ordnen einige Beispiele zu. Die Teilnehmer bewerten die von der Gruppe ausgewählte AMaßnahme an den vier Kriterien des Anreizsystems. Das Anreizsystem des Unternehmens wird diskutiert und es werden Maßnahmen entwickelt

Abbildung • Portfolio-Analyse • Pinwand, Stifte • Packpapier



Erstellung eines Projektplans (für mindestens ein Projekt)

Ÿ3DFNSDSLHU

Submodul 4.2



Ÿ*HVFKHQNH

Zusammenfassung



Dank an alle Teilnehmer / Kurzer Überblick über die drei Tische Überreichung der Geschenke





Modul 4 Projektplan Dauer 30 Minuten Submodul 4.1 Bündelung und Verteilung der Maßnahmen

Tabelle 17: Modulstruktur des dritten Runden Tischs Im folgenden soll die Durchführung der einzelnen Submodule ausführlich diskutiert werden. Modul 1 Bestandsaufnahme Wir unterscheiden für das ausgewählte Nachhaltigkeitsprojekt drei unterschiedliche Lösungsansätze: technische Lösungen, verhaltensbezogene und organisatorische Lösungen. Alle drei hängen miteinander zusammen und sollten integrativ angewandt werden. Um alle Teilnehmer auf den gleichen Kenntnisstand zu bringen, werden drei vorbereitete Referate zu den Themenbereichen Technik, Verhalten und Organisation gehalten. Diese Bestandsaufnahme ist die Diskussionsgrundlage für die weitere Abstimmung über die Maßnahmen zur Durchführung des ausgewählten Nachhaltigkeitsprojektes. Mit diesem ersten Modul sollte den Teilnehmern bewusst gemacht werden, dass der Erfolg eines Nachhaltigkeitsprojektes nicht nur von technischen, sondern auch von den hier besprochenen weichen Faktoren abhängt. Darin kommt die Vorstellung zum Ausdruck, dass der Fokus von der Dominanz der Technik wieder mehr zu den Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten der Menschen im Unternehmen gelenkt werden sollte. Die anschließende Diskussion sollte zeigen, ob das Anreizsystem von den Teilnehmern verstanden wurde, und es sollten etwaige Unklarheiten ausgeräumt werden. Der technische Teil war bei allen Firmen kein Problem. Die mit dem Impulsreferat beauftragten Mitarbeiter der Unternehmen lösten ihre Aufgabe durchweg zur Zufriedenheit aller Teilnehmer. Es konnte zumeist ein guter Überblick über die technischen Sachverhalte, die

67

vom ausgewählten Projekt tangiert wurden, gegeben werden. Damit war eine gute Ausgangsbasis für das weitere Vorgehen gegeben. Für die Impulsreferate zum Verhalten und zur Organisation konnte niemand aus den betreffenden Unternehmen gewonnen werden. Wir, die Organisatoren des dritten Runden Tischs, mussten vielmehr feststellen, dass es uns in der Vorbereitungsphase nicht gelungen war, die Bedeutung und Möglichkeiten des Anreizsystems ausreichend zu vermitteln – trotz der Ergebnisse des Fragebogens (vgl. Tabelle 1). Dies lag wohl mit auch daran, dass wir, die Forschungsgruppe, intuitiv davon ausgegangen waren, dass das Prinzip des Anreizsystems einleuchtend und von den Teilnehmern insgesamt verstanden und angenommen wurde. Wir hatten wohl unterschätzt, wie stark die technischen Lösungsansätze dominieren und überschätzt, wie stark die Teilnehmer ihre eigenen Lösungsmöglichkeiten durch Verhaltensänderung und organisatorische Neuerungen oder Verbesserungen einschätzen. Dieses Defizit zog sich durch die gesamte Veranstaltung, wozu auch beitrug, dass die von uns vorbereiteten und ausgeteilten Fragestellungen von den meisten Unternehmen nur ungenügend berücksichtigt wurden. Wir mussten dieses Defizit nachholen: Die Veranstaltung dritter Runder Tisch musste dafür herhalten, die breiten Anwendungsmöglichkeiten des Anreizsystems auf die Lösung eines Nachhaltigkeitsprojekts aufzuzeigen. Das Anreizsystem blieb in den meisten Fällen aber mehr ein Gedankenkonstrukt, das in seinen Möglichkeiten nicht voll ausgereizt werden konnte. Dies kann erst der Fall sein, wenn es von den Teilnehmern „verinnerlicht“ worden ist. Zumindest in diese Richtung konnten wir mit der Veranstaltung Impulse setzen. Die abschließende Diskussion im Modul 1 zeigte auch, dass die meisten Teilnehmer nicht mit den ausgehändigten Fragen gearbeitet hatten. Trotzdem konnte mit diesem Modul, wenn auch auf geringerem Niveau als geplant, eine Schneise für den intelligenten Umgang mit Nachhaltigkeitsprojekten geschlagen werden, auf der man im weiteren Verlauf aufbauen konnte. Als Schlussfolgerung: die Idee ist gut, aber muss mit größerem Aufwand vermittelt werden. Modul 2 Lösungsmöglichkeiten Mit diesem Modul wird das ausgewählte Projekt konkretisiert. Hierzu werden die vorbereiteten Vorschläge auf Moderationskarten notiert. Darüber hinaus werden im Rahmen eines Brainstorming weitere Lösungsverschläge gesammelt. Das kreative Arbeiten in der Gruppe trägt dazu bei, die Herangehensweise an Nachhaltigkeitsprojekte auf eine breitere Wissensbasis zu stellen und die Lösungskompetenz der Gruppe zu entwickeln. Die gesammelten Maßnahmen werden jetzt mit einer ABC-Analyse bewertet. Diesem Schritt kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als damit aus einer Vielzahl von Maßnahmen (inklusive „versponnenen, kreativen Ideen“) die unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit vielversprechendsten Lösungen herausgefiltert werden. Dies ist in zweifacher Hinsicht von Interesse. Zum einen wird die Quantität (hohe Anzahl) von Vorschlägen in eine qualitative Rangfolge transformiert, die verdeutlicht, welche der Maßnahmen unter allen drei Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) aus Sicht der Gruppe als erfolgversprechend eingeschätzt werden. Zum anderen wird damit ein weiterer logischer Schritt im Lernprozess der Gruppe vollzogen. Die Teilnehmer lernen, die unterschiedlichen Sichtweisen zu einem Problem wahrzunehmen, zu akzeptieren (oder auch nicht), und diese in einem Diskurs auf eine gemeinsame Ebene zu bringen. Die Lösungsvorschläge werden hierbei von der kreativen Phantasieebene näher an die konkretere Ebene der praktischen Umsetzung (Erfolgsaussichten) gebracht. Dies deckt sich im Kleinen mit dem übergreifenden Ansatz, von der allgemeinen Ebene immer näher an die konkrete Umsetzung einzelner Projektschritte zu kommen. 68

Das ausgewählte Instrument ABC-Analyse „zwang“ die Teilnehmer dazu, sich Gedanken zur Systematisierung der einzelnen Umweltmaßnahmen zu machen. Zu jeder der Maßnahmen sollten sich die Teilnehmer äußern, inwiefern die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind. Hierzu zogen wir die diskursive Vorgehensweise vor, damit sich die Teilnehmer langsam an die Einschätzung heranarbeiten konnten. Ob dies bei der groben Unterteilung in drei Erfüllungsgrade der Kriterien zufriedenstellend erreicht werden kann bleibt grundsätzlich fraglich, jedoch ist im Rahmen einer solchen Veranstaltung kaum eine feinere Untergliederung oder gar die Berechnung exakter Werte möglich. Andererseits bleibt dann die Frage unbeantwortet, wie aussagekräftig die Ergebnisse einer ABC-Analyse aus einem solchen Prozess sind, der nicht auf Berechnungen sondern auf der qualitativen Einschätzung unterschiedlicher Teilnehmer beruht. Denn immerhin soll das „Ergebnis“ die weitere Vorgehensweise mitbestimmen, indem besonderes Augenmerk auf die A-Maßnahmen gelegt wird. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass man mit einer solchen, mehr qualitativ orientierten Vorgehensweise, zu guten Ergebnissen kommt. Die Gruppen konnten sich meistens relativ zügig auf eine Einordnung der einzelnen Kategorien einigen und die Ergebnisse erschienen durchweg nachvollziehbar. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre eine stichprobenweise Überprüfung dieser Ergebnisse anhand einer analytischen Vorgehensweise bei einzelnen Maßnahmen sinnvoll gewesen, um diese nachträgliche Einschätzung zu erhärten (oder zu widerlegen). Im Rahmen unserer Konzepterstellung spielten solche Gedankengänge jedoch keine Rolle, da wir mit der Erarbeitung, Vorbereitung und Durchführung in dieser Phase des Projektes vollständig ausgelastet waren und für uns der Lerneffekt beim analytischen Umgang mit Nachhaltigkeitsprojekten im Vordergrund stand. Für Nachahmer der Methode wäre ein solches Vorgehen (mit „Kontrollrechnung“) durchaus empfehlenswert. Oder, wenn die Veranstaltungen auf mehrere kürzere aufgeteilt würden, wäre es im Interesse sinnvoller Ergebnisse, die durch die Gruppe durchgeführte ABC-Bewertung mit im Vorfeld ermittelten Daten zu unterstützen, die ggf. von den betroffenen „Experten“ ermittelt werden könnten. So käme man mit Sicherheit zu analytisch nachvollziehbaren Ergebnissen, die auch die Controller überzeugen könnten. Nichtsdestotrotz zeigten sich die Gruppenergebnisse als recht stabil, da genügend Sachverstand vorhanden war, um zu nachvollziehbaren Ergebnissen zu kommen. Modul 3 Die „optimale Lösung“ Bei der Suche nach der „optimalen Lösung“ stehen zwei Fragen im Vordergrund: • •

Welche Einflussfaktoren sind für die einzelnen Maßnahmen am wichtigsten? Welcher der bereits am ersten Runden Tisch erarbeiteten Wege zur Nachhaltigkeit (Innovation in Technik, Verhalten und Organisation) spielt bei der Umsetzung der Maßnahme die größte Rolle?

Um diese Fragen zu klären, schien es sinnvoll, mit den Teilnehmern eine Portfolioanalyse durchzuführen, um den Einfluss der drei Dimensionen Technik, Verhalten und Organisation auf eine Maßnahme in ihrem relativen Ausmaß einschätzen zu können. Dieses Instrument ist leicht zu verstehen und eignet sich insbesondere auch dazu, das Ergebnis in einem diskursiven Prozess zu ermitteln. Durch Zuruf aus dem Plenum sollten die Moderationskarten, auf die die A-Maßnahmen geschrieben waren, auf einem großen Portfolio-Tableau (Flip-Chart oder Packpapier) verschoben werden. Dabei sollten die Teilnehmer einzuschätzen lernen, wie wichtig die einzelnen Dimensionen für die Umsetzung der Maßnahme sind. Das Ergebnis zeigt sich in der Positionierung der Moderationskarten auf dem Portfolio-Chart und kann so weiterhin von der Gruppe diskutiert werden. Der Prozess, der zur Einordnung führt, macht den Teilnehmern deutlich, dass es vom Vorschlag einer Maßnahme (Brainstor69

ming) bis zu deren Durchführung einiger Überlegungen bedarf, auf welchen Wegen man im Unternehmen Nachhaltigkeit verwirklichen kann. Bei der Einübung dieses Prozesses wird eine Lösungskompetenz für Nachhaltigkeitsprojekte aufgebaut, die weiteren Projekten zugute kommen kann. Insbesondere die Mehrdimensionalität des Nachhaltigkeitsansatzes kann so in den Köpfen der Teilnehmer verankert werden und trägt einen Teil zur Fähigkeit zum ganzheitlichen Denken im Unternehmen bei. Wenn sich die Gruppe und der Einzelne Gedanken machen, welche Bereiche in welcher Art und Weise für eine Maßnahme von Bedeutung sind, so ist auch die Gefahr wesentlich geringer, bei sogenannten „Insellösungen“ Verbesserungen in einem Bereich mit Verschlechterungen in einem anderen Bereich zu erkaufen oder zumindest zu einer Abwägung zu gelangen, welche weiteren Folgen eine Maßnahme für das Unternehmen nach sich ziehen kann. Nachdem diese Einschätzung vorgenommen ist, können die einzelnen Maßnahmen nun darauf überprüft werden, welche Veränderungen am „Anreizsystem“ zu ihrer Durchführung am angemessensten wären. Die relevanten Elemente des Anreizsystems sollten insofern angepasst werden, als sie die Durchführung der Maßnahme unterstützen. Auch hier wurde ein diskursiver Prozess angestrebt, der in der gesamten Gruppe das Gespür für die zu beachtenden Feinheiten bei der Durchführung einer Maßnahme schulen sollte. Die Gruppe sollte nach einiger Übung in der Lage sein, in einem zügigen Prozess bestehende Engpässe oder Problempunkte einer Maßnahme gemeinsam zu eruieren und von vornherein das Anreizsystem demgemäss ausrichten. Dieser Prozess kann dann als eingeübtes Verfahren in der Planungsphase jedes folgenden Projektes wieder abgerufen werden, um das Potenzial der gesamten Gruppe zu nutzen. Alle für das Anreizsystem gefundenen Arbeitspunkte können als kleinste Arbeitseinheit eines Nachhaltigkeitsprojektes betrachtet werden. Diese zumeist kleinen und überschaubaren Aufgaben können sodann an Einzelpersonen oder Kleingruppen vergeben werden, was im nächsten Modul geschehen soll. Eine weitere analytische Stufe sollte erklommen werden, indem die Gruppe dazu angeleitet wurde, im Rahmen einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Portfolioanalyse die Umsetzungsdimensionen der als vielversprechend identifizierten A-Maßnahmen abzuschätzen. Mit diesem Modul kamen wir bei den unterschiedlichen Gruppen zu stark streuenden Ergebnissen, was darauf hindeutet, dass es bei der Verwendung solcher auf den ersten Blick „einfachen“ (man mag auch sagen primitiven) Managementinstrumente sehr auf die Rahmenbedingungen ankommt. Hier sei insbesondere der Wissens- und Vorbereitungsstand aller Beteiligten hervorzuheben. In der Regel müssen wir von einem geringen Wissensstand ausgehen und deshalb mehr Vorbereitungszeit einplanen. Auch hier zeigte sich, dass die Einschätzungen der Fachleute keinesfalls die der Teilnehmer des Runden Tischs trafen. In einer solchen Situation zerrinnt meist zu allem Übel die Zeit und macht mögliche Fehler wahrscheinlicher. Die Veranstalter (einschließlich des Mediators) setzen sich dann über die Wissensdefizite der Gruppe hinweg und stoppen die Lernprozesse durch eigene Intervention. Insgesamt konnten mit dieser Methode dennoch recht eindeutige und zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden und am Ende war auch den meisten Beteiligten das Potenzial der Methode deutlich geworden. Der nächste Schritt, die Anwendung des Anreizsystems auf ausgewählte A-Maßnahmen, sollte zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Maßnahmen in nicht mehr unterteilbare Arbeitsschritte führen, die sich auf die einzelnen Dimensionen des Anreizsystems bezogen. Was aus Sicht der Forschungsgruppe von allen Schritten am kompliziertesten klang, löste sich in der praktischen Anwendung Dank der intensiven und guten Erklärungen des Mediators erstaunlich leicht auf. In allen Gruppen konnte geklärt werden, ob, und in welcher Weise für 70

eine bestimmte Maßnahme Veränderungen am „Anreizsystem“ vorzunehmen waren und in welcher Form dies am besten geschehen sollte (einzelne Arbeitsschritte). Da sich dieser Erkenntnisfortschritt in der Regel in einem diskursiven Prozess langsam entwickeln konnte, ist davon auszugehen, dass damit der beabsichtigte Lernfortschritt in der Lösungskompetenz der Gruppe vollzogen werden konnte, vorausgesetzt, die Methode wird in absehbarem Zeitraum für ähnliche Projekte erneut angewandt. Modul 4 Projektplan Am Ende dieses arbeitsreichen Runden Tischs geht es darum, die ermittelten Arbeitsschritte zu bündeln und zu verteilen, sowie einen Zeitplan zur Umsetzung zu gestalten, damit das ausgewählte Nachhaltigkeitsprojekt auch planmäßig durchgeführt werden kann. Da das Planen zum Tagesgeschäft gehört, haben wir für die Vorbereitung dieses Moduls nicht zu viel Aufwand betrieben, sondern nur einen Projektstrukturplan zur Verfügung gestellt, der in einem gemeinsamen Prozess ausgefüllt werden sollte. Die Erstellung eines Projektplans sollte aus (vorheriger) Sicht der Forschungsgruppe für die Unternehmen nicht mehr als eine Routineaufgabe sein, da es nun nur noch um die sinnvolle zeitliche und personelle Verteilung der Einzelschritte gehen sollte und somit endlich konkret werden würde. Dies war nach den Äußerungen aus den vorangegangenen Befragungen ganz nach dem Geschmack der Beteiligten. Es handelte sich dabei jedoch um eine Fehleinschätzung. Der Vorgang selbst, das Ausfüllen des Projektstrukturplans (Majer et al., 1999b, Folie V.8) verlief in einigen Unternehmen sehr schleppend, in anderen sehr zielstrebig in einer angeregten Diskussion, innerhalb derer die Aufgaben verteilt wurden. Die Zurückhaltung in manchen Unternehmen mag darauf zurückzuführen sein, dass sich die Mitarbeiter, die aus dem Tagesgeschäft bereits unter enormem Zeitdruck standen, sich nicht weitere Aufgaben außerhalb ihres „eigentlichen“ Aufgabenbereichs aufhalsen wollten. In einem Unternehmen übernahm nach längerem Schweigen auf die Frage, wer was machen wolle, kurzerhand der anwesende Betriebsleiter das Ruder und verteilte die Aufgaben zwar wenig demokratisch aber sehr effektiv. Auch dies mag eine Lösung sein, nachdem man in insgesamt neun Stunden Runde Tische genug diskutiert hat, um einmal wieder auf eine hierarchisch orientierte Vorgehensweise zurückzugreifen. Das betreffende Projekt war eines der wenigen, das im nachhinein betrachtet auch vollständig und konsequent durchgeführt wurde, was nicht zuletzt am Willen aller Beteiligten lag, im Unternehmen etwas zu bewegen. Dazu beigetragen hat in diesem Fall auch die vorbehaltlose Unterstützung durch die Geschäftsleitung. Eine andere Frage war, inwieweit der Entschluss, das ausgewählte Nachhaltigkeitsprojekt im Unternehmen tatsächlich durchzuführen, von den Teilnehmern als verbindlich betrachtet wurde. Dass der Runde Tisch nicht in allen Unternehmen gleich ernst genommen wurde zeigt sich besonders an dem Sachverhalt, ob die Erkenntnisse aus den Veranstaltungen tatsächlich in den Unternehmensalltag einfließen. Dort, wo dies geschehen ist, kann man von einem vollen Erfolg des Gesamtprojektes sprechen. Wo dies nicht der Fall ist, kann man zumindest den Teilerfolg der Bewusstseinsweiterbildung für Nachhaltigkeit verbuchen, die sich aber nur schwer auf den weiteren Unternehmenserfolg beziehen lässt. Hier können keine direkten Bezüge hergestellt werden, inwiefern spätere richtungsweisende Entscheidungen oder Projekte innerhalb des Unternehmens auf die Runden Tische zurückzuführen sind.

71

4.4

Stellung des Runden Tischs im Unternehmen

Im folgenden geben wir zwei sinngemäße „Protokollnotizen“ wieder, die von Unternehmen auf die Frage nach der Stellung des Runden Tischs in der Zukunft geäußert wurden. Stellung des Runden Tischs im Unternehmen I Der Runde Tisch kann als Institution im Unternehmen erhalten bleiben. Da mit dem ÖkoTeam bereits ein gutes operatives Gremium existiert, soll der Runde Tisch mehr als Ideenfinder bis hin zur strategischen Ausrichtung, auch im Hinblick auf die nächste Validierung (EMAS), verstanden werden. Eine Definition als Stabsstelle ist bei der Größe des Unternehmens hinfällig, der Kontakt zur Geschäftsleitung ist durch die regelmäßige Teilnahme von Herrn NN gewährleistet. Der administrative Aufwand soll so gering wie möglich gehalten werden, das Gremium soll sich also eher nach Bedarf als nach einem festen Plan treffen. Sicherlich wird dies aber mindestens zwei Mal pro Jahr der Fall sein. Die „bunte“ unternehmensübergreifende Zusammensetzung (bis auf den Verkauf, der aber indirekt über Herrn NN vertreten ist) hat sich bewährt und sollte in etwa erhalten bleiben. Stellung des Runden Tischs im Unternehmen J Es ist im allgemeinen eine hohe Arbeitsbelastung bei den Mitarbeitern der Firma J zu beobachten. So fällt es auch den interessierten Teilnehmern schwer, sich auf neue Themen wie Nachhaltigkeit einzulassen und einen Teil ihrer Arbeitskraft und -zeit darauf zu verwenden, was die Kontinuität der Arbeit des Runden Tischs nicht unerheblich gefährdet. Obendrein dominiert der ökonomische Druck die Unternehmenskultur, was nicht viel Spielraum für Kreativität zur Lösung ökologischer Probleme erwarten lässt. Dazu kommt die entscheidende Rolle, die der Mediator für die Entwicklung des Runden Tischs hat. Ein ebensolcher ist aber auf nächste Sicht im Unternehmen nicht auszumachen, so dass zu befürchten steht, dass an eine selbständige Weiterführung der Runden Tische vorerst nicht zu denken ist, solange sich keine Persönlichkeit findet, die die Ideen der Nachhaltigkeit im Unternehmen so überzeugend zu transportieren versteht wie der Mediator. Trotzdem scheint von Unternehmensseite ein Bedarf für den Runden Tisch vorhanden zu sein. Er sollte jedoch bedarfsorientiert eingesetzt werden, also zu konkreten Aufgaben einberufen werden. Insofern müsste er als feste Institution im Unternehmen installiert werden, in welcher Form ist aber noch völlig offen. Angestrebt sind aber wenigstens halbjährliche Treffen. 4.5

Fallstricke bei Runden Tischen

Vorbereitung Der Weg zum nachhaltigen Unternehmen (vgl. Majer, 2000a) ist steinig und mühsam. Ob der Ansatz der Mitarbeiterbeteiligung an Runden Tischen ein geeigneter Weg oder zumindest ein Wegweiser sein kann, sollte in diesem Projekt geklärt werden. Da wir uns in den, wenn auch von der Größe her überschaubaren, Unternehmen in komplexen sozio-technologischen Netzwerken bewegen, und darin den Anspruch haben, etwas bewegen zu wollen, ist nie exakt vorherzusehen, wohin eine geplante Maßnahme mit einer bestimmten Zielsetzung tatsächlich führt. Eine kaum zu bestimmende Zahl von Einflussfaktoren bestimmt das Handeln des Einzelnen im Unternehmen und des Unternehmens als System, die bei den konzeptionellen Vorüberlegungen nur zu einem Bruchteil berücksichtigt werden konnten. Schon der Versuch, allein die Dynamik des Gremiums Runder Tisch mit seinen vor allem sozialpsychologisch relevanten Einflussfaktoren zu untersuchen, stößt an die Grenzen der Erklärbarkeit. Wieso ist den unw-Mitarbeitern der eine Ansprechpartner sympathischer als der andere, welchen Ein72

druck hat der Mediator von den Gruppenmitgliedern und wie kommuniziert er insgeheim, was er von der Gruppe hält? Welchen Einfluss kann dies auf die Ergebnisse der Runden Tische haben? Welche Unterstützung erhält das Projekt von der Geschäftsleitung, oder steht vielleicht gar die Unternehmensphilosophie (im zweiten Runden Tisch auch salopp „Unternehmensdenke“ genannt) den Ideen des Runden Tischs entgegen? In manchen Unternehmen dominierten technische und ökonomische Elemente des sich verschärfenden Wettbewerbs so stark, dass man den Eindruck gewinnen konnte, organisatorische Innovationen seien im Unternehmen gar nicht erwünscht, da sie das bislang gut funktionierende Fortbestehen gefährden könnten. Hier mag die Neigung dahinterstehen, bewährte Konzepte aufrechtzuerhalten, und mit „mehr desselben“ auf verschärften Druck zu reagieren. Um so höher ist es den beteiligten Unternehmen anzurechnen, dass sie sich gemeinsam mit dem unw auf solch unbekanntes Terrain wagten. Im folgenden sollen mögliche Fallstricke, die zum Scheitern des Ansatzes der Runden Tische beitragen könnten aufgezeigt werden, nicht ohne auf Strategien zu verweisen, wie damit umzugehen ist, um die Runden Tische zu einem Erfolg zu machen. Mitarbeitermotivation Das Gelingen des Projektes steht und fällt mit der Auswahl der Mitarbeiter. Zwar wurden zu Beginn des Projekts vom unw Empfehlungen ausgesprochen und den Unternehmen auch in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt, doch verbarg sich dahinter eine Idealvorstellung, die zuerst auf den Unternehmensalltag angepasst werden musste. Da aber auch in den Unternehmen zu wenig Erfahrung mit der angestrebten interdisziplinären Zusammensetzung der Gruppe vorauszusetzen gewesen wäre, hätte der unw hier mehr Hilfestellung bei der Auswahl und beim Ansprechen der Interessierten geben müssen, um die Abdeckung der betrieblichen Wertschöpfungskette möglichst sicherzustellen. Hier bedarf es intensiver Nacharbeit für das Handbuch, das letztendlich Ergebnis des Projektes sein soll. Die Frage der Freiwilligkeit der Teilnahme ist insofern zweischneidig, als freiwillige Teilnehmer mit Sicherheit sehr motiviert und an den Fragen des Umweltschutzes interessiert sind, andererseits damit aber Anstrengungen und Bewusstseinsbildung bei Personen unternommen werden, die es vielleicht weniger nötig haben als andere. Eulen nach Athen zu tragen heißt im Unternehmen schlicht Ressourcenverschwendung. Trotz dieser Einschränkung ist allerdings anzunehmen (aber schwer zu beweisen), dass sich gerade diese Freiwilligen als gute, weil engagierte, Multiplikatoren im Unternehmen erweisen werden und der erwünschte Effekt am Ende auch bei den Mitarbeitern eintritt, die es von vornherein „nötiger gehabt hätten“. (Wobei diese Wertung immer subjektiv geprägt sein dürfte, sich dieser Effekt also kaum wird objektiv nachweisen lassen). Unterstützung durch die Geschäftsleitung Da ein solches Projekt in der Regel von der Geschäftsleitung initiiert wird, scheint diese Fragestellung obsolet zu sein. Dennoch ist zu konstatieren, dass nichts den Unternehmensalltag mehr zu behindern vermag als widersprüchliche Informationen. Zu beachten sind hier insbesondere die Motive, aus denen heraus eine Entscheidung für solch ein internes Projekt, das der Organisation neue Impulse geben soll, getroffen wird. Kommt der Anstoß, wie im vorliegenden Fall, von außen durch den unw? Ist der unw blamiert, wenn sich der ökonomische Aufwand als erheblich höher herausstellt, als man sich ihn zu Anfang vorstellt, denn eine vernünftige Arbeit des Runden Tischs ist nur durch hohen persönlichen Einsatz der beteiligten Mitarbeiter, sprich viele Mann/Frau-Stunden zu gewährleisten. Hier kann die anfängliche Unterstützung durch die Geschäftsleitung schnell in konterkarierende, ökonomisch scheinbar unbedingt notwendige Maßnahmen umschlagen oder das 73

Tagesgeschäft (auf das die Geschäftsleitung mit ihrer Personalpolitik Einfluss ausübt) die eigentlich motivierten Mitarbeiter „auffressen“. Dies kann geschehen, ohne dass die Geschäftsleitung offiziell die Bedeutung des Runden Tischs zurückstuft. Kommt der Anstoß aus den eigenen Reihen der Geschäftsleitung (vielleicht weil ein Mitglied einen Forschungsbericht gelesen hat), so gelten grundsätzlich obige Einschränkungen. Solche Entscheidungen können nur unter der Prämisse der Langfristigkeit getroffen werden, denn auch erhoffte Effekte wie Verbesserung des Betriebsklimas, Wirkungen auf das Image oder Effizienzverbesserungen durch bessere Motivation der Mitarbeiter, können lange auf sich warten lassen, häufig lassen sie sich nicht einmal direkt der Maßnahme zuordnen. Bewiesen scheint nur (bereits in den 50er-Jahren), dass allein durch die Teilnahme an einem Projekt oder einer Maßnahme mit Projektcharakter die Motivation (und damit die Produktivität) der Mitarbeiter ansteigt. Kommt der Anstoß aus der Belegschaft (weil vielleicht ein Mitglied des Betriebsrats diesen Forschungsbericht gelesen hat), so ist ernsthaft zu prüfen, ob die Geschäftsleitung sich mit der dahinterstehenden Idee identifizieren kann. Nur um der Belegschaft einen Gefallen zu tun, indem man ihr (angeblich) „einen Debattierclub spendiert“, wird der Idee nicht gerecht und ist außerdem zu teuer. Kompetenzen und organisatorische Einbindung des Runden Tischs müssen gut zur bestehenden Unternehmensstruktur passen, denn Reibungsverluste oder Doppelarbeit kann sich kein Unternehmen leisten. Der Ansatz der Runden Tische erfordert offene Kommunikation und klare Wege, so dass jeder Mitarbeiter im Bilde ist und das Gremium als entscheidungsbefugt oder zumindest als beratenden Stab anerkennt. Einfluss einzelner Persönlichkeiten Zum einen ist hier die Person des Mediators gemeint, der mit seinem Stil und seinen Ansichten die Entwicklung des Runden Tischs prägt. Stil und Voraussetzungen sollten deshalb auch Thema im Ersten Runden Tisch sein. Ob sich ein geeigneter Kandidat im Unternehmen selbst findet oder ob ein „Externer“ grundsätzliche Vorteile bringt, sollte diskutiert werden. Grundsätzlich ist ein „Externer“ im Normalfall (also wenn kein Forschungsprojekt ihn finanziert) die kostenintensivere Lösung. Ob die Ergebnisse, die sich mit Hilfe eines Moderationsprofis erreichen lassen, diese Kosten rechtfertigen, dessen sind wir uns sicher, es lässt sich aber nur schwer feststellen. Zum anderen setzt sich eine Gruppe aus einer Vielzahl von Einzelpersönlichkeiten zusammen, von denen sich der eine oder andere als schwarzes Schaf entpuppen könnte. Der Schaden, den ein „Abseiler“ in solch einem Gremium durch seine Untätigkeit anrichten kann ist eher gering einzuschätzen. Schwieriger zu handhaben sind übermotivierte „Selbstdarsteller“, die sich bei Projekten vielleicht in den Vordergrund drängen und damit nicht zuletzt den Elan der „Stilleren“ zum Erliegen bringen können. Dieser Aspekt beeinflusst in hohem Maß die Gruppendynamik. Einfluss der Gruppendynamik – Destruktive Diskussionskultur Die Gruppendynamik kann durch ihre Eigengesetzlichkeit den Erfolg des Runden Tischs wesentlich beeinflussen, soll hier jedoch nicht tiefgreifend thematisiert werden. An dieser Stelle soll vielmehr der Versuch unternommen werden, einen speziellen Fall von Gruppendynamik herauszustellen, der als negatives Beispiel aufzeigen kann, wie das Festhalten an eingespielten Diskussionsroutinen (als Ergebnis bereits früher vollzogener gruppendynamischer Prozesse) den Erfolg der Runden Tische beeinträchtigen kann. Gerade in Unternehmen, die stark von technischen und kaufmännischen Sachzwängen beherrscht sind, kann es bei entsprechend 74

nachlässiger Auswahl der Teilnehmer zu Konstellationen kommen, die stets technokratisch orientierte Lösungen anstreben oder latent aggressive Beiträge hervorbringen, die dem Ansatz eines offenen, auch emotional orientierten Diskurses zuwiderlaufen. Solange die einzige zugelassene Emotion Aggression ist oder sich in der Gruppe die Vorstellung durchgesetzt hat, durch wiederholtes Hinterfragen und Nichtakzeptieren von Antworten oder Lösungsmöglichkeiten sei eine konstruktive Diskussion möglich, wird man sich in der Regel in endlosen Diskussionsschleifen wiederfinden und sich obendrein fragen, warum man zu keiner vernünftigen Lösung kommt. Handelt es sich hierbei um einen eingespielten Vorgang, so ist es dem Mediator kaum möglich, die persönlichen Barrieren der einzelnen Teilnehmer zu überwinden. Diskussionen laufen ins Leere und lassen als auffälligstes Ergebnis eine unbefriedigende Ratlosigkeit zurück, was mit der Veranstaltung denn nun bezweckt worden sei. Die Auflösung solcher möglichen Konflikte kann zwar bis zu einem gewissen Grad zum Aufgabenbereich des Mediators gezählt werden, nimmt die Diskussionskultur jedoch unberechenbare Züge an, so wäre es durchaus ratsam, einen Kommunikationsexperten hinzuzuziehen (der der Mediator im besten Falle selbst sein könnte), der in der Lage ist, solche Konstellationen zu diagnostizieren und der geeignete Übungsmethoden kennt, diese destruktiven Tendenzen zu behandeln. Erst dann kann man davon ausgehen, dass der Runde Tisch zu wirklich befriedigenden Ergebnissen gelangen kann. Fehlt an den Runden Tischen eine Kultur des Vertrauens, dann schleichen sich Verhaltensweisen ein, die Lernprozesse blockieren. Dieses Vertrauen fehlt, wenn einzelne Teilnehmer vor den Veranstaltungen von dritter Seite dazu aufgefordert werden, möglichst viele „unangenehme Fragen“ zu stellen oder gar, wenn möglich, gezielt Argumente gegen inhaltliche Aspekte oder Vorgehensweisen der Veranstaltungen hervorzubringen. Nimmt einer der Aufgeforderten diese Aufgabe ernst, dann kann der Gesamterfolg des Projektes insgesamt sehr unbefriedigend bleiben, zumal dann, wenn sich dieser Diskussionsstil durch alle Veranstaltungen zieht, ohne dass der Mediator oder die teilnehmenden Beobachter die direkte Absicht dahinter erkennen können. Ideologisierung der Inhalte und der Leitidee durch einzelne Teilnehmer Insbesondere dort, wo es um Umweltschutz geht, sind die Unkenrufer nicht weit, die jeden erdenklichen Anhaltspunkt aufzufinden bemüht sind, mit dem sich die Idee des Umweltschutzes (oder unsere ethische Verantwortung, dafür ausreichend Sorge zu tragen) zu einer glaubensgeleiteten Ideologie verbrämen lässt. Das Unangenehme daran ist, dass deren Einwände durchaus nachvollziehbar sind, schaut man sich die historische Entwicklung der Ökologiebewegung an, die aus einem wissenschaftlichen Begriff eine Weltanschauung und ein Lebensgefühl gemacht hat, das für eine diffuse Befürchtung herhalten muss, dass „wir“ so unökologisch wie derzeit nicht weitermachen können. Der Umstand, dass es sich nicht ohne weiteres naturwissenschaftlich beweisen lässt (bei genauerer Betrachtung finden sich die Unkenrufer am ehesten in der Fraktion der Ingenieure, die auf die technische Beherrschbarkeit unserer Welt setzen), wie schädlich unser Wirtschaften für den Planeten Erde oder einzelne Biotope einzuschätzen ist, ist darüber hinaus Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Aufruf zu einem Umdenken für einen Ausdruck technikfeindlichen und nur ideologisch motivierten Salbaderns für eine „bessere Welt“ halten und ihn als rational nicht haltbar abqualifizieren. Dass gerade diese Einwender selbst einem strengen Glauben anheim gefallen sind, nämlich dem der technischen Machbarkeit, tut der Vehemenz des Vortrags ihrer Argumente keinerlei Abbruch. Dieser Vorgang der Abqualifizierung des Leitbildes der Nachhaltigkeit zur reinen Ideologie kann sowohl subtil, als auch durch frontale Konfrontation erfolgen. Beide Phänotypen haben 75

das Ziel, die Argumentation für die Notwendigkeit umweltschützender (oder nachhaltiger) Maßnahmen zu entkräften, indem man zu beweisen sucht, dass es für deren Notwendigkeit keinerlei Beweise gibt, die Argumente also nur einer Ideologie oder dem bloßen Glauben entspringen können. Dies eröffnet die Möglichkeit, alle aus dem Leitbild der Nachhaltigkeit entwickelten Ideen als für den Unternehmensalltag irrelevant zu belächeln, ohne sie direkt ablehnen zu müssen und erweist sich als bequemer Ausweg, wenn man sich der Mühe entziehen will, einen verantwortungsvollen aktiven Beitrag zu leisten. Ideologisierung kann darüber hinaus so weit gehen, im Leitbild der Nachhaltigkeit und der daraus abzuleitenden Handlungsmaximen (Managementregeln) eine Gefahr für das bestehende System zu sehen, deren Folgen man sehr genau beachten muss oder vor denen man sich gar schützen sollte. Diese Vorsicht und Befürchtungen geben den Betroffenen genug Anlass, mit Scheinargumenten auch die kleinsten positiven Ansätze eines produktiven Diskurses in ein Desaster sich im Kreise drehender inhaltsleerer Diskussionen zu wenden. Das Ergebnis ist, dass man zu keinem befriedigenden Ergebnis kommt, was man nun wiederum der „ungeeigneten Methode“ der Runden Tische oder der unbrauchbaren Ideologie zuschreiben kann. Die Argumente liefern also Argumente für sich selbst. Hier obliegt es dem Mediator, durch Fingerspitzengefühl und geeignete Maßnahmen für eine produktive Diskussionskultur zu sorgen19.

5.

Statistische Auswertungen

5.1

Auswertungen des Gruppenverhaltens

An der folgenden Tabelle ist deutlich zu sehen, welche Bedeutung der Mediator für den Ablauf des Runden Tischs hatte. Mehr als die Hälfte der zur Verfügung stehenden Sprechdauer wurde von ihm beansprucht (ein Eindruck, der sich auch in den weiteren ersten Runden Tischen bestätigte). Der Gruppe kann man insgesamt ein sehr homogenes Verhalten zuschreiben. Zwei Teilnehmer dominierten zwar geringfügig die Veranstaltung, aber nicht so stark, dass man es als gravierend empfunden hätte. Hier war die Auswahl der Teilnehmer also gut gelungen, was sich auch bei der Inhaltsanalyse zeigte, die eine sehr fruchtbare und von allen engagiert getragene Runde offenbarte. Die Diskussionen verliefen ohne herausragende Versuche zur Selbstdarstellung. Das einzige, was man bemängeln konnte, war zeitweiliges Moralisieren und waren negative Fremdzuschreibungen in Bezug auf Umweltprobleme, die in der Diskussion nicht ausgeräumt werden konnten, sondern eher auf breite Zustimmung innerhalb der Gruppe trafen. Das insgesamt erfreuliche Ergebnis dieser Veranstaltung wird durch die Auswertung der weiteren Kategorien bestätigt.

19

76

Beispiele hierfür finden sich u.a. in: Montada/ Kals , 2001

Teilnehmerkürzel

0 1 2 3 4 6 7 8 9 10 11 12

Matchcode

Sprechhäufigkeit

Pausen Mediator unw

5 53 10 8 3 5 3 11 5 7 4 19 10

unw

Sprechdauer in Rededauer DurchMinuten schnitt 48,0 97,9 2,9 3,6 0,5 2,1 1,8 4,2 1,6 1,8 0,7 13,5 1,5

575,6 110,8 17,3 27,3 9,0 25,2 35,0 22,9 19,4 15,3 10,5 42,5 9,0

Tabelle 18: Sprechhäufigkeiten (Erster Runder Tisch, Firma K) Als Beispiel soll hier die Einordnung der Äußerung bezüglich der Kategorie E nach Phasen der Veranstaltung zeigen, wodurch die Diskussion nach dem Film (in der Tabelle Phase 2) geprägt war: Phasen 1 2 2 4 4

Anzahl der Aussagen in Kategorie E (Kommunikationsstil)20 3 16 19 2 98

Ausprägungsmuster abstrakt gefühlsbetont abstrakt gefühlsbetont Abstrakt

Tabelle 19: Auswertung nach Phasen Kategorie e (abstrakt/gefühlsbetont) Ein solch hoher Quotient zugunsten emotional gefärbter Äußerungen wurde in keiner anderen Phase über das gesamte Projekt verzeichnet. Das Konzept, die Teilnehmer über einen emotionalen Zugang zum Thema zu mobilisieren, konnte eindrucksvoll bestätigt werden. Die Inhaltsanalyse ergab obendrein, dass trotz mancher stark persönlich gefärbter Äußerungen, insgesamt der Wille geweckt werden konnte, sich konstruktiv mit der Thematik auseinander zusetzen, auch wenn sich viele der Teilnehmer anfangs stark betroffen („wie gelähmt“) zeigten. War dieser Eindruck erst einmal verdaut, war der Wunsch umso größer, persönlich etwas zur 20

Alle Aussagen während des Runden Tisches wurden gemäß einem Kategoriensystem nach Fietkau/Pfingsten (1992) ausgewertet. Dabei wurde jede Aussage bezüglich der folgenden Kategorien mit spezifischen Ausprägungsmustern bewertet: A Inhaltliche Einordnung (Interakttyp) mit den Ausprägungsmustern verfahrensbezogen, inhaltlich und sozio-emotional B Zeitorientierung mit den Ausprägungsmustern zukunftsorientiert, vergangenheitsorientiert und gegenwartsorientiert C Gegenstandsbezug (Referenz) mit den Ausprägungsmustern keine, selbst, andere, Mediator und gemeinsam D Affektive Komponente mit den Ausprägungsmustern ablehnend, bestätigend und neutral E Kommunikationsstil mit den Ausprägungspaaren starr, hart vs. flexibel, aufgeschlossen, persönlich vs. unpersönlich und gefühlsbetont vs. abstrakt, nüchtern

77

Bewältigung der Probleme beizutragen, eine Motivation, die uns zur Durchführung des Projektes unerlässlich erschien. Teilnehmerkürzel

0 1 2 3 4 5 6 7 9 10

Matchcode

Sprechhäufigkeit

Sprechdauer in Minuten

Rededauer Durchschnitt

Pausen, Durcheinander Mediator

23

21,7

56,7

167 1 5 22 115 64 22 15 46 45

98,2 0,0 1,0 3,5 14,7 8,3 3,8 3,5 5,6 7,2

35,3 2,0 12,4 9,6 7,7 7,8 10,4 14,1 7,2 9,6

unw-Mitarbeiter

Tabelle 20: Sprechzeiten (Firma L) Die im Rahmen der Fietkau-Auswertung zusätzlich vorgenommene Auswertung der Sprechdauer der einzelnen Teilnehmer brachte interessante Ergebnisse zu Tage, die den subjektiven Eindruck aus der betreffenden Veranstaltung bestätigten. Obwohl es sich um eine interaktive Veranstaltung handeln sollte, beanspruchte der Mediator mehr als die Hälfte der zur Verfügung stehenden Sprechdauer. Die übrige Verteilung der Sprechdauern zeigt annähernd eine Normalverteilung, bis auf den Einfluss eines „Vielredners“, der sich darüber hinaus sehr viele Dialoge mit dem Mediator lieferte. Dieser Umstand bestätigt sich bei der Betrachtung der weiteren Auswertungsgrößen und zeigt auf, welche heikle Aufgabe dem Mediator zukommt, der sich einerseits aus dem inhaltlichen Geschehen möglichst zurückhalten sollte, andererseits durch seine Kompetenz in Verfahrensweisen die Aufgabe hat, die Gruppe zu einem optimalen Ergebnis zu führen, wozu auch gehört, ein möglichst gleichberechtigtes Arbeiten in der Gruppe zu ermöglichen. Letzteres ist hier nicht gelungen, weshalb man zumindest in dieser Veranstaltung nur zu einem suboptimalen Ergebnis gelangen konnte, weil der gruppendynamische Prozess von nur zwei Personen dominiert wurde. In den anderen Gruppen tauchte dieses Phänomen nicht so extrem auf, es handelt sich also hier um einen Sonderfall, für den die Forschungsgruppe jedoch während des gesamten Verlaufs des Projekts keine adäquate Strategie entwickeln konnte. Teilnehmerkürzel

Matchcode

0 0 0 1 2 3 4

Mediator Mediator Mediator

21

78

siehe Fußnote 20, Seite 77

Anzahl der Aussagen in Kategorie A (Inhaltliche Einordnung)21 104 4 59 1 5 22 80

Ausprägungsmuster

inhaltlich sozio-emotional verfahrensbezogen inhaltlich inhaltlich Inhaltlich Inhaltlich

Teilnehmerkürzel

4 4 5 5 6 6 7 7 9 9 10 10 10

Matchcode

unw unw unw

Anzahl der Aussagen in Kategorie A (Inhaltliche Einordnung)21 2 33 45 19 18 4 8 7 33 13 19 1 25

Ausprägungsmuster

sozio-emotional verfahrensbezogen inhaltlich verfahrensbezogen inhaltlich verfahrensbezogen inhaltlich verfahrensbezogen inhaltlich verfahrensbezogen inhaltlich sozio-emotional verfahrensbezogen

Tabelle 21: Auswertung aller Äußerungen nach Personen und Kategorie A Man erkennt, dass die verschiedenen Personen in der Gruppe unterschiedliche Schwerpunkte in der Art ihrer Äußerungen setzten. Dass der Mediator gut die Hälfte seiner Äußerungen auf die Vorgehensweise für den Runden Tisch bezog, verwundert höchstens insofern, als man bei konsequenter Auslegung seiner Funktion mit einem höheren Wert zu rechnen hätte. Der als „Selbstdarsteller“ eingeordnete Teilnehmer 4 erreicht hierbei immerhin noch etwas mehr als ein Drittel, versuchte sich also im äußersten Rahmen seiner Möglichkeiten in den Ablauf der Veranstaltung einzubringen, ohne verhältnismäßig viel zum inhaltlichen Erfolg beizutragen, was die Inhaltsanalyse der Veranstaltung ergab. Hier wäre es die Aufgabe des Mediators gewesen, durch vorsichtige Intervention wieder auf den erwünschten Pfad zu gelangen, statt sich auf diese Verfahrensdiskussionen einzulassen, oder sich mit nicht sachbezogenen Äußerungen auseinander zusetzen. Dies soll nicht heißen, dass solche Veranstaltungen völlig ohne Humor strikt nach Schema „F“ durchgezogen werden sollten, aber für ein Mindestmaß an Arbeitsdisziplin hat der Mediator bei allem Spaß zu sorgen. Die personenbezogene Auswertung der Kategorien C (persönlicher Bezug der Äußerung: andere/gemeinsam/selbst/Mediator), D (Reaktion auf andere Äußerungen: neutral/bestätigend/ablehnend), und F (Nachdruck der Äußerung: dominant/zurückhaltend) ergab jeweils einen überdurchschnittlichen Quotienten hinsichtlich selbstbezogener, ablehnender und dominanter Art der Äußerung beim als Selbstdarsteller bezeichneten Teilnehmer. Einen typischen „Schweiger“ hat die Gruppe mit der Person 1 vorzuweisen, die sich nur ein einziges Mal, auf direkte Anfrage durch den Mediator, zu Wort meldete. Dieser Eindruck bestätigte sich auch in den anderen Veranstaltungen. Aus Sicht des sozialen Aspekts der Nachhaltigkeit ist es vielleicht kein Fehler, auch eine solche Persönlichkeit durch die Veranstaltung mitzunehmen, ob dies jedoch kurzfristig produktiv ist, sei dahingestellt. Am angestammten Arbeitsplatz hätte der oder die Betreffende zumindest seinem oder ihren herkömmlichen Aufgaben ohne Verzögerung nachkommen können. Sollte dem Mediator also ein solcher Fall in einem anderen Unternehmen auffallen, so ist es eine durchaus legitime Überlegung, diese Person durch eine geeignetere zu ersetzen. Weitere Ergebnisse der Beobachtung nach der Fietkau-Methode lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Insgesamt verlief dieser Runde Tisch sehr ausgewogen, der Zeitbezug war generell gegenwartsorientiert, bewegte sich also direkt an den das Unternehmen betreffenden 79

Fragestellungen. Im Zeitverlauf zeigte sich aber, dass die Diskussion, als es um die Planung für den dritten Runden Tisch ging (also in der Endphase), schärfer wurde und die Äußerungen in zunehmendem Maße ablehnend gegenüber den Vorrednern wurden. Bis dahin waren die Gespräche vorwiegend durch neutrale oder, seltener, durch bestätigende Äußerungen geprägt. Die Kategorie E (abstrakt oder gefühlsbetont) verschob sich in dieser Phase signifikant von abstrakt zu gefühlsbetont, d.h. die Argumente wurden zunehmend emotional vorgetragen. Dass es in dieser Phase auch bezüglich der Kategorie F (dominant/zurückhaltend) zu einer Verschiebung von zurückhaltend vorgebrachten Argumenten zu zunehmender Dominanz in den Äußerungen kam, verstärkt diesen Eindruck noch. Die Inhaltsanalyse der betreffenden Stellen zeigte darüber hinaus, dass hierbei das Maß lebendiger Diskussion zugunsten fruchtloser Verteidigung liebgewonnener Argumente zeitweise überschritten wurde, jedoch nicht so, dass der Mediator hätte intervenieren müssen. Am Ende kam die Gruppe gemeinsam zu schlüssigen Entscheidungen, nicht zuletzt, weil man die gesetzte Zeit um 15 Minuten überschritten hatte. (diese Zeit hätte man bei geschickter Intervention in den heißen Phasen der Diskussion aber leicht einsparen können). Im folgenden werden die Ergebnisse des zweiten Runden Tischs bei der Firma M dargestellt. Zunächst geht es darum, die Oberkriterien für die Bewertung von Nachhaltigkeitsprojekten, Ökologie, Ökonomie und Soziales, inhaltlich zu klären. Als Erfahrungshintergrund dient die jeweilige Firma, hier M. Die Teilnehmer geben nach einem Brainstorming Karten ab, auf denen sie ihre Begriffselemente zu den Oberkriterien Ökologie, Ökonomie und Soziales aufgeschrieben haben. Diese Karten werden gesammelt und an einer Pinwand in eine systematische Struktur gebracht. Die entstehenden „Cluster“ oder zusammengefassten Merkmale werden dann als „Kriterien“ bezeichnet. Diese sind in der ersten Spalte der folgenden Tabellen aufgeführt. Diese Kriterien beschreiben die (strukturierte) „Qualität“ des Oberkriteriums. Die Frage lautet, welche Bedeutung die einzelnen Kriterien für die Gesamtqualität des Oberkriteriums haben. Dafür sind Gewichte zu ermitteln. Diese Gewichte sollen von den Teilnehmern der Gruppe bestimmt werden. Hierfür gaben wir farbige Klebemarken aus, die von den Teilnehmern bei den einzelnen Kriterien an der Pinwand angebracht werden konnten. Aus den Anteilen der Klebemarken je Oberkriterium oder Kriterien werden die Gewichte (relative Anteile) errechnet. Im vorliegenden Beispiel waren 11 Teilnehmer mit jeweils fünf zu vergebenden Punkten pro Oberkriterium beteiligt, d.h. es konnten 55 Punkte pro Oberkriterium vergeben werden. Die Gewichtung sagt aus, wie viele von diesen 55 Punkten für ein Kriterium (z.B. Abfall) vergeben wurden. Der Faktor ist die prozentuale Umrechnung dieses Wertes und könnte bei einer weiteren Verwendung in einer mehrstufigen Nutzwertanalyse als Faktor verwendet werden (z.B. 43% entsprächen einem Faktor 0,43). Im vorliegenden Beispiel hat sich eine Person mit einem Punkt „verklebt“, weshalb einmal 54 und einmal 56 Punkte vergeben wurden.

Bestimmung der Gewichte für Oberkriterien In diesem Schritt wurden die Teilnehmer aufgefordert, die Oberkriterien mit 6 Punkten zu gewichten. Die Frage lautete hierbei Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht für das Unternehmen die Oberkriterien Ökologie, Ökonomie und Soziales?

80

Kriterium

Gewichtung

Faktor

Ökonomie Ökologie Soziales

21 19 20

35% 32% 33%

Tabelle 22: Gewichtung der Oberkriterien 5.2

Ausgewähltes Projekt der Firma N – Abfallmanagement (Abfallwirtschaftskonzept) für den gesamten Betrieb

Technische Gegebenheiten

• •

• •



Es existiert eine Aufstellung der Abfallmengen nach verschiedenen Fraktionen sowie eine rein mengenbezogene ABCAnalyse 95% (Gewicht) sind Papierabfälle (8 Positionen) Partner für Entsorgung sowie Erstellung des technischen Teils des Abfallwirtschaftskonzepts ist die Firma 0, was folgende Pflichten beinhaltet: Erfassung, Einrichten von Entsorgungsinseln, Optimierung der Behälter, Farbleitsystem, Entsorgung, Nachweise der Entsorgungswege, Einholung der Genehmigungen, Abfallbilanzen, Jahresbericht an N, Abwicklung von Sonderabfällen, Schulungen der Mitarbeiter Es existiert ein Benchmarking für einzelne Abfallfraktionen (Bsp.: Hausmüll pro Mitarbeiter) Für eine Abteilung wurde beispielhaft ein „Schaltplan“ (schematische Zeichnung der Arbeitsstätte mit Ablaufschema und Standorten der Sammelbehälter) erstellt, mit dessen Hilfe man das Abfallmanagement optimieren will; ähnliches soll auch für andere Abteilungen erarbeitet werden Im April findet eine Betriebsbegehung mit der Firma 0 statt

Diskussion (mündliche - Abteilungsbezogene Daten fehlen (für Abfallmengen); Späne Äußerungen) zum Abwerden z.B. zentral gesammelt fallprojekt • Man muss wissen, was mit VV passiert • Arbeitsgruppen müssen die Maßnahmen umsetzen können; man braucht einen Ansprechpartner für Firma 0 und die Mitarbeiter • Interne Kommunikation muss verbessert werden (auch Lob und Tadel an Gruppen) • Alle Mitarbeiter sollen aktiviert werden. Gruppenarbeit nutzen; (Verantwortlichkeit) • Vermeidung soll mehr in den Mittelpunkt rücken (Verhalten der einzelnen Mitarbeiter) • Bessere vorbeugende Wartung der Maschinen • Ursachen für Makulatur müssen klar aufgedeckt/analysiert werden [Anmerkung: hier würden sich besonders Prozessanalysen entlang der Wertschöpfungskette anbieten] • Konflikt zwischen Kundenanforderungen (Qualität, etc.) und Ausschüssen • Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit fördern 81

• Auswertung des Brain- storming • • • • • • • • • •

Kommunikation intern Einzelgespräche Führen von Teamgesprächen Teamgespräche bzgl. Mülltrennung Mitarbeiter aufklären und informieren Kommunikation (Umwelttafeln) Info-Wände Monatszeitung Information Wie soll das Öko-Audit kommuniziert werden Prozesstransparenz für die Mitarbeiter

• • • •

Kommunikation extern Umweltbezogenes Leitbild / Vision von N Offenheit gegenüber Behörden Austausch mit anderen Firmen und Institutionen Zulieferer hinterfragen

• • • • • • • • •

Organisation Umweltbeauftragten bestellen und Kompetenzen erteilen Umweltprobleme ins Inno-Team Qualifikation des Entsorgers Reinigungsfirma mit einbinden Verbesserungsvorschläge von den Mitarbeitern schnell umsetzen Investitionen nach ökologischen Gesichtspunkten Ansprechpartner für den Entsorger definieren Hausmeister mit einbeziehen Vorschläge analysieren

• • • • • •

Kundenorientierung (Verkauf) Verkauf mit einbeziehen Standards (Verkauf) Vermarktung des Öko-Audits, Nutzen klar herausstellen Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit fördern Kunden mit in die Verantwortung bringen Kunden mit dem Öko-Gedanken impfen



Schulungen (externes Wissen) Workshops Umweltverhalten, Verkauf, Technik-Entscheider, Qualifizierung der Verantwortlichen Motivation Kosten-Nutzen Aufgaben im Team lösen Betriebsklima muss stimmen

• • • • 82

Von den Insellösungen zum Denken in Produkten und Prozessketten kommen

• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

Anreize schaffen Einsparung darf keine Selbstverständlichkeit sein, Anerkennung Verbesserung der Prämierung von Vorschlägen Erfolge belohnen, hervorheben, Motivation dadurch steigern Zitrone der Woche Belobigung aussprechen Motivation der Mitarbeiter (Umweltdenken) Sinn und Zweck der Aktionen transparent machen Umweltbewusst vorleben Umweltbewusstsein schaffen, Nutzen Eigene Identifizierung mit den gesteckten Zielen Verhaltensänderung Umsetzung Entsorgungsinseln Nahe Entsorgungswege Verantwortung / Durchsetzung Geschaffene Regeln dürfen nicht nur Lippenbekenntnisse sein, müssen eingehalten werden Belohnung von Teams (Geldgutscheine) Umweltpreise pro Abteilung und pro Team Abteilung alle Arbeitsabläufe und Strukturen analysieren, um psychische und physische Energie zu sparen Verhaltensänderung der Maschinenbediener Montage Zusammenstellung optimieren Energiesparmaßnahmen einleiten Rohstoffe richtig vom Lieferanten bestellen, nicht zusätzlich eingepackt Rohstoffe und Spezifikation nach Sorten überarbeiten Anleitung zur Maschineneinstellung erstellen Ist-Menge (Abfall) feststellen (z. B. monatlich) und Information Schaltpläne für jede Abteilung Standzeitversuch über Taschenfilter von Klimaanlagen Abkehr von den Einwegpaletten

Tabelle 23: Ergebnisse des Brainstorming und Bewertungen 5.3

Umweltbewusstsein vor und nach den Runden Tischen

Zur Ermittlung des „Umweltbewusstseins“ der Teilnehmer bedienten wir uns eines Fragebogens, den wir aus bereits existierenden Fragebögen zusammenstellten. Die Fragen waren also bereits in der Praxis erprobt und auf Reliabilität und Validität geprüft. Die Fragebögen wurden zu Beginn des Projektes jedem der Teilnehmer anonym codiert zugesandt. In einem Unternehmen wählten sich die Mitarbeiter aufgrund eines „Misstrauensvotums“ bezüglich der Geheimhaltung der Identität der Befragten ihren Code selbst, mit dem Versprechen, jeder würde sich seinen Code merken und ihn auch bei der zweiten Befragung 83

auf dem Bogen notieren. Die Codierung wurde deshalb vorgenommen, um bei der Auswertung jeweils das identische Sample von Teilnehmern bei den Befragungen in den Zeitpunkten t1 und t2 zu haben. Zur Auswertung wurden nur Fragebögen von Personen herangezogen, die sowohl an der ersten als auch an der zweiten Befragung teilnahmen. Da einige Teilnehmer nicht bis zum Ende des Projektes dabeibleiben konnten und einige bei der zweiten Befragung keinen Fragebogen mehr zurücksandten, hat sich das Sample von ursprünglich knapp 60 Teilnehmern auf 2x35 auswertbare Fragebögen reduziert. Auf die ursprünglich vorgesehene Ermittlung von Korrelationen zwischen einzelnen Items (mit der wir die Konsistenz der Antworten auf ähnlich gelagerte Items überprüfen wollten) einerseits und firmenspezifischen Veränderungen andererseits (mit denen wir gerne nachgewiesen hätten, ob sich unsere unterschiedlichen subjektiven Einschätzungen des Erfolgs des Projektes bei den verschiedenen Unternehmen durch die Werte bestätigen lassen) haben wir aufgrund der dürftigen Datenlage jedoch verzichtet. Somit verblieben für uns als einzige interessierende Größen die Durchschnitte der skalierten Items zur Ermittlung der allgemeinen Entwicklung des abgefragten Sachverhalts sowie die zugehörigen Standardabweichungen, um Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Ergebnisse ziehen zu können. Bei den Items mit Aufzählungen ermittelten wir die absoluten und relativen Häufigkeiten der Nennungen der angebotenen Begriffe oder Aussagen. Zur Auswertung zogen wir hier jedoch nur die relativen Werte heran, da sie uns eindeutiger interpretierbar erschienen. Trotz der statistisch gesehen unbrauchbaren Datenbasis glauben wir somit zu durchaus brauchbar interpretierbaren Ergebnissen gekommen zu sein. In den Grafiken erscheinen jeweils die Durchschnittswerte „vor /nach dem Runden Tisch“ und die zugehörigen Standardabweichungen „Stab Anfang/Ende“ als eigene Balken. Diese Darstellungsweise soll dazu dienen, die Diskussion der Ergebnisse leicht nachvollziehen zu können. Die Prozentangaben bei den Aufzählungsitems beziehen sich auf die Gesamtanzahl der ausgewerteten Fragebögen je Befragungsrunde (35). Die teilweise umgekehrte Wertung der Skalierung (für höheres Umweltbewusstsein steht nicht immer eine Erhöhung der Werte sondern manchmal eine Verringerung und umgekehrt) haben wir mit Absicht vorgenommen, um Routinen beim Ausfüllen zu vermeiden. Dies erschwert zwar die Interpretation, da man sich des öfteren umorientieren muss, gab uns aber die Gewissheit, dass sich die auf Zeiteinsparung getrimmten Mitarbeiter eingehender mit den jeweiligen Fragen beschäftigen mussten, um nicht aus Versehen oder aus Gewohnheit immer einen „hohen Wert“ anzukreuzen, wo ihre Einstellung gemäß der Fragestellung einem niedrigen Wert entspräche. Ausschließen können wir diesen Effekt jedoch nicht. Aus Platzgründen und wegen vorliegender Redundanz sollen nicht alle 46 Diagramme präsentiert werden. (Die detaillierten Ergebnisse können beim unw angefordert werden). Wir unterscheiden deshalb drei Kategorien: • • •

Vor und nach den Runden Tischen ist eine Änderung zu verzeichnen. Keine Änderung. Antworten auf vielfältige Fragekategorien (Nennungen) virulent.

Für die erste Kategorie haben sich bei den meisten Fragen Veränderungen ergeben. Im folgenden ein quantitatives Beispiel: Frage 12 Es fällt mir schwer, mich mit Umweltfragen zu befassen. Auf dieses Item (12) antworteten die Teilnehmer bereits zu Anfang auf hohem Niveau dahingehend, dass sie wenig Probleme damit haben, sich mit Umweltfragen zu beschäftigen. Dies sprach von vornherein für eine sehr engagierte Einstellung gegenüber Fragen der Umweltzer84

störung und des Umweltschutzes. Dass sich dieser Wert noch „wesentlich verbessert“ hat, spricht aus der Hinsicht, dass eine Zielsetzung des Projektes die Stärkung des Umweltbewusstseins der Beteiligten war, für den Erfolg des Projektes, da die Veränderung des Wertes zu einer „Erhöhung“ des Umweltbewusstseins von einem bereits hohen Niveau ausging. Bei der Standardabweichung gab es keine signifikanten Verschiebungen, so dass man davon ausgehen kann, dass der Effekt gleichmäßig über alle Teilnehmer verteilt vonstatten ging. Frage 12: Es fällt mir schwer, mich mit Umweltfragen zu befassen. 5

Skalierung: lehne stark ab (1) 4 lehne ab (2) unentschieden (3) stimme eher zu (4) stimme stark zu (5) 3

2

0,971769488

1

Stab = Standardabweichung

0,99862164

0

Vor dem ersten RT Nach dem letzten RT Stab Anfang

Stab Ende

Abbildung 11: Befassung mit Umweltfragen Ähnliche Veränderungen zugunsten der Umwelt (i.w.S.) ergeben sich bei den folgenden Fragen: • Als einzelner Mensch kann ich gegen die Umweltprobleme nichts ausrichten. Dafür habe ich viel zu wenig Macht und Einfluss in der Gesellschaft. • Es fällt mir schwer, mich mit Umweltfragen zu befassen. • Meinen Sie, dass bei Ihnen im Betrieb genug für die Umwelt getan wird? • Mit welchem Verkehrsmittel fahren Sie vorwiegend zur Arbeit? Mit dem Auto nun mehr! Mit dem ÖPNV nun weniger. Warum? Vor allem komfortabler. • Für mich ist es vor allem wichtig, möglichst alles zu tun, damit ich meine privaten und beruflichen Zukunftspläne verwirklichen kann. Das Thema „Umweltschutz“ steht deshalb bei mir nicht im Vordergrund. • Man kann die Zukunft unserer Gesellschaft eher düster oder eher zuversichtlich einschätzen. Eher zuversichtlich! • Glauben Sie, dass die Technologie (technischer Fortschritt) eher ein Segen oder eher ein Fluch für die Menschheit ist? Segen!

85

Keine Veränderungen ergeben sich bei folgenden Fragen: • Wenn ich das Wort Umweltschutz höre, dann fällt mir vor allem ein, dass einem irgend jemand Vorschriften machen will. Wenn ich mich danach richten würde, müsste ich auf viele angenehme Seiten im Leben verzichten. • Ich glaube, dass die Verschmutzung von Natur und Umwelt bei uns in der Ulmer Region ein ernstes Problem ist. Frage 46: Was glauben Sie, was von dieser Liste v.a. den Umweltschutz verhindert (Mehrfachnennungen möglich) ? Vor dem ersten RT Nach dem letzten RT

in Prozent 100

90

Schlüssel: 1 = die Gleichgültigkeit der Bürger 2 = zu lasche Kontrollen 3 = zu wenig internationale Zusammenarbeit 4 = der Widerstand der Unternehmen 5 = Politiker kümmern sich zu wenig 6 = das bürokratische Vorgehen der Behörden 7 = Umweltschutz lohnt sich nicht für Unternehmen 8 = die Parteien nehmen zuviel Rücksicht auf die Unternehmen 9 = die Gesetze reichen nicht aus 10 = Behörden erteilen zu leicht Ausnahmeregelungen 11 = die Sorge, mit Umweltschutz Arbeitsplätze zu gefährden 12 = die schwierige wirtschaftliche Lage 13 = daß die Gewerkschaften sich nicht klar zum Umweltschutz bekennen 14 = unmöglich zu sagen

80

70

60

50

40

30

20

10

0 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

Abbildung 12: Hindernisse im Umweltschutz Eine weitere Kategorie von Fragen bezieht sich auf die Einschätzung von eher externen Faktoren. Wir greifen als Beispiel das der untenstehenden Abbildung 12 heraus. Hierzu einige Bewertungen. Vielleicht hat sich gerade dadurch die Relation der Selbsteinschätzung zur Fremdeinschätzung verschärft, weil man ja als Teilnehmer davon ausgehen musste, dass sich die „Anderen“ (also die Allgemeinbevölkerung) im selben Zeitraum nicht so intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben dürften als man selbst. Dass Item 3 (zu geringe internationale Zusammenarbeit) in diesem Zusammenhang zu großen Ehren kommt, wundert auch nicht, wenn man betrachtet, wie die Bedeutung der Internationalität der Umweltproblematik in den Medien (bzw. öffentlich) kommuniziert wird. Zu häufig fällt das (augenscheinlich ökonomische) Argument, dass in Sachen Umweltschutz nationale Alleingänge in der Regel zum Scheitern verurteilt seien, weil sie den nicht teilnehmenden Nationen (scheinbar) Wettbewerbsvorteile verschafften. Dass dieser Wert (für das Maß der „Verantwortungsabschiebung“ auf den Zeitpunkt, zu dem endlich alle Nationen bereit sein sollten, sich zu beteiligen) ein wenig zurückgeht kann hier auf eine zumindest geringfügig differenziertere Betrachtungsweise zurückgeführt werden, die die Eigenverantwortung mehr in den Vordergrund rückt.(Trotz allem steht natürlich weiterhin außer Zweifel, dass internationale Zusammenarbeit den Prozess zu einer nachhaltigen Entwicklung beschleunigen kann). Somit ist die Entwicklung dieses Wertes aus unserer Sicht durchaus positiv zu werten. Ein extremer Ausreißer zeigt sich in Item 12 (die schwierige wirtschaftliche Lage), das sich um mehr als die Hälfte 86

verringert hat. Das ansonsten am häufigsten benutze Argument zum Ausbremsen von Umweltschutzaktivitäten, dass es zu teuer sei und bei der wirtschaftlichen Lage ökonomisch nicht zu verantworten sei beruht auf der Annahme, ökonomische und ökologische Aspekte würden sich unvereinbar gegenüberstehen. Der Ansatz der Nachhaltigkeit versucht im Gegensatz dazu, diese Aspekte in einem Leitbild zu vereinen und herauszustellen, dass sich die Bedingungen des einen durch Nichtberücksichtigung bei der Betrachtung des anderen verschlechtern und dass es Wege gibt, beide (und den sozialen Gerechtigkeitsaspekt dazu) zu berücksichtigen und deren Bedingungen zu verbessern. Es scheint uns gelungen zu sein, diesen Ansatz erfolgreich zu vermitteln, was dazu beigetragen haben dürfte, die schwierige wirtschaftliche Lage nicht mehr so sehr als verdrängendes Scheinargument in den Vordergrund zu stellen. Eine weitere Frage, in der nach der Bedeutung der Entwicklung neuer Technologie für nachhaltige Entwicklung gefragt wurde, ergab folgende Erkenntnisse: Eine überwiegend positive Technikeinstellung, was deren Beitrag zum Umweltschutz betrifft hat sich im Verlauf des Projektes noch verstärkt. Dies mag mit daran liegen, dass in den Veranstaltungen kein ideologisch gefärbtes negatives Technikbild verbreitet, sondern auf eine differenzierte Betrachtung von technologischen Lösungen hingearbeitet wurde. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Technik auf dem Weg zur Nachhaltigkeit ein bedeutende Rolle spielt, indem nachhaltige technische Innovationen vorangetrieben werden. Darüber hinaus wurde aber eingehend betont, dass auch Innovationen im Verhalten und Institutionen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit notwendig sind, damit die technischen Neuerungen überhaupt zur Geltung kommen können. Diese differenzierende Betrachtungsweise hat unseres Erachtens dazu beigetragen, dass der mögliche Beitrag der „richtigen“ Technologie und deren „vernünftiger“ Einsatz als Beitrag zur Nachhaltigkeit noch positiver eingeschätzt wurde. Ein Effekt, der durchaus in unserer Absicht lag, solange er nicht mit blinder Technikgläubigkeit verknüpft ist. Außerdem ist deutlich zu sehen, dass das Urteil der Teilnehmer wesentlich homogener geworden ist. Ähnlich „virulent“ sind die Antworten auf folgende Fragen: • In welchen privaten Bereichen halten Sie Umweltschutz für am sinnvollsten? • Wären Sie bereit, für umweltfreundlichere Produkte einen höheren Preis in Kauf zu nehmen? • Folgende politische Aufgaben und Ziele schätze ich als sehr wichtig ein. • Von welchen Umweltbelastungen sehen Sie sich persönlich betroffen? • Von welchen Stellen erwarten Sie am ehesten sinnvolle Informationen zum Umwelt

87

IV. Der Mediator und die Mediatorin 1.

Fragen

Dem Mediator oder der Mediatorin kommt bei den mediations-basierten Runden Tischen eine Schlüsselrolle zu, darauf hatte ich schon mehrere Male hingewiesen. Dies kann für Runde Tische ein großes Risiko bedeuten; wenn vieles an einer Person festgemacht ist, steigt die Gefahr des Scheiterns. Daher ist es wichtig, diese Konstruktion so gut wie möglich abzusichern mit dem Ziel, die Stabilität und Robustheit der Runden Tische zu verbessern. Zunächst aber muss die neue Methode „mediations-basierter Runder Tisch“ verteidigt werden gegenüber denjenigen, die sagen, dass die herkömmliche Moderation ganz ähnlich sei und zu guten Ergebnissen führe. Dann stellt sich die Frage, wie sich der Mediator verhalten kann, um möglichst gute Ergebnisse zu erzielen. Dafür liegen zahlreiche Videoaufnahmen und Protokolle vor, anhand derer die ganz praktischen Probleme bei der Mediation aufgezeichnet werden können. Welche Absicherungen gibt es für den Mediator und die Mediatorin, wie kann er oder sie wirkungsvoll unterstützt werden in seiner und ihrer Aufgabe, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Runden Tische kreative Lösungen (Nachhaltigkeitsinnovationen) von Nachhaltigkeitsprojekten zu entwickeln? Dies hängt natürlich auch von den Fallstricken ab, die bei Runden Tischen auftreten können, die wir schon oben besprochen haben.

2.

Problemstellung

Partizipative Kooperation versucht, die Kreativitätspotenziale der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu aktivieren. Hierfür sind jedoch mehrere Voraussetzungen nötig. Zwei wichtige sind Zeit und Toleranz. Die Mitarbeiter in Firmen stehen unter einem großen Zeitdruck. Ihr Interesse richtet sich daran aus, Verfahren zu wählen, die möglichst rasch (tatsächliche oder vermeintliche) Erfolge bringen. Diese Erfahrungen beruhen auf (erfolgreichen) Moderationen. Demgegenüber erscheinen Mediationen eher umständlich, zeitraubend und mit unnötigem Rede-Ballast versehen. Mediation und tägliche Unternehmenspraxis passen somit nicht sofort zusammen; die Akzeptanzbarriere ist hoch. Daher ist es wichtig, den vermeintlichen Erfolg von Moderationen zu hinterfragen. Das Ergebnis dürfte eher negativ ausfallen: • • • • •

Die erreichten Ergebnisse sind oft kurzatmig; es treten Folgeprobleme auf, die mit langwierigen Reparaturmaßnahmen verbunden sein können. Die Gruppenmitglieder können sich nicht „ungeschützt“ einbringen, da sie hierarchischen Zwängen ausgesetzt sind. Selbstdarsteller erhalten breiten Raum; Opportunismus wird belohnt. Kreativität wird eher unterdrückt, weil die Ergebnisse daraus eher „quer“ zur Gruppenmeinung liegen und ihr Erfolgspotenzial nicht erkannt wird. Verbundprojekte werden amputiert.

Mediations-basierte Runde Tische weisen dem Mediator eine wichtige Rolle zu. Letztlich besteht der wichtigste Unterschied zu einer Moderation oder einem Workshop darin, dass das Lösungspotenzial bei den Teilnehmern aktiviert werden soll. Der Mediator muss alles daran setzen, dass alle Teilnehmer sich in den Arbeitsprozess einbringen; das heißt, Vorschläge, Abwägungen, Kritik etc. in den Diskussionsablauf über ein eindeutig definiertes Themenfeld 88

einspeisen. Andererseits muss die Eigenverantwortung der Teilnehmer, muss ihr „Tempo“ und Stil genügend Freiraum erhalten. Die Teilnehmer müssen spüren, dass sie den Diskussionsverlauf und die Ergebnisse bestimmen. Mit Hilfe der mediations-basierten Runden Tische soll das brachliegende Mitarbeiterwissen für konkrete Problemstellungen der Firma aktiviert werden. Dieses Wissen wird in der Regel nur am Arbeitsplatz angewendet, und dort, je nach den vorliegenden Hierarchien, nur begrenzt. Dies verleitet viele Mitarbeiter dazu, sich in die „innere Emigration“ zurückzuziehen. Bekannt ist das Beispiel des Bandarbeiters, der nach Feierabend einen Verein als Vorsitzender leitet und schwierige finanzielle und organisatorische Aufgaben löst.22 Inzwischen ist in der neueren Managementliteratur der Hinweis fast schon üblich, auf die Vorteile flacher Hierarchien, auf die betrieblichen Vorteile einer leistungsorientierten und auf Selbstverantwortung der Mitarbeiter basierenden Unternehmenskultur zu verweisen. Es dürfte schwer sein, diese neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse mit unserem Projekt zu verknüpfen; es kann nicht die Aufgabe des Projekts sein, solche Entwicklungen gegen den Willen der Firmen durchsetzen zu wollen. Andererseits ist der selbstverantwortliche Mitarbeiter, der sich mit eigener Initiative den vielfältigen und in den Wertschöpfungsbereichen querliegenden Umweltproblemen annimmt, eine notwendige Voraussetzung für eine effiziente betriebliche Umweltpolitik. Mediations-basierte Runde Tische können eine effiziente Methode sein, eine neue Leistungsbereitschaft und Kommunikationskultur im Unternehmen zu etablieren, wenn dafür Sorge getragen wird, die Ergebnisse der Runden Tische in das Unternehmen zu kommunizieren. Für den Mediator besteht das Problem, die Mitarbeiter aus ihrer Reserve zu locken und zu Verbesserungsvorschlägen zu animieren, obgleich diese aufgrund von bestehenden Hierarchien, gemachten Erfahrungen, mangelnder Eloquenz und sprachlicher Sicherheit im Zweifel lieber „in Deckung“ bleiben. Wir haben versucht, dies Problem dadurch anzugehen, dass wir das Instrument des „Brainstorming“ und die Abstimmung mit Hilfe von Punktbewertungen stark genutzt haben. Damit hoffen wir, eine größere Repräsentanz erreicht zu haben, als sie in einem intellektuellen Diskurs möglich gewesen wäre. Für die Weiterführung der Runden Tische in den Firmen wäre es wichtig, dass Personen zur Verfügung stehen, die die Rolle des Mediators übernehmen können oder sich in diese einarbeiten können. Der Test mit einem Runden Tisch, für den erprobte Module vorlagen, ist mit einigen Problemen abgelaufen; es scheint schwierig zu sein, eine nicht-autoritäre lose Verhandlungsführung zu ersetzen. Sehr günstig hat sich für die Arbeit des Mediators ausgewirkt, dass dieselben Themen an fünf verschiedenen Firmen behandelt wurden. Dadurch hat sich eine gewisse Ergebnissicherheit ergeben, die die Menge der möglichen Diskussionspfade reduziert hat. Es zeigte sich, dass die entwickelten Module nach zwei bis drei Runden Tischen sich als recht robust erwiesen.

3.

Elemente

Mit Hilfe der Mediation können diese Probleme verringert oder beseitigt werden. Es ist daher sinnvoll, nochmals die wesentlichen Elemente der herkömmlichen Moderation und der Mediation gegenüberzustellen.

22

Eine Gallup-Umfrage vom September 2002 brachte das Ergebnis, dass 86% der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „Dienst nach Vorschrift“ machen und sich nicht fürs Unternehmen ausdrücklich engagieren.

89

Beurteilungskriterien Mandat

Herkömmliche Moderation

Mediation

Eher kein Mandat

Vorbereitung

Lose Organisation

Ziel

• •

Orientierung

• • •

Akzeptiertes inhaltliches und zeitliches Mandat Sorgfältige Vorbereitung nach vorgegebenem Zeitplan • Offenes Diskursziel • Spezifische Funktionen der Runden Tische (Anstiftung, Vermittlung, Koordination, Beratung und Qualifizierung) bestimmen die Zusammensetzung der Runden Tische mit Verantwortlichen, Betroffenen und Experten • Theoriegeleitet • Selbstreflexiv • Eher diskursiv orientiert zentriert auf Gruppe • Explizite Regeln Mediator ist Schlüsselperson im Aushandlungsprozess und wird durch spezifische Kriterien beschrieben (Vertrauen, Neutralität, soziale und fachliche Kompetenz, angemessener sozialer Status Alle Teilnehmer nehmen freiwillig teil, sind mit dem Mediator einverstanden • Die Teilnehmer sind potentielle Kooperationspartner • Gemeinsames Interesse

Gesprächsprozess Moderator/ Mediator

Teilnahme Rolle der Teilnehmer

Ergebnis

Feststehendes Diskursziel eher ad hoc Funktionen

Praxisgeleitet Außenorientiert Eher positionell zentriert auf Moderator • Implizite Regeln Moderator ist mit allgemeinen Kriterien beschrieben

Teilnehmer nehmen nicht freiwillig teil • Die Teilnehmer sind Interessenvertreter und potentielle Gegner • Partikulare Interessen Problemlösung besteht in Sieg oder Niederlage und notgedrungenen Kompromissen

Problemlösung beinhaltet Aufklärung, Information, Erkenntniszuwachs, Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen

Tabelle 24: Herkömmliche Moderation und Mediation Die Unterschiede zwischen Moderation und Mediation sind offensichtlich signifikant; dies geht aus Tabelle 24 eindeutig hervor. Ergänzend will ich noch darauf hinweisen, dass es inzwischen zur Mediation eine breite Literatur gibt, die dieses Verfahren darstellt. Darauf werde ich im vorliegenden Buch nicht eingehen.

4.

Erfahrungssätze für den Mediator

Mediation ist eine recht neue Methode, durch Kooperation neue Lösungen zu finden. Es zeigt sich, dass dabei dem Mediator oder der Mediatorin eine Schlüsselrolle zukommt. Welche verallgemeinerungsfähigen Erfahrungen ergeben sich aus unserer Praxis der Runden Tische für den Mediator oder die Mediatorin? 90

Da die Runden Tische von vier Firmen mit einer Videokamera aufgezeichnet wurden und von diesen Aufzeichnungen schriftliche Protokolle angefertigt wurden, können diese für die oben gestellte Frage ausgewertet werden. Als Zuordnungskriterien wurden einmal die Merkmale gewählt, die ein Mediator oder eine Mediatorin haben sollte, zum anderen Kriterien aus der obigen Tabelle (Gegenüberstellung von Moderation und Mediation). Beurteilungskriterien Fachliche Kompetenz

Arbeitshinweise für den Mediator oder die Mediatorin • • • • • • •



Begriffe eindeutig klären. Schlüsselfragen besprechen, dann endgültig klären. Keine vorschnelle Interpretationen durch den Mediator. Frage und Interpretation müssen zusammenpassen. Kärtchen vom Brainstorming selbst einsammeln. Zuordnung der Karten nach einer vorbereiteten Systematik. Mediator muss über den „Fundort“ von Materialien voll informiert sein oder er muss sich von seinem Team informieren lassen. Die Rolle des Mediators in Bezug zu Experten, die zu Rate gezogen werden, muss geklärt sein. Keine Allwissenheit des Mediators.



Zusammenfassungen und Überleitungen herstellen.



Empfindlichkeiten der Kompetenz der Gruppe, wenn ihr fertige Ergebnisse, die extern erarbeitet wurden, vorgesetzt werden. Jederzeit für vollständige Transparenz der Veranstaltung sorgen. Erwartungen rechtzeitig klären. Vorsicht mit spontanen Versprechungen (z.B. über zusätzliche Treffen der Gruppe oder Leistungen des Teams). Sorgfältige verfahrensmäßige Vorbereitung von „Abstimmungen“ (z.B. mit farbigen Klebemarken). Spontane Einfälle und Sinneswandel im Verfahren (z.B. beim Brainstorming) vermeiden Der Mediator spricht oft zu lang (insbesondere bei fachlichen Erläuterungen von Sachverhalten, die er als kompliziert einschätzt). Plaudern des Mediators „aus dem Nähkästchen“ (angeblich zur Auflockerung). Vorsichtiges Ansprechen von Einzelpersonen (Aufforderung zur Mitarbeit). Mediator soll Erläuterungen vermeiden, während die Gruppe arbeitet. Zwiegespräche zwischen Mediator und einzelnen Teilnehmern kontrolliert abwickeln (Kürze, Abschluss). Umgang mit Teilnehmern, die zu spät kommen (Sanktionen). Umgang mit Handy-Nutzern (abschalten!). Umgang mit temporären und permanenten „Zwischenrednern“. Mediator muss zielgerichtet und bestimmt intervenieren, wenn die Diskussion ausufert oder wenn Streit entsteht (z.B. Anreiz für die Mitarbeiter, zu einer Veranstaltung zu gehen). Umgang mit „Selbstdarstellern“. Atmosphäre auflockern.



Analytische Kompetenz Einfühlungsvermögen/ Soziale Kompetenz Glaubwürdigkeit/ Vertrauen/ Unabhängigkeit/ Neutralität

• • • • •

Kommunikationsfähigkeit

• • • • •

Konfliktfähigkeit • • • • Geduld Humor

• •

91

Beurteilungskriterien Kreative Vorschläge Vorbereitung

Arbeitshinweise für den Mediator oder die Mediatorin •

Motivation zu konstruktiven Vorschlägen.



Im Vorgespräch Zielsetzung ganz klar machen, um zu realistischen Erwartungen zu kommen. Zusammenhang zwischen den Themen und Zielen aller Runden Tische herstellen. Präsentation von Folien im Zweifel im Vorgespräch klären. Probeläufe, um Begriffe und Systematiken zu präzisieren. Vorgespräche wichtig: Ziele des Runden Tischs präzisieren, Arbeitsverteilung klären und Arbeitsbedingungen sichern. Mediator muss kurz und präzise eine Struktur vorgeben mit der Frage, über die dann diskutiert werden soll. Spannung auf selbst erarbeitete Zwischenergebnisse erzeugen. „Auto“-Thema rasch und humorvoll beenden. Unterbrechen von Diskussionsbeiträgen vermeiden, die „endlich in die richtige Richtung gehen“ (Protokollant). Konkretisierung von Aussagen durch Mediator (aktives Zuhören). Ausführliche Besprechung und Bewertung der erarbeiteten Ergebnisse (hier: Rangfolge von Projekten). Zeitdruck auflösen (das Thema „Werkzeugkasten“ kann z.B. nicht in wenigen Minuten durchgedrückt werden). Großes Positionsgefälle blockt benachteiligte Teilnehmer (z.B. Lehrling). Einbeziehen der Gruppe bei Begriffsbestimmung und Zuordnungen. Karten aus dem Brainstorming gemeinsam zuordnen, vom Schreiber erläutern lassen. Bei der Verteilung von Aufgaben muss die Gruppe einbezogen werden und – sozusagen – über Vorschläge abstimmen. Auf Erstellung eines Handbuchs o.ä. hinweisen (Nutzen). Präsentation des selbst erarbeiteten Ergebnisses als Erlebnis (auch: Vergleichsergebnisse aus anderen Runden Tischen vorstellen). Projekte (A), Maßnahmen / Verantwortung / Zwischenergebnisse bis zu vorgegebenen Terminen abgeben. Die dritten Runden Tische (Ziel: Lösungen) waren am besten, weil es dort konkrete Ergebnisse gab.

• • • Gesprächsprozess

• • • • • •

Teilnahme



Rolle der Teilnehmer

• •

Ergebnisorientierung

• • • •

Tabelle 25: Arbeitshinweise für den Mediator

5.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Wie kann der Mediator oder die Mediatorin wirkungsvoll unterstützt werden? Ich sehe drei Möglichkeiten: (1) Der Mediator kann sich selbst stützen, (2) er kann sich durch organisatorische Vorkehrungen stützen und er kann sich (3) durch externe Mitarbeiter stützen lassen. Wesentliche Probleme des Mediators mit sich selbst entstehen durch Zeit- und Erfolgsdruck. Der Mediator kann sich selbst stützen, indem er seine Möglichkeiten und Kräfte realistisch einschätzt und einsetzt (Zeitdruck herausnehmen) und ein Scheitern des Runden Tischs in 92

Kauf nimmt (Erfolgsdruck herausnehmen). Ersteres gibt ihm die Konzentration, die große Anspannung der Mediation auszuhalten, das zweite gibt ihm die notwendige Gelassenheit und das Selbstbewusstsein, Konflikte und Krisen durchzustehen. Unsere drei Runden Tische waren jeweils für die Dauer von drei Stunden festgelegt. Ein wesentlicher Grund hierfür war die Kostenrestriktion: jeder Runde Tisch ist mit erheblichem Aufwand an Personalmitteln verbunden. Falls diese Restriktion nicht vorliegt, empfehle ich eine Serie von sechs Runden Tischen, die jeweils 90-120 Minuten dauern. Dieses muss verlässlich mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgemacht werden. Der zweite Punkt, das Scheitern des Runden Tischs in Kauf zu nehmen, soll nicht riskiert, aber dennoch als Möglichkeit akzeptiert werden. Wenn sich der Mediator unter großem Erfolgsdruck sieht, weil etwa das Scheitern eines Runden Tischs ein größeres Projekt gefährden würde, dann können Selbstbewusstsein und Gelassenheit Schaden nehmen. Der Mediator muss die Verantwortung für das Scheitern an die Teilnehmer des Runden Tischs weitergeben; alle haben die Verantwortung für den Erfolg. Der Mediator kann sich durch organisatorische Vorkehrungen stützen. Insbesondere geht es um die gründliche Vorbereitung der Runden Tische, das ist selbstverständlich. Doch die Detailplanung hat Grenzen: je genauer der Ablauf eines Runden Tischs geplant ist, desto mehr sind die Zwischenergebnisse und Wege dorthin festgelegt. Damit wird der Lernprozess kanalisiert, Kreativität wird behindert, der Prozess verkümmert zu einer Routine. Wir haben versucht, die Runden Tische mit Modulen sehr detailliert zu strukturieren, und da jeweils drei Runde Tische fünf Mal durchgeführt wurden, hat sich für die einzelnen Module eine robuste Vorgehensweise herausgeschält. Allerdings könnte diese Robustheit für eine Gruppe positiv sein, weil sie weniger kreativ arbeitet, für eine andere könnte sie behindern. Deshalb würde ich heute wie folgt vorgehen: Starke Detailplanung mit alternativen Modulen. Souveräne Auswahl während des Prozesses, abgestimmt mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Der Mediator kann sich durch externe Mitarbeiter stützen lassen. Dies ist eine sehr wirkungsvolle Methode der Entlastung, sie darf aber nicht überstrapaziert werden. Die zuarbeitenden und mitarbeitenden Personen sollen in der Zahl begrenzt sein (1-2 bei 15-20 Teilnehmern), und sie sollten unsichtbare Effizienz zeigen. Zu große Geschäftigkeit und Unruhe beim Mediator schadet seiner Gestaltungskraft.

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V.

Ergebnisse des Projekts

Im folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse des Projekts „Nachhaltigkeit als Leitbild eines Umweltbildungssystems für die mittelständische Industrie in der Ulmer Region. Konzeption und Umsetzung“ zusammengestellt. Insgesamt hat der unw von 1996-1999 mit fünf Ulmer mittelständischen Unternehmen 18 mediations-basierte Runde Tische durchgeführt (sog. aktionsfördernde Forschung). Die dort gewonnenen Erfahrungen sind in ein Handbuch eingegangen, das allen zur Verfügung steht, die in ihren Unternehmen durch die Kooperation an Runden Tischen innovative Lösungen für Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte finden wollen. Alle teilnehmenden Firmen wurden inzwischen nach der Öko-Audit-Verordnung der EU (EMAS) zertifiziert. Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis ist von festsitzenden Vorurteilen begleitet. Der wichtigste Hinderungsgrund hierfür ist eine katastrophale Knappheit von Zeit, insbesondere bei den Praktikern. Wie können diese Probleme überwunden werden? Das Fazit des Projekts hierzu lautet: durch geduldige Kommunikation und das Vertrauen auf nützliche Ergebnisse. Wissenschaftler und Praktiker sehen den Nutzen aktionsfördernder Forschung sehr unterschiedlich. Dies betrifft vor allem die (kurze und lange) Frist und die Rechenbarkeit (quantitativ versus qualitativ). Voraussetzungen für den Projekterfolg Ohne Unterstützung der Geschäftsleitungen der Firmen wäre das Projekt nicht durchführbar gewesen. Die Infrastruktur des unw und die begründete Erwartung weiterer Betreuung und Unterstützung der Mitgliedsfirmen war ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Begleitung des Projekts durch einen Projektbegleitkreis hat wesentliche Impulse gegeben und Irrwege vermieden. Auch ein guter externer Berater kann für eine Phase der Runden Tische wichtige Impulse geben und neue Perspektiven eröffnen. Ausführliche Betriebsbegehungen gaben erste Einblicke in die Unternehmensstruktur und -kultur. Diese „Praxis“ ist ein wichtiger und notwendiger Schritt für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Der unw gibt einen „Vorschuss“ mit zwei Öko-Audit-Veranstaltungen mit den Geschäftsführungen der Projektfirmen vor Projektbeginn und versucht damit, die Vertrauensbasis zu stärken. Persönliche Einladungen, sorgfältig vorbereitete und individuell zugeschnittene Sitzungsmappen sollen die Runden Tische von normalen Veranstaltungen abheben. Die Resonanz der Teilnehmer auf die Veranstaltungen wurde sofort mit Fragebogen erhoben, und der Feed-back wurde für Verbesserungen verwendet.

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Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitslücken Mit dem Leitbild Nachhaltigkeit befreit sich ein Unternehmen von einseitigen Teilaspekten, die einseitige Lösungen zeitigen, und es wendet sich der dauerhaften Existenzsicherung zu. Die Definition des Leitbilds Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene muss die Ganzheitlichkeit in den Vordergrund stellen, insbesondere: Ökonomie (=Technik), Ökologie (=Naturnutzung) und Soziales (=Mitarbeiter). Innovation als technische, verhaltensbezogene und organisatorische (institutionelle) Verbesserungen. Zeit als Koordination von kurz-, mittelund langfristigen Sichtweisen. Wir haben an den Runden Tischen Nachhaltigkeit als die „Versöhnung“ von Ökologie, Ökonomie und Sozialem beschrieben und dies für die Unternehmen so formuliert, dass Naturnutzung (Quellen und Senken), Technik (Wirtschaftlichkeit) und Mensch (Beschäftigte) für die Ziele eines „nachhaltigen Unternehmens“ gemeinsam eingesetzt werden müssen. Vom WUSIK-Zielbündel wurde nur WUS betrachtet, Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Die einzelnen Ziele sind nicht gleichwertig, wie die folgenden Daten zeigen. Firma P Q R S T Kontrollgruppe 1 Kontrollgruppe 2

Ökologie % 43 33 32 30 32 28 19

Ökonomie % 33 44 35 30 29 52 58

Soziales % 24 23 33 40 39 20 23

Tabelle 26: Gruppenabhängige Bewertungsergebnisse Die Bewertungen dürften von vier Ebenen abhängen: (1) von den vorherrschenden gesellschaftlich-politischen Konstellationen, Meinungen, Werten (Couleur der Regierung, Debatte über Standort Deutschland, Wirtschaftslage und soziale Lage, Umweltskandale, etc.), (2) von den Verhältnissen und Meinungen im Unternehmen (ökonomische Lage, bevorstehender Börsengang, soziales Klima, Unternehmenskultur, Überstunden, Umstrukturierungen und drohende Entlassungen, etc.), und (3) von den persönlichen Einstellungen der Befragten (Erfahrungen, Erwartungen, Bildungsstand und Qualifikation, Gewerkschaftsmitgliedschaft, Familiensituation, etc.). Die vierte Ebene würden wir als die situative Ebene bezeichnen, und sie wird bestimmt von den Gesprächen über den Fragebogen sowie von zeitbezogenen eher zufälligen Faktoren. Die zusammengestellten Oberkriterien Ökonomie, Ökologie und Soziales aller Firmen zeigen, dass trotz ähnlicher Motive, an dem Projekt teilzunehmen, bei der Einordnung der Schlüsselfaktoren nachhaltiger Entwicklung deutliche Unterschiede zwischen den teilnehmenden Firmen auftraten. Unternehmensbezogene Nachhaltigkeitslücken sind der Versuch, den komplexen Begriff Nachhaltigkeit in Bezug auf Ökologie zu operationalisieren (ökologische Nachhaltigkeit). Unternehmensbezogene Nachhaltigkeitslücken: Die gesellschaftlichen Nutzungsansprüche der Unternehmen (Transformationsprozess) führen zu einer entsprechenden Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen. Diese beobachtbare Ist-Situation wird einer Soll-Situation gegenübergestellt, die die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen langfristig gewährleistet. 95

Aus der Gegenüberstellung ergeben sich umweltbezogene Nachhaltigkeitslücken. Die Konzeption soll auf einer Determinantenstruktur basieren, die Ansatzpunkte zur Reduzierung der Nachhaltigkeitslücken liefern soll. Die unternehmensbezogene Nachhaltigkeitslücke für CO2 ist definiert als die Differenz zwischen gemessenem Ist-Wert und angestrebtem Nachhaltigkeits- oder Soll-Wert, wobei eine Determinantenstruktur den Transformationszusammenhang beschreibt. Die Nachhaltigkeitswerte lassen sich global (CO2), firmenspezifisch (vor allem Rohstoffe und Energie) und projektbezogen (Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte) angeben. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen setzt für CO2 ein Minderungsziel von 80% bis zum Jahr 2030 an; das sind im Durchschnitt 2,7% p.a. Es besteht weitgehende Einigkeit zwischen Wissenschaftlern, dass die globale Assimilationskapazität bei ca. 2,3 t pro Kopf der Weltbevölkerung liegt. Dies ist ein Nachhaltigkeitswert bei weltweiter Gleichverteilung der Reduktionslasten. In Deutschland liegt der tatsächliche CO2-Ausstoß bei 11 t pro Kopf, die CO2-Nachhaltigkeitslücke beläuft sich auf 9,3 t pro Kopf. Daraus errechnet sich ein Reduktionsziel von ca. 80%. Für die CO2-Emittenten muss der Reduktionszeitraum ermittelt werden. Dieser hängt von den (innovativen) Möglichkeiten der Emittenten und von den zu erwartenden Folgewirkungen ab. Die Emittenten sind an einer langen Frist, die von den Folgen Betroffenen an einer kurzen Frist interessiert. Dies muss in Verhandlungen geklärt werden, international z.B. in Kyoto, unternehmensspezifisch in den Unternehmen. Der unternehmensbezogene Diskurs kann am besten an Runden Tischen stattfinden. Die Fernwärme Ulm GmbH (FUG) hat von 1994-1998 ihren CO2-Ausstoß um 25,6% reduziert. Die CO2-Daten für eine Projektfirma lauten: CO2-Ausstoß für 1998 2967 t, Reduktion um 80% in 34 Jahren: 661 t, absolute durchschnittliche Jahresreduktionsmenge: 78 t. Die Jahresreduktion kann durch Innovationen in Technik, Verhalten und Organisation erreicht werden, die an den CO2-Verursachern (insbes. Energieverbrauch) ansetzen. Eine Zielgröße kann die Erhöhung der Emissionsproduktivität sein. Unterstellt man mit Beschäftigtenzahlen gewichtete Sollwerte, dann verdoppelt sich für die Projektfirma der CO2-Nachhaltigkeitswert von 661 t auf 1150 t. Dies zeigt, dass nicht nur der Reduktionszeitraum, sondern auch die Definition des Nachhaltigkeitswertes interpretationsfähig ist. Eine kleine Unternehmung mit ökologischen Produkten muss eine dramatische Minderungsstrategie verfolgen, die sich auch bei einem mit den Beschäftigten gewichteten Nachhaltigkeitswert nicht wesentlich verringert. Eine andere Projektfirma (Maschinenbau) kann demgegenüber durch die Gewichtung (mit den Beschäftigten) die Nachhaltigkeitslücke fast schließen, eine dritte Firma aus dem Chemiebereich stellt sich fast ebenso günstig (Emission 1017 t, ungewichteter Nachhaltigkeitswert 184, gewichteter 621). Bei den firmenspezifischen Nachhaltigkeits-Indikatoren können „doppelte Dividenden“ eingefahren werden, da mit der Verminderung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (RHBStoffe) Kostenreduktionen einhergehen.

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Projektbezogene Indikatoren zeigen, wie durch die Behandlung von Nachhaltigkeitsprojekten an Runden Tischen die Nachhaltigkeitslücken verringert werden können oder konnten. Mediations-basierte Runde Tische als Instrument der Umweltbildung im Unternehmen Partizipative Kooperation versucht, die Kreativitätspotenziale der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu aktivieren. Hierfür sind mehrere Voraussetzungen nötig. Zwei wichtige sind Zeit und Toleranz. Die Mitarbeiter in Firmen stehen unter einem großen Zeitdruck. Ihr Interesse richtet sich daran aus, Verfahren zu wählen, die möglichst rasch (tatsächliche oder vermeintliche) Erfolge bringen. Diese Erfahrungen beruhen auf (erfolgreichen) Moderationen. Demgegenüber erscheinen Mediationen eher umständlich, zeitraubend und mit unnötigem RedeBallast versehen. Mediation und tägliche Unternehmenspraxis passen somit nicht sofort zusammen; die Akzeptanzbarriere ist hoch. Daher ist es wichtig, den vermeintlichen Erfolg von Moderationen zu hinterfragen. Das Ergebnis dürfte eher negativ ausfallen: Letztlich besteht der wichtigste Unterschied zu einer Moderation oder einem Workshop darin, dass das Lösungspotenzial bei den Teilnehmern aktiviert werden soll. Die Eigenverantwortung der Teilnehmer, ihr „Tempo“ und Stil müssen genügend Freiraum erhalten. Die Teilnehmer müssen spüren, dass sie den Diskussionsverlauf und die Ergebnisse bestimmen. Von wem auch immer die Initiative für einen Runden Tisch ausgeht, von außen, von der Geschäftsleitung oder von der Belegschaft (vielleicht in einzelnen Abteilungen): die ideelle und ressourcenwirksame Unterstützung durch die Geschäftsleitung ist essentiell für den Erfolg. Nachhaltigkeit bedeutet für das Unternehmen, dass sich der Mitarbeiter stärker in die Verantwortung mit einbeziehen kann. Ein Vehikel sind Runde Tische. Das Gelingen des Projektes steht und fällt mit der Auswahl der Mitarbeiter. Die Auswahl der Teilnehmer am Runden Tisch kann anhand der Vollständigkeit erfolgen (Wertschöpfungskette). Eine Kerngruppe von 3-4 Mitarbeitern sammelt Themen für den Runden Tisch und lädt Kollegen und Kolleginnen nach Problem und Vollständigkeit zu einer festen Serie von Veranstaltungen ein. Freiwillige Teilnehmer sind mit Sicherheit sehr motiviert und an den Fragen des Umweltschutzes interessiert. Gerade diese Freiwilligen erweisen sich als gute, weil engagierte, Multiplikatoren im Unternehmen und der erwünschte Ausbreitungseffekt tritt am Ende auch bei den anderen Mitarbeitern ein. Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekte werden nach ökonomischen, ökologischen und sozialen und weiteren Kriterien bewertet; es spielen demnach die Ziele Wirtschaftlichkeit sowie Umwelt- und Sozialverträglichkeit, Internationalverträglichkeit und kulturelle Vielfalt (WUSIK) für alle Handlungen im Unternehmen eine Rolle. Sie können am besten an Runden Tischen „gelöst“ werden. Mit Nachhaltigkeitsinnovationen werden komplexe Problemstellungen in Nachhaltigkeitsprojekten gelöst. Nachhaltigkeitsinnovationen bestehen in der Verknüpfung von (1) interagierenden Akteuren, (2) Nachhaltigkeitszielen (WUSIK-Zielbündel) und (3) tvi-Innovationen (Technik, Verhalten, Institutionen). Zwischen den Runden Tischen sind Vorgespräche entscheidend für die vertrauensvolle Atmosphäre sowie den inhaltlichen Erfolg der Veranstaltungen (Planungssicherheit). 97

Funktion von Runden Tischen im Unternehmen Der Erfolg der Fortführung der eingerichteten Runden Tische hängt in hohem Maße vom betrieblichen Umfeld, insbesondere den bestehenden Organisations- und Kommunikationsstrukturen ab. In den Unternehmen, in denen der Runde Tisch von Anfang an als ein zentrales Gremium für Umweltfragen gesehen wurde, war auch die Akzeptanz am größten. Wenn eine Einbettung in eine Informations- und Organisationsstruktur fehlte, wurde auch der Runde Tisch immer wieder in Frage gestellt. Darüber hinaus ist zu beachten, welche Gremien im Unternehmen bereits installiert sind, wie diese in den Informationsfluss integriert sind und welche Themen (z.B. Umweltschutz) dort vorrangig behandelt werden. Gibt es bereits eine Vielzahl von Gremien, so kann der Runde Tisch als Kreativitätszelle bedarfsorientiert einberufen werden und sich dabei seine eigene Lösungskompetenz erhalten. Ist gruppenorientiertes Arbeiten im Unternehmen noch nicht so stark verbreitet, bietet sich der Runde Tisch als dauerhaft eingerichtetes Gremium an, dessen Aufgaben weiter gestreut sind und die bis in den operativen Bereich hineinreichen können. Existierende Entscheidungsstrukturen sollen nicht ersetzt werden; Runde Tische verstehen als „Kompetenz-Zentren“ mit Kommunikation und Lernen. Der Runde Tisch sollte der Reflexion im Unternehmen dienen, wozu auch externe Anspruchsgruppen hinzugezogen werden können. Die Weiterführung der Projekte sowie der Runden Tische oblag nach Durchführung der dritten Runde den Unternehmen, wobei der unw jedoch weiterhin mit Rat und Tat als Ansprechpartner zur Verfügung steht. In den Fällen, in denen die Unterstützung durch die Geschäftsleitung im Laufe des Projektes nicht wiederholt unterstrichen wurde, merklich nachließ oder gar durch andere Informationen wie „ökonomische oder technische Sachzwänge“ konterkariert wurde, sind die Projekte gar sanft entschlummert, ohne zu einem konkreten Ergebnis zu führen. Es existieren bereits mehrere Arbeitskreise im Unternehmen (Maschinenführerrunde, ÖkoAudit-Team), die operative Aufgaben des Managements übernehmen. Es scheint, als seien die bereits existierenden Arbeitskreise bestens gerüstet, konkrete Lösungen für Umweltprojekte zu erarbeiten. Da großenteils die Technik die Betriebsabläufe bestimme, sei es auch Aufgabe der technisch orientierten Gremien, Lösungen für Projekte und verbesserte Betriebsabläufe zu finden. Die Potenziale der Lösung von Verbund- oder Nachhaltigkeitsprojekten werden unterschätzt. Der Runde Tisch kann als Institution im Unternehmen erhalten bleiben. Da mit dem ÖkoTeam bereits ein gutes operatives Gremium existiert, soll der Runde Tisch mehr als Ideenfinder bis hin zur strategischen Ausrichtung, auch im Hinblick auf die nächste EMASValidierung, verstanden werden. Dennoch ist zu erkennen, dass es kein Gremium in dieser unternehmensübergreifenden Zusammensetzung gibt (wobei man jemanden aus der Entwicklung noch hinzuziehen müsste), und dass gerade für die Ideen- oder Lösungssuche für ganzheitliche Umweltprobleme, die den Weg der Produkte entlang der Wertschöpfungskette betreffen, gerade diese Zusammensetzung sinnvoll ist. So ist es von Seiten des Unternehmens durchaus denkbar, den Runden Tisch zumindest für ganz bestimmte Projekte einzusetzen, die abteilungsübergreifenden Charakter haben (Verbundprojekte). 98

Der Mediator Der Mediator muss von den Teilnehmern eines Runden Tisch „gewählt“ werden. Es hat sich gut bewährt, dass der Mediator nicht aus den Unternehmen kam, sondern von außen. Somit blieb Unabhängigkeit in verschiedenen Dimensionen gewahrt (fachlich, personell, sozial, finanziell, etc.). Der Mediator muss Zeitdruck und Erfolgsdruck meiden. Dies erreicht er durch eine größere Zahl (sechs) von kürzeren Runden Tischen (90-120 Minuten), sowie durch das Denken eines möglichen Scheiterns. Der Mediator muss sich durch intensive organisatorische Vorarbeit entlasten und Assistenten für den Prozess des Runden Tischs einsetzen. Ein Mangel an Konfliktlösungskompetenz des Mediators trägt den Keim des Fehlschlags des aktuellen Runden Tisches in sich. Der Vertrauensverlust kann so groß sein, dass auch die nachfolgenden Runden Tische scheitern. „Scheinlösungen“ • Verdrängung • Beschwichtigung • Appelle • Konfliktverschiebung

„faktische Lösungsversuche“ • Zufall, Hinnahme, Nachgeben • Machtentscheidungen • Schiedsrichter- oder Expertenentscheidungen • Abstimmungen • Einigungen

Tabelle 27: Echte Lösungen und Scheinlösungen Barrieren für optimale Entscheide: • • • • • • • • •

Einfluss von Vielrednern, Kompetenz- und Prestigezuschreibung, funktionale Gebundenheit, Übermotivation, Reizkonstellation der Problemstellung, Betriebsblindheit, Gruppendruck, zu hohe Informationsmenge, Risikoschub (höhere Risikobereitschaft der Gruppe gegenüber dem Individuum).

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Für den Mediator besteht das Problem, die Mitarbeiter aus ihrer Reserve zu locken und zu Verbesserungsvorschlägen zu animieren, obgleich diese aufgrund von bestehenden Hierarchien, gemachten Erfahrungen, mangelnder Eloquenz und sprachlicher Sicherheit im Zweifel lieber „in Deckung“ bleiben. Sehr günstig hat sich für die Arbeit des Mediators ausgewirkt, dass dieselben Themen in fünf verschiedenen Firmen behandelt wurden. Dadurch hat sich eine gewisse Ergebnissicherheit ergeben, die die Menge der möglichen Diskussionspfade reduziert hat. In der Tabelle 25 sind „Arbeitshinweise für Mediatoren“ zusammengestellt. Organisierung von Runden Tischen Runde Tische sollten durch Vorgespräche der Kerngruppe (Initiativgruppe) vorbereitet und inhaltlich sowie ressourcenbezogen abgesichert werden. Bei neuen Zusammensetzungen des Runden Tischs müssen die neuen Teilnehmer den Anschluss zum Sinn des Runden Tischs finden und den Inhalt des Nachhaltigkeitsprojekts selbst definieren können. Der Tagungsort sollte nicht in Dienstzimmern von Vorgesetzten angelegt sein. Er sollte hell und groß sein. Falls Aufmerksamkeit bei der Belegschaft erzeugt werden soll, ist die Kantine ein günstiger Ort. Als Hilfsmittel hat sich die Metaplan-Technik bewährt. Sie ermöglicht es auch „sprechfaulen“ Teilnehmern, sich mit Mediations-Karten präzise zur Sache zu äußern. Die Abfolge Runder Tische zu einem Nachhaltigkeitsprojekt sollte logisch nachvollziehbar sein, so dass der nächste Schritt auf dem vorhergehenden aufgebaut werden kann. Die Zeit ist immer zu knapp bemessen. „Redundanz“ sollte eingebaut sein. Pausen sind wichtig. Runde Tische können nur dann ihre Ziele erreichen, wenn sie sorgfältig vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden. Zur gründlichen Vorbereitung gehört ein Satz von Hilfsmitteln, den wir als „Werkzeugkasten“ bezeichnet haben (siehe Handbuch, Anhang, S. 97ff, Arbeitshilfe IV.5ff). Es ist unmöglich, der Gruppe in der kurzen verfügbaren Zeit alle Werkzeuge vorzustellen. Wir sind mit dieser anspruchsvollen Aufgabe gescheitert, obgleich wir Erfahrungen aus mehreren Runden Tischen in die jeweils nachfolgenden Gruppen einbringen konnten. Arbeit an Runden Tischen Begriffe werden nur verständlich, wenn alle Teilnehmer ähnliche Bedeutungszuweisungen vornehmen. In einem ausführlichen Gespräch müssen Begriffe mit gemeinsamen Bedeutungszuweisungen erarbeitet werden, die mit den konkreten Erfahrungshorizonten der Teilnehmer ausgefüllt sind. Vor, an und nach den Runden Tischen sollte jederzeit Transparenz gegeben sein, soweit dies möglich ist. Ein Ziel dabei ist, andere Mitarbeiter zu interessieren, ein zweites Ziel ist, jederzeit Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.

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Vertrauen und eine gesunde Streitkultur sind wichtige Voraussetzungen für den Erfolg eines Runden Tischs. Emotionalität lässt sich nicht künstlich (durch ein Gespräch) erzeugen; sie muss durch einen Anlass (z.B. einen Film, ein Erlebnis) „geschehen“. Fragen sind meist besser als fertige Antworten. Wer mit der Wahrheit antritt, erzeugt Aggression oder Gleichgültigkeit. Haften bleibt die eigene Suche und das eigene Finden. Vor dem Brainstorming (oder anderen Methoden) müssen die Fragen präzise formuliert sein und es müssen mehrere Varianten einer Ordnungssystematik vorliegen, nach denen die Teilnehmer ihre Begriffe einordnen können. Die Bedeutung von Bildern und Symbolen. Ein Spiel (das Flächenspiel) gestattet die Analogie vom eigenen Erfahrungsbereich zum ökologischen und umgekehrt. Das (theoretische) Anreizsystem war nur mit Beispielen zu vermitteln. Die Vorstellung, dass Innovation immer etwas Technisches ist, kann nur schwer durchbrochen werden. Der Mediator redet zu viel. Dann gibt es noch einen oder zwei (Viel)Redner. Und dann sind die anderen gefordert. Psychologie der Runden Tische Der Erfolg von Runden Tischen hängt sehr stark von psychologischen und sozialpsychologischen (Gruppendynamik) Faktoren ab. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Gruppenprozesse in der Regel in Phasen ablaufen, die in jeder Gruppe in unterschiedlicher Reihenfolge auftreten können, wobei man i.A. die Phasen des „Forming, Norming und Storming“ unterscheidet. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit einer formellen Gruppe bei einer Dauer der Zusammenarbeit von 1,5 bis 5 Jahren am höchsten einzuschätzen ist. Spätestens dann sollte zu einem Rotationsprinzip übergegangen werden. Wenn Aggression die einzige emotionale Mitteilung wird, ist ein gefährlicher Sprengsatz im Runden Tisch enthalten. Wenn Nachhaltigkeit zur Ideologie wird, kann dies das Gespräch am Runden Tisch zerstören. Die Lücke zwischen Absicht und Handeln kann nicht allein durch Kognition geschlossen werden. Kognition und Emotion führen zusammen zu Handlungsbereitschaft, die aber zum endgültigern Handeln noch die Handicaps der Situation und der institutionellen Bedingungen zu überwinden hat (Elisabeth Kals). Emotionen vertragen keine vordergründigen Analysen. 101

Insgesamt wurde der theoretische Ansatz, über einen emotionalen Zugang zum Thema der Gruppe und dem Einzelnen den Sinn und die Notwendigkeit von Umwelthandeln und Nachhaltigkeit zu vermitteln eindrucksvoll bestätigt. Eine selbstbestimmt und autonom gesteuerte Gruppe organisiert sich selbst und arbeitet hochmotiviert und kreativ. Alle Äußerungen wurden nach Personen und Kategorie A (war die Äußerung inhaltlicher, sozio-emotionaler oder verfahrensbezogener Art?) ausgewertet. Die personenbezogene Auswertung der Kategorien C (persönlicher Bezug der Äußerung: andere/gemeinsam/selbst/Mediator), D (Reaktion auf andere Äußerungen: neutral/bestätigend/ablehnend), und F (Nachdruck der Äußerung: dominant/zurückhaltend) ergab jeweils einen überdurchschnittlichen Quotienten hinsichtlich selbstbezogener, ablehnender und dominanter Art der Äußerung. Im Zeitverlauf zeigte sich aber, dass die Diskussion, als es um die Planung für den dritten Runden Tisch ging (also in der Endphase), schärfer wurde und die Äußerungen in zunehmendem Maße ablehnend gegenüber den Vorrednern wurden. Die Kategorie E (abstrakt oder gefühlsbetont) verschob sich in dieser Phase signifikant von abstrakt zu gefühlsbetont, d.h. die Argumente wurden zunehmend emotional vorgetragen. Dass es in dieser Phase auch bezüglich der Kategorie F (dominant/zurückhaltend) zu einer Verschiebung von zurückhaltend vorgebrachten Argumenten zu zunehmender Dominanz in den Äußerungen kam, verstärkt diesen Eindruck noch. Die Inhaltsanalyse der betreffenden Stellen zeigte darüber hinaus, dass hierbei das Maß lebendiger Diskussion zugunsten fruchtloser Verteidigung liebgewonnener Argumente zeitweise überschritten wurde, jedoch nicht so, dass der Mediator hätte intervenieren müssen. Bewertung von Nachhaltigkeits- oder Verbundprojekten Lösungen können an Runden Tischen erst erarbeitet werden, wenn die Teilnehmer gelernt haben, Nachhaltigkeitsprojekte zu bewerten.

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Merkmale von Nachhaltigkeitsprojekten Nachhaltigkeitsprojekte sollen die Ziele Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit gleichermaßen erfüllen.

Konsequenzen für ihre Durchführung

Aus den drei Zielen ergeben sich Oberkriterien für die Bewertung von Nachhaltigkeitsprojekten. Bei Konflikten müssen die Oberkriterien gegeneinander abgewogen werden. Nachhaltigkeitspro- Das umfassende Wisjekte betreffen in sen aus allen Unterihrer Umsetzung alle nehmensbereichen Akteure und Berei- muss eingebracht che im Unternehwerden. men.

Praktische Anforderungen

Ergänzende Bemerkungen

Die Oberkriterien müssen auf die einzelne Firma zugeschnitten mit Inhalt gefüllt werden und ergeben Beurteilungskriterien.

Bei der Abwägung der Oberkriterien muss der Mediator Hilfestellungen geben.

Die Zusammensetzung der Runden Tische sollte alle Unternehmensbereiche berücksichtigen.

Der Runde Tisch sollte der Geschäftsleitung direkt verantwortlich sein. Er sollte engen Kontakt aufnehmen mit den Betroffenen, die Nachhaltigkeitsprojekte umsetzen und ausfüllen müssen. Nachhaltigkeitsprojekte dienen der langfristigen Existenzsicherung der Unternehmung. Auf der Verkaufsebene führt die Beschäftigung mit verhaltensbezogenen Innovationen (neue Handlungsmöglichkeiten) zu mehr Kundendenken.

Nachhaltigkeitsprojekte integrieren kurz-, mittel- und langfristige Unternehmensziele. Sie verlangen für ihre Lösung einen erweiterten Innovationsbegriff, der Technik, Verhalten und Organisation einschließt.

Nachhaltigkeitspro- Der Geld-Nutzen ist jekte sind eher mittel- oft erst später erund langfristig ange- kennbar. legt.

Die Unternehmenskultur und das Verhalten der Mitarbeiter spielen eine wichtige Rolle.

Damit kann das Kreativitäts- (und Produktivitäts)potenzial der Mitarbeiter aktiviert werden.

Der Mediator

Initiiert neue Wirtschaftsweise

Produktion und Technik als traditionelle Lösungsmethoden treten zurück zugunsten der Aktivierung von Mitarbeitern und der Suche nach der optimalen Organisierung.

Das Unternehmen verwirklicht „im Inneren“ integrierte Lösungen, die kaum Nachbesserungen und Umstellungsstress verursachen. Nach außen können neue Anwendungen vermarktet werden. Durch die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsprojekten wird die Unternehmenskultur wesentlich verbessert, die Produktivitätspotenziale der Mitarbeiter werden besser ausgenutzt. Der „Unternehmensweise“

Langfristig führt dies zum Abbau von Hierarchieebenen und zur Delegierung von mehr Eigenverantwortung an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Sollte von außen kommen (von befreundeter Firma?)

Tabelle 28: Bewertungsraster für Nachhaltigkeits-Projekte 103

Nachhaltigkeitsprojekte sollen mit den (Ober-)Kriterien Ökologie, Ökonomie und Soziales bewertet werden. Diese Oberkriterien müssen detailliert beschrieben werden, damit sie für die Teilnehmer an den Runden Tischen als Bewertungsgrundlage dienen können. Die Methode zur Bewertung der Projekte wurde zwar jeweils erklärt, die nur positive Skalierung hat jedoch eine gewisse Eigendynamik entwickelt, was sich darin zeigte, dass die Teilnehmer vorwiegend hohe Werte (4 und 5) für die Erfüllung der Oberkriterien (bei gedanklicher Durchführung des betreffenden Projekts) vergaben. Möglicherweise war die vorgegebene Skalierung nicht differenziert genug, was zu sehr eng beieinander liegenden Bewertungen der Projekte führte.

Der erweitere Innovationsbegriff und das Anreizsystem Häufig stellt man fest, dass technisch sehr aufwendige und von Ingenieuren mit großer Kreativität entwickelte technische Neuerungen in der Umsetzung scheitern, weil bei der Einführung dieser neuen Technik die Verhaltensweisen und organisatorischen Voraussetzungen nicht beachtet wurden. Innovation muss als eine Ganzheit gesehen werden von Neuerungen in Technik, Verhalten und Organisation (Institution), die gleichzeitig entwickelt werden. Die technische Innovation wird also ins Verhältnis gesetzt zu neuen Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeiter (verhaltensbezogene Innovationen) und zu neuen organisatorischen Bedingungen (institutionelle Innovationen) in der Firma. Es besteht große Erfahrung in den Firmen, wie man an technische Neuerungen herankommen kann. Auch mit den organisatorischen Begleitmaßnahmen kann man in den Firmen in der Regel gut umgehen. Ein großes Defizit besteht aber darin, wie das Verhalten der Umsetzer und der von der Neuerung Betroffenen beeinflusst werden kann. Das Verhalten der Belegschaftsmitglieder und die organisatorischen Neuerungen kann mit Hilfe eines Anreizsystems (grob) beschrieben werden. Wir gehen bei diesem Anreizsystem davon aus, dass das Verhalten der Belegschaftsmitglieder abhängt von Zielen, Regeln, Sanktionen und Information. Was hat Ihnen weniger gut gefallen ? • Es bleiben sehr viel Hausaufgaben, um das konkrete Projekt umzusetzen; generelles Problem ist, dass das „Öko-Thema“ nebenbei mitlaufen muss; es bleibt zu hoffen, dass wenigstens kleine Schritte umgesetzt werden. • Manche Ansätze noch zu theorieorientiert. • Ergebnisse der einzelnen Veranstaltungen sollten den Teilnehmern in protokollierter Form zur Verfügung gestellt werden; Umsetzung der Ergebnisse der Veranstaltungen im Betrieb nicht gewährleistet. • Die Mitarbeit einzelner aus der Gruppe ist schlecht. • Es wurde noch zu wenig von den Teilnehmern diskutiert. • Die Auswahl des Projekts am Schluss war zu langwierig. Was hat Ihnen an den Veranstaltungen besonders gut gefallen ? • Abwechslungsreiche Gestaltung, Diskussion, verschiedene Arbeitstechniken. • Die Sachkundigkeit; die optimale Vorbereitung. • Es hat Spaß gemacht dabei zu sein und mitzuwirken. 104

• Die ehrliche Meinung war gefragt. • Das pragmatische Vorgehen ist guter Anreiz zum Weiterdenken; Hilfe zur Selbsthilfe auf dem Weg zum Öko-Audit; freundliches, hilfsbereites unw-Team. • Dass man auf das firmenbezogene Umweltprojekt gut eingegangen ist und über Lösungen diskutiert hat. • Gute Mischung aus Vortrag und „learning by doing“. Was sollen wir das nächste Mal anders bzw. besser machen ? Veranstaltung auflockern, z.B. durch einen kurzen Film zum Thema, Umweltbericht (Kernaussagen) eines bekannten Unternehmens, Erfolgsstory eines Unternehmens mit nachhaltiger Wirtschaftsweise, Dauer ca. 10 - 15 Minuten. Danach können die Teilnehmer wieder konzentriert am Thema arbeiten. Mehr kürzere Runde Tische. Mehr Praxis oder praxisverpackte Theorie. Das Symposium über interne und externe Kooperation Ein wichtiger Weg zur Nachhaltigkeit, dem Zusammenspiel von Ökonomie, Ökologie und Sozialem, ist die Kooperation. Der unw und das Modell Hohenlohe – Fördergemeinschaft betrieblicher Umweltschutz e.V., konnten in den letzten Jahren hierzu wichtige Erfahrungen in Theorie und Praxis sammeln. Diese Erfahrungen wurden in einem Symposium im Dezember 1999 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart vorgestellt und vertieft. Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft müssen den täglichen Herausforderungen der Kostenbegrenzung begegnen und gleichzeitig für die langfristige Existenzsicherung ihrer Firmen sorgen. Es gilt, den Standort zu sichern und Verbündete bei den relevanten gesellschaftlichen Gruppen zu gewinnen. Es gilt, den Zugang zu Rohstoffen, Energie und Fläche zu sichern und für die Verwertung und Entsorgung von Schad- und Reststoffen zu sorgen, und es gilt, qualifizierte und engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen. Lässt sich Ökonomie, Ökologie und Soziales durch Kooperation unter einen Hut bringen? Mittelständler beklagen zu Recht, dass ihnen umweltrelevante und umweltrechtliche Probleme auf den Nägeln brennen. Probleme, die der Nachbar vielleicht schon gelöst hat. Kooperation mit Behörden und anderen Institutionen bietet sich als Lösung an. Wie können Unternehmen mit dem Umwelt(straf)recht umgehen, wenn sie einen kooperativen Ansatz verfolgen, z.B. mit der Behörde als Partner und nicht als Vollzugs-Gegner, umgehen. Eine Antwort wurde im ersten Workshop gegeben. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet auch, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu eigenverantwortlichem Handeln zu motivieren. Hier sind große Produktivitätsreserven versteckt. Welche Möglichkeiten und Probleme ergeben sich aus einer neuen Unternehmenskultur, die einer umfassenden Kooperation entspringt? Diesem Punkt wurde im zweiten Workshop nachgegangen.

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Band 2:

Helge Majer, Joachim Bauer, Christian Leipert, Ulrich Lison, Friederike Seydel, Carsten Stahmer: Regionale Nachhaltigkeitslücken. Ökologische Berichterstattung für die Ulmer Region. 1996

Band 3:

Andreas von der Heydt: Verhandeln für eine bessere Zukunft. Mit Vermittlerorganisationen zur nachhaltigen Entwicklung? 1997

Band 4:

Helge Majer, Friederike Seydel (Hrsg.): Pflastersteine. Ulmer Wege zur Nachhaltigkeit. 1998

Band 5:

Helge Majer, Joa Bauer, Ulrich Lison, Kai Weinmüller: Kooperative Lösungen für Nachhaltigkeitsprojekte in der mittelständischen Industrie. 2004