190 28 24MB
German Pages 860 [864] Year 1994
Georg Stötzel · Martin Wengeler Kontroverse Begriffe
Sprache Politik Öffentlichkeit Herausgegeben von Armin Burkhardt · Walther Dieckmann K. Peter Fritzsche · Ralf Rytlewski Band 4
w DE
G
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995
Georg Stötzel · Martin Wengeler
Kontroverse Begriffe Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland
In Zusammenarbeit mit Karin Boke · Hildegard Gorny Silke Hahn · Matthias Jung Andreas Musolff · Cornelia Tönnesen
w DE
G Walter de Gruyter · Berlin · New York
1995
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt
Die Deutsche Bibliothek
—
ClP-Einheitsaufnahme
Stötzel, Georg: Kontroverse Begriffe : Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland / Georg Stötzel ; Martin Wengeler. In Zusammenarbeit mit Karin Boke ... — Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Sprache, Politik, Öffentlichkeit ; Bd. 4) ISBN 3-11-014652-5 Gewebe ISBN 3-11-014106-X brosch. NE: Wengeler, Martin:; G T
© Copyright 1994 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz δί Bauer-GmbH, Berlin
Vorwort Der hier vorgelegte neuartige Versuch einer Geschichte des öffentlichpolitischen Sprachgebrauchs der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart beruht auf mehrjährigen Vorarbeiten, an denen Studentinnen und Studenten, studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lehrstuhls für Deutsche Philologie und Linguistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beteiligt waren. Sie alle haben dazu beigetragen, wichtige öffentliche, geschriebene und gesprochene Texte zusammenzutragen und sprachgeschichtlich zu interpretieren. Die Volkswagenstiftung hat die Arbeit sowohl direkt durch ein Akademiestipendium für den Lehrstuhlinhaber Georg Stötzel unterstützt wie auch indirekt durch die Förderung eines ähnlich orientierten Projekts „Politische Leitvokabeln in den Westzonen und der Bundesrepublik Deutschland 1945-1961", dessen Ertrag ebenfalls in der Reihe „Sprache, Politik, Öffentlichkeit" publiziert werden wird. Die Forschungsergebnisse von Karin Boke und Martin Wengeler über Wirtschafts- und Frauenpolitik sind in beiden Publikationen - mit unterschiedlichen Akzentsetzungen - verarbeitet worden. Wir glauben, daß der Text nicht nur für Fachleute oder wissenschaftlich Gebildete lesbar ist. Die benutzte Terminologie ist aus dem Kontext heraus verständlich. Nicht die abstrakte Theoriediskussion der Geschichtsschreibung stand im Vordergrund, noch ging es um eine allgemeine Theorie des politischen Sprachgebrauchs oder des allgemeinen Sprachwandels, sondern zuallererst um die sprachgeschichtliche Darstellung und Deutung des konkreten Sprachgebrauchs. Dieses Werk kann den geschichtlichen und aktuellen Sprach- und Denkhorizont der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit, d.h. mit aktueller Sprachgeschichte zugleich politische Landeskunde vermitteln. Das Nachschlagen interessanter Wörter und den punktuellen Einstieg in unsere Geschichte(n) haben wir dadurch erleichtert, daß wir im Anschluß an die einzelnen Kapitel Listen wichtiger Beleg- und Stichwörter zusammengestellt und außerdem einen Gesamtindex mit Seitenverweisen erstellt haben.
VI
Vorwort
Die Aufteilung der sprachgeschichtlichen Darstellung in Themenbereiche brachte eine sprach- und sachgeschichtliche Spezialisierung der Verfasserinnen und Verfasser mit sich. Zwar haben wir als Hauptverantwortliche zum Teil thematische Skizzen vorgegeben, doch stellen die Themenkapitel eigenständige wissenschaftliche Leistungen der jeweiligen Verfasserinnen) dar. Deshalb sind auch die einzelnen Kapitel namentlich gekennzeichnet. Danken möchten wir unseren Hilfskräften Oliver Beermann, Dorothea Dengel, Oliver Ehrnstorfer, Simone Kippeis und Sandra Schulte für ihre zuverlässige wissenschaftliche und technische Mitarbeit sowie Hildegard Gorny, die für das Layout und die technische Herstellung der Druckvorlage verantwortlich zeichnet. Besonders verpflichtet fühlen wir uns Hans-Werner Scharf und den Herausgebern dieser Reihe, Walther Dieckmann und Armin Burkhardt, für ihre intensive und förderliche Kritik. Düsseldorf, im September 1994
Georg Stötzel & Martin Wengeler
Inhaltsverzeichnis Einleitung Georg Stötzel
1
1. Die frühe Nachkriegszeit Georg Stötzel
19
2. »Der alte Streit -hier Marktwirtschaft, dort Planwirtschaft· ist vorbei« Ein Rückblick auf die sprachlichen Aspekte wirtschaftspolitischer Diskussionen Martin Wengeler
35
3- Nation Europa und Europa der Nationen Sprachliche Kontroversen in der Europapolitik Matthias Jung & Martin Wengeler
93
4. Vom Wehrbeitrag bis zu Friedensmissionen Zur Geschichte der sprachlichen Legitimierung und Bekämpfung von Rüstung und Militär Martin Wengeler
129
5. Zwischen Re-education und Zweiter Bildungsreform Die Sprache der Bildungspolitik in der öffentlichen Diskussion Silke Hahn
163
6. Halbstarke, Hippies und Hausbesetzer Die Sprache und das Bild der Jugend in der öffentlichen Betrachtung Silke Hahn
211
7. Amerikanismen, ausländische Wörter, Deutsch in der Welt Sprachdiskussionen als Bewältigung der Vergangenheit und Gegenwart Matthias Jung
245
8. Vom zerrissenen Deutschland zur vereinigten Republik Zur Sprachgeschichte der »deutschen Frage« Silke Hahn
285
Vili
Inhaltsverzeichnis
9. Der Nazi-Komplex Georg Stötzel
355
10.-1968« als sprachgeschichtliche Zäsur Martin Wengeler
383
11. Die Terrorismus-Diskussion in Deutschland vom Ende der sechziger bis Anfang der neunziger Jahre Andreas Musolff
405
12.»Männer und Frauen sind gleichberechtigt« Schlüsselwörter in der frauenpolitischen Diskussion seit der Nachkriegszeit Karin Boke
447
13.Feministische Sprachkritik Hildegard Gomy
517
14.Lebensrecht oder Selbstbestimmungsrecbt? Die Debatte um den § 218 Karin Boke
563
15-Die Terminologie der Sexual- und Partnerschaftsethik im Wandel Cornelia Tönnesen
593
16. Umweltstörfälle Fachsprache und Expertentum in der öffentlichen Diskussion Matthias Jung
619
17.Von der Hilfe für unterentuHckelte Gebiete über den Neokolonialismus bis zur Entwicklungszusammenarbeit Der sprachliche Umgang mit dem Nord-Süd-Konflikt Martin Wengeler
679
18.Multikulturelie Gesellschaft oder Ausländer raus? Der sprachliche Umgang mit der Einwanderung seit 1945 Martin Wengeler
711
Literaturverzeichnis
751
Index
805
Einleitung 1. Erläuterung des Konzepts / 2. Ansätze zur Sprachgeschichte der Gegenwart. Zum Problem der chronologischen Zäsuren / 3. Themenkreise und sprachliche Problemindikatoren / 4. Vorarbeiten zu einer Sprachgeschichte als Problemgeschichte sowie als Geschichte öffentlicher Diskursthemen
1. Erläuterung des Konzepts Deutsche Sprachgeschichten setzen gewöhnlich im Mittelalter an, beschreiben unter wechselnden Gesichtspunkten die Veränderungen in verschiedenen Teilbereichen der Sprache, sind um so breiter und differenzierter, je weiter der behandelte Zeitraum zurückliegt, und beschäftigen sich relativ knapp mit der deutschen Sprachgeschichte nach 1945. Eine besondere Schwierigkeit besteht für die Sprachgeschichtsschreibung darin, sehr verschiedenartige Sprachwandelerscheinungen in einen Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte zu bringen. Veränderung in Lautung und Flexion, Wandel in Wortbildung und Satzbau vollzieht sich zum Teil in sogenannten geschlossenen Systemen, die relativ indifferent sind bezüglich geschichtlicher Ereignisse. In Abkehr von dieser mikrosystematischen Ebene versucht dies Buch, die Bedeutsamkeit des öffentlichen Sprachgebrauchs in der jüngeren deutschen Geschichte plausibel zu machen. Um dies zu erreichen, setzen wir den Gebrauch lexikalischer Mittel und kommunikativer Strategien in Beziehung zu anderen wichtigen Faktoren der Geschichte. Im öffentlichen Sprachgebrauch kommen die Intentionen und Interpretationen gesellschaftlich wirksamer Kräfte zum Ausdruck, unabhängig davon, ob diese Kräfte bewußt den Sprachgebrauch zu beeinflussen versuchen. Wir haben uns allerdings auch bemüht zu zeigen, wie in der Öffentlichkeit häufig mit Absicht versucht wird, mit Hilfe des Wortgebrauchs und mit Hilfe bestimmter Argumentationen Handlungsorientierungen zu erzeugen. Hierbei haben uns zwei Gesichtspunkte geleitet: In öffentlichen Diskussionen über politische Probleme kommen durch unterschiedlichen und sich wandelnden Sprachgebrauch die unterschiedlichen und sich wandelnden Einstellungen von gesellschaftlichen
2
Einleitung
Gruppen zum Ausdruck. Solche sprachlich-politischen Konflikte und Aushandlungsprozesse werden in unserem Konzept einer Sprachgeschichte der Gegenwart nachgezeichnet, eben um die gesellschaftliche historisch stabilisierende oder verändernde - Wirkung des Sprachgebrauchs zu dokumentieren. Wir haben große öffentliche Themen und Diskussionen — d.h. bedeutsame Felder der deutschen Geschichte nach 1945 - mit dieser sprachorientierten Perspektive analysiert, um auch zu verdeutlichen, wie mit im Prinzip gleichbleibenden sprachlichen Strategien Verhaltensorientierungen und sogenannte Zustimmungsbereitschaft für (partei)politische Zielsetzungen erzeugt werden sollen. So bringt die Rekonstruktion der Geschichte unter sprachwissenschaftlichem Aspekt allgemeine historische Skizzen mit sich, in denen der „historische Kontext" in sach- oder problemgeschichtlicher Perspektive vorgestellt wird. Diese zeithistorischen Darstellungen sind nicht Selbstzweck, sondern sollen die konstitutiven Bedingungen des Sprachgebrauchs veranschaulichen. Diese Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs benutzt außer den traditionellen vor allem eine neue „Findungsmethode", d.h. eine neue Methode der Auffindung und der Auswahl des zu analysierenden Sprachmaterials, der Belege. Diese Methode beruht auf der Beobachtung, daß in öffentlichen Diskussionen der Sprachgebrauch selbst oft explizit oder indirekt zum Thema wird. Bekannt war diese Erscheinung bereits aus der sogenannten Fremdwort-Diskussion, aus Debatten über Nazi-Sprache, über die sogenannten „Sprachrichtlinien" der Bundesregierung und über Selbst- und Fremdbezeichnungen der BRD und der DDR während der deutschen Zweistaatlichkeit, ferner vielleicht aus öffentlichen Erörterungen über die „Sprache der Jugend" oder auch über die feministische Sprachkritik. Es hat sich aber gezeigt, daß dieses Kriterium, das wir weiter unten noch intensiver diskutieren, auch dazu geeignet ist, die Bedeutsamkeit des Sprachgebrauchs in zunächst sprachferner erscheinenden öffentlichen Themensektoren zu indizieren, was beispielsweise unsere Kapitel über Wirtschaft, Europa, Rüstung, Bildung, Gleichberechtigung und Emanzipation, über Abtreibung, Umwelt-, Entwicklungs- und Einwanderungspolitik belegen. Daß auch bei dieser Findungsmethode hier und da öffentlich bedeutsame Probleme und Spracherscheinungen durch die Maschen gefallen sind, hängt sicher auch mit Mängeln zusammen, die bei der erstmaligen Anwendung dieser Art von Materialerhebung unvermeidlich sind. Unbearbeitet blieben auch Spracherscheinungen, die wegen fehlender Thematisierung nicht in unser Problemraster paßten (z.B. Sport- oder Mode-Vokabular) oder die nur zu kurzfristigen Thematisierungen führten
Einleitung
3
(wie zum Beispiel die polemischen Vokabeln der Diskussion um die Volkszählung in den achtziger Jahren). Aus unterschiedlichen Gründen sind auch ganze Bereiche wie „Die neue Rechte" oder Mode und Sport noch unberücksichtigt geblieben. Ohne daß wir das Kriterium der Vollständigkeit der Sprachwandelerscheinungen über das der (öffentlich deklarierten) Bedeutsamkeit stellen wollen, werden wir dennoch bestrebt sein, in weiteren Bearbeitungen solche Lücken - samt denen, die uns Kritiker und Kritikerinnen nachweisen werden - zu schließen. Unsere offene Struktur von Themensektoren läßt hierfür Raum. Für diesen ersten Versuch der Erfassung und Interpretation bedeutsamer öffentlicher Spracherscheinungen spielten folgende Kriterien eine wichtige Rolle: - Ausgangspunkt für die Textauswahl sollten vor allem explizite Thematisierungen von Sprache in Texten sein, da öffentliches Sprechen und Streiten über den Sprachgebrauch im politisch-gesellschaftlichen Raum anschaulich den oft unterschätzten Einfluß der Sprache auf die Bildung und Behandlung politischer Probleme verdeutlicht. - Als in gleicher Weise bedeutsam sollten konkurrierende Interpretationsvokabeln eines Problemverhalts (indirekte Thematisierungen) eruiert und als Ausdruck bestimmter „Sehweisen" (Konzeptualisierungen) einer geschichtlichen Situation zusammen mit den entsprechenden Redestrategien interpretiert werden. — Es sollten Strategien der Auf- und Abwertung bestimmter Bezeichnungen (durch spezifische Kontextualisierungen) herausgefunden und die mit ihnen vermittelten Verhaltensorientierungen bewußt gemacht werden. — Es sollten „Neuwörter" - d.h. zugleich Neubedeutungen - , die als Indizien der Aktualität eines Problems fungieren, als Ausdruck neuer Konzeptualisierungen bzw. Verhaltensorientierungen ausfindig gemacht und erläutert werden. Diese methodischen Kriterien der Materialfindung und der Interpretation wurden allerdings so gehandhabt, daß Sprachgeschichte nicht auf Wortgeschichte oder auf eine Geschichte von Thematisierungen reduziert wird. Vielmehr sind alle Erscheinungen des auf diese Weise gezielt gesammelten Textmaterials in eine narrative Sprachgeschichtsdarstellung (in Sprachgeschichten) integriert worden. Wir haben versucht, diese sprachbezogene zeitgeschichtliche Darstellung, die aus den erläuterten Gründen notwendigerweise eine Beschreibung zeitgeschichtlich eingebetteter Sprachprozesse ist, möglichst allgemeinverständlich abzufassen. Nach dieser kurzen Vorstellung unseres Konzepts wollen wir nun ausführlicher auf die bisherigen Ansätze einer Sprachgeschichte der Ge-
4
Einleitung
genwart eingehen. Wir wollen zeigen, wie bisher die Gegenwart sprachgeschichtlich aufgearbeitet worden ist, welche Probleme sich bei solchen Analyseversuchen ergeben und wie wir selbst schrittweise und mit Hilfe von Vorarbeiten unser spezifisches Konzept erarbeitet und realisiert haben.
2. Ansätze zur Sprachgeschichte der Gegenwart. Zum Problem der chronologischen Zäsuren Noch existiert keine umfassende Sprachgeschichte der Gegenwart. Allerdings gibt es schon einige Ansätze dazu, die über Einzelfallstudien hinausgehen: einen zusammenfassenden Aufsatz etwa über „Tendenzen der deutschen Gegenwartssprache" von Günther Drosdowski und Helmut Henne oder ein Buch mit ähnlichem Titel von Peter Braun, ebenso eine Publikation „Entwicklungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache" aus der damaligen DDR (Autorengruppe unter Karl-Ernst Sommerfeldt) und die Studie „Gegenwartsdeutsch" von Helmut Glück und Wolfgang Werner Sauer, die auch die Perspektive der Auslandsgermanistik berücksichtigt. Zu diesen Ansätzen zählen natürlich auch die (meist wenig ausführlichen) Kapitel über die deutsche Sprachentwicklung seit 1945 in umfassenden Sprachgeschichten des Deutschen. Hier ist vor allem die „Geschichte der deutschen Sprache" von Peter von Polenz (9. Aufl. 1978) und der erste Band seiner „Deutschen Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart" (1991) zu nennen. Am weitesten über Ansatzhaftes, Programmatisches und Punktuelles kommt sicherlich Hugo Steger in der ersten und zweiten Fassung seines Aufsatzes „Sprache im Wandel" hinaus, den er 1983 und 1989 als Beitrag zu einer umfassenden Geschichte der Bundesrepublik Deutschland schrieb. Eine methodisch und empirisch interessante, wenngleich sehr kanppe Überblicksskizze mit programmatischen Forderungen, die wir hier zum Teil eingelöst haben, legte Hans-Werner Eroms vor. Er bestimmt die „öffentlich-politische Sprache" als „die funktionale Schicht der Sprache, die überregional als verbindlich akzeptiert ist zur Artikulation der politischen Interessen der Bürger einer .Kommunikationsgemeinschaft'" (Eroms 1989, S. 10). Eroms analysiert die „hochoffiziellen Verlautbarungen, Aufrufe, Programme und Regierungserklärungen" (ebd., S. 17) auf ihre Argumentation und ihre zentralen parteilichen Schlüsselbegriffe hin. Einig sind sich alle bisherigen Ansätze in der Fixierung des Beginns der „Gegenwart": Der 8. Mai 1945 wird mit mehr oder weniger ausführlichen Hinweisen als wichtigste Anfangszäsur angenommen. Als sprach-
Einleitung
5
geschichtlich relevant wird meist das Ende der Nazi-Herrschaft und der Beginn eines demokratischen Pressewesens angeführt; die Vertreibung von 14 Millionen Deutschen wird als Grund für die gesteigerte Leitbildfunktion der Hoch- bzw. Standardsprache gegenüber den zum Teil untergehenden, zum Teil in der Bevölkerungsmischung kommunikationshemmenden Dialekten genannt; schließlich wird auf den Beginn des lexikalischen und sprachstrukturellen Einflusses des amerikanischen Englisch hingewiesen.1 Die Ansetzung weiterer Zäsuren ist - soweit davon überhaupt in den bisherigen Entwürfen die Rede ist - von den inhaltlich dominanten Perspektiven abhängig. So plädiert zum Beispiel von Polenz (1983, S. 58) unter mediengeschichtlichem Gesichtspunkt aufgrund der allgemeinen Verbreitung des Fernsehens und des Telefonierens für eine Zäsur um I960. Drosdowski/Henne (1980, S. 620) unterscheiden zwischen „sprachlicher Gegenwart" (ab 1945) und „unmittelbarer Gegenwart" (ab Mitte der siebziger Jahre). Außer bei Steger sind sonst in Skizzen und Ansätzen zur Sprachgeschichte der Gegenwart keine Vorschläge zur chronologischen Phasenbildung gemacht worden. Vielmehr ist programmatisch von unterschiedlichen Analyseperspektiven die Rede. Dies reicht von Ansätzen, die eine Analyse von der Laut- bis zur Textebene vorschlagen und mit einschlägigen Beispielen belegen (Drosdowski/Henne 1980; von Polenz 1983, S. 44ff.), bis zur Zusammenstellung heterogener und nur ansatzweise erforschter Themenbereiche bei Glück und Sauer (Verwendung des Ausdrucks deutsch, gesprochenes und geschriebenes Deutsch, Sprache der Jugend, aktuelle grammatische Entwicklungen, DDR-spezifische Vokabeln, Migration und Hochsprache). Sicherlich werden die Jahre 1989/90 als Zäsur, die „das Ende der Nachkriegszeit" markiert, anerkannt werden. Ihre sprachlichen Folgen sind noch nicht absehbar. Ansonsten gibt es, wiederum abgesehen von Steger, sprach- und begriffsgeschichtliche Zäsursetzungsvorschläge nur „von außen": 1983 den 1
Zur inhaltlichen Interpretation der Zäsur s. Stötzel 1990, S. 50-54. Walther Dieckmann (1983) hat gefragt, inwiefern die Jahre 1933 und 1945 überhaupt als Zäsuren im Sinne der Sprachkritik und der Sprachgeschichte angesehen werden können und darauf hingewiesen, daß viele Teilbereiche der Sprache von diesen Zäsuren nicht betroffen waren. Der frühverstorbene Düsseldorfer Zeithistoriker Peter Hüttenberger hat dagegen gerade die Unterschiede im Sprachgebrauch vor und nach 1945 herausgearbeitet, und zwar im Hinblick auf Sektoren der Sprache, die er „nationalsozialistische Gesinnungs- und Bürokratiesprache" bzw. ironisch „NS-Hochsprache" nennt. Das nach 1945 benutzte pathetische „neoidealistische" Vokabular wird nach Hüttenberger (1991) durch den „kulturellen Umbruch" der 60er Jahre - d.h. nach einer zweiten Zäsur - obsolet.
6
Einleitung
Vorschlag des konservativen Publizisten Ludolf Herrmann2, das Jahr 1968 als wichtigste Wendemarke anzuerkennen, weil „die Studentenrebellion von 1968" zu unbewältigten „fundamentalen Umwertungen der Folgezeit" geführt habe; ähnlich argumentiert Kurt Biedenkopf (1982, S. 190f.), der das „Besetzen von Begriffen" durch linke Ideologen und durch die SPD ab 1966 bzw. 1969 als „Umwertung zentraler Begriffe", als „Revolution der Gesellschaft durch die Sprache" begreift; Schelsky (1979, S. 18) spricht pauschal von der „Umwertung aller Worte". Den bisher umfassendsten Versuch einer zeitgeschichtlichen Bestimmung von Zäsuren der deutschen Nachkriegsgeschichte auf verschiedenen Problemfeldern (Außen-, Wirtschafts-, Sozial-, Bildungspolitik, Kulturgeschichte, Kirche, Religion, Rechtsdenken, Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus usw.) hat 1989 das Institut für Zeitgeschichte unternommen. Der Bezug auf Sprach- und Begriffsgeschichte ist in diesen Analysen aber sekundär; insofern können sie zum Teil als eine Art sach- bzw. realgeschichtliches Komplement zu unserer problemorientierten Sprachgeschichte gelesen werden.3 Eine gängige Phasenbestimmung aus politikwissenschaftlicher Sicht, die im Hinblick auf die sprachgeschichtliche Phasierung bei Steger interessant erscheint, nimmt Bergsdorf in seiner Monographie „Herrschaft und Sprache" vor, wobei er speziell die Entwicklung der Terminologie der Parteien im Auge hat. Bergsdorf sieht in den Gründungsaufrufen der Parteien von 1945 Gemeinsamkeiten einer „antifaschistischen Terminologie" mit den Schlüsselwörtern Demokratie und Antifaschismus - vor der dann einsetzenden terminologischen Auffächerung im Ost-WestKonflikt; als Phase der „Terminologie der Integration" bestimmt er die Adenauer-Ära bis 1963, die in einen „verbreiteten Konsens" münde (Bergsdorf 1983, S. 278); ihr folge eine „Terminologie der Entspannung" in der Zeit von 1963 (Erhard) bis 1969 (Beginn der links-liberalen Koalition); die Zeit der Brandt-Regierung charakterisiert Bergsdorf als Phase einer „Terminologie der Bewegung", und die Schmidt-Phase sieht er gekennzeichnet durch eine „Terminologie der Ernüchterung".4 In seinem Versuch, die Sprachgeschichte der Bundesrepublik (und der Westzonen) in enger Beziehung zur Zeitgeschichte darzustellen, unterscheidet Hugo Steger (1983 und 1989) fünf Phasen, für die er insbesondere den politisch-institutionellen Wortschatz, Gruppensprachen, Fachund Techniksprachen, die Literatursprache und die Sprache im religiösen Bereich untersucht. Mit Hinweis auf das Ende der Nazizeit und den Un-
2 3 4
Vgl. Herrmann 1983, S. 17. Vgl. Broszat 1990. Vgl. Wengeler 1992, S. 46ff.
Einleitung
7
tergang ihrer Institutionen- und Ideologiesprache in Rundfunk, Presse, Gesetzes- und Formularwesen setzt Steger 1945 als Epochenjahr, das die Sprachlenkung der Nazis auch von der neuen öffentlichen Meinungsvielfalt, dem „Sprachmarkt", trennte und das zugleich den Beginn des Einflusses des amerikanischen Englisch und der Zurückdrängung der Dialekte zugunsten der Hochsprache markierte. Nach dieser von ca. 1945 bis 1948 reichenden Phase setzt Steger von 1947/50 bis 1960/65 eine stärker konturierte Epoche unter dem Titel „Wirtschaftswunder und Sprachausgleich" an. Den „Paradigmenwandel" (1947/50) sieht er durch die Sprache der demokratischen Erneuerung (politische Werbung, neue Medienformen), die frühen fünfziger Jahre von der Ost-West-Spannung und der Remilitarisierungsdebatte geprägt. Das Ende dieser Phase (nach vorherigem größeren Konsens) ist für ihn durch eine „durchgreifende Unruhe" und Kritik an der „Wohlstandsgesellschaft" und Abweichung von etablierten Sprachnormen in der Literatursprache gekennzeichnet. Eine weitere große Phase der Sprachgeschichte der Nachkriegszeit fixiert Steger zwischen 1960/65 und 1972/74 unter dem Titel „Vom Pluralismus zur Sprache der Entzweiung". Diese Phase kennzeichnet die Ablösung einer pragmatisch („theorieabhold") orientierten Politik durch besonders von Sozialwissenschaften, Psychoanalyse und Strukturwissenschaften beeinflußte - rationalistische Grundströmungen, die zu Kritikund Konfliktbewegungen führten. Sozial sei diese Epoche durch die Aufgabe der Integration von Gastarbeitern geprägt, sprachlich durch den steigenden Einfluß der Massenmedien und durch das Hervortreten von Gruppensprachen. Die Zeit nach 1972/75 bis 1980/81 charakterisiert Steger als Phase der „Sozialromantik im Jahrzehnt der Realpolitik", womit er die Umweltbewegung (mit der Neubedeutung von grün) und andere Bewegungen mit zum Teil „antirationalistischen Zügen" meint (Steger spricht zum Beispiel in der ersten Fassung seines Aufsatzes vom „irrationalistischen, pazifistischen Gesamtklima" dieser Zeit; ebd. S. 37). Die Schubkraft dieser Bewegungen sieht er begleitet durch einen Umschwung des Klimas (man spricht jetzt von Reformeuphorie), der die — auch durch die Energiekrisen notwendig gewordene — „Politik des Machbaren" der Regierung Schmidt/Genscher einleitet. In der zweiten Fassung seines Aufsatzes aus dem Jahre 1989 - also noch vor der „deutschen Revolution" - fragt Steger, ob der Beginn der achtziger Jahre ebenfalls einen „(kleineren) Einschnitt im sprachlichen Geschehen der Bundesrepublik Deutschland" darstelle. Diese Phase (1982—1988) kennzeichnet nach Steger eine „wieder größere Sprachsen-
8
Einleitung
sibilität für den differenzierten, kulturell anspruchsvollen Sprachgebrauch (Sprachkultur), der Vernunft- und Gefühlssphäre zum Ausgleich bringen will" (1989, S. 22). Zum anderen ist diese Phase für ihn durch Gruppensprachen als akzeptierte Gegenbilder zur Standardsprache charakterisiert: durch die Gruppensprache der Jugend, die Sprache der alternativ Orientierten, die „Frauengruppensprache". Ebenso verweist er auf die innenpolitischen Kontroversen dieser Zeit und den für sie typischen Sprachgebrauch, auf die sogenannte Wenderhetorik und die Schlüsselbegriffe der „geistigen Wende" nach dem Regierungswechsel 1982, auf das wirtschaftspolitische Vokabular der „Sparpolitik" und des „Sozialabbaus", auf den Diskriminierungswortschatz bezüglich der sogenannten Ausländer- und Asylantenflut, auf den Wortschatz der Nachrüstungsdebatte usw. Steger hat damit als erster — und bisher einziger — Sprachwissenschaftler ein Gesamtkonzept einer zeitgeschichtlich orientierten Sprachgeschichte von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart vorgelegt. Er sieht deutlich die Probleme der pauschalen zeitlichen Epochenbildung und die der Aufteilung der Kommunikationsgeschichte in mehrere „Stränge", „Bereiche" oder „Sprachvarietäten". In seinen Periodisierungsvorschlägen geht er „vom Durchschlagen gesellschaftlicher und bewußtseinsmäßiger Bedingungen und Wandlungen auf den Sprachgebrauch in der alltäglichen Lebenspraxis, in den Institutionen, in der Literatur und Wissenschaft aus" (1989, S. 29). Er ist sich darüber im klaren, daß es „kommunikationsgeschichtliche Gangunterschiede und Retardierungen in den unterschiedlichen Bereichen" gibt, daß sich die Grenzen dieser Bereiche gegenseitig überschneiden und somit relativ breite „Epochengrenzsäume" angesetzt werden müssen. Bezüglich der „Bereiche" innerhalb der Epochen veranschaulicht Steger seine Darstellung durch Belege, die die Rolle der Sprache im Verlauf der Zeitgeschichte verdeutlichen: Das reicht vom Entnazifizierungs- und Schwarzmarktvokabular der Nachkriegszeit, vom Neubeginn der Literatursprache und der Sprachdiskussion in der „Gruppe 47", von der „Wiederbewaffnungsdebatte" über die Kritik an der „Wohlstandsgesellschaft", über den frühen Einfluß amerikanischer Wirtschaftsvorbilder (Marketing, Management), über Hinweise auf das Vokabular der Hallstein-Doktrin, auf die Sprache der Studentenbewegung, auf das Vokabular der Bildungs(notstands)-Diskussion, der Umweltbewegung, der „Feminismuswelle", der Friedensbewegung bis hin zu dem Vokabular, das den Wertorientierungswandel bezüglich Ehe und Familie erkennen läßt (nichteheliche Gemeinschaft, eheähnliche Gemeinschaft, Ehe ohne Trauschein, freie Lebensgemeinschaft, Ehe auf Probe usw.).
Einleitung
9
Damit hat Steger das Konzept einer Sprachgeschichte der Gegenwart vorgelegt, innerhalb dessen er im Längsschnitt folgende „Stränge gleichzeitig zu verfolgen" versucht: „[...] die Veränderungen des öffentlichen .politischen' und fachlichen Vokabulars in Institutionen und institutionalisierten Kommunikationsmedien, z.B. in der Besatzungszeit, in den Jahren des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, in den Jahren des Ausbaus des Sozialstaates und der studentischen Revolte, und in der Zeit erlahmender Reformen und stagnierender Wirtschaft in den erneuten Reformansätzen der 80er Jahre [...]." (1989, S. 27f.)
Obgleich Stegers erster Überblick eine wissenschaftliche Pionierleistung darstellt, erscheint es fraglich, ob seine Periodisierung als Grundlage für eine umfänglichere Sprachgeschichte geeignet wäre, die sich lediglich darauf beschränkte, die Stegersche Skizze empirisch aufzufüllen und umfänglicher zu machen. Steger selbst spricht davon, daß er für die einzelnen Epochen relativ breite Grenzsäume habe ansetzen müssen, weil die Kriterien der Epochenbildung relativ vage und heterogen blieben, eben weil sich unterschiedliche Inhaltsbereiche überschnitten. Wir haben für unser Buch einen eigenen Weg gewählt, der eine zu allgemeine und zu äußerliche Zäsursetzung vermeidet, die Materialauswahl methodisch legitimiert und letztendlich zu einer Sprachgeschichte der Gegenwart als Themengeschichte (oder Problemgeschichte) geführt hat. Im Rahmen dieses Konzepts, in dem die sprachrelevanten Aspekte der Zeitgeschichte weitgehend zu Themenkreisen zusammengefaßt worden sind, können die Rolle der Sprache und insbesondere die Wahl der lexikalischen Mittel bei den Versuchen der öffentlichen Problembildung und -bewältigung deutlicher analysiert werden.
3. Themenkreise und sprachliche Problemindikatoren Das hier realisierte Konzept einer Sprachgeschichte der Gegenwart ist in vieler Hinsicht durch die bisherigen Ansätze, insbesondere diejenigen Stegers und von Polenz' angeregt worden, unterscheidet sich aber insofern grundlegend von ihnen, als es nicht ausschließlich auf der Zusammenschau bisheriger, methodisch divergenter Forschungsansätze oder mosaikhafter Materialanalysen zur Sprachgeschichte der Gegenwart beruht, sondern weitgehend auf eigener, methodisch geleiteter Quellenauswahl und Quellenanalyse. Um überhaupt einen Maßstab für die Materialauswahl zu finden, gingen wir von folgenden Überlegungen aus: Wir wollten in unserer Sprachgeschichte Sprache in einer ihrer wesentlichen Funktionen aufzeigen: in der auf der Arbitrarität sprachlicher Zeichen beruhenden realitäts-
10
Einleitung
konstitutiven und handlungsorientierenden Funktion. Wir haben uns also - systematisch betrachtet - auf die semantisch-pragmatische Ebene beschränkt und keine umfassende Sprachgeschichtsschreibung angestrebt. Wir wollten nicht die fachwissenschaftlichen Kategorien aller möglichen Analyseebenen - von der phonetisch-phonologischen bis zur Textebene - an inhaltlich austauschbares sprachliches Material herantragen. Wir haben sowohl den Textbereich wie auch die Auswahl des Sprachmaterials methodisch begrenzt, um zur Erkenntnis gesellschaftlich wichtiger Erscheinungen und Themenbereiche zu kommen. Wir wollten zeigen, wie Sprachgebrauch in das Handeln gesellschaftlicher Gruppen eingebettet ist, d.h. wir wollten zu konkreten Interpretationen der Rolle der Sprache im sozialen Handeln kommen. Als ersten heuristischen Ausgangspunkt zur Erfassung und Veranschaulichung der oben genannten Sprachfunktionen wählten wir Pressetexte, weil sie unserer Meinung nach die konstitutive Rolle der Sprache für Zustände und Veränderungen des öffentlichen Bewußtseins am besten erkennen lassen. Da Pressetexte der großen Zeitungen auf den überregionalen Nachrichtenseiten zu ca. 85 % aus Agenturmeldungen bestehen, die nur relativ wenig verändert in die Zeitungstexte eingehen, erschien uns für den ersten Schritt der Materialgewinnung ausreichend, die Nachrichtentexte einer großen Tageszeitung zu berücksichtigen. Wir wählten die traditionell CDU-nahe RHEINISCHE POST, eine in Düsseldorf erscheinende große Regionalzeitung mit einer Auflage von über 400000 Exemplaren. Bei der Textauswahl stützten wir uns vor allem auf Aspekte des allgemeinen Sprachgebrauchs, insbesondere auf das Kriterium der öffentlichen Thematisierung von Sprache, d.h. von unterschiedlichem Sprachgebrauch. Das Kriterium der expliziten Thematisierung verdeutlicht, daß in bestimmten Handlungszusammenhängen der Sprachgebrauch oder das Sprachverhalten so wichtig ist, daß es zum Gegenstand öffentlicher Diskussion wird. Auf dieses Relevanzkriterium hatten uns große öffentliche Diskussionen wie die über die Rolle der Sprache bei der Entstehung der Nazi-Herrschaft und ihr Beitrag zur Vorbereitung der Nazi-Verbrechen hingelenkt, ferner die öffentliche Diskussion und die regierungsseitigen Sprachregelungen (Richtlinien) im Rahmen des Ost-West-Konfliktes und speziell im Rahmen des Verhältnisses der beiden deutschen Staaten; schließlich sind hier auch die öffentlichen Sprachdiskussionen über das generelle bzw. politisch-strategische „Besetzen von Begriffen" und über die sprachliche Diskriminierung von Frauen zu nennen. In der fachwissenschaftlichen Diskussion hatte Harald Weinrich in seinem Aufsatz „Von der Alltäglichkeit der Metasprache" die Tradition des
Einleitung
11
Konzepts von Sprache als selbstreflexives Medium in die aktuelle Diskussion über die Gegenstandsbestimmung einer kommunikativ orientierten Sprachwissenschaft eingebracht und darauf hingewiesen, daß Thematisierung von Sprache - auch in der Alltagskommunikation - ein Indikator für Kommunikationsprobleme sei. Eine Linguistik, die sich derart an von den Sprechern selbst deklarierten kommunikativen Problemen orientiere, entgehe dem (sowohl gegen den Positivismus wie gegen den dezisionistischen Konventionalismus möglichen) Vorwurf, daß sie sich ihre „Probleme selber mache", indem sie sich nur an den traditionellen, rein fachwissenschaftlich anerkannten Fragestellungen orientiere. Wie wirkten sich diese Vorüberlegungen konkret aus? In einem ersten Schritt wurden zunächst die einzelnen Jahrgänge der RHEINISCHEN P O S T seit ihrem ersten Erscheinen am 2 . 3 . 1 9 4 6 bis zu den deutschen Staatsgründungen im Jahr 1949 systematisch auf explizite Thematisierungen untersucht. Diese erste Recherche ergab, daß auf dem wiedererstandenen „Sprachmarkt" explizite Thematisierungen aus wichtigen Themen- und Problembereichen vorlagen. Dazu gehörten die Bereiche Entnazifizierung (auch der Sprache), (Kollektiv-)Schulddiskussion, Jugendfragen (HJ, verlorene Generation), Fragen der Wirtschaftsordnung (freie/soziale Marktwirtschaft, Sozialismus, Sozialisierung, Sozialpartner) und der Wirtschaftsentwicklung (Demontage, Reparationen, Exporte, Wirtschaftsaufschtvung), Fragen der Flüchtlings-Integration, Grenzfragen (im Westen und im Osten) und Probleme des Verhältnisses zu den Nachbarn in Europa (deutsche Gefahr, Viertes Reich usw.). Explizite Thematisierungen offenbaren die Interpretation des eigenen und des fremden Sprachgebrauchs und stellen somit intrakommunikative Auslegungen des aktuellen Sprachgebrauchs und auch der Sprachgebrauchs-Geschichte dar; z.B. interpretiert die remotivierende Auslegung von Gastarbeiter- „Gäste" müßten nach gewisser Zeit wieder nach Hause gehen - die Sprachgebrauchs-Geschichte zum Zweck parteipolitischer, in diesem Fall ausländerfeindlicher Zielsetzungen. Zugleich zeigte sich, daß auch die sog. implizite Thematisierung, d.h. der heterogene Sprachgebrauch selbst als Problemindikator anzusehen war: Heterogener Sprachgebrauch als Bezeichnungskonkurrenz (OderNeiße-Linie vs. Oder-Neiße-Grenze bzw. Friedensgrenze) oder als Polysemie (Sozialismus im Sinne des christlichen oder des marxistischen Sozialismus) verweist ebenso wie die explizite Thematisierung auf die (bewußte oder nichtbewußte) Tendenz sozialer Gruppen, mit Hilfe von zunächst gruppenspezifischem Sprachgebrauch ihre Interpretation von Problemverhalten oder ihr Verständnis von bestimmten Ausdrücken als allgemein akzeptierte Norm durchzusetzen.
12
Einleitung
Schließlich haben wir zwei weitere Erscheinungen als Wandel- und Problemindikatoren berücksichtigt. Ihre Beachtung entspricht den durch von Polenz formulierten „Erkenntnisinteressen der Sprachgeschichtsschreibung" (1991, S. 17ff.) und dem „modernen politischen Geschichtsbegriff" (ebd., S. 19), der für die zukünftige Entwicklung bedeutsame und für die Handelnden und Betroffenen wichtige Erscheinungen umfaßt: Es handelt sich einmal um die auffällige Häufigkeit von sog. Gelegenheitskomposita mit gleichem Grund- oder Bestimmungswort (zum Beipiel Bildungsfrage, Bildungsgefälle, Bildungskatastrophe, Bildungschancen, Bildungsreform usw.). Solche Gelegenheitskomposita zeigen an, wie intensiv das aktuelle Wissen über den in Rede stehenden Problembereich ist, da ja die Bedeutung des jeweiligen Kompositums übersummativ gebildet und nicht durch die Bedeutung der Komponenten determiniert wird und daher auch nicht allein durch deren separate semantische Analyse darstellbar ist: So bedeutet zum Beispiel Bildungskatastrophe 1964, daß es zu wenig Lehrer höherer Schulen (und zu wenig Bildungschancen für Schüler besonders unterer sozialer Schichten) gibt, während 1982 unter Bildungskatastrophe der Überschuß, die Arbeitslosigkeit der Lehrer, eine sog. Lehrerschwemme verstanden wird. Darüber hinaus zeigt die Häufigkeit von bestimmten Grund- oder Bestimmungswörtern an, welcher Problembereich zu bestimmten Zeiten so aktuell ist, daß eine Menge darauf bezogenen allgemeinen Wissens vorausgesetzt werden kann: Viele Bildungsl&omposiXa zu einer bestimmten Zeit zeigen z.B. die Hochphase einer Bildungs-Diskussion an. Die vierte und letzte sprachliche Erscheinung, die Indikatorfunktion für geschichtliche Bedeutsamkeit hat und die auch traditionellerweise stets als Beleg für geschichtlichen Wandel gesehen wurde, sind die Neologismen: Zum Teil handelt es sich hierbei um in spezifischem Sinn lexikalisierte Komposita (zum Beispiel Wirtschaftswunder, Entspannungseuphorie, Restrisiko), um Neubedeutungen (zum Beispiel Umwelt oder grün, Grüne) oder um Neuwörter im vollen Sinne {Aids usw.). Die letztgenannten Erscheinungen sind in Zeitungstexten nicht ohne weiteres erkennbar. Oft aber werden Neuwörter, neue Gebrauchsweisen in den Zeitungstexten zunächst durch Anführungsstriche gekennzeichnet oder durch Hinzufügung von Bedeutungsangaben oder durch Erläuterungen bzw. Hinweise markiert. Die textanalytische Anwendung dieser Kriterien hatte bereits in den späten siebziger und den achtziger Jahren in mehreren Studien die Bedeutsamkeit von expliziten Thematisierungen und heterogener Sprachverwendung bezüglich der Konstitution von Wirklichkeit durch öffentlichen Sprachgebrauch demonstriert (vgl. Stötzel 1980, 1986, 1990). Die-
Einleitung
13
se Studien betrafen meist einzelne sog. semantische Kämpfe (zum Beispiel Zensur, Berufsverbot, KZ-Ei, Aggression/Befreiung, Aufschwung, Miezen, Wiedergutmachung, Deutsche). In diesen Analysen wurden die einzelnen sprachlichen Daten als Belege für die realitätskonstitutive Kraft der Sprache und die - aufgrund der Arbitrarität der Zeichen möglichen und notwendigen - Auseinandersetzungen über soziale Normen des Sprachgebrauchs verwendet. Daß sich sprachliche Thematisierungen und Auseinandersetzungen jeweils bestimmten historischen Themen- oder Problemkreisen zuordnen lassen und daß sich spezifisches öffentliches (zum Teil fachsprachlich vorgeprägtes) Vokabular erst in abgrenzbaren Themenkreisen ausformt, hatte sich anhand der Geschichte des sprachlichen Umgangs mit dem Problem der deutschen Zweistaatlichkeit seit 1949 gezeigt; eben deshalb war dieser „deutsch-deutsche" Problemkreis auch schon in früheren Ansätzen verschiedentlich als ein eigenes „Kapitel" der deutschen Sprachgeschichte behandelt worden. Daneben ist bewußt geworden, daß einzelne soziale Gruppen ihre eigenen „Sprachen" - d.h. hier: gruppenspezifische Seh- und Ausdrucksweisen - entwickelt haben. So sprach man von der Sprache der Jugend und stellte jugendsprachliches Vokabular zusammen; man sprach von der Sprache der Linken (und auch der Sprache der Rechten) und versuchte, deren Strategie des „Begriffe-Besetzens"5 und der Sprachveränderung nachzuweisen; man sprach von der Sprache der Umwelt-, der Friedensbewegung, von der Sprache (und der Sprachkritik) der Feministinnen usw. Diesem Bewußtsein sollen die Themensektoren unserer Sprachgeschichte entsprechen.
5
6
So wie in öffentlichen Diskussionen häufig die von Kurt Biedenkopf geprägte Wendung vom Begriffe besetzen gebraucht wird, ist oft auch von der „Bedeutung eines Begriffs" die Rede. Die Sprachwissenschaft spricht präziser von der Bedeutung von Ausdrücken. Angesichts der vorherrschenden umgangssprachlichen Konventionen haben wir gerade in Passagen, in denen die öffentlichen Stellungnahmen zu einem „Begriff" kommentiert oder interpretiert werden, auf eine präzisere Ausdrucksweise verzichtet. Zum zeichentheoretischen Status des Redens vom Begriffe besetzen vgl. Klein 1991. Fast alle diese Aspekte gruppenspezifischen Sprachgebrauchs sind auch in Stegers erstem Versuch einer Skizze der deutschen Sprachgeschichte der Gegenwart berücksichtigt: Sie kommen bei ihm aber nur sporadisch und vereinzelt innerhalb seiner pauschal nach einem relativ vagen Hauptkriterium (wie „Sprachausgleich") bestimmten Phasen vor. Außerdem führt Steger phasenspezifisches Vokabular an, das zwar zur Veranschaulichung des geschichtlichen Zeitraums dienen kann (wie Nylonstrümpfe, Zigarettenwährung), das aber nicht explizit einem Problemkreis zugeordnet ist. Mit diesen Bemerkungen soll der Ansatz Stegers, der auf Vergegenwärtigung des historischen Sprachwandels auch vermittels der Anführung von Neologismen zielt, keineswegs generell kritisiert, sondern nur von dem hier erörterten methodischen Ansatz einer problemgeschichtlich orientierten Sprachgeschichte abgegrenzt werden.
14
Einleitung
4. Vorarbeiten zu einer Sprachgeschichte als Problemgeschichte sowie als Geschichte öffentlicher Diskursthemen Was den methodischen Aufbau einer Sprachgeschichte der Gegenwart angeht, so haben sich das Problem der chronologischen Gliederung nach bestimmten Phasen und das Problem der inhaltlichen Gliederung der Gesamtgeschichte nach dominanten Themen als eng verbunden erwiesen. Für die Darstellung der Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs erscheint uns die Gliederung nach Themenkreisen oder Problemsektoren auch deshalb als eine sinnvolle Lösung, weil dadurch eine pauschale Zäsur, die - nach einer immer strittigen Gewichtung - ein Kriterium oder einen Inhaltsbereich als absolut dominant setzt, überflüssig wird. Erste Versuche, bestimmte Problemsektoren als Kapitel der Sprachgeschichte der Gegenwart darzustellen, haben wir in vorläufiger Form in den beiden Heften „Sprachgeschichte nach 1945" der Zeitschrift SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) zur Vierzig-JahrFeier der BRD 1989 zusammen mit der Überblicksskizze von Steger vorgelegt. Dort wurde die Entwicklung der sog. Jugendsprache seit der frühen Nachkriegszeit dargestellt, ebenso der öffentliche Sprachgebrauch der Umweltdebatte in der BRD; die Begriffsgeschichte der ersten Phase der deutschen Spaltung wurde u.a. auf der Basis der Parteiprogramme rekonstruiert. Darüber hinaus wurde die sog. Wiederbewaffnungsdebatte als ein zentraler Sektor der Frühphase der Geschichte der BRD aufgearbeitet. Die für die sprachgeschichtliche Zäsursetzung wichtige Hypothese vom „Eindringen von 68er-Vokabular in die Gemein- und Bildungssprache" wurde auf ihre Haltbarkeit hin untersucht; in drei pragmatisch orientierten Analysen wurden die Verwendungen von Sozialismus, konservativ und Sympathisant innerhalb ihrer jeweiligen Diskussionskontexte und mit genauer Zuschreibung zu den jeweiligen parteilichen Verwendern analysiert. Als eigenes Kapitel der deutschen Sprachgeschichte wurde die Geschichte (und die Diskussion) der Weiterverwendung von Nazi-Vokabular und die Geschichte der Nazi-Vergleiche von 1945 bis 1989 konzipiert. In ähnlicher Weise haben die Verfasserinnen und Verfasser der vorliegenden Sprachgeschichte erkennbare und durch das öffentliche Bewußtsein quasi „vorgegebene" Problemsektoren untersucht, d.h. länger andauernde öffentliche Debatten, die schon im allgemeinen Sprachgebrauch „Bildungsdiskussion", „Rüstungsdiskussion", „Umweltdiskussion", .Atomdiskussion" und „Abtreibungsdiskussion" genannt wurden. Karin Boke, Silke Hahn, Matthias Jung und Martin Wengeler haben in ihren Magisterarbeiten und Dissertationen die jeweiligen Konfliktdiskurse in
Einleitung
15
ihren Vorlaufphasen, auf den Höhepunkten und in ihrem Abklingen sowie den Neuauflagen detailliert analysiert. Diese Arbeiten verdeutlichten beispielsweise, daß die Polysemie sog. ideologischer Ausdrücke (Begriffe) durch statische (bzw. synchronische) Gegenüberstellungen oder auch durch merkmalsanalytische Charakterisierungen sprachgeschichtlich nur sehr unzureichend erfaßt wird und daher eine Skizzierung des Argumentationsablaufs für die Erfassung der Geschichte politischen Handelns unabdingbar ist. Diese ersten Längsschnittstudien für die von uns geplante Sprachgeschichte der Gegenwart hatten wesentliche Ausweitungen des Quellenmaterials als notwendig erwiesen, ebenso die Kenntnis der (allgemeinen) Zeitgeschichte und ihre Einbringung in die Sprachgeschichte. Insgesamt hatte sich gezeigt, daß eine sektorale Aufteilung der Sprachgeschichte die Bedeutung wichtiger Vokabeln durch Bedeutsamkeitserzählung wesentlich besser vergegenwärtigen kann, als dies isolierte Einzelworterläuterungen vermögen, zumal sich das Vokabular in diesen Sektoren oder Feldern zum Teil erst gegenseitig semantisch konstitutiert (zum Beispiel in Gegensatzpaaren wie Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit) und nur zeitweise bestimmte - auch gruppenspezifische - Konnotationen trägt (wie z.B. im Falle von Pazifismus oder Neutralität)·, auch gibt es den Fall, daß in einem bestimmten Sektor mit einem Ausdruck eine spezifische Bedeutung verbunden ist: z.B. Modernisierung innerhalb der Rüstungsdiskussion. Für die Überlegungen zu Gegenstand und Gliederung der von uns geplanten Sprachgeschichte als Geschichte des öffentlichen Wortschatzes waren diese exemplarischen Vorstudien in vieler Hinsicht wichtig. Um jedoch nicht auf schon öffentlich bekannte „Diskussionen" beschränkt zu bleiben und um nicht bislang unentdeckte Problemsektoren zu überspringen, haben wir nach dem Kriterium der Thematisierung systematisch Quellenstudien durchgeführt, die über den in der ersten Recherche behandelten Zeitraum von 1945 bis 1949 hinausgingen und die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland annalistisch abdecken. Zusammen mit Studentinnen und Studenten wurde die RHEINISCHE ohne thematische Gliederungsvorgaben auf Berichte über explizite Thematisierungen untersucht, d. h. auf Sprachthematisierungen durch die Journalistinnen und Journalisten der RHEINISCHEN POST selbst, ebenso auf in den Berichten erkennbare sprachliche Heterogenität (d.h. unterschiedliche .Ausdrucksweisen") von Parteien oder anderen sozialen Gruppen. Die Recherche nach auffälligen Gelegenheitskomposita und Neologismen erfolgte auf weniger strenge Weise. Auf der Grundlage der genannten Vorarbeiten konnten wir dann Überlegungen zur konkreten POST
16
Einleitung
Struktur einer Sprachgeschichte der Gegenwart anstellen und mit dem Verfassen von Kapitelentwürfen beginnen, wobei nun Texte weiterer Presseorgane, auch Bundestagsreden 7 und zeitgeschichtliche Analysen einbezogen wurden. Die Verzahnung von chronologischer und inhaltlicher Gliederung wurde in der Weise versucht, daß die Anordnung der (Problembereichs-)Kapitel der zeitlichen Folge des Einsetzens bzw. der Höhepunkte der einzelnen öffentlichen Diskussionen folgt (also zum Beispiel die Wirtschafts- und Rüstungsdiskussion vor der Bildungs- und der Umweltdiskussion). In der Kapitelanordnung haben wir zwar versucht, die Zäsur um 1968 zu verdeutlichen; pauschale oder „äußerliche" Phasenbildungen und Zäsuren erscheinen jedoch in unserer nach öffentlichen Diskursthemen differenzierenden Sprachgeschichte überflüssig. Das hier realisierte Konzept einer Sprachgeschichte der Gegenwart als Themen- oder Problemgeschichte kann einerseits viele der bisher zum Teil isolierten Forschungsansätze integrieren. Andererseits ist dieses Konzept so offen, daß neue - d.h. bisher nicht berücksichtigte - Problemoder Themenkreise hinzugefügt werden können. Wir hoffen, daß unser Neuansatz der Sprachgeschichtsschreibung Impulse gibt und auch kritische Kommentare und Anregungen provoziert, die zukünftigen Darstellungen zugute kommen werden. (Georg Stötzel)
Beleg- u n d Stichwörter Aggression Aids Antifaschismus Asylantenflut Aufschwung Ausländerflut Befreiung Begriffe besetzen Berufsverbot Bildungschancen Bildungsfrage Bildungsgefälle Bildungskatastrophe Bildungsreform 7
• • • • • • • • • • • • • •
Chancengerechtigkeit Chancengleichheit Demokratie Demontage deutsch Deutsche deutsche Gefahr Ehe auf Probe Ehe ohne Trauschein eheähnliche Gemeinschaft Entspannungseuphorie Exporte freie Lebensgemeinschaft freie/soziale Marktwirtschaft
Sie sind zitiert als BT mit Angabe von Datum und Seite der Stenographischen Berichte des Deutschen Bundestages, z.T. mit vorangestellter Sitzungs-Nummer.
Einleitung
• • • •
• •
• • • •
• • • •
• •
•
Friedensgrenze Gastarbeiter grün Grüne HJ konservativ KZ-Ei Lehrerschwemme Management Marketing Miezen Modernisierung Nachrüstungsdebatte Neutralität nichteheliche Gemeinschaft Nylonstrümpfe Oder-Neiße-Grenze
17
• • • • • • • • • • • • • • • • •
Oder-Neiße-Linie Pazifismus Reformeuphorie Reparationen Restrisiko Sozialisierung Sozialismus Sozialpartner Sympathisant Umwelt verlorene Generation Viertes Reich Wiedergutmachung Wirtschaftsaufschwung Wirtschaftswunder Zensur Zigarettenwährung
Die frühe Nachkriegszeit 1. Das Jahr 1945 als Zäsur / 2. Sprachliche Problemfelder der frühen Nachkriegszeit
1. Das Jahr 1945 als Zäsur Eine Sprachgeschichte, die 1945 beginnt, setzt das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft als sowohl politisch wie auch sprachhistorisch bedeutsame Zäsur. Trotz aller Kontinuität der national-sozialistisch geprägten Welt- und Wertorientierung im alltäglichen Sprachgebrauch ist der demokratische Neuanfang in den Westzonen ein tiefgehender Einschnitt in der öffentlichen, durch Sprache vermittelten Bewußtseinsbildung. Die frühe Nachkriegszeit ist unter anderem gekennzeichnet durch öffentliche Diskussionen, die unter der problematischen historischen Vokabel Vergangenheitsbewältigung zusammengefaßt worden sind, und durch den politischen Streit über die Zukunft des ehemaligen Deutschen Reiches. Vergangenheitsbezogen waren Diskussionen über Schuld beziehungsweise Kollektivschuld und Diskussionen über die Rolle der Sprache bei der .Verführung" des Volkes zum Glauben an die angebliche Herrenrasse und an die aus dieser pseudobiologischen Vorstellung abgeleitete Legitimität von Untaten. Diese vergangenheitsbezogenen Diskussionen waren aber keineswegs akademisch, sondern dienten aktuellen und zukunftsbezogenen Zwecken: Parteien begründeten ihre Programme mit den „Erfahrungen aus der Vergangenheit", mit der Zuweisung einer Kollektivschuld versuchten die Alliierten, restriktive Maßnahmen gegen die westdeutsche Bevölkerung, Demontagen und Reparationen zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang spielte auch der amerikanische Morgenthau-Plan, der für ein verkleinertes und aufgeteiltes Deutschland einen Agrarland-Status vorsah, noch eine gewisse Rolle.1 Der Stichtag der Ge1
Präsident F. D. Roosevelt hatte die bereits geleistete Unterschrift unter die Denkschrift seines Finanzministers zurückgezogen, die nur noch subkutan als Direktive ICS 1067 (gültig von Mai 1945 bis Juli 1947) die amerikanische Besatzungspolitik beeinflußte.
20
Kapitel 1
schichtszäsur selbst — der 8. Mai 1945 — wurde Objekt einer öffentlichen politischen Diskussion, die bis in die Gegenwart andauert. Einig waren sich die politischen Parteien der frühen Nachkriegszeit und auch die Presse zunächst in der Verurteilung des „(Industrie-) Kapitalismus". Als aber aus dieser Kritik Pläne für eine sozialistische Wirtschaftsordnung abgeleitet wurden, setzte eine kontroverse Diskussion ein. Ganz parallel entwickelte sich nach Kriegsende der politische Streit über den zunächst überall hoch bewerteten Pazifismus zu einer kontroversen Wiederbewaffnungsdiskussion im Rahmen des sich abzeichnenden Ost-WestKonflikts. In der Vorphase des tiefgreifenden Einschnitts, den das Kriegsende bildet, diffamieren die Nazis im Frühjahr 1945 in dem bis zum 28.4.1945 erscheinenden VÖLKISCHEN BEOBACHTER (VB), dem „Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands" (Herausgeber: Alfred Rosenberg), in maßloser Weise die westlichen Alliierten als „perverse Patrioten" (VB 7.3.1945) und die Feindbund genannte west-östliche Allianz als „wahnwitzige Massenmordkoalition" (VB 22.3 1945), in der sich das „Nomadentum der östlichen Steppe" mit dem „Nihilismus jüdischer Klassenhetze" (VB 14.3.1945) verbinde. In ebenso geißelnder Propagandasprache werden sowohl die östlichen wie die westlichen Besatzungsarmeen in Schlagzeilen wie „Alle Einwohner verschleppt! So sieht die Bolschewistenherrschaft aus" (VB 16.3.1945) bzw. „Schwarze Lustmörder bleiben straffrei - USA Negersoldaten schänden und morden deutsche Knaben" (VB 14.4.1945) dargestellt. Andererseits aber ist deutlich zu erkennen, daß die Nazis die spätere West-Ost-Blockbildung argumentativ in gewisser Weise vorwegnehmen, indem sie den Krieg im Osten als Kampf zwischen Wertesystemen zu stilisieren versuchen, als Verteidigung des Abendlandes und seiner Werte gegen die rote Flut des Bolschewismus. Im Frühjahr 1945 ist im VÖLKISCHEN BEOBACHTER deutlich ein Argumentationskonzept erkennbar, mit dem Deutschland als „kämpfendes Herz Europas" (VB 12.3.1945), als „deutsches Kernland" (VB 14.3.1945), als „Kerneuropa" (VB 9-3.1945) und auch als „Keimzelle eines neuen Europa" (VB 19.3.1945) offenbar auch die Westalliierten zu einer „nationalen Erhebung aller schöpferischen Völker gegen die blutige Drohung der bolschewistischen Furie" (VB 22.3.1945)2 auffordert. Innerhalb dieses Konzeptes wird den westlichen Alliierten - mit dem Argument, die Weltherrschaftsansprüche der
2
P. von Polenz (1978, S. 162) weist darauf hin, daß die Nazis bereits 1940 „nach der Eroberung europäischer Länder und im Hinblick auf den Angriff auf die Sowjetunion die Ideologie der .Verteidigung des Abendlandes' aktivierte[n] und sich deshalb .europäisch' zu geben bemühte[n]".
Frühe Nachkriegszeit
21
Sowjetunion zu verkennen - vorgeworfen, daß sie „die Völker Europas in Jaita dem Bolschewismus ausgeliefert" hätten (VB 21.3.1945). Ebenfalls in diesem Zusammenhang wird der nationalsozialistische Sozialismus-Begriff, der als „kultureller Sozialismus" (VB 27.2.1945) für die „soziale Verfassung des Abendlandes" (VB 14.3.1945) bürge und jedem Individuum die „Kulturquellen" zugänglich mache, ausdrücklich dem „marxistischen Sozialismus" gegenübergestellt, dem „grauen Massensozialismus" mit seiner „Massenkultur", mit seinem Massenmenschen, der bar jeder „persönlichen Freiheit" in eine „form- und farblose graue Masse" (VB 12.4.1945) eingestampft sei. Obgleich es außerordentlich schwierig ist zu überprüfen, inwieweit solche propagandistischen Konzepte meinungsbildend waren, darf man einerseits ihre Wirksamkeit aufgrund der totalitären, d.h. Widerspruch und Gegeninformation unterdrückenden Kommunikations- und Sprachlenkung der Nazis doch vermuten. Andererseits werden offensichtlich ältere antirussische Ressentiments aktiviert, die auch nach Kriegsende noch in antikommunistischen Argumentationen der westdeutschen Zeitungen erkennbar sind. Die antirussische oder antikommunistische Einstellung gilt als ein Identifikationsmoment der Westzonen und der frühen Bundesrepublik, das die Zäsur von 1945 überdauert und somit auch relativiert hat.3 Ganz im Sinne dieser Beobachtungen kommt Gabriel Falkenberg in seiner begriffsgeschichtlichen Untersuchung zur Stunde Null, eine Bezeichnung, die von Historikern als „Metapher für eine Stimmung" bezeichnet wird, zu dem Ergebnis: „Sprachgeschichtlich gibt es keine Stunde Null" (G. Falkenberg 1989, S. 6). Wie sehr Fragen der Sprache, der sprachlichen Manipulation, der Kommunikation überhaupt mit der geschichtlichen Zäsur des Kriegsendes in Verbindung gebracht werden, wird in vielfacher Hinsicht deutlich. Auffällig ist zunächst, daß sich die Westalliierten gegenüber Deutschland nicht als Befreier bezeichnen. Diese Vokabel der Selbstinterpretation schrieben sich die Westalliierten nur dann zu, oder sie wurde ihnen zugeschrieben, wenn sie westliche, ehemals von der deutschen Wehrmacht" besetzte ausländische Gebiete „befreiten"4; zum Beispiel wurde in den Niederlanden der 5. Mai als „Befreiungstag" (Lademacher 1989, S. 241) gefeiert. Ebenso wurde Befreiung in den späteren „soziali3 4
Vgl. dazu den sehr sprachsensiblen „Serien"-Bericht des Spiegel-Redakteurs W. Malanowski 1989 (24.4.1989), H. 17, bes. S. 136f. Erst 1994, als der 50. Jahrestag der Landung der Allierten (6.6.1944) in der Normandie naht und die Bundesregierung von „Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der britischamerikanischen Invasion in Frankreich" spricht, entsteht eine öffentliche Sensibilität gegen dies „Nazi-Wort", die der französische Historiker Joseph Rovan auf den Begriff bringt: JJPer Invasion sagt, stellt sich in den Sichtwinkel der Nazis" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 9 . 3 . 9 4 , S . 2 ) .
22
Kapitel 1
stischen" Ländern des europäischen Ostens die institutionalisierte Vokabel für den Sieg der Roten Armee über die deutschen Truppen; in der DDR beispielsweise wurde der 8. Mai zunächst als Feiertag und später als Gedenktag, als „Tag der Befreiung" eingeführt. Die West-Alliierten wollten sich gegenüber Deutschland und den Deutschen durchaus nicht als Befreier verstanden wissen. In seiner Deklaration Nr. 1 betont der Oberbefehlshaber West, der spätere amerikanische Präsident, General Eisenhower, die Westalliierten verstünden sich als Sieger (sie kämen als „siegreiches Heer"), nicht jedoch als Unterdrükker (Thränhardt 1986, S. 14). Vom östlichen Allierten berichten westdeutsche Zeitungen am 10. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation, der Sowjetmarschall Schukow habe anläßlich der zweitägigen „Befreiungsfeiern" am 8. Mai 1955 rückblickend erklärt, „er sei damals nicht als Unterdrücker, sondern als Befreier gekommen" (RHEINISCHE POST ( R P ) 9-5.1955, S. 2, Sp.2). Angesichts der 1990 aufgedeckten Massenmorde in den von den Sowjets im Osten Deutschlands weitergeführten und mit neuen Opfern gefüllten Vernichtungslagern kann dies nur als rein manipulativer Sprachgebrauch bezeichnet werden. Auch auf westdeutscher Seite ist in der frühen Nachkriegszeit nirgendwo von Befreiung die Rede. Die in Reims und Karlshorst am 7. und 9. Mai unterzeichnete bedingungslose Kapitulation5 wird vielmehr sowohl volksläufig wie historiographisch mit den Geschichtsvokabeln Zusammenbruch oder Niederlage benannt und interpretiert. Wie wirksam diese Interpretation blieb, illustrieren beispielsweise westdeutsche Abituraufsätze, die bis 1962 dieses lexikalisierte Verständnis von Niederlage problemlos voraussetzen, wenn etwa Themen formuliert werden wie: „Selbstkritik und Selbstvertrauen als notwendige Grundkräfte nach der Niederlage" (1951), „Ein Sieg stärkt ein Volk, eine Niederlage erweckt es neu!" (1962).6 Gerade die Interpretation des 8: Mai 1945 als geschichtliche Zäsur ist bis zum heutigen Tag umstritten, weil in ihr das sich wandelnde und in sich heterogene Selbstverständnis der gesellschaftlichen Gruppen zum Ausdruck kommt. Den Hauptgegensatz der politischen Interpretation artikuliert der erste Bundespräsident, Theodor Heuß, so unabsichtlich wie prophetisch in der Formel, der 8. Mai 1945 habe alle Deutschen „erlöst und vernichtet in einem" (Malanowski 1989, S. 142). Mit der Rede des Bundespräsidenten, Richard von
5 6
Vgl. dazu G. Falkenberg 1989, S. 5, Anm. 7, und S. 6. Belege: Festschrift „Fünfundsiebzig Jahre Städtisches Helmholtz-Gymnasium Hilden". 1910-1985. Hilden 1985, S. 76.
Frühe Nachkriegszeit
23
Weizsäcker, erlebte die fortdauernde öffentliche Diskussion am 8. Mai 1985 einen glanzvollen Höhepunkt (s. Kapitel „Der Nazi-Komplex"). Die Ablehnung des Ausdrucks Befreier als Selbstinterpretationsvokabel durch die westlichen Alliierten gegenüber den Deutschen hängt mit einem durch die historische Vokabel Kollektivschuld benannten Problemkomplex zusammen. Hierbei ging es einmal um den Vorwurf, daß die Deutschen in ihrer Mehrheit den Nationalsozialismus nicht nur geduldet, sondern enthusiastisch begrüßt, die NSDAP schließlich zur stärksten Reichstagspartei gewählt und den Nazis somit selbst die Macht übergeben hätten - ein Vorgang, den die historischen Vokabeln Machtübernahme oder Machtergreifung bezeichnenderweise verdecken.7 Gegen die Angemessenheit der Interpretationsvokabel Kollektivschuld, aus der die Alliierten auch die Legitimation zu ganz konkreten harten Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung ableiteten (zum Beispiel die Festsetzung niedrigster Kalorienmengen pro Kopf), wandten sich Sprecher der Katholischen Kirche - wie beispielsweise Kardinal Frings und selbst der Papst (RP 16.3.1946, S. 3, Sp.5). Zu diesem Aspekt der Schuldfrage nehmen auch die schon kurz nach Kriegsende gegründeten oder wiedergegründeten Parteien KPD, SPD und CDU in ihren Gründungsaufrufen vom Juni 1945 direkt und indirekt Stellung. Das „deutsche Volk" wird darin teilweise als verführtes Opfer der „verbrecherischen Abenteurer" dargestellt.8 Wie dieser erste Aspekt der Schuldfrage die Zeit vor und nach dem 8. Mai 1945 politisch und bewußtseinsmäßig verklammert, so bildet ein zweiter Gesichtspunkt, der ganz explizit sprachbezogen ist, eine vergleichbare Verklammerung der Nazi- und der Nachkriegszeit: Es ist die im Zuge der schon vor Kriegsende begonnenen Umerziehung („reeducation")9 gestellte Forderung, als Beitrag zur „Entnazifizierung" des Bewußtseins „auch die Sprache [zu] entnazifizieren" (Rudolf Leonard, VORWÄRTS-Berlin (Ost), 7.10.1947, S. 3). Der als amerikanischer Presseoffizier nach Europa zurückgekehrte Hans Habe - Leiter der ab 18.10.1945 in der amerikanischen Zone von der Besatzungsmacht für die Deutschen herausgegebenen NEUEN ZEITUNG10 — regte eine Serie von sprachkritischen Aufsätzen an, die sich 7
8 9 10
„Statt Machtergreifung solle man ehrlicher Machtübergabe sagen", so Peter Wapnewski am 3 9.1989 in einer ARD-TV-Diskussion zum Thema „Der deutsche Soldat und der zweite Weltkrieg" (22.45-23.45 Uhr). Die RHEINISCHE POST vom 29.1.1993 verwendet „Machtübertragung" und „Machtergreifung" nebeneinander (Seite „Aus der Landeshauptstadt"). G. Falkenberg (1989, S. 11-15) hat eine detaillierte Analyse dieser Aufrufe vorgelegt. Schon der VÖLKISCHE BEOBACHTER vom 18.4.1945 kommentiert diese Praxis in den von den Westalliierten eroberten deutschen Gebieten; vgl. Hans Borchers 1979. Sprachthematisierungen in der NEUEN ZEITUNG weisen auf die sprachlichen Auswir-
24
Kapitel 1
großenteils auch gegen Erscheinungen des damals aktuellen Sprachgebrauchs wandten. Unter anderem wird die Verwendung von Wörtern wie marschieren, triumphieren, Sieger kritisiert und eine „Entmilitarisierung der Begriffe" (NEUE ZEITUNG 30.11.1945, S. 5) gefordert. Wilhelm Emanuel Süskind stellt z.B. fest, daß die Nazis „die Sprache statt zum Bestimmen vornehmlich zum Beeinflussen verwendet" hätten. In der Zeitschrift DIE WANDLUNG publiziert er in den folgenden Jahren - zusammen mit Dolf Sternberger und Gerhard Storz — eine Anzahl sprachkritischer Artikel, die unter dem Titel „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen" später auch in Buchform erscheinen und (bei aller Unzulänglichkeit des sprachkritischen Ansatzes) zu einer ersten Sensibilisierung für totalitären Sprachgebrauch im Deutschen beitragen. In gleicher Weise wirkte das „Tagebuch eines Philologen", das Victor Klemperer schon während des Krieges aufgezeichnet hatte und das er 1947 unter dem Titel „LTI" (Lingua Tertii Imperii-Sprache des Dritten Reichs) herausgab. Bezugnehmend auf diese frühe Wort- und Sprachkritik und auf das 1964 erschienene .yokabular des Nationalsozialismus" von Cornelia Berning überprüfte Urs Widmer 1966 in seinem Buch „1945 oder die ,Neue Sprache'" detailliert die Weiterverwendung nazistisch „belasteter" sprachlicher Mittel in der frühen Nachkriegszeit. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die „junge Generation" beim journalistischen Schreiben z.T. unbewußt und unkritisch „belastete" Wörter weiterverwende (z.B. Hans Werner Richter und Alfred Andersch) und trotz antifaschistischer Einstellung ein „schleichendes Gift" (S. 67) weitertransportiere. Sprachkritische Schriftsteller wie Wolfgang Borchert dagegen klopften die einzelnen Wörter ab und machten den Wortschatz des falschen Heroismus kritisch bewußt (S. 78). Die frühe öffentliche Sprachkritik geht von zwei zentralen Fragen aus: ,^ie konnte es dazu kommen?" und können wir eine Wiederholung (in veränderter Gestalt) verhindern?". Der kritische Ansatz, der zu Recht von der Annahme ausgeht, daß problematische Wörter ebensolche Denkweisen in Umlauf bringen oder halten, hat eine seit dieser Zeit fortbestehende Tradition sprachkritischer Argumentation eröffnet. Freilich wurde schon bald die kritische Potenz meist einseitig instrumentalisiert, um politische Gegner mit der Unterstellung nazistischer Denkweisen zu diffamieren.11
11
kungen der Entnazifizierungspraxis hin und machen Neuwörter bewußt mit Titeln wie JJCas sind Persilscheine?" (18.11.1945, S. 3) beziehungsweise „Entlastete - ein neuer Begriff' (18.1.1946, S. 3). Weitere Literaturangaben finden sich im Kapitel „Der Nazi-Komplex". Vgl. die Ausführungen zu sogenannten Nazi-Vergleichen.
Frühe Nachkriegszeit
25
2. Sprachliche Problemfelder der frühen Nachkriegszeit Bereits 1946 existiert in den Westzonen ein vielfaltiges Pressewesen, das in der britischen Besatzungszone parteinah, in der amerikanischen überparteilich orientiert ist. In den Zeitungen wird die seit Kriegsende diskutierte Schuldfrage unter verschiedenen Aspekten thematisiert.12 In Berichten über die Nürnberger Prozesse wird teilweise der Sprachgebrauch der Nazis bewußt gemacht. So macht die RHEINISCHE POST ( 1 4 . 3 . 1 9 4 6 ) unter dem Titel Herrenrasse zugleich die zynische Schuldabstreitung Görings und den Sprachgebrauch der Nazis bewußt, wenn sie berichtet: „Göring bezeichnet den Ausdruck als nicht zu seinem Vokabular gehörig". Bezüglich der Kollektivscbuld-ftage weist der Kölner Kardinal Frings „auf eine Aussage des Papstes" hin, die besage, „niemand dürfe wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft - ohne persönlichen Schuldnachweis - mit Kollektivschuld belastet werden" (RP 1 6 . 3 . 1 9 4 6 ) . Gegen Kollektivschuldzuweisungen und „Hungerrationen" bei der Lebensmittelzuweisung (Kalorienzahlen) wandten sich die sogenannten Hungerzüge mit bis zu einer Million Demonstranten (RP 1 4 . 1 2 . 1 9 4 6 ) . Angesichts der katastrophalen Versorgung wurde kirchlicherseits Lebensmittel- und Kohlenraub als Mundraub für moralisch zulässig erklärt und umgangssprachlich allgemein als fringsen (nach dem Kölner Kardinal Frings) bezeichnet. Innerhalb der Schulddiskussion wurde der Ausdruck verlorene Generation zur Bezeichnung der Jugend abgelehnt (vgl. Kap. 6). Selbstverständlich wirken sich auf den Sprachgebrauch der frühen Nachkriegszeit auch die vielen Probleme und Interessenkonstellationen aus, die mit der territorialen Neuordnung oder den Problemen des inneren Wiederaufbaus zu tun haben. Dabei zeigt sich am pluralistischen Sprachgebrauch die neue Freiheit der Meinungsäußerung. In Problembereichen der staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Neuorientierung, die zunächst sprachfern erscheinen, werden implizit und explizit Auseinandersetzungen ausgetragen, die den Gebrauch, das heißt, die Bedeutung von Ausdrücken zentraler und vertrauter Stichwörter betreffen. Eines dieser Stichwörter ist das auch schon von den Nazis thematisierte Wort Sozialismus.
12
Als hauptsächliche Quelle für explizite Thematisierungen benutzen wir die v o n Anfang sehr sprachsensible RHEINISCHE POST, die ab d e m 2 . 3 1 9 4 6 in der britischen Besatzungszone als Lizenzzeitung, die der CDU nahesteht, zunächst nur zweimal w ö chentlich mit einer Startauflage v o n 2 3 5 0 0 0 Exemplaren erscheint; als Sigle v e r w e n d e n wir RP.
26
Kapitel 1
Im Mai und August 1946 (am 11.5.1946 und 28.8.1946) finden sich in der in Düsseldorf erscheinenden RHEINISCHEN POST explizite Thematisierungen von Sozialismus und Versuche einer semantischen Normierung im Sinne der CDU. Bekanntlich bestand zunächst in den Westzonen und der Ostzone insofern ein Konsens bezüglich der Kritik am Nationalsozialismus und an der deutschen Großindustrie, als dem Großkapital oder (pauschaler) dem Kapitalismus eine Mitschuld am Aufstieg der Nazis und an ihrer Kriegslüsternheit und damit schließlich auch an der „deutschen Katastrophe" (sprich: Niederlage) zugeschrieben wurde. Schon im Laufe des Jahres 1946 wird deutlich, daß von verschiedenen Seiten Normierungsversuche bezüglich der Semantik von Sozialismus und Sozialisierung einsetzen, das heißt, daß verschiedene politische Gruppen aufgrund ihrer verschiedenen Wertorientierungen und Interessen unterschiedliche Sachverhalte mit den positiv konnotierten Termini Sozialismus oder Sozialisierung bezeichnen wollen. Obgleich das Ahlener Programm der CDU von 1947 die Verstaatlichung der Eisen- und Kohle-Industrie vorsah, kündigt sich schon Mitte 1946 in der konservativen Presse - wie eben in der CDU-nahen RHEINISCHEN POST - eine erste Reserviertheit gegen das „Zauberwort" Sozialisierung an. In einem Artikel ^Was ist Sozialisierung?" (RP 11.5.1946) wird beispielsweise die allgemeine Erwartungshaltung, die sich von der Sozialisierung „die Lösung aller wirtschaftlichen und sozialen Probleme" erhoffe, sehr distanziert skizziert, und es wird in Zweifel gezogen, daß die Vergesellschaftung nach marxistischem Konzept dem Privatkapital vorzuziehen sei. Kurz darauf werden Begriff und Konzeption eines „Christlichen Sozialismus (so ein Titel der RHEINISCHEN POST vom 13.7.1946) des CDUVorsitzenden der Ostzone, Jakob Kaiser, vorgestellt. Zeitungsberichte aus dem Spätsommer 1946 verdeutlichen, daß sich die CDU gegen die Fremdbezeichnung reaktionär zu wehren hat13, während Adenauer als CDU-Vorsitzender der britischen Besatzungszone die „Sozialdemokratie" als Vertreter des marxistischen Sozialismus, des „Staatssozialismus" und als „größten Feind be- drückt nicht bloß ein selbstloses Hinzielen auf den Gegenstand aus wie die einfachen Transitiva 'lieben· und 'Schützen·, sondern eine Unterwerfung des Gegenstandes, und darauf kommt es an. Dieses •be- gleicht einer Krallenpfote, die das Objekt umgreift und derart erst zu einem eigentlichen und ausschließlichen Objekt macht [...]. Dieses Verhältnis ist ein totales. Die Betreuung ist diejenige Art von Terror, für die der Jemand - der Betreute - Dank schuldet. Und das tut dem Unmenschen wohl [Kursivsetzung G. S.] [...]. Die NSV betreute Mutter und Kind, der Reichsnährstand die Bauern, die Arbeitsfront die Arbeiter; die Wirtschaftsgruppen, Wirtschaftsämter, Rüstungsinspektionen und andere Behörden [...] betreuten - in der diktatorischen Organisation des totalen Krieges - die industriellen Betriebe. Ja wahrhaftig: Die Geheime Staatspolizei betreute die Juden [...]. Aber das ist mit dem Dritten Reich keineswegs untergegangen. Baufirmen, Siedlungsgesellschaften betreuen ungescheut die Bebauung dieses oder jenes Areals [...]. Zumal Verbände, Wirtschaftsverbände wie Berufsverbände, haben es auf sich genommen, ihre Mitglieder samt ihren Anliegen· zu betreuen [...]. In einem Wörterbuch der heutigen Organisationssprache würde unser Wort genau so breit und fett figurieren wie dort in demjenigen der Lager- und Terror-Sprache." (Sternberger 1957, S. 19-22) Abgesehen von dem inhalt- und strukturinterpretierenden dramatischen Beschreibungsstil Sternbergers koinzidiert seine Interpretation in auffälliger Weise mit Leo Weisgerbers sprachwissenschaftlicher Interpretation von grammatisch-strukturellen Veränderungen der deutschen Sprache. Weisgerber legte 1958 eine Abhandlung über „Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und Sachen" 3 vor, in der er unter anderem die aktuelle Tendenz zur Akkusativierung von Personen behandelt. In der Verschiebung des persönlichen Dativobjekts zum Akkusativobjekt (ich beliefere ihn statt ich liefere ihm) erkennt er [Weisgerber] eine geistige Verfahrensweise, die den an einem Geschehen beteiligten Menschen aus dem persönlicheren Beziehungsverhältnis des Dativs entfernt und ihn in der sachlichen Distanz des Akkusativs einem direkten .Zugriff unterwirft. Den kulturkritischen Werturteilen der Sprachkritiker (.Mißbrauch 3
Weisgerber 1958.
Nazi-Komplex
361
der Macht', .Ehrfurchtlosigkeit unserer Zeit', .herrschsüchtige Vorsilbe') steht er zwar mit Vorbehalt gegenüber und gibt zu bedenken, daß es schwer sei, diese Erscheinungen „aus dem ,Gefühlsmäßigen' in wissenschaftlich Begründbares zu überführen" (ebd., S. 82). Aber er glaubt dennoch an die Möglichkeit, hinter diesen sprachlichen Formen geistige Verfahrensweisen zu erkennen: „Der akkusativische Zugriff der heutigen Sprache entspricht den Formen statistischer, karteimäßiger und sonstiger .Erfassung', die wir aus dem Leben hinreichend kennen" (ebd., S. 82). 4
Sowohl gegen die Übertragungsthese - daß nämlich die totalitäre Sprache des Nationalsozialismus sich in der „totalitären" Sprache der verwalteten Welt erhalten habe — wie auch gegen die einseitige Inanspruchnahme der vorsichtigen Interpretation Weisgerbers haben sich Anfang der sechziger Jahre besonders die Germanisten Peter von Polenz und Herbert Kolb gewandt. Herbert Kolb wies in seinem Aufsatz „Der inhumane Akkusativ" (Kolb I960) nach, daß sich Weisgerbers Belege für die Sprache „enthumanisierter Gesellschaft" (das nationalsozialistische Deutsch, das kommunistische Deutsch, das technokratische Deutsch) zuallererst sprachökonomisch erklären lassen (Akkusativierung ermöglicht Passivbildung, Valenzreduktion, lexikalische Komprimierung z.B. bei beschulen, beamten, bezuschussen; schließlich wirke sich die seit dem Neuhochdeutschen bestehende weitgehende Flexionsformgleichheit von Nominativ und Akkusativ konstruktionserleichternd aus). Kolb weist hunderte von „bewerben mit persönlichem Akkusativ im Rechtsvokabular des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit nach und kommt zu dem Ergebnis, daß Konstruktionen mit „be"-Verben „aus all jenen Bereichen menschlicher Sprachleistung [stammen], die nach sprachlicher Präzision streben, ohne inhaltliche Verarmung zu scheuen; sie stammen aus jenen Regionen menschlicher Sprachübung, die sich aus ihren besonderen Erfordernissen heraus dem Sprachschematismus und terminologisch technischem Sprachgebrauch annähern und vielleicht notgedrungen annähern müssen: aus Amtsstube und Kanzlei, aus Gerichtsverhandlung und Rechtsprechung, aus Verwaltung und Verordnung, aus Wissenschaft und Technik. Nur soweit dies alles auch in der modernen Gesellschaft wirksam ist, sind jene Akkusativierungen der Person bezeichnend auch für die geistige Haltung des modernen Massenzeitalters. Als solche sind sie kein Zeichen der Zeit. Kulturpessimismus und Zeitkritik finden an ihnen einen untauglichen Gegenstand. Der Akkusativ ist weder inhuman noch human, sondern eine grammatische Form, die von human und inhuman Gesinnten gebraucht werden kann. Sogar die akkusativierenden fee-Bildungen sind so wenig inhuman, wie es inhuman ist,
4
Diese Charakterisierung der Verfahrensweise von L. Wëisgerber ist zitiert aus: Polenz 1963a, S. 8.
362
Kapitel 9
die Gefangenen zu befreien, die Schwachen zu beschützen, die Nackten zu bekleiden". 5
In ähnlicher Weise hat Peter von Polenz - bei aller Würdigung der Sprachkritiker, die für bestimmte Sprachentwicklungen Sensibilität erzeugt hätten und auch die germanistische Sprachwissenschaft zur Auseinandersetzung mit Erscheinungen der Gegenwartssprache gezwungen hätten - die mangelnde sprachwissenschaftliche Fundierung sowohl des „Wörterbuchs des Unmenschen" wie auch von Karl Korns Buch über die „Sprache in der verwalteten Welt" offengelegt (Polenz 1963a und 1963b). 1.3 Das »Vokabular des Nationalsozialismus« und die Selbstkritik der Germanistik Ab I960 erscheinen gegenüber der bisherigen sprachkritischen Diskussion philologisch abgesichertere und quellenmäßig breiter angelegte Untersuchungen zur sprachlichen Tradition der Nationalsozialisten, zu ihrer gewaltsamen physischen und sprachlichen Manipulationstechnik und zum „Erfolg" ihrer sprachlichen Lenkungsversuche. Stellvertretend soll hier nur Cornelia Bernings mehr als fünfhundert Wörter der Meinungs-, Organisations- und Tarnsprache umfassende Sammlung des „Vokabulars des Nationalsozialismus" genannnt werden, die von I960 bis 1963 in der von Werner Betz herausgegebenen ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE WORTFORSCHUNG und 1964 als Buch mit dem Titel „Vom .Abstammungsnachweis' zum ,Zuchtwart'. Vokabular des Nationalsozialismus" erschien. Weitere sprachwissenschaftliche, politologische und historische Untersuchungen vermitteln ein wesentlich anschaulicheres Bild der manipulativen Methoden der Nazis im Hinblick auf die Errichtung der Diktatur und der Vorbereitung ihrer Untaten: 1. Schon 1920 und 1925 hatte sich die Nazi-Partei (NSDAP) mit SA (Sturmabteilung) und SS (Schutzstaffel) paramilitärische Institutionen geschaffen, durch die politische Gegner terrorisiert wurden. Nach dem Reichstagsbrand am 27.2.1933 richteten die Nazis - nun in der Regierung - Konzentrationslager (KL oder KZ genannt) insbesondere für Sozialdemokraten und Kommunisten ein. Die Parteien wurden abgeschafft, später wurde das Hören (Abhören) sogenannter Feindsender verboten, d.h. jegliche Gegeninformation und jeglicher Widerspruch (z.B. auch durch juristische Verfolgung von sogenannten Führerwitzen) unterdrückt.
5
Kolb I960, zit. nach Abdruck in: Sternberger, Storz, Süskind 3 19ό8, S. 229-245, zit. S. 245.
Nazi-Komplex
363
2. In bewußter Anwendung von Erkenntnissen der Massenpsychologie inszenierten die Nazis ihre Propaganda, organisierten Macht demonstrierende Aufmärsche, oft nachts mit Kerzen und Fackeln. Hitler z.B. probte effektvolle Mimik und Gestik vor dem Spiegel. 3- Inhaltlich regulierten und kontrollierten die Nazis den Informationsfluß durch tägliche Reichspressekonferenzen mit punktuellen, wörtlichen Presseanweisungen zu bestimmten Problemverhalten. 4. Sprachlich agitierten die Nazis zunächst vornehmlich gegen die erste deutsche Demokratie, die „Weimarer Republik", deren Begründer sie Novemberverbrecher nannten, deren Demokratie sie abschätzig mit System bezeichneten und deren Erfüllung des Versailler Vertrages (Schanddiktai) sie bekämpften. 5. Die Juden wurden von Hitler unter Gebrauch des AntisemitismusStereotyps als „Urheber des deutschen Unglücks" und sowohl als Träger des Marxismus (Bolschewismus) als auch des Kapitalismus (Börsenjudentum:) dargestellt. Die antisemitische Agitation der Nazis steht in der Tradition des rechten und linken deutschen Antisemitismus des 19- Jahrhunderts, aus dem sie Argumentationen, Wort- und Denkstereotype übernimmt oder zitiert. Zwei in dieser Hinsicht zentrale Textstücke von Lagarde und Marx sollen dies hier belegen und veranschaulichen: Der linksgerichtete Antisemitismus stempelte die Juden als die Verkörperung des Kapitalisten, Bankiers, Zwischenhändlers und schmarotzerhaften Profitmachers ab. Karl Marx verwendet in „Zur Judenfrage" (1843) die Ausdrücke Alltagsjude und Judentum als polemische ökonomische Chiffren: „Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die Selbstemanzipation unserer Zeit." (Marx, MEW Bd. 1, S. 372)
Die kurzfristige Liberalisierungsphase in Deutschland, hervorgerufen durch die Revolution von 1848, und die von der Frankfurter Nationalversammlung geschaffene Verfassung waren zu schwach, um sich der im folgenden Jahrzehnt einsetzenden Reaktion zu widersetzen. Die antisemitische Hetze, die nicht nur politisch, sondern auch völkisch und rassistisch begründet war, war ein wichtiger Bestandteil der nachrevolutionären, reaktionären Epoche.
364
Kapitel 9
Paul Anton de Lagarde (1827-1891), Orientalist, der für ein „nationales Christentum" eintrat und später als Schutzheiliger der antisemitistischen Bewegung bezeichnet wurde, definierte die Juden als Schädlinge für das deutsche Volk. Folgendes Zitat von Lagarde ist einem seiner Aufsätze entnommen; es wurde in den darauffolgenden Jahren bis hin zu den Nationalsozialisten stets wiederholt: „Es gehört ein Herz von der Härte der Krokodilhaut dazu, um mit den armen, ausgesogenen Deutschen nicht Mitleid zu empfinden und - was das selbe ist - um die Juden nicht zu hassen, um diejenigen nicht zu hassen, die - aus Humanität! - diesen Juden das Wort reden, oder die zu feige sind, dies Ungeziefer zu zertreten. Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen; sie werden so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet." 6
Die rassistische Argumentation der Nazis beruhte auf einer Einteilung der Völker in die sogenannte nordische Herrenrasse und in Sklavenvölker (Untermenschen), zu deren Beherrschung die Herrenrasse angeblich legitimiert sei. Zur Aussonderung der Juden diente den Nazis eine Einteilung in arisch und nichtarisch, die sie mit einem erbbiologisch begründeten Mischungsverbot (Verbot der Mischehe) untermauerten. Eine menschenverachtende sozialdarwinistische Argumentation grenzte zudem sogenanntes unwertes Leben, d.h. Erbkranke und Behinderte, aus und diente als Begründung eines sogenannten Euthanasie-Vxogtamms. Im engeren Sinne sprachlich, d.h. lexikalisch, wurden folgende Erscheinungen der Nazi-Sprache in diesem Zusammenhang als besonders charakteristisch dargestellt: Aufgewertet wurden Wörter (d.h. die mit ihnen bezeichneten Verhaltensweisen) wie hart, fanatisch, blindlings-, abgewertet: demokratisch/Demokratie, objektiv, intellektuell, individuell/Individualismus. Als ausschließliche Selbstbezeichnungen beanspruchten die Nazis: Führer (den Kirchen wurde verboten, Jesus so zu bezeichnen), Propaganda (beim Feind sei sie Gräuelhetze zu nennen), Reich, Parteigenosse, Parteikongreß etc. Als positive Hochfrequenzwörter gelten: Volk, Rasse, Art, Blut, Raum, Arbeit, Leistung. Sprachliche Pejorisierungsstrategien der Nazis werden durch sogenannte spezifische Kontextualisierungen bzw. durch sterotype Kollokation erreicht, indem Eigenschaftszuschreibungen stereotyp wiederholt werden: also Jude und gerissen, feige, plattfüßig, krummnasig usw. Die Aufteilung von Menschen und Menschengruppen und ihre undifferenzierte positive und negative Wertung „vermittelten" die Nazis 6
Zit. nach Lucy S. Dawidowicz (dt. Fassung), S. 42.
Nazi-Komplex
365
durch stereotype Wiederholung von dualistischen Paradigmen wie arthaft, volkhaft, artfremd, blutsfremd, volksfremd, rassefremd, fremdblütig, fremdrassisch, Fremdvölker usw. Als charakteristische Wortbildungsmittel gelten Präfixe, die Verläufe und Verlaufsvollzüge bezeichnen, wie ent- (entjuden, entnorderi), ver(verjuden, vernegerri), auf/ab- {-norden, -juden, -rossen). Im Sinne der Konditionierung zum Fremdenhaß und zur Tötung von Menschen wurden Metaphern - als vergleichsstiftende Bilder - „eingesetzt": medizinische Bilder wie Blutvergiftung, die eine Ehe oder den Geschlechtsverkehr mit Nicht-Ariern verglichen mit dem physiologischen Vorgang der Vergiftung des Körpers (hier des Volkskörpers), oder Metaphern aus dem Bereich der Schädlingsbekämpfung, die benutzt wurden, um die Hemmschwelle gegenüber Opfern, die metaphorisch mit Schädlingspflanzen oder Tieren gleichgestellt wurden, herabzusetzen. Auffällig - und im Hinblick auf eine Sprachkritik, die Worttabuisierung anstrebt, bemerkenswert - ist, daß alle diese Spracherscheinungen seit 1945 verschwunden sind. Auffällig ist auch, daß von den hier zugrunde gelegten differenzierten sprachwissenschaftlichen Analysen kaum etwas in die öffentliche Meinung einging, in das „Geschichtsbild" als „jene herrschende Vorstellung, die sich jedes Volk in mehr oder minder großem Einvernehmen von seiner Vergangenheit macht" (Jäckel 1991, S. 39). Außer in öffentlichen Vorwürfen bei Störungen von Politikerreden („Nazi-Methoden") oder pauschalen Faschismus-Verdächtigungen der siebziger Jahre ist von diesen kommunikativen Manipulationsmethoden kaum öffentlich - d. h. in der Tagespresse - die Rede. Das gleiche gilt für die Ergebnisse der Selbstkritik der Germanistik, die 1966 auf dem Münchner Germanistentag formuliert wurden. Insbesondere Eberhard Lämmert hatte dort gezeigt, daß die Germanistik der Nazi-Zeit den „Verfall der sachbezeichnenden Wissenschaftssprache" und den Übergang „zur Anhäufung stereotyper Wert- und Unwertvokabeln" nicht nur nicht kritisch bemerkt und analysiert hatte, sondern selbst zur Entleerung des deskriptiven Gehalts und zum Übergang in eine vorwiegend präskriptive Wortsemantik beigetragen hatte: deutsch, germanisch, nordisch seien „auf solche Weise aus Sachbezeichnungen zu auswechselbaren Wertbegriffen" geworden, ebenso national, sozial, Volk, Art, Rasse, artfremd, jüdisch, internationalistisch, materialistisch, kritisch, undeutsch, gottlos (Germanistik-eine deutsche Wissenschaft, S. 30f.). Daß solche Einsichten und Ergebnisse in der Tagespresse oder der alltäglichen parteipolitischen Auseinandersetzung, soweit es um die NaziZeit geht, keine Rolle spielen, darf nicht zu dem Schluß führen, daß sie
366
Kapitel 9
wirkungslos blieben. Man muß sich vielmehr vor Augen halten, daß ein schwer beschreibbares Feld liegt zwischen der wissenschaftlichen oder bildungsssprachlichen - d.h. zum Teil theoretisch fundierten - Sprachreflexivität und der geschichtsbewußten Sprachsensibilität besonders von Schriftstellerinnen und Schriftstellern7 auf der einen Seite und den im eigentlichen Sinne oberflächlichen Schlagwörtern der Tagespresse und der Tagespolitik. Die hier angesprochene Gemeinschaft der Deutschsprechenden ist eben aufgrund ihres unterschiedlichen Wissensstandes über die Nazi-Verbrechen und darüber, wie diese mit dem Gebrauch der deutschen Sprache zur Nazi-Zeit zusammenhängen, nicht als einheitlich, sondern in verschiedenen Hinsichten als heterogen anzusehen: als uneinheitlich im Erfahrungshintergrund, im Wissensstand und folglich auch hinsichtlich der Sensibilität gegenüber historisch belasteten Wörtern, Ausdrücken oder Ausdrucksweisen der deutschen Sprache. Historisches und Reflexionswissen, das bei Beschränkung allein auf Texte der Tagespresse nur schwer faßbar wird, ist solches, das vor allem in Bildungsinstitutionen - vornehmlich in der Schule - vermittelt wird. Cornelia Schmitz-Berning hat 1983 „Die Behandlung des Themas .Öffentlicher Sprachgebrauch im Dritten Reich' in Sprachbüchern und Kursmaterialien für den Deutschunterricht"8 analysiert und auf das Hauptproblem der Vermittlung hingewiesen: die fachspezifische Behandlung eines nur interdisziplinär zu analysierenden Phänomens. Andererseits macht aber Schmitz-Berning auch auf die vielfachen Angebote zur Aufklärung über die „Technik der Demagogie" und zur Analyse politischer Texte in der Schule überhaupt aufmerksam. Da die grundlegende Forschungsliteratur hier ohnehin nicht dargestellt und bewertet werden kann, begnügen wir uns mit dem exemplarischen Verweis auf die didaktikkritische Arbeit von Schmitz-Berning und auf die dort genannte Gru ndlagenliteratur. 1.4 Sensibilisierung und Instrumentalisierung In Tagespresse und Tagespolitik läßt sich bezüglich des Umgangs mit der deutschen Vergangenheit und mit sogenannten „belasteten" Ausdrücken Anfang der achtziger Jahre eine neue Tendenz ausmachen. Einerseits wird im tagespolitischen Parteienkampf der Vorwurf der Verwendung von Nazi-Sprache weiterhin als Angriffsmöglichkeit gegen den politischen Gegner instrumentalisiert, und es wird angesichts der Verwendung bestimmter Ausdrücke vor unbewußter Tradierung nazi7 8
Die einschlägige Analyse von Urs Widmer wird im Kapitel „Die frühe Nachkriegszeit" vorgestellt. Schmitz-Berning 1983 (mit guter Bibliographie).
Nazi-Komplex
367
stischen Denkens gewarnt: So schreibt beispielsweise die FRANKFURTER RUNDSCHAU·. „Glotz: Essers Sprache erinnert an Wörterbuch des Unmenschen - Bonn, 26. Mai ( d p a / F R ) . In ungewöhnlich scharfer Form hat SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz auf Äußerungen des Arbeitgeberpräsidenten Otto Esser über das soziale System reagiert. ,Die Forderung Essers nach .Ausmerzung' von .sozialem Wildwuchs', sagte Glotz, ,das sei eine Sprache, die dem Wörterbuch des Unmenschen entnommen sein könnte."' (27.5.1982, S. I) 9
Dieser politischen Instrumentalisierung steht die Befürchtung Heinrich Bolls gegenüber, daß das historische Bewußtsein gegenüber der Tradition nazistischen Gedankenguts schwinde: „Schon höre man wieder Wörter wie .Zersetzung' oder .entartet', fügte Boll hinzu und sorgte sich, daß es darüber nicht zu einem Sturm der Entrüstung komme."10 Andererseits kommt aber neben diesen „traditionellen" sprach- und verhaltenskritischen Tendenzen nach 1982, d.h. nach der parteipolitischen „Wende" in der Zusammensetzung der Regierungskoalition eine Tendenz auf, mit neuem nationalen Selbstbewußtsein „innerlich freie Zeitgenossen" zu ermuntern, ehemals mißbrauchte Ausdrücke (und Denkweisen) - wie zum Beispiel Elite - unbefangen zu verwenden. Dazu zunächst ein unscheinbarer Beleg, nämlich aus der RHEINISCHEN POST vom 4.1.1984 in einem Kommentar („Zum Tage") von Helmut Möller über die Diskussion über Elite-Hochschulen und Privat-Universitäten unter dem Titel „Eliten-Allergie": „Im deutschen Lebensgefühl der Nachkriegszeit hat es einen Ruck gegeben, denn viele Jahre galt der Gebrauch des Wortes Elite schon als kennzeichnend für elitäres Denken. Und davon hatte man nach einem Geschichtsabschnitt genug, der geprägt war von Elite - Orden - Rasse Auslese - Kraft - Macht - Herrentum. Nur innerlich freie Zeitgenossen ließen sich durch den einstigen Mißbrauch der Sprache nicht ausdünnen und redeten - wenn es angebracht war, und das ist selten - von Elite."
Der spektakulärste Fall im Hinblick auf den problematischen Versuch der Rehabilitierung bis dahin inkriminierten Wortgebrauchs geht 1983 durch die Presse. Er betrifft die gleiche Vokabel, vor der noch 1955 eine konservative Zeitung gewarnt hatte, weil sie ehemals zur Kunst-Zensur und Kunst-Zerstörung „eingesetzt" und als Träger nazistischer Gesinnung verwendet worden sei. Zu Beginn des Jahres 1983 berichten Zeitungen darüber, daß der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß von „Entartungen" in der 9 10
Ähnlich FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2 7 . 5 . 1 9 8 2 , S. 1. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 31.1.1984, S. 21 in e i n e m Bericht ü b e r Einflußnahme
des Auswärtigen Amtes auf die Goethe-Institute im Ausland mit dem Titel „Griff nach der Kultur".
368
Kapitel 9
modernen Kunst gesprochen habe. Im Juni äußert sich Strauß dann auf einer CSU-Pressekonferenz zum Gebrauch des Ausdrucks entartete Kunst. Mit ironischer Distanz zitiert die NEUE RHEIN-ZEITUNG die „überraschende Belehrung" durch Strauß: „Wenn die Nazis diesen Begriff auch schändlich mißbraucht haben', meint der bayerische Ministerpräsident, ,heißt das noch lange nicht, daß dieser Begriff für nichts mehr verwendet werden darf.'" ( N E U E RHEINZEITUNG 1 6 . 6 . 1 9 8 3 , Seite „Kultur")
Die Begründung, mit der Strauß diese Behauptung argumentativ illustriert, ist bemerkenswert: „Wenn man nämlich so rigoros ist mit der Vergangenheit, dann muß man sorgfältig prüfen, ob die Nazi-Führung auch Zahnbürsten verwendet hat. Und dann ist es unerträglich, daß wir sie auch benutzen" (ebd.). Um nach dieser prinzipiellen „logischen" Klarstellung fürs gesunde Volksempfinden die umstrittene Wendung auch historisch zu rechtfertigen, unterschiebt Strauß die Prägung des Ausdrucks pointierterweise einem jüdischen „Mitbürger", dem 1849 in Budapest geborenen und nach seiner Übersiedlung von 1880 bis 1929 in Paris lebenden österreichischungarischen Schriftsteller Max Nordau, der ein Buch mit dem Titel „Entartete Kunst. Entartung" verfaßt habe. Man solle nicht - so Strauß - „bei jedem Begriff einen Nazi-Vorfahren erfinden". Die Kommentare in den Zeitungen zeigen, daß auch die Journalisten die Unangemessenheit derartiger Aussagen über den Sprachgebrauch verdeutlichen wollen. Diese journalistische und langandauernde öffentliche Kritik ist implizit darauf gegründet, daß Strauß einmal alltägliche Gegenstände wie Zahnbürsten, die indifferent sind gegenüber den Nazi-Verbrechen, und ein offensichtlich mit den Verbrechen innerlich verbundenes Medium wie die Sprache auf eine Stufe stellt, um so die „Unschuld der Wörter" kurzschlüssig nahezulegen und von der Verantwortung der Sprachbenutzer abzulenken. Dem gleichen Zweck, zur ungenierten Weiterverwendung der Vokabel zu ermuntern, gilt der mit problematischen Kunstgriffen gestaltete Versuch, einen Erstbeleg vor der Nazi-Zeit nachzuweisen. Hier wird die Neigung, Geschichte mit Hilfe einer Verharmlosungsstrategie zuzudecken oder eine bestimmte Phase der Geschichte als Zeit der Verführung durch schlechte Führer aus der Geschichte zu eskamotieren, geradezu handgreiflich. Insofern befürchteten Stemberger u.a. durchaus zu Recht, daß bei fehlender oder unterdrückter Aufarbeitung der Geschichte auch öffentlich für die problemlose Weiterverwendung oder für die prinzipielle Unschuld der Wörter plädiert werden könne. Mitte der achtziger Jahre wird im Zusammenhang mit der deutschen Nazi-Vergangenheit eine Einstellung deutlich, die es angesichts des Wiederauflebens rechtsradikaler Parteien und Strömungen der Landesregie-
Nazi-Komplex
369
rung von Nordrhein-Westfalen geraten erscheinen läßt zu verhindern, daß sich unbelehrbare Zeitgenossen mit Autokennzeichen schmücken, die auf Nazi-Institutionen hinweisen: „NS-Kennzeichen künftig verboten: Autofahrer in NRW werden künftig keine Nummernschilder mehr bekommen, deren mittlere Buchstabenkombinationen an nationalsozialistische Einrichtungen erinnern. Die Straßenverkehrsämter werden angewiesen, Kennzeichen mit den Doppelbuchstaben KZ, SS, SA oder HJ nicht mehr auszugeben." (NEUE RHEINZEITUNG 6.4.1985, Seite „Reportagen", Sp.4)
2. Die Nazi-Vergleiche. Geschichte und öffentliche Diskussion Neben der bisher behandelten sogenannten Weiter- oder Wiederverwendungsdiskussion spielt eine weitere kommunikative Tradition, die mit der deutschen Nazi-Vergangenheit zusammenhängt, in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte von Anfang an eine Rolle. Sie ist allerdings - im Gegensatz zu den bisher behandelten Erscheinungen - erst relativ spät öffentlich bewußt und als problematisch erkannt worden. Dieses zweite Problemfeld, das wortgeschichtlich noch nicht analysiert wurde, ist erst seit dem Bundestagswahlkampf 1987 öffentlich bewußt geworden, — nicht zufällig wohl zur gleichen Zeit, als es im sogenannten Historikerstreit um die Relativierung, d.h. die In-Vergleich-Setzung der Nazi-Verbrechen ging: Es geht um die ebenfalls kurz nach Kriegsende einsetzende Tradition, politische Gegner durch Vergleiche mit nazistischen Verbrechern und nazistischen Gewaltaktionen herabzusetzen. Während die öffentliche Diskussion und Sensibilisierung bezüglich des Nazi-Wortschatzes (der Terminus Wort-Schatz wird angesichts dieses Vokabulars problematisch) eine bis 1945 zurückreichende Tradition hat, ist die Vorgeschichte des Gebrauchs von Nazi-assoziativen Vokabeln, der Ende der achtziger Jahre mit großer Publizität und Intensität diskutiert wurde, eher verdeckt geblieben. In der Frühphase fungieren die NaziVergleiche als unproblematisierte Diffamierungen im Ost-West-Konflikt und in der innenpolitischen Auseinandersetzung. 2.1 Instrumentalisierung im Ost-West-Konflikt Die grobschlächtige, pauschalierende und unreflektierte Instrumentalisierung zentraler Stichwörter einer gemeinsamen geschichtlichen Erfahrung beginnt - wenn unsere vergleichende Recherche der westdeutschen RHEINISCHEN POST und des Ost-Berliner VORWÄRTS („Berliner
Kapitel 9
370
Volksblatt. Das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands") zwischen dem Frühjahr 1946 und dem Herbst 1949 zuverlässig genug war - genau in dem Moment, als die Diskussion um die (Schuld an der) bevorstehende(n) Spaltung Deutschlands und Berlins dem Höhepunkt zustrebt. Die Vorbereitung der Währungsreform in der britischen und amerikanischen Zone (der Bizone) wurde in der SB2 von Anfang an als Vorbereitung der „Zerreißung" Deutschlands angeprangert. Das die westliche W ä h r u n g s r e f o r m r e g e l n d e G e s e t z w i r d i m VORWÄRTS v o m 1 8 . 5 . 1 9 4 8 v e r -
glichen mit d e m am 24.3.1933 erlassenen Ermächtigungsgesetz,
das die
gesamte Staatsgewalt der nationalsozialistischen Regierung übertrug und deren totalitäres Regierungssystem begründete: „Bizonen-Ermächtigungsgesetz angenommen: Der Wirtschaftsrat n a h m in d e n frühen Morgenstunden [...] das .Gesetz über Leitsätze für Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform' in dritter Lesung u n d damit endgültig an." (VORWÄRTS 1 8 . 5 . 1 9 4 8 , S . 1 , S p . l ) I n ä h n l i c h e r W e i s e ist i m VORWÄRTS a m 14.1.1947 v o n d e r „Diktatur" d e r
Berliner SPD, am 14.10.1948 d a n n v o m „Reuter-Putsch" die Rede; a m 8.8.1949 wird der Europäische Rat in Straßburg „Die Union der Quislin-
ge" betitelt. - Als sich während der Berlin-Blockade der gesamtberliner Magistrat spaltete u n d Ost-Berlin am 30.1.1948 einen eigenen Magistrat etabliert hatte, berichtet die westdeutsche RHEINISCHE POST ü b e r diesen
Vorgang, indem sie diesen Akt mit der diffamierenden Geschichtsvokabel „Machtergreifung" 11 bezeichnet. „Der Kampf u m Berlin: Die .Machtergreifung' der SED w a r vorbereitet w o r d e n durch ein Schreiben, das der sowjetische Militärgouvemeur Marshall Sokolowski am Montag an die Generale Clay, Robertson u n d König gerichtet hatte." ( R H E I N I S C H E P O S T 1 . 1 2 . 1 9 4 8 , S. 1 , S p . L )
In West und Ost beginnt also genau zu der Zeit der Gründung zweier unterschiedlicher Herrschaftsbereiche die öffentliche Sprachpraxis, diesen Vorgang wechselseitig mit Hilfe der fast synonymen Bezeichnungen Machtergreifung und Ermächtigungsgesetz12 zu diffamieren, d.h. den entsprechenden Vorgang im jeweils anderen Machtbereich als Parallele zur Entstehung der Nazi-Diktatur herabzuwürdigen. Hier liegt die histori11
Die RHEINISCHE POST verwendet hier das Verfahren des In-Anführung-Setzens dieses Wortes und kennzeichnet so den Neuwort-Charakter dieser Vokabel. In gleicher Weise wird von der RHEINISCHEN POST z.B. am 26.7.1948 (S. 1, Sp.5) die Lehnübertragung „Luftbrücke" (für air-lift) als durch Anführung gekennzeichnetes Neuwort eingeführt. - Die bisher beschriebene Art der Kritik an der SED und dem Verhalten der Sowjets in der SBZ hatte die RHEINISCHE POST bereits am 13-9.1948 (S. 1) praktiziert, als sie der SED vorwarf, sie wende „dieselben Methoden wie [die] NSDAP" an, und am 18.9.1948 (S. 1), als sie über ein Urteil eines sowjetischen Militärgerichts gegen Demonstranten unter dem Titel „Diktatur unter neuem Zeichen" berichtete. 12 Jochen C. Fest (S. 533f ) beschreibt die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes als entscheidende Stufe in dem Kapitel „Die Machtergreifung".
Nazi-Komplex
371
sehe Wurzel der notorischen innenpolitischen Strategie, den politischen Gegner mit Nazi-Vorwürfen zu diskreditieren. Das aus der allgemeinen Verurteilung der Nazi-Verbrechen sich ergebende lexikalische Diffamierungspotential wird im aktuellen politischen Kampf nutzbar gemacht. Bald danach findet sich diese Sprach-Technik des Vergleichs, mit dem sehr wesentliche Unterschiede zum Beispiel zwischen der NSDAP und den neuen (CDU) und alten (SPD) demokratischen Parteien zugedeckt werden, auch innerhalb des Geltungsbereiches des am 2 3 . 5 . 1 9 4 9 verkündeten Grundgesetzes - bezeichnenderweise in der heißen Phase des Wahlkampfes vor der ersten Bundestagswahl (am 1 4 . 8 . 1 9 4 9 ) . Die 13 RHEINISCHE POST berichtet am 3 . 8 . 1 9 4 9 über „organisierte Störungsversuche" bei Wahlkampfkundgebungen mit Ludwig Erhard unter dem Titel „Nazi-Methoden gegen Prof. Erhard": „Nazi-Methoden gegen Prof. Erhard: Dortmund, 2. August. (Eigenbericht) Die Wahlversammlungen, in denen Professor Erhard für die CDU spricht, scheinen mehr und mehr zum Ziel organisierter Störungsversuche zu w e r d e n [...]."(RHEINISCHEPOST 3 . 8 . 1 9 4 9 , S. 1, S p . 4 )
Schon hier wird die Gefahr deutlich, daß als „tertium comparationis", als wesentlicher Bezugspunkt, der den Vergleich oder die Assoziation legitimieren soll, etwas vorgeschoben wird, das bei ruhiger sachlich-konzentrierter Überlegung als Vergleichsgrundlage nicht anerkannt werden würde, - in diesem Fall die Störung einer Politikerrede. Was geschichtlich als wesentlich und einmalig zur Nazi-Zeit gehört - der Völkermord, die millionenfache Vergasung von Juden - wird durch solche Vergleiche aus dem Bewußtsein ausgeschlossen, womit sich diese Art der Verwendung von Nazi-Assoziationen - entgegen dem ersten Eindruck - nicht als Auseinandersetzung mit dem Nazi-Komplex, sondern als eine besonders geschickte und um so infamere, da inszenierte Art von historischer Verdrängung entpuppt. Ein im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf 1986/87 aktuelles Beispiel aus der frühen Nachkriegsphase dieses Sprachgebrauchs ist die Titulierung des KPD- bzw. SED-Politikers, des späteren Leiters des Amtes für Information und des Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR, Gerhart Eisler als Der Goebbels der Soivjetzone (Titel der RHEINISCHEN P O S T 4 . 1 0 . 1 9 4 9 , S. 1 ) . Daß solche wechselseitigen „nazistischen Identifikationen" als propagandistische Mittel des politischen „Schlagabtausches" in der unmittelbaren Nachkriegszeit im öffentlichen Bewußtsein anscheinend als unproblematisch hingenommen und keinesfalls zum Anlaß zu öffentlichen kri13
Systematisch recherchiert wurde bisher nur in der RHEINISCHEN POST. Daher liegen nur Belege dieses Sprachgebrauchs von Seiten der CDU-nahen Presse vor. Diese vorläufige Einseitigkeit ist also arbeitstechnisch bedingt.
372
Kapitel 9
tischen Thematisierungen genommen werden, muß wohl zurückgeführt werden auf die damalige politische Globalsituation mit ihrer polemisch geführten Auseinandersetzung zwischen Ost und West, die einen entsprechend großen Konformitätsdruck auf Politiker wie Journalisten und damit auf die sogenannte „öffentliche Meinung" insgesamt ausübte. Unser erster Beispielkomplex stammt aus der Zeit vor den beiden deutschen Staatsgründungen im September und Oktober 1949, der Zeit also des Vollzugs der staatlichen Spaltung, der selbstverständlich von polemischen gegenseitigen Schuldzuweisungen begleitet wurde. Für den westlichen Block läßt sich die Hexenjagd-Atmosphäre jener Zeit an der am 7. Juni 1949 im Zusammenhang mit dem Judith-Coplon-Prozeß vorgelegten Kommunisten-Sympathisanten-Liste des Staates Kalifornien veranschaulichen (mit Namen wie Pearl S. Buck, Charlie Chaplin, Lion Feuchtwanger, Katherin Hepburn, Danny Kaye) und mit der am 15. Juli 1949 berichteten Exkommunizierungs-Erklärung von Papst Pius XII für Mitglieder und Sympathisanten der kommunistischen Parteien in aller Welt. Daß es bei diesen Fällen problematischen Sprachgebrauchs um vorbedachte Ausnutzung diffamierenden Sprachpotentials geht, machen auch die weiteren Beispiele deutlich, über die von der Presse auf den politischen Hauptseiten berichtet wurde. Als letzten Beleg aus der frühen Nachkriegszeit führen wir die Bezeichnung Walter Ulbrichts als „Gestapochef" (RP 2.11.1949, S. 1, Sp.2) an; danach ist diese Art des „Einsatzes" von Nazi-Vergleichen abermals zur Zeit des Mauerbaus von 1961 und während der SPIEGEL-Affare 1962 auffällig: „Vor der Gegenaktion des Westens", Bericht über eine Aussage Adenauers: „Moskau sei dafür verantwortlich, daß durch die Umwandlung der Sowjetzone in ein Konzentrationslager ein neuer Abschnitt im Nervenkrieg um Berlin eingeleitet worden sei." (RHEINISCHE POST 1 5 . 8 . 1 9 6 1 , S. 1, S p . 2 - 4 )
Auf diesen Sprachgebrauch in den frühen sechziger Jahren, also in der mittleren Periode der deutschen Nachkriegsgeschichte, wird 1987 im Zusammenhang mit der Wahlkampf-Attacke Helmut Kohls, in der DDR existierten KZs, zurückverwiesen. Die Abwehr der innenpolitischen Vorwürfe gegen Kohls Äußerung besteht in der „historisch" begründeten Rückgabe des Vorwurfs, daß Willy Brandt 1961 als Regierender Bürgermeister selbst von Ulbrichts KZ gesprochen habe. Hier wird das Problem offenbar, daß solche Vergleiche aufgrund einer historischen Verschiebung der politischen Konstellation zu einer bestimmten Zeit als gerechtfertigt erscheinen können und zu einer anderen Zeit starken öffentlichen Widerspruch finden. Im hier besprochenen Fall
Nazi-Komplex
373
liegt das sicher auch an einem generellen Wandel in der Bewertung der DDR. In diesem Fall erscheint es gerechtfertigt, durch eine historische Skizze den damaligen innenpolitischen Konsens zu rekonstruieren, indem an folgende Sachverhalte erinnert wird: Als 1961 mit dem Mauerbau die Teilung Deutschlands als endgültig besiegelt erschien und die Hoffnung auf „Wiedervereinigung" im damaligen Sinne erstickt zu werden begann14, waren ab 1950 jährlich durchschnittlich über 200000 Personen aus der (im Westen nicht so genannten) DDR in die Bundesrepublik geflüchtet. Seit Anfang August 1961 hatte sich durch die Androhung eines Separatfriedens mit der DDR durch die Sowjetunion, durch DDR-RegierungsAnkündigungen von Beschränkungen im innerdeutschen Reiseverkehr und schließlich mit dem Beginn der Abriegelung des Ostsektors durch Stacheldraht und Sperrzäune am 13. August 1961 die internationale Spannungslage enorm zugespitzt. Der Freiheitsbegriff des Westens wurde durch den Flüchtlings-„Strom" und durch dramatische, beobachtbare Fluchtaktionen während der Abriegelungsphase derart mit Anschauung erfüllt, daß sowohl von den Politikern wie von der Presse wie auch von der Bevölkerung die Rede zum Beispiel von Ulbricht als dem KZ-Chef der Zone (RP 24.8.1961) als Ausdruck wirklich erlebter Erfahrung empfunden werden mußte. Die diskussionslose gesellschaftliche Konformität, die in Westberlin sowohl am 19 8.1961 beim Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson als auch beim Besuch John F. Kennedys am 26.6.1963 zum Ausdruck kam, die einheitlich antikommunistische Atmosphäre, ließen solche Nazi-Vergleiche vollkommen unproblematisch erscheinen. Vor dem Hintergrund dieses historischen Problemhorizontes ist das Ausbleiben einer heute selbstverständlich erscheinenden öffentlichen Thematisierung im Sinne einer sprachkritischen Analyse jener politischrhetorischen Tiefschlagpraxis wenig(er) verwunderlich. Die vollkommen andersartige Rezeption der ein Vierteljahrhundert auseinanderliegenden Titulierungen der DDR als KZ in den Jahren I96I und 1986/87 zeigt, daß offensichtlich aufgrund wichtiger historischer Ereignisse eine Verschiebung der öffentlichen Meinung auf diesem Problemfeld stattgefunden hat.
14
Vgl. Dönhoff 1985, S. 9f.
374
Kapitel 9
2.2 Sensibilisierungs- u n d Verharmlosungs-Diskussion. G e s c h i c h t s v e r d r ä n g u n g u n d Verbrechensrelativierung Zum Zerbrechen der Einheitlichkeit der (antikommunistischen) öffentlichen Meinung haben sicherlich der Vietnam-Krieg und die WatergateAffäre ebenso beigetragen wie die neue Ostpolitik der Bundesregierung ab 1966, die schließlich zum Grund(lagen)vertrag vom 21.12.1972 führte und zur staatsrechlichen Anerkennung der DDR. Der Hinweis auf den mit diesen politischen Veränderungen einhergehenden Wandel der Staatsbezeichnungen schwächt das im Zusammenhang der Diskussion über KZ-Vergleiche von der CDU geäußerte Rechtfertigungsargument, die SPD habe früher ebenfalls die DDR als KZ bezeichnet. Wie wenig die einem solchen Argument implizite Behauptung - was einmal „wahr" gewesen sei, müsse auch „wahr" bleiben - haltbar ist, zeigte sich auch an der veränderten Praxis der Bezeichnung der DDR. Nur die dem Springer-Konzern zugehörigen Presseorgane nahmen erst am 2. August 1989 die gewandelten Verhältnisse der offiziellen Regierungspolitik zur Kenntnis und behielten bis dahin eisern die einmal gewählte Diskriminierung durch In-Anführung-Setzen der Abkürzung des Staatsnamens bei. Die bemerkenswerteste Veränderung in der deutschen Sprachtradition des Nazismus-Vorwurfes geschieht 1962 als Begleiterscheinung bzw. als Auswirkung der als „SPIEGEL-Affäre" bekannt gewordenen Vorgänge. Ab diesem Zeitpunkt wird der Nazi-Vergleich nicht mehr, wie bisher, vornehmlich auf kommunistische Regimes bezogen, sondern auch i n n e n p o l i t i s c h verwendet. Der damalige Eingriff der Exekutive in den Bereich der Judikative — durch eine von Adenauer mit der Behauptung des „Landesverrats" verschuldete „Vorverurteilung" und durch eine die Gewaltenteilung mißachtende Polizeiaktion - führte zu einer Erschütterung der jungen Demokratie, die ablesbar ist an großen, erstmals von der jüngeren Generation getragenen Demonstrationen für die Einhaltung der in der Verfassung garantierten Pressefreiheit, ablesbar auch am Zerbrechen der Regierungskoalition und an einer drei Tage währenden hitzigen Bundestagsdebatte. Die erwähnte kommunikationsgeschichtliche Veränderung ist aber von weiteren Umorientierungen beim Hinweisen auf Parallelen in der NaziZeit begleitet, die anhand eines zeitgenössischen Textes verdeutlicht werden sollen. So schreibt am 311.1962 Willi v. d. Felden in einem Kommentar über die betreffenden Polizeiaktionen: „Die Erinnerung an verflossene Gewaltmethoden ist noch zu frisch, um solche Aktionen bei Nacht u n d Nebel hinzunehmen" (RHEINISCHE POST 3 1 1 . 1 9 6 2 , S. 2).
Nazi-Komplex
375
In diesem Kommentar wird deutlich, daß der Vergleich - im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen - hier nicht durch ein polemisch verwendetes Wort hergestellt wird, sondern daß aus einer Sorge-Haltung heraus lediglich an die polizeistaatlichen Gewaltmethoden erinnert wird, die schon einmal in eine Katastrophe geführt hätten. Der historische Hinweis wendet sich auch nicht an eine politische Gegenseite, sondern fordert zur Korrektur einer als Verstoß gegen das Grundgesetz interpretierten Aktion auf. Hier zeigt sich in aller Klarheit, daß zu unterscheiden ist zwischen Vergleichen, bei denen die deutsche Geschichte instrumentalisiert wird, um einen - innenpolitischen oder gar ausländischen - Gegner mit einer aus deutscher Geschichte erwachsenen polemischen Wortpotenz zu diffamieren, und solchen, in denen aus einer Sorgehaltung heraus an die „eigene" Geschichte erinnert wird, um auf eine als nazistisch empfundene Handlungsweise aufmerksam zu machen. Problematisch erscheint dagegen die am 8.11.1962 von der RHEINISCHEN POST CS. 2) berichtete Aussage Adenauers: „Man dürfe nicht den Eindruck entstehen lassen, als ob in Deutschland Gestapo-Methoden herrschten." Hier wird - im Rahmen der Diskussion über das Vorgehen der Exekutive gegen SPIEGEL-Redakteure - in Verteidigungshaltung die öffentlich akzeptierte Unvergleichbarkeit von Gestapo-Methoden zur Abschwächung der Kritik an der vom Kanzler verantworteten Polizeiaktion ausgenutzt. Daß zur Bewertung der Legitimität derartiger Vergleiche auch die Bewertung der Umstände, der Stichhaltigkeit der Argumente bzw. der Glaubwürdigkeit des Sprechers gehört, verdeutlicht auch der von Heinrich Boll 1975 in einem Fernsehinterview erhobene Vorwurf, es herrsche in redaktionellen Texten und Leserbriefen überhaupt und auch ihm gegenüber ein Volksgerichtshof-Ton. Ein solcher Ton werde „salonfähig, man trägt ja Nazi nicht mehr innen, sondern außen [...]" (FAZ 11.1.1975). Boll, der - anders als ein Politiker - nicht mit einem im Grunde unhaltbaren Vergleich parteipolitische Wirkung erzielen will, formuliert das reflexiv-analytische Ergebnis seiner Gegenwartsanalyse mit Hilfe der historischen Vergleichs-Vokabel Volksgerichtshof-Ton,15 Während derartige Nazi-Zeit-Assoziationen von Politikern hauptsächlich strategisch-diffamierend eingesetzt werden, steht Boll mit seinem nur äußerlich gleich erscheinenden Vorwurf in der Nähe der frühen sprachkritischen Positionen von Klemperer sowie Sternberger u.a. Diesen Positionen ist auch der Kommentar von Willi v. d. Felden zuzurechnen. Es handelt sich hier eher um einen Vergleich, der sich als pole15
Vgl. Stötzel 1978, S. 55 und 60.
376
Kapitel 9
mische Warnung, als Hilferuf an die Erinnerungsfähigkeit von historischpolitischen Zeitgenossen legitimiert. Die früheren Goebbels- und KZ-Vergleiche, für die hier schlaglichtartig die historischen Etappen 1949 und 1961 herausgegriffen wurden, unterscheiden sich bemerkenswert von jüngeren öffentlich geäußerten NaziVorwürfen, wie sie etwa von Helmut Kohl erhoben worden sind. Gemeinsam haben sie lediglich, daß sie überwiegend gegen kommunistische Staaten gerichtet sind. Wir behandeln hier zunächst eine problematische Äußerung von Helmut Kohl während eines USA-Besuchs vom 21. bis 24.10.1986. Selbstverständlich hat auch dieser Vorfall eine Angriffs- und eine Verteidigungsseite und wurde konsequenterweise von verschiedenen politischen Parteien verschieden bewertet. Nach Bestätigung durch Regierungssprecher Schmülling16 hatte Kohl gegenüber NEWSWEEK geäußert: „Gorbatschow ist ein moderner Kommunisten-Führer. Er versteht etwas von Public Relations. Goebbels verstand auch etwas von Public Relations. Man muß die Dinge doch auf den Punkt bringen." - Während die SPD verlangte, Kohl solle entweder erklären, daß er diesen „unsäglichen Vergleich" nicht formuliert habe, oder ihn zurücknehmen17, forderten die Grünen den Rücktritt Kohls. Die Verteidigung von Regierungssprecher Ost bestand darin zu versichern, daß Kohl den „Kreml-Chef nicht mit Goebbels verglichen" habe18, daß er keinen Vergleich beabsichtigt habe, daß er den „falschen Eindruck", er habe Gorbatschow mit Goebbels verglichen, bedaure und daß er Gorbatschow nicht habe beleidigen wollen19. Darüber hinaus übernimmt Ost am 8.11.1986 die persönliche Verantwortung dafür, daß im NEWSWEEK-Text eine erläuternde Ergänzung zur KanzlerÄußerung gestanden hatte, in der Goebbels als „einer der Verantwortlichen für die Verbrechen der Hitler-Ära"20 apostrophiert war. Auf jeden Fall bleibt festzuhalten, daß - wie dieses Beispiel von 1986 zeigt - das bei Politikern (aller Couleurs) vorauszusetzende historische Wissen in der polemischen (Wahlkampf-)Auseinandersetzung ausgeblendet wird zugunsten eines Augenblicksvorteils der emotionalen Argumentation: Wie anders ist zu erklären, daß der damalige Fraktionsführer der SPD, Vogel, im gleichen Atemzug, da er Kohl vorwirft, mit dem „unsäglichen Vergleich" zur „Sprache des kalten Krieges zurückzukehren"21, empfiehlt, einen näherliegenden Bezugspunkt für einen Goebbels-Ver16 17
RHEINISCHE POST 2 5 . 1 0 . 1 9 8 6 , S. 1, S p . 2 - 4 . RHEINISCHE POST 3 . 1 1 . 1 9 8 6 .
19 20 21
RHEINISCHE POST 3 . 1 1 . 1 9 8 6 , S. 1. RHEINISCHE POST 9 1 1 - 1 9 8 6 , S. 1. RHEINISCHE POST 3 . 1 1 . 1 9 8 6 , S. 1.
18
Unterteile RHEINISCHE POST 25.10.1986, S. 1.
Nazi-Komplex
377
gleich zu wählen, nämlich den - auch schon von Willy Brandt als „größten Hetzer seit Goebbels" apostrophierten - damaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Dieser hatte als Minister am 15.6.1983 in einer Bundestagsdebatte geäußert: „Der Pazifismus der 30er Jahre [...] hat Auschwitz erst möglich gemacht". 22 Dadurch hatte Geißler die Neuauflage einer innenpolitischen Polemik entfacht, bei der beide politischen Lager bedenkenlos geschichtlich offensichtlich unauthentische Begriffsinterpretationen und Vergleiche verwendeten, um den politischen Gegner effektvoll zu diffamieren. Die Gültigkeit dieser Kritik an der Art des Umgangs mit der deutschen Vergangenheit belegt auch eine weitere, im folgenden dokumentierte Debatte über den DDR-KZ-Vorwurf von Bundeskanzler Kohl, der ebenfalls in den Bundestagswahlkampf 1 9 8 6 / 8 7 gehört: „Gegenüber Ostberlin sagte Kohl laut dpa, die DDR halte ,über 2000 politische Gefangene in Gefängnissen und Konzentrationslagern' gefangen. Dazu SPD-Bundesgeschäftsführer Glotz: ,Es sei in keiner Weise gerechtfertigt, den Nazibegriff Konzentrationslager in Bezug auf die DDR zu verwenden'" (NEUE RHEIN-ZEITUNG 5.1.1987, S. 1) Redakteur Dietmar Seher schreibt dazu am 6 . 1 . 1 9 8 7 in der ZEITUNG (Seite „Magazin") unter dem Titel: „KZ-Vergleich":
NEUEN RHEIN-
„KZ-Vergleich: Kanzler zündet neuen politischen Sprengsatz: Wort und Einrichtung .Konzentrationslager', obwohl von Engländern und Spaniern im letzten Jahrhundert .erfunden' und als Lager in Indien, Südafrika und Kuba eingesetzt, sind aber unzweideutig mit der deutschen Geschichte und dem Mord der Nazis an Millionen Menschen in den Vernichtungslagern verbunden. Kein Wunder also, wenn sich die DDR den Vergleich verbat." Rolf Heyder kommentierte in einem Leitartikel mit dem Titel „So ist es": „So ist es: [...] das krebsartig wuchernde Netz von Haft- und Vernichtungslagern wurde 1945 von den sowjetischen Siegern auch auf ihren .befreiten' Teil Deutschlands übertragen [...]. Ab 1950 übernahmen die deutschen Kommunisten diese Unterdrückungseinrichtungen [...]. Zugegeben, im Laufe der Jahre hat sich die anfangs grenzenlose Willkür im Gebiet der DDR zur .sozialistischen Gesetzlichkeit' gemausert, aber noch immer ist es Ansichtssache, ob man die heutigen Strafvollzugseinrichtungen im anderen deutschen Staat als Konzentrationslager empfindet, wie verständlicherweise die dort inhaftierten politischen Gefangenen, oder sie ohne eigene leidvolle Erfahrung als normale, wenn auch etwas barsche Gefängnisse sieht." (RP 6.1.1987) Die RHEINISCHE POST berichtet am 7 . 1 . 1 9 8 7 (S. 1, S p . 3 - 4 , und S. 2 ) unter dem Titel „Streit um Kohl-Äußerung geht unvermindert weiter":
22
BT 15.6.1983, S. 755; vgl. auch Zifonun 1984 und Keller 1985-
378
Kapitel 9 „Der SPD-Abgeordnete Duve [...] warf dem Kanzler vor, er versuche die DDR mit dem Schatten der Nazi-Vergangenheit .anzuschwärzen' [...]. SPD-Bundestagsgeschäftsführer Glotz warf Kohl vor, mit der Anwendung des Nazi-Begriffs KZ auf die DDR habe er nicht nur außenpolitisch und innerdeutsch, sondern auch historisch einen .schrecklichen Fehler' gemacht. Der deutsche Bundeskanzler müsse wissen, daß in vielen Konzentrationslagern der Nationalsozialisten Gasöfen gebrannt hätten und in fast allen KZ gefoltert wurde [...]. CDU-Sprecher Merschmeier erklärte, nicht die Verhältnisse in der DDR, sondern die politischen Einschätzungen der SPD über das politische System im anderen Teil Deutschlands hätten sich verändert. Nach dem Mauerbau habe beispielsweise der heutige SPDVorsitzende Brandt als Berlins Regierender Bürgermeister am 12. September 1961 laut SPD-Pressedienst erklärt: .Wir müssen das schreiende Unrecht des Ulbrichtschen Mammut-Konzentrationslagers in die Welt hinausrufen.' Im Oktober des selben Jahres habe Brandt in einer Rede versichert: .Berlin wird die Landsleute in Ulbrichts KZ nicht abschreiben'."
Die NEUE RHEIN-ZEITUNG vom 8.1.1987 (S. 1, Sp.5) zitiert weitere Stimmen: „Die niederländische Anne-Frank-Stiftung warf Kohl dagegen vor, er trage zur Bagatellisierung von Verbrechen bei, die in der Geschichte einmalig seien. Und der 1976 aus der DDR ausgebürgerte Sänger Wolf Biermann sieht in der Kohl-Äußerung eine .Verhöhnung der Millionen Opfer in den faschistischen Konzentrationslagern'. " Die zuletzt zitierte Zuschrift der Anne-Frank-Stiftung zeigt - in Kontrast zu den auf diesem Hintergrund makabren lexikalischen Grabenkriegen der Parteien - wie untäuschbar sprachsensibel die wirklichen Opfer der Nazi-Verbrechen sind. Die vehemente Ablehnung der Vokabel Wiedergutmachung (und die konsequente Ablehnung der Zahlung von Blutgeld) durch Lea Fleischmann 23 klärt darüber auf, welche sprachlichen Fehlgriffe man sich auch in der Reflexionslosigkeit der Adenauer-Ära bei Vertragsbenennungen zuschulden kommen ließ. Sowohl bei der sogenannten Pazifismus-Debatte wie auch bei der Diskussion um den KZ-Vorwurf Kohls wird die Janusköpfigkeit der offenbar gegenüber I960 in der Öffentlichkeit erhöhten Sprachsensibilität deut23
[.·.] Lea Fleischmann (1980): „Über die Bedeutung von Worten wurde in der Universität stundenlang debattiert [...], ohne daß ich jemals begriffen hätte, wozu man ein Wort so genau erfassen muß. Jahre später habe ich alles an einem einzigen Wort verstanden. Am Wort Wiedergutmachung. - Wiedergutmachung bekam meine Mutter für die erlittene fünfjährige Haft in verschiedenen Konzentrationslagern. Wiedergutmachung dafür, daß man ihre Familie umgebracht, ihre Gesundheit ruiniert und ihre Seele zerstört hat. Wieder gut Machung. Ich frage mich, was man wieder gut gemacht hat' Hat man ihre Gesundheit wieder gut gemacht? Hat man ihre Familie wieder gut gemacht? Hat man ihr Heim wieder gut gemacht? - Wer sich das Wort Wiedergutmachung ausgedacht hat, der hat den Schmerz und das Leid der Opfer nachträglich verhöhnt [...]. Gegen das Wort Wiedergutmachung hätte man sofort gerichtlich Einspruch erheben und verbieten müssen, es im Zusammenhang mit den Judenverfolgungen zu nennen." (S. 70f.), s. Stötzel 1986, bes. S. 93f· und 97f.
Nazi-Komplex
379
lieh. Das gesteigerte Gefühl für die Wirkung sprachlicher Ausdrücke, für Mitbehauptetes und Unterstelltes und die öffentliche Thematisierung der Wirkung brisanter Vokabeln werden nicht zur geschichtlichen Selbstaufklärung genutzt, sondern nur strategisch zur Abwehr von Vorwürfen und aggressiv gegen den politischen Gegner eingesetzt. Einen im wörtlichen Sinne makabren Aspekt dieser neuen Sprachsensibilität hat Peter Schneider im Hinblick auf den deutschen Terrorismus der siebziger und achtziger Jahre beleuchtet. 1987 hat er in einem sehr intensiven Essay gezeigt, wie gerade in Deutschland Faschismus- und Nazi-Vorwürfe, die nicht auf authentischer Erfahrung gründeten, zu einem „Todeskreis der Schuld" geführt haben. In der Folge der „sprachbesessenen" antiautoritären Revolte von 1968 sei der gegen alle möglichen Gegner gerichtete Faschismus-Vorwurf zum „rhetorischen Ritual", zum Schimpfreflex verkommen, der Polizisten, liberale Hochschulprofessoren, SPD-Gewerkschaftler und Spontis auf die gleiche Anklagebank habe drücken sollen. Dieser Pauschalverdacht gegen alle Andersdenkenden mit dem die demonstrierenden Studenten zunächst nur auf ihre Denunzierung als „neue Nazis" durch Rainer Barzel und Kurt Georg Kiesinger reagiert hätten - habe den Begriff des Faschismus entmaterialisiert und die Nazi-Verbrechen ebenso relativiert, wie es heutige Geschichts-Revisionisten wiederum versuchten. Die Tradition dieses nicht seriösen, nicht historisch wirklich sachkundigen „Antifaschismus" macht Peter Schneider dafür verantwortlich, daß Wörter wie Genickschuß im Zusammenhang mit dem Mord an Gerold von Braunmühl und schon früher Sätze wie „wir haben seine klägliche und korrupte Existenz beendet" (der sogenannte Bekenner-Satz der RAF zum Mord an Hanns Martin Schleyer) von den Enkeln der Nazi-Generation bedenkenlos verwendet werden konnten. Auch durch explizite Rückverweise auf Victor Klemperer stellt sich Peter Schneider in die Tradition der politischen Sprachkritik seit 1945 und macht die menschenverachtende Sprache der RAF in gleicher Weise wie die Nazi-Sprache für die Relativierung und Vorbereitung politischer Morde verantwortlich. Der strategisch zur Herabsetzung von politischen Feinden eingesetzte, nur rhetorische Antifaschismus mit seinem allseitigen Faschismusvorwurf ist somit - wie alle die hier analysierten diffamierenden Nazi-Vorwürfe - als G e s c h i c h t s v e r d r ä n g u n g und V e r b r e c h e n s r e l a t i v i e r u n g zu charakterisieren. Sowohl die Diskussion über Kohls Gorbatschow-Goebbels-Vergleich wie auch die oben dokumentierte Debatte über seinen DDR-KZ-Vorwurf zeigen, wie stark die öffentliche sprachliche Sensibilität im Vergleich zu den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten inzwischen ausgebildet ist.
380
Kapitel 9
Dieser veränderten öffentlichen Bewußtseinslage haben die großen Parteien seit den siebziger Jahren durch eine Art linguistischer Aufrüstung durch die Einrichtung von parteieigenen Semantikgruppen und durch parlamentarische (sprachwissenschaftliche Dienste - Rechnung zu tragen versucht. Infolge dieser sprachreflexiven Untermauerung politischen Sprachgebrauchs wird in der jüngeren Auseinandersetzung zwischen den Parteien auch mit sprachgeschichtlichen Belegen und Argumenten gearbeitet und damit anscheinend die zentrale Forderung der aufklärerischen Sprachkritik nach gesellschaftlich - h i s t o r i s c h e r Sprachreflexion erfüllt. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine strategisch-selektive Ausnutzung der (Sprach-)Geschichte, indem jede Partei - wie die Belege zeigen - gerade die historischen Fakten auswählt, die ihren jeweiligen argumentativen Zielen am besten dienen. Ein allgemein zugänglicher, wesentlich komplexerer historischer Wissensstand wird also ignoriert und nachweislich auf parteiegoistische - d.h. im wörtlichen Sinne einseitige - Interessen hin reduziert. Wie heikel auch heutzutage das öffentliche Reden über die Nazi-Zeit ist, das haben 1985 und 1988 zwei Gedenkreden vor dem Deutschen Bundestag verdeutlicht. Die Reden wurden aus Anlaß der Jahrestage der mit unterschiedlichen Vokabeln (Reichskristallnacht, sog. Reichskristallnacht, Reichspogromnacht) bezeichneten Ereignisse vom 9/10. November 1938 und der Beendigung des 2. Weltkrieges am 8. Mai 1945 gehalten. Während sich der Bundestagspräsident Jenninger durch eine weitgehend aus der Täterperspektive formulierte Ansprache um sein Amt redete - wie Peter von Polenz und Hans Jürgen Heringer24 in erschöpfenden Analysen nachwiesen - , gelang dem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 eine weltweit fast einhellig25 begrüßte Darstellung der Schuldverstrickung des deutschen Volkes und des Verständnisses der Zäsur des 8. Mai 1945: Er interpretierte diesen Tag als „Tag der Befreiung [...] von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" und betonte, daß wir „nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen" dürften. „Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Kriege führte. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen".
24 25
Vgl. Polenz 1989 (mit Abdruck der Jenninger-Rede); Heringer 1990, S. 163-176 (Kap. 11: Wie man etwas nicht sagen darf: Der Fall Jenninger). Nur die CSU-Bundestagsfraktion blieb mehrheitlich der Gedenkstunde fern; außerdem gab es eine Flut von Leserbriefen gegen die Interpretation des 8. Mai als „Tag der Befreiung"; s. Stötzel 1990, bes. S. 50ff.
381
Nazi-Komplex
Weizsäcker gesteht also ein, daß die Deutschen auch durch die Reichstagswahlen am 31.7.1932 (NSDAP: 37,4°/$ und am 5.3.1933 (NSDAP: 43,9 wie durch die Ernennung von Hitler zum Reichskanzler am 30.1.1933 durchaus im Sinne einer Machtübergabe - und in anderer Rolle als die Geschichtsvokabel Machtübernahme glauben machen will — das mit herbeigeführt hatten, wovon sie am 8. Mai 1945 befreit werden mußten. Daß der israelische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland in der ansonsten geradezu „als Wunder" begrüßten Rede des Bundespräsidenten am 8. Mai 1985 dessen Wort Versöhnung im israelischen Fernsehen als „unpassend" qualifiziert hat, zeigt an, welche sprachliche Sensibilität auch gegenwärtig noch von allen Deutschen verlangt wird. Versöhnung kann nur vom Beleidigten, d.h. von dem, der das Leid erduldet hat, angeboten werden. Sprachwissenschaftler und Historiker sollten aus diesem Grund zur reflektierten Nicht-Anwendung aller sogenannter Nazi-Vergleiche im politischen Alltags^eschäft aufrufen. Nur so können wir unsere Überzeugung von der Einmaligkeit der Verbrechen deutscher Nazis glaubhaft machen und darauf hoffen, daß diese sprachliche Zurückhaltung der Deutschen auf der geschichtlichen Einsicht beruht, daß die Schuld von deutscher Seite aus untilgbar ist. (Georg Stötzel)
Beleg- und Stichwörter Akkusativierung
Arbeit Art artfremd arthaft Ausmerzung Ausrichtung „be"-Verben
betreuen Betreuung blindlings Blitzkrieg Blut blutsfremd charakterlich demokratisch/Demokratie
• deutsch • Diktatur • durchführen • Einkesselung • Einsatz • Elite • Endsieg • entartet • entartete Kunst • Entartung • entjuden • entnorden • Ermächtigungsgesetz • fanatisch • Faschismus-Vorwurf
• feige
382
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
fremdblütig fremdrassisch Fremdvölker Führer gerissen germanisch Geschichtsverdrängung Gestaltung Gestapochef Goebbels der Sowjetzone gottlos hart Härte Herrenrasse Historikerstreit individuell/Individualismus inhuman intellektuell internationalistisch Jude jüdisch Konzentrationslager kritisch krummnasig Kulturschaffende KZ-Vergleich Lager Leistung LTI Machtergreifung Mädel Marshall-Plan materialistisch Mischehe national Nationalsozialismus Nazi-Vergleiche Nervenkrieg nordisch objektiv
Kapitel 9
organisieren Parteigenosse Parteikongreß Pazifismus plattfüßig Propaganda querschießen Quislinge RAF
Rasse rassefremd Raum Reich Reichskristallnacht Reichspogromnacht schlagartig Schulddiskussion Schulung Sektor sog. Reichskristallnacht sozial sozialer Wildwuchs tragbar undeutsch Untermenschen unwertes Leben Verbrechensrelativierung Verdrängung verjuden vemegem Vernichtungsschlacht Vertreter Volk volkhaft volksfremd Volksgerichtshof-Ton Volkskörper Weiterverwendungsdiskussion Wiedergutmachung Zeitgeschehen
»1968« als sprachgeschichtliche Zäsur 1. Einleitung / 2. Sprache und Sprachkritik der Studentenbewegung / 3. Die Sprache der SPD / 4. Die konservative Kritik an der -linken Sprache« / 5. Die Kritik an einigen zentralen Wörtern der -linken Sprache- / 6. Schlußbewertung
1. Einleitung War der Zeitraum von 1945 bis 1949 eine tiefgehende Zäsur bezüglich der Geschichte des deutschen Nationalstaates, der Ablösung von der Nazi-Zeit (bzw. der Nazi-„Herrschaft") mit der Entstehung neuer Staaten auf ehemals deutschem Boden, so ist der Zeitraum von 1966 bis 1968 die erste tiefgreifende Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die stärker innenpolitisch bezogen ist und bewußtseinsmäßig geprägt ist von einer Vielzahl von Umorientierungen. Obgleich beide Zäsuren im Grunde unvergleichlich sind, hat der konservative Publizist Ludolf Herrmann beide Zäsuren auf höchst problematische Weise verglichen: Er bewertet die Zäsur „1968" als tiefergehend als die Zäsur von 1945. Während „wir" (gemeint sind die Deutschen) „Hitler [...], wenn auch vielleicht nicht endgültig, bewältigt" hätten, hätten wir „die Bewältigung Hitlers, wie sie zur Studentenrebellion von 1968 und zu den fundamentalen Umwertungen der Folgezeit geführt hat", nicht bewältigt. Er folgert daraus, daß „wir [nicht] ein weiteres Mal 1933 oder 1945 verdauen, sondern daß wir den nachträglichen Ungehorsam gegen Hitler überwinden" (Herrmann 1983, S. 17) müßten. Bezüglich gerade des bewußtseinsmäßigen Zäsur-Charakters des Jahres „1968" sind sich konservative und „linke" Politiker, Publizisten und auch Wissenschaftler weitgehend einig. Die Bewertung dieser Zäsur geht allerdings weit auseinander, wie sich gerade in der jüngeren Diskussion um die Ursachen rechtsextremer Mordanschläge zeigt, in der aus dem demokratischen Parteienspektrum vor allem die CSU so weit geht, den „68ern" aufgrund ihrer Tabubrüche und ihrer „Ideologie, [...] Gewalt im Rahmen politischer Auseinandersetzungen hoffähig zu machen" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 15.6.1993, S. 5), eine Mitschuld an diesen Gewalttaten anzulasten. Von „linken" Kommentatoren bis hinein in die
384
Kapitel 10
CDU dagegen wird die Zäsur „1968" gewertet als Beginn einer offeneren und demokratischeren Gesellschaft.1 Neben den allmählichen Umorientierungen in der Deutschlandpolitik in der Zeit der Großen Koalition von 1966 bis 1969, die sich sprachlich unter anderem in der Benennung der DDR und damit auch bewußtseinsmäßig bezüglich der Wahrnehmung der deutsch-deutschen Realitäten auswirkten2, ist es vor allem die Gesellschaftskritik der Studentenbewegung, die zu Änderungen des öffentlichen Bewußtseins und zur erhöhten Sensibilität gegenüber sprachlichen Benennungen geführt hat. Mit ihrer Gesellschafts- und Sprachkritik wird zum einen ein öffentlicher Sprachstreit eingeleitet, der erstmals in der innenpolitischen Auseinandersetzung die Relevanz der Sprache so stark bewußt macht, wie es zuvor nur bezüglich des Streits um die Weiterverwendung der „NaziSprache" und um die Vorwürfe der deutsch-deutschen Sprachspaltung gegenüber der „DDR-Sprache" geschehen war. Zum anderen kann die auf die „gesamtgesellschaftliche Verfaßtheit" (Klein 1989, S. 36) gerichtete Kritik der Studentenbewegung als Beginn einer Entwicklung angesehen werden, durch die in vielen, vor allem innenpolitischen Bereichen bis dahin wenig umstrittene Haltungen hinterfragt wurden - wie ein typisches durch die Studentenbewegung in den allgemeinen Sprachgebrauch gebrachtes Wort heißt. Auch sprachlich wirkte sich dieses Hinterfragen in einer verstärkten Kritik am herrschenden Sprachgebrauch aus und führte so zur verstärkten Sensibilität gegenüber sprachlichen Phänomenen, die hier im einzelnen in den thematischen Kapiteln zur Frauen-, Umwelt-, 3- Welt- und Friedensbewegung dargestellt werden. In dieser verstärkten Sprachsensibilität, die mit der öffentlichen Bewußtwerdung bis dahin vernachlässigter Politik- und Verantwortungsbereiche einhergeht, liegt also die eine sprachgeschichtliche Bedeutung der Zeit um 1968. Die andere liegt in dem erwähnten verstärkten öffentlichen Streit um die Sprache, der von der Studentenbewegung mit ihrer Gesellschaftskritik eingeleitet wurde und der von der konservativen Seite in den frühen siebziger Jahren im Kampf um die Wiedergewinnung der sprachlichen Vorherrschaft und der politischen Macht mit zahlreichen öffentlichen sprachkritischen Beiträgen geführt wurde. Diese richteten sich sowohl
1
2
Vgl. dazu Leggewie 1988, Fink 1988 und Sontheimer 1988. Die Rolle der 68erStudentenbewegung wird allerdings in einigen Beiträgen auch dahingehend relativiert, daß diese nur ohnehin fällige gesellschaftliche Modernisierungsschübe beschleunigt habe und daß die mit ihr in Verbindung gebrachten Entwicklungen sich schon seit Anfang der sechziger Jahre abgezeichnet hätten (vgl. etwa Rudolph 1990). Vgl. das Kapitel über die Deutschlandpolitik in diesem Band.
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
385
gegen den Sprachgebrauch der Studentenbewegung wie gegen den der seit 1969 regierenden sozial-liberalen Koalition. In dieser Kritik wurde häufig kein Unterschied zwischen APO-Sprache und Sprache der SPD/FDP gemacht, weil so der parlamentarische Gegner parteitaktisch klug „in den Ruch gemeinsamer Sache mit der radikalen Linken" (Klein 1989, S. 37) gebracht werden konnte. Die sprachbezogene Ideologiekritik der Studentenbewegung, der von ihr eingeführte neue Wortschatz, die von SPD/FDP in dieser Zeit geprägte Begrifflichkeit und vor allem die konservative Kritik an alledem sollen in diesem Kapitel dargestellt werden. In den folgenden Kapiteln dieses Buches werden dann die sprachgeschichtlichen Veränderungen in den Politikbereichen analysiert, die erst nach dieser „zweiten Zäsur" die Höhepunkte ihrer öffentlichen Auseinandersetzung erlebten und zum Teil von der gesteigerten Sprachsensibilität seit „1968" beeinflußt waren.3
2. Sprache und Sprachkritik der Studentenbewegung Die sprachbezogene Ideologiekritik, die Sprachkritik und die sprachlichen Veränderungen durch die Studentenbewegung können auf den Einfluß der sogenannten Frankfurter Schule bzw. den der Kritischen Theorie zurückgeführt werden. Mit deren Theorien konnten die mit der Wirtschaftswunder-Gesellschaft und der Nazi-Vergangenheit ihrer Elterngeneration unzufriedenen Studenten dieser Gesellschaft ein geschlossenes Gegenmodell entgegensetzen, das im geteilten Deutschland als neomarxistisches Gegenbild „als die Provokation wirken mußte, als die sie gedacht war" (Fink 1988, S. 27). Der sprachliche Einfluß dieser Theorien auf den allgemeinen öffentlichen Sprachgebrauch wird von Steger wie folgt beschrieben: „Es [...] wurden im Laufe der 60er Jahre Neudefinitionen von älteren Begriffen wie .progressiv' und .konservativ', .Demokratisierung', .Legitimation', .strukturelle Gewalt' in die politische Debatte und teilweise in die Praxis eingeführt. Mit diesen Entwicklungen einher geht eine modeartige Verbreitung des Gruppenjargons soziologischer Schulen. Ausdrücke wie .reflektieren', .hinterfragen', .artikulieren', .umfunktionieren', .internalisieren' gehören hierher. Ein fachakademischer Soziolekt wird so zur Erkennungs- und Abgrenzungssymbolik allgemeiner subkultureller Gruppierungen." (Steger 1989. S. 12)
3
Insofern nimmt die Sprache der Studentenbewegung in dieser Sprachgeschichte mehr Raum ein, als es von Boesch 1972 prophezeit worden ist: „Die Sprache der studentischen Opposition wird für eine kommende Sprachgeschichte kaum mehr sein als ein Gekräusel auf dem unendlich wogenden Meer der Gegenwartssprache" (Boesch 1972, S. 271).
386
Kapitel 10
Ähnliches konstatiert Lüdke: .Allmählich tauchten sie auf, da und dort, gingen mehr und mehr [...] ins öffentliche Bewußtsein ein und spätestens in der Mitte der sechziger Jahre beherrschten sie die öffentliche Diskussion, selbst noch die Sprache ihrer erklärten Gegner - die Begriffe der Kritischen Theorie. [...] Wenn nicht die ganze, so sprach doch die bessere Hälfte der Gesellschaft von Entfremdung und Verdinglichung, von Repression, Dialektik und Ideologiekritik, vom Warencharakter und Triebunterdrückung, von Kulturindustrie und Manipulation." (Lüdke 1987, S. 45)
Der thematisch relevante Bereich, dem ein Großteil des neuen Wortschatzes zugeordnet werden kann, ist der Bereich der gesamtgesellschaftlichen Zustände, die (entsprechend der zugrundeliegenden Theorie) von der Ökonomie und der Machtverteilung bestimmt werden, sowie der Bereich der Auswirkungen von Ökonomie und Macht auf die einzelnen Menschen. Aber auch die Perspektive der Änderung bestehender Zustände (Systemüberwindung, Revolution etc.) ist thematisch relevant.4 Neben der Beeinflussung des Wortschatzes durch diese Terminologie, die aus gesellschaftstheoretischen Zusammenhängen kommt, besteht der Einfluß der Kritischen Theorie in der grundsätzlichen Kritik der herrschenden Sprache als Herrschaftssprache. Diese Kritik hat zur Folge, daß „bisher allgemein akzeptierte sprachliche Angemessenheitsnormen" (Steger 1989, S. 13) nicht mehr eingehalten werden, was sich in neuen Kommunikationsveranstaltungen (mit neuen, aus der US-amerikanischen Bürgerrechts- und Anti-Vietnamkriegs-Bewegung übernommenen Bezeichnungen wie teach-in, sit-in, love-in, Happening) sowie in abweichendem Vokabular auf Flugblättern und Wandzeitungen manifestiert und was auch zur Verbreitung „von Anal- und Sexualwortschatz in öffentlichein) Texttypen und Situationen" (ebd.) führt. Die theoretischen, sprachkritischen Grundlagen dieser Sprachveränderungen sind bei Adorno, Haug und vor allem Marcuse formuliert. Adorno brandmarkt die Sprache der BRD als Jargon der Eigentlichkeit", der mit einer „bescheidenen Anzahl signalhaft einschnappender Wörter" (zum Beispiel existentiell, Auftrag, Begegnung, Anliegen, Bindung) „tiefes menschliches Angerührtsein" auszudrücken scheine, während er tatsächlich die standardisierte Welt nur „standardisiert wiedergebe" (Adorno 1964, S. 9). Während Adorno eher den Sprachstil von Geisteswissenschaften, politischer Bildung und Pädagogik im Auge hat, kritisiert Haug die Sprache des „hilflosen Antifaschismus" in universitären Versuchen, mit der Ver4
Vgl. Klein 1989, S. 36.
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
387
gangenheit des Nationalsozialismus umzugehen. Die Sprache des hilflosen Antifaschismus analysiere nicht die Entstehung des Nationalsozialismus, indem sie die sozialen Interessen, die zu seinem Aufkommen geführt haben, benenne, sondern „erkläre" die Phänomene des Nationalsozialismus in der gleichen Sprache, in der die Nazis gesprochen hätten, zum Beispiel mit Krankheits-Metaphorik und mythischen irrationalen Erklärungen. Sie könne so weder zur Aufarbeitung der Vergangenheit noch zur Vermeidung neuen Faschismus' beitragen.5 Die direkteste und wohl auch einflußreichste Sprachkritik als Herrschaftskritik stammt jedoch von Herbert Marcuse in seinen beiden Werken „Der eindimensionale Mensch" und „Versuch über die Befreiung": „Politische Linguistik ist [...] eine der wirksamsten ,Geheimwaffen' von Herrschaft und Verleumdung. Die herrschende Sprache von Gesetz und Ordnung, die von den Gerichtshöfen und der Polizei für gültig erklärt wird, ist nicht nur die Stimme, sondern auch die Tat der Unterdrückung." (Marcuse 1984, S. 302f.)
Dieser Sprache fehle die „negatorische Kraft", sie zwinge das Denken „repressiv" in die Grenzen „funktionaler Sprache": „das etablierte Vokabular diskriminiert die Opposition von vornherein - es schützt das Establishment" (ebd., S. 305). Zur Veranschaulichung nennt Marcuse „herrschende" Bezeichnungen für das Vorgehen der US-Militärs in Vietnam im Kontrast zu Bezeichnungen ähnlicher Aktionen des Vietcong. „Der eindimensionale Mensch" in der westlich-kapitalistischen Gesellschaft habe nur eine „eindimensionale Sprache" (Marcuse 1968, S. 212) zur Verfügung, mit der die Wirklichkeit nur so, wie sie ist, beschrieben werden könne und die kein veränderndes Potential enthielte. Als „linguistische Therapie" empfiehlt Marcuse „die Anstrengung, Wörter (und damit Begriffe) von der nahezu totalen Entstellung ihres Sinns zu befreien [...]. Gleichermaßen muß das soziologische und politische Vokabular umgeformt werden: es muß seiner falschen Neutralität entkleidet werden; es muß methodisch und provokatorisch im Sinne der Weigerung .moralisiert' werden." (Marcuse 1969, S. 20)
Die Etablierung von nicht-eindimensionalen Begriffen (im Marcuse'schen Sinne) und der verbale Aufstand gegen die so gekennzeichnete herrschende „politische Linguistik" läßt sich in der BRD in der Folge durch die Studentenbewegung nachweisen. Mit der gleichen Sprachherrschaftsthese - freilich mit umgekehrtem Vorzeichen und mit perspektivisch entgegengerichteter Kritik an den „dynamischen Begriffen" - be-
5
Vgl. Haug 1967, S. 15ff.
Kapitel 10
388
ginnen einige Jahre später Konservative ihre sprachkritische Gegenoffensive. Diese aber richtet sich nicht nur gegen die Sprache der Studentenbewegung, sondern auch gegen die des parlamentarischen Gegners SPD. Das erklärt sich sachlich durch die Bemühungen der SPD, Teile der Studentenbewegung und auch ihrer Ideen in der Partei zu binden, womit zum Teil auch sprachliche Erkennungsmerkmale übernommen wurden. Vor allem aber schien es unter taktisch-politischen Gesichtspunkten erfolgversprechend, wenn die SPD in die politische, geistige und parteiliche Nähe von radikalen Linken oder später sogar Terroristen gerückt werden konnte. Was von konservativen Sprachkritikern zum Teil über einen Kamm scherend an der linken Sprache kritisiert wurde, läßt sich aber in seinen sprachlichen Kennzeichen wie in seiner thematischen und politischen Orientierung unterscheiden in APO-Sprache und Sprache der sozial-liberalen Regierungskoalition der „Ära Brandt". Während die Kennzeichen der sogenannten APO-Sprache schon behandelt wurden, seien hier noch typische Merkmale der sozial-liberalen Sprache angeführt, bevor der konservative Sprachkampf gegen beide beschrieben wird.
3. Die Sprache der SPD Den thematisch relevanten Bereich der sozial-liberalen Sprache der „Ära Brandt" bildet auf innenpolitischem Gebiet der „Ausbau von Partizipationsrechten und individuellen Entfaltungsmöglichkeiten" (Klein 1989, S. 37), für die Reform-Vokabeln (Reformpolitik, innere Reformen, Wandel, Erneuerung) ebenso kennzeichnend sind wie die Zielvorstellung mündiger Bürger und die Brandt'sche Wahlkampfparole Mehr Demokratie wagen sowie programmatische Vokabeln wie Chancengleichheit oder Lebensqualität. In diesem innenpolitischen Themenfeld überlappt sich das Wortfeld der sozial-liberalen Ära Brandt auch am ehesten mit dem der APO - in ebenfalls programmatischen Ausdrücken wie Emanzipation, Demokratisierung oder Selbstverwirklichung sowie in Selbstbezeichnungen wie progressiv und fortschrittlich.6 Außenpolitisch liegt der Themen-Schwerpunkt dieser Zeit auf der „Reduzierung des Konfliktpotentials mit den Ostblockstaaten" (ebd., S. 38). Vokabeln wie Aussöhnung, Interessenausgleich, menschliche Erleichterungen sowie Slogans wie Vom Nebeneinander zum Miteinander kennzeichnen diesen Politikbereich. Vor allem 6
Vgl. Klein 1989, S. 37f.
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
389
aber sind es die Hochwertvokabeln Entspannung und Friedenspolitik, deren „Besetzung" der sozial-liberalen Koalition gelingt, was ihren konservativen Gegnern und Sprachkritikern Kopfzerbrechen bereitet.7 Josef Kleins beschreibendes Resümée der Sprache der Ära Brandt soll nicht als „richtige" Beschreibung der Situation Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre zitiert werden, sondern als Hintergrund für die Einordnung der im folgenden beschriebenen Sprachauseinandersetzung: „Hinter der Dominanz relativ abstrakter Hochwertvokabeln in diesem Wortfeld tritt die Bedeutung .sachnaher' Bezeichnungen für innenpolitische Projekte ebenso zurück wie die Bedeutung primär deskriptiver Lexeme für die Konkreta der Ostpolitik." (Klein 1989, S. 38)
Diese Hochwertvokabeln bildeten einen der Ansatzpunkte der konservativen Begriffsbesetzungsvorwürfe dieser Jahre.
4. Die konservative Kritik an der »linken Sprache« Die CDU/CSU hatte 1969 erstmals in der Geschichte der BRD die Regierungsverantwortung bzw. die Macht im Staat verloren. Durch die Wahlerfolge der SPD und den zunehmenden Einfluß zum Teil von der Studentenbewegung angeregter, zum Teil aus SPD und FDP stammender politischer und gesellschaftlicher Vorstellungen sah sie darüber hinaus auch erstmals ihre bis dahin vorhandene kulturelle, gesellschaftliche und damit auch sprachliche Hegemonie in der BRD gefährdet. Sie befürchtete zu Recht auch eine langfristige Verringerung ihrer Wahlchancen, wenn sich in breiten Bevölkerungskreisen ein nicht von der CDU/CSU bestimmtes Bewußtsein durchsetzen würde. Zu diesen (ob bewußten oder unbewußten) wahltaktischen Gründen traten tatsächlich vorhandene kulturpessimistische Ängste - daß die staats- oder demokratieerhaltenden Werte zerfallen würden, wenn die eigenen Werte nicht mehr dominant waren —, antikommunistische Befürchtungen vor einem Marsch durch die Institutionen der APO-Vertreter sowie die Angst vor dem Einfluß der APO auf die SPD. Diese Ängste wurden ausgelöst durch das marxistische Vokabular der Studentenbewegung und ihre Systemüberwindungs-Zieie. So kam es Anfang der siebziger Jahre (mit wenigen Vorläufern schon 1969) zu einer vielfältigen Sprachkritik an der Sprache der „Neuen Linken" und der der SPD/FDP. Dabei wurde mit der These, die Linken übten eine Sprachherrschaft aus, die Marcuse'sche Kritik umgekehrt. Mit 7
Vgl. Klein 1989, S. 37f. und Bergsdorf 1991, S. 26ff.
390
Kapitel 10
Hilfe vielfältiger Kritikperspektiven und anhand vieler konkreter Sprachverwendungen wurde die linke Sprache angeklagt. Die einflußreichsten Beiträge dieser konservativen Sprachkritik stammen von Helmut Schelsky, Hans Maier und Kurt H. Biedenkopf aus den Jahren 1972 bis 1974.8 Zum einen wird mit eher sprachrelativistischem Hintergrund - der sich auch besser zur Begründung der eigenen Sprachoffensive, der eigenen Möglichkeit, die Begriffe zurückzuerobern, eignet - beinahe neidvoll der Erfolg der sprachlichen „Imagewerbung" der sozial-liberalen Koalition erkannt und als Vorbild für eigene Aktivitäten genommen.9 So stellte Gerhard Mahler - neben der Warnung vor marxistischer Indoktrination durch die Neue Linke - in der CDU-Mitgliederzeitschrift SONDE fest: „Darüber hinaus konnten wir in der Entwicklung der letzten 10 J a h r e beobachten, daß die politische Sprache in w a c h s e n d e m Umfange v o n B e griffen besetzt wurde, die eine Wertentscheidung zugunsten der B o n n e r Linkskoalition implizierten: Entspannung, innere Reformen, Demokratisierung, Qualität des Lebens, Friedenspolitik, Barmherzigkeit und schließlich a u c h der Begriff .sozial-liberale Koalition' ( w e r sprach früher von einer .christlich-liberalen' oder während der großen Koalition von einer .christlich-sozialen Koalition'?) [...]. Umgekehrt fehlte es a u c h nicht an der Differenzierung von anderen gesellschaftspolitischen Vorstellung e n durch entsprechende Besetzung der politischen Sprache. Aus Marktwirtschaft w u r d e Kapitalismus, aus Gewinn Profit, aus Sicherheitspolitik Kalter Krieg." (Mahler 1975, S. 36) 1 0
Was Mahler im Anschluß daran als „wesentlichen Einbruch in die politische Substanz unseres Volkes" (Mahler 1975, S. 36) durch die Beset8
9
10
Die Sammelbände von Kaltenbrunner 1975 und Bergsdorf 1979 enthalten die meisten wichtigen Beiträge. Die politische Gegenwehr seitens der SPD ist in dem Sammelband von Fetscher, Richter 1976 und in einem VORWÄRTS-Aitikel von Bauer 1975 enthalten. Vgl. zu den folgenden Ausführungen auch Behrens und andere 1982. Eine solche Anerkennung des sprachstrategischen Erfolgs findet sich etwa bei Heidborns Analyse des SPD-Schlagworts Lebensqualität in der CDU-Mitgliederzeitschrift SONDE, WO er die CDU auffordert, schnellstmöglich plausible Gegenkonzepte mit eigener Füllung des Schlagworts oder mit konkurrierenden Termini zu entwickeln, um einen SPD-Erfolg mit diesem Schlagwort wie bei Friedenspolitik (als gelungene Gleichsetzung mit der SPD-Ostpolitik) zu vermeiden (vgl. Heidborn 1973). Ahnlich F. J. Strauß: „Wir haben doch seit dem Jahre 1969, meine Damen und Herren, eine Irreführung unseres Volkes auf mehreren Gebieten erlebt - nicht zuletzt durch eine neue gebastelte Sprache. Es war die Sprache zunächst der Verführung und Verzückung: was da alles an neuen Begriffen auf den segnungsbedürftigen Bundesbürger herniederrieselte - da war von sozialistischer Politik als neue Lebensqualität die Rede, das war sozusagen der politische Umweltschutz, der eben hier zuteil wurde, da war die Rede von mehr Gerechtigkeit, von mehr Glück und von mehr Menschlichkeit und von mehr Entspannung und mehr Sicherheit und mehr Frieden. Das war die Sprache der Vergiftung und der Verhetzung. Da wird unser Volk eingeteilt in soziologische Mehrheiten und in Minderheiten. Da wurde der normale volkswirtschaftliche Ertrag, der für die Vollbeschäftigung unerläßlich ist, als kapitalistischer Ausbeuterprofit diffamiert, da wurde normale Lehrlingsausbildung [...] als Jugendunterdrückung und Schinderei bezeichnet, da wurden die Arbeitgeber als Ausbeuter und als Profitkapitalisten diffamiert" (zit. nach Glotz 1984, S. 5).
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
391
zung der politischen Sprache seitens der Neuen Linken bezeichnet, wird als Sprachherrschafts- und als Sprachverfalschungsvorwurf auf eher sprachdogmatischem Hintergrund häufig formuliert. Die prägnantesten und daher immer wieder zitierten Behauptungen stammen von Schelsky und Biedenkopf: „Die Beherrschung durch Sprache scheint uns die vorläufig letzte Form der Versklavung von Menschen zu sein, die als soziale Wesen auf den Verkehr durch Sprache genauso angewiesen sind wie jeder lebende Organismus auf Zufuhr von Nahrung und Sauerstoff. In der Herrschaft von Sprache ist ein Herrschaftsgrad von Menschen über Menschen erreicht, demgegenüber physische Gewalt geradezu harmlos und veraltet ist. Unüberwindbare Herrschaftsmittel gewinnt, wer die Schlüsselworte für die großen Sehnsüchte der Zeiten oder nur der Generation zu finden und auszubeuten vermag." (Schelsky 1975, S. 176f.) n Im folgenden bezieht sich Schelsky ausdrücklich auf die linke Sprachherrschaftsthese, behauptet aber gegen diese, daß die Sprachherrschaft von den Linken selbst längst übernommen worden sei: „Denn daß die herrschende Sprache die Sprache der Herrschenden ist, in dieser Grundannahme irren die Verfasser der Hessischen Rahmenrichtlinien nicht. Sie verkennen nur, daß heute in der Politik keineswegs mehr die Sprache des Bildungsbürgertums herrscht, sondern das Wissenschaftskauderwelsch der Polit-Akademiker wie in den Richtlinien selbst. Man hört im Fernsehen, auf der Bühne, in der Schule oder in bestimmten Parteiversammlungen doch mehr ,Friedeburgsch' als Goethe-Deutsch." (ebd., S. 177f.) Kurt H. Biedenkopf nutzt 1973 auf dem CDU-Parteitag als Generalsekretär seiner Partei diese Schelsky'sche Sprachherrschaftsthese zur Mobilisierung der Partei zu einer sprachlichen und politischen Offensive. Dabei stellt er die aktuelle Situation als die Phase einer Revolution durch die Sprache dar, die durch die Besetzung von Begriffen geschehe. Er macht damit die Begriffsbesetzungsmetapher populär, die seither häufig im Vorwurfs- und Entlarvungs-Gestus gegen den politischen Gegner verwendet wird12: „Was sich heute in unserem Land vollzieht, ist eine Revolution neuer Art. Es ist die Revolution der Gesellschaft durch die Sprache. Die gewaltsame Besetzung der Zitadellen staadicher Macht ist nicht länger Voraussetzung für eine revolutionäre Umwälzung der staatlichen Ordnung. Revolutionen finden heute auf andere Weise statt. Statt der Gebäude der Regierungen werden die Begriffe besetzt, mit denen sie regiert, die Begriffe, mit denen wir unsere staatliche Ordnung, unsere Rechte und Pflichten und unsere Institutionen beschreiben. Die moderne Revolution besetzt sie mit Inhalten, die es uns unmöglich machen, eine freie Gesellschaft zu beschreiben 11
Z u e r s t i n : DEUTSCHE ZEITUNG ( 1 2 . 4 . 1 9 7 4 ) , N r . 1 5 , S . 2 .
12
Vgl. dazu Kuhn 1991, S. 91ff.
392
Kapitel 10
und - auf Dauer - in ihr zu leben. [...] Wir erleben heute eine Revolution, die sich nicht der Besetzung der Produktionsmittel, sondern der Besetzung der Begriffe bedient."13
In einer späteren Veröffentlichung geht Biedenkopf nach dieser plastischen metaphorischen Beschreibung der aktuell stattfindenden Revolution auf die Sprachstrategien der Linken ein, die (und natürlich ist es nur sie) „die Sprache bewußt als Mittel der politischen Strategie" (Biedenkopf 1982, S. 192) verwendet. Er referiert die zuerst von Hans Maier 1972 beschriebenen Strategien der „puristischen Überforderung von Begriffsinhalten" (Maier 1982, S. 182) und der eschatologischen Aufladung von Begriffen.14 Bei der ersteren handelt es sich um folgendes Vorgehen: „Man bringt Worte aus der politischen Alltagssprache, die gerade wegen ihrer Praxisnähe unscharf sind, deutsch-gründlich ,auf den Begriff', um dann die schlechte Wirklichkeit am puristischen Seminaranspruch scheitern zu lassen." (Maier 1982, S. 183, Beispiele: Verfassungswirklicbkeit versus Verfassungsrecht, inhaltliche versus formale Demokratie)
Bei der zweiten Strategie, deren Analyse die gleichen sprachlichen Handlungen unter anderer Perspektive zum Gegenstand hat, wird politische Sprache „zum Religionsersatz" (Biedenkopf 1982, S. 192): „[...] zentrale Begriffe unserer politischen Ordnung [sind] in den letzten Jahren aus ihrer Normallage gelöst, dynamisiert, ja eschatologisch aufgeladen worden: Das gilt für Verfassung, Demokratie, Sozialstaat so gut wie für Rechtsstaat und Grundrecht. Aus Ordnungsbegriffen sind Verheißungen geworden. Die Stilisierung des Grundgesetzes zum .großen Versprechen' machte den Anfang." (Maier 1982, S. 183)
Maier und Biedenkopf zufolge haben die Linken also mit politischen Begriffen genau das gemacht, was Marcuse in der herrschenden Sprache vermißte: Sie haben sie so verwendet, daß mit ihnen nicht nur eine bestehende Wirklichkeit beschrieben werden konnte, sondern daß sie ein Bedeutungspotential enthielten, das über die Beschreibung des faktisch Bestehenden hinausging, auf etwas Zukünftiges verwies und so den gesellschaftlich bestehenden Zustand als einen zu verändernden, zu verbessernden Zustand auswies. Indem Maier und Biedenkopf nun fordern, daß mit den politischen Begriffen die politische Wirklichkeit wieder so, wie sie ist, nämlich als eine (aus ihrer Sicht) positive demokratische Verfassungsordnung zu beschreiben sein müsse, fordern sie ihren Gebrauch als „eindimensionale Begriffe" im Sinne Marcuses. Aus dessen Sicht kann mit diesen „eindimensionalen Begriffen" die Wirklichkeit nur so (negativ, wie sie ist) beschrieben werden, weil sie kein veränderndes 13 14
Zit. nach Klein 1991, S. 46. Vgl. Maier 1982, S. 183 und Biedenkopf 1982, S. 192.
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
393
Potential enthalten. Marcuse forderte gerade Begriffe mit solchem veränderndem Potential. Aus konservativer Sicht haben genau solche, von den Linken nun gebrauchte und durchgesetzte Begriffe fatale Folgen, nämlich die Auflösung der demokratischen Ordnung. Deshalb können die konservativen Sprachkritiker die „linken" Begriffe nur als „aus ihrer Normallage [die offenbar im Grundgesetz festgeschrieben ist] gelöst" und „dynamisiert" kritisieren und ihre „Begriffsinhalte" überfordert sehen. Das führt deshalb zur befürchteten Revolution, weil ohne einhelligen Sprachgebrauch die „Formkonstanz von Institutionen" (Maier 1982, S. 187) verlorenginge, „Realität und Sprache" auseinanderklaffen (weil die Begriffe mehr enthalten als die Realität) und so der Entscheidungskampf tobt, „ob die Realität dem neuen Bewußtsein weicht und das System gesprengt wird - oder ob das System sich behauptet und die neue Sprache wieder in eine Randexistenz [...] zurückfällt" (ebd., S. 188). Diese von Maier beschworenen Folgen, die einige APO-Revolutionäre sicherlich beabsichtigten, die aber wohl kaum hauptsächlich durch Sprachstrategien zu erreichen waren, beruhen also nach dieser Kritik auf den Sprachstrategien der Dynamisierung von Begriffen15 und der Überforderung von Begriffsinhalten. Hinzu kommt nach Maier das „Eindringen organisatorischer, technischer, ja paramilitärischer Kampfbegriffe in die politische Sprache" (Maier 1982, S. 183, Beispiele: Strategiediskussionen, umfunktionieren, verunsichern, die Herrschenden, das System, kognitive Operationsmodi, Lernstrategien) und die „politisch-semantische ,Doppelstrategie'" (ebd., S. 184), „Begriffe" (d.h. Ausdrücke) anders zu verwenden, als sie dem Bewußtsein vieler Rezipienten geläufig sind, wodurch dieses mit neuen Wortbedeutungen für alte Ausdrücke getäuscht wird (Emanzipation beispielsweise)16. Behrens, Dieckmann und Kehl fassen die konservativen Kritikpunkte wie folgt zusammen: „Die linke Sprache sei ideologisiert (die eigene natürlich nicht); sie verändere die zentralen Begriffe durch Ausweitung, Verengung, Festlegung, Dogmatisierung, Dynamisierung, Schabionisierung, und habe jeden Bezug zur Realität verloren. Durch aktionistische und militärische Sprache und durch allgemeine Emotionalisierung zum Zweck der Handlungssteuerung werde menschliche Sprache überhaupt pervertiert. Auch der Vorwurf der ,Zerstörung der deutschen Sprache' [...] wird ungebrochen wiederholt." (Behrens u.a. 1982, S. 250)
Weitere Kritikpunkte sind die Verwendung von Wörtern aus dem Fäkalund Sexualbereich im öffentlichen Sprachgebrauch - wodurch laut Schelsky die Arbeiter ihrer ureigenen Sprache beraubt würden17 - und 15 16 17
Vgl. auch Sontheimer 1979, S. 55f. Vgl. Teuberts „Vexierwörter", z.B. Subventionen (in: Teubeit 1989, S. 57ff.). Vgl. Schelsky 1975, S. 178 und ders. 1979, S. 28, zur Kritik daran auch Glaser 1969.
394
Kapitel 10
die emotional-aggressive Ladung der APO-Sprache, zu der der soziologische Jargon, der Jargon der Künstlichkeit" (Sontheimer 1979, S. 53), kontrastiere. Mit diesem Jargon ist der verwissenschaftlichte, zum Teil schwer verständliche Sprachgebrauch der Studentenbewegung gemeint. Schließlich wird pauschal Sinnentleerung der in der linken Sprache benutzten Wörter konstatiert.18
5. Die Kritik an einigen zentralen Wörtern der »linken Sprache« Neben der Vergegenwärtigung dieser allgemein kritisierten Strategien der linken Sprache ist die Betrachtung der konkret inkriminierten Wörter und Verwendungen interessant. Im folgenden soll deshalb gezeigt werden, welche Verwendungsweisen bestimmter Ausdrücke in diesen Jahren besonders umstritten waren. Der wichtigste, d.h. vielleicht am häufigsten thematisierte und umstrittenste Ausdruck ist wohl der der Demokratisierung. Die Kritik an seiner Verwendung steht sowohl im Zusammenhang mit der Kritik an revolutionären Vorstellungen der APO wie an den Reformplänen der SPD. Seine Relevanz für die öffentliche Diskussion seit Mitte der sechziger Jahre wird in mehreren Beiträgen hervorgehoben. In einer vielrezipierten Analyse und Kritik des Begriffs Demokratisierung, die schon 1969 als Vortrag gehalten und in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ) abgedruckt wurde, schreibt der Freiburger Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis: „Wer sich die Aufgabe stellt, den Begriff ausfindig zu machen, der am bündigsten, prägnant und doch umfassend den Generalanspruch unserer Zeit zum Ausdruck zu bringen sucht, der muß nicht lange suchen: [...] der Generaltenor aller Ansprüche der Zeit auf Veränderung der uns umgebenden gesellschaftlichen Welt findet seine knappste Formel in einem Wort: .Demokratisierung'. Man wird wohl sagen dürfen, daß dieser Begriff die universalste gesellschaftspolitische Forderung unserer Zeit in einem Wort zusammenfaßt". (FAZ 22.7.69, S. 11, Hennis 1973, S. 26f.) 19
18
19
Vgl. Höck 1972. Ähnliche Kritikpunkte wie bisher genannt finden sich unter anderem bei Boesch 1972; Eisert 1972; von Weiss 1974; Schneider 1976; Schmölders 1979; Sontheimer 1979- Glaser verbindet ein Lob der ursprünglichen Neuerungen durch die linke Sprache mit der Klage über die zunehmende Aggression, Abstraktion und Ritualisierung der APO-Sprache (vgl. Glaser 1969). Schelsky kritisiert in einem späteren Beitrag zudem eine dialektische Sprachumwertung (zum Beispiel bei repressive Toleranz, kreativer Haß, Gegengewali), unverbindliche Verdächtigungen (Schreibtischtäter) und die Polarisierung von Begriffspaaren (vgl. Schelsky 1979, S. 220. Diese zentrale Bedeutung des Wortes für die Zeit wird auch in einem Beitrag über politische Bildung von 1972 bestätigt: „Die weltweite gesellschaftliche Forderung der
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
395
Auch eine Tagung der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung am 5 -6.12.1969 in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing bestätigt diesen Stellenwert des Wortes Demokratisierung.20 Auf dieser Tagung bekräftigt Karl Dietrich Bracher den Zusammenhang mit der Studentenbewegung, durch deren Forderungen und Aktionen, die auch unter dem Stichwort Demokratisierung vorgetragen wurden, erst die zum Teil aufgeregte Diskussion um den Begriff, der schließlich auch zuvor schon in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen eine Rolle gespielt habe, entstanden sei: „Es ist auffallend, daß erst seit etwa vier bis fünf Jahren immer dann die Notbremsen gezogen werden, wenn dieser Begriff auftaucht. [...] Der Schluß, den ich daraus ziehe, ist der, daß die jetzige Diskussion über .Demokratisierung' eine Folge bestimmter Vorgänge ist, die sich seit drei, vier Jahren, insbesondere natürlich im Zusammenhang mit der Studentenbewegung, abgespielt haben." 21
Die Brisanz des Begriffs Demokratisierung hat sich also erst durch seinen Gebrauch in der Studentenbewegung ergeben, die ihn mit radikaldemokratischen Forderungen verband und durch die er aus der Sicht von Hans Maier zum „Kampfbegriff gegen rechtsstaatliche und parlamentarische status-quo-Befestigung schlechthin" (Maier 1982, S. 182) geworden ist. Die Kritik der Konservativen am linken Gebrauch von Demokratisierung umfaßt vor allem zwei Aspekte: Zum einen impliziere er, daß Demokratie, daß demokratische Strukturen noch nicht vorhanden, sondern erst noch zu verwirklichen seien. Der konservative Kritiker hält diese Demokratie mit den parlamentarischen und verfassungsmäßigen Grundlagen des Grundgesetzes schon für verwirklicht und sieht in der Demokratisierungs-Forderung deshalb die Gefahr der Auflösung dieser befürworteten Ordnung.22 Zum anderen wird seine Verwendung in nicht „eigentlich" politischen Bereichen kritisiert. Der Demokratie-Begriff sei nur bezogen auf politisch-parlamentarische Strukturen sinnvoll zu verwenden. Der mit der Demokratisierungs-Fordenrng verbundene Anspruch auf Demokratisierung aller Lebensbereiche sei weder wünschenswert noch möglich, da er die natürliche Ungleichheit in Bereichen wie Schule und Universität et-
20 21 22
Gegenwart wird im Begriff Demokratisierung auf eine griffige Formel gebracht, die in aller Munde ist. Alle Strukturen sollen einer neuen Ordnung weichen, die den Volkswillen in Staat und Gesellschaft artikuliert" (Assel 1972, S. 478). Die Gesprächsbeiträge dieser Tagung sind unter dem Titel „Demokratisierung - Colloquium über einen umstrittenen Begriff" in Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE Β (1971), H. 18 veröffendicht. Ebd., S. 6. Vgl. vor allem Maier 1982, S. 181f.
396
Kapitel 10
wa - wo die Forderungen nach Demokratisierung besonders stark waren - mißachte. Befürchtet wird, daß mit der Verwendung von Demokratisierung bezogen auf alle Lebensbereiche nur der von Hennis analysierte radikalste Gebrauch der Formel im Sinne von .Abschaffung aller Herrschaftsverhältnisse' gefördert werde. Diese Forderung laufe auf eine Politisierung der Gesellschaft wie bei den Nazis hinaus. Gefürchtet wird auch das ungeheure Befreiungspathos, das in der Forderung enthalten • 23 sei. Genau dies, die Beschränkung des Demokratie-Begriffs auf den engen politischen Bereich und die Vorstellung, daß Demokratie mit dem Vorhandensein des Grundgesetzes schon verwirklicht sei, wird von den Protagonisten der Demokratisierungs-Forderungen abgelehnt. Damit wird offensiv die Forderung nach Demokratisierung als einem in der Demokratie nötigen dynamischen Prozeß verteidigt.24 Auf den engen parteipolitischen Bereich bezogen konstatiert Hennis schon Ende 1969, daß der neue Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung vom 28.10.1969 den Gebrauch von Demokratisierung aufgegeben habe. Dies führt er auf eine Debatte zwischen Brandt und CDU-Generalsekretär Bruno Heck zurück, in der Heck das oben analysierte Verständnis von Demokratie auf die beiden Parteien CDU und SPD aufteilte: „Demokratie sei für die CDU ein Staatsformbegriff, während die SPD den Begriff ,Demokratisierung' im Sinne der Übertragung der politischen Demokratie auf den gesamten Sozialbereich auffasse."25 In Brandts Regierungserklärung sei Demokratisierung durch mehr Demokratie — mehr Demokratie wagen war ein wichtiger SPD-Slogan der Zeit — ersetzt worden und insofern als Oberbegriff für innere Reformen aufgegeben worden. In den einzelnen Sozialbereichen spiele der Ausdruck aber weiterhin eine große Rolle26; dies wird dadurch bestätigt, daß er auch in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle in der Sprachkritik spielt.27 Das „ungeheure Befreiungspathos", das Hennis auch im Gebrauch von Demokratisierung beklagt, spielt auch in der Kritik an weiteren Wörtern eine Rolle. So kritisiert Hans Maier den Gebrauch von Emanzipation und Freiraum durch die Linken. Der Gebrauch beider Begriffe fuße auf einem negatorisch verengten Freiheitsbegriff, der Freiheit nicht als „Frei23
24 25 26 27
Vgl. Hennis in FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2 2 . 7 . 6 9 , S . 1 1 . Vgl. etwa von Hentig in der Wiedergabe von Hennis und in Bergedorfer Gesprächskreis 1972, S. 13 sowie Schwarz in: Demokratisierung 1971, S. 7f. Hennis in: Demokratisierung 1971, S. 5f. Vgl. ebd., S. 6. Vgl. etwa bei Maier 1982, zuerst in Bergedorfer Gesprächskreis 1972. Vgl. zum Stellenwert von Demokratisierung als zentralem öffentlichen Schlagwort in der Zeit von 1969-1974 auch Niehr 1993, S. 151-159-
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
397
setzung zu etwas", sondern als „Sich-Befreien von etwas" verstehe. Der moderne demokratische Staat aber habe Freiheit erst im Sinne von Freisetzung zur staatsbürgerlichen, verantwortlichen Beteiligung an den demokratischen Institutionen erkämpft. Emanzipation und das Schaffen von Freiräumen aber propagierten nun bei den Linken das Sich-Ausschließen, Sich-Befreien von diesem Staat und dessen demokratischen Institutionen. Aufgrund eines Ideologieverdachts gegen diese Institutionen versuche man, sich vom Staat fernzuhalten und legitimiere damit auch staatsferne rechtsfreie Räume sowie Gegengewalt gegen das staatli28
che Gewaltmonopol. Letztlich wird auch beim Gebrauch dieser Begriffe der Sturz der bestehenden, als positiv erachteten Ordnung befürchtet, ebenso wie bei der Forderung nach Beteiligung der so genannten Betroffenen, die die Illusion der herrschaftsfrei diskutierenden Gesellschaft enthalte und nähre. 2Q In den gleichen engeren Kontext der Befürchtung, daß die bestehende Ordnung durch die neue linke Sprache verändert oder abgeschafft werden könnte, gehört die Kritik am Gebrauch von Wörtern wie Veränderung, Establishment, System, und seinen Komposita Systemveränderung und Systemüberwindung, umfunktionieren, Gegengewalt. „Die Vokabel Veränderung macht ihren Weg durch Schulen, Institutionen des Staates, durch Parlamente, Synoden und Kirchentage. Kontinuität wird vom Katheder herab als pathologisch denunziert. [...] Die harmlose Vokabel Veränderung zielt in die Mitte der Ordnung." (Dietz 1975, S. 43)
Kritisiert wird, daß Veränderung zu einem Wert an sich werde, „obwohl das Wort doch nichts enthält, was einen Wandel zum Besseren wahrscheinlicher als einen Wandel zum Schlechteren machen würde" (Schneider 1976, S. 147). Als Feindworte der Neuen Linken werden System und Establishment in der Kritikperspektive aufgegriffen: Die Kritik der Linken an beiden solle zur Systemveränderung/Systemüberwindung führen. In der Kritik an der Verwendung von System wird dabei zum Teil explizit eine Analogie zur Verwendung von System als Stigmawort in der Weimarer Republik hergestellt. „Mit dem pauschalierenden Begriff ,System' läßt sich eine umfassende und ausnahmslose Feindseligkeit gegen alles, was in Geltung ist, rechtfertigen" (Eisert 1972, S. 415). Im eingefühlten Stil werden ironisch einige Gesellschaftsveränderungen implizierende Ausdrücke kritisiert: .Aber progressiv' ist es auch, gutfunktionierende Schlagworte unbedenklich .umzufunktionieren', und so wurde das .Establishment' im Jargon der Neuen Linken zu einem polemischen Terminus für alle Herrschenden in
28 29
Vgl. Maier 1982, S. 1 8 4 - 1 8 6 . Vgl. ebd., S. 186f.
398
Kapitel 10 der ,spätkapitalistischen' Gesellschaft, kurz gesagt im .System', das ,überwunden' werden müsse." (Schmölders 1979, S. 65)
Nach dieser eher ironisch-belustigenden Passage über die Sprache der Neuen Linken wird dann der Argumentationsknüppel der Nazi-Analogie herausgeholt: „Es ist entlarvend für die schöne Unverbindlichkeit der linken Ideologie, daß der Ausdruck ,das System', mit dem die Nationalsozialisten vor fünfzig Jahren die Institutionen der Weimarer Republik diffamierten, heute wieder von der Neuen Linken gegen alle .systemstabilisierenden' Kräfte der westlichen Zivilisation angewandt wird, gegen die sie zum Kampf angetreten sind." (ebd.) Mit der gleichen Analogie leitet Kuhn auch seine Kritik an dem ,,vorsichtige[n] Tarnwort von der .Systemveränderung'" (Kuhn 1975, S. 15) ein. So wie die Neue Linke mit solchen Nazi-Analogien diffamiert wird, so müssen die Konservativen sich auch selbst gegen die Diffamierung als Faschisten (und als Reaktionäre) durch die Neue Linke wehren: „Der Linksideologe wird nun jeden, der nicht in seinem Sinne .fortschrittlich' ist, als Reaktionär beschimpfen. [...] Mehr noch als das Wort .Reaktionär' ist das Wort .Faschist' mit etwas Inhumanem, Brutalem, Diktatorischem, Rücksichtslosem usw. verbunden. [...] Wer demnach bereit ist, Werte und Lebensformen zu verteidigen, die dem Linksideologen nicht passen, und sei es nur eine Verteidigung mit Worten, ist eben ein .Faschist'." (Schnauber 1973, S. 13) Diese in der Tat ärgerliche und geschichtslose Allgegenwärtigkeit des Faschismus-Vorwurfs 30 wird im gleichen Traktat treffend in ihrer Wirkung analysiert: „Denn je mehr z.B. der Linksideologe selbst die liberalsten Bürger als .Faschisten' deklariert, desto mehr schwächt sich die Vorstellung vom wirklichen Faschisten ab. [...] Denn wenn man Liberale und Demokraten ständig .Faschisten' nennt, so kann sich das eines Tages bewußtseinsmäßig umkehren, so daß man dann auch die Faschisten als liberal und demokratisch betrachtet." (ebd., S. 15)
30
Vgl. die Analyse dieses Vorwurfs der 68er-Studenten als „rhetorisches Ritual" und Schimpfreflex durch Peter Schneider in der ZEIT vom 27.3.1987, S. 66: „Wahrscheinlich hat es niemals danach und davor eine Bewegung gegeben, die so sprachbesessen und gleichzeitig so unfähig war, ihre emotionalen Antriebskräfte zur Sprache zu bringen. Denn der antifaschistische Impetus dieser Bewegung drückte sich hauptsächlich in der Gestalt eines rhetorischen Rituals, genauer gesagt, eines Lapsus, aus. Eine Zählung der damals häufigsten Worte würde vermutlich ergeben, daß kein Begriff öfter bemüht worden ist als die tödliche Denunziation .Faschist1' Jeder, der sich dem jeweiligen Strom der revolutionären Erneuerung entgegenstemmte, wurde in einer Art Schimpfreflex als .Faschist' in die Ecke gestellt. I...1 Man muß es [...1 zugeben: [...] die Nachkriegskinder [haben] den Begriff des Faschismus entmaterialisiert, wobei sie freilich nur auf einen entsprechenden Mißbrauch der Barzel und Kiesinger reagierten: Für die waren demonstrierende Studenten die neuen Nazis."
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
399
Als weiteres Vokabular der Linken, das eine kritische oder ablehnende Haltung gegenüber der bestehenden Gesellschaft ausdrückt, werden unter anderem kritisiert: Ausbeutung, Entfremdung, elitär, autoritär, Profit, Leistungsgesellschaft, Leistungszwang, Konsumterror51, repressive Toleranz, strukturelle Gewalt, Frustration, Unterprivilegierte52, das Kapital, die Wirtschaft, die Lohnabhängigen, diese Gesellschaft, repressive Gesellschaft, falsches Bewußtsein34, antiautoritär?'' Eher als bei diesen Vokabeln, die jeweils eine kritische Sichtweise auf Bestehendes ausdrücken, ergibt sich bei den von den Konservativen kritisierten programmatischen Vokabeln eine Übereinstimmung im Gebrauch bei APO und SPD, so daß die Kritik an diesen zum Teil beide trifft. Neben den ausführlicher analysierten Programmvokabeln Veränderung, Demokratisierung und Emanzipation zählen dazu Selbstverwirklichung56, Selbstbestimmung1, Mündigkeit, Lebensqualität, Lernprozesse , Bewußtseinsbildung , kritische Reflexion und Aufklärung sowie die Selbstbezeichnungen progressiv43 und fortschrittlich. Die Kritik an der normativen Übersteigerung von Grundwertbegriffen wie Freiheit und Gleichheit richtet sich direkt gegen den parteipolitischen Gegner SPD, ebenso wie die Kritik am Gebrauch der Reform- und DemokratieVokabel. Gerade im Hinblick auf diese Hochwertvokabeln konstatierte Biedenkopf schon 1975 in der parteipolitischen Auseinandersetzung die wiedergewonnene sprachliche Chancengleichheit. Durch die Kritik am scheinbar vorherrschenden linken Sprachgebrauch in den Jahren 1969 bis 1975 scheint es auf partei- wie auf gesellschaftspolitischer Ebene 31 32 33 34 35
36 37 38 39 40 41 42 43 44
Vgl. Schmölders 1979; zu Leistungsgesellschaft auch Schelsky 1979· Vgl. Schelsky 1979; zu strukturelle Gewalt auch Bracher 1978, S. 105. Vgl. Sontheimer 1979; Eisert 1972. Vgl. Höck 1972. Vgl. Schilling 1972. In einem Taschenbuch von 1974 mit dem Titel „Schlagwörter der Neuen Linken" hat Andreas von Weiss ein kleines Lexikon der APO-Sprache mit Erklärungen des Gebrauchs der Wörter und zum Teil expliziten Vorschlägen zur Gegenargumentation zu den in diesen Wörtern enthaltenen und mit ihnen ausgedrückten Perspektiven veröffentlicht (vgl. von Weiss 1974). Ohne Kritikperspektive hat S. Jäger schon 1970 in MUTTERSPRACHE einige wichtige APO-Wörter zusammengestellt. Ein Glossar des APO-Wortschatzes von Aktionen bis Utopie liefert auch das „Politische Wörterbuch" von Bernbeck 1968, das diesen Wortschatz aus der Perspektive der APO erklärt. Vgl. Eisert 1972, Schmölders 1979· Vgl. Sontheimer 1979. Vgl. Schelsky 1979; Sontheimer 1979. Vgl. Sontheimer 1979; Schelsky 1979; Heidborn 1973. Vgl. Schelsky 1979; Schmölders 1979Vgl. Schelsky 1979Vgl. Eisert 1972, S. 417. Vgl. Schelsky 1979Vgl. Sontheimer 1979.
400
Kapitel 10
konservativen Kräften gelungen zu sein, die angebliche Sprachherrschaft der Linken zu brechen - und im übrigen auch den Begriff konservativ wieder aufzuwerten. 45 Somit kann diese Sprachkritik als Beginn der später Tendenzwende genannten Entwicklung gelten, mit der CDU/CSU und konservative Intellektuelle ihre Bemühungen fortsetzten, die kulturelle Hegemonie wiederzuerlangen. Zur Vorbereitung des Erfolgs der Wende in Wahlen 1983 gehört damit sowohl die CDU-Programmdiskussion - die mit einer Grundwerte-Diskussion verbunden war, in der auch die hier genannten und in der sprachkritischen Diskussion wichtigen Hochwertwörter inhaltlich diskutiert wurden - als auch eine seither offensiv praktizierte Sprache der „geistig-moralischen Erneuerung", die traditionelle Werte-Vokabeln in den Vordergrund rückte. Der erste Schritt zu diesem Erfolg wird von Generalsekretär Biedenkopf auf dem CDU-Parteitag 1975 konstatiert: „In der Auseinandersetzung um die politischen Begriffe waren wir erfolgreich. Wir haben wichtige Begriffe für uns besetzt und neue, für die Beschreibung politischer Ziele wichtige Begriffe hinzugefügt." (Biedenkopf 1975, S. 170)
Biedenkopf behauptet dann, der politische Gegner (SPD und FDP) entziehe sich der inhaltlichen Auseinandersetzung und greife zum Mittel der Verleumdung, seitdem er die vorher vorhandene Gewißheit verloren habe, „im Alleinbesitz der politischen Sprache" (ebd., S. 171) zu sein, und seitdem die „sprachliche Chancengleichheit" wiederhergestellt sei. Er führt den Parteitagsdelegierten anhand der Grundwertevokabeln Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit (verbunden mit dem neuen Begriff Neue Soziale Frage) den Erfolg und die verbleibenden Aufgaben der Union vor. Diese parteipolitische Auseinandersetzung um die Sprache, um sprachliche „Begriffe" behielt noch einige Zeit in Veröffentlichungen der Parteizeitungen 6 und in Buchveröffentlichungen 47 ihre Virulenz, in der Zeit der bereits eingeleiteten Tendenztvende können diese Veröffentlichungen aber eher als „Nachhutgefechte" der aufgeregten Sprachauseinandersetzung und des Einzugs einer stärker von links und von der Studentenbewegung beeinflußten Sprache Anfang der siebziger Jahre gelten.
45 46 47
Vgl. dazu Bolten 1989, S. 64f. Vgl. Mahler 1975; Bauer 1975. Vgl. Fetscher, Richter 1976; Bergsdorf 1979-
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
401
6. Schlußbewertung Der kulturelle und auch der sprachliche Einfluß dieser historisch meist als Studentenbewegung, Studentenrevolte oder Studentenrebellion48 bezeichneten Bewegung war dann auch zum Zeitpunkt sowohl ihres 20jährigen wie ihres 25jährigen Jubiläums" Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Dabei ging es auch um die Frage, inwieweit diese Bewegung eine wichtige Zäsur in der bundesrepublikanischen Geschichte darstelle. Im Sinne eines kulturellen, werte- und bewußtseinsmäßigen Einschnitts wird diese Frage - je nach politischer Einstellung bedauernd oder erfreut - zumeist bejaht. Dem konkreten oben behandelten Wortschatz, vor allem dem jargonhaften Wortschatz marxistischer Schulen oder der Kritischen Theorie wird aber keine entscheidende Rolle zuerkannt. Lhotta faßt dessen Einfluß mit Blick auf die Sprache so zusammen, daß er zu einem „praktischen kritischen Verhalten" geführt habe, „das u.a. auch darauf beruht, die sprachliche Interpretation der Wirklichkeit nicht anderen zu überlassen und das .Selbstverständliche' nicht als solches hinzunehmen. Dafür stehen Begriffe wie .hinterfragen', .reflektieren' usw. Sie kommen im aktiven Wortschatz der Gemeinsprache nicht häufig vor, aber sie stehen für einen auf breiter Front stattfindenden Einstellungs- und Wertwandel seit den 60er Jahren bzw. einen Kampf um Teilhabe, Emanzipation und Moral". (Lhotta 1989, S. 8 6 )
In diesem Sinne gilt auch für unsere sprachgeschichtliche Darstellung die These, daß sich seit 1968 ein wichtiger Einschnitt ereignet hat, der nicht zu der von der referierten Sprachkritik befürchteten Sprachherrschaft der Linken und zur Herrschaft des linken Wortschatzes geführt hat, aber zu erhöhter Sprachsensibilität in vielen politischen Bereichen und zu einem erhöhten auch sprachlichen Einfluß nicht-traditioneller, nicht-konservativer Strömungen, wie es ihn in den ersten 15 bis 20 Jahren in der bundesrepublikanischen Gesellschaft nicht gegeben hat. In einem als Glosse veröffentlichten Nachruf auf die gute alte Bundesrepublik anläßlich der deutschen Vereinigung schrieb die FRANKFURTER RUNDSCHAU: „Daß wir .Linken' immer nur die historischen Verlierer sind, gehört zu unseren Lebenslügen. Es waren seltsamerweise die .Rechten', die das zuerst erkannten: Die Macht in einer Gesellschaft ist nicht zuletzt die Macht über Themen. Wer den Ton angibt, macht auch Musik, wer Meinungen, Stimmungen, den common sense beeinflussen kann, verändert mehr als derjenige, der die Parlamente majorisiert. Emanzipation, Ökologie, Ichfindung - praktisch alle ,big issues', mit denen sich die ,BRD'48
Leggewie weist darauf hin, daß „die Vorkämpfer der Protestbewegung [...] sich stets gegen die einschränkende Bezeichnung .Studentenbewegung' gewehrt" haben (Leggewie 1988, S. 8).
402
Kapitel 10 Gesellschaft in den letzten zwei Jahrzehnten herumschlug, stammte aus unseren Köpfen und Herzen, aus denen der linken, kritischen Intelligenz." (3-11.1990, S. M 12)
Ob diese Feststellung für das Ende der 80er und den Beginn der 90er Jahre noch Gültigkeit hat, muß allerdings bezweifelt werden. Die seitherigen Stimmungen und Themen (Wiedervereinigung, Asylrecht, Bundeswehreinsätze) werden wohl eher von den „Köpfen und Herzen" anderer vorgegeben und bestimmt. (Martin Wengeler)
Beleg- u n d Stichwörter Abgrenzungswortschatz Anliegen antiautoritär APO-Sprache artikulieren Aufklärung Auftrag Ausbeutung Aussöhnung autoritär Begegnung Begriffe besetzen Begriffe zurückerobern Besetzen von Begriffen Betroffene Bewußtseinsbildung Bindung Chancengleichheit das Kapital Demokratie Demokratisierung Demokratisierung aller Lebensbereiche Dialektik die Herrschenden die Lohnabhängigen die Wirtschaft diese Gesellschaft
• Dynamisierung von Begriffen • eindimensionale Begriffe • elitär • Emanzipation • Entfremdung • Entspannung • Erneuerung • Establishment • existenziell • Fäkal- und Sexualwortschatz • falsches Bewußtsein • Faschist • formale Demokratie • fortschrittlich • Frankfurter Schule • Freiheit • Freiraum • Friedenspolitik • Frustration • Gegengewalt • Gerechtigkeit • Gesellschaftskritik • Gewaltmonopol • Gewinn/Profit • Gleichheit • Grundrecht • Grundwerte-Diskussion • Happening
1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
• • • • • • • • •
Herrschaft durch Sprache Herrschaftssprache herrschender Sprachgebrauch hinterfragen Ideologiekritik inhaltliche Demokratie innere Reformen Interessenausgleich internalisieren
• Jargon der Eigentlichkeit
• Kalter Krieg • konservativ • konservative Sprachkritik
• Konsumterror • kreativer Haß • kritische Reflexion • Kritische Theorie
• Kulturindustrie • Lebensqualität • Legitimation • Leistungsgesellschaft • Leistungszwang • Lernprozess • Lernstrategien • linke Sprache • Linksideologe • Linkskoalition • love-in • Lustgesellschaft • Manipulation • Marktwirtschaft- Kapitalismus • Marsch durch die Institutionen • Mehr Demokratie wagen • menschliche Erleichterungen • mündiger Bürger • Mündigkeit • Neue Linke
• neue Nazis • Neue soziale Frage • Ostpolitik
403
• Polit-Akademiker • politische Linguistik • Politisierung der Gesellschaft
• Profit • progressiv • Qualität des Lebens • Reaktionär • Rechtsstaat • reflektieren • Reformpolitik • Repression • repressive Gesellschaft • repressive Sprache • repressive Toleranz • Revolution • Selbstbestimmung • Selbstverwirklichung • Sensibilisierung für Benennungen
• Sicherheitspolitik/Kalter Krieg •
• • • • •
Si'f-iW
Solidarität sozial-liberale Koalition Sozialstaat spätkapitalistische Gesellschaft Sprache als Religionsersatz
• Sprache der Studentenbewegung • Sprache des hilflosen Antifaschismus • Sprachkritik
• sprachliche Chancengleichheit • Sprachsensibilität • Sprachstreit • strukturelle Gewalt • Studentenbewegung • Studentenrebellion • Studentenrevolte • System • systemstabilisierende Kräfte • Systemüberwindung • Systemveränderung
404
•
Kapitel 10
teach-in
Verfassung
•
Tendenzwende
Verfassungsanspruch
•
Triebunterdrückung
Verfassungsrecht
• Übergang S B Z / , P D R " / D D R
Verfassungswirklichkeit
•
verunsichern
umfunktionieren
• Umorientierungen
Wandel
•
Unterprimlegierte
Warencharakter
•
Veränderung
Wende
•
Verdinglichung
Werte-Vokabeln
Die Terrorismus-Diskussion in Deutschland vom Ende der sechziger bis Anfang der neunziger Jahre 1. Vom Protest gegen den Vietnamkrieg zum -bewaffneten Widerstand· / klärung von 6 gegen 60 Millionen / 3- »Krieg· im Hochsicherheitstrakt / 4. sive· der RAF gegen den Staat 1977 / 5. Kritik an der -bleiernen Sprache« und der Terroristenjagd / 6. Vergangenheitsbewältigung zum -Herbst '77· danach / 7. Die Debatten um das -Friedensangebot· der RAF 1992
2. KriegserDie «Offendes Terrors zehn Jahre
1. Vom Protest gegen den Vietnamkrieg zum »bewaffneten Widerstand« Als CDU/CSU und SPD 1966 in Bonn eine „Große Koalition" eingingen, kam es zum Bruch zwischen den verschiedenen Strömungen der Opposition gegen die von Konrad Adenauer aufgebaute und mit technischmodernistischen Akzenten unter Ludwig Erhard als zweitem Bundeskanzler weitergeführte restaurative Nachkriegsordnung. Da die SPD durch Eintritt in die Koalition sowie den Rückzug aus der Antiwiederbewaffnungsbewegung und der Opposition gegen die Notstandsgesetze die bereits 1959 in Godesberg programmatisch erklärte Abwendung vom Konzept einer Klassenpartei auch praktisch vollzog, ergab sich die Notwendigkeit einer Neugruppierung der ,^iederaufbau"-kritischen Kräfte. Symptomatisch war hier zum Beispiel die Abspaltung der wichtigsten Gruppierung der Studentenbewegung, des „Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS), von der SPD. Da keine Partei links von der SPD existierte und die FDP aufgrund der Bindungen an nationale und wirtschaftsliberale Positionen nicht Sprachrohr für Positionen links von der SPD sein konnte, war der außerparlamentarische Status dieser Teile der Opposition in der BRD der sechziger Jahre vorgezeichnet. Ihren über das Niveau von Randgruppen hinausgehenden Status gewann die Außerparlamentarische Opposition (APO) durch innen- wie durch außenpolitische Faktoren. Zum einen stellten der Verlauf des Vietnamkrieges sowie die wachsende Einsicht in die Gefahren der Rüstungspolitik im Atomzeitalter die Legitimation der Nato-Doktrin in Frage. Für die Kritiker bedeutete das militärische Engagement der USA in Vietnam
406
Kapitel 11
die Fortsetzung imperialistisch-kolonialistischer Politik der ehemaligen europäischen Weltmächte und wurde als Behinderung innenpolitischer Reformbestrebungen in den Ländern Westeuropas und den USA sowie als Unterstützung autoritärer Regime (zum Beispiel Spanien, Griechenland, Südamerika, Persien) interpretiert. Die Kritik gegen die Politik der USA und der maßgeblichen westeuropäischen Staaten wuchs in vielen westlichen Ländern zu großen öffentlich auftretenden Protestbewegungen, in denen Studentengruppen oft die wichtigste Rolle spielten. Dies hatte Modellfunktion für die BRD, in der der Hochschulpolitik als sensitivem Bereich der Ausbildung technischer und wissenschaftlicher Eliten seit der Diskussion um die „Bildungskatastrophe" besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Die Studentengruppen, die die Proteste mittrugen, gewannen zudem noch speziellen öffentlichen Status durch ihre Verbindungen zu einigen aus der Emigration zurückgekehrten systemkritischen Wissenschaftlern, wie etwa den Vertretern der „Frankfurter Schule", Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, deren soziologische Faschismusanalysen und neomaixistische Theoriemodelle - anders als die anderer 1945 durch Persilscheine demokratisierter Hochschullehrer - nicht nur authentisch und aufrichtig wirkten, sondern auch als Theoriebasis für die Kritikpraxis dienen konnten. Im Rahmen der Rezeption des Revolutionsmodells der Befreiungs-Bewegungen in der vom Westen so genannten „Dritten Welt" und durch Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Institutionen und von Personen des öffentlichen Lebens sowie durch die Erfahrung der harten PolizeiAktionen gegen Demonstranten radikalisierten sich Teile der APO so weit, daß sie ihren Protest in der BRD als Widerstand gegen faschistische und kolonialistische Tendenzen verstanden, der auch Gewaltanwendung gegen Sachen wie gegen Personen als Strategieelemente einer Weltrevolution zu rechtfertigen schien. Als es im Verlauf der Studentenproteste zum .ersten Toten' kam beim Polizeieinsatz anläßlich einer Protestdemonstration gegen den Besuch des von den USA unterstützten Schahs von Persien wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizeibeamten am 2. Juni 1967 in Berlin erschossen - , drehte sich die Spirale geistiger Aufrüstung in einigen Gruppen der APO ein entscheidendes Stück weiter. Der vor Gericht anerkannten putativen Notwehr des Polizeischützen wurde ein moralisches Recht auf Notwehr gegen ,.Deutsche Polizisten' als ,Mörder und Faschisten' entgegengesetzt. Den globalen Ausgangspunkt für den Aufbau revolutionärer Identität in Teilen der APO/Studentenbewegung bildete der Vietnamkrieg1. Die 1
Elias 1989, s. 300ff.; Siepmann 1984, S. 208f.
Terrorismus-Diskussion
407
Wahrnehmung des Krieges in der ehemaligen französischen Kolonie Indochina fungierte zugleich als Modell für die Interpretation der Verhältnisse in der BRD. Von der politischen Unterstützung des Vietcong wollten einige Gruppen der APO nun zum bewaffneten Kampf in der Bundesrepublik Deutschland als einer Metropole des Klassenfeindes übergehen. Dafür bedurften sie einer Welt-,Anschauung, die es ihnen erlaubte, die politische Situation in der BRD zu Anfang der siebziger Jahre als Krieg aufzufassen, in der es einen Feind zu bekämpfen gelte, mit dem zu diskutieren oder gegen den mit rechtsstaatlich akzeptablen Mitteln zu protestieren zwecklos sei. Dies wurde ihnen von einigen selbsternannten Verteidigern und Vorkämpfern von Recht und Ordnung leichtgemacht. Als sich die Studentenbewegung als wichtigste Kraft der APO zu etablieren begann und mit Demonstrationen und mit Aktionen wie Go-Ins und Sit-ins ein öffentlich wahrnehmbares Gegengewicht zur parlamentarischen Diskussion der zentralen politischen Konfliktfragen aufbaute, schrillten die Alarmglokken bei Politikern der „staatstragenden" Parteien, der Presse und bei einigen der staatlich kontrollierten Rundfunkanstalten. Der Berliner Senat reagierte auf den vom SDS organisierten Vietnam-Kongreß im Februar 1968 mit einer Kundgebung, bei der die antiamerikanischen Demonstranten als Mini-Revoluzzer, die „mit den Kommunisten gemeinsame Sache machen", hingestellt wurden. Der Senatspräsident beschwor zwar die Absicht der Stadtregierung, „nicht Terror gegen Terror setzen zu wollen", was schon voraussetzt, daß auf Seiten der Demonstranten Terror ausgeübt wurde, klagte sie dann aber an, daß es ihnen „gar nicht um Vietnam oder eine Hochschulreform" gehe, vielmehr wollten sie „die Axt anlegen an die Wurzeln unseres Staates"2. Terror war zur geläufigen Vokabel in der staatstragenden Kritik an der APO geworden - bereits 1966 hatte Kurt Georg Kiesinger als Kanzler der Großen Koalition in bezug auf ihre Demonstrationen vom Terror der Straße gesprochen3, wobei er auf eine lange obrigkeits- und totalitärstaatliche Tradition der Beschimpfung von Protestbewegungen zurückgreifen konnte4. In der Folge wurde der Ausdruck zu einer Lieblingsvokabel der Zeitungen des Axel C. Springer-Verlags in Berichten über die 2
Siepmann 1984, S. 199.
3
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) 9.7.1966, zit. nach Deutsches Fremdwörter-
4
buch, Bd. 5, 1981, S. 181. Vgl. zum Beispiel Belege in Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 5, 1981, S. 180f. zur Charakterisierung von Streiks als Terror (1922/1930) und zur Rede vom kommunistischen Terror in der NS-Presse. Während des 2. Weltkrieges avancierte Terror zum „terminus technicus" für alliierte Bombenangriffen (ebd.) und in der letzten Phase zur Bezeichnung der sowjetischen Offensive - wenige Monate später war es bereits zum bequem handhabbaren Wort für die Verdammung des NS-Systems geworden (ebd.).
408
Kapitel 11
APO und den SDS5. In den Berichten vom 13-4.1968 über den Mordanschlag auf den bekanntesten SDS-Sprecher, Rudi Dutschke, und die darauf folgenden gewalttätigen Demonstrationen, bei denen auch Auslieferungs-LKW's des für die Lynchatmosphäre gegen Dutschke verantwortlich gemachten Springer-Verlages in Brand gesteckt wurden, sprach die BILD-ZEITUNG vom „Terror in Berlin!" und von Straßenschlachten, „wie sie Berlin seit Kriegsende nicht mehr erlebt hat" (BILD-ZEITUNG 13.4.1968). Ulrike Meinhof, als Star-Kolumnistin von KONKRET eine auch journalistische Wortführerin der APO, bewertete die „Gegengewalt" der Studenten als moralisch legitim, verwies aber zugleich auf die Gefahr der Eskalation hin zu einer Situation, „wo der paramilitärische Einsatz der Polizei mit paramilitärischen Mitteln beantwortet wird" (Meinhof 1980, S. 140). Während Meinhof zu diesem Zeitpunkt noch zwischen Gewalt und Gegengewalt, zwischen paramilitärisch und militärisch zu unterscheiden versuchte, übernahmen andere Vertreter der APO die Weltkriegsinterpretation. Bommi Baumann, Mitglied der Kommune 1 und später einer der Gründer der - nach Rote Armee Fraktion (RAF) und Revolutionäre Zellen - dritten westdeutschen Terrorgruppe, der in Erinnerung an den Tod von Benno Ohnesorg benannten Bewegung 2. Juni, beschrieb die mit dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke ausgelöste Initiation zum bewaffneten Kampf: „Die Kugel war genauso gegen dich [...]. Bevor ich nun wieder nach Auschwitz transportiert werde, denn schieß ich lieber vorher, das ist doch wohl klar. Wenn sowieso am Ende der Galgen lacht, dann kann man schon vorher zurückschlagen." (Baumann 1980, S. 38ff.)
,Vorher zurückschlagen" - eine Art präventive Notwehr gegen ein „System", das dem faschistischen Deutschland an Brutalität gleichzukommen schien - war einer der wichtigsten Bezugspunkte für die Selbstlegitimation jener, die sich nicht auf den von Dutschke proklamierten „langen Marsch durch die Institutionen" machen, sondern gegen die „herrschenden Verhältnisse" mit Gewalt angehen wollten. Was der historische antifaschistische Widerstand nicht geschafft hatte, sollte praktisch „nachgeholt" werden: die - schon zuvor in der Geschichte wiederholt verpaßte - deutsche Revolution6.
5 6
Zu Belegen vgl. Chaussy 1984, S. 218-222. In „Letzten Texten" aus der Gefángniszeit hat Ulrike Meinhof diese moralische Scham als Motivation der RAF-Aktionen explizit benannt: „[...] daß [...] unsere Geschichte mal aufhört, eine Geschichte zu sein, über die man sich schämen müßte. Denn das [...] - zwei imperialistische Weltkriege und 12 Jahre Faschismus nicht verhindert zu haben, nicht mal relevant dagegen gekämpft zu haben, ist die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", zit. nach Brückner 1987, S. 189.
Terrorismus-Diskussion
409
Neben der „Notwehr" gegen den westdeutschen Staat als dem imaginierten Nachfolger des nazistischen Systems und seine politischen, polizeilichen und publizistischen „Organe" stand die Nothilfe für die internationalen Befreiungskämpfe gegen den durch die USA angeführten und von den westeuropäischen Staaten unterstützten kapitalistischen Imperialismus. Auch hier bezog sich die APO in ihrer verbalen Aggressivität nicht nur auf neomarxistische „Imperialismustheorien", sondern auf die Themen- und Begriffssetzungen der Befürworter der US-Politik in der Vietnamdebatte. US-kritische Demonstrationen galten den SpringerZeitungen als Unterstützung einer weltweiten kommunistischen Offensive gegen den „freien Westen". Wer die Amerikaner aus Vietnam hinweg wünsche, rufe „die Sowjets nach Berlin, wenn nicht an den Rhein" (WELT AM SONNTAG 5.12.1965). 7 Als der amerikanische Vizepräsident Hubert Horatio Humphrey 1967 bei einem Berlin-Besuch von Mitgliedern der Kommune 1 aus Protest gegen den Vietnamkrieg mit Puddingbeuteln beworfen wird, ist in der Presse martialisch von „Explosionskörpern" die Rede. Ulrike Meinhof deutete diese sprachliche Gleichschaltung von „explodierenden" Puddingbeuteln mit den „Bomben und Geschossen" in Vietnam als Versuch, „einen Krieg zum Kinderspiel zu erklären"8. Meinhof bestand darauf, daß der Vietnamkrieg weder ein lokaler Konflikt noch ein ^eltanschauungskrieg" sei, sondern ein Weltkrieg neuen Typs" - wer gegen diesen Krieg wirksam protestieren wolle, müsse nachdenken über Aktionen, denen vielleicht „der Geruch der Illegalität anhafte", die aber Rillen zur Effizienz" manifestierten9. Das Ungenügen am angeblich „ineffizienten" Protest gegen den Vietnamkrieg in Deutschland bildete ebenfalls die Legitimationsbasis für die am 9-4.1968 von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Söhnlein und Thorwald Prall verübten Brandanschläge in zwei Frankfurter Kaufhäusern. Im Prozeß im Oktober desselben Jahres verteidigte Ensslin die Brandstiftung als „Protest gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusehen"10. Vietnamkrieg und Widerstand gegen das Nazi-Regime wurden zu zentralen politisch-historischen Bezugspunkten für die Gewaltrechtfertigung der vom angeblichen Mißerfolg der APO Enttäuschten. Um die moralische Pflicht zum Widerstand gegen den Imperialismus zu erfüllen, sollten die Kriege der revolutionären Guerrilla in Südostasien oder Südamerika beziehungsweise der Antifaschisten jetzt mit- (oder zumindest 7 8 9 10
Zit. nach Meinhof: Meinhof: Zit. nach
Brückner 1987, S. 133Napalm und Pudding. In: dies. 1980, S. 94. Vietnam und die Deutschen. In: dies. 1980, S. 108-110. Aust 1987, S. 69.
410
Kapitel 11
nach-) gekämpft werden. Es gab zwar auch warnende Stimmen, die von einem solchen Kurz-„Schluß" vom antikolonialistischen Kampf in Südostasien auf die Bundesrepublik abrieten, wie etwa die Herausgeber der 1968 publizierten deutschen Übersetzung von Reden des legendären nordvietnamesischen Staatspräsidenten Ho Chi Minh, die darauf hinwiesen, daß für „diejenigen, die dem Kampfgeschehen" fernstanden, Ausdrücke wie „die ,blutbeschmierten Hände der Mörder', die .einheimischen Verräter', die .ausländischen Unterdrücker', der ,Hauptfeind aller Völker der Welt' zur pathetischen Phraseologie erstarren" müßten, während sie für die direkt Betroffenen eine „Unmenschlichkeit" bezeichneten, „mit der sie täglich konfrontiert" seien. Die in den Schriften Ho Chi Minhs konstrastierten Termini: „der .gewaltige Widerstand', die .Solidarität', die .Entwicklung des Kampfwillens', der ,Haß im Herzen des Volkes'" könnten ebenfalls für westeuropäische Leser „nicht dieselbe Konkretion haben" wie für Vietnamesen in der Kampfzone11. Dieselben Probleme thematisierten bei den Beratungen des .yietnamkongresses" auch Redner wie Dutschke und Wulff, indem sie die ungeheure Diskrepanz zwischen den Folgen antiimperialistischen Engagements in der Bundesrepublik und der Kriegserfahrung der vietnamesischen Bevölkerung hervorhoben 12 . Der weitaus größte Teil von Studentenbewegung und APO schloss sich - nicht zuletzt aufgrund der Ablösung der Großen Koalition durch die sozialliberale Bundesregierung unter Willy Brandt im Herbst 1969 und der von ihr eingeleiteten Reformen hin zu „mehr Demokratie" - der ,antikriegerischen' Einschätzung der politischen Lage in der Bundesrepublik durch Dutschke an. Anfang der siebziger Jahre lösten sich SDS und APO als organisierte soziale Bewegungen auf. Für kleine Gruppen, wie den bereits kriminalisierten Kreis um Baader und Ensslin, fing der „bewaffnete Kampf" jetzt erst an.
11 12
H. Röttgen: „Vorbemerkung II". In: Ho Chi Minh 1968, S. 22. Vgl. Brückner 1987, S. 142ff. Brückner weist darauf hin, daß die Gleichsetzung von „Imperialismus" / „Antiimperialismus" in Westeuropa und Vietnam zu einem „Realitätsverlust" geführt habe, der schließlich in der Parallelisierung der Kampfparole „Berlin ist Vietnam" sich äußerte: „nur daß die einen mit ihrem ebenso trügerischen wie inhumanen Sprachgestus von Verteidigung der Freiheit [...] sprechen, die anderen mit mehr Recht und Wahrheit von der imperialistischen Unterdrückung des Volks" (ebd., S. 144f.). Die in „realistischer Diktion" (Stötzel 1980, S. 44 und 1982) gehaltene moralisierend-politische Einschätzung Brückners - die Einschätzungen der RAF hätten .mehr1 Wahrheitsgehalt als die der Springerpresse - beeinträchtigt nicht die Validität seines (aus der Sicht des involvierten Beobachters erstellten) kommunikationsgeschichtlichen Befundes der Parallelität der Gleichsetzung der Konflikte in Vietnam und Berlin als Krieg zwischen ,Gut' und ,Böse' (mit umgekehrten ideologischen Vorzeichen).
Terrorismus-Diskussion
411
2. Kriegserklärung von 6 gegen 60 Millionen Für die Kaufhausbrandstiftungen in Frankfurt 1968 waren die Beteiligten zu Zuchthausstrafen verurteilt worden. Ensslin und Baader tauchten nach Bestätigung des Urteils unter, Baader wurde aber erneut verhaftet und in die Haftanstalt Berlin-Tegel eingeliefert. Am 14.5.1970 schoss eine Gruppe Bewaffneter unter Beteiligung von Meinhof ihm bei einer Ausführung den Fluchtweg frei, wobei der Institutsangestellte Georg Linke lebensgefährlich verletzt wurde. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) sah mit dieser direkten Gewaltanwendung gegen Personen, die sich qualitativ von der in Teilen der APO akzeptierten „Gewalt gegen Sachen" unterschied, den kriminellen Charakter der Aktivitäten der „Kreise um Baader" bestätigt (FAZ 16.5.1970). 1971, nach ihrer Rückkehr vom Waffentraining bei einer palästinensischen Kampfgruppe, stellten sich die .Kreise' selber als „Rote Armee Fraktion", d.h. als Teil einer im Aufbau begriffenen internationalen, antiimperialistischen „Roten Armee" vor und legten einen Rechtfertigungsversuch für den Berliner Schußwaffengebrauch und neue Anschläge in einem „Konzept Stadtguerillct betitelten Text vor, der durch vervielfältigte Fotokopien in Umlauf gebracht wurde: machen nicht .rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch'. Der Bulle, der sich in dem Widerspruch zwischen sich als .kleinem Mann' und als Kapitalistenknecht [...] befindet, befindet sich nicht im Befehlsnotstand. Wir schießen, wenn auf uns geschossen wird." 13
Gegen die .Kapitalistenknechte' wollten die .Kämpfer' der RAF „Stadtguerillct praktizieren, da die Taktiken der chinesischen oder vietnamesischen Landguerilla in der „Metropole Bundesrepublik" nicht angewandt werden könnten. Es gehe - so hieß es im Konzept weiter - um eine „Interventionsmethode" gegen die „Massenmobilisierung im Sinn von Faschismus, von Durchgreifen, von Todesstrafe, von Schlagkraft, von Einsatz", deren pseudoliberaler „New Look, den die Brandt-HeinemannScheel-Administration der Politik in Bonn gegeben hat", nur Fassade sei und an dem grundsätzlich faschistisch-imperialistischen Charakter des BRD-„Systems" nichts ändern könne (Pohrt 1987, S. 43). Die Studentenbewegung sei nur „revolutionär" gewesen, solange sie wußte, daß sie es „mit demselben Klassenfeind hier zu tun" hatte, „wie der Vietcong dort mit demselben Papiertiger, mit denselben Pigs" (Pohrt 1987, S. 29). Da aber der „Funke" der Studentenbewegung nicht zum „Steppenbrand" geworden sei, könne nur noch die Guerilla die Verbindung herstellen 13
„Das Konzept Stadtguerilla", zit. nach Pohrt 1987, S. 24. Vgl. auch die Kurzfassung in Backes/Jesse 1989, Bd. 3, S. 133-136.
412
Kapitel 11
„zwischen legalem und illegalem Kampf, zwischen nationalem und internationalem Kampf, zwischen politischem und bewaffnetem Kampf"; den Abschluß des Manifests bildet die Parole: „Sieg im Volkskrieg? (Pohrt 1987, S. 45). Eine ähnliche Kriegsterminologie wie im „Konzept Stadtguerillct findet sich in dem vom bereits inhaftierten RAF-Mitbegründer Horst Mahler verfaßten Aufsatz: „Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa", der ebenfalls 1971 in Teilen der Öffentlichkeit kursierte. Diese Schrift enthält Anweisungen für „Terror gegen den Herrschaftsapparat"14. In der BRD sei der Kampf nicht als Eskalation von Streiks über Aufstände zum Bürgerkrieg, sondern nur klandestin „von Kommandoaktionen über den Aufbau von Widerstandszentren, zur Desorganisation und Demoralisierung der Unterdrückungsstreitkräfte durch einen langdauernden, zermürbenden Kleinkrieg" (Pohrt 1987, S. 80) zu führen. Wie im „Konzept Stadtguerillct wird auch hier ein revolutionärer Guerilla-Krieg in der Bundesrepublik für notwendig und „gewinnbar" gehalten. Bedienstete und Repräsentanten des Staates werden zu Kriegsgegnern erklärt, die nur bei Kapitulation zu schonen seien.15 Mit Hilfe der Kriegspräsupposition wird so die eigene Identität konstituiert: Gegnerschaft zum Staat wird zur Feindschaft. Ausdrücke wie bewaffneter Kampf, Krieg, Bürgerkrieg bildeten den Begriffsrahmen für Appelle an Truppen-Disziplin und effiziente Gewaltanwendung der Guerilla. Das „Konzept Stadtguerillct sieht noch in der möglichst harten Behandlung durch den ,Feind' Staat eine Bestätigung der Selbstheroisierung, gemäß einem Mao-Tse-Tung-Zitat: uns der Feind [...] in den schwärzesten Farben malt", so zeuge dies davon, „daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat." ( Pohrt 1987, S. 21)
Die Zitate aus Schriften Maos, Lenins, Cleavers und Che Guevaras16 ebenso wie die Referenzen auf den Vietnamkrieg und andere „Befreiungskriege" unterstellen reale Parallelen zwischen den Kriegsschauplätzen und -parteien ,dort' und ,hier'. Wo 1967/68 in APO-Äußerungen der Vietnamkrieg und die Situation in der Bundesrepublik zwar politisch miteinander verglichen, aber dennoch voneinander unterschieden wurden, waren für die RAF 1971 der Krieg ,dort' und die Konflikte ,hier und jetzt' zum bewaffneten Kampf gegen ein und denselben Imperialismus geworden, der auch zu demselben „Sieg im Volkskrieg' führen sollte. 14 15 16
„Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa". In: Pohrt 1987, S. 83. Vgl. Pohrt 1987, S. 76-83. Vgl. „Konzept Stadtguerilla" und „Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa". In: Pohrt 1987, S. 21-125; Bakker-Schut 1987 passim.
Terrorismus-Diskussion
413
Für die Öffentlichkeit blieb diese Kriegserklärung zunächst unverständlich. Was sich allenfalls durchsetzte, war eine wachsende Überzeugung von der .kriminellen Energie' der Gruppe, die mit Bankeinbrüchen und Waffendiebstählen eindeutig Straftaten beging, die ihr jedoch aufgrund erfolgreicher Fluchten und mangelnden Beweismaterials gelegentlich nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnten. Außerdem sah es zunächst so aus, als ob der alte APO-Grundsatz „Gewalt gegen Sachen, nicht gegen Personen" und die Versicherung aus dem „Konzept Stadtguerillcf, nicht „rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch" zu machen, auch weiterhin eingehalten würde. Im Laufe des Jahres 1971 änderte sich diese Einstellung allerdings entscheidend. Am 6.5. starb Petra Schelm bei einem Schußwechsel an einer Straßensperre in Hamburg; im Oktober - wieder in Hamburg - schössen zwei Unbekannte den Polizeimeister Norbert Schmidt nieder. Festgenommen wurde Margrit Schiller, die als RAF-Mitglied gesucht wurde. Daraufhin erklärte der SPD-Bürgermeister der Hansestadt, Peter Schulz, die Phase einer begrenzten Anerkennung politischer Beweggründe für die RAF-Aktionen für beendet. Falls es sich erweise, „daß die BaaderMeinhof-Gruppe für diesen Mord verantwortlich zu machen ist", sei sie nicht mehr als „Zusammenschluß mit politischen Zielsetzungen, sondern nur als eine rein kriminelle Gruppe im wahrsten Sinne des Wortes anzusehen" (Aust 1987, S. 183). Als am 22. Dezember der Polizist Herbert Schoner bei einem Banküberfall in Kaiserlautern ermordet wurde, berichtete die FAZ von .Vermutungen" der Polizei, daß Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe an dem Verbrechen beteiligt gewesen seien (FAZ 2312.1972). Die BILDZEITUNG war dagegen sicher: „Baader-Meinhof-Bande mordet weiter" lautete die Schlagzeile auf der ersten Seite. Im SPIEGEL 3/1972 veröffentlichte daraufhin Heinrich Boll eine scharfe Kritik an der BiLD-Berichterstattung unter der Überschrift: .Will Ulrike Gnade oder freies Geleit'" Im Vergleich mit der Stellungnahme der Polizei sieht Boll im BiLD-Titel eine „Aufforderung zur Lynchjustiz"17. Außerdem geht er auch auf die Selbstdarstellung der RAF im „Konzept Stadtguerilla" ein, das er als eine wahnhafte „Kriegserklärung von verzweifelten Theoretikern" gegen die Bundesrepublik deutet.18 Sie seien in ihrer Kriegs-Ideologie so befangen, daß ihnen auch gegen ihren Willen „Gnade oder freies Geleit" angeboten werden müsse, gerade damit ihnen ein rechtsstaatlicher Prozeß gemacht werden könne. Boll versuchte 17 18
Heinrich Boll: Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? In: DER SPIEGEL (10.1.1972), H. 3, S. 54-57, zit. S. 55. Ebd., S. 54.
414
Kapitel 11
auch deutlich zu machen, welch einen absurden „Krieg" die RAF führte: das Verhältnis der .Kriegsgegner' sei zur Zeit der größten Stärke der RAF - er schätzte sie auf dreißig - 1:2000000 gewesen, inzwischen, 1972, sei die Gruppe wahrscheinlich auf sechs Leute geschrumpft: es gehe somit um einen „Krieg von 6 gegen 60000000". Boll geriet mit diesen Differenzierungen zwischen alle Fronten der beginnenden Terrorismusdebatte.19 Der auf seinen Prozeß wartende Mahler bemitleidete Boll als naives Opfer der Propaganda der Herrschenden20, die Springer-Presse und Teile der Rundfunkanstalten sahen ihn als Opfer linkslastiger Gewaltverherrlichung, zum Teil aber auch als „Schreibtischtäter", manche gingen über zu Beschimpfungen wie „salonanarchistischer Sympathisant"21. Sympathisant wurde in dieser Zeit neben Bande zu einem wichtigen Stichwort der Terrorismusdebatte, die in den ersten Monaten des Jahres 1972 ihren ersten Höhe- und Siedepunkt erreichte. Während sich die Diskussion um die Böll-BiLD-Kontroverse noch entwickelte22, bildeten sich zwei weitere Linien der Debatte. Im Januar begann der erste sogenannte Baader-Meinhof-Prozeß, in dem das ehemalige Gruppenmitglied Karl-Heinz Ruhland die Strategieplanung der RAF schilderte und auch Aussagen über ihre Verstecke im Bundesgebiet machte, wozu auch leerstehende Wohnungen von ehemaligen Bekannten einiger Gruppenmitglieder gehörten23. Aus Ruhlands Aussagen, die von der RAF als Lügen eines bestochenen Kronzeugen abgetan wurden, zogen die Medien zum einen den Schluß, daß die RAF tatsächlich auf Konfrontation mit der Staatsgewalt aus war und dabei vor Mord nicht zurückschreckte; zum andern wurde die Fähigkeit des harten Kerns der Gruppe, sich fast ein Jahr lang der Verhaftung zu entziehen, auf die Existenz eines weitverzweigten Helfershelferbeziehungsweise Sympathisantennetzes zurückgeführt: Damit hatten die Strafverfolgungsbehörden freie Hand, alte APO-Rechnungen zu begleichen. So gerieten beispielsweise Akademiker, die Ulrike Meinhof Anfang 19 20 21
22
23
Zur Dokumentation der gesamten Debatte um Bolls Artikel vgl. Grützbach 1972. DER SPIEGEL (21.2.1972), H. 9, S. 11-12. Frank-Planitz in SWF; Grützbach 1972, S. 85; vgl. auch R. Krämer-Badoni: Bewaffnete Meinungsfreiheit. In: DIE WELT 11.1.1972; H. E. Bilges: Heinrich Boll und die „Freiheit der Arroganten". In: DIE WELT 12.1.1972; W. Scharnagel: Demaskierter Boll. In: BAYERN-KURIER 15.1.1972; H. Kremp: Der Wahn der Epoche. In: DIE WELT 15.1.1972; H. Habe: Treten Sie ab, Herr Boll. In: WELT AM SONNTAG 16.1.1972; G. Löwenthal (ZDF), R. Woller (ZDF), zit. nach Grützbach 1972, S. 35ff. Boll: Man kann nicht sehr weit gehen. Interview für DIE WELTWOCHE. In: Grützbach 1972, S. 178-182; Boll: Gefühle sind die Syphilis der Seele. Interview für STERN. In: Grützbach 1972, S. 189-191. Darüber hinaus führte Boll die Kontroverse auch in literarischer Form weiter mit seinem 1974 veröffentlichten Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum". In die Bank und durchgeladen. In: DER SPIEGEL (24.1.1972), H. 5, S. 2 8 - 47; (31.1.1972), H. 6, S. 59.
Terrorismus-Diskussion
415
1971 ihre Wohnung überlassen hatten, ins Schußfeld der Medien24. Der damalige Generalbundesanwalt Ludwig Martin vermutete überall „metastasenartig" (Grützbach 1972, S. 71) sich ausbreitende Baader-MeinhofUnterstützergruppen an den Universitäten. Mit der Kriegs- und Krankheitsmetaphorik und dem juristisch undefinierbaren, in seiner Unscharfe aber polemisch besonders wirksamen Terminus Sympathisant hatten die Medien nun ein Mittel zur Hand, die eine scheinbar schlüssige öffentliche .Bewältigung' des Terrorismusproblems erlaubten. Anhand des Begriffspaares Bande/Gruppe konnte zudem die .Korrektheit' öffentlicher Äußerungen zu diesem Thema überprüft werden. Obwohl in der Berichterstattung zum Ruhlandprozeß und zur Terroristenfahndung Baader-Meinhof-Gruppe und -Bande nebeneinander verwendet wurden25, versuchte die Springerpresse die Begrifflichkeit so zu polarisieren, daß jeder, der Gruppe anstelle von Bande verwendete, als ein Sympathisant der RAF angegriffen werden konnte.26 Um den verbrecherischen Charakter der RAF und ihrer Aktivitäten hervorzuheben, reichte - wie die FAZ mehrfach hervorhob - zum damaligen Zeitpunkt die formal-juristische Bezeichnung als „kriminelle Vereinigung' (FAZ 15.-21.1.1972) aus, die sich aber nicht in gleichem Maße zur Stigmatisierung eignete wie Bande. Bedenken wie diejenigen des Psychologen Ernst Bornemann, daß durch die in diesem Begriff implizierte Gleichsetzung mit Verbrechern die RAF nur noch weiter in die Enge und damit zur brutalen Gewaltanwendung getrieben würde27, blieben unbeachtet. Die RAF selbst tat nichts, um die Annahme ihrer Kriegserklärung durch die Medien Lügen zu strafen, vielmehr bestätigte sie Kriegsinterpretationen durch eine Serie von zunächst .erfolgreichen' Anschlägen auf Einrichtungen der US-Armee, auf Polizeibehörden, einen Bundesrichter und auf das Springer-Hochhaus in Hamburg, die insgesamt 4 Tote und über 30 Verletzte forderten. In sogenannten Bekenner-Briefen übernahmen verschiedene RAF-Kommandos die Verantwortung für die Anschläge. Als Begründung fungierte vor allem die angebliche Notwendigkeit des antiimperialistischen Kampfes, wie beispielsweise im Schreiben zum Anschlag auf das US-Armeehauptquartier in Heidelberg, in dem erklärt 24 25 26
27
Vgl. Aust 1987, S. 158f. Zum Beispiel FAZ 5.-26.1.1972; RHEINISCHE POST (RP) 10.-24.1.1972. Zur Anwendung dieser .Gretchenfrage' auf Boll vgl. BILD vom 31.1.1972: JVann ist eine Bande eine Bande, Herr Boll?", abgedruckt in Grützbach 1972, S. 140f. Zur Kennzeichnung dieser „Urteilsbildung" als Haltung, für die der Satz „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen" die Grenze der Denkwilligkeit zeige, vgl. G. Gaus: Ruhland und was man lernen könnte. In: DER SPIEGEL (14.2.1972), H. 8, S. 24. Vgl. RP 3.6.1972.
416
Kapitel 11
wurde, daß es für US-Soldaten als .Ausrottungsstrategen in Vietnam" keinen Platz in der Welt mehr geben werde, „an dem sie vor den Angriffen revolutionärer Guerilla-Einheiten sicher sein" könnten (Aust 1987, S. 233). Wenige Monate nach dieser „Offensive" schien es mit dem RAF-Terrorismus vorbei zu sein. Der harte Kern, unter anderem Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan Carl Raspe und Holger Meins, wurde - vielfach nach Feuergefechten mit der Polizei - verhaftet.28 Mit den Festnahmen der Kerngruppe der RAF trat der Terrorismus für eine Weile in den Hintergrund der politischen Diskussion in der Bundesrepublik. Als Thema des Parteienstreits hatte er bis dahin eine wichtige Rolle gespielt bei den Versuchen der CDU/CSU-Opposition im Bundestag, die sozialliberale Koalition als zu „weich" gegenüber extremistischen Kräften von links darzustellen. Dabei war das Terrorismusthema mit der Diskussion um sogenannte „Radikale im öffentlichen Dienst" verknüpft worden, die ebenfalls zur Jahreswende 1971/72 ihren Höhepunkt erreichte. Hierbei ging es im wesentlichen um Mitglieder sogenannter „verfassungsfeindlicher" Parteien wie NPD und DKP, die zwar nicht vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verboten, somit formal legal waren, aber von den im Bundestag vertretenen Parteien trotzdem als Gegner der „freiheitlichdemokratischen Grundordnung" angesehen wurden. Um der Diffamierung als Kommunistenfreunde zu entgehen, einigten sich die Bundesregierung und die Innenminister der Länder am 28.1.1972 auf einen Beschluß, der in der Folge als Radikalenerlaß Furore machte, allerdings auch mit dem Wort Berufsverbot als Verfassungsverstoß29 kritisiert wurde: Angehörige „verfassungsfeindlicher" Organisationen sollten von nun an bundeseinheitlich nicht zum öffentlichen Dienst zugelassen werden.30 Es ging vor allem um Mitglieder legaler, aber unerwünschter Parteien, die aus der Beamtenschaft und der Staatsverwaltung ausgeschlossen werden sollten. Dies hinderte aber einige Medien nicht, unter den weiten Begriffen radikal/extremistisch /Sympathisant auch die Möglichkeit einer Anwartschaft von Terroristen beziehungsweise ihren Helfershelfern auf solche 28
29 30
Im Kontext der Berichte über die Fahndungserfolge und Festnahmen setzte sich kurzfristig die Bande-Terminologie zusammen mit der vermehrten Benennung der RAFMitglieder als Terroristen durch (vgl. zum Beispiel RP 2.-6.6.1972). Eine vollständige Aufgabe des Terminus Gruppe war aber keineswegs zu verzeichnen. Vgl. Stötzel 1980, S. 136f. Keine Hexenjagd auf Radikale - aber Verfassungsfeinde verfolgen. In: WELT AM SONNTAG 30.1.1972; Den fortschrittlichen Kräften in der BRD wird Berufsverbot anged r o h t . I n : NEUES DEUTSCHLAND 3 0 . 1 . 1 9 7 2 ; 31.1.1972.
Kontraste.
I n : WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU
Terrorismus-Diskussion
417
Positionen zu insinuieren. So wurden von der SAARBRÜCKER ZEITUNG die Hannoveraner Professoren Peter Brückner und Jürgen Seiffert wegen Faschismuskritik an der BRD als „Sympathisanten" der „im Volksmund zutreffend Bande genannte[n]" RAF und so als yerfassungsfeinde" diffamiert, die unter den Radikalenerlaß zu fallen hätten.31 Selbst hochrangige SPD-Vertreter, wie der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Heinz Kühn, brachten die Verfolgung der Baader-Meinhof-Gruppe/ Bande explizit mit dem Beschluß gegen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst in Verbindung.32 Angesichts dieser Verknüpfung des Terrorismusthemas mit der Radikalen-Diskussion in Attacken gegen die durch ein konstruktives Mißtrauensvotum im Bundestag gefährdete sozial-liberale Koalitionsregierung und der defensiven Äußerungen von SPD-Vertretern lassen sich schon in dieser Phase Konsequenzen der RAF-Aktivitäten und der mit ihnen verknüpften Legitimationsstrategien für die öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik beobachten. Durch die von ihr erzwungene Etablierung des Terrorismusthemas in der politischen Debatte setzte die RAF die Bundesregierung unter Druck, indem sie der konservativen Opposition .Munition' für die Debatte um „sicherheitspolitische" Themen lieferte und somit den Reform-Elan der Brandt-Scheel-Regierung auf diesem Gebiet abbremste33. Mit dem Beschluß über Radikale im öffentlichen Dienst gelang es der Bundesregierung, der Kritik an „Blindheit" auf dem linken Auge teilweise den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im April 1972 überstand sie das konstruktive Mißtrauensvotum im Parlament und konnte Neuwahlen für dasselbe Jahr ausschreiben, aus denen sie gestärkt hervorging. Mit der Verhaftung des harten Kerns der RAF um Baader und Meinhof schien auch die Terrorismusbedrohung als aktuell relevantes Thema der öffentlichen Diskussion in den Hintergrund zu treten. Jetzt waren die Gerichte dafür zuständig, die RAF-Mitglieder aufgrund ihrer Straftaten zu belangen - ihr krimineller Status schien außer Zweifel zu stehen.
3. »Krieg« im Hochsicherheitstrakt Nunmehr entwickelten sich neue Diskussionslinien, die man in der Bundesrepublik allenfalls hätte voraussehen können, wenn man ins Ausland - nach Nordirland - geschaut hätte, wo die Ende der sechziger Jahre 31 32 33
Schafsgeduld. In: SAARBRÜCKER ZEITUNG 28.1.1972. Vgl. WELT AM SONNTAG 30.1.1972; Aust 1987, S. 214. Eine linguistisch prägnante Präsuppositionsanalyse zu diesem Komplex leistet Keller 1977. Thränhardt 1986, S. 191ff., 202ff., 206ff.
418
Kapitel 11
wieder erstarkte „Provisional Irish Republican Army (IRÀ) einen Terrorkrieg gegen die britische Regierung führte. Die IRA legte Wert auf ihre militärische Herkunft aus der geheimen irischen Bürgerkriegsarmee zunächst „Irish Republican Brotherhood", dann „Irish Republican Army", die den Unabhängigkeitskampf Irlands gegen das Vereinigte Königreich seit 1916 mit Freischärleraktionen begleitet hatte. Ihre inhaftierten Mitglieder bestanden auf einem Spezialstatus als „politische Gefangene" beziehungsweise „Kriegsgefangene", die nach den Bedingungen der Genfer Kriegskonventionen zu behandeln seien. Dieser Sonderstatus galt insbesondere für inhaftierte, aber nicht in „normalen" Verfahren verurteilte IRA-Verdächtige, die im größten Hochsicherheitsgefängnis Nordirlands, „Long Kesh" (das später zu „The Maze" umbenannt wurde) .interniert' waren. Der Kriegsgefangenenstatus Geltung der IRA-Hierarchie im Gefängnis, eigene Kleidung, unbehinderte Postzustellung - war 1972 im Zuge der ersten Neutralisierungskampagne der britischen Regierung gegenüber den Terroristen in Nordirland eingeführt worden und galt bis 1975. Seine Abschaffung bildete den Ausgangspunkt für erneute Offensiven der (P)IRA zu Ende der siebziger Jahre. 34 Zwar konnte die Rote Armee Fraktion nicht im entferntesten auf eine Bürgerkriegstradition wie die IRA zurückblicken oder auf Solidarität größerer Bevölkerungsteile bauen, aber es war klar, daß die Forderung nach Kriegsgefangenenstatus im Gefängnis aus ideologischen wie propagandistischen Gründen für sie äußerst attraktiv war. Daher ließen entsprechende Stellungnahmen und Solidaritätsaufrufe nicht lange auf sich warten.35 Die Reaktion der staatlichen Behörden (d.h. der für den Strafvollzug zuständigen Justizbehörden der Länder) bestand fatalerweise zum Teil in Schikanen gegen die inhaftierten Terroristen, die zwar offiziell als .gemeine Kriminelle' gelten sollten, tatsächlich aber unter speziellen „Hoch34 35
Vgl. Coogan 1990, S. 606-612. Vgl. Aust 1987, S. 198, 365, 398. Hansen zufolge stand die Forderung der RAF nach Kriegsgefangenenstatus im Zusammenhang mit dem Scheitern der ersten, in Hungerstreiks erhobenen Forderung der RAF nach Gleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Strafgefangenen, insbesondere in bezug auf die Isolationshaft (vgl. den Forderungskatalog der RAF-Häftlinge von 1974 in Hansen 1987, S. 122). Als die Strafvollzugsbehörden über Jahre hinweg diese Forderung ablehnten, wurde die „Milchmädchenrechnung" (Hansen) aufgestellt, daß die Afriçg-Situation zwischen der RAF und dem Staat eine hinreichende Bedingung für die „Behandlung entsprechend den Garantien, die die Genfer Konvention von 1949 für Kriegsgefangene [...] vorsieht", sei eine Chimäre, der 1986 auch der ehemalige RAF-Verteidiger und spätere .Mitkämpfer' Siegfried Haag entgegensetzte, daß „Armee oder die Polizei oder der Staatsschutz [...] einen Krieg gegen die RAF führen [könnten], die RAF selbst aber nur Anschläge begehen [könne], und das ist kein Krieg" (Hansen 1987, S. 122).
Terrorismus-Diskussion
419
sicherheits"-Haftbedingungen gefangen gehalten wurden. Ulrike Meinhof beispielsweise mußte acht Monate lang in einem total isolierten Trakt der Kölner Strafvollzugsanstalt Ossendorf verbringen, in der selbst akustischer Kontakt mit der übrigen Anstalt unmöglich war.36 Besuchsmöglichkeiten waren stark eingeschränkt, und Besucher, unter anderem auch die Anwälte, wurden ,aus Sicherheitsgründen' scharf überprüft37, was aber nicht den Aufbau eines geheimen Kommunikationssystems unter den Inhaftierten und mit den nicht inhaftierten Rest-Mitgliedern der RAF verhinderte. Als .Kuriere' fungierten einige Anwälte und deren Mitarbeiter. Als Strafvollzugsbehörden und Polizei diesen Kontakten meist sehr spät - auf die Spur kamen, wurde auch hier überreagiert. Zusammen mit einigen Anwälten, die tatsächlich zu Helfershelfern ihrer Mandanten geworden waren, wurden auch korrekt handelnde Juristen verdächtigt.38 Auf diese Weise gerieten die Argumente und Terminologien derjenigen, die den RAF-Mitgliedern mit einiger politischer „Sympathie" gegenüberstanden oder aber sie auch nur rechtsstaatlich fair behandelt sehen wollten, in einen immer radikaleren Widerspruch zur dominanten „öffentlichen Meinung", wie sie von staatlichen Behörden, parlamentarischen Parteien und dem weitaus größten Teil der Medien vertreten wurde. Was offiziell als durch „Terroristengefahr im Verzuge" bedingte Sicherheitsmaßnahmen verteidigt wurde, hieß auf der Gegenseite Isolationsfolter». Die von den Staatsbehörden als Sympathisanten ins Visier genommenen, zum Teil aus APO-Kreisen hervorgegangenen ,Knastgruppen' sahen sich als Rote Hilfen in der Tradition kommunistischer Gefangenenhilfe der zwanziger Jahre, die den vielleicht zu weit gegangenen, aber politisch als immer noch verwandt anerkannten „Genossen" die Gefangenschaft erleichtern wollten.40 Da sie aber nach Ansicht des RAF-Kerns in den Gefängnissen nicht eindeutig genug die Kriegsideologie der RAF übernahmen, wurden in der Folge spezielle „Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD" gegründet, die deren
36 37 38 39 40
Vgl. Aust 1987, S. 257ff. Vgl. Aust 1987, S. 257ff. und 272f.; Peters 1991, S. 150f. Zur Zwickmühlensituation von Vertrauensanwälten, die sich weder zum bloßen Sprachrohr der Angeklagten noch zu Erfüllungsgehilfen der Strafverfolgungs- und -vollzugsbehörden machen lassen wollten, vgl. Eschen 1987, S. 88ff. Otto Schily: Verwesung bei lebendigem Leibe. In: DER SPIEGEL (18.11.1974), H. 47, S. 41-47; Eschen 1987, S. 85f.; Hansen 1987, S. 118ff. „Mord beginnt beim bösen Wort". V: Folterkomitees und Rote Hilfen. In: DER SPIEGEL (7.11.1977), H. 46, S. 36. Zur zynisch-instrumentalistischen Haltung der inhaftierten RAF-Mitglieder gegenüber den Roten Hilfen vgl. Aust 1987, S. 269ff.
420
Kapitel 11
Selbststilisierung als Nachfolger antifaschistischer KZ-Opfer zu verbreiten versuchten.41 Abgesehen von der RAF blieb der Terrorismus auch weiterhin ein zentrales Thema in den Medien. Die aus Westberliner Anarchistenkreisen hervorgegangene Bewegung 2. Juni begann, sich mit Banküberfällen und Bombenanschlägen in der deutschen Terrorismus-Landschaft zu etablieren; die größte Publizität und Beunruhigung der Öffentlichkeit erzielte aber der Überfall palästinensischer Terroristen der Gruppe Schwarzer September auf das Olympiadorf und die Geiselnahme elf israelischer Sportler während der Olympiade 1972 in München zur Freipressung palästinensischer Gefangener in Israel. Bei der versuchten Überwältigung der Terroristen durch die Polizei kamen sämtliche Geiseln, ein deutscher Polizeibeamter und fünf Mitglieder des Schwarzen September ums Leben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren der internationale wie auch der BRD-spezifische Terrorismus als aktuelle Themen für die bundesdeutsche Öffentlichkeit präsent. In bezug auf die Unterscheidung der Nachfolgegruppen der ersten RAF etablierte sich bald die Bezeichnung Generation, für die dann verschiedene „Zählungen" vorgenommen wurden42. Die inhaftierten RAF-Mitglieder der „ersten Generation" erkannten, daß die Bedingungen für eine Fortsetzung ihres Krieges mit anderen Mitteln nicht ungünstig waren und reagierten ähnlich wie ihre PLO-,Waffenbrüder" im Nahen Osten oder die IRA-„Kollegen" in britischen Gefängnissen mit Hungerstreiks, die zugleich auf erhöhte Solidarität bei Unterstützern und Publizität für die Forderung nach Änderung der Haftbedingungen und Anerkennung ihres Kriegsgefangenen-Status in den Medien abzielten wie auch die Gruppendisziplin unter den Häftlingen stärken sollten. Die Führungsgruppe um Baader, Raspe und Ensslin mahnte in den von einigen Anwälten an die Genossen .draußen' übermittelten Briefen immer wieder Kriegsdisziplin bis hin zur Selbstzerstörung an. „Selbstkritik" wurde zur Waffe im Kampf gegen die Zweifel an der eigenen Kampfposition, wie in dem folgenden Textauszug aus einem Brief von Holger Meins, in dem die Kriegsideologie radikal gegen die eigene Identität gekehrt wird: „kritik ist eine waffe + Selbstkritik die selbstbewaffnung. [...] selbstkritisch muss man die alte klasse, soweit sie einen noch beherrscht, besitzt und besetzt hält, rausschmeissen. [...] damit man nicht wie'n ochs vorm berg steht, besonders wenn er hoch ist, muss man zunächst und zuerst den hauptfeind erkennen und lokalisieren - also bei den meisten ja: klassenanalyse. dann muss man ihn teilen in seine einzelnen komponenten, den 41 42
Vgl. Peters 1991, S. 154f. Zur Thematisierung der Generationen-Terminologie vgl. Peters 1991, S. 29.
Terrorismus-Diskussion
421
härtesten kern und die stärkste position ausmachen, dann geplant und gezielt die feindlichen kristallisationspunkte nacheinander vernichten. [...] gegen den tief und fest sitzenden versteinerten dreck muss man mit ganzer kraft einen entschlossenen Stellungskrieg fuhren, ihn einkreisen, einschliessen und ihn langandauernd belagern - dann stürm und alles, was nicht aufgeben wollte, restlos niedermachen und rausputzen, nichts darf entkommen, weil das ist wie krebs, morgen schon wieder da und munter. da muss man scharf aufpassen, steckt wer den rüssel vor, gleich eins drauf, ein tückisches pack, drehst ihm den rücken zu, schon hat er dir die munition geklaut, gegen die ganzen tricks der menschenfresser und blutsauger wie: ,wir sind doch vom gleichen fleisch und blut, mensch' gelten ausschliesslich die prinzipien der revolutionären Volksmacht." (Bakker-Schut 1987, S. 83f.)
Im Kontext der Diskussion um Hungerstreiks und körperlichen Widerstand gegen die Haftbedingungen ist dieser Festungskampf nicht mehr nur eine martialische Stilisierung, sondern ein realer Zerstörungskrieg gegen das eigene Selbst bzw. gegen nicht zum vollen „Einsatz" für das Kollektiv bereite Gruppenmitglieder. Die eigene Menschlichkeit wird als heimtückische Bedrohung wahrgenommen, gegen die nur ein konsequenter Einsatz der letzten Munition, d.h. die Selbstvernichtung, helfen könne. Mehrmals wurden Gruppenmitglieder als Versager ausgegrenzt, zur „Selbstkritik" gezwungen und, falls diese nicht half, als Verräter aus dem „info" und der Gruppe ausgeschlossen, wie beispielsweise Horst Mahler.43 Als im Verlauf der Hungerstreiks einzelne die Tortur der Essensverweigerung und der Zwangsernährung nicht aushielten, ging es für die konsequenten Kämpfer um die Verteidigung ihrer Guerilla-Identität. Am 11.11.1974 starb Meins nach fast zwei Monaten Hungerstreik. Am folgenden Tag wird der Präsident des Berliner Kammergerichts, Günther von Drenkmann, von der Bewegung 2. Juni erschossen. Von den inzwischen ins sogenannte Hochsicherheits-Gefängnis Stuttgart-Stammheim verlegten RAF-Mitgliedern wird der Mord als „Hinrichtung" begrüßt, die „jedem Justiz- und Bullenschwein klargemacht hat, daß auch er - und zwar heute schon - zur Verantwortung gezogen werden kann" (Aust 1987, S. 294). Für die RAF ist also alles beim alten, in den Worten, die Meins kurz vor seinem Tod an das RAF-Mitglied Manfred Grashof, der den Hungerstreik abbrechen wollte, schrieb: „DER KAMPF GEHT WEITER, jeder neue fight, jede aktion, jedes gefecht bringt neue und unbekannte erfahrungen, und das ist die entwicklung des kampfes. [...] sie^oder tod - sagen die typen überall und das ist die spräche der guerilla."
43 44
Vgl. Bakker-Schut 1987, S. 107-110 sowie passim. Bakker-Schut 1987, S. 183; Aust 1987, S. 290f.
422
Kapitel 11
Für einige Angehörige der der RAF politisch nahestehenden Gruppen war der Tod von Meins in der Tat ein Beweis für die Vernichtungsstrategie des Staates gegenüber den Inhaftierten, durch die sie zur aktiven Solidarisierung mit dem bewaffneten Kampf der Gruppe und so zur Mittäterschaft motiviert wurden. 4 Erschreckend ist, daß auch die der Terror-Eskalation hilflos gegenüberstehende Öffentlichkeit sich nicht anders zu helfen wußte, als die „spräche der guerilla", des Kampfes auf Leben und Tod, zu übernehmen. Im Bundestag zwingen die CDU/CSU-Abgeordneten durch dauernde Zwischenrufe Regierungsvertreter, von der Bezeichnung der RAF als Gruppe oder Vereinigung („kriminelle Vereinigung" ist zu diesem Zeitpunkt immer noch der offizielle juristische Terminus) zugunsten von Bande abzugehen, als ob dadurch die beiden Bundesminister HansJochen Vogel (Justiz) und Werner Maihofer (Inneres) von Sympathisanten zu Gegnern der Terroristen hätten gemacht werden müssen. Als der zu APO-Zeiten mit Holger Meins eng befreundete Rudi Dutschke bei der Beerdigung mit dem Satz „Holger, der Kampf geht weiter" an das Grab tritt, sieht die BILD-ZEITUNG bereits zweitausend „Rache" schreiende Kommunisten. 47 Der vom Baader-Verteidiger Klaus Croissant arrangierte Besuch JeanPaul Sartres in Stuttgart-Stammheim im Dezember 1974 wird von den Medien als Propaganda-Aktion der RAF abgetan, obwohl Sartre in der Pressekonferenz zwar die Haftbedingungen kritisierte, sich aber klar von der Gruppe distanzierte („Diese Gruppe gefährdet die Linke") und sich weigerte, ein von Croissant angestrebtes Interview mit Baader zu publi48 zieren. Insgesamt ist von einem weitgehenden Zusammenbruch der Verständigung zwischen den Vertretern der .herrschenden Meinung' und denjenigen auszugehen, die - zum Teil aufgrund früherer APO-Freundschaften - an einem auf Beendigung der Gewaltspirale abzielenden Verstehen der RAF-Aktionen interessiert sind. Während im Bundestag über Bande und Gruppe gestritten wurde, Verstehensversuche wie die Bolls noch nachträglich als RAF-Unterstützung denunziert wurden, so als ob im Januar 1972 die nachfolgenden 45
So etwa der Strafverteidiger von Meins, Siegfried Haag, der aus der Unfähigkeit, den Tod seines Mandanten zu verhindern, die Schlußfolgerung zog, seine „Fähigkeiten für die RAF einzusetzen und bei einer eventuellen Befreiungsaktion der RAF-Gefangenen
46 47
Vgl. FAZ 16.11.1974. Vgl. Aust 1987, S. 299. Zur Selbstinterpretation Dutschkes, es gehe bei dem Satz um politische Solidarität im „Kampf der Ausgebeuteten und Beleidigten", und zu seiner Verurteilung des Drenkmann-Mordes vgl. Aust 1987, S. 300. Aust 1987, S. 305f.; Peters 1991, S. 164.
48
z u h e l f e n " (FRANKFURTER RUNDSCHAU ( F R ) 2 . 9 . 1 9 8 6 , zit. n a c h H a n s e n 1 9 8 7 , S. 1 3 8 ) .
Terrorismus-Diskussion
423
Verbrechen bekannt gewesen wären49, und Kritik an Haftbedingungen als Sympathisantentum diffamiert wurde, bildeten sich aus den Folterkomitees, denen die vollständige Nutzlosigkeit ihrer Appelle demonstriert worden war, die Nachfolgegeneration der RAF, die bis zum Frühjahr 1975 „Operationsstärke" erreichte. Sie wiederholte ohne Skrupel die sprachlose „spräche der guerilla". Im April 1975 stürmte ein Kommando „Holger Meins" - seit 1971 nahmen die RAF-Kommandos die Namen getöteter Genossen an - die westdeutsche Botschaft in Stockholm und forderten die Freilassung der RAFGefangenen in der Bundesrepublik. Aus Versehen zündeten die Besetzer, nachdem sie zwei Botschaftsangehörige erschossen hatten, ihren eigenen Sprengstoff und gaben auf. Zwei Monate zuvor hatte die nach Festnahmen neuformierte Bewegung 2. Juni einen großen Teil ihrer Genossen befreit, indem sie den Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz entführte und ihn sowie den als Kurier gepreßten früheren Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz erst freigab, nachdem ihre Genossen in den Südjemen ausgeflogen worden waren, w o sie Asyl fanden. Auf internationaler Ebene feierte der Terrorismus einen makabren Triumph beim Überfall auf die Konferenz der OPEC-Staaten in Wien, an dem Angehörige der neugebildeten Revolutionären Zellen teilnahmen. Mit drei Morden und der Androhung der Tötung sämtlicher Konferenzteilnehmer gelingt es dem Kommando „Arm der arabischen Revolution", die Ausstrahlung einer Erklärung gegen die israelische Politik sowie die freie Ausreise nach Algerien zu erzwingen.50 Mit einem Fiasko für die beteiligten Terroristen endete sechs Monate später die Entführung eines Air-France-Flugzeugs von Athen nach Entebbe in dem vom Diktator Idi Amin regierten Uganda. Für eine Verschonung des Lebens der Geiseln wurde die Freilassung von insgesamt 53 Häftlingen in verschiedenen Ländern gefordert, darunter von sechs in der Bundesrepublik einsitzenden Terroristen. Nach einigen Tagen wurden die nicht-jüdischen Passagiere freigelassen - die übrig gebliebenen wurden umso härter bedroht. Anstatt auf die Forderungen der Entführer einzugehen, schickte Israel eine Truppe von Antiterrorkämpfern nach Uganda, die im Kampf gegen die Terroristen und die mit ihnen zusammenarbeitenden ugandischen Truppen die im Flugzeug befindlichen Geiseln befreite und nach Israel zurückbrachte. Die Weltöffentlichkeit erfuhr von den Überlebenden, daß an der Entführung und auch an der „Selektion" von Juden und Nichtjuden deut49 50
Vgl. Betz 1982, S. 198ff. Vgl. Klein 1979, S. 57-72.
424
Kapitel 11
sehe Terroristen, später als Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann identifiziert, beteiligt waren - die gegen den Faschismus ihrer Elterngeneration angetretenen Widerstandskämpfer" waren zu „Hitler's Children" geworden, wie der Titel einer der bekanntesten ausländischen Analysen des bundesdeutschen Terrorismus lautete.51
4. Die »Offensive« der RAF gegen den Staat 1977 Für die weitere Entwicklung der terroristischen Gruppen in der Bundesrepublik war die Strategie der Freipressung inhaftierter Gesinnungsgenossen konstitutiv. Es war klar, daß sich hier die günstigsten Solidarisierungs- und Rekrutierungsperspektiven für die isolierten Gruppen boten. Die staatlichen Behörden reagierten auf diese Entwicklung wenn nicht einfalls- so doch mehr oder weniger ratlos. Angesichts der offensichtlichen Kampfbereitschaft und -fähigkeit der inhaftierten RAF- und 2.-Juni-Mitglieder wurden die Überwachungsmaßnahmen gegenüber Verteidigern und Besuchern verschärft und durch Änderungen der Strafprozeßordnung legal abgesichert. Dies führte zu der Situation, daß die bedeutendsten Mitglieder der RAF - Baader, Raspe, Ensslin und bis zu ihrem Selbstmord im Gefängnis 1976 Ulrike Meinhof - von ,ihrem', dem wichtigsten Terrorismusverfahren ausgeschlossen wurden und bald auch kaum noch durch Anwälte ihres Vertrauens vertreten wurden, da auch diese zunehmend ausgeschlossen, später dann zum Teil wegen nachgewiesener Mittäterschaft selber strafrechtlich verfolgt und belangt wurden. Diese Verschärfungen der Prozeßordnung wurden möglich aufgrund der zentralen Änderung der Strafrechtsbestimmungen aus Anlaß der terroristischen Bedrohung: die Einführung der Straftatbestände der Bildung und Unterstützung „terroristischer Vereinigungen" in § 129a StGB.52 Der Prozeß gegen den „harten Kern" der ersten RAF-Generation endete im April 1977 mit der Verurteilung von Ensslin, Baader und Raspe zu lebenslänglichen Haftstrafen. Zwei Wochen vor Ende des Prozesses begann die „Offensive" der neuen RAF-Generation. Am 7.4.1977 erschoß ein RAF-Kommando mitten im Straßenverkehr vom Motorrad aus den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinen Fahrer und seinen Begleiter. Es folgt ein Bekennerbrief des Kommandos Ulrike Meinhof, in 51 52
Vgl. Becker 1989. Die „Bildung einer terroristischen Vereinigung" wird als eine über die Gefahr „krimineller Vereinigungen" hinausgehende Straftat definiert, deren Zwecke „Mord, Totschlag oder Völkermord" sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit und gemeingefahrliche Straftaten sind (Lackner 1981, S. 554-555).
Terrorismus-Diskussion
425
dem das Attentat auf Buback mit dessen Verantwortung für die „Ermordung" von Holger Meins begründet wird.53 Weitaus größeres Aufsehen als die dem traditionellen Metropolenkampf-Jargon verpflichtete RAF-Selbstbezichtigung erregt aber ein in der Zeitung des Göttinger Allgemeinen Studentenausschusses (ASTA) abgedruckter Text, in dem unter dem Titel „Buback t Ein Nachruf" ein anonymer „Mescalero" seinen emotionalen „rülpser", wie er ihn selbst bezeichnet, als Reaktion auf den „abschuß von buback" zum besten gibt: „ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche freude nicht verhehlen, ich habe diesen typ oft hetzen hören, ich weiß, was er bei der Verfolgung, kriminalisierung, folterung von linken für eine herausragende rolle spielte."54 Im weiteren wird jedoch diese Stellungnahme relativiert: Die „klammheimliche Freude" sei „nun nicht alles gewesen, was in meinem und im köpf vieler anderer nach diesem ding herumspukte" - vielmehr bewegte ihn zum einen die Furcht, „die blindheit jener, für die sich die politische weit auf Stammheim reduziert, und die völlig unabhängig von der jeweiligen .politischen konjunktur' den kämpf führen und ihre mittel wählen, könne andere genossinnen und genossen entwaffnen" und durch Stärkung staatlicher Repression dazu beitragen, sie „fertig zu machen".55 Abgesehen von solchen .taktischen' Gesichtspunkten wird auch die eigene Position problematisiert. Er selbst habe „eine zeit hinweg (wie so viele von uns) die aktionen der bewaffneten kämpfer goutiert." Aber das Gedankenexperiment, er selbst gehöre zu den „Kämpfern", mache für ihn die Fragwürdigkeit klar, wie es für jemand sicher sein könne, „daß Buback weg muß [...], daß dieser und kein anderer sterben muß" und wie in Kauf zu nehmen sei, „daß auch ein anderer dabei draufgeht, ein dritter vielleicht querschnittgelähmt sein wird". Am Schluß des zunächst als „inneres händereiben" beginnenden Pamphlets steht eine Absage an die „strategie der liquidierung": die Gewalt der Linken könne nicht „die al capones sein, eine copie des offenen straßenterrors und des täglichen terrors".56
53
54 55 56
Peters 1991, S. 223. Die Mitglieder des „Ulrike-Meinhof-Kommandos" waren laut Peters Christian Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts. Die allgemeine RAF-Führung übte damals die erst im Februar 1977 aus der Haft entlassene Brigitte Mohnhaupt aus (Peters 1991, S. 214). Buback-Nachruf. In: Backes/Jesse 1989, Bd. 3, S. 137. Ebd., S. 138. Ebd., S. 139f.
426
Kapitel 11
Unterstützt von der niedersächsischen Landesregierung und angetrieben von Schlagzeilen wie „An den niedersächsischen Universitäten formieren sich die Sympathisanten der terroristischen Gruppen, die öffentlich den Mord an Generalbundesanwalt Buback billigen" (DIE WELT 13.5.1977), drohte der Rektor der Universität Göttingen, die Herausgeber der ASTA-Zeitung wegen Verunglimpfung des Ermordeten anzuzeigen. Um diesem Versuch der Kriminalisierung der Veröffentlichung und der darauf von der gesamten Presse befolgten Praxis einer sich weitgehend auf den Kontext des Satzes von der „klammheimlichen Freude" erstrekkenden Zitierung entgegenzutreten, veröffentlichte eine Gruppe von Hochschullehrern und Rechtsanwälten den vollständigen „Nachruf". Die Tatsache, daß die Herausgeber keinen eigenen (distanzierenden) Kommentar dazu gaben, reichte der FAZ aus, den Eindruck zu gewinnen, daß jene „dessen politische Zielsetzung" teilten: ,]0Cer das mit der Verantwortung eines Hochschullehrers tut, sagt sich von der Verfassungsordnung dieses Landes los. Am Ende dieses Weges stehen Leninismus und Oktoberrevolution." (FAZ 18.7.1977) 5 7
Angesichts der Fülle von Kommentaren in sämtlichen Tages- und Wochenzeitungen - Peters schätzt, daß es „dreimal mehr Artikel über den Nachruf auf den Generalbundesanwalt als über dessen Wirken und dessen Ermordung zusammen" (Peters 1991, S. 226) gab - sahen sich die Herausgeber jedoch nicht in der Pflicht, eine rituelle Distanzierung vorzunehmen, und erhoben die Gegenverdächtigung, daß es bei den Anklagen gegen sie um den Versuch ginge, die öffentliche Überprüfung von Gefühlen durchzusetzen.58 Die von Ministerien und Strafverfolgungsbehörden gegen diese und weitere „Nachruf-Herausgeber eingeleiteten Straf- und Disziplinarverfahren endeten zum weitaus größten Teil mit der Einstellung der Verfahren oder mit Freispruch.59 Während diese Prozesse in vielen Fällen über mehr als ein Jahr hinweg die Gerichte beschäftigten, ging die RAF zur zweiten Phase ihrer „Offensive" über: der Entführung von „figuren [...], die die ökonomische weitmacht des brd-kapitals direkt verkörperten [...] " M Am 30. Juli 1977 wird der Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, in seinem Haus überfallen. Als er sich gegen die Entführer, zu denen die ihm persönlich bekannte Susanne Albrecht gehört, wehrt, erschießen sie ihn. In dem von Albrecht unterschriebenen Brief kaschiert das nicht näher benannte „kommando der RAF" das Fehlen des gering57 58
Zit. nach Zeller 1987, S. 58. SPIEGEL-Gespräch mit dreien der Herausgeber: Heide Gerstenberger, Rolf Knieper,
59 60
Vgl. Agnoli 1979, S. 7-15; Peters 1991, S. 226. Erklärung der RAF zur „Offensive" von 1977. In: Backes/Jesse 1989, Bd. 3, S. 145.
Ulrich K. Preuß. In: DER SPIEGEL (15.8.1977), H. 34, S. 26.
Terrorismus-Diskussion
427
sten Versuchs einer Begründung ihres Verbrechens damit, sie hätten „nichts für lange erklärungen übrig"61. Anstelle von Erklärungen treibt die RAF den Angriff weiter. Wieder gerät die Bundesanwaltschaft ins Visier der RAF. Unter dem Tarnnamen „Ellwanger" überfallen Ende August 1977 zwei Terroristen ein Ehepaar in Karlsruhe und installieren in dessen Wohnung, die den Bundesanwaltsbüros direkt gegenüber liegt, einen Granatwerfer mit 42 Abschußrohren. Das Attentat bleibt erfolglos, da der Zeitzünder nicht funktioniert. Während Politiker, Polizei und Presse noch über die technische Perfektion und die potentiellen Verwüstungen dieses Anschlagsversuchs rätseln, folgt die nächste, diesmal .erfolgreiche' Mordaktion. Am 2. September wird in Köln der Präsident des Arbeitgeberverbandes und des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hanns-Martin Schleyer, entführt. Seine vier Begleiter sterben im Kugelhagel der RAF. In dem bald darauf gefundenen Fluchtfahrzeug findet die Polizei die Mitteilung der RAF, daß eine öffentliche Fahndung zur sofortigen Erschießung Schleyers führen würde. Am folgenden Tag geben die Terroristen ihr Ziel bekannt: Freilassung von elf RAF-Häftlingen, darunter die in Stammheim einsitzenden .Gründer' Baader, Ensslin und Raspe. Noch in der Rückschau von 1982 interpretierte die RAF den Angriff als Versuch, „die machtfrage materiell und direkt an den Staat" zu stellen.62 Angesichts der offensichtlichen „kriminellen Energie" der Terroristen und ihrer quasimilitärischen „Erfolge" waren nun auch für staatliche Behörden und viele Medien /fnegs-Perspektiven als Erklärungsmuster und Bekämpfungsstrategie gegenüber dem Terrorismus wieder attraktiv. Für Springers WELT ist es nach „einer Übergangszeit trügerischer Ruhe an der Terroristenfront" den Terroristen „gelungen, eine stabile Infrastruktur [...] aufzubauen", und aus dem Erfolg der Schleyer-Entführung wird der Schluß gezogen, daß die RAF für einen Bürgerkrieg „unter einem zentralen Kommando" bereitstehe ( D I E WELT 7.9· 1977, S. 2 und 6). Golo Mann schreibt in einem WELT-Kommentar mit dem Titel „Quousque tandem?", der an Ciceros Rede gegen den Aufrührer Catilina erinnert, daß man sich „in einer grausamen und durchaus neuen Art von Bürgerkrieg" befinde, in dem die RAF, im Verein mit dem internationalen Terrorismus, stark genug sei, den Staat zu zerbrechen, wenn man so unentschlossen „wie bisher" verfahre. Auch neue Antiterror-Maßnahmen, wie Entzug der Grundrechte für die Terroristen, vollständiger Ausschluß ihrer Vertrauensanwälte von den Prozessen und Isolation der Inhaftierten, dürften, meint Mann, auf die Dauer kaum ausreichen, denn: ,^ir 61 62
Erklärung der RAF zur Ponto-Ermordung 1977, zit. nach Peters 1991, S. 232. Erklärung der RAF zur „Offensive" von 1977. In: Backes/Jesse 1989, Bd. 3, S. 145.
Kapitel 11
428
befinden uns im Krieg, wir stehen zum Töten entschlossenen Feinden g e g e n ü b e r " (DIE WELT 7 . 9 . 1 9 7 7 , S. I ) . 6 3
DIE WELT übernimmt diese Militärterminologie in den Berichten über die angeblich mehrere tausend Personen zählenden RAF-Sympathisanten. Diese gelten der Zeitung als das „stille Reserveheer des Terrorismus", das sowohl die aktiven Helfer, Kuriere und Quartiermacher umfasse wie auch die „stille Front der potenten materiellen und geistigen S y m p a t h i s a n t e n " (DIE WELT 1 2 . 9 . 1 9 7 7 , S . 3 ) .
Als sich die terroristische Gewalt durch die Entführung der LufthansaMaschine „Landshut" - zur Unterstützung der Forderungen der SchleyerEntführer nach Freilassung der einsitzenden RAF-Häftlinge - noch steigert, ist dies für die WELT der Beweis für die Fähigkeit der Terroristen, „über Länder, Kontinente und Meere hinweg Feldzüge zu führen, die aus einer Folge von Kommando-Unternehmen bestehen". Die ideologischen Gemeinsamkeiten der Terrorgruppen seien in der .Vorgeschichte und Entwicklungstendenz des Terrorismus" begründet: „Partisanenkrieg im Zweiten Weltkrieg, .Befreiungskriege' in der Ära der Entkolonisierung (zum Beispiel Indochina, Algerien, Zypern, Kongo, Angola, vor allem noch einmal Indochina, diesmal Vietnam), Guerillakampf als Bürgerkrieg zur Etablierung sozialistischer Staaten (China, Kuba) und schließlich ein Weltbürgerkrieg." (DIE WELT 15.10.1977, S. 6 )
Diese Kriegs-Genealogie entsprach genau dem Selbstverständnis der RAF; sie wird als realiter noch wirksame „Entwicklungstendenz" - einschließlich des Zielpunktes eines Weltbürgerkriegs - dargestellt. Insofern hatte sich Bolls Befürchtung von 1972 bestätigt, daß die Kriegserklärung der ersten RAF von Medien in der BRD als Deutungsschema übernommen werden und zur Legitimation für einen „im Ernst" gegen sie geführten Verfolgungs-.Kh'çg dienen könnte. Ähnlich wie in der Selbstwahrnehmung der RAF teilte sich die Republik für die selbsternannten Kriegsberichterstatter jetzt übersichtlich in Freund und Feind; wer nicht eindeutig einzuordnen war, wurde zumindest als Reservist in der gegnerischen Armee wahrgenommen. Für die „effiziente" Abwehr des terroristischen Angriffs schienen manchem Terroristenjäger kriegsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Aufhebung von Grundrechten akzeptabel zu sein. Durch die „eindeutige" Kriegsterminologie wurden ebenso eindeutige Handlungsund Gefühlsappelle vermittelt, die eine genaue Überprüfung der Kriegsinterpretation überflüssig zu machen schienen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel ging soweit, jeden des Sympathisante ntu ms zu bezichtigen, der noch Gruppe statt Bande sagte. In der FAZ 63 64
Zur Diskussion um Golo Manns Artikel vgl. DIE WELT 8.9.1977, S. 6 und 12.9.1977, S. 6. Vgl. Du ve / Boll / Staeck 1977.
Terrorismus-Diskussion
429
wurden die Wegbereiter und Sympathisanten als „die wirklich gefahrlichen" Bedroher des Staates dargestellt, da sie aus der Sicherheit ihrer Professoren-, Literaten- und Pastorenstellungen ungestraft „dem Terrorismus - und wäre es auf beflissen erklärende Weise - schön tun"65. Im Anschluß an die Entführung Hanns-Martin Schleyers entwickelten sich die Ereignisse zunächst tatsächlich nach eher militärischem denn nach demokratischem Muster. Die Entscheidungen der Exekutive wurden in einem „Krisenstab" getroffen, den Regierungs- und Oppositionsvertreter bildeten, ohne dem Parlament öffentlich Rechenschaft abzulegen. Die Massenmedien unterwarfen sich einer Nachrichtensperre, die während der Zeit der Entführung und der geheimen Verhandlungen mit den Entführern (über den Schweizer Rechtsanwalt Denis Payot) reibungslos funktionierte. Die einsitzenden Terroristen wurden vollkommen von der Kommunikation mit Anwälten und Angehörigen abgeschnitten. Die Umstände der Durchsetzung dieser einschneidenden Begrenzung der Grundrechte für inhaftierte Terroristen waren und blieben nicht unumstritten. Der Gesetzesentwurf zu einer - in Fortsetzung der bereits erfolgten Strafprozeßund Haftverschärfungen entworfenen - Kontaktsperre wurde in einer „Rekordzeit" von zehn Tagen im Parlament beraten und verabschiedet, vom Bundespräsidenten unterzeichnet und in Kraft gesetzt. Bereits vor der Inkraftsetzung war die Totalkontrolle unter Berufung auf „übergesetzlichen Notstand" (§ 34 StGB) verwirklicht worden. 66 Als sich später herausstellte, daß die Stammheimer Häftlinge während der gesamten Krisenzeit über geheime Waffen, Radios und eine Wechselsprechanlage zur internen Kommunikation untereinander verfügt hatten, provozierten der Kontaktspterre-Beschluß und die offiziellen Begründungen für die Hochsicherheits-Verwahmng für Terroristen scharfe Kritik an der Unfähigkeit der zuständigen Behörden, die so großartig proklamierte „hohe Sicherheit" und Kontrolle aller „Kontakte" zu gewährleisten, beziehungsweise den weitergehenden Verdacht, sie hätten die Kontrolle ausgenutzt, um die Terroristen zu vernichten.67 Am 18.10.1977 wird die über mehrere Stationen - mit Zwischenstopp in Aden, wo die Entführer den Piloten Schumann erschießen - nach 65 66
67
F. K. Fromme: Sie können dafür. In: FAZ 2.8.1977. Zur historischen Einschätzung der Verabschiedung und politischen Wirkung des Kontaktsperrengesetzes aus der Sicht einer der wenigen Kritikerinnen, die sich in der Bundestagabstimmung 1977 der Stimme enthielten (neben vier Abgeordneten, die dagegen stimmten) vgl. Däubler-Gmelin 1987, S. 99ff, 112ff. Der baden-württembergische Innenminister Traugott Bender trat nach der im Rahmen des „Todesermittlungsverfahren" zu den Selbstmorden der Stammheim-Häftlinge erfolgten Aufdeckung der Waffenlager in seinem „sichersten Gefängnis der Welt" zurück. Zur Entdeckung der Wafienlager vgl. Peters 1991, S. 266.
430
Kapitel 11
Somalia entführte Lufthansa-Maschine von einer Einheit des Bundesgrenzschutzes gestürmt. Drei der vier Entführer werden erschossen, die Geiseln bleiben unverletzt. In der folgenden Nacht begehen Baader, Ensslin und Raspe, die über ihre geheimen Sender die Nachricht vom Scheitern ihrer palästinensischen Kriegsgenossen gehört hatten, Selbstmord. Die vierte in Stammheim einsitzende RAF-Genossin, Irmgard Möller, überlebt schwerverletzt den Selbstmordversuch. Am Tag darauf wird auf Hinweis der RAF die Leiche Schleyers im Elsaß gefunden.
5. Kritik an der »bleiernen Sprache« des Terrors und der Terroristenjagd Noch während das Entführungsdrama andauert, beginnt sich in Teilen der Medien verstärkt Kritik an den Ä"riegs-Mythen der Terroristenjagd zu artikulieren. Durch das Schlagwort vom Weltbürgerkrieg, so argumentiert beispielsweise der Herausgeber des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL, Rudolf Augstein, würden Gesetzesänderungen legitimiert, mit denen nicht ein Krieg zu gewinnen, sondern nur die rechtsstaatliche Verfaßtheit der Bundesrepublik Deutschland zu verlieren sei.68 DER SPIEGEL startet am 3.10.1977 eine Artikelserie mit dem Titel „Mord beginnt beim bösen Wort", in der die polemische Verwendung von Sympathisant als „Sprachknüppel des politischen Kampfes" angegriffen wird.69 Gegen pauschale Verdächtigungen und die leichtfertige Rede vom Sympathisantenheer wendet sich der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes Günther Nollau unter Hinweis auf die Absurdität der Annahme, eine Tausende umfassende Terrorarmee könne in der Bundesrepublik im Geheimen operieren.70 Zwar erleben bei den Trauerfeiern um die von einigen Anwälten als Mordopfer dargestellten Stammheimer Gefangenen die Kriegsmythen der RAF einen „Boom" ( D I E WELT 26.10.1977, S. 3), der zur nochmaligen Verhärtung der „Fronten" führt. Doch auf der „Gegenseite" regierungsoffizieller Stellungnahmen wird das Arsenal des Sympathisanten-Verdachts abgebaut. Beim Staatsakt für Schleyer appelliert Bundespräsident Walter Scheel an die Öffentlichkeit, vorsichtig mit dem Wort Sympathisant umzugehen, damit bei der Bekämpfung der Terroristen unterschieden wer68
DER SPIEGEL ( 3 . 1 0 . 1 9 7 7 ) , H . 4 1 , S. 2 9 . Z u r D o k u m e n t a t i o n d e r Kritik a n d e r K r i e g s d e u -
tung des Terrorismus vgl. auch Duve/Böll/Staeck 1977 passim sowie Bundesministerium des Innern 1978 passim.
69
DER SPIEGEL ( 3 . 1 0 . 1 9 7 7 ) , H. 4 1 , S. 3 0 . Z u r Kritik d e s V e r s u c h s d e r
70
z u n u t z e n , vgl. DIE WELT 1 2 . / 1 3 . 1 0 . 1 9 7 7 . DER SPIEGEL ( 1 7 . 1 0 . 1 9 7 7 ) , H . 4 3 , S. 3 0 .
schäftsstelle unter Heiner Geißler, die Sympathisanten-Verfolgung
CDU-Bundesge-
parteipolitisch aus-
Terrorismus-Diskussion
431
den könne zwischen Gruppen aktiver Helfer und ideologischen Anhängern sowie allen, die berechtigterweise „auf der menschlichen Würde auch der Terroristen" beharren, und der „großen und respektablen Gruppe" aller jener Bürger, „die an diesem Staat, an dieser Gesellschaft etwas auszusetzen haben" (ebd.). Aufgrund dieser Mahnung zur sprachlichen Differenzierung wird der pauschale Sympathisanten-Verdacht bald zum untauglichen Mittel für Freund-Feind-Markierungen in der Terrorismusdiskussion und verliert in der Folge einen Großteil seiner früheren diffamatorischen Brisanz.71 Dieser langsam beginnenden De-Eskalierung des Terrorismusdiskurses in der Öffentlichkeit steht die Sprach- und Kompromißlosigkeit der RAF gegenüber, die in ihrem Bekennerschreiben die Ermordung Schleyers als „Beendigung der kläglichen und korrupten Existenz" bezeichnet und noch 1982 behauptet, ihre militärisch „härteste" Niederlage habe „die machtfrage materiell und direkt an den Staat gestellt", womit „ein zentraler bestandteil sozialdemokratischer politik, die verdeckte kriegsführung, zerbrochen" sei und der „offen reaktionär auftretende imperialistische Staat, der den vergleich mit seiner faschistischen Vergangenheit nicht mehr scheute", entlarvt worden sei (DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 18.10.1987).72 Daher sei es nun möglich, „einen neuen abschnitt in der revolutionären strategie im imperialistischen Zentrum zu entfalten" (Backes/Jesse 1989, Bd. 3, S. 140) - eine Behauptung, die in ihrer stereotypen Anknüpfung an die Kriegserklärungen der ersten RAF-Generation zeigt, wie weitgehend von der öffentlichen Diskussion abgekoppelt und auf die Fiktion eines „fortschreitenden" revolutionären Kampfes in der Bundesrepublik fixiert die im Untergrund verbliebene „Guerilla" blieb. Im Anschluß an die angekündigten weiteren Anschläge und an „erfolgreiche" Mordtaten von RAF-Kommandos — die Erschießung des Vorstandsvorsitzenden der MTU, Ernst Zimmermann, die Ermordung des US-Soldaten Edward Pimental 1985 mit dem darauf folgenden Bombenanschlag auf die US-Airbase in Frankfurt sowie das Bombenattentat auf den Siemens-Forschungschef Karlheinz Beckurts - lebten später die aus den siebziger Jahren tradierten Ärfegs-Beschwörungen in der Öffentlichkeit zwar wieder auf — vor allem dann, wenn zuvor die Überzeugung vorgeherrscht hatte, alles sei „ruhig an der Terrorfront"73.
71 72 73
Zur Bedeutungsentwicklung von Sympathisant vgl. Musolff 1989, S. 95ff. Backes/Jesse 1989, Bd. 3, S. 140-147. Zur Interpretation der RAF-Erklärung von 1982 vgl. Kallscheuer/Sontheimer 1987, S. 29f.; Peters 1991, S. 2941Ï. Vgl. das Interview mit dem ehemaligen Chef des Bundeskriminalamtes, Horst Herold. In: DER SPIEGEL ( 8 . 9 . 1 9 8 6 ) , H . 3 7 , S. 39-
432
Kapitel 11
Auf der anderen Seite gab es aber seit Ende der siebziger Jahre immer neue Versuche, die Sprachlosigkeit und Tödlichkeit der Kommunikation zwischen Staat und Terroristen zu durchbrechen. So finden sich der ehemalige freidemokratische Bundesinnenminister Gerhart Baum und Horst Mahler als Häftling (ab 1980 wieder auf freiem Fuß) zu einem Streitgespräch zusammen, um die Bedingungen der Gewalteskalation zu diskutieren.74 Des weiteren appellieren Exterroristen, die nicht zu PolizeiInformanten geworden sind, an die Restgruppen der RAF, des „2. Juni" und der seit Mitte der siebziger Jahre neben der RAF operierenden „Revolutionären Zellen" an ihre früheren Genossen, den bewaffneten Kampf einzustellen.75 Gegen Ende der Regierungszeit der sozialliberalen Koalition waren auf Antrag der SPD und FDP einige in den siebziger Jahren eingeführte Terrorismusgesetze wieder aufgehoben worden, wie die Paragraphen 88a (Verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten) und 130a (Anleitung zu Straftaten), die keine Fahndungserfolge gegen die RAF, stattdessen aber Kriminalisierung und Verunsicherung jener bewirkt hatten, die die Positionen der RAF und ihrer „Sympathisanten" durch Publikation der öffentlichen Kritik zugänglich zu machen versucht hatten.76 Nach dem 1986 erfolgten Mord an Gerold von Braunmühl, einem Beamten im Auswärtigen Amt, reagierten die Brüder des Ermordeten auf das .Bekennerschreiben' der RAF mit Leserbriefen in der TAGESZEITUNG (taz). Im ersten Brief setzen sie sich mit der Begründung der Mörder für die Wahl von Braunmühls als Opfer aufgrund seiner Teilnahme an Sitzungen von Nato- und EG-Gremien zur Sicherung der „politischen formierung Westeuropas in der imperialistischen kriegsstrategie" auseinander.77 Braunmühls Ermordung war aus dieser Sicht ein Teil der Offensive gegen die „globale imperialistische kriegsstrategie". Die Brüder des Ermordeten versuchen, dieser „Sprache wie Beton" durch ernsthafte Befragung beizukommen: „Auf die Zustimmung der Menschen, für die Ihr denken und handeln wollt, habt Ihr verzichtet. - Wer erleuchtet Euch? Wer macht Euch zu Auserwählten Eurer elitären Wahrheit' [...] Gibt es irgendetwas außerhalb Eurer grandiosen Ideen, was Euch erlaubt, einem Menschen Eure Kugeln in den Leib zu schießen?" (Braunmühl 1987, S. 20)
Der Brief endet mit dem Appell an die Terroristen, zurückzukehren zu nicht-tödlichen Methoden der Auseinandersetzung:
74
DER SPIEGEL ( 3 1 . 1 2 . 1 9 7 9 ) , H. 5 3 , S. 36; J e s c h k e / M a l a n o w s k i 1 9 8 0 .
75 76 77
Vgl. Jeschke/Malanowski 1980; Baumann 1980; Klein 1979· Vgl. Hofmann 1987, S. 35f-, 46ff.; Eschen 1987, S. 88f. Bekennerbrief. In: Braunmühl 1987, S. 23.
Terrorismus-Diskussion
433
„Habt den Mut, Euer geistiges Mordwerkzeug zu überprüfen. Es hält der Prüfung nicht stand. Treffend sind nicht Eure Argumente, treffend sind nur Eure Kugeln." (Braunmühl 1987, S. 22) Das Echo auf den Brief der Braunmühl-Brüder in den Leserbriefen der taz ist zum Teil geprägt von einem kriegerischen Zynismus, dem die Ermordung eines Staatsbeamten bloß ein Außer-Gefecht-Setzen eines ,yertreters des kapitalistischen Systems" ist, aber auch durch Versuche früherer RAF-Anhänger, ihre Kriegs-,Stellungen' zu verlassen.78
6. Vergangenheitsbewältigung zum »Herbst '77« zehn Jahre danach Die verhängnisvolle Fixierung auf den Kriegsmythos als Grundmuster der Auseinandersetzung wurde 1987 anläßlich der Besinnung auf den Zehnjahres-Abstand zum Deutschen Herbst des Jahres 1977 zum Gegenstand einer breiten Diskussion in den Medien und auch in der politischen Arena. Zum einen war die Entwicklung der ersten RAF-Generation „Geschichte geworden", die nacherzählt werden mußte, um den Zusammenhang zwischen ihr und den folgenden RAF-Gruppen öffentlich bewußt zu halten: Dies hatten bereits seit Mitte der achtziger Jahre Bestseller wie Stefan Austs „Baader-Meinhof-Komplex" und Filme über die Stammheim-Tragödie versucht. Zehn Jahre nach 1977 - und 20 Jahre nach 1967 - wurden in Reminiszenz-Artikeln und Chroniken die „Tage des Terrors" nachgezeichnet.79 Thematisiert und als begriffliche Überstrapazierung der „1968er-Terminologie" kritisiert werden die Antifaschismus-, Antiimperialismus- und Revolutions-Mylhcn der RAF nun auch von früheren Mitgliedern der APO und der Studentenbewegung. 80 Daniel Cohn-Bendit weist im Gespräch mit dem Bundesjustizminister von 1977 (und späteren SPD-Vorsitzenden) Hans-Jochen Vogel darauf hin, daß für die antiautoritäre Bewegung yietnamkrieg, die Diktaturen in Persien und Griechenland oder auch die Notstandsgesetze" dazu herhalten mußten, „ein genuines Widerstandsrecht gegen den westdeutschen Staat zu fordern", welches dann die späteren Terrorgruppen „für bare Münze nahmen" und aufgrund persön-
78
Vgl. Braunmühl 1987, S. 41, 53 sowie S. 117-124.
79
V g l . z . B . STERN ( 2 7 . 8 . 1 9 8 7 ) , H . 36, S. 5 4 - 6 4 , (3.9-1987), H . 37, S. 8 8 - 1 0 0 , ( 1 0 . 9 1 9 8 7 ) , H . 3 8 , S. 6 4 - 7 4 , ( 1 7 . 9 . 1 9 8 7 ) , H. 3 9 , S. 8 2 - 9 0 ; DIE ZEIT 2 . 1 0 . 1 9 8 7 , 9-10.1987, 1 6 . 1 0 . 1 9 8 7 ; DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 6 . 9 . 1 9 8 7 , 1 8 . 1 0 . 1 9 8 7 s o w i e d i e
80
Veröffentlichungen von Sontheimer/Kallscheuer 1987; Härtung 1987 und Pohrt 1987. Vgl. Kallscheuer/Sontheimer 1987, S. I6f.; Hansen 1987, S. 123ff. und 131ff-; Härtung 1987, S. 148ff.
434
Kapitel 11
licher Repressionserfahrung „in konkreten bewaffneten Widerstand umgesetzt haben" (Cohn-Bendit/Vogel 1987, S. 153). Auch die „Sprachlosigkeit" breiter Teile der Neuen Linken seit den Stigmatisierungskampagnen mit den Ausdrücken Sympathisanten und Umfeld in der Zeit nach 1977 wird selbstkritisch als Versäumnis einer Auseinandersetzung mit der Tatsache gesehen, daß die Entwicklung der RAF ein integraler Bestandteil des 1969/70 einsetzenden .Auflösungsprozesses" der APO-Bewegung war, innerhalb dessen sie die Rolle der militanten Guerilla für sich in Anspruch nehmen und ungehindert behaupten konnte: „Als die RAF das Feld der Illegalität besetzte, hatte sich die Linke in ein Nebeneinander sich befehdender Avantgarden aufgelöst, ohne daß es noch eine Instanz der linken Öffentlichkeit gegeben hätte. Keine Vermittlung lag mehr zwischen dem einsamen Entschluß, in den Untergrund zu gehen, und dem ebenso einsamen Entschluß, es nicht zu tun." (Härtung 1987, S. 157)
Die Wirkung der RAF-Aktionen auf das gesamte politische Spektrum wird so eingeschätzt, daß der Staat, der ,.Anfang der 70er Jahre sein obrigkeitliches Gehabe und die Neigung, autoritär aufzutrumpfen, ein bißchen zu verlieren [schien]", durch die Terrorismusbedrohung sich soweit herausgefordert sah, daß am Ende neue „Selbstvergewisserung der Politiker, die wenigstens einen starken Staat markieren wollten" (Hofmann 1987, S. 42), stand. Nach den Morden von 1985/86 tauchte für kurze Zeit noch einmal die Gefahr einer Rückkehr zur Kriegs-Eskalation auf, nicht zuletzt, da die RAF auch im internationalen Rahmen wieder operationsfähig zu sein schien. Zusammen mit der französischen Terrorgruppe „ A c t i o n directe" hatte sie Anfang 1985 ein „Kommuniqué" zur „Einheit der Revolutionäre in Westeuropa" und zu ihrem Engagement im „internationalen klassenkrieg" herausgegeben, dem im Februar desselben Jahres die Ermordung des französischen Generals Réné Audran, 1986 dann des Chefs von Renault, Georges Besse, folgten. 1987 hat sich die Situation geändert. Der französischen Polizei gelingt zu Anfang des Jahres ein entscheidender Verhaftungsschlag gegen die Action directe, womit sich die Kriegs-JÚ\ianz der „Revolutionäre in Westeuropa" faktisch auflöst.81 Die RAF selbst ist bis September 1988 zu keinem Anschlag mehr fähig,82 da sie selbst so geschwächt ist, daß sie erst auf eine neue Solidari81 82
Zu den Bemühungen der RAF um den Aufbau einer „westeuropäischen Front" vgl. Peters 1991, S. 369ff. Der Anschlag vom 20.9.1988, ein Feuerüberfall auf den Wirtschaftsstaatssekretär Hans Tietmeyer in Bonn, mißlingt aufgrund „dilettantischer Ausführung", wie das Bundeskriminalamt urteilt. Die RAF ist über diese Kritik so beleidigt, daß sie im Selbstbezich-
Terrorismus-Diskussion
435
sierungs- und Rekrutierungskampagne warten muß, um „schlagfähig" zu werden. Währenddessen wird sich die bundesdeutsche Öffentlichkeit des zehnjährigen Abstandes zu den Ereignissen von 1977 bewußt und kann die damalige Sympathisantenjagd und die hastigen Gesetzgebungsinitiativen in einer historischen Perspektive sehen, die deutlich macht, daß durch die „harte Linie" des Staates der Terrorismus jedenfalls nicht eliminiert wurde. In diesem Kontext sehen diejenigen, die sich um eine De-Eskalation bemühen, eine Chance, in der durch die BraunmühlInitiative sensibilisierten Öffentlichkeit neue Wege der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus zumindest in bezug auf die Inhaftierten zu erkunden. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Antje Vollmer, greift ihre eigenen Bemühungen und die anderer wieder auf, durch Teilamnestien, Begnadigungen und vorzeitige Haftentlassung für jene RAF-Gefangenen, die eine lange Haftzeit hinter sich haben und sich vom Terrorismus losgesagt haben, sowie durch Zugeständnisse des Staates bei der Lockerung der Hochsicherheits-Haftbedingungen mögliche Solidarisierungen neuer RAF-Rekruten in Haftkomitees etc. zu verhindern. 83 Sie klagt ebenfalls die moralische Verpflichtung der mit den GRÜNEN in das „Polit-Establishment" — wie es 1968 geheißen hätte — zum Teil bis zu Ministerwürden aufgestiegenen ehemaligen APO-Mitglieder ein, sich selbstkritisch mit denjenigen auseinanderzusetzen, die nur praktisch das „getan [haben], was in vielen von unseren Köpfen als notwendige Radikalisierung während des Vietnamkrieges gedacht worden ist" (Vollmer 1987b, S. 15).84 Aber nicht nur unter ehemaligen APO-Mitgliedern werden Tabus gelockert. Gegen hinhaltenden Widerstand des Buback-Nachfolgers als Generalbundesanwalt, Kurt Rebmann, und der CSU beginnen die für die jeweiligen Häftlinge zuständigen Gnaden-Instanzen - Ministerpräsidenten und Bundespräsidialamt - Gnadengesuche verurteilter Terroristen zu prüfen und gelangen zu Entscheidungen, für die mehr als 15 Jahre zuvor Heinrich Boll als Sympathisant angegriffen wurde. Nachdem im November 1987 bereits die ersten vorzeitigen Entlassungen von RAF-Mitgliedern
83
84
tigungsschreiben eine genaue Erklärung ihrer Panne (Ladehemmung der Maschinenpistole) gibt. Vgl. Peters 1991, S. 371. Zur Amnestiekampagne vgl. die Beiträge in Härtung 1987, S. 160-181 sowie Vollmer 1987a. Vollmer hatte sich in dem zuerst im Januar 1986 in der taz publizierten Artikel auch auf die Kette der „verpaßten Chancen" bezogen, die weitere Eskalation des RAF-BRD-A"riçges zu vermeiden: 1969 Ablehnung der Begnadigung der Frankfurter Kaufhausbrandstifter, 1972 Bolls Intervention der Isolationshaft sowie die Nichtbeachtung der Gesprächswünsche der inhaftierten RAF-Führer in Stammheim im Oktober 1977. Vgl. auch Vollmer 1987a, S. 186.
436
Kapitel 11
nach 15-jähriger Haft genehmigt wurden, begnadigt im Sommer und Ende 1988 der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel die RAF-Mitglieder der ersten Generation Klaus Jünschke und Manfred Grashof, im Frühjahr 1989 erweist Bundespräsident Richard von Weizsäcker Angelika Speitel Gnadet Nachdem das „jahrelange Schweigen" (Vollmer) über den bundesdeutschen Terrorismus und seine politisch-historischen Hintergründe in den Debatten 1986 bis 1988 durchbrochen wurde, kommt es im darauffolgenden Jahr zu einer neuen Entwicklung, die so bis dahin nicht möglich war. Im zehnten Hungerstreik, der am 1. Februar 1989 beginnt und dem sich schubweise 47 Häftlinge anschließen, vermeiden die Inhaftierten, die sich als „Gefangene aus der RAF" nicht mehr als oberste RAF-Führungsgruppe präsentieren86, eine Totalkonfrontation, indem sie bei akuter Gefährdung den Streik unterbrechen und ihre Forderungen auf Zusammenlegung in Gruppen konzentrieren, anstatt den Kriegsgefangenenmythos aufrechtzuerhalten. Die Aktionen des sogenannten Umfeldes beschränken sich im wesentlichen auf öffentlichkeitswirksame Besetzungen von Kirchen und Parteiräumen und Demonstrationen, an denen sich bis zu 7000 Menschen beteiligen. Aufgrund der öffentlichen Debatte sieht sich der Generalbundesanwalt gezwungen, eine detaillierte Dokumentation über die Haftbedingungen der RAF-Häftlinge zu publizieren. Der Bundesverfassungsschutz spricht sich für ein partielles Eingehen auf die Forderung nach Zusammenlegung aus. Statt der verlangten Großgruppen sollen kleinere Gruppen den isolierten Häftlingen Kontakte ermöglichen, die nicht sicherheitsgefährdend, weil überschaubar, sind (DIE Z E I T 19-5.1989)-87 Zum ersten Mal kommt es zu einer faktisch uneinheitlichen Reaktion des Staates. Nachdem sich Bayern und Baden-Württemberg von den Verhandlungen des Bundesjustizstaatssekretärs Klaus Kinkel distanziert haben, beschließen SPD-geführte Landesregierungen, die Kleingruppenlösung durchzusetzen, auch wenn die Terroristen zunächst auf ihren Maximalforderungen zu bestehen vorgeben. Daß der Staat nicht erpreßt wurde, zeigte sich am 12. Mai 1989: Der Hungerstreik wird beendet. Angehörige der Sympathie-Szene kommen sich laut S P I E G E L daraufhin „benutzt und veralbert vor". Die Parole „Sieg oder Tod" sei wohl nur „heiße Luft" gewesen.88 85 86 87
RP 18.6.1988, 10.11.1988; DIE ZEIT 17.3.1989. Zu der besonders heftig geführten Debatte um das Gnadenrecht des Bundespräsidenten vgl. auch DIE ZEIT 30.8.1988, 7.10.1988, 14.10.1988. Vgl. Peters 1991, S. 375. Vgl. auch Peters 1991, S. 381ff.
88
DER SPIEGEL ( 2 2 . 5 1 9 8 9 ) , H . 2 1 , S. 1 0 0 .
Terrorismus-Diskussion
437
Während der folgenden Monate wird der Terrorismus der RAF wie andere Themen von den zur Staatskrise und Maueröffnung reifenden Entwicklungen in der DDR weitgehend in den Hintergrund gedrängt. Umso schockierter reagiert die Öffentlichkeit auf den Mord am Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, am 30. November 1989 in Bad Homburg durch eine per Lichtschranke ferngezündete Mine, die sein Auto völlig zerstört, ihn selbst sofort tötet und seinen Fahrer schwer verletzt. Ein an den Schaltkasten geklebter Zettel identifiziert die Täter als RAF„Kommando Wolfgang Beer" (benannt nach einem 1980 bei einem Verkehrsunfall umgekommenen RAF-Mitglied). In dem drei Tage später an die Nachrichtenagenturen übermittelten Bekennerschreiben wird nur in einem Absatz auf die „Gründe" für die Ermordung des Bankiers eingegangen: „unter herrhausens regie" habe sich „die deutsche bank zur europaweit größten bank aufgeschwungen" und „stehe an der spitze der faschistischen kapitalstruktur". Nun lauere sie „in den startlöchern", um den jahrelang vorbereiteten „einbruch in die länder Osteuropas" zu vollziehen, und „auch die menschen dort wieder dem diktat und der logik kapitalistischer ausbeutung zu unterwerfen".89 Vier Fünftel des Schreibens sind jedoch der ritualisierten Selbststilisierung als „front gegen den imperialismus" gewidmet, die zum Teil in wörtlicher Übereinstimmung mit den Briefen der ersten RAF vom Mai 1972 — damals ging es gegen die US-Soldaten - formuliert sind. Den „akteuren des systems" wird angedroht, daß „es für sie keinen platz geben wird in der weit, an dem sie vor den angriffen revolutionärer guerillaeinheiten sicher sein können".90 Die sich in der Einfallslosigkeit ihrer ,Bekennerschreiben' äußernde Sterilität der politischen Konzeption ändert nichts an der Gefährlichkeit der Terroristen, zeigt aber, daß sie zwei Jahrzehnte nach ihren Anfängen nicht einmal mehr über den Schein einer Ideologie verfügen, sondern allenfalls über einen nostalgischen Mythos der „Blutzeugen" des „bewaffneten Kampfes". Hauptthemen der öffentlichen Diskussion zu den Gründen für das Attentat auf Herrhausen sind daher auch keine Bezugnahmen auf die deutsche politische Situation, sondern der „Symbol-Status" Herrhausens als „mächtigster" und vielleicht prominentester deutscher Wirtschaftsführer,91 die relative Erfolglosigkeit der Sicherheitsbehörden bei der Fahndung
89 90 91
Brief der RAF. In: FR 6.12.1989, S. 4. Ebd. DIE WELT 1.12.1989; FAZ 1.12.1989; taz 1.12.1989; FR 1.12.1989; DER SPIEGEL (4.12.1989) H. 49, S. 14; DIE WELTWOCHE 8.12.1989·
Kapitel 11
438
nach der neuen, nach 1977 entstandenen RAF-Generation 92 und Vermutungen über den möglicherweise verschlüsselten Handlungsaufruf des RAF-Hungerstreikteilnehmers Helmut Pohl im ,Angehörigen-Info", dem Informationsorgan der Haftkomitees, man müsse sich „auf eine neue phase des kampfs orientieren".93 Während für die FAZ „der Tod Herrhausens und auch das Schreiben Pohls" die Bemühungen der von Braunmühls, Vollmers und Kinkels um einen Dialog mit den Häftlingen „zunichte gemacht" haben, sehen die Sicherheits- und Justizbehörden - anders als 1977 - keinen Grund zu einer Änderung der Haftbedingungen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble insistiert in einem SpiEGEL-Interview auf dem Recht von Strafgefangenen „auf Korrespondenz nach draußen, soweit damit nicht erkennbar gegen bestehende Vorschriften verstoßen wird", und interpretiert den Pohl-Brief als Aussage an die im Untergrund agierende RAF: „Macht was ihr wollt, macht's auf eigene Faust, aber macht was".94 In der Folge konzentriert sich die öffentliche Diskussion auf eher „sicherheitstechnische" Probleme des Schutzes für gefährdete Personen und auf Fahndungspannen bei der Aufklärung des Mordes. Eine engere Verbindung der RAF-Thematik mit .deutsch-deutschen' Problemen ergibt sich dagegen im Verlauf des Vereinigungsjahres 1990. Im Zuge der wachsenden Zusammenarbeit zwischen BRD- und DDR-Polizeibehörden gelingt ein unerwarteter „nachträglicher" Fahndungserfolg. In der noch existierenden DDR werden in kurzen Abständen acht seit 1977 von den bundesdeutschen Fahndern vergeblich gesuchte Angehörige der zweiten RAF-Generation gefaßt, unter ihnen die Ponto-Attentäterin Susanne Albrecht sowie die noch zur frühen „Bewegung 2. Juni" und zur RAF gehörende Inge Viett. Trotz zahlreicher Dementis von Seiten der Vor-Wende-DDR-Autoritäten wird schnell klar, daß die RAF-Mitglieder vom „Staatssicherheitsdienst" (STASI) der DDR aufgenommen, mit falschen Identitäten ausgestattet und bis zu dessen Auflösung im Gefolge der ostdeutschen Revolution Ende 1989 beschützt wurden.95 Die „STASI-RAF-Verbindung" (Peters) gewinnt allerdings eine dramatische Brisanz erst im April 1991: Am 3.4. erschießt ein RAF-„Kommando Ulrich Wessel" den Vorstandsvorsitzenden 92
FAZ 1.12.1989; RP 2.12.1989; STERN-Extra 4.12.1989.
93
DIE WELT 2 . 1 2 . 1 9 8 9 , DER SPIEGEL ( 4 . 1 2 . 1 9 8 9 ) ,
H . 4 9 , S . 1 6 ; P e t e r s 1 9 9 1 , S . 384FF.
Die
Formulierung von der „neuen phase" findet sich auch im Bekennerschreiben. Sie gehört zum etablierten RAF-Jargon, der einen kontinuierlichen .Fortschritt' im sogenannten „antiimperialistischen Befreiungskampf' suggeriert (vgl. zum Beispiel die Erklärung der Roten Armee Fraktion von 1982. In: Backes/Jesse 1989, S. 140-147).
94
DER SPIEGEL ( 4 . 1 2 . 1 9 8 9 ) , H . 4 9 , S . 2 0 .
95
DIE ZEIT 2 . 6 . 1 9 9 0 ; DER SPIEGEL ( 2 0 . 8 . 1 9 9 0 ) , H . 3 4 ; S . 5 2 ; P e t e r s 1 9 9 1 , S . 1 1 - 3 0 , S . 2 9 9 334.
Terrorismus-Diskussion
439
der mit der Verwaltung und Privatisierung von Staatsbetrieben der ehemaligen DDR betrauten „Treuhandanstalt", Detlev Karsten Rohwedder, durch das Fenster seines Wohnhauses in Düsseldorf. Der am Tatort zurückgelassene Bekennerbrief stellt einen Zusammenhang zwischen dem Mord und der neuen gesamtdeutschen Politik her: Es gelte „DIE BEDINGUNGEN FÜR MENSCHENWÜRDIGES LEBEN IM KAMPF GEGEN DIE REAKTIONÄREN GROSSDEUTSCHEN UND WESTEUROPÄISCHEN PLÄNE ZUR UNTERDRÜCKUNG DER MENSCHEN" durchzusetzen. 96
Dieses Mal ziehen auch die Medien sofort den Schluß von dem vereinigungspolitischen Engagement des früheren Hoesch-Chefs auf den Mord. Die taz kommentiert ihn als „Anbiederung" der RAF bei „den Opfern der Wende"; DIE ZEIT titelt „Mord am Manager der Einheit", und auch im Ausland wird die Ermordung in den Zusammenhang der umstrittenen Privatisierungs- und Stillegungspolitik der Treuhandanstalt gestellt.97 Sofort wird in den Medien auch über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit der RAF mit untergetauchten ehemaligen STASI-Angehörigen bei dem Anschlag diskutiert,98 aber schon am nächsten Tag von dem inzwischen amtierenden Bundesjustizminister Kinkel im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft als durch keine Fahndungshinweise belegt zurückgewiesen.99 Bald werden Zweifel daran laut, ob die Polizei überhaupt noch einen Überblick über die Terroristenszene habe, der Fahndungserfolge ermögliche.100 Tatsächlich stehen die Ermittler auch nach über einem Jahr „mit leeren Händen da" - die Analysen einer nach dem Rohwedder-Mord eingesetzten Fachkommission zur Terrorismusbekämpfung kommen, soweit sie bekannt werden, zu dem Schluß, die Terrorismusabwehr im vereinigten Deutschland bedürfe der Zentralisierung durch Zusammenfassung der Fahndungskompetenzen bei einer vom Bundestag kontrollierten Behörde.101 Daneben laufen die Debatten um vorzeitige Haftentlassungen und Begnadigungen von RAF-Häftlingen weiter, nur daß es nicht mehr allein dem „Umfeld" überlassen bleibt, dieses Thema zu „besetzen". Vielmehr 96
97
DER SPIEGEL (8.4.1991), H. 15, S. 18. Der zum Namensgeber des Kommandos ernannte
Ulrich Wessel ist 1975 bei der Erstürmung der von der RAF besetzten BRD-Botschaft in Stockholm getötet worden. taz 3-4.1991; DIE ZEIT 5.4.1991. Vgl. auch: Ein Anschlag auf Deutschland. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 3 . 4 . 1 9 9 1 ; M u r d e r o f a n I d e a . I n : FINANCIAL TIMES 3 . 4 . 1 9 9 1 ;
link feared in German killing. In: GUARDIAN 3.4.1991· 98
R P 3 . 4 . 1 9 9 1 ; BAYERNKURIER 6 . 4 . 1 9 9 1 ·
99
Vgl. FAZ 4.4.1991.
100
F A Z 4 . 4 . 1 9 9 1 ; DER SPIEGEL ( 8 . 4 . 1 9 9 1 ) , H . 1 5 , S. 1 8 ; DIE WELT 1 1 . 4 . 1 9 9 1 .
101
R P 1 . 4 . 1 9 9 2 ; DIE WELT 2 5 . 7 . 1 9 9 2 .
STASI
440
Kapitel 11
beraten auf Initiative des Bundesjustizministers die Justizminister der Länder eine ,^ende in der Antiterror-Politik": Liberale „Pragmatiker", so DER SPIEGEL, „obsiegen [...] über die Betonköpfe".102 Die Übernahme des Gnade«-Vorschlags durch die Justizminister macht den entscheidenden Unterschied au§. Diesmal sind es nicht Sympathisanten (oder als Sympathisanten/Wegbereiter denunzierbare Staats- und Gesellschaftskritiker), sondern „Hüter von Recht und Gesetz", die den zwanzig Jahre alten Vorschlag Heinrich Bolls aufgreifen - und sie setzen durch, daß er nicht als Nachgeben gegenüber dem Terrorismus mißverstanden, sondern als Mittel zu seiner Eindämmung interpretiert wird. So wird zum Beispiel die vermutete Gefahr eines neuen Anschlags der RAF im Januar 1992 von Kinkel nicht zum Anlaß genommen, die Liberalisierungs-Überlegungen etwa abzubrechen, sondern im Gegenteil die Anschlagsgefahr als Indiz der Furcht der orthodoxen RAF-Führer vor der möglichen Zersetzungswirkung seiner Vorschläge darzustellen. Im Kontext der Thematisierung als Antiterror-Taktik stellen sich Hafterleichtungen nicht mehr nur als Kapitulation des Staates vor der RAF, sondern als Mittel ihrer effektiven Bekämpfung und als Erweis einer wiedergewonnenen Souveränität des Rechtsstaates dar.103
7. Die Debatten um das »Friedensangebot« der RAF 1992 Es dauert bis Mitte April 1992, bis die im Untergrund agierende RAF auf den neuen Terrorismusdiskurs des Staates reagiert. Drei Monate nach der Meldung über neue Attentatsgefahren meldet DIE WELT eine sensationelle Wende auch des Terroristendiskurses: „RAF kündigt Einstellung von Mord und Terror an" (DIE WELT 14.4.1992) heißt es zu einem Brief, den die Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) - traditioneller Adressat der RAF-Mitteilungen - erhalten hat. Während für DIE WELT an diesem Tag die Echtheit des Schreibens noch nicht feststeht, berichtet am nächsten Tag die FRANKFURTER RUNDSCHAU (FR), das Bundeskriminalamt habe die Echtheit bestätigt, und sie druckt den Brief im Wortlaut ab. Die zentrale Textstelle - im Original hervorgehoben - lautet: ,JVIR HABEN UNS ENTSCHIEDEN, DASS WIR VON UNS AUS DIE ESKALATION ZURÜCKNEHMEN. DAS HEISST, WIR WERDEN ANGRIFFE AUF FÜHRENDE REPRÄSENTANTEN AUS WIRTSCHAFT UND STAAT FÜR DEN JETZT NOTWENDIGEN PROZESS EINSTELLEN." (FR 15.4.1992)
102 DER SPIEGEL (13.1.1992), H. 3, S. 79. 103 Vgl. FR 10.1.1992; DIE WELT 15.1.1992.
Terrorismus-Diskussion
441
Unter dem „jetzt notwendigen prozess" verstehen die RAF-Autoren die „seit langem notwendigen gemeinsamen Diskussionen und den Aufbau von Zusammenhängen unter den verschiedensten Gruppen und Menschen", die „AUF DER SUCHE NACH WEGEN SIND, WIE MENSCHENWÜRDIGES LEBEN HIER UND WELTWEIT AN GANZ KONKRETEN FRAGEN ORGANISIERT UND DURCHGESETZT WERDEN KANN."
Der Zusammenbruch der Kommunikation mit jenen Gruppen in den vergangenen Jahren wird als „zentraler Fehler" gesehen; andererseits wird anerkannt, daß die Ankündigungen Kinkels, „einige haftunfähige Gefangene und einige von denen, die am längsten im Knast sind, freizulassen", eine Einsicht von „Fraktionen im Apparat" zeige, daß sie den Widerstand" nicht länger allein mit „polizeilich-militärischen Mitteln in den Griff kriegen". Die Erfüllung dieses Versprechens sowie die Zusammenlegung der Inhaftierten sind die einzigen „Konzessionen" des Staates, die explizit gefordert werden. Mit ihrer „Antwort" auf Kinkels Vorschlag gelingt der RAF auf einen Streich, was ihr über zwanzig Jahre lang bei allen Anschlägen verwehrt blieb: ihre Stellungnahme wird ernst genommen. Selbst aus dem Lager derjenigen, die ein „Friedensangebot" für „undenkbar" halten, wird eine Fortsetzung der begonnenen Begnadigungspolitik empfohlen und der Anteil der Jahre lang stigmatisierten Verständigungsbefürwörter wie Vollmer am Zustandekommen eines möglichen Anfangs vom „Ende des RAF-Terrors" anerkannt.104 In detaillierten Analysen wird die Wandlung der RAF-Sprache explizit thematisiert. Es sei „das erste Schreiben, in dem Selbstkritik, eine realistische Einschätzung der Lage [...] und eine vernünftige Ausdrucksweise mit einem Angebot zu Gewaltverzicht und Frieden gekoppelt wird. [...] Die Schreiber des Briefes selbst lassen ein weiteres, noch ungewohntes Motiv erkennen: Erschrecken über das Vorrücken der Rechten im Land. Der Brief liest sich in seinem letzten Teil vielleicht auch deshalb wie das Parteiprogramm einer sehr linken, aber noch verfassungsmäßigen politischen Partei, wenn man den RAF-Slang einmal subtrahiert". (DIE ZEIT 24.4.1992)
Das Schreiben der RAF bewirkt die überfällige Differenzierung der durch das Trauma des Herbstes 1977 auf den Notwehrdiskurs festgelegten öffentlichen Diskussion. Wie weit die Einschätzungen des Briefs der RAF zum Beispiel auch im Lager der parlamentarischen Linken auseinandergehen, dokumentiert die FR durch Gegenüberstellung der Kommentierung des SPD-Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses Willfried Penner, die RAF „sei kein Verhandlungspartner", mit der Anerkennung 104 Ende der Gewalt. In: DIE WELT 16.4.1992; Den Terrorismus nicht besiegen, sondern beenden [Gespräch mit Antje Vollmer]. In: DIE WELT 21.4.1992.
442
Kapitel 11
von Seiten Hans-Jochen Vogels, der den Brief als „einen großen Schritt dieser Menschen hin zur Realität" (FR 27.4.1992) würdigt. Falls die durch offizielle Legitimation von Hafterleichterungen und Gnadenerweisen sowie den RAF-Brief vom April 1992 eingeleitete Entwicklung des Konfrontationsabbaus zwischen linksextremen exterroristischen Gruppen und dem Staat nicht durch neue Anschläge zerstört und abgebrochen wird, läßt sich aus den Kommentaren eine vorsichtigoptimistische Prognose ableiten. Wenn der Justizminister des Herbstes 1977 dem Brief der RAF einen Bezug zur „Realität" zuerkennt, kann von Tabuisierung nicht mehr die Rede sein. Insoweit „realistische Diktion" (Stötzel 1980, S.44 und 1982, S. 117ff.) üblicherweise nur dem eigenen Diskurs zuerkannt wird, um diesen als unproblematisch und quasi „selbstverständlich" (ebd.) zu legitimieren, zeigt die Anerkennung für eine „realistische" Ausdrucksweise anderer die prinzipielle Bereitschaft an, sie als Gesprächspartner zu akzeptieren. Wie fatal sich die Unfähigkeit auswirken kann, die Diskurse von Gegnern überhaupt als Gesprächsbeitrag zu akzeptieren, hat sich in der Selbstauflösung des offiziellen Sprachgebrauchs der DDR-Regierenden erwiesen, deren Selbstrettungsversuche zu spät kamen.105 Die Chancen für eine Rettung der Verständigung mit jenen, die den Antifaschismus /Antiimperialismus-Diskurs der APO wörtlich nahmen und blind für die Realitäten der bundesdeutschen Gesellschaft wurden, liegen nicht bloß in der Vergangenheitsbewältigung eines über zwanzig Jahre andauernden Pseudokrieges mit Hunderten wirklicher Opfer. Sie liegen vielmehr in der Widerlegung eines Grundmusters für die Deutung politischer Auseinandersetzung als Krieg, das keineswegs auf die Debatten um den Terrorismus beschränkt ist. Und sie liegen in der Möglichkeit der Ausbildung eines Modells für die Befriedung von politischer Gegnerschaft, die bis zur Todfeindschaft getrieben wurde. Den Anstoß für den terroristischen Kriegsmythos hatte die Analogisierung zwischen heißem Krieg in Vietnam und politischem Kampf in Europa in der Zeit des Kalten Krieges gebildet. Ab 1971 wurde dieser Militärjargon in der Selbstverständigung der RAF zur eindimensionalen Beschreibungskategorie umfunktioniert. Während Boll in der Frühphase öffentlicher Reflexion über die „Schlagkraft" der RAF noch den Versuch unternahm, auf soziale Machtverhältnisse hinzuweisen, wurde die ^Tnegs-Perspektive in der Folgezeit von den Massenmedien im Streit um die Schuld am Terrorismus übernommen und von den in ihrer FrontMythologie befangenen Inhaftierten und ihren Kampfgenossen im Unter-
105 Vgl. Good 1990.
Terrorismus-Diskussion
443
grund auf die Spitze getrieben: Sie machten die eigene Person zum Gefechtsfeld, den Körper zur letzten Waffe im Hochsicherheitstrakt. Dem Selbstverständnis der Guerilla-Krieger entsprach die Emphase eines Teils ihrer Gegner bei der Selbstdarstellung als Verteidiger in einem Weltbürgerkrieg. Aufgrund ihrer „sich selbsterfüllenden" Kraft trugen solche Verwendungen der Militärterminologie zur Eskalation der Konfrontation als Kriegssituation bei. Zumindest für den Herbst 1977 lassen sich relevante „Merkmals"-Übereinstimmungen zwischen dem RAF-Terrorismus und Staatskriegen finden, wie Einsatz von Schußwaffen, Tote und Verwundete. Es bleibt aber einer Kritik dieser Kriegsterminologie nichts anderes übrig, als den mythischen Charakter des militärischen Sprachgebrauchs in der Terrorismusdebatte offenzulegen. Wenn es je eine kriegsähnliche Situation in der Auseinandersetzung zwischen Staat und Terroristen gab, so war sie das Produkt der Mythisierung der politischen Parteinahme für eine Seite des Vietnamkrieges zur militärischen Auseinandersetzung in den „Metropolen" und der mit ihr einhergehenden Selbststilisierung zu Kriegern für den Antiimperialismus auf der Seite der RAF sowie der Verteidigung einer verabsolutierten formalen Konzeption von Rechtsstaatlichkeit, die gegen jede radikale Kritik immun sein sollte, auf der anderen Seite. Für die RAF waren die bis Mitte der achtziger Jahre insgesamt neun Hungerstreiks primär Versuche, den Staat zum Nachgeben und zur Anerkennung ihres Kriegsgefangenen-Status zu zwingen; umgekehrt (aber in einem tragischen Sinne komplementär) sahen die Strafvollzugsbehörden und ihre politischen Vorgesetzten in diesen Aktionen nur Erpressungsversuche, denen sie nicht nachgeben durften. Diese eindeutige Freund-Feind-Situation „auf Leben und Tod" bestand aber nicht von Anfang an. Sie wurde erreicht über die Degradierung politischer Probleme zu bloßen Anlässen für eine verselbständigte pseudomilitärische Konfrontation, in der Antiimperialismus und Verteidigung der Demokratie oh nur beliebige Rechtfertigungsfloskeln waren. Die Anstrengungen in der Argumentationstradition von Boll, Albertz und Sartre zur Widerlegung des Militärjargons der Terroristen und ihrer Jäger" durch grenzenlose Gesprächsbereitschaft wären dann nicht vergeblich gewesen, wenn weitere innere Kriege - auch auf anderen Gebieten innenpolitischer Diskussion und Konfrontation - vermieden werden könnten. (Andreas Musolff)
Kapitel 11
444
Beleg- und Stichwörter -Bande
Gnade
-Gruppe
Go-Ins
-Parteien
Gruppe
Angriff
Guerilla
Anschauung
Guerilla-Krieg
Antifaschismus A
Guerilla-Krieger
ntiimperialismus
antiimperialistischer
harter Kern Kampf
Hauptfeind
APO
heißer Krieg
Armee
Hochsicherheit
außerparlamentarisch
Hochsicherheits-Gefängnis
A ußerparlamentarische Opposition
Imperialismus
Baader-Meinhof-Bande
Isolationsfolter
Baader-Meinhof-Gruppe Baader-Meinhof-Gruppe/Bande Baader-Meinhof-Prozeß Bande Bande/
Gruppe
bewaffneter
Kampf
IRA Kalter Krieg Kapitulation Kommando arabischen
„Arm der Revolution"
Kommando
„Holger Meirts"
Kommando
„Ulrike Meinhqf"
Befreiung
Kommune 1
Bekennerbrief
Kontaktsperre
Bekennerschreiben
Konzept
Berufsverbot
Krieg
Bewegung 2. Juni
Kriegsdisziplin
Bürgerkrieg
Kriegserklärung
Stadtguerilla
Deutsche
Polizisten
Kriegsgefangenen-Status
Deutscher
Herbst
Kriegsgegner
extremistisch
kriegsrechtlich
Feind
Kriegsschauplätze
Feindschaft
Kriegssituation
Festungskampf
kriminelle
Folterkomitees
Kronzeugen
Vereinigung
Front
Metropole des
gefecht
Metropolenkampf-Jargon
Klassenfeindes
Gegengewalt
militärisch
Generation
Mini-Revoluzzer
Gewalt
Mörder und
Faschisten
Terrorismus-Diskussion • • • • • • • •
• • • • • • • • • • • •
Munition paramilitärisch Persilscheine Provisional Irish Republican Army putative Notwehr radikal Radikalenerlaß Ä A F
RAF-„Kommando Ulrich Wessel" RAF-Kommandos RAF-„Kommando Wolfgang Beer" Randgruppen Rechtsstaatlichkeit Reservist revolutionäre Identität Revolutionäre Zellen Revolutions-Mythen Rote Armee Fraktion Rote Hilfen Schwarzer September
• Sieg im Volkskrieg! •
• • • • • • • • • • • • • • • • •
5ÍÍ-/MS
Souveränität Stadtguerilla Sympathisant Sympathisantenheer Sympathisantenjagd Terror Terror ¿1er Straße Truppen-Disziplin Umfeld Vereinigung Verteidiger Verteidigung der Demokratie Wegbereiter Weltbürgerkrieg Weltrevolution Widerstand Zerstörungskrieg
»Männer und Frauen sind gleichberechtigt« Schlüsselwörter in der frauenpolitischen Diskussion seit der Nachkriegszeit 1. Vom Frauenüberschuß zur Gleichberechtigung, frauenpolitischer »Wiederaufbau· zwischen 1945 und 1 9 6 8 / 1.1 -Frauenarbeit· nach 1945 / 1.2 Die Manifestierung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz und ihre Folgen / 2. Von der Emanzipation zur Frauenförderung, die Neue Frauenbewegung und die Frauenpolitik seit 1968 / 2.1 Frauenemanzipation in den siebziger Jahren - zwischen revolutionär und reformativ / 2.2 Feminismus und andere populäre Wortprägungen aus der Neuen Frauenbewegung / 2.3 Wahlfreiheit, Partnerschaft, Chancengleichheit - parlamentarische Modelle zur Gleichberechtigung von Mann und Frau / 2.4 Gleichstellung, Frauenförderung, Quotierung - frauenpolitische Maßnahmen in den achtziger und neunziger Jahren
Die siebziger Jahre sind als die Hochzeit der Frauenbewegung nach ihrem Niedergang während der NS-Herrschaft und als Beginn einer weitgreifenden öffenüichen Reflexion der sogenannten Frauenfrage in allen Lebensbereichen anzusehen. Die „Neue Frauenbewegung" war eine breitflächig wirkende soziale Bewegung, die sich die Revolution des Geschlechterverhältnisses zum Ziel setzte. Gerade wegen ihres enormen Stellenwerts für die Entwicklung eines neuen Bewußtseins über die Geschlechterrollen innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft erscheint es angebracht, den politischen Aufbruch der Frauen in den Siebzigern in den historischen Kontext der „deutschen Frauenfrage" und ihrer politisch-sozialen Teilantworten seit Kriegsende einzubetten. Dabei wird sich zeigen, daß Kontinuität und Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Sichtweisen auch innerhalb der verschiedenen Aspekte von Frauenpolitik von sprachgeschichtlicher Relevanz sind.
1. Vom Frauenüberschuß zur Gleichberechtigung: frauenpolitischer »Wiederaufbau« zwischen 1945 und 1968 1.1 »Frauenarbeit« nach 1945 Die innenpolitischen Konzeptionen und Kommentare der nach 1945 sich zu Wort meldenden Parteien und Presseorgane waren bestimmt durch
448
Kapitel 12
das allen gemeinsame Ziel der Stabilisierung der chaotischen Lebensverhältnisse im (westzonalen) Nachkriegsdeutschland. Wiederaufbau - ob als „Neuaufbau" gepriesen oder als „Restauration" problematisiert - wurde zum zentralen Leitwort in allen Lebensbereichen, vom konkreten Wegräumen und Wiederverwerten der Häusertrümmer des Zweiten Weltkriegs bis zur Organisation eines demokratischen Staatsund Gesellschaftsgefüges und insbesondere einer intakten Wirtschaft. Die Bevölkerung, die diesen Wiederaufbau" leistete, bestand zur Mehrheit aus Frauen. „Männermangel" bestimmte das Bild im öffentlichen wie im privaten Bereich. Bereits zu Kriegszeiten hatten die Frauen an den Arbeitsplätzen und in ihren Familien die Plätze der in den Krieg gezogenen Männer übernommen. In den direkten Nachkriegsjahren - viele Männer waren „im Krieg geblieben", andere noch nicht „heimgekehrt" oder „kriegsversehrt" - setzte sich diese Veränderung der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeits- und Rollenteilung in Beruf und Familie zunächst fort.1 Trümmerfrauen2 prägten das Bild in den zerbombten Städten, ein Viertel aller Familien waren sogenannte Mutterfamilien, bestehend aus Großeltem, Mutter und Kindern, in denen die Mutter die Rolle der Ernährerin übernommen hatte.3 Für 1949 ermittelte das statistische Amt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet eine Frauenmehrheit von drei Millionen. Von diesen drei Millionen fielen 1,65 Millionen auf die Altersklassen von vierzehn bis vierzig Jahren, die gleichermaßen als hauptsächlich erwerbs- und heiratsfähig betrachtet wurden.4 Als politisch relevantes Faktum wurde diese Folge der männlichen „Kriegsverluste" als Frauenüberschuß öffentlich problematisiert und mit der innovativ anmutenden Aufforderung verbunden, auch als Mädchen nicht auf die Ehe (als yersorgungsanstalt") zu spekulieren, sondern einen Beruf zu erlernen und gegebenenfalls zur eigenen Existenzsicherung auszuüben. Sogar für die Selbstverwirklichung auch in sogenannten Männerberufen als eine Art Ersatz für Ehe und Mutterschaft wurde geworben.5 Al1 2 3
Vgl. Schubert 1984, S. 71ff. Zum Ausdruck Trümmerfrau vgl. auch die Ausführungen unter 2.3 in diesem Kapitel. Vgl. Böttger 1990, S. 101 sowie DER SPIEGEL (29.1.1949), H. 5, S. 4f.
4
V g l . NEUE ZEITUNG 2 2 . 3 . 1 9 5 0 ; S c h u b e r t 1 9 8 4 , S. 7 3 f .
5
Vgl. RHEIN-RUHR-ZEITUNG 27.6.1947: „Die Zahl der Männer im heiratsfähigen Alter ist durch die Verluste auf dem Schlachtfeld stark vermindert und erreicht in bestimmten Jahrgängen bei weitem nicht die Zahl der Mädchen. Viele von ihnen werden gut tun, mit dieser Tatsache zu rechnen und einen Beruf zu erlernen, der sie ernähren kann. Die einsichtigen Mädchen wissen das. Beruf ist ihnen Lebensaufgabe." Vgl. auch O. Buchheit: „Frauenüberschuß und Nachkriegswirtschaft": „[...] Schon während des Krieges hat sich gezeigt, daß die Frau viele Arbeiten ebensogut verrichten kann wie der Mann, manche sogar besser. Nichts liegt also näher, als Frauen auch weiterhin an .männlichen' Arbeitsplätzen zu beschäftigen. Eine allmähliche Umschichtung der
Gleichberechtigung
449
lerdings bezog sich das Angebot an „männlichen" Arbeitsplätzen in erster Linie auf die niedriger entlohnten sogenannten Leichtarbeitsplätze·. „Nicht jedes Mädchen kann Ärztin, Apothekerin, Lehrerin, Kindergärtnerin werden. Dagegen bieten sich Tätigkeiten in den leichteren Handwerken den Frauen an. Sie dürfen nicht bedenklich werden in der Vorstellung, daß den Frauen nicht gemäß sei, was bislang Männerwerk war." (RHEIN-RUHR-ZEITUNG 2 7 . 6 . 1 9 4 7 )
Indessen zeigte gerade die Funktion von Frauenüberschuß als Legitimationsvokabel für die Berufstätigkeit der Frau, daß diese als bedauernswerte Abweichung von der Norm - der Rolle des Mannes als Ernährer und der Rolle der Frau als Ehefrau, (Nur-)Hausfrau und Mutter - betrachtet wurde. An der Grundauffassung von der Ehe als yersorgungsanstalt" der Frau wurde weiterhin festgehalten. So mußte der Frauenüberschuß auch als ein Argument zur Legitimierung der Entlassung verheirateter weiblicher Verwaltungsangestellter und -beamter herhalten. Die von ihren Ehegatten „versorgten" Ehefrauen sollten ihren Arbeitsplatz unter anderem zugunsten der „alleinstehenden" und damit „unversorgten" Frauen räumen. So schrieb die KÖLNISCHE RUNDSCHAU: ,^ir haben einen besorgniserregenden Überschuß an Frauen. Da nicht alle heiraten können, müssen sie sich nach einem Beruf umsehen. Ist es zu vertreten, daß aus Prinzipienreiterei gut versorgte Ehefrauen den unversorgten Frauen die Arbeitsplätze wegnehmen?" (5.3-1952)
Mit der Steigerung des Konkurrenzkampfes auf dem Arbeitsmarkt, besonders nach der Währungsreform und der Aufhebung des Lohnstopps 1948, wurde das Prinzip der Ehe als Versorgungsanstalt der Frau als Argument gegen die Berufstätigkeit der verheirateten Frau wiederentdeckt.6 Dabei ging es vornehmlich um die begehrten Angestellten- und Beamtenstellen im öffentlichen Dienst.7 Als Reaktion auf die Arbeitskrisen in den zwanziger und dreißiger Jahren hatte bereits das Reichsbeamtengesetz von 1937 die Entlassung verheirateter weiblicher Beamter und Angestellter aufgrund ihres Status als schon „versorgte" Ehefrauen vorgesehen. Schon damals wurde deren Erwerbstätigkeit abwertend Doppelvernoch voll einsatzfahigen Männer zu schweren Arbeiten hin wird immer mehr Leichtarbeitsplätze nicht nur für Erwerbsbeschränkte, sondern vor allem auch für Frauen f r e i m a c h e n [ . . . ] ." (BERUF UND ARBEIT ( 1 9 4 7 ) , H . 13, S. 2, zit. n a c h S c h u b e r t
S. 266f.). 6
7
1984,
Vgl. S c h u b e r t 1 9 8 4 , S. 9 9 f . Vgl. a u c h WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG 7 . 4 . 1 9 4 9 :
„Schuldigkeit getan - die Frau kann gehen [...] Hohe Arbeitslosenziffer - niedrige Heiratschancen". Eine Studie von 1950 zeigte, daß der Anteil der verheirateten Frauen an allen erwerbstätigen Frauen auf 36,4 % angestiegen war und dieser Anstieg insbesondere im Angestellten- und Beamtenbereich zu verzeichnen war (vgl. Jurczyk 1975, S. 85f.). Gleichzeitig strebten die heimgekehrten und zugewanderten Männer nach den lukrativen Verwaltungstätigkeiten (vgl. Schubert 1984, S. 101).
450
Kapitel 12
dienertum genannt.8 Nun kam in der Nachkriegszeit Doppelverdiener als stigmatisierende Bezeichnung der erwerbstätigen Ehefrau (und nicht etwa der Ehepartner) wieder auf. In dem 1947 in der Zeitschrift FRAUENWELT erschienenen Beitrag „Doppelverdiener, ein Schlagwort, das wieder einmal aktuell ist", hieß es: „Unter den Rezepten, mit denen man unsere kritische Situation zu bessern versucht, hat man in der letzten Zeit wieder ein schon recht abgestandenes Mittelchen hervorgeholt: den .Kampf gegen die Doppelverdiener'. In der Praxis mehren sich die Fälle, wo man - unter Berufung auf einen moralisch und wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Doppelverdienst - verheiratete Frauen aus ihren Stellungen endäßt." 9
Als Stigmawort tauchte Doppelverdiener erstmals um 1947 in Zusammenhang mit der Arbeitsplatzbeschaffung für Kriegsheimkehrer und (männliche!) Flüchtlinge und nach der Währungsreform in Verbindung mit dem bevorstehenden Personalabbau in den Landes- und Kommunalbehörden wieder auf.10 Das Argument war, „Doppelverdiener" verstießen gegen die soziale Gerechtigkeit, weil sie den Familienverdienst „verdoppelten", während andere Familien wegen Arbeitslosigkeit leer ausgingen. So schrieb eine Leserin der Zeitschrift FRAU VON HEUTE: „Man liest jetzt wieder viel vom Begriff .Doppelverdiener' und erklärt in Frauenkreisen, daß er endlich schwinden müsse, daß jede Frau ein unangetastetes Recht auf Arbeit habe. [...] Ich vertrete den Standpunkt, daß bei Arbeitsverknappung die Arbeitsplätze gerecht verteilt werden müssen. Wenn eine Frau einen Mann hat, der verdient, sollte sie ruhig ihre Stellung zugunsten eines arbeitslosen Familienvaters aufgeben müssen. Das bedeutet keineswegs die Zurücksetzung der Frauen. Höher als unser Recht muß uns in diesem Fall auch das Wohl der Kinder stehen, die von der Arbeitslosigkeit der Familien besonders betroffen werden." 11
Die argumentationsstrategische Gegenüberstellung .Arbeitslose" versus „Doppelverdiener" war auch grundlegend in der Diskussion der „Zölibatsklausel" des Reichsbeamtenrechts (Verbot der weiteren Erwerbstätigkeit verheirateter Beamtinnen, deren „wirtschaftliche Versorgung [...] dauernd gesichert"12 erschien). Die „Zölibatsklausel" wurde auch nach 1945 in den meisten westdeutschen Ländern weiterhin angewendet.13 8 9
Vgl. Schubert 1984, S. 323ff. Susanne S. In: FRAUENWELT 2 (1947), H. 12/13, S. 8, zit. nach Schubert 1984, S. 328.
10
Vgl. Schubert 1984, S. 101 und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (SZ) 9.12.1948: „Frauen im
11
12
Haushalt und Beruf. Umfrage der SZ zur Entlassung von Doppelverdienern/Ein menschliches Problem". Franziska B. In: DIE FRAU VON HEUTE 2 (1947), H. 15, S. 18, zit. nach Schubert 1984,
S. 329. § 63 des Reichsbeamtengesetzes, zit. nach „Verheiratete weibliche Beamtin". In: DIE GENOSSIN 2 ( 1 9 4 8 ) , H . 3, S. 3 1 in: S c h u b e r t 1 9 8 4 , S. 3 2 6 .
13
In Bayern hatte man überlegt, einen eigenen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Vgl. auch den Bericht über eine Umfrage zur „Behandlung der Doppelverdiener" bei den Be-
Gleichberechtigung
451
1950 legte die erste Bundesregierung den vorläufigen Entwurf zu einem neuen Beamtengesetz vor, der die Möglichkeit der Entlassung verheirateter Beamtinnen beibehielt. Der CDU-Abgeordnete Huth verwies in der Bundestagsdebatte vom 2.3.1950 abermals auf das Argument sozialer Gerechtigkeit, indem er die „Doppelverdiener" als lediglich konsumsüchtig diffamierte: ,7JCir werden uns dafür einsetzen, daß erst einmal die Arbeitslosen in Arbeit und Brot kommen und nicht ein Großteil von Doppelverdienern, die lediglich, wie letzthin mir jemand sagte, ihr Doppelverdienertum ausüben, damit sie und ihr Mann die nötigen Zigaretten haben." 14
Der spätere Bundesfamilienminister Wuermeling warf den „Doppelverdienern" familienfeindliches Verhalten vor: $Penn man hört, daß ein Ehepaar sein Kind für 100,- DM monatlich in einem Kinderheim unterbringt, ihm also die sorgende Pflege und Erziehung von Mutter und Vater [...] entzieht, um einen Monatsverdienst der doppelverdienenden Ehefrau eines Beamten von monatlich 160,- DM aufrecht zu erhalten [...], so mögen das krasse Einzelfälle sein [...]. Aber sie zeigen, wie tief die Wertung der dem Elternrecht entsprechenden Elternpflicht zur Erziehung der Kinder zu sinken droht." (RHEINISCHER MERKUR
11.3.1950)
Dieser Versuch der Einschränkung der arbeits- und sozialpolitischen Grundsätze des Rechts auf Arbeit und der Gleichberechtigung durch das Leitbild von der Ehefrau als „Nur-Hausfrau" und Mutter stieß im Bundestag und in der Öffentlichkeit auf Widerstand. Die Gegnerinnen und Gegner eines Arbeitsverbots für Ehefrauen setzten den mit dem Doppelverdiener-Stigma. operierenden Rednerinnen das Argument vom gesellschaftlich bereits vollzogenen Strukturwandel bei der Arbeitsteilung der Partner entgegen und argumentierten auf arbeitsmarktpolitischer und sozialpolitischer Ebene gegen eine in ihrer Sicht anachronistische Auffassung. Gegen den Vorwurf, die Erwerbstätigkeit der Ehefrau und Mutter bedrohe die Familie, wurde vorgebracht, daß in den meisten Fällen die Frau die Hauptverdienerin sei oder zumindest zugunsten des Familienerhalts mitverdiene. Hauptverdienerin und Mitverdienerin erhielten die Funktion werbender Konkurrenz-Vokabeln zu dem Stigmawort Doppel-
14
hörden in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 9.12.1948. Laut Bundespostministerium wurden aufgrund des § 63 des Beamtenrechts im gesamten Bundesgebiet im Jahr 1951 263 und im Jahr 1952 15 Beamtinnen entlassen. I...] Wiedereingestellt wurden 1951 390 und 1952 538 wegen Heirat ausgeschiedene Beamtinnen und weibliche Angestellte, „deren wirtschaftliche Versorgung nicht mehr gegeben war" (Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Anlagen zu den stenographischen Berichten. Drucksache (BT-Drs.) Nr. 4086, 13.2.1953). Vgl. auch Schubert 1984, S. lOlf. Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte (BT) 2.3.1950, S. 1490.
Kapitel 12
452
Verdiener. So schrieb die NEUE ZEITUNG: „Und schließlich ist in vielen Fällen die verheiratete Frau die Hauptverdienerin der Familie, zumal wenn der Mann erwerbslos oder kriegsbeschädigt ist" (NEUE ZEITUNG 22.3.1950). Der Gedanke, daß nicht von „Doppelverdienen" als Gefährdung, sondern von „Mitverdienen" zum Schutz und zur Besserstellung der Familie gesprochen werden sollte, wurde von der ALLGEMEINEN ZEITUNG aufgenommen: „Erst durch das Mitverdienen der Frau können Anschaffungen gemacht werden, ihr verdientes Geld ist es im Wirtschaftsleben überhaupt, das eine Steigerung der Produktion möglich macht, das Aufträge schafft, sei es nun für die Möbelfabrikation oder für die Textilindustrie, sei es für das Sparkonto, das einmal die eigene Wohnung erstellen soll. Durch ihr verdientes Geld erst werden andere Fabrikationszweige mobil gemacht. Was soll mit diesen Angriffen und mit Eingriffen gegen die .Doppelverdiener' erreicht werden?" (ALLGEMEINE ZEITUNG 1 2 . 4 . 1 9 5 0 )
Der Doppelverdiener-VormiTÍ wurde, wie später auch in den siebziger und achtziger Jahren, als wirtschafts- und familienpolitisch bedingte „Zurück an den Herd"-Parole bezeichnet, die die Funktion der Frauen als „Reservearmee" der Wirtschaft, die bei Arbeitsmangel wieder „an den Kochtopf, zu ihren Kindern" geschickt werden könne, verdeudiche.15 Eine weitere Gegenstrategie bildeten Sprachthematisierungen, in denen die Verwendung von Doppelverdiener als Kampfwort gegen die Erwerbstätigkeit der Ehefrau kritisiert wurde. So wurde argumentiert, daß der Ausdruck falsch gewählt sei, weil er eigentlich eine Person mit mehreren Erwerbsquellen bezeichne bzw. bezeichnen sollte. „Doppelverdiener heißt in aller Welt der Mann, der mehrere Tätigkeiten hat und aus mehr als einer Stellung Gehalt, Lohn oder sonstige Bezüge erhält. Nur in Deutschland nennt man Doppelverdiener das Ehepaar, dessen beide Partner arbeiten und Gehalt oder Lohn beziehen." (ALLGEMEINE ZEITUNG 2 2 . 4 . 1 9 5 0 )
Weitere sprachthematisierende Kritiken bezogen sich auf das Argument, Doppelverdienertum bedeute einen .sozial ungerechten Doppelverdienst innerhalb einer Familie'. So verwies der stellvertretende Präsident des Landesarbeitsamtes NRW darauf, daß „[...] niemals von Doppelverdienertum gesprochen werde, wenn Vater und Söhne oder Vater und Töchter zusammen arbeiten und verdienen, sondern nur, wenn die Ehefrau mithilft, die Schäden des Krieges im Bereich d e r Familie zu überwinden." (HAMBURGER ABENDBLATT 2 . 6 . 1 9 5 1 )
Schließlich wurde darauf hingewiesen, daß der Doppelverdiener-Vorwurf strategisch nur gegen eine bestimmte ,,(Arbeits-)Klasse" von Frauen eingesetzt würde: 15
Vgl. ALLGEMEINE ZEITUNG 2 2 . 4 . 1 9 5 0 ; KETTELER WACHT 1 5 . 4 . 1 9 5 6 .
Gleichberechtigung
453
„Interessant ist, daß sich der Kampf gegen das Doppelverdienertum weder gegen die im Betrieb bzw. im Geschäft des Mannes mithelfenden Frauen noch gegen die Arbeiterinnen, die kaum als Konkurrenz empfunden werden, richtet, sondern fast ausschließlich gegen die verheirateten kaufmännischen und Verwaltungsangestellten und Beamtinnen." (KETTELER WACHT 1 5 . 4 . 1 9 5 6 )
Seit Mitte der fünfziger Jahre ging die Diskussion um das „Doppelverdienertum" zurück - und zwar im Verlaufe des wirtschaftlichen Wachstums, dem ein steigender Arbeitskräftebedarf folgte. 16 Zugleich entwikkelte sich die Einsicht, daß die „Zölibatsklausel" des Beamtenrechts gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstoße. Außerdem wies das Ideal der nur für Haushalt und Familie zuständigen Frau erste Verfallserscheinungen auf. Das Bemühen insbesondere auf konservativer Seite, Hausfrau als „Beruf" aufzuwerten, war von einer allmählichen gesellschaftlichen Minderbewertung der erwerbslosen Hausfrau begleitet. Der Ausdruck Nur-Hausfrau bzw. Nurhausfrau war wohl zunächst als neutrale Bezeichnung zur Abgrenzung gegen die sich zusehends ausbreitende Erscheinung der erwerbstätigen Hausfrau und Mutter geprägt worden. 1 7 Im Zeichen der Umwerbung der weiblichen potentiellen Arbeitskräfte durch die Wirtschaft erhielt der Ausdruck Nur-Hausfrau zusehends pejorativen Charakter, wobei die Verwendungskontexte die Remotivierung des Präfixes Nur- im Sinne eines abwertenden ,bloß' nahelegten. Um die negative Wertung des Ausdrucks zu umgehen, gebrauchten viele die Vokabel daher nur distanzierend, setzten sie in Anführungszeichen oder wählten alternative Bezeichnungen. Diese Tendenz zeichnete sich besonders Ende der fünfziger und in den sechziger Jahren ab. So schrieb der GENERAL-ANZEIGER im Jahre 1961 unter dem Titel „Lohn für .anerkannte Familienhausfrau'": „Der Ehemann sollte für die ,Nur-Hausfrau' eine Art Entlohnung gewähren, um der Frau ihrer verdienenden Nachbarin und ihm selber gegenüber das Gefühl der Unterlegenheit zu nehmen." (GENERAL-ANZEIGER
9.6.1961)
Auch grenzte man sich, wie so oft, gegen die Wortverwendung im deutschen Nachbarstaat ab. So hieß es 1959 in der DEUTSCHEN ZEITUNG: „Nicht zufällig geht man gerade jetzt dem Begriff der Hausfrau zu Leibe. Die ,Nur-Hausfrauen', wie es dort heißt, sollen verschwinden, weil sie 16 17
Zum Wiederaufleben des Doppelverdiener-Stigmas vgl. die Ausführungen unter 2.3 in diesem Kapitel. Vgl. hierzu beispielsweise die neutrale Verwendung von Nurhausfrau im SPD-PRESSEDIENST 1 3 . 8 . 1 9 5 2 oder in der AUGEMEINEN ZEITUNG: „[...] daß, wer als Nurhausfrau seine Kleider selbst näht, flickt und ohne Hilfe den Haushalt versehen kann, das Plus hat, diese Mehrausgaben zu ersparen, während die Mitberufstätige Schneiderin, Flikkerin und evtl. ein Hausmädchen in Nahrung setzt." (ALLGEMEINE ZEITUNG 2 2 . 4 . 1 9 5 0 ) .
Kapitel 12
454
keine
vollwertigen
Glieder
der
sozialistischen
Gesellschaft
seien"
(DEUTSCHE ZEITUNG UND WIRTSCHAFTS-ZEITUNG 18.8.1959). E n d e d e r s e c h -
ziger Jahre zeichnete sich die Entwicklung zum Stigmawort in expliziten
T h e m a t i s i e r u n g e n w i e d e r f o l g e n d e n im ALLGEMEINEN SONNTAGSBLATT
noch deutlicher ab:
, ^ e n n sich eine Frau dafür entscheidet, das eine ganz zu sein, dann sollten wir uns doch hüten, das gering zu achten. Muß man denn von der ,Nur-Hausfrau' sprechen und diesen Frauen allmählich einen Komplex beibringen?" (ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 2 6 . 5 . 1 9 6 8 )
Die Zunahme weiblicher Erwerbstätigkeit unter den Ehefrauen und Müttern und ihre öffentliche Billigung ab Mitte der fünfziger Jahre stand jedoch nicht unter emanzipatorischen Vorzeichen, sondern unter rein wirtschaftlichen. Die „Mitarbeit" der Frau wurde dann „akzeptiert", wenn ein Bedarf an Arbeitskräften in der Wirtschaft und die Notwendigkeit eines zusätzlichen Verdienstes in der Familie vorlag. Die Pflicht zum „Hinzuverdienen" wurde im „Gleichberechtigungsgesetz" von 1957 (s.u.) sogar im Falle finanzieller Not der Familie als Ausnahme von der Regel, daß die Frau „durch die Führung des Haushalts" zum Unterhalt der Familie beitrage, festgeschrieben. 18 Die Erfüllung der „Hausfrauenpflichten" in Ehe und Familie blieb ihr indessen weiterhin überlassen, ja, sollte laut Gleichberechtigungsgesetz immer noch schwerer wiegen als der Wunsch der Frau nach Erwerbstätigkeit.19 Das Resultat dieses Dilemmas, das in den fünfziger Jahren sich zunehmend verbreitende Phänomen der gleichermaßen Erwerbs- und Hausarbeit (samt Kinderbetreuung) leistenden Ehefrau und Mutter, wurde als Doppelbelastung 0 öffentlich problematisiert. In der Regel wurde jedoch nicht die Nichtbeteiligung des Mannes an der Arbeit im Haushalt und mit den Kindern beklagt. Eine derartige Basiskritik an der geschlechtsspezifischen Rollenteilung setzte sich öffentlich erst in den siebziger Jahren durch. Im Gegenteil: Die Doppelbelastung der Frau wurde zumeist als, wenn auch wirtschaftlich notwendiger, Verstoß gegen die traditionelle Arbeitsteilung durch die zusätzliche Tätigkeit der Frau in der „Domäne des Mannes" betrachtet.21 So begrüßte ein Vertreter der CDU die im Regierungsentwurf zum Ehe- und Familien18 19 20
21
Vgl. § 1360 des „Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts" vom 18.6.1957, BGBl. I, S. 609. Vgl. ebd., § 1356. Seit den siebziger Jahren wird nicht zuletzt auch im Zuge der Höherbewertung der Kinderpädagogik gelegentlich auch von der Doppel- und Dreifachbelastung durch Beruf, Haushalt und Kindererziehung gesprochen (vgl. zum Beispiel SZ 31.12.1975/1.1.1976). Eine Ausnahme bilden die Äußerungen der Bundestagsabgeordneten Nadig (SPD) und Ilk (FDP) während einer Debatte zur Ehe- und Familienrechtsreform. Beide nehmen erfolglos gegen eine einseitige Verpflichtung der Frau zur Doppelbelastung im Falle finanzieller Probleme der Familie Stellung (vgl. BT 27.11.1952, S. 11062ff.).
Gleichberechtigung
455
recht vorgesehene Begrenzung des Rechts und der Pflicht der Frau zur Erwerbstätigkeit durch die Sorgepflicht für die Familie: „[...] einmal, weil wir die Doppelbelastung für die Frau nicht als Normalzustand sehen möchten, zum anderen, weil wir um die Bedeutung der Aufgaben wissen, die eine Mutter im Hause mit der Erziehung ihrer Kinder für Volk und Staat erfüllt."22 Ein Sprecher der SPD stellte den Wandel in der gesellschaftlichen Stellung der Frau als oft unfreiwilliges „Hineingedrängtwerden in Aufgabengebiete, die von den Frauen weder erwünscht noch erhofft wurden", dar und kommentierte: ,Wir wissen, daß diese Doppelbelastung für Ehe und Familie schwer ist. [...] Aber der Staat und die Wirtschaft können nicht mehr auf die Frauenarbeit verzichten f...]." 23 Zumeist wurde die Vokabel Doppelbelastung zur Kritik der Erwerbstätigkeit der Frau überhaupt, zum Teil aber auch nur zur Kritik der .Vollbeschäftigung' der Frau verwendet, nämlich dann, wenn für die Einrichtung von sogenannter Teilzeitarbeit bzw. Halbtagsbeschäftigung plädiert wurde.24 Daneben bildete Doppelbelastung auch die Argumentationsbasis zugunsten bestimmter Sonderregelungen für die erwerbstätige Frau (zum Beispiel für den Hausarbeitstag). Aus dem Dilemma „Familienschutz" hier, Wirtschaftswachstum da entsprang die Forderung, Halbtagsbeschäftigungen1'' und Teilzeitarbeit26 für die doppeltbelasteten Frauen auszubauen und dies nicht zuletzt im Interesse der Wirtschaft. So wurde allmählich die traditionelle Arbeitsteilung von Frau und Mann in Hinblick auf die Erwerbsarbeit aufgehoben, in Hinblick auf die „Familienarbeit" aber beibehalten; Doppelbelastung avancierte zur charakteristischen Zustandsbezeichnung der erwerbstätigen Ehefrau bzw. Mutter. Hieraus entsprang auch die Idee eines zusätzlichen monatlichen „Urlaubstages" zur Erledigung der in Haushalt und Familie anfallenden „Frauenarbeiten": Schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit war in einigen Ländern der sogenannte Hausarbeitstag für vollbeschäftigte Frauen mit eigenem Hausstand und von ihnen unterhaltenen Angehörigen eingeführt wor-
22 23
Rehling (CDU) in: BT 27.11.1952, S. 11059Meyer-Laule (SPD), ebd., S. 11060.
24
Vgl.
25
26
beispielsweise
die
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
FURTER RUNDSCHAU ( F R ) 3 0 . 7 . 1 9 5 9 ; D I E W E L T 2 9 . 1 0 . 1 9 6 6 .
(FAZ)
9.11.1955;
FRANK-
„Am meisten gewarnt werden muß vor dem Entschluß, ohne Rücksicht auf die Entwicklung der Ehe und des Haushalts erwerbstätig zu bleiben. (...) Von seiten der Wirtschaft jedoch wäre an einen systematischeren Ausbau der Halbtagsbeschäftigung der Ehefrau zu denken" (FR 30.7.1959). „,Teilzeitarbeit' am Horizont. Neue Möglichkeiten fur berufstätige Frauen. [...] Erst jetzt, da es in vielen Ländern keine andere Arbeitsreserve mehr gibt als die verheiratete Frau, da sie als Arbeitskraft umworben werden muß und ihre Bedingungen stellen kann, jetzt wird die Teilzeitarbeit plötzlich .möglich'" (DER TAGESSPIEGEL März 1957).
456
Kapitel 12
den. 27 Als das Landesarbeitsgericht Düsseldorf eine Unvereinbarkeit des Hausarbeitstages mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz feststellte, legte die ÖTV gegen das Urteil Berufung ein mit der Begründung, daß das NRW-Gesetz zum „Hausarbeitstag" geschaffen worden sei, „[...] um die schwere Doppelbelastung der berufstätigen Frau durch Haushalt und Beruf zu erleichtern. Die Gewährung eines Hausarbeitstages sei daher in allen Fällen berechtigt, in denen eine solche Doppelbelastung vorliegt." (KÖLNISCHE RUNDCHAU 6 . 1 . 1 9 5 4 )
Die Doppelbelastung wurde bereits in der Bundestagsdebatte über den Regierungsentwurf zur Reform des Ehe- und Familienrechts von 1952 sowohl von der CDU als auch von der SPD als negatives Phänomen erwähnt. Wo die Notwendigkeit der Berufstätigkeit der Frau hervorgehoben werden sollte, wurde häufig auch von Doppelaufgabe gesprochen.28 Besonders in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre wurde im Zusammenhang mit der Doppelbelastung die körperliche und seelische Überforderung der erwerbstätigen Ehefrau, Hausfrau und Mutter beklagt, ihre frühzeitige Invalidität prognostiziert und auf die negativen Folgen für das Ehe- und Familienleben insbesondere in Bezug auf die Kinder hingewiesen. So schrieb der MÜNCHNER MERKUR 1 9 5 9 von einer „doppelten, körperlichen und seelischen Belastung" durch „zwei voneinander getrennte Tätigkeiten, bei der zwangsläufig eine zu kurz kommen muß oder — die Kräfte der Frau überfordert werden"29. Negativ geprägte Ausdrücke wie Mütterarbeit und Schlüsselkind kamen auf und wurden verschiedentlich thematisiert. 1 9 6 9 hieß es in einem Bericht der RUHR-NACHRICHTEN, daß mit den Begriffen Mütterarbeit und Schlüsselkind „gespenstische Verleumdungen" verbunden würden: „Gleich nach der .Mütterarbeit' kommt die Diffamierung der berufstätigen Frau als .Rabenmutter', und bei .Schlüsselkindern' denkt der größte Teil der Bevölkerung an ein blasses, schmales Kind, das seinen Schlüssel um den Hals trägt, auf der Straße spielen muß, bis seine Mutter nach Hause kommt, um ihm das Essen zu kochen." (1.4.1969)
Solche kritischen Reflexionen über die Vorurteile gegenüber der berufstätigen Ehefrau und Mutter häuften sich in den sechziger Jahren. Denn analog zur tendenziellen Abwertung der nicht-berufstätigen Ehefrau und Mutter als Nur-Hausfrau entwickelte sich die berufstätige Frau 27
Vgl. das NRW-„Gesetz über Freizeitgewähiung [!] für Frauen mit eigenem Hausstand" in der Neufassung vom 27.4.1949. In Auszügen abgedruckt in: Schubert 1984, S. 95,
28
Vgl. beispielsweise Ch. Schroeder (CDU) in: Dm WELT 29-10.1966. Im soziologischpädagogisch geprägten Sprachgebrauch der späten sechziger und der siebziger Jahre wurde die gleichzeitige Übernahme der Hausfrauen- und Berufstätigenroile auch als Doppelrolle bezeichnet (vgl. DIE ZEIT 22.5.1970).
29
MÜNCHNER MERKUR 2 5 7 2 6 . 4 . u n d 2 9 . 4 . 1 9 5 9 ·
3 0 6 s o w i e KÖLNISCHE RUNDSCHAU 1 3 . 9 1 9 5 2 .
Gleichberechtigung
457
zum Sinnbild der Emanzipation. In Hinblick auf das alte Leitbild der Hausfrau und Mutter und das neue Leitbild der berufstätigen Frau bedeuten die sechziger Jahre eine Art Sattelzeit.30 Während die wirtschaftliche Reservefunktion der Frau in den fünfziger Jahren noch kein politisches Leitthema abgab, wurde die faktische Minderbewertung weiblicher Arbeitskraft gegenüber der männlichen von allen Parteien als mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz kollidierend abgelehnt.31 Allerdings war die Lohnangleichung von Mann und Frau bei gleicher Arbeit ein wirtschaftspolitischer Kostenfaktor mit der Konsequenz, daß die Art der Klassifizierung bestimmter Lohnarbeit umstritten war. Die Auseinandersetzungen um die Lohngleichheit von Mann und Frau konzentrierten sich sprachstrategisch auf folgende Vokabeln: gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Leistung versus gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, Frauenlohn und Leichtlohn. Die traditionell verwendete Parole, mit der für die Aufhebung der Diskriminierung der erwerbstätigen Frau geworben wurde, war gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dieser Satz war in den meisten Länderverfassungen von 1946/47 verankert worden, so in denen Hessens, Bayerns, Bremens, Württemberg-Badens, Württemberg-Hohenzollems, Badens und Hamburgs.32 CDU und SPD modifizierten diese Parole auf verschiedene Weise. Während die CDU und die FDP gleichen Lohn bei gleicher Arbeit und Leistung forderten33, sprach die SPD vom gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Beide Formulierungen bargen eine gewisse Brisanz: Was die Formulierung bei gleicher Arbeit und Leistung betraf, so war die Frau in ihrer Leistungsfähigkeit in manchen Arbeitsfeldern nicht nur durch ihre „natürliche" körperliche Konstitution gehandikapt, sondern vor allem aufgrund ihrer „Doppelbelastung" und bestimmter Frauenschutzbestimmungen benachteiligt.35 Außerdem konnte eine Angleichung des niedrigeren Lohns für typische Frauenarbeiten an den höheren für typische Männerarbeiten umgangen werden mit dem Verweis, daß es sich hierbei nicht um gleiche Arbeit handele. Daher stieß auch die SPD-Formulierung von der gleichwertigen Arbeit besonders bei den Arbeitgebern auf Ablehnung. Sahen diese bereits in der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit erhöhte Kosten auf sich zukommen, so würde die Realisierung der Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit einen enormen finanziellen Aufwand gerade im Bereich 30
Vgl. TAGESSPIEGEL 1 8 . 8 . 1 9 6 3 .
31 32 33
Vgl. Böttger 1990, S. 182. Vgl. Späth 1984, S. 126. Vgl. Wahlprogramm der CDU von 1949 in: Flechtheim 1963, Bd. I I / l , S. 73; Weber (CDU) in: BT 2.12.1949, S. 624. Vgl. Nadig (SPD) in: BT 1.12.1949, S. 566. Vgl. Schubert 1984, S. 96.
34 35
458
Kapitel 12
der Massenproduktion dargestellt haben. Denn vor allem die Fließbandarbeiten wurden von Frauen erledigt, die nach Frauenlohn niedriger bezahlt wurden als ihre männlichen Kollegen. W i e d i e D G B - Z e i t u n g WELT DER ARBEIT b e r i c h t e t e , w a r I 9 6 I d e r im Ar-
tikel 119 des EWG-Vertrages manifestierte Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit in allen Tarifverträgen bis auf ein paar Ausnahmen, die sich auf generelle Lohnabschläge für Frauen bezogen, verwirklicht worden. Das am 7.12.1955 vom Bundestag ratifizierte Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, das Frauen einen Anspruch auf gleichen Lohn bei gleichwertiger Arbeit sicherte, war hingegen noch lange nicht realisiert. Dieser Punkt warf die größten Schwierigkeiten bei der Erstellung des Berichts der Tarifparteien über die Umsetzung des EWGVertrages auf: „Aber auch die unterschiedliche Auffassung, ob in dem genannten Bericht nur die Frage der gleichen Entlohnung bei gleicher Arbeit oder auch bei gleichwertiger Arbeit behandelt werden sollte, machte ein Zusammengehen mit den Arbeitgebern unmöglich, da sie von Anfang an eine solche Ausweitung der Berichterstattung abgelehnt haben." (WELT DER ARBEIT 1 4 . 7 . 1 9 6 1 )
Die Bezeichnungen Männerlohn und Frauenlohn wiesen auf die Existenz solcher geschlechtsspezifisch hierarchisch geordneten Lohngruppen hin. Der Ausdruck Frauenlohn wurde brisant, da er die Diskriminierung der Frau in Lohnfragen allein aufgrund ihres Geschlechts allzu deutlich machte.37 Die Arbeitgeber hatten nichts gegen das Verschwinden dieses Ausdrucks, wohl aber gegen eine Angleichung des Frauenlohns an den Männerlohn, da diese den wirtschaftlichen Aufschwung hemme. Nachdem das Bundesarbeitsgericht 1955 den „Frauenlohn" verbot38, strich man zwar die Frauenlohngruppen aus den Tarifverträgen, ersetzte sie aber durch zwei neue Lohngruppen, die man als Leichtlohngruppen bezeichnete. Der Lohn dieser Gruppen war niedriger als die Bezahlung der ungelernten Arbeiter. In diesen Lohngruppen waren jedoch ausschließlich oder überwiegend Frauen vertreten.3 Die Einführung von Leichtlohngruppen wurde damit gerechtfertigt, daß diese nicht geschlechtsspezifisch, sondern leistungsgemäß als Arbeiten mit „geringer körperlicher Belastung" (WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU 1 3 7.1961) charakterisiert seien. Daß gerade Frauen die so definierten 36
37
38 39
Vgl. VORWÄRTS 2 6 . 4 . 1 9 5 7 .
„Schließlich ist noch auf die Widersinnigkeit des Begriffes .Frauenlöhne' zu achten, denn grundsätzlich gibt es nur einen Arbeitslohn. Sonderlöhne für Frauen sind daher verfassungswidrig. Es ist an der Zeit, daß der Begriff .Frauenlöhne' völlig verschwind e t " (NEUER VORWÄRTS 1 6 . 6 . 1 9 5 0 ) .
Vgl. Böttger 1990, S. 276.
Vgl. WELT DER ARBEIT 7 . 7 . 1 9 6 1 .
Gleichberechtigung
459
„leichteren" Arbeiten leisteten, wurde als naturgemäßes weibliches Schicksal präsentiert, das mit Lohnungleichheit nichts zu tun habe. 4 0 Von d e n Gewerkschaften u n d der SPD wurde diese Vorgehensweise als yerschleierungstaktik" weiterhin existierender „Frauenlöhne" immer wieder thematisiert. So hieß es im VORWÄRTS 1957: „Bei der von den Gewerkschaften geforderten Revision der Tarifverträge benutzten die Arbeitgeber die Hintertür .leichte Hilfsarbeiten' und .schwere Hilfsarbeiten', um der Lohngruppe Frauen ein verändertes Gesicht zu geben, im Grunde aber alles beim Alten zu lassen." (VORWÄRTS 26.4.1957)
Außerdem wurde eingewandt, d a ß die so bezeichneten Arbeiten alles andere als leicht seien. Der hier zum Ausdruck k o m m e n d e n Verwend u n g des Wortpaares leicht u n d schwer als ,im physischen Sinne nichtbelastend bzw. belastend' wurde die als .Belastung im psychischen Sinne' entgegengesetzt: „Die Unterscheidung der Lohngruppen nach körperlich leichter und schwerer Arbeit berücksichtigt aber weder die an vielen Arbeitsplätzen von den Frauen verlangte Geschicklichkeit, Reaktionsfähigkeit, ihre technischen Kenntnisse, noch die Verantwortung, die sie für einen bestimmten Teil der Fertigung tragen." (HAMBURGER E C H O 5 . 7 . 1 9 6 1 ) Der Kampf gegen Leichtlohngruppen und für gleichen Lohn für Arbeit w u r d e auch noch in d e n folgenden Jahrzehnten geführt. 41
gleiche
1.2 D i e M a n i f e s t i e r u n g d e r Gleichberechtigung von M a n n u n d Frau i m G r u n d g e s e t z u n d i h r e F o l g e n Gleichberechtigung von Mann u n d Frau war schon ein Fahnenwort der sogenannten bürgerlichen Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihrem Kampf u m das Wahlrecht u n d u m gleiche Ausbildungsu n d Berufschancen für Frauen und Männer. 42 Immerhin war in der Weimarer Verfassung die staatsbürgerliche Gleichheit von Mann u n d Frau fixiert worden. Der Nationalsozialismus u n d die v o n d e n Machthabern verbreitete Mutterschaftsideologie hatten d e m Wirken emanzipato40
„Es sei notwendig [so das Bundesarbeitsgericht], Lohnkategorien zu bilden, insbesond e r e f ü r leichtere u n d schwerere Arbeiten, die für Männer u n d Frauen gleich sein müßten. Sollte eine solche Methode dazu fuhren, d a ß die Frauen deshalb geringer entlohnt w ü r d e n , weil gerade sie es seien, die die leichtere Arbeit leisten, so bestünd e n dagegen keine rechtlichen Bedenken. [...1 Es kann daher keine Rede davon sein, d a ß in der Bundesrepublik die Lohngleichheit von Mann u n d Frau n u r scheinbar verwirklicht ist. Vielmehr liegt es in der Natur der Dinge, d a ß für bestimmte Arbeiten Frauen u n d für andere Männer prädestiniert sind." (INDUSTRIEKURIER 12.8.1961).
41
V g l . h i e r z u : DER SPIEGEL ( 2 3 . 1 0 . 1 9 7 2 ) , H . 4 4 , S. 1 1 2 ; ALLGEMEINE ZEITUNG 1 0 . 1 . 1 9 7 5 ; DER SPIEGEL ( 8 . 8 . 1 9 8 3 ) , H . 3 2 , S. 57FF.; NEUE RHEIN ZEITUNG 9 . 3 . 1 9 9 4 .
42
Vgl. hierzu D o h m 1908, S. 255ff.; Nave-Herz 1988, S. 22ff.
460
Kapitel 12
rischer Kräfte jäh ein Ende gesetzt. Wie in den meisten Fragen der staatsund verfassungsrechtlichen Gestaltung der Bundesrepublik wurde auch in diesem Punkt an das Weimarer Vorbild anzuknüpfen versucht. Schon zur Zeit der Besatzungszonen wurde die „Gleichberechtigung von Mann und Frau" als notwendiger Bestandteil „demokratischer Grundanschauung" von Gewerkschaften und Frauenverbänden eingefordert und gegen Maßnahmen wie die Entlassung erwerbstätiger Ehefrauen43 oder die Lohndiskriminierung von Frauen4 gewendet. Die Basis der bundesrepublikanischen Gleichberechtigungs-Diskussion der fünfziger Jahre bildete jedoch die Formulierung des Grundgesetzes in den Jahren 1948/49. Erst nach öffentlichen Protesten gegen die Ablehnung der Formulierung Männer und Frauen sind gleichberechtigt durch die späteren Regierungsfraktionen setzte die SPD-Vertreterin Elisabeth Seibert im Parlamenarischen Rat die Aufnahme des Satzes in Artikel 3 des Grundgesetzes durch.45 In der Folgezeit konzentrierte sich die öffentliche Diskussion um die Verwirklichung der Gleichberechtigung in der Bundesrepublik auf die rechtliche Angleichung geschlechtsdiskriminierender Gesetze an die Verfassungsnorm. In diesem Zusammenhang erlangte die Reformierung des Ehe- und Familienrechts des BGB größte Aufmerksamkeit. Das Problematische an der semantischen Fixierung der Vokabel Gleichberechtigung deutete sich schon im Parlamentarischen Rat an. Seibert betonte, die Frau solle im Gegensatz zur Weimarer Verfassung „nicht nur in staatsbürgerlichen Dingen gleichstehen, sondern [müsse] auf allen Rechtsgebieten dem Mann gleichgestellt werden."46 Um sich gegen den gegnerischen Vorwurf der „Gleichmacherei" zu schützen, explizierte sie an anderer Stelle ihr Verständnis von Gleichberechtigung als .Gleichwertigkeit, die die Andersartigkeit anerkennt': „Es ist ein grundlegender Irrtum, bei der Gleichberechtigung von der Gleichheit auszugehen. Die Gleichberechtigung baut auf der Gleichwertigkeit auf, die die Andersartigkeit anerkennt. Mann und Frau sind nicht gleich. Ihre Besorgnis, daß die Gleichstellung der Frau Gleichmacherei sei, ist daher ebenfalls unbegründet." 47
Die semantische Vagheit dieser Aussage gegenüber der Beurteilung der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeits- und Rollenteilung ermög43
Vgl. zum Beispiel Protokoll der 1. gewerkschaftlichen Frauen-Arbeitstagung vom 20.2 2 . 1 1 . 1 9 4 6 in Bielefeld. In: DIE FRAU VON HEUTE ( 1 9 4 6 ) , H. 15, S. 7 u n d FRAUENWELT
44
45 46 47
(1948), H. 11/12, S. 32. Beides abgedruckt in: Schubert 1984, S. 325, 329 -
Vgl. DIE WELT DER FRAU (1947), H. 1, S. 2. Abgedruckt in: Schubert 1984, S. 318.
Vgl. hierzu ausfuhrlich: Böttger 1990, S. 182ff. und Späth 1984. Stenographische Protokolle des Parlamentarischen Rates, Hauptausschuß (PRH) 3.12.1948, S. 206, zit. nach Späth 1984, S. 137f. PRH 18.1.1949, S. 538-544, zit. nach Böttger 1990, S. 218.
Gleichberechtigung
461
lichte die Illusion der Übereinstimmung mit Aussagen, wie sie die CDUAbgeordnete Helene Weber formulierte: „Dabei denken wir durchaus auch an den Eigenwert und die Würde der Frau und denken nicht an eine schematische Gleichstellung und Gleichberechtigung."48 Diese Einigkeit ging indessen spätestens in den Debatten zu konkreten Gesetzesreformen verloren. Im Wahlkampf von 1949 wurde Gleichberechtigung zur programmatischen Vokabel der SPD und der KPD, und Gleichstellung avancierte zum ebenbürtigen Fahnenwort.49 Die christlichen und liberalen Parteien indessen vermieden beide Ausdrücke in ihren Parteiprogrammen. Doch die Gleichberechtigung (von Mann und Frau) war als politische Leitmaxime mit eindeutig positiver Bewertung in der bundesdeutschen Verfassung wörtlich fixiert worden. In dem in der frauenpolitischen Diskussion der fünfziger Jahre stattfindenden Sprachstreit kritisierte man folglich nicht den Gebrauch des Wortes Gleichberechtigung als solches, sondern kämpfte um die Durchsetzung einer bestimmten Verwendungsweise dieser Hochwertvokabel, die den eigenen politischen Interessen entsprach. Schon in der ersten Bundestagsdebatte zur Verwirklichung der Gleichberechtigung suchte die CDU die Selbertsche Interpretationsvokabel Gleichivertigkeit zu einer einschränkenden Auslegung von Gleichberechtigung zu nutzen.50 Gleichwertigkeit wurde zum konservativen Fahnenwort, mit dem die Berücksichtigung einer natürlichen und funktionalen Verschiedenheit der Geschlechter' als nicht gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstoßend verteidigt werden sollte. Diese Argumentation fand sich im Streit gegen die Doppelverdiener11 wie für die Beibehaltung der Geschlechterhierarchie, wie sie das Ehe- und Familienrecht festschrieb.52 Angesichts der Stellungnahmen von CDU und FDP53 zum § 63 des vorläufigen Beamtengesetzes (Entlassung von Ehefrauen) im Rechtsaus48
Ebd., zit. nach Böttger 1990, S. 216.
49
Vgl. NEUER VORWÄRTS 1 6 . 7 . 1 9 4 9 .
50
Der CDU-Abgeordnete und spätere Bundesinnenminister Robert Lehr schlußfolgerte aus der These, „daß die Gleichberechtigung auf der Gleichwertigkeit der Geschlechter aufbauen soll, aber ebenso die Eigenartigkeit und Besonderheit der Geschlechter berücksichtigt werden soll", „daß die gegebenen Schranken der Natur zu berücksichtigen sind" (BT 2.12.1949, S. 625f.). Vgl. hierzu den späteren Bundesfamilienminister Franz-Josef Wuermeling (CDU) in:
51
RHEINISCHER MERKUR 1 1 . 3 . 1 9 5 0 .
52
53
Vgl. hierzu die Begründung des „Entwurfs eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts (Familienrechtsgesetz)", BT-Drs. 1/3802, 23.10.1952, S. 40f. Euler (FDP): „Diese f o r m a l e G l e i c h b e r e c h t i g u n g v o n M a n n u n d F r a u führt nämlich dazu, daß die Frauen Pistolenweiber sein dürfen, daß die Frauen in Bergwerken arbeiten dürfen, daß die Frauen die schwersten Tätigkeiten an
462
Kapitel 12
schuß des Bundestages und im Rahmen einer Bundestagsdebatte äußerten sich der KPD-Abgeordnete Gundelach und die SPD-Abgeordnete Albrecht skeptisch darüber, ob das, was sie unter voller Gleichberechtigung verstanden, mit den Interpretationen der Regierungsparteien vereinbar sei.54 Daß ihre Skepsis berechtigt war, zeigte sich deutlich in den Debatten um die Ehe- und Familienrechtsreform, die von Anfang an das erklärte Ziel der SPD gewesen war. Wie die Bundestagsdebatten von 1952, 1954 und 1957 und die öffentlichen Reaktionen zeigen, konzentrierte sich der Streit auf die Vereinbarkeit des im BGB festgelegten Entscheidungsrechts des Ehemannes in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Fragen und des Entscheidungsrechts des Vaters in allen den Nachwuchs betreffenden Angelegenheiten mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz. Dabei erhielten konservative Interpretationsvokabeln wie Gleichwertigkeit, natürliche bzw. funktionelle Verschiedenheit (der Geschlechter), natürliche bzw. organische Ordnung (in Ehe und Familie) eine zentrale Rolle. In einem Kommentar der RUHR-NACHRICHTEN hieß es: „Die Erkenntnis, daß nicht die mechanische Gleichstellung von Mann und Frau, sondern nur die organische Ordnung der untereinander ebenbürtigen, aber von Natur verschiedenen Geschlechter als die Grundlage einer Ehe- und Familienrechtsreform genommen werden muß, scheint mehr und mehr an Boden zu gewinnen. So hat auch der Bundesjustizminister ausdrücklich betont, daß auch nach seiner Auffassung die Durchführung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht zu einer schematischen Gleichstellung führen darf, sondern der natürlichen Ordnung Rechnung getragen werden muß." (RUHR-NACHRICHTEN 10.4.1952)
Dieses Argumentationsmuster bildete schließlich die Basis der Begründung des Regierungsentwurfs eines Familienrechtsgesetzes vom Oktober 1952, der dem Ehemann und dem Vater das Letztentscheidungsrecht in ehelichen und familiären Fragen zubilligte.55 Was die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung betraf, so wurde die Priorität der „Ehe- und Familienpflichten" vor dem Recht der Ehefrau auf Berufstätigkeit ebenfalls „natürlich" (und christlich) begründet: „Das Recht und die Pflicht der Frau, das Hauswesen zu leiten, ergibt sich bereits aus der Verpflichtung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemein-
54 55
Hochöfen ausüben können. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau kann nur Träger eines echten Fortschritts sein, wenn sie sich in Grenzen hält, die den natürlichen Verschiedenheiten von Mann und Frau entsprechen, und wenn sie insbesondere der seelischen und geistigen Eigenart der Frauen gerecht wird" (BT 2.3.1950, S. 1490). Vgl. Albrecht (SPD) in: BT 15.2.1950, S. 1277 und BT 2.3.1950, S. 1489; Gundelach (KPD) in: BT 2.31950, S. 1490. Vgl. Entwurf zum „Familienrechtsgesetz", BT-Drs. 1/3802, 23.10.1952, S. 40ff.
Gleichberechtigung
463
schaft und der natürlichen Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau in der Ehe. [...] Die Frau muß grundsätzlich das Recht haben, erwerbstätig zu sein. Allerdings folgt aus ihrer Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 des Entwurfs), daß es ihre Hauptaufgabe ist, ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter zu erfüllen." 56
Die Gegenposition einer Aufhebung des Entscheidungsrechts des Ehemannes und/oder des Vaters wurde von den konservativen Parteien mit den Stigmawörtern formale, totale, schematische oder mechanistische Gleichberechtigung versehen, deren abwertende Wirkung unter anderem durch den interpretativen Vergleich mit den Entwicklungen in der „Ostzone" als Weg der Frau in das „Kohlen- und Uranbergwerk"57 und als Gefährdung des Familienverbandes noch verstärkt wurde. Solche stigmatisierenden Wörter bzw. Vergleiche wurden, der Strategie der Argumentation entsprechend, zumeist in Opposition zu den Fahnenwörtern natürliche Ordnung, Wesen, Eigenart und Würde der Frau etc. gesetzt.58 Daß „vor allem die Eigenart und die Würde der Frau nach den Maßstäben der westlichen Welt gemessen und geachtet werden muß [...]" und nicht nach denen des Ostens, bildete in einem Artikel der NEUEN ZEITUNG den Ausgangspunkt für die semantische Verknüpfung von Gleichstellung, dem Fahnenwort der SPD und der KPD, mit dem negativ besetzten Konzept des Ostblock-Kommunismus. So lautete die Schlagzeile: „Gleichberechtigung heißt nicht Gleichstellung. Die biologische Besonderheit und die Würde der Frau müssen auch in der künftigen Gesetzgebung berücksichtigt werden" (DIE NEUE ZEITUNG 3 0 . 3 1 9 5 1 ) . Der Wahlkampf von 1953 zeigte, daß die Diskussion um die rechtliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Ehe- und Familienrecht ein innenpolitisch wichtiges Thema geworden war. Alle im Wahlkampf vertretenen Parteien - mit Ausnahme der DP - nahmen in ihren Programmen Stellung dazu. In den Wahlprogrammen der CDU und des Zentrums wurde die bekannte Strategie der interpretativen Begrenzung der Leitvokabel Gleichberechtigung durch den Verweis auf die natürliche Ordnung der Ehe und Familie und die von Natur aus vorhandenen Unterschiede von Mann und Frau verfolgt und einer naturwidrigen Gleichmacherei gegenübergestellt.59
56 57 58 59
Ebd., S. 46. Vgl. Wuermellng (CDU) in: BT 12.2.1954, S. 492f. Vgl. ebd. Vgl. auch Generalvikar Pohlschneider in: ECHO DER ZEIT 27.7.1952 sowie Idamarie Solltmann (Katholisches Bildungswerk Münster) in: ECHO DER ZEIT 5.7.1952. Vgl. Hamburger Programm der CDU für den 2. Deutschen Bundestag vom 22.4.1953 in: Flechtheim 1963, Bd. Π/l, S. 95. Vgl. Kölner Erklärung des Zentrums zur deutschen Politik vom 7./8.3.1953 in: Flechtheim 1963, Bd. Π/l, S. 265.
464
Kapitel 12
Im gleichen Jahr stellte das BVG einige Interpretationsgrundsätze zur Gleichberechtigung von Mann und Frau fest. Es sei erforderlich, den Begriff Gleichberechtigung „[...] nicht durch eine Gleichsetzung mit den manchmal polemisch verwendeten, rechtlich kaum faßbaren Vokabeln Gleichwertigkeit' oder .Gleichmacherei' zu entwerten. [...] Es bedarf kaum eines Hinweises, daß im Bereich des Familienrechts im Hinblick auf die objektiven biologischen und funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses auch eine besondere rechtliche Regelung erlaubt oder sogar notwendig ist (z.B. alle Bestimmungen zum Schutze der Frau als Mutter^Differenzierungen der Art der Leistung für die Familiengemeinschaft)."
Nachdem auf diese Weise die Interpretationsvokabeln Gleichwertigkeit (Fahnenwort) und Gleichmacherei (Stigmawort) mit dem Stigma der Polemik versehen worden waren, vermied die Bundesregierung diesmal deren Verwendung in der Begründung des gekürzten und überarbeiteten Regierungsentwurfs zum sogenannten „Gleichberechtigungsgesetz" von 1954. Zur Rechtfertigung der Beibehaltung des Letztentscheids des Ehemannes in § 1354 wurde indessen auf die Formulierung des BVG Bezug genommen: „Der Grundsatz der Gleichberechtigung verbietet es nicht, die funktionelle Verschiedenheit der Geschlechter zu berücksichtigen. Es gehört zu den Funktionen des Mannes, daß er grundsätzlich der Erhalter und Ernährer der Familie ist, während die Frau es als ihre vornehmste Aufgabe ansehen muß, das Herz der Familie zu sein."
In diesem Zusammenhang wurde nun explizit die laut BVG den Rechtsterminus Gleichberechtigung semantisch begrenzende Funktionsteilung von einer arbeitsmäßigen Rollenteilung von Mann und Frau zu einer entscheidungsmäßig hierarchischen „erweitert". Zur Stützung dieser Interpretation versuchten einige konservative Politikerinnen, den Ausdruck Entscheidungsrecht durch Bezeichnungen wie Entscheidungsverantwortung und Entscheidungspflicht zu ersetzen.62 Hierdurch sollte der „Stichentscheid" des Mannes im Lichte einer funktionalen Verpflichtung erscheinen und nicht, wie von gegnerischer Seite, als Privileg des Mannes bewertet werden. Der CDU-Abgeordnete Weber wies in der zweiten und dritten Beratung des Reformgesetzes von 1957 dem Mann die Rolle des Repräsentanten der Familie nach außen zu und identifizierte diese mit der Rolle des Entscheidungsträgers als „primus inter pares": 60 61 62
Entscheidungen des BVG 1954. 3. Bd., S. 241f., zit. nach Böttger 1990, S. 249f. Begründung zum Entwurf eines „Gleichberechtigungsgesetzes", BT-Drs. 11/224, 29.1.1954, S. 29. Vgl. Weber (CDU) in: BT 12.2.1954, S. 514; Weber (CDU, Koblenz) in: BT 3.5.1957, S. 11769 und Strauß (CDU), ebd., S. 11788.
Gleichberechtigung
465
,^enn es sich also um eine echte Funktionsteilung handelt - die Frau leitet verantwortlich das Hauswesen, der Mann ist letzdich verantwortlich für die Vertretung der Familie nach außen -, dann ist eine verschiedenartige Regelung [im Sinne des Letztentscheids des Mannes - K.B.] auch mit dem Grundgesetz vereinbar."63
Da das „Gleichberechtigungsgesetz" in wesentlichen Punkten mit dem Gesetzentwurf von 1952 übereinstimmte, wiederholten sich in der parlamentarischen und der öffentlichen Debatte der Jahre 1954 bis 1957 auch die Argumente, die schon 1952 vorgebracht worden waren. Das Letztentscheidungsrecht des Mannes in ehelichen und elterlichen Fragen wurde von seinen Gegnerinnen als verfassungswidrig betrachtet, weil es nicht mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau vereinbar sei.64 Entsprechend wurde der Letztentscheid des Mannes als Vorrecht65, Vorrechtsanspruch66, Vormachtstellung, Vorherrschaft61, 68 69 Vorrangstellung oder Privileg des Mannes und als Minderberechtigung70, Schlechterstellung71, einseitige Bevormundung72 und gesetzliche Unterwerfun¿i der Frau bezeichnet, nicht zuletzt, um ihn auch sprachlich explizit gegen die Prädikation Gleichberechtigung abzugrenzen und damit als gegen den Verfassungsgrundsatz verstoßend zu kennzeichnen. Die Wortbildungen mit Vor- bzw. Schlechter- und Minder- verdeutlichen die Intention einer sprachkritischen „Entschleierung" der gegnerischen Verwendung des Bestimmungswortes Gleich-. Der Verweis der Konservativen auf die Funktionsteilung von Mann und Frau in Beruf und Familie wurde als Argument für den Letztentscheid des Mannes bzw. des Vaters nicht akzeptiert. Die CDU/CSUAbgeordnete und Kritikerin des Regierungsentwurfs von 1954, Elisabeth Schwarzhaupt, zweifelte öffentlich daran, „[...] daß das Letztentscheidungsrecht wirklich die Funktionsteilung zwischen Mann und Frau in der Ehe wiedergibt. Wir haben eine ganze Reihe von Bestimmungen in dem gemeinsam erarbeiteten Entwurf [gemeint ist der Entwurf des Rechtsausschusses], die dieser Verschiedenheit Rechnung tragen: [...] Aber ist die Frage entscheidend oder nicht entscheidend?' 63 64
Weber (CDU, Koblenz) in: BT 3.5.1957, S. 11769Vgl. die Juristin Gethmann in: STUTTGARTER NACHRICHTEN 1.7.1952. Vgl. auch Nadig
65 66 67 68
SPD-PRESSEDIENST 13 8.1952; Strohbach (KPD) in: BT 27.11.1952, S. 11068. Wessel (Fraktionslos) in: BT 27.11.1952, S. 11066. Nadig (SPD), ebd., S. 1106lf. Vereinigung weiblicher Juristen und Volkswirte in: STUTTGARTER NACHRICHTEN 1.1.1952; FAZ 27.9.1952. Lüders (FDP) in: BT 12.2.1954, S. 507. Strohbach (KPD) in: BT 27.11.1952, S. 11068. Ilk (FDP), ebd., S. 11065Nadig (SPD), ebd., S. 11062. Lüders (FDP) in: BT 12.2.1954, S. 507.
( S P D ) in: B T 2 7 . 1 1 . 1 9 5 2 , S. 1 1 0 6 2 .
69 70 71 72 73
466
Kapitel 12
wirklich eine Frage der Funktionsteilung? [...] wenn wir einem das Entscheidungsrecht für alle Gebiete - hier ausgenommen die spezielle Haushaltsführung - geben, schneiden wir aus den vielen Funktionen innerhalb der Ehe doch etwas als rechtliche Befugnis zugunsten des einen Teils heraus, das mit dem rechtlichen Rang gegenüber dem Gesetz etwas zu tun hat."
Des weiteren wurde argumentiert, daß bei einer einseitigen Entscheidungsverteilung eigentlich nicht dem Vater, sondern der Mutter dieses Recht zukommen müsse: ^ e n n Sie schon sagen, meine Herren, daß ein Teil entscheiden muß, dann steht die Mutter dem Kind doch näher als der Vater. Sie umsorgt das Kind. Sie wollen doch immerhin die Verhältnisse bei uns nicht verkennen. Der Vater hört ja in der Regel das meiste über das Kind nur über die Mutter; denn er ist ja meistens den ganzen Tag nicht da." 75
Dem aus der Funktionsteilung abgeleiteten Argument, das Entscheidungsrecht des Mannes entspreche seiner Verantwortlichkeit für Frau und Kinder, begegnete der SPD-Abgeordnete Wittrock mit dem Hinweis, das „Prinzip der Letztverantwortlichkeit" entspreche „dem Gedanken des Patriarchats, [...] dem Gedanken längst verflossener Jahrhunderte", demgegenüber eine „gleichrangige gemeinschaftliche Verantwortlichkeit" zeitgemäßer sei.76 Die rechtliche Beibehaltung einer männlichen Entscheidungsdominanz betrachtete er als ein anachronistisches Leitbild für „Generationen, die heute schon in einem echten Gefühl der Gleichberechtigung aufwachsen, einem Gefühl für die Gleichstellung aller Menschen, gleichgültig, ob sie Mann oder Frau sind".77 Dem strategischen Versuch der sprachlichen Stigmatisierung der „progressiven" Position durch Prädikationen wie Gleichmacherei und totale, schematische, formale Gleichberechtigung und ähnlichem begegneten die Befürworterlnnen einer Streichung des männlichen Stichentscheids auf zweierlei Weise: Zum einen thematisierten sie solche Interpretationsvokabeln für den Terminus Gleichberechtigung als unzutreffend, zum anderen versuchten sie ihrerseits, sich durch Modifizierung des Fahnenworts Gleichberechtigung durch das Attribut voll vom gegnerischen Sprachgebrauch abzugrenzen. So trägt ein in den RUHR-NACHRICHTEN erschienener Artikel über einen Vortrag der Juristin Gethmann den Titel: „Frauen warten auf ihr Recht. Gleichberechtigung heißt nicht Gleich74 75 76 77
Schwarzhaupt (CDU) in: BT 3 5.1957, S. 11773. Vgl. auch Strohbach (KPD) in: BT 27.11.1952, S. 11068. Ilk (FDP), ebd., S. 11064. Vgl. auch den Kommentar der Rechtsanwältin und Vorsitzenden der „Vereinigung weiblicher Juristen und Volkswirte" Gethmann in: RUHRNACHRICHTEN 11.12.1951.
Vgl. BT 3-5.1957, S. 11771. Wittrock (SPD), ebd., S. 11796.
Gleichberechtigung
467
macherei - Forderungen im Interesse der Familie" (11.12.1951). In der Bundestagsdebatte am 27.11.1952 kritisierte die SPD-Abgeordnete MeyerLaule die sprachlichen Stigmatisierungen der Gegenseite folgendermaßen: „Die Forderung auf Gleichberechtigung hat keine Gleichmacherei zum Ziel, sie soll vielmehr unter Berücksichtigung des biologischen Unterschieds und der neugeschaffenen Situation im politischen, gesellschaftlichen und sozialen Leben der Frau erstens die Anerkennung des Rechts auf Schutz und Hilfe durch die Gesellschaft bringen, zweitens die durch das Leben bereits geschaffenen Rechte im Gesetz verankern [...]. Uns Sozialdemokraten wird immer wieder vorgehalten, wir wollen die totale, die schematische, die Familien zerstörende Gleichberechtigung. Dieser vorgefaßte Unsinn schafft keine Diskussionsgrundlage." 78
Die Vokabel volle Gleichberechtigung etablierte sich als Fahnenwort der SPD. Ein Vergleich von SPD- und Regierungsentwurf im SPD-PRESSEDIENST nannte die „volle Gleichberechtigung in Ehe und Familie" als das Ziel der SPD und erläuterte, daß darunter auch die Aufhebung des Entscheidungsrechts des Mannes in ehelichen und familiären Fragen zu verstehen sei.79 Auch in den Reden der SPD-Politikerinnen im Bundestag im November 1952 tauchte diese Formulierung als Fahnenwort auf. Im Wahlkampf von 1953 widmete die SPD der Forderung nach „volle(r) Gleichberechtigung der Frau auf allen Gebieten des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens" einen ganzen Abschnitt, den Willy Eichler (SPD) als „das Herzstück unseres Wahlprogrammes" bezeich·. 80 nete. Auch die KPD, FDP und der GB/BHE nahmen das Thema „Gleichberechtigung der Frau" in ihre Wahlprogramme auf.81 Gleichberechtigung wurde zum politisch brisanten Schlagwort. Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU vermerkte hierzu sprachkritisch: Jahrzehnte schon bekämpfen sich grundverschiedene Vorstellungen über die .Gleichberechtigung' von Mann und Frau im Familienrecht. [...] Künftig ist die Gleichberechtigung Wahlkampfprogrammpunkt 1953, von 78 79
80 81
Meyer-Laule (SPD) in: BT 27.11.1952, S. 11059ff. Vgl. SPD-PRESSEDIENST 13.8.1952.
Vgl. Rede Willy Eichlers auf dem Wahlkongreß der SPD in Frankfurt a. M.: Das Wahlprogramm 1953, 10.5.1953, zit. nach Flechtheim 1963, Bd. III/2, S. 134. Die KPD wiederholte ihre Forderung von 1949 nach der „vollen Gleichberechtigung der deutschen Frau" (KPD-Wahlprogramm 1953, zit. nach Flechtheim 1963, Bd. III/2, S. 328f.). Die FDP äußerte sich mit ihrer Forderang nach einer beschleunigten Gestaltung des Familienrechts „im Sinne einer wahren Lebensgemeinschaft und einer echten Gleichberechtigung gemäß Art. 3 GG" diplomatisch uneindeutig (vgl. FDPWahlprogramm, beschlossen am 28.6.1953, zit. nach Flechtheim 1963, Bd. II/l, S. 328.). Im Programm des GB/BHE von 1952 bildete die „Gleichberechtigung der Frau" einen dominierenden Punkt im Kapitel Innenpolitik (GB/BHE-Programm, beschlossen auf dem Bundesparteitag in Goslar, 14.91952, zit. nach Flechtheim 1963, Bd. II/l, S. 422.).
Kapitel 12
468
der Opposition bereits am 10. Mai verkündet und [...] dringender Gesetzgebungsgegenstand. Nur eins ist sie [...] bis heute nicht: objektives, allgemeingültiges Recht [...] . Davon ist sie vielmehr das an Gegensätzlichkeit nicht zu überbietende Gegenteil, ist wortgleiche, inhaltsgegensätzliche Losung gesetzgeberischer Gegner, heute schon feststehende Überschrift [gemeint ist der Titel des Reformentwurfs, „Gleichberechtigungsgesetz"-K.B.] ganz und gar ungewissen künftigen Inhalts, sie ist wie der .Friede', den West und Ost erstreben und sie findet ihre Antwort genau so nur aus subjektivem politischen Willen, nicht aus objektivem Rechte, wie etwa einst die Frage nach den Landesfarben und die nach der Nationalhymne." (KÖLNISCHE RUNDSCHAU 7.6.1953)
Am 1 8 . 6 . 1 9 5 7 wurde schließlich ein „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz)" (BGBl. I, S. 609) verkündet, das zwar das allgemeine Letztentscheidungsrecht des Ehemannes aufhob, immerhin aber noch den Letztentscheid des Vaters in allen familiären Fragen vorschrieb. Im Juli 1959 entschied schließlich das BVG, daß auch diese Regelung verfassungswidrig sei. Dazu verfaßte die S Ü D D E U T S C H E Z E I T U N G die Schlagzeile „Elternrecht - nicht Vaterrecht" ( 6 . 8 . 1 9 5 9 ) , und die D E U T S C H E Z E I T U N G kommentierte den Entscheid unter dem Titel „Gleichberechtigte Mütter" folgendermaßen: „Dabei kam der Erste Senat zu der Entscheidung, daß der Grundgesetzgeber die volle Gleichberechtigung der Geschlechter in der Ehe gewollt habe; daran muß sich der Gesetzgeber halten. [...] Die biologische Ungleichheit der Geschlechter schien ihnen kein Grund für eine ungleiche Behandlung der Eltern, denn sie stehen in ihrem Verhältnis zu ihren Kindern in der gleichen Verantwortung, die durch die biologischen Unterschiede in keiner Weise differenziert wird."82
Damit war der Versuch der konservativen Parteien, eine Interpretation von Gleichberechtigung durchzusetzen, die mit einer Entscheidungsdominanz des Mannes bzw. des Vaters in Ehe und Familie vereinbar war, endgültig gescheitert. Mit der Konvention, nach der die Funktionsteilung im Sinne geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung letztlich doch eine semantische Einschränkung des Rechtsterminus Gleichberechtigung bedeutete, wurde indessen erst in den siebziger Jahren gebrochen.
82
DEUTSCHE ZEITUNG UND WIRTSCHAFTS-ZEITUNG 3 0 . 7 . 1 9 5 9 .
Gleichberechtigung
469
2. Von der Emanzipation zur Frauenförderung, die Neue Frauenbewegung und die Frauenpolitik seit 1968 2.1 Frauenemanzipation lutionär und reformativ
in den siebziger Jahren - zwischen revo-
Das eigentlich Revolutionäre an der Frauenpolitik der späten sechziger und der siebziger Jahre war nicht nur die Radikalität, mit der der gesellschaftliche Status der Frau öffentlich kritisiert wurde, sondern auch die breite öffentliche Resonanz, die diese Kritik auslöste. Dabei wurde ein Ausdruck wiederentdeckt, der schon in der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt hatte: Emanzipation^, auch übersetzt als Befreiung der Frau, wurde zu der zentralen und umstrittenen Leitvokabel, die den Ausdruck Gleichberechtigung als frauenpolitisches Kampfwort kurzfristig überschattete.84 Die Wiederkehr von Emanzipation als frauenpolitisches Leitwort in den siebziger Jahren ist wohl von drei Faktoren beeinfußt: dem allmählich während der sechziger Jahre einsetzenden öffentlichen Bewußtseinswandel gegenüber den stereotypen Rollenmustern von Mann und Frau; der nach dem Regierungswechsel von 1969 beginnenden sozialliberalen Reformpolitik, die auch den Interessen der Frauen besser gerecht werden sollte und unter anderem auf eine Änderung des Ehe- und Familienrechts und des Abtreibungsrechts zielte; besonders aber von der Neuen Frauenbewegung, die die gesellschaftspolitische Revolte der Studentenbewegung gegen die „kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse" zur frauenpolitischen Revolte gegen das „Patriarchat", die „Unterdrückung der Frau durch die Männergesellschaft" ummünzte. Die sogenannte Neue oder auch autonome Frauenbewegung nahm ihren Ursprung in der 68er Bewegung, genauer: im „Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS). Aus ihm entwickelte sich 1968 der „Aktionsrat für die Befreiung der Frau" in West-Berlin, dem bald weitere Gründungen von Frauengruppen wie der „Frankfurter Weiberrat" folgten.85 Ihr provokanter Slogan, der auf einem Bundeskongreß des SDS 83
84 85
Menschik führt den deutschen Gebrauch des Wortes im eingeschränkten Sinne der Frauenemanzipation auf die Übersetzung der Saint-Simonistischen Parole von „l'affranchissement (Freilassung) de la femme" in einer deutschen Schrift von 1835 als „Emanzipation der Frau" zurück. „Seit dieser Zeit etwa bedeutet Emanzipation des Menschen: „Befreiung statt Freilassung; Befreiung von überflüssigem Zwang, von irrationaler Herrschaft und Unterdrückung" (Menschik 1971, S. 57). Zur sprachhistorischen Entwicklung des Terminus vom 17. bis zum 20. Jahrhundert vgl. den Kurzüberblick in: Strauß/Haß/Harras 1989, S. 6l0ff. In einem Rückblick nannten die RUHR-NACHRICHTEN die 70er Jahre „unter anderem auch das Jahrzehnt der Frauenemanzipation" (31.12.1979)· Vgl. Nave-Herz 1988, S. 65ff.
470
Kapitel 12 86
1968 Furore machte: Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen!87 Vereint wurden die immer zahlreicher werdenden, aber von ihren Zielsetzungen recht heterogenen Frauengruppen durch den gemeinsamen Kampf in der .Aktion 218", einem Zusammenschluß verschiedenster Frauengruppen gegen den § 218. Nicht unter dem Titel der Emanzipation, wohl aber unter dem ihm verwandten Fahnenwort der Selbstbestimmung wurde die Diskussion um den § 218 geführt, die zur Initialzündung der Neuen Frauenbewegung wurde. 88 Auf ihrem Bundeskongreß in Frankfurt im März 1972 unter dem Motto Frauen gemeinsam sind stark, das zu einem zentralen Slogan der Bewegung wurde 89 , formulierten die Frauen der .Aktion 218" erstmals gemeinsam ihre übergreifenden Hauptforderungen zur Veränderung der „patriarchalischen Ordnung" 90 . Einem Kommentar des WESER-KURIER zufolge „begann sich eine neue Emanzipationsbewegung auf breiter Ebene zu formieren" ( 1 4 . 3 1 9 7 2 ) . Auch die parlamentarischen Parteien hatten die Emanzipation der Frau entdeckt und suchten sie in die eigenen frauenpolitischen Konzepte zu integrieren. Emanzipation wurde Anfang der siebziger Jahre zu dem umstrittenen frauenpolitischen Schlagwort und war von nun an im öffentlichen Bewußtsein fest mit der Frage des Geschlechterverhältnisses verbunden. 91 1975, das zum internationalen ,Jahr der Frau" ausgerufen worden war und zum einen als ,Jahr der schönen Worte" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 2 7 . 1 2 . 1 9 7 5 ) , zum anderen auch als „Marathon der Frauenbeschimpfung" 92 bezeichnet wurde, war schließlich die öffentliche Diskussion der Frauenfrage auf ihrem kommunikativen Höhepunkt angelangt. Emanzipation und Gleichberechtigung gerieten, so die Kommentatoren, zu „überstrapazierten Schlagworten" (SAARBRÜCKER ZEITUNG 3 1 . 1 2 . 1 9 7 5 ) 9 3 .
Als „Neue" Frauenbewegung wurden die frauenpolitischen Aktionen und Aktivitäten seit Ende der sechziger Jahre wohl vornehmlich zur Ab86 87 88 89 90 91
92 93
Das Motto des Kongresses: „xOOO Jahre Patriarchat sind genug!" (vgl. D E R SPIEGEL (25.11.1968), H. 48, S. 60). Vgl. D E R SPIEGEL (25.11.1968), H. 48, S. 60; Vgl. auch Schwarzer 1981, S. 13f. Vgl. Nave-Herz 1988, S. 69ff. Zum Thema § 218 vgl. das Kapitel „Lebensrecht oder Selbstbestimmungsrecht?" in diesem Band. Vgl. auch Schwarzer 1973, S. 28; STERN 27.12.1974, S. 65. Zit. nach WESER-KURIER 14.3.1972. Vgl. ABENDZEITUNG MÜNCHEN 8 . 1 2 . 1 9 7 1 : „Alle reden von Emanzipation"; D I E ZEIT 2 8 . 1 2 . 1 9 7 3 : „Emanzipation ist eines der modernen Schlagworte. Vor allem die Frauen wollen emanzipiert sein. Davon versprechen sie sich das große Glück"; STERN 2 7 . 1 2 . 1 9 7 4 , S. 6 2 : „Kaum ein Begriff ist so zum Reizwort geworden, ist so oft mißdeutet worden wie Emanzipation". Alice Schwarzer in: D I E ZEIT 19.12.1975. Vgl. auch FR 27.12.1975. 1976 hob das große Duden-Wörterbuch in seiner Definition von Emanzipation erstmals den Bezug auf das Geschlechterverhältnis hervor: „rechtliche u. gesellschaftliche Gleichstellung (der Frau mit dem Mann)".
Gleichberechtigung
471
grenzung gegen die seit Kriegsende wieder etablierten bürgerlichen Frauenverbände und Organisationen bezeichnet, die ebenfalls unter dem Titel Frauenbewegung zusammengefaßt wurden.94 Diese hatten gemeinsam mit anderen frauenpolitischen Reformerinnen der fünfziger Jahre eine rechtliche und soziale Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mann und Frau i n n e r h a l b der bestehenden Gesellschaftsform gefordert, ohne dabei die traditionellen Rollenmuster von Mann und Frau wie beispielsweise die geschlechtsspezifische Funktionsteilung im öffentlichen und privaten Bereich radikal in Frage zu stellen. Nun aber sollte es um das umfassende Ziel einer gesellschaftlichen Emanzipation gehen, und das sollte bedeuten: „Bewußtmachung der Unterdrückungsmechanismen und konsequente Ablehnung der repressiven Rollenstereotype"95 mit dem Ziel einer Umstrukturierung der bestehenden Gesellschaftsordnung. In der Zeitschrift BLICKPUNKT vom Mai 1 9 6 9 schrieb die SDSlerin Barbara Witt: „In unserer Gesellschaft bedeutet Frausein Abhängigkeit und Unterdrükkung, während die Rolle des Mannes Expansiosität (sie!] und Ungebundenheit beinhaltet. [...] Zwischen Mann und Frau in unserer Gesellschaft bestehen so etwas wie Klassenunterschiede. [...] Die Repression der Frau ist ein notwendiges Politikum unserer Gesellschaft - die Emanzipation der Frau kann als ein Gradmesser der gesamtgesellschaftlichen Emanzipation gelten. Aus dem Wissen um die Unterdrückung der Frau leitet sich die Forderung nach Emanzipation ab."
Mit den Ausdrücken Emanzipation der Frau, Frauenbefreiung etc. verbanden die Vertreterinnen der Neuen Frauenbewegung vor allem die Befreiung von jenen Denk- und Rollenmustern, durch die sie in passiver Abhängigkeit vom Mann und fern vom gesellschaftlichen Leben, d.h. von qualifizierter Bildung und Ausbildung, von Politik und Beruf gehalten und auf den häuslichen und familiären Bereich festgelegt wurden. In einem Bericht zur Neuen Frauenbewegung definierte der STERN unter Berufung auf Meyers Lexikon Emanzipation als „,[...] Befreiung aus einem rechtlichen, politischen oder sozialen Abhängigkeitsverhältnis', sie bedeutet die Aufhebung der Unmündigkeit, auf Frauen bezogen auch Selbstverwirklichung. Emanzipation beschreibt einen Vorgang, keinen Zustand; [...]." (27.12.1974, S. 62)
Den Vorgang der „Emanzipation in Deutschland" beschrieb der folgendermaßen:
94 95
STERN
Vgl. zum Beispiel den Beitrag des RHEINISCHEN MERKUR ZU den Jubiläen des Deutschen Frauenrings und des Bunds Deutscher Frauenvereine mit dem Titel: „Bilanz und Zukunft der Frauenbewegung in unserer Gesellschaft" (28.11.1969)· Barbara Witt in: BUCKPUNKT MAI 1969-
472
Kapitel 12
.Jetzt treten die Frauen an gegen die jahrhundertelange Bevormundung und die bis in unsere Zeit wirkenden Vorurteile. Sie nennen die Kirche die .älteste, größte und bestorganisierte Verbrecherorganisation aller Zeiten' und rufen zum Austritt auf [...]. Sie pfeifen auf die doppelte Moral und veröffentlichen Kontaktanzeigen in Sex-Blättern [...]. Sie schlucken die Pille [...]. Und sie verwalten das Geld [...]. Sie kriegen weniger Kinder, interessieren sich mehr für Politik und lassen sich schneller scheiden denn je zuvor. 5,8 Millionen Ehefrauen sind bereits berufstätig, 2,5 Millionen würden es gerne sein [...]. Sie strömen auf die Gymnasien und die wissenschaftlichen Hochschulen. Sie zeigen Initiative [...]. Sie beweisen Solidarität [...]. Und sie bilden Gruppen, die die Herren der Schöpfung das Fürchten lehren [...). Emanzipation in Deutschland." (ebd., 6 l f . )
Diese „Gruppen, die die Herren der Schöpfung das Fürchten lehren", wollten mit ihrer Forderung nach Emanzipation über die nach Gleichberechtigung hinausgehen. Gleichberechtigung wurde als an sich systemstabilisierende Forderung nach rechtlicher Angleichung der Frau an den Status des Mannes betrachtet. Sie wurde daher bestenfalls als erster Schritt innerhalb einer gesamtgesellschaftlichen Konzeption zur Emanzipation, zur „Befreiung des Menschen von der Bevormundung und Übervorteilung" akzeptiert.96 Im öffentlichen Sprachgebrauch der siebziger Jahre traten beide Vokabeln allerdings seltener in Konkurrenz zueinander und wurden häufiger als Ausdrücke einander ergänzender Zielkonzepte präsentiert. So schrieb die WELT: „Die Emanzipation der Frau bedeutet aber noch mehr als ihre Gleichberechtigung: ihre Lösung aus der sittlichen und geistigen Bevormundung durch den Mann" (DIE WELT 21.12.1968). Auch wurde versucht, die altgediente Leitvokabel Gleichberechtigung mit Hilfe des neuentdeckten Fahnenworts Emanzipation, von dem laut ABENDZEITUNG MÜNCHEN spätestens 1 9 7 1 alle redeten97, interpretativ zu „modernisieren". Erika Heß, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF), beispielsweise interpretierte Gleichberechtigung als ein .Recht der Frau auf Emanzipation'. Emanzipation wird hier nicht nur negativ als „Lösung aus der Bevormundung durch den Mann" formuliert, sondern auch positiv als „freie Selbstentfaltung":
96
Vgl. hierzu Witt: „Wir fordern nicht Gleichberechtigung, denn wir streben nicht danach, ebenso unterdrückt und ausgebeutet zu werden wie der Mann. [...] Wir wollen keine besser verteilte Ungerechtigkeit, während das Herrschaftsgebäude ansonsten unangetastet bleibt, sondern wir wollen eine allgemeine Emanzipation, eine allgemeine Befreiung des Menschen von der Bevormundung und Übervorteilung. Die Emanzipation der Frau kann nur mit einer allgemeinen Emanzipation aller Menschen erreicht werden" (BUCKPUNKT Mai 1969). Zur konkurrierenden Verwendung von Gleichberechtigung (innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung) und Emanzipation (vom kapitalistischen bzw. patriarchalischen Gesellschaftssystem) vgl. vornehmlich die rein sozialistische Variante der Frauenbewegung, wie sie zum Beispiel Jutta Menschik vertrat (vgl. Menschik 1971, S. 8f.).
97
V g l . ABENDZEITUNG MÜNCHEN 8 . 1 2 . 1 9 7 1 .
Gleichberechtigung
473
„Gleichberechtigung wird [...] immer noch mißverstanden als Recht der Frauen auf Gleichheit mit den Männern, nicht aber als Recht der Frauen auf freie Selbstentfaltung und eigengestaltete Persönlichkeit. Im jahrhundertelangen Patriarchat haben die Männer die Außenwelt gestaltet mit dem Anspruch auf die von ihnen aufgestellten Wertideen. Die Forderung der Frauen auf Emanzipation und damit auf freies Entfalten und gleichberechtigtes Anerkennen ihres Wesens stößt deshalb auf tiefsitzende Vorurteile und Rollenklischees. [...] Schon in der Familienerziehung wird politisches Interesse der Mädchen als .unweiblich' abgewertet und die Bereitschaft zum politischen Mitdenken und -handeln blockiert." (VORWÄRTS
28.1.1971)
Einmal abgesehen von der umstrittenen Annahme eines spezifisch anderen Uesens" der Frau, das es zu entfalten gelte, klingt hier ein wichtiger Ansatzpunkt der autonomen Frauenbewegung an: Die Rollenmuster der Frau galten als Produkt der „Männergesellschaft". Emanzipation wurde als Widerstand gegen die von Männern gesetzten Wertmaßstäbe verstanden, und dies hieß auch: Widerstand gegen die Weise, in der im „Patriarchat" Frauen als Frauen definiert und dominiert werden. Als Dreh- und Angelpunkt dieser Rollenzuweisung wurde die Vorstellung von einer „naturgegebenen" Weiblichkeit der Frau und den damit verbundenen Merkmalen thematisiert und als kulturbedingte „zweckorientierte Fiktion der Männergesellschaft"98 angegriffen, die die Frauen in die Rolle der (geistig und körperlich) Schwachen, Passiven, Abhängigen, Dienenden etc. dränge und diese als ihre natürliche Bestimmung festzuschreiben versuche. Emanzipation bedeute, sich vom Weiblichkeitswahn100 und von Weiblichkeitsklischees zu befreien, die diese Diskriminierung der Frau begünstigten. Vorreiterin der Kritik biologistischer Weiblichkeitsideologie war die französische Schriftstellerin Simone de Beauvoir, die in ihrem Klassiker „Das andere Geschlecht" den häufig zitierten Satz schrieb: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es."101 In ihrem Buch „Der kleine Unterschied", das 1975 erschien und bald zum Bestseller wurde102, diffe98 99
Witt in: BUCKPUNKT Mai 1969. An dieser Stelle sei an die konservativen Argumentationsmuster im Streit um den Stichentscheid des Mannes im Ehe- und Familienrecht in den fünfziger Jahren erinnert, die sich auf die „natürliche Ordnung", die „natürliche Verschiedenheit der Geschlechter" und das „Wesen der Frau" beriefen. 100 Das B u c h „Der Weiblichkeitswahn" von Betty Friedan, das Mitte der sechziger Jahre ins Deutsche übersetzt wurde, entwickelte sich wie Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht" zu einem Klassiker der Neuen Frauenbewegung. Friedan konstatierte als „Weiblichkeitswahn" die „psychische und soziale Verelendung der sogenannten bürgerlichen Frau in ihrem inhaltslosen Hausfrauendasein, mit all den katastrophalen Konsequenzen für Mann und Kinder, in denen die frustrierte Frau sich auslebt" (Schwarzer 1973, S. 20f.). 101 Vgl. zum Beispiel DIE ZEIT 22.5.1970. 102 Vgl. Schenk 1980, S. 89.
Kapitel 12
474
renzierte Alice Schwarzer, Protagonistin der Neuen Frauenbewegung, bei den Bezeichnungen Männlichkeit und Weiblichkeit zwischen dem „biologischen Unterschied" und seinen „ideologischen Folgen": „Nicht dieser biologische Unterschied, aber seine ideologischen Folgen müßten restlos abgeschafft werden! Denn Biologie ist nicht Schicksal, sondern wird erst dazu gemacht. Männlichkeit und Weiblichkeit sind nicht Natur, sondern Kultur. Sie sind die in jeder Generation neu erzwungene Identifikation mit Herrschaft und Unterwerfung. Nicht Penis und Uterus machen uns zu Männern und Frauen, sondern Macht und Ohnmacht." (Schwarzer 1977, S. 179) In ähnlicher Weise kritisierte Petra Kipphoff 1970 in der ZEIT das Attribut weiblich als Kanon des „Ewig diene das Weib" — als Hausfrau und Mutter oder in meist niederer Erwerbstätigkeit: „Das Mädchen wird von der Gesellschaft, die ihren segensreichen Einfluß mit der Puppenstube zu Weihnachten beginnt, auf seine ,Rolle' vorbereitet: .Dienen lerne beizeiten das Weib'; es diene als Hausfrau und Mutter oder in .typisch weiblichen' Berufen des Helfens, Pflegens, Lehrens, außerdem im Büro, am Fließband, im Dienstleistungsgewerbe. Daß die Berufe .typisch weiblich' sind, belegen die Statistik einerseits, und Umfragen, die das weibliche Interesse am .typisch Weiblichen' dokumentieren, andererseits [...]. Und so werden die bestehenden Verhältnisse mit dem milden Glanz der Harmonie alles .Natürlichen' Übergossen. Möglich wäre jedoch eine andere Interpretation dieser naturgereiften Harmonie: Die Frau ist für das geeignet, wofür sie erzogen wird, und selbstverständlich sehr viel weniger für das, gegen das sie erzogen wird, für Berufe und Positionen also, die die männliche Gesellschaft sich selber vorbehalten möchte." (DIE ZEIT 2 2 . 5 . 1 9 7 0 ) Andererseits wurde darauf hingewiesen, daß Frauen diese Weiblichkeitsklischees so stark internalisiert hätten, daß jede Kritik oder Abweichung von den Frauen selbst sanktioniert würde. So wies die Psychologin Margarethe Mitscherlich darauf hin, daß „emanzipierte Frauen" von Frauen als „unweiblich" bezeichnet würden. 103 Als Prototyp der „unweiblichen" Frau galt traditionell die Frau in sogenannten typischen Männerberufen, besonders die Karrierefrau104. Die 103 „Was im übrigen ,in unserer patriarchalisch bestimmten Gesellschaft' als weiblich angesehen wird, werde ohnehin von Männern bestimmt und entpuppe sich bei näherem Hinsehen als traditionsbestimmte, durch Jahrhunderte verinnerlichte Strukturen. Emanzipierte Frauen würden von Frauen als .unweiblich' gescholten" (DEUTSCHE TAGESPOST 1 5 . 1 2 . 1 9 7 1 ) .
104 Eine Durchsicht des vorliegenden Textmaterials erwies, daß der Ausdruck Karrierefrau, mit dem Frauen bezeichnet wurden, die den Weg in die Führungsetagen erfolgreich absolviert haben, in den siebziger und achtziger Jahren selten als „schmeichelhafte Bezeichnung" (RHEINISCHE POST 15 7.1972) aufgefaßt wurde, häufiger neutral (OSNABRÜCKER ZEITUNG 1 0 . 1 . 1 9 7 5 ; DIE ZEIT 1 9 . 1 2 . 1 9 7 5 ; STERN 2 2 . 8 . 1 9 8 5 ) , m e i s t e n s a b e r e h e r n e g a t i v g e p r ä g t ( F A Z 1 4 . 4 . 1 9 7 8 ; DIE ZEIT 1 7 . 5 . 1 9 8 5 ; DER SPIEGEL ( 2 3 - 9 1 9 8 5 ) ,
H. 39, S. 74) war. Als neutrale Altemativbezeichnungen etablierten sich
erfolgreiche
Gleichberechtigung
475
schon früher übliche Bezeichnung der Frauen in Führungspositionen als Mannweiber 05 bestätigt dies. Im Gegenzug wurde auch versucht, eine Neubestimmung von iveiblich zu erreichen. In einer Rezension des Buches „Frauen loben den Beruf" hieß es 1971: „Alle reden von Emanzipation. 15 Frauen haben jetzt verraten, was es damit auf sich hat. In der Ehe und am Arbeitsplatz: Was weiblich ist, bestimmen wir. [...] Es ist nicht .unweiblich', Polizeikommissarin, Psychotherapeutin, Richterin, Unternehmensberaterin oder auch Politikerin zu sein." (ABENDZEITUNG MÜNCHEN 8 . 1 2 . 1 9 7 1 )
1977 hob Marlis Gerhardt die Notwendigkeit der „inneren" Befreiung von internalisierten Weiblichkeitsbildern hervor und betonte damit die psychologische Perspektive, die sich im Ausdruck Emanzipation manifestierte: „Die konservativen Wunschbilder des Patriarchats über das ,Wesen', ,die Bestimmung' und die ,Natur' des Weiblichen sind im historischen Prozeß tatsächlich zu so etwas wie einer zweiten Natur der Frau geworden. [...] Emanzipation kann daher heute nur bedeuten, das mühselige Geschäft der Aufklärung zu betreiben, die noch vorhandene Ideologie der Weiblichkeit zu überprüfen und die eigenen psychischen und sozialen Ängste vor Emanzipation aufzudecken." (VORWÄRTS 2 4 - 3 - 1 9 7 7 )
Weiblich oder besser: typisch weiblich gerieten als „patriarchalisch besetzte" Attribute insofern hin und wieder zu Konkurrenzvokabeln von emanzipiert und erhielten eine gewisse Brisanz. Der STERN zitierte den Referenten einer Bochumer Tagung zum Thema Emanzipation: „Es gibt wohl nur Emanzipation aufeinander zu, fort von der trennenden Abstemplung .typisch weiblich', .typisch männlich'" (27.12.1974, S. 65). Auch die CDU-Abgeordnete Hanna Renate Laurien (CDU) plädierte auf einer Veranstaltung katholischer und evangelischer Frauenbünde und der CDU-Frauenvereinigung für eine gesellschaftliche Bewußtseinsveränderung, „um Mann und Frau aus den Einengungen der geschlechtsspezifischen Rollenklischees zu befreien": „Diese Klischees von der .weiblichen' Frau und dem .männlichen' Mann verkürzten die Möglichkeit zur vollen menschlichen Entfaltung bei beiden Geschlechtern" (RHEIN-ZEITUNG 4 . 5 . 1 9 7 1 ) .
Die Kritik an emanzipationshemmenden Weiblichkeitsklischees provozierte die Frage, was nun als Orientierungsmaßstab für ein neues FrauFrauen, Erfolgsfrauen oder auch Top-Frauen (MÜNCHNER MERKUR 2.10.1971; DIE ZEIT 26.10.1979; DER SPIEGEL (7.11.1988), H. 45, S. 78ff.): „Eine erfolgreiche Frau müsse sich abgrenzen gegen den negativ besetzten Stereotyp, eine .männlich orientierte Karrierefrau' zu sein" (FR 5 8.1986). ,„Karrierefrau' - das Bild, das dieser Begriff wachruft, ist jenes einer dynamischen, zielstrebigen, vielleicht etwas eingleisigen Person, die ihrem Erfolg die höchste Priorität gibt und, allen Verunsicherungsversuchen der Umwelt zum Trotz, zu diesen Prioritäten steht" (Benard/Schlaffer 1989, S. 218). 105 Vgl. zum Beispiel FR 15-1-1966; DIE ZEIT 7-5-1971; MÜNCHNER MERKUR 2.10.1971.
476
Kapitel 12
enbild gelten sollte. Viele befürchteten die Preisgabe aller „weiblichen Tugenden" und warnten vor einer Vermännlichung der Frau. Von BH und Lippenstift über den weiblichen Charme bis zur Nur-Hausfrau - alles wurde vor einer mißverstandenen Emanzipation zu schützen gesucht. So wandte sich die CDU-Abgeordnete Helga Wex gegen ein .„übertriebenes Emanzipationsgehabe', denn nichts habe der Gleichberechtigung mehr geschadet als die Tatsache, daß Frauen freiwillig oder unfreiwillig männliche Verhaltensweisen zu imitieren versuchten" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 31.1.1975). Dabei wurde häufig auf das neue
Leitbild der berufstätigen Frau abgehoben, das als „mißverstandene Emanzipation" im Sinne eines „Dem-Manne-Nachstreben"106 kritisiert wurde. Eine Autorin des TAGESSPIEGELS wehrte sich gegen den „Emanzipations-Terror" und kritisierte, „[...] daß man den Grad der Emanzipation an Äußerlichkeiten zu messen gewöhnt ist. Was ist daran unemanzipiert, wenn ich Lippenstift, Make-up, Nagellack etc. benütze? [...] Soll ich die Blumen, die ich geschenkt bekomme, als kapitalistisch-repressiven Manipulationsversuch zurückweisen? [...] Vielleicht ist es manchmal ein Zeichen von Emanzipation, zu Hause zu bleiben und .Hausfrau' zu sein? [...] Oder ist es ein Zeichen von Emanzipation, wenn ich alles, was als männlich gilt, zu imitieren versuche? [...] Und vor allem: eines verrostet bei der falsch verstandenen Emanzipierung immer mehr - die Waffen der Frau. Ich meine nicht das hübsche Gesicht, die gute Figur - das ist schmückendes Beiwerk. Aber kultivierter Charme, Esprit und einfühlsame Kreativität. [...] Emanzipation heißt auch Verzicht. Aber nicht Verzicht auf Make-up, BH und Weiblichkeit." (9.9.1973)
Emanzipationsbefürworterlnnen waren folglich bemüht, klarzustellen, daß nicht die Frau zum Mann gemacht werden solle, sondern eine Befreiung von den vermeintlich naturgegeben Rollenzwängen angestrebt sei. So stellte die ZEIT-Autorin Petra Kipphoff bereits Anfang der siebziger Jahre klar: „Es geht nicht darum, aus Frauen Männer zu machen, sondern Mitglieder der emanzipierten Gesellschaft der Frauen und Männer" (22.5.1970). Schwarzer schrieb in ihrem Buch „Frauenarbeit - Frauenbefreiung" von 1973: „Nicht unsere Integrierung ist wünschenswert, nicht die Vermännlichung der Frauen, sondern die Vermenschlichung der Geschlechter" (Schwarzer 1973, S. 27).107 In Anlehnung an den Frankfurter Schule-Soziologen Herbert Marcuse differenzierte Schwarzer beim Emanzipations-Begriff zwischen der negativ bestimmten Befreiung von einer biologisch abgeleiteten konservativen Weiblichkeitsideologie und der positiv bestimmten Befreiung durch kulturell bedingte .^eiblichkeitswerte", die als zukunftsweisende revolu106 Roswitha Verhülsdonk (CDU/CSU) in: RHEINISCHER MERKUR 17.5.1974.
107 Vgl. auch Schwarzer 1977, S. 238, 240.
Gleichberechtigung
477
tionierende Gegenkräfte zum patriarchalischen System aufgefaßt wurden.108 Von einigen Vertreterinnen der parlamentarischen Parteien wurde Emanzipation in ähnlicher Weise positiv als Aufweichen der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeits- und Rollenteilung bei gleichzeitiger Beibehaltung des „spezifisch Weiblichen" zugunsten einer menschlicheren Gesellschaft interpretiert. In der Regierungserklärung zum Jahr der Frau" sagte der FDP-Redner Herbert Christ: „[...] das traditionelle Leitbild der Familie mit der Unterscheidung der Rolle des Mannes .draußen' und der Rolle der Frau .drinnen' sei von der Natur in dieser Abgrenzung nicht vorgegeben. Erst im Laufe der Entwicklung sei die .vaterlose Familie' und die .mutterlose Gesellschaft' entstanden. Er würde es als fatal empfinden, wenn die Frau jetzt den Anspruch auf Emanzipation als Nachahmen des männlichen Rollenverhaltens mißverstehen würde. Emanzipation der Frau .unter Beibehaltung des weiblichen Elements' beinhalte letztlich eine Veränderung zu mehr Menschlichkeit in einer gefühlsverarmten Streßgesellschaft." (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 3 1 . 1 . 1 9 7 5 ) 1 0 9
Willy Brandt, der „Emanzipation und Gleichberechtigung als Verpflichtung für die ganze Gesellschaft" (Brandt 1978a, S. 50) auffaßte, bezeichnete ein Denken, „das Gleichberechtigung als Angleichung, als ein SichMessen der Frauen an ,männlichen' Maßstäben verstand und damit mißverstand", als antiquiert und betrachtete Emanzipation im Sinne einer Befreiung von einem anachronistischen Frauen- und Männerbild durch ein gemeinsames wechselseitiges Voneinanderlernen: ^0?enn ich recht verstehe, haben wir damit begonnen, nach einem neuen Menschenbild zu suchen, für das Mann und Frau gleichrangig Maßstäbe setzen: im Ausgang und in der Orientierung. Emanzipation im Sinne einer modernen Demokratie kann gewiß nicht bedeuten, daß nur die Frauen .aufzuholen' haben. Zunehmend wird auf den Aufholbedarf der Männer hingewiesen. Das Selbstverständnis der Geschlechter befindet sich im Wandel: nicht nur in den Verantwortungen, sondern auch in den Empfindungen und Idealen. Der ganz männliche Mann hat viel von seiner Attraktivität verloren. Zum anderen ist eine zunehmende Zahl von Frauen nicht mehr bereit, sich in die Rolle des total femininen Wesens zurückdrängen zu lassen." (Brandt 1978a, S. 12f.)
108 Vgl. Schwarzer 1973, S. 23. Ein Stichwort in diesem Zusammenhang war die Feminisierung der Gesellschaft (vgl. das Interview mit dem Zukunftsforscher Robert Jungk im STERN 3 0 . 7 . 1 9 7 2 , S. 7 8 ) .
109 Vgl. auch Helga Wex (CDU), die bei der Erläuterung der Aufgaben der von ihrer Fraktion beantragten Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" die „Synthese .weiblicher' und .männlicher' Prinzipien und Werte" als gesellschaftspolitisches Ziel in Aussicht stellte: „nur eine solche Synthese kann den menschlichen Fortschritt bringen. Die CDU/CSU-Fraktion ist aus diesen Gründen auch der Auffassung, daß es sich bei dieser Initiative nicht ,nur' darum handelt, die Frauen in unserer Gesellschaft zu emanzipieren, sondern um eine .Emanzipation' der Gesellschaft selbst." (DEUTSCHE TAGESPOST 2 1 . 3 . 1 9 7 3 ) .
Kapitel 12
478
Oberflächlich betrachtet, schienen die an der frauenpolitischen Diskussion teilnehmenden Parteien in ihrem Grundverständnis von Frauenemanzipation gar nicht so weit voneinander entfernt zu sein: .Befreiung von der Bevormundung durch den Mann', .Gewährleistung der Selbstentfaltung der Frau', ,Vermenschlichung der Geschlechter bzw. der Gesellschaft statt Vermännlichung der Frau' schienen als positive Merkmale von Emanzipation konsensfähig. Konnten diese allgemeinen Statements zur Emanzipation der Frau noch den Eindruck eines breiten gesellschaftlichen Konsenses hervorrufen, so zeigten sich die kontroversen Positionen besonders an zwei konkreten Punkten: erstens in der Frage der Regelung der Arbeitsteilung in Beruf und Familie unter emanzipatorischen Gesichtspunkten; zweitens in der Frage, ob die Emanzipation der Frau eine partnerschaftliche Beteiligung der Männer voraussetze oder einen Machtkampf der Geschlechter, verstanden als Frauenkampf ohne bzw. gegen den Mann. Die Vertreterinnen der Neuen Frauenbewegung sowie ein Teil der SPD und FDP waren sich weitgehend darüber einig, daß Berufstätigkeit eine notwendige, wenn auch nicht hinlängliche Voraussetzung für die Emanzipation der Frau sei. 110 Ein größerer Teil der SPD- und FDP- sowie der CDU-Politikerinnen betrachtete indessen die Berufstätigkeit als nur e i n e Möglichkeit zur Emanzipation der Frau, die sie im Sinne der bald sogenannten Wahlfreiheit der Frau zwischen Beruf und Familie oder einer Kombination beider Bereiche interpretierten. Bis in die sechziger Jahre war die Erwerbstätigkeit der Frau in der Öffentlichkeit eigentlich nur aufgrund individueller bzw. familiärer finanzieller oder gesamtwirtschaftlicher Notwendigkeit gebilligt oder gar gefördert worden. In den sechziger Jahren kündigte sich allmählich ein Wandel an. Durch die steigende Zahl berufstätiger Frauen und die diesen Trend unterstützende Parole „die Wirtschaft braucht die Frau" geriet das frühere Leitbild der „Nur-Hausfrau" immer mehr ins Abseits. Schon Anfang bis Mitte der sechziger Jahre machte die Aufwertung der berufstätigen Frau zur emanzipierten Frau und ebenbürtigen Partnerin des Mannes dem Leitbild der (Nur-)Hausfrau und Mutter Konkurrenz. 111 110 Vgl. Schwarzer 1977, S. 229; Menschik 1971, S. 166; Pausch-Gruber 1978, S. 83; Ingrid Matthäus in: FR 17.7.1972. Mit dieser Intention prägte die Frauenbewegung auch den Slogan Kinderzimmer, Heim und Herd sind kein ganzes Leben ivert (vgl. STERN 2 7 . 1 2 . 1 9 7 4 , S. 6 2 ) .
111 So spricht der TAGESSPIEGEL vom zweiten Leitbild neben dem der Hausfrau und Mutter als dem „Bild der berufstätigen Frau, die sich im Wege der Emanzipation ganz auf den Beruf konzentriert hat" (18.8.1963). Die ZEIT sieht einen Widerstreit zwischen der „modernen beruflich tüchtigen Frau und Partnerin" und dem „traditionellen Bild aus dem Biedermeierlexikon, die Hausfrau und Mutter, die Bewahrerin des Heims, die Hüterin des Friedens, die anschmiegsame Rebe" (25.6.1965).
Gleichberechtigung
479
Für die autonomen Frauengruppen war die traditionelle Form der „Frauenarbeit" als Hausfrau und Mutter eine stärker selbst entfremdende Arbeit als jede Erwerbstätigkeit. Als Frauenleitbild war sie der Motor der Frauenunterdrückung und der Ursprung des ^eiblichkeitswahns", bei dem „die eigene Identität völlig verlustig gegangen ist, wobei ein eigenes Selbst einfach keinen Platz hat"112. Die beste Möglichkeit, dieses eigene „Selbst" zu „verwirklichen", sahen viele folglich in der Erwerbstätigkeit der Frau gegeben. Selbstverwirklichung etablierte sich in den sechziger und siebziger Jahren als eine Interpretationsvokabel von Frauenemanzipation insbesondere zur Werbung für die Berufstätigkeit der Frau. So kommentierte die FRANKFURTER RUNDSCHAU 1972: „[...], daß die althergebrachte Hausfrauenrolle eine Einschränkung ihrer (der Frauen) Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, daß qualifizierte Berufsausübung, mit dem Schritt aus der ausschließlichen Familienbezogenheit, daß individuelle Entfaltung Ansätze der Selbstverwirklichung sein können." (25.7.1972)
1981 beklagte Dorothee Wilms (CDU) „überzogene und einseitige, ideologisch verfestigte emanzipatorische Tendenzen" in „dem feministischen oder sozialistischen Lager", die „die Chancen für die Selbstverwirklichung der Frau nahezu ausschließlich in der Erwerbstätigkeit und außerhalb der Familie sehen"113 und damit die Frauen verunsicherten. Die Berufstätigkeit der Frau etablierte sich im Sprachgebrauch der siebziger Jahre als zwar umstrittenes, aber stereotypes Merkmal des Ausdrucks Emanzipation, die „Doppelrolle" der Frau in Beruf und Familie galt als „modisch".114 Wie die STUTTGARTER NACHRICHTEN berichteten, war die Berufstätigkeit zum Emanzipations-„Ideal schlechthin" (1.12.1973) geworden. Das FLENSBURGER ABENDBLATT kommentierte: „Mit dem Schlagwort Emanzipation ist es der Industriegesellschaft und den Feministinnen gelungen, den Frauen einzureden, daß sie arbeiten müßten, um sich selbst ,zu verwirklichen', um freier zu werden" (13 91975). 115 Die besondere Sorge der Unionsparteien im Zusammenhang mit dem Leitbild der berufstätigen Frau galt den kursierenden Plänen zu einer „Neugestaltung der Familie", die sie als Entwertung der Haus- und Familienarbeit betrachteten.116 So forderte der Bundeskongreß der .Aktion 218" 1972 eine ,Vergesellschaftung der Hausarbeit und der Kindererziehung" in Form von Großküchen und kostenlosen „24-Stunden-Kinder112 Witt in: BUCKPUNKT MAI 1969· 113 CDU-Rheinland. Materialien: Politik für Frauen. Gleichberechtigung. Wahlfreiheit. Partnerschaft.
1/1981.
114 Vgl. Pini, Claudia; Ursula Frohn (Aktion 218, Köln): Das neue Frauenleitbild in der Bundesrepublik Deutschland. In: Schwarzer 1973, S. 177. 115
V g l . a u c h G a b r i e l L a u b i n : D I E ZEIT 2 8 . 1 2 . 1 9 7 3 .
116
V g l . V e r h ü l s d o n k ( C D U / C S U ) i n : RHEINISCHER MERKUR 1 7 . 5 . 1 9 7 4 .
Kapitel 12
480
gärten", die den Frauen die Erwerbstätigkeit ermöglichen und sie von der „Doppelbelastung durch Beruf und Familie" befreien sollte.117 Ein Kommentar dazu lautete: „Emanzipation heißt heute so oft nur dies: die Lust des Lebens genießen, aber die Last der Gesellschaft aufhängen" (STUTTGARTER NACHRICHTEN 1 . 1 2 . 1 9 7 3 ) . Ähnliche Vorstellungen wie die .Aktion 218" entwickelten aber auch die Deutschen Jungdemokraten in dem Manifest „Die Emanzipation der Frauen und ihrer Männer"118 und der „Arbeitskreis Emanzipation" bei den Jungsozialisten119. Eine konkrete Forderung, die die drei Organisationen mit der Regierungskoalition verband, war die Aufhebung der Festschreibung der geschlechtsspezifischen Arbeits- und Rollenverteilung im Ehe- und Familienrecht. Die sozial-liberale Koalition wollte die Abschaffung der sogenannte Hausfrauenehe12°, die der Frau Haushalt und Familie, dem Mann die Ernährerfunktion als Aufgaben zuteilte und die Frau bei Unterhaltsproblemen der Familie obendrein noch zur Erwerbstätigkeit verpflichtete. Diese sollte durch die später sogenannte Partnerschaftsehe ersetzt werden, die die Ehepartner in gleicher Weise für den Haushalt und den Unterhalt der Familie verantwortlich machte und ihnen ein gleiches Recht auf Erwerbstätigkeit zubilligte. Mit dieser rechtlichen Gleichstellung sollte gemäß dem Ziel einer tatsächlichen Freiheit der Rollenwahl auch ein gesellschaftliches Umdenken forciert werden.121 Von seiten der CDU/CSU wurde der Regierungskoalition unterstellt, sie wolle mit der Abschaffung der Hausfrauenehe die berufstätige Frau als neues Frauenleitbild etablieren und die Rolle der Hausfrau und Mutter abwerten. „Als ,Nur-Hausfrau' tituliert, muß sie sich sagen lassen, daß sie ein völlig unmodernes Dasein führt, finanziell abhängig, unterdrückt, sozial isoliert, unproduktiv, mit monotonen Arbeiten beschäftigt. [...] Diese [im neuen Ehe- und Familienrecht-K.B.1 angestrebte Einseitigkeit führt zur Diskriminierung der ,Nur-Hausfrau' jetzt auch von Gesetzes wegen." 1 2 2
Aufgabe sei es nun, „die falsche Alternative aufzuheben: entweder Hausfrau und Mutter oder emanzipiert"123. Wenn auch der besagte Gesetzentwurf der Regierung betonte, gerade auf die gesetzliche Festschreibung
117 Vgl. WESER-KURIER 1 4 . 3 1 9 7 2 .
118 Vgl. „Alle Frauen sollen ihr Leben lang im Beruf tätig sein". In: FR 17.7.1972 und „Mißverstandene Emanzipation". In: RHEINISCHER MERKUR 17.5.1974.
119 Vgl. FR 6.3.1973. 120 Vgl. hierzu die Begründung im Entwurf zur Ehe- und Familienrechtsreform vom 1.6.1973, BT-Drs. 7/650, S. 75. 121 Vgl. Elfriede Eilers (SPD) in: DAS PARLAMENT 1.12.1973. 122
V e r h ü l s d o n k ( C D U / C S U ) in: RHEINISCHER MERKUR 1 7 . 5 . 1 9 7 4 .
123 Ebd.
Gleichberechtigung
481
eines Leitbildes verzichten zu wollen124, gab es in der SPD tatsächlich Tendenzen, in der Berufstätigkeit der Frau den entscheidenden Weg zur Emanzipation zu sehen. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) Elfriede Eilers hatte im hessischen Wahlkampf festgestellt, ,„daß Emanzipation nur über Berufstätigkeit erlangt werden kann'", damit die Frauen nicht für immer die .„stille Reserve am Arbeitsmarkt'"
(FRANKFURTER AUGEMEINE
ZEITUNG 2 4 . 9 . 1 9 7 4 )
bleiben.
Demgegenüber sicherte die Vorsitzende der CDU-Frauenvereinigung Helga Wex „den Hausfrauen wie den berufstätigen Frauen gleiche Emanzipationschancen" (ebd.) zu. Mitte der siebziger Jahre gab es darüber auch heftige Auseinandersetzungen innerhalb der sozialdemokratischen Frauenbewegung.125 Im Dezember 1974 beschloß die ASF schließlich als Ziel sozialdemokratischer Familienpolitik zwar eine Ausbildungspflicht für alle jungen Menschen, aber keine Verpflichtung zur Berufstätigkeit für Frauen. Bundesfamilienministerin Katharina Focke ließ laut FRANKFURTER ALLGEMEINE a u f d e m D e l e g i e r t e n k o n g r e ß g e g e n ü b e r „allzu
emanzipatorischen Delegierten" verlauten: „Emanzipation bedeute nicht, .ununterbrochen einen Beruf auszuüben, wohl aber imstande zu sein, einen Beruf ausüben zu können.' Versuche man, ,das frühere Rollenleitbild der Familienmutter durch ein neues, nämlich das der berufstätigen Frau, ersetzen zu wollen, werde das eine .ideologische oder staatliche Bevormundung' bedeuten." (2.12.1974)
Dementsprechend widersprach Helga Schuchardt (FDP) den .„emanzipierten' Frauen in der Bundesrepublik, die vielfach .Emanzipation' mit dem Recht auf Berufsausübung verwechseln": ,)0Cenn eine Mutter sich freiwillig und wohlüberlegt dafür entschieden hat, daß sie zu Hause und bei den Kindern bleiben möchte, so ist diese Entscheidung in meinen Augen mindestens ebenso .emanzipiert' wie die Entscheidung zur Berufstätigkeit [...]." (DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 23.2.1975)
Hier zeigte sich ein die parlamentarischen Parteien übergreifendes gemäßigtes Verständnis von Emanzipation im Sinne von individueller freier Rollenwahl - ob Beruf oder ob Hausfrau und Mutter oder eine Kombination beider Aufgabenbereiche. Die für dieses Emanzipationskonzept stehende Vokabel, die sich in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre etablierte und von allen parlamentarischen Parteien, wenn auch mit gewissen Unterschieden, verwendet wurde, hieß Wahlfreiheit. Sie war eng verbunden mit einem weiteren gemeinsamen Fahnenwort der Parlamentarierinnen, das Emanzipation als einen von Mann und Frau ge124 Vgl. Begründung im Entwurf zur Ehe- und Familienrechtsreform, BT-Drs. 7/650, 1.6.1973, S. 75. 125 Vgl. Pausch-Gruber 1978, S. 83.
482
Kapitel 12
meinsam zu absolvierenden Weg proklamierte: Partnerschaft. Als Bezeichnungen reformativ orientierter Emanzipationskonzepte standen sie in gewisser Weise in Konkurrenz zum Ausdruck Feminismus, mit dem Vertreterinnen der Neuen Frauenbewegung radikale gesellschaftsrevolutionierende Emanzipationskonzepte verbanden. 2.2 Feminismus und andere populäre Wortprägungen aus der Neuen Frauenbewegung Die zweite frauenpolitische Leitvokabel neben Emanzipation, die in den siebziger Jahren eine Renaissance erfuhr, war Feminismus. Ursprünglich mit der sogenannten bürgerlichen Frauenbewegung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts verknüpft126 und in einschlägigen zeitgenössischen Lexika als neugebildetes Wort für „Frauenemanzipation"127, als „Streben nach Gleichstellung des weiblichen mit dem männlichen Geschlecht"128, aber auch negativ als Weibserei" und „Weiberherrschaft"129 definiert, verblaßte die frauenpolitische Bedeutung des Wortes seit dem Niedergang der Frauenbewegung im Dritten Reich. Bis einschließlich 1973 verzeichnete beispielsweise das Duden-Wörterbuch unter Feminismus: yerweiblichung bei Männern; Überbetonung des Weiblichen"130. Erst im Zuge der Neuen Frauenbewegung wurde der Ausdruck als frauenpolitisches Kampfwort auch im öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik wiederbelebt.131 Innerhalb der deutschen Frauenbewegung begann sich Feminismus als programmatische Vokabel Anfang der siebziger Jahre allmählich zu etablieren. Über die Rezeption sogenannter feministischer Literatur vor allem aus den USA avancierte der Begriff zusehends zum Identifikationswort für weite Teile der Neuen Frauenbewegung in der Bundesrepu-
126 Vgl. Doormann 1987, S 268. Vermutlich handelte es sich ursprünglich um eine Entlehnung aus dem Französischen „féminisme" (vgl. Hoffmann 1979, S. 85). 127 Vgl. Meyers Großes Konversationslexikon von 1907. 128 Vgl. Koenigs Großes Wörterbuch der deutschen Sprache und Genius' Neues Großes Fremdwörterbuch von 1912, zit. nach Pusch 1983, S. 15f. 129 Vgl. Engels „Verdeutschungswörterbuch" „Entwelschung" von 1918, zit. nach Pusch 1983, S. 16. 130 Zit. nach Pusch 1983, S. 16. Vgl. auch die Beschränkung auf die medizinisch-biologische Definition im Großen Meyer von 1973, im Wahrig von 1974 und in Meyers Enzyklopädischen Lexikon von 1976 (im Sinne von „Auftreten weiblicher Eigenschaften bei einem männlichen Wesen"). Davon abweichend verzeichnet die BrockhausEnzykopädie von 1968 zusätzlich „Bestrebungen, den Einfluß der Frau im politischen und kulturellen Leben zu verstärken". 131 Vgl. auch Schenk 1980, S. 107. Einen Kurzüberblick über die Verwendungsweisen von Feminismus im öffentlichen Sprachgebrauch liefern auch Strauß/Haß/Harras 1989, S. 106ff.
483
Gleichberechtigung
blik.132 Erste Zeitungsbelege bezogen sich dementsprechend zunächst auf die amerikanische Frauenbewegung. Im Zusammenhang mit Berichten über Frauengruppen wie Women's Liberation", „Bread and Roses" und „Radical Feminists" wurde von „Feministinnen" und den „Feministen Amerikas"133 gesprochen.134 Im Verlaufe der siebziger und achtziger Jahre setzte sich der Ausdruck Feminismus schließlich als zentrale Leitvokabel der autonomen Frauenbewegung durch, wurde aber den zwischen den Frauengruppen variierenden Ansätzen und Vorstellungen gemäß auch sehr heterogen gebraucht. Was die politische Ausrichtung der Neuen Frauenbewegung betraf, so deutete das Aufkommen der Selbstbezeichnung Feministin und der Kennzeichnung der eigenen Ansätze als feministisch auch eine ideologische Abspaltung von den Emanzipationskonzepten der rein sozialistisch orientierten Frauengruppen an. Diese Abspaltung wurde bereits auf den Bundeskongressen der Neuen Frauenbewegung von 1972 in Frankfurt und 1973 in München deutlich und unter den Stichwörtern: (feministischer) „Frauenkampf" versus (sozialistischer) „Klassenkampf" diskutiert.135 Sozialistinnen wie Jutta Menschik betrachteten „Frauenemanzipation" als Bestandteil des von Männern und Frauen gemeinsam zu bestreitenden „Klassenkampfes" gegen das kapitalistische System.136 Feministinnen wie Alice Schwarzer faßten die „Frauenbefreiung" als politisch „autonomen Frauenkampf" auf, der gegen das „patriarchalische Prinzip" der „Unterordnung des weiblichen Geschlechts unter das männliche" gerichtet war und von dem Männer (als Angehörige der privilegierten „Klasse") in der Regel als Mitstreiter ausgenommen wurden. Die patriarchalische Ordnung wurde als alle anderen Herrschaftsphänomene wie Rassismus, Kapitalismus und Imperialismus fundierende Grundstruktur der Gesamtgesellschaft betrachtet.137 In der öffentlichen Berichterstattung wurden Feministinnen allgemein als Vertreterinnen der Neuen Frauen1
1
3
Q
bewegung und Vorkämpferinnen der Emanzipation präsentiert. In der feministischen Literatur Anfang bis Mitte der siebziger Jahre bestand bei aller Vagheit des Wortgebrauchs in Hinblick auf konkrete Konzepte ein Konsens über bestimmte Grundmerkmale des wiederent132 Vgl. Soden 1988, S. 88; Knapper 1984, S. 68. 133 Sowohl im internen Sprachgebrauch der Frauenbewegung als auch im öffentlichen Sprachgebrauch stellte die Verwendung des „geschlechtsneutralen" Maskulinums (Feminist statt Feministiri) - per definitionem - eher eine Rarität dar (vgl. auch Hoffmann 1979, S. 88, 94ff.; Strauß/Haß/Harras 1989, S. 107, 109). 134 Vgl. FR 23.5.1970. 135 Vgl. Schwarzer 1973, S. 13; Knapper 1984, S. 59. 136 Vgl. Menschik 1971, S. lOf. 137 Vgl. Schwarzer 1973, S. 14 und S. 27. 1 3 8 Vgl. DIE ZEIT 1 2 . 3 . 1 9 7 6 . 1 3 9 Vgl. STERN 2 7 . 1 2 . 1 9 7 4 , S. 6 2 .
484
Kapitel 12
deckten Ausdrucks. Er wurde zumeist als ein neues „Bewußtsein" (Schwarzer 1977, S. 237; Krechel 1975, S. 11) von Frauen interpretiert, das sich im „Kampf" gegen die „individuelle und gesellschaftliche Männerherrschaft" (Schwarzer 1973, S. 14), gegen „Frauenunterdrückung und gegen eine von männlichen Normen beherrschte Welt" (Schwarzer 1977, S. 237) ausdrücke und sich gegen die „gesellschaftlich definierte Frauenrolle, das sogenannte ,Wesen der Frau'" (Frauenjahrbuch 1976, S. 77) im allgemeinen und die sexuelle Unterdrückung der Frau vom „Penetrationszwang" bis zur „Zwangsheterosexualität" im speziellen140 richte. Feminismus bedeute, sich separat „ohne Mitwirkung der Männer"141 zu organisieren und durch Kritik und Abkehr von „männlichen" Normen und Sichtweisen zu „eigenen Einsichten und daraus gezogenen Konsequenzen" (Schwarzer 1977, S. 238) zu kommen. Ziel sei die „Selbstbestimmung" und „Autonomie" (Frauenjahrbuch 1976, S. 78f.) der Frau vom individuellen Ziel der persönlichen Identitätsfindung bis zum gesellschaftspolitischen Ziel einer ,,neue[n] (oft kulturrevolutionäre[n]) Beurteilungsweise von Problemen des Menschen und der Gesellschaft durch Frauen" (Linnhoff 1975, S. 9). 1976 definierte das große Duden-Wörterbuch der deutschen Sprache Feminismus als „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frauen ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (zum Beispiel der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt."142 Die Presseberichterstattung läßt indessen auf einen nicht ganz so neutralen Gebrauch des Wortes im öffentlichen Sprachgebrauch schließen. Hier etablierte sich vor allem ,Männerfeindlichkeit' als ein wesentliches Merkmal von Feminismus und Feministin.m So wurde beklagt, der „Kampf zwischen den Geschlechtern" sei „durch die Feministinnen, die im Mann die Ursache allen Frauenübels sehen, neu entfacht worden" (STUTTGARTER ZEITUNG 22.12.1975). Ein Rezensent des Buches „Sexismus" von Marielouise Janssen-Jurreit kritisierte: ,^enn radikale Feministinnen nun ihre Emanzipation durch Männerfeindlichkeit bewirken wollen, laufen sie Gefahr, Irrtümer der patriarchalischen Männerbündelei zu wiederholen" (DEUTSCHE ZEITUNG 25.2.1977). Andere sprachen vom „Feindbild Mann" (FRANKFURTER AUGEMEINE ZEITUNG 6.1.1979) oder von „Männerboykott"144. Die SAARBRÜCKER ZEITUNG konstatierte, daß Feministin das neue „Schimpfwort" (6./7.12.1975) sei, das Blaustrumpf und 140 141 142 143 144
Vgl. Schwarzer 1977, S. 10 und S. 202ff. Kommentar im WESER-KURIER 14.3.1972 zum Bundeskongreß der „Aktion 218". Vgl. Strauß/Haß/Harras 1989, S. 107. Vgl. ebd. DER SPIEGEL (11.4.1977), H. 16, S. 177.
Gleichberechtigung
485
ähnliche Diffamierungsvokabeln abgelöst habe. In dieser Funktion glich es dem ebenfalls in den siebziger Jahren aufkommenden Stigmawort Emanze, einer negativ konnotierten Ableitung von Emanzipation. Ein Artikel in der WELT AM SONNTAG belustigte sich über jene „Art Emanzipation, wie sie von Frauen wie Alice Schwarzer betrieben wird" und bezeichnete ihre Vertreterinnen als die „zum Angriff auf den Mann angetretenen .Emanzen'" (12.10.1975). Alice Schwarzer selbst nannte in einem Interview als stereotype Merkmale dieser so oft auf sie bezogenen Fremdbezeichnung „geifernd, rigide, häßlich und hysterisch" (DIE ZEIT 19-12.1975).145 Während Emanze eindeutig negativ geprägt war, wurde Feministin auch als (positive) Selbstbezeichnung von Frauenrechtlerinnen unterschiedlichster Ausrichtung gebraucht. 1976 konstatierte die ZEIT diesen heterogenen Gebrauch der Vokabel Feministin, wies aber auch darauf hin, daß das Stigma der „männerhassenden, BH-verbrennenden, fanatischen Lesbierinnen" immer noch virulent sei.146 Jutta Menschik bestätigte, daß „Feminismus - zu Unrecht - bei uns immer mit Männerhaß gleichgesetzt wurde" (Menschik 1977, S.9). Feminismus sei ein „schillernder Begriff", der einerseits meine, „daß Frauen ihre Interessen und Rechte entdecken, um sie in Forderungen umzusetzen, aber auch, daß sie das gegen die Interessen und Rechte der Männer tun" (ebd.). Letzteres habe sich bedauerlicherweise als Position in der Frauenbewegung durchgesetzt.147 Diese Einschätzung widersprach der Schwarzers, die 1975 eine umgekehrte Bedeutungsverlagerung vom .Kampf gegen Männer' zum ,Kampf für Frauen' festzustellen meinte: „Auffallend ist, daß man Feministinnen bis vor kurzem in diesem Lande noch als .Frauen, die gegen Männer kämpfen' etikettieren konnte, daß es aber zunehmend - und richtiger! - heißt: . F r a u e n , die für F r a u e n k ä m p f e n ."' (Schwarzer 1977, S. 237)
145 1976 wurde Emanze erstmals im großen Duden-Wörterbuch der deutschen Sprache als umgangssprachliche Bezeichnung für „emanzipierte Frau" vermerkt, ohne allerdings auf seine abwertende Funktion zu verweisen. 146 „Frauen weigern sich, traditionelle Vorstellungen und Rollenklischees noch länger zu entsprechen und doch weben es viele Karrierefrauen von sich, als Feministin bezeichnet zu werden. Das Image der Frauenbewegung als ein Haufen von männerhassenden, BH-verbrennenden, fanatischen Lesbierinnen ist noch immer virulent. Eigentlich weiß aber keiner so recht, was denn nun eine Frau zur Feministin macht. Denn Feministin ist diejenige, die sich in bisher männlichen Berufsdomänen durchgesetzt hat, und Feministin ist auch diejenige, die sie dafür als Epigonin männlicher Verhaltensweisen abstempelt. Es gibt Feministinnen, die den Hausfrauenlohn fordern, und andere, die dies als Unterminierung der Frauenbewegung ablehnen" (DIE ZEIT 12.3.1976). 147 Vgl. Menschik 1977, S. 9.
486
Kapitel 12
Feminismus als .Kampf von Frauen für Frauen' gestaltete sich innerhalb der Frauenbewegung faktisch und sprachlich zunehmend nicht nur als eine Ausgrenzung des Mannes und eine ausschließliche Konzentration auf die Bedürfnisse der Frau, sondern auch als eine völlige Abkehr von der bestehenden (patriarchalischen) Gesellschaft hin zur Utopie einer „feministischen Gegenkultur". Diese Entwicklung verstärkte sich in der zweite Hälfte der siebziger Jahre, nachdem das gemeinsame politische Ziel, die Streichung des § 218 bzw. die Installierung einer Fristenregelung, 1975 am Urteil des Bundesverfassungsgerichts gescheitert war.148 Feminismus bedeutete zusehends eine Konzentration der Frauen auf sich selbst.149 Eine Fülle von Se/fasf-Komposita dokumentierte dies: Selbsterfahrung, Selbstfindung, Selbstbefreiung''®, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung etc. wurden zu „Schlüsselbegriffen" (Schenk 1980, S. 180). Schon zu Beginn der siebziger Jahre entstanden nach dem Vorbild der amerikanischen „consciousness-raising-groups" sogenannte Selbsterfahrungsgruppen in Frauenzentren, aber auch an Volkshochschulen.151 An diesen Ansatz der Selbstbesinnung Schloß nahtlos die Entwicklung von Frauenprojekten an. Neben Frauenzentren etablierten sich eine Vielzahl speziell von Frauen für Frauen organisierter Treffpunkte, Zufluchtsorte, Projekte, Buchläden, Bücher, Verlage etc., die einen Boom an Komposita mit dem Präfix Frauen- zur Folge hatten; die häufige Präund Suffigierung von Frauen erhielt im Sprachgebrauch der Frauenbewegung ohnehin eine politisch-ideologische Integrations- und Abgrenzungsfunktion (im Sinne von .feministisch' und ,nicht für Männer'). In Frauengruppen, in denen der Zutritt für Männer verboten war, traf frau sich, um über die Frauenunterdrückung, Frauendiskriminierung, Frauenfeindlichkeit und Gewalt gegen Frauen zu sprechen, sich der Frauenmacht (Frauen gemeinsam sind stark!) bewußt zu werden, Frau148 Vgl. Nave-Herz 1988, S. 79; Doormann 1987, S. 26lff. Vgl. auch das Kapitel ,lebensrecht oder Selbstbestimmungsrecht?" in diesem Band. 149 „Feminismus ist nicht nur eine politische Überzeugung. Es ist eine neue Lebensform, die wir uns Schritt für Schritt erkämpfen müssen. Deshalb haben wir auch nichts Fertiges zu bieten. Den Frauen soll nichts von außen aufgesetzt werden, weder politisches Wissen noch Engagement für andere. Sie sollten vielmehr sich selbst in den Mittelpunkt stellen, ihre eigene Unzufriedenheit benennen und mit anderen betroffenen Frauen zusammenarbeiten" (Dokumentation: Erste Berliner Frauenkonferenz der traditionellen Frauenverbände und der autonomen Frauengruppen, Berlin 1978, S. 39, zit. nach Nave-Herz 1988, S. 71). 150 „Selbstbefreiung und Selbstfindung ist das große Thema. [...] Die Besinnung auf sich selbst soll zunächst das in einem männlichen Ordnungssystem lädierte weibliche Selbstbewußtsein stärken, soll Training sein für die Selbstbehauptung in einer nicht i m m e r f r e u n d l i c h e n W e l t " (FRANKFURETR AUGEMEINE ZEITUNG 6 . 1 . 1 9 7 9 ) .
151 Vgl. Schenk 1980, S. 88ff.; Nave-Herz 1988, S. 71ff. Vgl. auch den Bericht über ein entsprechendes Seminar an der Frankfurter Volkshochschule in: FR 25.7.1972.
Gleichberechtigung
487
eninitiativen, Frauenkollektive, Frauenzentren, Frauenhäuser, Frauenrockbands, Frauenzeitungen152 (in Abgrenzung gegen die Frauenzeitschriften), Frauenverlage zu gründen, Frauencafés, Frauenkneipen, Frauengalerien, Frauenbuchläden, Frauendiskotheken zu eröffnen, Frauenversammlungen, Frauenprojekte, Frauenstreiks zu organisieren, mit Medizinfrauen, Jurafrauen, Redaktionsfrauen, Medienfrauen, Frauenfrauen über Frauenliteratur, Familienfrauen und Karrierefrauen zu reden etc.153 Ideen zu einer sogenannten feministischen Gegenkultur begannen sich innerhalb der Frauenbewegung zu etablieren und fanden ihre sozial-utopische Ergänzung in der Alternativen Bewegung: Feminismus, verstanden als Entdeckungsreise ins .eigene Innere', als Aufwertung des Weiblichen, gegenüber dem Männlichen, schließlich als autonom gestaltete Lebensalternative zum patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaftssystem, wurde zum neuen gesellschaftlichen Maßstab.154 Verena Stefans autobiographisches Tagebuch „Häutungen" von 1975 wurde zum viel gelesenen frühen Zeugnis eines feministischen Werdegangs dieser Prägung. Insbesondere von links-liberaler Seite wurde diese Entwicklung als eine Flucht aus „politisch-gewöhnlicher Realität"155 und ein Wiederaufleben des alten .^eiblichkeitswahns"156 in neuem Gewände kritisiert. Marlis Gerhardt konstatierte einen Richtungswechsel innerhalb der Frauenbewegung von politischer Aufklärung zu einem spirituellen Weiblichkeitsmythos und machte diese Entwicklung an der Ablösung des Ausdrucks Emanzipation durch die Vokabel Feminismus fest: aber geschieht in der neuen Frauenbewegung, die den Begriff Emanzipation in den letzten Jahren mehr und mehr durch den Terminus Feminismus ersetzt hat? Ging es in der ersten Phase der Frauenbewegung um die politische Emanzipation hinein in die Gesellschaft, so lautet die neue Parole feministischer Orthodoxie: Die Befreiung der Frau kann nur außerhalb einer Gesellschaft erfolgen, deren männerbündischer Charakter ohnehin nicht aufzubrechen ist." ( V O R W Ä R T S 2 4 . 3 - 1 9 7 7 )
Der aus der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts stammende und nun wiederbelebte Ausdruck habe einen Bedeutungswandel erfahren: „Das Postulat der älteren feministischen Bewegung, Emanzipation bedeute Kulturrevolution für Männer ebenso wie für Frauen, wird durch die radikale Zweiteilung der Welt in .männlich' und .weiblich' und durch ein System einfacher Polarisierung ersetzt. Der .männlichen' Sphäre Abstrak-
152
Z u m B e i s p i e l 1 9 7 7 EMMA u n d 1 9 7 8 COURAGE.
153 Vgl. Hoffmann 1979, S. 91f.; DER SPIEGEL (11.4.1977), H. 16, S. 174; FR 12.5.1979; FAZ 6.1.1979. 154 Vgl. Schenk 1980, S. 180. 155
D E R SPIEGEL ( 1 1 . 4 . 1 9 7 7 ) , H . 1 6 , S . 1 7 4 u n d S . 1 7 7 f .
156 FAZ 6.1.1979.
488
Kapitel 12
tion, Theorie und Begriff wird die .weibliche' Sphäre Körperlichkeit, Sinnlichkeit, Unmittelbarkeit und Intuition entgegengesetzt. Prämisse dieser Polarisierung: Die aus der Geschichte patriarchalischer Herrschaft und damit aus der Geschichte überhaupt ausgeklammerte Frau ist durch die ihr fremd gegenüberstehende männliche Zivilisation weniger kaputt als der Mann, sie hat daher die Möglichkeit, zu einem außerhalb der Geschichte existierenden, das .Weibliche' symbolisierenden kosmischen Naturzustand zurückzukehren." (ebd.)
Die Wiederkehr einer solchen Weiblichkeitsideologie wurde unter dem Stichwort Neue Weiblichkeit aber auch von erklärten Anhängerinnen des Feminismus gerade in Hinblick auf ihren konterrevolutionären Gehalt kritisiert.157 So sprach Schwarzer von der „.neuen Weiblichkeit' pseudofeministischer Couleur" und kritisierte, daß das „Etikett .Feminismus' [...] zunehmend auch auf antifeministischen Verklärungen einer .Natur der Frau'" (Schwarzer 1984, S. 103) klebe. Zur Verdeutlichung der Interpretationsdifferenzen zwischen den verschiedenen feministischen Strömungen tauchten Attribuierungen zu Feminismus auf wie „radikal" (Schwarzer 1984, S. 102), „sozialistisch" (Heep 1986. S. 151) oder auch „neokonservativ" 0 a n s e n 1987a. S. 13), die allerdings im öffentlichen Sprachgebrauch kaum rezipiert wurden. Tatsächlich scheint sich mit wachsender Popularität der Frauenfrage Feminismus zum Fahnenwort von frauenpolitischen Interessengruppen mit unterschiedlichsten Zielsetzungen entwickelt zu haben. 1988 bemerkte die ZEIT: „Die Frauenbewegung hat sich ausdifferenziert, die Grenzen zwischen Feministinnen und ,Normalfrauen' sind fließend geworden" (3.6.1988). Hierzu verwies sie auf einen Kommentar Schwarzers in der Zeitschrift EMMA, wo diese die .yereinnahmung und Verwässerung des Feminismus" beklagte und als einen der „raffiniertesten Schachzüge" des politischen Gegners bezeichnete.158 Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre begann die wissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit der Frauenfrage innerhalb unterschiedlicher Fachdisziplinen und unter verschiedenen gesellschaftstheoretischen Perspektiven (Stichwort: Frauenforschung). Erklärtes Ziel der feministischen Forschung war es, die Frauenbefreiung mit einem wissenschaftlichen Unterbau zu versehen. Feminismus wurde nunmehr häufiger charakterisiert als „politische Theorie, die auf der Analyse des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern fußt, sowie auf der Praxis des Befreiungskampfes von Frauen" (Schwarzer 1984. S. 100).159 Den linguistischen Zweig dieser Forschungen bildete die femi157 Vgl. hierzu Opitz 1983, S. 12f. Der von Opitz herausgegebene Sammelband widmete sich ausschließlich dem Thema .¡Weiblichkeit oder Feminismus". 1 5 8 EMMA M a i / 1 9 8 8 , zit. n a c h DIE ZEIT 3 - 6 . 1 9 8 8 .
159 Vgl. auch Pusch 1983, S. 9, 12f.
Gleichberechtigung
489
nistische Sprachkritik, die in der Öffentlichkeit vermutlich am meisten beachtet und diskutiert wurde.160 Zur Bezeichnung dessen, was Feministinnen bekämpften, wurden in den siebziger Jahren zwei weitere wichtige Wörter in den frauenpolitischen Diskurs eingeführt: Sexismus und Chauvinismus. Sexismus wurde aus dem Sprachgebrauch der amerikanischen Women's Liberation Movement entlehnt, die — vermutlich in Anlehnung an den Ausdruck racism — das Neuwort sexism geprägt hatte.161 Im feministischen Sprachgebrauch wurde es als Stigmawort und negatives Pendant zu Feminismus zur negativen Leitvokabel.162 Öffentlich bekannter wurde der Ausdruck im publicity-trächtigen Jahr der Frau". Mit Sexismus wurde meist eine strukturelle Kritik an der (patriarchalischen) Gesellschaft verbunden. Meyers großes Jahreslexikon von 1975 verzeichnete den Ausdruck als „Diskriminierung eines Menschen allein aufgrund seines Geschlechts, insbesondere diskriminierendes Verhalten oder diskriminierende Maßnahmen den Frauen gegenüber in Wirtschaft, Politik, Kunst u.a."163. Des weiteren trug das vielbeachtete sozio-historische Werk von Marielouise Janssen-Jurreit „Sexismus. Die Abtreibung der Frauenfrage", das 1976 erschien, zum größeren Bekanntheitsgrad der Vokabel bei. Laut JanssenJurreit bezeichnete Sexismus „die Diskriminierung und die Ausbeutung der Frau aufgrund ihres Geschlechts" (Janssen-Jurreit 1976, S. 24f.). Die DEUTSCHE ZEITUNG behauptete im Titel zu einer Rezension des Buchs: „Ein neuer Begriff macht Schule: ,Sexismus'" (25.2.1977). Öffentlich etabliert scheint der Ausdruck allerdings erst in den achtziger Jahren zu sein, und dies insbesondere im Zusammenhang mit sogenannter sexistischer Werbung164, sexistischem Sprachgebrauch165 und Sexismus am Arbeitsplatz166. Seine Aktualität bis in die neunziger Jahre dokumentieren Kommentare wie der der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, die ihn als „Leitbegriff" bezeichnet, „um den sich ,Feministinnen' scharen" (6.1.1990), oder Thematisierungen wie im SPIEGEL: „Ob der ganz alltägliche Sexismus a m Arbeitsplatz unter d e m Aspekt der Gleichberechtigung oder Antidiskriminierung, der Quotierung o d e r Frau-
160 Vgl. hierzu das diesbezügliche Kapitel in diesem Band. 161 Vgl. Hoffmann 1979, S. 97. 162 Vgl. hierzu auch die Textbeispiele in Hoffmann 1979, S. 97ff. sowie die Ausführungen bei Strauß/Haß/Harras 1989, S. IO6. 163 Zit. nach Hoffmann 1979, S. 97. 164 Vgl. FR 12.5.1981, die über die Fraueninitiative 6. Oktober berichtete, welche zum „Kaufboykott von Produkten mit .sexistischer' Werbung aufrufen" wollte. 165 Vgl. FAZ 6.1.1990. Vgl. hierzu auch das Kapitel „Feministische Sprachkritik" in diesem Band. 166
V g l . D E R SPIEGEL ( 1 5 . 8 . 1 9 8 3 ) , H . 3 3 , S . 7 6 .
Kapitel 12
490
enförderung diskutiert wird: Immer geht es um männliche Dominanz und ihren Mißbrauch."167 Wie Sexismus so war (männlicher) Chauvinismus eine Lehnübersetzung aus dem Amerikanischen und zwar der Neuprägung male chauvinism der Women's Lib.168 Männlicher Chauvinismus bedeutete eine Spezifizierung von Chauvinismus (.übersteigerter Patriotismus', .Nichtachtung anderer Nationalitäten')169, wobei die mit diesem Ausdruck verbundenen Assoziationen von Macht, Aggressivität und Überheblichkeit auf den Bereich des männlichen Verhaltens gegenüber Frauen übertragen wurden.170 1976 definierte das große Duden-Wörterbuch der deutschen Sprache „männlichen Chauvinismus" als „übertriebenes männliches Selbstwertgefühl und Bevorzugung der Angehörigen des männlichen Geschlechts". In der Medienberichterstattung der siebziger Jahre tauchte der Ausdruck selten und für gewöhnlich in der Kombination mit dem Attribut männlich auf.171 In den Texten der Frauenbewegung war er indessen recht häufig vertreten. Dort wurde der Ausdruck zum Teil „synonym" mit Sexismws verwendet, zum Teil als Bezeichnung einer spezifischen oder auch extremeren Form von Sexismus gebraucht.172 Erst in den achtziger Jahren scheint sich Chauvinismus ohne Attribuierung öffentlich stärker durchgesetzt zu haben. Weitaus verbreiteter scheint jedoch das Kürzel Chauvi173 für Chauvinist (.Vertreter des männlichen Chauvinismus'), das allerdings auch - entsprechend der Verniedlichungsform - weniger kämpferisch zur Stigmatisierung von Männern mit „chauvinistischen" Verhaltensweisen verwendet wurde.174
167 DER SPIEGEL (4.11.1991), H. 45, S. 56.
168 169 170 171
Vgl. das große Duden-Wörterbuch der deutschen Sprache von 1976. Vgl. ebd. Vgl. Hoffmann 1979, S. 83ff. Zukunftsforscher Robert Jungk: „[...] in einer offeneren, vorurteilsloseren Gesellschaft ohne männlichen Chauvinismus könnten Frauen dem Arbeitsstil der Forschung eine neue, nuancenreichere, sensiblere Qualität geben" (HANDELSBLATT 13.11.1974). 172 Vgl. hierzu die Analysen und Textbeispiele in Hoffmann 1979, S. 83ff. 173 Analog zu Chauvi etablierte sich der Ausdruck Macho zur Bezeichnung eines Vertreters der latein-amerikanischen Variante des Chauvinismus, des Machismo. Hierbei wurde stärker auf die Ritualisierung von Männlichkeit und das übersteigerte Gefühl einer naturgegebenen männlichen Überlegenheit und Vitalität abgehoben (vgl. Strauß/Haß/Harras 1989, S. 106). 174 Vgl. das Duden-Rechtswörterbuch 1980; vgl. auch die Textbelege in Strauß/Haß/Harras 1989, S. 108.
Gleichberechtigung
491
2.3 Wahlfreiheit, Partnerschaft, Chancengleichheit-
parlamentarische Modelle zur Gleichberechtigung von Mann und Frau
Die parlamenatrischen Parteien suchten Emanzipation stärker mit reformativ-integrativ als revolutionär-polarisierend geprägten Fahnenwörtern wie Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Partnerschaft und Wahlfreiheit zu verbinden. In dem politischen Fahnenwort Chancengleichheit verband sich die Forderung nach Aufhebung schichtspezifischer Diskriminierung im Bildungsbereich mit der nach Aufhebung frauenspezifischer Diskriminierung im politisch-öffentlichen Bereich.1 5 Von den Frauen der CDU und der SPD wurde Chancengleichheit als frauenpolitische Zielvokabel häufig interpretiert als der „soziale" Aspekt der (rechtlichen) „Gleichberechtigung"17 und wurde besonders auf die Bereiche Mädchen- und Frauenbildung, -ausbildung und -Weiterbildung und Frauenberufstätigkeit bezogen. Forderungen wie Verbesserung des Mutterschutzes, Lohngleichheit, gleiche Aufstiegschancen, soziale Sicherheit, Verminderung der Doppelbelastung u.ä. waren mit ihm verbunden.177 Im Gegensatz zur bildungspolitischen Diskussion scheint Chancengleichheit innerhalb der frauenpolitischen Debatte nicht umstritten zu sein. Mit der Abschaffung der „Hausfrauenehe" vollzog sich allmählich auch ein Bedeutungswandel von Gleichberechtigung, was das Merkmal der .funktionellen Verschiedenheit' betraf. Während im Brockhaus noch 1978 „die biologischen und funktionalen Unterschiede" als Gründe einer rechtlichen Ungleichbehandlung der Geschlechter angegeben werden, enthält die Brockhaus-Enzyklopädie von 1989 den kritischen Hinweis: 175 Vgl. Däubler-Gmelin 1978, S. 108ff.; Dobbeithien 1987, S. 85. Vgl. hierzu auch das Kapitel „Zwischen Re-educatioti und Zweiter Bildungsreform" in diesem Band. 176 Vgl. hierzu beispielsweise eine Erklärung der CDU-Frauenvereinigung vom Mai 1972: „Die partnerschaftliche Stellung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft erfordert neben der rechtlichen Gleichberechtigung die soziale Chancengleichheit. Soziale Chancengleichheit wird in erster Linie durch die Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsleben erreicht. Diese Gleichstellung setzt einen einheitlichen Bildungsstand voraus. Ein solcher Ausbildungsstand ist noch nicht erreicht. Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, daß die Frau ihren Beitrag zu der Weiterentwicklung unserer gesellschaftlichen und sozialen Ordnung leisten kann" (DUD 19 5.1972). Vgl. ebenso die Äußerungen Elfriede Eilers und Helga Timms (SPD) im Bundestag zur „sozialen Chancengleichheit" (Timm in: BT 8.11.1973, zit. nach DAS PARLAMENT (1.12.1973), H. 48) bzw. zur „Verwirklichung gleicher Chancen für Frauen", interpretiert als „soziale Gleichberechtigung und volle gesellschaftliche Integration" (Eilers in: BT 25.1.1973, zit. nach DAS PARLAMENT (10.3.1973), H. 10). 177 Vgl. die Ausführungen von W e x (CDU/CSU) in: KÖLNISCHE RUNDSCHAU 20.3.1973 und
von Marie Schlei (DGB) in: AUGSBURGER ALLGEMEINE 27.11.1973· Vgl. auch die diesbezüglichen Kapitel im Abschlußbericht der Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" in: Zur Sache 1981, S. 23ff.
Kapitel 12
492
„[...] problematisch ist die Zulassung von Ausnahmen aus .funktionalen' Gründen, die regelmäßig auf der traditionellen gesellschaftlichen Rollenverteilung beruhen." Der entscheidende Dissens, der sich zwischen den Feministinnen und allen anderen Parteien auftat, war der, daß die Feministinnen den Weg zur Emanzipation der Frau als Alleingang ohne und auch gegen den Mann begriffen, während die anderen Parteien eine gemeinsame partnerschaftliche Rollenveränderung anstrebten.178 Der Ausdruck Partnerschaft, der schon in den sechziger Jahre aktuell wurde, avancierte in der parlamentarischen Frauenpolitik der siebziger und achtziger Jahre zu einem zentralen Leitwort. Von allen Parteien wurde er gegen eine Auffassung gewendet, die Emanzipation als Machtkampf von Frau und Mann interpretierte. Von Seiten der konservativen Parteien wurde er gegen den Trend zu einer möglichst großen Unabhängigkeit der Frau vom Mann und der Familie im allgemeinen und gegen die Konzentration auf die Berufstätigkeit der Frau im speziellen eingesetzt. So richtete sich Hanna Renate Laurien (CDU) laut RHEIN-ZEITUNG auf einer CDU-Veranstaltung 1971 entschieden gegen das „Emanzipationsgerede", das einen „Machtkampf" der Geschlechter provoziere und keine brauchbaren „Informationsmodelle einer partnerschaftlichen Lebensgestaltung" ( 4 . 5 . 1 9 7 1 ) liefere, und betonte ihrerseits, daß der Weg der Partnerschaft der Geschlechter nicht allein über die Berufstätigkeit der Frau" (ebd.) gehe. Des weiteren wurde Partnerschaft zur Rechtfertigung eines Festhaltens an der geschlechtsspezifischen Rollenteilung benutzt. In dieser Weise wandte sich W . Hertz-Eichenrode in der WELT gegen eine „als ungebundene individuelle Emanzipation mißverstandene Gleichberechtigung" und warb für eine Partnerschaft mit funktioneller Rollenteilung: „Partnerschaft hingegen bedeutet Bindung. [...] Frauen, die Gleichberechtigung in Partnerschaft suchen, werden zwar für ihre Rechte [...] eintreten, aber vor der Versuchung gefeit sein, ihre mitmenschlichen Lebensbezüge zu zerstören, sei es in der Familie, im Beruf, in der Nachbarschaft. [...] Sie werden auch, zum eigenen Nutzen, akzeptieren, daß die Geschlechter sich zu ihrer jeweiligen Biologie bekennen müssen und auch zu den Rollenverschiedenheiten, die sich daraus ergeben." (DIE WELT 26.6.1975)
Von Kritikerinnen dieses Sprachgebrauchs wurde Partnerschaft dementsprechend als ,Worthülse" bezeichnet, mit der die „Ideologie von der natürlichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau" (SÜDWEST PRESSE ULM 1 0 . 1 . 1 9 7 5 ) getarnt werde. 178 So wurde das Jahr der Frau" auch häufig als im eigentlichen Sinne das Jahr der Part-
n e r s c h a f t " b e z e i c h n e t . V g l . BREMER NACHRICHTEN 1 0 . 9 . 1 9 7 5 ; HAMBURGER ABENDBLATT 1 0 . 1 2 . 1 9 7 5 ; SAARBRÜCKER ZEITUNG S i l v e s t e r a u s g a b e 1 9 7 5 .
Gleichberechtigung
493
Mit der Vokabel Partnerschaft wurde aber auch an den Mann appelliert, alte Rollenmuster und -klischees zu überdenken und zugunsten der Selbstverwirklichung der Frau abzulegen. Die SAARBRÜCKER ZEITUNG mahnte, „von wieviel Vorurteilen, Irrtümern, Mißverständnissen, den Ergebnissen wissenschaftlicher Fehlleistung, die immer noch in den Köpfen spuken, sie [die Männer - K.B.] sich befreien - emanzipieren - müssen, um gute Partner für emanzipierte Frauen zu werden [...]" ( 6./7. 12.1975). Der FDP-Abgeordnete Christ betonte im Bundestag, daß „im Rahmen eines partnerschaftlichen Handelns" die „Emanzipation der Frau"179 auch eine aktive Teilnahme der Männer bedinge, und forderte die Männer zum Überdenken ihrer Männerrolle auf. Partnerschaft bedeute für den Mann auch das Mitübernehmen der häuslichen Pflichten.180 Eine rechtliche Unterstützung erfuhr diese Interpretation mit der Ersetzung der Hausfrauenehe durch die Partnerschaftsehe im reformierten Ehe- und Familienrecht vom 14.6.1976 (BGBl. I, S. I421ff.), das am 1.7.1977 in Kraft trat. Von Schwarzer als Vertreterin der feministischen Frauenbewegung wurden diese Appelle an den Mann als „unreflektiertes Reden von Partnerschaft" abgetan, denn: „wirkliche Partnerschaft bedeute dann, daß Männer Posten aufgeben müßten" (VORWÄRTS 4.12.1975), was sie freiwillig nicht täten. In enger Beziehung zur Vokabel Partnerschaft stand der Ausdruck Wahlfreiheit im Sprachgebrauch der Parlamentarierinnen. Wahlfreiheit wurde in den siebziger Jahren von allen Parteien als Fahnenwort im Sinne einer Ermöglichung der freien Entscheidung der Frau (und des Mannes) zwischen Beruf und Familie bzw. für eine Kombination beider Bereiche geprägt.181 Dem gesellschaftlich gebilligten „Zwang" zu einer geschlechtsspezifischen Rollenverteilung sollte das Ziel einer „freien (Rollen-)Wahl" entgegengesetzt werden.182 Diese Zielvorgabe wurde bereits Anfang der siebziger Jahre, unter anderem im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung der 1973 gegründeten Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" von CDU, SPD und FDP geäußert, ohne daß das offensichtlich später geprägte Leitwort Wahlfreiheit gebraucht wurde.183 Als 179 Zit. n a c h DAS PARLAMENT (1.12.1973), H. 48.
180 Vgl. hierau die Äußerungen Christs in der Regierungserklärung zum Jahr der Frau", w i e sie d i e SÜDDEUTSCHE ZEITUNG v o m 31.1.1975 k o m m e n t i e r t e .
181 Vgl. Eilers (SPD): „Wir treten für die Wahlfreiheit der Frauen ein. Sie sollen sich zwischen beruflichen und familiären Pflichten entscheiden können oder eine Kombination von beiden anstreben" (zit. nach: Plenum. Infos aus dem Deutschen Bundestag 1912.1975).
182 Vgl. hierzu auch den Abschlußbericht der Enquete-Kommission in: Zur Sache 1981, S. 51. 183 Wex (CDU): Ziel der Enquete-Kommission solle es sein, den Frauen die Möglichkeit zu geben, „ihre Entscheidungen in größtmöglicher Freiheit zu treffen. Allein hier, meine ich, kann der Sinn der Emanzipation der Frau und der Gesellschaft liegen"
494
Kapitel 12
Kompositum und Fahnenwort taucht Wahlfreiheit erstmals ungefähr Mitte der siebziger Jahre auf. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt in ihrer Silvesterausgabe 1975/1976: „Zu den schwierigsten, weil tiefgreifendsten und die gesamte Gesellschaft herausfordernden .Frauenproblemen' gehört die Verwirklichung des Verfassungsauftrags von der Geschlechtergleichheit durch die sogenannte .Wahlfreiheit' der Frau. Damit ist die Freiheit der Frau gemeint, mit individuellen gleichen Chancen wie ein Mann Ausbildung, Beruf und Arbeitsplatz zu wählen, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten wahrzunehmen sowie gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen, ohne daß bei gegebenen Haushalts- und Erziehungspflichten Doppelund Dreifachbelastungen auftreten. Andersherum ausgedrückt bedeutet das die Forderung an Ehemänner nach partnerschaftlicher Rollenverteilung hinsichtlich Familiendiensten und Berufstätigkeit."
Im Zwischenbericht der Enquete-Kommission von 1977 einigten sich die Mitglieder auf das Leitbild einer „partnerschaftlichen Lebensgestaltung" von Mann und Frau mit einer .^ahlfreiheit beider Geschlechter" im Sinne einer „freien Wahl" (GENERAL-ANZEIGER 5-2.1977) zwischen den als gleichwertig anzusehenden Aufgabenbereichen in Familie, Beruf und Öffentlichkeit. In ihrem Abschlußbericht von 1980 widmete die Enquete der .^ahlfreiheit" und der „Partnerschaft" jeweils ein eigenes Kapitel.184 Die Eintracht der Parteien in Sachen Wahlfreiheit erwies sich indessen bei näherer Betrachtung ihrer frauen- und familienpolitischen Programme als Täuschung: Während es der SPD vornehmlich um die Entlastung der Frau von der Haus- und Familienarbeit zugunsten einer Berufstätigkeit ging185, strebte die CDU/CSU stärker eine Entlastung der Frau von einem neuen Zwang an, den sie im Leitbild der berufstätigen Frau erblickte. Die CDU/CSU hielt dabei nach wie vor an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in Sachen Kleinkindbetreuung fest. (DAS PARLAMENT (1.12.1973), H. 48). Christ (FDP): Ziel der Enquete-Kommission sei es nicht, „ein neues festgeprägtes Leitbild für die Frau" zu entwickeln, „sie sollte lediglich die Voraussetzungen aufzeigen, unter denen die Frauen in die Lage versetzt werden, in freier Entscheidung ihre Aufgaben in Beruf oder Gesellschaft oder in beiden Bereichen gleichzeitig wahrzunehmen, und so ihr Selbstbestimmungsrecht endlich zu verwirklichen" (ebd.). 184 Vgl. Zur Sache 1981, S. 51f-, 55f. 185 Im Orientierungsrahmen von 1975-1985 der SPD hieß es: .Allen Frauen muß das Recht gesichert werden, durch Bildung, Ausbildung und Weiterbildung, Aufstiegsmöglichkeiten, angemessene Arbeitsbedingungen und gerechte soziale Sicherung ihre Persönlichkeit zu entfalten. Eine Berufstätigkeit der Frau darf nicht als notwendiges Übel angesehen werden, sondern muß als eine Chance zur Selbstverwirklichung verstanden werden. Sie gibt der Frau die materielle Unabhängigkeit, soziale Kontakte, Selbstbestätigung, mehr Anerkennung - auch in der Familie - und trägt so wesentlich dazu bei, Diskriminierungen aufzuheben und Gleichberechtigung zu verwirklichen" (Ökonomisch-politischer Orientierungsrahmen für die Jahre 1975-1985- Beschlossen vom Mannheimer Bundesparteitag der SPD am 14.11.1975. Aus: Abschnitt 4.6. „Die Gleichstellung der Frauen", zit. nach Doormann 1980, S. 42).
Gleichberechtigung
495
Plädierte die SPD neben den gemeinsamen Vorschlägen zu einem besseren Angebot an Gleitzeit- und Teilzeitarbeit unter anderem für das Ta186
gesmüttermodell und den Ausbau von Kinderkrippenplätzen , gab die CDU als kindgerecht an, „daß die Mutter in den ersten Lebensjahren auf die Ausübung eines Erwerbsberufes verzichtet"187. Damit sie weder „aus wirtschaftlichen Gründen" zur Berufstätigkeit gezwungen werde, noch bei Aufgabe des Berufes „wirtschaftlich, rechtlich und sozial benachteiligt"188 werde, sollte ein dreijähriges „Erziehungsgeld" eingeführt werden, das „einem Elternteil"189 ermöglichen sollte, sich der Erziehung des Kleinkindes zu widmen. Von Vertreterinnen der Frauenbewegung wurde Wahlfreiheit als Euphemismus abgelehnt. Lottemi Doormann thematisierte 1980 den Gebrauch von Wahlfreiheit bei CDU, SPD und FDP: Mit der „schönklingenden Formel ,Wahlfreiheit'" würden „antiemanzipatorische Implikationen" verbunden. Sie bezeichnete Wahlfreiheit als ^ortlüge" mit „frauenfeindlichem Kern": „Sie ist eine .Freiheit', mit der wir im Ghetto der weiblichen Doppelrolle bleiben und eine falsche Alternative dazu, weil sie die Gleichberechtigung von Mann und Frau von vornherein ausschließt und in jedem Falle auf die halbierte Emanzipation hinausläuft." (Doormann 1980, S. 4l) 1 9 0
In den späten siebziger und in den achtziger Jahren wurden Partnerschaft und Wahlfreiheit vox allem zu Leitvokabeln der CDU.191 Die Kritikerinnen des Sprachgebrauchs der CDU betrachteten diesen als Indiz für eine „Tendenzwende" innerhalb der offiziellen Frauenpolitik insbesondere seit dem Regierungswechsel von 1982. Es wurde der Vorwurf laut, die konservative Regierung habe die progressiven Leitvokabeln der Neuen Frauenbewegung und der liberalen Frauenpolitik der siebziger 186 Vgl. Beschlüsse zur Familienpolitik. Verabschiedet beim SPD-Bundesparteitag 15-17. November 1977 in Hamburg. Dokumente. Hrsg. vom Vorstand der SPD, Bonn, S. 16. Kommentiert in: Doormann 1980, S. 42. 187 Grundsatzprogramm der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands. Beschlossen vom 26. Bundesparteitag in Ludwigshafen, 23.-25. Oktober 1978, S. 13, zit. nach Doormann 1980, S. 28. 188 Ebd. 189 „Zum Thema: Familienpolitik". Broschüre der Bundesgeschäftsstelle. Bonn 1976, S. 7, zit. nach Doormann 1980, S. 28. 190 Vgl. auch Helga Timm (SPD) in der Aussprache über den Bericht im Bundestag am 19 3.1981: „Dieser Begriff sollte immer vorsichtig, nicht irreführend, nicht verdeckend oder verschleiernd gebraucht werden. Wir haben keine Wahlfreiheit; auch Männer können nicht wählen" (zit. nach: Zur Sache 1981, S. 215). Zur Kritik der Vokabel Wahlfreiheit insbesondere im Sprachgebrauch der CDU/CSU vgl. auch BeckGernsheim 1984, S. 156f. und Dobberthien 1987, S. 89. 191 1978 bezeichnete Wex (CDU) „Wahlfreiheit und Partnerschaft· als Slogan der CDUFrauen (vgl. STUTTGARTER NACHRICHTEN 10.5.1978) und eine Tagung der CDURheinland im November 1979 stand unter dem Motto „Gleichberechtigung. Wahlfreiheit. Partnerschaft" (vgl. GENERAL-ANZEIGER 1.12.1979).
496
Kapitel 12
Jahre übernommen und sie in alte konservative Deutungsmuster eingebettet.192 Dabei werde die in den siebziger Jahren formulierte Kritik einer Unterbewertung der Frau gegenüber dem Mann durch die Klage über eine Unterbewertung der Hausfrau gegenüber der Berufsfrau ersetzt: Gleichberechtigung werde als Gleichwertigkeit von Haus- und Berufsfrauen deklariert, Emanzipation und Selbstverwirklichung würden als Zielvokabeln auch im Bereich der Haus- und Familienarbeit präsentiert, Wahlfreiheit werde als Ermöglichung einer Wahl zugunsten ausschließlicher Familienarbeit interpretiert.193 Unterfüttert würden diese Vorstellungen mit der neuen alten Ideologie der sogenannten Neuen Mütterlichkeit194 Der Trend zur Neuen Weiblichkeit, der sich Mitte der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre innerhalb der Frauenbewegung abzeichnete, bildete einen willkommenen Nährboden für die konservative Tendenzwende in der Politik des Parlaments. Norbert Blüm und seine Kollegen von den Sozialausschüssen der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CDA) versuchten in ihren 1981 formulierten Leitsätzen zur „sanften Macht der Familie"195 eine neue Mütterlichkeitsideologie zu etablieren, in der die Berufstätigkeit der Frau zum Faktor ihrer „Unterdrückung" und die Möglichkeit zur Aufgabe des Berufs wegen Ehe oder Geburt eines Kindes zur „Befreiung" uminterpretiert wurde.196 Erklärtes Ziel der „Leitsätze" laut Blüm: „Die Mutter muß aufgewertet werden"197. Die Neue Mütterlichkeit wurde indessen nicht nur von seiten der autonomen Frauenbewegung198, sondern auch von den CDA- und CDU-Frauen als emanzipations- und partnerschaftsfeindlich angegriffen199. Das negativ kennzeichnende Pendant zur positiv werbenden Neuen Mütterlichkeit bildete der Begriff Doppelverdiener; der mit dem Anwachsen der Arbeitslosenrate als Stigmawort wieder aufkam.200 Ziel dieses Sprachgebrauchs war in beiden Fällen ein konservativer Wertewan192 193 194 195 196 197 198 199
200
Vgl. Beck-Gernsheim 1984, S. 154; Jansen 1987a, S. 17; Dobberthien 1987, S. 85. Vgl. Beck-Gernsheim 1984, S. 154ff.; Dobberthien 1987, S. 86ff. Vgl. Beck-Gernsheim 1984, S. 157ff. Die sanfte Macht der Familie: Leitsätze und Dokumentation der 19- Bundestagung. Hrsg. von den Sozialausschüssen der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Mannheim 1981. Vgl. hierzu Leitsatz 14 aus „Die sanfte Macht der Familie". Abgedruckt in: BeckGernsheim 1984, S. 169. Zit. nach FR 25 7.1981. Vgl. Beck-Gernsheim 1984, S. 157ff.; Jansen 1987a, S. 22ff.; Dobberthien 1987, S. 83ff.; Doormann 1990, S. 277f. In einer Stellungnahme der CDA-Frauen des Landesverbandes Westfalen-Lippe hieß es: „Es ist einleuchtend, daß Politikern, denen Partnerschaft ein Fremdwort ist, die vor der Realität der Wahlfreiheit zusammenzucken, hier keine Antwort geben können" (zit. nach FR 25 7.1981). Vgl. auch Süssmuth 1984, S. 92ff. Vgl. Kapitel 1.1.
Gleichberechtigung
497
del zugunsten einer Aufwertung der traditionellen Rolle der Frau als (Nur-)Hausfrau und Mutter, der, wie gehabt, durch einen Appell an das „schlechte Gewissen" der berufstätigen Frauen - zum einen gegenüber der Solidargemeinschaft, zum anderen gegenüber der Familie - zu erreichen versucht wurde. Der sprunghafte Anstieg der Arbeitslosigkeit seit Mitte der siebziger Jahre 201 bedeutete in Hinblick auf die Frauenerwerbstätigkeit eine Zunahme von direkten Entlassungen oder Nicht-Einstellungen von Frauen und ein Wiederaufleben der „Doppelverdiener"- und „Zurück an den Herd"-Propaganda.
1 9 7 6 b e r i c h t e t e d i e FRANKFURTER ALLGEMEINE,
auch
unter verheirateten Arbeiterinnen habe sich das Leitbild weg von den „Hausfrauen- und Mutterpflichten" hin zur Rolle in Öffentlichkeit und Beruf verschoben. Dennoch sei „[...] zu befürchten [...], daß sie wieder nur als stille Reserve benutzt werden, über die man selbstverständlich verfugt, wenn man sie braucht, und die man als erste entläßt, wenn die Aufträge rar werden. Das Wort .Doppelverdiener' hat jetzt einen bösen Unterton bekommen." (FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2 1 . 2 . 1 9 7 6 )
Unter dem Titel „Und nun wieder zurück an den Herd?" berichtete der MANNHEIMER MORGEN über die von Vertreterinnen aller Parteien beklagte überproportional steigende Frauenarbeitslosigkeit und zitierte Annemarie Renger: „Der Emanzipationstrend geht klar zurück. Erst hat man die Gastarbeiter heimgeschickt, jetzt sollen die Frauen zurück an den Herd!" (17-9.1977). Tatsächlich wurde laut SPIEGEL selbst von Gewerkschaftsvertretern als Begründung für die Entlassung von Ehefrauen anstelle von „Familienvätern" angeführt, „daß viele von ihnen .Doppelverdienerinnen' seien" und damit nur „Dazuverdiener" und nicht „Haupternährer"202 der Familie. Unter konservativen Christdemokraten kursiere schon der Vorschlag, das Recht auf Arbeit generell auf einen Ehepartner zu beschränken. 2 3 Claudia Pini, Vertreterin der .Aktion 218", kommentierte: „Kein Personalchef oder Betriebsrat kommt auf den Gedanken, bei einem Mann davon auszugehen, daß er Doppelverdiener ist"204. In einem Aufsatz von 1978 stellte sie fest: „Das Recht der Frauen auf Arbeit ist eine Frage der Konjunktur. Frauen durften, sollten, mußten berufstätig sein, als in der Hochkonjunktur Arbeitskräfte knapp waren. [...] Das Blatt hat sich gründlich gewendet. [...] Die ideologische Begleitmusik zu der Verdrängung der Frauen ist die Diffamierung weiblicher Berufstätiger als .Doppelverdienerinnen' und .Zuverdienerinnen', die eigentlich gar nicht nötig hätten, zu arbeiten, die 201 Vgl. Herbstrith 1984, S. 218. 202
V g l . DER SPIEGEL ( 9 . 1 . 1 9 8 7 ) , H . 2 , S. 4 2 .
203 Vgl. ebd., S. 45. 204 Zit. nach ebd., S. 42.
498
Kapitel 12
den männlichen ,Ernährern' die Arbeitsplätze wegnähmen." (Pini 1978, S. 46, 52)
Aufgrund der antiemanzipatorischen Implikationen, die seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wieder mit der Bezeichnung Doppelverdiener verbunden waren, wurde der Ausdruck seitens der Kritikerinnen also auch wieder als Diffamierungs- und Stigmawort thematisiert.205 Unter ihnen waren allerdings nicht nur Vertreterinnen von „links", sondern auch die frauenpolitisch progressiveren Kräfte der CDU. Der nordrhein-westfalische Arbeits- und Sozialminister Farthmann (SPD) wandte sich gegen das „.Reizwort" Doppelverdiener", mit dem angesichts der großen Arbeitslosigkeit wieder der „Kampf gegen berufstätige Frauen" (WESTDEUTSCHE AUGEMEINE ZEITUNG 1 1 . 1 . 1 9 8 3 ) geführt werde. Auch die Sprecherin der Arbeitsgruppe Christlich-Demokratischer Arbeitnehmer, Helga Wanke, sprach von einer .„heftigen Doppelverdiener-Kampagne' und forderte dazu auf, ,dieser Ideologie den Kampf anzusagen'" (RUHR-NACHRICHTEN 7 . 6 . 1 9 8 4 ) . Dergleichen kritische Töne erklangen auch in den auf dem Bundesparteitag vom März 1985 beschlossenen „Leitsätzen der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau". Dort hieß es: „Die CDU tritt entschieden dem Gerede von den .Doppelverdienern' entgegen, mit dem verheiratete Frauen entweder nicht ins Erwerbsleben hineingelassen oder hinausgedrängt werden sollen"206. Frauenpolitisch innovative Kräfte in der CDU wie Heiner Geißler und Rita Süssmuth bewirkten Mitte der achtziger Jahre also eine ideologische Umorientierung ihrer Partei von der Neuen Mütterlichkeit zu einer neuen Partnerschaft. Dabei wurde an dem Fahnenwort Wahlfreiheit festgehalten, dieses aber ausdrücklich auf beide Geschlechter bezogen. Von einer moralischen Verpflichtung der Mutter auf einen Berufsverzicht während der ersten Lebensjahre ihres Kindes, wie noch im Grundsatzprogramm von 1978 fixiert, wurde Abstand genommen.207 Gleichzeitig wurden die alten Pläne zu einer gesetzlichen Installierung eines Erziehungsurlaubs und eines Erziehungsgeldes und der Anrechnung der Erziehungszeiten auf die Frauenrente (sogenanntes Babyjahr)208 verwirklicht. 205 Vgl. auch Beck-Gernsheim 1984, S. 162; Dobberthien 1987, S. 86. 206 „Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau". Essener Parteitagsbeschluß 19-22.3.1985, zit. nach Geißler 1986, S. 206. Diesem von der eher CDU-fernen Presse als undogmatisch, intelligent und zeitgerecht (vgl. D E R S P I E G E L (15.12.1986), H. 51, S. 35) hochgelobten Text räumten selbst radikale Feministinnen eine Sonderstellung innerhalb der ansonsten enttäuschenden frauenpolitischen Parteiprogramme ein (vgl. Alice Schwarzer: Der zu kleine Unterschied. In: EMMA 5/1985. Auch abgedruckt in: Schwarzer 1985, S. 45ff. Vgl. auch Schönbohm 1986, S. 187f.). 207 Vgl. Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau in: Geißler 1986, S. 192, 194. Vgl. auch Schönbohm 1986, S. 184. 208 In der Diskussion um das Anrechnen von Erziehungszeiten auf die Frauenrente erfuhr die Trümmerfrau eine semantische Neubelebung. Noch 1984 trauerte die
499
Gleichberechtigung
2.4 Gleichstellung, Frauenförderung, Quotierung - frauenpolitische Maßnahmen in den achtziger und neunziger Jahren Während in den siebziger Jahren stärker eine Art Ideologisierung der Frauenfrage stattfand, können die achtziger Jahre eher als Jahrzehnt der Institutionalisierung von Frauenpolitik gelten. Mußte sich die Neue Frauenbewegung in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre den Vorwurf gefallen lassen, bei der Entwicklung einer feministischen Gegenkultur in einen esoterischen Weiblichkeits-Mythos jenseits von gesellschaftlicher Emanzipation abgedriftet zu sein, so etablierten sich in den achtziger Jahren immer deutlicher „mittelfristige Einmischungskonzepte" auch innerhalb der feministischen Bewegung, in denen die Ausnutzung institutionalisierter Frauenpolitik einbegriffen war.209 Wichtige Ausdrücke waren in diesem Zusammenhang - neben dem „Dauerbrenner" Gleichberechtigung - Gleichstellung, Frauenförderung und Quotierung™ Auf Betreiben der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen hatte die Bundesregierung 1979 im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit einen Arbeitsstab Frauenpolitik eingerichtet, der zuvor auch als Bonner „Gleichstellungsstelle für Frauen" diskutiert worden war.211 Der VORWÄRTS kommentierte: „Und so wurde eine neue Institution — und ein neues Wort, ein Unwort - erfunden: die Gleichstellungsstelle" (3.8.1978). 1986 wurde der Arbeitsstab zur eigenständigen RHEINISCHE POST: „Der Begriff ist erst 40 Jahre alt und schon historisch - oder soll man sagen veraltet? Denn seit 35 Jahren gibt es sie nicht mehr, die .Trümmerfrauen'" (16.10.1984). Bis dahin galten allgemein alle Frauen, die in den ersten Nachkriegsjahren in den Trümmern zerstörter Häuser wiederverwertbares Baumaterial von Müll und Schutt trennten, als Trümmerfrauen, egal, ob Mutter oder nicht, ob vor oder nach 1921 geboren. Dies änderte sich 1986 mit der Diskussion um die Anrechnung von Erziehungszeiten und der Überlegung der Bundesregierung, aus Kostengründen nur die nach 1921 geborenen Frauen in die neue Rentenregelung einzubeziehen. Der Ausdruck Trümmerfrauen wurde in diesem Zusammenhang von jenen verwendet, die eine Einbeziehung auch der vor 1921 geborenen Mütter in die Regelung wollten, und zwar unter Ausnutzung seines emotiv-argumentativen Gehalts: Mit der Bezeichnung Trümmerfrauen wollte man auf die besondere gesellschaftliche Leistung gerade dieser Frauen für den Wiederaufbau Deutschlands verweisen, die nicht nur durch die Versorgung ihrer Kinder, sondern zusätzlich mit den schweren Aufräumarbeiten belastet waren, und wollte damit an das moralische Pflichtbewußtsein des Staates appellieren. Dieser Sprachgebrauch wurde in der Presse aufgegriffen und mehrfach thematisiert
(vgl.
zum
Beispiel
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 9 - 5 1 9 8 6 ;
STUTTGARTER
ZEITUNG
7.6.1986). Tatsächlich folgte im Juli 1986 eine Kompromißregelung, auch als „Trümmerfrauen-Regelung" (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 11.6.1986) bezeichnet, die auch für die betreffenden Frauen eine Vergütung vorsah. 209 Vgl. auch den Artikel „Es geht um Partizipation an gesellschaftlicher Macht. Frauenbewegung zu Beginn der 90er Jahre" in der FR 7.9-1991 sowie Jansen 1992, S. 1471ff. 210 Doris Richelmann lieferte 1991 einen ausführlichen Literaturbericht über die frauenpolitischen Ansätze, die in den achtziger Jahren mit den Ausdrücken Gleichstellungsstellen, Frauenförderung und Quotierung verbunden waren. 211 Vgl. DER SPIEGEL (8.5.1978), H. 19, S. 20; VORWÄRTS 3.8.1978.
500
Kapitel 12
Abteilung „Frauen" neben den Abteilungen „Familie", Jugend" und „Gesundheit" erhoben; 1991 wurde dieses Ministerium aufgesplittet und ein eigenes Bundesministerium für Frauen und Jugend eingerichtet.212 Ende der achtziger Jahre wurden die ersten Ministerien zur Gleichstellung von Frau und Mann auf Landesebene gegründet.213 1980 schlug die Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" die Kompetenzerweiterung bereits bestehender und die Einrichtung weiterer „Gleichbehandlungsstellen" in der Art eines „Netzwerkes" vor, um „den Frauen in der Bundesrepublik zu mehr Gleichberechtigung zu verhelfen" (HANDELSBLATT 24.9.1980).214 Zahlreiche Gleichstellungsstellen und Frauenbüros wurden auf kommunaler Ebene und auf Länderebene, an Hochschulen und in Betrieben eingerichtet und mit Gleichstellungs- bzw. Frauenbeauftragten besetzt. Im öffentlichen Sprachgebrauch setzte sich der Ausdruck Gleichstellungsstelle durch, und zwar insbesondere für entsprechende institutionelle Einrichtungen in den Kommunen und in den Ländern.215 Sie wurden mit vielschichtigen Aufgaben zur Verwirklichung des Gleichberechtigungsauftrages betraut.216 Entwürfe zu einem AntiDiskriminierungs- bzw. Gleichstellungsgesetz wurden auf Bundesebene und auf Länderebene diskutiert, auf Länderebene sogar teilweise durchgesetzt.217 Gleichstellung wurde zu einem zentralen, wenn auch - in alter Tradition - vorwiegend von der SPD gebrauchten frauenpolitischen Schlagwort und Alternativausdruck für Gleichberechtigung. Mit Gleichstellung wurde einerseits recht allgemein auf das Ziel gleicher Aus-
212 213 214 215
Vgl. Bundesministerium für Frauen und Jugend 1992, S. 163. Vgl. Richelmann 1991, S. 43. Vgl. auch den Abschlußbericht der Enquete-Kommission in: Zur Sache 1981, S. 77ff. Vgl. auch DER SPIEGEL (24.3.1986), H. 13, 96ff. Alternative Bezeichnungen wie Frauengleichstellungsstelle und Frauenbüro und die Bezeichnung ihrer Leiterinnen als Frauenbeauftragte statt als Gleichstellungsbeauftragte werden von manchen zur Betonung einer Parteilichkeit für Frauen bevorzugt (vgl. Richelmann 1991, S. 16). Zu der Entwicklung und Funktion von „Gleichstellungsstellen" in der Bundesrepublik vgl. Richelmann 1991, S. 15ff. 216 Vgl. hierzu Richelmann 1991, S. 28; DER SPIEGEL (24.3.1986), H. 13, S. 96. 217 Die Diskussion um ein Antidiskriminierungs- bzw. Gleichstellungsgesetz, das die Benachteiligung der Frauen in Ausbildung, Beruf und Familie verbot und das von FDP, SPD, den GRÜNEN und Vertreterinnen der Frauenbewegung begrüßt, von der CDU/CSU indessen abgelehnt wurde, begann 1978 (vgl. DER SPIEGEL (26.6.1978), H. 26, S. 44). 1982 und 1986 fanden in Bonn Hearings zu einem solchen Bundesgesetz statt, zu denen auch Repräsentantinnen der autonomen Frauenbewegung eingeladen worden waren (vgl. WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (Das Thema) im März 1982. Vgl. auch Schwarzer/Slupic 1986, S. 276ff.). Beide Male blieb es bei einer Diskussion. 1993 legte die CDU/CSU durch Angela Merkel, Bundesministerin des seit 1991 eigenständigen Ressorts „Frauen und Jugend", den Entwurf eines sogenannten Gleichberechtigungsgesetzes (mit dem Schwerpunkt einer allgemein formulierten beruflichen Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst ohne Quotierungsmaßnahmen) vor, der sowohl der Opposition als auch Teilen der Koalition nicht weit genug ging (vgl. FR 26.2.1993; 22.4.1993; 4.5.1993).
Gleichberechtigung
501
gangschancen und Beteiligungsmöglichkeiten von Mann und Frau im öffentlichen Leben abgehoben (Stichwort: Chancengleichheit, Frauenförderung), andererseits aber recht konkret eine möglichst paritätische Teilhabe von Mann und Frau an allen Bereichen des öffentlichen, beruflichen und privaten Lebens angestrebt (Stichwort: Quotierung).218 Ein Großteil der CDU/CSU-Politikerinnen vermied den Ausdruck im Verlaufe der achtziger Jahre eher, was zum einen auf seine latente Prägung als SPD-Fahnenwort in den fünfziger Jahren zurückgeführt werden kann, zum anderen aber durch eine immer deutlichere Interpretation von Gleichstellung im Sinne des Ziels, einen bestimmten Anteil von Frauen in Führungspositionen oder anderen öffentlichen Bereichen in Politik und Arbeitsleben zu erreichen, bedingt war. So beschloß die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen 1985 auf der Bundeskonferenz in Hannover unter dem Titel „Gleichstellung der Frauen in der SPD" einen bis 1999 gestaffelten „Quotierungsplan", der auf einen 50%igen Frauenanteil an allen öffentlichen Ämtern und parlamentarischen Mandaten in der SPD zielte.219 Auch die CDU-Frauenvereinigung vertrat in einer Erklärung zum Bundesdelegiertentag 1985 in Bonn zur „Gleichstellung zwischen Mann und Frau" im Parlament die etwas vorsichtigere Forderung, daß Frauen auch in der Regierungsverantwortung „in etwa nach ihrem prozentualen Anteil an der Mitgliedschaft innerhalb des Parteiverbandes vertreten sein" 220 müßten. Ansonsten dominierte hier wie auch in den Essener CDU-,.Leitsätzen für eine neue Partnerschaft von Mann und Frau" vom März 1985 der Ausdruck Gleichberechti221
gung. Im öffentlichen Sprachgebrauch der Medien wurde diese Verschiedenheit indessen weder thematisiert noch nachvollzogen, sondern beide Ausdrücke wurden mehr oder weniger „synonym" gebraucht. Erst im Zusammenhang mit der Diskussion um die Formulierung einer neuen gesamtdeutschen Verfassung wurden sie von Seiten der CDU als Konkur218 Vgl. hierzu zum Beispiel einen Textentwurf der SPD-Frauen für die Programm-Kommission der SPD, die 1986 ein neues „Godesberger Programm" vorlegen sollte (in Auszügen abgedruckt in: DER SPIEGEL (6.1.1986), H. 2, S. 23), und das neue Grundsatzprogramm selbst (vgl. Vorstand der SPD (Hrsg.): Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Beschlossen vom Programm-Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands am 20. Dezember 1989 in Berlin. Bonn 1989, S. 1 7 - 1 9 ) .
219 Vgl. SOZIALDEMOKRATISCHER INFORMATIONSDIENST, dokumente Nr. 24, November 1985. S. 7f. In Auszügen abgedruckt in: Jansen 1986, S. 176f. 220 „Institutionelle und organisatorische Voraussetzungen für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau in der CDU", zit. nach Jansen 1986, S. I67f. 221 Vgl. ebd., S. I66ff. und die CDU-„Leitsätze" in: Geißler 1986, S. 192ff. Vgl. auch den Titel des Gesetzentwurfs „zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Gleichberechtigungsgesetz)" von Bundesfrauenministerin Angela Merkel von 1991·
502
Kapitel 12
renzvokabeln thematisiert. An der Interpretation von Gleichstellung im Sinne einer paritätischen Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen, beruflichen und privaten Lebens schieden sich die Geister. Ausgangspunkt war der folgende: SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und PDS sowie zahlreiche Frauen aus FDP und CDU/CSU wollten eine Ergänzung des bisherigen Grundgesetz-Artikels 3,2 „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" um zwei Komponenten: die Verpflichtung des Staates, sich aktiv für die Gleichberechtigung einzusetzen, und eine ausdrückliche Erlaubnis von Förderungsmaßnahmen zum Ausgleich für die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen.222 Eine solche „Kompensationsklausel", die Quotenregelungen verfassungsrechtlich legitimierte, lehnte die Mehrheit der FDP und der CDU/CSU ab. Die SPD-Formulierung lautete: „Der Staat gewährleistet die Gleichstellung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen zur Förderung von Frauen zulässig"223. Der CDU-Vorschlag hingegen lautete: „Es ist Aufgabe des Staates, die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und Nachteile abzubauen"224. Der Obmann der Union in der Verfassungskommission, Friedrich-Adolf Jahn, begründete diese Formulierung laut SÜDDEUTSCHER ZEITUNG unter anderem damit, der CDU/CSU „[...] gehe es um Gleichberechtigung, nicht um Gleichstellung. Frauen sollten die gleiche Ausgangschance haben - es dürfe also nicht um Gleichheit im Ergebnis gehen, zum Beispiel die gleiche Zahl männlicher und weiblicher Beschäftigter in einem Betrieb." (29-4.1993)
Hier wurde also dem Ziel einer paritätischen Gleichstellung von Mann und Frau eine Absage erteilt. Die Verfassungskommission einigte sich nach langen Diskussionen schließlich auf die Formulierung: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."225 Diese Einigung kam indessen nur zustande, weil Koalition und Opposition unterschiedliche Interpretationen mit der Formulierung verknüpften. So habe die Union laut FRANKFURTER RUNDSCHAU nach dem Beschluß verkündet, „[...] die Formulierung bedeute nicht, daß der Staat für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männer sorgen müsse. Es gehe lediglich darum, die staatliche Pflicht zur Gleichberechtigung sprich zur Gewährung gleicher Chancen, in der Verfassung festzuschreiben. Und: Quoten-
222 223 224 225
Vgl. FR 7.4.1993. Zit. nach FR 7.4.1993· Zit. nach ebd. Zit. nach FR 29.5.1993.
503
Gleichberechtigung
regelungen seien mit dem künftigen Grundgesetzartikel
unvereinbar."
(29.5.1993) Die SPD hingegen habe erwidert, der „[...] Staat werde mit der gefundenen Formulierung sehr wohl aufgefordert, für die Gleich Stellung und nicht nur für die Gleichberechtigung zu sorgen. Und: Der künftige Artikel drei enthalte einen sogenannten Kompensationsgedanken. Auf die .Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken' könne der Staat zum Teil nur mit Frauenfördermaßnahmen. Und diese bestünden eben unter anderem in Quotenregelungen." (Ebd.)
Frauenförderung und Quotierung hatten sich in den achtziger Jahren als Bezeichnungen für mittelfristige frauenpolitische Programme auf dem Wege zu dem langfristigen Ziel der tatsächlichen Gleichberechtigung bzw. Gleichstellung von Mann und Frau etabliert. Während Frauenförderung sich als äußerst dehnbarer Begriff erwies und dementsprechend von Sprecherinnen mit unterschiedlichsten frauenpolitischen Standpunkten verwendet wurde, avancierte Quotierung bei den einen zum Fahnenwort und bei den anderen zum Stigmawort, das zur Bezeichnung eigener Programme tunlichst zu vermeiden war. Denn: „Quotierung" wurde als ein mögliches Mittel der „Frauenförderung" sehr kontrovers diskutiert. Basis des Neuwortes Frauenförderung bildete die seit den siebziger Jahren allgemein anerkannte These, daß die Frauen gegenüber den Männern aufgrund traditioneller Rollenmuster besonders im Bereich des öffentlichen Lebens in ihrer Selbstentfaltung benachteiligt seien und daß diese Benachteiligung behoben werden müsse. Hieraus wurde die allgemeine gesellschaftliche Verpflichtung abgeleitet, den Frauen eine besondere „Förderung" zum .Ausgleich" ihrer gesellschaftlichen Benachteiligung solange zuteil werden zu lassen, bis das Ziel der Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Männern und Frauen erreicht sei.226 Frauenförderung bezog sich vorwiegend auf die Bereiche in Ausbildung und Beruf, in denen Frauen als besonders benachteiligt angesehen wurden. Sie galt der Förderung der Ausbildung in „frauenuntypischen" Berufen und besonders in höher qualifizierten Arbeitsfeldern, der Verbesserung der beruflichen Einstellungs- und Aufstiegschancen, der Weiterbildung und der Wiedereingliederung, der Verringerung der Doppelbelastung durch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der „Bewußtseinsarbeit" bei der männlichen und weiblichen Belegschaft, der geschlechtsneutralen Formulierung von Stellenausschreibungen etc.227 Frauenförderung und das Entwickeln von Frau226 Vgl. zum Beispiel die Äußerungen der nordrhein-westfalischen Frauenbeauftragten Ilse Ridder-Melchers in: FR 18.8.1992. Vgl. auch Richelmann 1991, S. 53ff. 227 Vgl. hierzu staatlicherseits die „Richtlinie zur beruflichen Förderung v o n Frauen in der
504
Kapitel 12
enförderplänen wurde zu einem immer wichtigeren Schwerpunkt in der Arbeit der Gleichstellungsstellen.228 Bereits die Enquete-Kommission formulierte in ihrem Bericht unter dem Titel „Zielvorgaben für eine bessere Berücksichtigung der Frauen bei Ausbildungs- und Arbeitsplätzen" Empfehlungen zur „Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten" und zur innerbetrieblichen Entwicklung von „.Frauenaktionsplänen'"229. Der Arbeitsstab „Frauenpolitik" verkündete 1981, er wolle die Benachteiligung der Frauen im Beruf durch Frauenförderungspläne abbauen.230 Anfang der achtziger Jahre begannen sich die Ausdrücke Frauenförderung und Frauenförderungspläne bzw. Frauenförderpläne langsam im öffentlichen Sprachgebrauch durchzusetzen, und wurden bald zu beliebten Fahnenwörtern. An diesem Umstand änderte auch das sprachreflexive Argument einiger Gegnerinnen nichts, die Frauenförderung als eine Art karitatives Sonderprogramm und erniedrigendes Eingeständnis von weiblicher Schwäche deuteten.231 Im Verlaufe der achtziger Jahre fanden Frauenförderpläne .Verfechterinnen in allen politischen Parteien, in den Gewerkschaften und unter autonomen Feministinnen" (Richelmann 1991, S.84). Keine politisch oder gesellschaftlich wichtige Gruppe oder Organisation lehnte „personalpolitische Maßnahmen zur Förderung von Frauen" grundsätzlich ab, zumal sie auf freiwilliger Basis erfolgten.232 Als Frauenförderpläne galten sowohl Verwaltungsrichtlinien und -leitlinien als auch konkrete ZielvorBundesverwaltung" vom März 1986 (zusammengefaßt in: Bundesministerium für Frauen und Jugend 1992, S. 158f.) oder das „Frauenförderungsgesetz" für den öffentlichen Dienst von Nordrhein-Westfalen; auf Seiten der freien Wirtschaft beispielsweise die Frauenförderungsmaßnahmen von IBM, Siemens und Bayer (kommentiert in: DIE ZEIT 17.5.1985) und das Grundsatzpapier der Chemie-Tarifpartner zur „Frauenförderung in der Chemischen Industrie" (kommentiert in: HANDELSBLATT 28.2.1989). 228 Vgl. Richelmann 1991, S. 79229 Zur Sache 1981, S. 23, 37. Vgl. auch HANDELSBLATT 24.9.1980. Vorbild sollte das amerikanische Modell der „affirmative action plans" sein. 230 Vgl. hierzu einen der offenbar ersten Belege im öffentlichen Sprachgebrauch, wofür die Anführungszeichen ein Indiz sind: „Frauen haben trotz weitgehender Verwirklichung der rein rechtlichen Gleichstellung weiter mit praktischen Benachteiligungen im Beruf zu kämpfen. Mit Hilfe von .Frauenförderungsplänen' will jetzt der Arbeitsstab Frauenpolitik beim Bundesfamilien-Ministerium diese Benachteiligung abbauen" (RUHR-NACHRICHTEN 1 8 . 3 . 1 9 8 1 ) .
231 Vgl. Anne-Rose Iber-Schade, Vorsitzende der Vereinigung von Unternehmerinnen, auf einem SPD-Hearing in Bonn: „Frauen fördern heißt für mich, etwas bewegen, was sie aus eigener Kraft nicht schaffen. Wer sich unterdrückt fühlt, ist selbst dran schuld" (DIE ZEIT 17.5.1985). Vgl. auch Richelmann 1991, S. 86, nach der die Arbeitgeberverbände .„spezielle Frauenförderprogramme' ab(lehnen), da Frauen dadurch als schutzbedürftig abgestempelt würden", gleichzeitig aber für eine „an Chancengleichheit orientierte betriebliche Personalpolitik'" plädierten (vgl. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Chancen für Frauen in der Wirtschaft. Köln, S. 46). 232 Vgl. Richelmann 1991, S. 54, 83. Zu den unterschiedlichen Konzepten zur Frauenförderung vgl. ebenfalls den Literaturbericht von Richelmann 1991, S 54ff.
Gleichberechtigung
505
gaben der betrieblichen Personalpolitik für Ausbildung, Beschäftigung und Aufstieg von Frauen. 233 1985 sprach sich die CDU auf ihrem Bundesparteitag erstmals für Frauenförderpläne aus, denn sie „[...] verbessern die Zugangschancen von Frauen zum Arbeitsmarkt, erweitern qualifizierte Tätigkeitsfelder für Frauen und verschaffen ihnen bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Diese Förderungsmaßnahmen sollen den Frauen bessere Chancen eröffnen, ihre Fähigkeiten und Leistungen im Unternehmen zu entfalten."234 Im gleichen Jahr wurde über die ersten Frauenförderungsmaßnahmen in der freien Wirtschaft bei IBM, Siemens und Bayer berichtet235, einige Jahre später über ein Grundsatzpapier der Chemie-Tarifpartner zur „Frauenförderung in der Chemischen Industrie"236. In Nordrhein-Westfalen wurde im Oktober 1989 bundesweit das erste sogenannte Frauenförderungsgesetz237 verabschiedet. Frauenförderung wies einen Betrieb als modern und fortschrittlich aus, ohne ihn auf konkrete Programme und Zielvorgaben festzulegen. 238 Nicht nur dieser werbestrategische pseudoemanzipatorische Gebrauch der Vokabel Frauenförderung, sondern auch die „aufrichtigen" unterschiedlichen Zielsetzungen, die mit dem Ausdruck Frauenförderplan verbunden waren, wurden seit Mitte der achtziger Jahre von Seiten vieler Verfechterinnen thematisiert.239 „Diese auf den ersten Blick erstaunliche Einmütigkeit täuscht jedoch darüber hinweg, daß unter dem Schlagwort .Frauenförderplan' sehr Unterschiedliches verstanden wird. Das Spektrum reicht von harten Einstellungsquoten bis hin zu unverbindlichen Absichtserklärungen und Empfehlungen. Die einen wollen durch Frauenförderpläne die .Defizite' der Frauen (gemessen an der männlichen .Norm') beseitigen und sie konkurrenzfähig machen, die anderen erhoffen sich von einer stärkeren Partizipation von Frauen an qualifizierter Erwerbsarbeit Änderungen des dominierenden Organisationsmusters beruflicher Arbeit, das den ganzen Menschen (Mann) und die Zuarbeit einer weiteren Person (Frau) fordert."
233 Vgl. Deutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dienste: Frauenförderpläne. Durchsetzung der Chancengleichheit auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und in der Gesellschaft. Materialien Nr. lOO/Oktober 1987, S. m. In den meisten Bundesländern lagen 1984/85 „Frauenförderrichtlinien" bzw. ,,-leitlinien" zum Bereich des öffentlichen Dienstes vor (vgl. Richelmann 1991, S. 79). 234 Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau, zit. nach Geißler 1986, S. 207f. Vgl. auch den diesbezüglichen Artikel in: DIE ZEIT 17.5.1985. 2 3 5 V g l . DIE ZEIT 1 7 . 5 . 1 9 8 5 . 2 3 6 V g l . HANDELSBIATT 2 8 . 2 . 1 9 8 9 .
237 Vgl. DIE TAGESZEITUNG 20.10.1989·
238 Vgl. Richelmann 1991, S. 84. 239 Vgl. Richelmann 1991, S. 83f. 240 Gotzes, Monika; Ilse Buddemeiner: Vor der eigenen Türe kehren - Frauenförderung in der Stadtverwaltung. In: FRAUENFORSCHUNG 5 (1987), H. 3, S. 95, zit. nach Richelmann 1991, S. 84.
506
Kapitel 12
An dem Ausdruck Frauenförderung wurde jedoch festgehalten, obgleich sowohl zu einer eingehenden kritischen Betrachtung dessen, was mit Frauenförderung bezeichnet wurde, als auch zu einer deutlichen Formulierung der eigenen Vorstellungen aufgefordert wurde. 241 Die SPDPolitikerin Heide Pfarr beispielsweise lehnte es ab, „[...] einen Beschluß als Frauenförderplan zu begreifen, der sich lediglich appellativ an die Personalentscheider wendet [...]"242. Auch wurde die negativ ausgerichtete Remotivierung von Frauenförderung thematisiert und klargestellt, daß es sich weder um eine soziale Unterstützung „minderbemittelter Mängelwesen [...] zwecks Anpassung an patriarchalisch-kapitalistische Normen" 0 a n s e n 1986a, S. 8) noch um ein „Sonderprogramm für Frauen" oder „karitative Hilfe" handele, sondern „um den Abbau von Barrieren damit Potentiale von Frauen überhaupt erst angemessen zur Entfaltung kommen können" (Richelmann 1991, S. 54). Als eine spezielle Form der Frauenförderung galten Vorschriften, die auf einen bestimmten Mindestanteil von Mädchen bzw. Frauen an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen hinzielten. Zum Ausgleich der beruflichen Benachteiligung von Frauen, so wurde argumentiert, sollten Frauen bei einer Einstellung oder Beförderung solange gegenüber Männern bevorzugt werden, bis ein bestimmter Anteil (Quote) an Frauen in den jeweiligen Betrieben, Parteien, Organisationen etc., besonders auf der Führungsebene, erreicht sei.243 Als Ziel wurde die Gleichstellung bzw. Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sinne eines möglichst gleichen quantitativen Verhältnisses der Geschlechter in der Politik und im Berufsleben angestrebt. Quotierung, Quote und Frauenquote etablierten sich als programmatische Vokabeln zur Bezeichnung dieser schon in den siebziger Jahren aufkommenden Überlegungen, die in den achtziger Jahren zu einem zentralen Streitpunkt in der öffentlichen frauenpolitischen Debatte wurden. Was die Bewertung der Quotierung als mögliche Maßnahme zur Erreichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau betraf, so markierte die Jahrzehntwende von den siebziger zu den achtziger Jahre unter den SPD-Politikerinnen auch in dieser Hinsicht eine Wende. In den siebziger Jahren, in denen die Quoten-Diskussion sich zunächst nur auf die Teilhabe der Frauen in den politischen Parteien bezog, wollten die meisten progressiven Politikerinnen gerade abkommen von einer 241 Vgl. Richelmann 1991, S.83f. 242 Pfarr, Heide M.: Aktive Gleichstellungspolitik - Notwendigkeit, Bedingungen und Perspektiven. Referat vor der 12. Frauenkonferenz der Industriegewerkschaft Metall vom 7. bis 911 1985. In: Jansen 1986, S. 66. 243 Die Diskussion um Quotierung bezog sich zum einen auf die „anteilige Repräsentanz der Frauen in den politischen Organisationen", zum anderen auf die „Durchsetzung gleichberechtigter Erwerbschancen" (Roth 1986, S. 47).
Gleichberechtigung
507
„Sonderbehandlung" der Frau als Repräsentantin d e s „weiblichen G e schlechts". D i e SPD-Abgeordnete Elfriede Eilers etwa g a b zu b e d e n k e n : ,>Vir haben uns schon zu lange in der Politik mit ,Proporz-Damen' abfinden müssen, mit der Folge, daß kluge und aktive Politikerinnen nie nach ihren Fähigkeiten beurteilt wurden, sondern Ämter und Positionen ja immer nur - so heißt es dann - ihrem Geschlecht zu verdanken hätt e n . " ( W E L T DER ARBEIT 2 6 . 7 . 1 9 7 4 )
Proporz-Dame b z w . Proporzfrau w a r e n w i e auch Konzessionsfrau oder Renommierfrau die negativ konnotierten sprachlichen Vorläufer d e r Quoten-Frau. Allerdings w u r d e n sie, d e n damaligen K o n v e n t i o n e n vieler Institutionen g e m ä ß , auf V o r g a b e n b e z o g e n , die nur mindestens e i n e Frau ( u n d in der Regel auch nicht m e h r ) in Führungsgremien vorsahen: „So ist es z.B. in vielen Institutionen, die heute volle Partnerschaft von Mann und Frau praktizieren müßten, üblich, die .Proporz- oder Konzessionsfrau' einzusetzen: Dem Vorstand soll, so besagen viele Satzungen, .tunlichst eine Frau angehören'. Diese besorgt den Männern ein Alibi, wenn es um den Nachweis geht, daß für Frauen das Gebührende getan wird. Dieses Proporzdenken läßt niemals eine Mehrheit von Frauen in verantwortlichen Stellungen zu, obgleich kein einziges Gesetz eine M e h r h e i t v o n M ä n n e r n f e s t s c h r e i b t . " (RHEINISCHER MERKUR 1 0 . 1 2 . 1 9 7 6 )
Eine d e m e n t s p r e c h e n d e , n o c h deutlicher stigmatisierende B e z e i c h n u n g w a r Alibi-Frau, mit d e r angedeutet w e r d e n sollte, d a ß die s o B e z e i c h n e ten „von Männern lediglich als Beweisstück ihrer Frauenfreundlichkeit auf die B ü h n e gehievt" ( S T U T T G A R T E R N A C H R I C H T E N 7 . 2 . 1 9 7 8 ) w u r d e n . Alibi-Frau wurde, w i e auch die a n d e r e n Stigmawörter, s o w o h l zur „Entschleierung" einer pseudoemanzipatorischen Haltung der betreffend e n Institutionen als auch zur Abwertung d e r s o b e z e i c h n e t e n Frauen 2 4 4 häufig verwendet. 2 4 5 Als Konzessionsfrau246 war auch die s o g e n a n n t e Statutenfrau der S P D v o n d e n jüngeren Mitgliedern d e r Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratis c h e r Frauen (ASF) a b g e l e h n t u n d auf d e m SPD-Parteitag 1 9 7 1 ausge-
244
Laut GENERAL-ANZEIGER wurden die Frauen im Bundestag, die führende Posten bekleideten, „nicht nur von Männern abschätzend ,Alibi-Frauen' genannt" ( 2 6 . 2 . 1 9 7 7 ) . 245 Noch 1985 schrieb der SPIEGEL: „Männer bilden die Kabinettsmannschaft, bekommen die wichtigsten Posten. Meist bleibt nur ein Ressort, auch aus Rücksicht auf die Wählerinnen, für eine Frau reserviert. Die Dame, die den Zuschlag erhält, hat überall den gleichen Spitznamen. Sie heißt Alibifrau, Konzessionsfrau oder Renommierfrau, und sie übernimmt meist die gleichen Aufgaben, kümmert sich vorzugsweise um Gesundheit, Familie und Soziales, hin und wieder auch um Bildung, Jugend und Sport" ( 5 . 8 . 1 9 8 5 , H. 3 2 , S. 2 1 ) . In einem anderen Bericht über die schlechte finanzielle, personelle und kompetenzmäßige Ausstattung der Gleichstellungsstellen kommentierte der SPIEGEL: „Die Frauenbeauftragten werden häufig bei untergeordneten Dienststellen angesiedelt, schlecht bezahlt und sehen sich zu ,Alibi-Frauen' degradiert" ( 2 4 . 3 . 1 9 8 6 , H. 13, S. 9 6 ) . 2 4 6 V g l . SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 2 2 . 1 2 . 1 9 7 1 .
508
Kapitel 12
hebelt worden. Bis dahin sah die Satzung der SPD eine „Schutzklausel" vor, nach der mindestens eine Frau in den Gremien der SPD vertreten sein mußte.247 Diese Klausel, so befanden die ASF-Frauen, mache die Frauen zum .Aushängeschild einer im Grunde frauenfeindlichen Gemeinschaft" (NÜRNBERGER NACHRICHTEN 2 4 . 1 2 . 1 9 7 1 ) und sei nicht gerade dazu geeignet, mit dem Vorurteil aufzuräumen, die wenigen Politikerinnen im Bundestag seien nur aufgrund ihres Geschlechts und nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten zu Amt und Würden gelangt.248 Ihre Hoffnung, aus eigener Kraft zu einer möglichst paritätischen Teilhabe von Männern und Frauen an der SPD-Politik zu gelangen, wurde indessen enttäuscht: Mit der Abschaffung der Schutzklausel sank auch der Frauenanteil im Parteivorstand.249 Dennoch lehnten die meisten SPD-Frauen ein „Quotenverfahren" ab: Auf der Bundesfrauenkonferenz der ASF 1977 scheiterte der Antrag, daß Frauen „,bei der Besetzung von Mandaten und Funktionen' mindestens entsprechend dem jeweiligen Anteil der weiblichen Parteimitglieder" (DIE ZEIT 1 7 . 6 . 1 9 7 7 ) berücksichtigt werden müßten, an einer knappen Zweidrittel-Mehrheit. Ihr Slogan: Laßt die Pfoten von den QuotenZ250 Ihre Ablehnung begründeten die Frauen unter anderem damit, daß es ihnen „einfach gegen die Ehre [gehe], eine .Quote' zu sein, statt auf Grund eigener politischer Leistungen in ein Gremium gewählt zu werden" (DIE ZEIT 1 7 . 6 . 1 9 7 7 ) . Die Befürworterinnen erwiderten, das Quotenverfahren sei nicht „der Weisheit letzter Schluß", könne aber als „Übergangslösung"251 herhalten, „bis die Gleichberechtigung in der Politik für Männer und Frauen selbstverständlich geworden ist" (DIE ZEIT 1 7 . 6 . 1 9 7 7 ) . Die Politikerinnen gelangten auch jetzt nicht wegen ihres Könnens, sondern wegen ihres Geschlechts zu ihren Posten und seien demnach eine „Quote", „nur sagen die Männer nicht Quotierung dazu, sondern Bezirksproporz oder Unterbezirksproporz" (ebd.). Gegen diesen sogenannten Proporz mit Alibifunktion setzten die SPD-Frauen also die selbstbewußte Forderung nach einer festen Mindestquote an Frauen auch auf den Führungsebenen. Quote bzw. Quotierung (später auch Frauenquote und Quotenregelung) avancierten bei den Befürworterlnnen Ende der siebziger Jahre zu Fahnenwörtern und lösten die negativ geprägte Vokabel Proporz 247 Vgl. NÜRNBERGER NACHRICHTEN 24.12.1971; Pausch-Gruber 1978, S. 75f. 248 Vgl. ebd.; DIE ZEIT 17.6.1977. 249 Vgl. Pausch-Gruber 1978, S. 75f. 2 5 0 V g l . DIE ZEIT 1 7 . 6 . 1 9 7 7 .
251 Als eine solche begrüßte sie auch Willy Brandt, der auf ein erfolgreiches Modell in Schweden verwies. In seinem Buch „Frauen heute" räumte er ein, „daß es vernünftig sein könnte, Mindestquoten - zum Beispiel: ein Viertel - für die Teilnahme von Frauen an den Körperschaften der Partei vorzusehen" (Brandt 1978a, S. 51).
Gleichberechtigung
509
ab. Im Sprachgebrauch ihrer Gegnerinnen etablierten sie sich entsprechend als (zur Bezeichnung eigener Programme zu vermeidende) Stigmawörter, wobei auch Proporz zeitweise die Funktion eines konkurrierenden Stigmawortes zu erhalten schien. So kritisierte die FRANKFURTER ALLGEMEINE 1980: „[...] auf den Proporz beruft sich nur, wer keine anderen, keine besseren Argumente hat" (20.8.1980).252 Die zunächst neutrale Bezeichnung Quoten-Frau253 löste die ebenfalls negativ geprägte Proporz-Frau allmählich ab, wurde aber bald in ähnlicher Weise pejorativ verwendet. Konkretere Pläne für Quotenregelungen im öffentlichen Dienst sowie in den politischen Parteien wurden Mitte der achtziger Jahre angegangen.254 Anfang 1980 forderten SPD-Frauen auf einem Parteikongreß erstmals „.Quotierungen' im öffentlichen Dienst" (STUTTGARTER ZEITUNG 3 3-1980). Bei der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" im September 1979 war die Quotierung bereits als eine mögliche Maßnahme zur besseren Berücksichtigung der Frau im Beruf und in der Arbeitswelt breit diskutiert worden.255 In den achtziger Jahren erwies sich der juristische Streit um die Vereinbarkeit einer Quotierung mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes als ein zentraler Punkt im Zusammenhang mit Quotenregelungen im öffentlichen Dienst. Dabei wurde besonders auf das Kriterium der Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts abgehoben, das die einen als verfassungswidrige Benachteiligung des Mannes, die anderen als rechtmäßigen Ausgleich bestehender Benachteiligung der Frau auslegten.256 Ebenso kontrovers wurde in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert, inwieweit eine Quotierung den Frauen wirklich zu einer Gleichstellung verhalf. Hier war das Kriterium der Qualifikation und individuellen Leistung zentral. In einem Kommentar des KÖLNER-STADT-ANZEIGERS wurden Verlautbarungen der Parteifrauen von SPD und CDU, die bei der SPD mit dem Wort Quotierung, bei der CDU unter Vermeidung dieses Wortes eine stärkere Berücksichtigung von Frauen in den Parteigremien forderten257, als ein 252 Vgl. auch Iber-Schade in: FAZ 24.9.1984. 253 In einem Aufsatz von 1978 stellte das ASF-Mitglied Ursula Pausch-Gruber die Suggestivfrage „,Quoten'-Frau als Übergangslösung?" (1978, S. 76). 254 Vgl. Borrmann, Helga: Übersicht über die Regelungen des Bundes und der Lander betreffend die Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst. In: RECHT DER ARBEIT 41 (1988), H. 6, S. 3 5 4 - 3 5 8 . Zu den Quotierungsbeschlüssen bei der SPD und den GRÜNEN vgl. Beschluß des Parteitages der SPD vom 31.8.1988 in Münster. Kommentiert in: DER SPIEGEL (5.9.1988), H. 36, S. 22f. und Beschluß des Parteitages der GRÜNEN vom 19.5.1986 in Hannover. Abgedruckt in: Jansen 1986, S. 174f. 255 Vgl. Abschlußbericht der Enquete-Kommission von 1980 in: Zur Sache 1981, S. 37f. 256 Vgl. auch ebd., S. 39257 Vgl. Beschlüsse der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinsschaft sozialdemokratischer Frauen Hannover 4.-6.10.1985 in: Jansen 1986, S. 176f. und Bonner Erklärung der CDU-Frauenvereinigung am Bundesdelegieitentag vom 27./28.9· 1985 in: Jansen
510
Kapitel 12
Wiederaufleben des Phänomens der „angepaßten Konzessionsfrau" kritisiert: ^ a r u m sollten die Männer die Quoten-Frauen anders sehen als die einstige Alibi-Damenriege? Und in welche fatale Position werden die Politikerinnen gedrängt, die ohne Geschlechtsbonus ihre Position erkämpft haben? Für sie ist die Quotierung eine Zumutung, wenn nicht gar eine Beleidigung. [...] Quoten können die Hindernisse im privaten Bereich nicht aus dem Weg schaffen, sondern [...] sich als Bumerang erweisen: Werden Posten nur deshalb mit Frauen besetzt, weil sie nach der ParteiArithmetik dorthin gehören, müssen die Frauen gegen ein neues Vorurteil kämpfen - die Quoten-Tante zu sein." (12.10.1985)
Mit Interpretationen wie „Frauenreservat" (ebd.)258 und „Geschlechtsbonus", Degradierung der Frauen zu „Pflegefällen"259 und Vergleichen mit den „angepaßten Konzessionsfrauen" und den ,Alibi-Damen" von einst wurde bei Wörtern wie Quotierung, Quote und Quoten-Frau die Assoziation provoziert, hier gehe es um Maßnahmen, die Frauen nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern nur aus Proporzgründen förderten und sie damit in ihrer Eigenständigkeit und ihrem Können disqualifizierten. Mitte der achtziger Jahre galten Quotierung und Quote als frauenpolitische „Reizwörter"260, und Quoten-Frau erhielt zusehends pejorativen Charakter. Die Brisanz der Ausdrücke insbesondere für die CDU-Frauen wurde deutlich, als die mit Quotenmodellen sympathisierende Rita Süssmuth meinte, daß hierfür „ein anderes Wort" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 9 3-1988) gefunden werden müsse. In dem Artikel „Die unaufhaltsame Karriere eines Reizwortes" kommentierte die FRANKFURTER RUNDSCHAU: „[...] Quoten heißt das Reizwort, für das Ministerin Süssmuth am liebsten einen weniger anstößigen Begriff fände — aber eben nur einen anderen Begriff" (27.8.1988). Noch sechs Jahre später vermied die Frauen-Union den Ausdruck Quote bei ihrer Forderung nach Verfahren, die zu einer Besetzung von Ämtern und Mandaten mit Frauen entsprechend deren Mitgliederanteil in der CDU führen sollten. In einem Interview der NEUEN RHEIN ZEITUNG erläuterte Süssmuth: „In der Tat ist der Begriff eher negativ besetzt, deswegen wird er vermieden. Aber in der Sache ändert es nichts. Noch bösartiger ist der Begriff .Quotenfrau'" (21.2.1994).261 1986, S. 168. 258 Vgl. auch Justizminister Engelhard in: FR 9-3.1988. 259 Andreas Reichel (FDP) in: WESTFALEN-BLATT 11.3.1988.
260 Vgl. hierzu auch den Titel des Sammelbandes „Quotierung - Reizwort oder Lösung?" (Expertenanhörung der Hessischen Landesregierung am 2.Mai 1985. Hessendienst der Staatskanzlei (Hrsg.). Gießen 1985) und den Aufsatztitel „Quotierung - Reizwort oder Anreiz?" von Karin Roth 1986. 261 Die Berührungsängste der Parteifrauen in der Regierungskoalition gegenüber dem Ausdruck Quote verdeudichte auch eine andere Begebenheit Anfang der neunziger
Gleichberechtigung
511
Die Argumentation auf der Basis einer negativen Assoziation von Quote mit .Ersatz für Leistung' und Quoten-Frau mit .unfähige QuotenTante' war unter den Quotierungsgegnerinnen weit verbreitet und tauchte auch im Bereich der Privatwirtschaft auf, wo Quotenregelungen im allgemeinen als gegen die Prinzipien des freien Marktes verstoßend abgelehnt wurden. Zum Beispiel lehnten die Tarifpartner in ihrem Grundsatzpapier zur „Frauenförderung in der Chemischen Industrie" „Frauenquoten" mit der Begründung ab, daß diese ,„für die QuotenFrauen' eher mehr Nachteile als Vorteile bringen, weil häufig der Verdacht naheliegen würde, daß ihre Entwicklung mehr auf die ,Quote' als auf die eigene Leistung zurückzuführen sei'" (HANDELSBLATT 28.2.1989). Demgegenüber gab es zwei Grundhaltungen: Die einen wichen auf den Kompromiß der „leistungsbezogenen Quote"263 aus, die anderen hielten weiterhin an der nicht-leistungsorientierten Quote fest. Die zuletzt genannte Version vertrat 1985 etwa die Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen der GRÜNEN in einem Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz264 mit einem „Quotierungsgesetz", das eine 50%-Quote ohne Leistungsbezug im Bereich der Ausbildung, des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft vorschrieb. Voraussetzung sollte nur der für die jeweilige Stelle notwendige Bildungs- oder Berufsabschluß sein. Gegen solche Regelungen argumentierte zum Beispiel Claudia Zimmermann-Schwartz, Referentin der NRW-Gleichstellungsbeauftragten Ilse Ridder-Melchers: Eine derartige Regelung „würde - von ihrer Verfassungswidrigkeit ganz abgesehen - dem Argument Vorschub leisten, hier würden Frauen trotz schlechterer Qualifikation als ,Quotenfrau' bevorzugt"265. Einen ersten Versuch, dem Vorurteil von der minderqualifizierten Quotenfrau und dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu entgehen
262 263
264 265
Jahre: Die Bundesfrauenministerin Angela Merkel hatte den Entwurf zu einem » g e nannten „Gleichberechtigungsgesetz" vorgelegt, der wegen seiner Unverbindlichkeit und Unzulänglichkeit nicht nur von Seiten der Opposition angegriffen wurde (vgl. FR 2.1.1992; 22.4.1993). Auch die FDP-Frauen, respektive die liberale Abgeordnete Margret Funke-Schmitt-Rink, forderten laut FRANKFURTER RUNDSCHAU eine schärfere Formulierung der „Vorschriften zur Frauenförderung [...], ohne jedoch das Wort Quote zu benutzen" (4.5.1993). Als Ziel der Frauenförderung wurde eine Formulierung vorgeschlagen wie „,die Erhöhung des Anteils der Frauen [...] bis zur Hälfte der Beschäftigten' oder flexible Zielvorgaben mit Steigerungsraten innerhalb bestimmter Fristen" (ebd.). Vgl. auch die Haltung des Hauptgeschäftsführers der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Fritz-Heinz Himmelreich, wie sie die FAZ 24.4.1990 kommentiert. Vgl. hierzu auch den Wortlaut in Ernst Bendas Rechtsgutachten „Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst" von 1986 für die Hamburger Leitstelle Gleichstellung der Frau, S. 223ff in: Richelmann 1991, S. 123. Abgedruckt in: Jansen 1986, S. 171ff. Vgl. auch Krieger 1987, S. 146ff. Zit. nach FR 27.8.1988
512
Kapitel 12
und dennoch an einer gesetzlichen Fixierung der Quotenregelung festzuhalten, stellte der seit 1988 intensiv diskutierte nordrhein-westfälische Entwurf zu einem Gleichstellungsgesetz im öffentlichen Dienst dar. Aufbauend auf einer Frauenförderrichtlinie für die NRW-Behörden sah der Entwurf unter anderem vor, daß .„Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung' zu bevorzugen sind, solange sie im .jeweiligen Beförderungsamt der Laufbahn' zur Minderheit gehören"266. Diese Regelung wurde verkürzt als „leistungsbezogene Quotenregelung" (WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU 1.12.1988) bezeichnet. Außerdem handelte es sich nicht um eine „starre Quote": Im Einzelfall sollten „gravierende soziale Gründe" die Entscheidung für einen Mann rechtfertigen.267 Zu dem Gesetzentwurf äußerte Innenminister Schnoor (SPD) laut NEUE-RHEINZEITUNG, das Grundgesetz habe „[...] zwar die Gleichberechtigung längst festgeschrieben, .aber die tatsächliche Gleichheit in der sozialen Wirklichkeit' zwischen Mann und Frau müsse n o c h herbeigeführt werden. .Dem Anliegen uneingeschränkter Gleichberechtigung wird a m ehesten das Verhältnis v o n 50 zu 50 gerecht, weil dies auch sowohl d e m Geschlechteranteil in der Bevölkerung als auch d e m Anteil der Frauen im erwerbsfähigen Alter entspricht." (9-3.1988)
Während in der Diskussion um dieses Gesetz unter anderem dessen verfassungsmäßige Rechtfertigung268 sowie das Kriterium der gleichen Qualifikation hinterfragt wurde2 , zogen andere wiederum die Qualifikation der „Quotenfrau" in Zweifel. Dies veranlaßte die Gleichstellungsbeauftragte Ilse Ridder-Melchers laut TAGESZEITUNG (TAZ) zu einer Verurteilung der „Polemik gegen angeblich minderqualifizierte Quotenfrauen. Nur die Privilegien der Männer gegenüber gleich qualifizierten Frauen würden eingeschränkt" (20.10.1989). Darauf, daß Quoten-Frau offenbar Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre eine deutlich negative Prägung hatte, verwies auch ein Kommentar der FRANKFURTER RUNDSCHAU, wonach „gerade die Bevorzugung wegen des Geschlechts
266
DER SPIEGEL ( 1 1 . 1 1 . 1 9 9 1 ) , Η . 4 6 , S . 9 6 )
267 Vgl. WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU 1.12.1988. Laut TAGESZEITUNG zählten hierzu auch das Dienst- und Lebensalter und der Familienstand (vgl. DIE TAGESZEITUNG 2.11.1990). 268 Zu der öffentlichen Berichterstattung über die kontroversen verfassungsbezogenen Argumentationen BLATT
11.3.1988;
vgl.
FR
FR
9 3-1988;
27.8.1988;
KÖLNER STADT-ANZEIGER RUHR-NACHRICHTEN
11.3.1988;
1.12.1988;
WESTFALEN-
WESTFALENPOST
1 . 1 2 . 1 9 8 8 ; GENERAL-ANZEIGER 2 8 . 6 . 1 9 8 9 ; STUTTGARTER ZEITUNG 2 7 . 1 0 . 1 9 8 9 ; D E R SPIEGEL ( 1 1 . 1 1 . 1 9 9 1 ) , Η. 46, S. 9 6 .
269 „Eignung, Befähigung, fachliche Leistung sind dehnbare Begriffe. Auch soziale Gesichtspunkte lassen sich unterschiedlich werten und gewichten. [...] Solange die Einstellungs- und Beförderungskriterien so deutungsfahig bleiben, wie sie es derzeit sind, müssen die Frauen damit rechnen, auch in Zukunft keinen leichten Stand zu h a b e n " (WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG 1 . 1 2 . 1 9 8 8 ) .
Gleichberechtigung
513
auch einen umgekehrten Effekt haben könne, wie dies im pejorativen Gebrauch des Ausdrucks ,Quotenfrau' zum Ausdruck kommt" (3.7.1993). Im Oktober 1989 wurde der NRW-Entwurf gegen die Stimmen von CDU und FDP als bundesweit erstes „Frauenförderungsgesetz" vom Düsseldorfer Landtag angenommen.270 Im gleichen Jahr hielt die BrockhausEnzyklopädie unter dem Stichwort Gleichberechtigung die aktuelle Unsicherheit in der Auslegung dieses Ausdrucks in Hinblick auf den Aspekt der .Bevorzugung aufgrund struktureller Diskriminierung' fest. Wegen des Klaffens zwischen Rechtsnorm und sozialer Realität werde überlegt, in Form von „Antidiskriminierungsgesetzen" und „Quotenregelungen" „die Stellung der Frau in der Gesellschaft durch befristete Bevorzugungen" im öffentlichen Bereich zu verbessern. Ein Jahr später erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster das Frauenförderungsgesetz für verfassungswidrig und legte das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vor. Die Münsteraner Richter gaben damit einem Amtmann recht, der, wie es der RHEINISCHE MERKUR ausdrückte, „in Konkurrenz mit zwei Quotenfrauen den kürzeren zog" (9.11.1990).271 Der gleiche Artikel bezeichnete den Richterspruch als „Abwehr sexistischer Sippenhaftung" (9.11.1990). Die TAZ hingegen verteidigte die NRW-Quotenregelung: „Ihre [der Frauen-K.B.] Benachteiligung erfolgt systematisch, hat strukturelle, gesellschaftliche Gründe. [...] Nicht ein Quotierungsgesetz, sondern der Ist-Zustand ist verfassungswidrig. [...] Frauen müssen jetzt für die verfassungsrechtliche Absicherung der Quote streiten." (DIE TAGESZEITUNG 2.11.1990)
In den neunziger Jahren droht der begonnenen institutionellen Umsetzung frauenpolitischer Ziele die finanzielle Aushungerung. Massenarbeitslosigkeit und Rezession sind die Themen, die die Schlagzeilen seit der deutschen Widervereinigung bestimmen. Besonders von der Arbeitslosigkeit betroffen waren die Frauen aus den neuen Bundesländern, deren Arbeitsplatz zu DDR-Zeiten gesichert gewesen war. Die auftauchende Frage, ob die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der DDR verwirklicht bzw. besser umgesetzt war als in der BRD, wurde in der Presseberichterstattung allerdings verneint. Dabei zeigte sich, daß Gleichberechtigung im öffentlichen Sprachgebrauch der DDR vorwiegend im Sinne eines .gleichen Rechts auf gleiche Arbeit' ausgelegt worden war.272 Bei der Frage aber, was die Frauenpolitik der BRD den Frauen aus den neuen Bundesländern zu bieten habe, taten sich die Politikerinnen schwer. So lautete die Antwort der damaligen Bundesfrauenmi270 Vgl. „NRW-Parlament beschließt Frauenquote"(DIE TAGESZEITUNG 20.10.1989). 271 Zur Argumentation der Richter vgl. DER SPIEGEL (11.11.1991), H. 46, S. 96. 2 7 2 V g l . h i e r z u DER SPIEGEL ( 1 9 1 1 - 1 9 9 0 ) , H . 4 7 , S. 119FF· u n d DER SPIEGEL SPEZIAI: D a s
Profil der Deutschen. Was sie vereint, was sie trennt. 1991, H. 1, S. 62FF.
514
Kapitel 12
nisterin Ursula Lehr auf die Frage, was die Revolution den neuen Bürgerinnen gebracht habe: „die Freiheit" und: „Durch die Marktwirtschaft verschwindet auch das Schlangestehen. Das ist eine große Erleichterung für die Frauen" (STUTTGARTER NACHRICHTEN 1 7 . 1 1 . 1 9 9 0 ) . Ob die Politik den Frauen in Zukunft nicht mehr zu bieten hat, bleibt vorerst abzuwarten. (Karin Boke)
Beleg- und Stichwörter • Alibi-Frau • Antidiskriminierungsgesetz • Babyjahr • Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen! • Befreiung der Frau • Bevormundung • Blaustrumpf • Chancengleichheit • Chauvi • Chauvinismus • Dazuverdienen • Doppelaufgabe • Doppelbelastung • Doppelrolle • Doppelverdiener • Doppelverdienertum • Eigenart der Frau • Emanze • Emanzipation (der Frau) • Emanzipation, mißverstandene • Emanzipationsgehabe • emanzipiert • Entscheidungspflicht • Entscheidungsrecht • Entscheidungsverantwortung • erfolgreiche Frauen • Erfolgsfrauen • Feminismus
Feministin feministisch feministische Sprachkritik frau FrauenFrauenaktionspläne Frauenbeauftragte Frauenbefreiung Frauenbewegung Frauenbewegung, autonome Frauenbewegung, Neue Frauenbuchladen Frauenbüro Frauencafe Frauendiskothek Frauendiskriminierung Frauenemanzipation frauenfeindlich Frauenfeindlichkeit Frauenförderplan Frauenförderung Frauenförderungsgesetz Frauenfrauen Frauen gemeinsam sind stark! Frauengleichstellungsstelle Frauengruppe Frauenhaus Fraueninitiative Frauenkollektiv Frauenlohn
Gleichberechtigung Frauenlobngruppen Frauenmacht Frauenquote Frauenüberschuß Frauenunterdrückung Frauenverlag Frauenversammlung Frauenzeitung Frauenzentrum -frauert Funktionsteilung Gewalt gegen Frauen Gleichberechtigung (von Mann und Frau) Gleichberechtigung, formale Gleichberechtigung, mechanistische Gleichberechtigung, schematische Gleichberechtigung, totale Gleichberechtigung, volle Gleichberechtigungsgesetz gleicher Lohn für gleiche Arbeit gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Leistung gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit Gleichmacherei gleichstellen Gleichstellung Gleichstellungsbeauftragte Gleichstellungsgesetz Gleichstellungsstelle Gleichwertigkeit Halbtagsbeschäftigung Hauptverdienerin Hausarbeitstag Hausfrauenehe Karrierefrau Kinderzimmer, Heim und Herd sind kein ganzes Leben wert! Konzessionsfrau
515
Laßt die Ff oten von den Quoten! Leichtarbeitsplätze Leichtlohn Leichtlohngruppen Machismo Macho Männer und Frauen sind gleichberechtigt Männerberufe Männergesellschaft Männerherrschaft Männlichkeit Mannweib Mitverdienerin Mütterarbeit Mutterfamilie natürliche Ordnung Neue Mütterlichkeit Neue Weiblichkeit Nur-Hausfrau organische Ordnung Partner Partnerschaft Partnerschaftsehe Patriarchat Privileg Proporz Proporz-Dame Proporz-Frau Quote Quoten-Frau Quotenregelung Quotierung Renommierfrau Schlüsselkind SelbstSelbstbefreiung Selbstbestimmung Selbsterfahrung Selbsterfahrungsgruppe
516
Kapitel 12
Selbstfìndung Selbstverwirklicbung Sexismus sexistisch Teilzeitarbeit Top-Frauen Trümmerfrauen typisch weiblich typisch
männlich
typische
Frauenarbeiten
typische
Männerarbeiten
Vermännlichung Verschiedenheit der Geschlechter, biologische
Verschiedenheit der Geschlechter, funktionale Verschiedenheit der Geschlechter, natürliche Vorherrschaft Vormachtstellung Vorrangstellung Vorrecht Vorrechtsanspruch Wahlfreiheit weiblich Weiblichkeit Wesen der Frau Würde der Frau
Feministische Sprachkritik 1. Feministische Linguistik / 1.1 Ansatzpunkt feministischer Linguistik / 1.2 Sexistischer Sprachgebrauch / 2. Kritikpunkte der feministischen Linguistik / 2.1 Generische Maskulina / 2.2 Metaphern und Redewendungen / 2.3 Asymmetrischer Gebrauch femininer und maskuliner Personenbezeichnungen / 2.4 Darstellung von Frauen in der Presse / 3. Lösungsansätze für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch / 3.1 Splitting / 3.2 Binnen-I / 4. Widerstand und Argumente gegen einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch / 5. Sprachliche Entwicklungen in der BRD unter dem Einfluß der Frauenbewegung / 5.1 Anrede Frau / Fräulein / 5.2 Namensrecht / 5.3 Berufsbezeichnungen / 5.4 Titel und Hochschulgrade / 5.5 Funktionsbezeichnungen in der Politik / 5.6 Stellenausschreibungen / 5.7 Rechts- und Verwaltungssprache / 5.8 Neue Bundesländer beziehungsweise ehemalige DDR / 5.9 Piktogramme / 6. Sprachwandel?
Die soziale Stellung der Frau hat unter dem Einfluß der Neuen Frauenbewegung in den letzten Jahrzehnten etliche Veränderungen erfahren, auch wenn wir noch weit entfernt sind von einer vollen Gleichberechtigung der Frau. Dieser soziale Wandel hat zum Teil auch bereits seinen sprachlichen Niederschlag gefunden. Feministinnen haben sich für diesen Sprachwandel eingesetzt: Sie haben nicht nur die männliche Dominanz in der Gesellschaft insgesamt in Frage gestellt, sondern auch die männliche Dominanz in den herkömmlichen Sprachgewohnheiten. Zu den von feministischen Linguistinnen kritisierten Sprachgewohnheiten zählen die sogenannten geschlechtsneutralen (maskulinen) Personenbezeichnungen wie beispielsweise der Lehrer, der Leser, der Wähler oder der Minister, die von immer mehr Frauen geschlechtsspezifisch verstanden werden. Daraus folgt die Forderung, Frauen sprachlich sichtund hörbar zu machen, besonders im öffentlichen und veröffentlichten Sprachgebrauch.
1. Feministische Linguistik Die Bemühungen um einen geschlechtergerechten nicht nur in linguistischen Fachkreisen, sondern troverse und von heftigen Emotionen getragene Aber kein anderes linguistisches Problem in der
Sprachgebrauch haben auch in der Presse konDiskussionen ausgelöst. bundesrepublikanischen
518
Kapitel 13
Geschichte hat Ministerien und Parlamente derart beschäftigt wie die femininen und maskulinen Personenbezeichnungen. Die in diesem Zusammenhang geforderten oder vollzogenen Veränderungen im Bereich der Personen-, Berufs- und Funktionsbezeichnungen unter dem Einfluß der Frauenbewegung und der feministischen Sprachkritik sollen hier exemplarisch skizziert werden. 1.1 Ansatzpunkt feministischer Linguistik Die feministische Linguistik hat ihre Wurzeln in den USA. Dort begannen die Forschungen zum Thema „Sprache und Geschlecht bereits Anfang der siebziger Jahre.1 Feministische Linguistik ist nicht innerhalb der Sprachwissenschaft entstanden. Sie ist initiiert worden von der Frauenbewegung der siebziger und achtziger Jahre, also von der „unterdrückten Gruppe" (Schräpel 1985, S. 219) selbst, und sie ist dann von Sprachwissenschaftlerinnen in die Linguistik hineingetragen worden, in der Bundesrepublik hauptsächlich von den beiden Professorinnen für Sprachwissenschaft, Senta Trömel-Plötz und Luise F. Pusch, die als Privatdozentinnen an der Universität Konstanz die deutsche feministische Linguistik begründeten. „Feministische Linguistik entstand", formulierte Trömel-Plötz, „als bestimmte Feministinnen einen Blick auf ihr eigenes Fachgebiet warfen oder eher, als bestimmte Linguistinnen feministische Ideen auf ihre eigene Wissenschaft anwendeten" (Trömel-Plötz 1982, S. 33). In der Bundesrepublik Deutschland sind die ersten sprachwissenschaftlichen Aufsätze zu diesem Thema in den Jahren 1979 und 1980 in den Zeitschriften OSNABRÜCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHTHEORIE (OBST) und LINGUISTISCHE BERICHTE (LB) erschienen.2 Sprachfeministinnen gehen davon aus, daß Sprache stets auch als „Bewußtsein produzierendes und reproduzierendes" Mittel auf die Realität zurückwirke, so daß das Verhältnis von Sprache und Gesellschaft in einer ständigen Wechselwirkung stehe.3 Gerade diese Erkenntnis verleiht der feministischen Linguistik eine eigene Dynamik. Das unverhohlene Interesse aller Sprachfeministinnen an der Veränderung des Sprachverhaltens wie der gesellschaftlichen Verhältnisse in bezug auf Frauen hat sie zuweilen in den Ruch des Missionarischen und damit in den Verdacht gebracht, den Rahmen objektiven wissenschaftlichen Arbeitens zu verlassen. 1 2 3
Vgl. z.B. Robin Lakoff: Language and Woman's Place. New York 1975; Mary Key: Male/Female Language. Metuchen N. J. 1975. Vgl. z.B. Guentherodt 1979; Trömel-Plötz 1978 und 1980; Pusch 1979Vgl. z.B. Spieß 1989, S. 3; Wodak 1987, S. 11; Hellinger 1990, S. 67.
Feministische Sprachkritik
519
Aber feministische Linguistik muß nicht a priori pseudowissenschaftlich sein, nur weil sie von engagierten Feministinnen betrieben wird. Es gehört heute zum Allgemeingut der Wissenschaftstheorie, daß es „bei der Produktion von Wissen [...] keine absolute Objektivität geben" (Hellinger 1990, S. 47) kann. Marlies Hellinger, Professorin für Sprachwissenschaft an der Universität Hannover, faßt den wissenschaftstheoretischen Standard so zusammen: „Es besteht immer eine Beziehung zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit, dem forschenden Subjekt und den jeweiligen politischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, in die beide eingebunden sind." (ebd.)
Eine Wissenschaft, deren sogenannte Objektivität das wissenschaftliche Arbeiten zu gesellschaftlicher Belanglosigkeit und Beziehungslosigkeit verkümmern ließe, wäre Wissenschaft um ihrer selbst willen und deshalb eine tote Wissenschaft. Der Philosoph Max Horkheimer formulierte dies 1968 so: „Eine Wissenschaft, die in eingebildeter Selbständigkeit die Gestaltung der Praxis, der sie dient und angehört, bloß als ihr Jenseits betrachtet und sich bei der Trennung von Denken und Handeln bescheidet, hat auf Humanität schon verzichtet."
1.2 Sexistischer Sprachgebrauch Ein Forschungsbereich der feministischen Linguistik5 befaßt sich mit der Diskriminierung von Frauen in der Sprache, vor allem mit dem sogenannten sexistischen Sprachgebrauch. Im Gegensatz zum geschlechtsspezifischen Gesprächsverhalten sind hier semantische, strukturelle und vor allem patriarchale Merkmale im Sprachgebrauch Gegenstand der Untersuchung; also nicht, wie Frauen und Männer sprechen, wird untersucht, sondern wie ü b e r sie gesprochen beziehungsweise sprachlich auf sie Bezug genommen wird. Die feministischen Linguistinnen sehen in der Sprache kein neutrales Kommunikationsmittel, sondern ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit: Die Diskriminierung der Frau in unserer (immer noch) patriarchalen Gesellschaft spiegelt sich auch in der Sprache wider, die als frauenfeindlich beziehungsweise als Männersprache gilt. So wie die Germanistin Gertrude Posti sehen die meisten Linguistinnen
4 5
Horkheimer, Max: Kritische Theorie. Bd. 2. Frankfurt a. M. 1968, S. 190, zit. nach Hellinger 1990, S. 47. Ein anderer Forschungsbereich der feministischen Linguistik beschäftigt sich mit dem Gesprächsverhalten von Frauen und Männern. Dieser Aspekt wird hier nicht näher untersucht.
520
Kapitel 13 „den Grund für diese sprachliche Unausgewogenheit zugunsten des männlichen Geschlechts [...] in der Tatsache, daß Männer aufgrund ihrer langen Geschichte als öffentliche Entscheidungsträger nicht nur die ökonomische, politische und soziale Ausrichtung des gesellschaftlichen Lebens bestimmten, sondern auch Einfluß auf die Funktionsweise und den semantischen Gehalt der jeweiligen Einzelsprachen nahmen" (Posti 1989, S. 89).
Sprache und Sprachgebrauch können nicht losgelöst von den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen werden. Unsere heutigen Gesetze beispielsweise und damit auch die darin verwendete Sprache haben ihren Ursprung im 19- Jahrhundert, in einer Zeit also, als Frauen aus den meisten öffentlichen Bereichen ausgeschlossen waren. Frauen waren damals nur beschränkt geschäftsfähig, folglich kannten die damaligen Gesetze nur Käufer und Schuldner (beides Maskulina). Frauen hatten kein Wahlrecht, also gab es auch keine Wählerin. Der Zugang zu Politik und zu den meisten Berufen war ihnen verwehrt, also gab es auch keine Ministerin. Die Rechts- und Verwaltungssprache stimmte mit dieser sozialen Wirklichkeit überein. Während sich die soziale, berufliche und rechtliche Stellung der Frau geändert hat, hinkt die Änderung des Sprachgebrauchs hinterher, ist allerdings teilweise auch schon in Gang gekommen. ,}0C% Frauen sind nicht mehr nur abstrakt rechtlich handelnde Subjekte," bemerkt die engagierte Juristin und Frauenrechtlerin Marianne Grabrucker, „sondern wir agieren tatsächlich: als Gläubigerin, Beamtin, Kauffrau, Rechtsanwältin, Richterin oder Ministerin. [...] Die Veränderung der Rechtssprache ist lediglich eine reale Anpassung an die bereits herrschende soziale Wirklichkeit und ein weiterer Schritt zur Gleichstellung der Frau." (Grabrucker 1990, S. 295ff.)
Die Wortneuschöpfung Bischöfin anläßlich der Wahl Maria Jepsens zur ersten Bischöfin der evangelischen Kirche im Jahre 1992 und die teilweise vehementen Reaktionen darauf sind ein weiteres Indiz für die Wechselwirkung von sprachlichen und gesellschaftlichen Nonnen im Hinblick auf die Geschlechtsrollenverteilung: „Das Reich Gottes gehört keiner Frau Jepsen und ihren Anhängern, keiner modernen Theologie, sondern Gott allein. Wer an Jesus glaubt, der hält seine Gebote. Solchen Kindern Gottes würde es nicht im Traum einfallen, sich über von Gott festgelegte Rollen der Geschlechter in Ehe und Gemeinde hinwegzusetzen. Zusammen mit anderen Christen trete ich aus der evangelischen Kirche aus." (Leserbrief KÖLNER STADT-ANZEIGER 24.4.1992)
Wie tief verwurzelt im Unbewußten und wie emotional bestimmt der männliche Sprachgebrauch ist, offenbarte Ende August 1994 der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau in einem Interview
Feministische Sprachkritik
521
mit dem RHEINISCHEN PFARRBLATT. Als er zur feministischen Theologie befragt wurde, gestand er: „Die .angeblich moderne Veränderung der Sprache durch Feminisierung der Begriffe', das Sprechen von der .Heiligen Geistin' etwa, sei ,Unsinn'. ,Das ist alles oberflächlicher Zeitgeist für mein Empfinden.'" (WESTDEUTSCHE ZEITUNG 3 0 . 8 . 1 9 9 4 )
2. Kritikpunkte der feministischen Linguistik Den feministischen Linguistinnen geht es nicht nur um das Beschreiben von Sprache, sondern um Sprachkritik. „Die herkömmliche Linguistik kritisiert Sprache nicht, sondern sie beschreibt sie", stellt Pusch fest (1984, S. 10). Die feministischen Linguistinnen dagegen wollen durch Kritik zu einer Veränderung oder Beseitigung des sexistischen Sprachgebrauchs beitragen. Nach Meinung der feministischen Linguistinnen ist sexistischer Sprachgebrauch • Sprache, die Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt; • Sprache, die Frauen immer in Abhängigkeit vom Mann darstellt; • Sprache, die Frauen ignoriert und ausschließt, weil der Mann als Standard und Norm für den Menschen schlechthin gilt; • abwertende Sprache, durch die Frauen degradiert werden. (Guentherodt/Hellinger/ Pusch/Trömel-Plötz 1981)
2.1 Generische Maskulina Die Kritik richtet sich vor allem gegen maskuline Personen-, Funktionsund Berufsbezeichnungen für Frauen und gegen den Gebrauch maskuliner Personenbezeichnungen in geschlechtsneutralen Zusammenhängen, also gegen den Gebrauch der sogenannten generischen Maskulina wie beispielsweise Bürger, Student, Mitarbeiter. Mit generischem Maskulinum ist die Verwendung maskuliner Bezeichnungen für unbekannte oder nicht näher spezifizierte Personen gemeint. D.h. es kann sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen beziehen nach Meinung der traditionellen Grammatik nicht zum Nachteil von Frauen. Tatsächlich gibt es einen Unterschied zwischen Sexus und Genus, zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht. Sexus bezeichnet die biologischen Geschlechtseigenschaften „männlich" und „weiblich" aller Lebewesen. Dagegen handelt es sich beim Genus, dem grammatischen Geschlecht, um eine grammatische Formkategorie. Im Deutschen wird
522
Kapitel 13
jedes Substantiv einem der drei Genera Maskulinum, Femininum oder Neutrum zugeordnet. Das grammatische Geschlecht der meisten Substantive im Deutschen hat mit den Sexuseigenschaften „männlich" und „weiblich" nichts zu tun, zumal, wenn die Substantive keine Lebewesen bezeichnen, wie beispielsweise der Sessel, die Blume oder das Glück. Personenbezeichnungen wie Mutter, Vater, Tochter, Sohn, Schwester, Bruder sind dagegen geschlechtseindeutig. Die Eigenschaften „männlich" beziehungsweise „weiblich" sind semantische Merkmale der einzelnen Nomen und lexeminhärent, d.h. die geschlechtsspezifischen Merkmale sind fester Bestandteil der Wortbedeutung ohne eine besondere formale Kennzeichnung wie beispielsweise das Anhängen des Femininsuffixes „in". Die meisten Personenbezeichnungen, die Handelnde bezeichnen (nomina agentis) oder eine funktionstragende Person, sind in ihrer Grundform Maskulina: Wähler, Lehrer, Arzt. Durch Anhängen eines Femininsuffix — in der Regel „-in" - werden die femininen Entsprechungen gebildet: Wählerin, Lehrerin, Ärztin. Diese movierten, d.h. aus den Maskulina abgeleiteten, Feminina sind sexuseindeutig. Sie haben stets das semantische Merkmal „weiblich" und können ausschließlich nur auf weibliche Personen bezogen werden. Die unmovierte, d.h. die maskuline Form hat dagegen zwei Funktionen: Sie soll Personen bezeichnen, deren Geschlecht unbekannt ist, oder beide Geschlechter geschlechtsindifferent bezeichnen. Zum anderen dient sie aber auch zur geschlechtsspezifischen Bezeichnung von männlichen Wesen. Die traditionelle Grammatik beschreibt diesen Sprachgebrauch folgendermaßen: „Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend beziehungsweise verallgemeinernd (.generiseli'): [...] Das Institut hat 270 Mitarbeiter ( = männliche und weibliche). [...] Bundestagspräsident Frau N.N.; Frau Professor Dr. Schneider; Maria will Autoschlosser werden. Wenn man jedoch den Bezug auf das weibliche Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z.B. auf -in) oder eine entsprechende Umschreibung."
6
Duden „Grammatik der deutschen Gegenwartssprache". 4 1984, Randziffer 332.
Feministische Sprachkritik
523
Daß das generische Maskulinum jedoch nur auf einem ausgeprägt patriarchalen Hintergrund entstehen konnte, macht der Umstand deutlich, daß es ein generisches Femininum nicht gibt. Frauen werden stets unter das Maskulinum subsumiert. 99 Studentinnen und 1 Student sind gemeinsam 100 Studenten. Die Publizistin Charlotte Kerner spricht von einer „sprachlichen Tarnkappe", die Frauen auf diese Weise übergestülpt wird (Kerner 1989, S. 172). Die feministischen Linguistinnen lehnen den Gebrauch dieser sogenannten generischen Maskulina ab, weil sie sich „auf Männer beziehen und Frauen nur dann einschließen, wenn es Willkür, Umstände oder Laune der Sprechenden erlauben" (Posd 1991, S. 94). Frauen mögen zwar — per Konvention - mitgemeint sein, sie werden aber, so Trömel-Plötz, auf diese Weise ausgeschlossen oder zumindest unsichtbar gemacht. Ihrer Meinung nach „redet man generell über Männer und Frauen, man benutzt die Form, die für den generischen geschlechtsneutralen Gebrauch zur Verfügung steht, und meint dabei nur Männer" (Trömel-Plötz 1982, S. 40). Der Tatsache, daß die maskulinen Formen sowohl geschlechtsspezifisch, also männlich, als auch geschlechtsübergreifend verwendet werden können, mißt Pusch eine nicht unbedeutende psychologische Komponente zu: „Männer haben mehr Chancen des Gemeintseins und damit des Identifiziertwerdens als Frauen" (Pusch 1984, S. 27). Die Bielefelder Pädagogik-Professorin Christiane Schmerl, die seit vielen Jahren das Frauenbild in der Presse untersucht, spricht in diesem Zusammenhang von .Annihilierung"7, d.h. von Kleinermachen, Unsichtbarmachen und Annullierung. Bei vielen scheinbar geschlechtsneutralen Problemen wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel und „alleinerziehenden Eltern" sind Frauen jedoch in viel stärkerem Maße betroffen als Männer. Die meisten alleinerziehenden „Eltern" sind in Wirklichkeit alleinerziehende Mütter, d.h. Frauen. Mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen sind Frauen. Von Arbeitslosigkeit beispielsweise sind Frauen in weit größerem Maße betroffen als Männer. Maskuline Personenbezeichnungen können aber nicht nur auf Männer und gemischtgeschlechtliche Gruppen referieren, sie können auch zur Bezeichnung von Frauen allein verwendet werden. Gemäß dem Leiter der Duden-Redaktion in Mannheim, Günther Drosdowski, soll es beispielsweise heißen: „.Unsere Tochter lernt Auto-Mechaniker', aber ,Die Werkstatt leitet eine Auto-Mechanikerin'" (Drosdowski 1991). Eine Begründung für diese aus feministischer Perspektive wenig einleuchtende 7
Schmerl 1989, S. 40 (Annihilierung - Vernichtung (nihil - nichts)).
524
Kapitel 13
Unterscheidung liefert Drosdowski nicht. Grammatisch zwar korrekt, frauenpolitisch aber äußerst unsensibel sind auch die folgenden Beispiele [kursive Hervorh. H. G.]: „Die beiden Presidenten des Kuratoriums sind Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Frauen und Jugend der Bundesrepublik Deutschland und Madame Frédérique Bredtn, Ministerin für Jugend und Sport der Französischen Republik."8 „.Grabenkämpfe sind vorbei'. DGB-Chef sieht die Frau als Arbeitnehmer der Zukunft." (WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN 3 1 . 0 1 . 1 9 9 1 ) „Expertenanhörung der CSU-Landtagsfraktion: ,Mütter sind Manager'. Dennoch Differenzen bei der Bewertung der Hausarbeit." (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 2 7 . 1 1 . 1 9 9 1 )
„[...], heute gehört es in Schwimmbädern und an Badeseen zum gewohnten Bild, ist überall beliebt und erlaubt: Das Sonnenbad oben ohne. Immer mehr Düsseldorfer legen ab, ohne daß sich jemand daran stört."9 ,Yor einem Jahr war sie als ,Europaminister Frankreichs' zurückgetreten. Heute kommt sie als Premierminister Frankreichs zurück in die große Politik der Nation. Warum' Zuvor schon Landwirtschaftsminister (1981 bis 1983), danach Minister für Außenhandel (1983 bis 1986) und schließlich auch noch Europaminister (1988), hat Madame Cresson nicht gerade den Eindruck hinterlassen, sie sei eine wirksame Politikerin."10 Stets wird der Mann stillschweigend als Norm vorausgesetzt. Durch diese Bevorzugung wird das Weibliche zur Abweichung von der Norm, also untypisch oder gar unbedeutend. Männer und Frauen stellen sich überwiegend Vertreter des männlichen Geschlechts vor, wenn sie sogenannte geschlechtsneutrale Berufs- und Personenbezeichnungen wie beispielsweise Minister, Kunden oder Einwohner lesen oder hören. Zu diesem Ergebnis kam auch der Aachener Germanist Josef Klein in einer empirischen Untersuchung (Klein 1988), die er in Form zweier Befragungstests durchführte. Dafür hatte er kurze Lücken-Texte entworfen, die von den Probandinnen und Probanden zu füllen waren. Im ersten Test enthielt der jeweils erste Satz die maskuline Form einer „geschlechtsneutralen" Personenbezeichnung wie Einwohner, Bürger, Wähler, Kunde, Leser und Schüler nach folgendem Muster: „Kölner Bürger schlossen sich zu einer Bürgerinitiative zur Verkehrsberuhigung in der Innenstadt zusammen. Als einer der ersten trat (Anrede: /Vorname: ) Müller der Initiative bei." (ebd., S. 314) 8 9 10
Voigtländer, Dorothea F.: „Salut les Français - Guten Tag ihr Deutschen." Das Deutsch-Französische Jugendwerk schafft Verständigung über Ländergrenzen hinweg. I n : GENERAL-ANZEIGER BONN 1 4 . 1 0 . 1 9 9 1 .
Christen-Meyer, Mary Ann: Düsseldorf legt ab. Oben ohne in Bädern erlaubt. In:
EXPRESS DÜSSELDORF 9 . 7 . 1 9 9 2 .
Jetter, Karl: Edith Cresson: „Die Tochter Mitterrands". In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 1 6 . 5 . 1 9 9 1 -
Feministische Sprachkritik
525
Weit mehr als die Hälfte aller Testpersonen, nämlich 6 9 % (72% der Männer, 6 7 % der Frauen), gaben Männer als Referenten an, indem sie die Lücken durch Nennung eines männlichen Vornamens oder die Anrede Herr ausfüllten. Im zweiten, dem Vergleichstest, wurden in den Lückentexten die generischen Maskulina durch feminin-maskuline Doppelformen ersetzt (Kölner Bürger/Bürgerinnen). Obwohl durch die Verwendung der Doppelformen explizit daraufhin gewiesen wurde, daß den jeweiligen Personengruppen sowohl Frauen als auch Männer angehören, schwächte sich der Vorsprung männlicher Geschlechtsspezifizierung lediglich auf 61 % ab (57 % der Frauen, 61 % der Männer). Klein schließt aus diesen Testergebnissen, daß das generische Maskulinum nicht alleine verantwortlich ist für das Nicht-Mitdenken von Frauen in gemischtgeschlechtlichen Gruppen. Daraus folgt auch, daß die von feministischen Linguistinnen erhobene Forderung, das generische Maskulinum durch Doppelformen zu ersetzen, die sprachliche Diskriminierung von Frauen allein noch nicht beseitigen kann. Allerdings - das haben die Tests auch bewiesen - wirkt das generische Maskulinum auf die Assoziation „Mann" deutlich verstärkend, während die Doppelform „zu einer Abschwächung der Ignoranz gegenüber dem Frauenanteil in Personengruppen" führt. Klein resümiert, daß „die Benachteiligung der Frau durch das generische Maskulinum also keine feministische Schimäre [ist], sondern psycholinguistische Realität". „Allerdings", so Klein weiter, ist „das situationsübergreifende Stereotyp der Dominanz des Mannes, das Ausnahmen nur in Nischen gestattet, offenbar in tieferen kognitiven Schichten verankert als in der Grammatik der Wortbildung" (ebd., S. 319). Ob die maskulinen Personenbezeichnungen tatsächlich geschlechtsneutral gemeint beziehungsweise zu verstehen sind, läßt sich nur unter Berücksichtigung des sprachlichen Kontextes beurteilen. Selbst bei Texten mit auf den ersten Blick geschlechtsneutralem Charakter beschränkt sich häufig im Textverlauf der Bezug plötzlich nur auf Männer. Hier zeigt sich besonders eindrucksvoll, daß Frauen häufig doch nicht mitgemeint sind [kursive Hervorh. H. G.]: „Dennoch können wir, wenn wir beispielsweise einen Menschen in die obere Mittelklasse einordnen [...], mit ziemlicher Sicherheit etwas über die Aufteilung seines Haushaltsgeldes aussagen, [...]. Wir können sogar voraussagen, ob er mit seiner Frau bei Lampenlicht oder im Dunkeln Verkehr haben wird [...]."11
11
Berger & Berger: Individuum & Co., 1974, zit. nach Pusch 1984, S. 28.
526
Kapitel 13
Der Fußballtrainer Otto Rehagel äußerte sich 1983 im SPIEGEL über mehrwöchige Trainingslager unter anderem folgendermaßen: „Kein gesunder Mensch kann 3 oder 6 Wochen ohne Frau auskommen".12 Im Jahre 1989 stellte die RHEINISCHE POST in einem Artikel die Frage Reiche Anforderungen soll Düsseldorfs neuer Bau- und Planungschef erfüllen? Der Mann wird offiziell noch gesucht".13 Im Rat der westfälischen Stadt Münster scheint es Frauen nicht zu geben: Ein Artikel der WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN vom 2 . 3 . 1 9 9 0 über „die monatliche Aufwandsentschädigung der münsterschen RatsmitgliederM trug die Schlagzeile „Fraktionsspitzen beraten: Mehr Geld für Ratsherren?" Als im Dezember 1990 die Medien über die Nachfolge des zurückgetretenen Bundeswirtschaftsministers Helmut Haussmann spekulierten, wurde auch deutlich, daß das Wort Minister keineswegs so geschlechtsneutral ist, wie viele (männliche) Linguisten glauben machen wollen. Nach Ansicht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG beispielsweise „gehört auf den Stuhl des Wirtschaftsministers ein Mann, der überzeugen kann". Und nach Meinung des RHEINISCHEN MERKUR „warten auf den deutschen Wirtschaftsminister große Probleme", so daß „der Bundeskanzler [...] sich fragen (muß), wie denn der Mann beschaffen sein muß, der das Wirtschaftsressort im neuen Kabinett übernehmen kann".14 Ein Bericht über Schweizer „Kaderschmieden" in der SÜDDEUTSCHEN vom 2 8 . / 2 9 1 1 . 1 9 9 2 trägt den Titel „Management-Ausbildung in der Schweiz: Wo sich die Herren im grauen Tuch den Schliff holen". Im Text ist unter anderem zu erfahren, daß der ideale Manager männlich ist: ZEITUNG
immer man den Prestigewert der Herren im grauen Tuch einschätzt, in einer Hinsicht zumindest herrscht weltweit Einstimmigkeit: Flexibel, kreativ und visionär muß er sein, der ideale Manager".
Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Heinrich-Heine-Preises am 1312.1991: yon den Lebensschicksalen und Zwangslagen in der vergangenen DDR weiß der Westdeutsche wenig. Er sollte sich hüten, den Eindruck zu erwecken, als könne er die Vergangenheit seines ostdeutschen Landsmanns bewältigen"15
12 13 14
DER SPIEGEL (1983) Η. 7, S. 165, zit. nach Pusch 1984, S. 107. RHEINISCHE POST 20.1.1989, zit. nach Spieß 1989, S. 4. Thoma, Franz: Ein Mann, der überzeugen kann... gehört auf den Stuhl des Wirtschaftsministers. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 4.12.1990 und Hofer, Veronika: Guter Ver-
15
Weizsäcker, Richard von: Die Deutschen auf dem Weg zueinander: Ohne Bewältigung der Vergangenheit gibt es keine Zukunft. In: DIE WELT 14.12.1991·
k ä u f e r g e s u c h t . I n : RHEINISCHER MERKUR 7 . 1 2 . 1 9 9 0 .
Feministische Sprachkritik
527
In der Sendung W E L T S P I E G E L kommentierte der Moderator Winfried Scharlau ein Filmporträt über den Diktator in Simbabwe, Robert Mugawe: „Es ist herzwärmend, Robert Mugawe vom Sozialismus schwärmen zu hören, denn die Idee hat in der Tat Generationen begeistert; bis die Wirklichkeit den Beweis erbracht hat, daß der Mensch, der schwache Adam,
16
dem hohen Ideal nicht gewachsen ist". Die Liste der Beispiele ließe sich fortführen. 2.2 Metaphern und Redewendungen Durch Metaphern, Redewendungen und Sprichwörter werden überholte Rollenklischees weitergegeben, d.h. ständig neu reproduziert. Der Germanist Michael Hausherr-Mälzer hält das Sprichwort für einen „Tummelplatz historischer wie aktueller Sexismen", das „in noch auffälligerer, weil direkterer Weise als sprachliche Strukturen ein unverkennbares Zeugnis einer sexistischen Gesellschaft" ablegt (Hausherr-Mälzer 1990). Während Redewendungen wie Sie ist ein richtiger Junge für Frauen und Mädchen eine Statuserhöhung bedeuten, ist die Benennung eines Mannes mit einer weiblichen Personenbezeichnung eine Herabsetzung: Du benimmst dich wie ein Mädchen. So lassen sich in der Presse vor allem die Redewendungen finden, die für Frauen benutzt werden. Eines der häufigsten Bilder, das bei der Schilderung von weiblichen Berufslaufbahnen auftaucht, ist ihren Mann stehen: „Die Frauen stehen als Heimwerker ihren Mann. Obi-Märkte sind seit 20 Jahren gut im Geschäft." ( N E U E RHEIN-ZEITUNG 8 . 1 2 . 1 9 9 0 ) „Bürgermeisterin Dr. Ellen Wiederhold wird 70 Jahre alt. In Politik und Beruf: Immer .ihren Mann' gestanden." (RHEINISCHE POST 2 0 . 1 1 . 1 9 9 1 ) „100 Polizistinnen in Düsseldorf - Auch in brenzligen Situationen stehen sie ihren Mann." (EXPRESS DÜSSELDORF 1 6 . 1 1 . 1 9 9 2 )
Solche Redewendungen illustrieren, so Hellinger, „die patriarchalische Regel, nach der das Weibliche als zweitrangige Kategorie gilt" (Hellinger 1990, S. 70). Auch eine idiomatische Form wie die Väter des Grundgesetzes erweist sich als unangemessen angesichts der Tatsache, daß bei der Formulierung des Grundgesetzes auch „vier Mütter" maßgeblich beteiligt waren. 16
Robert Mugawe: Träumer vom Soziaiismus. In: WELTSPIEGEL. ARD. 29.11.1992, 1 9 . 1 0 19.50.
528
Kapitel 13
Gernot Kramper von der FRANKFURTER kennt nur die Väter des Grundgesetzes·.
ALLGEMEINEN ZEITUNG
(FAZ)
„Kuddelmuddel Familien im Strudel: Die Väter des Grundgesetzes konnten noch apodiktisch formulieren: ,Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung'" (30.9.1992).
Ein Artikel der Meerbuscher Lokalredaktion der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG vom 12.10.1991 über die beabsichtigte Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Asylbewerber trug den Titel „Sie sind als Stadtväter gefordert". Erst im letzten Satz des Artikels wird das schiefe Bild zurechtgerückt: „Hier und jetzt sind Sie als .Stadtmütter und -väter' gefordert". Auch die Frauen in der Lübecker Bürgerschaft werden in folgendem Text „unterschlagen": „Zuerst ein Hotel, ein Kaufhaus und eine Geschäftspassage, erst kommt für Stadtväter der Denkmalschutz. [...] Bei dem nonchalanten Umgang mit den Zeugen der Tradition können sich Lübecks Stadtväter freilich ebenfalls auf altlübsche Tradition berufen. [...] Doch die Stadtväter und ihr Lübeckverständnis [...]". 17
Selbst in der linksliberalen FRANKFURTER RUNDSCHAU, die häufiger positiv über feministische Sprachkritik berichtet, sitzt das männliche Sprachdenken tief. In der Ausgabe vom 318.1994 überschrieb sie einen Beitrag ihres Duisburger Korrespondenten Peter Ziller zur Arbeitslosigkeit mit „Stadtväter proben den Aufstand gegen Theo Waigels Sparpläne", obgleich im Artikel auch die Stellungnahmen einer Kämmerin und einer Oberbürgermeisterin zitiert werden. 2.3 Asymmetrischer Gebrauch femininer und maskuliner Personenbezeichnungen Eine weitere Forderung der feministischen Linguistik ist, daß die Symmetrie zwischen den Geschlechtern nicht verletzt wird. In Anwesenheitslisten, in Parlamentsdrucksachen und in der Presse werden Frauen sprachlich anders behandelt als Männer. Während bei Männern häufig nur der Nachname genannt wird, heißt es bei Frauen „Frau XY", oder es wird der Vor- und Nachname erwähnt. Eine solche Praxis stellt die männliche Person als Norm, die weibliche dagegen als Ausnahme dar, wie Dörte Jack von der Interdisziplinären Forschungsstelle Frauenforschung der Universität Bielefeld schreibt: „Die ausschließliche Kennzeichnung des .weiblichen Geschlechts' durch ,Frau ...' macht dieses zu einer Ausnahmeerscheinung, zur Regelabwei17
Guratzsch, Dankwart: Das „Weltkulturerbe" Lübeck ist in Gefahr. In: DIE WELT 11.7.1992.
Feministische Sprachkritik
529
chung, das .männliche Geschlecht' erhält den Status der Norm." (Jack 1 9 8 7 , S. 8 )
In Presseberichten ist es üblich, daß bei der ersten Namenserwähnung einer Person im Lauftext Vor- und Zuname genannt werden. Jede weitere Namensnennung erfolgt in der Regel nur noch mit dem Nachnamen. Dies gilt jedoch nur für Männer. Bei Frauen wird auch bei mehrmaliger Wiederholung des Namens häufig nicht nur der Nachname genannt. Auf einen Politiker dagegen wird nicht mit „Herr Ypsilon" Bezug genommen, sondern einfach mit „Ypsilon". Ein anschauliches Beispiel für Asymmetrie lieferte die FAZ am 4.11.1991. Zu einem Bericht über den Parteitag der FDP, auf dem Präsidium und Bundesvorstand neu gewählt wurden, veröffentlichte die FAZ in einem gesonderten Kasten die Wahlergebnisse der gewählten Kandidatinnen und Kandidaten nach folgendem Muster [kursive Hervorh. H.G.]: „Baum ( 4 4 4 ) , Hirsch ( 4 3 6 ) , Ronneburger ( 4 2 1 ) , Sigrid Hoth ( 4 0 8 ) , Westerwelle ( 3 9 7 ) , Elisabeth Frauendorf ( 3 9 1 ) , Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ( 3 5 6 ) , Freifrau von Fritsch ( 3 5 2 ) , Knoll ( 3 5 0 ) , Caesar ( 3 4 5 ) . "
Augenfällig ist diese Art der Asymmetrie besonders in Schlagzeilen: „Heseltine sägt unüberhörbar am Stuhl von Frau Thatcher."
(DIE WELT
12.5.1990)
„IG Metaller in der SPD-Spitze. Engholms Überraschungscoup: Blessing Geschäftsführer, Cornette Sontag Sprecherin." ( D I E WELT 1 9 . 3 . 1 9 9 1 ) „Major
trat aus Frau
Thatchers
Schatten."
(WESTDEUTSCHE
ZEITUNG
8.10.1991)
„Der Bundeskanzler wirkt nicht auf die Ablösung Frau Süssmuths hin. Das Verhältnis zwischen Kohl und der Bundestagspräsidentin ist gestört." (FAZ
11.2.1992)
Dennoch scheint sich hier ein Wandel anzubahnen. In letzter Zeit sind Beispiele für symmetrischen Gebrauch von Personennamen zunehmend häufiger zu finden: „Heseltine.
Bessere Chancen als
Thatcher."
(KÖLNER
STADT-ANZEIGER
15.11.1990)
„Michael
Heseltine
tritt gegen Margaret
Thatcher
an." (FRANKFURTER
RUNDSCHAU 1 5 . 1 1 . 1 9 9 0 )
„Treuhand rechnet mit Defizit von 30 Milliarden DM. Breuel: Wert des Treuhandvermögens geringer als geschätzt. [...]." (FAZ 26.10.1991) „Kohl dementiert Bericht über Beschimpfung von Süssmuth. Ehren- und Vertrauenserklärung für Bundestagspräsidentin." (KÖLNISCHE RUNDSCHAU 11.2.1992)
530
Kapitel 13
Das gedrängte Layout einiger dieser Artikel legt allerdings die Schlußfolgerung nahe, daß dort die „sprachlichen Innovationen" aus Platzmangel in der Überschriften-Zeile entstanden sein könnten. In den zu diesen Schlagzeilen gehörenden Texten wird nämlich die Symmetrie wieder aufgehoben, indem nach dem zuvor beschriebenen Muster verfahren wird. Mit Sicherheit falsch wäre die Schlußfolgerung, der symmetrische oder asymmetrische Gebrauch könnte etwas mit dem Bekanntheitsgrad der Politikerinnen zu tun haben. Die oben genannten Beispiele belegen das Gegenteil. Die ehemalige englische Premierministerin Margret Thatcher war zum Zeitpunkt des Erscheinens der oben zitierten Beispiele weitaus bekannter als Michael Heseltine. Und die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zählt zu den bekanntesten Politikerinnen. Trotzdem sind die meisten Beispiele (noch) asymmetrisch. Die noch gängige Praxis der Asymmetrie wurde Anfang November 1991 im nordrhein-westfälischen Landtag aufgehoben. Seitdem werden auf Landtagsdrucksachen, -Anfragen und -Anträgen nicht mehr nur die weiblichen, sondern auch die männlichen Abgeordneten mit Vor- und Zunamen genannt. Erstritten hat diese „Gleichberechtigung" diesmal ein Mann, der FDP-Abgeordnete Heinz Lanfermann. Er beklagte, „daß er es als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (sie!) empfinde, wenn nur weibliche Abgeordnete mit vollem Namen auf Landtagsdrucksachen erscheinen".18 Ein positives Zeichen für ein Umdenken im Sinne der feministischen Sprachkritikerinnen ist ein Bericht in der FAZ vom Düsseldorfer Parteitag der CDU im Oktober 1992. Dort wurden die Wahlergebnisse der einzelnen Mitglieder der Parteiführung in einem gesonderten Kasten veröffentlicht, der ein vorbildliches Beispiel sowohl für Symmetrie wie für geschlechtsneutralen Sprachgebrauch ist: „Das Führungspersonal der CDU: Präsidium und Vorstand [...] Vorsitzender: Helmut Kohl (91,5 Prozent) Generalsekretär: Peter Hintze (83,3) Schatzmeisterin: Brigitte Baumeister (98,6) Stellvertretende Parteivorsitzende: Angela Merkel ..., Heinz Eggert ..., Norbert Blüm ..., Erwin Teufel .... Zusätzliche Präsidiumsmitglieder: Rudolf Seiters ..., Klaus Töpfer ..., Heiner Geißler ..., Volker Rühe ..., Christa Thoben ..., Manfred Kanther und Günther Krause. Mitglieder des Präsidiums kraft Amtes: Wolfgang Schäuble (Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag), Rita Süssmuth (Bundestagspräsidentin), Egon Klepsch (Präsident des Europäischen Parlaments). 18
Dpa: Die Männer im Landtag haben nun Vornamen. In: KÖLNER STADT-ANZEIGER 2.11.1991.
Feministische Sprachkritik
531
Mitglieder des Bundesvorstandes: [,..]" 19
Solche Ausnahmen bestätigen heute immer noch eher die alte Gewohnheit. Besonders eindrucksvoll illustriert das nachfolgende Beispiel aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 1 5 . 7 . 1 9 9 2 das derzeit herrschende Nebeneinander von sprachfeministischer Sensibilisierung und traditionellen Gewohnheiten. In geradezu revolutionärer Weise verwendet Hans Holzhaider in seinem Artikel das Femininum generiseli für eine gemischtgeschlechtliche Gruppe, die überwiegend aus Frauen besteht und verfällt daneben dennoch wieder in die alten Sprach-Schablonen [kursive Hervorh. H. G.]: „Gewissensprüfung für Teilzeit-Lehrkräfte. arzt das letzte Wort haben
Im Zweifelsfall soll der Amts-
436 Petitionen von Lehrerinnen an Grund- und Hauptschulen, die [...], wie denn generell mit den Eingaben der Lehrerinnen (nur vier der 436 Eingaben stammen von männlichen Lehrkräften) zu verfahren sei. [...] Ist ein pflegebedürftiger Angehöriger auch dann zu berücksichtigen, wenn er nicht im Haushalt der Lehrerin wohnt' [...] Die CSU-Abgeordnete Marianne Würdinger als Mitberichterstatterin findet [...]. Frau Würdinger entnimmt der Eingabe [...] den Amtsarztbeizuziehen [...]."
2.4 Darstellung von Frauen in der Presse Aus der stärkeren Repräsentanz von Frauen in der Berichterstattung der Medien im Vergleich zu früheren Jahren kann nicht geschlossen werden, daß die Medien plötzlich frauenfreundlich geworden wären. Immer mehr Frauen haben sich in den letzten Jahren in die Politik eingemischt und unter anderem verstärkt Frauenthemen auf die Tagesordnung gesetzt. Dadurch ergibt sich für die Medien ein gewisser Zwang zur Berichterstattung über sie. Durch die männliche Dominanz in den Redaktionen sind es immer noch weitgehend Männer, die definieren, was eine Nachricht wert ist. Männer bestimmen aber nicht nur, ob über Frauen berichtet wird, sondern sie bestimmen auch das Wie - inhaltlich und stilistisch. Die einzelnen Beiträge werden in der Regel von Ressortleitern und Chefredakteuren redigiert, zwei Hierarchie-Ebenen, die fast ausschließlich von Männern besetzt sind. Journalistinnen sind Multiplikatoren von Informationen und Meinungen. Sie haben deshalb eine nicht zu unterschätzende Funktion bei der Verbreitung und Kritik von Ideologien und Klischees. Politikerinnen werden nicht nur in ihren politischen Leistungen geschildert und kritisiert wie Männer auch. Sondern sie werden häufig auf19
Parteitag in Düsseldorf. Das Fühlungspersonal der CDU: Präsidium und Vorstand. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2 8 . 1 0 . 1 9 9 2 .
532
Kapitel 13
grund ihres Geschlechtes niedergemacht, wie es beispielsweise Frankreichs ehemaliger Premierministerin Edith Cresson häufig widerfuhr: „Die .Tochter Mitterands'" (FAZ), „diese Frau, die auf Beleidigungen mit Beleidigungen reagierte" (WR), „entstammt der französischen Großbourgeoisie" (WR), „vermählte sich mit einem Manager" (WR), „gebar zwei Töchter" (WR), „hat als Europaminister nicht gerade den Eindruck hinterlassen, sie sei eine wirksame Politikerin" (FAZ), „hält sich für eine schöne Frau und läßt sich von der nationalen Modeindustrie gut beraten" (FAZ), wird von Präsident Mitterrand liebevoll „Mein kleiner Soldat" genannt (WR), diese Frau „mit dem wehenden rotblonden Haar" (FAZ), „deren Stärke Takt und Taktik nicht ist" (ZEIT), diese „kesse Kresse" (FAZ), muß „staatsmännische Reife beweisen" (FAZ), aber „bei ihrem charmanten Lachen, und Edith Cresson lacht viel und stets auf photogenste Weise, zeigt sie die Zähne und kommt dann gleich mit Biß zur Sache" ( Z E I T ) . 2 0 Besonders der Kleidung und dem Aussehen von Frauen schenken Journalistinnen erhöhte Aufmerksamkeit. Über die Bremer Senatorin für Gesundheit und für Bundesangelegenheiten, Vera Rüdiger, schreibt Eckhard Stengel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 1 1 . 1 0 . 1 9 9 1 : „Immer elegant gekleidet und geschminkt, viel zu viel rauchend, aufmerksam zuhörend, freundlich und herzlich, aber auch ein Stück unnahbar und nie aus der Rolle fallend [...]." „Zwei Spitzenjobs und dann noch Hausfrauen-Arbeit" untertitelte die BILD-ZEITUNG am 13.6.1990 ein Bild der nordrhein-westfálischen Landtagspräsidentin Ingeborg Friebe, das sie in ihrer Wohnung beim Bügeln zeigt. Den nebenstehenden Bericht über den „Besuch bei Ingrid Friebe" ziert der fettgedruckte Aufmacher „Frau Präsidentin bügelt ihre Blusen immer selbst". Die Baden-Württembergische Ministerin für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst Brigitte Unger-Soyka ließ wissen, „daß sie in ihrem 17000-Mark-Job kein Männerleben anzufangen gedenke, sondern sich weiterhin ernsthaft um Mann und drei Kinder kümmern werde, und zwar öfter mal auch unter Woche ab nachmittags" (STUTTGARTER ZEITUNG 29.5.1992): ,„Wie faul darf eine Ministerin sein?' fragte sogleich auf seiner Titelseite Bild und startete eine Telefonumfrage, bei der das arbeitende Volk zu Worte kommen sollte. Einen Tag später vermeldete das Blatt genüßlich, 91,2 Prozent der Anrufer seinen der Ansicht, Frau Ministerin sei ,faul'." ( D I E ZEIT 5 . 6 . 1 9 9 2 )
20
Zitate FAZ - Jetter, Karl: Die „Tochter Mitterrands". In: FRANKFURTER ALLGEMEINE RUNDSCHAU 16.05.1991; Zitate WR - Rademacher, Hans: Der Präsident nennt sie „Mein kleiner Soldat". In: WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU 17.05.1991; Zitate ZEIT - FritzVannahme, Joachim: Eine Dame fürs Grobe. In: DIE ZEIT 24.05.1991.
Feministische Sprachkritik
533
Hätte die Ministerin mitgeteilt, sie gedenke, jeden Tag 16 Stunden zu arbeiten, hätte es sicher Pamphlete über die „Rabenmutter" gegeben. Über Brandenburgs ehemalige Bildungsministerin Marianne Birthler schwadronierte DER SPIEGEL im Januar 1 9 9 3 : „Birthler, die mit ihren Gesundheitsschuhen und langen Röcken manchmal so wirkt, als ob sie in der Volkshochschule Literaturabende abhalten wollte, kann durchaus beides werden: Abgeordnete und Sprecherin ihrer Partei"21.
Während in Porträts über Politiker hauptsächlich deren beruflicher Werdegang aufgezeichnet wird, überwiegt in Politikerinnen-Porträts die Schilderung von privaten Daten: der Familienstand, Name und Beruf des Ehemanns (sofern vorhanden), Anzahl der Kinder, berufliche und gesellschaftliche Stellung des Vaters.
3. Lösungsansätze für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch Die feministischen Sprachwissenschaftlerinnen lehnen den Gebrauch maskuliner „Oberbegriffe" entschieden ab. Sie sind der Meinung, die konsequente Verwendung weiblicher und männlicher Personenbezeichnungen in der öffentlichen und veröffentlichten Sprache trage insgesamt zu einer geschlechtergerechten Sprache bei, in der Frauen sichtbarer und hörbarer sind als bislang, und zwar nicht nur dort, wo sie bereits vorhanden sind, sondern auch dort, wo sie möglich sind (z.B. Bundeskanzlerin). Dagegen wird häufig eingewandt, die Nennung beider Formen sei umständlich, unschön und nicht sprachökonomisch. Wenn allerdings Wendungen wie der Antragsteller und die Antragstellerin abgelehnt, der Antragsteller und seine Ehefrau beispielsweise aber nicht beanstandet werden, so ist das verräterisch. Wie an den oben zitierten Beispielen gezeigt wurde, wird häufig gerade durch den asymmetrischen Gebrauch von Personenbezeichnungen gegen das Prinzip der Ökonomie verstoßen. Pusch vermutet deshalb, daß es weniger um sprachliche Ökonomie als vielmehr um die Aufrechterhaltung der „überkommenen sozialen Klassifizierungen" (Pusch 1984, S. 37) geht.
21
Georg und Marianne. Marianne Birthler - Karriere in Bonn. In: DER SPIEGEL (4.1.1993), H . 1, S . 3 4 .
534
Kapitel 13
3 1 Splitting Das sogenannte Splitting ist zwar umständlicher als die ungesplitteten Formen. Dennoch wird es heute immer häufiger praktiziert, weil bessere Lösungen noch nicht gefunden worden sind. In der Diskussion befinden sich: — die Klammer: Leser(in) — der Schrägstrich: Leser/in — die Paarformel: Leserin und Leser — das Binnen-I: Leserin (das Suffix „in" beginnt mit einem Großbuchstaben im Wortinnern) An der Häufigkeit und den Kontexten, in denen die einzelnen SplittingFormen auftauchen, läßt sich ablesen, daß derzeit in geschlossenen Texten die Paarformel und das Binnen-I favorisiert werden, während die Klammer und der Schrägstrich hauptsächlich in Stellenanzeigen zu finden sind. Beispiele für die Klammer und die Paarformel in Pressetexten [kursive Hervorh. H. G.]: .Auch beim ZDF und im 3- Programm war Sendepause. Redakteure(innen) hatten offenbar ihren Arbeitsplatz im Sender verlassen." 22 „Gekocht wird unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Was haben en und -männer am Herd davon?" 23
Hausfrau-
„156000 Lehrerinnen und Lehrer seien an mehr als 7200 Schulen beschäftigt, im neuen Schuljahr steige die Zahl der Schüler und Schülerinnen auf 2,56 Millionen." ^OCegen unzureichender Ertragslage will die Geschäftsführung des Trägervereins den Personalbestand von zweihundert Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen um ein Drittel verringern." 25 „Die Erfindung der Waschmaschine hat Hausfrauen und -männer das Leben wesentlich erleichtert, f...] Verläßt die Hausfrau oder der Hausmann während des Waschgangs die Wohnung, kann es bei einem solchen Defekt [,..]." 26 .Allein in den alten Bundesländern gibt es eineinhalb Millionen Studentinnen und Studenten. Rund 17300 von ihnen streben den Doktortitel an;
22
Bauschmid, Elisabeth: Keine Stunde für kleine Hemingways. Die Nacht des Kriegs-
23
Klaus Wendt zur Wiederentdeckung von Henriette Davidis. In: WESTFÄLISCHE RUND-
24
Nordrhein-Westfalen plant Schulrevision: „Lehrer effizienter einsetzen". In: SÜD-
ausbruchs im deutschen Fernsehen. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 18.1.1991-
SCHAU 4 . 7 . 1 9 9 1 -
DEUTSCHE ZEITUNG 5 . 9 1 9 9 1 .
25 26
Die „tageszeitung" baut ab. Einschneidende Veränderungen in Berliner Zeitungsu n t e r n e h m e n . I n : FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 3 . 9 . 1 9 9 1 .
Tagestip: Waschtag. Wohnung nicht verlassen. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 25.2.1992.
Feministische Sprachkritik
535
jede(r) Vierte davon ist eine Frau. [...] Jede(r) Zehnte promoviert in Philosophie, [...]."27 „Täglich riefen dort mehrere hundert Apothekerinnen und Apotheker an, um sich über die Lösung von Einzelfallproblemen beraten zu lassen."28
3.2 Binnen-I Immer größerer Beliebtheit erfreut sich im Zusammenhang mit dem Splitting das große I, bei dem die Leserinnen allerdings vor der Frage stehen: Wie wird Leserinnen ausgesprochen? Wer das große I erfunden hat, läßt sich heute nicht mehr genau sagen. Die Schweizerinnen Susanna Häberlin, Rachel Schmid und Eva Lia Wyss schildern die Entstehungsgeschichte in ihren „Ratschlägen für einen nichtsexistischen Sprachgebrauch. Übung macht die Meisterin" so: „Das erste gedruckte Groß-I stand in einem Buch über freie Radios, das 1981 im Verlag Zweitausendeins erschien. Darin wurde mehrmals die Bezeichnung .Hörerinnen' verwendet. Zwei Jahre später tauchte der Ausdruck .Hörerinnen' in einem Inserat des Alternativen LokalRadios Zürich (LoRa) und kurz darauf in einem Artikel über dieses Radio in der Wochenzeitung (WoZ) auf. Im Dezember 1983 führte die WoZ das Groß-I als offizielle Schreibweise für alle Personenbezeichnungen ein." (Häberlin, Schmid, Wyss 1992, S. 93)
In der Bundesrepublik ist das große I vor allem durch die links-alternative TAGESZEITUNG (TAZ) bekannt geworden. Seitdem wird diese „regelwidrige" Schreibweise - aller Kritik zum Trotz - nicht nur in der TAZ immer häufiger benutzt. Ganz offensichtlich besteht ein Bedarf an einer solchen Lösung, da sie zumindest im Schriftsprachlichen ökonomisch ist. „Die Vehemenz, mit der gegen die Große-I-Schreibung polemisiert wird, zeigt", so Häberl, Schmid und Wyss, „welcher zentrale Nerv des Patriarchats mit der Forderung nach einer nichtsexistischen Sprache getroffen wurde" (ebd., S. 94). Ein Hauptargument29 gegen das große I besteht darin, daß nach den gültigen Regeln der deutschen Rechtschreibung im Wortinnern kein Großbuchstabe stehen dürfe, von Ausnahmen in Eigennamen abgesehen: „InterCityExpress".
27 28 29
Praktikum statt Promotion? Berufsanfang verspätet sich durch Doktorarbeit. In: KÖLNER STADT-ANZEIGER 2 9 . 4 . 1 9 9 2 .
Heinemann, Klaus: In den Apotheken ist die Hölle los. Verband: Unmut über neue
Z u z a h l u n g s v e r o r d n u n g f ü r M e d i k a m e n t e . In: RHEINISCHE POST 8 . 1 . 1 9 9 4 .
Vgl. z.B. Hill, Werner: Duden-Redaktion mag Innen-Anhang nicht. In: FRANKFURTER
RUNDSCHAU 3 - 8 . 1 9 8 9 ; D r o s d o w s k i 1 9 9 1 .
536
Kapitel 13
Nach Drosdowski reißt das Binnen-I, das er für „die Sprachmarotte einer Minderheit"30 hält, „einen Graben zwischen der geschriebenen und der gesprochenen Sprache auf" (Drosdowski 1991). Dem ist entgegenzuhalten, daß in vielen Texten Abkürzungen wie „z.B.", „bzw.", „usw." und „d.h." zu finden sind, die allesamt nicht so gesprochen werden, wie sie geschrieben sind. Entsprechend kann auch das große I beim Vorlesen aufgelöst werden: aus Leserinnen werden Leserinnen und Leser — oder einfach Leserinnen — zur Einübung ins erste generische Femininum. Fremdartig klingt die hin und wieder geübte Praxis, das große I mit dem sogenannten Knacklaut zu sprechen (Leser - Pause - Innen). Aber auch dies ist vielleicht nur eine Sache der Gewöhnung. Ob das große I im Schriftlichen seinen Siegeszug bereits angetreten hat, ist noch nicht sicher. In der Dokumentations-Abteilung des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL, dem größten Pressearchiv Europas, werden Berichte über das große I nicht nur unter dem Schlagwort „Frauen" archiviert, sondern auch unter dem Schlagwort „Sprach-Sünden". Große Aufregung gab es im Kieler Landtag, als 1988 das Frauenministerium von Schleswig-Holstein per Zeitungsinserat Volljuristinnen und Referentinnen31 suchte. Die Begründung der damaligen Frauenministerin Gisela Böhrk für das große I war, daß Frauen sich nicht mehr in Kürzeln wiederfinden wollten und deshalb die Schrägstrich-Schreibung ablehnten. Auf das Stelleninserat haben sich auch eine Handvoll Männer beworben. Der erste Versuch, eine solche Anzeige in der NEUEN JURISTISCHEN WOCHENSCHRIFT drucken zu lassen, scheiterte allerdings. Das große I fiel einem Setzer zum Opfer, der es für einen Schreibfehler hielt. In der Anzeige wurden Juristinnen gesucht.32 Auch im Berliner Senat wurde über das große I gestritten. Im Juni 1989 erließ der Innensenator der von der SPD/AL geführten Regierung eine für die gesamte Berliner Verwaltung rechtsverbindliche Vorschrift, mit der das große I für offizielle Schreiben der Verwaltung eingeführt wurde (ausgenommen waren Rechts- und Verwaltungsvorschriften). Die 30 31
32
Fritz, Helmut: Auf der Siegerinnenstraße? Binnen-I, Schrägstrich und Klammer: Das Frauendeutsch belagert auch den Duden. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 6.9.1993. D i e A n z e i g e e r s c h i e n i n NEUE JURISTISCHE WOCHENSCHRIFT ( N J W ) ( 2 . 1 1 . 1 9 8 8 ) , H . 4 4 , S.
XVI. Presse- und Informationsstelle der Landesregierung Schleswig-Holstein: Die Frauenministerin Gisela Böhrk: Mit dem großen I Neuland betreten. Pressemitteilung vom 20.9.1988; Gleichbehandlung mit dem großen „I". Thema kommt vor den Kieler Landtag. In: FLENSBURG Avis 30.9.1988; Knörzer, Holmar: Frauen setzen auf das große I. Verwirrung um ministerielle Stellenanzeigen. In: LÜBECKER NACHRICHTEN 20.9 1988; Fertmann, Luder: Frauenministerin setzt auf das große I. Vorstoß im Dienst der Gleichberechtigung. In: PINNEBERGER ZEITUNG 22.9.1988; Neef-Uthoff, Maria: Das gro-
ße I in Kiel. Aufregung in Schleswig-Holstein: Frauenministerium benutzt das große I für die weibliche und männliche Form. In: DIE TAGESZEITUNG 8.10.1988.
Feministische Sprachkritik
537
Dudenredaktion in Mannheim nannte die Regelung „abartig". Nach dem Machtwechsel im Senat wurde diese Vorschrift vom CDU-Innensenator Anfang 1991 wieder abgeschafft.33 Nachdem die Grünen im Mai 1990 in den nordrhein-westfälischen Landtag eingezogen sind, hat sich das Binnen-I ins Parlament eingeschlichen. Die Grünen benutzten es teilweise in ihren parlamentarischen Anfragen und Anträgen. Dies sei aber „nach den Regeln der deutschen Sprache nicht korrekt", beschwerte sich der FDP-Fraktionsvorsitzende Achim Rohde im Dezember 1990 in einem Brief an die Landtagspräsidentin Ingeborg Friebe. Die reagierte prompt und teilte den Grünen schriftlich mit, „daß der Landtag bei seinen offiziellen Schriftsätzen, die als Drucksachen im ganzen Land verteilt werden, auf eine dem Duden entsprechende Schreibform zu achten hat". Sie habe deshalb die Verwaltung angewiesen, daß das große I der Grünen aus deren Drucksachen zu eliminieren sei, jedenfalls so lange, bis der Duden das große I übernehme. Dann werde es „selbstverständlich auch bei offiziellen Drucksachen o.ä. vom Landtag übernommen".34 Im März 1990 hat der Magistrat der Stadt Wiesbaden unter anderem das große I für den amtlichen Sprachgebrauch der Stadt empfohlen. Mit gleichem Beschluß wurde für die Wiesbadener Amtssprache die nur männliche Sprache untersagt. Margot Brunner, Frauenbeauftragte beim Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden, weiß bereits 1990 zu berichten, daß „für den OB und auch schon für einige Dezernate und Ämter das große I zur Sprachnormalität (gehört)" (Bickes/Brunner 1992, S. 2 ) . Das Landesarbeitsgericht Hamm (AZ: 4 Sa 1 1 5 5 / 9 0 ) bestätigte dem großen I seine Ausgewogenheit 1 9 9 2 in einem Urteil (DIE WELT vom 1 4 . 0 3 . 1 9 9 2 ) : Werde in einer Ausschreibung für eine Bildungsveranstaltung das Wort Teilnehmerinnen verwendet, so stehe der Kurs nicht nur Frauen, sondern beiden Geschlechtern offen. Sonst hätte von Teilnehmerinnen die Rede sein müssen.
33
34
Ramelsberger, Annette: Wenn Schinnfrauen Gästinnen einladen. Berliner Innensenator verordnete dem Volk die Gleichberechtigung per Grammatik. In: WESTDEUTSCHE ZEITUNG 26.7.1989; Berlinerinnen streiten sich um das große I. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 26.7.1989; Berliner Senat schafft das große „I" ab. In: FAZ 22.2.1991. Die Grünen im Landtag NRW: Das große X . Brief an die Präsidentin des Landtages NRW 31.1.1991; Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen: Brief an die Sprecherin der Fraktion Die Grünen vom 21.1.1991; Voss, Reinhard: Bei Ministerinnen darf das I auch klein sein... Sprachenstreit im Düsseldorfer Landtag. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 4 . 2 . 1 9 9 1 .
Kapitel 13
538
4. Widerstand und Argumente gegen einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch Was die feministische Linguistik betreibt, ist für Gerhard Stickel, Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, keine objektive Wissenschaft, sondern „ideologisch zweck-orientierter Sprachfeminismus" (Kerner 1989, S. 173). Er wirft ihren Vertreterinnen vor, auf naive Weise Genus und Sexus, also grammatisches und natürliches Geschlecht, gleichzusetzen (Pusch/Stickel 1989, S. 83). „Zu einer Art grammatischem Phallus hätten die Frauen das Genus aufgebaut - völlig zu Unrecht" seiner Meinung nach, da die männlichen Ausdrücke Oberbegriffe und die Frauen mitgemeint seien.35 Da Stickel durch den verstärkten Gebrauch weiblicher Personenbezeichnungen den Verlust der Geschlechtsneutralität maskuliner Bezeichnungen befürchtet, macht er den Frauen den Vorschlag, „den Gebrauch movierter Feminina bewußt zu vermeiden" (Stickel 1988, S. 352), mit anderen Worten, die Feminina abzuschaffen. Stickel glaubt, daß die maskulinen Bezeichnungen, die sowohl geschlechtsneutral als auch geschlechtsspezifisch verwendet werden können, auf diese Weise wirklich geschlechtsneutral werden würden. Dies muß bezweifelt werden. Wie Klein nachgewiesen hat, evoziert das grammatische Maskulinum tatsächlich vorwiegend die Assoziation „männlich". Abgesehen davon, daß Stickeis Vorschlag einseitig zu Lasten der Frauen geht und die Bezeichnungen für Männer dabei unangetastet bleiben, spricht gegen seine Argumentation, daß gerade die Amerikanerinnen die ersten gewesen sind, die die Normen ihrer Sprache für die Verwendung von Personenbezeichnungen als sexistisch kritisiert haben - obwohl es im Englischen kein dem Deutschen vergleichbares Genussystem gibt. Stickeis Vorschlag würde die Aufrechterhaltung des Status quo bedeuten. Den Forderungen nach Veränderung patriarchaler Sprachstrukturen wird nach wie vor mit massivem Widerstand begegnet, natürlich besonders von männlicher Seite. Hellinger unterscheidet sechs Strategien des Widerstands: Leugnen, Beschwichtigen, Ignorieren, Warnen, Herabsetzen und Lächerlichmachen (Hellinger 1990, S. 133ff ). Den feministischen Sprachwissenschaftlerinnen wird die Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeiten abgesprochen oder sie werden, wie beispielsweise von Reinhard Olt, Leitartikler der FAZ, als verbissene Sprach-Amazonen" diffamiert.
35
Grammatischer Phallus. In: DER SPIEGEL (1989), H. 7, S. 83.
Feministische Sprachkritik
539
Oit hält einerseits eine Berufsbezeichnung wie Hausmann (im Unterschied zu Hausfrau) als „sprachlich gebotene Neubildung" für legitim. Seiner Meinung nach wird damit „sprachlich nachvollzogen, was sich in der Sache geändert hat". Andererseits aber bezeichnet er die Bemühungen um „geschlechtsneutrale Amtsbezeichnungen" und „geschlechtsneutrale Gesetzestexte" als „diktatorische Sprach-Politik".36 Bei der Strategie des Leugnens beziehungsweise Abstreitens wird die Meinung vertreten, daß es überhaupt kein Problem gebe: Die maskulinen Personenbezeichnungen seien geschlechtsneutral und Frauen immer mitgemeint. Es wird bestritten, daß dieses Nur-mitgemeint-sein die Mehrzahl der Frauen störe. In einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Sprache und Geschlecht', die im ersten Halbjahr 1990 von der Frauenbeauftragten der Stadt Wiesbaden zusammen mit der Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache durchgeführt wurde37, unterstellt Drosdowski den Sprachfeministinnen, „recht verwegene Vorstellungen"38 über die Größe der Gruppe sich betroffen fühlender Frauen zu haben. Sie bestehe, so Drosdowski, im wesentlichen aus einer kleinen Gruppe von Feministinnen, die „nicht als Allgemeinheit" (Bickes/Brunner 1992, S. 31) angesehen werden könne. Drosdowski blieb allerdings Belege und konkrete Zahlen schuldig. Aufgrund der Tatsache, daß es noch keine empirische Untersuchung darüber gibt, wieviele Frauen Änderungen im Sinne der feministischen Linguistinnen für wünschenswert halten, kann noch nicht postuliert werden, daß es sich dabei um eine Minderheit handelt. Damit wird den Frauen, die dem Problem Bedeutung beimessen, ihre tatsächlich vorhandene und auch artikulierte Betroffenheit abgesprochen, die Männer nicht oder nur sehr schwer nachvollziehen können, weil für sie die generischen Maskulina kein Problem darstellen. Männer unterschreiben immer als Inhaber des Personalausweises, d.h. sie sind auch bei den sogenannten geschlechtsindifferenten Personenbezeichnungen stets in der für sie korrekten Form angesprochen. Die Juristin Marianne Grabrucker ist beispielsweise der Ansicht, „wenn Dachverbände wie der Deutsche Frauenrat und der Juristinnenbund, beide mit Tradition und Reputation, Gleiches [geschlechtergerechten Sprachgebrauch - Anm. H. G.] fordern, dann stehen dahinter bereits mehrere Millionen Frauen in der BRD [...]. Diese als kleine feministische Minderheit abzutun, wird der Realität nicht gerecht." (Grabrucker 1990, S. 306)
36 37 38
Olt, Reinhard: Geschlecht und Grammatik. In: FAZ 6.1.1990. Vgl. Bickes/Brunner 1992. Bickes/Brunner 1992, S. 15 und Drosdowski 1991-
540
Kapitel 13
Sie erkennt wenig sachliche Argumentation und vermutet „wohl eher männlich-psychische, unreflektierte Abwehr" (ebd.). Beim Beschwichtigen wird der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und sprachlicher Diskriminierung nicht grundsätzlich geleugnet, aber als marginal heruntergespielt, nach dem Motto: Gibt es keine wichtigeren Probleme?39 Vor allem wird darauf hingewiesen, daß der Einfluß sprachlicher Veränderungen auf gesellschaftliche Verhältnisse gering sei. Es wird also die Auffassung vertreten, daß zuerst gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden müßten und die sexistischen Sprachmuster dann von alleine verschwinden würden. Daß dem keineswegs so ist, beweisen unter anderem die Gerichtsverfahren, die Frauen erst anstrengen mußten, bevor sie eine weibliche Berufs· oder Amtsbezeichnung führen durften. Außerdem: Wenn Sprache eine so unerhebliche Rolle spielt, warum wird dann soviel Mühe aufgewandt, diese belanglosen Sprachänderungen zu verhindern? Das Lächerlichmachen ist eine besonders beliebte Strategie der Medien. Aber auch manche Wissenschaftler40 scheuen sich nicht, dieses Mittel anzuwenden, wenn ihnen die Argumente ausgehen. Anders sind viele Beispiele, die sie zur Veranschaulichung anführen, nicht zu verstehen. Dies gilt besonders, wenn sie Wortspielereien, die eigentlich ausschließlich der Sensibilisierung dienen sollen, als Forderungen der feministischen Linguistik darstellen. Die Kritik der feministischen Linguistinnen richtet sich aber nicht, wie vielfach unterstellt wird, gegen Wörter wie Bürgersteig oder herrenloses Fahrrad und will diese auch nicht in Bürgerinnensteig beziehungsweise damenloses Fahrrad geändert wissen. Ebensowenig ist seitens der feministischen Linguistik je die Forderung erhoben worden, historische oder literarische Texte neu zu formulieren41 oder jedes -man(n) (z.B. Mannheim, manchmal, Emanzipation) durch frau zu ersetzen. Neben dem Lächerlichmachen ist die häufigste Strategie die des Abratens. Die Problematik wird zwar grundsätzlich anerkannt, aber es wird aus verschiedenen Gründen vor Veränderungen gewarnt. Im Mittelpunkt der Kritik stehen hier besonders die diversen Formen des Splittings, die als „unökonomisch", „nicht vorlesbar", „nicht mündlich zitierbar" und „stilistisch unschön" charakterisiert werden.
39 40 41
Dieses „Argument" tritt bei nahezu allen frauenpolitischen Forderungen auf, wie z.B. bei der Diskussion um die Neuregelung des Namensrechts. Diese Bezeichnung ist hier nicht generiseli, sondern geschlechtsspezifisch zu verstehen. Eine Ausnahme hiervon ist die Feministische Theologie, die religiöse Texte nicht als unveränderliche Dokumente versteht.
Feministische Sprachkritik
541
Mit Bandwurmsätzen, die möglichst viele Schrägstriche enthalten; mit konstruierten, sich selbst ad absurdum führenden Beispielsätzen und mit mißlungenen Lösungen aus der Praxis soll bewiesen werden, daß die Verwendung des Femininums umständlich ist, zu „stilistischen Ungeheuerlichkeiten" (Drosdowski 1991) und zu einer .Absonderungsschreibe" (ebd.) führt: „Der Ministerpräsident bzw. die Ministerpräsidentin beruft die Minister bzw. Ministerinnen. Er ernennt seinen Stellvertreter bzw. seine Stellvertreterin bzw. sie ihren Stellvertreter bzw. ihre Stellvertreterin."42 „Der (die) Präsident/in oder sein(e)/ihr(e) Vertreterin leitet die Sitzung." (Drosdowski 1991)
Grabrucker verwendet zur Veranschaulichung lieber gelungene Beispiele wie die von Guentherodt: „Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, einschließlich derer, die den Vorsitz und dessen Stellvertretung übernehmen, werden aus einer von der Vertretung des Landtages aufzustellenden Vorschlagsliste gewählt." einen Mord begeht, wird mit lebenslanger Haftstrafe bestraft." (Bickes/Brunner 1992, S. 61)
Die von Feministinnen überarbeiteten Texte zeigen, daß die Neufassungen keineswegs so lang und schwer lesbar sein müssen, wie von Gegnern behauptet wird. Es reicht allerdings nicht aus, die maskulinen Bezeichnungen schematisch durch gesplittete zu ersetzen. Die Texte müssen unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel insgesamt überarbeitet werden. Dies wiederum wird von Gegnern wegen der von ihnen geforderten Perfektion als Jahrhundertaufgabe bezeichnet. Sie argumentieren nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip: Da nicht für alle sprachlichen Problemfälle perfekte Lösungen gefunden werden können, solle man Veränderungen gar nicht erst versuchen.
5. Sprachliche Entwicklungen in der BRD unter dem Einfluß der Frauenbewegung Beim Rückblick auf die nunmehr fast zwanzigjährige Geschichte der feministischen Linguistik in der Bundesrepublik zeigt sich: Der Diskussionsstand heute ist festgefahren. Es scheint eigentlich alles gesagt, was zu dem Thema zu sagen ist; die Argumente wiederholen sich und werden nur an neuen Beispielen demonstriert. Den Argumenten folgen Gegenargumente in fast schon ritualisierter Form. 42
Grammatischer Phallus. In: DER SPIEGEL (1989), H. 7, S. 83.
542
Kapitel 13
Überdies ist das Lager der Reformerinnen gespalten. Die einen beschränken sich in ihren Forderungen auf realpolitisch Durchsetzbares, die anderen bleiben bei ihren Forderungen nach radikaler Sprachveränderung. Pusch favorisiert als Zwischenlösung, freilich mit einem guten Schuß Ironie, für die nächsten zwei- bis dreitausend Jahre die totale Feminisierung der Sprache, als Wiedergutmachung (Pusch 1984, S. 47). Immerhin ist das Thema seit Mitte der achtziger Jahre aus den feministischen und linguistischen Diskussionszirkeln mehr und mehr in die Öffentlichkeit und in die Parlamente wie in die Ministerien gedrungen. Vielfach wird heute vollzogen, was vor zehn Jahren diskutiert wurde. 5.1 Anrede
Frau/Fräulein
Eine der ersten amtlichen Sprachregelungen zugunsten von Frauen wurde bereits 1955 vom damaligen Bundesinnenminister Gerhard Schröder für den Bereich der Amtssprache erlassen. Er hielt es für „gerechtfertigt und geboten, unverheiratete weibliche Personen auch im amtlichen Verkehr mit ,Frau' anzureden, wenn sie dies wünchen. Ein besonderer Antrag oder die Abgabe einer förmlichen Erklärung ist dazu nicht erforderlich." (GMB1 1955, S. 47)
Im Erlaß aus dem Jahre 1972 vom Bundesministerium des Innern wird die Wunschklausel fallengelassen: „Die Bezeichnung ,Frau' ist weder eine Personenstandsbezeichnung noch ein Teil des Namens oder ein Titel, der verliehen werden müßte oder könnte; sie ist auch nicht gleichbedeutend mit ,Ehefrau'. Die Anredeform weiblicher Erwachsener im Sprachgebrauch der Behörden ist daher keine Rechtsfrage. Im behördlichen Sprachgebrauch ist daher für jede weibliche Erwachsene die Anrede .Frau' zu verwenden." (GMB1 1972, S., 99)
Im Dezember 1982 hat auch ein bundesdeutsches Gericht zu dieser Frage Stellung genommen. Eine Frau hatte vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt auf Änderung ihres Arbeitszeugnissses geklagt. Das war ihr nämlich unter der Anrede „Fräulein XY" ausgestellt worden: „Die Wahl der Anrede gehört zum Ausdruck der Persönlichkeit", so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, „Eine Arbeitnehmerin kann deshalb verlangen, daß sie in einem erteilten Zeugnis als ,Frau' angeredet wird."43
Nach Auffassung des Gerichts verstößt der Arbeitgeber „gegen den schwerwiegenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er die Klägerin im Zeugnis als Fräulein anredet".44
43 44
STREIT (1983), H. 1, S. 29, zit. nach Hetlinger 1990, S. 130. Ebd.
Feministische Sprachkritik
543
Die Anrede Fräulein wurde (und wird) von Frauen abgelehnt, weil sie es als diskriminierend empfinden, mit einem „den Familienstand offenlegenden Diminutiv" (Körper 1988, S. 9 ) angeredet zu werden. Selbst wenn unverheiratete Frauen längst dem Mädchenalter entwachsen waren, wurden sie mit Fräulein angeredet. Den Sinn der feinen Differenzierung bei der Anrede von Frauen sehen Feministinnen wie Elke Körper vom Vaf-Ortsverein in Bonn zum einen darin, „daß Männer leichter erkennen können, ob die Frau noch für sie verfügbar ist und zum anderen darin, den Stellenwert einer verheirateten Frau anzuheben beziehungsweise den geringeren gesellschaftlichen Status unverheirateter Frauen herauszustellen" (ebd., S. 8). Mittlerweile ist es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, auch unverheiratete Frauen mit Frau anzureden: „Selbst 15jährige weibliche Azubis werden ja schon mit Frau angeredet", stellt Drosdowski (Drosdowski 1991) fest. Daß 15jährige männliche Jugendliche ganz selbstverständlich mit Herr angeredet werden, ist ihm dagegen nicht erwähnenswert. Zwar ist das Fräulein rar geworden, gänzlich verschwunden aus dem Sprachgebrauch ist es aber nicht. Besonders als Anrede für Kellnerinnen und Serviererinnen hat es sich erhalten - aus Ermangelung einer akzeptablen Alternative (Herr Ober- Frau Oberin).45 5.2 Namensrecht Seit der Gesetzesreform des Namensrechts im Jahre 1976 ist es zwar möglich, den Geburtsnamen der Frau zum Familiennamen zu machen, aber nach wie vor heiraten 98 Prozent der bundesdeutschen Ehepaare unter dem Männernamen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß die meisten Frauen ihren Namen nicht mögen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sie um des „lieben Familienfriedens" nachgeben, und daß Männer stärker an ihrem Privileg festhalten, lebenslang den eigenen Namen zu führen und an die nächste Generation weiterzugeben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine implizite Definition des Begriffs Stammhalter vom BONNER GENERAL-ANZEIGER in einem Artikel über die Neuregelung des Namensrechts: 45
Die feministische Sprachkritik hat offensichtlich auch andersartige Sensibilität ausgelöst. Im März 1991 wies das Verwaltungsgericht Hannover die Klage der 70jährigen Gerda Rechenberg ab, die seit 20 Jahren versuchte, die Anrede Dame statt Frau im offiziellen Schriftverkehr einzuklagen. In der Urteilbegründung hieß es, daß sich „das Begriffspaar Herr-Frau eingebürgert [habe], niemand denke sich etwas Böses dabei" (Eine Bibliothekarin will mit „Dame" angeredet werden. Gerda Rechenberg hält das Wort Frau für eine Gattungsbezeichnung und klagt deshalb vor dem Arbeitsgericht in Braunschweig. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 18.1.1980; Streitbare Dame muß sich weiter Frau anreden lassen. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 22.3.1991).
544
Kapitel 13 „Heißt der Stammhalter - der bei der Wahl des Namens der Mutter ein solcher nicht mehr ist - [.. ,]." 46
Das wachsende Bedürfnis vieler Frauen, den eigenen Namen beizubehalten, führte zu einer Vielzahl von Doppelnamen, die ebenfalls seit der 76er Reform möglich sind. Gab ehemals das Fräulein Auskunft darüber, daß eine Frau dem Heiratsmarkt noch zur Verfügung stand, so verrät heute der Bindestrich, daß sie nicht mehr zur Verfügung steht, da fast ausschließlich Frauen Trägerinnen von Doppelnamen sind. Diese Erfahrung machte beispielsweise der Sozialrichter Gottfried Rokita-Mrazek, der zusammen mit seiner Frau Andrea Mrazek, ebenfalls Juristin, 1988 als erster beim Bundesverfassungsgericht gegen den Zwang zur Führung eines gemeinsamen Ehenamens klagte. Das Verfassungsgericht erklärte den Zwang zum gemeinsamen Ehenamen als verfassungskonform. Die Urteilsbegründung adressierte es an „Frau RokitaMrazek" (Klamroth 1991, S. 20). In einem der führenden Großkommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Münchener Kommentar, wurde dieser Vorrang des Mannesnamens folgendermaßen begründet: „Der Frau ist ein Namenswechsel im Zweifel eher zumutbar, da sie als die zumeist jüngere vor der Heirat weniger lang im Berufsleben stand, nachher zur Versorgung der Kleinkinder oft einige Jahre aus dem Beruf ausscheidet sowie überdies in ihm häufig weniger hohe Positionen einnimmt als im Durchschnitt der Mann." 47
„Da wird die Benachteiligung der Frau zum Grund für ihre Benachteiligung", konstatierte die Publizistin Frauke Hartmann (Hartmann 1990). Letztendlich war es der „Stichentscheid des Mannes", der das Namensrecht zu Fall brachte. Konnte sich ein Paar nämlich auf keinen gemeinsamen Namen einigen, wurde automatisch der Name des Mannes zum Familiennamen. Im März 1991 ist die Regelung, die den Geburtsnamen des Mannes eindeutig bevorzugt, vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes erklärt und das geltende Namensrecht mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt worden. Bemerkenswert an der Urteilsbegründung ist, daß es die bestehende Benachteiligung als Begründung für weitere Benachteiligungen nicht mehr zuläßt: .Allein die traditionelle Prägung eines Lebensverhältnisses reicht für die Ungleichbehandlung nicht aus. Das verfassungsrechtliche Gebot verlöre
46 47
Kohrs, Ekkehard: Beim Namensrecht soll die große Freiheit beginnen. In: GENERALANZEIGER BONN 1 5 - / 1 6 . 6 . 1 9 9 1 -
Zit. nach Hartmann 1990.
Feministische Sprachkritik
545
seine Funktion, für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen, wenn die vorgefundene gesellschaftliche Wirklichkeit hingenommen werden müßte. Der Gleichberechtigungsgrundsatz ist strikt anzuwenden." (AZ: lBvL 8 3 / 8 6 vom 15.3.1991)
Die nach diesem Beschluß nötig gewordene Gesetzesänderung ließ drei Jahre auf sich warten. Mit Inkrafttreten der neuen Regelung (§ 1355 BGB) am 1. April 1994 wird die vor rund 200 Jahren durch das preußische Landrecht geschaffene Verpflichtung zur Führung eines gemeinsamen Ehe- und Familiennamens abgeschafft. Frauen und Männer dürfen bei der Eheschließung ihren Geburtsnamen behalten. Innerhalb von fünf Jahren können sie es sich aber noch anders überlegen. Desweiteren kann wie bisher entweder der Name der Frau oder der des Mannes zum gemeinsamen Ehenamen gemacht werden. In diesem Fall kann der Geburtsname an den Ehenamen angehängt werden. Doppelnamen sind nun allerdings auf zwei Bestandteile begrenzt (MeierMüller-Schmidt ist nicht mehr möglich). Neben der Regelung der Spezialfälle von Verwitweten und Geschiedenen und der sogenannten „Adelsklausel"48 bestimmt das neue Gesetz, daß Kinder den gemeinsamen Ehenamen der Eltern tragen - sofern diese einen haben. Ansonsten bekommt das Kind den Namen der Mutter oder des Vaters. Der mögliche Kompromiß - ein Doppelname - ist ausgeschlossen. Außerdem ist die einmal getroffene Entscheidung unwiderruflich und gilt für alle weiteren Kinder. Wenn die Eltern sich nicht einigen können, wird das Vormundschaftsgericht zur Vermittlung eingeschaltet. Sollte auch dies erfolglos bleiben, so überträgt das Gericht einem der beiden Elternteile die Entscheidungsbefugnis - nach welchen Kriterien steht nicht in dem Gesetz. Die neuen Regelungen gelten im übrigen nicht nur für Ehen, die zukünftig geschlossen werden, sondern auch für alle bestehenden. Innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes kann die ehemals getroffene Entscheidung revidiert werden. Auch die Familiennamen minderjähriger Kinder können neu bestimmt werden. 5-3 Berufsbezeichnungen Titel und Berufsbezeichnungen lassen sich in den meisten Fällen in eine feminine Form bringen, und es besteht kein Grund, weder ein sprachlicher noch ein sachlicher, den Frauen diese Formen vorzuenthalten. Wegen des hartnäckigen Widerstands aber - meistens von seiten der Män-
48
Beim Adel dürfen nur Geburtsnamen zu Ehenamen erklärt werden.
546
Kapitel 13
ner - sahen sich Frauen bereits herausgefordert, per Gerichtsentscheid zu versuchen, eine weibliche Berufsbezeichnung durchzusetzen. Die ersten Berufsbezeichnungen, an denen Frauen Mitte der achtziger Jahre Anstoß nahmen, waren Kaufmännin und Amtmännin. 1986 hat in Niedersachsen eine Justizoberinspektorin aus Protest gegen den Titel Amtmännin auf ihre Beförderung verzichtet. Sie wollte notfalls bis zum Bundesverwaltungsgericht gehen. Bevor es dazu kam, hat die BundLänder-Kommission „Besoldung" beschlossen, daß sich Frauen mit dem Dienstgrad Amtmann auch Amtfrau nennen dürfen. Wenn Männer in typische Frauenberufe drängen, gibt es weder Diskussionen noch Prozesse, sondern neue, zumindest geschlechtsneutrale, wenn nicht gar eindeutig männliche Berufsbezeichnungen. Als erstmals erlaubt wurde, daß Männer den Hebammenberuf ergreifen dürfen, wurde ganz selbstverständlich das Hebammengesetz geändert. Statt die Hebamme heißt es nun der Entbindungspfleger. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Juristen Michael Behn, daß das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.31972 Wortschöpfungen wie Hebammer oder Hebammerich verhindert hat. „Dies sei nicht möglich, da der Begriff Hebamme einen eindeutigen femininen Ursprung und Charakter habe", so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.49 In solchen Urteilen, die Männern immer eine geschlechtsspezifische Berufsbezeichnung zubilligen, im umgekehrten Fall dagegen Frauen das gleiche Recht verwehren oder erst nach zähem Ringen zugestehen, spiegelt sich nach Ansicht der feministischen Linguistinnen die gesellschaftliche Stellung der Frau wider, die Geringschätzung und Mißachtung der Frau im Berufsleben, trotz der wenigen von Frauen mühsam errungenen sprachlichen Änderungen. Ein Mann wird nicht Krankenbruder, sondern Krankenpfleger, er wird auch nicht Kindergärtner, sondern Erzieher und nicht Hebammerich, sondern Geburtshelfer:50 Im Herbst 1989 änderte der in der Diözese Münster ansässige Verein „Caritas-Schwesternschaft" bezeichnenderweise seinen Namen in „Caritas-Gemeinschaft für Pflege- und Sozialberufe" ab. „Nicht zuletzt kommt der neue Name auch dem Umstand entgegen, daß seit einigen Jahren auch Männer der Gemeinschaft beitreten können", gab die Leiterin des Vereins, Monika Steller, als einen der Gründe für die Umbenennung an.51 49 50
Behn, Michael: „Neue" Ausbildungsberufe, in: ZEITSCHRIFT FÜR SOZIALREFORM (1980) H. 1, S. 375-382, zit. nach Wittemöller 1988, S. 83. Huhnke, Brigitta: Kauffrauen und Obmänner. In der Sprache hat's das Weibliche trotz E m a n z i p a t i o n s c h w e r . I n : WESTDEUTSCHE AUGEMEINE ZEITUNG 1 5 . 7 . 1 9 8 8 .
51
Neuer Name für Caritas-Schwestern. Auch Männer arbeiten in Caritas-Gemeinschaft
Feministische Sprachkritik
547
5.4 Titel und Hochschulgrade In Niedersachsen dürfen sich weibliche Professoren bereits seit 1981 Professorin nennen. Das Beamtenbesoldungsgesetz wurde seinerzeit entsprechend geändert.52 Dennoch hatten es Akademikerinnen besonders schwer, ihre Titel in der weiblichen Form verliehen zu bekommen. So druckte beispielsweise die KÖLNISCHE RUNDSCHAU vom 19.02.1988 eine dpa-Meldung mit dem Titel „Oldenburgerin streitet um den Titel .Doktorin'". Darin wurde von einer Frau berichtet, die sich mit einer Klage beim Verwaltungsgericht Oldenburg das Recht zu erstreiten versuchte, den offiziellen Titel Doktorin führen zu dürfen. Im März 1990 berichtete eine dpa-Meldung, daß sie es geschafft hat: Auf ihrer Promotionsurkunde steht Doktorin rer. nat. Nachdem die Mathematikerin die Klage eingereicht hatte, änderte der Fachbereich Mathematik der Universität Oldenburg seine Promotionsordnung. Das Gericht stellte daraufhin das Verfahren auf Kosten der Universität ein.53 Noch im Mai 1988 wurde die Klage zweier Hochschulabsolventinnen auf Umbenennung ihres Titels Magister in Magistra vom Berliner Verwaltungsgericht abgelehnt mit der Begründung, die Studienordnung sehe keine Magistra vor. Es wurde ein Vergleich geschlossen, im dem sich die Universität allerdings verpflichtete, bei einer künftigen Änderung der Magisterordnung den beiden Frauen den Titel Magistra rückwirkend zu verleihen.54 Bereits 1985 haben in Marburg zwei Diplompädagoginnen die Annahme ihrer Diplomurkunden verweigert, weil auf ihnen nur die männliche Bezeichnung Diplompädagoge stand. Auch sie haben sich - wenn auch erst nach einem Jahr — durchgesetzt. Vom Wissenschaftsministerium in Hessen wurde per Erlaß verordnet, daß „alle Studienordnungen an den hessischen Hochschulen so vereinheitlicht werden sollten, daß Männer und Frauen ohne verwaltungstechnischen Aufwand ihre geschlechtsspezifische Berufsbezeichnung in ihren Abschlußdokumenten eintragen lassen können".55 Im nordrhein-westfalischen Wissenschaftlichen Hochschulgesetz (WissHG) ist seit 1987 festgeschrieben, daß „Frauen Funktionsbezeichnungen in der weiblichen Form führen". Dies führte 1989 ebenfalls zu
52 53 54 55
für Pflege- und Sozialberufe. In: cpm (caritas-presse-münster) 24.10.1989· Frau Professor darf Professorin heißen. Niedersachsen läßt bei künftigen Ernennungen auch weibliche Form des Titels zu. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 21.6.1981. Dpa: Frau Doktor heißt jetzt „Doktorin". In: KÖLNER STADT-ANZEIGER 24.3.1988. Frau Magistra abgelehnt. In: SOESTER ANZEIGER 28.5.1988. Zwei Frauen und die „Männersprache". Diplompädagoginnen fühlen sich diskriminiert. Erlaß angekündigt. In: Frankfurter Rundschau 16.10.1986.
548
Kapitel 13
einer verwaltungsgerichtlichen Klage - diesmal von einer Frau, die sich gegen (!) die weibliche Berufsbezeichnung wehrte: Eine Absolventin des Diplomstudiengangs Betriebswirtschaftslehre der Universität Köln beantragte die Verleihung des Titels Diplom-Kaufmann statt Diplom-Kauffrau. Sie befürchtete gerade aufgrund des weiblichen Titels Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, weil ein potentieller Arbeitgeber unter Umständen bei den unterschiedlichen Titeln auch unterschiedliche, d.h. minderwertige Qualifikationen assoziieren würde. Dieser Antrag wurde abgelehnt. 5.5 Funktionsbezeichnungen in der Politik Die Bezeichnungen für Kommunalpolitikerinnen sind nach wie vor nicht einheitlich geregelt. Eine Abgeordnete beispielsweise hat keinen Rechtsanspruch darauf, Ratsfrau genannt zu werden. So urteilte im Dezember 1988 das Oberverwaltungsgericht Lüneburg auf die Klage einer Ratzeburger Abgeordneten. Es untersagte dem Ratzeburger Rat zwar, seine weiblichen Abgeordneten - wie bis dahin - als Frau Ratsherr zu bezeichnen, kam aber zu dem Schluß, daß der Abgeordneten der Titel Ratsherrin zusteht, da „die männliche Bezeichnung verfassungskonform ausgelegt werden (könne), indem man - wie in der deutschen Sprache üblich - die Endung ,in' anfüge und somit eine ,.Ratsherrin' schaffe"56. In Düsseldorf dürfen sich dagegen die Ratsfrauen bereits seit 1986 Ratsfrau nennen.57 Eine frühe Vorreiterin heutiger Sprachkritikerinnen war Elisabeth Schwarzhaupt, die erste bundesrepublikanische Ministerin. Nach ihrer Ernennung zum Minister für Gesundheitswesen 1962 bat sie darum, als Frau Ministerin und nicht als Frau Minister angeschrieben zu werden (Grabrucker 1993)· Dagegen legte Birgit Breuel 1984 als damalige niedersächsische Wirtschaftsministerin Wert auf den Titel Minister. Nach mehreren Beschwerden aus ihrem Ministerium verpflichtete die Deutsche Presseagentur (dpa) seine Redakteurinnen per Dienstanweisung zur einheitlichen Bezeichnung in der dpa-Berichterstattung: „Frau Breuel ist Wirtschaftsminister (nicht Ministerin) und demzufolge im weiteren Text entsprechend eine .er'.58 Im August 1990 erging ein Erlaß der Düsseldorfer Staatskanzlei, der die Bezeichnungen der obersten Landesbehörden rückwirkend zum 1. Juli 1990 änderte. Das Wissenschaftsministerium führte bis dahin die offi56
Die Frau darf nur Herrin sein. Abgeordnete im Ratzeburger Rat unterlag im Streit um Titel. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 8.12.1988.
57
NEUE RHEIN-ZEITUNG 2 6 . 9 . 1 9 8 6 .
58
Sprach-Streit. In: Stern (12.3.1984), H. 39-
Feministische Sprachkritik
549
zielle Bezeichnung Der Minister für Wissenschaft und Forschung, obwohl das Amt schon seit einigen Jahren von einer Frau, nämlich Anke Brunn, ausgeübt wurde. Das bedeutete verwaltungsrechtlich, daß Brunn auch mit Der Minister... zeichnen mußte. Nun hieß die Behörde Ministerium für Wissenschaft und Forschung. Die Bezeichnungen der anderen Ministerien wurden analog geändert. Auf Bundesebene hat Familienministerin Hannelore Rönsch als erste im November 1991 dafür gesorgt, daß ihre Behörde von Der Minister für Familie und Senioren in Ministerium für Familie und Senioren umbenannt wurde.59 5.6 Stellenausschreibungen Die gesetzliche Grundlage für die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Stellenausschreibungen ist der § 6 l l b des Bürgerlichen Gesetzbuches. Darin heißt es: „Der Arbeitgeber soll einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, daß ein Fall des § 6 l l a Absatz 1 Satz 2 vorliegt."
Dies ist allerdings nur eine Soll-Bestimmung. Das Nichteinhalten hat für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber keine Konsequenzen. Mit seinem „Gesetzentwurf zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz" vom Mai 1990 brachte das Bundesarbeitsministerium erneut Bewegung in das Thema. Dies Gesetz beabsichtigt, den allgemein als unwirksam bezeichneten „Portoparagraphen" § 611 BGB zu verbessern. So soll erstmals die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung als Muß-Vorschrift gesetzlich vorgeschrieben und die ausschließliche Verwendung männlicher Berufsbezeichnungen in Stellenausschreibungen verboten werden - allerdings ohne Sanktionen, ähnlich wie anfangs die Anschnallpflicht im Auto. Auch soll die Beweislast, wegen des Geschlechtes nicht eingestellt worden zu sein, weiterhin bei den Arbeitnehmerinnen liegen. Die SPDregierten Länder hatten bei Nichteinhaltung der Bestimmung eine Geldbuße von bis zu 20.000 DM vorgeschlagen. Die nordrhein-westfalische Frauenministerin Ilse Ridder-Melchers bezeichnete den Gesetzesentwurf als „Etikettenschwindel". In den meisten Fällen sei der Beweis, wegen des Geschlechtes nicht eingestellt worden zu sein, von den betroffenen Frauen nicht zu erbringen, da sie keine Einsicht in die Bewerbungsunterlagen ihrer Konkurrentinnen hätten.60 59 60
Ministerien werden „geschlechtsneutral". In: RHEINISCHE POST 30.11.1991. Presse- und Informationsamt der Landesregierung Nordrhein-Westfalen: Gleichstel-
Kapitel 13
550
Daß die Bestimmungen des § 6 l l b vielfach nicht eingehalten werden, belegen mittlerweile mehrere Studien. Im September 1990 hat beispielsweise das Institut für Personalwesen und Arbeitswissenschaft der Bundeswehruniversität in Hamburg im Rahmen eines Projektes „Frauen als Fach- und Führungskräfte" eine solche Studie vorgelegt. Ziel der Analyse war es, zu untersuchen, welche beruflichen Chancen die Wirtschaft Frauen im Rahmen von Stellenanzeigen bietet. Dazu wurden über mehrere Monate hinweg mehr als 2000 Stellenanzeigen für Führungskräfte und Führungsnachwuchskräfte aus drei überregionalen Tageszeitungen ausgewertet. Das Institut kam zu dem Ergebnis, daß in 75 Prozent der Stellenanzeigen für Führungskräfte Frauen diskriminiert werden. Fast korrekt verhielten sich der Studie zufolge nur der Bund, die Länder und Kommunalbehörden. Deren Stellenausschreibungen waren zu 94 Prozent geschlechtsneutral formuliert. Ganz anders dagegen sah es bei Stellenausschreibungen für Positionen im Top-Management aus. Wenn Posten in Vorständen oder Geschäftsführungen zu besetzen waren, galten 95 Prozent der Stellenausschreibungen ausschließlich Männern. Es wurde darin gar nicht erst der Versuch gemacht, auch Frauen zu gewinnen.61 Eine Untersuchung des Berliner Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) 62 aus dem Jahre 1991, bei der 2300 Inserate für 24 der am stärksten besetzten Berufe in einem Zeitraum von vier Monaten ausgewertet wurden, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, daß neutral formulierte Anzeigen rar sind: Im Industriebereich werden zu 80 Prozent Männer angesprochen, indem ausschließlich die männliche Berufsbezeichnung benutzt wird, beim Handwerk sind es 49 Prozent. Dagegen fiel auf, daß mehr als ein Drittel (39%) der Stellenangebote, in denen weibliche Fachkräfte gesucht wurden, Teilzeitarbeitsplätze sind. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Ganseforth kam 1992 bei einer Auswertung von mehr als 1200 Stellenanzeigen in zwölf Lokalzeitungen aus dem Landkreis Hannover ebenfalls zu dem Ergebnis, daß Frauen auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen als Männer haben.63 lungsbeauftragte: Blüm verpaßt historische Chance für Frauen. Pressemitteilung vom 61 62 63
11.51990.
Institut für Personalwesen und Arbeitswissenschaft: Haben Frauen eine Chance in der Wirtschaft? Eine empirische Studie mit Hilfe einer Anzeigenanalyse. Hamburg 1990. Kloas, Peter-Werner; Brigitte Gravalas; Martina Jurisch: Was von Berufsanfangern verlangt wird - Anforderungsprofile in Stellenanzeigen. Berichte zur beruflichen Bildung Heft 118. Hrsg. vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Berlin 1991. Vgl. Ganseforth 1992; dpa: Inserate benachteiligen Frauen. SPD-Politikerin verlangt geschlechtsneutrale
Stellenangebote.
In:
FRANKFURTER RUNDSCHAU
6.8.1992;
AFP:
„Geeignet für Hausfrauen und Muttis". SPD-Abgeordnete untersuchte Anzeigen in Lo-
Feministische Sprachkritik
551
In den gewerblich-technischen Berufen ist es immer noch eher die Ausnahme, wenn eine Bäckerin, Malerin oder Schlosserin gesucht wird. Ehemals typische Frauenberufe werden dagegen meistens geschlechtsneutral ausgeschrieben: Pflegekraft, Schreibkraft, Bürokraft, Haushaltshilfe und Putzkraft. In 63 Prozent der Anzeigen wurde Teilzeitarbeit angeboten, davon mehr als die Hälfte unter der Sozialversicherungsgrenze und ohne Lohnsteuerkarte. Diese Arbeitsplätze werden überwiegend ausschließlich Frauen angeboten: Verkäuferin, Friseuse, Raumpflegerin, Arzthelferin, Kassiererin oder Serviererin. Ein Blick auf die Wirtschafts- und Sozialverhältnisse der Gegenwart zeigt, daß sich in solchen Stellenanzeigen Lebensverhältnisse spiegeln, die nicht auf Sprachprobleme zu reduzieren und nicht mit Sprachänderungen zu meistern sind. Hier müßte die frauenfeindliche Situation insgesamt geändert werden. Aber die Untersuchungen zeigen auch, daß in den Stellenanzeigen alte Rollenklischees transportiert werden: Männer sollen „dynamisch, qualifiziert, selbständig arbeitend oder einsatzfreudig" sein, Frauen dagegen „nett, freundlich, gewandt oder fröhlich", wie die Auswertung von Ganseforth ergab. 1986 war die Journalistin Julia Brand bei der Auswertung von 585 Stellenanzeigen aus der Fachzeitschrift für Medienleute JOURNALIST ZU ähnlichen Ergebnissen wie Ganseforth gekommen: Der männliche Bewerber ist „kontaktfreudig, arbeitet solide, recherchiert gründlich, ist zuverlässig, fachlich versiert, kooperationsbereit, selbstbewußt, hat eine hervorragende Schreibe und hohe Einsatzbereitschaft, ist kreativ und darf auch älter sein". Die Bewerberin dagegen hat „Kontakt-Talent, Tipp-Kunst, Verhandlungsgeschick, Einfühlungsvermögen, ist aufgeschlossen für Mode und Kosmetik, ist jung oder junggeblieben" (Brand 1986). Bei den Analysen fällt auf, daß unter „geschlechtsneutral" das sogenannte Splitting, also der Gebrauch von Doppelformen oder Schrägstrichlösungen verstanden wird. Dagegen werden die Formen, die von der traditionellen Grammatik als „generisch", d.h. geschlechtsindifferent definiert werden, als ausschließlich „männlich" interpretiert. Anzeigen, die sich auf den ersten Blick sowohl an Frauen wie an Männer richten, aber im zweiten, dritten oder vierten Satz eine Geschlechtsspezifizierung zugunsten männlicher Bewerber vornehmen - nach dem Muster „Gesucht wird e i n / e neue/r Kollege/in ... Unser neuer Mann sollte ..." - sind heute seltener zu finden. kalzeitungen. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 6.8.1992.
552
Kapitel 13
Nur teilweise, häufig nur rein optisch, hat sich auf dem Anzeigenmarkt das Bild zugunsten von Frauen geändert. 1986 noch hatte Brand bei ihrer Analyse von 585 Stellenangeboten 241 (41 %) Anzeigen nach dem zuvor erwähnten Muster gefunden. Weitere 333 (57 %) Anzeigen richteten sich nur an Männer. Angesichts der vielfältigen Diskriminierungen von Frauen in der Arbeitswelt muß bezweifelt werden, daß sich die Einstellungspraxis durch die sprachlichen Änderungen in den Anzeigentexten wesentlich geändert hat. Die Verpflichtung der Universitäten, Stellenanzeigen grundsätzlich für Frauen und Männer auszuschreiben, hat beispielsweise noch nicht zu einer erkennbaren Steigerung der Anstellung von Frauen geführt. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß die sprachlichen Änderungen in den Stellenanzeigen sinnlos wären. Stelleninserate, die ausschließlich männliche Berufsbezeichnungen enthalten, sind für viele Frauen eine Hemmschwelle: Sie bewerben sich erst gar nicht. 5.7 Rechts- und Verwaltungssprache Obwohl sich die maskulinen Bezeichnungen in der Amtssprache und in Gesetzestexten besonders hartnäckig halten, sind auch in diesem Bereich immer mehr Änderungen im Sinne der feministischen Linguistik festzustellen. In den letzten Jahren haben immer mehr Hochschulen ihre Prüfungsordnungen in diesem Sinn geändert, teilweise sogar radikal zugunsten von Frauen. Gerade dort findet mittlerweile tatsächlich die von Pusch geforderte radikale Feminisierung statt. Im Fachbereich Informatik der Universität Hamburg lautet die einschlägige Stelle in der Promotionsordnung seit 1988: „Der Fachbereich Informatik verleiht den Grad einer Doktorin - bei männlichen Kandidaten den Grad eines Doktors - der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) auf Grund einer von der Bewerberin verfaßten wissenschaftlichen Abhandlung [...]."
Den Fachbereichen Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Volkswirtschaftslehre (VWL) der Universität Bielefeld wurde die 1990 beantragte Änderung der Diplomprüfungsordnung genehmigt. Die Prüfungsordnungen sind ebenfalls durchgängig grammatisch weiblich formuliert und enthalten den ausdrücklichen Hinweis, daß mit diesen Formulierungen auch Männer gemeint sind. Im gleichen Jahr hat die Studentenschaft der Fachhochschule Aachen eine Satzung unter Verwendung der sogenannten großen I-Schreibweise beschlossen. 64
Hoth-Pfeiffer, Ilsemarie: Frau Doktorin. In: STUTTGARTER ZEITUNG 17.9-1988.
Feministische Sprachkritik
553
Das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium nahm in einem Rundschreiben vom 27.9· 1990 zu den beiden zuletzt genannten Fällen wie folgt Stellung: „Derartige Formulierungen und Schreibweisen - insbesondere die ,1Schreibweise' - mögen gegen hergebrachte Sprach- und Rechtschreibungsregeln verstoßen. Es besteht jedoch keine Grundlage, sie rechtsaufsichtlich zu beanstanden, solange keine inhaltlichen Verstöße gegen geltendes Recht vorliegen."
Drei Jahre zuvor noch hatte das Ministerium in einem Runderlaß bestimmt, daß Hochschulprüfungs- und Studienordnungen in maskuliner Form zu verfassen seien, da sie „im Rahmen abstrakter Normen stets als geschlechtsneutral zu verstehen" seien. In anderen Verwaltungsbereichen geht die Feminisierung der Sprache schleppender voran. Eine Herforderin verweigerte 1989 die Unterschrift unter ihren Personalausweis und legte Beschwerde beim Bundesinnenministerium ein, da die Unterschrift des Inhabers verlangt werde und es außerdem hieße: Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher. Die Änderung wäre übrigens mit keinerlei Kosten verbunden, da die Pässe ohnehin für jedes Geschlecht getrennt gedruckt werden und sich in ihren Nummern unterscheiden. Die bisherige Ablehnung einer Textänderung wurde daher auch nicht mit Verwaltungsaufwand begründet, sondern damit, „daß ausländische Zollbeamte keine hinreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache hätten und ihnen daher nicht zugemutet werden könne, daß sie neben dem Wort Inhaber auch noch das Wort Inhaberin lernten", schreibt allen Ernstes Günther Pflug, der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache (GdS) (Hellinger/Pflug/Viet 1991, S.4l5f.). Lediglich für Diplomaten gibt es schon seit längerem Pässe für Inhaber und Inhaberinnen; „zwei verschiedene Druckvorlagen sorgen für die frauenpolitische Sensation".65 Die ehemalige Familienministerin Rita Süssmuth weigerte sich zwar erfolgreich, eine Rechtsverordnung über den Arzt im Praktikum, der schwanger wird zu unterschreiben. Im Paragraphen 616, Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches gibt es ihn aber noch immer: den schwangeren Arbeiter. Im Herbst 1987 wurde vom Bundestag eine interministerielle Arbeitsgruppe „Rechtssprache" eingesetzt, deren Aufgabe es war, die Rechtssprache im Hinblick auf die Forderungen nach Gleichstellung von Frauen und Männern zu untersuchen und Verbesserungen vorzuschlagen. 65
Markmeyer, Bettina: Kein kleiner Unterschied im Paß. Eine Herforderin will sich nicht länger als Mann ausweisen müssen. In: DIE TAGESZEITUNG 6.9.1989.
554
Kapitel 13
Zwei Jahre später, im Januar 1990, veröffentlichte die Arbeitsgruppe ihren Bericht „Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache". Sie kommt zu dem Ergebnis, daß der generische Gebrauch maskuliner Personenbezeichnungen in der Vorschriftensprache zu keiner rechtlichen Diskriminierung von Frauen führt. Nach Ansicht der Arbeitsgruppe ist durch Artikel 3 des Grundgesetzes, der besagt, daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind und niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt werden darf, garantiert, daß grundsätzlich alle Vorschriften gleichermaßen auf Frauen und Männer Anwendung finden. Obwohl keine rechtliche Notwendigkeit für sprachliche Veränderungen besteht, hält die Arbeitsgruppe aber viele Änderungen aus frauenpolitischen Erwägungen für berechtigt und macht deshalb detaillierte Vorschläge für Verbesserungen.66 Für den Bereich der Amtssprache stimmte das Bundeskabinett dem Bericht der Arbeitsgruppe im Juli 1991 zu.67 Die durchgehende Verwendung weiblicher und männlicher Personenbezeichnungen in Gesetzestexten wurde dagegen abgelehnt. Stattdessen werden geschlechtsneutrale Formulierungen angestrebt. So soll es beispielsweise künftig statt „Die Beratungsstelle kann im Bedarfsfall einen Arzt, einen Juristen hinzuziehen", „Die Beratungsstelle kann ärztliche, juristische Fachberatung hinzuziehen"
heißen. Weiterhin wird das Wort Antragsteller, das rund 1300 mal im geltenden Recht vorkommt, durch die Formulierung „der Antrag ivird gestellt von" ersetzt werden. Auch das Problem der Herforderin, die ihren Paß nicht haben wollte, wird sich nun lösen: Zukünftig wird es für Pässe getrennte Formulare geben oder schlicht Unterschrift lauten. Darüber hinaus wird nicht nur Amtfrau zugelassen, sondern auch Standesbeamtin, so daß sich ein Fall, wie ihn Pflug 1991 in seinem Aufsatz über „Probleme der geschlechtsneutralen Rechts- und Verwaltungssprache" schildert, nicht noch einmal wiederholen dürfte. „Ein Amtsgericht hat eine Ehe für nichtig erklärt", berichtet Pflug, „weil die die Ehe schließende Standesbeamtin die Urkunde mit dem Wort .Standesbeamtin' unterschrieben hatte." Da es nach dem Personenstandsgesetz nur die Amtsbezeichnung Der Standesbeamte gebe, so das Gericht 66 67
Interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache: Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache. Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache. Bonn 1990. Der weibliche Amtmann wird offiziell zur Amtsfrau. In: WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU 25.7.1991; Die Amtssprache soll weiblicher werden. Künftig wird die „Amtsfrau" erlaubt. Bundesregierung will überholte Rollenbilder tilgen. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 25.7.1991.
Feministische Sprachkritik
555
in seiner Urteilsbegündung, sei die Urkunde rechtsfehlerhaft und die Ehe somit nichtig (Hellinger/Pflug/Viet 1991, S. 415). Bezeichnend für die immer noch bestehenden Lücken einer sprachlichen Gleichstellung ist, was mancherorts noch nicht geregelt ist. In der Geschäftsordnung des Landtags von Nordrhein-Westfalen wurden zwar zu den bislang nur männlichen Personenbezeichnungen konsequent weibliche hinzugefügt. Aber im Artikel 26 Cyermerke im Geschäftsablauf"), in dem die Paraphierung von Staatspapieren geregelt wird, endet die Gleichstellung: Hier zeichnet nur noch der Ministerpräsident, eine Ministerpräsidentin ist nicht vorgesehen, das gleiche gilt für den Chef der Staatskanzlei.68 5.8 Neue Bundesländer beziehungsweise ehemalige DDR Auf die Situation in den fünf neuen Bundesländern beziehungsweise der ehemaligen DDR konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Zur Abrundung des historischen Überblicks soll das Thema jedoch kurz gestreift werden. In der ehemaligen DDR waren feminin-markierte Berufs- und Personenbezeichnungen ungebräuchlich. Auch die Frauen selbst bezeichneten (und bezeichnen) sich selbst als Realist, Brigadier, Ökonom, Lehrer. „Frau Weber war bis vor einem Jahr Direktor - tatsächlich Frau Direktor Direktorin gehörte nicht zum Sprachgebrauch der DDR." 69
Dieses Phänomen ist von der westdeutschen Linguistik - auch von der feministischen Linguistik - kaum beachtet worden. Selbst in den zahlreichen Arbeiten zur „DDR-Sprache" der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre hat es nie eine Rolle gespielt. Ostdeutsche Politikerinnen, die nach der Wende 1989 in den Bundestag einzogen, haben unfreiwillig einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die feministische Linguistik geleistet. Ihr Sprachverhalten hat die Aufmerksamkeit für die männlich dominierte Rechts- und Verwaltungssprache bei einigen Bonner Politikern und Politikerinnen geschärft. „Sogar Männer hier in Bonn", weiß die Bundestags-Vizepräsidentin Renate Schmidt zu berichten, „zucken ja in der letzten Zeit richtig zusammen, wenn eine Frau von sich sagt ,Ich bin Realist'".70 Schmidt bezieht 68 69 70
Voss, Reinhard: Eine Ministerpräsidentin darfs nicht geben. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 8.10.1991. Miterlebt. Die Wende in der Penne. Reportage. ARD, 25.10.1990, 21.50-22.30. Forudastan, Ferdos: Muß die Sprache weiblicher werden? Interview mit Renate Schmidt
(SPD),
Vizepräsidentin
SONNTAGSBLATT 2.8.1991-
des
Bundestages.
In:
DEUTSCHES ALLGEMEINES
556
Kapitel 13
sich damit auf einen Satz, den die aus Ostdeutschland stammende Frauenministerin Angela Merkel gesagt hat: „Ich bin Realist, geehrter Kollege Bergmann-Pohl."71
„Der geehrte Kollege Bergmann-Pohl" war Sabine Bergmann-Pohl, Staatssekretärin im ersten gesamtdeutschen Bundestag. Trotz dieses Hintergrundes ist es eine Stadt in den neuen Bundesländern, nämlich Rostock, die im Bereich der Amtssprache die bislang radikalste Änderung vorgenommen hat. Seit Januar 1992 kennt die Hauptsatzung der Rostocker Bürgerschaft Titel nur noch in der weiblichen Form: Die Bürgermeisterin von Rostock heißt Klaus Kilimann. In der Hauptsatzung wird dazu ausgeführt: „Die Hauptsatzung gilt für Frauen und Männer gleichermaßen, unabhängig von der durchgängig gebrauchten weiblichen Bezeichnung der Personen."72
5 9 Piktogramme In den vergangenen Jahren haben engagierte Frauen unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung immer mehr bis dahin Althergebrachtes und deswegen Selbstverständliches in Frage gestellt. Dabei stießsen sie unter anderem auf die Vorrangstellung von Männern auch in der Bildersprache, d.h. in Piktogrammen73 und Bildsymbolen. Piktogramme, die von Feministinnen kritisiert werden, befinden sich vor allem auf Verkehrsschildern: rote und grüne Ampelmännchen, Männchen auf Fußgänger-Unterführungen, U-Bahn-Eingängen und Zebrastreifen. In der vom Referat für Gleichstellungsfragen der Stadt Hannover 1990 herausgegebenen Broschüre „Piktogramme"74 fragen die Herausgeberinnen mit Recht, warum es denn ein Mann mit Hut sein muß, der den Menschen auf den Schildern symbolisiert. Bezeichnend ist, daß die wenigen Piktogramme mit Frauenfiguren Frauen nur in eindeutig festgelegten Geschlechtsrollen darstellen: als Mutter mit einem Kind an der Hand, als Frau mit Kinderwagen auf einer 71 72
Ebd. Kaberka, Frauke: Bürgermeisterin ist ein Mann. Alle Rostocker Titel haben die weiblic h e Form. In: RHEINISCHE POST 11.1.1992.
73 74
Der Duden definiert Piktogramm als „ein formelhaftes, grafisches Symbol mit internationaler Bedeutung", z.B. Totenkopf als Symbol für Gift (Duden Fremdwörterbuch 1982, S. 595). Landeshauptstadt Hannover; Der Oberstadtdirektor; Referat für Gleichstellungsfragen; Frauenbüro (Hrsg.): Piktogramme. Wie männlich ist unsere Bildersprache? Hannover 1990
Feministische Sprachkritik
557
Rolltreppe. Den Herausgeberinnen der Broschüre ist vor allem eine Parallele zwischen der Grammatik der Sprache und der Gestaltung der Piktogramme aufgefallen: „In beiden Bereichen ordnet sich das weibliche Prinzip dem männlichen unter, wobei letzteres zum Allgemeinmenschlichen wird." (ebd., S. 2)
Die besondere Bedeutung dieses Phänomens sehen sie darin, daß wir die Inhalte nicht mehr bewußt wahrnehmen und dadurch unser Frauenund Männerbild unmerklich beeinflußt wird. Im Bereich der Piktogramme gibt es Gleichberechtigung vorerst nur auf Radwegen in einigen wenigen Städten: Im November 1991 beschloß die westfälische Stadt Marl, daß zukünftig beim Aufsprühen des Fahrrad-Piktogramms auf Radwegen bei jedem zweiten Fahrrad-Symbol die für Herrenräder typische Mittelstange abgedeckt wird.75 In Hannover wurden im März 1992 die Herrenrad-Symbole gleich ganz abgeschafft.76
6. Sprachwandel? Feministische Linguistinnen haben mit ihrer Kritik eine Entwicklung in Gang gesetzt, die in den letzten Jahren zu vielen sprachlichen Innovationen zugunsten von Frauen geführt hat: eine Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen und auf jeden Fall mehr als nur eine Modeerscheinung ist. Die meisten der vorgebrachten Gegenargumente sind durch die Praxis entkräftet worden: Das vielfach beschworene Chaos ist ausgeblieben. Die Vermutung ist naheliegend, daß sich der Widerstand nicht eigentlich gegen die sprachlichen Veränderungen, sondern vielmehr gegen die dahinterstehende Motivation, d.h. gegen die Gleichberechtigung der Frau, richtet. Sprachveränderungen allein mögen zwar noch keine gesellschaftlichen Veränderungen bewirken. Aber sie haben dazu beigetragen, die Privilegiertheit der Männer und den sich daraus ergebenden Sexismus im Sprachgebrauch aufzudecken. Eine relativ breite Sensibilisierung für diese Problematik haben die feministischen Linguistinnen in jedem Fall bereits erreicht.
75
Gleichberechtigt jetzt auch auf den Radwegen. In: WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG
76
24.11.1991. K l e i n e r U n t e r s c h i e d . I n : SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 1 2 . 3 . 1 9 9 2 .
558
Kapitel 13
Zwar gilt die Feststellung von Ursula Müller aus dem Jahre 1988 nach wie vor: In schriftsprachlichen Texten ist in der Regel eine „inkonsistente Sprache" zu beobachten: „An solchen Stellen, wo die Inhalte der Texte besonders Frauen ansprechen sollen, werden weibliche Personenbezeichnungen zu den männlichen hinzugefügt, ansonsten bleibt es bei der ausschließlich männlichen Form." (Müller 1988, S. 325)
Die Beispiele haben aber auch gezeigt, daß in weiten Bereichen eine Sensibilisierung für das Problem der Feminin-Markierung stattgefunden hat. Geradezu undenkbar wäre heute ein Wahlplakat, mit dem die SPD 1969 in den Wahlkampf zog: yviv haben die richtigen Männer ... Wählen Sie Antje Huber."77
Geschlechtergerechter Sprachgebrauch in nicht-feministischen Kontexten wird immer häufiger, die ironische Verwendung von movierten Bezeichnungen, gedacht als witzige Auflockerung, dagegen eher seltener: verbinden mit dem Begriff ,Kompetenz' heutzutage so etwas wie fachmännische' (na gut, .fachfrauliche') Zuständigkeit."7
Den Medien kommt bei der Verbreitung von „Spracheinstellungen" besondere Bedeutung zu. Wer nicht gerade berufsmäßig mit Sprache zu tun hat — und das sind die meisten Menschen -, kommt bewußt nur in der Schule und später dann eben durch die Medien mit Sprachkritik in Berührung, d.h. die sprachkritischen Presseberichte werden praktisch zur einzigen Informationsquelle. Allerdings entsteht oft der Eindruck, daß Journalisten und Journalistinnen Sprachkritik als ein „Amt" verstehen, das ihnen schon deshalb zusteht, weil sie sich aufgrund ihres beruflichen Umgangs mit der Sprache für kompetent in sprachtheoretischen Fragen halten. Daß den Medien aufgrund der bereits erwähnten MultiplikatorenFunktion neben der Schule der stärkste Einfluß auf den allgemeinen Sprachgebrauch zugeschrieben wird, förderte 1985 eine - wenn auch nicht repräsentative — Zeitungsumfrage ,?0Cas halten Sie vom heutigen Deutsch?" des IdS zutage. Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen zur
77 78 79
Ministerin: Institutionen werden in der Regel nicht schwanger. Die Entrümpelung der Gesetze von männlicher Sicht gefordert. In: WESTDEUTSCHE ZEITUNG 7.11.1987. Kompetenz. Gedanken von Reinhard Low. In: DIE WEIT 11.7.1992. Es waren nicht zuletzt die Journalistinnen und Journalisten, die durch ihre heftigen Reaktionen auf die Vorschläge zur Rechtschreibreform diese bis heute verhindert haben. Eine Zusammenstellung dieser Presseberichterstattung ist auch als Buch erschienen: Der gekippte Reiser. Dokumentation einer Pressekampagne zur Rechtschreibreform. Zusammengestellt und kommentiert von Hermann Zabel. Studienverlag Dr. N. Brockmeyer: Bochum 1989-
Feministische Sprachkritik
559
Verbesserung der Sprache wurden die Medien bei weitem am häufigsten als Adressatinnen und Vermittlerinnen genannt.80 Bezüglich der hier dargestellten Veränderungen bereits von einem Sprachwandel zu sprechen, wie es Hellinger schon 1985 tat81, ist vielleicht noch verfrüht. Es lassen sich aber deutliche, nicht mehr ignorierbare Entwicklungstendenzen feststellen, von denen allerdings nicht absehbar ist, inwieweit sie langfristig Veränderungen im Sprachgebrauch oder im Sprachsystem bewirken werden. Drosdowski will darüber „keine Prognosen wagen", sondern stellt die rhetorische Frage, wann uns die „weiblich eingefärbte Sprache zum Hals heraushängt" (Drosdowski 1991)· Daß er keine Prognosen wagt, ist geradezu weise. Denn die derzeitigen Verstösse gegen die bestehenden Sprachnormen könnten die Regeln von morgen sein. Seine Nachfolgerinnen und Nachfolger würden dann bei der Lektüre alter DrosdowskiTexte nur noch müde lächeln. Während die Gralshüter der deutschen Sprache in Mannheim „noch mit Abwehrkämpfen beschäftigt"82 sind, sieht die Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden da schon eher ein Leuchten am Horizont. „Ich glaube", zitiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU deren Geschäftsführer Hans Bickes, „daß die feministische Linguistik einen Sprachwandel angestoßen hat, der mit zu den entscheidenden Sprachwandelserscheinungen dieses Jahrhunderts zählen wird".83 Trotz sprachwissenschaftlicher Bedenken - wegen des Normverstoßes - ist es mittlerweile auch vorstellbar, daß sich neben dem Indefinitpronomen man das Pronomen fr au etabliert. Es wird heute schon nicht mehr nur in feministischen Kreisen verwendet, wenngleich auch meistens noch mit distanzierenden Anführungsstrichen: ^Pie ,frau' aus den Paschas Kollegen macht." 84 „Denn als einziges männliches Wesen unter gut 600 Feministinnen, die den Mann endgültig ad acta legen wollen, hat ,man' es nicht so leicht. Und so mußte ,frau' zwangsläufig den Kochlöffel wieder selber in die Hand nehmen." 5
80 81 82 83 84 85
Vgl. Stickel 1987. Vgl. Hellinger (Hrsg.) 1985. Fritz, Helmut: Auf der Siegerinnenstraße? Binnen-I, Schrägstrich und Klammer: Das Frauendeutsch belagert auch den Duden. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 6.9.1993. Ebd. Müller-Münch, Ingrid: Wie „frau" aus den Paschas Kollegen macht. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 24.6.1991.
Metz, Doris: Dritter Bundesfrauenkongreß der Grünen in Kassel: Können Femini-
stinnen verheiratet sein? In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 14.11.1990.
Kapitel 13
560
^f/er kennt das nicht: Da ist man oder frau schon krank, und nach dem Studium des Beipackzettels zum verordneten Medikament geht es einem noch schlechter." Bis die feministischen Linguistinnen allerdings zufrieden mit der Sprachwelt sein werden, bedarf es aber noch einiger Überzeugungsarbeit - wie bei allen frauenpolitischen Themen. Den folgenden bildhaften Vergleich hat die Leiterin der ersten Gleichstellungsstelle der Bundesrepublik in Hamburg und spätere Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Eva Rühmkorf, zwar in einem Referat über Gleichstellungsstellen geschrieben. Es beschreibt aber ebenso anschaulich die Situation der feministischen Linguistik:
„Noch ist diese Entwicklung zu vergleichen mit den Kreisen, die sich im Wasser bilden, wenn ein Stein in einen ruhigen See geworfen wird. Aber immerhin: Der Stein ist geworfen - das Wasser bewegt sich!"87 (Hildegard Gorny)
B e l e g - u n d Stichwörter
•
Absonderungsschreibe
• Amtfrau •
Amtmann
•
Amtmännin
• Asymmetrie • asymmetrisch
• der Arzt im Praktikum, der schwanger wird • der Inhaber dieses Passes ist Deutscher • Der Minister für Familie und Senioren
• behördliche Sprachregelungen
• Der Minister für Wissenschaft und Forschung
• Berufsbezeichnungen
• der schwangere Arbeiter
•
Bindestrichfrauen
• Binnen-I • • •
Bischöfin Bundeskanzler/Bundeskanzlerin Bürgerinnensteig
• Doktor/Doktorin • Doppelfoimen, femininmaskuline • Doppelname • Ehe- und Familienname
• Chef der Staatskanzlei
• EMANzipation
• Dame (Anrede)
•
• der Antrag wird gestellt von
•
• der Antragsteller und die Antragstellerin
• Femininsuffix
• der Antragsteller und seine Ehefrau 86 87
Fachmann/Fachfrau fachmännisch/fachfraulich
• Feministische Linguistik • Feministische Sprachkritik • Frau
Has: Tagestip: Medikamente. Genau informieren. In: 7.8.1991. Rühmkorf 1990, S. 145.
FRANKFURTER
RUNDSCHAU
Feministische Sprachkritik
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
frau Frau/Fräulein/Herr Frau Doktor Frau Doktorin Frau Minister Frau Minsterin Frau Professor Frau Professorin Frau Ratsherr Frau Witwe... frauendiskriminierende Rollenklischees Frauensprache Fräulein Funktionsbezeichnungen Geburtshelfer/Geburtshelferin generisches Femininum generisches Maskulinum geschlechtergerechter Sprachgebrauch Geschlechtersymmetrie geschlechtsneutral geschlechtsneutrale Formulierungen geschlechtsneutrale Gesetzestexte geschlechtsneutrale Rechtsund Verwaltungssprache geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen geschlechtsspezifisches Gesprächsverhalten grammatischer Phallus grammatisches Geschlecht Große-I-Schreibung Hausfrau/Hausmann Hebamme/Hebammer/ Hebammerich herrenloses/damenloses Fahrrad ihre Frau stehen jede(r)
561
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Kaufmann/Kaufmännin/ Kauffrau Klammer-Schreibung Krankenpfleger/Krankenpflegerin Krankenschwester/ Krankenbruder Landsmann/Landsmännin Leserinnen Leserinnen und Leser Mädchenname Magister/Magistra man(n) man/frau MANchmal Mann mann Männersprache MANNheim Minister/Ministerin Ministerium für Familie und Senioren Ministerium für Wissenschaft und Forschung Ministerpräsident/Ministerpräsidentin Movierung Namensrecht Paarformel Personenbezeichnungen Professor/Professorin Putzkraft Ratsherr/Ratsherrin/Ratsfrau Redakteurinnen) Referentinnen Remotivierung Schrägstrich-Schreibung Schreibkraft seinen/ihren Mann stehen sexistischer Sprachgebrauch Sexus und Genus sie ist ein richtiger Junge
562
Kapitel 13
• Splitting
Student/Studentin
•
Symmetrie
Sprachamazonen
• Sprache und Geschlecht • sprachliche
Diskriminierung
symmetrisch Titanicprinzip
• sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern
Unterschrift des Inhabers
• Stadtväter/Stadtmütter
Väter und Mütter des Grundgesetzes Witwe
• Stammhalter •
Standesbeamte/Standesbeamtin
Väter des Grundgesetzes
Lebensrecht oder Selbstbestimmungsrecht? Die Debatte um den § 218 1. Sozial-liberaler Reformkurs und die § 218-Diskussion der siebziger Jahre / 2. Tendenzen zu einer konservativen Gegenreform in den achtziger Jahren / 3- Die Diskussion um ein gesamtdeutsches Abtreibungsrecht
Der Schwangerschaftsabbruch war bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein zentrales Thema der sogenannten ersten Frauenbewegung im Zusammenhang mit deren Forderung nach einem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Die Forderung nach Liberalisierung des § 218, der die Abtreibung sanktionierte, wurde mit dem Recht auf den eigenen Körper begründet. Dem wurde schon damals ein anderer Rechtswert entgegengestellt, der so alt wie die europäische Kulturgeschichte ist: der Schutz des keimenden Lebens. Zu Beginn der siebziger Jahre kam es im Rahmen der Reformdebatte um den § 218 zu einer erneuten Konfrontation der konfligierenden Wertemuster in der politischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik. Der „Reformphase" (1970-1976) folgten weitere, grob in zwei Etappen zu unterteilende Phasen: Die zweite begann mit dem Wahlkampf zur Bundestagswahl 1980 und umfaßte weiterhin den gesamten Zeitraum der „Wertewandel-Politik" der CDU bis zur Öffnung der deutsch-deutschen Grenze (1979-1989). Die letzte Phase leiteten die Vorbereitungen zur deutschen Wiedervereinigung ein, mit der abermals eine Reformdebatte um den § 218 ausgelöst wurde, weil im Recht der DDR und der BRD unterschiedliche Abtreibungsregelungen bestanden. D i e Leitvokabel innerhalb aller Phasen der § 218-Debatte bildete das Wort Leben. Während der Höhepunkte der Diskussion war Leben stets einer der umstrittensten Ausdrücke. Er markierte die eine Seite des Spannungsbogens, in dem sich die Abtreibungsdebatte bewegte. Für die andere Seite stand die Vokabel Selbstbestimmungsrecht der Frau, mit der für die (eingeschränkte) Entscheidungsfreiheit der Frau im Falle einer ungewollten Schwangerschaft geworben wurde. Beide Ausdrücke bildeten die Eckpunkte im semantischen Netzwerk, das in der Diskussion um das Abtreibungsverbot geknüpft wurde. Zum tieferen Verständnis des konkurrierenden Sprachgebrauchs, der sich in dieser Diskussion um
564
Kapitel 14
zwei gesellschaftliche Grundwerte abzeichnete, ist ein genaueres Eingehen auf die Problemgeschichte des § 218 erforderlich.
1. Sozial-liberaler Reformkurs und die § 218-Diskussion der siebziger Jahre In der bundesdeutschen Öffentlichkeit wurde der § 218 bereits vor 1970 diskutiert. Die „rassenhygienisch" motivierte eugenische Indikation bei einer „Schädigung der Leibesfrucht", die die Nazis eingeführt hatten, war bereits in den ersten Nachkriegsjahren außer Kraft gesetzt worden. Es gab aber auch Versuche, den § 218 in liberalisierender Weise an die Nachkriegsverhältnisse anzupassen. So wurde überlegt, angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Not zusätzlich zu der erlaubten Schwangerschaftsunterbrechung aufgrund einer medizinischen Indikation bei Lebensgefahr für die Schwangere eine soziale Indikation einzuführen.2 Auch wurde in der amerikanischen Zone kurzfristig die ethische Indikation wegen der zahlreichen Vergewaltigungen durch Angehörige der Besatzungstruppen akzeptiert.3 Aber die Aussicht auf eine tatsächliche Reform des § 218 war mit dem Wahlsieg der CDU 1949 zunächst verstellt. Die restaurative CDU-Politik der fünfziger Jahre stellte sozialpolitisch auf eine bevölkerungsmehrende Familienpolitik ab4, was konform ging mit dem traditionell christlich geprägten Schutz des keimenden Lebens.5 Zwar legte 1959 bis 1962 das Bundesjustizministerium im Rahmen eines Gesamtentwurfs eines Strafgesetzbuches diverse Vorschläge zum Abtreibungsverbot vor, die unter anderem eine ethische Indikation neben der medizinischen Indikation zur legalen sogenannten Schwangerschaftsunterbrechung einbezogen und die öffentlich kontrovers diskutiert wurden.6 Dies blieb allerdings ohne praktische Folgen.7 1
Vgl. Reichsgesetzblatt, Teil I, 18.7.1935, S. 773.
2
Vgl. DER SPIEGEL (4.1.1947), H. 1, S. 5.
3 4
Vgl. hierzu Karpf 1966, S. 27; Zwerenz 1980, S. 207. Vgl. hierzu die Regierungserklärung Adenauers vom 20.10.1953: „Wenn nicht durch konstante Zunahme der Geburten der Prozentsatz der im produktiven Alter stehenden Personen wächst, werden zunächst die Alten von der geringen Sozialproduktion betroffen werden. [...] Helfen kann nur eines: Stärkung der Familie und dadurch Stärkung des Willens zum Kind" (zit. nach: Kraiker 1983, S. 22f.). Schon im Parlamentarischen Rat war ein Streit darüber entstanden, ob das keimende leben in den Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes (Recht auf Leben) einbezogen war. Eine einmütige Stellungnahme des Parlamentarischen Rates hierzu blieb indessen aus (vgl. Stenographische Protokolle des Parlamentarischen Rates, Hauptausschuß (PRH), 18.1.1949, S. 529 ff.). Vgl. hierzu zum Beispiel D E R SPIEGEL (23.11.1960), H . 4 8 , S . 60f. sowie die Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Anlagen zu den stenographischen Berichten, ΠΙ. Wahlperiode, Drucksache 2150 (BT-Drs. m/2150), 3.11.1960, S. 35ff. und BT-Drs.
5
6
Paragraph 218
565
In den meisten westlichen Ländern zeichnete sich die Tendenz zu einer Liberalisierung des Abtreibungsverbots in den sechziger Jahren ab. In den skandinavischen Ländern waren bereits äußerst liberale Regelungen eingeführt worden; die USA, Frankreich und Österreich zogen zusammen mit der Bundesrepublik in den siebziger Jahren nach.8 Als England 1968 eine weitgefaßte Indikationenregelung einführte und ferner Ausländerinnen den Schwangerschaftsabbruch ohne Indikationsstellung erlaubte, setzte der sogenannte Abtreibungstourismus westdeutscher Frauen nach England ein.9 Im gleichen Jahr erreichte die Studentenbewegung ihren Höhepunkt, aus der sich auch die Neue Frauenbewegung entwickelte. Diese wurde zu einem wichtigen Meinungsträger in der § 218-Debatte.10 Durch den Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition 1969 wurden auch parlamentarisch die Weichen zu einer Reformierung gestellt. In der Reformdebatte der siebziger Jahre rückten im wesentlichen vier verschiedene Positionen in bezug auf die Änderung des § 218 ins öffentliche Bewußtsein: Der insbesondere von der katholischen Kirche vertretenen Ablehnung jeder Änderung des § 218 stand die Forderung nach ersatzloser Streichung des § 218 diametral gegenüber, die vor allen Dingen von Kreisen der Frauenbewegung unter der Parole Mein Bauch gehört mir vertreten wurde. Pragmatischer orientiert waren die zwischen beiden Extremen vermittelnden Standpunkte: Im Bundestag diskutiert wurden verschiedene Varianten einer Indikationenregelung (besondere Fälle, in denen ein Schwangerschaftsabbruch legalisiert werden sollte), wobei der CDU/ CSU-Vorschlag im Gegensatz zum sozial-liberalen Gesetzentwurf k e i n e Notlagen-Indikation akzeptierte, und eine zunächst nur von einer SPD/ FDP-Minderheit unterstützte Fristenregelung (Straffreiheit bei Abbruch der Schwangerschaft in den ersten drei Monaten). Gemäß den unterschiedlichen Konzeptionen der Parteien wird ein heterogener Sprachgebrauch deutlich, der während der Debatte zu semantischen Kämpfen und zu sprachgeschichtlich relevanten Veränderungen führte. Im Sprachgebrauch der Reformgegnerinnen war die Leibesfrucht zentrales Referenzobjekt. Durch Bezeichnungen wie werdendes Leben, ungeborenes Leben, menschliches Leben, ungeborenes Kind, Mensch(en-
7 8 9 10
IV/650, 4.10.1962, S. 35ff. Vgl. Karpf 1966, S. 25f. Vgl. hierzu die Studie von Ketting; Praag 1985. Vgl. hierzu: „Die Invasion der deutschen Frauen". In: ABENDZEITUNG MÜNCHEN 22.4.1969; „Wer zahlt, dem wird .geholfen'". In: RHEINISCHE POST 12.7.1969. Vgl. Nave-Herz 1988, S. 65, 69. Vgl. auch das Kapitel „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" in diesem Band.
Kapitel 14
566
leben) etc. und unter Bezugnahme auf die grundgesetzlich verankerten Menschenrechte wurde die Leibesfrucht als schutzbedürftiges, eigenständiges Individuum mit Rechtssubjekt-Status konzipiert. Entsprechend wurde der Schwangerschaftsabbruch als Tötung ungeborener Kinder oder als Mord bezeichnet, das gegnerische Fahnenwort Selbstbestimmung als Verfügungsgewalt über das ungeborene Kind in die eigene Konzeption „übersetzt". Als stärkste Form assoziativer Stigmatisierung wurden Vergleiche zwischen dem Schwangerschaftsabbruch und NSVerbrechen gezogen wie zum Beispiel Euthanasie, Beseitigung ,lebensunwerten' Lebens, Massenvernichtung, Endlösung, Auschwitz. Vermutlich wurde die negative Wirkung solcher Vergleiche durch Berichte über den 1970/71 stattfindenden Euthanasteprozeß gegen den KZ-Arzt Horst Schumann unterstützt.11 Im Mittelpunkt des Sprachgebrauchs der Gegnerinnen der Strafverfolgung stand indessen das Referenzobjekt Schwangere. Der Schwangerschaftsabbruch wurde als die freie persönliche Entscheidung der Frau zur Beendigung eines sie allein betreffenden Zustande — der S c h w a n g e r s c h a f t - interpretiert. Durch den Verweis auf die grundgesetzlich verankerten Persönlichkeitsrechte, die komprimiert wurden in dem Fahnenwort Selbstbestimmungsrecht der Frau, versuchten sie, die Abtreibung gesellschaftlich aufzuwerten oder zumindest zu legitimieren. Komplementär hierzu wurde jeder „Vermenschlichung" der Leibesfrucht entgegengewirkt, indem auf sie explizit referierender Sprachgebrauch entweder durch Wendungen wie die Schwangerschaft beseitigen vermieden wurde oder emotiv-distanzierende medizinisch-klinische Ausdrücke wie Fötus, Embryo, Zellgewebe12 oder auch „entmenschlichende" Metaphern wie Kaulquappe, Tintenfisch, Honigbiene13 verwendet wurden. Die Leèens-Terminologie wurde zum einen vermieden oder distanziert-ironisierend mit Anführungszeichen oder dem Zusatz sogenannt versehen. Zum anderen wurde sie auf die Schwangere referierend gebraucht, mit dem Argument, daß deren Leben durch die Illegalität des Abbruchs gefährdet sei. Strafrechtliche Maßnahmen gegen den Schwangerschaftsabbruch
11
12
13
Vgl. DER SPIEGEL (19.4.1971), H. 17, S. 85.
Vgl. beispielsweise den Offenen Brief von Marielouise Janssen-Jurreit an Bundespräsident Karl Carstens von 1975: „Ein daumengroßer Embryo, ununterscheidbar vom Körper der Frau, ein Zellengebilde, das weder leidens- noch schmerzfähig ist, hat von heute an durch höchstrichterllchen Spruch mehr Grundrechte als die Frau selber" (Janssen-Jurreit 1 9 8 6 , S . 3 4 1 ) . Ebenso DER SPIEGEL ( 3 1 . 5 . 1 9 7 1 ) , H . 2 3 , S. 1 3 9 : „Mit einer weichen Sonde [...] wird das embryonale Zellgewebe aus der Uterus-Schleimhaut abgesaugt". Vgl. DER SPIEGEL (21.5.1973), H. 21, S. 58: „Seine [des Drei-Monats-Fötus] hirnphysiologischen Fähigkeiten entsprechen zu diesem Zeitpunkt nicht einmal denen eines Tintenfisches oder einer Honigbiene".
Paragraph 218
567
wurden durch Stigmawörter wie staatlicher Gebärzwang14 als Unterdrükkungsmaßnahmen kritisiert. Den gemäßigten Vorstellungen der Vertreterinnen der Indikationenregelung und der Fristenregelung war gemeinsam, daß sie den Schutz des werdenden Lebens als ihr Ziel benannten, aber auch den „Interessen der Frau" insbesondere in einer schweren Konfliktsituation Rechnung tragen wollten. Die Befürworterinnen einer Fristenregelung entwarfen zur Verteidigung der Drei-Monats-Frist unter anderem ein Konzept von der kontinuierlichen „Menschwerdung" des werdenden Lebens, weshalb mit fortschreitender Entwicklung der Leibesfrucht das zunächst schwerer gewichtete Selbstbestimmungsrecht der Frau zurückgedrängt werde. Diese Interpretation der Vokabel werdendes Leben im Sinne von ,Nochnicht-Mensch' insbesondere als Rechtssubjekt konfligierte mit der Wortverwendung der Gegnerinnen einer Reform und rückte besonders zu Anfang der Debatte die alte Frage nach dem Beginn des Lebens ins Zentrum der Diskussion. Die Vertreterinnen einer Indikationenregelung hingegen wollten die verantwortliche Entscheidung in die Hände der Ärzteschaft legen, und entsprechend distanzierten sie sich von der Konzeption des Selbstbestimmungsrechts der Frau in Sachen Schwangerschaftsabbruch. Sprachgeschichtlich besonders interessant an der § 218-Debatte sind der Kampf um die Vokabel Leben und die Entwicklung, die die Bezeichnungen Abtreibung, Schwangerschaftsunterbrechung und Schwangerschaftsabbruch während der Diskussion nehmen. Zu Beginn der Debatte 1970 waren als juristische Termini etabliert: 1. Leibesfrucht15 und werdendes Leben16 als Bezeichnungen des zu schützenden Rechtsguts. 2. Abtreibung11, mindestens seit dem 16. Jahrhundert zur Bezeichnung der illegalen, oft von Laien unter miserablen hygienischen Bedingungen durchgeführten und von daher für die Schwangere zumeist lebensgefährlichen Tat etabliert, und Schwangerschaftsunterbrechung, eine Lehnübersetzung des medizinischen Fachterminus (lat.) Interruptio gravidi-
14 15 16 17
Vgl. Schwarzer 1971, S. 138f.; Sebastian Haffner: „Gebärzwang ist unsittlich". In: STERN 10.6.1971. Vgl. § 218 des Strafgesetzbuches (StGB) von 1969: „Abtötung der Leibesfrucht". In: Bundesgesetzblatt 1969, Teil I (BGBl. I, 1969), S. 645 ff. Vgl. § 140 des StGB-Entwurfs von I960: „Straftaten gegen das werdende Leben". In: BT-Drs. m/2150, 3.11.1960, S. 35. Vgl. § 218 StGB von 1969: „Abtreibung". In: BGBl. I, S. 645ff. Vgl. auch Jerouschek 1988, S. 5.
568
Kapitel 14
tatis18, die vorwiegend zur Bezeichnung des medizinisch indizierten legalen Schwangerschaftsabbruchs verwendet wurde19. Als 1970 eine Kommission von Strafrechtslehrern mehrheitlich einen Fristenentwurf zu einer Neuregelung des § 218 vorlegte und dort zwischen einer Schwangerschaftsunterbrechung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft und einer Abtreibung nach dem dritten Monat unterschied, begann eine öffentliche Problematisierung der Vokabel Schwangerschaftsunterbrechung seitens der Gegnerinnen einer Fristenlösung, die in dem Wortgebrauch eine Verschleierung der „Tötungstat" sahen und dies folgendermaßen begründeten: „Schon jetzt wird diese Tötung durch das elegante Wort Schwangerschaftsunterbrechung verharmlost, das so klingt, als ob die Schwangerschaft nur eben einmal unterbrochen und dann fortgesetzt würde. Eben das aber ist nicht der Fall. Man sollte um der Ehrlichkeit willen also wenigstens von Schwangerschaftsabbruch reden."20
Es wurde also nicht auf den unterschiedlichen kontextuellen Gebrauch der Wörter abgehoben, durch den das Kompositum Schwangerschaftsunterbrechung positive Merkmale wie .legal', ,vom Arzt vorgenommen', .hygienisch', .für die Schwangere lebensrettend' etc. und der Ausdruck Abtreibung negative Merkmale wie .illegal', .septisch', .lebensgefährlich' erhalten hatte. Diese Sprachkritik basierte vielmehr auf der Remotivierung des Wortes Schwangerschaftsunterbrechung: Der Wortbestandteil -Unterbrechung wurde auf seine (vermeintliche) „eigentliche" Bedeutung zurückgeführt, um darauf aufbauend das Kompositum als unkorrekt zu kritisieren. Das Problematische an dieser Sprachkritik bestand im Ignorieren der Tatsache, daß das Wissen um die Unmöglichkeit der Fortsetzung einer einmal unterbrochenen Schwangerschaft Bestandteil des allgemeinen gesellschaftlichen Wissens war und die Kritik schon von daher nicht griff. Dennoch erwies sich diese Art der Sprachkritik als ebenso verbreitet wie wirksam, was das intendierte Wortverbot betraf. Bereits 1971 zeichnete sich bei den Sprecherinnen aller Parteien eine Durchsetzung der Vokabel Schwangerschaftsabbruch gegenüber Schwangerschaftsunterbrechung ab. Folgerichtig versuchten die Reformgegnerinnen, den Neologismus Schwangerschaftsabbruch im Sinne ihrer Konzeption „semantisch aufzuladen": „Schwangerschaftsunterbrechung ist Schwangerschaftsabbruch. Schwangerschaftsabbruch ist Abtreibung. Ab-
le 19 20
Vgl. Brockhaus-Enzyklopädie 1973, Bd. 17, S. 104 f. Vgl. § 157 des StGB-Entwurfs von I960 („ärztliche Unterbrechung der Schwangerschaft"), BT-Drs. m / 2 1 5 0 , 3.11.1960, S. 37. Ulrich Beer zum Mehrheitsvorschlag der Strafrechtler. In: STUTTGARTER NACHRICHTEN 23.5.1970.
Paragraph 218
569
treibung heißt stets, das Kind im Mutterleib mit Absicht töten [,..]."21 Die Schlußfolgerung ergab: „Schw^ngerschaftsabbruch bedeutet Tötung"22. Der Fristenentwurf der Strafrechtler lieferte ebenfalls den Ausgangspunkt für den Wortstreit um die Vokabel werdendes Leben. Mit dem dort etablierten Argument verschiedener Entwicklungsstadien der Leibesfrucht bis zur Menschwerdung, das die Drei-Monats-Frist rechtfertigen sollte, wurde die Debatte um den Beginn menschlichen Lebens eingeleitet. Im April 1 9 7 0 schrieb die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: „Die Formel ,Schutz des werdenden Lebens' macht auf ein Grundproblem aufmerksam: Wann kann man von Leben reden bzw. wann hat man es mit einem werdenden Menschen zu tun?" ( 1 1 . / 1 2 . 4 . 1 9 7 0 ) Im Mai zitierten die STUTTGARTER NACHRICHTEN den Juristen Horst Rott, der konstatierte: „Ein erst werdendes Leben ist eben noch kein gewordenes Leben. Wer selbständig lebensfähig ist, hat ein Recht auf Leben; und selbständig lebensfähig sind alle Menschen vom Säugling bis zum Greis, nicht dagegen Samen, Eier und Leibesfrüchte." (23-5.1970)
Im Juni 1971 plädierte die Soziologin Luc Jochimsen für einen „Schutz des Lebens [...] anstelle des Schutzes werdenden Lebens" (HAMBURGER MORGENPOST 1 4 . 6 . 1 9 7 1 ) und bezog sich damit auf den Lebens- und Rechtsschutz ungewollt schwangerer Frauen. Im Oktober des gleichen Jahres erklärte die „Aktion 218", die im Mai 1971 als Selbstbezichtigungsaktion („Wir haben abgetrieben") begann und zum Sammelbecken aller Frauengruppen gegen den § 218 wurde, gegenüber der Presse: „ [...] das Grundgesetz schützt nicht das sogenannte ,werdende' Leben, sondern das menschliche Leben an sich. Unter menschlichem Leben wird juristisch erst das Leben außerhalb des Mutterleibes verstanden."23 Ein Jahr später beklagte Gerhard Mauz im SPIEGEL, daß die staatliche Fürsorge „in dem Augenblick erlischt, in dem aus werdendem Leben neues Leben geworden ist."24 Im Mittelpunkt dieser Redestrategien seitens der Reformbefürworterlnnen steht die Remotivierung des Attributs werdend, womit die Vokabel werdendes Leben als ,Noch-nicht-menschliches-Leben' markiert wer21 22 23
24
Katholischer Deutscher Frauenverband Juli 1971. Zit. nach: Panzer 1972, S. 217f. Hertz-Eichenrode. In: DIE WELT 28.6.1971. Presseerklärung der 3. Bundeskonferenz der „Aktion 218" vom 10.10.1971. Zit. nach: Münch 1972, S. 176. Diese Position wurde medizinisch zu untermauern versucht durch die Haeckelsche These einer phylogenetischen vorgeburtlichen Entwicklung vom Einzeller über die Amphibie zum Säugetier bzw. Menschen. Der STERN-Autor Sebastian Haffner erläuterte diese Argumentation folgendermaßen: „Natürlich, bei der Zeugung entsteht Leben, aber erst bei der Geburt entsteht menschliches Leben. Der Fötus ist kein Mensch. [...] Der Drei-Monats-Fötus ist Leben - aber Leben auf der Stufe der Qualle oder der Kaulquappe. [...] Nur das Menschenleben ist bei uns rechtsschutzfähig" (STERN 5.8.1971). DER SPIEGEL (17.4.1972), H. 17, S. 55.
570
Kapitel 14
den soll. Wie bereits bei der Problematisierung der Vokabel Schwangerschaftsunterbrechung gelang es hier, durch die Strategie der Remotivierung die Verwendung der Vokabel werdendes Leben - diesmal für die Reformgegnerinnen - brisant zu machen. Allerdings bestand zwischen diesen beiden Formen der Remotivierung ein wesentlicher Unterschied: Während gesellschaftlich ein Konsens - genauer gesagt: ein sicheres Wissen - darüber existierte, daß eine unterbrochene Schwangerschaft anschließend n i c h t wieder fortgesetzt werden kann, war dies bei der Klassifizierung der Leibesfrucht als ,Noch-nicht-Mensch' nicht der Fall. Der Streitpunkt der Menschwerdung war aber gerade eine wichtige argumentative Basis zur Rechtfertigung des § 218. Ebenso galt folgendes: Während die Bedeutung der Vokabel Schwangerschaftsunterbrechung als .unwiderrufliche Beendigung eines spezifischen Zustands einer Frau' eindeutig konventionalisiert war, bestand beim Ausdruck werdendes Leben eine Bedeutungsvarianz, was die Komponenten ,wird erst ein Mensch' versus ,ist schon ein Mensch, der sich nur noch weiterentwikkelt' betraf. Bereits 1971 warnte der katholische Moraltheologe Johannes Gründel: „Aber auch die heute oftmals - selbst von christlichen Kirchen - verwendete Formulierung vom , werdenden Leben\ das geschützt werden soll, ist unklar und wirft die Frage auf: Haben wir es bei dem noch ungeborenen Leben mit noch nicht vollwertigem menschlichen Leben zu tun, das nicht als eigenes zu schützendes Rechtsgut verstanden wird? [...] Um derartige Mißverständnisse zu vermeiden, erscheint es angebrachter, einfachhin von ungeborenem menschlichen Leben zu sprechen." (Gründel 1971, S. 71)
Während im öffentlichen Sprachgebrauch der katholischen Kirche seit 1972 der nunmehr brisant gewordene Ausdruck vermieden wurde, tauchte er in dem SPD/FDP-Minderheitsentwurf von 1972, einer Fristenlösung, sogar ausschließlich auf. Allerdings wurde er auch in dem Regierungsentwurf der Koalition aus dem gleichen Jahr, einem Indikationsmodell mit der später heiß diskutierten Notlagen-Indikation, neben der Vokabel ungeborenes Leben weiterhin verwendet. Indessen findet sich im Regierungsentwurf eine Thematisierung und Kritik des Gebrauchs der Wörter Abtreibung und Schwangerschaftsunterbrechung. Als neuer Terminus wurde stattdessen der als neutral angesehene Ausdruck Schwangerschaftsabbruch eingeführt, da Schwangerschaftsunterbrechung aus den bekannten Gründen (siehe oben) ungenau sei und Abtreibung zur „Kennzeichnung zulässiger ärztlicher Eingriffe" sich nicht eigne, „wie schon der herkömmliche Sprachgebrauch"25 zeige. Dieser Sprachgebrauch fand 1973 im Duden und im Brockhaus seine Niederschrift. Die 25
Regierungsentwurf von 1972, BT-Drs. VI/3434, 9 2.1972, S. 12.
Paragraph 218
571
Brockhaus-Enzyklopädie gibt an: „Schwangerschaftsunterbrechung, besser Schwangerschaftsabbruch [...] die künstliche Herbeiführung einer Fehlgeburt. Der rechtswidrige Schwangerschaftsabbruch heißt - * Abtreibung."26 Daß die Ablösung von Schwangerschaftsunterbrechung durch Schwangerschaftsabbruch auch im Sprachgebrauch der Frauenbewegung nachweisbar ist, mag damit erklärt werden, daß die Bezeichnung Abbruch der Schwangerschaft sich mühelos in das Deutungsmuster der Gegnerinnen des § 218 einfügte. Allerdings verwendete diese Gruppe auch den pejorativen Ausdruck Abtreibung. So trug 1971 die in der Zeitschrift STERN veröffentlichte „Selbstbezichtigungsaktion" prominenter wie unbekannter Frauen, die einen illegalen Schwangerschaftsabbruch hatten vornehmen lassen, den Titel „Wir haben abgetrieben" (STERN 3-6.1971), und 1973 forderte Alice Schwarzer das uneingeschränkte „Recht auf Abtreibung"27. Teils als Provokation, teils als ein Verfahren zur „Umwertung der Werte" verlor der Ausdruck Abtreibung durch die Verwendung in positiv wertenden Kontexten zusehends seine stigmatisierende Wirkung. Vermutlich dadurch, daß Abtreibung kürzer als die Alternatiwokabel Schwangerschaftsabbruch war und sich besser als Wortbildungselement zum Beispiel zur Komposition wie bei Abtreibungswunsch oder zur Derivation wie bei abtreiben, abtreibend, abtreibungswillig eignete, wurde es im öffentlichen Sprachgebrauch immer häufiger auch nicht-pejorativ gebraucht. 1974 schrieb Petra Kipphoff in der ZEIT erläuternd, daß es „[...] in der Sprache der Naturwissenschaften .Schwangerschaftsabbruch' und im Volksmund .Abtreibung' heißt" (26.4.1974). Zahlreiche Wortbildungen mit Abtreibung tauchten auf: Abtreibungswille, Abtreibungshandlung, Abtreibungsfilm, Abtreibungsdebatte, Abtreibungstourismus, Abtreibungsklinik etc. Durch die Neuwahlen von 1972 unterbrochen, wurde die Reformdiskussion 1973 mit der Lesung von diesmal vier verschiedenen Gesetzentwürfen (drei Indikationenmodelle, ein Fristenmodell der Regierungsparteien) erneut eingeleitet und erreichte in diesen und in den folgenden Jahren ihren Höhepunkt. Zahlreiche Demonstrationen pro und contra Fristenlösung fanden statt. Da sich nun auch die Gegnerinnen des § 218 aus pragmatischen Gründen der Forderung nach einer Fristenregelung anschlossen und die Möglichkeit der parlamentarischen Durchsetzung der Drei-Monats-Frist immer stärker auf gesellschaftliche Akzeptanz stieß, begann die katholischen Kirche eine regelrechte Diffamie26 27
Brockhaus-Enzyklopädie 1973, Bd. 17, S. 104f. Schwarzer, Alice: § 218 - Brecht die Macht der Ärzte! In: PAKDON 1973. Zit. nach: Schwarzer 1985, S. 315.
572
Kapitel 14
rungskampagne: Mit NS-Vergleichen wie Fristenlösung = Endlösung, Nazi-Euthanasie, größtes Auschivitz in der europäischen Geschichte, Massenmord oder wie der Kennzeichnung der Regierungsmitglieder als Schreibtischmörder, Euthanasieverbrecher etc.28 wurde gegen die Fristenregelung Stellung bezogen. Der Vergleich Fristenlösung = Endlösung und das öffentliche Bezweifeln, ob in diesem Konfliktfall überhaupt eine Lösung gefunden werden könne, führte schließlich zur allmählichen Ablösung des Ausdrucks Fristenlösung durch Fristenregelung im Sprachgebrauch der Befürworterinnen dieser Regelung. Nunmehr, auf dem Höhepunkt der öffentlichen Kampagne gegen die Fristenregelung, waren werdendes Leben und ungeborenes Leben in der parlamentarischen Debatte als Konkurrenzvokabeln zumindest zwischen den Vertreterinnen der Fristenregelung und denen einer weitgehenden Beibehaltung des bestehenden § 218 klar erkennbar. Als Beispiel sei ein Textauszug aus der Bundestagsdebatte zur ersten Lesung der Gesetzentwürfe zum fünften Strafrechtsreformgesetz (Reform des § 218) vom 17.5.1973 angeführt, in der sich der FDP-Abgeordnete von Schoeler (Fristenregelung) und der CDU/CSU-Abgeordnete Köster (Heck-Entwurf: Anerkennung nur der medizinischen Indikation) sprachkämpferisch betätigten: (Von Schoeler): „[...] Es ist in den letzten Wochen und Monaten in dieser Diskussion viel [...] von dem Schutz werdenden Lebens gesprochen worden. (Abgeordneter Köster: Ungeborenes Leben!) [...] In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Eyrich, muß ich Ihnen eine Frage stellen. Sie haben hier sehr viel von dem Schutz werdenden Lebens geredet. [...] Sie haben damit die Fristenlösung abgelehnt. (Abgeordneter Köster: Er hat vom Schutz der Ungeborenen gesprochen, nicht vom werdenden Leben!) - Wir wollen nicht in Diskussionen über terminologische Fragen eintreten. [...] Sie haben hier in aller Ausführlichkeit von dem Schutz werdenden Lebens gesprochen. (Abgeordneter Köster: Nein, des ungeborenen Lebens!) [...]." (S. 1773)
Zur Zeit der zweiten und dritten Lesung im Bundestag konstatierte die Journalistin Petra Kipphoff: „Es ist jetzt oft und drohend vom ,ungeborene η Leben' die Rede, das geschützt werden muß [...]. Darüber, wann .Leben' zu .menschlichem Leben' wird, gibt es viele Theorien mit ebenso vielen Begründungen." (DIE ZEIT 26.4.1974) Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Bewertungen der Leibesfrucht als ,noch werdendes Leben' oder ,schon gewordenes Leben' wurden in der Debatte der siebziger Jahre vorwiegend kausal mit der Bewertung des Selbstbestimmungsrechts der Frau in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs in Verbindung gebracht. Die Reform28
Vgl. DIE ZEIT 4.5.1973; DER SPIEGEL (21.5.1973), H. 21, S. 39, 46.
Paragraph 218
573
gegnerinnen warfen den Vertreterinnen einer ersatzlosen Streichung des § 218 (und später der Fristenregelung) zugunsten des Selbstbestimmungsrechts der Frau vor, sie blendeten das ungeborene Kind mit dieser Forderung aus ihren Überlegungen völlig aus.29 Insbesondere die Parole der Frauenbewegung Mein Bauch gehört mir! und Formulierungen wie das Recht, über den eigenen Körper selbst zu bestimmen wurden entsprechend thematisiert.30 So entgegnete Kardinal Höffner in einem Interview im Februar 1972: „Die Straffreiheit der Abtreibung kann nicht mit dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung begründet werden. Denn bei der Frage, ob ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden soll, entscheidet die Frau nicht über sich selbst oder über ihren Körper, sondern über fremdes, eigenständiges Leben."31
Die Reformgegnerinnen zogen die Schlußfolgerung, die Forderung nach einer Selbstbestimmung der Frau im Falle der Abtreibung sei ein Zeichen von Ichsucht, Verantwortungslosigkeit, persönlicher Willkür, Bequemlichkeit und ähnlichem.32 Durch solche Interpretationsvokabeln sowie durch die explizite Kritik des Ausdrucks Selbstbestimmung anhand der Remotivierung des Präfixes Selbst- als unangemessen und durch Bildung der negativen Interpretationsvokabel Verfügungsrecht (über das ungeborene Kind)ii wurde der Gebrauch des Ausdrucks Selbstbestimmungsrecht der Frau schließlich brisant. Die Vertreterinnen des Selbstbestimmungsrechts gewichteten die Vokabel indessen völlig anders. Jenseits der - im übrigen auch unter Selbstbestimmungs-Befürworterlnnen umstrittenen - Ausblendung der Leibesfrucht wurde mit der Forderung nach Selbstbestimmung in erster Linie gegen den (patriarchalischen) „Gebärzwang" (Schwarzer 1971, S. 138f.) und die Ausbeutung der Frau als „Gebärmaschine"34, gegen „Fremdbestimmung"35 und für „persönliche Freiheit 29
30 31 32 33
34
So bestand der Grund für das auf Betreiben der Deutschen Bischofskonferenz zustande gekommene Absetzen eines „Panorama"-Filmbeitrags im März 1974 über einen von Alice Schwarzer begleiteten Schwangerschaftsabbruch nicht nur darin, daß dieser ohne Indikation und damit illegal vorgenommen wurde (vgl. ABENDZEITUNG 12.3.1974). Das eigentlich Skandalöse schien vielmehr gewesen zu sein, daß, wie die HAMBURGER MORGENPOST berichtete, „von der Abtreibung [...] gar nichts zu sehen (war)" (13-3.1974) und daß man nicht erwähnte, „daß menschliches Leben getötet wurde" (Landesbischof Heintze. In: BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG 18.3.1974). Zur Verwendung der Terminologie seitens der Liberalisierungsparteien vgl. beispielsweise DIE WELT 1 1 . 7 . 1 9 7 0 ; NEUE PRESSE 1 0 . 7 . 1 9 7 0 ; DER SPIEGEL ( 3 1 - 5 . 1 9 7 1 ) , H . 2 3 , S. 1 3 5 . KATHOUSCHE NACHRICHTEN-AGENTUR ( K N A )
21.2.1972. Zit. nach: Panzer 1972, S. 111. Vgl. hierzu Eyrich (CDU/CSU). In: BT 17.5.1973, S. 1809 sowie zahlreiche Beiträge in dem Sammelband von Panzer 1972, hrsgg. von der Deutschen Bischofskonferenz. Vgl. hierzu Panzer 1972, aber auch den Strafrechtler Jürgen Baumann auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Bad Boll zum Abtreibungsrecht. In: DIE WELT 24.2.1971. V g l . STERN 5 . 8 . 1 9 7 1 .
574
Kapitel 14
und ungehinderte Entfaltung" (ABENDZEITUNG MÜNCHEN 4 . 6 . 1 9 7 1 ) und eine „sittliche, freie und eigenverantwortliche Entscheidung"36 der Frauen gestritten. Offenbar setzte sich öffentlich jedoch die Assoziation von Selbstbestimmung mit der Negierung der Leibesfrucht als „schützenswertes Rechtsgut" durch. Jedenfalls wurde der Ausdruck während der gesamten Debatte insbesondere in öffentlichen Verlautbarungen pro Fristenlösung von Seiten der Regierungsparteien zumeist vermieden. Stattdessen wurde von verantwortlicher Entscheidung, freier Entscheidung und von selbst entscheiden gesprochen37 - eine Vermeidungs- und Entschärfungsstrategie, die auch auf der Remotivierung des Suffixes -bestimmung versus Entscheidung beruhen könnte. Im April 1974 wurde die Fristenregelung schließlich vom Bundestag angenommen und im Juni als 5. Strafrechtsreformgesetz (StRG) verkündet. Aufgrund einer Normenkontrollklage einiger CDU/CSU-regierter Länder beim Bundesverfassungsgericht (BVG) trat das neue Gesetz jedoch nie in Kraft. Mit seinem Urteil vom 2 5 2 . 1 9 7 5 erklärte das BVG die vom Bundestag verabschiedete Fristenregelung für verfassungswidrig. Dort hieß es: „[...] der Lebensschutz der Leibesfrucht genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden."38 Des weiteren nahm das BVG eindeutig Stellung zum Tötungsvorwurf und äußerte sich dabei auch sprachthematisierend: „Der Abbruch einer Schwangerschaft zerstört unwiderruflich entstandenes menschliches Leben. Der Schwangerschaftsabbruch ist eine Tötungshandlung; das wird aufs deutlichste dadurch bezeugt, daß die betreffende Strafdrohung [...] im Abschnitt .Verbrechen und Vergehen wider das Leben' enthalten ist und im bisherigen Strafrecht als ,Abtötung der Leibesfrucht' bezeichnet war - die jetzt übliche Bezeichnung als .Schwangerschaftsabbruch' kann diesen Sachverhalt nicht verschleiern."39
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschloß denn auch die erste „heiße" Phase der Abtreibungsdebatte. Die Bundestagsdebatten um die im Anschluß vorgelegten beiden Gesetzentwürfe wurden mit der Annahme einer weitgefaßten Indikationenregelung am 1 2 . 2 . 1 9 7 6 vorläufig
35 36 37 38 39
Funcke (FDP). In: BT 17.5.1973, S. 1804 und Maihofer (FDP). In: BT 25.4.1974, S. 6357. Vgl. außerdem den Offenen Brief Janssen-Jurreits an den Bundespräsidenten vom 25 2.1975. In: Janssen-Jurreit 1986, S. 341ff. SPD/FDP-Minderheitsentwurf von 1972 (Fristenlösung), BT-Drs. VI/3137, 9.2.1972, S. 3f. Vgl. die Äußerungen von Schoeler im BT 17.5.1973, S. 1775 und von Funcke im BT 12.2.1976, S. 15354. Urteil des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts. In: Arndt u.a. 1979, S. 388. Ebd.
Paragraph 218
575
beendet. 40 Mit der relativ offenen Formulierung einer Notlagen-Indikation bzw. sozialen Indikation, die durch einen Arzt eigener Wahl gestellt werden sollte41, die BVG-Vorgaben nach damaliger Auffassung weitgehendst ausschöpften, wurde gleichsam der Grundstein zur zweiten Phase der Abtreibungsdiskussion gelegt (Stichwort verkappte Fristenlösung). Einen weiteren späteren Diskussionspunkt bildete die Beratungsregelung, deren konkrete Ausgestaltung den jeweiligen Ländern vorbehalten blieb. Grundsätzlich wurde die Pflicht festgeschrieben, sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff über zur Verfügung stehende Hilfen für Schwangere, Mütter und Kinder und die ärztlich wichtigen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs durch eine öffentlich-rechtlich anerkannte Beratungsstelle oder einen öffentlich-rechtlich als Berater anerkannten Arzt, der den Abbruch nicht vornehmen wird, beraten zu lassen (§ 218b). Sprachlich bleibt für das Ende der Reformphase festzuhalten: Der Ausdruck werdendes Leben verlor am Ende der Diskussion seine Brisanz, allerdings wurde im Sprachgebrauch der Unionsparteien der Vokabel ungeborenes Leben deutlich der Vorzug gegeben. Schwangerschaftsabbruch war zu d e m führenden juristischen Terminus geworden, während Abtreibung seinen ausschließlich pejorativen Charakter verloren hatte. Die Forderung des Selbstbestimmungsrechts der Frau blieb im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch insbesondere angesichts des BVG-Urteils brisant, während der Tötungsvorwurf dort eine Legitimation erfuhr. Und ein Wort blieb nach wie vor in den Schlagzeilen: der Abtreibungstourismus, eine recht zynische Bezeichnung dafür, daß viele betroffene Frauen den Abbruch im Ausland (England, Holland)42 oder it. einem anderen Bundesland mit liberaleren Vorschriften vornehmen ließen und dadurch das Abtreibungsrecht im eigenen (Bundes-) Land umgingen.
40 41
42
Vgl. BGBl. I, 1976, S. 1213. So heißt es in 5 218a Abs.2 Satz 3: „Der Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt ist nicht nach S 218 strafbar, wenn [...] nach ärztlicher Erkenntnis [...] der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die a) so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann und b) nicht auf eine andere der Schwangeren zumutbare Weise abgewendet werden kann" (BGBl. I, 1976, S. 1213). Nach Holland fahren wurde in der Umgangssprache Mitte bis Ende der siebziger Jahre zum geflügelten Wort.
576
Kapitel 14
2. Tendenzen zu einer konservativen Gegenreform in den achtziger Jahren Die zweite Phase der § 218-Diskussion von 1979 bis 1989 unterschied sich von der ersten im wesentlichen in drei Punkten: 1. waren die Protagonisten der Offensive diesmal nicht Vertreterinnen der Frauenbewegung, sondern Vertreterinnen der Betvegung zum Schutz des Lebens, 2. erfolgte im allgemeinen eine Entkopplung der Bewertung der Leibesfrucht als menschliches Leben von den Forderungen nach strafrechtlicher Verfolgung bzw. Streichung des § 218 und 3- wurde viel diskutiert und interpretiert, aber schließlich nichts reformiert. Vertreterinnen der CSU und der katholischen Kirche begannen 1979 mit einer restaurativen Offensive, die sich insbesondere gegen die Notlagenindikation und die Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenkassen richtete. Dabei machte man sich die Aktualität der Aufarbeitung der NSGeschichte in der Bundesrepublik zunutze und versuchte, mit stigmatisierenden Vokabeln und Vergleichen wie Massenmord, Weg zurück nach Auschwitz44, Holocaust45, Embryocaust, Babycaust46 etc. gegen die bestehende Regelung des § 218 zu polemisieren. Im Zuge der „Wende"-Politik erhielt die sich etablierende Lebensschutzbewegung politische Unterstützung auf Bundesebene: In der eigens von Bundesfamilienminister Heiner Geißler (1982-1985) gegründeten interministeriellen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz des ungeborenen Lebens setzte man je-
43
Nachdem der CSU-Abgeordnete Hartwig Holzgartner die bundesrepublikanische Abtreibungsregelung mit dem Massenmord der Nazis verglichen hatte und dafür in der Öffentlichkeit angegriffen wurde, stellte sich Kardinal Höffner schützend vor ihn und erklärte: „[...] wenn Abtreibung Mord ist, dann sind 73 000 Abtreibungen (im Jahr 1978) eben doch ein Mord in Massen" (DER SPIEGEL (13.8.1979), H. 33, S. 32). Eine NEUE BLLDPOST-Mitarbeiterin begründete ihre Klage beim Dortmunder Sozialgericht gegen die Kassenfinanzierung des Schwangerschaftsabbruchs damit, sie wolle mit ihren Beiträgen nicht „Beihilfe zum Massenmord" leisten (vgl. DER SPIEGEL (14.2.1983), H . 7 , S . 19FF.).
44 45
46
Holzgartner (CSU): „Die Nationalsozialisten haben die Juden getötet, und die internationalen Sozialisten töten ungeborenes Leben. Das, was in unserem Volke geschieht, ist exakt der Weg zurück nach Auschwitz" (DER SPIEGEL (13 8.1979), H. 33, S. 31). Holocaust wurde in der Bundesrepublik durch die vielbeachtete 1979 ausgestrahlte gleichnamige US-Serie über die Judenverfolgung als Ausdruck bekannt. Die Gesellschaft für deutsche Sprache bezeichnete Holocaust 1979 als das „ernsteste und erschütterndste Wort des Jahres" (zit. nach: DER SPIEGEL (14.2.1994), H. 7, S. 188). Spiecker (Professor für christliche Sozialwissenschaft): Abtreibung bedeute „massenhafte Tötung, einen Holocaust, der alleine in der Bundesrepublik in wenigen Jahren rund 1 Million Opfer fordert" (RHEINISCHER MERKUR 29-6.1984). Eva Rühmkorf berichtet, Holocaust und Embryocaust seien aus den USA importierte Ausdrücke, die von verschiedenen Lebensschutzinitiativen wie zum Beispiel dem Europäischen Ärztebund aufgegriffen worden seien (vgl. Rühmkorf 1984, S. 71). Vgl. auch STERN 9 . 2 . 1 9 8 4 , S. 1 6 .
Paragraph 218
577
doch nicht mehr auf die Forderung nach Verschärfung des § 218, sondern auf folgende Strategien und Zielsetzungen: Erstens wurde der Ausbau finanzieller Hilfen in Angriff genommen mit dem Argument, daß auf diese Weise die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche aufgrund der (sozialen) Notlagenindikation extrem reduziert werde.47 So behauptete Geißler, daß durch die Schaffung der Bundesstiftung Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens und die Einführung eines Erziehungsgeldes „keine Frau mehr in eine soziale Notlage kommen könne, weil sie ein Kind bekommt."48 Seine Gegnerinnen sahen hierin den Versuch einer gesetzestextwidrigen Eingrenzung des Strafrechtsterminus Notlage auf die soziale Notlage bzw. des Attributs sozial auf finanzielle Aspekte und wendeten sich in diesem Zusammenhang auch gegen den Ausdruck soziale Indikation,49 Verena Krieger (DIE GRÜNEN) erläuterte diesen Ansatz als erfolgreiche Strategie zur interpretatorischen Verschärfung des § 218: „Die einzige reale Verbesserung des § 218 besteht in der Einführung der Notlagenindikation, die gewisse Interpretationsmöglichkeiten [...] zuläßt. Dementsprechend richtet sich das Hauptaugenmerk der Abtreibungsgegner auf diese von ihnen so genannte .soziale' Indikation. Diese UmFormulierung ist nicht zufällig. Denn durch die falsche Gleichsetzung von .sozial' und .finanziell' soll die Definition einer Notlage auf materielle Gründe beschränkt werden. Andere Motive - psychische, berufliche, partnerschaftliche usw. - fallen so unter den Tisch. Das entspricht nicht dem Gesetz [...]. Trotzdem ist es der Rechten bereits gelungen, im allgemeinen Bewußtsein ihr Verständnis einer .sozialen' Notlage zu verankern." (Krieger 1987, S. 60)
Ein Anlaß, bei dem die Frage nach der Auslegung des Terminus Notlage virulent und öffentlich diskutiert wurde, war der Abtreibungsprozeß im „Fall Theissen" 1988/89· Das Gerichtsverfahren gegen den Memminger Gynäkologen Horst Theissen, dem die Durchführung rechtswidriger Schwangerschaftsabbrüche zur Last gelegt wurde, und gegen über hundert seiner Patientinnen ist auch bekannt und kritisiert worden als „Memminger Hexenprozeß" oder „Hexenjagd in Bayern"50. Dieser metaphorische Bezug bedeutete vor allem eine Kritik an der als inquisitorisch empfundenen Form der Prozeßführung und der Befragung der betroffenen Frauen. Er bedeutete aber auch die Stigmatisierung eines Gerichtsverfahrens, das die (auf subjektives Wahrnehmen und Vertrauen ge-
47 48 49 50
Vgl. hierzu die Dokumentation von Dorothea Brück 1987, S. I6lff. IDEA (1985), H. 5, S. 9. Zit. nach: Brück 1987, S. 184. Vgl. Augstein; Koch 1984, S. 94, 105f.; Amendt 1988, S. 98f. Der SPIEGEL (19 9.1988), H. 38, Titelblatt. Vgl. auch Spruchbänder auf einer Demonstration
in
Memmingen.
2 . 3 1 9 8 9 , S. 2 6 8 .
In:
WESTDEUTSCHE
ALLGEMEINE
ZEITUNG
27.2.1989;
STERN
578
Kapitel 14
gründete) ärztliche Erkenntnis - und Interpretation - einer Notlage für juristisch objektiv überprüfbar erachtete.51 Als zweites sollte ein bundeseinheitliches Schwangerenberatungsgesetz eine „Tendenzwende"52 einleiten. Der Gesetzentwurf vom 25.1.1988 schrieb nach dem Vorbild des Landesgesetzes von Bayern eine örtliche und personelle Trennung von Beratung, Indikationsstellung und Abbruch und ausdrücklich eine Beratung zugunsten des Lebens vor.53 Dieses aufp-und von Koalitionsuneinigkeiten nicht zustande gekommene Gesetz5 wurde von gegnerischer Seite als Bevormundungsgesetz, Überredungs-Beratung und Hürdenlauf kritisiert?5 Als drittes langfristiges Ziel wurde von der CDU/CSU insbesondere die Erzeugung eines (ethischen) Bewußtseinswandels in der Bevölkerung angestrebt, und zwar in Richtung einer Bewertung der Leibesfrucht als schützenswertes menschliches Leben und des Schwangerschaftsabbruchs als Tötung.56 Dieses schließlich auch gerade sprachstrategisch orientierte Ziel wurde auf dem Wiesbadener Parteitag der CDU 1988 ausdrücklich als Programmpunkt beschlossen. Dort hieß es laut RHEINISCHER POST: „.Über menschliches Leben darf niemand verfugen - nicht am Lebensanfang und auch nicht am Lebensende. Geborene und ungeborene Kinder, kranke, behinderte und sterbende Menschen brauchen besonderen Schutz und besondere Unterstützung.' Eine Verschärfung des Strafrechts dient nach Ansicht des Parteitags nicht dem besseren Schutz des ungeborenen Kindes. Wichtiger sei, stärker ins Bewußtsein zu bringen, daß menschliches Leben von der Vereinigung der Eizelle mit der Samenzelle an vorhanden sei." (15.6.1988)
Auf dem Wiesbadener Parteitag wurde von der „progressiven" CDUGruppe um Geißler und Süssmuth auch die Parole Helfen statt Strafen ausgegeben, die unter anderem für den Ausbau finanzieller Hilfen als sinnvollere Alternative zu einer strafrechtlichen Verschärfung des § 218 werben sollte.57 Von Abtreibungsgegnerinnen wurde sie umgewandelt in 51
Vgl. hierzu im besonderen die Verteidiger Theissens, Cobler und Kreuzer, in dem Dokumentationsfilm „Mit unnachgiebiger Härte" von Heike Mundzeck, gesendet am 2.2.1989 um 20.15h in der ARD. Des weiteren vgl. FRANKFURTER RUNDSCHAU 1.12.1988, 25.4.1989;
52 53 54 55
DER SPIEGEL ( 6 . 2 . 1 9 8 9 ) ,
H . 6 , S . 8 2 ; RHEINISCHE POST 8 . 5 . 1 9 8 9 ;
DIE ZEIT
12.5.1989. Waigel (CSU). In: RHEINISCHE POST 16.5.1988. Vgl. den Gesetzentwurf „Gesetzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Beratung im Rahmen des § 218". Abgedruckt in: DEUTSCHE VOLKSZEITUNG 11.3.1988. Vgl. auch Naumann 1987, S. 2; Böller 1988, S. 396. Zu den konfligierenden Standpunkten von FDP und CSU vgl. beispielsweise die Stellungnahmen in der RHEINISCHEN POST 21.2.1989.
56
Vgl. Böller 1988, S. 396f.; Schmalz-Jacobsen (FDP). In: DIE ZEIT 3-6.1988; Naumann 1987, S. 6; DIE ZEIT 17.11.1989. Vgl. Brück 1987, S. 169.
57
V g l . FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 5 . 6 . 1 9 8 8 ; RHEINISCHE POST 1 5 . 6 . 1 9 8 8 .
Paragraph 218
579
die Parole Helfen statt Töten, in der der moralische Appell gegen den Schwangerschaftsabbruch steckte.58 Die Strategien zum intendierten Wertewandel in Sachen Schwangerschaftsabbruch konzentrierten sich wie schon in den siebziger Jahren - auf die Präsentation der Leibesfrucht als individuelles menschliches Wesen. Neu war hingegen die Konzentration auf ein werbewirksames Zusammenspiel von Sprache und Bild. Zur positiven Werbung für ein Austragen der Leibesfrucht wurden Werbeplakate59 und Broschüren herausgegeben, die die Entwicklungsstadien der Leibesfrucht anhand von kolorierten Photographien aus dem Uterus dokumentierten und mit entsprechenden Kommentaren versehen waren. In der unter der Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth (1985-1988) 1987 herausgegebenen und von Katharina Zimmer erstellten Broschüre „Das Leben vor der Geburt" wird dabei der These von der phylogenetischen Entwicklung der Leibesfrucht vom Einzeller über Amphibie bis zum Säugetier ausdrücklich widersprochen. Diese war noch in den siebziger Jahren von weiten Teilen der § 218-GegnerInnen vertreten worden. In einer Kombination von Aufklärung und persuasivem Sprachgebrauch wandte sich Zimmer gegen den Glauben, „[...] das ungeborene Kind sei [...] ein unempfindliches [...] Etwas. Ein Zellklumpen - denken heute noch viele Frauen und meinen damit den Embryo. Als Embryo bezeichnen Wissenschaftler das ungeborene Kind in den ersten acht Wochen. Danach sprechen sie von Fötus."
Süssmuth fügte erläuternd hinzu: „Es wird heute ernsthaft nicht mehr bestritten, daß auch vorgeburtliches Leben personales menschliches Leben ist. Mensch wird man also nicht erst mit der Geburt. Diese Erkenntnis bringt uns die vorliegende Broschü58
Vgl. Transparent-Parolen auf einer Demonstration in Bremen. Abgebildet in: DER SPIEGEL (13.5.1991), H. 20, S. 18.
59 60
Zum Beispiel die Großaufnahme eines Fötus mit der Überschrift: „Ich will leben". Abgebildet in: Paczenzky 1988, S. 15. Zur Argumentation vgl. auch die Schrift von Erich Blechschmidt: „Der Irrtum Haekkels. Entscheidende Phasen der menschlichen Frühentwicklung", hrsgg. von der Europäischen Ärzteaktion. Hans Wagner thematisiert in seinem Buch „Medien-Tabus und Kommunikationsverbote" das weitreichende öffentliche Verschweigen von Argumenten aus der „pränatalen Medizin", die bereits in den siebziger Jahren mit der medizinischen Fehlvorstellung Ernst Haeckels von einer phylogenetischen Entwicklung während der Schwangerschaft vom Einzeller zum Menschen aufgeräumt habe. Er kritisiert die Medienberichterstattung in den siebziger Jahren, die das Deutungsmuster der Leibesfrucht als in mehreren Stadien sich erst zum Menschen entwickelndes Wesen wider besseres Wissen oder ohne sich besseres Wissen anzueignen übernommen und verbreitet habe. Dieses Phänomen bezeichnet er als ein „medienproduziertes Tabu" (Wagner 1991, S. 181) zugunsten eines politischen Kalküls, der Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Erst in den achtziger Jahren sei dieser Standpunkt, vermittelt durch entsprechende Aufklärungsarbeit bis hin zu den strategisch eingesetzten kolorierten überdimensional vergrößerten Aufnahmen von Föten im Uterus, allgemein aufgegeben worden (vgl. ebd., S. 178ff.).
580
Kapitel 14
re nahe. [...] Das u n g e b o r e n e braucht genauso w i e das g e b o r e n e Kind unseren Schutz und die Achtung seiner Würde." (Zimmer 1987, Klappentext)
In gleicher Weise arrangierte das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz seine Broschüre über die „Stufen des Lebens" und gab ihr den Titel „Mensch von Anfang an". Einerseits wurde von Abtreibungsgegnerinnen die Hochwertvokabel Leben für ihre Programme zum Schutz der Leibesfrucht „besetzt"61, andererseits wurde zum Zwecke der Personalisierung der Leibesfrucht von dieser Terminologie auch abgewichen. So wurde im offiziellen Sprachgebrauch der CDU/CSU der Ausdruck ungeborenes Leben durch ungeborenes Kind abgelöst.62 Der positiven Werbung „für das Leben" korrespondierte die negative Werbung „gegen die Tötung". Während sich viele „Lebensschützer" auch hierbei des Zusammenwirkens von Bild und Sprache bedienten und mit abschreckenden Photographien und Filmdokumentationen über den Vorgang und das Resultat eines Schwangerschaftsabbruchs in Hinblick auf die Leibesfrucht protestierten63, beschränkte sich die Regierungspartei CDU/CSU auf die verbale Ebene. 1988 forderte Bundesminister Norbert Blüm, nicht mehr von Abtreibung zu sprechen, weil dieser Ausdruck den Tatbestand verharmlose, sondern von Tötung·. „Man m u ß das Bewußtsein schaffen, damit das Recht akzeptiert wird. [...] Bewußtsein herstellen heißt auch Klarheit der Sprache. [...] Abtreibung hört sich an w i e ein Stück Holz, das auf d e m Rhein abgetrieben wird. Man m u ß es Tötung nennen."
Anderen reichte diese Stigmatisierung noch nicht aus. Sie verdeutlichten ihre Auffassung durch Bezeichnungen wie Mord und Massenmord oder NS-Vergleiche. Besonders umstritten war ein Beitrag der Münsteraner Bistumszeitung KIRCHE UND LEBEN, in dem der „Massenmord" durch .Aböl
62 63
64
Vgl. hierzu die Selbstbezeichnungen der verschiedenen Initiativen: Bewegung für das Leben e.V. (Dachverband zum Schutz der Ungeborenen); Aktion Lebensrecht für alle; Aktion für das Leben e.V.; Insel für das Leben; Jugend a.g. für das Leben; Hoffnung für das Leben; Pro vita - Ja zum Leben (vgl. Rühmkorf 1984, S. 76). Vgl. auch Parteitagsbeschluß der CDU von 1988. In: RHEINISCHE POST 15.6.1988. So präsentiert die radikale „Aktion Leben e.V.", die keine Indikation anerkennt, in einem Faltblatt mit einschlägigen Photographien die Wirkungen der jeweiligen Abtreibungsmethoden auf die Leibesfrucht. In dem Film „Der stumme Schrei", der 1985 vom NDR gesendet wurde, wird eine mit einer intrauterinen Kamera aufgenommene Abtreibung gezeigt. Die Reaktionen der Leibesfrucht werden laut TAZ als „,Flucht' des Fötus vor der .Mordwaffe'" und „Schrei eines Kindes, das jedoch noch nicht laut schreien könne" (DIE TAGESZEITUNG 15.1.1985), kommentiert. Zit. nach: DER SPIEGEL (25.4.1988), H. 17, S. 16. Dementsprechend wurde die seit Ende der achtziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland kontrovers diskutierte sogenannte Abtreibungspille RU 486, die in Frankreich und England bereits auf dem Markt war, als Todespille bezeichnet (vgl. die frauenpolitische Sprecherin der CDU/CSU Claudia Nolte in: FRANKFURTER RUNDSCHAU 13.11.1991; vgl. auch STERN 14.12.1989, S. 32) .
Paragraph 218
581
treibung" mit der Judenvernichtung im Dritten Reich verglichen wurde und aus äußerst zweifelhaften Gründen als noch verachtenswerter befunden wurde: von seinen Motiven („rücksichtslose Selbstsucht" statt „Ideologie") als „moralisch noch niedriger anzusetzen", von der Wehrlosigkeit der Opfer („ungeborene Kinder" statt „erwachsene Menschen") her als charakterlich „noch abgründiger" und wegen der Enttabuisierung der Abtreibung („geschieht [...] in aller Öffentlichkeit" statt in KZs „vor der Bevölkerung [...] verborgen") als noch schamloser.65 Die bildliche und sprachliche Personalisierung der Leibesfrucht (bei gleichzeitiger Ausklammerung der Frau), die programmatische Verwendung der Ze¿>e«5-Terminologie und der Tötungsvorwurf bildeten also die zentralen Ansatzpunkte der „Lebensschutzbewegung", um einen öffentlichen Bewußtseinswandel in Sachen Schwangerschaftsabbruch zu bewirken. Demgemäß richtete sich die Hauptkritik ihrer Gegnerinnen gegen diese Strategien, die sie als eine psychologische Kriminalisierung der betroffenen Frauen kritisierten. Eine grundlegende sprachthematisierende Kritik bezog sich auf die programmatische „Besetzung" des Ausdrucks Leben bzw. Schutz des Lebens. Den Abtreibungsgegnerinnen wurde vorgeworfen, sie vereinnahmten das Hochwertwort Leben als Legitimationsvokabel einer (juristischen und/oder ethischen) Pflicht zur Austragung der Schwangerschaft bei gleichzeitiger Minderbewertung des Willens der Schwangeren und der Selbsteinschätzung ihrer Lebenslage. Barbara Sichtermann konstatierte: „Sie haben die Begriffe besetzt" und hob vor allem auf eine sprachliche Verwischung der Grenzen zwischen Ungeborenem und Geborenem ab: „Die Fachtermini wichen generalisierenden Verdikten, die dürren Idiome des Rechts dem saftigen Wortschatz der Erweckung. Was ist ein Fötus gegen ,das Leben', ein Schwangerschaftsabbruch gegen .Tötung', was die Familienplanung gegen ,das bedrohte Lebensrecht' und ein befruchtetes Ei gegen einen .lebendigen Menschen'? [...] Die Tatsache, daß Abtreibung so und nicht Tötung genannt wird, daß es .austragen' heißt und nicht .eine Entscheidung für das Leben fällen', und daß für die junge Frucht das Wort .Fötus' bereitsteht, ist Ausdruck dieses Fortschritts, der eben nicht Leben gleich Leben setzt. Auf dieser Terminologie wäre zu beharren, denn sie, die dürren Worte, reflektieren unser aller Erfahrung, derzufolge Schwangerschaft und Mutterschaft zweierlei sind und derzufolge es Lebenslagen gibt, in denen eine Frau nicht Mutter werden kann und will, obwohl sie schwanger ist." ( D I E Z E I T 2 3 . 6 . 1 9 8 9 )
Parallel zu dieser Sprachkritik starteten einige Feministinnen den Versuch einer „Rückeroberung" der gegnerischen Leitvokabel Leben. Auf einer Gegenveranstaltung zum Aachener Kirchentag formulierte Alice Schwarzer: 65
KIRCHE UND LEBEN 23.1.1983. Zit. nach: DER SPIEGEL (14.2.1983), H. 7, S. 20.
582
Kapitel 14
„Respekt vor dem Leben? Natürlich kann man da nur sagen: Ja. [...] Wir haben diesen Respekt. Respekt vor dem Leben der Frau. Respekt vor dem Leben des Kindes. Wir sind gegen mißhandelte, mißbrauchte Kinder, wir sind gegen ungewollte Kinder. [...] Wir sind gegen Zwangsmutterschaft. Wir sind für geplante und gewollte Mutterschaft." (Schwarzer 1986, S. 47)
Maggy Origer fügte hinzu: „Hinter der scheinheiligen Empörung der .Lebensrechtler' steckt kein Deut Respekt vor dem Leben! [...] Aber Frauen, die das Leben mit den Kindern tragen, wird das Recht, über dieses Leben selbst zu entscheiden, verweigert." (Ebd., S. 52)
Die bildliche und sprachliche Personalisierung der Leibesfrucht wurde als zwar imaginäre, jedoch äußerst suggestive Abkopplung der Leibesfrucht von der Schwangeren kritisiert, mit der die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Leibesfrucht gelenkt werde und die Assoziation eines eigenständigen und „vollwertigen" menschlichen Lebewesens hervorgerufen werden sollte. In Hinblick auf den veränderten Sprachgebrauch innerhalb der CDU bemerkte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP): „Wo vordem vom .werdenden Leben' gesprochen wurde, schleicht sich immer häufiger die Formulierung vom .ungeborenen Kind' in die Rede ganz so, als sei der Embryo ohne die Frau lebensfähig" (DIE ZEIT 3-6.1988). Ebenso äußerte sich die ZEIT-Autorin Margit Gerste: „Man spricht nicht mehr vom .werdenden Leben', sondern von .ungeborenen Kindern'. Der Fötus wird zur unabhängigen Person, zum Individuum, hinter dem die Frau fast verschwindet" (DIE ZEIT 12.5.1989). Irmgard Schultz befand, daß die Vorstellung vom (ungeborenen) „Kind", die durch die Kombination von Bild und Sprache aktiviert worden sei, die Wahrnehmung von der „Schwangerschaft" als spezifischem Zustand des weiblichen Körpers auch innerhalb der Frauenbewegung überschattet habe, und erläuterte: „Wurde er [der nasciturus=die Leibesfrucht] im schnodderigen Sprachgebrauch vor zehn Jahren erbarmungslos als ,Fötus' bezeichnet, eine Ansammlung von Zellklumpen, zu dem unweigerlich die Assoziation .abgetrieben' und ,im Abfalleimer' sich einstellt, so hat er inzwischen ein niedliches Kindchenschema entwickelt [...]." (Schultz 1987. S. 53)
Entgegen der „Illusion des Embryos als eines eigenen Wesens" gelte es wieder, „die Schwangerschaft als eine Beziehung zu begreifen, die von der Frau bewußt hergestellt werden muß" (ebd., S. 55). Auf dem Frau66
Der Vorwurf eines nicht mehr nur imaginären „Zerlegen(s) der Einheit von Fötus und Mutter" und der Herabwürdigung der Frau „zum Gefäß und Instrument" (Frankfurter Rundschau 22.10.1992), zur „Gebär-" und „Brotmaschine" (Frankfurter Rundschau 19 10.1992; Leserbriefe der Frankfurter Rundschau 311 1992 und 10.11.1992) bei gleichzeitiger Umdeutung des Fötus zum „von ihr unabhängigen Objekt, das von
Paragraph 218
583
enkongreß zur Gen- und Reproduktionstechnik im April 1985 in Bonn verwies Silvia Kontos auf den psychischen Konflikt, der durch den sprachlich-visuell vermittelten Bewußtseinswandel erst entstehe: „Natürlich ist es leichter, eine .Schwangerschaft' zu unterbrechen, die sich lediglich in allgemeinen körperlichen Veränderungen manifestiert hat, als ein ,Kind' abzutreiben, von dem Frau bereits das ,Ultraschallbild' in der Tasche trägt." 67
Was die Stigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs und der ihn Vornehmenden durch NS-Vergleiche und den Mord-Vorwurf betraf, so reagierten die Befürworterinnen der Abtreibung mit Empörung. Vergleiche zwischen dem Schwangerschaftsabbruch und NS-Taten wurden als unverantwortliche Verharmlosung der NS-Verbrechen und unerträgliche Diffamierung der betroffenen Frauen und Ärztinnen bezeichnet, der Mord-Vorwurf als juristisch unhaltbar kritisiert.68 Mit der Entkräftung des Tötungsvorwurfs indessen taten sich auch Teile der Frauenbewegung schwer.69 Auf dem Forum „Abtreibung neu diskutieren", zu dem die Fraktionsfrauen der GRÜNEN 1988 geladen hatten, blieb Susanne von Paczenskys Aufforderung, die Leibesfrucht nicht als menschliches Leben oder Kind zu betrachten und Abtreibung nicht als Tötung zu bezeichnen - gerade „weil das Tötungstabu nicht relativiert werden darf" - nicht unwidersprochen.70 Diese „geistig-moralische Wende" innerhalb der Frauenbewegung war jedoch nicht erst das Produkt der Lebensschützerkampagnen. Innerhalb der mittlerweile stark zersplitterten Frauenbewegung etablierten sich in den späten siebziger und den achtziger Jahren neokonservative Einstellungen, die als Neue Weiblichkeit bzw. Neue Mütterlichkeit bezeichnet wurden.71 Im Kontext der politisch relativ weit gestreuten Friedens- und der Anti-Atomkraft- und Ökobewegung, deren
67 68 69
70 71
Wissenschaft, Staat und Kirche mit eigenen Rechtsansprüchen und Interessen belebt werden kann" (FINNAGE. In: Frankfurter Rundschau 18.10.1992), wurde in der öffentlichen Diskussion um das sogenannte Erlanger Baby im Oktober und November 1992 laut. Hierbei ging es um den Fall, daß eine hirntote, im vierten Monat schwangere Frau um des Lebens des Fötus willen künstlich am Leben erhalten wurde. Als nach mehr als fünf Wochen der Fötus starb, wurden die medizinischen Geräte abgeschaltet. Kontos 1986, S. 141. Zu den Thematisierungen und Konklusionen aus dem visuell unterstützten Sprachgebrauch der Abtreibungsgegnerinnen vgl. auch Krieger 1989Vgl. Paczensky 1980; Paczensky/Sandrozinski 1984, Vorbemerkung; Rühmkorf 1984, S. 73ff.; Schwarzer 1986, S. 46f.; Paczensky 1988, S. 9. Gerhard Amendt charakterisierte die Haltung der Linken und der Frauenbewegung gegenüber der Abtreibung als „Mit dem Kopf dafür, mit dem Hetzen dagegen!" (vgl. Amendt 1985) und forderte eine offene Diskussion über den Tötungsvoiwurf, den er in einem späteren Buch als „aufklärbaren Mythos" (Amendt 1988, S. 27) zur Bewältigung von Phantasien über die eigene Unerwünschtheit analysierte. Vgl. DIE TAGESZEITUNG 19-12.1988. Vgl. auch Paczensky 1988. Vgl. Schwarzer 1981, S. 84ff. Vgl. hierzu das Kapitel „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" in diesem Band.
584
Kapitel 14
Basisziel eine allen Lebewesen gegenüber verantwortlich lebende, friedfertige und umweltbewußte Menschheit war, führten diese Tendenzen zu einem Klima der Neuen Nachdenklichkeit72 in Sachen Schwangerschaftsabbruch auch innerhalb der außerparlamentarischen Linken. Abtreibungsgegnerinnen griffen systematisch die Themen der Friedensund der Ökobewegung auf, um sie als ethische Argumente gegen den Schwangerschaftsabbruch zu wenden. Provokative Analogisierungen mit Hiroshima und Nagasaki73, Metaphern wie Krieg gegen Ungeborene74 und Slogans wie Robben schützen, Menschen töten75 lösten zwar Empörung, aber auch Kontroversen innerhalb der Bewegung aus und drängten die § 218-GegnerInnen zusätzlich in die Defensive.76 Das führte unter anderem dazu, daß im Grundsatzprogramm der GRÜNEN von 1980 und im Wahlprogramm von 1986 bei der Forderung nach Strafverzicht bzw. ersatzloser Streichung des § 218 das Vorliegen eines Konfliktes zwischen dem „Selbstbestimmungsrecht der Frau" und dem „Schutz des Lebens"77 bzw. „zwischen dem Leben der Frau und dem in ihr wachsenden Leben"78 zugestanden wurde, zu dessen Lösung das Strafrecht allerdings nicht beitrage. Damit wurde indirekt denjenigen eine Absage erteilt, die ein Recht auf Abtreibung jenseits moralischer Skrupel einklagten und eine Streichung des § 218 ausschließlich mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau begründeten.79 Das Argument des Selbstbestimmungsrechts wurde indessen auch unter einem anderen Aspekt brisant, und zwar im Zusammenhang mit der Kritik an der modernen Reproduktionstechnik. Die Verwendung der Vokabel Selbstbestimmungsrecht der Frau als Fahnenwort, besonders aber der von der
72 73 74 75
76 77 78 79
Vgl. Walttaut Schoppe (DIE GRÜNEN). In: Schultz 1987, S. 54. „Laut Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, seien die Atompilze von Hiroshima und Nagasaki nicht schrecklicher als die Abtreibungen in der Bundesrepublik" (Origer. In: Schwarzer 1986, S. 52). Franz Alt. In: STERN 9-5-1985; Alt 1985, S. 75ff. In seinem Buch „Liebe ist möglich" vertritt Alt die zentrale These: „Aufrüstung und Abtreibung sind die beiden Seiten derselben Medaille. Diese Medaille heißt Gewalt" (Alt 1985, S. 19). Titel eines Artikels im RHEINISCHER MERKUR, der zu bedenken gibt, „daß irgendetwas (...) in dieser Gesellschaft nicht in Ordnung sein [kann], die den Schutz ihrer natürlichen und kreatürlichen Umwelt so hoch veranschlagt, die aber bedenkenlos zur Tagesordnung übergeht, wenn [ungeborenesl menschliches Leben zur Diskussion steht" (24.2.1984). Vgl. auch Kardinal Höffher: „Es ist bestürzend, daß manche, die leidenschaftlich gegen Todesstrafe und Krieg kämpfen und sich über das Umbringen junger Robben empören, den Tod verharmlosen, wenn es sich um das ungeborene Kind h a n d e l t " (KATHOUSCHE NACHRICHTEN-AGENTUR 2 8 . 1 . 1 9 8 6 ) .
Zur Kontroverse über die „Neue Nachdenklichkeit" bei den GRÜNEN vgl. auch Krieger 1987, S. 93ff-, 195ffBundesprogramm der GRÜNEN von 1980. Zit. nach: Krieger 1987, S. 189. Wahlprogramm der GRÜNEN zur Bundestagswahl 1987, beschlossen am 19.5.1986. Zit. nach: Schwarzer 1986, S. 79. Vgl. Krieger 1987, S. 191.
Paragraph 218
585
Frauenbewegung geprägte Slogan Mein Bauch gehört mir! wurden im Zuge der öffentlichen Debatte um gentechnologische Manipulationen an Embryonen und Erscheinungsformen moderner Reproduktionstechnologie wie Retortenbabys und Leihmutterschaft insofern problematisch, als sie auch als Argumentationsstützen f ü r die Anwendung dieser Techniken eingesetzt wurden.80 So bemerkte Gerhard Amendt, Soziologe und Vorsitzender der Pro Familia Bremen, kritisch: „Konsequenterweise muß die künstliche Befruchtung w i e alle anderen Techniken der modernen Reproduktionsmedizin als Beitrag zur Verwirklichung der alten Parole v o m Bauch, der der Frau gehört, gedeutet w e r den." (Amendt 1986, S. 68)
Verena Krieger (DIE GRÜNEN) stellte die Suggestivfrage: „Wollen wir wirklich ein Eigentumsverhältnis zu unserem Körper haben? [...] Schließt das Selbstbestimmungsrecht das Recht auf Retortenbabys mit ein?" (Krieger 1987, S. 208) und meinte, daß „der Begriff der .Selbstbestimmung' vor dem Hintergrund seiner Instrumentalisierung durch Fortpflanzungstechnologen kritisch auf seine Implikationen überprüft" (Krieger 1989, S. 362) werden müsse. Maria Mies, Professorin an der Fachhochschule Köln, zeigte den ideologischen Hintergrund auf und warnte: „Die gesamte Strategie funktioniert nur, [...] w e n n wir den Experten erlauben, unseren eigenen Körper w i e Materiallager zu behandeln, w e n n w i r ihn w i e Privateigentum behandeln und aufspalten lassen in besitzend e und besessene Teile. Nichts anderes steht hinter d e m Leihmüttergeschäft. W e n n mein Uterus mir .gehört', kann ich ihn w o h l auch verkaufen. Schon der Slogan .Mein Bauch gehört mir', zur Zeit des Kampfes um freie Abtreibung als A b w e h r g e g e n fremde Eingriffe geprägt, drückt im Prinzip dieses bürgerliche Besitzdenken aus. [...] D e m entgegenzusetzen ist: ,Ich bin mein Körper'. Ich bin eine ganze unteilbare Person." (Mies 1986, S. 118)
3. Die Diskussion um ein gesamtdeutsches Abtreibungsrecht Die dritte und vorläufig letzte Phase der § 218-Diskussion betraf die Zeit seit der Maueröffnung bzw. den Vorarbeiten zur Formulierung des Einigungsvertrages 1990 bis zum BVG-Urteil von 1993- Nunmehr ging es abermals um eine konkrete Gesetzesreform, da die Fristenregelung des DDR-Rechts und die Indikationenregelung des BRD-Rechts aufeinander abgestimmt werden mußten. Kurzlebige Stichworte zu der Diskussion einer Übergangsregelung auf den Gebieten der ehemaligen DDR und der BRD waren Wohnortprinzip
80
Vgl. Krieger 1987, S. 207f.
586
Kapitel 14
versus Tatortprinzip. Bei beiden Regelungen war die vorläufig gleichzeitige Gültigkeit des DDR- und des BRD-Abtreibungsrechts vorgesehen. Unter dem Wohnortprinzip, das insbesondere die CDU/CSU vertrat, wurde eine Regelung verstanden, bei der der Wohnsitz der Schwangeren über die Gültigkeit von DDR-Recht (für die Schwangere aus den neuen Bundesländern) oder BRD-Recht (für die Schwangere aus den alten Bundesländern) entscheiden sollte. Der Gegenvorschlag von SPD und FDP, das Tatortprinzip, bei dem der Ort, an dem der Abbruch vorgenommen wird, ausschlaggebend sein sollte, wurde von der CDU/CSU wegen der Gefahr eines Abtreibungstourismus von West nach Ost zunächst abgelehnt, dann aber unter dem Vorbehalt einer auf zwei Jahre verkürzten Übergangsfrist im Einigungsvertrag akzeptiert.81 Allerdings löste die Formulierung des Einigungsvertrages hinsichtlich der geplanten gesetzlichen Maßnahmen zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs einen Streit aus: Die CDU lehnte kategorisch die Bezeichnung iverdendes Leben im Vertrag ab, konnte aber weder ihre Definition von der Verschmelzung von Samen- und Eizelle als dem Beginn menschlichen Lebens noch das Fahnenwort Schutz der ungeborenen Kinder durchsetzen, so daß man sich schließlich auf die Formulierung 82 Schutz des vorgeburtlichen Lebens einigte. Im Frühjahr 1991 begann die Debatte um eine gesamtdeutsche rechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. Bis zum Herbst 1991 wurden sechs verschiedene Gesetzentwürfe vorgelegt, von denen drei eine realistische Durchsetzungschance hatten: Die CDU/CSU-Fraktionsmehrheit sah nach altem bundesdeutschen Muster eine Indikationenregelung vor, wobei die ehedem vier Indikationen zu zwei (medizinische und psycho-soziale) zusammengefaßt werden sollten. Die FDP entwarf eine Fristenregelung (freie Entscheidung der Frau bis zur zwölften Schwangerschaftswoche) mit obligatorischer Beratung, damit der Frau „eine verantwortungsbewußte eigene Gewissensentscheidung"83 ermöglicht werde. Der SPD-Fristenentwurf verzichtete hingegen auf eine Beratungspflicht und ersetzte diese durch ein Beratungsangebot. Chancenlos waren die radikalen Forderungen nach einer drastischen Verschärfung des bundesdeutschen Abtreibungsrechts (CDU/CSU-Abgeordnetengruppe um Herbert Werner) und nach einer ersatzlosen Streichung des § 218 (Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Legalisierung; PDS/Linke Liste:
81 82 83
Vgl. hierzu FRANKFURTER RUNDSCHAU 22.8.1990; RHEINISCHE POST 23.8.1990; 30.8.1990 und Artikel 31a des Einigungsvertrages (vgl. RHEINISCHE POST 21.9 1990). Vgl. DER SPIEGEL (13 5.1991), H. 20, S. 22. FDP-Entwurf zum Schwangeren- und Familiengesetz, BT-Drs. Χ Π / 5 5 1 , 16.5.1991, S. 10.
Paragraph 218
587
Rechtsanspruch auf Schwangerschaftsabbruch).84 Nachdem ein Kompromißentwurf zwischen FDP und SPD in Form einer Fristenregelung mit Beratungspflicht als Gruppenantrag ausgearbeitet worden war, dem sich auch Teile der CDU anschlossen, bekam dieser schließlich das Mehrheitsvotum im Bundestag. In der öffentlichen Diskussion und den parlamentarischen Debatten um die sechs Entwürfe zu einer Neuregelung des § 218 wiederholten sich die altbekannten Argumentationen und Sprachstrategien.85 Hervorzuheben ist das Aufgreifen der ehedem von der CDU-Gruppe um Geißler und Süssmuth ausgegebenen Parole Hilfe statt Strafe seitens der SPD und FDP, die gegen eine Strafandrohung bei einem Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten verwendet und mit der Forderung nach wirksamen sozialen Hilfen für schwangere Frauen verbunden wurde.86 Zentral wurde in diesem Zusammenhang auch die Auseinandersetzung zwischen den Befürworterinnen einer Fristenregelung um die zunächst nur von der FDP vorgesehene Pflicht der Schwangeren zur Beratung, die ihre Gegnerinnen als Zwangsberatung1 abqualifizierten. Die Bezeichnung Zwangsberatung wurde denn auch von Süssmuth als „unredlich" kritisiert, weil sie das Mißverständnis nahelege, „als sollte der Frau eine bestimmte Entscheidung aufgezwungen werden", wo es um die Pflicht gehe, „durch eine umfassende Beratung alle Möglichkeiten der Konfliktbewältigung auszuleuchten"88. Einig waren sich die etablierten Parteien über die Notwendigkeit, nicht aber über den Weg des effektivsten Schutzes der Leibesfrucht - SPD und FDP redeten bevorzugtermaßen vom Schutz des werdenden Lebens, die CDU/CSU vom Schutz des ungeborenen Lebens bzw. der ungeborenen Kinder,89 Allerdings erweist sich dieser unterschiedliche Sprachgebrauch als zwar parteigebunden, aber mehr oder weniger unabhängig von der 84 85
Zu den sechs Entwürfen vgl. den Kommentar in der RHEINISCHEN POST 27.9.1991. Zur Frage nach dem Lebensbeginn und zur Kritik der sprachlich-visuellen Perspektivenverschiebung von der Würde und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau zum Schutz des ungeborenen Lebens als eigenem Rechtssubjekt vgl. DER SPIEGEL (13 5.1991), H. 20, S. 23; FRANKFURTER RUNDSCHAU 23.12.1991 und 9 8.1993. Belege für NS-Vergleiche zur Diffamierung des politischen Gegners liefern DER SPIEGEL (13.5.1991), H. 20, S. 26; Lettmann, Bischof von Münster. In: RHEINISCHE POST
86
V g l . I n g r i d B e c k e r - I n g l a u ( S P D ) . I n : WELTBILD 5 . 4 . 1 9 9 1 , RHEINISCHE POST 2 7 . 9 . 1 9 9 1 .
25.5.1992; Jäger (CSU). In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 25.6.1992. S. 14; Würfel
(FDP).
In:
87
Vgl. Monika Frommel, Mitglied des Deutschen Juristinnenbundes. In: DIE ZEIT
88
S ü s s m u t h ( C D U ) . I n : FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 2 . 9 . 1 9 9 1 .
89
Vgl. hierzu den Woitgebrauch in den Gesetzentwürfen der Parteien von 1991 (SPD: BT-Drs. ΧΠ/841; CDU/CSU: BT-Drs. ΧΠ/1178; FDP: ΧΠ/1191, BT-Drs. ΧΠ/551). Vgl. ebenso die Ausführungen Uta Würfels (FDP), Inge Wettig-Danielmeiers (SPD), Maria Mlchalks (CDU) und Herbert Werners (CDU) in: RHEINISCHE POST 27.9.1991 sowie von Süssmuth, Rönsch und Jäger (CDU) in: RHEINISCHE POST 25.6.1992.
16.8.1991; FRANKFURTER RUNDSCHAU 18.9.1991-
588
Kapitel 14
Haltung der Sprecherinnen gegenüber einer Entscheidungsfreiheit der Frau. So sprach beispielsweise Süssmuth vom Schutz des ungeborenen Lebens, das sie als menschliches Leben auffaßte, plädierte aber dennoch für den Kompromißentwurf von FDP und SPD. Hier scheint es sich eher um einen ruhenden semantischen Kampf um die Bestimmung des Beginns menschlichen Lebens zu handeln, dessen Aktivierung von Seiten der Vertreterinnen des Prinzips „Hilfe statt Strafe" im Bundestag als Argumentationsmuster jedoch vermieden wurde. Vielmehr wurde betont, daß die Erwägung eines Schwangerschaftsabbruchs aus einer Not- und Konfliktlage der Schwangeren resultiere90, ein Schutz des ungeborenen bzw. werdenden Lebens nur mit den Frauen und nicht gegen sie erreicht werden könne91 und daher die Selbstbestimmung bzw. die eigenverantwortliche GeuAssensentscheidung und damit die „Würde der Frau" in letzter Instanz respektiert werden müsse.92 Der semantische Streit verlagerte sich daher auf die Vokabel Selbstbestimmung. Bei Gegnerinnen einer Beratungspflicht und Befürworterinnen einer ersatzlosen Streichung des § 218 wurde sie weiterhin als Fahnenwort gebraucht.93 Diese Verwendungsweise bewirkte abermals die Kritik der Befürworterinnen einer Indikationenregelung, mit der programmatischen Vokabel Selbstbestimmungsrecht der Frau werde die gesetzeswidrige „Verfügungsgewalt über menschliches Leben" gefordert.94 Der Gruppenantrag und die Gesetzentwürfe von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und PDS/Linke Liste würden das Recht des ungeborenen Lebens dem Selbstbestimmungsrecht verfassungswidrig unterordnen.95 An dem programmatischen Gebrauch der Vokabel Selbstbestimmung und seiner Vermeidung scheinen allerdings auch die Befürworterinnen einer freiwilligen Beratung und der einer Beratungspflicht erkennbar zu sein.96 Als konsensfähige Ausdrücke, mit denen der Verdacht einer fe90 91
Vgl. Würfel (FDP). In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 6.6.1992. Vgl. Süssmuth (CDU). In: RHEINISCHE POST 25.6.1992; Wettig-Danielmeyer (SPD). In:
92
Vgl. die Ausführungen der Vertreterinnen des Gruppenantrags in der dritten Lesung
RHEINISCHE POST 2 7 . 9 - 1 9 9 1 -
i m B u n d e s t a g . K o m m e n t i e r t in: RHEINISCHE POST 2 6 . 6 . 1 9 9 2 ; FRANKFURTER RUNDSCHAU 26.6.1992. 93
V g l . h i e r z u I n g e W e t t i g - D a n i e l m e i e r ( S P D ) . In: RHEINISCHE POST 2 7 . 9 . 1 9 9 1 .
95
V g l . I r m g a r d K a r w a t z k i ( C D U ) . I n : RHEINISCHE POST 2 6 . 6 . 1 9 9 2 .
94
Vgl. Joachim Sobotta. In: RHEINISCHE POST 27.9.1991; Werner (CDU). In: RHEINISCHE POST 29.9.1991.
96
Vgl. Monika Frommel auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing (vgl. FRANKFURTER RUNDSCHAU 23.3-1991). Vgl. auch Flugblatt der Jusos auf der Düsseldorfer Frauenmesse „Top '91", die für eine ersatzlose Streichung des § 218 eintreten und für ein „Selbstbestimmungsrecht in einer Konfliktsituation" plädieren. Desgleichen das Flugblatt der GRÜNEN, die „das Selbstbestimmungsrecht der Frauen [fordern], die als einzige den Konflikt um eine ungewollte Schwangerschaft entscheiden kann und muß [sie!]. Ein Strafrechtsparagraph, der die eigenverantwortliche Entscheidung einer
Paragraph 218
589
ministischen Selbstbefreiungs-Ideologie unter Ausklammerung verantwortungsbewußter ethischer Erwägungen in Hinblick auf die Leibesfrucht (und das zu erwartende Leben des Kindes) ausgeräumt werden sollte, etablierten sich demgegenüber Ausdrücke wie eigenverantwortliche Gewissensentscheidung, verantwortungsvolle Entscheidungsfreiheit u.ä. So äußerte 1991 Süssmuth, Befürworterin einer Fristenregelung mit obligatorischer Beratung: „Die Verantwortung der Frau ist für mich in diesem Konflikt von zentraler Bedeutung. Hier geht es aber nicht um Selbstbestimmung im Sinne einer autonomen Entwicklung, sondern um eine äußerst konflikthafte Abwägung im Umgang mit menschlichem Leben." (DER SPIEGEL ( 1 3 . 5 . 1 9 9 1 ) , H . 2 0 , S. 2 8 )
„Das Gewissen ist die Instanz, vor der die Frau ihre Entscheidung vertreten muß. Diese Gewissensentscheidung kann ihr niemand abnehmen. Diese Entscheidung ist aber nicht zu verwechseln mit einem Selbstbestimmungsrecht im Sinne eines Verfiigungsrechts über menschliches Leb e n . " ( D I E ZEIT 1 2 . 9 . 1 9 9 1 )
Die Professorin für Rechtsphilosophie und Strafrecht Monika Frommel argumentierte für eine Fristenregelung ohne Beratungspflicht, indem sie ebenfalls auf das „Gewissen" der Frau als Entscheidungsinstanz Bezug nahm: „Das .Recht auf Abtreibung' kann nicht als Verfügungsrecht über menschliches Leben verstanden werden. [...] es ist ein Recht, das der Glaubensund Gewissensfreiheit verwandt ist. [...] Es ist die Kehrseite der mit der Mutterschaft verbundenen Verantwortung. [...] Die übliche Rede vom , Selbstbestimmungsrecht' der Frau meint also - nach meinem Verständnis - nicht Verfügungsrecht, sondern die Freiheit zu verantwortungsvoller Mutterschaft." (DIE Z E I T 1 6 . 8 . 1 9 9 1 )
Der schließlich vom Bundestag verabschiedete Gruppenantrag legte fest, daß ein Schwangerschaftsabbruch „nicht rechtswidrig" ist, wenn er innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis und drei Tage nach einer Pflichtberatung der Schwangeren von einem Arzt oder einer Ärztin vorgenommen wird. Zur Beratung hieß es: „Die Beratung dient dem Lebensschutz durch Rat und Hilfe für die Schwangere unter Anerkennung des hohen Wertes des vorgeburtlichen Lebens und der Eigenverantwortung der Frau. Die Beratung soll dazu beitragen, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Not- und Konfliktlage zu bewältigen. Die Beratung soll die Schwangere in die Lage versetzen, eine verantwortungsbewußte eigene Gewissensentscheidung zu treffen."97
97
Frau verfolgt [...], ist ein eklatanter Eingriff in die Menschenwürde der Frau. [...] Nur die Frau, die schließlich auch verantwortlich sein wird für das geborene Leben, kann diese Entscheidung fallen". Zit. nach FRANKFURTER RUNDSCHAU 26.6.1992.
590
Kapitel 14
Mit der Begründung, die Leibesfrucht werde „der völlig freien Verfügungsgewalt der Frau ausgesetzt"98, erreichten einige CDU/CSU-Abgeordnete und die bayerische Staatsregierung, daß das Bundesverfassungsgericht am 4. August 1992 eine einstweilige Anordnung gegen den neuen § 218 erließ. Am 28. Mai 1993 erklärte das BVG diesen in folgenden Punkten für verfassungswidrig: Der Abbruch in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten dürfe straffrei sein, müsse aber, wie auch die indizierten Schwangerschaftsabbrüche, als „rechtswidrig" bezeichnet werden und dürfe nicht von den Krankenkassen finanziert oder in staatlichen Krankenhäusern vorgenommen werden. Mittellose Frauen seien an das Sozialamt zu verweisen. Die Beratung müsse „umfassend dem Schutz qq
des ungeborenen Lebens" verpflichtet sein und protokolliert werden. Beratungsstellen und Abbrucheinrichtungen müßten organisatorisch getrennt werden. Ärzteschaft und Krankenhäuser dürften sich weigern, einen Abbruch vorzunehmen.100 Die Kritiken zu diesem Urteil hoben besonders auf die Hauptpunkte der Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs und der Änderung der Finanzierung ab.101 Trotz faktischer Letztentscheidungsfreiheit wurde der Frau also mit dem Richterspruch des BVG abermals eine rechtmäßige Entscheidung abgesprochen und der Ansicht entgegengetreten, die Monika Frommel so formulierte: „Wir müssen lernen, daß nicht in allen moralischen Fragen ein Konsens gefunden wird. Das ist ein Modernisierungsschritt, der in unserer Gesellschaft noch vollzogen werden muß" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 23 31991). Er blieb, so wollte es das BVG, der Zukunft vorbehalten. Als Rechtsnorm gilt bis auf weiteres: Der Schwangerschaftsabbruch ist ein straffreies Unrecht. (Karin Boke)
Beleg- und Stichwörter • §218
• Abbruch einer Schwangerschaft • abtreiben • Abtreibung • Abtreibungsdebatte 98
• • • •
Abtreibungsklinik Abtreibungspille RU 486 Abtreibungstourismus abtreibungswillig
• Aktion 218
Zit. n a c h FRANKFURTER RUNDSCHAU 9 . 1 2 . 1 9 9 2 .
99
Übergangsregelung des BVG, die am 16.6.1993 In Kraft trat. Zit. nach: FRANKFURTER
100
V g l . FRANKFURTER RUNDSCHAU 2 9 . 5 . 1 9 9 3 ; DER SPIEGEL ( 3 1 - 5 . 1 9 9 3 ) , H . 2 2 , S . 2 1 f f .
RUNDSCHAU 2 9 . 5 . 1 9 9 3 .
101 „Zwei-Klassen-Recht", „Sozialstrafe statt Hilfe", Erzeugung eines „ganz negativen Frauenbildes" (FRANKFURTER RUNDSCHAU 29-5.1993), „Abbruch auf Kredit" (DER SPIEGEI
(31-5-1993), H. 22, S. 21).
Paragraph 218
•
Babycaust Beginn des Lebens Beratung Beratung zugunsten des Lebens Beratung, obligatorische Beratungspflicht Beratungsregelung Beseitigung Bevormundungsgesetz Bewegung zum Schutz des Lebens Drei-Monats-Frist Embryo Embryocaust Endlösung Entscheidung Entscheidung, freie und eigenverantwortliche Entscheidungsfreiheit, verantwortungsvolle Erlanger Baby ersatzlose Streichung des § 218 Erziehungsgeld Euthanasie Euthanasieprozeß Euthanasieverbrecher Fall Theissen Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs Fötus Frauenbewegung Fremdbestimmung Fristenlösung Fristenlösung, verkappte Fristenlösung = Endlösung Fristenregelung Gebärmaschine Gebärzwang Gewissensentscheidung Gewissensentscheidung, eigenverantwortliche
591 Gewissensentscheidung, verantwortungsbewußte eigene Gewissensfreiheit Helfen statt Strafen Helfen statt Töten Hexenjagd Hilfe statt Strafe Holocaust Honigbiene Hürdenlauf Indikation, ethische Indikation, eugenische Indikation, medizinische Indikation, soziale Indikationsregelung Interruptio graviditatis Kaulquappe Kind Kind, ungeborenes Konflikt Krieg gegen Ungeborene Leben Leben, gewordenes Leben, keimendes Leben, lebensunwertes Leben, menschliches Leben, personales menschliches Leben, ungeborenes Leben, vorgeburtliches Leben, wachsendes Leben, werdendes Leben der Frau Lebensrecht Lebensrechtler Lebensschutzbewegung Leibesfrucht Leih mutterschaft Massenmord Massenvernichtung Mein Bauch gehört mir!
592
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Memminger Hexenprozeß Mensch Menschwerdung Mord Nach Holland fahren Nazi-Euthanasie Neue Mütterlichkeit Neue Nachdenklichkeit Neue Weiblichkeit Notlage Notlage,,soziale' Notlagen-Indikation Notlagenindikation, soziale Qualle Recht auf Abtreibung Recht auf den eigenen Körper Recht auf Leben Recht, über den eigenen Körper selbst zu bestimmen Reform des S 218 Retortenbabys Robben schützen, Menschen töten Schreibtischmörder Schutz der ungeborenen Kinder Schutz des keimenden Lebens Schutz des Lebens Schutz des ungeborenen Kindes Schutz des ungeborenen Lebens Schutz des vorgeburtlichen Lebens Schutz des werdenden Lebens Schwangerenberatungsgesetz
Kapitel 14
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Schwangerschaft beseitigen Schwangerschaft, unterbrochene Schwangerschaftsabbruch Schwangerschaftsunterbrechung Selbstbestimmung Selbstbestimmungsrecht der Frau Selbstbezichtigungsaktion selbst entscheiden sogenanntes, werdendes'Leben Tatortprinzip Tendenzwende Tintenfisch Todespille Tötung Tötung ungeborener Kinder Überredungs-Beratung Unterbrechung der Schwangerschaft Verfügungsrecht über das ungeborene Kind Verfügungsrecht über menschliches Leben Weg zurück nach Auschwitz Wende Wertewandel Wir haben abgetrieben Wohnortprinzip Zellengebilde Zellgewebe Zellklumpen Zwangsberatung
Die Terminologie der Sexual- und Partnerschaftsethik im Wandel 1. Einleitung / 2. Die 'Prüderie« der Adenauer-Ära: Sexualrepressive Ethik in den fünfziger Jahren / 3. Pillen-Enzyklika und Sex-Welle: Die gesellschaftliche Entdeckung der Sexualität in den sechziger Jahren / 4. Die Folgen der »sexuellen Revolution«: Liberalisierung und Kommerzialisierung in den siebziger Jahren / 5. Die »Weg-werf-Beziehung« in der -Single-Gesellschaft«: Kritik an der sexuellen Freizügigkeit in den achtziger Jahren / 6. Neunziger Jahre: Ausblick
1. Einleitung Sexualität und Partnerschaft haben sowohl eine gesellschaftspolitische als auch eine intime individuelle Dimension. Diese Dialektik problematisiert das Konzept einer Sprachgeschichte der Sexualität und Partnerschaft insofern, als „darüber" oft gar nicht oder nur im „Geheimen" gesprochen wurde. Eine „Sprache hinter vorgehaltener Hand" ist jedoch schwer zugänglich. Deshalb werden Thematisierungen des allgemeinen öffentlichen Sprachgebrauchs über Sexualität und Partnerschaft angeführt und interpretiert. Der Wandlungsprozeß der Terminologie bzw. die „Sprachsuche" sollen Aufschluß geben über die Entwicklung der Sexualund Partnerschaftsethik als Beispiel eines gesellschaftlichen Wertewandels. Die Sprachschöpfungen spezifischer sexueller Reformbewegungen und Subkulturen, die Sprache der kommerziellen Erotik sowie „Vulgärsprache" werden nicht berücksichtigt.
2. Die »Prüderie« der Adenauer-Ära: Sexualrepressive Ethik in den fünfziger Jahren Die Terminologie der verbindlichen Partnerschafts- und Sexualethik ist in den fünfziger Jahren durch die umittelbaren Folgen der Nachkriegszeit geprägt. Familienzerrüttungen und -trennungen stellen die Basis der konventionellen und religiös motivierten Auffassung von der Unauflöslichkeit der Ehe und Familie in Frage. Man befürchtet, daß die morali-
594
Kapitel 15
sehe Enthemmung im Ausnahmezustand des Krieges eine „sittliche Verwahrlosung" nach sich ziehen könne. Hochwertvokabeln wie „Anstand", „Sitte" oder „Zucht" werden in der allgemeinen Berichterstattung betont, und man bemüht sich, zu geordneten Verhältnissen zurückzukehren sowie den traditionellen Moralkodex erneut zu festigen. Die erhöhte Scheidungsrate der Nachkriegszeit wird mit Auflösungserscheinungen der Institution Ehe wie der sogenannten Heimkehrer-Ehe, die zu einer Heimkehrer-Krise führe, und der sogenannten Kriegs-Ehe in Verbindung gebracht. Die Formulierung Heimkehrer-Ehe deutet auf die Problematik der Entfremdung zwischen Ehefrau und dem aus Krieg und Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Ehemann hin. Der Ausdruck Kriegs-Ehe impliziert im damaligen Bedeutungszusammenhang die nur unzureichende „sittliche Reife" der Verbindung, denn sie gilt als „unüberlegt und vorschnell geschlossen" und damit zum Scheitern verurteilt.1 Obwohl das Verschuldensprinzip der Konventionalscheidung Eheverfehlungen zumindest eines Gatten im Falle des Scheiterns der Ehe voraussetzt, signalisieren die Ausdrücke Heimkehrer-Ehe und Kriegs-Ehe eine größere Akzeptanz der Trennung. Die Ausnahmesituation der Nachkriegszeit schwächt die geltenden Normen zumindest zeitweilig ab. „Es wäre müßig, auf der einen oder anderen Seite nach einer .Schuld' zu suchen [...]. Man kann nicht da fortfahren, w o man vor vier bis acht Jahren aufhörte - ja, man kann nicht einmal wieder ,νοη vorne' anfangen. Zwei Menschen, zwischen denen ,der Stacheldraht' stand, können einander fremder sein, als da sie sich zum erstenmal begegneten."2
Diese „liberalere" Auffassung, die die psychologische Situation der Betroffenen berücksichtigt und von Schuldzuweisungen absieht, widerspricht dem dominierenden Bewußtsein von der „Unauflösbarkeit der Ehe." Trotz dieser kurzzeitigen Impulse flexibleren Denkens werden eheähnliche Lebensgemeinschaften noch als Konkubinat und wilde Ebe geächtet und strafrechtlich verfolgt.3 Auch der Ehebruch steht noch unter Strafe. Der Ausdruck Onkel-Ehe ist ebenfalls eine Erscheinung der Nachkriegsära und wird im öffentlichen Sprachgebrauch für eine Form der nicht legitimierten Lebensgemeinschaft verwendet. Eine sogenannte Onkel-Ehe führt eine Witwe, die den Mann, mit dem sie zusammenlebt, nicht heiratet, um ihren Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht zu verlieren. Die ironische Verwendungsweise des Terminus relativiert die negative Konnotation und deutet darauf hin, daß diese Form der „wilden Ehe" häufig stillschweigend geduldet wird. Solche „Ehen" werden positiv 1 2
Vgl. RHEINISCHER MERKUR 18.12.1950, zit. nach Zentner 1954, S. 86. Ebd.
3
V g l . DIE WELT 2 1 . 1 . 1 9 5 3 .
Sexual- und Partnerschaftsethik
595
auch als eheähnliche Verbindungen interpretiert, als durch finanzielle Not erzwungene außereheliche Lebensgemeinschaften,4 Derartige „Fälle des Konkubinats", die gesetzlich verboten sind, kommen in Niedersachsen so häufig vor, daß die Polizei nicht mehr eingreift und eine neue Verhaltensrichtlinie entwickelt, denn: „Eine ernstgemeinte und von sittlicher Reife getragene Kameradschaftsehe kann nicht als ärgerniserregend und anstößig empfunden werden." (DIE WELT
21.01.1953)
Andererseits werden Onkel-Ehen, deren Zahl sich „bedrohlich ausweitet", auch als „gefahrlicher Ansatzpunkt zur Verwilderung und Verwahrlosung der Jugend" sowie als „Teilhaberschaften zwischen Witwen und männlichen Untermietern" (AUGEMEINE ZEITUNG NEUER MAINZER ANZEIGER 1 4 . 1 1 . 1 9 5 3 ) betrachtet. Im Zuge der Diskussion über eine Gleichstellung von kirchlicher und ziviler Eheschließung, die die Onkel-Ehen „wenigstens in den Augen von Kirche und Öffentlichkeit" (RUHR-NACHRICHTEN 9 3 . 1 9 5 4 ) legitimieren würde, wird der Terminus zunehmend hinterfragt. Der Abgeordnete Hoogen von der CDU/CSU-Fraktion kritisiert in einer Bundestagsdebatte „die sogenannten Onkel-Ehen, wie man sie verniedlichend nennt", die in Wirklichkeit Rentenkonkubinate seien.5 Dieser Ausdruck kritisiert im Gegensatz zu der Verwendungsweise von Onkeloder Kameradschafts-Ehe deutlich die Vorrangigkeit finanzieller Absicherung vor religiöser und staatlicher Legitimation. Auch die Formulierung wilde Renten-Ehe (HAMBURGER ANZEIGER 1 5 . 2 . 1 9 5 6 ) enthält diese Sichtweise. Die Sexualethik der fünfziger Jahre, in der Rückschau vielfach als „Prüderie der Adenauer-Ára" bezeichnet, tabuisiert vor- und außereheliche sexuelle Beziehungen und unterteilt sexuelle Praktiken in normal und abnormaf. Jede Form der „Unzucht" versucht man mit Hilfe des Strafrechts zu unterdrücken. Die sexualrepressive Ethik und die Tabuisierung sexueller Themenbereiche verhindern eine öffentliche Diskussion und damit auch die Entwicklung eines angemessenen Sprachgebrauchs. Euphemisierungen und verlegene Andeutungen werden statt dessen zu Platzhaltern für Unaussprechliches. „Drei Burschen wegen Erpressung gegenüber Männern verhaftet. Geschädigte werden gebeten, sich vertrauensvoll an die Polizei zu wenden." (RHEINISCHE P O S T ( R P )
7.5.1950)
4
V g l . D E R SPIEGEL ( 9 . 1 2 . 1 9 5 3 ) , H . 5 0 , S . 1 3 .
5
Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte (BT) 10.11.1955, S. 6025.
6
V g l . D E R SPIEGEL ( 2 9 . 1 1 . 1 9 5 0 ) , H . 4 8 , S . 7 .
596
Kapitel 15
Diese Ausdrucksweise läßt auf die Homosexualität der Burschen und der „Geschädigten" schließen. Die Pönalisierung und strafrechtliche Verfolgung der männlichen Homosexualität finden auf sprachlicher Ebene durch stigmatisierendes Vokabular ihre Fortsetzung. Es dominieren Ausdrücke des medizinisch-biologischen Sprachbereichs sowie aus sittlichethischem Empfinden motivierte Negativ-Vokabeln. Männliche Homosexualität wird auch als gleichgeschlechtliche Unzucht7 oder als seelische Verirrung bezeichnet. Homosexuelle Männer werden - in Anspielung auf den Strafrechtsparagraphen 175 - 175er genannt9 und gelten als abseitig veranlagte Menschen, die krank seien10. 1949 wird in einem SPIEGEL-Artikel unter der Überschrift „Gemacht wird's ja doch - In lila Nächten" die strafrechtliche Verfolgung der männlichen Homosexualität hinterfragt. Homosexuelle Männer werden auch als Invertierte oder Homoeroten bezeichnet11. In der an den Artikel anschließenden Leserbriefdiskussion beschreiben homosexuelle Männer selbst ihr Empfinden als Krankheit, als Anderssein und drücken ihren Wunsch aus, ein normaler Mensch zu sein.12 Homosexualität als sogenannte Krankheit bildet eine Konstante der Status-quo-Moral, die von Homosexuellen internalisiert werden muß, wenn sie den öffentlichen Diskurs suchen. In diesem Sinne kritisiert ein Leser die Verwendungsweise des Ausdrucks „in lila Nächten" als Inbegriff von „Halbseide, Verweichlichung und Weibischkeit"13. Homosexualität wird sogar als nationenspezifisch etikettiert; sie gilt z.B. als „die in der ganzen Welt berüchtigte [...] deutsche Krankheit"14. Gleichzeitig wird der sogenannte Pansy als eine typische „Gestalt" der englischen Gesellschaft bezeichnet.15 Reformversuche hinsichtlich einer gesellschafdichen Akzeptanz der Homosexualität können sich in der Nachkriegszeit und in den fünfziger 7 8 9 10 11 12 13 14
15
Meldung KNA: Katholische Nachrichtenagentur (11.5.1957), H. 11. DER SPIEGEL (13.12.1950), H. 50, S. 41. DER SPIEGEL (6.7.1950), H. 27, S. 10. DER SPIEGEL (10.7.1957), H. 28, S. 8. DER SPIEGEL (08.9.1949), H. 38, S. 8. DER SPIEGEL (27.10.1949), H. 44, S. 38. Ebd. DER SPIEGEL (6.7.1950), H. 27, S. 10, zitiert wird die Schriftstellerin Ada Baronin von Böselager, die angeblich Adenauer brieflich mitgeteilt hatte: „Die in der ganzen Welt berüchtigte und so betitelte .Deutsche Krankheit' sollte man noch mehr bestrafen und dem amerikanischen Beispiel folgen, daß alle im Ruf der Homosexualität stehenden Regierungsbeamten entlassen werden." DER SPIEGEL (3.12.1958), H. 49, S. 57/58. „Auf dem Kontinent gilt sie geradezu als typisches englisches Laster, während man auf der Insel meint, sie sei eine deutsche Unart. Jedenfalls ist der sogenannte ,Pansy' (zu deutsch: Stiefmütterchen) im Londoner Theaterleben, unter Schriftstellern und Künstlern eine vielbeachtete, sehr einflußreiche Gestalt."
Sexual- und Partnerschaftsethik
597
Jahren nicht durchsetzen. Die Gründung eines männlichen „Freundschaftsbundes" wird 1949 verboten; eine Verfassungsbeschwerde gegen den Paragraphen 175 wird 1957 zurückgewiesen. Der Kläger hatte geltend gemacht, daß die Paragraphen 175/175a nationalsozialistisches Gedankengut enthielten, da sie in ihrer aktuellen Fassung auf Grund des sogenannten Ermächtigungsgesetzes von 1933 erlassen wurden. Die Untersuchungen des amerikanischen Sexualwissenschaftlers Alfred Kinsey, die im typischen Fünfziger-Jahre-Vokabular als „eine Atombombe für Sitte und Moral" markiert werden, ermöglichen erste Thematisierungen von Sexualität und Partnerschaft in der Berichterstattung. Die repressive Funktion stereotypischer Antinomien wie natürlich und unnatürlich oder normal und anormal werden kritisiert16. Die Ausdrücke Sexus oder sexuelles Benehmen werden für eine Sexualität verwendet, die mehr als bloße Fortpflanzung ist.17 Vorsichtig zitiert werden amerikanische Ausdrücke der kommerzialisierten Erotik, die sich später im deutschen Sprachgebrauch etablieren, wie z.B. Sex-Appeal18 oder Callgirl („Party girl") als Synonym für eine Prostituierte19. Dagegen werden Prostituierte des Straßenstrichs ironisierend als Bürgersteig-Kurtisanen20 bezeichnet. Die englische Strip-Tease-Show wird Ende der fünfziger Jahre mit amtlich klingenden Ausdrücken wie Entkleidungsszene oder nudistische Attraktion in neuen Londoner „Vergnügungs-Lokalitäten" übersetzt21. Ein anderes Beispiel terminologischer Unsicherheit ist der Ausdruck Genußliteratur für erotisch-pornographische Literatur, von der man sich distanziert, weil sie „Falschbilder von Liebe und Geschlechtlichkeit" vermittle und deshalb „unterwertig" sei (RP 21.10.1955). Mit Protest gegen diesen „Verstoß gegen Sitte und Moral" agiert - ähnlich wie die „Aktion saubere Leinwand" gegen den Film „Die Sünderin" - die „Kampfgemeinschaft gegen Schmutz und Schund". Kioske, die Magazine wie „Die Gondel", „Paprika" oder „Photomagazin" verkaufen, müssen mit Anschlägen rechnen22. Der eklatante Mangel eines „erotischen Vokabulars" in der öffentlichen Berichterstattung der fünfziger Jahre verdeutlicht die dominierende christliche Aufassung von Sexualität als bloßem Mittel der Familiengründung. Die semantische Strategie der Euphemisierungen, der mysteriösen 16
DER SPIEGEL ( 3 . 8 . 1 9 5 0 ) , H . 3 1 , S. 2 4 u n d 2 7 .
17 18
Ebd. S. 24/26. Ebd. S. 24.
19
DER SPIEGEL ( 4 . 2 . 1 9 5 9 ) , H . 6 , S. 9 2 .
20
DER SPIEGEL ( 1 8 . 1 1 . 1 9 5 9 ) , H . 4 7 , S. 7 4 .
21
Ebd.
22
DER SPIEGEL ( 2 5 . 5 1 9 5 0 ) , H . 2 1 , S. 8 - 9 -
598
Kapitel 15
Andeutungen, der verlegenen „[.. .]-Sprache" und der Verdrängung ins medizinisch-biologische Abseits negiert eine sinnlich-erotische Komponente der Sexualität.
3. Pillen-Enzyklika und Sex-Welle: Die gesellschaftliche Entdeckung der Sexualität in den sechziger Jahren In den sechziger Jahren richtet sich das öffentliche Interesse verstärkt auf mögliche Innovationen tradierter gesellschaftlicher Wertorientierungen. Unter anderem formiert sich ein Prozeß, der das Schweigen über Sexualität beendet. Maßgeblich dafür sind die Etablierung der sexualwissenschaftlichen Forschung und ihrer Erkenntnisse sowie der allmähliche Autoritätsverlust der Kirche. Auch die Entwicklung der hormonalen Kontrazeption und die jugendlichen Protestbewegungen gegen Ende des Jahrzehnts ermöglichen eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Sexualität. Diese Entwicklung beginnt jedoch erst Mitte der sechziger Jahre. Die vorherrschende Sexual- und Partnerschaftsethik zu Beginn des Jahrzehnts ist weiterhin durch binäres Denken, durch die Antinomie von „sittlich" und „unsittlich" strukturiert. Die negativ konnotierte Vokabel Mischehe gilt im öffentlichen Sprachgebrauch als Bezeichnung der ehelichen Verbindung zwischen Katholiken und Protestanten. Die katholische Kirche weigert sich, diese sogenannten Mischehen als vollwertige Ehen anzuerkennen. Die Mischehe gilt ihr bestenfalls als eheähnliche Verbindung oder eheähnliche Gemeinschaft. Nach katholischem Recht gelten Kinder aus ungültigen Mischehen als unehelich23. Die Grundfesten der Ehe werden 1962 durch den § 48 des Scheidungsrechts erneut gefestigt, indem die Scheidung auch nach dreijähriger Trennung erschwert wird. Die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung des Ehebruchs wird wegen der „sittenprägenden und sittenerhaltenden Wirkung" weiterhin beibehalten24. 1962 legt die Bundesregierung einen Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch vor. Der sogenannte „E 1962", der bis 1969 der Reformgesetzgebung als Grundlage dient, wird unter anderem wegen als veraltet empfundener Wortprägungen kritisiert:
23 24
Vgl. DER SPIEGEL (7.3.1962), H. 10, S. 5 4 - 5 5 . Der Spiegel wirft in einem Gespräch mit dem Prälaten Schmaus der katholischen Kirche vor, die Ehe zwischen Katholiken und Protestanten mit der „Verbalinjurie" „Konkubinat" zu belegen. DER SPIEGEL (15.2.1961), H. 8, S. 4 0 - 4 1 .
Sexual- und Partnerschaftsethik
599
„Die Hoffnung, der Gesetzgeber möge im Entwurf des neuen Strafgesetzbuches endlich vom fragwürdigen Begriff der .guten Sitten' abkommen, hat sich nicht erfüllt." (DIE ZEIT 3-4.1964)
Im Zusammenhang mit der rechtlichen Gleichstellung des unehelichen Kindes polemisiert ein Bonner Familienrechtler mit pejorisierendem Sprachgebrauch gegen die außereheliche sexuelle Beziehung.25 Die rechtlich vollgültige Verwandtschaft zwischen dem Vater und seinem unehelichen Kind, dem sogenannten Kegel, sei dekadent und gegen die christliche Morallehre. Die Frucht außerehelicher Unzucht könne nicht mit der Frucht ehelicher Pflicht gleichgestellt werden.26 Beispiele entsexualisierter Terminologie sind Ausdrücke wie Unholde und Strolche für Sexualstraftäter sowie Autounholde für Männer, die trampende Frauen sexuell mißbrauchen (RP 18.12.1961). Aus der „Genußliteratur" der fünfziger Jahre werden anläßlich des Erscheinens des „Playboy" in England sogenannte Herrenmagazine, die Vokabel Herrenbar verschleiert die faktische Prostitution in Bordellen27. Prostituierte werden auch als Dirnen oder Freudenfrauen bezeichnet28. Homosexualität wird weiterhin geächtet und strafrechtlich verfolgt, trotz zunehmender Kritik am Paragraphen 175. Generell klammert der Ausdruck Homosexualität die weibliche Homosexualität aus, die nicht strafbar war, aber als „Unzucht" galt. Weibliche Homosexualität wird auch in der seriösen Berichterstattung vorwiegend mit der umgangssprachlichen Formulierung lesbische Liebe umschrieben; homosexuelle Frauen werden als sogenannte Lesben oder Lesbierinnen bezeichnet29. Im Gegensatz dazu wird für männliche Homosexualität trotz der Pönalisierung der umgangsprachliche Ausdruck schwul gemieden.30 Homosexualität bleibt auch in den folgenden Jahrzehnten der Quasi-Terminus für deren männliche Variante. 1964 argumentieren im Zuge der Diskussion einer Strafrechtsreform Ärzte, Gegner einer Legalisierung der Homosexualität, mit biologistischem bis nazistischem Vokabular: „Abartiger Geschlechtstrieb hat biologisch keine Existenzberechtigung und merzt sich selbst aus [...]. Der Selbstmord in sexuell ausweglos erscheinender Notlage bei homophilen Versagern ist letztlich von der Natur aus 25
D E R SPIEGEL ( 4 . 3 . 1 9 6 4 ) , H . 1 0 , S . 2 8 .
26
Vgl. ebd.
27
D E R SPIEGEL ( 1 7 . 3 . 1 9 6 5 ) , H . 1 2 , S . 1 1 8 - 1 1 9 .
28
D E R SPIEGEL ( 7 . 4 . 1 9 6 4 ) , H . 1 5 , S . 6 1 .
29
D E R SPIEGEL ( 4 . 1 2 . 1 9 6 7 ) , H . 5 0 , S . 1 2 4 .
30
Vgl. Schwarzer 1987, S. 55: „Da scheint es übrigens einen Rückschritt in der Sexualwissenschaft zu geben. Wenn man die Texte aus den 20er Jahren liest, dann heißt es immer .homosexuelle Männer und Frauen'. Aber in der heutigen Sexualforschung sind Frauen .lesbisch', und dann gibt es die Homosexualität an sich - das sind dann immer Männer. Hier wiederholt sich also das Grundmuster. Mann gleich Mensch."
600
Kapitel 15 entelechisch, zweckdienlich, als wirksamste Ausmerze, auch dann, wenn man den Selbstmord aus religiösen Gründen nicht billigen kann." 3
Männliche Prostituierte, Strichjungen werden als „minderwertige Elemente" bezeichnet.32 Die Einführung der hormonalen Kontrazeption in Deutschland 1962 verschärft die Frontenbildung innerhalb der Diskussion über mögliche Liberalisierungen der Ehe- und Sexualethik. Während die Gegner um so vehementer eine restriktive Moral verteidigen, bewirken die Befürworter einer zuverlässigen Geburtenkontrolle eine allmähliche Tendenzwende. Zu Beginn der sechziger Jahre werden beschreibende Termini wie orale Empfängnisverhütung oder orale Kontrazeptionsmethode verwendet.33 Auch der Ausdruck Pincus-Pillen nach dem amerikanischem Physiologen Gregory Pincus ist geläufig.34 In der ersten Hälfte der sechziger Jahre dominiert das Kompositum Anti-Baby-Pille in der Berichterstattung, das damals als pejorisierend empfunden wurde. Heinz Kirchhoff, Professor für Gynäkologie, der als einer der ersten Wissenschaftler in Deutschland die Ovulationshemmer erprobt und verabreicht hatte, kritisiert den Terminus: „[...] Anti-Baby-Pillen - schreckliches Wort, es stammt nicht von mir, aber es hat sich nun einmal eingebürgert."35 Obwohl er ein Befürworter der hormonalen Kontrazeption ist, räumt Kirchhoff ein, daß „in Zukunft auch Unverheirateten dieser Weg der Empfängnisverhütung offenstehe."36 Der außer- oder voreheliche sexuelle Kontakt, bisher überschattet von der Möglichkeit einer ungewollten Schwangerschaft, gilt weiterhin als verpönt. Im Falle der Schwangerschaft mündet die außereheliche Beziehung meist in die sogennannte Muß-Ehe?1 Die sichere orale Empfängnisverhütung ermöglicht den außerehelichen Kontakt ohne Folgen und korreliert insofern mit der Ausbildung einer sinnlich-erotischen Auffassung von Sexualität, die bis dato, zumindest offiziell, tabuisiert war. Moral wird als Mittel der Geburtenkontrolle durch die Pille abgelöst. Man befürchtet eine um sich greifende sexuelle Zügellosigkeit, den archaischen Zustand der „Promiskuität". Die katholische Kirche bezeichnet die hormonale Empfängnisverhütung als direkte Sterilisation, wodurch die intendierte künstliche Erzeugung der weiblichen Unfruchtbarkeit hervorgehoben wird.38 Der Terminus klammert jedoch aus, daß 31 32
VORGÄNGE. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 7.8.1964. Ebd.
33 34 35 36
DER SPIEGEL DER SPIEGEL DER SPIEGEL DER SPIEGEL
(15-3.1961), (15.3.1961), (26.2.1964), (26.2.1964),
H. H. H. H.
12, S. 91. 12, S. 92. 9, S. 80. 9, S. 86.
37
DER SPIEGEL (5-91962), H. 36, S. 14: „[...] Jede vierte Braut, die vor den .Standesbeamten tritt, ist schwanger."
38
DER SPIEGEL (26.2.1964), H. 9, S. 77.
Sexual- und Partnerschaftsethik
601
die eigentliche Sterilisation unaufhebbar ist, während die Wirkung der Ovulationshemmer mit dem Absetzen beendet ist. Nur die sogenannte indirekte Sterilisation, nämlich die Einnahme oraler Verhütungsmittel zur Verhinderung von Krankheiten, wird von der katholischen Kirche akzeptiert.39 1968 erläßt Papst Paul VI. die „Enzyklika Humanae Vitae" „Über die rechte Ordnung und Weitergabe des menschlichen Lebens". Die Einnahme von Ovulationshemmern wird als vorweggenommener Mord stigmatisiert und gläubigen Katholiken verboten.40 Der moraltheologische Anspruch der sogenannten Pillen-Enzyklika des Anti-PillenPapstes wird jedoch von großen Teilen der Gesellschaft, auch von gläubigen Katholiken, nicht mehr akzeptiert.41 Im Zuge dieser Diskussion wird das Kompositum Anti-Baby-Pille auf das Wort Pille verkürzt. Der Ausdruck „die Pille" etabliert sich in den Folgejahrzehnten als QuasiTerminus für die orale Empfängnisverhütung, die sowohl in moraltheologischer als auch medizinischer Hinsicht ein Streitthema bleibt. Unter dem Stichwort der sogenannten „sexuellen Aufklärung" formiert sich Mitte der sechziger Jahre das wachsende gesamtgesellschaftliche Bedürfnis nach einer faktischen und terminologischen Enttabuisierung der Sexualität. Daran geknüpft ist insbesondere die Forderung nach einer Sexualpädagogik in den Schulen. Eltern erkennen zwar die Notwendigkeit einer sexuellen Aufklärung ihrer Kinder, übertragen jedoch die Verantwortung gerne den Lehrern. Hauptursache dieser Verlegenheit ist insbesondere das Fehlen eines als adäquat empfundenen Sprachgebrauchs: „Was die Berufsaufklärer am lautesten beklagen, ist der elterliche Mangel an passenden Worten [...]. Wie soll man antworten, wenn die kindliche Wißbegier die gefürchtete Schrecksekunde erzeugt'" 2
Infantile Verlegenheitsbezeichnungen für Sexualorgane werden ebenso abgelehnt wie die bloße Verwendung lateinischer Termini, die jedoch in Aufklärungsbüchern, wie dem „Sexualpädagogischen Atlas" des Bundesgesundheitsministeriums, der sprachlichen Hilflosigkeit abhelfen sollen.43 Thematisierungen von Sexualität, die jugendlichem Sprachgebrauch angepaßt sind, gelten wiederum als sittenwidrig. Die Bad Godesberger Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Schriften verbietet das Jugendmagazin „Twen" wegen eines Titels wie „Sex und ledige Mädchen."44
39
D E R SPIEGEL ( 2 6 . 2 . 1 9 6 4 ) , H . 9 , S . 7 7 .
40
V g l . DER SPIEGEL ( 5 . 8 . 1 9 6 8 ) , H . 3 2 , S . 8 4 .
41
DER SPIEGEL ( 5 . 8 . 1 9 6 8 ) , H . 3 2 , S . 9 0 .
42 43
DER SPIEGEL (24.6.1964), H. 26, S. 5 0 - 5 1 . DER SPIEGEL (24.6.1964), H. 26, S. 51 „[..·] So lesen sich manche Erziehungsvorschläge wie ein Handbuch der gerichtlichen Medizin."
44
D E R SPIEGEL ( 3 . 7 . 1 9 6 3 ) , H . 2 7 , S . 3 8 .
602
Kapitel 15
Kritisiert wird der „fehlende Respekt vor sittlichen Begriffen wie Ehe und Familie", „sexuelle Zucht und Ordnung" würden ignoriert.45 Noch während man mit Restriktionen versucht, die sittliche Ethik der fünfziger Jahre aufrechtzuerhalten, wird ab Mitte der sechziger Jahre die sogenannte Sex-Welle in der Presse thematisiert. Diese spektakuläre Metapher umschreibt zunächst sämtliche Facetten und Erscheinungsformen der neu entdeckten Sexualität; dazu gehören die Idee der sexuellen Aufklärung sowie die Verbreitung sexualwissenschaftlicher Literatur, aber auch neue sexuelle Praktiken wie der Gruppensex, die Schweden-, Kolle- und Bergmann-Filme neben ersten Ansätzen einer kommerzialisierten Erotik. Die Thematisierung der Sex-Welle erreicht jedoch erst gegen Ende der sechziger Jahre ihren Höhepunkt. Diese Entwicklung, die nach der gewohnten Praxis der Tabuisierung den größten Teil der Gesellschaft noch überfordert haben dürfte, wird auch als Sexpansion oder als Sexplosion bezeichnet46. Ein Nacktphoto von Marilyn Monroe47 wird von einem Leserbriefschreiber als Signal des grassierenden Dekadenz-Trend empfunden.48 Mitte der sechziger Jahre etabliert sich der englische Ausdruck Sex für all das, was bisher mit Ausdrücken wie z.B. Geschlechtsattraktton beschrieben worden war.49 Phänomene, die man zunächst in der amerikanischen Gesellschaft beobachtet, wie der group- oder social-sex sowie das sogannte ivife swapping, werden jedoch in deutscher Übersetzung als Gruppen- oder Gesellschafts-Sex und Frauentausch bezeichnet.50 Trotz der Verunsicherung, die diese Tendenzen auslösen, erkennt man gleichzeitig deren Unaufhaltsamkeit. Es formiert sich öffentliche Kritik an ethischen Grundfesten wie der Pönalisierung der außer- und vorehelichen sexuellen Beziehung. „Er [der Bundesgerichtshof! hält daran fest, jeden nichtehelichen Austausch von gewagteren Zärtlichkeiten mit dem Urväter-Donnerwort .Unzucht' zu brandmarken."51
In diesem Zusammenhang wird dem stigmatisierten Ausdruck Konkubinat eine positiv konnotierte Ablösevokabel entgegengestellt, nämlich die sogenannte Partnerschaft für eine stabile sexuelle Beziehung außerhalb der ehelichen Norm.
45
DER SPIEGEL ( 3 . 7 . 1 9 6 3 ) , H . 2 7 , S. 3 9 .
46
Vgl. DER SPIEGEL (2.5.1966), H. 19, S. 53, Titelgeschichte: „Sex. Die gefallene Natur".
47
DER SPIEGEL ( 2 7 . 6 . 1 9 6 2 ) , H . 2 6 , S. 7 3 .
48
V g l . DER SPIEGEL ( 1 1 . 7 . 1 9 6 2 ) , H . 2 8 , S. 1 0 .
49
DER SPIEGEL ( 2 . 5 . 1 9 6 6 ) , H . 1 9 , S. 1 5 .
50
V g l . DER SPIEGEL ( 1 9 . 8 . 1 9 6 4 ) , H . 3 4 , S. 8 0 - 8 1 .
51
DER SPIEGEL ( 2 . 5 . 1 9 6 6 ) , H . 1 9 , S. 5 8 .
Sexual- und Partnerschaftsethik
603
„Denn auch die Jungen sind von der neuen potentiellen Freiheit im Grunde mehr erschreckt als entfesselt. Genau wie die Mädchen streben sie fast fluchtartig in feste Verhältnisse. Ganz überwiegend bilden sich .Partnerschaften', von denen Kurt Seelmann, der frühere Leiter des Münchener Stadtjugendamtes sagt: ,Die Partner wechseln selten und haben eine menschlich enge Beziehung'".52
Innovative Ansätze für eine sich wandelnde Sexualethik entwickelt Mitte und Ende der sechziger Jahre die Studentenbewegung, deren theoretische Basis zum Teil noch aus den dreißiger Jahren stammt.53 Die 68erBewegung formuliert eine Auffassung der menschlichen Sexualität als Bestandteil eines gesellschaftspolitischen Gesamtkonzepts. Maßgeblich für diesen Wertewandel ist die Repressionsthese, nach der die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft zur Wahrung ihrer Macht Sexualität unterdrückt. Die sexualmoralischen Grundpfeiler Monogamie, Heterosexualität und Stabilität werden von den 68ern in Frage gestellt und alternative Lebensformen, vor allem von der Berliner Kommune I und dem Aktionszentrum unabhängiger und sozialistischer Schüler (AUSS), vorgelebt.54 Was mit Protesten, wie zum Beispiel 1965 gegen die Weigerung von Vermietern, Besuche zu erlauben, beginnt, endet in der Ablehnung der „Zweierkiste" und des „Besitzanspruchs" der Partner55. Die Kritik der Intellektuellen findet auf sprachlicher Ebene sowohl durch soziologische Terminologie als auch durch bewußt vulgär gehaltenes Vokabular ihren Ausdruck, das die Vertreter der bürgerlichen Moral provo11 56 zieren soll. Dieser Prozeß wird von Teilen der Gesellschaft als „sexuelle Revolution" empfunden, ein Ausdruck, der in den Medien als Streitvokabel fungiert. Der Terminus impliziert die Erwartung einer „sexuellen Befreiung" und deren Auswirkungen auf die Gesellschaftsstruktur. Die Kollokation von „sexuell" und „Revolution" in der öffentlichen Berichterstattung zeigt eine gewandelte Auffassung von Sexualität, die nicht mehr als Privatangelegenheit, sondern als Politikum gewertet wird.57
52 53
54 55 56
57
DER SPIEGEL (2.5.1966), H. 19, S. 64. Zum Beispiel Reich, Wilhelm: Die sexuelle Revolution. Frankfurt a. M. 5 1966. Ursprünglicher Titel: Die Sexualität im Kulturkampf. Kopenhagen 1936; und ders.: Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral. Köln 1972. Nachdruck: Der Einbruch der Sexualmoral. Berlin 1932, erweiterte Ausgabe Kopenhagen 1935Vgl. Schenk 1987, S. 196. DER SPIEGEL (7.4.1965), H. 15, S. 108. Vgl. DIE ZEIT 27.12.1991, Nr. 1: „Dies war die Botschaft, die sich Wilhelm Reichs Buch ,Die sexuelle Revolution* entnehmen ließ und sie war kein Mißverständnis: ,Fickt Euch frei!' oder in einem ihrer Slogans, der sinngemäß noch heute an den beschmierten Wänden der Westberliner Politologie zu lesen ist:,Gegen Bullen hart, im Bett zart'. (Wenn es trotz 1968 noch Leser geben sollte, die sich an dieser Sprache stören, muß ich um Duldung bitten. Jede Umschreibung verfälscht den Geist der Stunde.)". DER SPIEGEL (18.11.1968), H. 47, S. 67.
604
Kapitel 15
1968 veröffentlichen die beiden Sexualwissenschaffler Hans Giese und Gunther Schmidt eine Dokumentation zur Studentensexualität, in der sie bestätigen, daß Studenten Verhaltensweisen praktizieren, „die nach der offiziellen Moral als unsittlich oder unzüchtig gelten".58 „Sie entsprechen am ehesten dem, was man den .skandinavischen Typ' ehelicher Standards genannt hat [...]. Man kann diesen skandinavischen Standard mit drei Schlagwörtern umreißen: freizügig, egalitär und partnerbetont". 59
Durch diese Interpretation relativiert Giese das Schlagwort von der sexuellen Revolution·. .„Revolution' aber besteht per defínitionem gerade in einer Veränderung der Grundlagen, und so kann man .revolutionär' nur eine Moral nennen, die die Bedeutung von Ehe und Familie erheblich relativiert [...]. Damit ist die Sexualität der meisten unverheirateten Studenten im Wortsinn .vorehelich': Sie kopieren und antizipieren .Ehe', während sie noch ledig sind."60
Auch nach der Terminologie des Sexualwissenschaftlers Leunbach, den der S P I E G E L zitiert, führen die Studenten nur eine bürgerliche Sexualreform durch.61 1969 mündet der beginnende Bewußtseinswandel unter anderem in die Reform des Sexualstrafrechts. Die einfache männliche Homosexualität wird nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Als Straftatbestände entfallen außerdem der Ehebruch, die Unzucht mit Tieren sowie die Erschleichung außerehelichen Beischlafs. In der Berichterstattung über männliche Homosexuelle werden einige Vokabeln der Homosexuellen-Szene verwendet, zum Beispiel HomoTreff, Homo-Bar, Klappen und Sub-Kultur.62 Die Eigenbezeichnung schwul wird noch in Anführungszeichen gesetzt, um sich von einer beleidigenden Verwendungsweise zu distanzieren.63
4. Die Folgen der »sexuellen Revolution«: Liberalisierung und Kommerzialisierung in den siebziger Jahren In den siebziger Jahren werden die ersten Auswirkungen der gesellschaftlichen Entdeckung der Sexualität diskutiert, und man versucht, für die revolutionären Ideen der ausklingenden sechziger Jahre gemäßigtere 58
Giese/Schmidt 1968, S. 392
59
DER SPIEGEL ( 2 6 . 8 . 1 9 6 8 ) , H . 3 5 , S. 5 3 .
60
DER SPIEGEL (26.8.1968), H. 35, S. 5 3 - 5 4 .
61
V g l . D E R SPIEGEL ( 2 6 . 8 . 1 9 6 8 ) , H . 3 5 , S . 5 4 .
62
DER SPIEGEL ( 1 2 . 5 . 1 9 6 9 ) , H . 2 0 , S . 5 7 , 7 4 u n d 7 6 .
63
DER SPIEGEL ( 1 2 . 5 . 1 9 6 9 ) , H . 2 0 , S . 5 8 .
Sexual- und Partnerschaftsethik
605
Formen zu finden, um sie in Ehe und Partnerschaft zu erproben. Die Ausbreitung der kommerzialisierten Erotik, die gleichzeitig mit dem Streben nach liberalisierter Sexualität und Partnerschaft wahrgenommen wird, trägt jedoch zur Diskreditierung der Reformbewegung bei. Der Terminus Sex-Welle, der Aufklärung und Kommerzialisierung verquickt, wird zunehmend pejorisierend verwendet. DIE WELT stigmatisiert die Entwicklung als sexuelle Massenverelendung in Folge der gelockerten Moralauffassung.64 Die „Sex-Welle" verschwindet nicht wie typische „Welle-Phänomene", sondern entwickelt neue Erscheinungsformen. Man spricht auch von Sex-Flut, Lust-Seuche oder Sex-Kult.65 Aufgrund dieser Entwicklung erfährt der Ausdruck Sex zum Teil eine Bedeutungsverschlechterung. So interpretiert die konservative Presse das Wort als Synonym für eine zu kritisierende Auffassung von Sexualität als Konsumobjekt. DIE WELT vermeidet das Wort Sex oder vermittelt durch Anführungsstriche eine Distanzierung von der als unseriös bewerteten sittlichen Einstellung: „Sie haben ja aus dem Geschlecht den Sex als Leistungssport gemacht [...], daß diese Kümmerform des ,Sex' die Beruhigungspille ist, die den Menschen über seine sonst recht weit gediehene Dressur trösten soll." (DIE WELT
16.6.1972)
Im Gegensatz zu der negativ konnotierten Vokabel Sex sollen Formulierungen wie Geschlecht, das Geschlechtliche oder die geschlechtliche Begegnung die ethisch höherstehende Bewertung der Sexualität signalisieren. Auch bei der kritischen Verwendungsweise des Stichwortes der sexuellen Befreiung fungieren Anführungsstriche als Distanzindikatoren: „Und die .sexuelle Freiheit' selber wiederum wird durch ihre Reduktion auf Sex als bloße Technik eingeengt" (ebd.). Die Anführungsstriche signalisieren die vermeintliche Notwendigkeit der begrenzten Sexualität und die Angst vor einer grassierenden Promiskuität. Diesen Zustand der Promiskuität sieht man in der sogenannten permissiven Gesellschaft („permissive society") verwirklicht, einer Gesellschaft, in der alles erlaubt ist, in der sittenkonstituierende Normen nichts mehr gelten. Die Sexwelle identifiziert man als einen Indikator der allgemeinen moralischen Auflösung: „Der Trend zur .permissiven Gesellschaft' ist mehr als die Sexwelle. Aber die Sexwelle ist sein auffalligster Teil. Und an ihr läßt sich auch am deutlichsten das für jenen Trend als Ganzes charakteristische Umschlagen der Befreiung in ihr Gegenteil aufzeigen." ( D I E W E L T 1 6 . 6 . 1 9 7 2 )
64
V g l . DIE WELT 2 6 . 1 0 . 1 9 7 0 .
65
Vgl.
DER SPIEGEL
(3.8.1970), H. 32, S. 32, 34, 39.
606
Kapitel 15
Die Abwertung der Termini Sex und Sex-Welle wird durch die Zunahme erotisch-pornographischer Darstellungen in Presse, Film und Theater intensiviert. Sex-Welle und Pornographie werden in der Berichterstattung nicht mehr differenziert: „Die Sex-und Pornowelle ist ein heikles Thema, über das heute in der Bundesrepublik die Menschen leicht in Streit geraten können." (RP 1.12.1970) DER SPIEGEL kritisiert die Sex-Film-Welle und verwendet dafür auch den Ausdruck Pomo-Welle.66 In Frankreich symbolisiert das Musical „Hair" die „schlimmsten Auswüchse" der französischen Sex-Schwemme, die auch als erotische Aggression, pornographischer Terror oder Erotismos bezeichnet werden.67 Neue Branchen wie der „Sex-Shop" provozieren in der Berichterstattung stilistische Unsicherheiten. Entweder wird das englische Kompositum übernommen und mit Anführungsstrichen markiert, oder es wird mit Ausdrücken wie Sex-Laden oder Sexual-Lokale über68
setzt. Die ersten Peep-Shows in den USA werden unsicher als „musicboxähnliche Guckkästen" umschrieben.69 Erste „Nacktauftritte" im Theater werden ebenfalls als Phänomene der Sex-Welle gewertet, dem die intendierte künstlerisch-ästhetische Wirkung abgesprochen wird; der Nackt-Naturalismus störe vielmehr die künstlerische Komposition.70 Negativ konnotiert sind auch die Abkürzung Porno und Komposita mit diesem lexikalischen Bestandteil als Bezeichnungen für Varianten kommerzieller pornographischer Darstellungen.71 Der Ausdruck löst mit zunehmender Popularität die Bezeichnung Sex-Film ab (RP 5.12.1970). Bei einer sachlichen, problematisierenden Thematisierung vermeidet die seriöse Presse jedoch die Abkürzung und verwendet den Ausdruck Pornographie als Fachvokabel.72 Diese Strategie etabliert sich auch hinsichtlich der Verwendungsweise von Sex und Sexualität. Mit der zunehmenden Verbreitung pornographischer Darstellungen beginnt die öffentliche Debatte über eine mögliche Liberalisierung des Pornographieverbots. Dabei werden Definitionsprobleme formuliert, die 66
Vgl. DER SPIEGEL (19.8.1968), H. 34, S. 161 Andere stigmatisierende Ausdrücke für die Produkte kommerzieller Erotik sind „Bordellblätter", „Schweinezeitungen", „PornoPresse" (DER SPIEGEL (3.8.1970), H. 32, S. 32).
67
DER SPIEGEL ( 9 . 2 . 1 9 7 0 ) , H . 7 , S . 1 1 1 .
68
V g l . D E R SPIEGEL ( 9 . 2 . 1 9 7 0 ) , H . 7 , S . 1 1 1 u n d DER SPIEGEL ( 3 . 8 . 1 9 7 0 ) , H . 3 2 , S . 3 2 .
69 70
DER SPIEGEL (30.31970), H. 14, S. 155. Vgl. RHEINISCHE POST (RP) 9.1.1971: „[...] wird noch deudicher, daß nur den Sexanbetern in der Sex-Woge Zucker gegeben wird, ohne daß eine künsderische Notwendigkeit dafür besteht". Zum Beispiel „Porno-Literatur", „Porno-Sendungen", vgl. RP 27.7.1970. Zum Beispiel RP 18.9.1970: „Keine Strafe für Handel mit pornographischen Schriften"; oder RP 26.9.1970: „Bischöfe gegen Verbreitung von Pornographie".
71 72
Sexual- und Partnerschaftsethik
607
die Subjektivität und Wandelbarkeit des ethischen Empfindens indizieren. Der Streit um den Ausdruck Pornographie bezieht sich laut Giese, dem damaligen Leiter des Instituts für Sexualforschung, auf die Frage, ob es sich um „dargestellte Sexualität" oder um „anstößig dargestellte Sexualität" handelt.73 Der Ausdruck Unzucht als Kategorie der moralischen Bewertung von Pornographie wird als überholt betrachtet.74 Die Probleme der Definition ergeben sich unter anderem bei der Grenzziehung zur erotisch-künstlerischen Darstellung und bei der Unterscheidung sogenannter weicher (einfacher) und harter Pornographie75. .Arbeitsminister Figgen stellte fest, daß nach Meinungsbefragungen es zwei Drittel der Bevölkerung nicht als anstößig ansehen, daß über sexuelle Dinge gesprochen werde, daß aber .nicht einmal Fachleute wissen, w o Pornographie eigentlich beginnt'." (RP 14.1.1971)
1973 wird aufgrund der Strafrechtsreform die sogenannte einfache Pornographie erlaubt. Im Zuge der Liberalisierungen des Paragraphen 175 in den Jahren 1969 und 1973 leiten gesellschaftliche Aktivitäten der männlichen Homosexuellen die beginnende Emanzipation der männlichen Homosexualität ein. Volkmar Sigusch, der 1972 Deutschlands Ärzte ermahnt, ihre Rolle „als Hüter und Dienstmänner der amtierenden Sexualideologie aufzugeben", kritisiert Ausdrucksweisen wie normal, krank und schädlich76. In der kritisch-aufklärerischen Berichterstattung der Medien wird die Antinomie von Homosexualität und „normaler Sexualität" zum Teil überwunden.77 Durch die Gegenüberstellung der Ausdrücke Homosexualität und Heterosexualität emanzipiert sich, zumindest auf sprachlicher Ebene, die Homosexualität als eine gleichwertige Variante innerhalb des Spektrums der menschlichen Sexualität. Die Wechselwirkung von gesteigertem öffentlichen Interesse, rechtlicher Liberalisierung und sensiblerer 73 74 75
76
77
DER SPIEGEL (3.8.1970), H. 32, S. 47. Außerdem betont Giese, daß man „die nackte Welle" nicht mit Pornographie gleichsetzen könne und verteidigt damit das aufklärerische Potential der Bewegung. Ebd. Diese Definitionsprobleme resultieren aus der Subjektivität ethisch-ästhetischen Empfindens bezüglich der Sexualität. Die RHEINISCHE POST zitiert zum Beispiel den SPDAbgeordneten Müller-Emmeit, der in einer Bundestagsdebatte darauf hinweist, daß die Wissenschaft die .einfache Pornographie' für unbedenklich halte, während der CSU-Abgeordnete Jaeger Pornographie als eine „Sumpfblüte des Spätkapitalismus" bezeichnet (6.3.I97I). An anderer Stelle werden in der RP Zitate aus der Literatur der Gegenwart, die ein Münsteraner Literaturwissenschaftler in einer Landtagsdebatte „Wort für Wort" vorlas, als „ekelerregende Schweinereien" bezeichnet (14.1.1971). DER SPIEGEL (22.5.1972), H. 25, S. 54.
Zum Beispiel DER SPIEGEL (16.2.1972), H. 25, S. 62: „Die Hamburger Autorin schätzt, daß drei bis acht Prozent der bundesdeutschen Frauen mehr homo- als heterosexuell empfinden."
608
Kapitel 15
Darstellung homosexueller Menschen führt zur Wahrnehmung einer vermeintlichen Zunahme von Homosexualität. An diesem Prozeß ist auch die feministische Diskussion maßgeblich beteiligt, die die weibliche Sexualität, weg vom „Penetrationsmuß", für sich neu definieren will. Weibliche Homosexualität wird angesichts der neuen Einsichten in die sexuellen Bedürfnisse der Frau als gleich- oder höherwertige Alternative zur Heterosexualität bewertet.78 Diese Phase der Diskussion wird im SPIEGEL allerdings als vorübergehende WelleErscheinung interpretiert: „Offenbar empfinden viele der Frauen, die sich jetzt auf die Homo- oder Bisex-Welle schwingen, dies nicht als Endzustand, sondern eher als Durchgangsphase."
Im Zuge dieser Liberalisierungstendenzen werden die Attribute homosexuell und schuml als Eigenbezeichnung männlicher Homosexueller, thematisiert, wie zum Beispiel in der Berichterstattung über das erste internationale Homosexuellen-Treffen in Frankfurt „Homolulu": „Ausnahmsweise wollen die männlichen Organisatoren ihr Treffen nicht als eine Veranstaltung von .Schwulen' bezeichnet wissen, wie sie sich in der Regel selbst nennen. Es komme ihnen sehr darauf an, daß auch die homosexuellen Frauen, die an dem Treffen teilnehmen, gebührend berücksichtigt werden" ( N E U E RHEIN-ZEITUNG (NRZ) 2 5 . 7 . 1 9 7 9 ) .
verwendet im gleichen Zusammenhang „szene-mäßige" Ausdrücke wie Schwulenkneipe, Gay-Pride-Parade oder Subkultur, die noch mit Anführungsstrichen markiert werden.80 Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (WAZ) verwendet bereits den Ausdruck Schwule ohne distanzierende Anführungsstriche und übernimmt die Eigenbezeichnung der männlichen Homosexuellen ohne negative Konnotation.81 Im Gegensatz zu dieser Fortführung einiger liberaler Tendenzen der sechziger Jahre ist die sexual- und partnerschaftsreformerische Idee der Kommune bereits zu Beginn der siebziger Jahre in den Hintergrund geraten. Die meist pejorisierend verwendete Vokabel Kommune ist in der Berichterstattung bereits durch das neutralere Kompositum Wohngruppe abgelöst worden.82 Der Ansatz der Kommune, Sexualethik und Politikverständnis zu verbinden und damit neue Lebens- und Partnerschaftsformen zu kreieren, wird häufig auf den Aspekt der Promiskuität reduziert. Stigmatisierende Ausdrücke für die Kommune sind zum Beispiel „linke Sex-Gemeinschaften", „fehlgeschlagene Kommune-Sexperimente", DIE WELT
78
Vgl. Schäfer 1972.
79 80 81
DER SPIEGEL ( 2 . 9 . 1 9 7 4 ) , H . 3 6 , S. 6 7 . Vgl. DIE WELT 2 5 . 7 . 1 9 7 9 . Vgl. WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG 2 5 . 7 . 1 9 7 9 .
82
Vgl. DER SPIEGEL ( 2 3 . 3 . 1 9 7 0 ) , H. 13, S. 1 0 4 .
Sexual- und Partnerschaftsethik
609
„Bettchen-wechsle-Dich-Kommunen" oder „Sexual-Gemeinschaften".83 Daß sich aus den Kommunen wirtschaftlich nützliche studentische Wohngemeinschaften entwickeln, wird hingegen positiv bewertet.84 Die Vokabel Wohngemeinschaft ist im Gegensatz zu Kommune nicht negativ konnotiert. Der Ausdruck impliziert in diesem Kontext die zeitliche Begrenztheit und den wirtschaftlichen Aspekt dieser Lebensform; das asoziale, unsittliche Stigma wird ausgeklammert. Zukunftsweisend erscheinen, im Gegensatz zu den Kommunen, auch die sogenannten Familienfamilien, worunter man Familiengruppen versteht, die einen gemeinsamen Haushalt führen, aber die Intimität der heterosexuellen Zweierbeziehung bewahren. 85 Durch die Nivellierung der avantgardistischen Ideen erreicht jedoch Mitte der siebziger Jahre die kritische Diskussion der traditonellen Ehe breitere Gesellschaftsschichten. Obwohl nicht mehr mit dem Vokabular der Studentenbewegung gegen die Institution der Ehe polemisiert wird, wächst die Akzeptanz der vorehelichen sexuellen Beziehung. DER SPIEGEL beschreibt das Sexualverhalten der jungen Generation als „Ehe vor der Ehe", wodurch einerseits die Stabilität der Zweierbeziehung indiziert wird, andererseits das Ideal der vorehelichen sexuellen Enthaltsamkeit negiert wird.86 Populär wird in den siebziger Jahren der Terminus der offenen Ehe, der bürgerliche Eheideale und progressive Ehekritik synthetisiert.87 In der offenen Ehe wird „sexuelle Untreue" nicht notwendig negativ bewertet und muß nicht zum Bruch der Beziehung führen. Erotik und Sinnlichkeit avancieren zu eigenständigen Werten, losgelöst von einer übergeordneten Ethik. Sexuelle Beziehungen sollen „ausgelebt" werden. 88 Trotz dieser Versuche, neue Formen der Ehe zu etablieren, steigt in den siebziger Jahren die Zahl der freien Lebensgemeinschaften kontinuierlich. Im Zuge dieser Entwicklung wird der pejorisierende Terminus der wilden Ehe von neutraleren Wortschöpfungen wie eheähnliches Verhältnis, nicht-eheliche Lebensgemeinschaft, unverheiratetes Paar oder Ehe ohne Trauschein abgelöst.89 Doch diese Termini implizieren noch 83 84 85
86 87 88 89
Ebd. Ebd. Ebd. Für diese Form des Zusammenlebens wird in der RHEINISCHEN POST ( 2 4 . 1 2 . 1 9 7 0 ) ebenfalls der Ausdruck Wohngemeinschaften verwendet: „.Wohngemeinschaften', auch .Großfamilien' genannt, sind jetzt durch Schweden und Dänemark einigermaßen populär geworden. Sie haben einiges für sich, wenn die Privat- und Intimsphäre der einzelnen Familie gewahrt bleibt. Sie ersetzen die Großfamilien alten Stils, die Sippen, die in einem Haus zusammenlebten". DER SPIEGEL (22.3.1971), H. 13, S. 188. Vgl. O'Neill, Nena und George, Die offene Ehe, 1975. Vgl. Schenk 1987, S. 202. Auf einer Tagung der evangelischen Akademie Loccum 1980 zum Thema „nicht-ehe-
610
Kapitel 15
den Maßstab der konventionellen Ehe und setzen die stabile, heterosexuelle Beziehung voraus. Auch das neue Scheidungsrecht, das 1977 in Kraft tritt, signalisiert eine liberalere Ehe- und Sexualmoral.90 Durch die Aufhebung des Schuldprinzips wird auch das moralisierende Kriterium der sogenannten Eheverfehlungen hinfällig. Nicht mehr der Ehebruch, sondern das Trennungsjahr gilt als unwiderlegbare Zerrüttungsvermutung.91 Ein Ehegatte, der sich scheiden lassen möchte, erhebt nicht mehr „Klage", sondern stellt einen „Antrag".92 Indem der Gesetzgeber das Schuldprinzip der Konventionalscheidung aufgibt, überläßt er es zum Teil den Ehepartnern selbst, sittliche Normen einer individuellen Eheauffassung zu entwickeln.
5. Die »Weg-werf-Beziehung« in der »Single-Gesellschaft«: Kritik an der sexuellen Freizügigkeit in den achtziger Jahren Zu Beginn der achtziger Jahre fallen ausführliche Reportagen über männliches und weibliches Sexualverhalten auf, die häufig auf großangelegten Umfragen basieren. Sie thematisieren, quasi in Wellenbewegung, kontrastierende Trendmeldungen von angeblich wiederkehrender Prüderie bis hin zur Klage über sinnentleerte, oberflächliche sexuelle Beziehungen in einer Zeit des anonymen Telefon-Sex und der SadoMaso-Praktiken. So beklagt der STERN (12.6.1980) den Verlust der Treue angesichts von ,Austausch-Ehen" und „Wegwerfbeziehungen".93 Die Erfolge der freizügigen siebziger Jahre werden im zeittypischen Vokabular des vorangegangenen Jahrzehnts hinterfragt:
90
liehe Lebensgemeinschaften" äußert sich Peter Lindemann, FDP-Mitglied, zur Entstehung der Wortschöpfung: „Ich will noch eine Bemerkung machen zur Wortwahl. Schon das Programm hat, mir sehr zusagend, von ,nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft' gesprochen. Es ist dann im Verlauf der Unterhaltungen hier und der Diskussion auch von „Ehe ohne Trauschein" und „ehegleichem Verhältnis" gesprochen worden. Aber in Anknüpfung an das eheliche Kind und das nicht-eheliche Kind [...] halte ich es für richtig, von nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft zu sprechen [...]. Am Rande sei bemerkt, daß man in der Karlsruher Juristischen Bibliographie, im Findex bei ,nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft' auf .Konkubinat' verwiesen wird" (Hans May (Hrsg.): Partnerschaft und Identität. Rehburg-Loccum 1980, S. 139 ( - Loccumer Protokolle 3)). Vgl. RP 14.1.1971: „Die Formel ,Weg vom Schuldprinzip' (mit all seinen Unfreundlichkeiten und auch Unappetitlichkeiten, die vor Gericht ausgebreitet werden) hin zum .Zerrüttungsprinzip' wird allgemein gebilligt."
91
V g l . D E R SPIEGEL ( 2 7 . 6 . 1 9 7 7 ) , H . 2 7 , S . 3 4 u n d 3 6 .
92 93
Ebd. Andere Titelgeschichten lauten zum Beispiel: „Sex in Deutschland; 1980. Kommt nach dem Freiheitsrausch der Katzenjammer?" (14.5.1980) oder „Zwischen Lust und Frust" (9.5.1980).
Sexual- und Partnerschaftsethik
611
„Haben die Partnertausch-Fans, die Offene-Ehe-Propagandisten, die bloßkeinen-Besitzanspruch-Paare die menschliche Natur richtiger eingeschätzt'" (ebd.)
Man bezweifelt, daß die Zunahme der sexuellen Freizügigkeit und der kommerzialisierten Erotik Fortschritte hinsichtlich einer unbelasteten, erotikbejahenden und toleranteren Sexualitätsauffassung gebracht habe. Diese Kritik an der sexuellen Reformbewegung der sechziger und siebziger Jahre bildet, trotz sich widersprechender Aussagen und Trendmeldungen, eine Konstante in der Argumentation der achtziger Jahre. Mit Hilfe des Distanzindikators „sogenannt" negiert etwa die FRANKFURTER RUNDSCHAU (FR) die sexuelle Revolution (30.12.1989). Und weiter heißt es: „Mokieren wir uns heute auch über eine verklemmte Erziehung, die von Frauen bis zur Heirat absolute Keuschheit verlangte [...] der freizügige Umgang mit dem Thema Sexualität in Kunst, Literatur und Fernsehen verzerrt, mit welchen Tabus Sexualität befrachtet bleibt", (ebd.)
Indiz für die fortbestehende Tabuisierung verschiedener sexueller Identitäten sind in den achtziger Jahren konfluierende Strategien bezüglich der Bezeichnung homosexueller Männer.4 Während die linksliberale Presse häufig die Ausdrücke schwul und Schtvule verwendet, die die Homosexuellen-Gruppen seit den siebziger Jahren als positive Eigenbezeichnungen gebrauchen, vermeidet die konservativere Presse diese Vokabel. So löst im Bundestag ein Antrag der Grünen-Fraktion den Protest des Ältestenrates aus, weil er die Audrücke „Schwule" und „Lesbe" enthält, die nach Auffassung des Gremiums nicht zur „Hochsprache" gehören.95 Im vorhergehenden Streit der Bundestagsfraktionen hatte sich der CSU-Abgeordnete Fritz Wittmann über eine „Verwilderung der Sprachkultur" beschwert und die Ausdrücke „Schwule" und „Lesben" als „unwürdige", „der Gosse zugehörige" Vokabeln charakterisiert (FR 24.11.1988). Obwohl homosexuelle Frauen und Männer in den achtziger Jahren gegen das ihnen auferlegte Verbot der Eheschließung protestieren, bleibt die Ehe unumstrittenes Privileg der heterosexuellen Beziehung, denn „es gehöre zum unantastbaren Kern des Begriffs Ehe, daß nur Partner un-
94
95
DER SPIEGEL interpretiert das Fehlen eines adäquaten Ausdrucks für die männliche Homosexualität als Indikator der bisherigen Diskriminierung: „Ein Kampfwort [„schwul", C.T.l wird da geprägt für die eigentlich namenlose Liebe, die zwar lange Sodomie oder Päderastie genannt wurde und etwa zur gleichen Zeit den heute geläufigen, medizinisch und nach Krankheit klingenden Namen .Homosexualität' verpaßt bekam, für die es aber (bis heute) keinen nicht-diskriminierenden oder nichtkämpferischen Begriff gibt" (DER SPIEGEL (2.7.1984), H. 27, S. 144). Vgl. Frankfurter Rundschau (FR) 25-11.1988, Titel: „Das Wort ,schwul' bleibt pfui".
612
Kapitel 15
06
terschiedlichen Geschlechts heiraten dürfen". Die Bezeichnungen lesbische oder homosexuelle Lebensgemeinschaft bzw. gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft (FR 5.5.1983 und NRZ 11.4.1988) signalisieren jedoch eine Aufwertung dieser Beziehungen zumindest im Vergleich zu den eheähnlichen Lebensgemeinschaften. Seit 1983 dominiert die Thematisierung des erworbenenen Immundefektsystems, genannt Aids, in der öffentlichen Diskussion über Partnerschafts- und Sexualethik. Die Ausmaße der erworbenen Immunschwäche zwingen die Gesellschaft, offen und detailliert über verschiedene sexuelle Identitäten und deren Sexualpraktiken zu sprechen: „Die Zeit gefährlicher Schamhaftigkeit im Sprachgebrauch ist damit endlich vorbei". (KÖLNER STADT-ANZEIGER 1 8 . 1 2 . 1 9 8 6 ) „In einem Ausmaß, das noch vor wenigen Monaten unvorstellbar schien, sind die intimen Zonen und Säfte des menschlichen Körpers zum Gegenstand detailgetreuer Diskurse vor breitestem Publikum geworden". 97
Trotz dieser Offenheit belastet Aids wegen der gesteigerten Emotionalität und der verbreiteten Ängste die Diskussion über Sexualität und Partnerschaft. Aufklärerische Ansätze werden im erhitzten Diskurs zeitweilig demontiert, und es wird auf traditionelle, religiöse Denk- und Sprachmuster zurückgegriffen. Ausdrücke wie Sex-Seuche oder LustSeuche diskreditieren Sexualität erneut als „unsauber" und als „Laster".98 Rühmann bestimmt in seiner Untersuchung der publizistischen Verarbeitung des SPIEGELS die Stilisierung des Immundefektsystems als Metapher, als „Kainsmal der Unmoral", hinter der politische und soziale Ordungsvorstellungen verborgen seien.99 Im Zuge dieser „Instrumentalisierung der Krankheit" würden archaische Denkformen mobilisiert, die in einem metaphysischen Sinne die Frage nach dem Urheber dieser Krankheit auslösten.100 Niemann kritisiert in diesem Zusammenhang die „Desperado-Semantik" bzw. den agitatorischen und polemischen Charakter des neuen ,Aids-Jargons" der Presse.101 Aids wird in der öffentlichen Berichterstattung unter anderem als Konsequenz der „sexuellen Befreiung" interpretiert. Die BUNTE beschreibt Aids als „Fluch der wilden Jahre":
96
DER SPIEGEL (28.3-1983), H. 13, S. 77 zitiert Willutzki, Familienrichter und stellvertretender Vorsitzender des deutschen Familiengerichtstages.
97
DER SPIEGEL ( 9 . 2 . 1 9 8 7 ) , H . 7 , S. 5 8 .
98
Hier sei auf die Arbeit von Frank Rühmann verwiesen, der die Strategien der publizistischen Verarbeitung der Krankheit untersucht hat. Vgl. Rühmann, Frank: Aids. Eine Krankheit und ihre Folgen. Frankfurt a. M., New York 1985. 99 Ebd., S. 15. 100 Ebd., S. 70. 101 Vgl. Niemann 1988, S. 56 und 58.
Sexual- und Partnerschaftsethik
613
„Deutschland in den 70er Jahren. Eine riesige Party. Sie ist jetzt vorbei. Die Angst vor Aids hat die Gesellschaft verändert [...]. Schon gibt es eine neue Zeitrechnung: Die Zeit vor Aids. Und die Zeit nach Aids". (17.10.1985)
Der bayrische Staatssekretär Peter Gauweiler sieht die Ursache im Sexualverhalten der Studentenbewegung: „Der Satz, ,wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment' hat das Biotop mitgeschaffen, das dem Virus für seine Verbreitung ideale Voraussetzungen bietet".102
Aids wird in diesem Kontext auch als sexuelle Gegenrevolution bezeichnet.103 Die Argumentation des alttestamentarischen Denkansatzes einer göttlichen Vergeltung gipfelt in dem Satz, Aids sei eine „Heimsuchung Gottes", von dem sich Kirchenvertreter später distanzieren.104 Die Gefahren von Aids werden häufig auf männliche Homosexuelle reduziert, indem Ausdrücke wie Homosexuellen-Seuche, Schwulen-Seuche, Schtvulenkrebs oder Homo-Seuche angeführt werden.105 Die Emanzipation homosexueller Männer erfährt durch diese vermeintliche Korrelation im Verlauf der achtziger Jahre einige empfindliche Rückschläge; 1988 diskreditiert der bayrische Kultusminister Hans Zehetmair männliche Homosexuelle, indem er nazistisches Vokabular verwendet: „Das ethische Gebot der Stunde brachte der bayrische Kultusminister auf den Begriff: .Entartung ausdünnen'. Nicht immer zitieren die neuen Sexualmoralapostel aus dem Wörterbuch des Unmenschen". (FR 30.7.1988 und 19.3.1991)
Angstauslösende Stereotype der Berichterstattung sind insbesondere Bibelzitate, Personifizierungen, Wellen- und Flutmetaphorik sowie archaische Sprachmuster.106 Der Audruck Risikogruppe für Homosexuelle, Heroinabhängige und Empfänger von Blutprodukten verschiebt die Problematik der Infektion weg vom „Normalbürger" auf Randgruppen.107
102
V g l . D I E ΖΕΓΓ 2 6 . 7 . 1 9 8 7 .
103 Vgl. ebd., S. 239104 Aids. Vier Aussagen des Erzbischofs von Köln, Kardinal J o s e p h Höffner. Hrsg. vom Presseamt des Erzbistum Köln. Köln 1987 ( - Zeitfragen, H. 41). 105 Vgl. DER SPIEGEL (6.6.1983), H. 23, S. 144 u.154. 1971 prägten Mediziner den Ausdruck „Hippie-Hepatitis" für eine Form der Hepatitis, mit der angeblich Kommune-Mitglieder sich „reihum" mit der Drogenspritze ansteckten (DER SPIEGEL (22.3.1971), H. 13, S . 3). 106 SPIEGEL-Autor Hans Halter beschreibt das Virus, „das nur noch fliegen lernen muß", folgendermaßen: „Und ich sah ein fahles Pferd und der darauf saß, des Name hieß T o d und die Hölle folgte ihm nach" (Offenbarung des J o h a n n e s 6, Vers 8 ) (DER SPIEGEL (16.11.1987), H. 47, S. 240). Die FR kündigte die Jahrhundertseuche" mit dem Titel „Tödliche Aids-Viren überschwemmen jetzt auch die BRD" an (FR 11.7.1983). 107 Vgl. FR 30.7.1988: „Die Zugehörigkeit zu einer .Risikogruppe' soll den Ansteckungsverdacht erhärten."
614
Kapitel 1 5
Problematisch ist auch die häufige Verwechslung von HIV und Aids in der Berichterstattung. So werden HIV-Infizierte fälschlicherweise mit bereits an Aids Erkrankten sprachlich gleichgesetzt. Die Termini Testpositive oder Positive etablieren sich als Kurzvokabeln für HlV-infizierte Menschen.108 Das vereinfachende Kompositum Aids-Test verkürzt die medizinische Komplexität des Anti-Körper-Testsm, als sei das Ergebnis Aidsnegativ ein Persilschein110. Trotzdem dominiert in der Berichterstattung das emotional belastete Kompositum Aids-Test vor dem sachlich korrekteren Ausdruck HIV-Test111·. „Mit k e i n e m d e r bisher verfügbaren Aids-Tests läßt sich feststellen, o b d e r Getestete e i n e s T a g e s tatsächlich a n d e r I m m u n s e u c h e erkranken wird. Alle Verfahren, die ü b e r die Schicksalsfrage ,Aids-positiv' o d e r ,Aidsnegativ' entscheiden, klären nur, o b d e r Kandidat mit d e m HIV-Virus in B e r ü h r u n g g e k o m m e n ist - o b e r sich infiziert hat." 1 1 2
In einem Aids-Atlas für Urlauber werden Länder mit erhöhten Infektionsraten als Risikoländer stigmatisiert.113 Der negativ konnotierte Ausdruck promiskuitiv wird durch Aids wieder zur salonfähigen Vokabel und insbesondere zum „Markenzeichen" homosexueller Männer114. Aufgrund ihrer Lebensweise werden Promiskuitive, auch Swinger115 genannt, in der allgemeinen „Verursacherdiskussion" zum Synonym für potentiell Gefährdete und Gefährdende.116 Sie werden zur Hauptzielgruppe der sogenannten safer-sex-Kampagnen, die seit Mitte der achtziger Jahre die Be-
108 Vgl. DIE ZEIT 18.10.1985 und 26.6.1987: „[...] Auch Karl ist ein .Positiver"'. 109 DER SPIEGEL (30.12.1985), H. 1, S. 128. 110 Vgl. DIE ZEIT 10.4.1987: „Der vermeintliche Persilschein ,Aids-negativ' besagt nämlich nur, daß im Blut des Patienten bisher keine Antikörper nachgewiesen werden können." 111 Vgl. „Wie sicher ist der Aids-Test'", in: DER SPIEGEL (25.4.1988), H. 17, Titelgeschichte. 112 DER SPIEGEL (8.6.1987), H. 24, S. 129. 113 Vgl. FREIZEIT-MAGAZIN REISE 1987. Zitiert wird Prof. Meinrad Koch, Leiter der AidsArbeitsgruppe im Bundesgesundheitsamt: „Wenn man unbedingt von einem Risikoland sprechen will, so muß man an erster Stelle die USA nennen 1...1." Koch betont außerdem, daß es gefährlich sei, ein Land wie Kenia, dessen Wohl vom Tourismus abhängig sei, mit dem Stempel „Aids" zu versehen. Auch DER SPIEGEL verwendet Ausdrücke wie „Afrikanischer Aids-Gürtel" (18.11.1985, H. 47, S. 269). 114 Vgl. Rühmann 1985, der darauf hinweist, daß „Promiskuität" kein primär medizinischer oder epidemiologischer Begriff sei: „Er ist vielmehr stark emotional besetzt als moralische Kategorie, mit der zumindest unbewußt eine Unfähigkeit, Beziehungen aufzubauen oder Verantwortung zu übernehmen, assoziiert wird. Promiske Menschen gelten als unzuverlässig, leichtsinnig und egoistisch. Darüberhinaus gilt Promiskuität sowohl im Vorurteil als auch in Teilen wissenschaftlicher Literatur als wesensmäßig zur Homosexualität gehörig" (ebd., S. 24). 115
V g l . DIE ZEIT 1 . 6 . 1 9 8 9 ·
116 Gelegendich wird durch Anfiihrungsstriche die Distanz zu der Vokabel signalisiert, z.B. in der FRANKFURTER AUGEMEINEN ZEITUNG (FAZ) vom 14.9.1985: „[...] Entscheidend sei eher, o b sie .promiskuitiv' lebten [...] und mit unbekannten Partnern Geschlechtsverkehr hatten."
Sexual- und Partnerschaftsethik
615
nutzung von Kondomen propagieren und wegen ihrer „flotten Sprüche" häufig von der Kirche kritisiert werden.117 1987 - die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden ermittelt Aids und Kondom als die Wörter des Jahres - wird in Bayern der sogenannte Maßnahmenkatalog angekündigt, der härteste Methoden der Aids-Bekämpfung vorsieht. Gegner des bayrischen Gesetzentwurfes, durch den sich Peter Gauweiler Spottnamen wie zum Beispiel ,Aids-Inquisitor" einhandelt118, lehnen den euphemisierenden Terminus Maßnahmenkatalog ab. „Ihre eigenartige Bezeichnung .Maßnahmenkatalog' [...] täusche nur darüber hinweg, daß tatsächlich Ermächtigungsvorschriften ohne Rechtsgrundlage ergangen seien". 119
Im Zuge der Diskussion über den bayrischen Aids-Alleingangwo etablieren sich Ausdrücke wie Aids-Terroristen oder Aids-Desperados für Infizierte, die ahnungslose Geschlechtspartner bewußt anstecken.121 Gegner von Meldepflicht, Zwangstest und Absonderung stellen durch entsprechendes Vokabular Parallelen zum Dritten Reich her und werfen Gauweiler Nazi-Methoden vor: „Während Kritiker dem CSU-Politiker unterstellen, ein ,Aids-KZ' und eine Art .Endlösung' für Infizierte zu planen, rechnet Gauweiler mit wachsender Zustimmung für seine Seuchenpolitik". 122
Der nordrhein-westfálische Gesundheitsminister Heinemann warnt in diesem Zusammenhang vor einer Pogromstimmungni und die FRANKFURTER RUNDSCHAU vor einem Aids-Überwachungsstaat12i. Ende der achtziger Jahre nimmt die Zahl der Schreckensberichte über Aids ab; Aids-Phobie125 und Aids-Hysterieu6 treten in den Hintergrund.
117 Vgl. FAZ 31.1.1987: „Widerspruch scheint der Kirche angezeigt gegen die griffige Abwandlung des Lenin-Zitats in Anzeigen: .Vertrauen ist gut, Kondome sind besser". Wird darin nicht, ganz im Trend der Zeit, die Wertewelt auf den Kopf gestellt'" 118
DER SPIEGEL ( 1 6 . 3 . 1 9 8 7 ) , H . 1 2 , S . 7 .
119 Vgl. DIE ZEIT 26.6.1987, zitiert wird ein Münchner Jurist, der beim bayrischen Gerichtshof eine einstweilige Anordnung beantragt hatte. 1 2 0 V g l . NEUE RHEIN-ZEITUNG 2 7 . 2 . 1 9 8 7 . 1 2 1 V g l . DIE ZEIT 2 6 . 6 . 1 9 8 7 . 1 2 2 DER SPIEGEL ( 3 5 . 5 . 1 9 8 7 ) , H . 2 2 , S. 2 1 .
123 Vgl. FR 20.3.1987. 124 Vgl. FR 9.6.1987. 125 Vgl. DIE ZEIT 19.11.1987. 1 2 6 V g l . SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 7 . 3 - 1 9 8 8 .
616
Kapitel 15
6. Neunziger Jahre: Ausblick Zu Beginn der neunziger Jahre wird der englische Ausdruck Outing oder outen, in Analogie zum Coming out der Homosexuellen, populär, der das Enttarnen prominenter homosexueller Frauen und Männer bezeichnet.127 Das Verbot der Eheschließung für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften bleibt weiterhin ein Streitthema der Berichterstattung. Trotz einer weitgehenden Enttabuisierung bleibt die Suche nach einem angemessenen öffentlichen Sprachgebrauch im Bereich der Sexualität ein Balanceakt. So verursacht eine im November 1993 erschienene Aufklärungsbroschüre der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für Gesundheitsförderung über „Sex im Aidszeitalter" eine Diskussion über den von kirchlicher Seite als vulgär empfunden Sprachgebrauch.128 Während der Mainzer Bischof Karl Lehmann die Ausdrucksweise als „Sprachverwilderung" bezeichnet und der CDU-Landesvorsitzende Johannes Gerster die „Fäkal- und Gossensprache" kritisiert, betont der Universitätsprofessor Norbert Kluge die Notwendigkeit einer „jugendgemäßen Sprache", die nun den Erwachsenen „den Atem verschlage".129 Daß das alte Gegensatzpaar von „normal" und „unnormal" durch das Wortspiel „Ganz und gar normal zu sein ist unnormal" (FR 6.1.1994) als hinfällig erklärt wird, löst in den konservativen Reihen ebenfalls Protest aus. Nachdem in der DDR „mit der Mauer auch die sozialistischen Sexualtabus fallen" und die Menschen dort ebenfalls eine sogenannte „Sexwelle" erleben130, sind die Thematisierungen von Sexualität und Partnerschaft vorwiegend problemorientiert. Formen sexueller Gewalt dominieren in der Diskussion, wie z.B. der sexuelle Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen, die sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz131 oder die Vergewaltigung in der Ehe, die weiterhin nur als „Nötigung" zur Anzeige gebracht werden kann. In diesem Kontext fordert die niedersächsische Justizministerin Heidi Alm-Merk eine präzisere strafrechtliche Definition des Wortes Gewalt, um eine politische Instrumentalisierung zu vermeiden. Eine Korrektur sei ihrer Meinung nach notwendig, da der Gewaltbegriff unterschiedlich angewandt werde. Bei Demonstrationen reiche es laut Rechtsprechung aus, sich auf die Straße zu set127
V g l . DER SPIEGEL ( 2 4 . 9 . 1 9 9 0 ) , H . 3 9 , S. 1 0 4 u n d DER SPIEGEL ( 3 0 . 4 . 1 9 9 0 ) , H . 1 8 , S . 2 8 6 .
128 Vgl. FR 6.1.1994: „So ist von .Bumsen' und .Ficken' die Rede, werden ,Huren' nicht als .Nutten' verunglimpft und andere lustvolle, aber vulgäre Worte nicht verschwiegen." 129 Ebd. 130
DER SPIEGEL ( 2 3 . 4 . 1 9 9 0 ) , H . 1 7 , S . 2 6 2 .
131 Der Ausdruck „sexuelle Belästigung" wird wegen seiner Dehnbarkeit kritisiert (DER SPIEGEL (19-11 1990), H. 47, S. 110).
Sexual- und Partnerschaftsethik
617
zen, um wegen gewaltsamer Nötigung verurteilt zu werden, während es zu einer Verurteilung wegen Vergewaltigung oft nötig sei, zu beweisen, daß sich das Opfer gegen den Angriff gewehrt habe (FR 12.8.1992). Der Sexualwissenschaftler Ernest Bornemann konstatiert das „Aus" für die Sexualität, was schon durch Wortschöpfungen wie Single-Gesellschaft (DIE WOCHENPOST 28.1.1993), Lebensabschnittsgefährte, Beziehung und Beziehungskiste oder Verhältnis132 signalisiert werde. Angesichts der als Entemotionalisierung empfundenen Entwicklung der sexuellen Beziehungen fungieren abgelegte Ausdrücke wie beispielsweise Scham wieder als Positiwokabeln133. Die „Schamlosigkeit" wird nach so viel Blößenwahn134 zum Kennzeichen einer verrohten Gesellschaft. Auch der Ausdruck „Enttabuisierung", in den sechziger und siebziger Jahren ein positives Signalwort der beginnenden Offenheit, wird angesichts des Wertewandels zur Stigmavokabel für verletzte Intimität: „Medien, Werbung, Mode, Filme, Theater, Literatur tragen Tabuverletzung wie eine Trophäe" ( D I E WOCHENPOST 25.3.1993). Die Enttabuisierung des Sprechens über Sexualität der letzten Jahrzehnte hat noch keine angemessene Redeweise über diesen Themenbereich geschaffen.135 Die „Stummheit zwischen den Partnern" und die „Sprachlosigkeit" werden in der Berichterstattung weiterhin kritisiert (FR 30.12.1989). Die „Sprachsuche" geht weiter. (Cornelia Tönnesen)
Beleg- und Stichwörter • Aids
Ehebruch
• Anti-Baby-Pille
eheliche
• Antrag (auf Scheidung)
Eheverfehlungen
• außereheliche
Unzucht
Lebensgemeinschaft
Empfängnisverhütung
• Beischlaf
Enttabuisierung
•
Enzyklika Humanae Vitae
Beziehungskisten
• direkte Sterilisation
Erotik-Kinos
• Dirne
erotische Aggression
• Ehe ohne Trauschein
Erotismus
• eheähnliche
Lebensgemeinschaft
freie
• eheähnliches
Verhältnis
Freudenfrauen
Lebensgemeinschaft
132 Vgl. Bornemann 1992, S. 4 5 - 4 6 und S. 6 O - 6 I . 133 Titelgeschichte im SPIEGEL vom 11.1.1993: „Die schamlose Gesellschaft. Ein Volk im Schweinestall". 134
V g l . DER SPIEGEL ( 2 3 . 4 . 1 9 9 0 ) , H . 1 7 , S . 2 6 2 .
135 Vgl. Lautmann 1987, S. 18.
Kapitel 15
618
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Frucht (ehelicher Pflicht) Genußliteratur (Pornographie) Geschlechtlichkeit Geschlechtsverkehr Heimkehrer-Ehe Herrenbar (Bordell) Herrenmagazin Homosexuelle hormonale Kontrazeption indirekte Sterilisation INGMAR BERGMANN Kameradschaftsehe Kegel (uneheliches Kind) Kommune Konventionalscheidung Kriegsehe Kuppelei linke Sex-Gemeinschaften Mischehe (Einheimische(r) mit Flüchtling) nackte Welle nicht-eheliche Lebensgemeinschaft Oben-ohne-Mädchen offene Ehe Onkel-Ehe OSWALD KOLLE Partnerwechsel Peep-Show Pille Pillenknick PornoPornographie pornographischer Terror Pornotvelle Promiskuität Prostituierte Prüderie sauber Scheidung
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
(Scheidungsklage Scheitern (der Ehe) Schweden Filme (Erotik-Filme) Schwule Sex Sex-Atlas Sex-Schwemme SexShop Sex-Welle Sexual-Lokal Sexualerziehung Sexualforscher Sexualkriminalität sexuelle Aufklärung sexuelle Handlungen sexuelle Revolution sexuelle Zügellosigkeit Sittlichkeitsdelikte skandinavischer Typ Siro/cò Studentensexualität Trennungsjahr Unfruchtbarmachung unheilbar zerrüttet Unhold unsauber unterwertig unverheiratetes Paar Unzucht(shandlungen) Verdrängung Verschuldensprinzip voreheliche Sexualität vorweggenommener Mord wilde Ehe Wohngemeinschaften Wohngruppe Zerrüttung Zweierkiste
Umweltstörfälle Fachsprache und Expertentum in der öffentlichen Diskussion 1. Umweltdiskussionen ohne Umweltbewußtsein / 2. Die Generalisierung der Debatte / 3. Die Verfachlichung der Atomenergiekontroverse / 4. Die Ideologisierung der Fachterminologie / 5. Die Institutionalisierung der grünen Sprache / 6. Der Tschernobyl-Effekt / 7. Entideologisierung und Etikettenschwindel
Die vielfältigen Umweltprobleme bilden heutzutage unzweifelhaft eines der wichtigsten Themenfelder der öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik und werden es auch in Zukunft bleiben, da eine Lösung der ökologischen Fragen auf absehbare Zeit nicht in Sicht ist. Es ist daher kein Runder, daß sie der Gegenwartssprache ständig tiefe Spuren einprägen".1 Obwohl man von einer Umweltdiskussion im eigentlichen Sinne kaum vor 1970 sprechen kann, hat sich die Materie in dieser kurzen Zeit in so vielfältige Teilbereiche aufgespalten, daß hier vielleicht noch weniger als anderswo eine „vollständige" Wiedergabe aller Aspekte und öffentlichen Sprachthematisierungen möglich ist.2 Die folgende Darstellung konzentriert sich deswegen einerseits auf die Vor- und Frühphase der Entwicklung eines bundesdeutschen Umweltbewußtseins und greift andererseits einzelne, besonders prominente Diskussionen exemplarisch für allgemeine Tendenzen der Entwicklung des öffentlichen Sprachgebrauchs heraus. Dabei stößt man immer wieder auf den großen Stellenwert, den in der Umweltdiskussion die naturwissenschaftlich-technische Fachsprache, ihre Ausbreitung, Bedeutung und Bewertung einnehmen. Hier eröffnet sich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre ein neues Feld des Ringens um Begriffe, das zunächst explizit politische Fahnenwörter betraf. Über die Brisanz und Umstrittenheit einzelner Vokabeln hinaus erweist sich die 1
2
D E R SPRACHDIENST ( 1 9 9 2 ) , H . 1, S . 1 9 .
Im folgenden eine kleine, bunte Auswahl von Stichworten, die hier alle nicht einmal erwähnt werden: Bhopal, Dünnsäuretvrklappung, Strahlensmog, Pseudo-Krupp, Robbensterben, Robin Wood, Öko-Terrorismus, Giftmüllskandale, Grüne/Gelbe/Braune/ Rote Tonnen, die Dreckschleudern Buschhaus und Ibbenbüren, Waldpfennig, Chlor, Amalgam-Füllungen, Algenkrise ... Für Auflistungen von Schlagwörtern der Umweltdiskussion sei auf die sprachlichen Jahresüberblicke (ab 1977) in der Zeitschrift DER SPRACHDIENST verwiesen, die auch im vorliegenden Aufsatz vielfach zu Rate gezogen wurden.
620
Kapitel 16
Kommunikationsgeschichte der Umweltdiskussion damit nicht nur als zentral für die Entwicklung der bundesdeutschen Sprachkritik, sondern auch als Lehrstück für die Verwissenschaftlichung der Gegenwartssprache und den tiefgreifenden Wertewandel, der sich in den 70er Jahren im Verhältnis zu Naturwissenschaft und Technik überhaupt vollzogen hat. Dies soll im folgenden sprachbezogen dargestellt werden.
1. Umweltdiskussionen ohne Umweltbewußtsein Quantitative Untersuchungen ebenso wie historische Fakten sprechen dafür, die Entstehung einer breiten Umweltdiskussion in der Bundesrepublik auf die Jahre 1969/70 einzugrenzen. Erst im Kontrast zum Sprachgebrauch während der langen Vorlaufzeit wird allerdings der um 1970 erfolgende Umbruch sichtbar. Im modernen Umweltschutz haben sich Tendenzen verbunden, die sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, vor 1969/70 aber unverbunden nebeneinander herliefen. Neben Naturschutz, Heimatschutz bzw. Heimatpflege, getragen von Nicht-Wissenschaftlern, existierten schon lange eine Reihe technischer, medizinischer und juristischer Disziplinen, die sich u.a. mit Zivilisationsschäden zu befassen hatten: Luft- und Wasserreinhaltung, Land- und Forstwirtschaft, Abfallbeseitigung, Hygiene, Lebensmittelkontrolle, Gewerberecht etc. Grundlagenwissenschaften wie Biologie und Ökologie blieben hierbei weitgehend ausgeschlossen, da sie ihren Forschungsgegenstand in den natürlichen Phänomenen und Ökosystemen sahen, mithin die Einwirkungen der Zivilisation auf die Umwelt nicht in den Blick bekamen. Nur eine isolierte Minderheit von Vertretern einer reaktionär-kulturpessimistischen Sozialromantik stellte aus weltanschaulicher Überzeugung die Industrialisierung an sich in Frage. Ansonsten beschränkte man sich auf das reine Konservieren romantischer Inseln in der Natur- und Heimatschutz-Bewegung oder auf die technisch-rationale Symptomkurierung unerwünschter Konsequenzen der Industrialisierung. Es fehlte die später charakteristische Verbindung von rational-wissenschaftlicher Begründbarkeit der Umweltbedrohung durch Biologie und Ökologie, bisher getrennten technischen Einzeldisziplinen und (vor allem ab Mitte der 70er Jahre) generellem Fortschrittszweifel unter einem umfassenden Gesichtspunkt wie Umweltschutz, ganz zu schweigen von einer landesweiten öffentlichen Relevanz des Themas. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden zunächst rein materielle Prioritäten gesetzt, erst mit dem Beginn des Wirtschaftsbooms in den 50er Jahren konnten dann lokale Umweltprobleme wie die indu-
Umweltdebatten
621
strielle Luftverschmutzung einen gewissen Nachrichtenwert erlangen, so daß etwa in Nordrhein-Westfalen der Landtag über die „Verbesserung der Luft" durch die Ausfilterung von Staub, Asche und Ruß nach dem Vorbild der US-amerikanischen „smoke controll" (sic!) debattierte (RHEINISCHE POST (RP) 14.12.1955). „Belästigungen" durch die Luftverschmutzung und Meldungen wie „.Generalangriff' aus der Dunstglocke auf Duisburger Stadtteil", wo schon im Juni die Bäume verdorrt waren (RP 14.6.1961), veranlaßten die SPD, den „Blauen Himmel über der Ruhr" 1961 sogar zu einer ihrer Wahlparolen zu erheben.3 Diese frühen Versuche einer Politisierung des Umweltproblems blieben allerdings weitgehend erfolglos, denn noch charakterisierte das bildkräftige Wort des Wirtschaftsministers Erhard, „Der Schornstein muß wieder rauchen", treffend das absolute Primat der Ökonomie gegenüber der Ökologie und den wenig umweltbewußten Zeitgeist.4 Es verwundert kaum, daß in der BRD die umweltpolitische Bewußtseinsbildung anderen Industrieländern, insbesondere den USA und Großbritannien, zu diesem Zeitpunkt hinterherhinkt. Hinzu kam, daß bei den gesellschaftlichen Eliten das Vertrauen in Wissenschaft und Technik bzw. der allgemeine Fortschrittsglaube grenzenlos waren, so daß zum Beispiel Kunststoff mehr gelten konnte als natürliche Stoffe, nachdem erst einmal der Ruf des billigen Ersatzes abgelegt war, der noch aus der Kriegs- und Nachkriegszeit stammte.5 Speziell die frühe öffentliche Thematisierung der zivilen Nutzung der Atomenergie macht deutlich, wie anders der Zeitgeist damals gelagert war. Die Nuklearenergie wurde bis 1970 nicht unter dem Aspekt ihrer Umweltschädlichkeit, sondern fast ausschließlich als Zukunftstechnologie diskutiert. Vor 1955 hatte eine alliierte Direktive jegliche Betätigung auf dem Nuklearsektor untersagt; die zivile Nutzung der Kernenergie konnte in der Bundesrepublik erst nach der Wiedererlangung der Souveränität in Angriff genommen werden. Da man glaubte, in eine neue technische Ära, das (hier positiv verstandene) Atomzeitalter eingetreten zu sein, sollte dieser Rückstand schnellstmöglich aufgeholt werden, um das deutsche Wirtschafiswunder, das mit so „viel Mühe und Hast und so manchem Herztoten" bezahlt worden sei (Jordan 1954, S. 62), nicht zu gefährden. Noch im Oktober 1955, am 20.10., wurde deshalb eigens ein Ministerium für Atomfragen mit Franz-Josef Strauß an der Spitze eingerichtet. Zum Bestehen der Atomschlachten um die internationale Atomherrschaft auf 3 4 5
SPIEGEL-Titel (9.8.1961), H. 33; vgl. außerdem Margedant 1987, S. I6ff. Vgl. Küppers u.a. 1978, S. 104 und Schütze 1971, S. 480. Zur genaueren Geschichte des Naturschutzes bzw. der Genese des ökologischen Bewußtseins: Schoenichen 1954 bzw. Hermand 1991. Vgl. Stave 1968
622
Kapitel 16
dem Gebiet der zivilen Atomtechnik empfahl ein SPD-Abgeordneter gar, die Bundesrepublik schnellstens „wissenschaftlich, technisch und kulturell aufzurüsten" (BT 21.1.1959, S. 3036). In der öffentlichen Meinung herrschte Ende der 50er Jahre eine wahre Atomeuphorie. Obwohl zum gleichen Zeitpunkt die Atomangst vor den Folgen eines möglichen Atomkrieges und dem weltweiten Fallout der amerikanischen und sowjetischen Atomtests in der Atmosphäre weit verbreitet war und innenpolitisch eine heftige Diskussion um die mögliche Atombewaffnung der Bundeswehr (die Kampf dem Atomtorf-Bewegung) tobte, gab es dennoch zu diesem Zeitpunkt keine politisch relevante Gegnerschaft zu der zivilen Atomenergienutzung. Im Gegenteil: Regierung, Opposition, Gewerkschaften und Industrie verstanden sich — wie hier der SPD-Abgeordnete Ruhnke - als „fanatische Anhänger" der friedlichen Nutzung der Atomenergie (BT 22.2.1957, S. 11071), die sich bei der Unterstützung der Kernenergie gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Die Schizophrenie der Einschätzung der Atomenergie — einerseits neuer Heilsbringer, andererseits drohender Weltuntergang - spiegelt sich sprachlich dergestalt wider, daß Atom- einerseits ein „Schreckenswort" (RP 14.2.1955, S. 1) war, andererseits aber allgemein superlativischen Charakter hatte: Wortbildungen wie Atom-Strauß (der Minister), Atommcidchen oder Atomheini (Schülerjargon für ,Physiklehrer') drückten höchste Anerkennung aus und wurden gerade umgangssprachlich bzw. in der kommerziellen Namensgebung gebraucht (vgl. Küpper 1987). Hinzu kam eine für die damalige (Männer-)Mentalität typische Erotik der Atombombe. In der „ahnungslosen vergifteten Sprache des anbrechenden Nuklearzeitalters" (DIE ZEIT 29.7.1988, S. 36) wird der zweiteilige Badeanzug Bikini genannt (nach dem Atoll, wo die USA seit 1946 ihre damals als Weltsensation gefeierten Atombombenversuche durchführten), von Atombusen geschwärmt und die Atomdiva Rita Hayworth als Atomkraftiverk der Erotik gefeiert.6 Das damalige „Umweltbewußtsein" und der naive Glaube an die Technik kommen in folgendem zeitgenössischen Zitat kraß zum Ausdruck: „Man kann mit Radioaktivität eine Rauchverzehrung entwickeln, die nicht nur im engen Raum einer Männerkneipe verwendbar ist, sondern auch für die Schlote der Fabriken. So darf uns unser Ruhrgebiet in einem Zukunftstraum (bei dem es sich um nahe Zukunft und um sehr reale Träume handelt) in neuen veränderten Formen erscheinen, befreit von Rauch und Qualm und Ruß und Staub, die heute die ständige Plage dieser Städte sind. Man könnte vielleicht sagen, daß dem Auge damit etwas verloren gehen wird, daß im bildmäßigen Eindruck der graue, lastende 6
Ausführlicher dazu: Jung 1994.
Umweltdebatten
623
Dunst zur düsteren und wilden Schönheit der Industrielandschaft mit dazu gehört. Aber die Hausfrauen werden einmal dankbar sein, wenn sie ihre Gardinen weniger oft waschen müssen; und die Kinder werden eine andere Gesichtsfarbe bekommen." (Jordan 1954, S. 61)
Wie die Folgen der Industrialisierung allgemein, so wurde auch die Atomenergienutzung nur von marginalisierten Zivilisationskritikern abgelehnt. Auf dem Höhepunkt der Atomeuphorie stellten Bayernpartei und andere zivilisationsfeindlich-nationalistische Gruppen praktisch die einzige organisierte Opposition dar. Eine Gesellschaft für Erbgesundheitspflege e. V. rief dazu auf, sich in letzter Minute „gegen diesen raffinierten Volksmord, gegen diesen grauenvollen endgültigen Erbfluch, gegen ein Verblöden und Entarten bis zur vollkommenen Verkommenheit in wenigen Generationen" aufzubäumen. Und abstruse Befürchtungen wie die Sorge um die Qualität des Biers beim Bau eines Forschungsreaktors in München oder die Auffassung der Atomenergie als bolschewistische Machenschaft, um den Westen zu degenerieren, taten ein übriges, alle Gegner als spinnerte Sektierer zu diskreditieren.7 Auch seriöse Kritiker, wie sie sich zum Teil 1956 im Kampfbund gegen Atomschäden bzw. I960 im Weltbund zum Schutz des Lebens zusammengeschlossen hatten, waren sich darüber im klaren, als Reformer vielen Menschen „ein Greuel" (!) zu sein und einer aufgeklärten Öffentlichkeit als Querulanten und „abwegige, fortschrittshemmende Außenseiter" zu erscheinen (Manstein 1961, S. 84), denn man belächelte die Atommuffel und Atomreaktionäre, die „mit Dreschflegeln gegen den Bau" von Reaktoren kämpften.8 Eine Chance, in den Medien den herrschenden Diskurs über die Atomenergie zu durchbrechen, hatten sie nicht. Im Sprachgebrauch dieser frühen Atomgegner und Umweltschützer aus dem rechten Spektrum fallt der häufige Gebrauch allgemeinsprachlicher Zeichen mit wenig präziser Bedeutung, aber voller Entrüstung auf: Auswurf bzw. Exkremente (der Industrie bzw. von Atomkraftwerken), Dreck, Verjauchung, Gift, Unrat, Kloake, verpesten, verseuchen, verschandeln, Gestank, die Vergewaltigung, Schändung bzw. der Mißbrauch der Natur, das große Atomsterben etc.9 Diese durchaus seriösen und fachlich legitimierten Kritiker scheuen sich ebensowenig, den Insektizid-Einsatz - doppelt unsachlich wegen seiner militärischen und nationalsozialistischen Assoziationen - zum totalen Giftkrieg oder den Smog zum Giftgas zu erklären10 und die Risiken der Atomenergie in Bil7 8 9 10
Atomwirtschaft 15
(1970), S. 30. Vgl. auch Jäckel 1968, S. 261 ff.; Die Bieber 1977, S. 37. STERN 1957 zit. nach Gleitsmann 1987, S. 39. Atommuffel wird von Küpper 1982 auf 1965ff. datiert. Vgl. Jung 1989, S. 79ff. und Jung 1994. Kapitelüberschriften in: Manstein 1961. Reinhard Démoli war Biologieprofessor und Zit. nach Dœ
Welt 9-91955;
624
Kapitel 16
dem von „allzu feurigen, schwer zu zähmenden Rossen" zu beschwören, die „dem Höllentor entsprungen" sind und eines Tages „durchgehen" könnten (Demolì I960, S. 133). Sehen sie die immer deutlicher werdenden ökologischen Schäden vornehmlich als plötzlichen .Aufstand der versklavten Umwelt", die „jede Vergewaltigung und Mißhandlung bisher willig hinzunehmen schien"11, dann kommt in solchen Passagen durch das moralisierende Pathos und die typische Vermenschlichung komplexer Problematiken der Unterschied zwischen alter und neuer Umweltopposition nach 1970 noch deutlicher zum Ausdruck. In einem merkwürdigen Kontrast dazu steht die Identifikation dieser Kritiker mit dem herrschenden Wirtschaftssystem und das Fehlen einer nicht nur verbal drastischen, sondern auch politisch grundlegenden Kritik, die über das Beklagen von Vermassung und Denaturierung des Menschen (Demolì I960) bzw. noch moderater über die Kritik der „technischen Überspitzungen" (Manstein 1961, S. 7) hinausgeht. Es handelt sich nämlich keineswegs um fundamentalistische Radikalökologen, sondern um politisch konservative Staatsbürger. Wirkt der damalige Wortgebrauch inzwischen besonders polemisch, so vor allem deshalb, weil er im Kontrast zu der verwissenschaftlichten Ausdrucksweise von heute steht. Für Gift- etwa standen in der öffentlichen Diskussion bedeutungsdifferenzierende Zeichen wie toxisch, Schadstoffe, umiveltschädlich bzw. phänomenbenennende und -präzisierende Zeichen wie Smog etc. noch nicht zur Verfügung. Sie existieren entweder - wie die Umwelt-Komposita - überhaupt nicht oder sind noch nicht aus den Fachsprachen in den öffentlichen Sprachgebrauch eingedrungen, so daß auch Wissenschaftler wie Demolì und Manstein sie in fachexterner Kommunikation nicht gebrauchen. Ähnlich ungelenk wirken in allen Schriften zu beobachtende Archaismen wie Dunstglocke, gifthart bzw. giftfest und Giftstau, die in der öffentlichen Diskussion wegen ihrer gemeinsprachlichen Motivierung den entsprechenden „harten" Fachwörtern Smog, resistent und Anreicherung von giftigen Substanzen in der Nahrungskette weichen mußten. Von diesem „volkstümlichen" und scheinbar besonders polemischen Wortgut hat allein Ölpest die Verwissenschaftlichung des Deutschen unbeschadet überstanden. 12
11
12
Bodo Manstein promovierter Arzt. Ausführlicher zu diesem Komplex: Jung 1989, S. 79f. Demolì I960, S. 7. Schon die Titel der hier ausgewerteten Werke der alten Opposition wirken deshalb heute archaisch: „Bändigt den Menschen" (Demolì I960), „Im Würgegriff des Fortschritts" (Manstein 1961), „Morgen holt dich der Teufel" (Schwab 1968), „Tödlicher als die Bombe" (Jäckel 1968) oder „Die sanften Mörder. Atomkraftwerke demaskiert" (Graeub 1972). Ölpest findet sich bereits bei Demolì I960, S. 69ff. und wurde 1975 in den Wahrig aufgenommen. Gifthart, Giftstau u.a. veraltete Ausdrücke beispielsweise in: D E R SPIEGEL
Umweltdebatten
625
Fachbegriffe aus Bezugswissenschaften für den Umweltschutz wirken damals in der Presse noch wie Fremdkörper, bleiben einmalige Zitate aus Nachbarwissenschaften, die durch Anführungszeichen und beigefügte Erklärungen vom normalen öffentlichen Wortschatz abgesetzt sind, Beispiel: „.carcinogene' (krebserregende) Substanzen" und „die .Immission' (der Niederschlag)".13 Obwohl viele Termini der heutigen Umweltdiskussion schon in den damaligen Vorläufer-Schriften punktuell nachzuweisen sind, gehen sie nicht fest in den öffentlichen Sprachgebrauch ein und müssen später wieder neu und unabhängig voneinander in die Diskussion eingeführt werden: Kontaktinsektizid oder Emission (von Schadstoffen) finden sich zum Beispiel schon bei Manstein (1961, S. 56 u. 80), werden aber erst 1982 bzw. 1986 in den Wahrig aufgenommen. Beim englischen „Slangwort" Smog (RP 15.7.1957) finden sich Erstbelege etwa 20 Jahre früher in der Presse als in Wörterbüchern (zum Beispiel Wahrig 1975), denn erst nach 1970 kann der Anglizismus die in der öffentlichen Diskussion bis dahin vorherrschenden Redeweisen von der Dunstglocke, Dunstwolke oder Dunsthaube über den Städten verdrängen bzw. sich gegenüber umständlichen Umschreibungen wie rauch verseuch ter Nebel (Manstein 1961) durchsetzen.14 Gift- und ähnliche allgemeinsprachliche Ausdrücke können erst dann einen ausgesprochen polemischen Charakter annehmen, als sich die Umweltdebatte nachhaltig verfachlicht hat. Daß die scheinbare Demagogik zu einem großen Teil auf der Unbeholfenheit des „laiengerechten Sprechens" beruht, zeigt sich an dem Stil, in dem man damals wissenschaftliche Zusammenhänge der Bevölkerung vermittelte, weil man glaubte, ihr die genauen Termini und Definitionen nicht zumuten zu können. Bis hinein in die frühen 70er Jahre finden sich hier auch in der „sachlichen Aufklärung" die gleiche Vermenschlichung und Emotionalisierung wie in den Schriften der frühen Atomgegner: So veranschaulicht DIE ZEIT ihren Lesern die Kettenreaktion als Reaktion von Neutronen einer „neuen Generation", die „fündig" werden, „weiteren spaltbaren Uranatomen die Geschlechtsreife gestatten" und dann ihrerseits wieder Neutronen „zeugen", von denen „wieder eins Vater wird". Auch wenn „erst 1 Promille der spaltbaren Atombevölkerung am Zeugungsprozeß" teilnehme, bleibe „die Kinderzahl" konstant. Es gelte der Grundsatz: J e
13 14
(14.10.1964), H. 42, S. 7 1 - 8 1 . Vgl. dazu Jung 1990. DER SPIEGEL (9-8.1961), H. 33, S. 23. Frühe Belege: RHEINISCHE POST (RP) 8.2.1955, 15.7.1955 (als amerikanische Zitatwörter bezogen auf die USA); DIE ZEIT 14.12.1962 („Verhängnisvoller Smog", Überschrift). Noch in der SPIEGEL-Titelgeschichte zur Luftverschmutzung (9.8.1961), H. 33, S. 22ff. fehlt Smog, während Ende der 60er Jahre schon, bezogen auf diverse Politskandale, von politischem Smog über Bonn die Rede ist (DIE WELT 4.12.1968, S. 3). Genauer zur Wortgeschichte von Smog: Jung 1989, S. 82f.
626
Kapitel 16
mehr Zeugungen desto heißer" (DIE ZEIT 21.1.1972, S. 37). Zur Luftverschmutzung durch Autoabgase heißt es in einer anderen Schrift, das Auto sei „in schlechten Geruch" gekommen, denn „Millionen von Auspufftöpfen husten Kohlenmonoxyd in die Atmosphäre", aber glücklicherweise brauche „Otto" dank der chemischen Industrie nicht „sterben", könne man „.Ottos' Atem so reinigen, daß er ein sauberer Zeitgenosse", ein „entgiftetes Wesen" werde etc.15 Eine wichtige Rolle bei der terminologischen Wende um 1970 spielte, wie schon das Beispiel Smog zeigt, der angloamerikanische Sprachstand und -einfluß. Die Entwicklung in den USA war der deutschen im Hinblick auf die Zeichenbildung im Bereich des technischen Umweltschutzes zu diesem Zeitpunkt fünf bis zehn Jahre voraus.16 Der amerikanische Staat entfaltete, von seinen Präsidenten gestützt, eine für die damalige Zeit beachtliche Gesetzgebungstätigkeit auf dem Umweltschutzsektor. Lyndon B. Johnson etwa forderte in einer Botschaft an die Nation von 1965 einen ganz neuen Naturschutz, den er vom traditionellen Naturschutz als Konservieren einer unberührten Natur absetzte17, kurz: er formulierte heutiges Umweltschwizverständnis, ohne sich schon vom traditionellen Ausdruck Naturschutz zu lösen. Aufgrund des fortgeschrittenen Umweltbewußtseins in den USA existierten dort auch bereits globale Umweltbegriffe wie environmental quality; und ecology wurde in den USA bei einer interessierten Öffentlichkeit schon in den 60er Jahren nicht mehr für erklärungsbedürftig gehalten. In populären amerikanischen Umweltklassikern wie Carson (1962) ist nicht mehr von Schmutz und Dreck die Rede, sondern es werden Fachbegriffe wie Rückstände und Schmutzstoffe sowie Ökologie und Umwelt- in charakteristischen Zusammensetzungen vorausgesetzt. Diese Fachtermini fehlen in thematisch vergleichbaren deutschen Schriften dieser Zeit18, obwohl gerade bei Ökologie und Umwelt (im biologischen Sinn) eine spezifisch deutsche Zeichenverwendungstradition existiert: Ersteres wurde von Ernst Häckel 1866 geprägt, der eng verwandte Umwelt-Begriff geht auf Üexküll zurück und ist seit 1926 wissenschaftlich vielfach institutionalisiert.19 15 16 17 18
19
UMWELTJOURNAL herausgegeben vom Verband der Chemischen Industrie, Frankfurt o.J. [19731, S. 1. Vgl. im folgenden Küppers u.a. 1978, S. 108ff. Die entsprechende Passage wird auf deutsch zitiert bei Küppers u.a. 1978, S. 108. Etwa bei Demolì I960, Manstein 1961 oder in der SPIEGEL-Titelgeschichte (9-8.1961), Heft 33. Auch die deutsche Übersetzerin von Carson 1962 hat offensichtlich ihre Schwierigkeiten mit der Fachsprachlichkeit der Autorin, wenn sie beispielsweise food chain als Futterkette statt mit dem heute allgemein bekannten Ausdruck Nahrungskette (1986 in den Wahrig aufgenommen) wiedergibt. Gründung des Instituts für Umweltforschung an der Universität Hamburg (vgl. Großer Brockhaus 1957, S. 745). Das (biologische) Verständnis von Umwelt ist 1964 in den Namen dreier Forschungsabteilungen in durchaus modern klingenden Komposita zu
Umweltdebatten
627
2. Die Generalisierung der Debatte Der Durchbruch des Umweltthemas zur öffentlichen Relevanz ist international, aber doch mit länderspezifischen Besonderheiten zu beobachten, ohne daß man ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt eine dramatische Verschlechterung der Umweltqualität konstatierte oder konkret erfahrbare Umweltkatastrophen die Öffentlichkeit wachgerüttelt hätten. Ein tiefgreifender Wertewandel der westlichen Industriegesellschaften, eine ZurKenntnisnahme längst bekannter Tatsachen, wie sie etwa bei Manstein (1961) bereits vollständig aufgelistet werden, kommt hierin zum Ausdruck. Damit sind neue sprachvermittelte Interpretationen von Problemverhalten verknüpft, die man vorher nicht für relevant erachtete. Konkrete Ereignisse wie beispielsweise die große Ölpest im Ärmelkanal nach dem Auflaufen des Tankers Torrey Canyon20 oder die Rheinverseuchung durch Pestizide im Sommer 1969, deren Folgen damals als „größtes Fischsterben der Nachkriegszeit" (RP 23.6.69, S. 3) galten, verstärkten diesen Trend lediglich bzw. wurden im Lichte eines sich wandelnden Bewußtseins nicht mehr als punktuelle Unglücksfälle bewertet. Die Bundesrepublik folgt dabei einer Bewegung, die aus Schweden und Großbritannien, vor allem aber aus den USA kommt, wo das Umweltbewußtsein schon in den 60er Jahren stärker entwickelt war. Als im Juni 1969 UN-Generalsekretär U Thant einen Bericht zur Umweltkrise, „wie er es nannte", vorlegte21 und eine Reihe von Gesprächen und Konferenzen zum gleichen Thema stattfanden, wird aus dem Umweltschutz ein internationaler Trend. Daraufhin breiteten sich im öffentlichen Sprachgebrauch der Bundesrepublik Umwelt und Ökologie in vielfältigen Zusammensetzungen und Ableitungen aus, was zunächst hauptsächlich auf englischen Spracheinfluß zurückging: Ökologie gilt den Journalisten beispielsweise als eine „merkwürdige neue Bewegung" aus den USA, genannt „Ecology, eingedeutscht als Ökologie" (RHEINISCHER MERKUR 21.12.1979, S. 8), als eine „neue umfassende Wissenschaft" (SÜDDEUTSCHE
20 21
finden: Abteilung für Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten des Bundesgesundheitsamts Berlin, Fachgruppe Umweltwissenschaften der DFG («Wasserforschung, Lärmforschung, Erforschung der Luftverunreinigung u.a.), Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung mbH München (vgl. Küppers u.a. 1978, S. 278f.). Zu Umwelt und Ökologie siehe auch Kann 1976, Wey 1982, Schramm 1984, Schmidt 1985. Dazu FRANKFURTER AUGEMEINE ZEITUNG (FAZ) 20.3.1967, S. 8 und 21.3.1976, S. 8 sowie RP 2O.3.I967 („Ölpest vor Englands Küste") und 21.3.1967 („Öl-Lache dehnt sich aus"). Schütze 1971, S. 472. Umweltkrise war offensichtlich ein frequenzspezifisches UmweltKompositum dieser Frühphase: Es taucht beispielsweise im Großen Brockhaus 1974 bei der Erklärung des Begriffsfeldes Umwelt- dreimal auf, 1983 dagegen in der ansonsten unveränderten Passage nur noch einmal.
628
Kapitel 16
ZEITUNG (SZ) 30.11.1970), mit der sich junge Menschen in den Vereinigten Staaten trotz ihres „etwas spröden" Namens" statt mit einer „Ideologie" beschäftigten (AACHENER VOLKSZEITUNG 14.3.1970). Angesichts des Erkenntnis- und Benennungsvorsprungs der US-amerikanischen Umweltdiskussion - dort war Anfang der 70er Jahre ecology/ecological bzw. die Kurzform eco- schon voll kommerzialisiert22 - entfaltete das Englische für die Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt eine besondere meinungs- und sprachbildende Kraft: Neben den beiden Zentralvokabeln des modernen Umweltschutzes, Ökologie und Umwelt, bei denen sich die Mehrzahl der Journalisten der deutschen Zeichenverwendungstraditionen offensichtlich nicht bewußt ist23, etablieren sich jetzt beispielsweise auch Anglizismen wie Smog oder der „Fachausdruck der MüllExperten" Recycling dauerhaft im öffentlichen Sprachgebrauch.24
Innerhalb kürzester Zeit erreichte Umweltschutz die breite Öffentlichkeit, wie demoskopische Ergebnisse belegen: Im September betrug der Bekanntheitsgrad des Neuwortes bereits über 40%, und im folgenden Jahr erlebte die Umweltwelle ihren vorläufigen Höhepunkt. In der Reihenfolge der für wichtig gehaltenen Aufgabenbereiche stand Umweltschutz an erster Stelle, 92 % der Bevölkerung waren mit dem Ausdruck vertraut.25 Die Umwelt-Gefährdung war „kein Modewort mehr", sondern galt plötzlich als „bedrohliche Realität" (DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 16.8.1970, S. 16), der die Journalisten breiten Raum widmeten: Inhaltsanalytische Studien für den STERN beispielsweise zeigen eine Verdreifachung der Umweltberichterstattung ab 1970, und im SPIEGEL tauchte am 31.8.1970 erstmals eine eigene Rubrik unter dem Titel Umwelt auf.26 Der Begriff Umiveltschutz nahm Konturen an und grenzte sich ab von zunächst mißverstandenen Deutungen. Noch im Herbst 1970 hatten 17 % der erwachsenen Bundesbevölkerung „Schutz vor Diebstahl und Verbrechen" zum Umweltschutz gerechnet; jeweils 13% zählten die
22 23
24 25 26
Küppers u.a. 1978, S. 119, nennen Namen von Beraterfirmen wie Ecoflow, Ecologie Dynamics oder Ecology Audit und gibt für 1974 die beachtliche Zahl von ca. 1130 derartiger Organisationen an. Der Neuwortcharakter von Ökologie ist übrigens auch an der noch schwankenden Orthographie (Oekologie/Ökologie) erkennbar. Vgl. entsprechend zur Frage nach der Herkunft der neuen Bedeutung von Umwelt im öffentlichen deutschen Sprachgebrauch Bülow 1984, S. 283ff. sowie Kann 1976; DER SPRACHDIENST (1980), H. 7/8, S. 127; Carstensen 1972. DER SPIEGEL (29.11.1971), H. 49, S. 78. Beide Anglizismen wurden im Wahrig 1975 aufgenommen. Zur Wortgeschichte von Recycling: Förster 1974. INFAS 1973, S. 3. Die plötzliche und hohe Relevanz des Themas „Umwelt" für den öffentlichen Sprachgebrauch zeigen auch die inhaltsanalytischen Studien von Schmidt 1985 und Schönbach 1982. Vgl. Steger 1989, S. 15 bzw. Kann 1976, S. 441. Begriffsgeschichtliche Überlegungen zu Umwelt bei Hermanns 1991·
Umweltdebatten
629
zivile Verteidigung bzw. den Jugendschutz, insgesamt 11% auch die Gewährleistung der äußeren Sicherheit dazu (INFAS 1973, S. 4). Zu diesem Zeitpunkt dominierten Katastrophenmeldungen, die sehr stark auf den sieht- und fühlbaren Teil der Verschmutzung eingehen: „Sie können es sehen, sie können es riechen" (AACHENER VOLKSZEITUNG 14.3· 1970). Typisch für die frühe, sinnfällige Phase sind 1970/71 Kombinationen mit Mült7 wie Müll-Lawine, Müllplanet, Tatort Müll und Zusammensetzungen mit Gift. Von entsprechenden Bildern begleitet, erschien eine Flut populärwissenschaftlicher Krisenbücher und dramatischbeschwörender Zeitungsartikel. Den aus heutiger Sicht naiven Katastrophismus dieser Zeit bei gleichzeitigem Mangel an fachlicher Substanz veranschaulichen Schlagzeilen wie: „In 10 Jahren nur Leben mit Gasmaske", „Bitte nur ausatmen! oder: Noch ein Japser und es ist vorbei...", „Die Giftglocke raubte mir mein Gedächtnis...".28 Umweltschutz galt nun auf einmal als „letzte Chance" (WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN 25.11.1971). Angesichts einer Situation, in der eine gewisse Medienhysterie sich umgekehrt proportional zu konkreten Maßnahmen verhielt, fürchteten viele, daß Umweltschutz schon bald „eine wieder vergessene .Vokabel'" würde (Eggers 1973, S. 25), und beklagten „das ständige Einhämmern dieser Begriffe durch Presse, Funk und Fernsehen", da es eine „gefährliche Abstumpfung" bewirke (Carstensen 1972, S. 50). Innerhalb kurzer Zeit kommt deshalb auch mit Umwelthysterie „ein dummes Schlagwort" auf, gegen das der CDU-Abgeordnete Herbert Gruhl sich im Bundestag ausdrücklich verwahrt29, das aber seitdem seinen festen Platz in der Umweltdebatte hat. Aus industriefreundlicher Sicht wird Umweltschutz als „das Geschäft mit der Panik" angegriffen30, denn „ohne das Wörtchen ,Gift' bekommt man keinen Zuschauer mehr an den Fernsehschirm, wenn das beliebte Thema .Umweltschmutz' abgehandelt wird" (DIE WELT 8.1.1972, S. 7). In dieser ersten Umweltwelle lag die sprachliche Initiative weitgehend bei Politikern, wobei die Parteien sich gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Komposita mit Umwelt nahmen durch das Sofortprogramm Umweltschutz der SPD/FDP-Regierung vom 17.9.1970 oder durch die 27 28 29
30
Bereits in den 60er Jahren wurde der Müll als Ausdruck moderner Zivilisation von zahlreichen Künstlern verarbeitet (vgl. Nuys-Henkelmann 1986). Zit. nach Jung 1989, S. 92. Vgl. auch Küppers u.a. 1978, S. 91. BT ( - Stenographische Protokolle der Bundestagsdebatten) 3-12.1971, S. 8919- Bereits in der allerersten Umweltdebatte des deutschen Bundestages möchte Innenminister Genscher Umwelthysterie vermeiden - eine Wortprägung, die von einer CDU/CSURednerin zustimmend aufgenommen wird (BT 16.12.1970, S. 4797 u. 4831)- Neuere Belege für Umwelthysterie in: DER SPRACHDIENST (1993), H. 1, S. 12. Titel einer Serie in: DIE WELT 8.1.1972ff.; weitere Belege für Umwelthysterie: DIE WELT 8.1.1972, S.7 und 14.1.1972.
630
Kapitel 16
Berufung eines Ministers für Landesentwicklung und Umweltschutz Ende des Jahres in Bayern offiziellen Charakter an und wurden in den „Freiburger Thesen" der FDP vom 27.10.1971 im Abschnitt Umweltpolitik zum offiziellen Parteivokabular erhoben. Bezeichnenderweise aber ist das Programm der Bundesregierung wenig mehr als die Zusammenfassung bereits seit längerem laufender Initiativen der älteren Umwelttechnik (Hygiene, Landschaftsplanung, Naturschutz) unter einem neuen Oberbegriff. Bei allen Parteien, insbesondere aber bei der CDU/CSU, herrscht die Vorstellung vor, es gebe „kein Umweltproblem, dessen technologische Lösung nicht zu finden wäre" (DIE WELT 14.1.1972). Trotz aller offensichtlichen Beunruhigung der Bevölkerung bedeutet Umweltschutz in dieser Phase im wesentlichen Umweltschutz von oben, forciert insbesondere durch die FDP mit ihrem Bundesinnenminister Genscher, der die entsprechenden Kompetenzen an sein Ministerium zog. Lediglich die SPD betonte sprachlich etwas stärker den grundsätzlichen Wertewandel, der in dem neuen Interesse für die Umwelt zum Ausdruck kam. Lebensqualität/Qualität des Lebens symbolisierte dabei den programmatischen, aber diffusen Zeitgeist-Charakter des allgemeinen Unbehagens mit dem kruden Materialismus der Nachkriegszeit. Nach Willy Brandts Einschätzung ist Lebensqualität Ende 1972 zum „zentralen Begriff unserer politischen Arbeit geworden", wenn er es auch nur vage als „die alte Wahrheit, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt", bzw. das Durchdringen der technischen Zivilisation mit „geistigen Werten", um sie „menschlicher zu machen", umschreibt.31 Sehr viel präziser vesteht Erhard Eppler in einer einflußreichen Rede darunter einen „Maßstab für humanen Fortschritt" und grenzt Lebensqualität gegen einen rein quantitativen Wachstums-Yiegi'ùï ab.32 Spätestens seit dem Bericht des Club of Rome, der 1971 unter dem programmatischen Titel „The Limits of Growth" erschien und auf deutsch ein Jahr später als Die Grenzen des Wachstums (Medows u.a. 1972) auf den Markt kam, wurde Wachstum auch in der Presse zunehmend problematisiert.33
31 32
33
Regierungserklärung zit. nach dem BULLETIN DES PRESSE- UNF INFORMATIONSAMTES DER BUNDESREGIERUNG Nr. 6 vom 19.1.1973, S. 52. Rede in der Evangelischen Akademie Tutzing, zit. nach BULLETIN DES PRESSE- UND INFORMATIONSAMTES DER BUNDESREGIERUNG Nr. 88 vom 18.7.1973, S. 889f. Vgl. auch D I E ZEIT 13.7.1973, S. 12. Lebensqualität, das schon in den fünfziger und sechziger Jahren als quality of life im Amerikanischen populär war, wurde vor allem durch Erhard Eppler, Willy Brandt und Jochen Vogel ab 1971 in der deutschen Diskussion propagiert und tauchte bereits 1972 im Wahlprogramm der SPD auf (vgl. Amery 1975; Kann 1976; Niehr 1993, S. 266- 274; Hannappel/Melenk 1984, S. 312-317). Kritik an der Vagheit des Begriffs übt D E R SPIEGEL (8.1.1973), H. 2, S. 44. Zum Beispiel SPIEGEL-Tltel „Wachstum - Im Wohlstand ersticken" (8.1.1973, H. 2, S. 30-44).
Umweltdebatten
631
Daraufhin entstanden Vorwurfsvokabeln wie Wachstumsfetischist, und mit Erhard Eppler setzte man zunehmend das qualitative oder umweltfreundliche Wachstum gegen das falsche Wachstum ab.34 Zum geflügelten Wort wurden die Grenzen des Wachstums allerdings erst, als die Ölkrise - viele sprechen bewußt auch von Ölpreiskrise - 1973/74 die Thesen des Club of Rome jedem unmittelbar zu demonstrieren schien. Insbesondere der private Pkw, Inbegriff des materiellen Wohlstands und der Bundesbürger liebstes Kind, war von drastischen Benzinpreiserhöhungen und Sonntagsfahrverboten betroffen. Die Konsumgesellschaft und alles das, bei dem man heute nur noch „mit schlechtem Gewissen" von Fortschritt spreche, wurden in Frage gestellt.35 Auch erkennt man nun die Kehrseite des Wegwerfzeitalters und sieht das Ende der Überflußgesellschaft gekommen — ein Begriff, bei dem jetzt die Umweltkrise und ganz allgemein die Nachteile der Industriegesellschaft gegenüber dem ursprünglich rein kapitalismuskritischen Impetus in den Vordergrund rücken.36 Wenn um 1970 eindeutig ein Umbruch im Umweltbewußtsein und Wertesystem der bundesdeutschen Gesellschaft stattfindet, so treffen zu diesem Zeitpunkt auch die Vorstellungen der alten, marginalisierten Natur- und Lebensschützer der 50er und 60er Jahre und der neue, modische Umwelt-Trend der 70er Jahre, die nationale und die internationale Umweltbewegung aufeinander. Sprachlich äußert sich dies nicht nur in einer großen Zahl von Wortthematisierungen und konkurrierenden Vokabeln, sondern auch in einer Beschleunigung des sprachlichen Wandels: Es entstehen eine Reihe von oft nur sehr ephemeren Wörtern, etablierte Zeichen veralten, neue Bedeutungsdifferenzierungen und -erweiterungen, die direkt mit dem gesellschaftlichen Wertewandel Ende der 60er Jahre zusammenzuhängen scheinen, bilden sich heraus. Deutlich wird um 1970 beispielsweise das Schwanken zwischen dem traditionellen Zeichen Naturschutz und dem Neuwort Umweltschutz, mit dem der Kampf der Naturschützer „auf einer höheren Ebene" erneuert wird (SZ 30.11.1970). Noch in der Regierungserklärung der sozialliberalen Koalition im Oktober 1969 sprach der neue Bundeskanzler Brandt lediglich vom Naturschutz. 1970, im Europäischen Naturschutz34
Vgl. RHEINISCHER MERKUR 2 . 3 . 1 9 7 9 , S. 1 8 b z w . FAZ 2 4 . 3 . 1 9 7 9 ·
35
DIE WELT 14.1.1972. Schon in der der ersten Umweltdebatte des Bundestages wurde Fortschritt von einem FDP-Abgeordneten thematisiert. Der Begriff sei relativ und nicht absolut zu verstehen, denn der technische Fortschritt sei „nicht unbedingt gleich Fortschritt für Menschen" (BT 16.12.1970, S. 4810).
36
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ( S Z ) 5 . 9 - 1 9 7 0 , S. 2 3 b z w . SpiEGEL-Titel ( 1 9 . 1 1 . 1 9 7 3 ) , H. 4 7 . Vgl.
dagegen noch die Thematisierung von Überflußgesellschaft als Vergeudungsgesellschaft durch Rudi Dutschke (SPIEGEL-Interview ( 1 0 . 7 . 1 9 6 7 ) , H. 2 9 , S. 2 9 - 3 3 ) . Überflußgesellschaft geht auf das Buch von Galbraith, „The Affluent Society", von 1958 zurück.
Kapitel 16
632
jähr, ernannte er den populären Tierschützer Bernhard Grzimek zum Beauftragten der Bundesregierung für den Naturschutz. Diese Verwendung traditioneller Begriffe, die mit dem „Odium einer gewissen Sentimentalität und eigenbrötlerischen Weltfremdheit" belastet seien, kritisiert denn auch ein Journalist, da so keine umfassende Sichtweise der Umtveltprobleme deutlich werde ( D I E ZEIT 23.1.1970, S. 46).37 Die neue Bezeichnungskonkurrenz verläuft zum gleichen Zeitpunkt auch quer durch die Parteien. In der einschlägigen Bundestagsdebatte vom 3.12.1971 verwendet der Landwirtschaftsminister Erti (FDP) nur Naturschutz, während sein Amts- und Parteikollege Genscher ebenso konsequent auf Umweltschutz setzt. Für viele war Umweltschutz aber nicht einfach ein neues, modisches Etikett, sondern repräsentierte auch inhaltlich und politisch etwas anderes. In diesem Zusammenhang kam es innerhalb der traditionellen Naturschutz- und Heimatpflegeverbände zu heftigen sprachreflexiven Debatten. Die einen grenzten sich von „überholten Vorstellungen von Blumenschützern und alten Naturschutztanten" ab und versuchten, die alten Begriffe zu modernisieren, gar „umzufunktionieren", wie es in APODiktion im RUNDSCHREIBEN DES WESTFÄLISCHEN HEIMATBUNDES (1970, H . 1) heißt. Für sie drückt Heimat „einen fest umschriebenen oekologischethologischen Sachverhalt aus" (RUNDSCHREIBEN DES WESTFÄLISCHEN HEIMATBUNDES 1972, H . 3, S. 1). Die anderen ziehen die Konsequenzen aus Erfahrungen in der Jugendarbeit, wo sich die Teilnehmerzahl mehr als verzehnfachte, als ein Lehrgang nicht mehr unter Heimatarbeit, sondern unter dem Titel Seminar für Umweltschutz angeboten wurde (WELT AM SONNTAG 7.5.1972). „Sehr viele fortschrittliche Mitglieder" stoßen sich allerdings an dem Wort Schutz, da „für sie .Schutz' nichts anderes ist, als reines Konservieren". Stattdessen sollten besser „schöpferische Ideen an das Publikum herangetragen werden".38 Die Umbenennungsdiskussionen innerhalb der Heimat- und Naturschutzverbände bringen die inhaltlichen und ideologischen Differenzen zwischen den Trägern des traditionellen, konservierenden Natur- und Brauchtumsschutzes und der neuen, rationalistisch-wissenschaftlichen Umweltschutzbewegung internationaler, speziell anglo-amerikanischer Provenienz sprachlich auf den Punkt.
37
Der Journalist zieht deswegen Landespflege vor. Vgl. zu diesem Beleg bzw. zu Umweltschutz allgemein Niehr 1993, S. 366-379.
38
RUNDSCHREIBEN DES WESTFÄLISCHEN HEIMATBUNDES
1972,
H. 3,
S. 3.
Zur
Begriffsge-
schichte von Heimat vgl. Bolten 1987. Eine modernere ökologische Umdefinition von Heimat, das in den 80er Jahren auch unter Intellektuellen wieder hoffähig wurde, findet sich bei Weinzierl 1990.
Umweltdebatten
633
Da der neue Umweltschutz auch in engem Zusammenhang mit den Demokratisierungs- und Politisierungstendenzen der Studentenbewegung stand, hatte die negative Thematisierung des neuen Vokabulars oftmals nur Stellvertretercharakter für ideologische Differenzen. Umweltschutz kam in dieser Sichtweise als „.Massenhysterie' von den Vereinigten Staaten" herüber, und zwar „zusammen mit der Rauschgiftwelle und den .Unruhen' an den Universitäten" ( D I E WELT 11.1.1972). Es wäre „sicherlich eine gute Sache geworden, hätte man sie nicht Umweltschutz' genannt" ( D I E WELT 12.1.1972). Die Bezeichnung Umweltschutz habe auch den Mangel, „sogar die Bakterien und die Schnupfenviren" einzuschließen. Außerdem habe es schon immer Umweltschutz zum Beispiel unter dem Begriff Hygiene gegeben, auch wenn man „erst seit 1970 von ,Umweltschutz'" spreche ( D I E WELT 12.1.1972). Hier wird mit heute abstrus anmutenden Argumenten versucht, Umweltschutz die neue Interpretationsqualität, die in dem gesamtheitlichen Problembewußtsein und dem prinzipiell industriekritischen Element bestand, abzusprechen. Ein anderer Ansatzpunkt zur Sprachkritik am neuen Umweltbewußtsein ergab sich aus der inzwischen eingetretenen Verwissenschaftlichung der öffentlichen Diskussion. Parallel zu dem massiven Auftreten meist abstrakt-schlagwortartiger Komposita mit Umwelt- wie Umweltschutz, Umweltkrise, Umweltbedrohung, umweltfreundlich, Umweltbewußtsein wurde eine Menge neuen Fachvokabulars aus den Hauptbezugswissenschaften Biologie und Ökologie sowie den schon lange etablierten Disziplinen des technischen Umweltschutzes in die öffentliche Diskussion eingeführt. Statt wie früher die „Vermassung" des Menschen und die „Hochverräter an unserer Heimat" zu geißeln (Demolì I960, S. 21), geht es nun um ,Abfallstoffe, also Müll und Unrat", „die ,Biosphäre', also de(n) Lebensraum des Menschen" (RUNDSCHREIBEN DES WESTFÄLISCHEN HEIMATBUNDES 1970, H . 1, S. 1), das .„Biotop' - als Ort des Lebens - " oder „die biologische, also giftfreie Schädlingsbekämpfung" (SZ 30.11.1970) und „eine neue vielseitige Wissenschaft, die Ökologie - auf deutsch: die Haushaltkunde der Natur" (BT 16.12.1970, S. 4803). Aufgrund dieser Verfachlichung und der damit einhergehenden Entemotionalisierung können sich wohl auch Versuche, das „Pestwort" pollution, das in den USA „in aller Munde" sei (FAZ 9·1· 1971), als Umweltverseuchung bzw. Umweltverderbnis einzudeutschen39, nicht durchsetzen. Dem moralisierenden bzw. dramatisierenden Unterton von Verderbnis und Verseuchung — zwei Vokabeln, die ganz dem typischen Sprachstil der Zivilisationskritik vor 1970 entsprechen und aus konservativer Perspekti-
39
FAZ 16.08.1971, S. 18 bzw. Gruhl 1975, S. 122.
634
Kapitel 16
ve vorgeschlagen werden - zieht man jetzt das neutralere Umweltverschmutzung vor.40 Nicht zufallig wird aus industriefreundlicher Sicht gerade der Gebrauch allgemeinsprachlicher Wörter mit moralischem Unterton thematisiert, die früher unproblematisch waren, im Zuge der inzwischen erfolgenden Verwissenschaftlichung nun aber besonders angreifbar erscheinen. So sei Luftverseuchung keine „korrekte Bezeichnung", weil Seuche eine „ansteckende Krankheit" bezeichne ( D I E WELT 11.1.1972). Eine Substanz dürfe man auch nicht unabhängig von der „Menge, die ein Mensch von einem Stoff aufnimmt", giftig nennen, denn „nichts ist so relativ wie Gift". 1 Selbst wenn Obst höhere Insektizid-Rückstände aufweise als die gesetzlich erlaubten, könne man es „nicht durchweg als ,giftig' bezeichnen", da „aus Sicherheitsgründen mit Toleranzwerten von 1000% und mehr" gearbeitet würde.42 Die Emotionen, die „fast jedes Gespräch über Umweltschutz unmöglich machen", seien ein schlechter Ratgeber (DIE WELT 14.1.1972) - ein Argumentationsmuster, das in der Folge in der Umweltdebatte immer wieder zu hören gewesen ist, weil es durch die permanente Gegenläufigkeit von Verfachlichung und Ideologisierung der Umweltdiskussion aktuell blieb. In allen derartigen Normierungsversuchen und sprachkritischen Bemerkungen wird aber bezeichnenderweise noch zu keinem Zeitpunkt der Vorwurf absichtlicher Sprachmanipulation erhoben. Es sind der mangelnde Informationsstand, Übertreibung oder Effekthascherei, die inkriminiert werden: Jemand, der unbedacht von Gift redet, „erzeugt — vielleicht ohne Absicht - durch Übertreibung panische Angst" ( D I E WELT 8 . 1 . 7 2 , S. 7 ) , während die „.giftige' Wahlparole" einer (nicht genannten) Partei „im Fieber des Wahlkampfes" doch „zum Glück falsch" war (UMWELTJOURNAL 1 9 7 3 , S. 2 ) .
3. Die Verfachlichung der Atomenergiekontroverse Die erste naive Umweltwelle hatte 1972/1973 ihren Höhepunkt bereits überschritten, als allmählich die Nutzung der Atomenergie eine grundlegende Neubewertung erfuhr und dann ihrerseits um 1975 mit der Aus40 41 42
Umweltverseuchung taucht auch in den ersten Übertragungen von environmental pollution ins Deutsche auf (DER SPIEGEL (24.11.1969), H. 48, S. 193 bzw. als Serientitel in d e r STUTTGARTER ZEITUNG 26.9.1970, S. 26).
DIE WELT 8.1.1972, S. 7. Die Verwendung von Gift, Verpestung und Verseuchung wird in der WELT-Serie „Umweltschutz, das Geschäft mit der Panik" (8.1.-14.1.1972) mit Anfuhrungsstrichen und vergleichbaren Techniken konsequent in Frage gestellt. UMWELTJOURNAL herausgegeben vom Verband der Chemischen Industrie, Frankfurt o.J. [19731, S. 2.
Umweltdebatten
635
einandersetzung um den Bau des Kernkraftwerkes in Wyhl den Durchbruch in der öffentlichen Diskussion erzielte.43 Im Unterschied zur Umweltdiskussion, die zunächst stark den Charakter eines Medienspektakels hatte, war der wachsende Protest gegen die zivile Nuklearenergie eine Bewegung „von unten", die für das politische Establishment überraschend kam und anfangs wesentlich von den lokalen Bürgerinitiativen gegen einzelne Kernkraftwerke getragen wurde. Hier konnte nicht mit neuen Schlagwörtern ein diffuses Unbehagen der Bevölkerung „von oben" geschickt aufgegriffen werden, sondern es standen von Anfang an konkrete Zielkonflikte im Vordergrund, die von den Regierenden heftig umstrittene politische Entscheidungen erforderten. Auch ging es nicht um die Reparatur einzelner Exzesse der Industriegesellschaft, sondern Technik und Fortschritt selbst wurden nachhaltig in Frage gestellt. Der Wertewandel, der in der Umwelt-Diskussion zu Beginn der 70er Jahre erstmals zum Ausdruck kommt, wird daher in der sogenannten „nuklearen Kontroverse" sprachlich noch deutlicher Allerdings begriff man die Proteste gegen Kernkraftwerke zunächst nicht als Teil der Umweltdebatte, obwohl sich über die Diskussion um Wachstum und Lebensqualität - neben dem Aspekt der (radioaktiven) Verschmutzung durchaus ideologische Gemeinsamkeiten zwischen Umwelt- und Atomenergieproblematik ergaben. Im Gegenteil: Gerade Umweltschützer stellten damals die Nutzung der Atomenergie vielfach wegen ihrer aufwendigen Müllbeseitigung und „Sauberkeit" als vorbildhaft hin44 - Argumente, mit denen auch heute immer noch versucht wird, Kernenergie und Umweltschutz gegeneinander auszuspielen. Erst nachdem eine politisch gut organisierte Umweltbewegung entstanden war, wuchsen Umwelt· und Anti-Atom-Bewegung fest zusammen. Während in den 50er Jahren Atomzeitalter-Phantasien die allgemeine Aufmerksamkeit fesselten, hatte die Nutzung der Kernenergie als technisch-industrielle Realität in den 60er Jahren ein vergleichsweise geringes Interesse gefunden. Die Presse behandelte das Thema nur noch gelegentlich im Rahmen der Wirtschaftsberichterstattung. Das Vokabular, mit dem über die zivile Nutzung der Atomenergie geredet wurde, war weder kontrovers noch auffällig genug, um zu diesem Zeitpunkt thematisiert zu werden, obwohl die reale Bedeutung der Atomenergie nun ungleich größer war als während der Atomhysterie der späten 50er Jahre: 1961 feierte der Atomstrom in der BRD Premiere, und im Verlaufe des Jahrzehnts gingen nicht nur mehrere Forschungsreaktoren in Betrieb, 43 44
Vgl. die inhaltsanalytischen Presseauswertungen in: Röthlein 1979, S. 45ff. Beispielsweise Reimer 1971, S. 102f. Auch der Naturschutzring unterstützte 1969 noch ausdrücklich die zivile Nutzung der Kernenergie (vgl. die Erklärung in: DIE ATOMWIRTSCHAFT 1969, S. 337f. sowie Radkau 1983, S. 458).
636
Kapitel 16
sondern 1968 wurden auch die ersten rein kommerziellen Kernkraftwerke (Stade und Würgassen) von den Elektrizitätsversorgungsunternehmen bestellt sowie erstmals ein Exportauftrag hereingeholt. Die Bundesrepublik war damit vom nuklearen Entwicklungsland zum vollwertigen Partner und Konkurrenten der „alten" Atomländer aufgestiegen. Immer mehr und größere Atomkraftwerke wurden nun geplant, und die Zahl der konkret betroffenen Menschen wuchs erheblich. Nahezu unvermittelt meldete sich vor Ort starker und wachsender Widerstand aus der Bevölkerung gegen den Bau weiterer Kernkraftwerke, obwohl der neue Protest in seiner formativen Phase eindeutig gegen den Strom der veröffentlichten Meinung schwamm. Zwar nahm die Aufmerksamkeit und damit die Medienberichterstattung zu, aber von ca. 20000 zwischen 1970 und 1974 registrierten Artikeln zum Thema „Kernkraft" ließen nur 0,6 % Bedenken gegen diese Energiequelle durchblicken.45 Darüber hinaus war die Zahl der Befürworter der Kernenergie zwischen 1954 und 1972 von 54 % auf 74 % gestiegen, wobei es nur knapp 10 % echte Gegner gab.46 Immerhin wurden von der neuen SPD/FDP-Regierung der Atomwirtschaft erste Grenzen aufgezeigt. Der damalige Wissenschaftsminister Leussink sorgte aus Sicht der Industrie für einen Eklat, als er im Sommer 1970 seine vorläufige, noch keineswegs endgültige Weigerung, ein Kernkraftwerk mitten in einem städtischen Ballungsgebiet errichten zu lassen, mit dem Restrisiko begründete, das „aus menschlichem Versagen, unzureichenden Erfahrungen oder statistischen Fehlerquellen" resultiere.47 Die harsche Kritik an „Leussinks Diktat" (RP 21.8.1970) ging nicht zuletzt auf das erstmals in der öffentlichen Arena gebrauchte Schlagwort Restrisiko ein, mit dem hier eine Entscheidung gegen die zivile Kernkraftnutzung legitimiert wurde. Durch den Einbau von „fünf zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen" glaubte man, die Behauptung widerlegen zu können, daß dieses Restrisiko tatsächlich existiere. 8 Eine Manipulationsvokabel der Atomlobby, wie später immer wieder behauptet wurde, war Restrisiko zum Zeitpunkt seiner Entstehung offensichtlich nicht. Während im Rahmen der ersten Umweltwelle das ökologische Bewußtsein der Bevölkerung durch Information geweckt werden sollte, führte man die Kritik der Öffentlichkeit an der Atomenergienutzung immer noch durchweg auf „schlechte oder fehlende Information oder — 45 46 47 48
Vgl. Battelle-Institut 1975, grüne Seite I. Vgl. Bieber 1977, S. 87. Zur gesamten vorangegangenen Passage ebd., S. 50f. und S. 85f. Pressedienst des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft am 19.8.1970. Vgl. außerdem DIE ATOMWIRTSCHAFT (1971), S. 228 sowie Radkau 1983, S. 380f. RHEINISCHE P O S T 2 1 . 8 . 1 9 7 0 ; v g l . a u c h D I E ZEIT 2 1 . 1 . 1 9 7 2 , S . 3 7 .
Umweltdebatten
637
etwas unfreundlicher ausgedrückt - .unzureichende Bildung' zurück" (Bieber 1977, S. 93f.)· Ähnliche Äußerungen nach dem Motto „Wer dumm ist, protestiert" waren Anfang der 70er Jahre Legion.49 Derartige Überzeugungen suchten die Kritiker durch einen demonstrativen Fachsprachengebrauch als Ausdruck offensichtlicher Sachkompetenz zu widerlegen, wofür die Komplexität und die zahlreichen Schwachstellen der kerntechnischen Entwicklung vielversprechende Ansatzpunkte boten. Durch öffentliche Anhörungen sowie die wachsende Zahl von Gerichtsverhandlungen und Einsprüchen stieg die öffentliche Relevanz des Expertenstreits. Obwohl es das Kernkraftestablishment befremdete, daß bei der Kernenergie „die ganze Bevölkerung und die populärste Presse ungehemmt auch das speziellste fachliche Detail" diskutierten (Müller 1977, S. 18), konnten Vertreter der neuen Opposition die Nuklearlobby in eine regelrechte „Terminologiespirale" in der politischen Arena zwingen und sich als ernstzunehmende Kritiker legitimieren, die in Sprache, Argumentationsstil und Auftreten den Befürwortern in keiner Weise mehr nachstanden.50 Während in den 50er Jahren, zum Zeitpunkt der Jubelberichte über die Segnungen der Atomenergie, das Verständnis der Öffentlichkeit weit von der Realität entfernt gewesen war, wuchsen Sach- und Terminologiekenntnisse jetzt rapide an, wie man auch auf Seiten der Atomwirtschaft eingestand. 1 Der seit 1945 kontinuierlich gestiegene Bildungsgrad der Bevölkerung hatte die Voraussetzungen für die öffentliche Eroberung von Expertenwissen und Fachwortschatz geschaffen. Die Terminologiespirale ist Ausdruck eines wichtigen Emanzipationsprozesses gegenüber den Experten, der im Zusammenhang mit der Losung Mehr Demokratie wagen der neuen sozial-liberalen Koalition gesehen werden muß. Daß der Widerstand im Unterschied zu lokalen Protestaktionen der 50er und 60er Jahre eine andere Qualität besaß, lag vor allem an dem biographisch, ideologisch und historisch anderen Hintergrund der neuen Kernenergiegegner, die den Bürgerinitiativen entstammten52 und vielfach dem Gedankengut und den Aktionsformen der Studentenbewegung verpflichtet waren. Die neue Opposition - stellvertretend sei hier Holger Strohms Standardwerk „Friedlich in die Katastrophe" von 1973 genannt verzichtete auf die metaphysisch verbrämte Metaphorik ihrer Vorgänger (s.o.) und versachlichte ihre Argumentation durch eine gesuchte Terminologisierung, die aus heutiger Sicht als regelrechte „ A n b i e d e r u n g " an den Nuklearjargon der Atomlobby erscheint. Sprachlich trennten sie 49 50 51 52
D I E W E L T 14.4.1973, zit. nach Bieber 1977, S. 94. Vgl. Jung 1990 bzw. Renn 1984, S. 200. Vgl. Müller 1977, S. 18 bzw. die Umfrageergebnisse in Renn 1984, S. 204f. Zum Aufkommen dieses wichtigen Schlagwortes um diese Zeit: Kann 1976.
638
Kapitel 16
Welten von der alten, kulturkritisch-reaktionären Atomopposition, die zum gleichen Zeitpunkt vom Völkermord durch Atom-Todeskraftwerke sprach und Strafanzeige wegen Massenraubmordes erheben wollte, den sie „mit Lichtbildern" nachzuweisen gedachte. Die Unterlagen dieser traditionellen Atomgegner wurden denn auch von der Presse als „pseudo-dokumentarisch" abgetan - nicht zu Unrecht, wenn man manche der abstrusen Behauptungen liest.53 Durch die vom neuen Atomkraftprotest ausgelöste Terminologiespirale rückten einzelne kerntechnische Fachtermini in den Zeitungen auf die vorderen Seiten und wandelten sich von gelegentlichen Einsprengseln zu festen Sprachzeichen der beginnenden nuklearen Kontroverse. Beim Übergang in die öffentliche Diskussion kommt es allerdings zu Bedeutungsveränderungen und zahlreichen Mißverständnissen. Statt beispielsweise in GAU/Gau - die ursprüngliche Schreibweise GaU geht beim Übergang in die Gemeinsprache verloren - einen administrativ willkürlich festgesetzten größten, für die Belange des Genehmigungsverfahrens anzunehmenden und per Definition beherrschbaren Unfall zu sehen, wie es seiner fachsprachlichen Definition entsprochen hätte, wurde der inzwischen „jedermann" bekannte GAU (Dahl 1977, S. 19) als der schwerste vorstellbare, der „größtmögliche Atomunfall mit der größten Gefahr für die Bevölkerung" (RP 5.8.1974, S.7) verstanden. Dieser Unterschied wird bereits Anfang der 70er Jahre thematisiert, was den besten Beweis für den wachsenden Stellenwert des Ausdrucks darstellt: Der „in letzter Zeit oft zitierte" GAU deute keineswegs Gefahr an, sondern sei ein „Fachausdruck für die garantierte Sicherheit im Kernkraftwerk" (RP 20.8.1974, S. 4: ,„GAU' steht für Sicherheit"). Von einer breiteren Öffentlichkeit als Neuwort im Sinne von „Panne in einer Atomanlage" wird zu dieser Zeit auch Störfall wahrgenommen. Schwere Zwischenfälle in den Kernkraftwerken Gundremmingen und Brunsbüttel 1977/78 ließen die Nuklearvokabel dann gar zu einem „Wort des Jahres" werden.54 Mit der Popularisierung des nuklearen Vokabulars entgleitet den Fachleuten in der öffentlichen Diskussion die Definitionsmacht über ihre eigenen Termini, trotz aller Entrüstung etwa darüber, daß „fast die gesamte bundesdeutsche Presse" den GAU falsch zitiere.55 Dies gilt es zu berück53 54
55
DIE ZEIT 21.1.1972, S. 37. Vgl. auch Jäckel 1968, der die zivile Atomkraftnutzung als Machenschaft des Bolschewismus „entlarvt" und radioaktive Emissionen für Trockenperioden veranwortlich macht. DER SPRACHDIENST (1979), H. 1, S. 19. Belege: RP 15.1.1977, S. 1 bzw. 17.1.1977, S. 2; SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 21.6.1978, S. 1: „Kernkraftwerk Brunsbüttel nach ,Störfall' abgeschaltet". Frühere Pressebelege für Störfall bzw. GAU: DIE ZEIT 14.4.1972, S. 73; FRANKFURTER RUNDSCHAU (FR) 29.9.1974 (Wochenendbeilage) und RP 20.8.1974, S. 4. DIE ATOMWIRTSCHAFT (1979), H. 6, S. A178. Die fuhrende Branchenzeitschrift der Nuklearindustrie muß sich aber gleichzeitig entschuldigen, den GAU in der vorangegan-
Umweltdebatten
639
sichtigen, wenn nun in der folgenden Phase, speziell in der Atomenergiediskussion, immer wieder der Vorwurf erhoben wird, eine Lobby von Staat und Industrie versuche, mit derartigen Ausdrücken die öffentliche Meinung zu manipulieren.
4. Die Ideologisierung der Fachterminologie Ab Mitte der 70er Jahre ändern sich wesentliche Bedingungsfaktoren für die Umweltdiskussion: Die Verschärfung des Gegensatzes ÖkonomieÖkologie durch die Ölkrise und der Beginn einer Vollzugsphase im Umweltschutz lassen grundsätzliche ideologische Differenzen klarer hervortreten. Die Umweltbewegung wird zu einer politischen Kraft mit dem Selbstverständnis, eine umfassende politische Alternative zu bieten, und zieht Ende des Jahrzehnts in die Parlamente ein, von wo aus sie verstärkt den öffentlichen Sprachgebrauch beeinflussen kann. Speziell die nukleare Kontroverse tritt nach den „Schlachten" um Brokdorf und Grohnde in ihre heiße Phase (1977-79) ein und polarisiert sich zusehends. Terroristenfurcht und Verfassungsschnüffelei, Angst vor dem Atomstaat, Energiekrise, ökologische Wende und Umweltkatastrophen wie Seveso (1976) und der Harrisburg-Störfall (1979) bestimmen zum Ende der 70er Jahre das geistige Klima der Bundesrepublik. Damit wird in der Umweltdiskussion auch der weitgehende Sprachkonsens hinfällig, und zwar am frühsten und intensivsten beim Protest gegen Atomkraftwerke. Die ideologischen Anstöße hierzu kamen vor allem von der Spontiund Alternativbewegung, von der man etwa ab 1975/76 sprechen kann, als eine breit gefächerte Szene gegenkultureller Lebensformen allmählich zusammenwuchs. Hier propagierte man die Abkehr vom „gesellschaftlichen Zwang, sich rationalistisch und kopflastig zu legitimieren", und stellte der „extremen Kunstsprache" von Physik und Mathematik ein Sprachideal gegenüber, das durch „Autonomie und Selbstorganisation" statt Fremdbestimmung charakterisiert ist.56 „Eine Natursprache menschlicher Art" soll „den schützenden Mantel des Fachjargons, der Beziehungslosigkeit zu anderen Lebensbereichen" ersetzen.57 Die schon von Margenen Heftnummer leider selbst „in falschem Zusammenhang" erwähnt zu haben (Beilage KERNENERGIE UND UMWELT S. ΙΠ). Als Beispiel für einen weiteren Re-Terminologisierungsversuch: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 25-4.1979, S. 37.
56 57
Ökologiegruppe 1977, S. 204, 206f. u. 215. Maren-Grisebach 1982, S. 131 bzw. Vester 1980, S. 482. Die „Implikationen der Sprache im Verhältnis des Menschen zu Wissenschaft und Technologie" und der „Verlust des Lebensbezugs" der fachsprachlichen Terminologie werden allgemein in vielen literarisch-essayistischen Texten im „Umfeld der Grünen" angedeutet (Wiegmann 1989,
640
Kapitel 16
cuse beschworene „Revolte gegen repressive Vernunft" (Marcuse 1969, S. 62) richtet sich hier - und das ist neu gegenüber der Sprachkritik der Studentenbewegung - auch konsequent gegen den Rationalismus der naturwissenschaftlichen Fachsprache. Physikalisch-technische Termini werden jetzt als interessegeleitete Deutungen komplexer Sachverhalte gewertet, die man so nicht mehr akzeptieren will. Die vorangegangene Verfachlichung der Debatte sieht man auf einmal als eine „Falle" der Atomlobby (Dahl 1977, S. 11) an, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit zu entmündigen. Detailliert wird in zwei einflußreichen Aufsätzen aus dem Jahr 1977 von Jürgen Dahl bzw. Hartmut Gründler der Vorwurf erhoben, Fachwörter wie GAU, Störfall, Kernenergie bzw. Kernkraftwerk, Entsorgung, Restrisiko und Redeweisen wie friedliche Nutzung der Kernenergie beschönigten die Wahrheit und seien wie der Nuklearjargon insgesamt dazu konzipiert, die Bevölkerungsmeinung raffiniert zu steuern. Bestärkt durch den Glauben an den sogenannten „semantischen Kampf", wie er seit den frühen 70er Jahren zwischen den Parteien inszeniert wurde, eroberte dieser Manipulationstopos die Spalten der Medien. Zu einer wichtigen Legitimationsgrundlage entwickelte sich dabei der anschauliche, sprachtheoretisch aber kaum haltbare Roman 1984, in dem eine perfekte staatliche Sprachplanung die wesentliche Rolle bei der Herrschaftssicherung einer totalitären Diktatur spielt. Schon Hartmut Gründler hatte seine Kritik am Nuklearjargon ausdrücklich in den Kontext der Orwellschen Neusprache und eines „Wörterbuchs des Zwiedenkens" gestellt. Und wenn auch für Regionalzeitungen (BADISCHE ZEITUNG 11.9.1980) bzw. selbst die Boulevardpresse „die Sprache immer häufiger zum Versteck für schädliche und gefährliche Tatsachen" wird (BILD 6.2.1984, S. 2), fehlen - natürlich unter Berufung auf Orwell — selten Beispiele aus der Nuklearsprache wie GAU, Störfall oder Entsorgungspark,58 Den Grünen gilt es im Bundestag als „Orwellsche Sprachverwirrung", wenn die CDU/CSU bei der atomaren Wiederaufarbeitung von Recycling spricht, und für die Journalisten sind es die „Sprachschöpfer der Atomlobby", die Wörter wie Entsorgung „ihren Politikern in den Mund" legen. 9 In den ersten Thematisierungen dagegen konnte ein kernkraftkritischer Journalist Entsorgung noch als terminologischen „Fortschritt" empfinden, da damit deutlich werde, daß die Atommüllbeseitigung Sorgen mache (v. Cube 1976, S. 60), und ein sensibler Sprachkritiker wie Karl Korn lobte diese bemerkenswerte „wortprägende Leistung eines
58 59
hier S. 128). So auch bei Schwenger 1984, S. 93 bzw. Radkau 1987, S. 327. BT 24.01.1985, S. 8632; FR 27.4.1982, S. 3.
Umweltdebatten
641
Amtmanns".60 Der Manipulationstopos entwickelt sich in den 80er Jahren zum Klischee. Er wird in kritischen Presseartikeln zur Atom- und Umweltdiskussion „im Grunde immer schon vorausgesetzt" (Haß 1989b, S. 159). Als Beispiel für einen dreisten Euphemismus gilt insbesondere der Entsorgungspark. Im frühsten Pressebeleg, unmittelbar nach der öffentlichen Erstverwendung durch den damaligen Innenminister Maihofer im Mai 1975, registriert der Journalist Entsorgungspark lediglich als „neues Schlagwort", um das der Politiker „den Wortschatz der Verantwortlichen" bereichert habe (DIE ZEIT 16.5.1975, S. 46). Die heftigsten Angriffe gegen diese „euphemistische Vokabel, die eher an ein Lunapark-Vergnügen als an einen für eine Million Jahre strahlenden Atomfriedhof" erinnere, gehen auch im folgenden Jahr nicht über den Vorwurf einer „raffinierten Wortgebung durch Industrie und Behörden" hinaus; am häufigsten sind allerdings distanzierende Anführungsstriche.61 Obwohl Entsorgungspark im offiziellen Diskurs, selbst zwischen 1975 und 1977, nur eine absolut marginale Rolle gespielt hatte und durch den Verzicht auf das Integrierte Entsorgungszentrum (so die offizielle Bezeichnung) in Gorleben am 16.5 1979 auch sachlich keine Basis mehr besaß, nimmt die Kritik mit wachsendem zeitlichen Abstand zur authentischen Verwendung der Vokabel an Heftigkeit zu. 1980 war für einen vielbeachteten Kritiker „ein Volk, das ein Wort wie ,Entsorgungspark' herunterschlucken kann, schon fast verloren".62 Auch andere „Wächter für unsere Sprache" sehen hier ein „teuflisches Mittel der Manipulation", weil Entsorgung „eine heimtückische Sprachschöpfung" sei, die uns „in ihrem versteckten Sinn .Befreiung von Sorge' einflüstert".63 Die Euphemismuskritik entwickelt sich im Rahmen der „Veralltäglichung der außerparlamentarisch geführten politischen Auseinandersetzung" (Rucht 1988, S. 302) zum „Paradepferd" unter den sprachreflexiven Mitteln der Alternativen (Kuhn 1983, S. 64). Im Unterschied zur Studentenbewegung mit ihrer „Aura des Affirmativen", die „Humor, Witz und Zweifel" weitgehend ausschlossen (Glaser 1972, S. 34f.), dient die Wortkritik hier nicht nur zur Stabilisierung der eigenen Gruppe, sondern ist eine wichtige Strategie der Überzeugungsarbeit nach außen geworden. 60 61 62 63
„Entsorgen und anderes". In: FAZ 17.2.1977, S. 19. DER SPIEGEL (15.11.1976), H. 47, S. 55; Mit Anfuhrungszeichen distanzieren sich zum Beispiel DIE ZEIT 4.3.1977 und DER SPIEGEL (8.11.1976), H. 46, S. 103.
Zit. nach: DER SPRACHDIENST (1981), S. 113.
DIE ZEIT 22.2.1980. Vgl. auch DER SPIEGEL (3.10.1983), H. 40, S. 10.
Entsorgungspark
lebt seitdem als ein Artefakt der Sprachkritik im öffentlichen Sprachbewußtsein fort. Die genaue Enstehungs- und Rezeptionsgeschichte sowie die „Mythologisierung" von Entsorgungspark bzw. entsorgen sind mit zahlreichen Belegen in Jung 1994 nachgezeichnet; dazu auch Haß 1989a, S. 467.
642
Kapitel 16
Dies wirkt sich auf die Kernenergiedebatte im allgemeinen aus, schon bevor die Grünen im Bundestag sitzen. Dort häufen sich in nuklearen Zusammenhängen ab 1977 sprachreflexive Bemerkungen, beispielsweise zum „schrecklichen Wort" Restrisiko (BT 15.6.1977, S. 2255), zum Dialog über die Kernenergie, zum nuklearen RestbedarjIa Der Streit um Worte ist zum politischen Alltag geworden, in dem man sich „Begriffe und Auslegungen um die Ohren" schlägt.65 So viel bescheinigen denn auch die Grünen später der Regierungskoalition: Sie habe in fünfzehn Jahren kritischer Atomdiskussion „Verbalakrobatik" gelernt (BT 7.11.1985, S. 12789f·). Konsequenterweise reklamierten die Kernkraftgegner im Rahmen der Ideologisierung der wissenschaftlich-technischen Terminologie statt „Fach-Chinesisch" (KKW-Fibel 1977, S. 7) jetzt wieder eine Emotionalität, die die neue Atom-Opposition zunächst im öffentlichen Diskurs Anfang der 70er Jahre bewußt abgelegt hatte: Wer den „Ungeheuerlichkeiten" der Atom- und Plutoniumwirtschaft nur mit „kühlem Verstand, ohne Mitgefühl, Furcht und Erregung" begegne, wirke an ihrer Verharmlosung mit ( J u n g k 1977, S. XI). Mit der Wiederbelebung von Atom- gegenüber Kern- will man bewußt Assoziationen an .Atomtote, Atomgefahren, Atomkrieg" heraufbeschwören, da sie „notwendig und unbedingt in die öffentliche Diskussion gehören", und hofft, so einer technisch „eingeschränkten Erörterung" zu entgehen (Ökologiegruppe 1977, S. 139 u. 137). Die Anti-AKW- und die Umweltbewegung allgemein befleißigen sich im polarisierten Meinungsklima Ende der 70er Jahre gelegentlich einer Ausdrucksweise, die in ihrer Drastik an die zivilisationskritische Opposition der 50er Jahre erinnert und sie zum Teil in ihrer Polemik noch übertrifft. Für manchen Atomkraftgegner führt Atomfaschismus im 20000jährigen Atommüllweltreich voller Atom-KZs (= „Kernkraftwerke") zwangsläufig zum Holocaust,66 Schon 1979 war der lokale Widerstand gegen die in Niedersachsen geplante Wiederaufarbeitungsanlage mit Parolen wie „Gorleben ist Holocaust" angetreten.67 Die Herstellung von Benennungsparallelen zwischen Nuklearsektor und Nationalsozialismus wird auch explizit verteidigt - zum Beispiel von dem fünf Jahre früher so sehr um fachsprachliche Seriosität bemühten Holger Strohm:
64 65 66 67
Vgl. BT 10.12.1981, S. 4202 und S. 4220. BT 10.12.1981, S. 4209; vgl. außerdem BT 15.6.1977, S. 2321. Flugblatt zit. nach RP 4.3.1981. Vgl. beispielsweise DIE TAGESZEITUNG 2.4.1979. Die Fügung ökologischer Holocaust ist in der Umweltbewegung offensichtlich gängig (vgl. Altner u.a. 1993, S. 7, der eine Schrift von 1982 zitiert).
Umweltdebatten
643
„Daher wächst bei den Bürgerinitiativen die Verbitterung. Für sie bedeutet das Atomprogramm .Holocaust'. Diesmal nicht begangen an Juden wegen eines rassistischen Wahnsinns, sondern wegen eines technologischen Wahnsinns, begangen aus Gier an den eigenen Kindern und Dutzenden kommender Generationen, die man dem Risiko von Strahlenqualen aussetzt, die für uns unvorstellbar sind." ( D I E TAGESZEITUNG 12.10.1979)
Nach der ausführlich begründeten Infragestellung des Nuklearjargons und der sprachlichen Re-Moralisierung ist in der Anti-AKW-Bewegung kein „naives" Verwenden der naturwissenschaftlich-technischen Terminologie mehr möglich. Bis ca. 1977 bildet sie daher ihr spezifisches Umweltvokabular heraus, das dann zu einem großen Teil recht schnell von den „bürgerlichen" Medien übernommen wurde. Dieser Umwelt-Wortschatz läßt sich zum Beispiel durch Schlagworte und Insider-Termini kennzeichnen wie Atomstaat, China-Syndrom oder Super-GAU, die konsequente Bevorzugung von Atom gegenüber Kern und zivile Nutzung der Atomenergie gegenüber friedliche Nutzung der Kernenergie, das Wortbildungsmuster Plutonium- oder die Verwendung von alternativ und sanft in Verbindungen wie alternative Technik, sanfte Energie (als Gegenbegriff zu harte Energie etc.). Die sprachlichen Anregungen kommen dabei größtenteils Anfang der 70er Jahre aus der internationalen Alternativszene, vor allem aus den USA, werden dann aber eigenständig weiterentwickelt: China-Syndrom etwa geht auf den gleichnamigen amerikanischen Anti-Kernkraft-Film mit Jane Fonda von 1979 zurück und bezeichnet das Durchschmelzen des Reaktorkerns ins Erdreich, das sich, von den USA aus gesehen, hypothetisch bis China fortsetzen könnte. Sanft beruht auf englisch soft und wird um 1977 unter Verweis auf das einflußreiche Buch des Amerikaners Amory B. Lovins, „Soft Energy Paths", als sarrfte Energien etc. fester Bestandteil der öffentlichen Nukleardiskussion. Ähnlich ist für alternativ und wohl auch für Super-GAU, das Anfang der 70er Jahre von kernkraftkritischen Gegenexperten geprägt wurde, um all die in dem verwaltungstechnischen GAU nicht berücksichtigten Unfallmöglichkeiten auszudrücken, von amerikanischem Spracheinfluß auszugehen.69
68
69
Frühe Belege für die Eindeutschung von soft·. Jungk 1973, S. 60ff., S. 328f., S. 331. Schon 1972 trug in den USA ein Manuskript den Titel Soft Technology, Erstbelege sind wahrscheinlich noch älter. Robert Jungk popularisierte in seinem einflußreichen Buch Der Atom-Staat (1977) Lovins' Dichotomie hart/sanft. Am 1.12.1979 findet dann vor dem Bundestag eine Anhörung zum Thema Sanfte Energie statt (vgl. DER SPIEGEL (22.1.1979), H. 4 bzw. ENERGIEWIRTSCHAFTUCHE TAGESFRAGEN (1980), H. 2, S. 11). Erstbelege für GAU/Super-GAU·. FRANKFURTER RUNDSCHAU 28.9 1974 (Wochenendbeilage); SZ 4.12.1974: „Mutmaßungen über den Super-Gau". Zu alternativ vgl. Brauns 1 9 8 6 , S. 9 2 .
644
Kapitel 16
Eine originäre deutsche Neubildung scheint dagegen Atomstaat, gebildet nach dem Muster Polizeistaat, SS-Staat (Eugen Kogon) zu sein. Obwohl weder das Wort noch das Konzept „Atomstaat" im Sinne von „Diktatur, die aus der Nutzung der Atomenergie resultiert", neu waren70, stammt die feste Bedeutung aus der neuen Atomopposition. Ende 1976 bereits sprachen Atomkraftgegner von einem waffenstarrenden Atomstaat, der den massiven und allgegenwärtigen Einsatz von schwerbewaffneten Wachmannschaften erfordere71, und zum gleichen Zeitpunkt beschwor Robert Jungk auf einer Großveranstaltung des Kernenergieprotests die Gefahr eines Atomstaates, der die „Überprüfung jedes einzelnen, Bewachung jedes einzelnen, und wenn man so will, von der atomaren Energie her sogar berechtigte Überwachung" bedeute.72 Auf eben diese Äußerung bezog sich der DER SPIEGEL, als er die Bespitzelung des Atommanagers Klaus Traube unter dem Titel „Lauschangriff auf Bürger T." aufdeckte und im Untertitel fragte: ,Atomstaat oder Rechtsstaat'" (28.2.1977, H. 10, S. 29-34). Der Skandal um die Verletzung verfassungsmäßig garantierter Rechte, weil Traube flüchtig Kontakt mit einem später als Terroristen Identifizierten gehabt hatte, etablierte Atomstaat in der öffentlichen Diskussion als festen Begriff, der wenige Monate später bereits im Bundestag von CDU/CSU und SPD thematisiert wurde und den Titel für ein einflußreiches Anti-Kernkraft-Buch abgab (Jungk 1977).73 Wie Atomstaat so übernahm die Presse auch Schlagworte wie Atommafia oder Atomfilz von der Anti-AKW-Bewegung. Atomfilz, als Kritik an der Verquickung von Interessen des Staates, der Industrie und der Gewerkschaften gedacht, machte sogar juristisch Karriere, weil seine Verwendung zur Begründung eines Ausschlußverfahrens gegen das atomkritische Gewerkschaftsmitglied Heinz Brandt mit herangezogen wurde.74 Etwas weniger ausgeprägt scheint bei der Umweltbewegung die bewußte sprachliche Abgrenzung gegen den herrschenden Sprachgebrauch 70
So gibt es eine ältere, meist allerdings okkasionelle Verwendungsweise von Atomstaat im Sinne von „Staat, der die Atomtechnologie beherrscht/über Atombomben verfugt" (zum Beispiel DEUTSCHE ZEITUNG 23.4.1960, Manstein 1961, S. 250), und der Gedanke der Gefährdung der Demokratie selbst durch die „Sachzwänge" der Atomtechnologie wurde beispielsweise bereits in den 50er Jahren geäußert (vgl. Jaspers 1958, S. 255ff.) und von Hans Henny Jahnn in seinem Stück Trümmer des Gewissens 1959 auch fiktional gestaltet.
71 72
DER SPIEGEL ( 1 5 . 1 1 . 1 9 7 6 ) , H . 4 7 , S . 4 7 . Zit. n a c h DER SPIEGEL ( 2 8 . 2 . 1 9 7 7 ) , H . 10, S. 29-
73
BT 15.6.1977, S. 2297 bzw. S. 2318. Frühster Wörterbuchbeleg für Atomstaat·. Brockhaus-Wahrig 1980. Vgl. FR 1.3. U. 2.3.1977; Mez/Wilke 1977, S. 198 u. Wilke 1977, S. 187fï. Älterer Beleg für Atomfilz als „neuer Spitzname" für einen besonders kernkraftfreundlichen Gewerkschafter: STERN 11.11.1976.
74
645
Umweltdebatten
auf anderen Sachfeldern zu sein. Man lehnt aber beispielsweise ein ehemaliges Konsenswort wie Umwelt zunehmend ab und zieht ihm Ökovor, da Umwelt „ein sehr verlogenes Wort" (Amery 1975, S. 10) und „die bare Unverschämtheit" (Sturm 1978, S. 48) sei, denn es signalisiere „etwas vom Menschen Gesondertes um ihn herum", während wir in Wirklichkeit uns als Teil dieser Umwelt zu betrachten hätten, sie veränderten und gleichzeitig von ihr abhängig seien.75 „Von der Umwelt zur Mitwelt" lautet deswegen die programmatische Parole. In Mitwelt kommt weniger die egoistische als vielmehr die ethische Komponente des Umweltschutzes zum Ausdruck, die 1992 auch Richard von Weizsäcker mit seiner Anregung, es wäre besser, von Nachweltschutz zu reden76, hervorhob. Zielscheibe einer grundlegenden Sprachkritik sind aber auch in der allgemeinen Umweltdiskussion vor allem Fachausdrücke: „Die inzwischen bereits etablierte Techno-Sprache im sog. ,Umweltschutz'" trage durch die Verwendung von Pestizid, Biozid, Pflanzenschutzmittel zur Euphemisierung bei, da so Wörter wie Tod, Zerstörung, Ausrottung, Gift vermieden würden. Ein zweiter negativer Effekt sei die „Verdinglichung" und Ökonomisierung der Natur in der Sprache der industrialisierten Landwirtschaft. Tiere seien Empfängermaterial, das produziert wird, und die tonnenweise Vernichtung von Obst und Gemüse heiße aus dem Markt nehmen,77 Auch in einem alten, ökologisch gesehen „naiven" Ausdruck wie Ölteppich, der noch aus der Zeit vor 1970 stammt, sehen sensible Kritiker wie Heinrich Boll nun einen „grausamen Euphemismus", der in das „Wörterbuch des Unmenschen" gehöre (KONKRET 1977, H. 6, S. 6). Derartigen Argumentationen gegen die Weltanschauung, die hinter einem bestimmten Sprachgebrauch steht, ist weder eine gewisse Plausibilität noch eine gewisse Wirkung pauschal abzusprechen: Zumindest im Falle der schon seit langem kritisierten abwertenden Bezeichnung Unkraut führt sie dazu, daß man behördlicherseits in Zukunft von 78
Wildkraut sprechen will. Mit grün wird Mitte der 70er Jahre von der Umweltbewegung ein eigenes Farbadjektiv im politischen Spektrum ausgebildet bzw. trotz kon75 76
77
78
NATUR (1987), Η. 1, S. 33; ähnlich auch Trampe 1991, S. 145 und bereits Sturm 1978.
Vgl. DER SPRACHDIENST (1993), Η. 1, S. 12.
Trampe 1991, S. 145-147; vgl außerdem Gigon 1983. Auf die Untersuchung derartiger sprachlicher Phänomene will sich eine deutschsprachige ökologische Linguistik - eine Alt akademisch-ökologische Sprachkritik - konzentrieren, die nicht mit der sprachsoziologischen Eco-Linguistics verwechselt werden darf (vgl. Fill 1987 und 1993 sowie Trampe 1989). DER SPRACHDIENST (1983), Η. 1, S. 22. Die Kritik an der rein ökonomisch, aber nicht ökologisch motivierten Bezeichnung Unkraut ist alt und findet sich beispielsweise schon - auf das Amerikanische bezogen - bei Carson 1963, S. 69 und 71.
646
Kapitel 16
kurrierender Verwendungsweise von grün im Sinne von ,die Landwirtschaft/ die Bauern betreffend'79 in Beschlag genommen, wobei auch hier wieder englischer Spracheinfluß eine Rolle spielt.80 Aus grün entsteht schießlich die dominierende politische Selbstbezeichnung der ÖkoBewegung. Belege wie der journalistische Okkasionalismus grüne Front (DIE ZEIT 23.1.1970, S. 1) als Bezeichnung für die Lobby von Landschaftsarchitekten, Naturwissenschaftlern und Förstern deuten darauf hin, wie psychologisch naheliegend grün im Zusammenhang mit Umwelt· und Naturschutz war. Nicht zuletzt erlaubte das Adjektiv auch eine sprachliche Anknüpfung an die konservierenden Traditionen der klassischen Natur- und Landschaftsschützer, die etwa am 13 4.1950 das Grüne Kreuz (in Analogie zu Rotes Kreuz) gründeten oder am 20.4.1961 die Grüne Charta von der Mainau verfaßten. Aufgrund dieses konservativen Images, das Namensgebungen wie Grüne Aktion Zukunft für die Parteigründung des CDU-Dissidenten Herbert Gnihl am 12.7.1978 unterstrichen, zogen politisch stärker links orientierte Gruppierungen Selbstbezeichnungen wie Bunte Liste oder Alternative Liste dem Adjektiv grün vor, das in den 70er Jahren recht diffus zur „Farbe der .Lebensqualität'" (DER SPRACHDIENST 1978, H. 8, S. 123) avancierte und sich vielleicht gerade deswegen gegen die Konkurrenzbezeichnungen behaupten konnte. Nachdem diverse Grüne Listen Ende der 70er Jahre bei Landtags- und Kommunalwahlen antraten, machte grün als politischer Begriff Karriere. „Als der SPD-Vorsitzende Brandt auf dem Hamburger SPD-Bundesparteitag im November 1977 als erster den Begriff der ,Grünen' einführte, vermochte ein Großteil seiner Genossen noch nichts Rechtes damit anzufangen" (RP 17.3.1980, S. 2), obwohl seit den Landtagswahlen in Hamburg und Niedersachsen am 4.6.1978 „die Grünen und Bunten in aller Munde" waren.81 Die Presse verwendete grün zunächst meist mit Anführungszeichen, die aber schnell verschwanden, als die Wahlerfolge sich wiederholten und die Ökologiebewegung nach der Eroberung von 79
80 81
Bereits 1929 bezeichnete man das politische Bündnis verschiedener Bauernverbände als Grüne Front, deren radikale Vertreter, inspiriert von der amerikanischen BlackPower-Bewegung, später die geballte grüne Faust kreierten (vgl. DIE ZEIT 2.31971). Die Bundesregierung legte ab 1956 den Grünen Bericht bzw. Grünen Plan zur Entwicklung der Landwirtschaft vor; alljährlich findet eine Landwirtschaftsausstellung als Grüne Woche in Berlin statt, und um 1970 ensteht das Schlagwort von der Grünen Revolution, womit die erheblichen Ertragssteigerungen durch moderne landwirtschaftliche Methoden wie Neuzüchtungen, Intensivdüngung, Massenanbau und Pestizideinsatz (vgl. Nunn 1974) - also das genaue Gegenteil dessen, was die Grünen wollen - gemeint waren. Frühe Belege für grün im Sinne von „ökologisch-alternativ" bei Jungk 1973, S. 72f. gehen auf amerikanische Sprachvorbilder zurück. DER SPRACHDIENST ( 1 9 7 8 ) , H . 8 , S 1 2 3 ; Z e i t u n g s b e l e g e : DER SPIEGEL ( 1 2 . 6 . 1 9 7 8 ) , H . 2 4 ,
S. 3 2 - 3 4 ; SZ 26.6.1978. Zu grün vgl. außerdem Hermann Scheer in: VORWÄRTS 10.1.1980: „Die Besetzung einer Farbe".
Umweltdebatten
647
Sitzen im Bremer Landtag am 7.10.1979 in immer mehr Regionalparlamente einzog.82 In den frühen 80er Jahren taucht dann die Grüneni die sich als die 1980 gegründete bundesweite Partei DIE GRÜNEN schreiben, auch als Lehnübersetzung in den Schlagzeilen der internationalen Presse auf.83 Umgekehrt ist es typisch grün, CDU/CSU, SPD und FDP nach dem Muster umweltpolitischer Fachbegriffe wie Altöle, Altlasten, Altstoffe als Altparteien zu bezeichnen - trotz kritischer Thematisierungen eine sehr erfolgreiche Wortprägung (s.u.). Ähnlich finden auch zahlreiche Parolen und Denk-Sprüche wie Kein Kernkraftwerk in Wyhl und anderswo, Seveso ist überall84, Kernkraft? - nein danke! oder Gorleben soll leben weite Verbreitung. Seit den späten 70er Jahren müssen die Kernenergiebefürworter oppositionelle Ausdrücke immer häufiger zitierend zur Kenntnis nehmen. So kritisiert man nun aus dieser Warte die Verwendung von Begriffen wie Super-GAU, Atomstaat, China-Syndrom, sanft oder Atom- statt Kernin der Nukleardiskussion als unlautere sprachliche Tricks, entweder weil diese Wörter so verführerisch seien oder weil sie irreale Fiktionen bezeichneten. Diese Schlagworte werden so ernst genommen, daß etwa der damalige Innenminister Baum bereits 1978 den Vorwurf des Plutonium-Staates fürchtet85 und das Nuklearestablishment Atomstaat durch Kalorienstaat zu konterkarieren sucht. Gemeint ist damit die „Vorstellung eines totalitären Energie-Einsparungsstaates, bei dem staatliche Inspektoren den Energieverbrauch der Bürger überwachen" (Renn 1984, S. 354). In der Umweltdiskussion beklagt man sich, die „um sich greifende Antistimmung" habe „sogar die Wörter verändert", so daß etwa Beton inzwischen ein Schimpfwort sei.86 Alle diese Angriffe auf das Vokabular der Atom- und Umweltopposition sind ein indirekter Tribut an seine zunehmende Bedeutung im öffentlichen Sprachgebrauch bzw. seine reale oder vermutete politische Wirkung.
82 83 84
85 86
Anfuhrungsstriche noch in: RP 8.10.1979, S. 1 und 1.10.1979, S. 1, nicht mehr jedoch in: RP 18.3.1980, S. 2: „Einzige Überraschung war der Erfolg der Grünen". The Greens bzw. les verts-, Belege hierzu in: MUTTERSPRACHE 94 (1983/84), S. 206. Dieses mittlerweile geflügelte Wort geht auf den Buchtitel von Koch/Vahrenholt 1978 (Untertitel: „Die tödlichen Risiken der Chemie") zurück. Symptomatisch für die Defensivposition, in die die Chemie gegen Ende der 70er Jahre insgesamt als Industriezweig geriet, ist auch, daß in den 80er Jahren Forderungen nach einer sanften Chemie, einer Chemiewende und Konversion der Chemie immer lauter werden (vgl. FR 28.4.1986, S. 1 und 28.11.1986, S. 19 sowie STERN 4.12.1986, S. 28). Das belegt laut DER SPIEGEI (30.3.1987), H. 14, S. 61, ein interner Besprechungsvermerk. Ausführliche Belege für die Kritik an der Oppositionssprache in Jung 1994. FAZ 2.9.1979; zu Beton vgl. auch Mayer 1986.
648
Kapitel 16
5. Die Institutionalisierung der grünen Sprache Der Einzug diverser Öko-Listen seit 1979 in die Landes- und Kommunalparlamente und schließlich der Grünen in den Bundestag (1983) signalisiert den Marsch der „Bewegungssprache" durch die Institutionen. Obwohl mit dem Störfall von Harrisburg und der kurz darauf erfolgenden Aufgabe des integrierten Entsorgungszentrums in Gorleben der vorläufige Höhepunkt der nuklearen Kontroverse überschritten war, wurde die Diskussion auf allen Ebenen fortgeführt. Andere Umweltthemen wie das Waldsterben rückten allerdings bis zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26.4.1986 in den Vordergrund. In Zusammenhang mit dem Bewußtseinswandel, den die Erfolge der Grünen signalisieren, veränderten sich auch die Bezeichnungen, und zwar im freien öffentlichen Sprachgebrauch ebenso wie im institutionell festgelegten. Wenn statt Umiveltmuffel oder Umweltsünder wie in den siebziger Jahren nun verstärkt Öko-Kriminelle o.ä. gesagt wird87, dann hat sich das, was früher immer wieder postuliert wurde - die Verletzung von Umweltvorschriften sei kein „Kavaliersdelikt", sondern „sozial gefährlich" und habe „einen hohen kriminellen Gehalt" - mittlerweile auch sprachlich niedergeschlagen.88 In den Gesetzestexten entspricht dem ein neuer Artikel „Straftaten gegen die Umwelt", der am 1.7.1980 ins BGB eingefügt worden war, und die Tatsache, daß in den 80er Jahren eine langanhaltende Diskussion um die Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz begann (DIE ZEIT 18.3.1988, S. 48), die schließlich 1994 auch tatsächlich erfolgte. Die in Wortbildungen wie Öko-Kriminelle zum Ausdruck kommende Neubewertung von Umweltvergehen ruft ihrerseits die Industrie auf den Plan, für deren Vertreter allein schon der Name des neuen Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität eine „unzutreffende Beschuldigung der Wirtschaft" ist.89 Mit den Grünen zieht 1983 auch verstärkt die Sprachreflexivität der Alternativen in den Bundestag ein und banalisiert sich im politischen Tagesgeschäft immer mehr. Der allererste Beitrag der Grünen in einer Bundestagsdebatte zum Thema Atomenergie beginnt mit einer längeren Tirade gegen Entsorgung·. Man müsse sich gegen die Verwendung dieses Ausdrucks im Bericht der Bundesregierung „verwahren", da die Koalition keine wirkliche Entsorgung anstrebe (BT 27.10.1983, S. 2084) - eine Wortkritik, für die die Abgeordnete sogar vom nachfolgenden Redner der FDP, Hirsch, ausdrücklich Zustimmung erhält. Entsorgung passe tatsächlich nicht, von Entsorgung im Wortsinn könne keine Rede sein: „Die 87
88 89
DER SPIEGEL (29.7.1985), H. 31, S. 38.
Innenminister Genscher im BT 16.12.1970, S. 4798. Zit. nach DIE ZEIT 30.8.1985, S. 34.
649
Umweltdebatten
Sorge darf - ich sage: darf - in dieser Frage auch nicht aufhören". In dieser Überzeugung läßt sich Hirsch auch von dem ironischen Zwischenruf eines CDU-Abgeordeten, „Haben Sie ein besseres?", nicht beirren. In den folgenden Debatten zum gleichen Thema formulieren die Grünen noch einmal ähnlich, der Atommüll werde ja nicht tvirklich entsorgt, sondern lediglich „in Zeit und Raum vor uns hergeschoben", bzw. es gebe nur eine Entsorgung, die wirklich eine sei: „Keine Produktion 90
von Radioaktivität." Ahnlich können die Grünen auch das „verlogene Wort" vom Strahlenschutz „bald nicht mehr hören" (BT 14.4.1988, S. 4771). Die auf allen Seiten geschärfte Sprachsensibilität im Umgang mit umweltpolitischen Fach- und Schlagworten zeigt sich deutlich um 1983 am Aufkommen und an der Bewertung des Begriffes Waldsterben, mit dessen Etablierung im öffentlichen Sprachgebrauch nach der Überzeugung eines Pressesprechers der Grünen „schon viel gewonnen" sei.91 Obwohl Gelegenheitswortbildungen wie Baumsterben, Tannensterben etc. sich schon lange nachweisen lassen92, bildet sich der Begriff Waldsterben erst Anfang der 80er Jahre zum festen Schlagwort aus. Nachdem bereits 1981 in der SPIEGEL-Titelserie „Der Wald stirbt" (Hefte 47-49) die naheliegende Zusammenziehung Waldsterben okkasionell auftaucht, beherrscht es 1983/84 landesweit die Schlagzeilen und wird in die Wörterbücher aufgenommen (zum Beispiel Wahrig 1984). Waldsterben findet zumindest kurzzeitig sogar als Germanismus Eingang in die internationale Presse93 und dient als Vorbild für ein produktives Wortbildungmuster zur Bezeichnung von Umweltkatastrophen wie Grünsterben, Bergsterben, Fischsterben, Robbensterben, Nordseesterben, Schilfsterben. Zudem gibt es mit Mastensterben (= Anschläge auf Strommasten), Büchersterben usw. bereits Beispiele für den Gebrauch derartiger Komposita in übertragener Bedeutung. 4 Populär in diesem Zusammenhang wurde der Spruch „Erst stirbt der Wald und dann der Mensch" ( D I E ZEIT 25.11.1988, S. 92). Von Anfang an gab es deutliche Kritik an Waldsterben: Während radikaleren Umweltschützern Waldsterben zu schwach ist, so daß sie lieber vom Waldmord sprechen, gebrauchen viele Wissenschaftler Waldsterben — wenn überhaupt — nur mit Anführungszeichen und bevorzugen mit neuartige Waldschäden einen Fachausdruck, der die Konsequenzen des 90 91
93
BT 27.10.1983, S. 2087f.; BT 8.11.1984, S. 7121; BT 24.01.1985, S. 8630. Zit. nach Stamm 1988, S. 217. Ein Teil der folgenden Belege stammt aus einer Seminararbeit von Achim Höh. Tannensterben etwa ist laut DER SPIEGEL (17.12.1984), H. 51, S. 45, sogar schon seit 1964 aktenkundig. Vgl. STERN 8.11.1984, H. 46 oder SAARBRÜCKER Zeitung 21.11.1984, Beilage S.II.
94
B e l e g e i n : D E R SPRACHDIENST ( 1 9 8 7 ) , H . 1, S . 1 u n d 3 b z w . ( 1 9 8 9 ) , H . 3 , S . 6 7
92
D I E ZEIT 2 3 1 0 . 1 9 8 7 , S . 6 1 .
sowie
650
Kapitel 16
benannten Phänomens offen läßt.95 Man solle Waldsterben möglichst nicht in den Mund nehmen, weil es lediglich ein populäres journalistisches Schlagwort mit hohem Unterhaltungswert sei, dessen Verwendung schon eine halbe Bankrotterklärung darstelle. Argumentiert wird später auch mit der „realen" Entwicklung: Nachdem die Prophezeiungen, die neuartigen Waldschäden würden mit einem Waldsterben enden, sich nicht bewahrheitet hätten, sei auf den Gebrauch dieses Begriffes zu verzichten. Aus DDR-Sicht betont man nicht nur die Unwissenschaftlichkeit des Ausdrucks, sondern darüber hinaus, daß es sich um eine Erfindung westlicher Medien handele.96 Die plötzliche und auffällige Verwendung von neuartige Waldschäden durch die Chemische Industrie und die Bundesregierung provoziert allerdings den Vorwurf, hier werde der „politisch mißliche" Ausdruck Waldsterben bewußt vermieden und die Realität durch die Verwendung von neuartige Waldschäden „sprachlich wattiert". Dabei handele es sich um eine im Oktober 1983 gefällte Entscheidung der „Runde der beamteten Staatssekretäre".97 Mit einem gewissen Mißtrauen registrieren die Kritiker daraufhin auch kleinste sprachliche Änderungen, so etwa wenn die Waldschadensstufe 1 zukünftig „etwas freundlicher" umschrieben werden soll: Die Bäume seien nicht mehr „schwach geschädigt", sondern „in der Vitalität gemindert oder geschädigt".98 Hier impliziert der Journalist zumindest, daß wiederum gezielte sprachliche Kosmetik das Motiv für die Veränderung ist. Dies sind typische Beispiele für Sprachthematisierungen, die aus dem Gegensatz zwischen fachsprachlich adäquaten auf der einen, im öffentlichen Sprachgebrauch angemessenen und etablierten Benennungen auf der anderen Seite resultieren. Sowohl der interpretatorisch entschiedene Ausdruck Waldsterben als auch das vorsichtigere neuartige Waldschäden haben angesichts der Komplexität der Problematik ihre Berechtigung, zumindest in ihrer jeweiligen Sphäre. Der Euphemisierungsvorwurf kann jedoch greifen, wenn im offiziellen Sprachgebrauch das in der Presse übliche Wort plötzlich konsequent vermieden wird. Nicht einmal fachsprachlich rechtfertigen lassen sich allerdings Ausdrucksweisen wie ge95
Belege zu Waldmord:
STERN 5.7.1984, S. 36. Neuartige
Waldschäden
dagegen durch-
gehend in der einflußreichen Fachzeitschrift ENERGIEWIRTSCHAFTUCHE TAGESFRAGEN
(zum Beispiel in (1987), H. 2, S. 134 und (1989), H. 1 - 2 , S. 51; direkte Kritik an der Angemessenheit von Waldsterben in (1990), H. 1 - 2 , S. 38). 96
Vgl.
D E R SPIEGEL ( 1 7 . 1 2 . 1 9 8 4 ) ,
H. 51,
S. 4 4 ;
Guggenberger/Voitl
1986,
S. 1 0 ;
FAZ
1 . 1 1 . 1 9 8 4 ; FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 6 . 7 . 1 9 8 4 („Begriff W a l d s t e r b e n gerügt"); DIE ZEIT 2 5 . 1 1 - 1 9 8 8 , S. 9 2 .
97
NATUR 1984, H. 1, S. 6 0 bzw. DER SPIEGEL (17.10.1983), H. 42, S. 14; ähnlich auch DER
98
DER SPIEGEL (1.4.1985), H. 14, S. 21.
SPIEGEL (1.10.1984), H. 40, S. 19 und Carstensen 1984, S. 88. Zum Sprachgebrauch der Chemischen Industrie vgl. die Auszüge aus deren Waldbericbt in: HANDELSBLATT 7.12.1984, S. 31.
651
Umweltdebatten
dämpfte Vitalität des Waldes, von der, wie Umweltschützer mit Empörung vermerken, der bayrische Umweltminister sprach. Der Etablierung des Schlagwortes Waldsterben tat die Vermeidung von offizieller Seite bzw. die kritische Thematisierung von Seiten radikaler Umweltschützer allerdings keinen Abbruch. Auch manche Wissenschaftler sagen bewußt Waldsterben und wollen dies trotz einer Verbesserung der Lage der Wälder weiterhin tun." Es ist aber keineswegs so, daß Fachtermini automatisch unter Verharmlosungsverdacht gestellt werden. Weder bei Saurer Regen, das jetzt ebenfalls im öffentlichen Sprachgebrauch zu einem „vielzitierten" Fachwort wurde (FRANKFURTER RUNDSCHAU (FR) 16.7.1982, S. 3), noch bei Katalysator- von der Werbung bereits zu Kat oder Katy verkürzt —, noch bei der neuen Benzinsorte Bleifrei hat es vergleichbare Diskussionen gegeben, obwohl sie alle in engem ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Waldsterbensdiskussion stehen und sich auch hier - vor allem bei Saurer Regen - sprachkritische Ansatzpunkte finden ließen.100 In der zweiten Hälfte der 80er Jahre rückten dann der Treibhauseffekt und das Ozonloch in die Schlagzeilen, beides populärwissenschaftliche Begriffe, die sich in der Presse schon Ende der 70er Jahre gelegentlich nachweisen lassen, aber erst ab 1986 verstärkt auftauchen. Drastischer wird auch gerne von Klimakatastrophe oder nach Tschernobyl naheliegenderweise vom Klima-GAU gesprochen.101 Wie schon in der Atomoder Waldsterbensdiskussion zeigt sich hier erneut die Ohnmacht der Fachleute gegenüber dem öffentlichen Sprachgebrauch. Obwohl sie Treibhauseffekt und Ozonloch oder Ausdrücke wie Energiesparen oder Energieverbrauch als terminologisch unangemessen kritisieren - Energie kann physikalisch gesehen weder verbraucht noch gespart, sondern im Sinne des Energieerhaltungssatzes nur umgewandelt werden -, müssen sie doch vor dem öffentlichen Sprachgebrauch kapitulieren.102 99
Vgl. NATUR ( 1 9 8 2 ) , H. 6, S. 94 bzw. DIE ZEIT 25.11.1988, S. 92.
100 Unter Bezeichnungen wie thermischer gas-Entgiftungsanlage
Nacbverbrenner
(DIE WELT 14.1.1972) oder Ab-
(WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN 25.11.1972), katafytischer
Nacbver-
brenner (DER SPIEGEL (12.4.1971), H. 16, S. 55), die fachsprachlich gesehen zum Teil „korrekter" sind, diskutierte man den Katalysator schon zu Beginn der ersten Umweltwelle, als er in den USA eingeführt wurde. Auch Saurer Regen ist als Fachwort bereits alt. 101 Vgl. DER SPIEGEL (26.2.1979), H. 9, S. 2 1 0 - 2 1 2 (Überschrift: „Tod im Treibhaus"); (11.8.1986), H. 33, S. 122-134 („Die Klimakatastrophe"); (30.11.1987), H.49, S. 2 6 2 273 („Das Ozonloch") und (17.7.1989), H. 29, S. 112-121. In der Fachwelt begann diese Diskussion im übrigen ca. 1971/72 (vgl. ENERGIEWIRTSCHAFHICHE TAGESFRAGEN (1986), H. 12, S. 948). 102 Kritik an Ozonloch bzw. Treibhauseffekt zum Beispiel bei Schönwiese/Diekmann 1988; B a c h 1982, S. 195 und in: ENERGIEWIRTSCHAFTUCHE TAGESFRAGEN (1986), H. 12, S. 9 4 8 . Zu Energieverbrauch etc.: ENERGIEWIRTSCHAFTUCHE TAGESFRAGEN ( 1 9 7 7 ) , H. 12,
S. 8 0 4 - 8 0 7 , (1983), H. 12, S. 9 0 3 - 9 0 6 ; DER SPIEGEL (11.8.1986), H. 33, S. 122.
652
Kapitel 16
Ein besonderes Problem der Umweltdiskussion ist, daß einerseits „die Umwelt" jedem sinnlich unmittelbar zugänglich erscheint, andererseits aber sieht- und fühlbare Verschmutzungen wie Müllberge und stinkende Gewässer zurückgegangen sind. Viele der inzwischen diskutierten Problematiken lassen sich nur mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen, sind überdies häufig innerhalb der Fachwelt umstritten und abhängig von subjektiven Faktoren. Darunter fallen bei den Waldschadenserhebungen etwa die Schulung der Beurteilenden und das verwendete Kategoriensystem. Dadurch kann es zum Teil zu erheblichen Diskrepanzen zwischen der Primärerfahrung der Öffentlichkeit und den Einschätzungen der Spezialisten kommen: „Was einem Forst-Laien noch als ,üppig grüner Wald' erscheinen mag, stufen Experten häufig schon als ,kränkelndes' Gehölz ein".103 Allerdings stellt nicht nur Waldschäden einen „abstrakten Begriff" dar, der im Gegensatz zu den Eindrücken beim sonntäglichen Waldspaziergang steht (FAZ 1.11.1984). Seit die sinnfällige Frühphase des Umweltschutzes, in der es um Dreck und Rauch ging (s.o.), vorbei ist, gilt der gleiche Tatbestand praktisch für alle Aspekte der Umweltdiskussion. Damit kommt einzelnen Vokabeln, die eine kondensierte Interpretation der hochkomplexen Sachverhalte darstellen, eine besondere Bedeutung zu. Dieser Umstand erklärt auch, zusammen mit Problemen der Fachterminologie im öffentlichen Sprachgebrauch, warum gerade in der Umweltdiskussion Sprachthematisierungen besonders häufig sind. Mit der Parlamentarisierung waren der Öko-Bewegung beachtliche finanzielle Ressourcen und ganz neue sprachliche Einflußmöglichkeiten zugewachsen. Gleichzeitig werden Ideen und Anliegen der Umweltbewegung verstärkt von den Altparteien aufgenommen und in Wahlslogans umgemünzt: „In Europa sind wir Vorreiter im Umweltschutz", lautete etwa eine Parole der CDU im Europawahlkampf (DIE ZEIT 20.1.1989). Die Erfolge der „Öko-Sprache" im öffentlichen Sprachbewußtsein sind quantitativ und qualitativ vielfach nachzuweisen. Ein erstes Indiz für den sprachlichen Stellenwert der Umweltdiskussion sind die zahlreichen Übertragungen spezifischer Vokabeln, sei es von einer Teildiskussion auf die andere oder auf gänzlich „umweltferne" Bereiche. Der Glykol-Skznàaì 1985 wird zum Wein-GAU und macht die Wein-Entsorgung des gepanschten Weines notwendig, in den verschiedensten Bereichen werden Altlasten ausgemacht, der wortkarge Bundestrainer der Fußball-Nationalmannschaft gilt als Stiller Brüter. Besonders
103
WESTFÄUSCHE RUNDSCHAU 28.12.1984; v g l . a u c h D I E ZEIT 25.11.1992, S. 9 2 .
104 Vgl. DER SPRACHDIENST (1986), H. 1, S. 2; Haß 1989a, S. 423-429 bzw. MANNHEIMER MORGEN 16./17.6.1984, S. 13.
Umweltdebatten
653
früh, häufig und mit ganz verschiedenen ideologischen Stoßrichtungen wird Umweltverschmutzung metaphorisiert. Für Kardinal Höffner ist die Umweltverschmutzung im sittlichen Bereich verheerender als die chemische Umweltverschmutzung, da sie die Herzen verwüste, der offizielle Dialog mit der Jugend wird als geistige Umweltverschmutzung empfunden, Hans-Jochen Vogel spricht im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit von sozialer Umweltverschmutzung — auch hier ließe sich die Liste der Beispiele fast beliebig verlängern.105 Bei Fahnenwörtern haben derartige Übertragungen natürlich unweigerlich einen ideologischen Verschleiß zur Folge. Die Zahl der Zusammensetzungen mit grün in der Bedeutung .umweltfreundlich/natürlich/ökologisch' etwa nimmt ständig zu: grünes Bett, grünes Auto, grüne Sprache, grünes Telephon etc. Und wenn eine SPD-Landesregierung beispielsweise einen grünen Katalog für die Polizei herausgibt, d.h. eine Bußgeldliste für die diversen Umweltvergehen, so daß, wie der nordrheinwestfälische Innenminister sich ausdrückt, „unverbesserliche Umweltsünder" mit einem grünen Knöllchen zu rechnen haben (RP 317.1984, S. 1), dann ist jede eindeutige parteiliche Markierung von grün verloren gegangen. Ähnlich verhält es sich bei Wortbildungen wie sanfte Geburt, sanfte Chemie, sanftes Auto, sanftes Ballett, sanfter Faschismus, sanfter Tourismus, sanfter Handel. Wie alternativ, das bei den Alternativen inzwischen „begähnt" werde, banalisiert sich auch sanft und wird zu Werbezwecken immer mehr kommerzialisiert.106 Die Umweltbewegung muß sich daher verstärkt gegen die „Inflation grüner Vokabeln" und ökologischen „Etikettenschwindel" wehren.107 Sprachthematisierungen haben deshalb nun vor allem das Ziel, sich dieser Vereinnahmung zu entziehen und die Entwendung des ureigenen Vokabulars durch andere Parteien oder die Industrie als sprachliche Täuschung zu entlarven: So sprechen die Grünen dem damaligen Innenminister Zimmermann die Berechtigung ab, das Wort Umweltschutz im Munde zu führen, und werfen ihm seine „verbale Wende" vor, mit der er seine „umweltfeindliche Realpolitik mit einer Öko-Maske" tarne (BT 15.9.1983, S. 1452). Auch gebe es keine umweltfreundlichen Wasch-
1 0 5 Vgl. RP 1 4 . 3 . 1 9 8 4 ; DIE TAGESZEITUNG 2 7 . 5 . 1 9 8 2 zit. n a c h K u h n 1 9 8 3 , S. 6 2 ; F R 1 9 - 1 2 . 1 9 9 1 , S. 5 (Überschrift: „Wider die soziale Umweltverschmutzung")· Von geisti-
ger Umweltverschmutzung sprach bereits 1974 der Präsident des Bundes der deutschen Industrie (vgl. Schwenger 1984, S. 123). Der frühste Beleg für diese Metaphorisierung ist ein Zwischenruf in der ersten parlamentarischen Umwelt-Debatte (BT
106
1 6 . 1 2 . 1 9 7 0 , S. 4 7 9 8 ) . B r a u n s 1 9 8 6 , S . 9 3 b z w . DIE TAGESZEITUNG 3 0 . 4 . 1 9 8 2 ; vgl. a u ß e r d e m DER SPRACHDIENST ( 1 9 8 6 ) , H . 1, S. 2 b z w . S. 18.
107
NATUR ( 1 9 8 2 ) , H . 6, S. 5 b z w . DIE ZEIT 7 . 3 1 9 8 6 .
654
Kapitel 16
mittel „im Sinne von biologisch voll abbaubar oder umweltneutral".108 Wenn Innenminister Zimmermann Diesel-Autos als umweltfreundlich bzw. schadstoffarm bezeichnet, was aufgrund einer Gesetzeslücke formal gesehen sogar korrekt ist, wird er dafür in der Presse, die in diesem Zusammenhang umweltfreundlich und sauber häufig in Anführungszeichen setzt, ausdrücklich angegriffen.109 Derartige Diskussionen zeigen durchaus eine gewisse Wirkung und können zu einem differenzierteren Begriffssystem führen. Selbst ein Abgeordneter der Grünen lobt dann die Regierung dafür, daß sie inzwischen „nicht mehr vom umweltfreundlichen PKW, den es ja nach wie vor nicht gibt, sondern korrekterweise nur noch vom schadstoffarmen PKW" rede und damit eine Anregung seiner Partei aufgenommen habe. Allerdings bleibe auch der schadstoffärmere Autoverkehr nach wie vor umweltfeindlich, nur das Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel seien wirklich umweltfreundlich.110 Insbesondere Öko-/ ökologisch dient im Selbstverständnis der Grünen zunächst dazu, sich stärker von dem einfachen £/?««^//-Vokabular der anderen Parteien abzugrenzen. Der lediglich schadenbegrenzende Umweltschutz und die mit einer grundsätzlichen Wende verbundene Ökologie seien „zwei verschiedene Kategorien politischen Handelns" (DIE ZEIT 23 8.1985, S. 1). Entsprechend drückt Ökopädagogik mehr aus als Umwelterziehung.1U Aber auch hier müssen sich die Grünen schon bald gegen die Vereinnahmung von ökologisch durch Vertreter der Altparteien wehren, die Schlagworte wie ökologische Marktwirtschaft in die Debatte werfen: Die „öffentliche Diskussion über einen ökologischen Strukturwandel in der Wirtschaft" sei viel zu lange von den „Späths, den Biedenkopfs und den Glotzs" beherrscht worden.112 Wenn diese Politiker von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen sprechen, seien dies „Begriffsverfälschungen" mit dem Ziel, „eine kritisch besorgte Öffentlichkeit einzuschläfern". Ebenso gibt es Empörung über die „Umwertung der Begriffe", weil jede regierungsamtliche, behördliche oder kommunale Verlautbarung von Umwelt rede, F. J. Strauß Umwelttage eröffne, oder die Atomlobby die Wiederaufarbeitung als Recycling bezeichne.113 108 NATUR UND UMWELT, Juli 1987, zit. nach Haß 1989a, S. 545. 1 0 9 V g l . DIE ZEIT 7 . 3 . 1 9 8 6 ; ä h n l i c h a u c h F R 5 . 1 1 . 1 9 8 6 , S. 2 8 ; DIE ZEIT 5 . 2 . 1 9 8 8 , S. 2 2 .
110 BT 6.12.1984 zit. nach DAS PARLAMENT 22.12.1984, S. 7. Ähnlich argumentieren auch Leserbriefe in RP 21.7.1984 und FR 20.7.1984 sowie eine Jugendorganisation gegenüber Umweltminister Töpfer (vgl. NATUR UND UMWELT (1988), H. 1, S. 6). Aus den gleichen Gründen wurde auch die Bezeichnung Umweltauto - ein „Wort des Jahres 1 9 8 4 " - kritisiert (vgl. DER SPRACHDIENST 1 9 8 5 , H . 1, S. 5f.).
111 Vgl. FR 12.6.1986. 112 Zit. nach FR 28.4.1986, S. 1. Schon 1970 forderte Innenminister Genscher ein „ökologisch fundiertes Management der Landschaft" (BT 16.12.1970, S. 4800) - eine für das damalige Bewußtsein charakteristische Formulierung. 113 NATUR UND UMWELT (1988), H. 1, S. 7 bzw. FR 12.6.1986. Protest der Grünen gegen
Umweltdebatten
655
6. Der Tschernobyl-Effekt Mit der Katastrophe von Tschernobyl am 26.4.1986 wurde das Vokabular der Nukleardiskussion im öffentlichen Sprachbewußtsein schlagartig wieder ganz nach oben katapultiert. Der Ortsname Tschernobyl wurde innerhalb kürzester Zeit zur „schrecklichen Metapher". Die Nachhaltigkeit des Tschernobyl-Schocks zeigt sich in zahlreichen Übertragungen, die von Tschernobyl-Jahr, Tschernobyl-Wahl etc. über Tschernobyl des Meeres, Tschernobyl der Informationstechnik bis hin zu politisches Tschernobyl, kulturelles Tschernobyl114 reichen und den vorher unbekannten Stadtnamen - hierin vielleicht höchstens noch Hiroshima vergleichbar - zu einem festen Begriff für „Riesenkatastrophe" werden ließen. Die aus der neu entbrannten Diskussion resultierende besondere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Nukleartermini hielt im folgenden aufgrund diverser Atomskandale und der Diskussion um das grenznahe französische Kernkraftwerk Cattenom, den „Störfall für die gute Nachbarschaft"115, ebenso an wie infolge der eskalierenden Auseinandersetzung um die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, für die Anfang 1985 die Standortentscheidung gefallen war. Tschernobyl bewirkte aber einen Meinungsumschwung, dem auch die Kernkraftbefürworter mit vagen Kompromißformeln von der Übergangsenergie oder Übergangslösung Kernenergiell6, bei denen offenblieb, wie lange dieser Übergang dauern sollte, zumindest verbal Rechnung trugen. Da sich die Reaktorkatastrophe im Vorfeld wichtiger Wahlen ereignete, wurde die zuvor bereits große Emotionalisierung der Diskussion aus politischen Gründen noch verstärkt. Die zivile Nutzung der Kernenergie entwickelte sich zum beherrschenden Wahlkampfthema. Alle Seiten nutzen dabei routiniert mittlerweile bestens vertraute nuklearspezifische Vokabeln wie Restrisiko, Störfall, Entsorgung, Entsorgungspark, {.Super)GAU, um zu polemisieren. Atomkraftgegner, die einen CDU/CSUAbgeordneten als (intellektuellen) Störfall verunglimpfen oder Störfälle beim Verkehrsminister bzw. beim Umweltminister registrieren117, haben keineswegs mehr ein Monopol auf den „kritischen" Gebrauch dieser Fachausdrücke: Heiner Geißler kennzeichnet seinerseits den AusstiegsRecycling in diesem Zusammenhang bereits in: BT 24.01.1985, S. 8632. 114 DIE ZEIT 18.9.1987, S. 60; FR 27.4.1987, S. 3; FR 1.6.1988, S. 3; DIE ZEIT 11.5.1990; DIE ZEIT 25.1.1991, S. 6; DER SPIEGEL (15.11.1993), H. 46; vgl. außerdem DER SPRACHDIENST (1987), H. 1, S. lf. 115 SPIEGEL-Titelgeschichte (1.91986), H. 36, hier S. 124. 116 FR 28.10.1987, S. 6 bzw. v. Cube u.a. 1987, S. 213; DIE WELT 30.5.1986 (dazu kritisch: FR 9-3.1987). 117 Vgl. BT 26.09.1986, S. 18078; NATUR (1986), H. 12, S. 47 und FR 17.7.1986 (Schlagzeile S. 1).
656
Kapitel 16
beschluß der S P D als einen Störfall, und ein Kommentator der WELT spricht gar vom GAU im Gehirn der Kernkraftgegner - die gleiche Wortwahl brachte im Bundestag dem betreffenden Abgeordneten immerhin einen Ordnungsruf ein. Nach Tschernobyl schwenkt ein großer Teil der SPD von Kernenergie, Kernkraftwerk etc. sprachlich plötzlich auf die /Itom-Linie der Grünen um und übernimmt auch Schlagwörter wie Atomlobby, Atommafia oder Atomminister, deren Brisanz im Bundestag durch ihre Zwischenruf- und Thematisierungsproduktivität unterstrichen wird und die auch in der Presse immer wieder für Schlagzeilen sorgen.119 Als Konsequenz eines derartigen Sprachwandels fühlen sich beispielsweise die Stromproduzenten plötzlich von der SPD als Atomlobby denunziert (BAYERNWERKZEITSCHRIFT 1 9 8 6 , H. 2).
Ganz besonders deutlich wird das neue Zusammenspiel, wenn ein SPD-Abgeordneter mit dem Vorwurf gegen das frisch bestallte Regierungsmitglied Wallmann, statt Umweltminister in Wirklichkeit ein Atomminister zu sein, den Grünen sekundiert, die unmittelbar zuvor einen entsprechenden Zwischenruf produziert hatten. Umgekehrt verteidigen die Grünen den vom saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine geprägten Ausdruck Zentrale des Todes für das französische Kernkraftwerk Cattenom nahe der saarländischen Grenze, den die konservative Seite als „unglaubliche Wortwahl" heftig kritisiert.120 Lafontaines Sprachbewußtsein läßt sich sowieso kaum noch von dem der Anti-AKWBewegung unterscheiden, spricht er doch von den „unverantwortlichen Verharmlosungen" der Kernenergiebefürworter, prangert Restrisiko als „Lügenbegriff" an und hält es „für eine fatale Manipulation am Bewußtsein, die Atomkernspaltung einmal friedlich' und einmal .militärisch' zu nennen" (VORWÄRTS 1 4 . 6 . 1 9 8 6 , S. 2 3 ) . Speziell eine jüngere SPDGeneration spricht demonstrativ von ziviler Nutzung der Kernenergie, mit der Begründung, „nach Tschernobyl" möge man nicht mehr von friedlich reden.121 Auch hier fallen bei den Grünen entsprechende Ben s
V g l . F A Z 2 8 . 8 - 1 9 8 6 , S . 2 ; DIE WELT 2 9 . 5 . 1 9 8 6 ( S c h l a g z e i l e ) ; DER SPRACHDIENST ( 1 9 8 7 ) , H. 1, S. 1 3 .
119 Zum Beispiel RP 3.10.1986, S. 4 bzw. S. 10 oder SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 3.10.1986, S. 6. Gegen Atomlobby bzw. Atomlobbyist verwahrt sich die Regierungskoalition im BT 14.4.1988, S. 4781, ebenso gegen den Zwischenruf der Grünen Atommafia (BT 26.09.1986, S. 18063 bzw. 18069). 120 Vgl. die Debatte BT 26.9 1986, S. 18058ff., hier S. 18066, 18063 u. 18069. Vgl. zu Zentrale des Todes außerdem DIE WELT 9 7.1986, S . 4 bzw. DER SPIEGEL (1.9.1986), H. 36, S . 129. 121 Gerhard Schröder im BT 15.5.1986, S. 16557. Signifikant ist der sprachliche Wandel vor allem bei Volker Hauff, der früher als Forschungsminister keine Vorbehalte gegen Kernenergie und friedliche Nutzung hatte. Genauere sprachbiographische Analysen bei Jung 1994.
Umweltdebatten
657
merkungen zu friedlich im Bundestag lediglich noch etwas polemischer 122 aus. Als letztes Beispiel für Konvergenzen zwischen Grünen und SPD, aber auch für subtile sprachliche Abgrenzungsversuche und innerparteiliche Differenzen sei das Bild vom Ausstieg aus der Atomenergie genannt — eines der „Wörter des Jahres 1986" (Carstensen 1986, S. 105). In dieser Bedeutung geht es offensichtlich auf die Anti-Atom- und AlternativBewegung zurück, wird jedoch von allen Parteien zunächst unkommentiert verwendet.123 Nach Tschernobyl ist Ausstieg ganz wie Atom- dann auf einmal typisch für die ökologiebewegte SPD-Linke, während eher kernkraftfreundliche Kreise innerhalb der Partei wie der Gewerkschaftsflügel nicht nur an Kern- festhalten, sondern auch statt vom Ausstieg jetzt vom Verzicht auf die Kernenergie sprechen.124 Die einen stellen sich damit sprachlich eindeutig auf die Seite der Grünen, die anderen auf die Seite der Industrie und der CDU. Dazwischen liegen Willy Brandt und der Kanzlerkandidat der SPD, Johannes Rau, die nach Einschätzung der Presse eine gewisse „Wortakrobatik" an den Tag legen: Sie verwenden als Kompromißformeln Umsteigen bzw. Umsteuern}25 Diese feinen sprachlichen Differenzierungen innerhalb der Partei sind symptomatisch für die zwiespältige Haltung der SPD: Einerseits hatte sie die Atomenergie bis zum Machtverlust 1982, wenn auch zunehmend distanziert, mitgetragen, andererseits faßte die SPD dann aber auf ihrem Nürnberger Parteitag 1986 einen prinzipiellen Ausstiegsbeschluß. Entsprechend schwankte auch das Verhältnis der SPD zu den Grünen zwischen Abgrenzung und Anlehnung. Das Bemühen der Grünen, sich der permanenten sprachlichen und argumentatorischen Vereinnahmung durch die Altparteien zu entziehen, ähnelt nach Tschernobyl vielfach dem Wettlauf zwischen Hasen und Igel. Es müssen ständig neue und immer heftigere Schlagwörter produziert werden. Auch aus diesem Grund etwa ersetzte Plutonium-, das zwar schon seit den 70er Jahren in den Reihen der Anti-AKW-Bewegung verbreitet war, jetzt aber durch den Baubeginn in Wackersdorf (1985) und die Skandale um die Hanauer Atomfirmen sachlich besonders aktuell war, in Zusammensetzungen wie Plutoniumunrtschaft, Plutoniumstaat etc. vielfach Atom-. Mit diesem neuen Stigma-Wort können die 122 Zum Beispiel BT 8.11.1984, S. 7120-7122 bzw. 14.5.1986, S. 16541. 123 Zum Beispiel BT 10.12.1981, S. 4197, 4198, 4204, 4210, 4216 (insgesamt sieben Belege). Für aussteigen/ Aussteiger reichen die Belege im Wiesbadener Archiv der Gesellschaft für deutsche Sprache bis 1979 zurück. 124 Vgl. die offizielle Stellungnahme des DGB in: Hermann/Schumacher 1987, S. 358360. 125 NEUE ZÜRICHER ZEITUNG 3.7.1986, S. 4 sowie SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 30.5.1986 bzw. 12.8.1986, S. 1.
658
Kapitel 16
Grünen sich „schimpftechnisch" hervortun (DER SPRACHDIENST 1 9 8 8 , H. 1, S. 14) und, wenn ihr Vorstandssprecher Umweltminister Wallmann als Plutoniumminister bezeichnet, die öffentliche Empörung Bundeskanzler Kohls provozieren.126 Aber auch Plutonium- wird (bzw. wurde schon früher) von der SPD und auch der Presse - typischerweise bei kernenergiekritischen Positionen - aufgenommen.127 Daß dieses Schlagwort in der Einschätzung der politisch Verantwortlichen Wirkung zeigt, erkennt man daran, daß der hessische CDU-Kandidat Wallmann dreimal innerhalb eines einzigen Interviews wiederholt, die Vorgänge um die hessische Firma Alkem hätten mit dem „Einstieg in die PlutoniumWirtschaft überhaupt nichts zu tun, überhaupt nichts".128 Auch die Thematisierungen von Wörtern, die für Atomskeptiker schon lange als Euphemismen entlarvt sind, klingen immer dramatischer. Die „Notlüge" besonders schäbiger und beschämender Art vom Restrisiko sei gleichbedeutend mit dem sofortigen „qualvollen Tod von 10000 Menschen".129 Der seit den 70er Jahren fest verbreitete Glaube an die planmäßige Bewußtseinsmanipulation über bestimmte Wortbildungen wächst sich im emotionalisierten Meinungsklima nach Tschernobyl zum Teil zu einer regelrechten Sprachhysterie aus: „Es ist ja wirklich bestürzend, was man mit Sprache alles machen kann, auch im Negativen. Nehmen wir nur mal die Wörter RESTRISIKO und FINALER RETTUNGSSCHUSS. Restrisiko bedeutet, daß Zehntausende von Menschen auf fürchterliche, widerliche, unmenschliche Weise umkommen werden. Sie werden Blut kotzen, die Haut wird ihnen in schwarzen Fetzen vom Körper hängen, die Augen werden ihnen auslaufen, sie werden keine Luft mehr kriegen und schließlich irgendwo verrecken: RESTRISIKO. Wer solche Wörter erfindet, ist fast so gefährlich wie ein hochgehendes AKW." 130
Da das Vokabular und das Sprachbewußtsein der Atomgegner die Diskussion nach Tschernobyl beherrschen, thematisiert man nun von kernkraftfreundlicher Seite verstärkt die Zentralausdrücke der Debatte. Plutoniumwirtschaft wird als spezifisch deutsche Erfindung diskriminierenden Charakters verurteilt.131 Gegen Ausstieg (aus der Atomenergie) führt man neben vorgeblich stilistischen und sprachästhetischen Argumenten 126 FAZ 7.4.1987, S. 12 bzw. RP 6.4.1987, S. 1. 127 Allgemein dazu Traube 1988, S. 57f. Frühe Belege für Plutoniumwirtschaft bei SPDRednern BT 22.1.1976, S. 14920; BT 15.6.1977, S. 3223f.; BT 24.1.1985, S. 8627; BT 7.11.1985, S. 12799; BT 14.5.1986, S. 16533; BT 14.4.1988, S. 4774. In der Presse wurde zum Beispiel das Schlagwoit Plutonium-Wahl für die hessische Landtagswahl kreiert (SPIEGEL-Titel (30.3.1987), H. 14, dazu auch FR 27.4.1987, S. 3). 1 2 8 DER SPIEGEL ( 3 0 . 3 - 1 9 8 7 ) , H . 14, S. 3 9 u n d 4 2 .
129 BT 14.5.1986, S. 16545 bzw. 16541. 130 131
D e r D r a m a t i k e r H a r a l d Müller in: THEATER HEUTE ( 1 9 8 6 ) , H . 7 , S. 3 . DIE ZEIT 2 0 . 2 . 1 9 8 7 , S. 1 3 b z w . Maier-Leibnitz 1 9 8 6 , S. 49-
Umweltdebatten
659
- Ausstieg sei „abgegriffen"132 - auch wiederholt den Irreführungs- bzw. Verharmlosungsvorwurf ins Feld, denn in Wirklichkeit handele es sich ganz klar um einen Verzicht oder Abschied mit negativen Folgeerscheinungen.133 Für Umweltminister Wallmann sei aussteigen wegen seines ideologisch-alternativen Anklangs gar ein „existentielles Horrorwort", das er nicht ausspreche, sondern nur „erbricht".134 Die Polarisierung des Meinungsklimas nach Tschernobyl, die sich vorübergehend auf die Diskussion um einzelne Vokabeln wie Ausstieg überträgt, macht folgende Wahlkampfanzeige der hessischen CDU deutlich: „Die Grünen sind bedenkenlose .Aussteiger'. Sie wollen nicht verbessern und fortentwickeln, sie wollen aus allem aussteigen: • Ausstieg aus dem Automobilbau • Ausstieg aus der Chemie • Ausstieg aus dem Bau von Straßen • Ausstieg aus der Energie Aussteiger können ein Land nicht regieren. Hessen lebt von seinen arbeitenden Menschen, nicht von Aussteigern." (WIESBADENER KURIER 18.3 1987, S.7)
Dabei ist der Umgang mit der Sache bzw. dem Wort Ausstieg bei den Grünen durchaus differenziert. Sie veröffentlichen beispielsweise zur Bundestagswahl 1987 ein ausführliches Wahlprogramm zum Umbau der Wirtschaft, womit ein Weg zwischen „bloßer ökologischer Reparatur" und „Visionen des völligen Ausstiegs aus der Industriegesellschaft" gemeint ist. Der Ausstieg aus der Industriegesellschaft wird also explizit abgelehnt.135 Auch Ausdrücke wie Altemativ-Energien oder die sogenannten regenerierbaren beziehungsweise erneuerbaren Energien werden von Befürwortern der Atomenergie als „irreführend" kritisiert; richtiger müsse es additive bzw. zusätzliche Energien oder Ersatzenergien heißen.136 Als „gefahrlich" gilt gar das von den Grünen aufgebrachte Wort von den Altparteien, über dessen Gebrauch sich der Bundeskanzler öffentlich „betroffen" zeigt. Altpartei — so ein anderer Kommentator - bringe wie 132 FAZ 16.5.1986, S. 25; vgl. auch Carstensen 1986, S. 105. 133 So der Vorsitzende der Vereinigung der deutschen Elektrizitätswirtschaft, Heidinger, in einem Interview des 1. Programms des Südwestfunks am 27.7.1986, 13.45 Uhr (zit. nach der Pressemitteilung), ähnlich auch FAZ 13.9.1986, S. 1. 134 DER SPIEGEL (30.3.1987), H. 14, S. 45. Weitere kritische Thematisierungen und abwertende Zwischenrufe zu Ausstieg /aussteigen im Bundestag von selten der Koalition: BT 24.1.1985, S. 8632; BT 4.6.1987, S. 1037; BT 14.4.1988, S. 4777. 135 FR 28.4.1986, S. 1 (ähnlich SZ 23.1.1987, S. 9); Helmut Kohl zit. nach FAZ 7.4.1987, S. 6. 136 So der Vorsitzende der Vereinigung der deutschen Elektrizitätswirtschaft, Heidinger, in einem Interview des 1. Programms des Südwestfunks am 2 7 . 7 . 1 9 8 6 , 1 3 . 4 5 Uhr (zit. nach der Pressemitteilung) bzw. das RWE-Vorstandsmitglied Spalthoff in: WESTDEUTSCHE AUGEMEINE ZEITUNG 2 7 . 5 . 1 9 8 6 .
660
Kapitel 16
die Redeweise vom System zur Zeit der Weimarer Republik die Demokratie in Verruf.137 Zum Teil versucht man aber auch, attraktive Ausdrükke der Umweltbewegung zu „entwenden". Die in Aussicht gestellte zivile Anwendung der Kernfusion beispielsweise wird als alternative Energie bezeichnet - aus Sicht der Gegner ein „Etikettenschwindel", weil es sich immer noch um eine Form der Atomenergie handele.138 Für viele machten die Fachausdrücke der ein Jahrzehnt alten nuklearen Kontroverse scheinbar erstmals die Runde; sie meinten wie Christa Wolf „neue Wörter" lernen zu müssen (1987, S. 10). Zeitungsredaktionen erklärten ihrer Leserschaft plötzlich Termini wie Containment, GAU, redundante Sicherheitssysteme u.a.m., die seit den 70er Jahren ihren festen Platz in der Diskussion hatten.139 Obwohl die Katastrophe von Tschernobyl als Stunde der Experten gelten muß, wurde sie für ihre Glaubwürdigkeit eher zu einem Fiasko, nicht zuletzt aus sprachlichen Gründen. Den Fachleuten lastete man nämlich „undeutliche Begriffe [...], noch dazu unterschiedlich gehandhabt", und die allgemein herrschende „Sprachverwirrung" an. Am Pranger standen darüber hinaus die Widersprüchlichkeit und Einseitigkeit bzw. die Unterdrückung von Informationen.140 Einige Verwirrung ergab sich auch aus dem unterschiedlichen Gebrauch von Fachtermini in der öffentlichen Diskussion - am meisten wohl bei dem Begriffspaar GAU/Super-GAU. Obwohl GAU zu diesem Zeitpunkt fachsprachlich veraltet und offiziell seit 1979 durch Auslegungsstörfall ersetzt worden war, sieht sich selbst das Kernkraftestablishment gezwungen, dem allgemeinen Sprachgebrauch und nicht der eigenen Fachterminologie zu folgen. Man muß sogar das von den Atomgegnern aufgebrachte Wort Super-GAU, das die offiziellen Reaktorspezialisten nicht als Fachwort anerkennen, immer wieder in der Öffentlichkeit erläutern, da es dort als Bestandteil der offiziellen nuklearen Sicherheitsterminologie gilt. Umgekehrt klärt Joschka Fischer den hessischen Ministerpräsidenten Wallmann über den Unterschied zwischen GAU und Super-GAU auf, nachdem dieser den Atomgegnern wegen des scheinbaren Über-Superlativs „Betrug mit der Sprache" vorgeworfen hatte.141 Die Atomgegner erweisen sich als Hüter des kerntechnischen 137 SZ 16.7.1986, S. 4 (Kommentar); Anführungszeichen bei Altpartei finden sich damals auch noch in der FR (zum Beispiel 28.4.1986, S. 1). 1 3 8 L e s e r b r i e f SZ 27.5.1986.
4.7.1986,
139 Typische Beispiele 27.5.1986.
etwa
S. 12; RP
vgl.
außerdem
16.5.1986
bzw.
WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG
WESTDEUTSCHE AUGEMEINE ZEITUNG
140 Zitate: SZ 17.5.1986, S. 4 bzw. FR 7.5.1986, S. 1. Kritik an der Informationspolitik zum Beispiel in: Kafka u.a. 1986; hierzu aus sprachwissenschaftlicher Sicht Heringer 1990, S. 120-136; vgl. außerdem Dieterich 1986, S. 23 und KURSBUCH 85 (1986) mit dem bezeichnenden Titel: „Die Havarie der Expertenkultur". 141 FR 28.10.1987, S. 6; ansonsten vgl. FR 30.4.1986, S. 1 und SZ 25.4.1991, S. 37. Ein typi-
661
Umweltdebatten
Fachwissens, denn die breite Öffentlichkeit verstand und versteht GAU als „große" oder „größtmögliche Katastrophe", was Schlagzeilen wie „Tschernobyl war kein GAU" erklärt.142 Nuklearjargon der Kernkraftbetreiber und die „Protestfachsprache" der Atomgegner - mit typischen Abkürzungen wie AKW oder WAA und zirkulären Aussagen wie: „Das .Restrisiko' ist der Super-GAU" - werden besser von der jeweils andern Seite verstanden als von der breiten Bevölkerung. 143 Kritische Sprachthematisierungen richteten sich vor allem auf „neudeutsche" Ausdrucksweisen (DIE ZEIT 3-4.1987, S. 13) wie Restrisiko, GAU, Entsorgung, Störfall, endlagern u.a. Sie erschienen - historisch gesehen zu Unrecht - vielen Kommentatoren als spezifischer TschernobylNiederschlag „in Form hochangereicherter Sprachverschmutzung" (Lierow/Maletzke 1986, S.9). Diese Begriffe aus dem „neuen Wörterbuch des Unmenschen" breiteten sich neuerdings wie eine Plage aus.144 Sie waren allerdings für viele bereits verbraucht. Während die einen erst seit Tschernobyl wissen, daß Restrisiko nicht für „kleines Risiko" stehe, ist für die anderen Restrisiko ein „Gespenst", das wieder umgeht, und beispielsweise Störfall eine „alte deeskalierende Vokabel", die bereits ersetzt werden muß. 145 Allgemein scheint sich die Thematisierung sprachlicher Täuschung durch Regierung und Atomindustrie vom Vorwurf zur unwidersprochenen Tatsachenbehauptung gewandelt zu haben: „Der Begriff ,Restrisiko' verharmlost den Sachverhalt". Der Ausdruck Kernenergie ist „unter Gesichtspunkten der Öffentlichkeitsarbeit" eingeführt worden. Der früher oft zitierte Brennstoffkreislauf hat sich „als Fiktion" erwiesen. Die mit Entsorgung oder Wiederaufarbeitung ausgebreiteten „terminologischen Schleier" hingen heute in Fetzen. 146 Selbst kernkraftfreundliche Medien äußerten sich nun beispielsweise sprachkritisch zu Störfall.141 In der euphemismusgeschärften öffentlichen Meinungslandschaft der Bundesrepublik wurde auch die Redeweise von der Havarie in Tschernobyl, „wie die DDR es nennt" (DIE ZEIT 16.5.1986, S. 10), sofort ausführlich als Beispiel einer neuen harmlos klingenden Sprachregelung thematisiert148, sches Beispiel für notgedrungene Erläuterungen zu GAU'/Super-GAU von offizieller Seite findet sich etwa in einem Interview mit dem Vorsitzenden der Reaktorsicherheitskommission (DIE ZEIT 23.5.1986, S. 17). 142 SZ 26.9.1986, S. 8; ähnlich SZ 17.5.1986, S. 4. 1 4 3 Zit. n a c h DIE ZEIT 1 6 . 5 . 1 9 8 6 , S. 1 4 .
144 Jogschies 1987, S. 103. DIE ZEIT spricht in diesem Zusammenhang vom „Wörterbuch des Nuklearmenschen" (9.12.1988).
145 STERN 22.5.1986; SZ 15.5.1986, S. 3; DER SPIEGEL (5.5.1986), H. 19, S. 125f. 146
DER SPIEGEL ( 2 6 . 5 . 1 9 8 6 ) , H . 2 2 , S. 2 5 ; ΖΕΓΓ-MAGAZIN 2 0 . 3 . 1 9 8 7 , A b i c h / S c h e f o l d 1 9 8 6 , S. 4 9 ; DER SPIEGEL ( 8 . 2 . 1 9 8 8 ) , H . 6 , S. 1 0 2 .
S. 2 8 ;
Meyer-
147 Vgl. FAZ 30.4.1986, S. 3· 148 Etwa in RP 27.4.1987, S. 2 und SZ 1.5.1986. Den mittlerweile routinierten Umgang al-
662
Kapitel 16
fast überall zumindest durch Anfuhrungsstriche in Frage gestellt und postwendend ironisch-kritisch metaphorisiert: „GAU - die Havarie der Expertenkultur" (KURSBUCH, Heft 8 5 , September 1 9 8 6 ) . Noch heute ist Havarie deshalb insbesondere in nuklearen Zusammenhängen regel149 mäßig präsent. Obwohl die Reaktorkatastrophe sprachlich gesehen kaum etwas initiierte, was nicht schon aus dem vorangegangenen Jahrzehnt bekannt gewesen wäre, treten durch die Intensität der neuentbrannten Diskussion um die Atomenergie die sprachlichen Charakteristika der Umweltdebatte noch einmal besonders deutlich hervor. Das gilt zum einen für die besondere Rolle von Fachtermini im öffentlichen Meinungsstreit, zum anderen für die ideologische Polarisierung typischer Vokabeln. Tschernobyl erscheint im Nachhinein zumindest in der Atomdiskussion als Höheund Endpunkt dieser Entwicklung. Wenn sich auch gegen Ende der 80er Jahre die nukleare Kontroverse beruhigt und erneut andere Themenkreise der Umweltdiskussion in den Vordergrund rücken, so hat die Nukleardiskussion doch vielfach sprachlich direkt auf die anderen Bereiche eingewirkt. Besonders nahe lagen im Tschernobyl-Jahr zum Beispiel Übertragungen von Nukleartermini auf die Folgen des Brandes bei der Schweizer Firma Sandoz. Die daraus resultierende Verseuchung des Rheins wurde vielfach als Tschernobyl, als Rhein-GAU oder chemischer GAU oder mit dem russischen „Modewort für Katastrophe" (FR 13.11.1986, S. 3) als Basier Havarie bezeichnet, während die chemische Industrie ein Restrisiko auch für sich geltend machte und von Störfällen sprach.150 Durch die Nukleardiskussion ist Störfall aber offensichtlich schon so stark mit negativen Assoziation verknüpft, daß zum Beispiel der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie „immer wieder" unterstreicht, in deutschen Betrieben habe es nach der Rheinverseuchung durch die Schweizer Firma Sandoz keine Störfälle, sondern im Sinne der Störfallverordnung nur Betriebsstörungen gegeben.151
1er Akteure mit dem Vorwurf sprachlicher Manipulation in der Umweltdiskussion zeigt an einem historischen Vergleich Jung 1990. 149 Aktuelle Belege für Havarie zum Beispiel DIE ZEIT 19.4.1991, S. 88, 26.4.1991, S. 11 und 26-9-1991, S. 15. Es gibt allerdings auch Belege für Havarie im Zusammenhang mit Kemkraftunfallen vor 1986: Dahl 1977, S. 9; Jungk 1977, S. 4; DIE TAT, Juli 1976 (zit. nach DIE ATOMWIRTSCHAFT 1976, S. 453); Zitat von 1979 in: FR 30.4.1986, S. 3. Dies mögen allerdings alles russisch, DDR-deutsch bzw. österreichisch beeinflußte Beispiele sein. 150 Konzentriert finden sich auf die Rheinverseuchung übertragene Nukleartermini etwa im STERN 4.12.1986, S. 26ff.; vgl. außerdem FR 11.11.1986, S. 3 sowie DER SPRACHDIENST (1987), H. 1, S. 2. 151 Vgl. FAZ 28.12.1986, S. 13.
Umweltdebatten
663
7. Entideologisierung und Etikettenschwindel Mit dem Verzicht der Stromwirtschaft auf die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf im Sommer 1989, der Stillegung des Thorium-Hochtemperaturreaktors in Hamm und der Entscheidung am 21.3.1991, den Schnellen Brüter in Kalkar nie in Betrieb zu nehmen, näherten sich die Positionen von Kernenergie-Kritikern und -Befürwortern im Vergleich zu früher de facto weit an. Die SPD kann durch ihre Mehrheit in den Bundesländern den Pro-Atomkurs der Bonner Regierungskoalition weitgehend blockieren, ist andererseits aber in den Ländern vielfach von Bonner Entscheidungen abhängig. Einem stillschweigenden Kompromiß gemäß werden zur Zeit fertiggestellte Kernkraftwerke zwar weiter betrieben, aber keine neuen mehr projektiert. Aus diesem Grund scheiterte auch der zwischenzeitlich ins Gespräch gebrachte Bau von Kernkraftwerken in der ehemaligen DDR. Da komplexe gegenseitige Abhängigkeiten bestehen, bringen beide Seiten bezeichnenderweise Wörter wie Energiekonsens (Vorschlag des niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder) oder Energiefrieden in die Diskussion.152 Auch die eindeutige ideologische Markiertheit des Sprachgebrauchs des vergangenen Jahrzehnts verliert sich immer mehr. In der Presse werden Atomenergie/Kernenergie etc. wieder weitestgehend frei variiert, und zwar nicht nur weil Atom- sowieso immer volkstümlicher als Kemgeblieben war und deshalb zum Beispiel die Schlagzeilen der keineswegs kernkraftfeindlichen BiLD-Zeitung durchgehend beherrrscht hatte153, sondern vor allem, weil eine derartige Durchmischung eine typische sprachliche Ausgleichserscheinung ist, die nur in Zeiten höchster politischer Brisanz außer Kraft zu setzen ist. Unterschiede beim Gebrauch von Atom- bzw. Kern- in der Tagespresse lassen sich inzwischen nur noch tendenziell konstatieren. Noch weiter geht die sprachliche Entideologisierung, wenn eine PR-Organisation der Atomwirtschaft, der Informationskreis Kernenergie, nicht mehr vor Wörtern wie Atomstrom in seinen Anzeigen zurückscheut (DIE ZEIT 2.8.1991, S. 22) oder das besonders „brisante" AKW gelegentlich in Agenturmeldungen als neutrale Vokabel auftaucht.154
152 Vgl. DER SPIEGEL (15.11.1993), H. 46, S. 20f. und DIE ZEIT 6.3.1992, S. 34 bzw. ein Pres-
seinfo des Deutschen Atomforums vom 23.4.1991. 153 Vgl. Pöttker 1986. 154 „Stromindustrie plant angeblich keine neuen AKW" (SZ 27.5.1991, S. 2) oder „Töpfer erteilt Weisung zum AKW Mülheim-Kärlich" (RP 9.12.1993). Auf den Zwang zum sprachlichen Ausgleich auch in umgekehrter Richtung weist Schlosser 1986, hier speziell S. 104, in seiner Untersuchung der Sprache der Grünen hin. Vgl. außerdem Kuhn 1983 und Berschin 1984.
664
Kapitel 16
Nach Tschernobyl sind auch die sprachlichen Unterschiede zwischen SPD und Grünen, die nun auf Landesebene immer häufiger koalieren, in der Atomfrage fast völlig verschwunden. Die neue SPD-Landesregierung in Schleswig-Holstein ist beispielsweise so deutlich auf die „grüne" Sprachlinie eingeschwenkt, daß sich eine vom Minister für Soziales, Gesundheit und Energie im September 1991 herausgegebene Broschüre zu den „Gefahren der Atomenergie" in der Wortwahl kaum noch von entsprechenden Wahlprogrammen des Realo-Flügels der Grünen unterscheidet: Es heißt darin ganz konsequent Atomkraftwerk, Atomenergie, AKW, man will den Ausstieg innerhalb von zwei Legislaturperioden erreichen (Regierungserklärung vom 28.6.1988) und wendet sich gegen einen Ausdruck wie Entsorgung, weil er „begrifflich verharmlost". Die Vorbehalte gegen den „unwissenschaftlichen" Gebrauch von Atom- sind in der öffentlichen Diskussion hinfallig geworden. Physiker und prominente Befürworter der Kernenergie wie Maier-Leibnitz verwenden Kem- und Atom-, ja zum Teil sogar AKW und KKW bunt durcheinander, offenbar ohne irgendein ideologisches Heterogenitätsbewußtsein zu haben oder eine bestimmte semantisch-politische „Absicht" damit zu verfolgen.155 Diese „neue Unübersichtlichkeit" gilt auch umgekehrt: Kritiker und fachlich legitimierte Gegen-Experten wie der ehemalige Atommanger Klaus Traube oder der Physiker Peter Kafka wechseln mit natürlicher Selbstverständlichkeit zwischen Atom und Kern. Immer mehr banalisiert hat sich schließlich das für die Alternativen ehemals so typische sprachkreative Element, sei es in der Verwendung gewagter Metaphern oder im freien Umgang mit den Schriftnormen, der etwa in einem Zeitschriftennamen wie ÖkoLinX zum Ausdruck kommt. Auch die traditionelle Presse nutzt inzwischen gerne diese früher sehr ungewöhnlichen orthographischen Re-Interpretationen. Am populärsten war es dabei Ende der 80er Jahre sicherlich, im Zusammenhang mit der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf von WAAhnsinn zu sprechen. Erwähnt werden können aber auch Einzelbeispiele wie StattAuto, AUSgebrütet (= Ende des Schnellen Brüters in Kalkar) oder SuperGA Udi.156 Das gleiche gilt für Umdeutungen von Abkürzungen wie GAU. Was Robert Jungk schon 1977 mit dem GAGU (größter anzunehmender gesellschaftlicher Unfall) vorexerziert hatte (Jungk 1977, S. 200), wurde nun in den Medien beispielsweise auch zu Größter anzunehmender Unfug bzw. Unsinn, zu Größte anzunehmende Unklarheit, Ganz außerge155 Maier-Leibnitz in: DIE WELT 20.5.1986, S. 6 u. STERN 7.6.1986 sowie in: Maier-Leibnitz 1986. 156 Vgl. DER SPRACHDIENST (1987), H. 1, S. 2f., 1992, H. 1, S. 21 und (1993), H. 1, S. 16 sowie Meyer-Abich/Ueberhorst 1985.
665
Umweltdebatten
wohnlicher Umschwung oder zum HAU, dem Höchstwahrscheinlich anzunehmenden Unfall verfremdet.157 Legion sind aber vor allem kreative Übertragungen prominenter Nuklearwörter: So machen Journalisten inzwischen ein Restrisiko beim Kondomgebrauch ebenso wie bei Zigaretten, Gerichtsprozessen und bestimmten Fernsehsendungen, für Unternehmer und Sportler aus, reden vom seriellen Entsorgungspark der ARD oder charakterisieren die SPD-Päne als „Einstieg in den Umstieg mit dem Ziel des Ausstiegs".158 Dabei triumphiert das Sprachspiel vielfach über den kritischen Aspekt: Eine Thematisierung wie die von Havarie als „die neuste Blume im Entsorgungspark unserer Sprache", wo „noch das häßlichste Unkraut in einer Art linguistischer Ikebana-Kunst gefällig dekoriert wird", erscheint lediglich als Vorwand, um in einem manierierten Feuilletonstil die eigene Metaphorisierungskompetenz unter Beweis zu stellen.159 Scheint Tschernobyl also einerseits den „Triumph" des kritischen Sprachbewußtseins und Sprachstils der Anti-AKW-Bewegung darzustellen, so wird die Atom-Opposition gerade dadurch zum Opfer ihres eigenen Erfolges. Der zunächst erfolgten Ent-Terminologisierung der nuklearen Fachtermini entspricht nun eine „Ent-Ökologisierung" des kritischen Nuklearvokabulars in der öffentlichen Diskussion. Die gleiche Tendenz läßt sich für das Umweltvokabular allgemein beobachten, wobei hier der Vereinnahmungs- und Abgrenzungsprozeß durch den zeitlichen Vorsprung entsprechend früher einsetzte. Der fortgesetzte Spracherfolg der Grünen und die Entideologisierung des öffentlichen Sprachgebrauchs zu Ende der 80er Jahre zeigen sich noch deutlicher daran, daß selbst einstmals polemische Vokabeln wie Altpartei inzwischen fast überall gänzlich unmarkiert und in neuen Zusammenhängen in der Presse auftauchen160, obwohl dieses Wort mit politischen Argumenten heftig attackiert worden war (s. o.). Die Verbreitung dieses Schlagwortes erfolgte vor allem über den SPIEGEL und die neue SPD-Generation, die wie Björn Engholm schon 1987 von der AltSozialdemokratie, d.h. den nicht zur Kooperation mit den Grünen gewillten SPD-Politikern redete.161 Eine ähnliche Entideologisierung machte das Schlagwort von der ökologischen Marktwirtschaft durch. Für die einen zunächst ein Reizwort 157
V g l . DER SPRACHDIENST ( 1 9 8 7 ) , H . 1, S. 1 - 3 m i t B e l e g e n a u s DER SPIEGEL, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, DIE ZEIT u . a .
1986.
158 SZ 30.5.1986, restliche Belege: Haß 1989a, S. 520f. 159 STUTTGARTER NACHRICHTEN 21.6.1989 (zit. nach Haß 1989a, S. 468); vgl. inhaltlich Kuhn 1991, S. 100 sowie Wilss 1989, S. 206. 160 Beispiel: „Italiener erteilen den Altparteien eine deutliche Abfuhr" (RP 22.11.1993, S. 1 ) .
161 Vgl. SZ 16.7.1986, S. 4; FAZ 13.2.1987, S. 1 und DIE ZEIT 13.2.1987, S. 5.
666
Kapitel 16
wegen ökologisch, für die anderen wegen MarktuHrtschaft, steht es mittlerweile im Begriff, soziale MarktuHrtschaft als zentrale Leitvokabel der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik zu ersetzen, zumindest aber zu ergänzen. Als der damalige Vorsitzende der nordrheinwestfälischen CDU, Biedenkopf, ökologische MarktuHrtschaft 1983 in die Debatte innerhalb der CDU einführte und diese Terminologie auch in das Programm aufnehmen wollte, war er dafür von seinen Parteikolle^en vielfach kritisiert worden, 1984 applaudierte ihm die ganze Fraktion.1 2 Ende der 80er Jahre rücken als nicht mehr ganz neue Stichworte der umweit- bzw. wirtschaftspolitischen Diskussion Öko-Steuern — für manche immer noch ein Reizwort - und ökologische MarktuHrtschaft in den Blickpunkt.163 Die CDU fügte daraufhin 1994 - nicht ohne einige terminologische Querelen - in ihr neues Grundsatzprogramm einen Abschnitt mit der Überschrift „Für eine ökologische und soziale Marktwirtschaft" ein.164 Das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie wird grundsätzlich neu bewertet und ihre Vereinbarkeit zum Teil praktisch demonstriert.165 Man kann von einer regelrechten Ökonomisierung der Ökologie sprechen. Die Gründung eines ökologischen Kreditinstituts 1987 macht aus den Grünen Öko-Banker; bei denen man Öko-Sparkonten einrichten kann.166 Umgekehrt sieht die Presse die Ökologisierung der Wirtschaft voranschreiten und konstatiert, das Schlagwort Ökologie habe sich in den Chefetagen etabliert.167 Die Industriegewerkschaft Chemie plädiert für eine ökologisch soziale MarktuHrtschaft mit einer entsprechenden Umgestaltung des Steuersystems.168 Ähnlich kombinieren die Altparteien beide Aspekte sprachlich immer häufiger: Während Oskar Lafontaine 1985 noch als Verfechter eines (positiv verstandenen) Öko-Sozialismus gilt169, wird im Berliner Grundsatzprogramm der SPD vier Jahre später der ökologische Umbau der Industriegesellschaft propagiert.170 In der CDU redet Lothar Späth von einer ökologischen Weiterentwicklung der sozialen MarktuHrtschaft, Kurt Biedenkopf fordert die ökologische Umrüstung der MarktuHrtschaft, und Helmut Kohl will prüfen, wie der sozialen Markt162 Vgl. RP 17.11.1984. 163 Vgl. DER SPIEGEL (21.1.1991), H. 4, S. 86; DER SPIEGEL (21.8.1989), H. 34, S. 18f. sowie Kunz 1983, hier insbesondere das Vorwort von Peter Menke-Glückeit. 164 Vgl. FR 16.2.1994, S. 5. Vgl. außerdem zu diesem Komplex das Kapitel über Wirtschaftspolitik im vorliegenden Buch. 165 Vgl. SZ 9.1.1988, Wochenendbeilage, S.II und DIE ZEIT 5.2.1988, S. 23. 1 6 6 DIE ZEIT 1 3 . 2 . 1 9 8 7 , S. 30; DER SPRACHDIENST ( 1 9 8 8 ) , H. 1, S. 6 s o w i e F R 1 9 . 9 . 1 9 8 6 , S. 8
(„Der Öko-Bank sind viele nicht grün"); Öko-Bank noch mit Anführungszeichen: FR
5.11.1986. 1 6 7 Vgl. DER SPRACHDIENST ( 1 9 9 3 ) , H. 1, S. 12.
168 Vgl. FAZ 19.1 1994, S. 13.
169 Vgl. DER SPIEGEL (18.2.1985), H. 8, S. 189.
170 Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, beschlossen am 20. Dezember 1989 in Berlin, S. 37f.
Umweltdebatten
667
Wirtschaft ein ökologischer Ordnungsrahmen beigegeben werden kann.171 Wenn CDU-Umweltminister Töpfer 1989 aber ältere Anregungen aufgreift, in Abgrenzung zum klassisch-marktwirtschaftlichen Bruttosozialprodukt ein Ökosozialprodukt zu berechnen, „damit wir Klarheit über die vollen Kosten unseres Wohlstandes erhalten", dann präzisieren derartige Fachtermini die vagen Schlagworte zur Verbindung von Ökonomie und Ökologie zumindest volkswirtschaftlich so weit, daß das Statistische Bundesamt 1990 eine umweltökonomische Gesamtrechnung vorstellen kann.172 Insbesondere der Begriff der nachhaltigen EntuHcklung (nach engl, sustainable development) ist dabei zum „Leitbild des Wirtschaftens" und zu einer Art „Weltformel" geworden173, die den Trend zur Globalisierung der Umweltdiskussion aufgrund länderübergreifender Problematiken wie Treibhauseffekt, Ozonloch, Meeresverschmutzung oder radioaktive Wolken belegt. Die sprachlich weitgehend konsensfähigen Kompromißformeln sind sicherlich Ausdruck einer gewissen Annäherung der Standpunkte, dürfen aber die weiter bestehenden, zum Teil erheblichen Unterschiede in der Sache nicht verdecken. Deutlich wird nämlich nur die Erfolglosigkeit des Versuchs, ökologisch im öffentlichen Sprachgebrauch als „Besitz" der Öko-Bewegung zu verankern und Vereinnahmungsversuche zu konterkarieren. Selbstkritisch erkennt man, daß Ökologie inwischen „ein schillernder Allerweltsbegriff" geworden ist (FR 12.6.1986), ein Fahnenwort, das niemand kritisiert, aber unter dem jeder das verstehen kann, was ihm am besten paßt. Als „nebulose Heilslehre" (Zimmer 1986, S. 33) ohne einen konkreten biologischen Bezug erweist sich Ökologie für die neue Rechte als ein sehr gut geeignetes Brückenkonzept, um nationalistische, totalitäre und fremdenfeindliche Auffassungen sprachlich salonfähig zu machen. Ökologische Begriffsanleihen sind deshalb bei rechtsradikalen Ideologen sehr beliebt: Gruppierungen wie die Unabhängigen Ökologen Deutschlands treten für eine supranationale Öko-Diktatur ein174, der dann auch die Nachbarstaaten Folge zu leisten hätten. Zudem 171 Vgl. DER SPIEGEL (21.8.1989), H. 34, S. 18f. ; DER SPRACHDIENST (1990), H. 1, S. 6; Regie-
rungserklärung Bundeskanzler Kohls zit. nach FAZ 19-31987, S. 7 (ähnlich auch Umweltminister Töpfer laut DIE ΖΕΓΓ 8.1.1988, S. 2). 172 Töpfer zit. nach SZ 3-9-1989; vgl. DER SPRACHDIENST (1991), H. 2, S. 36. Über ein Ökosozialprodukt wird mindestens schon seit 1985 diskutiert (vgl. DER SPRACHDIENST 1986, H. 1, S . 12). 173 FAZ 19.1.1994, S. 13. Gemeint ist mit nachhaltiger Entwicklung nach einer vielzitierten Definition aus dem sogenannten Brundlandt-Bericht die Befriedigung der Bedürfnisse der heute lebenden Menschen, ohne daß dies zu Lasten zukünftiger Generationen ginge (vgl. hierzu das folgende Kapitel im vorliegenden Band). 174 Der Vorwurf, eine ökodiktatur errichten zu wollen, wird in der Regel den „linken" Grünen gemacht, die sich ausdrücklich gegen entsprechende Vokabeln, etwa Chloro-
668
Kapitel 16
sehen sie die Zuwanderung von Nicht-Deutschen als ökologisches Problem, da durch Ausländer die „Vernichtung der mentalen Umwelt" drohe, denn schließlich brauche der Mensch seine angestammte Heimat und seine Öko-Nische wie jede Pflanze und jedes Tier.175 Hier schließt sich in gewisser Weise ein Kreis, denn die alte Naturund Heimatbewegung war ebenfalls im konservativen Spektrum anzusiedeln, das bis zu Formen des Sozialfaschismus reichen konnte. „Von jeher war der Schutz der Umwelt, des Lebens, der Heimat, ein .rechtes' Anliegen"176, rechtfertigt man deshalb dort die Vereinnahmung des Ökologie-Konzeptes . Das Verschwimmen ideologischer Zentralvokabeln mit Bezug auf ein Rechts-Links-Schema ist dabei typisch für die gesamte neuere Umweltdiskussion: grün war von Anfang an mehrdeutig (s.o.); Heimat galt zwar zunächst als altmodisch und eindeutig „rechts", entwickelte sich aber gegen Ende der 70er Jahre zu einem intellektuellen Modethema177; Ökologie wird trotz seines anderen Ursprungs schließlich auch von rechts vereinnahmt, während Umwelt immer schon ziemlich beliebig verwendbar gewesen war. Wie historische Beispiele zeigen, geht die ideologische Ambiguität der Umwelt- und Naturschutzdiskussion über sprachliche Mehrdeutigkeiten hinaus und rührt an prinzipielle „
178
Fragen. Extremistische Positionen bleiben in den Medien allerdings marginal. Das geschilderte Aufgreifen des Öko-Vokabulars ist vor allem ein Akt sprachlicher Tarnung und keineswegs Ausdruck des Abdriftens der Umweltbewegung ins rechtsnationale Lager. Gefahr für ein politisch trennscharfes Ökologie-Konzept scheint heutzutage vielmehr durch die Banalisierung des Öko-Gedankenguts zu drohen. In der Presse dominiert nämlich die Devise „Öko goes mainstream" (DIE ΖΕΓΓ 6 . 5 . 1 9 8 8 , S. 1 5 ) , wie zahlreiche PR-Kampagnen zur Hebung des Umwelt-Images stark kritisierter Industriezweige und deren zentrale Vokabeln bestätigen.179
175 176 177 178 179
phyllfaschisten oder ökofaschismus, verwahren. Sie seien dem „wirklichen Sinn von Ökologie" konträr (Maren-Grisebach 1982, S. 85). Zur Diskussion um diese Ausdrücke vgl. außerdem DER SPRACHDIENST (1984), H. 1/2, S. 5 sowie mehrere Beiträge in: Altner u.a. 1 9 9 3 . Alle Zitate sowie genauere Informationen in dem ausführlichen und gut recherchierten Artikel in: FR 21.12.1993, S. 6. Zit. nach FR 21.12.1993, S. 6. Die Fernsehserie Heimat \on Edgar Reitz gab „einem Wort und Begriff, den es nur in der deutschen Sprache gibt, wieder Bilder und geistige Kontur" (FR 24.10.1984). Die Ambivalenz der Naturbewegung zwischen 1918 und 1933 zeigt etwa Linse 1986. Vgl. außerdem Hermand 1991; Wölk 1993 und Jahn/Wehling 1991. So definiert eine Anzeigenkampagne der Beton-Industrie Felsen als „natürliche Vorkommen" von Beton, einem Baustoff, der auf einer „Rezeptur, die der Mensch von der Natur übernommen hat", beruhe und dabei „ökologisch und ökonomisch sinnvoll" sei (hier ZEIT-MAGAZIN 31.8.1990). Ähnliche Beispiele aus der KFZ-, Chemie- und Energieindustrie sind Legion.
Umweltdebatten
669
Dort werden zum Teil neue Wendungen geprägt. Obwohl etwa Integrierter Pflanzenbau als ein recht geschickter Euphemismus der Düngemittel- und Pestizidhersteller erscheinen mag, um Forderungen nach biologischem Anbau zu unterlaufen, blieben diese PR-Neologismen in der Umweltdiskussion bedeutungslos.180 Es scheint nicht nur an der „gut formierten Gegenmacht der Subkultur" zu liegen, daß derartige Versuche, den öffentlichen Sprachgebrauch zu steuern, keine Chance gegen die „grüngewirkte Massenkritik" haben181, sondern vor allem an allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Sprachwandels.182 Von größerer faktischer Bedeutung sind im Rahmen der Vereinnahmung ökologischen Sprachguts die unmittelbaren Auswirkungen auf die Produktbenennungen selbst. Mittlerweile ist jeder ein Öko und alles bio, ohne daß man sich noch an diesen einstmals so typisch unorthodoxgrünen Wortformen stößt. Wie bei Umwelt-, Natur- und Bio- setzte auch bei Öko- sehr schnell die Kommerzialisierung in der Werbung ein: Waschmaschinenhersteller verkaufen ihre Modelle unter Namen wie Öko-Lavamat (AEG), Öko-Siewamat mit Öko-Plus-System (Siemens) usw.; die Industrie wirbt stolz mit Titeln wie Öko-Manager des Jahresm und veranstaltet Umweltsymposien zum Thema „Neue Wege im Umweltmanagement für Industrie und Handel" (SZ 4.9.1992); die Banken locken mit der Vergabe von Umwelt-Darlehen (Plakatkampagne der Commerzbank 1988).184 Ähnlich schnell wurde auch biologisch bzw. die Kurzform Bio- für Reklamezwecke entdeckt. Zwar warben schon in den 60er Jahren Firmen mit den „aufsehenerregenden bio-aktiven Waschprogramraen" ihrer Waschautomaten und mit biologisch aktiven Waschmitteln185, aber erst zu Beginn der 80er Jahre nimmt der inflationäre Gebrauch von Bio-{Bio-Haus, Bio-Küche, Bio-Möbel, Bio-Kost, Bio-Ware, Bio-Laden ...) und Natur-/ natürlich überhand und wird gerne karikiert oder bissig kommentiert.186
180 PR-Kampagnen für den Integrierten Pflanzenbau werden von einem gleichnamigen „Förderkreis" mindestens seit 1987 durchgeführt (zum Beispiel in: DIE ZEIT 23.10.1987).
181 Zit. nach FR 6.9.1986, S. 16. 182 Diese Frage wird für den Bereich der Atomenergiediskussion genauer empirisch und theoretisch diskutiert in: Jung 1994. 183 Daimler-Benz-Anzeige zum Beispiel in DIE ZEIT 24.9.1993. 184 Zur Verwendung von Öko-/ ökologisch etc. vgl. Haß 1989a, S. 475-504; außerdem DER SPRACHDIENST (1992), H. 1, S. 19.
185 Zum Beispiel RP 11.6. bzw. 12.6.1969. Weitere frühe Werte-Belege zu Natur und Bio-/ biologisch (aber noch nicht zu Öko-)·. Römer 1976, hier insbesondere S. 47, 58, 134ff., 216. 186 Zum Beispiel DIE ZEIT 27.2.1987, S. 49; SZ 24.8.1982; DIE WELT 7.11.1981: „Biotick"; dazu aus sprachwissenschaftlicher Sicht: Olt 1983 und Schmidt 1984.
670
Kapitel 16
Im Unterschied zum Wortgebrauch in der politischen Diskussion ist bei der Produktkennzeichnung die begriffliche Normierung von Natur-, Bio-, Öko- und Umwelt- möglich und aus Gründen des Verbraucherschutzes überdies wünschenswert. Bei vielen Bauern beispielsweise ist nämlich die „Wende eher sprachlicher Natur und verrät mehr ökonomische als ökologische Einsicht" (NATUR 1990, H. 1). Die Grünen brachten daher im Bundestag 1988 mit ihrem Entwurf für ein „Biokennzeichnungsgesetz für Lebensmittel" eine entsprechende Gesetzesinitiative ein, um die Verwendung von bio-/biologisch und öko-/ökologisch verbindlicher festzulegen und somit den Biobetrug zu verhindern.1 7 Dabei entstehen allerdings durch die unterschiedlichen nationalen Regelungen knifflige juristische Probleme für die EG-Rechtsprechung: Biologischer Anbau ist zum Beispiel nicht identisch mit der Bezeichnung culture biologique, die lediglich garantiert, daß es sich um Freilandgemüse handelt.1 Vergleichsweise eindeutig sind dagegen die „harten" chemischen Fachbegriffe phosphatfrei, formaldehydfrei, die seit den Diskussionen um die Schädlichkeit der betreffenden Stoffe ebenfalls zum Werbeargument geworden sind. Zu entscheiden ist hier lediglich über den Grenzwert, wann ein Produkt -frei von einer Substanz genannt werden darf, auch wenn es den Gehalt Null im strengen Sinne nicht gibt.189 Deutlich relativer erscheinen Definitionen von Adjektiven auf -arm (wie zum Beispiel schadstoßarni). In anderen Fällen läßt sich um die Festsetzung von Begriffen noch stärker ringen. Zum einen gibt es immer Lücken in den gesetzlichen Vorschriften und die Möglichkeit, mit einem Produkt die Assoziation .Umweltfreundlichkeit' auszulösen, ohne daß eindeutige Aussagen gemacht werden müßten, zum anderen ist es eine Frage der Ideologie und der politischen Machtverhältnisse, wie genau die Begriffe eingegrenzt werden. Gerade die staatlicherseits geschützen Begriffe werden von der Öko-Bewegung oft am heftigsten kritisiert. Warum beispielsweise dürfen Lebensmittel mit genetisch veränderten Mikroorganismen sich noch ökologisch nennen (FR 7 . 7 . 1 9 9 3 , S. 2)? Wie berechtigt ist es, wenn bestimmte Produkte den sogenannten Blauen Engel tragen? Dieses Umweltzeichen wird seit 1979 von einem Gremium von Verbraucherverbänden, Umweltbundesamt, Umweltschützern, Gewerkschaften und In187 SZ 23.1.1988, S. 16 und 27.10.1987, S. 2; vgl. auch DIE ZEIT 6.5.1988, S. 15 und DER SPRACHDIENST (1988), H. 1, S. 7 bzw. (1989), H. 3, S. 75; zahlreiche Beispiele zu „Ökotricks und Bioschwindel" in: Adler/Mackwitz 1990. In der Gefahrstoffverordnung vom 26.8.1986 gibt es bereits einen Passus, nach dem auf der Verpackung gefährlicher Stoffe die Verwendung von „verharmlosenden Angaben" wie „nicht umweltgefáhrlich" verboten ist (zit. nach Haß 1989a, S. 546). 188
EUROPÄISCHES RECHT ( 1 9 9 2 ) , H . L , S . 5 9 .
189 Vgl. FR 11.8.1979.
Umweltdebatten
671
dustrie vergeben und ist ein großer kommerzieller Erfolg. Nicht zuletzt deswegen legte ein richterliches Urteil fest, daß beim „Griff in die Ökologiekiste" immer der Grund für die Verleihung des Umweltengels mit anzugeben sei, um den Verbraucher nicht irrezuführen.190 Dies reicht allerdings den Kritikern des Blauen Engels keineswegs, da sie von Anfang an die offizielle Aufschrift umweltfreundlich als „Etikettenschwindel" (FR 19.91986, S. 6) ablehnten. Einerseits seien die so ausgezeichneten Produkte meist lediglich weniger umweltschädlich als andere, und andererseits bekämen die umweltfreundlichsten Produkte (etwa handbetriebene Rasenmäher oder Sprühflakons) nach den offiziellen Kriterien gerade kein Umweltzeichen. Ökologisch sinnvoll sei darüber hinaus bei vielen Produkten sowieso einfach der Kaufverzicht. Immerhin wurde aufgrund der Kritik umweltfreundlich fallengelassen, so daß es jetzt nur noch „Umweltzeichen, weil [...]" heißt.191 Ganz ähnlich lautet die Kritik an dem 1991 eingeführten Grünen Punkt und dem Dualen System, dem „Öko-Schwindel mit dem Grünen Punkt"192, da auch hier die Müllvermeidung dem teuren und ökologisch vielfach bedenklichen Recycling vorzuziehen ist. In diesem Zusammenhang fällt es sensibilisierten Journalisten sofort auf, wenn die Regierung alles tut, den Begriff Abfall „zu vermeiden" und auf einmal nur noch von Rückständen bzw. Sekundärrohstoffen redet.193 Die genaue Bedeutung zentraler Begriffe der Umweltdiskussion wird weiterhin umstritten sein. Klima-Veränderungen und Gentechnologie194, neue Chemie-Unfälle und Lebensmittelskandale werden dazu auch in Zukunft Anlaß genug bieten, vor allem aber bleibt das Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie zwangsläufig brisant - auf nationaler wie internationaler Ebene. Unverkennbar ist dabei in über zwei Jahrzehnten intensiver Debatte die Begriffspräzisierung und -differenzierung. Die Bedingungen für die Verwendung von umweltfreundlich beispielsweise sind seit den frühen 70er Jahren erheblich strenger geworden, und es hat sich ein ganzes Begriffssystem von Bezeichnungen wie umweltverträglich, umweltschonend, umweltneutral und als Gegenpol umweltfeindlich ergeben, an denen der Bewußtseinswandel deutlich wird.
190 Vgl. FAZ 21.1.1989· 191 In ihrer Kritik am irreführenden Charakter von umweltfreundlich beim Blauen Engel waren sich Verbraucher- und Umweltschutzverbände mit der Industrie sogar weitgehend einig (vgl. DIE RHEINPFALZ 1 5 - 5 . 1 9 8 7 ) . Ausführlicher zur Diskussion um das Umweltzeichen: Umweltbundesamt 1990. 192 SPIEGEL-Titel (21.6.1993), H. 25. 193 FR 3.6.1993, S. 2. In der DDR war Sekundärrohstoff unter anderen Vorzeichen im übrigen schon lange als Sero geläufig. 194 Vgl. Lang-Pfaff 1991 sowie DER SPRACHDIENST (1990), H. 1, S. 6.
672
Kapitel 16
Die Bezugnahme auf Farben und Lacke als „zweifellos zu den umweltfreundlicheren Erzeugnissen der Chemie" gehörig, weil Umweltfreundlichkeit auch den Schutz von „Milliardenwerten vor der Zerstörung" und eine Welt bedeute, die durch Lacke „farbiger und damit schöner" sei195, ist mittlerweile ein schon grotesk anmutender Anachronismus. Die Ansprüche an den Gebrauch von Wörtern wie umweltfreundlich werden auch deshalb immer strenger, weil es sich um relative Begriffe handelt. Was in den 80er Jahren noch ein Werbeargument für die ersten Katalysatorautos war, bezieht sich in den 90er Jahren zum Beispiel auf die erhöhte Recycling-Fähigkeit von PKW, weil der Kai zum Standard geworden ist. Deshalb sind auch Komparativformen wie das umweltfreundlichere Auto typisch. 196 Diese Spirale setzt sich fort, solange die Öffentlichkeit die Umweltdebatte vorantreibt. Andererseits sind Leitvokabeln wie Umwelt oder Ökologie immer diffuser geworden, je mehr sie den allgemeinen Sprachgebrauch eroberten, so daß sich die Geschichte der Umweltdiskussion als permanenter sprachlicher Vereinnahmungsprozeß der Öko-Bewegung verstehen läßt. Deren internes Fach- oder Ideologievokabular von heute scheint die Stichworte des öffentlichen Sprachgebrauchs von morgen zu liefern, nicht ohne die Gefahr einer gewissen Abstumpfung. 197 Hinzu kommt eine ständig wachsende Zahl neuer Fachbegriffe, die so vielfältig sind wie die verschiedenen Sachbereiche, denen sie entstammen. Festzuhalten bleibt außerdem als wichtiger Beitrag zum öffentlichen Bewußtsein und zur politischen Kultur die massive Vermittlung von Fachtermini an die Öffentlichkeit und die gleichzeitige Infragestellung ihrer Angemessenheit bei der Diskussion gesellschaftlich relevanter Probleme. Dies war insbesondere in der Nukleardiskussion der Fall. Beide Aspekte lassen sich als Ausdruck eines Emanzipations- und Demokratisierungsprozesses verstehen, der durch das steigende Bildungsniveau ermöglicht wurde. Auch für den „einfachen Menschen" hat sich mittlerweile die „Umweltsprache" mit Wörtern wie Bio, Schadstoff oder Grenzwert erschlossen (Die ZEIT 6 . 5 . 1 9 8 8 , S. 1 5 ) . Hinzufügen ließe sich eine lange Liste von „harten" Fachausdrücken der Umweltdiskussion wie DDT, Nitrat, Asbest, Formaldehyd, Becquerel, Per, Phosphate, Salmonellen, Glykol, FCKW, Dioxin, die, ohne daß die Laien-Öffentlichkeit diese Termini definieren könnte oder sie im gleichen Sinne wie der Experte zu
UMWELTJOURNAL herausgegeben vom Verband der Chemischen Industrie, Frankfurt (o.J.) [19731, S. 2f. 196 Vgl. DER SPRACHDIENST (1985), H. 1/2, S. 5. 197 Auch die populäre Presse sucht deshalb immer stärkere sprachliche Schock-Effekte: „Müll-Brot mit Müll-Wurst gewürzt mit Dioxin" (Werbung für den STERN in: DIE ZEIT 18.11.1988, S. 18).
195
673
Umweltdebatten
verstehen braucht, ihr doch zumindest Bewertungsmaßstäbe und Handlungsorientierungen - beispielsweise für Kaufentscheidungen - bieten. Dieser permanente Vermittlungsprozeß bildet trotz seiner Unsystematik, die den Verlauf und die Zufälligkeiten einer pluralistischen Debatte widerspiegelt, ein notwendiges Gegengewicht zur entmündigenden „Herrschaft der Experten", wie beispielsweise der Vergleich von Interviews zu Umweltthematiken vor und nach 1970 zeigen kann.198 Fachtermini wurden aber nicht nur einfach übernommen, sondern schließlich auch als solche kritisch thematisiert. Die konstatierte Ausweitung des „Streits um Worte" von politischen Fahnenwörtern auf naturwissenschaftliche und technische Ausdrucksweisen kann als zweiter Schritt eines sprachlichen Ideologisierungs- und Moralisierungsprozesses 1 " gewertet werden, der schließlich in der dritten und letzten Stufe, der feministischen Sprachkritik, auch Alltagsbegriffe und grammatische Regularitäten erfaßt. Offensichtlich gibt es dabei auch bestimmte gesellschaftlich-historische Konstellationen, in denen diese Form der kritischen Sprachreflexivität besonders gedeiht. (Matthias Jung)
Beleg- und Stichwörter • -arm
Altöl
• -frei
Altpartei
• Abfall
Altstoffe
•
Anreicherung
Abgas-Entgiftungsanlage
• additive Energien
Asbest
• AKW
Atom-
• Alt-Sozialdemokratie
Atom-KZ
• alternativ
Atom-Staat
•
Atom-Strauß
Altemativ-Energien
• alternative Energie
Atom-Todeskraftwerke
• Alternative Liste
Atomangst
• alternative Technik
Atombusen
• Altlasten
Atomdiva
198 Unter diesem Gesichtspunkt vergleicht Jung 1990 zwei SPIEGEL-Interviews 1964 und 1986. 199 Bedenkenswert in diesem Zusammenhang erscheint das Plädoyer von Niklas Luhmann für eine Umtveltethik, deren spezifische Funktion in der ökologischen Kommunikation gerade darin bestehen könne, „zur Vorsicht im Umgang mit Moral anzuhalten", wie er seine Untersuchung der „ökologischen Kommunikation" abschließend resümiert (Luhmann 1986, S. 265).
674 • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Atomenergie Atomeuphorie Atomfaschismus Atomfilz Atomheini Atomherrschaft Atomhysterie Atomkraftwerk Atomkraftwerk der Erotik Atomlobby Atomlobbyist Atommädchen Atommafia Atomminister Atommuffel Atommüllweltreich Atomreaktionär Atomschlacht Atomstaat Atomsterben Atomstrom Atomzeitalter aus dem Markt nehmen AUSgebrütet Auslegungsstörfall Ausrottung aussteigen Aussteiger Ausstieg Auswurf Baumsterben Becquerel Bergsterben Beton Betriebsstörungen Bikini Bi'oBio-Haus Bio-Kost Bio-Küche
Kapitel 16 • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Bio-Laden Bio-Möbel Bio-Ware biologisch Biozid Blauer Engel Bleifrei Brennstoffkreislauf Bruttosozialprodukt Büchersterben Bunte Bürgerinitiative carcinogen China-Syndrom Chlorophyllfaschist Containment DDT Denaturierung Dialog Dioxin Dreck Duales System Dunstglocke Dunsthaube Dunstwolke ecoEcoflow Ecologie Dynamics ecological ecology Ecology Audit Emission Empfängermaterial endlagern Energiefrieden Energiekonsens Energiesparen Energieverbrauch Energiewirtschaftliche Tagesfragen
Umweltdebatten
entsorgen Entsorgung Entsorgungspark environmental pollution environmental quality erneuerbare Energien Ersatzenergien Exkrement Fallout falsches Wachstum FCKW Fischsterben food chain Formaldehyd formaldehydfrei Fortschritt friedliche Nutzung der Kernenergie Futterkette GAGU Ganz außergewöhnlicher Umschwung GAU/Gau/GaU GAU im Gehirn geistige Umweltverschmutzung Gestank Gift Giftgiftfest Giftgas gifthart giftig Giftstau Glykol Greens Grenzen des Wachstums Grenzwert größte anzunehmende Unklarheit größter anzunehmender gesellschaftlicher Unfall
675
größter anzunehmender Unfug grün GRÜNE Grüne Aktion Zukunft Grüne Charta von der Mainau Grüne Front grüne Front Grüne Listen Grüne Revolution grüne Sprache Grüne Woche Grüner Bericht grüner Katalog Grüner Plan Grüner Punkt grünes Auto grünes Bett grünes Knöllchen Grünes Kreuz grünes Telephon Grünsterben harte Energie HAU Havarie Heimat Heimatarbeit Heimatpflege Heimatschutz Hiroshima Höchstwahrscheinlich Anzunehmender Unfall (HAU) Holocaust Hygiene Institutfür Umweltforschung Integrierter Pflanzenbau Integriertes Entsorgungszentrum Kalorienstaat Kampf dem Atomtod Kampfbund gegen Atomschäden Kat
676
• Katalysator • katalytischer Nachverbrenner • Katy • Kem• Kernenergie • Kernkraftwerk • KKW • Klima-GAU • Klimakatastrophe • Kloake • Kontaktinsektizid • Konversion • Kunststoff • Lebenschützer • Lebensqualität • Luftverpestung • Luftverseuchung • Marktwirtschaft • Massenraubmord • Mastensterben • Ministerium für Atomfragen • Mißbrauch • Mitwelt • Müll• Müll-Lawine • Müllplanet • Nachweltschutz • Nahrungskette • Natur • natürlich • Naturschutz • Naturschutzjahr • neuartige Waldschäden • Neusprache • Mirai • Nordseesterben • Oekologie • Ö/feo• Öko-Banker • Öko-Diktatur
Kapitel 16
• Ökofaschismus • Öko-Kriminelle • Öko-Lavamat • Öko-Manager • Öko-Nische • Öko-Plus-System • Öko-Siewamat • Öko-Steuern • ÖkoLinX • Ökologie • ökologisch • ökologische Marktwirtschaft • Ökopädagogik • Ökosozialprodukt • Ölkrise • Ölpest • Ölpreiskrtse • Ölteppich • Ozonloch • Per • Pestizid • Pflanzenschutzmittel • Phosphat • phosphatfrei • Plutonium • Plutonium• Plutonium-Staat • Plutonium-Wahl • Plutoniumminister • Plutoniumwirtschaft • Polizeistaat • pollution • produzieren • Qualität des Lebens • qualitatives Wachstum • quality of life • rauchen • rauchverseuchter Nebel • Recycling • redundante Sicherheitssysteme
Umweltdebatten
• Reformer
• Stiller Brüter
• regenerative Energien • regenerierbare Energien • resistent • Restbedarf • Restrisiko • Rhein-GAU • Robbensterben • Rückstände • Salmonellen
• Äöj/a// • Störfallverordnung • Strahlenschutz • Super-GAU
• sanfte Chemie • sanfte Energie • sanfte Geburt • sanfter Faschismus • sanfter Handel • sanfter Tourismus • sanftes Auto • sanftes Ballett • sauber • Saurer Regen • Schadstoff • schadstoffarm • Schadstoffe • Schändung • Schilfsterben • Schmutz • Schmutzstoffe • Schutz • Sekundärrohstoff • Seuche • Sero • Seveso • Smog • Sofortprogramm • so/i • soft technology • soziale Umweltverschmutzung • SS-Staat • StattAuto
• SuperGAUdi • System • Tannensterben • thermischer Nachverbrenner • Tod • totaler Giftkrieg • toxisch • Treibhauseffekt • Trümmer des Gewissens • Tschernobyl • Tschernobyl-Jahr • Tschernobyl-Wahl • Überflußgesellschaft • Übergang • Übergangsenergie • Übergangslösung • Umbau • Umsteigen • Umsteuern • Umwelt • Umwelt• Umwelt-Darlehen • Umwelt-Gefährdung • Umweltauto • Umweltbedrohung • Umweltbewußtsein • Umweltethik • Umwelterziehung • umweltfeindlich • Umweltforschung • umweltfreundlich • Umweltfreundlichkeit • Umwelthysterie • Umweltkrise • Umweltminister
Kapitel 16
678
Umweltmuffel umweltneutral umweltökonomische Gesamtrechnung Umweltschäden umweltschädlich Umweltschmutz umweltschonend Umweltschutz Umweltsünder Umweltsymposium Umwelttag Umweltverderbnis Umweltverschmutzung Umweltverseuchung umweltverträglich Umweltwissenschaft Umweltzeichen Unfall Unkraut Unrat Unsinn Verderbnis Vergeudungsgesellschaft Vergewaltigung Verjauchung,
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Vermassung verpesten Verpestung verseuchen Verseuchung vert (frz.) Verzicht Völkermord WAA WAAhrtsinn Wachstum Wachstumsfetischist Waldmord Waldschadensstufe Waldsterben Waschautomat Wein-Entsorgung Wein-GAU Weltbund zum Schutz des Lebens Wiederaufarbeitung Wildkraut Wirtschaftswunder Zentrale des Todes Zerstörung ziwle Nutzung der Atomenergie zusätzliche Energien
Von der Hilfe für unterentwickelte Gebiete über den Neokolonialismus bis zur Entwicklungszusammenarbeit Der sprachliche Umgang mit dem Nord-Süd-Konflikt 1. Die Geschichte einiger zentraler Wörter der Entwicklungspolitik / 1.1 Von unterentwickelten Ländern zu Entwicklungsländern / 1.2 Dritte Weft und Vierte Welt / 1.3 Kolonialismus und Neokolonialismus / 2. Die Anfange der öffentlichen Wahrnehmung der Dritten Welt in den sechziger Jahren / 3- Entwicklungspolitische Themen und Terminologie nach 1968 / 4. Entwicklungspolitik nach der Wende·. Entwicklungszusammenarbeit und Politikdialog / 5. Mythen um die Dritte Welt / 6. Neuere Diskussionen um nachhaltige Entwicklung und Völkerwanderungen / 7. Von Negern, Volksstämmen und der Entdeckung Amerikas
Im öffentlichen gesellschaftlichen Bewußtsein spielt das Thema Entwicklungspolitik bzw. Dritte Welt erst seit der Zäsur von 1968 eine größere Rolle. Seit dieser Zeit sorgt eine „entwicklungspolitisch engagierte Teilöffentlichkeit" (Nohlen 1984, S. 184) zunehmend für die Bewußtmachung der Probleme der „Dritten Welt" und des „Nord-Süd-Dialogs". Auf die seither praktizierte Kritik an der offiziellen Entwicklungspolitik muß diese auch verstärkt mit ihrer Rechtfertigung reagieren. Eine solche Rechtfertigung - etwa mit wirtschaftlichen Eigeninteressen oder mit der moralisch gebotenen Hilfe für Nodeidende - spielte aber auch zuvor schon im Diskurs über Entwicklungspolitik eine Rolle. Das seit Ende der sechziger Jahre gesteigerte Bewußtsein für Probleme der Dritten Welt steht im Kontrast dazu, daß „die Bedeutung praktischer Entwicklungspolitik [...] grundsätzlich überschätzt" wird und daß die nationale „Entwicklungspolitik strukturell und quantitativ schlicht unwesendich" (Wesel 1991, S. 68) ist. Die Motive „der weltweiten Zukunftssicherung und/oder des ethischen Anspruchs auf die Durchsetzung politischer Rationalität gegen Ungerechtigkeit und menschliches Leid" (ebd., S. 69) haben aber dennoch diesem Thema einen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion gesichert. In jüngster Zeit sorgen vor allem globale Umweltprobleme, Wanderungsbewegungen und die — medial vermittelten Hunger- und Katastrophenszenarien in Ländern der Dritten Welt für die Aktualität dieses Themas.
680
Kapitel 17
1. Die Geschichte einiger zentraler Wörter der Entwicklungspolitik 1.1 Von unterentwickelten
Ländern
zu
Entwicklungsländern
Den ersten offiziellen Beleg für Überlegungen zur Unterstützung von Entwicklungsländern enthält eine Veröffentlichung des Wirtschaftsministeriums von 1954 mit dem Titel „Förderung der technischen Hilfeleistung für weniger entwickelte Gebiete".1 Ob hier schon bewußt auf den zu dieser Zeit gängigsten Ausdruck unterentwickelte Gebiete verzichtet worden ist, läßt sich nicht sagen. Jedenfalls war auch der Ausdruck Entwicklungsland schon „einige Jahre" nach 1951 in Richtlinien des Auswärtigen Amtes eingeführt worden.2 Der Antrag der SPD vom 22.2.1956 im Bundestag, erstmals 50 Millionen DM im Bundeshaushalt als Hilfe für Entwicklungsländer auszuweisen, benutzte allerdings wieder den zu dieser Zeit geläufigeren Ausdruck. Das Geld sollte „zum Zwecke der Förderungsmaßnahmen für wirtschaftlich unterentwickelte Länder" bereitgestellt werden.3 In diesem Antrag wird dem gängigen, von den betroffenen Ländern aber als zu wertbehaftet und verletzend empfundenen Ausdruck4 wenigstens noch das weitere Attribut wirtschaftlich vorangestellt, durch das der mögliche Referenzbereich von unterentwickelt eingeschränkt wird. Der auf diesen Antrag hin eingerichtete Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Bundestags erhielt den Namen ,Ausschuß für die Wirtschaftsentwicklung fremder Völker"5, in Haushaltstiteln der Jahre 1958 und 1959 ist von entwicklungsfähigen Ländern die Rede.6 Neben der genannten Kritik des Attributs unterentwickelt wird dieses auch unter grundsätzlichen wirtschaftlichen Gesichtspunkten kritisiert: „[...] das W o r t meint offenbar, e n t w e d e r d a ß ein Land w e n i g e r entwickelt ist als ein a n d e r e s o d e r d a ß e s hinter seinen e i g e n e n Möglichkeiten zur ü c k g e b l i e b e n ist o d e r d a ß e s hinter der .normalen' Entwicklung im Rückstand ist - w o b e i allemal vorausgesetzt wird, d a ß jedes Land in d e r L a g e ist, diese ,Norm' zu erreichen." (Salin 1 9 5 9 , S. 4 0 4 f . )
1 2
3 4
5 6
Zu Versuchen, den Beginn deutscher Entwicklungshilfe schon 1949 anzusetzen, vgl. Dennett 1968, S. 26. Vgl. Danckwortt 1962, S. 133. Als zweiter Ausdruck neben unterentwickelte Länder war zu dieser Zeit der Ausdruck rückständige Länder geläufig (vgl. Informationen zur politischen Bildung, S. 2 sowie Wolfrum 1991, S. 123: „Bis in die fünfziger Jahre [sprach man] auch eher von .rückständigen' oder .unterentwickelten' Ländern."). Vgl. Dennett 1968, S. 28. Vgl. Informationen zur politischen Bildung, S. 2 und Salin 1959, S. 404: „[...1 es gibt Völker, die es als Kränkung empfinden, wenn man ihr Land als .unterentwickelt' bezeichnet". Vgl. Dennett 1968, S. 29. Vgl. ebd., S. 98.
Entwicklungspolitik
681
Diese Norm, die die „Industrialisierung à l'américaine" (ebd., S. 406) sei, könne aber nicht von allen Ländern erreicht werden, deshalb führe der Ausdruck unterentwickelte Länder zu falschen Vorstellungen. Das als Ersatz vorgeschlagene Wort Entwicklungsländer impliziere allerdings die gleichen Vorstellungen, bestenfalls solle von einem „potentiellen Entwicklungsland" gesprochen werden.7 Diese Kritik, daß beide Ausdrücke eine bestimmte Norm, einen bestimmten Begriff von „Entwicklung" enthielten, der am westlichen Industrialisierungsmodell orientiert sei, wird auch später noch öfters geäußert. Dabei wird aber nicht mehr behauptet, bestimmte Länder könnten diese Norm nicht erreichen, sondern die Norm selber wird als nicht erstrebenswert kritisiert:8 Aus der Perspektive der Industrieländer werde die dort vollzogene „Entwicklung" als Maßstab und Vorgabe für die „Entwicklung" der Dritte-Welt-Länder gesetzt, und der Ausdruck unterstelle, daß die so bezeichneten Länder sich tatsächlich entwickeln. Er verleite damit zu Fehlschlüssen, weil gerade geklärt werden müsse, ob und wie sie sich entwickelten.9 Ein frühes Beispiel einer in diese Richtung zielenden Sprachkritik liefert der SPD-Abgeordnete Kalbitzer am 5.5.1961 im Bundestag mit Blick auf die beiden wichtigsten Entwicklung-Komposita., Entwicklungshilfe und Entwicklungsländer. bei uns in der Bundesrepublik als Entwicklungshilfe bezeichnet wird, ist zu einem großen Teil privates Geschäft mit Entwicklungsländern. [...] Aber Handel mit Afrika oder Lateinamerika z.B. ist noch keine Entwicklungshilfe. Die Hamburger handeln schon 300 Jahre mit Afrika und haben sich dabei gut entwickelt; aber die Entwicklungsländer haben sich nicht gut entwickelt." (BT 5.5.1961, S. 9207)
7 8 9
Vgl. Salin 1959, S. 404. So heißt es im „Brandt-Report" der Nord-Süd-Kommission: „Man muß sich von der Vorstellung freimachen, als hätte die ganze Welt die Modelle hochindustrialisierter Länder nachzuahmen" (Nord-Süd-Kommission 1981, S. 33). Die Frage, was Entwicklung ist, was unter dem Begriff Entwicklung zu verstehen ist, ist natürlich in der wissenschaftlichen und entwicklungspolitischen Diskussion, wie bei solchen zentralen Termini üblich, beständig diskutiert worden und unterschiedlich beantwortet worden (vgl. Nohlen/Nuscheier 1982, S. 48ff.). Dies führt bis hin zu Stellungnahmen, die darauf hinauslaufen, aufgrund seiner Vagheit den Begriff aufzugeben: „Inzwischen ist .Entwicklung' zu einem qualligen, amöben-gleichen Wort geworden. [...] Wer es ausspricht, benennt gar nichts, doch nimmt für sich alle guten Absichten dieser Welt in Anspruch. [...] .Entwicklung' ist ausgehöhlt bis auf ein leeres Plus." (Wolfgang Sachs 1989, zit. nach Nuscheier 1991, S. 211); auch wird empfohlen, die vorherrschenden, auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichteten Bedeutungskomponenten - durch die „der Entwicklungsbegriff .fragwürdig' geworden ist, wie Willy Brandt 1...] feststellt" (Nohlen/Nuscheler 1982, S. 48) - möglichst auszutauschen: „Was Entwicklung ist, müssen die Menschen selbst bestimmen" lautet die Schlagzeile eines Beitrags des SPD-Bundestagsabgeordneten Ingomar Hauchler, in dem er den „primären ökonomischen Begriff' von Entwicklung verurteilt (FRANKFURTER RUNDSCHAU (FR) 26.4.1993, S. 13).
682
Kapitel 17
Hier werden also beide Ausdrücke in Frage gestellt, weil das Referenzobjekt der Begriffe nicht dem entspreche, was in der deskriptiven Bedeutung des Wortes Entwicklung impliziert sei. Nach dieser Sprachkritik müßten die westlichen Industrienationen als Entwicklungsländer bezeichnet werden, da sie diejenigen sind, die sich unter den gegebenen Bedingungen „entwickeln". Dieses Verständnis, das den Ausdruck Entwicklung in diesen Komposita nicht deontisch als etwas, das erst noch geschehen soll, versteht, sondern „realistisch" als etwas, das jetzt schon geschieht, und die Unterstellung dieses Verständnisses als die eigentliche Bedeutung von Entwicklung sind auch bis heute oft Grundlage der Kritik an dieser Bezeichnung.10 Trotz solcher Sprachkritik setzen sich aber ab Anfang der sechziger Jahre im öffentlichen Sprachgebrauch Komposita mit dem Verbalabstraktum Entwicklung durch. So ersetzt etwa das Kompositum Entwicklungsländer die ältere Benennung der gemeinten Länder mit dem Attribut unterentwickelt. In den fünfziger Jahren war der Ausdruck unterentwickelte Länder noch die gängigste Bezeichnung gewesen, in Bundestagsdebatten der sechziger Jahre wird meist die Bezeichnung Entwicklungsländer verwendet, aber auch unterentwickelte Länder1 und Entwicklungshilfeländer2, Empfängerländer 3, zu betreuende Länder A, nehmende Länder 5 kommen vor sowie - motiviert durch die Entkolonialisierung und die damit gerade erreichte formale Unabhängigkeit vieler Länder - neue Länder 6, junge Völker7 und junge Staaten 8 . Auch in einer ausführlichen „Zwischenbilanz der Entwicklungshilfe" im SPIEGEL 1967 werden als Sammelbezeichnung Entwicklungsländer und unterentwickelte Länder verwendet. Heute dagegen ist unterentwickelte Länder ungebräuchlich19, obwohl im Englischen und Französischen etwa bis 10
11 12 13 14 15 16 17 18 19
Vgl. etwa Sieberg 1977, S. 53: „Die .wirklichen' Entwicklungsländer sind gerade nicht die Gebiete der Dritten und der Vierten Welt, sondern die Industrienationen, deren Entwicklung als Dynamik, Entfaltung und Wachstum täglich neu ins Auge springt."; „Paradoxerweise muß man sogar sagen, daß diese Staaten [die Industriestaaten] noch heute in höherem Maße .Entwicklungsländer' sind, weil sich hier ständig große Veränderungen und Fortschritte ergeben, wogegen die meisten Staaten der Dritten Welt sich im Durchschnitt so langsam wandeln, daß man dort eher von .Stagnationsländern' sprechen müßte" (Wendorff 1984, S. 13). Zum Beispiel Gewandt (CDU/CSU) im BT 24.2.1965, S. 8366. Zum Beispiel in einer Frage des Abgeordneten Rinderspacher (SPD) im Bundestag, vorgelesen von Vizepräsident Schoettle im BT 9. 6. 1967, S. 5491. Zum Beispiel Carstens (CDU) im BT 19.6.1963, S. 3778. Zum Beispiel Hellige (FDP) im BT 16.11.1962, S. 2198. Zum Beispiel Emde (FDP) im BT 8.11.1962, S. 2046. Zum Beispiel Wischnewski im BT 8.31961, S. 8348, hier zit. nach Dennett 1968, S. 21. Zum Beispiel von Brentano im BT 5 5.1961, S. 9217 und 9225. Zum Beispiel im Godesberger Programm der SPD von 1959 sowie Mende (FDP) im BT 6.12.1961, S. 80. Am ehesten taucht das Attribut unterentwickelt noch in dem komplexen Ausdruck
Entwicklungspolitik
683
heute entsprechende Bezeichnungen (underdeveloped countries und pays sous-développés) die gebräuchlichsten sind.20 Diesen Wandel der Bezeichnung für die Dritte-Welt-Länder hat der schwedische Germanist Gustav Korlén bereits 1962 festgestellt: „Man spricht in der Bundesrepublik bekanntlich seit einigen Jahren von den .entwicklungsfähigen' Ländern oder ganz einfach von den .Entwicklungsländern', nicht wie bei uns in Schweden immer noch überwiegend von den .unterentwickelten' Ländern - also Lehnübersetzung aus dem englischen .underdeveloped' - oder wie in ostdeutscher Terminologie leicht abgewandelt von .ökonomisch unterentwickelten', auch .schwach entwickelten' Ländern: Die westdeutsche Bezeichnung vermittelt hier zweifellos eine sympathischere, vielleicht auch taktisch vorteilhaftere Sichtweise." (Korlén 1962, S. 274)
Das Bestimmungswort Entwicklung, das sich Ende der fünfziger Jahre auch in anderen Komposita in diesem Sachzusammenhang im Sprachgebrauch etablierte, war seit der Aufklärung aus seinem alltagssprachlichen Gebrauch in eine geschichtsphilosophische Bedeutungssphäre, in der es Ausdruck einer Fortschrittsüberzeugung und -erwartung wurde, übertragen worden.21 In seiner US-amerikanischen Entsprechung development war es mit der Erschließung und Kolonialisierung des eigenen Landes, mit der sogenannten „Frontier"-Erfahrung verbunden gewesen, und es wurde nach 1945 auf die Erschließung der südlichen Erdhälfte ausgedehnt.22 Vor diesem Hintergrund wurden zum genannten Zeitpunkt Entwicklung und seine Komposita zu den wichtigsten Vokabeln des hier betrachteten Themengebietes. Besonders gebräuchlich war offenbar bereits im Jahre I960 das Kompositum Entwicklungshilfe, das vom SPD-Abgeordneten Kalbitzer im Bundestag schon sprachkritisch abgelehnt (s.u.) wird und das in einem Zeitungsartikel genannt wird als „allzu häufig verwendetes Wort [...], das man, wenn es so etwas gäbe, [...] zum ,Wort des Jahres' wählen könnte" (STUTTGARTER ZEITUNG 29.12.1960). Auf ihrem Parteitag im gleichen Jahr hatte die SPD die „Errichtung eines Ministeriums für die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern"23 vorgeschlagen, über das dann im Bundestag am 5.5.1961
20 21 22 23
unterentwickelt gehaltene Länder auf, der von linken Gruppen als Konsequenz ihrer Kritik an den Weltwirtschaftsstrukturen mit der Dominanz der Industrieländer gebraucht wird, um zu betonen, daß die so genannten Länder von den Industriestaaten in deren Interesse „unterentwickelt gehalten" werden (vgl. zum Beispiel in einem Papier der sogenannten Fundis der GRÜNEN zu einem Bundeskongreß der Partei im April 1991, abgedruckt in FR 21.3.1991, S. 29, wo von den „unterentwickelt gehaltenen Kontinenten Afrika, Asien und Zentral- und Südamerika" gesprochen wird). Vgl. Sieberg 1977, S. 51f. Vgl. Sieberg 1977, S. 52. Vgl. Schloz 1979, S. 12. Zit. nach Dennert 1968, S. 98.
684
Kapitel 17
als Entwicklungsministerium24 bzw. über dessen zukünftigen Leiter als Entwicklungsminister25 gesprochen wurde. Das kurz darauf gegründete Ministerium erhielt allerdings einen anderen Namen (s.u.). Im gleichen Zeitraum bildeten sich auch nicht-staatliche Organisationen, die angeregt worden waren u.a. von Kennedys Wahlkampf in den USA, in dem er humanitäre Aspekte der „Entwicklungshilfe" in den Vordergrund geschoben hatte, und der Einrichtung eines Peace Corps durch Kennedy, das jungen Menschen die Hilfe und Mitarbeit in den Entwicklungsländern ermöglichen sollte. Die in den Jahren 1959 bis 1963 vor allem von den Kirchen gegründeten oder initiierten Organisationen, die u.a. dem Peace Corps-Gedanken der Freiwilligendienste in Entwicklungsländern verpflichtet waren, erhielten neben anderen Namen wie Dienste in Übersee oder Lernen und Helfen in Übersee Bezeichnungen mit Entwicklung als Bestimmungswort: Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (katholisch, 1959 gegründet), Katholische und Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (beide 1962 gegründet) und Deutscher Entwicklungsdienst (DED).2 Auf internationaler Ebene wurde 1961 das kommende Jahrzehnt zur ersten Entwicklungsdekade erklärt27. 1.2 Dritte Welt und Vierte Welt Die zweite zentrale Vokabel unseres Themenbereiches, deren Ursprung in den fünfziger Jahren liegt, ist der Ausdruck Dritte Welt, der ebenso wie Entwicklung auch immer wieder als unangemessen, abwertend oder als zu pauschal kritisiert worden ist, aber aus dem öffentlichen Sprachgebrauch nicht hat verdrängt werden können. Zwei Herleitungen des Begriffs sind in der Literatur geläufig und ergänzen sich insofern, als sie die doppelte Bedeutung des Ausdrucks, die er zumindest in seinen frühen Verwendungen aufweist, bzw. seinen Bedeutungswandel erhellen. Zumeist wird als Ursprungsort des Begriffs die französische unabhängige Linke genannt, die seit 1949 „den Versuch, innenpolitisch eine von der Kommunistischen Partei unabhängige Oppositionspolitik gegenüber den rechten kapitalistischen Parteien zu entwickeln, auf die internationale Ebene und die dortigen Akteure überträgt, einen Dritten Weg der Blockfreiheit zwischen Washington und Moskau zu entwerfen". (Nohlen/Nuscheier 1982, S. 13)
24 25 26 27
Fritz (CDU) im BT 5.5.1961, S. 9238, zit. nach Dennert 1968, S. 36. Kalbitzer (SPD) im BT 5.5.1961, zit. nach ebd. Vgl. Schloz 1979, S. 44-46. Vom neuen US-Präsidenten John F. Kennedy im September 1961 vor der UNOGeneralversammlung vorgeschlagen, am 19.12.196l einstimmig verabschiedet (vgl. Wendorff 1984, S. 140f.).
Entwicklungspolitik
685
Diese Bedeutung von Dritte Welt als die Länder, die „einen Dritten Weg der Blockfreiheit" beschreiten wollten, wird auch in der bundesdeutschen Presseberichterstattung über die Konferenz der blockfreien afro-asiatischen Länder 1955 in Bandung deutlich. Die RHEINISCHE POST (RP) spekuliert in diesem Zusammenhang über die Aussichten dieser Länder, (weltpolitisch) als Dritter Block bezogen auf den Ost-WestGegensatz fungieren zu können.28 Der Ausdruck Dritte Welt kommt allerdings in diesen Presseberichten nicht vor. Nur im französischen Sprachraum scheint der Ausdruck Tiers Monde schon in den fünfziger Jahren in dieser Bedeutung gebräuchlich gewesen zu sein.29 In der BRD ist Dritte Welt offenbar erst viel später verwendet worden. In einer Bundestagsdebatte am 5. Mai 1961 etwa wird der Ausdruck noch nicht verwendet. Bis daß Dritte Welt im deutschen Sprachraum verwendet wurde, hatte eine entwicklungspolitische Bedeutung die im Französischen in den fünfziger Jahren gebräuchliche politisch-ideologische Bedeutung überlagert. Bei dieser spielte das wirtschaftliche Entwicklungsstand-Kriterium eine wichtigere Rolle als das Blockfreiheit-Kriterium, so daß etwa die bei der Bandung-Konferenz nicht vertretenen und in dem genannten politisch-ideologischen Sinne nicht zur „Dritten Welt" gehörigen, westblockorientierten Staaten Lateinamerikas nun zur „Dritten Welt" hinzugehörten. Das wirtschaftliche Entwicklungsstand-Kriterium wurde mit der ersten Welthandels- und entwicklungskonferenz (UNCTAD) 1964 zum bis heute geläufigen Hauptmerkmal des Dritte We/i-Begriffs. Nach diesem Kriterium enthält Dritte Welt die Bedeutung ,die armen Länder der Erde' in Opposition zur Ersten Welt der westlichen Industrienationen und zur Zweiten Welt der kommunistischen Industriestaaten. Dieses Bedeutungsspektrum von Dritte Welt wurde auch schon in einer ebenfalls französischen Verwendung des Ausdrucks Tiers Monde im Jahre 1952 deutlich, die als die zweite Herkunftsgeschichte des Wortes genannt wird. Der französische Bevölkerungswissenschaftler Alfred Sauvy hatte am 14. August 1952 in der Zeitung L'OBSERVATEUR von Tiers Monde in Analogie zum Tiers État, also dem Dritten Stand vor der Französischen Revolution als dem rechtlosen, armen und ausgebeuteten Stand, gesprochen: „Car enfin ce Tiers Monde ignoré, exploité, méprisé comme le Tiers État, veut, lui aussi, être quelque chose."30 Wie einflußreich diese Analogisierung auch gewesen sein mag, jedenfalls benutzte der Franzose Frantz Fanon 1961 in einer berühmt gewordenen Schrift „Die Verdammten dieser Erde" den Begriff Dritte Welt sehr selbstverständlich für die ko28 29 30
Vgl. RHEINISCHE POST (RP) 16.4.1955. Vgl. Nohlen/Nuscheler 1982, S. 12. Zit. nach Sieberg 1977, S. 49.
686
Kapitel 17
Ionisierte und unterentwickelte Welt in diesem Sinne der .armen und ausgebeuteten Länder'.31 Anfang der sechziger Jahre wird Dritte Welt erstmals auch, zum Teil noch in Anführungszeichen und mit kleingeschriebener Ordinalzahl, in der bundesdeutschen Presse in beiden hier skizzierten Bedeutungsvarianten (im Sinne von .Dritte Kraft' wie auch im Sinne von .Entwicklungsländern') verwendet.32 Neben der Kritik an dem Ausdruck Dritte Welt, er vereinige in unzulässiger Weise verschiedenste Länder mit sehr unterschiedlichen Merkmalen unter einer Sammelbezeichnung und bestimme dadurch in vereinfachter Weise die Weltwahrnehmung33, wurde die Ordinalzahl Dritte in dieser Wortverbindung auch als diskriminierend im „Sinne einer Rangordnung (.drittrangig')"34 aufgefaßt und deshalb abgelehnt. Dennoch hat der Ausdruck Dritte Welt sich laut Nohlen/Nuscheler „gegenüber [...] konkurrierenden Bezeichnungen" durchgesetzt, „da er offensichtlich geringere Beitöne enthält, die als diskriminierend verstanden werden" (Nohlen/Nuscheler 1982, S. 1), als andere Ausdrücke wie etwa unterentwickelte Länder. „Er gehört weltweit zur politischen Umgangssprache. [...] Es gibt Organisationen, Einrichtungen (wie die ,Dritte-Welt-Läden') und Zeitschriften (ζ. B. Tiers Monde, Third World Quarterly, Dritte Welt), die sich nach ihm benannt haben. Die internationale Amtssprache der UN-Organisationen bevorzugt den Sammelbegriff der Entwicklungsländer, [...]." (Nuscheier 1991, S. 48)
Aufgrund des Unbehagens an diesem Sammelbegriff Dritte Welt ist zum einen versucht worden, sein Referenzobjekt zu verändern, indem zusätzliche Bezeichnungen wie Vierte Welt und auch Fünfte Welt eingeführt worden sind; zum anderen wurde er vermieden, und mit der Bezeichnung Eine Welt wurde versucht, die gegenseitige Abhängigkeit aller Länder bewußt zu machen. Mit Eine Welt sollte auch eine Ausdifferenzierung mit wertenden Beitönen - aber auch mit der Konsequenz, das Schicksal der so ausdifferenzierten Länder in Abgrenzung zu dem anderer Ländergruppen zu betrachten - vermieden werden: Die erwähnten „Dritte-Welt-Läden" nennen sich nun Eine-Welt-Läden.35 31 32 33 34 35
Vgl. Wendorff 1984, S. 12; Nohlen/Nuscheler 1982, S. 12 und Nuscheier 1991, S. 65. Vgl. die Belege aus der ZEIT von 1962-1964 bei Nunn 1974, S. 69. Vgl. Nuscheier 1991, S. 48. Informationen zur politischen Bildung, S. 2; „Heute meinen wir, die ,Dritte' Welt wäre die an dritter Stelle der Weltrangliste piazierte ,Welt'" (Neudeck/Gerhardt 1987, S. 41). Gegen die Bedeutungsimplikationen sowohl von Entwicklungsländer wie von Dritte Welt als Sammelbezeichnungen für diese Länder richtet sich der wohl nur im radikal linken Spektrum der BRD mit gleichem Referenzobjekt benutzte Ausdruck Trikont. Vgl. etwa FR 21.3.1991, S. 29: Papier des „radikalökologischen und links-fundamentalistischen Lagers" der GRÜNEN. Eine weitere Variante, um Dritte Welt zu ersetzen, ist
Entwicklungspolitik
687
Politisch wichtiger geworden ist seit Anfang der siebziger Jahre der Versuch, die ärmsten Entwicklungsländer als eigene Staatengruppe mit dem Ausdruck Vierte Welt zu kategorisieren; dieser neue Ausdruck hat sich aber im öffendichen Sprachgebrauch längst nicht so etabliert wie Dritte Welt, und seine Bedeutung ist wohl vielen Deutschsprachigen bis heute unklar. Schon im Jahre 1970 erschien ein Buch von Bruno Fritsch mit dem Titel „Die Vierte Welt". Bei ihm wird der Ausdruck aber mit ganz anderer Bedeutung als der sich dann seit 1971 etablierenden verwendet. Vierte Welt ist bei ihm eine zukünftige Welt, die die Untergliederung der bestehenden Welt in Teilwelten aufheben soll.36 1971 sonderte die UNVollversammlung eine Gruppe der „am wenigsten entwickelten Länder" (least developed countries) ab, die im entwicklungspolitischen Sprachgebrauch seither als LLDC bezeichnet werden.37 Es ist diese Gruppe von Ländern, die seither im öffendichen Sprachgebrauch als Vierte Welt bezeichnet werden: „[...] die .Vierte Welt' umfaßt alle Länder, die am untersten Ende der Skala von Bruttosozialprodukt und Einkommen pro Kopf und Jahr stehen, die absoluten Habenichtse und Schmuddelkinder [...]" (Neudeck/Gerhardt 1987, S.41) 38 . Besonders seit 1973 OPEC-Länder mit ihrer Ölpreispolitik die Differenzen zwischen ölproduzierenden und energieabhängigen Ländern vergrößerten, wird der Ausdruck Vierte Welt öffentlich verwendet. Der Versuch, noch eine „Fünfte Welt der Urarmut"39 abzugrenzen, ist aber wohl nur internen entwicklungspolitisch interessierten Kreisen bekanntgeworden. Das Verständnis von Dritte Welt im Sinne einer Rangfolge dürfte durch die Etablierung von Vierte Welt aber verstärkt worden sein.40 Ähnlich verbreitet und in seiner Bedeutung dem durchschnittlichen Deutschsprachigen nur vage bekannt sein dürfte der Ausdruck Schtvellenländer. Im deutschen Sprachgebrauch hat er sich ebenfalls seit Anfang der siebziger Jahre für die international Newly Industrializing Countries (NIC) genannten Länder durchgesetzt.41 Vor allem im Zusammenhang mit den Schuldenproblemen der Dritte-WeltStaaten seit Anfang der achtziger Jahre, von denen solche „Schwellenländer" wie Mexiko, Brasilien oder Argentinien besonders betroffen wa-
36 37 38 39 40 41
der Ausdruck Drei-Viertel-Welt; der das zahlenmäßige Verhältnis der so genannten Staaten zur gesamten Staatenwelt in den Blick nimmt (vgl. etwa FR 24.11.1993, S. 13). Vgl. Sieberg 1977, S. 39 und Nohlen/Nuscheier 1982, S. 12. Vgl. dazu (auch zur Unterscheidung von LLDC und LDC im entwicklungspolitischen Sprachgebrauch) Nuscheier 1991, S. 50. Im Lexikon Dritte Welt lautet die Definition: „Unter der Vierten Welt sind besonders rohstoff-, kapital- und exportschwache Entwicklungsländer zu verstehen, die am wenigsten entwickelt [...] und mit den LLDCs identisch sind" (Nohlen 1984, S. 595). Vgl. Nuscheier 1991, S. 51. Vgl. Neudeck/Gerhardt 1987, S. 41. Vgl. Nuscheier 1991, S. 57.
688
Kapitel 17
ren, wurde er auch in der Zeitungsberichterstattung verwendet. Schwellenländer ist dabei ein ebenfalls aus der Perspektive der Industriestaaten geprägter Ausdruck, da er Länder bezeichnet, die ,an der Schwelle' zum Industriestaat stehen. 1.3 Kolonialismus
und
Neokolonialismus
Neben den bisher geschilderten Verwendungen und Bedeutungsentwicklungen wichtiger entwicklungspolitischer Ausdrücke, die in den fünfziger Jahren aufgekommen sind, spielen seit dieser Zeit die Stigmawörter Kolonialismus und Neokolonialismus eine Rolle für die öffentliche Wahrnehmung der als nicht-industrialisiert geltenden Länder. Während seit dem Zweiten Weltkrieg die historische Entwicklung der Dekolonisation immer mehr Ländern formell ihre Unabhängigkeit brachte, wurden gerade die mit dem Suffix -ismus verbundenen Ausdrücke des Wortstamms kolonial zu Stigmawörtern, mit denen die Politik der Industriestaaten gegenüber den Dritte-Welt-Ländern bekämpft werden konnte. Gleichzeitig war man gerade in der bundesdeutschen Öffentlichkeit bemüht, daß eigene Handlungen nicht mit den zuvor neutral verwendeten Ausdrücken Kolonie oder kolonial in Verbindung gebracht werden konnten. So bekämpften 1955 etwa die Teilnehmer der Bandung-Konferenz jegliche Form der Einmischung oder des Einflusses der alten Kolonialmächte, aber auch der Sowjetunion und der USA als Kolonialismus und Imperialismus. Die Zeitungsberichte über diese Konferenz zeigen, daß in Westdeutschland Kolonialismus schon als Stigmawort gebräuchlich ist, wenn es sich auch in dieser Funktion bevorzugt als Mittel im Kalten Krieg auf die Sowjetunion bezieht: „Neben dem alten .Kolonialismus', den der indonesische Staatspräsident Sukarno in seiner Eröffnungsrede geißelte, wurde umgehend der rote des Weltkommunismus an den Pranger gestellt" (RP 20.4.1955). Die Außenpolitik von Indiens Ministerpräsident Nehru wird als „eine Gefahr, ein Tor, das sich dem roten Kolonialismus weit öffnet" (ebd.), hingestellt. Umgekehrt werden auch seitens der SED bzw. der DDR Wörter mit dem Wortstamm kolonial und das Wort Kolonialismus bezogen auf den Einfluß der USA in Westdeutschland verwendet. Wohl auch in diesem SED-Gebrauch ist die westdeutsche Sensibilität gegenüber Ausdrücken mit dem Stamm kolonial begründet, soweit eigene Handlungen oder Einrichtungen betroffen waren. Die Kolonialwarenläden verschwinden, 1957 hat man Angst, über EWG und Euratom in französischen und englischen Gebieten an kolonialer Herrschaft beteiligt
Entwicklungspolitik
689
zu werden42, und eine Farmerschule wird als „Konzession an die Empfindlichkeit der jungen selbständig werdenden Völker" (RP 9.1.1957) umbenannt: Statt Kolonialschule heißt sie nun Deutsches Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft, „denn erstens haben wir keine Kolonien mehr, und zweitens hat man sich bewußt vom Kolonialismus abgewendet" (RP 16.3.1957). Im Bundestag sind es vor allem SPD-Politiker, die alles vermeiden wollen, was deutsche Politik mit „Kolonialismus" in Verbindung bringen könnte: „Das Zeitalter des Kolonialismus ist endgültig zu Ende. [...] Die Bundesrepublik darf sich an keinen Maßnahmen [...] beteiligen, die sie in den Verdacht bringen könnten, den Kolonialismus direkt oder indirekt zu unterstützen."43 Daher beschwert sich die SPD auch über die Teilnahme der Bundesrepublik an einer Arbeitsgruppe der Industrienationen zur Entwicklungspolitik, an der auch die „bornierte rückständige Kolonialmacht Portugal" beteiligt ist, da die Bundesrepublik so in der Gefahr sei, „daß sie als neokolonialistisch mißverstanden wird" (Kalbitzer im BT 5.5.1961, S. 9210). Die Stigmafunktion, die sich auch in solchen Befürchtungen widerspiegelt, enthalten die Wörter mit der Komponente kolonial aufgrund der historischen Ereignisse, auf die mit ihnen referiert wird. Diese werden als unmenschliche Eroberungs- und Unterdrückungshandlungen in Erinnerung gerufen, wenn mit diesen Wörtern aktuelle Handlungen bezeichnet und abgewertet werden. Zusammen mit der is/wus-Endung werden diese Handlungen als ideologisch und systematisch geplante Politik verurteilt. Dies geschieht schon seit den fünfziger Jahren, verstärkt aber durch die 68er-Studentenbewegung in der Kritik an wirtschaftlicher Macht und Ausbeutung gegenüber der Dritten Welt durch multinationale Konzerne und durch die Industrieländer: Deren Verhalten wird als neo-kolonial oder neo-kolonialistisch bezeichnet. Um den Bezug auf solche abgelehnten aktuellen Handlungen eindeutig zu machen gegenüber den historischen Handlungen, die auch mit Kolonialismus bezeichnet werden, wird dabei der Ausdruck Neokolonialismus benutzt, dessen Prägung Jean-Paul Sartre zugeschrieben wird und der seit Mitte der fünfziger Jahre international als Schlagwort aufkam.44 Systematisch wurde die Politik des Neokolonialismus 1965 erstmals vom ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah beschrieben: „[...] die Kolonialmächte 42
43 44
Die R H E I N I S C H E P O S T berichtet, der NRW-Ministerpräsident Steinhoff wolle dem Bundesrat empfehlen, „daß ausdrücklich festgestellt werden müsse, daß die Einbeziehung afrikanischer Gebiete in die Verträge keine Beteiligung der Bundesrepublik an kolonialer Herrschaft bedeute" (RP 1.51957). Wischnewski am 8.31961 im Bundestag (zit. nach Dennert 1968, S. 22) zum Versuch, die NATO in einen Zusammenhang mit der Entwicklungspolitik zu bringen. Vgl. Sieberg 1977, S. 40.
690
Kapitel 17
hätten ihre direkte Territorialherrschaft nur aufgegeben, um die bisherige Dominanz künftig risikolos auf indirekte Weise auszuüben" (Sieberg 1977, S. 40)45. Als Stigmawort der Dritte-Welt-Staaten gegenüber den Industrieländern wird Neo-Kolonialismus auch in der schon genannten SpiEGEL-Serie von 1967 genannt: Von den Entwicklungsländern würden die Bedingungen der USA und der Weltbank für die Vergabe von Krediten als Neo-Kolonialismus bezeichnet.46 Aber erst seit der Studentenbewegung wird der Ausdruck auch in der innenpolitischen bundesdeutschen Diskussion häufiger benutzt.
2. Die Anfänge der öffentlichen Wahrnehmung der Dritten Welt in den sechziger Jahren Vor der moralisch und politisch motivierten Wahrnehmung von DritteWelt-Problemen seitens der 68er-Studentenbewegung waren die Dritte Welt und Entwicklungspolitik eher selten in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangt; das Thema wurde auch politisch nur wenig beachtet. Seit Mitte der fünfziger Jahre allerdings wurde Entwicklungspolitik sporadisch ein Thema der parlamentarischen Arbeit; auch öffentlich kamen die Länder der Dritten Welt im Zusammenhang mit der Entkolonialisierung und der ersten Konferenz blockfreier Staaten im indischen Bandung 1955 erstmals ins Bewußtsein der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Die ersten bundesdeutschen Ideen, anderen Ländern wirtschaftliche oder technische Hilfe zu leisten, orientierten sich an den eigenen Erfahrungen mit der von den USA ab 1948 erhaltenen „Marshallplan-Hilfe". Nach dem Motto „Hilfe ist eine moralische Pflicht. Man hat uns geholfen, jetzt müssen wir denen helfen, die unverschuldet im Elend sind"47, wurde der Marshallplan sowohl organisatorisch wie moralisch als Vorbild deutscher Entwicklungshilfeleistungen genommen. Mit der Gründung der BRD war für die Verwaltung der Marshallplan-Gelder ein Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gegründet worden.48 Dieser Name wurde 1961 bei der Gründung eines für Entwicklungshilfe zuständigen Ministeriums für dieses neue Ministerium übernommen und bis heute beibehalten, obwohl umgangssprachlich eher von Entwicklungshilfeministerium gesprochen wird. 45
Das Buch heißt: Neo-Colonialism. The last stage of imperialism. London 1965. Vgl. auch Nohlen 1984, S. 424.
46
Vgl. DER SPIEGEL (23.10.1967), H. 44, S. 106.
47 48
So Dennett 1968, S. 20 in einer Paraphrase von Äußerungen im Bundestag aus verschiedenen Parteien wie etwa der des SPD-Abgeordneten Kalbitzer: „Ich meine, wir sollten geben, weil man uns gegeben hat" (BT 20.6.1956, S. 8005, zit. nach ebd.). Vgl. Neudeck/Gerhardt 1987, S. 39.
Entwicklungspolitik
691
Während in den fünfziger Jahren in internen außenpolitisch interessierten Zirkeln erste Überlegungen und Vorhaben einer „Auslandshilfe" der BRD für „unterentwickelte Länder" in Anlehnung an die selbst erhaltene Marshallplan-Hilfe diskutiert werden und im internationalen Rahmen auch im Zuge der Entkolonialisierung die Dritte-Welt-Staaten schon eine Rolle spielen - und die Begriffsentwicklung wichtiger auch später in Deutschland vielbenutzter Ausdrücke beginnt - , spielt die Dritte Welt in der bundesdeutschen öffentlichen Wahrnehmung bis weit in die sechziger Jahre hinein keine große Rolle. Nach Sieberg fand das NordSüd-Problem sogar erst nach dem israelisch-arabischen Yom-KippurKrieg von 1973 und damit seit der ersten „Ölkrise" größere Beachtung. In den fünfziger Jahren werden offenbar Ereignisse wie die BandungKonferenz vornehmlich unter dem Blickwinkel des Ost-West-Konflikts wahrgenommen. Ein Zusammenschluß der Blockfreien wird offenbar zudem als Gefahr für die reichen Länder empfunden. Die RHEINISCHE POST fragt sich, ob es nun eine „gelb-braun-schwarze Gefahr" bzw. eine „farbige Gefahr" (RP 16.4.1955) gibt. Bevor und nachdem 1961 als Ergebnis der „schwierigen Koalitionsarithmetik" (Nuscheier 1991, S. 234) das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gegründet worden war, wurde über das Thema „Entwicklungshilfe" bzw. „Entwicklungspolitik" auch in den sechziger Jahren im Bundestag nur selten debattiert. Es ging zumeist lediglich um Fragen der effektiven Organisation der als Entwicklungshilfe bezeichneten Handlungen. Ansonsten wird das Thema wenig kontrovers, eher harmonisch-harmonisierend diskutiert. Verbal war man sich über die Ziele der „Entwicklungshilfe" einig: Aus humanitären Gründen müsse das Massenelend in der Dritten Welt bekämpft werden, was nur durch die Modernisierung dieser Länder mittels industrieller Entwicklung gehe. Diese unkritische Vorstellung von „Entwicklung" wurde sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: „Ein Entwicklungsland zu modernisieren heißt nicht nur, Kapital zu geben, sondern heißt, das ganze Leben in diesem Lande zu modernisieren und es dem einer Industriegesellschaft anzupassen" (Kalbitzer (SPD) im BT 5.5-1961, S. 9211). Anfang der sechziger Jahre überwiegen noch moralische Rechtfertigungen für das Ziel, „den Lebensstandard der Bevölkerung in den Entwicklungsländern zu heben"49; in der Rezession von 1966/67 49
Bundeswiitschaftsminister Erhard in einem Interview im Januar 1959· „Man hat ihr selbst [der Bundesrepublik] in den schweren Nachkriegsjahren großzügig geholfen und Vertrauen geschenkt. Die Menschen unseres Landes werden das niemals vergessen und selbst zu helfen bereit sein" (Interview mit der Zeitschrift GERMAN INTERNATIONAL, wiederabgedruckt im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA) Nr. 14/22.1.1959, S. 126).
692
Kapitel 17
dagegen wird Entwicklungspolitik auch vom sozialdemokratischen „Entwicklungsminister" Wischnewski „unverhohlen [propagiert] als Instrument der kurz- und langfristigen Krisenbändigung, indem sie gezielt zur Exportförderung eingesetzt" (Nuscheier 1991, S. 234) wird. Langfristig sei Entwicklungspolitik auch Wirtschaftspolitik und im eigenen wirtschaftlichen Interesse, indem die „deutsche Entwicklungshilfe [...] hier Vorreiter für die deutsche Wirtschaft sein" könne, denn: „nur Industrienationen können gute Kunden anderer Industrienationen sein" (Brück (SPD) im BT 11.10.1967, S. 6242). Ebenso wie diese Begründungen, die mit wechselnden Prioritäten bis heute zur Begründung von Entwicklungspolitik benutzt werden, kommen in den sechziger Jahren auch drei andere Argumente, Ziele bzw. Problemumschreibungen vor, die noch heute aktuell sind. Als Schlagworte werden sie damals schon benutzt, auch wenn der Schwerpunkt ihrer Verwendung und ihrer politisch zentralen Funktion erst später anzusetzen ist. Die gemeinten Schlagworte sind Nord-Süd-Konflikt, Hilfe zur Selbsthilfe und Überschuldung. Langfristig sei Entwicklungshilfe auch nötig, um den „Nord-Süd-Konflikt" zu entschärfen und somit wichtig „für unsere zukünftige persönliche und politische Sicherheit" (Kalbitzer (SPD) im BT 5.5.1961, S.9203). Schon 1961 sah der SPD-Abgeordnete diesen „Nord-Süd-Konflikt" den „Ost-West-Konflikt" überlagern und als gefährlicher an. Diese Warnung wurde seitdem häufig zur Beschwörung der Notwendigkeit der Beseitigung des Massenelends in der Dritten Welt verwendet. Seit dem tatsächlichen Ende des Ost-West-Konflikts 1989/90 ist dieser „Nord-SüdKonflikt" in verschiedenen Zusammenhängen in der öffentlichen Wahrnehmung wichtiger geworden. Kalbitzer sieht in den „Parias des industriellen Zeitalters, den Entwicklungsländern, [...] ein entscheidendes neues Gewicht" für „unser politisches Kalkül" (ebd., S.9202). In dem „bis zur Verzweiflung anschwellenden Elend der hungernden Welt im Vergleich zu der Lage in den Industrieländern" (ebd., S.9203) sieht er die neuen Gefahren. Seine Wendung Nord-Süd-Konflikt erklärt er als „Konflikt größten Ausmaßes zwischen den Industrieländern des nördlichen Teils der Erdkugel und den mehr in den Tropen liegenden Entwicklungsländern" (ebd., S. 9202). Diese ausführliche Erklärung verweist auch darauf, daß dieser Ausdruck neu ist. In dem 1968 von Hans-Jürgen Wischnewski veröffentlichten Buch mit dem Titel „Nord-Süd-Konflikt" wird allerdings ein Unterschied zur heutigen Bedeutung des Ausdrucks deutlich: In den sechziger Jahren referiert der Ausdruck eher auf etwas Zukünftiges, auf etwas, das befürchtet wird und dem entgegengewirkt werden kann; später, wahrscheinlich seit der ersten Ölkrise 1973, bezeichnet der Ausdruck einen Zustand, der bedrohlich ist und der des-
Entwicklungspolitik
693
halb beseitigt werden muß. Sprachlich wird die Entschärfung dieses „Konflikts" auch mit der Verwendung anderer Nord-Süd-YLomposita zu erreichen versucht, die eher auf eine Zusammenarbeit als auf einen Konflikt zwischen armen und reichen Ländern referieren und diese damit fördern wollen: Nord-Süd-Dialog, Nord-Süd-Probleme, Nord-SüdKommission, Nord-Süd-Beziehungen50. Auch das Schlagwort, daß Entwicklungshilfe „Hilfe zur Selbsthilfe"51 sein solle, wird in diesen frühen Debatten schon bemüht, wenngleich noch in einem Zeitungsartikel von 1991 über die Politik des BMZ gesagt wird, daß die „Armutsbekämpfung durch Hilfe zur Selbsthilfe" der jüngste Trend der entwicklungspolitischen Konzeptionen sei.52 1967 wird die finanzielle Situation der Dritte-Welt-Länder bereits als Überschuldung beschrieben53, ein Wort, das erst ab Ende der siebziger Jahre im Zuge der sogenannten Schuldenkrise der Entwicklungsländer Konjunktur hatte. Die aufgeführten Rechtfertigungen für Entwicklungshilfe — zu denen (oft ungenannt) als tatsächliche Motive dieser Zeit die Nicht-Ausbreitung der sowjetischen Einflußsphäre und die Verwendung als Sanktionsinstrument im Sinne der Hallstein-Doktrin kamen54 - können vor allem auch verstanden werden als Reaktionen auf ein öffentliches Bewußtsein, das die Leistung von Entwicklungshilfe als nicht notwendig bzw. ihre Höhe als übertrieben ansah: Die Art der geleisteten Entwicklungshilfe wurde mit Berufung auf das vielzitierte goldene Bett für einen afrikanischen Machthaber kritisiert, das damit finanziert würde. Diese öffentlich verbreitete Haltung machte DER SPIEGEL in einer dreiteiligen Serie „Zwischenbilanz der Entwicklungshilfe" im Oktober 1967 deutlich, deren Haltung, Argumente und Vorurteile wohl als repräsentativ angesehen werden können. Konstatiert wird ein Scheitern der Entwicklungshilfe, da Verschuldung und Hunger in der Dritten Welt zunähmen und das Pro-Kopf-Einkommen sinke. Technologische Großprojekte wie „Stahlwerke" werden als entwicklungspolitische Fehlschläge gebrandmarkt. Die Verantwortung dafür wird aber den Entwicklungsländern zugewiesen, die diese Projekte hätten haben wollen; auch die sonstige Verantwortung des Scheiterns wird fast ausschließlich den Dritte-Welt-Ländern zugewiesen: Korruption 50
51 52 53 54
Vgl. zum Beispiel DER SPIEGEL (14. 3. 1977), H. 12, S. 18 (.Nord-Süd-Dialog, Nord-SüdKommission); DER SPIEGEI Nr. 15/4.4.1977, S. 137f. (Nord-Süd-Dialog); DER SPIEGEL (310.1977), H. 41, S. 24 (Nord-Süd-Kommission, Nord-Süd-Problemé)·, FR 23.10.1993, S. 12 und 30.10.1993, S. 4 (Nord-Süd-Beziehungen). Vgl. Wischnewski (SPD) im BT 16.11.1962, S. 2168. Vgl. FR 14.11.1991, S. 9. Vgl. Brück (SPD) im BT am 11.10.1967, S. 6242. Vgl. dazu auch die BT-Debatte am 28.4.1971 bezogen auf die von Allende in Chile angekündigte Anerkennung der DDR.
694
Kapitel 17
und Vetternwirtschaft, Entwicklungshemmnisse in Form religiöskulturell-gesellschaftlicher Sitten (Paradebeispiel: die Heiligen Kühe Indiens) und klimabedingter geringerer Arbeitsleistung sowie die „Explosion der farbigen Bevölkerung" werden als Gründe genannt. Entwicklungshilfe sei schädlich gewesen, weil sie nur „parasitären Schichten" ein „goldenes Bett" bereitet habe. Als alternative Strategien werden „Geburtenregelung" oder „Familienplanung", der ,^ille zur Selbsthilfe" und mehr landwirtschaftliche Hilfe - unter anderem mit hohem Düngemitteleinsatz - statt Industrialisierung empfohlen. Tendenziell rassistische Züge kommen zum Ausdruck im Lob der südafrikanischen Entwicklungspolitik im Zeichen der Apartheid, die erfolgreicher sei (offenbar weil die Weißen hier die Entwicklung in die Hand nehmen und den Schwarzen zeigen, wie es geht).55 Ebenso rassistisch wirkt die Bemerkung, früher hätten „Seuchen und vor allem hohe Kindersterblichkeit die Zahl der Esser niedrig" gehalten, während heute die moderne Medizin „dem weißen Mann die Hilfe für die Dritte Welt zu einer Sisyphus-Arbeit" mache. Die Sichtweise der Dritte-Welt-Staaten wird nur knapp und ablehnend wiedergegeben: Diese meldeten sozusagen einen moralischen Anspruch auf Entwicklungshilfe als Reparation für koloniale Ausbeutung an und bezeichneten die vom SPIEGEL-Autor gelobten Bedingungen der USA und der Weltbank für die Vergabe von Krediten als Neo-Kolonialismus,56 DER SPIEGEL hatte sich auch 1961 als Sprachrohr der deutschen Stammtische hervorgetan, als er in einer Serie unter dem Titel „Die Bundesrepublik ein unterentwickeltes Land" die westdeutschen Defizite bei der öffentlichen Versorgung mit Krankenhäusern, Schulen, Universitäten und Straßen darstellte und diese Serie mit den Sätzen begann: „Fünf Milliarden Mark verteilt Bonn bis 1962 an unterentwickelte Nationen. Dabei ist die Bundesrepublik selbst - in Teilbereichen des öffentlichen Lebens - ein unterentwickeltes Land. Die Zivilisationsbauten, die für farbige Völkerstämme in Wüsten und im Dschungel mit Hilfe deutscher Steuergelder entstehen, werden auch in Westdeutschland dringend benötigt." (DER SPIEGEL (30.8.1961), H. 36, S. 32)
55
Offener äußert noch 1992 angesichts der Probleme in Südafrika ein Mitglied des „Traditionsverbands ehemaliger Schutz- und Überseetruppen" diese rassistische Haltung: „Was passiert, wenn keine Schutzmacht mehr in Afrika ist, sieht man ja jetzt in Südafrika, wo sich die verfeindeten Negerstämme gegenseitig bekriegen" (zit. nach FR 31.10.1992, S. 5). Im gleichen Zusammenhang war dieses Mitglied auch bemüht, das Stigmawort Kolonialismus zu rehabilitieren: „Der Kolonialismus sei von den Medien bisher stets verteufelt und falsch dargestellt worden. [...] [In] den afrikanischen Kolonien [des Kaiserreichs] [...] habe [damals] Ruhe und Ordnung geherrscht" (ebd.).
56
Vgl. DER SPIEGEL ( 9 . 1 0 . 1 9 6 7 ) , H . 4 2 , S. 9 8 - 1 1 3 ; ( 1 6 . 1 0 . 1 9 6 7 ) , H . 4 3 , S. 1 0 6 - 1 2 6 ( 2 3 . 1 0 . 1 9 6 7 ) , H . 4 4 , S. 1 0 0 - 1 0 2 .
und
Entwicklungspolitik
695
3. Entwicklungspolitische Themen und Terminologie nach 1968 Die oben erwähnte Kritik der Dritte-Welt-Staaten, die Politik der Industrienationen sei Neokolonialismus, wird in der BRD erst nach der 68erZäsur zunächst von der Studentenbewegung, dann seitens entwicklungspolitischer Aktionsgruppen und in den achtziger Jahren schließlich im Bundestag von den GRÜNEN mit ähnlichen Formulierungen eingenommen. Die Verantwortung für das Elend der Dritten Welt wird damit als Ergebnis der kolonialen Vergangenheit und der für die Dritte Welt ungerechten kapitalistischen Weltwirtschaftsstrukturen bewußt gemacht. Die Tatsache, daß diese Sichtweise sich erst seit der Zeit der Studentenbewegung und den Änderungen durch den Regierungswechsel von 1969 öffentlich verbreitet, erlaubt es, auch in diesem Themenbereich „1968" als Zäsur anzusetzen. In der offiziellen Entwicklungspolitik wird mit dem Amtsantritt Erhard Epplers als Entwicklungsminister 1968 und dem Beginn der sozial-liberalen Koalition 1969 dieser Wendepunkt angesetzt. Es wurde der Versuch gemacht, eine mehr an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer als an außen- und wirtschaftspolitischen Interessen der BRD orientierte Entwicklungspolitik zu betreiben. 57 Dies dürfte unter anderem eine Reaktion auf das durch die Studentenbewegung allmählich sich wandelnde öffentliche Bewußtsein sein. Die Aussagen der Studentenbewegung zur Entwicklungspolitik gipfelten aufgrund der Analyse der Eigeninteressen der Industrieländer, die mit dieser Politik eine verstärkte Ausbeutung der armen Länder und damit Imperialismus und Neokolonialismus betrieben, in der Parole „Zerschlagt die Entwicklungshilfe". 58 Neben dieser radikalen Forderung aber gab es auch Forderungen nach einer Umorientierung der Entwicklungspolitik, die im Eppler-Ministerium selbst vertreten wurden. Der SPD-Abgeordnete Brück konstatierte 1971 im Bundestag, früher sei (wohl mit Argumenten, wie sie der SPIEGEL-Bericht anführt) kritisiert worden, „daß wir zuviel Entwicklungshilfe leisteten". Gegenwärtig werde kritisiert, daß zu wenig Entwicklungshilfe geleistet und die Interessen der Entwicklungsländer nicht genügend berücksichtigt würden, „sondern zu sehr unsere eigenen Interessen" (BT 28.4.1971, S. 6727) im Vordergrund stünden.
57
58
Vgl. Nohlen 1984, S. 183f. Daß faktisch auch in Epplers Amtszeit sich an der konkreten Entwicklungspolitik nicht viel änderte und so die alte Politik nur mit neuen Begründungen fortgesetzt wurde, ändert nichts daran, daß seiner Politik „nicht das Verdienst abzusprechen [ist], Entwicklungspolitik neu begründet und Entwicklungshilfe uneigennütziger gemacht zu haben" (Nuscheier 1991, S. 235). Vgl. dazu Schloz 1979, S. 120 sowie Jung, Ludwig 1985, S. 21.
696
Kapitel 17
Ein solches gewandeltes Bewußtsein macht sich auch in der Motivation für entwicklungspolitische Arbeit und Entwicklungshelfer-Tätigkeiten bei einer Generation, die den kubanisch-bolivianischen Revolutionär Che Guevara zu ihren Idolen zählte, bemerkbar. Den Geist eines solchen Bewußtseins in der Aufbruchstimmung Anfang der siebziger Jahre verdeutlicht auch ein Mitarbeiter des BMZ, der 1970 auf einer Tagung über Schule und Dritte Welt ausführte: „Entwicklungshilfe [...] wird gerade im erfolgreichen Fall nicht friedfertige Einsichten in die Unvermeidlichkeit des Bestehenden, sondern Unzufriedenheit, Entrüstung und Willen zur Veränderung bewirken. Entwicklungshilfe produziert nicht Ruhe, sondern mehr Unruhe in der Welt [...]. Der Entwicklungspolitiker ist eher beunruhigt über jene Länder, in denen die Ruhe der gewohnten Verhältnisse, die Ordnung der auferlegten Machtzusammenhänge und die Grabesruhe des gewohnten Sterbens an Hunger, Krankheit und Ausbeutung nicht erschüttert werden." 59
Auch Entwicklungsminister Eppler äußert sich in einer Rede vor Entwicklungshelfern in ähnlichem Sinne und löst damit eine Kontroverse im Bundestag aus, die zeigt, daß die harmonische Übereinstimmung über die Ziele der Entwicklungspolitik der sechziger Jahre nicht mehr vorhanden ist. In dieser Rede hatte Eppler gesagt: „Der Entwicklungshelfer ist ein friedlicher Revolutionär [...]. Er steht angesichts von Ausbeutung und Unterprivilegierung auf der Seite derer, die sie zu überwinden trachten."60 Dieser Aufgabenbestimmung des Entwicklungshelfers als Revolutionär und damit auch der positiven Verwendungsweise des Wortes Revolutionär widerspricht der CDU/CSU-Abgeordnete Raser. Er bemüht sich, sein Verständnis von Revolutionär, in dem ihm die Verbindung mit dem Wort friedlich widersprüchlich ist, in der Bundestagsdebatte als das richtige Verständnis durchzusetzen und kritisiert Epplers Formulierung deshalb als „Sprachverwirrung" und „mißverständliches, unklares, zumindest dialektisches Gerede" (BT 28.4.1971, S.6777). „Friedlicher Revolutionär, das gibt jedenfalls nach unserem Sprachgebrauch keinen Sinn, mag es noch so sehr bei Repräsentanten unseres Staates Mode werden, revolutionäre Kraft zu beschwören. Wir halten von dieser Sprachverwirrung nichts. [...], ich nehme halt das Wort, das ich für eindeutig und unmißverständlich halte, und das ist für uns [...] der Begriff der Evolution, der allmählichen Verbesserung: mehr Gerechtigkeit auf friedlichem Wege und nicht durch Umsturz, was .Revolution' in deutscher Sprache nach wie vor bedeutet." (BT 28.4.1971, S. 6777)
Der SPD-Abgeordnete Collet verteidigt den Ausdruck friedlicher Revolutionär mit dem Selbst-Verständnis der jungen Entwicklungshelfer, „daß 59 60
Winfried Boll, zit. nach Sieberg 1977, S. 56. So zitiert vom CDU-Abgeordneten Raser im BT 28.4.1971, S. 6777.
Entwicklungspolitik
697
ein solcher Einsatz der sozialen Chancengleichheit zwischen den Ländern in Nord und Süd dient, aber auch der Überwindung der sozialen Unterschiede und der mangelnden Chancengleichheit innerhalb der Länder, in denen man tätig ist" (BT 28.4.1971, S. 6793). Diese öffentliche Auseinandersetzung um die Angemessenheit des Ausdrucks friedlicher Revolutionär scheint symptomatisch für die Polarisierung in diesem Politikbereich seit 1968-1970 zu sein. Das Ziel, das Massenelend der Dritten Welt mit radikaleren innergesellschaftlichen und weltwirtschaftlichen Maßnahmen zu bekämpfen, steht seitdem in einem entwicklungspolitisch interessierten Teil der Öffentlichkeit gegen die Strategien, die Probleme mit der verstärkten Einbindung in das kapitalistische Weltwirtschaftssystem zu lösen. Auf diese Differenzen soll anhand der Diskussionen im Bundestag in den achtziger Jahren noch eingegangen werden. Auf weltpolitischer sowie auf offizieller entwicklungspolitischer Ebene spielten in den siebziger Jahren die Begriffe Grundbedürfnisstrategie, Neue Weltwirtschaftsordnung und Nord-Süd-Konflikt eine wichtige Rolle.61 Der erste dieser Begriffe bezieht sich auf entwicklungspolitische Strategien der Industrieländer seit Anfang der siebziger Jahre: Es wurde erkannt, daß Elend und Armut in der Dritten Welt mit rein quantitativem wirtschaftlichen Wachstum - meßbar in Steigerungsraten des Bruttosozialproduktes - nicht überwunden werden könnte. Daraufhin wurden Ideen entwickelt, Entwicklungspolitik verstärkt an der Befriedigung der Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerungsschichten nach Nahrung, Kleidung, Wohnung und Arbeit auszurichten. Diese Grundbedürfnisstrategie als neues Konzept wurde von Weltbank-Präsident Robert McNamara 1973 in einer Rede in Nairobi bekanntgemacht62, vom US-Kongreß 1973 in neue Richtlinien für die Entwicklungspolitik aufgenommen63 und seit 1980 auch in den „Grundlinien" des bundesdeutschen BMZ übernommen.64 Auch wenn die Praxis der Entwicklungspolitik gerade im Zeichen neo-liberaler Wirtschaftspolitik anders aussieht, wird diese Strategie, auch in Konzepten wie „Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe", programmatisch weiter vertreten und bietet daher auch den Maßstab für eine Bewertung der Entwicklungspolitik.
61 62 63 64
Vgl. zum Beispiel D E R SPIEGEL (14.2.1977), H. 8, S . 19 (Nord-Süd-Konflikl); D E R SPIEGEL 25.4.1977), H. 18, S. 46 (Neue Weltivirtschafisordnung). Vgl. Nuscheier 1991, S. 25f. Vgl. May 1987, S. 9. Vgl. Nuscheier 1991, S. 237f. 1978 wollte das BMZ in der Giundbedürfnisstrategie „nichts substantiell Neues" sehen (vgl. ebd.). Im Rückblick zum 30jährigen Bestehen aber nennt es das Jahr 1978 als Zeitpunkt der „Einführung des GrundbedürfnisKonzeptes" (vgl. FR 14.11.1991, S. 9).
698
Kapitel 17
Die Diskussion um eine Neue Weltwirtschaftsordnung wird seit Anfang der siebziger Jahre von den Staaten der Dritten Welt mit dem Ziel gerechterer Welthandelsstrukturen geführt. 1974 verabschiedete die UNVollversammlung eine Grundsatzerklärung „Erklärung und Aktionsprogramm über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung". Die mit dieser neuen Weltwirtschaftsordnung verbundenen Forderungen wurden von den Industriestaaten zurückgewiesen, blieben aber zwanzig Jahre lang Bestandteil internationaler Konferenzen. Faktisch sind sie nicht einmal ansatzweise verwirklicht worden.65 Der CSU-Entwicklungsminister Spranger stellt 1993 erleichtert fest, daß „von einer ,neuen Weltwirtschaftsordnung' [...] heute niemand mehr rede" (FRANKFURTER RUNDSCHAU ( F R ) 14.1.1993, S. 1), und interpretiert dies als Fortschritt auch für die Entwicklungsländer. Die Diskussionen um die Forderungen nach einer neuen Wirtschaftsordnung und der Versuch des Zusammenschlusses der Dritte-WeltLänder gegen die Industriestaaten - um gemeinsame Interessen durchzusetzen - sind schließlich auch die Grundlage für den wichtigen Stellenwert, den seit 1973 der Ausdruck Nord-Süd-Konflikt und andere mit Nord-Süd gebildete Bezeichnungen in der entwicklungspolitischen Diskussion gewonnen haben.
4. Entwicklungspolitik nach der Wende·. Entwicklungszusammenarbeit und Politikdialog In der faktischen offiziellen bundesdeutschen Entwicklungspolitik schlossen sich schon die Schmidt-Regierung seit 1974 und verstärkt die CDU/CSU/FDP-Regierung nach der Wende von 1982 wieder den marktwirtschaftlich orientierten, auf Einbindung in die bestehenden weltwirtschaftlichen Strukturen und auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Strategien an. Schon die „25 Thesen zur Politik der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern" des SPD/FDP-Kabinetts von 1975, aber vor allem die regierungsseitige Selbstdarstellung nach der Wende 1982 hielten es wieder für richtig und notwendig, das wirtschaftliche Eigeninteresse der BRD66, privatwirtschaftliches Engagement und marktwirtschaftliche Ordnungsprinzipien, aber auch geostrategische Sicherheitsinteressen als Motive der Entwicklungszusammenarbeit anzuführen. Der 65 66
Vgl. Nuscheier 1991, S. 318-320. „Die Entwicklungspolitik der Bundesregierung unterliegt ebenso wie die anderen Politikbereiche dem grundgesetzlichen Auftrag, dem deutschen Volk zu nützen und Schaden von ihm zu wenden" (Punkt 34 der Grundlinien der Entwicklungspolitik der Bundesregierung vom April 1986, S. 21).
Entwicklungspolitik
699
Ausdruck Enttvicklungszusammenarbeit gehört wie die Schlagworte Beschäftigungswirksamkeit und Entstaatlichung oder die Forderung nach der Nahrung legitimer Eigeninteressen" und die Ablehnung einer „Tributpflicht" zur neuen Rhetorik der in den achtziger Jahren von der neuen Regierung nur wenig geänderten, aber neu formulierten Entwicklungspolitik. Enttvicklungszusammenarbeit wird in BMZ-Materialien sowie in Äußerungen von Unionspolitikern, besonders des jeweiligen „Entwicklungsministers" beständig an der Stelle benutzt, wo zuvor von Entwicklungshilfe gesprochen worden war. Die Tatsache, daß der Ausdruck Entwicklungszusammenarbeit im allgemeinen Sprachgebrauch immer noch völlig unüblich ist, zeigt, daß es sich bei ihm um eine offizielle programmatische Vokabel handelt, die offenbar die bundesdeutsche Entwicklungspolitik in einem durch den Ausdruck geförderten Blickwinkel erscheinen lassen soll. Das Grundwort Zusammenarbeit soll vermitteln, daß es sich bei dieser Politik um eine Partnerschaft, nicht um ein hierarchisches Verhältnis von Helfenden und Hilfsbedürftigen handelt, daß beide „Partner" gleichberechtigt sind. Unterstützt wird diese Sichtweise auch von dem zweiten offiziellen entwicklungspolitischen Schlagwort seit den achtziger Jahren, dem Wort Politikdialog. Gerade im Zeichen einer Entwicklungspolitik, die zu ihrem Ziel auch die Einflußnahme auf die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Nehmerländer erklärt - indem sie zum Beispiel die Schaffung „marktwirtschaftlicher Strukturen" zur Voraussetzung von Hilfeleistungen macht - , scheint die ständige Wiederholung solcher Gleichberechtigung, Gespräch und Partnerschaft suggerierender Schlagworte nützlich zu sein. Offiziell wird diese Ersetzung von Entwicklungshilfe durch Entwicklungszusammenarbeit mit der Betonung der gemeinsamen Verantwortung, der „gleichen Rechte und Pflichten" von Geber- und Nehmerländern begründet, während Entwicklungshilfe sich einseitig nach „Almosenpolitik" anhöre. Um mehr Ehrlichkeit war es I960 dem SPD-Abgeordneten Kalbitzer bei seiner Kritik am Ausdruck Entwicklungshilfe gegangen: Da die Bundesrepublik auch eigene Interessen verfolge, sei es unzutreffend, von Hilfe zu sprechen. Der Ausdruck Entwicklungshilfe stelle bei der tatsächlich gegebenen wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen „frommen Selbstbetrug" dar: „Nur darf man diese Zusammenarbeit nicht mit der moralischen Qualität der ,Hilfe' höher werten, als sie moralisch gesehen ist" (Kalbitzer im BT 22.6.1960, S.6811). Der „Begriff" Hilfe solle nur auf menschliche Bezirke beschränkt bleiben. Bei „Entwicklungsminister" Spranger hört sich das 1992 zwar ähnlich an, seine Inten67
Vgl. dazu Wesel 1991, S. 85f. und Nuscheier 1991, S. 240-242.
700
Kapitel 17
tion scheint aber doch eindeutiger auf der mit Entwicklungszusammenarbeit zu vermittelnden Suggestion gleichberechtigter Arbeit an einem gemeinsamen Problem zu liegen. Beide Bestandteile des Wortes möchte er auch in einem neuen Namen seines Ressorts vertreten sehen: „Dazu [zur Bewältigung globaler Probleme] eignet sich nichts besser als Entwicklungszusammenarbeit. Deshalb auch müssen wir wegkommen von dem einseitigen Begriff der .Entwicklungshilfe', die sich wie Almosenpolitik anhört, w o es in Wahrheit um Rechte und Pflichten auf beiden Seiten geht, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Mein Ressort hieße deshalb treffender: .Ministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit'." (Spranger (CSU) in FRANKFURTER RUNDSCHAU 21.4.1992, S. 4 )
Lange vor der Einführung von Entwicklungszusammenarbeit als Programmvokabel in der BRD ist das Wort offenbar schon in der Schweiz im Jahre 1973 offiziell benutzt worden.68 Das flankierende Schlagwort Politikdialog wird in einigen Kommentaren den unter diese Vokabel gefaßten Handlungsweisen gegenübergestellt, um es als Euphemismus zu entlarven: „Direkte politische Einflußnahme [wegen der .Selbstbedienung der Eliten' in den Entwicklungsländern] sei das Rezept, das der Minister empfahl. .Politikdialog' nannte er das, Kolonialismus hieß es früher."69 Nur durch distanzierende Anführungszeichen seine Sprachkritik kenntlich machend, beschreibt Nuscheier den ungleichen „Dialog": „Der .Politikdialog' offeriert den Kleinen und Schwachen in der Weltwirtschaft Zuckerbrot, wenn sie dem .Rat' der Rat- und Geldgeber aus dem Norden folgen, und die Peitsche, wenn sie sich nicht überzeugen lassen sollten" (Nuscheier 1991, S. 242)70. In den achtziger Jahren steht vor allem die Politik entwicklungspolitischer Aktionsgruppen, die sich im Parlament durch die GRÜNEN vertreten fühlen, in fundamentaler Opposition zu der mit den beschriebenen Schlagworten vermittelten Regierungspolitik. Neben der Unterstützung der von den Dritte-Welt-Ländern geforderten Neuen Weltwirtschaftsordnung bildet im Zuge der Schuldenkrise der Entwicklungs- und Schwellenländer das Verlangen nach Schuldenstreichung und Schuldenerlaß für diese Gruppen eine wichtige Forderung. Länderspezifisch stand seit 1979 der Name Nicaragua für den Versuch eines eigenständigen Entwicklungsweges, der auch durch die Bundesregierung bekämpft wurde, 68 69 70
Vgl. Glinz 1986, S. 45. FR-Beilage „Frankfurt und die Dritte Welt" 3-5.1990, S. IX. Bezogen auf die „neue Rhetorik" der Wenderegierung konstatiert Nuscheier als deren wichtigstes Ergebnis „eine entwicklungspolitische Gegenaufklärung, (die versucht], das durch die Dritte Welt-Solidaritätsbewegung mühsam aufgebaute Bewußtsein für historische und weltwirtschaftliche Zusammenhänge von Armut und Unterentwicklung, von Überfluß und Hunger wieder abzubauen und als Ausdruck des schlechten Gewissens zu stigmatisieren" (Nuscheier 1991, S. 244).
Entwicklungspolitik
701
weil er den eigenen wirtschaftlichen und bündnispolitischen Interessen entgegenstand. Anhand der US-Politik gegenüber Nicaragua und der Verweigerung der Auszahlung eines Entwicklungshilfekredits durch die Bundesregierung wurde in den achtziger Jahren sowohl im Bundestag wie in der entwicklungspolitisch interessierten Öffentlichkeit die entwicklungspolitische Auseinandersetzung paradigmatisch geführt. Das andere, durch die Tagungen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückte Thema der achtziger Jahre, das auch häufiger Anlaß zu Bundestagsdebatten war, war die Schuldenkrise der Dritten Welt, die zu der Bewertung der sogenannten 3- Entwicklungsdekade der UN als für die Dritte Welt verlorenes Jahrzehnt beitrug. In der Diskussion darum kritisieren die GRÜNEN im Bundestag und entwicklungspolitisch aktive außerparlamentarische Gruppen den technokratischen Sprachgebrauch der kapitalistischen Krisenmanager der großen Industriestaaten, der Banken und der internationalen Währungsinstitutionen: Sie fordern, daß die Folgen der Maßnahmen, die für die hochverschuldeten Länder vereinbart werden, für die betroffenen Menschen genau benannt werden. Sie bieten drastische „Übersetzungen" an für die in diesem Zusammenhang für die Dritte-Welt-Länder zum Zwecke der Zinsrückzahlung nötigen Vereinbarungen, Strukturanpassungen, Atempausen und Nachfragebeschränkungen·. „Für viele Menschen in diesen Ländern handelt es sich um einen Atemstillstand, und das für immer. Auf deutsch: Hungertod. Man sollte das ruhig einmal so nennen und nicht mit dem schönen Wort Atempause umschreiben. [...] Nachfragebeschränkung heißt für die Armen in den betreffenden Ländern oft Hunger und letztendlich Tod. Man kann das aber nur so ausdrücken, wenn man ein Interesse daran hat, daß jeder versteht, worum es eigentlich geht." 71
Auch die Bundesregierung ist in dieser Auseinandersetzung sprachsensibel geworden. Sie verteidigt ihre Politik der Unterstützung der IWFPolitik, die die GRÜNEN als „finanzpolitischen Kolonialismus"72 bezeichnen, damit, daß sie den von den GRÜNEN verwendeten Ausdruck der IWF-Auflagen zurückweist: „Der [...] wiederholt verwendete Begriff der Auflage ist irreführend."73 Für diese Position symptomatisch ist auch die Ablehnung des Ausdrucks Befreiungsbewegung für linke GuerillaGruppen in Dritte-Welt-Staaten, die in der Regel einen eigenständigen Entwicklungsweg verfolgen (Warnke, CSU: „Ich rede [...] nicht von irgendwelchen revolutionären sogenannten Befreiungsbewegungen", BT 71 72 73
Gottwald im BT 3.10.1984, S. 6358. Gottwald, ebd. Aus einem ministeriumsinternen Papier zitiert von Gottwald, ebd.
702
Kapitel 17
310.1984, S. 6342). Sowohl in der Formulierung der eigenen Politik wie in der Kritik am Sprachgebrauch des politischen Gegners zeigt sich in diesem Politikbereich in den achtziger Jahren eine geschärfte Sensibilität gegenüber der wirklichkeitskonstituierenden Kraft sprachlicher Benennungen.
5. Mythen um die Dritte Welt Eine interessante Erklärung für die Relevanz der sprachlichen Verarbeitung von Welterfahrung scheint darin zu liegen, den Einfluß sprachlicher Benennungen auf unsere Wahrnehmung von Welt, auf unsere Kategorisierung von Problemverhalten umso höher anzusetzen, je entfernter der Gegenstandsbereich, das Referenzobjekt der sprachlichen Ausdrücke von unserer unmittelbaren Lebenserfahrung ist. Das Eigentümliche am Thema „Dritte Welt" liegt darin, daß dieser Themenbereich von unserer direkten Lebenswelt so weit entfernt ist wie kaum ein anderer und daß er einen „extrem schwierigen Themenkomplex für die politische Wahrnehmung und Orientierung" (Wesel 1991, S. 67) darstellt. Vor diesem Hintergrund könnte eine gelungene sprachliche Darstellung der eigenen politischen Vorstellungen in diesem Bereich für das Bewußtsein von diesem Themenbereich besonders wirksam sein. Es sind besonders metaphorische Ausdrucksweisen, die unsere Wahrnehmung von politischen Problemen dieser Art beeinflussen und sich letztlich zu einem Mythos verdichten; Mythos wird dabei verstanden als „eine von einer großen Gruppe geteilte Überzeugung, die nicht hinterfragt wird und Ereignissen und Handlungen einen bestimmten Sinn verleiht"74, und der „eine überzeugende Geschichte erzählt, die mentale Bedürfnisse kanalisiert und befriedigt, indem sie Zusammenhänge herstellt und verständlich macht, Widersprüche integriert, Auswirkungen legitimiert, Urteile sanktioniert usf." (Wesel 1991, S. 71). In diesem Sinne betrachtet Wesel auch die Konzepte, die mit den Ausdrücken Entwicklung und Dritte Welt verbunden sind, als solche bewußtseinslenkende Mythen. Als wichtigste analysiert Wesel aber die folgenden, ganze Metaphernfelder bildenden Mythen, die im Themenbereich „Dritte Welt" seit Jahrzehnten eine Rolle spielen: Die „Überschwemmung/Eindämmungs"-Metaphorik bezogen auf Flüchtlingsbewegungen und Bevölkerungswachstum, die Metapher der Bevölkerungsexplosion75, den „Mythos des Hungers" als 74 75
Edelman 1976, S. 110, zit. nach Wesel 1991, S. 71. In jüngster Zeit wehren sich die Dritte-Welt-Länder gegen die mit diesem Schlagwort bei der Erklärung der Ursachen für Umweltprobleme ausgedrückte Schuldzuweisung an sie mit dem Schlagwort Konsumexplosion, mit dem dem überhöhten Ressourcen-
Entwicklungspolitik
703
Geißel der Menschheit zusammen mit der Vorstellung „zu viele Menschen/zu wenig Land", das Bild vom Teufelskreis der Armut?6 Als Konsequenz der in diesen Redeweisen sich ausdrückenden Denkstrukturen stellt Wesel fest: „Die herrschende Metaphorik objektiviert, naturalisiert und dämonisiert die .Dritte Welt' und entpolitisiert sie dadurch" (ebd., 5. 7 9 ) .
In dieser durchgängigen Wahrnehmung der Dritten Welt in solchen Mythen stellt aber auch Wesel im Laufe der bundesrepublikanischen Geschichte einen Wandel fest, der mit den hier erzielten Analyseergebnissen kompatibel ist und diese an einigen Stellen erweitert. Der Wandel vollzieht sich „von der noch naiv-interessierten Eroberung einer terra-incognita in der Anfangszeit bundesdeutschen Entwicklungsdenkens, über die tendenziell optimistisch-fortschrittsfrohe Vereinnahmung der .jungen Nationen' [...] parallel zur Erfahrung des erfolgreichen Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders, sowie über eine erstmals problem- und krisenbewußte Reformstimmung seit Ende der sechziger Jahre, oszillierend zwischen Revolutionseuphorie und Machbarkeitsideologie, bis zur Abwehr-Reaktion auf Bedrohungsängste seit Mitte der siebziger J a h r e nach Ölschock und weltwirtschaftlicher Flaute u n d zur B e s c h w ö r u n g einer eher geschäftsmäßigen .Normalität' im Umg a n g mit d e n .Entwicklungsländern', parallel zur .Wende'-Philosophie in B o n n u n d zur Verschuldungs-Dauerkrise'". (Wesel 1991. S. 82f.)
6. Neuere Diskussionen um nachhaltige Entwicklung und Völkerwanderungen In den letzten Jahren ist die Dritte Welt vor allem im Rahmen von globalen Umweltproblemen sowie von Flüchtlings- und Wanderungsbewegungen wahrgenommen worden. Diese Probleme beherrschen auch die heutigen Diskussionen um den Nord-Süd-Konflikt. Ihre wichtigsten Schlagwörter sind nachhaltige Entwicklung und Völkerwanderung. Als zusätzliche neue Gesichtspunkte treten Anfang der neunziger Jahre die ökonomischen Probleme der ehemaligen Ostblockländer in den hier behandelten Themenkreis, indem deren Zuordnung als neue Entwicklungsländer bzw. Zweite Dritte Welt diskutiert wird. Zudem wird unter den Stichworten Treuhandschaft und Rekolonialisierung über die Ein-
76
verbrauch der Industrieländer die Verantwortung für weltweite Umweltprobleme zugewiesen werden soll (vgl. FR 5.5.1992, S. 6 und FR 15.6.1993, S. 6). Vgl. Wesel 1991, S. 71-73.
704
Kapitel 17
mischung der Industriestaaten oder der UNO in die Ereignisse vor allem in Staaten Afrikas diskutiert. Durch das Bewußtwerden von Klimaveränderungen durch weltweit sich auswirkende lokale menschliche Eingriffe traten seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre Umweltprobleme auch unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungspolitik ins öffentliche Bewußtsein. 77 Den vorläufigen Höhepunkt der öffentlichen Inszenierung und Wahrnehmung dieses Zusammenhangs bildete die im Juni 1992 in Rio de Janeiro veranstaltete UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED). Als wichtigste Schlagworte, die sich als Programmvokabeln bezüglich dieses Zusammenhangs weltweit und in der BRD etabliert haben, haben sich dabei neue attributive Zusammensetzungen mit dem Grundwort Entwicklung erwiesen. Der englische Ausdruck sustainable development wird auf internationaler Ebene seit 1987 als Programmvokabel genutzt 78 ; er ist auch der zentrale Ausdruck der Rio-Erklärung und der sogenannten Agenda 21, den offiziellen Abschlußdokumenten der genannten UN-Konferenz. Im Deutschen wird er als nachhaltige Entwicklung oder als dauerhafte Entwicklung wiedergegeben. Eine auf der Rio-Konferenz eingerichtete UN-Kommission trägt die Bezeichnung Kommission für nachhaltige Entwicklung.79 Mit diesem Ausdruck sollen Entwicklungsbemühungen zum Programm erklärt werden, die die aktuellen wirtschaftlichen Bedürfnisse der Entwicklungsländer befriedigen und dies nicht auf Kosten der Umwelt und damit der Lebensgrundlagen künftiger Generationen erreichen 80 : Gemeint ist zum Beispiel, tropischen Regenwald nicht flächendeckend abzuholzen, sondern wirtschaftlich zu nutzen, ohne ihn zu zerstören. Angesichts dessen, was beispielsweise von der Weltbank unter diesem neuen Schlagwort gefördert wird, wird das neue Schlagwort von Dritte-Welt-Vertretem schon als „Etikettenschwindel" verurteilt. Unter diesem Etikett würden die gleichen Projekte wie zuvor gefördert und durchgeführt. 81 In der Bundesrepublik wird dieses neue internationale Schlagwort auch als umweltverträgliche Entwicklung in die Selbstdarstellung der Entwicklungspolitik übertragen. 82 Ganz im Sinne der Entivicklungszusammenarbeit propagiert die Bundes-
77 78 79 80 81 82
Das BMZ schreibt sich die „Umweltorientierung" seiner Planungen seit 1984 zugute (vgl. FR 14.11.1993, S. 9). Erstmals im sogenannten Brundtland-Bericht (vgl. FR 19-5.1992, S. 6). Vgl. FR 19.5.1992, S. 6 und 15.6.1992, S. 1. „Dauerhafte Entwicklung 1st Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können" (Brundtland-Bericht, zit. nach FR 19 5.1992, S. 6). Vgl. FR 19.5.1992, S. 6. Vgl. FR 20.3.1992, S. 5.
Entwicklungspolitik
705
regierung als Mittel für eine solche „Entwicklung" eine ιveltweite Umweltpartnerschaf't.8} Neben den Klimaveränderungen gehören Flüchtlingsbewegungen aus den Ländern der ärmeren Welt zu den direkten Anlässen, durch die die bundesdeutsche Öffentlichkeit Probleme dieser Länder wahrnimmt. Daß beide Aspekte als zusammengehöriges Problem wahrgenommen werden, zeigt sich etwa in dem Ausdruck Umiveltflüchtlinge, der in diesem Zusammenhang ab und zu für Flüchtlinge aus Entwicklungsländern benutzt wird.84 Wanderungsbewegungen (FR 14.1.1993, S. 1) und Völkerwanderung (FR 17.4.1993, S. 1) sind die Schlagworte, mit denen - neben der schon erwähnten Flut-Metaphorik - über das beobachtete Phänomen gesprochen wird und die direkt als durch die Entwicklungspolitik zu lösende Probleme dargestellt werden: „Entwicklungshilfe soll Wanderungsbewegungen einschränken" (FR 14.1.1993, S. 1). Solche Flüchtlingsbewegungen sind in Deutschland auch ein Aspekt, unter dem die ökonomischen und politischen Probleme der Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie der ehemaligen Ostblockstaaten wahrgenommen werden; sie stellen ja die Staaten dar, die bis 1989/90 als (selten so genannte, aber in der Verwendung von Dritte Welt präsupponierte) Zweite Welt galten. Der Wegfall der Kriterien, die diese Länder zur Zweiten Welt machten, und damit der Wegfall des Referenzobjekts für Zweite Welt führt nun in den letzten Jahren zu Überlegungen, den Referenzbereich der Ausdrücke Entwicklungsländer und Dritte Welt um diese Länder der Zweiten Welt zu erweitern. Eine solche Erweiterung des Referenzbereichs hat nicht nur Konsequenzen für unsere Wahrnehmung und Kategorisierung anderer Länder, sondern hat für diese Länder zum Teil auch sehr praktische Konsequenzen bezüglich der Bedingungen für finanzielle Unterstützungsleistungen aus den westlichen Industriestaaten.85 Da offensichtlich der Referenzbereich der alten Ausdrücke in unserer Wahrnehmung doch recht festgelegt ist, werden sprachliche Differenzierungen mittels Attribuierung getroffen, indem etwa den klassischen, alten (FR 29 9 1993, S. 3) oder herkömmlichen Entwicklungsländern (FR 24.1.1993, S. 3) die GUS-Staaten als neue Entwicklungsländer oder sprachspielerisch als Zweite Dritte Welt (FR 24.1.1993, S. 3) gegenübergestellt werden. Gegen die Möglichkeit, diese Länder unter der Bezeichnung Entwicklungsländer zu subsumieren, scheint aber auch die als negativ empfundene Bedeutung dieses Ausdrucks zu sprechen. Jedenfalls will anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels 1992 Fi83 84 85
Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Politik. Informationen aus Bonn. Nr. 6, November 1991, S. 2. Vgl. etwa FR 5-51992, S. 6. Vgl. FR 7.8.1992, S. 9-
706
Kapitel 17
nanzstaatssekretär Horst Köhler die GUS-Staaten nicht als Entwicklungsländer sehen: „Denn die östlichen Reformstaaten sind keine Entwicklungsländer und ihr Selbstwertgefühl ist ein pflegsam zu behandelnder Aktivposten."86 Neben den Problemen, die die Industrienationen direkt betreffen Umweltzerstörung und Flüchtlingsbewegungen - haben kriegerische Auseinandersetzungen und Hungerkatastrophen besonders in Afrika in den westlichen Industrienationen dazu beigetragen, eine traditionelle Sichtweise der Probleme der Dritten Welt wiederzubeleben. Sie geht davon aus, daß diese ihre Probleme nur mit massiver, nicht nur wirtschaftlicher Hilfe des Westens lösen kann. Dieser Blickwinkel führt zum einen zu einer „Rekolonialisierung eines Kontinents [Afrikas] in unseren Medienbildern", die sich zum Beispiel in einem SPIEGEL-Titel „ElendsKontinent Afrika - Rettung durch die Weißen?" oder in einem Artikel im Magazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mit der Überschrift „Überlaßt Afrika nicht den Afrikanern" zeigt. In letzterem wird gefordert, „daß Afrika die ,Zustimmung zur Entmündigung' zu geben habe und dann ,unter Kuratel' gestellt werden müsse"87. Zum anderen führt dieser Blickwinkel zu einer entwicklungspolitischen Diskussion über eine „Treuhandschaft der Länder des Nordens" für Krisenregionen des Südens einschließlich „internationaler Eingreiftruppe" und „partieller und zeitweiser Einschränkung der Souveränität" der betroffenen Länder.88 Für das sich in solchen Vorschlägen ausdrückende westliche Wahrnehmungsmuster der Dritten Welt sind in jüngster Zeit vor allem die Ereignisse in Somalia und ihre mediale Vermittlung prototypisch gewesen. Innenpolitisch wichtig wird eine solche Wahrnehmung in Diskussionen über die Ermöglichung von weltweiten Bundeswehreinsätzen im Rahmen von UN-Aktionen, die sich mit dem Hinweis auf eine globale Verantwortung gegenüber den Menschen in solchen Krisenregionen „humanitär" begründen lassen. In diesem Zusammenhang hat sich in der Bundesrepublik auch der Referenzbereich eines Ausdrucks wie globale Verantwortung von Problemen der Entwicklungspolitik auf Probleme im Zusammenhang mit Militäreinsätzen verlagert. Dies betont etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Ingomar Hauchler, wenn er „die globalen Aufgaben" der BRD als solche einer sinnvollen Entwicklungspolitik ansieht und beklagt, daß die Regierung „unter globaler Verantwortung hauptsächlich ihre Beteiligung an 86 87 88
Zit. nach FR 4.7.1992, S. 9Hans Groffebert: Wanderer, kommst du nach Afrika. Die Rekolonialisierung eines Kontinents in unseren Medienbildern (FR 24.8.1993, S. 10). Ulrich Menzel: Die Hilfe hilft nichts, Treuhandschaft wäre ein Weg (FR 3.6.1991, S. 9). Vgl. auch die Kritik an diesem Vorschlag in FR 7.12.1991, S. 10; FR 28.12.1991, S. 5; FR Silvester 1991, S. 5; FR 28.2.1992, S. 9 sowie die Replik Menzels darauf in FR 2.4.1992, S. 19.
707
Entwicklungspolitik
internationalen
Militäreinsätzen
versteht"
(FRANKFURTER
RUNDSCHAU
5 . 3 . 1 9 9 3 , S. 5).
7. Von Negern, Volksstämmen und der Entdeckung Amerikas Ein letztes sprachliches Phänomen, das in dem hier behandelten Themenbereich erwähnenswert ist, sind seit der Kolonialzeit überkommene Bezeichnungen, die zum Teil schon einen Sprachwandel erfahren haben, zum Teil aber auch unreflektiert weiter benutzt werden und nur vereinzelt von sprachsensiblen Sprechern und Sprecherinnen thematisiert werden. Ein solcher Sprachwandel ist festzustellen bezüglich der Bezeichnung aus Dritte-Welt-Ländern stammender, dunkelhäutiger Menschen als Neger. Die Bewußtwerdung des pejorativen, abwertenden Gebrauchs der Bezeichnung Neger im öffendichen Sprachgebrauch, die zur Vermeidung der Bezeichnung führte, läßt sich anhand der Berichterstattung der RHEINISCHEN POST gut nachvollziehen. Während der Ausdruck Neger und mit ihm gebildete Komposita in den fünfziger Jahren fast ausschließlich und ohne bewußte Abwertung verwendet werden 89 - nur selten wird Farbiger als Alternative, zum Teil aber auch mit anderer Extension, nämlich als Oberbegriff für Nicht-Weiße benutzt - , scheinen 1962 beide Ausdrücke gleich häufig benutzt zu werden, wobei Neger eher in explizit negativen Kontexten auftaucht. Aber auch in den sechziger Jahren wird weiterhin Neger neben Farbiger verwendet. Dabei läßt zum Beispiel die freundliche Bezeichnung Demonstrationen der Farbigen im Vergleich zur im gleichen Monat verwendeten Bezeichnung Neger-Aufruhr (März 1965) - beides in Zusammenhang mit den sogenannten Rassenunruhen in den USA - bereits auf die Entwicklung schließen, die dem Ausdruck Neger im Vergleich zu den alternativen Bezeichnungen Farbiger und Schwarzer einen eindeutig negativen Klang verleiht. Dieser führt schließlich dazu, daß der Ausdruck Neger heute als explizite Diffamierungsvokabel fungiert und im öffentlichen Sprachgebrauch außer bei den Rechtsextremen vermieden wird. In der RHEINISCHEN POST ist diese Vermeidung bis auf einige Ausnahmen 1974 vollzogen. Farbiger hat sich durchgesetzt, während heute Schwarzer die übliche Bezeichnung ist (zum Beispiel bei Berichten über Südafrika), wohl weil mit diesem Ausdruck eindeutiger auf die schwarze Bevölkerung referiert werden kann 89
Die Bezeichnung Buscbneger im Kontext der überraschten Feststellung, daß diese bei einer internationalen Konferenz nicht mit Messern im Mund herumlaufen, läßt aber durchaus auf negative Assoziationen in der Einstellung gegenüber den mit Neger bezeichneten Personen schließen (vgl. RP 4.1.1958).
708
Kapitel 17
im Unterschied zur „farbigen" Bevölkerung, zu der zum Beispiel in Südafrika Inder und Mischlinge gerechnet werden. Andere Bezeichnungen, die mit der Dritten Welt zu tun haben, werden bis heute weitgehend unreflektiert im öffentlichen Sprachgebrauch benutzt; in jüngster Zeit werden sie aber auch vereinzelt problematisiert, vor allem im Kontext der Erinnerungen an den 500. Jahrestag der Landung Kolumbus' in Amerika im Jahre 1492. Die konventionalisierte Bezeichnung für dieses Ereignis, die Entdeckung Amerikas, wird besonders von den Nachkommen der damals „Entdeckten" sowie von Kritikern der bis heute dominierenden „Entdecker"-Nachfahren bzw. der Industrienationen in diesen Ländern als einseitige euro-zentrische Sichtweise abgelehnt. Ebenso wird das europäische Motto der Erinnerungsfeierlichkeiten Begegnung zweier Kulturen als die historischen Ereignisse verniedlichend kritisiert: „Noch heute ist die Rede von der .Entdeckung Amerikas', wie wenn man in der Alten Welt ignorieren wollte, daß auf diesem Kontinent vor dem Eintreffen der Spanier große Kulturen und Zivilisationen existierten. Das zeugt von kolonialistischem Denken. Andere verniedlichen die Eroberung und Unterwerfung der hiesigen Völker als .Begegnung von zwei Kulturen'. Und das ist eine Heuchelei. [...] 1492 war der Auftakt zu einer 90 Invasion."
Auch die Bezeichnungen der Nachfahren der hier angesprochenen Hochkulturen als Ureinwohner und Eingeborene91 werden im Zusammenhang mit der Berichterstattung über diesen 500. Jahrestag von einem Leserbriefschreiber thematisiert, indem er die Implikationen solcher Bezeichnungen unter anderem mit der Übertragung ihres Referenzobjekts auf europäische Verhältnisse bewußtmacht: R e i c h e Assoziationen kommen dem Autor, der Redaktion oder den Leserinnen und Lesern beim Begriff des Eingeborenen? Welche Bilder verbinden sie mit Ureinwohnern? Dies ist die Sprache des weißen Herrenmenschen, der in seiner Borniertheit die kolonisierten Völker nur noch wahrnimmt als ,steinzeitlich' (Ureinwohner), als ,unzivilisierte Wilde' (Eingeborene), als der Natur eher denn der Kultur zugehörig [...]. [...] niemand käme auf den Gedanken, den spanischen König Juan Carlos als iberischen Ureinwohner zu bezeichnen oder aber ,echte Frankfurter' als Eingeborene des Rhein-Main-Gebietes. u92
Aus ähnlichen Motiven und ebenfalls mit einer Übertragung des Ausdrucks auf Europa kritisiert eine weitere Leserbriefschreiberin die Ver90 91 92
Der Ecuadorianer Luis Maldonado in einem Interview in der FR 14.10.1991, S. 8. Vgl. auch FR 15.4.1992, S. 8 und FR 12.10.1992, S. 3. Zum Beispiel in den FR-Aitikeln vom 12.10.1992, S. 1 (Titel: „Ureinwohner wollen ihr eigenes Amerika wiederentdecken") und 13.10.1992, S. 1 (Untertitel: „Ureinwohner demonstrierten in vielen Orten Südamerikas gegen Kolumbus-Feiern"). Leserbrief von Harald Heiskel (Frankfurt a. M.) in FR 21.10.1992, S. 10.
Entwicklungspolitik
709
wendung des Wortes Stamm in Berichten über Unruhen in Afrika. Dieses Wort vermittle ein euro-zentrisches, kolonial geprägtes Weltbild und werde von den Betroffenen als abwertend empfunden: „Haben Sie sich schon einmal überlegt, wieso niemand im Zusammenhang Jugoslawien, Basken, Schotten vs. Engländern oder anderen Beispielen aus Europa von .Stammeskonflikten' und ,Stammeskriegen' redet' [...] Aus meinen Kontakten mit Afrikanerinnen weiß ich, daß auch diese die Begriffe ,Stamm' oder ,tribe' meist als abwertend empfinden. In Afrika gibt es so sehr oder so wenig .Stämme' wie in Europa. Ich möchte daher empfehlen, den mit Abwertung besetzten Begriff .Stamm' nicht mehr zu verwenden und würde eine Terminologie vorschlagen, wie sie in [gemeint ist wohl: für] Europa verwendet wird."93 Der in den zuletzt zitierten Leserbriefen gewünschte Sprachwandel dürfte allerdings gerade vor dem Hintergrund der zuvor geschilderten verbreiteten Wahrnehmungsmuster von Ereignissen in der Dritten Welt noch in weiter Ferne liegen. (Martin Wengeler)
Beleg- und Stichwörter • Apartheid
Eine- Welt-Laden
•
Eingeborene
Atempausen
• Atemstillstand
Entdeckung Amerikas
• Auflagen
Entwicklung
•
• Begegnung zweier Kulturen
Entwicklungsdekade Entwicklungshelfer als friedlicher Revolutionär
•
Entwicklungshilfe
•
Bandung-Konferenz Befreiungsbewegungen Bevölkerungsexplosion
• BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Entwicklungshilfeministerium)
Entwicklungshilfeländer
• Che Guevara
Entwicklungspolitik
Entwicklungsländer Entwicklungsminister
• dauerhafte Entwicklung
Entwicklungszusammenarbeit
• Deutscher Entwicklungsdienst
Familienplanung
• Drei-Viertel-Welt
Farbiger
• Dritte Kraft
finanzpolitischer
• Dritte Welt
friedlicher Revolutionär
Kolonialismus
• Dritter Block
Geburtenregelung
• Dritter Weg
globale Verantwortung
• Eine Welt
goldenes Bett
93
Leserbrief von Ellen Gutzier (Stuttgart) in FR 10.6.1992, S. 23.
710
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Grundbedürfnisstrategie Heilige Kühe Hilfe zur Selbsthilfe Hungertod Imperialismus IWF kolonial koloniale Ausbeutung koloniale Herrschaft Kolonialismus Kolonialpolitik Kolonialschule Kolonialwarenladen least developed countries (LLDC) Massenelend Nachfragebeschränkungen nachhaltige Entwicklung Neger neo-kolonial(istisch) Neokolonialismus neue Entwicklungsländer neue Länder Afewe Weltwirtschaftordnung Newly Industrializing Countries Nord-Süd-Dialog Nord-Süd-Kommission Nord-Süd-Konflikt Ost-West-Konflikt
Kapitel 17
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Politikdialog potentielles Entwicklungsland Rassenunruhen Rekolonialtsierung Rio-Erklärung rückständige Länder Schuldenerlaß Schuldenkrise Schuldenstreichung Schwarzer Schwellenländer Strukturanpassungen sustainable development Teufelskreis der Armut Treuhandschaft Trikont Überschuldung Umweltflüchtlinge umweltverträgliche Entwicklung unterentwickelt gehaltene Länder unterentwickelte Länder Vierte We/i Völkerwanderung Volksstämme weltweite Umweltpartnerschaft Zweite Dritte Welt Zweite Welt
Multikulturelle Gesellschaft oder Ausländer raus? Der sprachliche Umgang mit der Einwanderung seit 1945 1. Displaced Persons, Flüchtlinge und Heimatvertriebene / 2. FremdarbeiterGastarbeiter- ausländische Arbeitnehmer / 3. Das Gastarbeiterproblem in den 70er Jahren / 4. Einwanderungsland, multikulturelle Gesellschaft, ausländische Mitbürger, Überfremdung / 5. Die Asyl-Diskussion der 80er/90er Jahre: Asylmißbrauch, Asylanten, Wirtschaftsflüchtlinge und Wwi-Metaphorik / 6. Schlußbemerkung
Die vor ungefähr 50 Jahren einsetzende Bevölkerungsbewegung von Ost nach West ist von der Sprachgeschichtsschreibung des Deutschen unter zwei pauschalen Gesichtspunkten analysiert worden: der lexikalischen Mischung von Ausdrücken der regionalen Umgangssprachen und der Aufwertung der Hochsprache als Einheitssprache oberhalb der regionalen Dialektbindung.1 Von der Sprachgeschichtsschreibung unbeachtet blieben bisher die öffentlichen Bezeichnungen und Bewertungen der nach Westdeutschland - anfangs vor allem aus dem Osten, später auch aus dem Süden — Zuwandernden beziehungsweise die Bezeichnungen der in der Bundesrepublik lebenden nicht-einheimischen Bevölkerung.2 Über die im Zusammenhang mit der Einwanderung auftretenden und diskutierten Begrifflichkeiten will das folgende Kapitel einen Überblick geben.
1. Displaced Persons, Flüchtlinge und Heimatvertriebene Was die Alliierten im Potsdamer Abkommen euphemistisch als „Überführung deutscher Bevölkerungsteile" und .Ausweisung Deutscher aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn" bezeichnet hatten, hat sich im öffentlichen Bewußtsein unter der Bezeichnung Vertreibung etabliert. Diese Bezeichnung subsumiert in der Regel die von der Geschichtsschreibung unterschiedenen Stadien der Nachkriegs-Ost-West-Wanderung „Flucht, Zwangsausweisung und Umsiedlung" (Kleßmann 1986, 5. 40), durch die seit 1944/45 zwölf Millionen Menschen zusätzlich in 1 2
Vgl. dazu Steger 1989, S. 5. Wenn auch Bezeichnungen wie Flüchtlinge, Heimatvertriebene, Neubürger, Gastarbeiter oder Asylanten von Sprachwissenschaftlern öfters thematisiert worden sind.
712
Kapitel 18
Westdeutschland aufgenommen werden mußten. In der frühen Nachkriegszeit kamen zu dieser Bevölkerungsgruppe noch die Gruppen der Evakuierten (am 1.4.1947 drei Millionen Menschen in allen vier Zonen), die aus den bombardierten Städten aufs Land gebracht worden waren, und der Displaced Persons (DP's) hinzu. Bei letzteren handelt es sich um Personen, die während des Krieges aus den besetzten Ländern nach Deutschland zwangsverschleppt oder durch deutsche Kriegsmaßnahmen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen worden waren. Diese Personengruppe, die in Nazi-Deutschland auch als Fremdarbeiter bezeichnet wurde, hatte zumeist als Zwangsarbeiter in Deutschland leben müssen. Sie war nach Kriegsende befreit worden und konnte in ihre Heimat zurückkehren. Während bei Kriegsende ihre Anzahl noch auf 8—10 Millionen geschätzt wurde3, waren im Oktober 1945 noch 1,5 Millionen und im Frühjahr 1947 noch etwa 1 Million dieser Menschen in Westdeutschland. „In der politischen Praxis der Nachkriegszeit blieb jedoch der Begriff ,DP' nicht auf die Zwangsarbeiter beschränkt, sondern erfuhr durch sogenannte .Nachkriegsflüchtlinge' - vorwiegend Juden - eine [...] Ausweitung. Als DP's wurden schließlich ganz verschiedene Gruppen von Ausländern bezeichnet, deren gemeinsames Kennzeichen nur noch darin bestand, daß die Alliierten, vor allem die Amerikaner, von ihnen annahmen, Opfer deutscher Politik gewesen zu sein." (Müller 1990, S. 15)
Diese Personengruppe, ihre Repatriierung und die Integration der nicht in ihre Heimat zurückkehrenden DP's war für die Besatzungsmächte ein großes Problem, und sie wurde von der deutschen Bevölkerung mit großem Mißtrauen und Vorurteilen angesehen und als Sicherheitsrisiko empfunden.4 Für die Besatzungsmächte war Ende 1946 „aus dem DP-Problem ein echtes internationales Flüchtlingsproblem" (Institut für Besatzungsfragen 1950, S. 2) geworden. Als Konsequenz daraus wurde die International 3 4
Andere Quellen geben auf der Grundlage von Statistiken der Westalliierten 5 846 000 von den Westalliierten befreite ausländische Arbeitskräfte an (vgl. Müller 1990, S. 11 und 15). Was z.T. auf realen Erfahrungen aufgrund von Plünderungen und Gewaltdelikten dieser Personengruppe nach ihrer Befreiung beruht, zu einem anderen Teil aber die Kontinuität der rassistischen Hinstellung vor allem gegenüber den Ostarbeitern zeigt. So schreibt etwa der Oberbürgermeister der Stadt Ulm am 4.6.1945 an den zuständigen US-Oberst „wegen der Russen- und Polenplage" (abgedruckt bei Müller 1990, S. 13). Ein Beispiel aus der Presse für die Ablehnung dieser Personengruppe: „Das oftmals asoziale Treiben jener dunklen Gestalten fand nicht nur Ablehnung in den eigenen Reihen, in denen sich die Anständigen distanzierten, sondern eine Welle des Leids und der Erbitterung ging durch die gepeinigte Bevölkerung, die meist ohnmächtig solchem Tun gegenüberstehen mußte" (NECKAR-ECHO 21.6.1950, zit. nach Müller 1990, S. Il6f.). Vgl. auch DER SPIEGEL (29 5.1948), H. 22, S. 13: „Europas verlorene Legion" und Zentner 1954, Bd. I, S. 96.
Einwanderungspolitik
713
Refugees Organisation (IRÒ) gegründet. Sie kümmerte sich um die Integration der echten Flüchtlinge in Deutschland, während die echten DP's in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Ab 1.7.1950 wurden die noch verbliebenen DP's deutschen Verwaltungsorganen unterstellt. Sie sollten, jetzt als heimatlose Ausländer bezeichnet5, den Deutschen völlig gleichgestellt werden. Die mißtrauische Haltung gegenüber den echten Flüchtlingen seitens der deutschen Bevölkerung scheint mit der Haltung gegenüber den Flüchtlingen seit 1980 durchaus vergleichbar.6 Aber auch die Haltung gegenüber den deutschen Flüchtlingen (wie sie in den ersten Nachkriegsjahren fast ausschließlich bezeichnet wurden7) aus dem Osten war nicht so freundlich, wie es heute Politiker angesichts der Ablehnung auch deutschstämmiger Aussiedler gerne behaupten. Angesichts eigener materieller Not und Wohnungsnot wurden die für die Flüchdinge nötigen Wohnungsbeschlagnahmen, Umquartierungen und Einweisungen, die vom Wohnungseinweiser vorgenommen wurden8, als lästig empfunden, und es fehlte die Eingliederungsbereitschaft, da auch viele Einheimische und Bombengeschädigte in Notwohnungen leben mußten. Den Akzent der Zugewanderten imitierend und ihre unterstellte Großgrundbesitzer-Herkunft ironisierend wurden diese als Flischtlinge und mit dem ,Adels"-Zusatz van driben bezeichnet. In einem SPIEGELBericht aus dem Jahre 1947 über polnische Pläne, weitere 400000 Deutsche auszuweisen, wurden Warnungen vor einem Hexenkessel und vor Überbevölkerung in Restdeutschland zitiert.9 Es wurde vorgeschlagen, im Westen nur noch politische Flüchtlinge aufzunehmen. Die unzureichende Integration der Flüchtlinge änderte sich erst allmählich ab 1950 mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Westdeutschlands, zu dem die oft gut ausgebildeten Flüchtlinge beitrugen10, und mit der politischen Interessenvertretung der sich zusammenschließenden Flüchtlingsgruppen. Ein Faktor und Indikator dieser zunehmenden Integration und des zunehmenden Einflusses war die Ablösung der in den ersten Nach5 6
7 8 9
10
Vgl. Jacobmeyer 1985. Vgl. zu den DP's Kleßmann 1986, S. 4 2 - 4 4 und Institut für Besatzungsfragen 1950. Bis zum Herbst 1945 waren die meisten West- und Südeuropäer sowie sowjetische Staatsbürger, diese oft gegen ihren Willen, repatriiert. Die größte DP-Gruppe bildeten seitdem die Polen, gefolgt von Balten und Ukrainern (vgl. Müller 1990, S. 18 und Jacobmeyer 1985, S. 84). Vgl. Nahm 1959, S. 145 und Mackensen 1959, S. 263ff. Vgl. Dokument 14 bei Kleßmann 1986, S. 359ff. „Polen beabsichtigt jedoch, auch die restlichen 400000 Deutschen aus den Ostgebieten auszuweisen. Wohin, wird nicht mitgeteilt. Auch die Tschechoslowakei hat die Ausweisungen wieder aufgenommen. Damit werden die letzten der etwa zehn Millionen Deutschen aus dem Osten den Weg in den überbevölkerten Hexenkessel .Restdeutschland' antreten" (DER SPIEGEL (13 5.1947), H. 18, S. 14). Vgl. Herbert 1986, S. 182.
714
Kapitel 18
kriegsjahren gängigen öffentlichen Sammelbezeichnung Flüchtlinge durch die Ausdrücke Vertriebene und Heimatvertriebene, bei deren Gebrauch der Zwangs- und Unrechtscharakter der Zuwanderung nach Westdeutschland stärker ins Bewußtsein gerückt wurde. Dieser Bezeichnungswandel wurde von den betroffenen Menschen schon sehr früh betrieben und mit sprachthematisierenden Erörterungen gefördert. Dabei wird dem Begriff Flüchtling das Bedeutungsmerkmal .Freiwilligkeit' und zum Teil auch .Heimlichkeit' zugeordnet, um die Ablehnung des Wortes als unerwünschte Selbstbezeichnung zu rechtfertigen.11 Es gibt auch Belege, die darauf hindeuten, daß Flüchtlinge in jenen Nachkriegsjahren mit den Assoziationen .unsozial' und unanständig' verbunden wurde. „K. V. Müller, Heimatvertriebene Jugend, Kitzingen a. Main 1953, S. 146 berichtet von einem Gespräch: ,Ist das ein Flüchtlingslager?' - ,Nein! Hier wohnen lauter anständige Leute!' Beamte und gehobene Wirtschaftler ließen sich nicht gern als Flüchtling bezeichnen." (Mackensen 1959, S. 264, Anmerkung 193)
Während die US-Militärregierung schon am 10.4.1946 verwaltungstechnisch zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen unterschied12, wurde von Vertriebenen selbst aufgrund solcher Überlegungen die Bezeichnung Flüchtling abgelehnt und schließlich als offizielle Sprachregelung Vertriebene beziehungsweise Heimatvertriebene durchgesetzt. ,yiele ziehen es vor, sich selbst nicht .Flüchtlinge', sondern Vertriebene zu nennen, weil sie dies Wort als dem wahren Sachverhalt besser entsprechend betrachten."13 Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen beschloß so schon am 11.8.1947, die „Festsetzungen einheitlicher Begriffsbestimmungen für den Flüchtlingsbegriff" voranzutreiben. Diese Festsetzung mündete dann in die Definition von Vertriebenen und Heimatvertriebenen im Bundesvertriebenengesetz, das am 19.5 1953 mit dem Namen „Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG)" verabschiedet wurde. Zur öffentlichen Etablierung beider Ausdrücke trugen neben diesem gesetzgeberischen Gebrauch folgende Faktoren bei: Seit 1950/51 trat der Bund für Heimatvertriebene und Entrechtete (BHE)U erfolgreich bei Landtagsund Bundestagswahlen an; schon die erste Bundesregierung erhielt ein 11 12 13 14
Vgl. die Definition „Flüchtlinge sind solche Personen, die ihre Heimat gegen ihren eigentlichen Willen, aber kraft eigenen Entschlusses und vor einer drohenden Gefahr heimlich verlassen haben" (Külz 1950, S. 8, zit. nach Mackensen 1959, S. 264). Vgl. Nahm 1959, S. 145. KÖLNER UNIVERSITATS-ZEITUNG 7.11.1947, zit. nach Mackensen 1959, S. 264, Anm. 193. Im Januar 1950 in Kiel gegründet (vgl. Kleßmann 1986, S. 242).
Einwanderungspolitik
715
„Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte"15; die Vertriebenenverbände (1949 wurde der Zentralverband der Vertriebenen gegründet16) verschafften sich eine Lobby in den großen Parteien und konnten sehr bald die Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes erreichen, bei dessen Diskussion die mögliche politische und soziale Radikalisierung der Flüchtlinge erfolgreich als Argument für den Lastenausgleich beschworen wurde.1 Die Tatsache der Verdrängung von Flüchtling durch Vertriebene beziehungsweise Heimatvertriebene wird in späteren sprachkritischen Beiträgen als erfolgreiche sprachpolitische Aktivität der 40er/50er Jahre festgehalten.18 Mackensen stellt allerdings 1959 fest, daß in der Umgangssprache der Ausdruck FlüchtlingCe) vom Ausdruck Vertriebene(r) nicht verdrängt worden sei. Er macht dafür sprachstrukturelle Gründe wie die Eignung des Worts Flüchtling zur Kompositabildung verantwortlich. Dagegen hätten sich das Adjektiv heimatvertrieben und das Substantiv Vertreibung leichter als das substantivierte Partizip Vertriebener im Sprachgebrauch etabliert.19 Im veröffentlichten Sprachgebrauch aber scheint der Ausdruck Flüchtlinge in den 50er Jahren zunehmend, vor allem aber seit dem Mauerbau 1961 und den damit verbundenen Gefahren der Flucht, der Bezeichnung der aus der DDR Zuwandernden vorbehalten zu sein. Die Vertriebenen aber etablierten sich in der BRD nicht nur, sondern behielten mit ihrer Interessenpolitik auch in den folgenden Jahrzehnten beträchtlichen Einfluß auf die Politik, vor allem über die Unionsparteien, was sich z.B. bei ihrem Widerstand gegen die Ostverträge der 70er Jahre und gegen die endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze noch 1990/91 zeigt. Ihr Einfluß geht allerdings allmählich zurück. Von den politischen Gegnern wurden die Funktionäre der Vertriebenen bereits 1959 als Berufsvertriebene bezeichnet.20 Mit diesem Stigmawort soll den bezeichneten Personen der im Grundwort Vertriebene implizierte 15 16 17 18
19 20
Vgl. Wieland 1968. Vgl. ebd. Vgl. zum Wort Lastenausgleich das Kapitel über Wirtschaftspolitik" in diesem Band. „In der Bundesrepublik Deutschland hat es sich durchgesetzt, von Heimatvertriebenen zu sprechen. Uns ist dieses Wort so sehr geläufig, daß wir nicht mehr das Bewußtsein haben, etwas Politisches zu tun, wenn wir es gebrauchen. Gerade darin aber besteht die politische Leistung derjenigen, die das Wort .Heimatvertriebene' erfolgreich durchgesetzt haben. Dieses Wort hat unverkennbar einen präzisen politischen Sinn. Es verbindet die Erinnerung an die Heimat mit der Betonung der illegitimen Gewaltsamkeit des Exodus, und es konserviert so in Verbindung mit dem politischen Neologismus .Heimatrecht' den Anspruch auf Rückkehr in die genannten Gebiete." (Lübbe 1967, S. 360); vgl. auch Graben 1976, S. 42. Vgl. Mackensen 1959, S. 265. „Die Nazi-Mentalität der Berufs-Vertriebenen triumphiert unbegrenzt, wenn es gegen den Osten geht" (Jens Daniel ( - Rudolf Augstein): „Bayreuth in Bonn", in: DER SPIEGEL (12.8.1959), H. 33, S> 13).
716
Kapitel 18
historische und soziale Status in seiner aktuellen Berechtigung abgesprochen werden, indem dieser Status durch das Bestimmungswort Beruf diskreditiert wird. Diese Bezeichnung ist seitdem als Stigmawort in politischen Diskussionen immer wieder vor allem gegen die Funktionäre der Vertriebenenverbände verwendet worden.
2. Fremdarbeiter- Gastarbeiter- ausländische Arbeitnehmer Eine neue Gruppe von Nicht-Einheimischen kam in der Bundesrepublik mit dem Erreichen der Vollbeschäftigung in der zweiten Hälfte der 50er Jahre und noch einmal verstärkt seit dem Mauerbau 1961 und der dadurch ausfallenden Zuwanderung von Arbeitskräften aus der DDR hinzu. Nachdem seit Ende 1954 deutlich wurde, daß in einzelnen Branchen und Regionen ein Arbeitskräftemangel zu befürchten sein werde, wurde in Ministerien, Parteien und Gewerkschaften die Möglichkeit diskutiert, ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen. So wurde am 22.12.1955 das erste Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Italien geschlossen, durch das festgelegt wurde, daß eine deutsche Anwerbekommission der Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitskräfte in Italien aussuchte.21 Da bis 1959 die Zahl der in Deutschland arbeitenden Ausländer nur 50000 erreichte, blieb diese Einwanderung ein öffentlich relativ wenig diskutiertes Phänomen. Interessant ist aber, daß gerade in Zeitungsmeldungen, also in der öffentlichen Rezeption, diese Arbeiter häufiger mit dem Wort Fremdarbeiter bezeichnet wurden.22 In den Kriegsjahren waren die nach Deutschland verschleppten und dort arbeitenden Zwangsarbeiter mit der Vokabel Fremdarbeiter bezeichnet worden, so daß die Wiederaufnahme der Bezeichnung in den Zeitungen von wenig sprachsensibler historischer Reflexion zeugt. In den seltenen parlamentarischen Äußerungen zu diesem Thema sowie im amtssprachlichen Gebrauch wurde allerdings in der Regel von ausländischen Arbeitskräften/Arbeitern, italienischen Arbeitskräften oder Ausländern gesprochen.23 Der Ausdruck Fremdarbeiter für die ausländischen Arbeiter scheint aber öffentlich zumindest so weit gebräuchlich zu sein, daß die RHEINISCHE POST ( R P ) zur Zeit der nach dem Mauerbau24 einsetzenden verstärkten Zuwanderung von ausländischen Arbeitern aus 21 22
Vgl. Herbert 1986, S. 191. Z.B. HAMBURGER ECHO 10.11.1954: „Fremdarbeiter statt Rekruten" (vgl. Herbert 1986,
23
Ausnahme: Der SPD-Abgeordnete Neumann am 17.2.1955 im Bundestag. Er will „[...] vor 1957 an den Einsatz von Fremdarbeitern in Deutschland überhaupt nicht [...] denken" (BT 17.2.1955, S. 3396). Durch den die Zuwanderung von Arbeitskräften aus der DDR gestoppt wurde.
24
S. 1 9 0 ) ; RHEINISCHE POST ( R P ) 6 . 1 2 . 1 9 5 5 : „ F r e m d a r b e i t e r n u r i m Notfall".
Einwanderungspolitik
717
Südeuropa die Ersetzung der Bezeichnung Fremdarbeiter durch das „viel schönere und angemessenere Wort .Gastarbeiter'" konstatiert und dies mit dem sprachkritischen Hinweis begrüßt, das Wort habe „die häßliche an Kriegszeiten und Zwangsarbeit erinnernde Bezeichnung .Fremdarbeiter'" (RP 7.9.1961) abgelöst. Der Zeitungsbericht belegt auch, daß die Bezeichnung Gastarbeiter schon seit einiger Zeit eingeführt ist.25 Von dieser Zeit an (I96O/6I) bis zur Mitte der 70er Jahre ist Gastarbeiter die primäre Bezeichnung der in Deutschland lebenden und arbeitenden ausländischen Menschen. In Gastarbeiter spiegelt sich (durch das Grundwort Arbeiter) sowohl in angemessener Weise die Perspektive der Deutschen allgemein und der deutschen Wirtschaft insbesondere (der Ausländer als einfacher Arbeiter in Deutschland) als auch die soziale Realität der in Deutschland vor allem arbeitenden, aber hier kaum im eigentlichen Sinn lebenden Menschen.26 Im gleichen RP-Artikel von 196I findet sich schon eine sprachkritische Remotivierung des Ausdrucks Gastarbeiter; die in den folgenden Jahren immer wieder zu beobachten ist. Diese Remotivierung geschieht unter verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Zielsetzungen, und sie bezieht sich ausschließlich auf das Bestimmungswort Gast. Die ersten Remotivierungen des Ausdrucks geschehen noch mit der Zielsetzung, eine menschenwürdige, höfliche Behandlung, wie sie einem Gast zukommt, einzuklagen. Dabei wird der Ausdruck schon als unangemessen abgelehnt, weil den so bezeichneten Ausländern eine solche Behandlung als Gast nicht zuteil werde. In der RHEINISCHEN POST heißt es: „Daß dem Wort [Gastarbeiter] oft die Tat nicht folgt, liegt vielleicht am Lauf der Welt [...], jedenfalls finden die fleißigen Südländer nördlich der Alpen [...] Wohnverhältnisse vor, die im südlichen Kalabrien für manche von ihnen wohl der Grund des Aufbruchs nach Norden waren." (RP 7.9.1961)
Die schlechten Wohnverhältnisse der Ausländer werden also hier mit Bezug auf das Wort Gast kritisiert. 1966 bereits schlägt der Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber (BDA), Siegfried Balke, einen Ersatzausdruck für Gastarbeiter vor, weil die diesen Menschen übertragene Arbeit einem Gast nicht zugemutet werde: „Man sollte nicht mehr von Gastarbeitern sprechen. Richtig ist: ausländische Arbeitnehmer. Denn wir können die Ausländer nicht als Gäste an-
25 26
Der Ausdruck Gastarbeiter soll schon im Großen Herder von 1954 erstmals verzeichnet sein (vgl. dazu Niehr 1993, S. 198). Es ist bezeichnend, daß Statusbezeichnungen wie Gastangestellte nicht existieren.
718
Kapitel 18
sehen, weil einem Gast in der Regel nicht zugemutet wird, Arbeit zu verrichten, die man selbst nicht zu leisten vermag oder gewillt ist."27
Damit schlug der Arbeitgeber-Präsident die Bezeichnung vor, die zwar in den 60er Jahren neben ausländische Arbeitskräfte, Ausländer, Gastarbeiter sowie den Herkunftsbezeichnungen Italiener, Griechen etc. auch gebraucht wurde, in den 70er Jahren aber als offizielle Ersatzbezeichnung für Gastarbeiter in der politischen Diskussion und in den Medien verwendet wurde, zumindest in Kontexten, in denen es um die berufliche Tätigkeit der Ausländer ging. Trotz der Zunahme der Zahl der Gastarbeiter in den 60er Jahren war „die Ausländerbeschäftigung nicht Gegenstand sonderlicher Aufmerksamkeit" (Herbert 1986, S. 210). Die Gastarbeiter kamen tatsächlich noch vor allem zum Arbeiten, der Familiennachzug war noch gering, sie wohnten in billigen, beengten und oft in schlechtem Zustand befindlichen Gemeinschaftsunterkünften. Die Wohnverhältnisse waren auch häufiger Thema öffentlicher Berichterstattung, wobei die ausbeuterischen Praktiken der Wohnungsvermieter angeklagt wurden. Soziale Vorurteile seitens der deutschen Bevölkerung spiegelten sich in abwertenden Bezeichnungen für die in dieser Zeit stärkste Ausländergruppe der Italiener (Itakas, Spaghettis oder Makkaronis) sowie in der Bezeichnung Katzeimacher wider.28 Aber erst mit der ersten Rezession in der BRD 1966/67 kamen verstärkt fremdenfeindliche Stimmungen zum Tragen. Die NPD, die in der Zeit von 1966 bis 1968 in sieben Landtage einzog, machte „Parolen der Ausländerfeindlichkeit in größerem Umfang publik" (Herbert 1986, S. 208). In der Presse wird nach einer Phase der „Goodwill-Informationen über die ,Gastarbeiter'" (Delgado 1970, S. 126) vor allem negativ berichtet, „sobald es um die Sicherung des Arbeitsplatzes für die einheimische Bevölkerung ging" (ebd.), und Kritik an den Gastarbeitern wurde „zur beifallsträchtigen Passage in jeder Wahlkampfrede" (Herbert 1986, S. 209f ): „Seit etwa einem Jahr kann man in fast jeder politischen Veranstaltung auf bundesdeutschem Boden Beifall erzielen, wenn man sich nur recht abfällig über die Gastarbeiter äußert", schrieb die ABENDZEITUNG NÜRNBERG am 5.5.1966. Solche frühen Ressentiments gegen Ausländer wurden von der wohlmeinenden Presse wieder häufiger auch mit der Reflexion des Wortes Gastarbeiter kritisch kommentiert. So rekurrieren zwei Presseorgane auf die Ähnlichkeit der Bezeichnungen Fremdarbeiter und Gastarbeiter, um zu kritisieren, daß die Behandlung der Ausländer eher an die Behand27 28
KÖLNISCHE RUNDSCHAU 26.4.1966, zit. nach Delgado 1970, S. 9. B e l e g e z . B . in RHEINISCHER MERKUR 19-2.1960, Artikel „Fremdarbeiter".
Einwanderungspolitik
719
lung der Fremdarbeiter erinnere: ,Aber ehrlich eingestanden, etwas von dem ungewissen, unbestimmbaren, nur mit Mühe verborgenen Unbehagen, das durch das Wort .Fremdarbeiter' ausgelöst wurde, ist geblieben."29 ^ffer aus Gastarbeitern, die unsere Sozialprodukte wieder mehren und unseren Lebensstandard sichern helfen, .Fremdarbeiter' macht, ist unserer europäischen Gesellschaft feindlich gesonnen."30 Mit Bezug auf den Ausdruck Gastarbeiter wird auch festgestellt, „daß die ausländischen Arbeitnehmer wohl als Arbeiter, aber nicht als ,Gäste willkommen sind' (METTMANNER
ZEITUNG
28.6.1966;
KIRCHENZEITUNG
BISTUM
KÖLN
(Delgado 1 9 7 0 , S. 1 0 ) . Und ein anderer Journalist berichtet, die zuständigen Behörden würden den Ausdruck Gast lieber vermeiden, um die ausländischen Arbeiter als gleichberechtigte .Arbeitsbürger" zu kennzeichnen, die „längst keine Gäste mehr sind."31 10.4.1966)"
So kommt es Anfang der 70er Jahre, ausgelöst von solchen sprachkritischen Überlegungen und den mit dem Wort Gastarbeiter verbundenen Stimmungen, in den Medien zu Überlegungen, den Ausdruck zu ersetzen. Hatte die RHEINISCHE POST 1961 Gastarbeiter noch als „schöneres und angemesseneres Wort" für Fremdarbeiter begrüßt, so begründet sie die Suche nach einer neuen Bezeichnung 1970 damit, daß mit Gastarbeiter eine Minderheit „eher gezeichnet als bezeichnet" (RP 912.1970) werde.32 Im November 1970 hatte der WDR mit großem Aufwand ein Preisausschreiben durchgeführt, um ein Wort für Gastarbeiter zu finden, das zu einem besseren Image der Bezeichneten beitragen sollte. Das Ergebnis dieses Preisausschreibens war das wiederum als „schöneres und angemesseneres" (RP 2312.1970) Wort gelobte ausländische Arbeitnehmer. Daneben aber kamen in den Zuschriften in vielfältigen abwertenden Bezeichnungen die Ressentiments der deutschen Bevölkerung zum Ausdruck. Die Ausländer wurden z.B. als Kameltreiber; Gaukler, Arbeitsplatzräuber und Parasiten bezeichnet. Daß der Ausdruck Gastarbeiter in den 70er Jahren zunehmend außer Gebrauch kam, hat wohl eher mit den realen Entwicklungen der Einwanderung in die BRD als mit solchen sprachpflegerischen Bemühungen zu tun. Während nach Abklingen der ersten bundesdeutschen Rezession Gastarbeiter wieder zur Arbeit in der BRD angeworben worden waren,
29 30 31
32
MÜNSTERSCHE ZEITUNG 2.4.1966, zit. nach Delgado 1970, S. 9. HANDELSBLATT 16.2.1967, Titel „Fremd- statt Gastarbeiter?" RECKLINGHAUSER ZEITUNG 3 . 1 2 . 1 9 6 6 , zit. n a c h D e l g a d o 1 9 7 0 , S . 1 0 .
Zum Charakter von Gastarbeiter als abwertendes Schlagwort Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre vgl. Niehr 1993, S. 198ff. Dort finden sich zur Verwendung von Gastarbeiter auch einige zusätzliche interessante Belege aus dieser Zeit.
720
Kapitel 18
erhöhte sich kontinuierlich die Aufenthaltsdauer der in der BRD arbeitenden Menschen. In den 70er Jahren setzte verstärkt der Familiennachzug ein, und mit der Wirtschaftskrise 1973 wurden die ausländischen Arbeiter als Arbeitsplatzkonkurrenten erlebt, ihre Anzahl wurde zunehmend als Problem empfunden. Die BRD sah sich mit dem Problem konfrontiert, das Max Frisch einmal prägnant so ausdrückte: ,^ir erwarteten Arbeitskräfte, und es kamen Menschen."33 Da es für diese de-facto-Einwanderung keine politischen Konzepte gab und gibt, geriet das Thema .Ausländer' seit 1970 immer mal wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung, bis hin zu den Gewalttaten gegen Ausländer seit Mitte 1991. Über welche Probleme dabei mit welchen Bezeichnungen gestritten wurde, und wie im weiteren Verlauf die betroffenen Menschen bezeichnet wurden, darüber soll der folgende Abschnitt informieren.
3. Das Gastarbeiterproblem in den 70er Jahren Im Rahmen einer SPIEGEL-Serie von 1970 über „sozial benachteiligte Gruppen in der Bundesrepublik" ist ein Artikel den Gastarbeitern (nicht den Ausländem) gewidmet. Zahlreiche Komposita mit Gastarbeiter in diesem Artikel (Gastarbeiter-Wohnung, Gastarbeiter-Treffpunkt etc.) zeigen, daß das Wort der 1970 übliche Ausdruck für in der BRD lebende Ausländer war. In dem Artikel wird der Ausdruck wiederum genutzt, um die schlechte Behandlung und die schlechte soziale Lage der Ausländer zu beklagen. Die Existenz der Gastarbeiter in der BRD strafe „die Vokabel .Gastarbeiter' Lügen": „Gastarbeiter sind in Deutschland keine Gäste. Sie bekommen nichts geschenkt, sie genießen keine Vorrechte, eingeladen sind sie nur zum Produktionsprozeß. Sie dürfen arbeiten [...]."34 Die Remotivierung des Wortbestandteils Gast wird also genutzt, um die schlechte Lage der mit Gastarbeiter bezeichneten Menschen deutlich zu machen und damit auch die Vokabel als unangemessen auszuweisen. Das hindert den Autor nicht, sie weiter zu benutzen, was ebenfalls auf ihre Konventionalität in dieser Zeit verweist. Im gleichen Artikel wird bereits festgestellt, daß „immer mehr Gastarbeiter in ihrem unwirtlichen Gastland" bleiben und so die Tendenz bestehe, „daß aus Gastarbeitern Dauergäste werden, Staatsbürger also vielleicht".35
33
Hier zit. nach Delgado 1970, S. 127.
34 35
DER SPIEGEL ( 1 9 . 1 0 . 1 9 7 0 ) , H. 43, S. 57. DER SPIEGEL ( 1 9 . 1 0 . 1 9 7 0 ) , H. 43, S. 7 4 .
Einwanderungspolitik
721
Damit sind zwei Stichworte angesprochen, die in der Diskussion um Ausländer seither eine große Rolle spielen. Die Diskussion um Integration der Ausländer in die bundesdeutsche Gesellschaft wurde unter diesem Schlagwort vor allem in den 70er Jahren geführt und mündete seit Ende der 70er Jahre in die Diskussion, ob die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei. In der politischen Diskussion der 80er Jahre zeigt sich, daß die Annahme oder Zurückweisung der Prädikation Einwanderungsland mit weitreichenden politischen, gesellschaftlichen und gesetzgeberischen Folgen verbunden ist. Die vom SPIEGEL schon 1970 angedeutete Tendenz, daß Gastarbeiter zu Staatsbürgern werden könnten, wird in späteren Jahren politisch in der Diskussion um das kommunale Wahlrecht für Ausländer und sprachlich in der Diskussion, ob Ausländer als Mitbürger zu bezeichnen seien, brisant. Zunächst aber sind für die erste Hälfte der 70er Jahre Entwicklungen festzuhalten, die die ablehnende Haltung der Bundesdeutschen gegenüber Fremden fördern und die einige gesetzliche Maßnahmen mit interessanten Bezeichnungen auslösen. Sie führen zu einer Zurückdrängung des alltags- und öffentlichkeitssprachlichen Gebrauchs von Gastarbeiter durch die Verwendung von Ausländer oder die die zahlenstärkste ausländische Gruppe spezifizierende Bezeichnung Türken. „Seit Ende Januar 1972 waren die Türken die größte unter den nationalen Gruppen der Gastarbeiter" (Herbert 1986, S. 216). Während die Zahl der erwerbstätigen Ausländer - unter anderem in Folge des am 23-11.1973 verfügten Anwerbestopp für Ausländer aus Nicht -EG-Ländern - abnahm, stieg durch Familiennachzug und längeren Aufenthalt die ausländische Wohnbevölkerung kontinuierlich an. Mit politischen Maßnahmen wie Aniverbestopp und Konzepten wie dem Rotationsprinzip für ausländische Arbeitnehmer, das diesen nur befristete Arbeitsverträge und Aufenthaltsgenehmigungen zuweisen wollte, nach deren Ablauf ihre Arbeitskraft durch andere ausländische Arbeiter ersetzt werden sollte, wurde weiterhin an der Illusion festgehalten, ausländische Arbeitnehmer könnten beliebig als „Lückenbüßer der Wohlstandsgesellschaft"36 oder als „Kulis der Konjunktur"37 eingesetzt werden, ohne daß die Politik sich um ihre sonstigen Lebensbedingungen kümmern müsse. Noch 1975 erschien ein Sammelband, der die Probleme der Ausländer im Titel auf solche verengt, die mit dem Einsatz ihrer Arbeitskraft zusammenhängen: „Das Gastarbeiterproblem. Rotation? Integration? Arbeitsplatzverlagerung?"38
36 37
38
Wirtschaftsorgan DER VOLKSWIRT laut DER SPIEGEL (19.10.1970), H. 43, S. 57. DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT l a u t D E R SPIEGEL ( 1 9 - 1 0 . 1 9 7 0 ) , H . 4 3 , S . 5 7 .
Hrsg. von W. Althammer (vgl. Herbert 1986, S. 263).
722
Kapitel 18
Das Kompositum Gastarbeiterproblem stellt eine der nun genutzten sprachlichen Möglichkeiten dar, die Einwanderung von Ausländern im öffentlichen Bewußtsein als ein Problem zu konstituieren. Das gleiche geschieht in den 80er Jahren mit den ständig wiederholten Aussagen zum Asylantenproblem, zur Asylantenfrage und zum Ausländerproblem. Durch solche Komposita werden die angesprochenen Menschen für das öffentliche Bewußtsein in der Weise kategorisiert, daß ihre Anwesenheit als ein zu lösendes Problem aufgefaßt wird.39 Ein stärkeres sprachliches Mittel zur Konstituierung eines ProblemSachverhalts ist allerdings die spätestens seit 1973 im Zusammenhang mit der Einwanderung verwendete Flut-Metaphorik, die den Zuzug von Ausländern als bedrohlich für die Deutschen erscheinen läßt.40 Zustrom und Welle sind die im Vergleich zur Flut der 80er Jahre noch etwas weniger bedrohlich wirkenden Metaphern, die verwendet werden: „Neue Ausländer-Zuzugswelle", „DIHT warnt vor Gastarbeiter-Zustrom - 1985 sieben Millionen Ausländer", „Auf Schulen und Kindergärten rollt zur Zeit eine Welle ausländischer Kinder zu", „Damm gegenüber .Invasion' der Türken", „Invasion der Türkenkinder - Neue Ausländer-Zuzugswelle"41. Neben der Wasser-Metaphorik und dem militärischen Ausdruck Invasion verweisen die Zitate auch auf die oben genannte These, daß sich seit Mitte der 70er Jahre die Bezeichnungen Ausländer und (spezifizierend) Türken im öffentlichen Sprachgebrauch gegenüber dem seltener werdenden Ausdruck Gastarbeiter durchsetzen. Dies dürfte vor allem auf die reale Situation der Nicht-Deutschen als inzwischen in der BRD nicht nur arbeitenden, sondern auch lebenden Menschen zurückzuführen sein. Daß die Blickrichtung auf Ausländer als ein Problem in der BRDGesellschaft sich seit Mitte der 70er Jahre auf Türken konzentrierte, liegt vor allem daran, daß die Türken seitdem die größte Anzahl unter den nationalen Gruppen darstellten. Zur öffentlichen Wahrnehmung der türkischen Bevölkerung als Problem trug auch eine große SpiEGEL-Titel39
40 41
Diesen Aspekt trifft auch Erhard Eppler bei seiner Reflexion über die Redeweise vom „Probleme lösen" in der Politik: JOCer etwas als Problem definiert, darf sich nicht wundern, wenn auf Losungen gedrängt wird." (Eppler 1992, S. 159). Seine sachliche Alternative zum Probleme lösen, die auf das hier behandelte Thema gemünzt ist, formuliert er folgendermaßen: „Gibt es hier ein .Problem', das zu lösen wäre [...], oder eine höchst gefahrliche Wirklichkeit, mit der jede Politik auf lange Zeit leben, mit der jede Politik rechnen, leidlich zurechtkommen und .umgehen' muß?" (Ebd., S. 156f.). Damit zielt Eppler auf ein anderes als das von mir genannte „Problem": Die Redeweise vom „Probleme lösen" verstelle den Blick auf einen realitätsgerechteren Umgang mit politischen Themen (vgl. ebd., S. 155-161). Vgl. auch unten zur Asyl-Diskussion die dort angegebene Literatur zur Flut-Metaphorik. RP 1.2.1973, 8.8.1973, 8.2.1975, 12.4.1975, 1.2.1975.
Einwanderungspolitik
723
geschichte vom 30. Juli 1973 „Gettos in Deutschland - Eine Million Türken" bei, die schon in der Überschrift, wenn auch in zitatanzeigenden Anführungszeichen, die (im Text wieder verwendete) Invasion der Türken suggeriert: „Die Türken kommen - rette sich, wer kann".42 DER SPIEGEL beschwört weitere durch die Einwanderung von Türken hervorgerufene unlösbare Probleme (in der Türkei stünden 1,2 Mill. Menschen auf den Wartelisten der Anwerber, „eine Reserve, die von 1976 an, [...], tatsächlich über die Bundesrepublik kommen könnte"43) und erörtert vor allem das Problem der Getto-Bildung in deutschen Großstädten. Auffällig sind die mit dem Bestandteil Türken gebildeten Komposita (Türkenfahnen, Türkenstärke, Kleinst-Türken, Türken-Kolonie, Türkenladen, Türkenwohnung, Türkenkneipe, Türkenmertel, Türken-Angehörige, Türkengetto, Türken-Berater, Türkenfestungeri), die offenbar nicht abwertend gemeint sind, sondern als neutrale, sprachökonomisch gebildete Bezeichnungen fungieren. Im Zuge der seitdem entstandenen Türkenfeindlichkeit und zeitweise grassierender TürkenWitze haben solche Komposita heute einen abwertenden Klang. Wer diese Sachverhalte nicht-wertend bezeichnen will, verwendet heute das Adjektiv-Attribut türkisch. Das Wort Gastarbeiter wird in diesem Artikel wiederum in einer Remotivierung genutzt, um die Ausländerpolitik der Bundesrepublik zu kritisieren: Die der Vokabel entsprechende Sicht des nur vorübergehenden Aufenthalts in der Bundesrepublik werde von der Politik - trotz der offiziellen Bezeichnungsänderung zu ausländische Arbeitnehmer zur Grundlage ihres Handelns gemacht: „Die Legende von den .Gastarbeitern' hat sich noch nicht dadurch erledigt, daß die Behörden die irreführende Vokabel aufgegeben haben und nun von .ausländischen Arbeitnehmern' sprechen. Geblieben ist die amtlich immer noch genährte Fiktion, die Fremden in der Bundesrepublik gastierten gewissermaßen nur t...]." 45
Trotz solcher politisch reflektierter Überlegungen ist der Artikel geeignet, Ängste der Bevölkerung vor türkischer Zuwanderung wachzuhalten bzw. zu schüren, was sich im Leserbriefecho zeigt, wo unter anderem die Vernichtung der „Existenz unseres Volkes von unten her" und die Eroberung Berlins durch die Türken beschworen wird.46
42
DER SPIEGEL ( 3 0 . 7 . 1 9 7 3 ) , H . 3 1 , S. 2 4 .
43 44
Ebd., S. 25. Ein Wort, das in einem Buch von 1983 als „neudeutsche Wortschöpfung" bezeichnet wird (Bade 1983, S. 105).
45 46
DER SPIEGEL ( 3 0 . 7 . 1 9 7 3 ) , H . 3 1 , S. 2 6 . DER SPIEGEL ( 1 3 . 8 . 1 9 7 3 ) , H . 3 3 , S. Ii.
724
Kapitel 18
Dieser SpiEGEL-Artikel von 1973 kann insofern als für diese Zeit symptomatisch angesehen werden, als seit 1973 mit der ersten Ölkrise eine Änderung in der Ausländerpolitik zu verzeichnen ist: Zum einen sollte wegen der wirtschaftlichen Krise der Zuzug weiterer Ausländer gestoppt werden (Anwerbestopp), zum anderen war man bestrebt, die Lebensbedingungen der hier lebenden Ausländer (deren Probleme eben auch in dem SpiEGEL-Artikel verdeutlicht werden) zu verbessern. Der Gettoisierung sollten Zuzugssperren für Ausländer in Wohngebiete mit hohem Ausländeranteil entgegensteuern. Diese wurden Mitte der 70er Jahre erlassen und ab Ende der 70er Jahre wieder aufgehoben.47 Vor allem aber wurde die Integration der Ausländer zur neuen Zielperspektive, „ohne daß über den Inhalt dieses Begriffs wirkliche Übereinstimmung bestanden hätte" (Herbert 1986, S. 226).
4. Einwanderungsland, multikulturelle Gesellschaft, ausländische Mitbürger; Überfremdung Interessanter als Integration scheinen das von 1977 bis heute umstrittene Wort Einwanderungsland sowie der Ausdruck multikulturelle Gesellschaft zu sein. In Konsequenz der seit 1974 geltenden Leitlinie der Bundesregierung „Eingliederung ja - Einwanderung nein", die Herbert als Konzept der „Integration auf Zeit" (Herbert 1986, S. 226) bezeichnet, stellte schon Anfang 1977 die „Bund-Länder-Kommission Fortentwicklung einer umfassenden Konzeption der Ausländerbeschäftigungspolitik" kategorisch fest, daß die Bundesrepublik „kein Einwanderungsland" .48 sei . Diese Feststellung wurde offiziell erstmals in einem Memorandum des Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Heinz Kühn, im September 1979 bestritten, und seitdem dreht sich die politische Diskussion darum, ob die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei. Kühn schrieb von der „unumkehrbaren Entwicklung", daß „die Mehrzahl der Betroffenen nicht mehr ,Gastarbeiter', sondern Einwanderer sind, für die eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer [...] nicht in Betracht kommt", und sprach von der „unvermeidlichen Anerkennung der faktischen Einwanderungs-
47 48
Vgl. auch die Rückblicke in der Presse auf diese Maßnahmen nach einem ähnlichen Vorschlag des Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD) etwa in: FRANKFURTER RUNDSCHAU ( F R ) 2 8 . 1 2 . 1 9 9 3 , S. 4 .
Zit. nach Bade 1983, S. 100 und Herbert 1986, S. 231. Vorläufer dieser Aussage finden sich schon 1971: „Die BRD ist kein Einwanderungsland" (R. Weber (Arbeitgeberverbände) in: HANDELSBLATT 12.11.1971, vgl. Herbert 1986, S. 263).
Einwanderungspolitik
725
situation"49. Mit der jeweiligen Zunahme von Asylbewerberzahlen wird seitdem jeweils erneut die Prädikation Einwanderungsland diskutiert. Während diese Prädikation auf der einen (rechten) Seite immer wieder kategorisch bestritten wird50, wird sie auf der anderen Seite zum Teil betont, zum Teil aber ausdrücklich vorausgesetzt, um daraus weitergehende politische Folgerungen wie die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz, nach Einwanderungsquoten und nach dem politischen Leitbild multikulturelle Gesellschaft abzuleiten. Häufig wird das QuasiKompositum De-facto-Einwanderungsland benutzt, um gleichzeitig zu unterstreichen, daß die Prädikation Einwanderungsland der Realität entspricht (.de facto), und um die gesetzliche Lage zu kritisieren, daß die BRD de jure (als implizierte Opposition zu de facto) nicht als Einwanderungsland handelt.51 So wird schon 1982 von Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) die Aussage wiedergegeben, im Kabinett bestehe Einvernehmen darüber, „daß die Bundesrepublik [...] ein Einwanderungsland ist."52 Buchveröffentlichungen stellen zur gleichen Zeit nur im Titel diese Eigenschaft noch in Frage: „Einwanderungsland Bundesrepublik Deutschland?" (Schult 1982), ,yom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Deutschland 1880-1980" (Bade 1983). Gunther Schwerdtfeger stellt dabei im erstgenannten Band fest, daß mit dem Zuzug der Gastarbeiter „eine Einwanderung im völkerrechtlichen Sinne" stattgefunden habe. Die politische Brisanz und Handlungsorientierung, die in der Terminologie gegeben ist, wird von ihm anschließend zutreffend beschrieben: .^OCenn gleichwohl diskutiert wird, ob die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei oder nicht, geht es um politische Handlungsmaximen, nämlich darum, wie die praktische Politik auf die Einwanderung (im völkerrechtlichen Sinne) reagieren soll." (Schwerdtfeger 1982, S. 11)
Und diese Reaktion sieht bei Akzeptanz der Prädikation anders aus als bei ihrer Ablehnung.
49
50 51 52
Zlt. nach Bade 1983, S. lOOf. Nach einem Bericht der ZEIT wurde in Schweden offenbar schon seit Beginn der Arbeitsimmigration von Einwanderern gesprochen: Titel: „In Schweden nennt man sie Einwanderer", Text: „In Schweden spricht man nicht von Gast- oder Fremdarbeitern. Auch wenn sie nur begrenzte Zeit im Lande verbleiben wollen, betrachtet man sie als .Einwanderer'. Damit wollte man wohl die Absicht unterstreichen, daß ausländische Arbeitnehmer [...] weitgehend die gleichen Rechte haben sollen wie ihre einheimischen Kameraden" (DIE ZEIT 15.6.1973, S. 55). Vgl. z.B. DER SPIEGEL (13.2.1989), H. 7, S. 29: „(...1 gibt Helmut Kohl neuerdings immer häufiger die Parole aus: .Deutschland ist kein Einwanderungsland.' CSU-Streibl ergänzt: .Und darf auch keines werden'". Vgl. z.B. DER SPIEGEL (13.2.1989), H. 7, S. 29: „Ein De-facto-Einwanderungsland ist die Bundesrepublik in der Tat, spätestens seit Anfang der 70er Jahre". DIE ZEIT 5.2.1982, zit. nach Bade 1983, S. 118.
726
Kapitel 18
Als einer, der um die Relevanz solcher sprachlicher Prädikationen weiß, spricht Heiner Geißler seit längerem von der Bundesrepublik als Einwanderungsland und von seiner Zielvorstellung der multikulturellen Gesellschaft, wofür er in der CDU heftig angegriffen wurde. Unter anderem wurde ihm „vorgeworfen, das multikulturelle Chaos zu predigen und die kulturelle Identität der Deutschen in Frage zu stellen" (FR 22.12.1988, S. 4). In der Diskussion um Ausländer setzt Geißler 1991 in seinen Formulierungen die Richtigkeit der Prädikation Einwanderungsland bereits voraus. Dies kann als Schritt über die Behauptung, die BRD sei ein Einwanderungsland, hinaus angesehen werden, da diese in der Aussage schon präsupponiert wird. So wird Geißler in der FRANKFURTER RUNDSCHAU mit der Aussage wiedergegeben, die BRD „müsse ein Einwanderungsland bleiben" (31.10.1991, S. 10), und in PUBUK-FORUM schreibt er, daß es längst nicht mehr die Frage sei, „ob wir ein Einwanderungsland sind, [...] sondern nur noch die Frage, wie wir mit ihnen [den Ausländern] leben wollen".53 Diese Frage — und eine der möglichen Antworten, die multikulturelle Gesellschaft als Programm - wurde allerdings von anderen politischen Gruppen viel früher gestellt und beantwortet. Immerhin wird inzwischen auch in der CDU die Prädikation Einwanderungsland diskutiert. In einem für den CDU-Parteitag in Dresden Mitte Dezember 1991 vorbereiteten „Manifest" hieß es zunächst wiederum kategorisch, daß „Deutschland kein Einwanderungsland ist" (FR 5.12.1991, S. 2). Von der Antragskommission wurde diese Passage zwar gestrichen, die „Streichung des Begriffes ,Einwanderungsland'"5 wurde aber von CSU-Generalsekretär Huber als „leichtfertig" bezeichnet, und zudem wurden drei Anträge laut CDUGeneralsekretär Rühe abgelehnt, „in denen die Begriffe .Einwanderungsland', .Einwanderungspolitik' und .Einwanderungsgesetz' standen" (FR 6.12.1991, S. 4). Begrifflichkeit, die implizit die Tatsache der Einwanderung in die BRD präsupponiert, wird also in offiziellen CDU-Papieren Anfang der 90er Jahre immer noch „wie eine heiße Kartoffel behandelt" (FR-Kommentar 6.12.1991, S. 3). Auch 1993 stand der Begriff Einwanderung weiterhin im Zentrum innenpolitischer Diskussionen vor allem über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes. Während dabei die Befürworter eines solchen Gesetzes u.a. davon sprachen, daß es eine „Lebenslüge" sei, das Faktum der Einwanderung nicht anzuerkennen55, halten Unionspolitiker schon das Wort Einwanderung für gefähr-
53 54 55
PUBUK FORUM (20.9.1991), Nr. 19, S. 5. Gemeint ist: Die Streichung der Aussage, Deutschland sei „kein Einwanderungsland" Vgl. FR 24.6.1993, S. 4: „Rau warnt vor .Lebenslüge' beim Thema Einwanderung".
Einwanderungspolitik
111
lieh, oder sie befürchten, daß die Bevölkerung mit „Einwanderungsgesetzen" geängstigt werde.56 Das Programm der multikulturellen Gesellschaft zählt die RHEINISCHE POST schon im Jahre 1981 zu den kontroversen Rezepten der Ausländerpolitik.57 In einer kirchlichen Stellungnahme schreibt der „Ökumenische Vorbereitungsausschuß für den Tag des ausländischen Mitbürgers" bereits im September 1980: ,^ir leben in der Bundesrepublik in einer multikulturellen Gesellschaft. [...] Das Zusammenleben verschiedener Kulturen in einer multikulturellen Gesellschaft ist eine neue Chance für die Zukunft der Bundesrepublik."58 Herbert Leuninger ist der Meinung, die These, die BRD sei eine multikulturelle Gesellschaft, führe ins Zentrum der Diskussion um die Dimensionen des Einwanderungslandes Deutschland,59 Auch in einer Bundestagsdebatte waren laut Bade Anfang 1982 multinationale beziehungsweise multikulturelle Gesellschaft und Vielvölkerstaat Bundesrepublik àie umkämpften Stichworte.60 Der Ausdruck oder zumindest der Begriff, die mit dem Ausdruck verbundene Vorstellung, ist offenbar aus Nordamerika übernommen worden, wo seit Anfang der 70er Jahre in Kanada und in den USA mit diesem Konzept jeweils unterschiedliche politische Ziele verfolgt wurden.61 In der Bundesrepublik wurde der Ausdruck Anfang der 80er Jahre offenbar auch als Gegenkonzept zu dem bis dahin meistdiskutierten Schlagwort der Ausländerpolitik, Integration, eingeführt. Dabei richtet es sich wohl gegen das Verständnis von Integration im Sinne von .Assimilation', d.h. Anpassung der Zugewanderten an die Verhältnisse im Gastland in jeglicher Hinsicht. Ähnlich wie ein weiteres, auf Toleranz gegenüber den Lebensvorstellungen der Zugewanderten aufbauendes Verständnis von Integration war multikulturelle Gesellschaft als Zielvorstellung eben geeignet, das Recht der Zuwandernden auf die Beibehaltung ihrer Kultur, ihrer Lebensgewohnheiten zu betonen. Wie weit dieses gehen sollte, wie weit die Anpassung an die Normen und Regeln der Einwanderungs56
57 58
59 60 61
Vgl. FR 3.8.1993, S. 1: „Streit um Einwanderungsgesetz". Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) warnt davor, „die Leute mit Einwanderungsgesetzen zu ängstigen". Edmund Stoiber (CSU) meint, „wer .leichtfertig' und ohne Rücksicht auf die Integrationsfáhigkeit und -bereitschaft der Bevölkerung von Einwanderung spreche", helfe rechtsextremen Parteien und fördere Ausländerhaß. Vgl. RP 9 2.1981. Zit. nach epd-Dokumentation ( 1 9 8 0 ) , Nr. 4 8 , S. 47ff., abgedruckt in der Zeitschrift WOCHENSCHAU Nr. 3, Mai/Juni 1 9 9 2 , Ausgabe Sekundarstufe II, S. 1 0 1 . In dieser Zeitschrift sind einige interessante Stellungnahmen für und gegen den Begriff multikulturelle Gesellschaft abgedruckt. Außerdem wird die Herkunft des Begriffs u.a. aus den USA und Kanada erläutert. Vgl. Leuninger 1982, S. 130. Vgl. Bade 1983, S. 120. Vgl. Münz 1991, S. 912.
728
Kapitel 18
gesellschaft gehen sollte beziehungsweise mußte, um Konflikte und politische Probleme zu vermeiden oder lösen zu können, war schon immer eine der Fragen, derentwegen der Ausdruck multikulturelle Gesellschaft umstritten war. Eventuell aufgrund der Nicht-Akzeptanz der Prädikation multikulturelle Gesellschaft in den Unions-Parteien 2 wird in einem Papier der CDUSozialausschüsse Ende 1991 der Ausdruck zur Bezeichnung einer Zielvorstellung vermieden. Das Papier plädiert vielmehr „für eine ,bunte Republik Deutschland' [als Ersatzwort für multikulturelle Gesellschaft], die .engstirnigen und rückwärtsgewandten Nationalismus' durch eine .Einheit in Vielfalt' überwinde" (FR 5.12.1991, S. 2). Allerdings gibt es auch im linken politischen Spektrum eine kontroverse Diskussion um „das Schlagwort von der .multikulturellen Gesellschaft'", das von der Mitbegründerin des Hamburger Instituts für Migrations- und Rassismusforschung, Nora Räthzel, als „relativ gefährlicher Begriff" bezeichnet wird, weil es eine „Aufforderung an die Einwanderer [enthalte], gefälligst so zu bleiben, wie sie sind"63. Der Ausdruck lege „teils unrealistische, teils irreführende Auslegungen" nahe und verführe zu einer „folkloristischen Illusion".64 Von der „Förderung der Multikultur" wird eine .„Ethnisierung' sozialer Konflikte" befürchtet.65 Trotz dieser Kritik ist multikulturelle Gesellschaft für viele politische Akteure ein Fahnenwort geblieben, mit dem für einen humanen und toleranten Umgang zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen geworben wird.66 Während der Ausdruck Vielvölkerstaat Bundesrepublik als Stigmawort bereits auf die rechten Konzepte verweist, über die noch zu sprechen sein wird, soll der erwähnte, 1980 angeregte und seitdem praktizierte 62
Edmund Stoiber (CSU) schreibt etwa 1989: „Das Vordringen dieses Gedankens [der multikulturellen Gesellschaft] muß vor allem als ein Zeichen dafür sehr ernst genommen werden, daß die Fähigkeit unserer Gesellschaft, Ausländer zu Hunderttausenden zu integrieren, erschöpft ist. Insofern ist der Begriff multikulturelle Gesellschaft kein neuer, hoffnungsvoller Lösungsansatz, sondern ein ausgesprochenes Alarmsignal!" (zit. nach WOCHENSCHAU Nr. 3, Mai/Juni 1992, Ausg. Sek. Π, S. 105) Mit ähnlichen Argumenten wenden sich allerdings auch SPD-Politiker wie der Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfalischen Landtag, Friedhelm Faithmann, gegen eine multikulturelle Gesellschaft und ein Einwanderungsland Deutschland (vgl. NEUE RHEIN-ZEITUNG 18.4.1992).
63
Vgl. DIE TAGESZEITUNG 1 1 . 1 2 . 1 9 9 0 , zit. n a c h WOCHENSCHAU NR. 3, M a i / J u n i
1992,
64
Ausg. Sek. II, S. 108. Arno Klönne in: GEMEINSAM Nr. 16, März 1990, S. 8, zit. nach WOCHENSCHAU Nr. 3, Mai/Juni 1992, Ausg. Sek.II, S. 107.
65
Vgl. Frank-Olaf Radtke in: KOMMUNE (1991), H. 2, S. 43f·, zit. nach WOCHENSCHAU
66
Nr. 3, Mai/Juni 1992, Ausg. Sek.II, S. 109. Ein Beleg dafür ist etwa das Buch von Klöcker, Tworuschka 1990, in dem 63 öffentlich bekannte Persönlichkeiten sich fast ausschließlich zustimmend zum Thema ,Multikulturelle Gesellschaft' äußern und damit den Fahnenwortcharakter des Ausdrucks multikulturelle Gesellschaft bestätigen.
Einwanderungspolitik
729
Tag des ausländischen Mitbürgers67 noch zu einem weiteren, wegen seiner handlungsleitenden Funktion umstrittenen Wort führen. In bestimmten rechten Kreisen wird der Ausdruck ausländische Mitbürger abgelehnt, offenbar weil mit ihm der Anspruch auf gleiche Rechte für Ausländer als Bürger, Mitbürger, Staatsbürger8 ausgedrückt werden kann. Dieser Anspruch wird zugleich mit der Zurückweisung des Ausdrucks durch Rückgriff auf die Vokabel Gastarbeiter abgelehnt, die zwar nicht explizit genannt wird, die aber den historischen Hintergrund der Behauptung darstellt, Ausländer seien nur Gäste. Der Ausdruck Gastarbeiter wird so über den Wortbestandteil Gast noch einmal in Erinnerung gerufen und indirekt remotivierend für eine Zurückweisung der Ausländer bemüht. Leuninger zitiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ): „Schon das Wort von den .ausländischen Mitbürgern', das in den Parteiforderungen vorkommt, führt auf einen falschen Weg, die Ausländer sind Gäste, waren willkommen, haben Anspruch, nicht ohne weiteres ihrer Wege geschickt zu werden, wenn sie eines Tages weniger willkommen sind, müssen sich den Regeln des Gastgebers fügen, wie Gäste das überall tun, Mitbürger aber sind sie nicht." (Leuninger 1982, S. 126)
Dieser Kommentar dient der Zurückweisung der Forderung nach einem Kommunalwahlrecht für Ausländer. Mit gleicher politischer Zielsetzung und gleichen Argumenten bestreiten die REP's 1989 ihren Wahlkampf: „Gern zitieren Republikaner aus einem Aufsatz des Bundesrichters a.D. Günther Willms (,Die Bundesrepublik ein Einwanderungsland?'), in dem es heißt, die Redensart .ausländische Mitbürger' sei ein .falscher Begriff: .Die Wortverbindung ist abwegig, weil Bürger und damit Mitbürger nur sein kann, wer die Bürgerrechte besitzt, wie sie dem Ausländer gerade fehlen.' Die Republikaner nennen alle Nichteingebürgerten konsequent .Gäste' — Folge: .Dies schließt [...] unbefristete Arbeitsverträge und Konzessionsvergaben, Daueraufenthalt, Familienzusammenführung und Sozialleistungsanspruch aus.'" 69
In gleichem Kontext betont Alfred Dregger 1989 das gleiche: „Ausländer sind Gäste, nicht Bürger und von daher auch nicht Mitbürger."70 Dagegen wird Helmut Kohl zur gleichen Zeit mit der Bemerkung zitiert, „,die Nachbarschaft zu den ausländischen Mitbürgern' solle als große Bereicherung verstanden werden" (RP 1 0 . 2 . 1 9 8 9 ) , was von der RHEINISCHEN POST explizit als Kritik an Dreggers Äußerung interpretiert wird.
67 68
Titel am 29.9 1980 in der RHEINISCHEN PosT: „Aufrufe am Tag der Ausländer", Text: „Die drei christlichen Kirchen forderten in einem gemeinsamen Wort die Eingliederung der ausländischen Mitbürger". Vgl. den oben zitierten SPIEGEL-Artikel von 1970: DER SPIEGEL (19-10.1970), H. 43,
69
DER SPIEGEL (13.2.1989), H. 7, S. 28.
70
RP 1 0 . 2 . 1 9 8 9 ; vgl. a u c h WESTDEUTSCHE ZEITUNG 8 . 2 . 1 9 8 9 -
S. 7 4 .
730
Kapitel 18
Aber bei solchen sprachkritischen Vorbehalten beließen es die Gegner der Einwanderung von Ausländern nicht. Seit 1980 bis zu den seit 1991 zunehmenden Gewaltakten gegen Ausländer lassen sich vielmehr eine Reihe von Parolen und Vokabeln aufzeigen, mit denen eine fremdenfeindliche Haltung ausgedrückt und geschürt wird. Im folgenden soll zunächst auf allgemeine fremdenfeindliche Äußerungen, anschließend speziell auf die seit 1980 geführte Diskussion um Asylsuchende eingegangen werden. Beide Aspekte hängen insofern eng zusammen, als sich die fremdenfeindliche Haltung seit 1980, dem gleichen Jahr, in dem die öffentliche Diskussion über Asylsuchende einen ersten Höhepunkt erreichte, verbal und tätlich manifestiert. Seitdem werden die öffentlichen Diskussionen über Ausländer im allgemeinen und über Asylbewerber im besonderen für den Wahlkampf instrumentalisiert und miteinander verquickt. Die allgemeine fremdenfeindliche Haltung zeigt sich seit 1980 in Parolen wie Ausländer/Türken/Asylanten/Kanaken raus, Deutschland den Deutschen, Ausländerstopp, Einwanderungsstopp, Ausländerbegrenzung, in bezeichnenden rassistischen Stigmawörtern wie multirassische oder durchraßte Gesellschaft, im Wort Überfremdung und schließlich in Darstellungen, die solche Bezeichnungen unterstützen und legitimieren, indem sie die Anwesenheit von Ausländern mit Sprengstoff- und FlutMetaphorik als bedrohlich und gefährlich erscheinen lassen. Beispiele für die Sprengstoff-Metaphorik finden sich etwa in RP-Ausgaben des Jahres 1981. Im Zusammenhang mit Ausländern ist die Rede von einer „sozialen Zeitbombe", einer drohenden „sozialen Explosion", vom „SozialSprengstoff", von einer tickenden „Zeitbombe".71 Auch die Problematisierung solcher Bezeichnungen wird wiedergegeben: „Die Medienexperten diskutieren zwar, ob der Begriff .Soziale Zeitbombe' für die Problematik der jungen Ausländergeneration nicht vielleicht den Fremdenhaß fördere, aber [...]" (RP 9.2.1981). 1980, als Anschläge auf Ausländer- und Asylbewerberunterkünfte die ersten Toten fordern, berichtet DER SPIEGEL von einer „Bürgerinitiative Einwanderungs-Stop" im Stuttgarter Raum, von Inseraten einer „Aktion Deutschland für Deutsche" in schwäbischen Zeitungen und von einer „Liga gegen Ausländerunwesen" in Wangen im Allgäu. Bekannter wird die von der NPD unterstützte „Bürgerinitiative Ausländerstop", und die Fernsehspots zur Wahl nutzte die NPD, um ihre Parole „Die NPD fordert Ausländerstop" audiovisuell zu unterstützen, indem sie „ausländische Kinder, die durch verfallene Wohnviertel irren, Ausländer am Bahnhof, watschelnde Türkinnen [zeigte], scheinheilig untermalt mit
71
RP 11.3.1981, 6.6.1981, 23.9 1981, 28.12.1981.
Einwanderungspolitik
731
dem Hinweis auf .Menschenrechte', die Notwendigkeit, Ausländer in ihr Ursprungsmilieu zurückzuschicken". 72
Zahlreiche Belege lassen sich seit 1980 für die sowohl explizit rassistische Verwendung als auch für einen unreflektierten, aber rassismusfördernden Gebrauch der Vokabel Überfremdung finden, die auch durch ihren Gebrauch im Nationalsozialismus vorbelastet ist.73 1980 berichtet DER SPIEGEL von einer „Bonner Bürgerinitiative zur Abwehr asiatischer Einwanderung und anderer Überfremdung" und einer .Volksbewegung gegen Überfremdung" aus Bremen,74 die RHEINISCHE POST berichtet (noch in distanzierenden Anführungszeichen) 1981 von einer Düsseldorfer Schulausschuß-Sitzung: Titel „Zuviel Ausländerkinder an deutschen Schulen? — Bei .Überfremdung' droht Leistungsabfall", Text: „Es fielen harte Worte wie .überrollen' und .Überfremdung' [...]" (RP 9-12.1981). 1986 ist in der RHEINISCHEN POST schon undistanziert von Überfremdung die Rede: „Die Furcht vor weiterer Überfremdung wächst im Lande."75 Ein Leserbrief in der RHEINISCHEN POST vom 28.11.1986 spricht sogar von der „deutschen Lebensfrage, nämlich der Überfremdung der Bundesrepublik". Zur Lebensfrage war das Thema .Ausländer' schon 1981 in dem berüchtigten „Heidelberger Manifest vom 17. Juni 1981" erklärt worden: Acht bundesdeutsche Hochschullehrer wandten sich darin gegen „die Unterwanderung des deutschen Volkes", gegen „Überfremdung" des deutschen ,Volkstums" in einer „multirassischen Gesellschaft" und plädierten für die „Reinerhaltung der deutschen Rasse" durch .Ausländerbegrenzung".76 Um die deutsche Rasse sorgte sich wohl auch Bayerns CSUInnenminister Edmund Stoiber im Jahre 1988. als er von einer durch raßten Gesellschaft sprach, eine Formulierung, die, trotz Stoibers späterer Distanzierung, bezeichnend war.77 Der CSU scheint auch der eben besprochene, von Rechtsextremen gern benutzte Ausdruck Überfremdung, dessen Verwendung auch dem gescheiterten Bundespräsidentschaftskan72
DER SPIEGEL (15.9.1980), Η. 38, S. 26.
73
Vgl. ein Goebbels-Zitat bei Zentner: Das große Wörterbuch des 3. Reiches 1985, S. 590: „Die Überfremdung des deutschen Geisteslebens durch das internationale Judentum." Ein Beleg aus den 60er Jahren zeigt, daß auch schon zu Beginn der Einwanderung von Nicht-Deutschen in die BRD Überfremdung im öffentlichen Sprachgebrauch eine offenbar geläufige Vokabel war, um Ängste vor dieser Zuwanderung auszudrücken: „Bisher keine Überfremdung durch ausländische Gastarbeiter" (RP 12.2.1965).
74
Vgl. DER SPIEGEL ( 1 5 . 9 1 9 8 0 ) , H. 38, S. 21.
75 76
RP 2.8.1986, S. 2. Ähnlich ein ZEIT-Leitartikel vom 1.1.1982: „Ein Gespenst geht um in der Bundesrepublik: die Furcht vor Überfremdung und Überfüllung" (zit. nach Bade 1983, S. 110). Hier zit. nach Bade 1983, S. 112f.
77
V g l . D E R SPIEGEL ( 1 3 . 2 . 1 9 8 9 ) , H . 7 , S . 2 8 f .
732
Kapitel 18
didaten der Union, Steffen Heitmann, vorgeworfen wurde78, nicht zu heikel zu sein, um ihn zu Wahlkampfzwecken in der Konkurrenz mit den Rechtsextremen zu gebrauchen und damit die durch den Ausdruck nahegelegte Sichtweise zu fördern. Für das Wahljahr 1994 plante sie jedenfalls, „das Thema Asyl und Ausländer" zu einem Schwerpunkt zu machen, weil es dabei „um die Frage nach der eigenen Identität und die .Angst vor Überfremdung'" gehe.79 Aber auch in zivilisierterer Diktion kann man dazu beitragen, Ressentiments gegen Ausländer zu fördern, indem etwa als Ziel der Politik nicht mehr die Verbesserung der Ausländerintegration (wie noch in Helmut Schmidts Regierungserklärung vom 24.11.1980)80, sondern die Begrenzung der Ausländerzahl und die Verhinderung einer unkontrollierten Einwanderung (Regierungserklärung Kohl am 13.10.1982)81 genannt werden. Auch die immer wiederkehrende Argumentation, Ausländer als Opfer von Fremdenfeindlichkeit aufgrund ihrer Anwesenheit selbst zur Ursache des gegen sie gerichteten Hasses zu erklären und damit ihre Entfernung als Lösung des Problems des Ausländerhasses zu empfehlen, fördert eine ausländer-ablehnende Sichtweise. Beispielhaft dafür sei ein früher Kommentar der RHEINISCHEN POST zitiert: JXier in unserem dichtbesiedelten Land Ausländer nahezu unbegrenzt einströmen lassen will, hilft ihnen letztlich nicht, sondern fördert das Entstehen von Ausländerfeindlichkeit. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, was passieren würde, wenn die Arbeitslosigkeit zunähme: genauer: wenn Deutsche stempeln gehen müßten, während Ausländer noch beschäftigt wären." (RP 3.9.1980) 8 2
78 79
Vgl. etwa FR 10.9.1993, S. 3FR 6.12.1993, S. 1. Vgl. auch SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 6.12.1993, S. 1. Berichtet wird über Aussagen des CSU-Vorsitzenden Theo Waigel. Mit diesen Plänen erntete die CSU auch in den Mit-Regierungspaitelen CDU und FDP Empörung: „FDP-Generalsekretär Werner Hoyer sagte in Bonn, schon der Begriff .Überfremdung' jage jedem Liberalen ,kalte Schauer über den Rücken'. [...] Die Junge Union erklärte: ,Der schlimme Ausdruck Überfremdung darf nicht zum Sprachgebrauch von Politikern gehören, deren Partei das C im Namen trägt'" (FR 11.1.1994, S. 4). Die öffentliche Aufmerksamkeit, die die CSU mit ihrer Wahlkampfonkündigung, das Wort Überfremdung zu verwenden, erregte, dürfte auch der Grund dafür sein, daß Überfremdung von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Unwort des Jahres 1993" gewählt wurde (vgl. FR 8.2.1994, S. 1). Vgl. dazu auch die Kritik an der „Unwort'-Kürung im SPIEGEL
80 81
Vgl. BT 24.11.1980, S. 1332. Vgl. BT 13-10.1982, S. 7219- Wörtlich heißt es bei Kohl: „Integration ist nur möglich, wenn die Zahl der bei uns lebenden Ausländer nicht weiter steigt. Vor allem gilt es hier, eine unbegrenzte und unkontrollierte Einwanderung zu verhindern." Vgl. dazu mit Beispielen aus Boo AM SONNTAG und DER SPIEGEL auch Huhnke 1993,
82
( 1 4 . 2 . 1 9 9 4 ) , H . 7 , S. 1 8 8 .
S . 234FF.
Einwanderungspolitik
733
5. Die Asyl-Diskussion der 80er/90er Jahre: Asylmißbrauch, Asylanten, Wirtschaftsflüchtlinge und F/wi-Metaphorik Die gleiche Wirkung wie die eben beschriebene Argumentation hatte das Argument vom Mißbrauch des Asylrechts, verkürzt meist Asylmißbrauch genannt, das in kaum einer Stellungnahme eines CDU/CSUPolitikers fehlte und dabei meistens in seiner Wirkung den Appell zu ausländerfreundlichem Verhalten konterkarierte.83 Vom Mißbrauch des Asylrechts hat der damalige Bundesinnenminister Genscher schon 1973 im Bundestag gesprochen. 84 Seit April 1978 ist „im Bundestag ständig vom .Mißbrauch des Asylrechts' die Rede, wenn es um Asylbewerber aus Pakistan, Indien, der Türkei und Sri Lanka geht" (Klausmeier 1984, S. 42). Zu parteipolitischen Zwecken gebraucht wurde dieses Schlagwort vor allem von den Unionsparteien seit 1991 in ihrem Bestreben, den Asylrechtsartikel im Grundgesetz zu ändern und dafür die SPD-Opposition zu gewinnen. Im Oktober 1991 wurde während der Welle von Gewalttaten gegen Ausländer auf einem CDU-Plakat in Hessen für eine solche Grundgesetzänderung mit dem Schlagwort geworben. Erst auf dieses Plakat hin gab es vereinzelte öffentliche Stimmen, die die in dem Schlagwort implizierte Realitätssicht, daß es sich bei der Einwanderung nichtasylberechtigter Flüchtlinge um einen Asylmißbrauch handele, kritisierten. Mit diesem Plakat „vereinfache", „verfälsche" und plakatiere die CDU „vorsätzlich Lügen" und betreibe „Ausländerhetze" und „mutwillige Fremdenfeindlichkeit", warf die hessische Landes-SPD der CDU vor.85 Die ständig wiederholte Behauptung vom Mißbrauch des Asylrechts beziehungsweise vom Asylmißbrauch durch die Asylsuchenden stellte auch die wichtigste argumentative Stütze bei der Durchsetzung einer Änderung des GG-Art. 16, bei der Herstellung des sogenannten Asylkompromisses im Dezember 1992 dar, der nach Ansicht der Kritiker dieses CDU/CSU/FDP/SPD-Beschlusses einer faktischen Abschaffung des Grundrechtsartikels gleichkommt. Diese Behauptung wurde zum einen häufiger sprachthematisierend zurückgewiesen, zum anderen wurde versucht, den Vorwurf gegen seine Urheber zu richten und damit die kon83
84 85
Vgl. zum Argument des Mißbrauchs des Asylrechts auch das Vorwort in Kauffmann 1986 mit einem Zitat von Bahmann Niiumand: „Kein Zweifel, wie jedes Recht wird auch das Asylrecht gelegentlich mißbraucht. [...] Aber wollte man bei jedem Mißbrauch eines Rechts das Recht selbst abschaffen oder einschränken, es gäbe längst weder in der Bundesrepublik noch anderswo irgendwelche Rechte. Nur Diktaturen sind gewillt, mit dem Hinweis auf den Mißbrauch der Rechte, sie abzuschaffen" (Brief an den Bundespräsidenten). Vgl. BT 19.9.1973, S. 2847. Vgl. FR 23.10.1991, S. 23.
734
Kapitel 18
ventionalisierte Bedeutung von Asylmißbrauch zu verändern. Die katholische Friedensorganisation Pax Christi etwa „bedauert, daß der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz ausgerechnet den ideologisch besetzten Begriff des Mißbrauchs des Asylrechts benutzt, um eine Verfassungsänderung zu rechtfertigen". Trotz der Ablehnung der Asylanträge hätten „die meisten [...] gute Gründe für ihre Flucht vorzuweisen. Deshalb ist Mißbrauch in diesem Zusammenhang ein unangebrachtes und gefährliches Wort, das Vorurteile schüren hilft" (FR 8.9.1992). Mißbrauch des Asylrechts wird mit gewandelter Stoßrichtung u.a. von Gerhard Schröder (SPD) der CDU vorgehalten, die das Asylrecht als Wahlkampfthema mißbrauche.86 Auch den Behörden beziehungsweise dem Staat wird Mißbrauch des Asylrechts vorgeworfen, da diese für Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien keine Bleiberechtsregelungen schüfen, wodurch die Flüchtlinge ohne Aussicht auf Anerkennung gezwungen seien, Asylanträge zu stellen, um bis zu deren Ablehnung in Deutschland bleiben zu können. Dadurch würden die Asylbewerberzahlen in die Höhe getrieben und das Asylrecht von den Behörden mißbraucht,87 Mit der jeweiligen Zunahme der Asylbewerber-Zahlen auf über 100000 pro Jahr in den Jahren 1980 und 1986 sowie seit 1988 und den im Gefolge der Zunahme von Hunger und Elend in der 3- Welt und der Auflösung des Ostblocks weltweit zunehmenden Wanderungsbewegungen stand das Thema ,Asylrecht' im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Dabei sind von Beginn der Diskussion an sowohl die Bezeichnung der mit Berufung auf Artikel 16 Zuflucht suchenden Menschen als auch die Metaphorik, mit der über ihre Einwanderung geschrieben und gesprochen wurde, brisant. Die Etablierung und die Diskussion des Ausdrucks Asylant soll im folgenden nachgezeichnet werden. Damit im Zusammenhang stehen die Verwendung der Stigmawörter Scheinasylant und Wirtschaftsflüchtling, die Versuche der Etablierung nicht-wertender, eher bürokratisch klingender Bezeichnungen wie Asylbewerber, Asylsuchende und AsylberechtigteM, die durch die Sensibilisierung gegenüber dem negativen Klang von Asylanten zunehmend von einigen Medien und Politikern verwendet wurden, sowie die Ersetzung von Asylanten durch politische Flüchtlinge, Armuts- oder Elendsflüchtlinge89 und politisch Verse 87 88
89
Vgl. FR 19.2.1992, S. 4. Vgl. FR 9.5-1992, S. 3 und FR 23-5.1992, S. 3Eine bürokratische Besonderheit jüngeren Datums scheint der Ausdruck Schüblinge zu sein, der offenbar für sofort in ein sogenanntes sicheres Drittland abgeschobene bzw. abzuschiebende Flüchdinge verwendet wird. Vgl. Offener Brief von Günter Grass und Peter Rühmkorf an den Bundespräsidenten, in: FR 5.6.1993, S. 8 sowie FR 17.7.1993, S. 5: Wo die Flüchtlinge heute .Schüblinge' heißen". Bundesinnenminister Gerhart Baum plädiert schon Anfang 1982 dafür, von Armuts-
Einwanderungspolitik
735
folgte, Bezeichnungen, mit denen von vornherein die Legitimität der Einreise und des Aufenthalts in der BRD betont werden sollte. Auch die Flut-Metaphorik (Asylantenflut, Scheinasylantenschwemmé), die u.a. zur Pejorisierung des Ausdrucks Asylanten beitrug, gehört in diesen Zusammenhang. „Als erster Duden brachte die 18. Auflage des Rechtschreib-Duden von 1980" das Wort Asylant als „Neuerung mit der Bedeutung .Bewerber um Asylrecht'."90 Im Bundestag wird Asylanten erstmals in einer Anfrage des SPD-Abgeordneten Sieler, die am 20.1.1978 im Plenum beantwortet wird, verwendet: Er fragt nach einem „neuen Verteilerschlüssel für Asylanten auf die einzelnen Bundesländer" (BT 20.1.1978, S. 5103). Jürgen Link erwähnt für 1978 einen Beleg aus dem Lokalteil des MANNHEIMER MORGEN: „Asylanten protestieren gegen Zustände im Wohnheim."91 1980 wurde der Ausdruck im Mediendiskurs geläufig, „und zwar meistens in der stereotypen Verbindung .Zustrom von Asylanten'" (Link 1986, S. 55). Im gleichen Jahr schon wurde der pejorative Beiklang des Ausdrucks von Journalisten kritisch vermerkt: „Irgendein sprachlicher Übeltäter hat aus den in der Bundesrepublik Deutschland Asylsuchenden .Asylanten' gemacht und sie damit geistig abgeschoben."92 Jürgen Link stellt nun eine interessante weitergehende Hypothese auf, für die er nur sehr vage Belege anführt. Er meint, „daß .Asylant' an Stelle von .Flüchtling' und .Verfolgter' [...] um 1973 im Diskurs der Ausländerbürokratie entstanden sein muß. [...] und der Mediendiskurs übernahm ihn aus dem Bürokratischen und trug ihn dann aktiv ins .Volk' hinein." (Link 1986. S. 57f.)
Für ihn ist Asylant sowohl „ein Modellfall für stereotype öffentliche Redeweise, die zugleich soziales Verhalten und Handeln stereotypisiert" (ebd., S. 57), als auch wesentlich für einen neonationalistischen und neorassistischen Diskurs, für den Asylant „wie eine diskursive .Brechstange'" (ebd., S. 58) gewirkt habe. Nach der Etablierung des Worts Asylant kam es in den öffentlichen Diskussionen der Jahre 1986 und 1991 zu einer durch wissenschaftliche Analysen angeregten breiten öffentlichen Kritik an der Verwendung von Asylant, was weder den SPIEGEL noch die RHEINISCHE POST daran hinderte, das Wort weiterzuverwenden, von der Bnx»-Zeitung ganz zu schwei-
flüchtlingen zu sprechen, und beruft sich dabei auf einen Sprachgebrauch der Deut90
schen Bischofskonferenz (BT 4.2.1982, S. 4908). Link 1986, S. 55. Dem Folgenden liegen z.T. die Ergebnisse der Recherchen und Analysen von Mitarbeitern der Bochumer Diskurswerkstatt zugrunde.
91 92
MANNHEIMER MORGEN 1 5 . 6 . 1 9 7 8 , vgl. L i n k 1 9 8 6 , S. 5 5 . SAARBRÜCKER ZEITUNG 1 2 . 7 . 1 9 8 0 , zit. n a c h Link 1 9 8 6 , S. 5 6 .
736
Kapitel 18
gen.93 1986 finden sich sprachkritische Belege im zitierten rororo-Sachbuch (Link 1986), in einer rechtspolitischen wissenschaftlichen Zeitschrift (Wolken 1986), in AWO-Materialien (Hildebrand 1986), in der TAZ und in der Journalisten-Zeitung DIE FEDER, in der Jürgen Links Überlegungen erstmals unter dem Titel „Zur Geschichte eines Unworts" veröffentlicht wurden.94 Auf die bewußtseinskonstituierende Kraft sprachlicher Benennungen weist der Titel in der AWO-Zeitschrift hin: ,^Cenn Flüchtlinge Asylanten genannt werden, werden es mehr" (Hildebrand 1986, S. 33). Auf die Analogien zu anderen Ausdrücken mit dem Suffix -ant wird mehrmals verwiesen: Diese seien zu unterteilen in neutrale Ausdrücke für Berufe (Praktikant, Intendant, Fabrikant), in Fachbegriffe wie Signifikant oder Migrant und in deutlich negative für „Charaktere", die „nicht normal" sind: Ignorant, Simulant, Spekulant, Querulant, Bummelant. In Analogie zu letzteren werden dann in den 70er Jahren Sympathisant und in den 80er Jahren Asylant verwendet.95 Interessanter erscheint Wolkens Hinweis auf die Extension des Begriffs Asylant: „Daß das Wort .Asylant' eine Negativauszeichnung impliziert, wird auch dadurch belegt, daß es nie zur Bezeichnung von Flüchtlingen verwendet wird, für die Aufnahmebereitschaft existiert. Von ,Vietnamasylanten', .Bootsasylanten' oder .Ostblockasylanten' ist nie die Rede. Vielmehr wird zwischen .Asylanten' einerseits und .Ostblockflüchdingen' andererseits in der rechtspolitischen Diskussion differenziert." (Wolken 1986, S. 65) 9 0
Diese Beobachtung unterstützt auch Ute Gerhard für den Mediendiskurs: „Flüchtlinge sind tatsächlich gefährdete Menschen, aber nur ganz wenige; Asylanten sind Massen, die das Asylrecht mißbrauchen." In den 70er und 80er Jahren sei es zu der „Oppositionsbildung .Flüchtling' (für Menschen aus der DDR und anderen Ostblockländern) im Gegensatz zu .Asylant' (für Menschen aus der sog. 3.Welt [...])" (Gerhard 1991, S. 12) gekommen. Die realitätskonstituierenden Folgen dieser Bezeichnungen benennt wiederum Jürgen Link: „Der Flüchding stellt wie das weih93
94 95 96
In der FRANKFURTER RUNDSCHAU dagegen wird der Ausdruck durchgängig vermieden. Zur Verwendung des Wortes Asylanten) in der BlLD-Zeitung (unter anderem in einer Serie über „Asylanten im Revier. Wer soll das bezahlen?" ab dem 16.6.1991) und darüber hinaus zur Rolle der Bnj>Zeitung im öffentlichen Diskurs über das Thema Asylbewerber und Asylrecht vgl. Quinkert, Jäger 1991; Huhnke 1993; Jäger 1993. Diese Analysen gelten der Inszenierung rassistischer Feindbilder in der BlLD-Zeitung und weisen ihr eine wichtige Rolle bei der öffentlichen Propagierung und Durchsetzung der Verschärfung des Asylrechtsartikels im Grundgesetz zu. Vgl. den gleichen Untertitel in der TAZ 24.7.1986 und den Titel von Jürgen Links Beitrag in KULTURREVOLUTION 2/1986: Asylanten - ein Killwort". Vgl. TAZ 24.7.1986; Dre FEDER 10/1986; Gerhard 1991a, S. 4; Jäger, Jäger 1993, S. 55. Vgl. auch Jäger, Jäger 1993, S. 55.
Einwanderungspolitik
737
nachtliche Paar in der Bibel eine moralische und soziale Aufgabe dar, der .Asylant' bedeutet nurmehr eine .unzumutbare' beziehungsweise ,nicht mehr verkraftbare Belastung'" (Link 1986, S. 57). In vielen Zeitungen wird Anfang Oktober 1991 die Thematisierung von Asylant inmitten der hitzigen Diskussion um das Asylrecht und von Anschlägen gegen Asylbewerber durch eine Reuter-Agenturmeldung aufgegriffen. Dabei werden Einzelpersonen und Organisationen, die sich um Flüchtlinge bemühen, sowie Sprachwissenschaftler mit Kritik an dem Wort zitiert. Warum das Wort trotz dieser Kritik und deren Medienresonanz weiter verwendet wird, dafür liefert ein WDR-Interview mit dem Sprachwissenschaftler Gerhard Müller von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) Anhaltspunkte, bei dem der WDR-Journalist die vorgebrachten Argumente ablehnt. Neben solcher Uneinsichtigkeit ist eine bewußt pejorisierende Absicht bei der Verwendung zu vermuten.97 Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bezeichnet in dieser Sprachkritik Asylant als „diskriminierenden Begriff" und als „Unwort - sein Ursprung ist so unklar wie seine Bedeutung". Zur Stützung der letzteren Aussage wird Gerhard Müller (GfdS) zitiert, für den der Begriff „diffus" sei: „Es ist semantisch unklar, was das Wort bedeutet". Die weiteren Aussagen (unter anderem Müller: „Das ist ein sprachlicher Pogromausdruck."), die die Verwendung zutreffend belegen, widerlegen diese Charakterisierung als „Unwort" ohne Bedeutung. Zudem werden folgende sprachkritische Äußerungen zitiert: „Gerhart Baum (FDP) zähle es zur ,Sprache des Unmenschen'". Herbert Leuninger (Pro Asyl) führe nach eigenen Worten einen „Kampf gegen Windmühlen", wenn er darauf beharre, „Flüchtlinge entweder Flüchtlinge oder Asylbewerber zu nennen". Asylant höre sich ja an wie ,Asyl-Schnorrer". Auch amnesty international vermeide den Ausdruck, weil er „etwas Abwertendes" habe.98 Mit Asylbewerber und Flüchtlinge sind damit die häufigsten Bezeichnungen derjenigen genannt, die den Ausdruck Asylant nicht verwenden wollen. Spezifizierungen wie Elendsflüchtlinge oder Armutsflüchtlinge richten sich eher gegen das ebenfalls abwertende Wort Wirtschaftsflüchtling", dessen Ver97
98
99
Als krassestes Beispiel für die bewußte Nutzung der pejorativen Kraft des Ausdrucks Asylant ist - abgesehen von seiner Verwendung als Schimpfwort etwa in Fußballstadien für den Gegner (vgl. FR 28.7.1993, S. 15) - der Versuch von CDUGeneralsekretär Rühe zu nennen, diese zur parteipolitischen Polemik gegen die SPD in der Debatte um das Asylrecht zu nutzen. Wenn die SPD der Änderung des Grundrechts auf Asyl nicht zustimme, sei „jeder Asylant, der [nach dieser Ablehnung der SPD] [...] ins Land kommt, [...] ein SPD-Asylant" (hier zit. nach BlLD-Zeitung 18.9.1991, zit. in Gerhard 1991, S. 12), was Herta Däubler-Gmelin im Bundestag folgendermaßen kommentiert: „Es gibt Sätze, an denen erkennt man Schreibtischtäter" (FR 19.10.1991, S. 3). Vgl. FR 5.10.1991, S. 4.
Vgl. SPD-Vorschlag von 1980, in RP 4.6.1980.
738
Kapitel 18
wendung ebenso wie Scheinasylanten und die Flut-Metaphorik in den letzten zehn Jahren zum Entstehen einer Stimmung gegen Ausländer beigetragen hat. In der öffentlichen Sprache der BRD soll bereits 1965 für kurze Zeit der Ausdruck Wirtschaftsflüchtlinge für ohne politische Fluchtgründe aus Osteuropa in die BRD eingereiste Menschen verwendet worden sein.100 Eine solche Negativbezeichnung gegenüber Ostblockflüchtlingen war aber politisch inopportun und deshalb nur kurzlebig. Erst seit 1977/78 sei sie dann wieder vor allem für Asylbewerber aus der Dritten Welt verwendet worden. Seitdem gehört der Ausdruck (und seine durch das Lexem Asylant verschärfend klingende Variante Wirtschaftsasylani) zu den wichtigsten sprachlichen Mitteln, „Flüchtlingen die Notwendigkeit zur Flucht abzusprechen und ihnen den Mißbrauch des Asylrechts vorzuwerfen" (Thomä-Venske 1989, S. 10). Vor allem von CDU/CSU-Politikern wird der Ausdruck 1979/80 mit parteipolitischer Zielrichtung gegen die SPD/FDP-Bundesregierung verwendet, von der die „Eindämmung der Flut der Wirtschaftsflüchtlinge" gefordert und der vorgeworfen wird, daß sie die ,?Welle der Wirtschaftsflüchtlinge zur Springflut hat werden lassen".101 Lothar Späth zeigt Verständnis für das „Freiwerden von Emotionen" gegen Ausländer, weil dergleichen erst durch die „Scheinasylantenlawine" sowie durch „faktisch unkontrolliertes Hereinlassen jedes Wirtschaftsflüchtlings" heraufbeschworen worden sei.102 Die Wirkung solcher Begrifflichkeit wird schon im gleichen Jahr von der SPD, obwohl sie selbst die Flut-Metaphorik nicht vermeidet,103 und vom SPIEGEL problematisiert. Während von seiten der SPD (s.o.) positivere Alternativbezeichnungen wie Elendsflüchtlinge und Armutsflüchtlinge verwendet wurden, reflektiert der SPIEGEL-Artikel die Funktion dieser Begrifflichkeit (spricht allerdings gleichzeitig selbst vom ,.Ansturm der Asylanten"): „Die Tonart, in der manche Offizielle mit ,Scheinasylanten' und .Wirtschaftsflüchtlingen' umspringen, schiebt Ausländer von Amts wegen in die Rolle unnützer Nutznießer".104 Seither gehört aber der Ausdruck Wirtschaftsflüchtling zum Diskurs über Ausländer. Auch in offiziellen ministeriellen Stellungnahmen wird der Ausdruck verwendet, um Asylsuchenden zu unterstellen, sie seien „nur" aus wirtschaftlichen Gründen geflohen, um sich in der BRD (auf Kosten der Deutschen) ein angenehmes Leben zu machen. So behauptete bei100 101 102 103
Vgl. Wolken 1986, S. 64f. Zlt. nach Wolken 1986, S. 65. Zlt. nach DER SPIEGEL (15.9.1980), H. 38, S. 20. Vgl. Wolken 1986, S. 65: Sie zitiert zwei BT-Redebeispiele von SPD-Politikern, die vom „Zustrom von Asylbewerbern" und vom „Zustrom ausländischer Menschen" sprechen.
104 DER SPIEGEL (15.9.1980), H. 38, S. 20.
Einwanderungspolitik
739
spielsweise das Bundesministerium des Inneren (BMI) am 4.1.1989 über Asylsuchende: „Mehr als 90 Prozent sind nicht politisch Verfolgte, sondern kommen überwiegend als Wirtschaftsflüchtlinge in unser Land."105 Und nach dem Rückgang der Asylbewerberzahlen seit der Änderung des Grundgesetz-Artikels 16 stellt das regierungsamtliche JOURNAL FÜR DEUTSCHLAND triumphierend fest: „Deutschland ist nicht mehr das Paradies für Wirtschaftsflüchtlinge."106 Gerade in den Jahren 1992/93 ist aber auch die sprachkritische Ablehnung vor allem der Ausdrücke Wirtschaftsflüchtling und Scheinasylant zu einem eigenen wichtigen und wiederkehrenden Argumentationszug in der asyl- und ausländerpolitischen Diskussion geworden. Den Benutzern solcher Ausdrücke wird dabei vorgeworfen, mit solchen Bezeichnungen die Stimmung gegen die so Bezeichneten geschürt zu haben und damit für die Gewalttaten gegen Ausländer mitverantwortlich zu sein. Exemplarisch dafür sei die Aussage des PDS-Abgeordneten Gregor Gysi in der abschließenden Bundestagsdebatte über die Einschränkung des Asylrechtsartikels 16 im Grundgesetz am 26.5.1993 zitiert: „Und Sprache ist verräterisch. Es waren Politikerinnen und Politiker, die die Begriffe von Scheinasylanten, von Flüchtlingsströmen, von Wirtschaftsflüchtlingen, vom Asylmißbrauch, von asylfreien Zonen, von Durchmischung und Durchrassung und das schlimme Wort vom Staatsnotstand in die Debatte brachten, und solche Worte zeigen Wirkung. All jene, die in der beschriebenen Art und Weise die Asyldebatte führten und führen, haben an rassistischen und ausländerfeindlichen Pogromen als intellektuelle Urheber ihren Anteil."107
Die interessanteste Thematisierung der Funktion des Ausdrucks Wirtschaftsflüchtlinge findet sich in einem Beitrag, der 1989 in der FRANKFURTER RUNDSCHAU unter der von Klemperer adaptierten Schlagzeile .Worte wirken wie winzige Arsendosen" veröffentlicht wurde. Hanns Thomä-Venske rät hier allein schon deshalb zur Vermeidung des Ausdrucks, weil aus Deutschland flüchtende Juden zur Zeit des Nationalsozialismus, die nicht „eigentliche [...] politische Emigranten" gewesen, 105 Zit. nach Thomä-Venske 1989, S. 10. 106 JOURNAL FÜR DEUTSCHLAND. Informationen aus der Politik. Ein Magazin des Presseund Informationsamtes der Bundesregierung. Nr. 3, Dezember 1993/Januar 1994, S. 6. 107 Weitere Beispiele: „Keiner kann behaupten, er habe von nichts gewußt, denn nicht wenige Politiker und Medien haben Flüchdinge zu Sündenböcken für soziale Mißstände gestempelt, indem sie sie als Wirtschaftsflüchtlinge und Scheinasylanten diskriminierten." (Jürgen Koreli (Kritische Polizistinnen) auf einer Kundgebung gegen erstarkenden Rechtsradikalismus in Erfurt, zit. nach FR 10.11.1993, S. 4). Hans-Jochen Vogel führt bei der Vorstellung eines parteiübergreifenden Projekts gegen Tendenzen zum Rassismus und zum Rechtsextremismus neben durcbraßt den Ausdruck Wirtschaftsflüchtlinge als Beispiel für eine zu bekämpfende yerwilderung des Sprachgebrauchs" an (FR 8.7.1993, S. 5).
740
Kapitel 18
sondern nur aus „rassischen" Gründen geflohen seien, auch als ,^7irtschaftsemigranten" bezeichnet worden seien. Damit weist er auf die mögliche Irreführung durch diesen Ausdruck hin, wenn dessen Verwendung eine enge Definition des Begriffs der „politischen Verfolgung" zugrunde liegt. Während der Autor so drastisch auf mögliche Folgen einer Abschiebung von als Wirtschaftsflüchtlingen Abgestempelten hinweisen will, richtet sich seine konkrete Kritik im Anschluß an den Wahlerfolg der REP's in Berlin gegen die „schleichende Wirkung" von Begriffen wie Wirtschaftsflüchtling im Bewußtsein bundesdeutscher Wähler. Die „jahrelange Desinformation der Bevölkerung über die Asylproblematik" die er zuvor durch eine Aufschlüsselung der vom BMI veröffentlichten Asylbewerber-Zahlen gezeigt hat - habe zusammen mit Begriffen wie Wirtschaftsflüchtling „fremdenfeindliche Ressentiments salon- und parlamentsfähig" gemacht.108 Der gleiche Vorwurf trifft natürlich in verstärktem Maße auf die Verwendung von Scheinasylanten und der mit diesem Bestimmungswort gebildeten Komposita zu. Seitens der CDU/CSU beginnt (laut Wolken 1986) die „Scheinasylanten-Thematisierung" Ende 1979- Im Bundestag spricht Spranger (CSU) am 2.7.1980 von der „Schwemme von Scheinasylanten" (BT 2.7.1980, S. 18548), die das Problem der Ausländerfeindlichkeit heraufbeschworen habe. Bis zur jüngsten Diskussion wird dieser Ausdruck, der den Asylbewerbern akzeptable Fluchtgründe abspricht, nicht nur von Rechtsaußen-Politikern und von der BiLD-Zeitung weiterverwendet,109 obwohl seine Verwendung und seine bewußtseinslenkenden Folgen häufig beklagt worden sind. So benutzt zwar DER SPIEGEL 1980 und 1986 Scheinasylanten als Zitatwort in Anführungsstrichen und kritisiert im Kontext die Funktion einer solchen Prädikation, das hindert ihn jedoch nicht, seine Serie über Asylbewerber im Jahre 1986 unkritisch mit „SPIEGEL-Serie über Asylanten und Scheinasylanten in der Bundesrepublik" zu überschreiben. 110 Auch die RHEINISCHE POST benutzt sowohl 1980 das Kompositum „Scheinasylantentum" (sowie „falsche Asylanten") als auch 1986 die Ausdrücke „Scheinasylanten", ,^irtschafts-Asylanten"
108 Vgl. Thomä-Venske 1989, S. 10. 1 0 9 Zur Verwendung von Scheinasylanten in BILD AM SONNTAG vgl. die Analyse von Huhnke 1993 über die Zeit von 1986 bis 1992: „Bei der BamS hingegen steht das Jahr 1988 im Zeichen des .Scheinasylanten'" (S. 231). 110 DER SPIEGEL H. 36ff./1986. Eine genauere Analyse dieser Serie, derer sich die SPIEGELRedaktion noch im November 1992 als eines Beitrags zur Aufklärung über den Mißbrauch des Asylrechts rühmte, findet sich bei Huhnke 1993. Huhnke kommt dabei zu dem Ergebnis, daß DER SPIEGEL ebenso wie die BILD AM SONNTAG seither „über Jahre hinweg die Inszenierung rassistischer Feindbilder gefördert" habe und bei der Berichterstattung „eine Form der strukturellen Gewalt gegen Ausländer" (S. 262) darstelle.
Einwanderungspolitik
741
und „Schwindelasylanten"111 unkritisch. Das Schimpfwort Asylbetrüger scheint allerdings bisher nur von rechtsextremen Gruppen verwendet zu werden.112 Im Kommunalwahlkampf in Hessen Anfang 1989, bei dem nach dem Wahlerfolg der ausländerfeindlichen REP's in Berlin das Thema ,Ausländer' weiter hochgespielt wurde, kam es ebenso wie in der 1991er-Diskussion um Asylrecht und Gewalt gegen Ausländer zu scharfen Angriffen auf die weitere Verwendung von Scheinasylant vor allem bei CDU/ CSU-Politikern.113 Die HESSISCHE ZEITUNG berichtet am 25.2.1989: „Der hessisch-nassauische Kirchenpräsident Helmut Spengler warf der hessischen CDU vor, sie habe mit dem Begriff .Scheinasylanten' Ängste in der Bevölkerung geschürt, die eher abgebaut werden müßten." Sowohl die Verwendung von Scheinasylanten wie von Asylmißbrauch legitimieren CDU/CSU-Politiker in der Regel mit der Statistik, nach der über 9 0 % der Asylbegehren abgelehnt werden.114 Die Illegitimitätserklärung, die bei Scheinasylanten im Bestimmungswort Schein bezüglich des Asylbegehrens ausgedrückt ist, wird im folgenden Wortspiel gegen die sich als christlich verstehenden Benutzer des Wortes gekehrt, indem diese in einer Analogiebildung als ScheinChristen bezeichnet werden. ,^7er das Wort vom Schein-Asylanten weiter verwendet, ist ein Schein-Christ", so wird in der FRANKFURTER RUNDSCHAU ein „Initiativausschuß ausländische Mitbürger in Hessen" zitiert. Diese Behauptung wird damit begründet, daß die Legitimation des Wortes Scheinasylant, daß nämlich 9 0 % der Asylsuchenden nicht anerkannt würden, gegen das 8. Gebot der Bibel: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten" verstoße. Denn aufgrund anderer gesetzlicher Grundlagen als dem Asylrecht hätten die meisten Asylsuchenden ein Recht auf Aufenthalt in der BRD.115 Im Herbst 1991 fand eine Auseinandersetzung um den Ausdruck Scheinasylanten im Düsseldorfer Landtag statt. „Der CDU-Fraktionsvorsitzende Helmut Linssen sprach von ,Scheinasylanten', die Innenminister Schnoor gegen Recht und Gesetz im Lande dulde." Mit dem Ausdruck Scheinasylanten provozierte er Proteste bei SPD und GRÜNEN. 111 RP 7.5.1980, 31.5.1980, 16.8.1986, 28.8.1986, 28.7.1986. 112 Vgl. zum Beispiel den Bericht über den Freispruch eines Mitglieds der REPs, der wegen Volksverhetzung angeklagt war, weil er ein Flugblatt „Der Asylbetrüger in Deutschland" verteilt hatte (FR 9.2.1994, S. 4). 113 Vgl. z.B. den Beleg in der FR 11.10.1991, S. 2: „Die Herzberger CDU wird sich der [...] Eventualmaßnahme, der Belegung städtischer Gebäude durch Schein-Asylanten, mit allen Mitteln, notfalls auch durch Maßnahmen im Bereich des .zivilen Ungehorsams', widersetzen" (Der CDU-Stadtverband Herzberg (Harz) in seinem Mitteilungsblatt „Herzberger Wegweiser"). 114 Zur Problematik der Zahlen vgl. Thomä-Venske 1989, S. 10 und Tichy 1990, S. 48ff.
742
Kapitel 18
„Stefan Frechen (SPD) wertete solche Begriffe als Bodensatz für die Überfalle auf die Ausländer. Auch Michael Vesper (Grüne) warf der CDU vor, sich mit Begriffen wie Wirtschaftsflüchtlingen, Scheinasylanten oder betrügerischem Asyltourismus ,zum Stichwortgeber für den randalierenden Mob' zu machen." (FR 5.10.1991, S. 4)
Neben diesen analysierten Stigmaworten ist es vor allem die Flut- und „Deichgraf-Metaphorik"116, die zu Ressentiments gegenüber Ausländern führt und die trotz vielfacher Kritik bis heute zum Teil unreflektiert, zum Teil bewußt von Politikern und Zeitungen verwendet wird. Nach Jürgen Links These haben Politiker von CDU und SPD sowie die Medien „durch die Neuschöpfung der ,Asylantenspringflut' alle Fluten einzelner Krisenerscheinungen in der kritischen Zeit zwischen 1978 und 1980 unter den einen Hut der ,Ausländerflut' gezaubert" und damit „die diskursive Hauptstütze" (Link 1986, S. 59) für die Enttabuisierung neonationalistischer und neorassistischer Positionen in der Öffentlichkeit geschaffen. Jedenfalls hat sich diese Metaphorik im Jahre 1980 „flutartig" verbreitet. Neben schon in anderen Zusammenhängen zitierten Beispielen (z.B. „Schwemme von Scheinasylanten") gibt es eine .Asylantenwelle"117, eine ,Ausländerflut", .Ausländerschwemme", einen ,Asylantenstrom", „Asylantenzufluß", eine .Asylantenflut" und .Asylantenschwemme"118. Als bezeichnende Beispiele der frühen Diskussion des Jahres 1980 seien zwei Artikel aus der FAZ und der ZEIT angeführt, in denen auch die in der Flut-Metapher implizierte Rettung, die Errichtung von „Dämmen" bzw. die „Eindämmung", als Lösung des Problems angesprochen werden: Friedrich Karl Fromme schreibt in der FAZ einen Leitartikel mit dem Titel „Dämme gegen die Asylanten-Springflut" (28.5.1980); der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, Jürgen Schilling, schreibt in der ΖΕΓΓ: „Die Überschwemmung der Bundesrepublik hat stattgefunden, ohne daß die Nation jemals bewußt ja dazu gesagt hat" (21.11.1980); anschließend warnt er vor einem .yölkerbrei". Die gleiche Flut-Metaphorik wird 1991 weiterhin benutzt, vor allem auch, um Gewaltakte gegen Ausländer zu erklären. Zur Metaphorik zwei krasse Beispiele: ,^enn weiterhin Ströme von Fremden in das Land schwappen und keine erfolgreichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sichtbar werden, dann in der Tat könnte die sich aufstauende Ablehnung in der Bevölkerung zu gewaltsamen Eruptionen führen."119 ,Satire 115 Vgl. FR 11.10.1991, S. 16. 116 Spörl im ZEITMAGAZIN laut Wolken 1986, S. 65. 117 CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Pressedienst vom 26.6.1980, zit. nach Wolken 1986, S. 65. 118 RP 7.4.1981 und 11.8.1981, 2.12.1981, 2.12.1981 und 17.7.1986, 27.2.1986, 18.7.1986, 18.7.1986. 119
RHEINISCHER MERKUR 2 7 . 9 1 9 9 1 , zit. n a c h G e r h a r d 1 9 9 1 , S . 1 2 .
Einwanderungspolitik
743
Massen von Asylbewerbern und Aussiedlern - vor allem aus Osteuropa - fluten nach Deutschland."120 Schon 1986 hatte DER SPIEGEL die Metaphorik kritisiert, weil sie den Volkszorn gegen Asylbewerber schüre: „Da genügt ein Anschwellen der Zuwanderung121 von Asylsuchenden, von Politikern zur .Schwemme' oder ,Flut' hochgeredet, um das unheilbar gesunde Volksempfinden herauszufordern".122 1985 wird auch aus den Reihen der SPD der Ausdruck Asylantenflut abgelehnt und versucht, die Flut-Metapher gegen ihre Urheber zu kehren, die zu Asylbewerbern eine „Pressemeldungsflut" organisierten: Es gebe „keine Asylantenflut, sondern eine Pressemeldungsflut unverantwortlicher Politiker, denen zum Hauptproblem Arbeitslosigkeit nichts mehr einfällt".123
6. Schlußbemerkung Angesichts dessen, daß eine solche metaphorische Redeweise nicht aufgehört hat und die mit ihr transportierten Bilder mittlerweile zu einem gehäuften Auftreten terroristischer Attacken gegen Ausländer beigetragen haben, 124 ist der 1990 (also noch vor der Eskalation der Gewalt und vor den rechtsextremen Wahlerfolgen) formulierten Analyse und dem Sprachtherapievorschlag Roland Tichys zuzustimmen: „Die notwendige Bewußtseinsänderung beginnt beim Sprachgebrauch. Politiker und Medien müssen zu einer nüchternen Sprache finden, die klarmacht, daß man von Menschen redet - nicht von den Elementen einer Naturkatastrophe: Begriffe wie .Asylantenflut', .Strom', .Überschwemmung' und Überschriften selbst in sonst seriösen Zeitungen wie der .Frankfurter Allgemeinen Zeitung': .Dämme gegen Asylanten-Springflut' 120 BILD 14.8.1991, zit. nach Gerhard 1991, S. 12. Weitere Metaphern und Kollektivsymbole, die für Abwehrreaktionen gegen Ausländer und Asylbewerber mitverantwortlich sind, analysiert Ute Gerhard im genannten Aufsatz. Die im BlLD-Zeitungs-Zitat gegebene Anwendung der Flut-Metaphorik auf Aussiedler ist eher selten, ist aber für die 1991er-Haltung gegen alle „Fremden" charakteristisch. 121 DER SPIEGEL benutzt in seinem reißerischen Stil also selbst Elemente der kritisierten Metaphorik, statt etwa von „Zunahme der Asylbewerberzahlen" o.a. zu sprechen! Nach Huhnkes Analyse ist zu diesem Zeitpunkt die SPIEGEL-Position zum Thema Asylrecht noch „in der Aussage fast positionslos" (Huhnke 1993, S. 247). Mit der schon genannten „Serie über Asylanten und Scheinasylanten in der Bundesrepublik" beginnt DER SPIEGEL aber schon einen Monat später mit der „unterschwelligen Strategie, [...] das Gros der Flüchdinge als .Scheinasylanten' zu .entlarven'" (S. 248). 122 DER SPIEGEL (28.7.1986), H. 31, S. 27. 123 Zit. nach Wolken 1986, S. 65, dort zit. nach FR 28.3.1985, S. 1. 124 Der AL-Politiker Wolfgang Wieland drückt diesen Zusammenhang so aus: „Das Gerede der Politiker von ,Asylantenschwemmen', .Wirtschaftsflüchtlingen', ,messerstechenden Ausländern, die nur das Wort Asyl zu sagen brauchen und dann vom Steuerzahler sieben Jahre lang ausgehalten werden', [...] zeigt grausige Wirkung und wird das Signal zur Menschenjagd" (FR 24.9.1991, S. 4).
744
Kapitel 18 verstellen den Blick darauf, daß es sich hier um Menschen handelt und daß Fremde dieselbe personale Würde wie Einheimische haben. Gleichzeitig werden bei den Einheimischen durch sprachliche Übertreibungen und Panik Ängste geschürt, die in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Zahlen stehen, werden durch die emotionalisierte Sprache Fremdenangst und Aggression angeheizt, die die Politik in einen Teufelskreis zwingen: Durch die Sprache der Politik und Medien wird künstlich ein Problemdruck erzeugt, den eine auch nur halbwegs vernünftige Politik nicht beseitigen kann. Die so entstehende Ausländerfeindlichkeit ist wiederum Hauptmotor für den Erfolg rechtsradikaler Parteien, die sich nur des Vokabulars bedienen, das auch bürgerliche und sozialdemokratische Politiker und Journalisten verwenden. Dieser Erfolg der Rechtsradikalen verführt nun gerade konservative Politiker dazu, noch dümmlicher und radikaler aufzutreten, um den rechten Rand des Wählerspektrums wieder an sich zu binden - dabei hat man den Aufstieg der Gestrigen selbst provoziert." (Tichy 1990, S. 155)
Zur sprachlichen Therapie gegen Ausländerhaß gehört es sicher auch, den, wie oben ausgeführt, seit Mitte der 70er Jahre meistverwendeten Ausdruck Ausländer nicht negativ besetzt werden zu lassen, wie es durch ausländerablehnende oder -beschimpfende Parolen geschieht. „Der Begriff Ausländer sollte seiner negativen Bewertung entledigt und mit positiven Bewertungen verknüpft werden", empfiehlt die Münsteraner Sozialpsychologin Amelie Mummendey gegen Fremdenfeindlichkeit.125 Dazu könnte sicher das von der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, geforderte Aufgeben des Ausdrucks Ausländerkriminalität beitragen, „der schon deshalb keine .wertneutrale Bezeichnung' sei, weil ja auch niemand von einer .Deutschenkriminalität' spreche" (FR 23.11.1993, S. 1). Zu einer positiven Bewertung des Ausdrucks Ausländer kann beispielsweise die Solidarisierung mit einheimischen Ausländern durch demonstrative Übernahme der Fremdbezeichnung als Selbstbezeichnung beitragen, wie sie in dem GraffitiSlogan „Alle Menschen sind Ausländer - fast überall" seit Jahren geschieht. Die Strategie der Bewußtmachung des eigenen Ausländer-Status „fast überall" findet auch in einer Kampagne des Hessischen Rundfunks im Rahmen von Werbespots Anwendung, in denen es heißt: „In 178 Ländern der Erde sind wir Deutschen selbst Ausländer"126 und in einer Prominentenkampagne mit dem Motto „Ich bin ein Ausländer"127. Gegen den ebenfalls in einer breit angelegten Werbekampagne benutzten Slogan „Mein Freund ist Ausländer" gibt allerdings Daniel Cohn-Bendit wohl zu Recht zu bedenken, solche Sätze seien „eigentlich furchtbar, weil sie überhaupt für denkbar erklären, es könnte nicht so sein, oder 125 Vgl. FR 3.12.1991, S. 1. 126 Vgl. FR 2.11.1991, S. 4. 127 Vgl. FR 28.10.1991, S. 4 und FR 9.11.1991, S. 4.
Einwanderungspolitik
745
aber betonen, daß ein Ausländer ein ganz besonderer Mensch sei. Schon das ist wieder eine unwillkürliche Ausgrenzung" (FR-Interview 29.IO.I993, S. 8). Durch das Bestreiten der Angemessenheit der Bezeichnung Ausländerproblem dagegen, mit der das Leben von Ausländern in Deutschland erst als Problem dargestellt und begriffen wird, kann der negativen Besetzung des Begriffs Ausländer entgegengewirkt werden (so geschehen in dem Buchtitel von Roland Tichy: .Ausländer rein! Warum es kein .Ausländerproblem' gibt"128). Eine letzte Gruppe von Zuwanderem in die Bundesrepublik soll zuletzt noch erwähnt werden. Um sie hat es nur in den Jahren 1988/89 und in der Diskussion 1991 öffentliche Auseinandersetzungen gegeben. Neben der Gruppe der DDR-Flüchtlinge, die während ihrer spektakulären Massenflucht über osteuropäische Botschaften im Sommer 1989 auch Botschaftsflüchtlinge genannt wurden, sind dies die aus der DDR legal Ausreisenden, die Ende der 80er Jahre als Übersiedler bezeichnet wurden, und die Gruppe der lange Zeit Spätaussiedler Genannten. Diese reisen auf der Grundlage des GG-Art. l i ó ein und genießen gegenüber anderen Einwanderern erhebliche Vorteile, weil ihnen sofort die deutsche Staatsangehörigkeit zugesprochen wird und sie bestimmte für sie eingerichtete Sozialleistungen in Anspruch nehmen können.129 Da mit Gorbatschows Öffnungs-Politik in Osteuropa und der UdSSR die Zahl der Spätaussiedler, die nun nur noch Aussiedler hießen, Ende der 80er Jahre erheblich zunahm, wurde die Einwanderung und Integration als deutsch stämmig Geltender erstmals seit der Integration der Vertriebenen in den 50er Jahren wieder öffentlich als Problem wahrgenommen und diskutiert. Weil die Einwanderung dieser Personengruppe aus deutschnationalen Gründen politisch gewollt war, wurde sie auch nicht von Politikern zum Problem hochgeredet. Erst als 1988 200000 Aussiedler gekommen und für 1989 500000 deutschstämmige Zuwanderer aus Polen und der Sowjetunion erwartet wurden, wurde deren Anwesenheit und Zuzug von den Medien als Problem aufgegriffen, weil die Wahlerfolge der REP's durch fremdenfeindliche Stimmungen erklärt wurden, bei denen nun nicht mehr zwischen deutschstämmigen und nicht-deut128 Tichy 1990; vgl. auch einen Leserbrief in der FR von Mehmet Gürcan Daimagüler (Bonn): „Es ist mir aufgefallen, daß in den Medien BegrifFe wie ,Ausländerfrage' oder .Aiisländerproblem' benutzt werden, wenn es darum geht, von der Diskussion um das Asylrecht oder von Ausschreitungen gegen Ausländer zu berichten. Meiner Ansicht nach sind solche Begriffe grundlegend falsch [...]. Aber sind deswegen die Ausländer das Problem oder eine Frage, die nach einer Lösung schreit? [...] wir sind keine ,Frage' und erst recht kein .Problem', sondern möchten das sein, was in Sonntagsreden gerne beschworen wird: legitimer Teil der Gesellschaft dieses Landes, eben Mitbürger" (FR 19.12.1991, S. 10). 129 Vgl. Tichy 1990, S. 39f.
746
Kapitel 18
sehen Einwanderern unterschieden wurde. „Das Asylantenproblem und die Ausländerfrage" seien bei der Berliner Wahl von den REP's „mit der Aussiedlerfrage verknüpft" worden, wurde Helmut Kohl zitiert.130 DER SPIEGEL führt zwei weitere Quellen an, die bestätigen, daß nun im Bewußtsein eines Teils der Bevölkerung die deutschstämmigen Aussiedler auch als Ausländer empfunden werden: Wissenschaftler der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen registrierten in benachteiligten Vierteln eine .Konfusion des Ausländerbegriffs', der für die meisten Berliner, wie wohl auch für die meisten Westdeutschen, die Aussiedler mit einschließt und eigentlich .alles Fremde' meint! Die Xenophobie der Deutschen, schrieb letzte Woche die .Süddeutsche Zeitung', .unterscheidet nicht mehr nach Ausländern, Aussiedlern und Asylan, , „131 ' ten.
Während sich demnach in der Bevölkerung Ressentiments auch gegen Aussiedler entwickelten, wurde das Thema .Aussiedler' im politischen Diskurs nur sehr vorsichtig behandelt, weil vor allem für die CDU/CSU eine Änderung in ihrer Politik gegenüber diesen Einwanderern kein öffentliches Thema war. Nachdem schon Lafontaines Vorschlag, „den Zustrom von Aussiedlern durch Geldzahlungen an deren Heimatländer zu drosseln", als „Judasgeschäft' mit den Kommunisten" beschimpft wurde, das „die Unterdrückung der Freizügigkeit von Deutschen" belohne132, wurden Vorschläge von SPD und FDP zur Neufassung des Bundesvertriebenenrechts (mit dem die freizügige Aufnahme der Aussiedler geregelt wird), von der CDU/CSU abgelehnt. Mit dieser Neufassung sollte „endlich ein Schlußstrich" unter das „Kriegsfolgenrecht" gezogen werden. Der Zuzug von Aussiedlern sollte mit „Quoten" geregelt werden.133 .Aussiedler sind Deutsche, daran halten wir fest. Am Artikel 116 ist mit der CSU nicht zu rütteln", so begründet der CSU-Politiker Bötsch seine Ablehnung solcher Vorschläge. Er antwortet damit direkt auf Überlegungen von Gerhart Baum (FDP), der fordert, um den Zuzug von Aussiedlern berechenbarer zu machen, darüber nachzudenken, „wer eigentlich Deutscher ist" (FR 28.10.1991, S. 4). Über die Frage, wer in Deutschland als Fremder willkommen ist, wird also nach wie vor nach Kriterien der Abstammung beziehungsweise des Blutes entschieden: ,.Aussiedler sind Deutsche" und dürfen deshalb einwandern, nicht-deutsche Einwanderer sind Asylantenfluten, gegen die Dämme errichtet werden müssen. Auch die Auseinandersetzung um die
1 3 0 V g l . DER SPIEGEL ( 1 3 . 2 . 1 9 8 9 ) , H . 7 , S. 2 7 .
Ebd. 132 Johannes Gerster (CDU) laut DER SPIEGEL (13.2.1989), H. 7, S. 27. 131
133 V g l . DER SPIEGEL (9.9.1991), H . 37, S. 49.
Einwanderungspolitik
747
doppelte Staatsbürgerschaftli4, die die ausländerpolitische Diskussion des Jahres 1993 nach der Einschränkung des Asylrechts beherrscht hat und deren Zulassung eine Änderung des auf dem Prinzip der Abstammung basierenden Staatsangehörigkeitsrechts (jus sanguinis) voraussetzen würde, ist nur vor dem Hintergrund solcher nationaler Denkkatagorien verständlich. (Martin Wengeler)
Beleg- u n d Stichwörter -ant (Suffix) -ßüchtlinge (Grundwort) Aggression Alle Menschen sind Ausländer fast überall Anschläge Ansturm der Asylanten Anwerbeabkommen Anwerbekommission Anwerbestopp Arbeitsbürger A rbeitslosigkeit Arbeitsplatzräuber Armutsflüchtlinge Asylanten Asylantenflut Asylantenfrage Asylantenproblem Asylantenschwemme Asylantenspringflut Asylantenstrom Asylantenwelle Asylantenzufluß Asylberechtigte Asylbetrüger Asylbewerber asylfreie Zone
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Asylkompromiß Asylmißbrauch Asylrecht Asylschnorrer Asylsuchende Asyltourismus Ausländer Ausländerbeauftragte(r) Ausländerbegrenzung Ausländerbegriff Ausländerfeindlichkeit Ausländerflut Ausländerfrage Ausländerhetze Ausländerkriminalität Ausländerproblem Ausländerstopp ausländische Arbeitnehmer ausländische Arbeitskräfte ausländische Mitbürger Aussiedler Aussiedlerfrage Ausweisung Berufsvertriebene BHE (Bund für Heimatvertriebene und Entrechtete) • Botschaftsflüchtlinge
134 Ein Wort, das die FR als Reizwort einschätzt, von dem sie unterstellt, daß Helmut Kohl es bewußt - wohl wegen der Probleme damit in seiner Partei — vermeidet (FR
18.6.1993, S. 4).
748
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Bundesvertriebenengesetz bunte Republik Deutschland Bürger Dämme Dauergäste DDR-Flüchtlinge De-facto-Etnwanderungsland Deichgraf-Metaphorik Deutschland den Deutschen deutschstämmig Displaced Persons (DP's) doppelte Staatsbürgerschaft DP-Problem Durchmischung durchraßte Gesellschaft echte DP's echte Flüchtlinge Eindämmung Eingliederung einströmen Einwanderer Einwanderung Einwanderungsgesetz Einwanderungsland Einwanderungspolitik Einwanderungsquoten Einwanderungsstop Einweisungen Elendsflüchtlinge Ethnisierung (sozialer Konflikte) Evakuierte falsche Asylanten F/wc/bf Flüchtlinge Flischtlinge (van driben) • Flüchtlingsproblem • Í¡7MÍ
• Flut-Metaphorik • Fremdarbeiter
Kapitel 18
Fremde Fremdenangst fremdenfeindliche Äußerungen Fremdenhaß Gast Gastarbeiter Gastarbeiter-Komposita Gastarbeiterproblem Gastland Gaukler GG Art. 16 Ghettoisierung heimatlose Ausländer Heimatrecht heimatvertrieben Heimatvertriebene Hexenkessel Hochsprache Integration Invasion (der Türken) Itakas Judasgeschäft Kameltreiber Kanaken raus Katzeimacher Kriegsfolgenrech t kulturelle Identität Lastenausgleichsgesetz Makkaronis Migration Mischung der regionalen Umgangssprachen Mißbrauch des Asylrechts Mitbürger multikulturelle Gesellschaft multikulturelles Chaos multinationale Gesellschaft multirassische Gesellschaft Mundart Nachkriegsflüchtlinge
Einwanderungspolitik
749
neonationalistisch
7wr/feew-Komposita
neorassistisch
Türken-Witze
Notwohnungen
Türkenfeindlichkeit
Ölkrise
türkisch
Parasiten
Überbevölkerung
politisch Verfolgte
Restdeutschlands
politische Flüchtlinge
Überfremdung
Preisausschreiben „Gastarbeiter"
Überführung
Problem
Überfüllung
Quotenregelung
Überschwemmung
Reinerhaltung der deutschen Rasse
Übersiedler
Remotivierung Ressentiments
Umsiedlung Unterwanderung des deutschen Volkes
Restdeutschland
VerfolgteCr)
REPs (Republikaner)
Umquartierungen
Rotationsprinzip
Vertreibung
Schein- (Bestimmungswort)
Vertriebene
Schein-Ch risten
Vertriebenenverbände
Scheinasylant(en)
Vielvölkerstaat Bundesrepublik
Scheinasylantenlawine
Völkerbrei
Scheinasylantenschwemme
Wahlrecht (kommunales)
Scheinasylantentum
Welle
Schüblinge
Wer ist Deutscher?
Schwemme von Scheinasylanten
Wirtschaftsasylant
Schivindelasylanten
Wirtschaftsemigranten
soziale Explosion
Wirtschaftsflüchtling
soziale Zeitbombe
Wohnungsbeschlagnahmen
Sozialprestige
Wohnungseinweiser
Sozialsprengstoff
Xenophobie
Spaghettis
Zustrom (von Asylanten)
Spätaussiedler
Zuzugssperren
SPD-Asylant
Zwangsarbeiter
Sprengstoff-Metaphorik Springflut Staatsbürger Südländer Tag des ausländischen Mitbürgers Totalbombengeschädigte Türken
Zwangsausweisung
Literaturverzeichnis In diesem Literaturverzeichnis ist nur die von den Autorinnen und Autoren verarbeitete Literatur aufgeführt. Weitere bibliographische Hinweise finden sich in den Fußnoten der einzelnen Kapitel.
Einleitung Bergsdorf, Wolfgang: Herrschaft und Sprache. Studie zur politischen Terminologie der Bundesrepublik Deutschland. Pfullingen 1983 Biedenkopf, Kurt: Politik und Sprache. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 189-197 Boke, Karin: Der Streit um „Leben". Eine sprachwissenschaftliche Analyse der Diskussion um die Reform des § 218. Mag.arbeit der Philos. Fak. der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf 1990 Bolten, Jürgen: „Was heißt heute konservativ?" In: SPRACHE UND LITERATUR IN W I S SENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H. 64, S . 58-69 Braun, Peter: Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. Sprachvarietäten. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 2., veränderte und erweiterte Auflage 1987 Broszat, Martin (Hrsg.): Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte. München 1990 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte zur Zeitgeschichte. Bd. 61) Dieckmann, Walther: Diskontinuität' Zur - unbefriedigenden - sprachkritischen und sprachwissenschaftlichen Behandlung der Nachkriegssprache in Deutschland 1945-1949. In: Jost Hermand; Helmut Peitsch; Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Nachkriegsliteratur in Westdeutschland. Bd. 2: Autoren, Sprache, Traditionen. Berlin 1983, S. 89-100 Drosdowski, Günther; Helmut Henne: Tendenzen der deutschen Gegenwartssprache. In: Lexikon der Germanistischen Linguistik. Hrsg. von H. P. Althaus; H. Henne; H. E. Wiegand. Tübingen 21980, Bd. 3, S. 619-632 Eroms, Hans-Werner: Von der Stunde Null bis nach der Wende: Zur Entwicklung der politischen Sprache in der Bundesrepublik Deutschland. In: FORUM FÜR INTERDISZIPLINÄRE FORSCHUNG 2 (1989), S . 9-18 Falkenberg, Gabriel: Zur Begriffsgeschichte der deutschen Spaltung zwischen Deutschem Reich und zwei Deutschen Republiken. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND Unterricht (SuL) 20 (1989), H. 64, S. 3-22 Glück, Helmut; Wolfgang Werner Sauer: Gegenwartsdeutsch. Stuttgart 1990 (= Sammlung Metzler Bd. 252)
752
Literaturverzeichnis
Hahn, Silke: Sprachlich relevante Diskussionen in der Bildungspolitik 1964 1980. Ein Beitrag zur Sprachgeschichte der Bundesrepublik. Mag.arbeit der Philos. Fak. der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 1991 Herrmann, Ludolf: Hitler, Bonn und die Wende. Wie die Bundesrepublik ihre Lebenskraft zurückgewinnen kann. In: D I E POLITISCHE MEINUNG 2 8 ( 1 9 8 3 ) , H. 2 0 9 , S. 1 3 - 2 8 Hüttenberger, Peter: Wandel der politischen Sprache nach 1945, Vortrag auf dem deutsch-italienischen Kolloquium „Kulturwandel im Spiegel des Sprachwandels". Düsseldorf 21.10.1991-25.10.1991 (Mskr.) Jung, Matthias: Der öffentliche Sprachgebrauch und die Umweltdebatte in der BRD. Versuch der Kommunikationsgeschichte eines Themas. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H. 63, S . 7 6 - 9 8 Jung, Matthias: Öffentlichkeit und Sprachwandel. Zur Geschichte des Diskurses über die Atomenergie. Opladen 1994 (zugleich Diss. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 1992: Die nukleare Kontroverse als Sprachgeschichte der Gegenwart.) Klein, Josef: Kann man „Begriffe besetzen"? Zur linguistischen Differenzierung einer plakativen politischen Metapher. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 4 4 - 6 9 Lapp, Edgar: Jugendsprache": Sprechart und Sprachgeschichte seit 1945- Ein Literaturbericht. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SuL) 20 (1989), H. 63, S. 5 3 - 7 5 Lhotta, Roland: Sind wir „gelinkt" worden? Zum Eindringen von 68er-Vokabular in die Gemein- und Bildungssprache. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H. 64, S . 7 0 - 9 4 Liedtke, Frank: Sozialismus - ein Reizwort. In: SPRACHE UND LITERATUR IN W I S SENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H. 64, S . 2 3 - 3 8 Musolff, Andreas: Anmerkungen zur Geschichte des Ausdrucks „Sympathisant" im Kontext der Terrorismus-Diskussion. In: SPRACHE UND LITERATUR IN W I S SENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H. 64, S . 95-109 Polenz, Peter von: Geschichte der deutschen Sprache. Berlin, New York 9 1978 (= Sammlung Göschen 2206) Polenz, Peter von: Deutsch in der Bundesrepublik Deutschland. In: I. Reiffenstein; H. Rupp; P. von Polenz; G. Korlén: Tendenzen, Formen und Strukturen der deutschen Standardsprache nach 1945. Marburg 1983, S. 4 1 - 6 0 Polenz, Peter von: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd. I: Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin, New York 1991 (= Sammlung Göschen 2237) Schelsky, Helmut: Herrschaft durch Sprache, In: W. Bergsdorf (Hrsg.): Wörter als Waffen. Sprache als Mittel der Politik. Stuttgart 1979, S. 1 5 - 2 9 Sommerfeldt, Karl-Ernst (Hrsg.): Entwicklungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig 1988 Steger, Hugo: Sprache im Wandel. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H. 6 3 , S . 3 - 3 1 (Abdruck aus: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt 2 1 9 8 9 , Bd. 4, Kultur; 1. Aufl. 1983) Stötzel, Georg: Heinrich Bolls sprachreflexive Diktion. Sprachwissenschaftliche Interpretation eines Interviews. In: LINGUISTIK UND DIDAKTIK 9 ( 1 9 7 8 ) , S. 5 4 - 7 4
Kapitel 1: Frühe Nachkriegszeit
753
Stötzel, Georg: Konkurrierender Sprachgebrauch in der deutschen Presse. Sprachwissenschaftliche Textinterpretationen zum Verhältnis von Sprachbewußtsein und Gegenstandskonstitution. In: WIRKENDES W O R T 3 0 ( 1 9 8 0 ) S. 3 9 53
Stötzel, Georg: Schulbezogene Sprachwissenschaft? In:
DER DEUTSCHUNTERRICHT
( 1 9 8 3 ) , H . 6, S. 2 0 - 3 1
Stötzel, Georg: Normierungsversuche und Berufungen auf Normen bei öffendicher Thematisierung von Sprachverhalten. In: A. Schöne (Hrsg.): Kontroversen, alte und neue. Tübingen 1 9 8 6 , Bd. 4 , S. 8 6 - 1 0 0 (= Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses, Göttingen 1985) Stötzel, Georg: Naziverbrechen und öffentliche Sprachsensibilität. Ein Kapitel deutscher Sprachgeschichte nach 1 9 4 5 . In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 3 , S . 3 2 - 5 2
Stötzel, Georg: Semantische Kämpfe im öffentlichen Sprachgebrauch. In: Gerhard Stickel (Hrsg.): Deutsche Gegenwartssprache. Tendenzen und Perspektiven. Berlin, New York 1 9 9 0 , S. 4 5 - 6 5 (= Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 1989) Weinrich, Harald: Von der Alltäglichkeit der Metasprache. In: H. Weinrich: Sprache in Texten. Stuttgart 1 9 7 6 , S. 9 0 - 1 1 2 Wengeler, Martin: Remilitarisierung oder Verteidigungsbeitrag? Sprachthematisierung in den Diskussionen um die westdeutsche Wiederbewaffnung. Ein Beitrag zur Sprachgeschichte nach 1 9 4 5 . In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S u L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S . 3 9 - 5 7
Wengeler, Martin: Die Sprache der Aufrüstung. Zur Geschichte der Rüstungsdiskussionen nach 1945. Wiesbaden 1992
Kapitel 1: Frühe Nachkriegszeit Bolten, Jürgen:
heißt heute konservativ?" In:
SPRACHE UND LITERATUR IN W I S -
SENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S . 5 8 - 6 9
Borchers, Hans: Die zarte Pflanze Demokratie. Amerikanische Reeducation in Deutschland im Spiegel ausgewählter politischer und literarischer Zeitschriften ( 1 9 4 5 - 1 9 4 9 ) . Tübingen 1 9 7 9 Falkenberg, Gabriel: Zur Begriffsgeschichte der deutschen Spaltung zwischen Deutschem Reich und zwei Deutschen Republiken. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S . 3 - 2 2
Festschrift „Fünfundsiebzig Jahre Städtisches Helmholtz Gymnasium Hilden". 1 9 1 0 - 1 9 8 5 . Hilden 1 9 8 5 Lademacher, Horst: Zwei ungleiche Nachbarn. Wege und Wandlungen der deutsch-niederländischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Darmstadt 1989
Liedtke, Frank: Sozialismus - ein Reizwort. In:
SPRACHE UND LITERATUR IN WISSEN-
SCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S . 2 3 - 3 8
Malanowski, Wolfgang: Die Gnade der künstlichen Geburt (I, Vorgeschichte der Bundesrepublik: Die „Stunde Null"). Serien-Beitrag. In: D E R SPIEGEL 4 3 ( 2 4 . 4 . 1 9 8 9 ) , H. 17, S. 1 3 6 - 1 5 2
754
Literaturverzeichnis
Mieder, Wolfgang: Bibliographische Skizze zur Überlieferung des Ausdrucks „Iron Curtain"/„Eiserner Vorhang". In: MUTTERSPRACHE 91 (1981), S. 1-14 Polenz, Peter von: Geschichte der deutschen Sprache. Berlin, New York 9 1978 Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1986 Widmer, Urs: 1945 oder die „Neue Sprache". Düsseldorf 1966 (= Wirkendes Wort. Schriftenreihe Bd. 2)
Kapitel 2: Wirtschaftspolitische Diskussionen Abelshauser, Werner: Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1983 Ambrosius, Gerold: Die Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland 1945-1949. Stuttgart 1977 Ambrosius, Gerold: Das Wirtschaftssystem. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Bundesrepublik Deutschland in drei Bänden. Band 1: Politik. Frankfurt a. M. 1983, S. 238-297 Behrens, Manfred; Waither Dieckmann; Erich Kehl: Politik als Sprachkampf Zur konservativen Sprachkritik und Sprachpolitik seit 1972. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 216-265 Biedenkopf, Kurt H.: Wegzeichen für die Soziale Marktwirtschaft zum Zielpunkt einer ökologischen Marktwirtschaft. In: Hellmuth Buddenberg (Hrsg.): Rettet die Umwelt! Herford 1985, S. 17-61 Borchardt, Knut: Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik nach dem „Wirtschaftswunder". In: Franz Schneider (Hrsg.): Der Weg der Bundesrepublik. Von 1945 bis zur Gegenwart. München 1985, S. 193-216 Borchardt, Knut: Zäsuren in der wirtschaftlichen Entwicklung. Zwei, drei oder vier Perioden? In: Martin Broszat (Hrsg.): Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte. München 1990, S. 2 1 - 3 3 Breitling, Rupert: Der Funktionär. Geschichte und Bedeutung eines politischen Begriffes. In: MUTTERSPRACHE 81 (1971), S. 2 2 - 4 1 Conze, Werner: Jakob Kaiser. Politiker zwischen Ost und West 1945-1949- Stuttgart 1969 Dirks, Walter: Das Wort Sozialismus. In: FRANKFURTER HEFTE 1 (1946), H . 7 (Okt.), 1946, S. 628-643 Dirks, Walter: Der restaurative Charakter der Epoche. In: FRANKFURTER HEFTE 5 (1950), H. 9 (Sept.), 1950, S. 942-954 Erhard, Ludwig: Deutsche Wirtschaftspolitik. Der Weg der Sozialen Marktwirtschaft. Düsseldorf, Wien 1962 Erhard, Ludwig: Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung. Faksimiledruck der Denkschrift von 1943/44. Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1977 Eroms, Hans-Werner: Von der Stunde Null bis nach der Wende: Zur Entwicklung der politischen Sprache in der Bundesrepublik Deutschland. In: FORUM FÜR INTERDISZIPLINÄRE FORSCHUNG (1989) H. 2, S. 9 - 1 8 Flechtheim, Ossip K.: Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945. Berlin 1963
Kapitel 2: Wirtschaftspolitische Diskussionen
755
Fuchs, Anke; Vorstand der SPD (Hrsg.): Die soziale Frage braucht neue soziale Bewegung- Neue Armut in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1988 Geißler, Heiner: „Die Neue Soziale Frage". Analysen und Dokumente. Freiburg im Breisgau 1975 Hayek, Friedrich Α.: Was ist und was heißt „sozial"? In: Albert Hunold (Hrsg.): Masse und Demokratie. Erlenbach, Zürich 1957, S. 7 1 - 8 4 Helmstädter, Ernst: Die Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland: Soziale Marktwirtschaft. In: Werner Weidenfeld; Hartmut Zimmermann (Hrsg.): Deutschland-Handbuch. Eine doppelte Bilanz 1949-1989. Bonn 1989, S. 2 4 1 257 Hermanns, Fritz: Deontische Tautologien. Ein linguistischer Beitrag zur Interpretation des Godesberger Programms (1959) der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In: Josef Klein (Hrsg.): Politische Semantik. Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989, S. 69-149 Kehm, Barbara M.: Zwischen Abgrenzung und Integration. Der gewerkschaftliche Diskurs in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 1991 Klein, Josef: Wortschatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik. In: ders. (Hrsg.): Politische Semantik. Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989, S. 3 - 5 0 Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 19451955. Bonn 1986 Klink, Dieter: Vom Antikapitalismus zur sozialistischen Marktwirtschaft. Die Entwicklung der ordnungspolitischen Konzeption der SPD von Erfurt (1891) bis Bad Godesberg (1959). Hannover 1965 Klump, Rainer: Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland: Zur Kritik neuerer wirtschaftshistorischer Interpretationen aus ordnungspolitischer Sicht. Stuttgart 1985 Kremendahl, Hans: Die Freiheit-Sozialismus-Diskussion im Bundestagswahlkampf 1976 und das Verhältnis von Konsens und Konflikt im Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. In: Gerhard Göhler (Hrsg.): Politische Theorie: Begründungszusammenhänge in der Politikwissenschaft. Stuttgart 1978, S. 109-135 Lampen, Heinz: Die Soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Ursprung, Konzeption, Entwicklung und Probleme. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE Β 1 7 ( 1 9 8 8 ) , S. 3 - 1 7
Liedtke, Frank: Sozialismus - ein Reizwort. In:
SPRACHE UND LITERATUR IN W I S -
SENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S. 2 3 - 3 8
Lompe, Klaus: Sozialstaat und Krise. Bundesrepublikanische Politikmuster der 70er und 80er Jahre. Frankfurt a. M. 1987 Müller-Armack, Alfred: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Studien und Konzepte zur Sozialen Marktwirtschaft und zur Europäischen Integration. Freiburg 1966 Müller-Armack, Alfred: Genealogie der Sozialen Marktwirtschaft. Frühschriften und weiterführende Konzepte. Bern 1974 Niehr, Thomas: Schlagwörter im politisch-kulturelllen Kontext. Zum öffentlichen Diskurs in der BRD von 1966 bis 1974. Wiesbaden 1993 Oksaar, Eis: Berufsbezeichnungen im heutigen Deutsch. Soziosemantische Untersuchungen. Mit deutschen und schwedischen experimentellen Kontrastierungen. Düsseldorf 1976
756
Literaturverzeichnis
Pestel, Eduard: Jenseits der Grenzen des Wachstums. Bericht an den Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart 1988 Reithinger, Anton: Soziale Marktwirtschaft auf dem Prüfstand. Frankfurt a. M. 1958 Richter, Horst E.: Freiheit oder Sozialismus? In: Iring Fetscher; Horst E. Richter (Hrsg.): Worte machen keine Politik. Beiträge zu einem Kampf um politische Begriffe. Reinbek 1976, S. 9-18 Roth, Wolfgang: Der Weg aus der Krise. Umrisse einer sozialökologischen Marktwirtschaft. München 1985 Schmidt, Eberhard: Die verhinderte Neuordnung 1945-1952. Zur Auseinandersetzung um die Demokratisierung der Wirtschaft in den wesdichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1970 Schumacher, Kurt: Bundestagsreden. Herausgegeben von Annemarie Renger. Bonn 1972 Siekmann, Helmut: Institutionalisierte Einkommenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Gesetzliche Regelung und bisherige Praxis. München 1985 Starbatty, Joachim: Die Soziale Marktwirtschaft aus historisch-theoretischer Sicht. In: Entstehung und Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft. Referate und Diskussionsbeiträge der 10. Öffentlichen Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. am 26. Juni 1985 in Frankfurt a. M.. Im Auftrag der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. Herausgegeben von Hans Pohl. Stuttgart 1986, S. 7 - 2 6 Steger, Hugo: Sprache im Wandel. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SuL) 20 (1989), H. 63, S. 3 - 3 1 Steininger, Rolf: Deutsche Geschichte 1945-1961. Darstellung und Dokumente in zwei Bänden. Frankfurt a. M. 1983 Stiefel, Marie-Luise: Armut in Baden-Württemberg. Stuttgart 1986 Stötzel, Georg: Konkurrierender Sprachgebrauch in der deutschen Presse. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 277-289 Svensson, Arnold: Anspielung und Stereotyp. Eine linguistische Untersuchung des politischen Sprachgebrauchs am Beispiel der SPD. Opladen 1984 Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1986 Thum, Horst: Mitbestimmung in der Montanindustrie. Der Mythos vom Sieg der Gewerkschaften. Stuttgart 1982 Uertz, Rudolf: Christentum und Sozialismus in der frühen CDU. Grundlagen und Wirkungen der chrisdich-sozialen Ideen in der Union 1945-1949. Stuttgart 1981 Wilke, Manfred: Die Funktionäre. Apparat und Demokratie im Deutschen Gewerkschaftsbund. München 1979
Kapitel 3: Europa
757
Kapitel 3: Europa Bachem, Rolf; Kathleen Battke: Strukturen und Funktionen der Metapher Unser gemeinsames Haus Europa im aktuellen politischen Diskurs. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 295-307 Backhaus, Dorothee: Die Europa-Bewegung in der Politik nach dem ersten Weltkrieg und ihr Widerhall in der Presse von 1918 bis 1933. Diss, masch. Universität München 1951 Bergsdorf, Wolfgang: Herrschaft und Sprache. Studie zur politischen Terminologie der Bundesrepublik Deutschland. Pfullingen 1983 Berning, Cornelia: Vom Abstammungsnachweis zum Zuchtwart. Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin 1964 Borkenhagen, Franz: Vom kooperativen Föderalismus zum „Europa der Region e n " . I n : A u s POLITIK UND ZEITGESCHICHTE ( 1 9 9 2 ) , H . 4 2 , S. 3 6 - 4 4
Born, Joachim: Bauen wir Babel? Zur Sprachenvielfalt in der Europäischen Gemeinschaft. In: SPRACHREPORT ( 1 9 9 3 ) , H . 1, S. 1 - 3 Born, Joachim: Eurospeak + Eurotexte = Eurolinguistik? Anmerkungen zu sprachlichen Gewohnheiten im Brüsseler „Euro-Alltag". In: SPRACHREPORT ( 1 9 9 2 ) , H. 2 - 3 , S. 1 - 4
Braselmann, Petra: Neun Sprachen vor Gericht. In: D I E ZEIT 2 2 . 5 1 9 9 2 , S. 4 8 Carstensen, Broder: Wörter des Jahres 1 9 8 2 . In: DEUTSCHE SPRACHE 1 1 ( 1 9 8 3 ) , H. 2, S. 174-186 Das Lexikon der Gegenwart: Aktuell '93. Dortmund 1992 Donat, Marceil von: Das ist der Gipfel. Die EG-Regierungschefs unter sich. Baden-Baden 1987 Donat, Marceli von: Soll ich Deutsch sprechen? In: D I E ZEIT 1 5 . 5 . 1 9 9 2 , S. 5 6 Droz, Jacques: L'Europe centrale. L'évolution historique de l'idée de Mitteleuropa. Paris I 9 6 0 Foerster, Rolf H. (Hrsg.): Die Idee Europa 1300-1946. Quellen zur Geschichte der politischen Einigung. München 1963 Gasteyger, Curt: Europa zwischen Spaltung und Einigung 1945-1990. Bonn 1990 Hallstein, Walter: Wege und Ziele der deutschen Außenpolitik. In: Für und wider. Lebensfragen deutscher Außenpolitik. Offenbach, Frankfurt a. M. 1952, S. 5 - 1 8 Heumann, Hans-Dieter; Eva-Rose Karnofski: Der Wahlkampf zum EuropaParlament. Eine Analyse europäischer Zeitungen. Bonn 1980 (Europäische Schriften des Instituts für Europäische Politik. Bd.54) Holly, Werner: Wir sind Europa. Die Fernsehwerbespots der SPD zur Europawahl 1989- In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 258-275 Institut für europäische Politik: Politische Gemeinschaft Europa. Grundwerte, Institutionen, Verfahren. Bonn 1989 Joisten, Christa: Europäische Gemeinschaft(en). In: DER SPRACHDIENST 2 0 ( 1 9 7 6 ) , H. 2, S. 2 5 - 2 6
758
Literaturverzeichnis
Jung, Matthias: Wandeln sich Einstellungen zum Deutschen? Germanismen des Jahres 1991 in Frankreich. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SUL) 23 (1992), H. 69, S. 94-110 Klemperer, Victor: Die unbewältigte Sprache. Aus dem Notizbuch eines Philologen „LTI". Leipzig 1946 (zitiert wurde nach der Taschenbuchausgabe Frankfurt a. M. 1985) Läufer, Thomas: EWG-Vertrag. Grundlage der europäischen Gemeinschaft. Text des EWG-Vertrages und der ergänzenden Bestimmungen nach dem Stand vom 1 . 7 . 1 9 8 7 . Bearbeitet und eingeleitet von Th. Läufer. Bonn 3 1 9 8 9 Lipgens, Walter: 45 Jahre Ringen um die europäische Verfassung. Dokumente 1 9 3 9 - 1 9 8 4 . Bonn 1 9 8 6 Loth, Wilfried: Der Weg nach Europa. Geschichte der europäischen Integration. Göttingen 1990 Nunn, David Α.: Politische Schlagwörter in Deutschland seit 1945. Ein lexikographischer und kritischer Beitrag zur Politik. Gießen 1974 Papcke, Sven; Werner Weidenfeld (Hrsg.): Traumland Europa - Beiträge zu einer aktuellen Kontroverse. Darmstadt 1989 Papcke, Sven: Mitteleuropa. In: Werner Weidenfeld; Karl-Rudolf Körte (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Einheit. Bonn 1991 Renner, Günter; Peter Czada: Vom Binnenmarkt zur europäischen Union. Bonn 1992
Rill, Bernd: Gemeinsames Haus Europa - Anmerkungen zu einem Schlagwort. In: POLITISCHE STUDIEN 38 (1988), S. 546-554 Schäffner, Christina: Die europäische Architektur - Metaphern der Einigung Europas in der deutschen, britischen und amerikanischen Presse. In: Adi Grewenig (Hrsg.): Inszenierte Information. Politik und strategische Kommunikation in den Medien. Opladen 1993, S. 13-30 Schmidt, Gerold: Sprachwandel und Sprachneubildung durch die Vereinigung Europas. In: MUTTERSPRACHE 8 4 ( 1 9 7 4 ) , S. 4 0 9 - 4 1 9 Schneider, Heinrich: Leitbilder der Europapolitik 1. Der Weg zur Integration. Bonn 1977 Schumacher, Nestor: Der Wortschatz der europäischen Union. Eine onomasiologische Untersuchung des sog. .europäischen Sprachgebrauchs' im politischen und institutionellen Bereich. Düsseldorf 1976 Stave, Joachim: Das Sprachbarometer 2 3 . In: MUTTERSPRACHE 6 7 ( 1 9 5 7 ) , S. 1 1 - 1 4 Steinkühler, Franz (Hrsg.): Europa '92. Industriestandort oder sozialer Lebensraum. Hamburg 1992 Szczypiorski, Andrzej: Wir waren immer in Europa. In: EUROPÄISCHE RUNDSCHAU ( 1 9 9 1 ) , H . 1, S . 1 2 9
Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1986 Timmermann, Heinz; Hans-Joachim Veen: Eurokommunismus. In: Martin Greiffenhagen (Hrsg.): Kampf um Wörter. Politische Begriffe im Meinungsstreit. München, Wien 1 9 8 0 , S. 1 6 9 - 1 8 6 Vogt, Rüdiger: Die Karriere Europas. Vom Eigennamen zum politischen Schlagwort. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1 9 9 1 , S. 2 7 6 - 2 9 4 Wagner, Richard: Gegen die Zerstörung der Vielfalt. „Mitteleuropa" - zur Kultivierung eines Begriffes. BERLINER BEITRÄGE 2 8 . 8 . 1 9 9 2
Kapitel 4: Rüstungspolitik
759
Weidenfeld, Werner; Wolfgang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z. Taschenbuch der europäischen Integration. Bonn 1991
Kapitel 4: Rüstungspolitik Albrecht, Ulrich: Die Wiederaufrüstung der BRD. Hefte zum Geschichts- und Sozialkundeunterricht 5. Köln 1980 Bergsdorf, Wolfgang: Herrschaft und Sprache. Studie zur politischen Terminologie der Bundesrepublik Deutschland. Pfullingen 1983 Blaubuch 1958. Kampf dem Atomtod - Dokumente und Aufrufe. Neu hrsg. von Peter Brollik und làaus Mannhardt. Essen 1988 Brauch, Hans-Günter: Die Raketen kommen! Vom NATO-Doppelbeschluß bis zur Stationierung. Köln 1983 Burkhardt, Armin: Sprache der Rüstung und Sprache der Ent-Rüstung. Zur Rolle der Sprache in der Debatte um die „Nach"-Rüstung. In: ders. (Hrsg.): Hochschule und Rüstung. Ein Beitrag von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Darmstadt zur („Nach"-) Rüstungsdebatte. Darmstadt 1984a, S. 6 5 - 8 9 Burkhardt, Armin: Der Atomschocker. Anmerkungen zur „Sprach-Rüstung". In: DER SPRACHDIENST 28 (1984b), H. 5/6, S. 6 5 - 7 2 Burkhardt, Armin: Auf/Vor/Nach/Ent/Rüstung ist der Preis des Friedens. Eine linguistische Nachlese zur Rede von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl in der „Nachrüstungsdebatte" des Deutschen Bundestages am 21. und 22. November 1983- In: MUTTERSPRACHE 96 (1986), S. 287-308 Burkhardt, Armin: Sprachrüstung. In: Gert Sommer; Johannes M. Becker; Klaus Rehbein; Rüdiger Zimmermann (Hrsg.): Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften. Marburg 1987, S. 178-202 Carstensen, Broder: Wörter des Jahres 1 9 8 1 . In: DER SPRACHDIENST 2 6 ( 1 9 8 2 ) , H . 1 , S. 1 - 1 6
Die Nachrüstungsdebatte im Deutschen Bundestag. Protokoll einer historischen Entscheidung. Reinbek bei Hamburg 1984 Dohse, Rainer: Der Dritte Weg. Neutralitätsbestrebungen in Westdeutschland zwischen 1945 und 1955. Hamburg 1974 Eppler, Erhard: Wege aus der Gefahr. Reinbek bei Hamburg 1981 Gauger, Hans-Georg: Bericht über eine Akademie. In: SPRACHE DER GEGENWART 6 3 (1985), S. 9 2 - 9 9 Geißler, Heiner: Sprache und Politik. In: Georg Stötzel (Hrsg.): Germanistik Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984. Berlin, New York 1985, 1. Teil, S. 222-230 Gerhard, Ute; Rolf Parr; Benno Wagner: Jeder ist Fundamentalist von irgendetwas". Zur Geschichte eines vagabundierenden Begriffs. In: SPRACHREPORT (1990), H. 3, S. 6 - 1 0 Guha, Anton-Andreas: Der Tod in der Grauzone. Ist Europa noch zu verteidigen? Frankfurt a. M. 1980 Hubatsch, Walther: Die deutsche Frage. Würzburg 1961 Ingrim, Robert: Die Rettung Deutschlands. Düsseldorf 1952
760
Literaturverzeichnis
Keller, Rudi: Was die Wanzen tötet, tötet auch den Popen. Ein Beitrag zur politischen Sprachkritik. In: Georg Stötzel (Hrsg.): Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984, Berlin, New York 1985, 1. Teil, S. 264-277 Koch, Diether: Heinemann und die Deutschlandfrage. München 1972 Koch, Peter: Wahnsinn Rüstung. Hamburg 1981 Kopp, Fritz: Chronik der Wiederbewaffnung in Deutschland. Rüstung der Sowjetzone - Abwehr des Westens. Köln 1958 Link, Jürgen: Zu Hause „asylantenfrei" - in Übersee auf „Friedensmission"? Über eine eigenartige diskursive Konstellation. In: Siegfried Jäger; Jürgen Link (Hrsg.): Die vierte Gewalt. Rassismus und die Medien. Duisburg 1993, S. 3 1 48 Löwke, Udo F.: Für den Fall, daß... Die Haltung der SPD zur Wehrfrage 19491955. Hannover 1969 Mai, Gunther: Wesdiche Sicherheitspolitik im Kalten Krieg. Der Korea-Krieg und die deutsche Wiederbewaffnung 1950. Boppard 1977 Niehr, Thomas: Schlagwörter im politisch-kulturellen Kontext. Zum öffentlichen Diskurs in der BRD von 1966 bis 1974. Wiesbaden 1993 Rautenberg, Hans-Jürgen: Zur Standortbestimmung für künftige deutsche Streitkräfte. In: Militärgeschichtliches Forchungsamt (Hrsg.): Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956. Band 1: Von der Kapitulation bis zum PlevenPlan. München 1982, S. 737-879 Rupp, Hans-Karl: Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer. Der Kampf gegen die Atombewaffnung in den fünfziger Jahren. Eine Studie zur innenpolitischen Entwicklung der BRD. Köln 3 1984 Schau, Albrecht: Von AWACS bis Zwangsanleihe. ABC aktueller Schlagwörter. Göttingen 1985 Schubert, Klaus von: Wiederbewaffnung und Westintegration. Die innere Auseinandersetzung um die militärische und außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik 1950-1952. Stuttgart 1970 Studiengruppe Inter Kom: Tyrannen, Aggressoren, Psychopathen. Deutsche Tageszeitungen und ihre Feindbilder. In: Martin Löffelholz (Hrsg.): Krieg als Medienereignis. Grundlagen und Perspektiven der Krisenkommunikation. Opladen 1993, S. 109-126 Vogel, Johanna: Kirche und Wiederbewaffnung. Die Haltung der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik 1949-1956. Göttingen 1978 Watzlawick, Paul; Janet H. Beavin; Don D. Jackson: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern 1974 Weinstein, Adelbert: Armee ohne Pathos. Die deutsche Wiederbewaffnung im Urteil ehemaliger Soldaten. Bonn 1951 Wengeler, Martin: Die Sprache der Aufrüstung. Zur Geschichte der Rüstungsdiskussionen nach 1945. Wiesbaden 1992 Zifonun, Gisela: Politische Sprachkultur und Sprachkritik. In: Wolfgang Teubert; Rainer Wimmer (Hrsg.): Aspekte der Sprachkultur. Mannheim 1984, S. 6 1 - 9 0 Zimmermann, Hans-Dieter: Frieden in Freiheit und Freiheit in Frieden. Zur Nachrüstungsdebatte im Deutschen Bundestag am 21. und 22. November 1983. In: DISKUSSION DEUTSCH 16 (1985), S. 152-163
Kapitel 5: Bildungspolitik
761
Zimmermann, Rüdiger: Die Star Wars- Kontroverse: Begrifflichkeit und Feindbilder. In: Armin Burkhardt; Franz Hebel; Rudolf Hoberg (Hrsg.): Sprache zwischen Militär und Frieden: Aufrüstung der Begriffe? Tübingen 1989, S. 217-232
Kapitel 5: Bildungspolitik Anweiler, Oskar; Hans-Jürgen Fuchs; Martina Dorner; Eberhard Petermann (Hrsg.): Bildungspolitik in Deutschland 1 9 4 5 - 1 9 9 0 . Ein historischvergleichender Quellenband. Opladen 1992 Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (Hrsg): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Hamburg 1979 Arnold, Rolf; Fritz Marz: Einführung in die Bildungspolitik. Grundlagen, Entwicklungen, Probleme. Stuttgart 1979 Baethge, Martin: Qualifikation - Qualifikationsstruktur. In: Christoph Wulf (Hrsg.): Wörterbuch der Erziehung. München 1 9 7 4 , S. 4 7 8 - 4 8 4 Becker, Hellmut: Bildungspolitik. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Bundesrepublik Deutschland. Band 2 : Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1 9 8 3 , S. 3 2 5 - 3 5 0 Bericht der amerikanischen Erziehungskommission: Der Stand der Erziehung in Deutschland. Hrsg. von der NEUEN ZEITUNG. München 1 9 4 6 Blanke, Ernst August: Ausbildungsförderungsrecht. Vorschriftensammlung mit einer erläuternden Einführung. Köln, 22., überarb. Aufl. 1992 Blankertz, Herwig: Humanität - Humanismus - Neuhumanismus. In: Christoph Wulf (Hrsg.): Wörterbuch der Erziehung. München 1 9 7 4 , S. 2 9 7 - 3 0 1 Brezinka, Wolfgang: Wertewandel und Erziehung in der Schule. In: PÄDAGOGISCHE RUNDSCHAU 4 0 (Januar/Februar 1 9 8 6 ) H. 1 , S. 2 3 - 4 7 Briese, Volker u.a.: „Gegen die Vernebelung politischer Bildung durch Werteund Moralerziehung." In: BILDUNG UND POLITIK 7 ( 1 9 8 0 ) , S. 4 5 - 4 9 Bungenstab, Karl-Ernst: Umerziehung zur Demokratie? Re-education-Politik im Bildungswesen der US-Zone 1 9 4 5 - 4 9 . Düsseldorf 1 9 7 0 Dahrendorf, Ralf: Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik. Hamburg 1965 Engholm, Björn: Die langfristigen Ziele der Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. In: DIE NEUE GESELLSCHAFT 2 ( 1 9 8 1 ) , S. 1 0 8 - 1 1 3 Fischer, Wolfgang: Schwierigkeiten mit der Elitebildung. In: Marian Heitger (Hrsg.): Elitebildung oder Chancengleichheit - Alternative einer mißverstandenen Bildungspolitik. Innsbruck, Wien 1988, S. 10-34 (= Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg) Fricke-Finkelnburg, Renate (Hrsg.): Nationalsozialismus und Schule. Amtliche Erlasse und Richtlinien 1 9 3 3 - 1 9 4 5 . Opladen 1 9 8 9 Friedeburg, Ludwig von: Chancengleichheit. In: Martin Greiffenhagen (Hrsg.): Kampf um Wörter? Politische Begriffe im Meinungsstreit. München, Wien 1 9 8 0 , S. 7 5 - 8 2
Fuchs, Hans Werner; Klaus-Peter Pöschl: Reform oder Restauration? Eine vergleichende Analyse der schulpolitischen Konzepte und Maßnahmen der Besatzungsmächte 1 9 4 5 - 1 9 4 9 . München 1 9 8 6 (= Innenpolitik in Theorie und Praxis 13)
762
Literaturverzeichnis
Führ, Christoph: Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. München 1979 Gamm, Hans-Jochen: Führung und Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus. München 1964 Geißler, Heiner: Generationenkonflikt - Neue Dimensionen gesellschaftlicher Auseinandersetzung. In: Heiner Geißler; Matthias Wissmann (Hrsg.): Zukunftschancen der Jugend. Stuttgart 1979 Gerdsmeier, Gerhard: Arbeitsmarkt und Schulqualifikation. Ansätze zur Bestimmung ökonomischer Funktionen der Schule. In: Gerhard Gerdsmeier; Dietrich Thränhardt: Schule - Eine berufsvorbereitende Einführung in das Lehrerstudium. Weinheim, Basel 1 9 7 9 , S. 1 3 5 - 1 9 5 Hars, Rudolf: Die Bildungsreform der Chrisdich-Demokratischen Union in den Jahren 1 9 4 5 - 5 4 . Ein Beitrag zum Problem des Konservatismus in der deutschen Bildungspolitik. In: Wolfgang Keim (Hrsg.): Studien zur Bildungsreform. Band 1. Frankfurt a. M., Bern 1981 Heinemann, Manfred (Hrsg.): Umerziehung und Wiederaufbau. Die Bildungspolitik der Besatzungsmächte in Deutschland und Österreich. Stuttgart 1981 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Band 5) Heinemann, Manfred (Hrsg.): Hochschuloffiziere und Wiederaufbau des Hochschulwesens in Westdeutschland 1 9 4 5 - 1 9 5 2 . Teil 1 : Die Britische Zone. Hildesheim 1990 Heinemann, Manfred (Hrsg.): Hochschuloffiziere und Wiederaufbau des Hochschulwesens in Westdeutschland 1 9 4 5 - 1 9 5 2 . Teil 2 : Die US-Zone. Hildesheim 1990
Heinemann, Manfred (Hrsg.): Hochschuloffiziere und Wiederaufbau des Hochschulwesens in Deutschland. Teil 3: Die französische Zone. Hildesheim 1991 Hermanns, Fritz: Leistung und Entfaltung. Ein linguistischer Beitrag zur Interpretation des Ludwigshafener Gundsatzprogramms ( 1 9 7 8 ) der Christlich Demokratischen Union Deutschland. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1 9 9 1 , S. 2 3 0 - 2 5 7 Hilgendorf, Erwin: Hochbegabtenförderung - Anstöße zur Öffnung der Schule und zur inneren Schulreform. In: PZ-NACHRICHTEN 5 ( 1 9 8 9 ) , S. 8 - 1 0 Hüfner, Klaus; Jens Naumann: Konjunkturen der Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Band I: Der Aufschwung ( 1 9 6 0 - 1 9 6 7 ) . Stuttgart 1 9 7 7 Hüfner, Klaus; Jens Naumann; Helmut Köhler; Gottfried Pfeffer: Hochkonjunktur und Flaute: Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1 9 6 7 - 1 9 8 0 . Stuttgart 1986 Jahn, Hans Edgar: Die deutsche Frage von 1945 bis heute. Der Weg der Parteien und Regierungen. Mainz 1985 Jaide, Walter: Wertewandel? Grundfragen zu einer Diskussion. Opladen 1983 Jencks, Christopher: Chancengleichheit. Reinbek bei Hamburg 1973 Jendrowiak, Hans-Werner: Bildungsprofile. Eine vergleichende Länderstudie zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen. Frankfurt a. M. 1990 (= Europäische Hochschulschriften: Reihe 11, Pädagogik, Band 416) Klein, Josef: Wortschatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik. In: ders. (Hrsg.): Politische Semantik. Bedeutungsanalytische und sprachkritische Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989, S. 3 - 5 0
Kapitel 5: Bildungspolitik
763
Klemm, Klaus u.a.: Bildungsgesamtplan '90. Ein Rahmen für Reformen. Weinheim, München 1990 Köhle, Klaus: Bildungsrestauration, „Bildungskatastrophe", Bildungsexplosion: Die Entwicklung des Bildungssystems in der Bundesrepublik von 1945 bis heute. In: Robert Hettlage: Die Bundesrepublik. Eine historische Bilanz. München 1 9 9 0 , S. 2 3 5 - 2 5 4 Liedtke, Frank: Sozialismus - ein Reizwort. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SUL), 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S. 2 3 - 3 8
Luthe, Heinz Otto; Heiner Meulemann (Hrsg.): Wertewandel - Faktum oder Fiktion? Bastandsaufnahmen und Diagnosen aus kultursoziologischer Sicht. Frankfurt a. M., New York 1988 Lutz, Felix Philipp: Wertewandel. In: Werner Weidenfeld; Karl-Rudolf Körte (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Einheit. Frankfurt, New York 1992 Merkt, Hans (Hrsg.): Dokumente zur Schulreform in Bayern. München 1952 „Mut zur Erziehung" - Beiträge zu einem Forum am 9./10. Januar 1978 im Wissenschaftszentrum Bonn-Bad Godesberg. Stuttgart 1978 Picht, Georg: Die deutsche Bildungskatastrophe. Freiburg im Breisgau 1964 Podewils, Clemens Graf: Tendenzwende? Zur geistigen Situation der Bundesrepublik. Stuttgart 1975 Remmers, Werner: Chancengleichheit. In Martin Greiffenhagen (Hrsg.): Kampf um Wörter? Politische Begriffe im Meinungsstreit. München, Wien 1980, S. 8 3 89 Reuter, Lutz-Rainer: Das Recht auf chancengleiche Bildung. Düsseldorf 1975 Reuter, Lutz-Rainer: Bildungspolitik im Parteienvergleich. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE - Beilage zur Wochenzeitung „DAS PARLAMENT" Β 3 5 / 8 0 ( 3 0 . August 1 9 8 0 ) , S. 4 - 4 0 Roth, Hans Georg: 25 Jahre Bildungsreform in der Bundesrepublik. Bad Heilbrunn 1975 Roth, Heinrich (Hrsg.): Begabung und Lernen. Ergebnisse und Folgerungen neuer Forschungen (Deutscher Bildungsrat - Gutachten und Studien der Bildungskommission). Stuttgart 1976 (1. Aufl. 1968) Scharfenberg, Günter (Hrsg.): Dokumente zur Bildungspolitik der Parteien in der BRD 1945-1975. Bd. 1: SPD. Berlin 1976a (= Schriften zur Bildungspolitik 1, als Manuskript gedruckt) Scharfenberg, Günter (Hrsg.): Dokumente zur Bildungspolitik der Parteien in der BRD 1945-1975. Bd. 2: CDU/CSU. Berlin 1976b (= Schriften zur Bildungspolitik 1, als Manuskript gedruckt) Scharfenberg, Günter (Hrsg.): Dokumente zur Bildungspolitik der Parteien in der BRD 1945-1975. Bd. 3: FDP, Sonstige, Bibliographie. Berlin 1976c (= Schriften zur Bildungspolitik 1, als Manuskript gedruckt) Schmude, Jürgen: Wohin steuert die Bildungspolitik? In: Werner Raith (Hrsg.): Wohin steuert die Bildungspolitik. Frankfurt a. M. 1979 Scholtz, Harald: Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz. Göttingen 1985 Schwanke, Ulf: Bildungschancen in der Bundesrepublik (1945-1979). In: Frigga Haug u.a. (Hrsg.): 30 Jahre Bildungspolitik in der Bundesrepublik. Berlin 1979, S. 109-122 Schwan, Alexander: Wende in der Bildungspolitik. In: „Mut zur Erziehung". Stuttgart 1978, S. 121-140
764
Literaturverzeichnis
Schwencke, Olaf (Hrsg.): Bildung ohne Grenzen. Europäische Bildungspolitik unter der Perspektive .Binnenmarkt 1 9 9 2 ' (Loccumer Protokoll 6 2 / 1 9 8 9 ) . Loccum 1 9 9 0 Strauß, Gerhard; Ulrike Haß; Gisela Harras: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin, New York 1989 (= Schriften des Instituts für deutsche Sprache, Mannheim) Thränhardt, Dietrich: Bildungspolitik in der Bundesrepublik: Eine historischstrukturelle Analyse der Entwicklung seit 1945. In: Gerhard Gerdsmeier; Dietrich Thränhardt: Schule - Eine berufsvorbereitende Einführung in das Lehrerstudium. Weinheim, Basel 1 9 7 9 , S. 9 1 - 1 3 4 Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1 9 8 6 Thränhardt, Dietrich: Bildungspolitik. In: Klaus von Beyme; Manfred G. Schmidt (Hrsg.): Politik in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 1 9 9 0 , S. 1 7 7 - 2 0 0 Vorstand der SPD (Hrsg.): Programme und Entschließungen zur Bildungspolitik 1 9 6 4 - 1 9 7 5 . Bad Godesberg o.J. (Band 1 ) Vorstand der SPD (Hrsg.): Programme und Entschließungen zur Bildungspolitik 1 9 7 5 - 1 9 8 8 . Bonn o.J. (Band 2) Waibel, Eva Maria: Hochbegabten- versus Benachteiligtenförderung. In: ERZIEHUNG UND UNTERRICHT 7 ( 1 9 8 7 ) , S . 3 9 3 - 4 0 0
Wilhelm, Theodor: Pädagogik der Gegenwart. Stuttgart, 5-, völlig umgearb. Aufl. 1977
Wulf, Christoph (Hrsg.): Wörterbuch der Erziehung. München 1974
Kapitel 6: Jugend und Sprache Allerbeck, Klaus R.: Soziologie radikaler Studentenbewegungen - Eine vergleichende Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten. München, Wien 1973 Altmann, Hans: Jugendsprache heute. In: ENGAGEMENT 1 ( 1 9 8 7 ) , S. 3 0 4 - 3 2 1 Arbeitsgemeinschaft „die Zentralschaffe" (Hrsg.): Steiler Zahn und Zickendraht. Das Wörterbuch der Teenager und Twens. Schmiden bei Stuttgart I 9 6 0 Behrendt, Walter ; Elmar Galonske; Kira Heidemann; Bernhard Wolter: Die Sprache der Spontis. In: MUTTERSPRACHE 9 2 ( 1 9 8 2 ) , S. 1 4 6 - 1 6 2 Berning, Cornelia: Vom Abstammungsnachweis zum Zuchtwart. Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin 1964 Brackmann, Karl Heinz; Renate Birkenhauer: NS-Deutsch - „Selbstverständliche" Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Nationalsozialismus. Straelen 1988 Brauer, Andi: „Schaukeln und Wälzen". In: Eckhard Siepmann (Hrsg.): Bikini. Die fünfziger Jahre. Kalter Krieg und Capri-Sonne. Hamburg 1 9 8 3 , S. 2 4 5 - 2 5 8 Czubayko, Astrid: Der Zusammenhang von Sprache und Erfahrung. Am Beispiel der Konventionalität der Verständigung in Studenten- und Alternativbewegung (Diss.). Wuppertal 1991 Ehmann, Hermann: Jugendsprache und Dialekt: Regionalismen im Sprachgebrauch von Jugendlichen. Opladen 1992 Feld, Willi: „Spiegel"-Metaphorik. In: Helmut Arntzen; Winfried Nolting (Hrsg): „Der Spiegel" 2 8 ( 1 9 7 2 ) . Analyse, Interpretation, Kritik. München 1 9 7 7
Kapitel 6: Jugend und Sprache
765
Fischer-Kowalski, Marina: Halbstarke 1958, Studenten 1968: Eine Generation und zwei Rebellionen. In: Ulf Preuss-Lausitz (Mitverf.); Deutsche Gesellschaft für Soziologie/Sektion „Bildung und Erziehung": Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. Weinheim, Basel 1983, S. 5 3 - 7 0 Henne, Helmut; Georg Objartel (Hrsg.): Bibliothek zur historischen deutschen Studenten- und Schülersprache. Bd. 1 - 6 . Berlin, New York 1984 Henne, Helmut: Jugend und ihre Sprache. Darstellungen, Materialien, Kritik. Berlin, New York 1986 Hille, Alexander u.a.: Spricht die Jugend eine andere Sprache? In: Schüler. Herausforderungen für Lehrer. Jahresheft 1984 aller pädagogischen Zeitschriften des Friedrich-Verlages in Zusammenarbeit mit Klett, S. 9 9 - 1 0 7 Hinrichs, Uwe: Studentensprache, Spontisprache. In: MUTTERSPRACHE 9 4 ( 1 9 8 4 ) , S. 4 0 4 - 4 1 6
Hollstein, Walter: Gammler und Provos. In: S. 4 0 9 - 4 1 8
FRANKFURTER
HEFTE
22
(1967),
Hollstein, Walter: Die Gegengesellschaft. Alternative Lebensformen. Bonn 2., unveränd. Aufl. 1980 Hollstein, Walter; Boris Penth: Alternativ-Projekte. Beispiele gegen die Resignation. Reinbek bei Hamburg 1980 Januschek, Franz; Peter Schlobinski (Hrsg.): Thema Jugendsprache". In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) (1989), H. 41 Jochimsen, Reimut: Gammeln, Hotten und Stenzen - Aus dem Wörterbuch der Jugend von heute. In: MUTTERSPRACHE 6 3 ( 1 9 5 3 ) , S. 2 9 6 - 2 9 9 Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung - Deutsche Geschichte 1945-1955. Göttingen 1982 Küpper, Heinz: Zur Sprache der Jugend. In: SPRACHWART 10 (1961), S . 186-188 Küpper, Heinz: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, Bd. VI: Jugenddeutsch von A bis Z. Hamburg 1970 Küpper, Heinz: Die deutsche Schülersprache 1973/74. In: WIRKENDES W O R T 27 (1977), S. 318-330 Lapp, Edgar: Jugendsprache": Sprechart und Sprachgeschichte seit 1945. Ein Literaturbericht. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SuL) 20 (1989), H. 63, S. 5 3 - 7 5 Last, Anette: „Heiße Dosen" und „Schlammziegen" - Ist das Jugendsprache? In: Franz Januschek; Peter Schlobinski (Hrsg.): Thema Jugendsprache". In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) (1989), H. 41, S. 3 5 - 6 8 Marcus, Hans: Zum Twen-Deutsch. In: ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE WORTFORSCHUNG 18 (1962), S. 151-159 Müller-Thurau, Claus Peter: Laß uns mal 'ne Schnecke angraben. Sprache und Sprüche der Jugendszene. Düsseldorf, Wien 1983 Neuland, Eva: Jugendsprache im gesellschaftlichen Wandel. Ein Beitrag zur Geschichte der Jugendsprache und ihrer Erforschung. In: D E R DEUTSCHUNTERRICHT 38 (1986), H. 4, S. 5 2 - 7 3 Neuland, Eva: Spiegelungen und Gegenspiegelungen. Anregung für eine zukünftige Jugendsprachforschung. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (ZGL) 15 (1987), S. 5 8 - 8 2
766
Literaturverzeichnis
Ohms, Hans Herbert: Wenn ich rede, hast du Sendepause... Zur „Geheimsprache" unserer Jugend. In: WESTERMANNS PÄDAGOGISCHE BEITRÄGE 9 (1957), S. 134-139 Opitz, Martin G.: Rocker im Spannungsfeld zwischen Clubinteressen und Gesellschaftsnormen. (Diss.) Konstanz, Bremen 1990 Pape, Sabine: Bemerkungen zur sogenannten Teenager- und Twensprache. In: MUTTERSPRACHE 80 (1970), S. 368-377. Rusinek, Bernd-Α.: Gesellschaft in der Katastrophe: Terror, Illegalität, Widerstand. Köln 1944/45 - Düsseldorfer Schriften zur neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, 24. Essen 1989 Pörksen, Uwe: „Eine Sprache ist viele Sprachen" - Anmerkungen zu historischen und gegenwärtigen Jugendsprachen und ihrer Kritik. In: Karl Ermert (Hrsg): Sprüche - Sprachen - Sprachlosigkeit' Ursachen und Folgen subkultureller Formen der Kommunikation am Beispiel der Jugendsprache. Loccumer Protokolle 17/1984. Rehburg-Loccum 1985, S. 9 - 2 8 Schäfers, Bernhard: Die Jugendlichen und die Alternativen - Merkmale, Entstehungsgründe und Bedeutung der Alternativbewegung und ihr Bezug zur Jugendkultur. In: Hans-Georg Wehling u.a.: Jugend, Jugendprobleme, Jugendprotest. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1982, S. 131-142 Schelsky, Helmut: Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend. Düsseldorf, Köln 1957 Stave, Joachim: Das Sprachbarometer: Rock 'n' Roll - halbstark. In: MUTTERSPRACHE 67 (1957), S. 275-280 Stave, Joachim: Noch einmal: Die Halbstarken. In: MUTTERSPRACHE 68 (1958), S. 189-193 Stave, Joachim: Die letzten Skiffle-Hähne. In: MUTTERSPRACHE 6 9 ( 1 9 5 9 ) , S. 1 5 - 1 8 Stave, Joachim: Wie die Leute reden. Betrachtungen über 15 Jahre Deutsch in der Bundesrepublik. Lüneburg 1964 Wehle, Peter: Die Wiener Gaunersprache. (Diss.) Wien, München o.J. Welter, Ernst Günther: Die Sprache der Teenager und Twens. Frankfurt a. M. 1961 (eingesehen: 3- Aufl. 1968) Zinnecker, Jürgen: Jugendkultur 1940-1985. Herausgegeben vom Jugendwerk der Deutschen Shell. Opladen 1987
Kapitel 7: Fremdwort- und Anglizismenkritik Adorno, Theodor W.: Wörter aus der Fremde - Funktion und Gebrauch. In: AKZENTE 6 (1959), S. 176-191 Ahlzweig, Klaus: Muttersprache, Vaterland. Die deutsche Nation und ihre Sprache. Wiesbaden 1994 Ammon, Ulrich: Zur Geschichte der Sprachverbreitungspolitik der Bundesrepublik Deutschland von den Anfängen bis 1985. In: DEUTSCHE SPRACHE (1989), H. 3, S. 229-263 Ammon, Ulrich: Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Berlin, New York 1991
Kapitel 7: Fremdwort- und Anglizismenkritik
767
Äugst, Gerhard: Fremdwort - fremdes Wort. In: ders.: Sprachnorm und Sprachwandel. 4 Projekte zur diachronen Sprachbetrachtung. Wiesbaden 1977, S. 61-124 Äugst, Gerhard: Sprachnorm als bewußtseinseigene Größe - Alltägliches Wissen und Handeln über Sprache. In: DAAD (Hrsg.): Dokumente und Materialien. Beiträge der Fachtagung von Germanisten aus Ungarn und der Bundesrepublik Deutschland in Budapest 1988. Bonn 1989, S. 305-324 Bär, Günter: Deutsch als außenpolitischer Faktor. In: SPRACHE IM TECHNISCHEN ZEITALTER 5 0 ( 1 9 7 4 ) , S . 1 1 3 - 1 2 0 u n d 5 1 ( 1 9 7 4 ) , S . 2 9 4 - 2 9 6 .
Bär, Günter: Die nationalen Hochsprachen, z.B. Französisch und Deutsch, als Grundlagen der nationalen Kulturen in der Auseinandersetzung der Weltsprache Englisch. In: Manfred Hättich; Dieter Pfitzner (Hrsg.): Nationalsprachen und europäische Gemeinschaft. München 1 9 8 9 , S. 6 4 - 7 7 Bausinger, Hermann: Dialekte, Sprachbarrieren, Sondersprachen. Begleitband zu der Fernsehserie „Deutsch für Deutsche". Frankfurt a. M. 1972 Beinke, Christiane: Der Mythos franglais. Zur Frage der Akzeptanz von Angloamerikanismen im zeitgenössischen Französisch mit einem kurzen Ausblick auf die Anglizismendebatte in Dänemark. Frankfurt a. M. 1990 Bickes, Hans: Förderung der sprachlichen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. In: R. Fallenstein; J. R. Ropeid (Hrsg.): Sprachpflege in europäischen Ländern. Bergen 1989, S. 19-30 Born, Joachim; Sylvia Dickgießer: Deutschsprachige Minderheiten. Ein Überblick über den Stand der Forschung für 27 Länder. Mannheim 1989 (= Schriften des Instituts für Deutsche Sprache) Braun, Peter: Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. Sprachvarietäten. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 2., veränd. und erw. Aufl. 1987 Braun, Peter: Internationalismen. Gleiche Wortschätze in europäischen Sprachen. In: Peter Braun; Burkhard Schaeder; Johannes Volmert (Hrsg.): Internationalismen. Tübingen 1990, S. 13-33 Brinkmann, Bettina u.a.: Ein Staat - eine Sprache? Empirische Untersuchungen zum englischen Einfluß auf die Allgemein-, Werbe- und Wirtschaftssprache im Osten und Westen Deutschlands vor und nach der Wende. Frankfurt a. M. 1992 Calvet, Louis-Jean: Linguistique et colonialisme. Petit traité de glottophagie. Paris 1974
Calvet, Louis-Jean: La guerre des langues et les politiques linguistiques. Genf 1987 Carstensen, Broder: Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945. Heidelberg 1965 Carstensen, Broder: Lexikalische Scheinentlehnungen des Deutschen aus dem Englischen. In: Kontrastive Linguistik und Übersetzungswissenschaft. München 1981, S. 175-182 Carstensen, Broder: Der englische Einfluß auf die deutsche Sprache. In: Α. M. Birke; K. Kluxen (Hrsg.): Die europäische Herausforderung. England und Deutschland in Europa. München 1987, S. 93-107 Carstensen, Broder u.a.: Anglizismen-Wörterbuch. 3 Bände. Berlin, New York 1993ffClyne, Michael: Language and Society in the German-Speaking Countries. Cambridge 1984
768
Literaturverzeichnis
Coulmas, Florian: Die Wirtschaft mit der Sprache. Eine sprachsoziologische Studie. Frankfurt a. M. 1992 Coulmas, Florian: The Status of German. Some Suggestions for Future Research. I n : INTERNATIONAL JOURNAL OF THE SOCIOLOGY OF LANGUAGE 8 3 ( 1 9 9 0 ) , S . 1 7 1 - 1 8 5
Dietrich, Margot: Das Fremdwort in der Arbeit der „Gesellschaft für deutschen Sprache". In: DER SPRACHDIENST ( 1 9 7 6 ) , H . 5 , S . 7 8 - 8 0 Dorian, Nancy C.: Linguacentrism and Language History. In: R. Cooper; Β. Spolsky: The Influence of Language on Culture and Thought. Berlin, New York 1991 Drosdowski, Günther: Ist unsere Sprache noch zu retten? In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S u L ) 2 1 ( 1 9 9 0 ) , H . 6 5 , S . 2 - 1 0
Duckworth, David: Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz seit 1945. Wiederabdruck in: Peter Braun (Hrsg.): Fremdwort-Diskussion. München 1 9 7 9 , S. 2 1 2 - 2 4 5 Engel, Eduard: Entwelschung: Verdeutschungswörterbuch. Leipzig 1918 Engel, Eduard: Verdeutschungswörterbuch. Ein Handweiser zur Entwelschung. Leipzig 5 1928
Engel, Eduard; Lutz Mackensen: Verdeutschungswörterbuch. Ein Fremdwörterbuch. Lüneburg 1955 Faulseit, Dieter: Vom Sinn und Unsinn des Fremdwortgebrauchs. Überlegungen nach dem VIII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. In: SPRACHPFLEGE 12 (1971), S . 241-244 Fleischer, Wolfgang u.a.: Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR. Fragen seines Aufbaus und seiner Verwendungsweise. Leipzig 1987 Gabriel, Oscar W. (Hrsg.): Die EG-Staaten im Vergleich. Strukturen, Prozesse, Politikinhalte. Bonn 1992 Gebhardt, Karl: Sprachlenkung und Sprachpflege im heutigen Frankreich. Zum Problem des „franglais". In: D I E NEUEREN SPRACHEN 8 0 ( 1 9 8 1 ) , H. 1 , S . 1 8 - 3 4 Glaser, Hermann: Hegt das deutsche Wort. Der Fremdwörterstreit. In: ders.: Warum heißt das Bett nicht Bild? Soziolinguistische Paradigmata zur Sprache der Gegenwart. München 1 9 7 3 , S. 4 2 - 4 6 Glück, Helmut: Die deutsche Sprache in der Welt. Ein Bericht zur Sprachpolitik der Wende. In: ZEITSCHRIFT FÜR SPRACHWISSENSCHAFT 5 ( 1 9 8 6 ) , H. 1 , S . 1 3 8 - 1 4 7 u n d 6 ( 1 9 8 7 ) , H. 2, S. 2 4 9 - 2 5 8
Glück, Helmut; Wolfgang W. Sauer: Gegenwartsdeutsch. Stuttgart 1990 Greule, Albrecht; Elisabeth Ahlvers: Germanistische Sprachpflege. Darmstadt 1986
Haarmann, Harald: Sprachen und Sprachpolitik. In U. Ammon; Ν. Dittmar; K. Mattheier (Hrsg.): Soziolinguistik. 2. Halbband. Berlin, New York 1988, S. 1558-1578 Haarmann, Harald: Symbolic Values of Foreign Language Use. From the Japanese Case to a General Sociolinguistic Perspective. Berlin, New York 1989 Hagège, Claude: Le français et les siècles. Paris 1987 Hausmann, Franz J.: Wörterbücher in Frankreich und Deutschland. Ein Vergleich. In: H. E. Wiegand: Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie III (= Germanistische Linguistik 1982, H. 1 - 4 ) , 1983, S. 119-142 Heiß, Ingrid: Aspekte der Wertung und Erforschung von Anglizismen in der deutschen Sprache der DDR. In: ZEITSCHRIFT FÜR ANGLISTIK UND AMERIKANISTIK 1989, H. 4, S. 339-348
Kapitel 7: Fremdwort- und Anglizismenkritik
769
Hillen, Ingrid S.: Untersuchungen zu Kontinuität und Wandel der Sprachpflege im Deutschen Reich, der Bundesrepublik und in der DDR 1885 bis zur Gegenwart. Bonn 1982 (Zugl. Diss. Universität Bonn) Hirsch, Eike Christian: Mehr Deutsch für Besserwisser. München 1979 Ihlenburg, Karl-Heinz: Der Wortschatz in beiden deutschen Staaten. In: WEIMARER BEITRÄGE ( 1 9 6 4 ) , H . 1 0 , S . 3 7 2 - 3 7 9
Jernudd, Björn; Michael Shapiro (Hrsg.): The Politics of Language Purism. Berlin, New York 1989 Jernudd, Björn: The texture of language purism. An introduction. In: B. Jernudd; M. Shapiro (Hrsg.): The Politics of Language Purism. Berlin, New York 1989, S. 1 - 2 0 Jung, Matthias: L'influence des Noveaux Mouvements Sociaux sur le langage public. In: ALLEMAGNE D'AUJOURD'HUI (1990), H. 4, S. 92-110 Jung, Matthias: Sprache, Identität, Postmoderne. Das neue Sprachbewußtsein der 80er Jahre. In: REVUE D'ALLEMAGNE (1992), H. 2, S. 133-142 Jung, Matthias: Sprachgrenzen und die Umrisse einer xenologischen Linguistik. I n : JAHRBUCH DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 1 9 ( 1 9 9 3 ) , S . 2 0 3 - 2 3 0
Kann, Hans-Joachim: Let's go hinein and then sei mine. Englisch im deutschen Schlager 1968 und 1978. In: D E R SPRACHDIENST (1980), H. 10, S . 150-151 Kirkness, Alan (Hrsg.): Zur Sprachreinigung im Deutschen 1789-1871. Eine historische Dokumentation. 2 Bände. Tübingen 1975 (= Forschungsberichte des Instituts für Deutsche Sprache 26) Kirkness, Alan: Zur Lexikologie und Lexikographie des Fremdworts. In: Peter Braun (Hrsg.): Fremdwort-Diskussion. München 1979, S. 7 4 - 8 9 Köhler, August: Deutsche Sprache in östlicher Zwangsjacke. Berlin 1954 Korlén, Gustav: Über den angloamerikanischen Einfluß auf die deutsche Sprache i n d e r D D R . I n : MODERNA SPRAK 8 1 ( 1 9 8 7 ) , S . 1 1 2 - 1 1 8
Kristensson, Göran: Angloamerikanische Einflüsse in DDR-Zeitungstexten unter Berücksichtigung semantischer, pragmatischer, gesellschaftlich-ideologischer und quantitativer Aspekte. Stockholm 1977 (= Stockholmer Germanistische Forschungen 23) Kusterer, Hermann: Das Sprachenproblem in den europäischen Sprachengemeinschaften. Ein Plädoyer für Pragmatik. In: EUROPA-ARCHIV 22 (1980), S. 693-698 Langner, Helmut: Zum Einfluß des Anglo-Amerikanischen auf die deutsche Sprache in der D D R . In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTIK ( 1 9 8 6 ) , H. 4 , Leipzig 1 9 8 6 , S. 4 0 2 - 4 1 9
Lehnert, Martin: Anglo-Amerikanisches im Sprachgebrauch der DDR. Berlin 1990 Lwowski, Harald: Für die Gleichberechtigung der Sprache - Deutsch in Europa. In: D E R STÄDTETAG (1992), H. 3, S . 193-198 Mackensen, Lutz: Traktat über Fremdwörter. Heidelberg 1972 Nüssler, Otto: Das Sprachreinigungsgesetz. In: D E R SPRACHDIENST (1976), H. 2, S. 19-21 Oschlies, Wolf: Hat der Dispatcher den Broiler abgecheckt' Anglizismen im sprachlichen Alltag der DDR. In: MUTTERSPRACHE 9 8 ( 1 9 8 8 ) , H . 3 , S . 2 0 5 - 2 1 3 Paqué, Ruprecht: Zur „Fremdsprachenfreudigkeit" des Deutschen. In: DER SPRACHDIENST ( 1 9 8 2 ) , H . 5 , S . 6 5 - 6 8
770
Literaturverzeichnis
Pettersen, Egil: Die Normierungsarbeit des Norwegischen Sprachrats. In: R. Fallenstein; J. R. Ropeid (Hrsg.): Sprachpflege in europäischen Ländern. Bergen 1989, S. 3 5 - 4 8 Polenz, Peter von: Sprachpurismus und Nationalsozialismus. Die .Fremdwortfrage' gestern und heute. In: Germanistik - eine deutsche Wissenschaft. Frankfurt a. M. 1967, S. 113-165 Polenz, Peter von: Geschichte der deutschen Sprache. Berlin, New York, 9-, Überarb. Aufl. 1978 Polenz, Peter von: Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich betrachtet. In: Peter Braun (Hrsg.): Fremdwort-Diskussion. München 1979, S. 9 - 3 1 Rechtmann, Heinrich J.: Das Fremdwort und der deutsche Geist. Zur Kritik des völkischen Purismus. o.O. 1953 Schäuble, Wolfgang: Sprache und Politik. Rede des Bundesinnenministers vom 1 3 . 3 . 1 9 9 0 bei der Gesellschaft für Deutsche Sprache. In: D E R SPRACHDIENST ( 1 9 9 0 ) , H. 2, S. 3 9 - 4 6
Schlosser, Horst Dieter: Die deutsche Sprache in der DDR zwischen Stalinismus und Demokratie. Köln 1990 Schmidt, Wilhelm: Geschichte der deutschen Sprache. Berlin (Ost) 2 1 9 7 0 Schmitz, Günter: Die Amerikanisierung unserer Sprache'. Eine unzeitgemäße Betrachtung. In: NEUE RUNDSCHAU 8 7 ( 1 9 7 6 ) , S. 2 3 8 - 2 4 6 Simon, Gerd: Die Bemühungen um Sprachämter und ähnliche Norminstanzen im Deutschland der letzten hundert Jahre. In: W. Settekorn (Hrsg.): Sprachnorm und Sprachnormierung. Wilhelmsfeld 1 9 9 0 , S. 6 9 - 7 6 Stark, Franz: Faszination Deutsch. Die Wiederentdeckung einer Sprache für Europa. München 1993 Stickel, Gerhard: Meinungen zu Fremdwörtern am Beispiel der Anglizismen im heutigen Deutsch. In: MITTEILUNGEN DES DEUTSCHEN GERMANISTEN-VERBANDES 1 2 ( 1 9 8 4 ) , S. 5 - 1 4
Stickel, Gerhard: Was halten Sie vom heutigen Deutsch? Ergebnisse einer Zeitungsumfrage. In: Rainer Wimmer (Hrsg.): Sprachtheorie. Düsseldorf 1987, S. 280-317 (= Jahrbuch 1986 des Instituts für Deutsche Sprache) Townson, Michael: Rassismus in der Fremdwortdiskussion. In: OSNABRÜCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHTHEORIE ( O B S T ) 46 (1992), S . 229-240 Vik0r, Lars S.: Vocabulary Problem in Nynorsk. Purism or Liberalism? In: R. Fallenstein; J. R. Ropeid (Hrsg.): Sprachpflege in europäischen Ländern. Bergen 1989, S. 113ff. Wegner, Helmut: Die deutsche Sprache in der Welt und die Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. In: Alois Wierlacher (Hrsg.): Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik. München 1987 Weinrich, Harald: Wege der Sprachkultur. München 1985 Weinstein, Brian 1989: Francophonie. Purism at the international level. In: B. Jernudd; M. Shapiro (Hrsg.): The Politics of Language Purism. Berlin, New York 1989, S. 5 3 - 8 0 Weisgerber, Leo: Das Fremdwort im Gesamtrahmen der Sprachpflege. In: MUTTERSPRACHE 7 0 ( I 9 6 0 ) , S . 1 - 6
Werder, Klaus-Peter: Tausend Wörter Sowjet-Deutsch. Bonn 1957 Wienold, Götz: Sprachlicher Kontakt und Integration. In: Peter Braun (Hrsg.): Fremdwort-Diskussion. München 1979, S. 104-113 Wilde, Hartwig: Neue Wörter. In: D E R SPRACHDIENST 14 (1970), H. 6, S . 8 3 - 8 5
Kapitel 8: BRD und DDR
Wilde, Hartwig: Deutsch im Ausverkauf (?). In:
771
DER SPRACHDIENST 1 6
(1972),
S. 1 4 - 1 8
Witte, Barthold
C:
Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. In:
INFO D A F
1 8 ( 1 9 9 1 ) , H . 4 , S. 3 5 9 - 3 6 7
Wolff, Gerhart: Deutsche Sprachgeschichte. Ein Studienbuch. Frankfurt a. M. 2
1990
Yang, Wenliang: Anglizismen im Deutschen. Am Beispiel des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Tübingen 1990 Zimmer, Dieter E.: Redens-Arten. Über Trends und Tollheiten im neudeutschen Sprachgebrauch. Zürich 1986 (zitiert wurde nach der Taschenbuch-Ausgabe Zürich 1988) Zorn, Klaus: An den Quellen sprachpolitischer Bestrebungen des deutschen Imperialismus gegenüber fremden Völkern und anderen Staaten. In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 1 9 ( 1 9 8 2 ) , S . 1 0 7 - 1 1 0
Kapitel 8: BRD und DDR Ahrends, Martin: Allseitig gefestigt. Stichwörter zum Sprachgebrauch der DDR. München 1989 (zuerst erschienen 1986 unter dem Titel „Trabbi, Telespargel und Tränenpavillon") Andersson, Sven Gunnar: Deutsche Standardsprache - drei oder vier Varianten? I n : MUTTERSPRACHE 9 3 ( 1 9 8 3 ) , S . 2 5 9 - 2 8 3
Auswärtiges Amt (Hrsg): Die Auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1972 Axen, Hermann: Zur Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR. Berlin (Ost) 1973 Bauer, Dirk: Zwei deutsche Staaten! - Zwei deutsche Sprachen? Überlegungen zur Entwicklung der germanistischen Forschung und zum Verhältnis von Sprachwissenschaft und Politik. In: DEUTSCHE SPRACHE 18 (1990), S. 218-240 Bauer, Dirk: Das sprachliche Ost-West-Problem. Untersuchungen zur Sprache und Sprachwissenschaft in Deutschland seit 1945. Frankfurt a. Μ. 1993 (= Europäische Hochschulschriften: Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur; Bd. 1397; zugl. Diss., Bochum 1993) Behrens, Manfred; Walther Dieckmann; Erich Kehl: Politik als Sprachkampf Zur konservativen Sprachkritik und Sprachpolitik seit 1972. In: Fachbereich Germanistik der FU Berlin (Hrsg): Aufsätze zum Konnotationsbegriff und zur Sprachpolitik seit 1972. Berlin 1972 Berschin, Helmut: Die Abkürzung „BRD". Entstehung, Verbreitung, Gebrauch, Bewertung. In: DER SPRACHDIENST 22 (1978), H. 7, S . 105-109 Berschin, Helmut: Deutschland - ein Name im Wandel. Die deutsche Frage im Spiegel der Sprache. München, Wien 1979a (= Geschichte und Staat - Sonderreihe „Analysen und Perspektiven". Bd. 1. Hrsg. von Wolfgang Bergsdorf und Warnfried Detding,) Berschin, Helmut: Deutschland - wo liegt es? In: DER SPRACHDIENST 23 (1979b), H. 12, S. 177-181 Brandt, Willy: Begegnungen und Einsichten 1960-1975. München 1978
772
Literaturverzeichnis
Bruns, Wilhelm: Von der Deutschland-Politik zur DDR-Politik? Prämissen, Probleme, Perspektiven. Opladen 1989 Buchheim, Hans: Deutschlandpolitik 1949-1972. Der politisch-diplomatische Prozeß (Schriftenreihe der VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE, Nr. 4 9 ) . Stuttgart 1984 Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hrsg.): SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Bonn, 4., überarb. und erw. Aufl. 1958 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.): Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1969-1976. Bericht und Dokumentation. Melsungen 1977 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen: Zehn Jahre Deutschlandpolitik. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1969-1979- Bericht und Dokumentation. Melsungen 1980 Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Geschichte der DDR. Bonn 1991a (= Informationen zur politischen Bildung 231) Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Die Wende in der DDR. Bonn 1991b (= Reihe „Kontrovers") Carstensen, Broder: Wörter des Jahres 1977. In: DER SPRACHDIENST 2 2 (1978), H . 1, S. 1 - 8 Carstensen, Broder: Wörter des Jahres 1989- In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SUL) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S. 1 1 0 - 1 1 7
Clyne, Michael: Language and society in the German-speaking countries. Cambridge 1984 Deubelli, Ernst: Die Deutschlandpolitik in ihrer politischen Sprache - Eine Untersuchung über den Zeitraum von 1949 bis zum Inkrafttreten des Grundlagenvertrages. (Diss.) München 1982 Dieckmann, Walther: Kritische Bemerkungen zum sprachlichen Ost-West-Problem. In: ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE SPRACHE 23 (1967), S. 137-165 Dieckmann, Walther: Sprache in der Politik. Heidelberg 1969 Dieckmann, Walther: Die Untersuchung der deutsch-deutschen Sprachentwicklung als linguistisches Problem. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (ZGL) 17.2 (1989), S. 162-181 Dittmann, Knud: Adenauer und die deutsche Wiedervereinigung. Die politische Diskussion des Jahres 1952. Düsseldorf 1981 Domaschnew, Anatoli I.: Ade, DDR-Deutsch! Zum Abschluß einer sprachlichen Entwicklung. In: MUTTERSPRACHE 101 (1991), S. 1-12 Ebert, Friedrich: Der Weg zur Lösung der nationalen Frage. In: Zwei deutsche Staaten. Die nationale Politik der DDR. Mit Beiträgen von Albert Norden, Hermann Matern, Friedrich Ebert und einer Dokumentation. Wien 1967, S. 8 9 133 Fricke, Karl-Wilhelm: Die Sprache des Vierten Reichs. In: DEUTSCHE RUNDSCHAU 7 8 ( 1 9 5 2 ) , H . 12, S. 1 2 4 3 - 1 2 4 6 .
Gaudig, Richard: Die deutsche Sprachspaltung. In: NEUE DEUTSCHE HEFTE 5 (1958/59), H. 55, S. 1008-1014. Good, Colin: Über die „Kultur des Mißverständnisses" im vereinten Deutschland. In: MUTTERSPRACHE 103 (1993), S. 249-259
Kapitel 8: BRD und DDR
773
Gruner, Paul-Hermann: „Rechte" Karriere eines „linken" Wortes? Vom Aneignungsdrang der Kampfsprache der Republikaner am Beispiel der Revolutionslosung „Wir sind das Volk". In: Ruth Reiher; Rüdiger Läzer (Hrsg.): Wer spricht das wahre Deutsch? Erkundungen zur Sprache im vereinigten Deutschland. Berlin 1993, S. 272-288 Hacker, Jens: Der Rechtsstatus Deutschlands aus der Sicht der DDR (Abhandlungen zum Ostrecht, Bd. 13). Köln 1974 Hellmann, Manfred W.: Deutsche Sprache in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. In: Hans Peter Althaus; Helmut Henne; Herbert E. Wiegand (Hrsg.): Lexikon der Germanistischen Linguistik. Bd. 3- Tübingen 1980, S. 519-527 Hellmann, Manfred W.: Die doppelte Wende - Zur Verbindung von Sprache, Sprachwissenschaft und zeitgebundener politischer Bewertung am Beispiel deutsch-deutscher Sprachdifferenzierung. In: Josef Klein (Hrsg.): Politische Semantik. Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989a, S. 297-326 Hellmann, Manfred W.: „Binnendeutsch" und „Hauptvariante Bundesrepublik". Zu Peter von Polenz' Kritik an Hugo Moser. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (ZGL) 17.1 (1989b), S. 8 4 - 9 3 Hellmann, Manfred W.: DDR-Sprachgebrauch nach der Wende - eine erste Bestandsaufnahme. In: MUTTERSPRACHE 100 (1990), S. 266-286 Hellmann, Manfred W.: Die Leipziger Volkszeitung vom 27.10.1989 - eine Zeitung im Umbruch. In: MUTTERSPRACHE 103 (1993), S. 186-218 Herbstrith, Bernhard M.: Daten zur Geschichte der BRD. Düsseldorf 1984 Hermanns, Fritz: Ein Wort im Wandel: Deutsch - was ist das? Semiotisch-semantische Anmerkungen zu einem Wahl-Plakat der CDU (1990). In: Armin Burkhardt; K. Peter Fritzsche (Hrsg.): Sprache im Umbruch. Politischer Sprachwandel im Zeichen von „Wende" und „Vereinigung" (Sprache-Politik-Öffentlichkeit, Bd. 1). Berlin, New York 1992, S. 253-266 Hillgruber, Andreas: Europa in der Weltpolitik der Nachkriegszeit (1945-1963). München, Wien 1979 Hoebink, Hein: Westdeutsche Wiedervereinigungspolitik 1949—1961. Meisenheim am Glan 1978 Jahn, Hans Edgar: Die deutsche Frage von 1945 bis heute. Der Weg der Parteien und Regierungen. Mainz 1985 Jung, Matthias: Wandeln sich Einstellungen zum Deutschen? Germanismen des Jahres 1 9 9 1 in Frankreich. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S u L ) 2 3 ( 1 9 9 2 ) , H . 6 9 , S . 9 4 - 1 1 0
Kinne, Michael (Hrsg.): Texte Ost - Texte West. Frankfurt a. M. 1977 Kinne, Michael; Birgit Strube-Edelmann: Kleines Wörterbuch des DDR-Wortschatzes. Düsseldorf 1980 (eingesehen: 2. Aufl. 1981) Kistler, Helmut (Hrsg.): Die Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland 19661973- Bonn 1982 Klemperer, Viktor: Zur gegenwärtigen Sprachsituation in Deutschland. Berlin/DDR 1954. Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung - Deutsche Geschichte 1945-1955. Göttingen 1982 Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 19551970. Göttingen 1988
Literaturverzeichnis
774
Kloss, Heinz: Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. Düsseldorf 2 1978 Köhler, August: Deutsche Sprache in östlicher Zwangsjacke. Vortrag im deutschen Sprachverein Berlin (1953). Korlén, Gustav: Zur Entwicklung der deutschen Sprache diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs. In: SPRACHE IM TECHNISCHEN ZEITALTER 4 (1962), S . 2 5 9 280 Korlén, Gustav: „Mitteldeutschland" - Sprachlenkung oder Neutralismus? Eine wortgeschichtliche und sprachpädagogische Bestandsaufnahme. In: MODERNA SPRAK 59 (1965), S. 3 7 - 5 5 Korlén, Gustav: Führt die Teilung Deutschlands zur Sprachspaltung? In: DER DEUTSCHUNTERRICHT 2 1 ( 1 9 6 9 ) , H . 5 , S . 5 - 2 3
Korlén, Gustav: Über den angloamerikanischen Einfluß auf die deutsche Sprache i n d e r D D R . I n : MODERNA SPRAK 8 1 ( 1 9 8 7 ) , S . 1 1 2 - 1 1 8
Lerchner, Gotthard: Die deutsche Sprache und das „wirkliche" Leben. Nationalsprachliche Varianten. In: Michael Kinne (Hrsg.): Texte Ost - Texte West. Arbeitsmaterialien zur Sprache der Gegenwart in beiden deutschen Staaten. Frankfurt a. M. 1 9 7 7 , S. 3 0 - 3 4 (Auch in: FORUM. Organ des Zentralrats der FDJ 3 0 ( 1 9 7 6 ) , H. 3, S. 1 0 - 1 1 )
Liedtke, Frank: Sozialismus - ein Reizwort. In:
SPRACHE UND LITERATUR IN WISSEN-
SCHAFT UND UNTERRICHT ( S u L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S . 2 3 - 3 8
Longerich, Peter (Hrsg.): „Was ist des Deutschen Vaterland?" Dokumente zur Frage der deutschen Einheit 1800-1990. München 1990 Maeder, Hannes: Sprache und Totalitarismus. In: Hugo Moser: Das Auler Protokoll. Düsseldorf 1964 , S. 13-23 März, Peter: Die Bundesrepublik zwischen Westintegration und Stalin-Noten. Zur deutschlandpolitischen Diskussion 1952 in der Bundesrepublik vor dem Hintergrund der westlichen und der sowjetischen Deutschlandpolitik. Frankfurt a. M., Bern 1982 (= Erlanger Historische Studien, Bd. 7) Marzahn, Barbara: Der Deutschlandbegriff der DDR. Dargestellt vornehmlich an der Sprache des „Neuen Deutschland". Düsseldorf 1979 Moser, Hugo: Das Aueler Protokoll. Düsseldorf 1964 Münch, Ingo von (Hrsg.): Dokumente des geteilten Deutschland. Bd. 1. Stuttgart 1976 Münch, Ingo von (Hrsg.): Dokumente der Wiedervereinigung Deutschlands. Stuttgart 1991 Nunn, David Α.: Politische Schlagwörter in Deutschland seit 1945. Gießen 1974 Nüssler, Otto: Heißes Eisen „BRD". In: DER SPRACHDIENST 21 (1977), H. 6, S . 86 Overesch, Manfred: Die Deutschen und die Deutsche Frage 1945-1955. Darstellung und Dokumente. Düsseldorf 1985 Plaste und Elaste. Ein deutsch-deutsches Wörterbuch (Zusammengestellt von Theodor Constantin). Berlin 1982 Polenz, Peter von: Geschichte der deutschen Sprache. Berlin, New York 1978 Polenz, Peter von: „Binnendeutsch" oder plurizentrische Sprachkultur? Ein Plädoyer für Normalisierung in der Frage der „nationalen" Varietäten. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (ZGL) 16 (1988), S. 198-218 Polenz, Peter von: Die Sprachrevolte in der DDR im Herbst 1989· Ein Forschungsbericht nach drei Jahren vereinter germanistischer Linguistik. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (ZGL) 21 (1993), s. 127-149-
Kapitel 8: BRD und DDR
775
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.): Helmut Kohl - Bilanzen und Perspektiven. Regierungspolitik 1989-1991. Bd. 2. Bonn 1992 (= Berichte und Dokumentationen) Reich, Hans Heinrich: Sprache und Politik. Untersuchungen zu Wortschatz und Wortwahl des offiziellen Sprachgebrauchs in der DDR. München 1968 Reiffenstein, Ingo; Heinz Rupp; Peter von Polenz; Gustav Korlén: Tendenzen, Formen und Strukturen der deutschen Standardsprache nach 1945. Marburg 1983 (• Marburger Studien zur Germanistik 3) Rubin, Hans Wolfgang (Hrsg.): Freiheit, Recht und Einigkeit. Zur Entspannungsund Deutschlandpolitik der Liberalen. Baden-Baden 1980 (= Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung: Liberale in Programm und Praxis) Schirmer, André: Die Deutschlandpolitik der SPD in der Phase des Übergangs vom Kalten Krieg zur Entspannungspolitik 1955-1970. Münster 1988 (= Studien zur Politikwissenschaft: Abt. B. Forschungsberichte und Dissertationen. Bd. 36) Schlosser, Horst Dieter: Die deutsche Sprache in der DDR zwischen Stalinismus und Demokratie - Historische, politische und kommunikative Bedingungen. Köln 1990 Schlosser, Horst Dieter: Deutsche Teilung, Deutsche Einheit und die Sprache der Deutschen. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE. Beilage zur Wochenzeitung DAS PARLAMENT, Β 1 7 / 9 1 , 1 9 . 4 . 1 9 9 1 , S . 1 3 - 2 1
Schlosser, Horst Dieter: Die ins Leere befreite Sprache. Wende-Texte zwischen Euphorie und bundesdeutscher Wirklichkeit. In: MUTTERSPRACHE 1 0 3 ( 1 9 9 3 ) , S. 2 1 9 - 2 3 0
Schlottke, Erdmuthe: Mitteldeutschland. München 1970 Schmidt, Günter Dietrich: Die deutschen Varianten des Deutschen. Zum Einfluß der Politik auf Interpretation, Bewertung und Verlauf der Sprachentwicklung i n d e r D D R . I n : MUTTERSPRACHE 9 3 ( 1 9 8 3 ) , S . 2 8 4 - 2 8 9
Schüddekopf, Charles (Hrsg.): „Wir sind das Volk". Flugschriften, Aufrufe und Texte einer deutschen Revolution. Reinbek bei Hamburg 1990 Schwarz, Hans-Peter: Entspannung und Wiedervereinigung. Deutschlandpolitische Vorstellungen Konrad Adenauers 1955-1958. Stuttgart, Zürich 1979 Siegler, Heinrich von: Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands. Eine dokumentarische Diskussionsgrundlage (Bd. 1: 1944-1963)· Bonn, Wien, Zürich, 6., erw. Aufl. 1967 Stellmacher, Dieter: Westdeutsch - Ostdeutsch: Sprachen oder Sprachvarianten? In: GERMANISTISCHE MITTEILUNGEN. Zeitschrift des Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbandes 4 (1976), S. 4 1 - 5 4 Stötzel, Georg: Entzweiung und Vereinigung. Antworten der Sprache auf die deutsche Frage. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SUL) 22 (1991), H. 67, S. 2 - 2 0 Sussmann, Rudolf: Deutsche Teilung - Folgen für die Sprache? In: Klaus Lange: Aspekte der deutschen Frage. Herford 1986, S. 143-165 Vogelsang, Thilo: Das geteilte Deutschland. München 1983 Waither, Helmut: „BRD = Bundesrepublik Deutschland" (1952). In: DER SPRACHDIENST 21 (1977), H. 10, S. 150-151 Wehling, Hans-Georg (Red.): (Wieder-)Vereinigungsprozeß in Deutschland. Stuttgart, Berlin, Köln 1990
776
Literaturverzeichnis
Weidenfeld, Werner; Karl Rudolf Körte (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Einheit. Frankfurt, New York 1992 Welke, Klaus: Deutsche Sprache BRD/DDR - Reflexion in der Linguistik der DDR. In: Klaus Welke; Wolfgang W. Sauer; Helmut Glück (Hrsg.): Die deutsche Sprache nach der Wende. Hildesheim, Zürich, New York 1992, S. 1-13 (= Germanistische Linguistik 110-111/1992) Wengeler, Martin: Deutschlandpolitische Leitvokabeln 1945-1961. Unveröffentl. Mskr. Düsseldorf 1993 (Erscheint in: Karin Boke; Frank Liedtke; Martin Wengeler: Politische Leitvokabeln der fünfziger Jahre. Berlin, New York 1995) Wickert, Ulrich (Hrsg): Angst vor Deutschland. Hamburg 1990 Zabrocki, Ludwik: Kommunikative Gemeinschaften und Sprachgemeinschaften. In: FOLIA LINGUISTICA 4 (1970), S. 2 - 2 3
Kapitel 9: Nazi-Komplex Berning, Cornelia: Vom ,Abstammungsnachweis" zum „Zuchtwart". Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin 1964 Dawidowicz, Lucy S.: Der Krieg gegen die Juden, 1933 - 1945. München 1979 (Amerik. Originalausgabe: The War against the Jews, 1933 - 1945. New York 1975) Dönhoff, Marion Gräfin: Weit ist der Weg nach Osten. Berichte und Betrachtungen aus fünf Jahrzehnten. Stuttgart 1985 Fest, Jochen C.: Hitler. Eine Biographie. Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1973 Fleischmann, Lea: Dies ist nicht mein Land. Eine Jüdin verläßt die Bundesrepublik. Hamburg 1980 Germanistik - eine deutsche Wissenschaft. Beiträge von E. Lämmert; W. Killy; K. O. Conrady; P. v. Polenz. Frankfurt a. M. 1967 (= Edition Suhrkamp 204) Heinz, Rudolf: Maurice Halbwachs' Gedächtnisbegriff. In: ZEITSCHRIFT FÜR PHILOSOPHISCHE FORSCHUNG 23 (1969), S. 7 3 - 8 5 Heringer, Hans Jürgen: Der Streit um die Sprachkritik. Dialog mit Peter von Polenz im Februar 1981. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 161-175 Heringer, Hans Jürgen: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort". Politik, Sprache, Moral. München 1990 Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 201933 Jäckel, Eberhard: Die doppelte Vergangenheit. Eberhard Jäckel über den Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte. In: DER SPIEGEL 45 (23.12.1991), H. 52, S. 3 9 - 4 3 Keller, Rudi: Was die Wanzen tötet, tötet auch den Popen. Ein Beitrag zur politischen Sprachkritik. In: Georg Stötzel (Hrsg.): Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven. Berlin, New York 1985, S. 264-277 Klemperer, Victor: LTI. Notizbuch eines Philologen. Berlin 1947 (zit. nach 3- Auflage, Halle 1957) Kolb, Herbert: Der inhumane Akkusativ. In: ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE W O R T FORSCHUNG 16 (I960), S. 168-177 Korn, Karl: Sprache in der verwalteten Welt. Ölten, Freiburg 1958 (2. Aufl. 1959) Marx, Karl: Zur Judenfrage. In: MEW Bd. 1, S. 347-377
Kapitel 9: Nazi-Komplex
111
Picht, Georg: Hier und Jetzt. Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima. Bd. 1, Teil IV: Zum philosophischen Verständnis der Sprache. Stuttgart 1980. Polenz, Peter von: Funktionsverben im heutigen Deutsch. Sprache in der rationalisierten Welt. Düsseldorf 1963a (= Beiheft 5 zur Zeitschrift WIRKENDES WORT)
Polenz, Peter von: Sprachkritik und Sprachwissenschaft. In: NEUE RUNDSCHAU 74 (1963b), S. 381-403 Polenz, Peter von: Verdünnte Sprachkultur. Das Jenninger-Syndrom in sprachkritischer Sicht. In: DEUTSCHE SPRACHE (1989), H. 4, S . 289-316 Schmitz-Berning, Cornelia: Die Behandlung des Themas .öffentlicher Sprachgebrauch im Dritten Reich' in Sprachbüchern und Kursmaterialien für den Deutschunterricht. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SuL) 14 (1983), H. 52, S. 106-112 Schneider, Peter: „Im Todeskreis der Schuld". In: D I E ZEIT 27.3.1987, S. 65f. Steger, Hugo: Sprache im Wandel. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Bundesrepublik Deutschland. Geschichte in 3 Bänden, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1983, S. 1 5 - 4 6 Sternberger, Dolf; Gerhard Storz; Wilhelm E. Süskind: Aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Hamburg 2 1957, Hamburg und Düsseldorf 3 1968 mit dem Untertitel „Neue erweiterte Ausgabe mit Zeugnissen des Streites über die Sprachkritik"; zuerst publiziert als fortlaufende Serie in der Monatsschrift D I E WANDLUNG von 1945 bis 1948 (zit. nach Hamburg und Düsseldorf 3 1968) Sternberger, Dolf: Die öffentliche Schnödigkeit. In: Hans-Martin Gauger (Hrsg.): Sprach-Störungen. Beiträge zur Sprachkritik. München, Wien 1986, S. 3 0 - 3 7 Stötzel, Georg: Heinrich Bolls sprachreflexive Diktion. Sprachwissenschaftliche Interpretation eines Interviews. In: LINGUISTIK UND DIDAKTIK 9 ( 1 9 7 8 ) , S. 5 4 - 7 4 Stötzel, Georg: Normierungsversuche und Berufungen auf Normen bei öffentlicher Thematisierung von Sprachverhalten. In: A. Schöne (Hrsg.): Kontroversen, alte und neue. Tübingen 1 9 8 6 , Bd. 4 , S. 8 6 - 1 0 0 (= Akten des VII. Internationalen Germanistenkongresses, Göttingen 1985) Stötzel, Georg: Nazi-Verbrechen und öffendiche Sprachsensibilität. Ein Kapitel deutscher Sprachgeschichte nach 1 9 4 5 . In: SPRACHE UND LITERATUR IN W I S SENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 3 , S . 3 2 - 5 2
Stötzel, Georg: Semantische Kämpfe im öffentlichen Sprachgebrauch. In: Gerhard Stickel (Hrsg.): Deutsche Gegenwartssprache. Tendenzen und Perspektiven. Berlin, New York 1 9 9 0 , S. 4 5 - 6 5 (= Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 1989) Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1986 Weisgerber, Leo: Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und Sachen. Köln 1958 (= Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-'Westfalen, Bd. 2) Zifonun, Gisela: Politische Sprachkultur und Sprachkritik. In: Institut für deutsche Sprache. Mannheim. MITTEILUNGEN (1984), H. 10, S. 6 1 - 9 0
778
Literaturverzeichnis
Kapitel 10: 1968 als sprachgeschichtliche Zäsur Adorno, Theodor W.: Jargon der Eigentlichkeit. Frankfurt a. M. 1964 Assel, Hans-Günther: Demokratisierung. Zur Kontroverse eines umstrittenen Begriffs politischer Bildung. In: POLITISCHE STUDIEN ( 1 9 7 2 ) , H. 2 3 , S . 4 7 8 - 5 0 1 Bauer, Dieter: Begriffe gegen Inhalte. Zur semantischen Akrobatik der CDU. In: D I E NEUE GESELLSCHAFT 22 (1975), H. 7, S. 564-566 Behrens, Manfred; Walther Dieckmann; Erich Kehl: Politik als Sprachkampf. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 216-265 Bergedorfer Gesprächskreis: Sprache und Politik: Können Begriffe die Gesellschaft verändern? Protokoll Nr. 41. Hamburg 1972 Bergsdorf, Wolfgang (Hrsg.): Wörter als Waffen. Sprache als Mittel der Politik. Stuttgart 1979 Bernbeck, Ernst Jürgen: Politisches Wörterbuch. Aus dem politischen Sprachschatz der Gegenwart. Frankfurt a. M. 1968 Biedenkopf, Kurt H.: Bericht des Generalsekretärs auf dem 23- Bundesparteitag der CDU, Mannheim 23- bis 25. Juni 1975. Zit. nach den Protokollen des 23Parteitages, S. 167-179 Biedenkopf, Kurt H.: Politik und Sprache. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 189-197 Boesch, Bruno: Die Sprache des Protestes. In: Sprache - Brücke und Hindernis. 23 Beiträge nach einer Sendereihe des „Studio Heidelberg", Süddeutscher Rundfunk. München 1972, S. 261-272 Bolten, Jürgen: „Was heißt heute konservativ"? In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 4 , S . 5 8 - 6 9
Bracher, Karl Dietrich: Schlüsselwörter in der Geschichte. Mit einer Betrachtung zum Totalitarismusproblem. In Zusammenarbeit mit Dorothee Bracher. Düsseldorf 1978 Demokratisierung - Colloquium über einen umstrittenen Begriff. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE Β ( 1 9 7 1 ) , H . 1 8 , S . 3 - 3 0
Dietz, Heinrich: Rote Semantik. In: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Sprache und Herrschaft. Die umfunktionierten Wörter. München 1975, S. 2 0 - 4 3 Eisert, Walter: Agitatorische Bewußtseinsverengung. Reduktion als strategische Methode des Marxismus. In: STIMMEN DER ZEIT ( 1 9 7 2 ) , H. 6 , S . 4 0 9 - 4 1 8 Fetscher, Iring; Horst E. Richter (Hrsg.): Worte machen keine Politik. Beiträge zu einem Kampf um politische Begriffe. Reinbek 1976 Fink, Ulf: 1968 - Die Antwort der CDU: Programmpartei. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE Β ( 1 3 - 5 . 1 9 8 8 ) , H . 2 0 , S . 2 7 - 3 5
Glaser, Hermann: Links friert die Sprache ein. Sechs Anmerkungen eines Enttäuschten zum aktuellen kritischen Jargon. In: CHRIST UND W E L T ( 1 1 . 7 . 1 9 6 9 ) , Nr. 2 8 , S . 9 - 1 0 Glotz, Peter: Sprache, Politik und Emotion. Beitrag von Dr. Peter Glotz, Bundesgeschäftsführer der SPD, bei den 11. Römerberg-Gesprächen „Sprache der Macht - Macht der Sprache" am 29- Juni 1984. Unveröffentl. Mskr. o.O. o.J. [1984] Haug, Wolfgang Fritz: Der hilflose Antifaschismus. Frankfurt a. M. 1967
Kapitel 10: 1968 als sprachgeschichtliche Zäsur
779
Heidborn, Jürgen: Lebensqualität - SPD-Schlagwort oder CDU-Programm? In: SONDE ( 1 9 7 3 ) , H . 6 , S . 9 - 2 1
Hennis, Wilhelm: „Demokratisierung". Zu einem häufig gebrauchten und vieldiskutierten Begriff. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2 2 . 7 . 1 9 6 9 , S. 1 1 Hennis, Wilhelm: Die mißverstandene Demokratie. Freiburg im Breisgau 1973 Herrmann, Ludolf: Hitler, Bonn und die Wende. Wie die Bundesrepublik ihre Lebenskraft zurückgewinnen kann. In: DIE POLITISCHE MEINUNG 2 8 ( 1 9 8 3 ) , H. 2 0 9 , S. 1 3 - 2 8 Höck, Wilhelm: Linke Schminke. Die „repressive Gesellschaft" wie das „falsche Bewußtsein" müssen auch in Frage gestellt werden dürfen! In: DIE ZEIT (18.2.1972), Nr. 7, S. 15 Jäger, Siegfried: Linke Wörter. Einige Bemerkungen zur Sprache der APO. In: MUTTERSPRACHE 80 (1970), S. 85-107 Klein, Josef: Wortschatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik. In: Josef Klein (Hrsg.): Politische Semantik. Bedeutungsanalytische und sprachkritische Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989 S. 3 - 5 0 Klein, Josef: Kann man „Begriffe besetzen"? Zur linguistischen Differenzierung einer plakativen politischen Metapher. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 4 4 - 6 9 Kuhn, Fritz: Begriffe besetzen. Anmerkungen zu einer Metapher aus der Welt der Machbarkeit. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 90-110 Kuhn, Helmut: Despotie der Wörter. Wie man mit der Sprache die Freiheit überwältigen kann. In: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Sprache und Herrschaft. Die umfunktionierten Wörter. München 1975, S. 11-19 Leggewie, Claus: 1968: Ein Laboratorium der nachindustriellen Gesellschaft? Zur Tradition der antiautoritären Revolte seit den sechziger Jahren. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE Β (13-5.1988), H. 20, S. 3-15 Lhotta, Roland: Sind wir „gelinkt" worden? Zum Eindringen von 68er Vokabular in die Gemein- und Bildungssprache. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H. 64, S. 7 0 - 9 4 Lüdke, Martin: Horkheimer und die Kiste. In: DIE ZEIT (9.1.1987), Nr. 3, S. 4 5 - 4 6 Mahler, Gerhard: Politik und Sprache. In: SONDE (1975), H. 8, S. 3 4 - 3 8 Maier, Hans: Aktuelle Tendenzen der politischen Sprache. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 179-188 Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Neuwied 3 1968 Marcuse, Herbert: Ist Sozialismus obszön? In: KONKRET 2.6.1979, S. 2 0 - 2 3 Marcuse, Herbert: Versuch über die Befreiung (1969)- In: ders.: Schriften. Band 8. Frankfurt a. M. 1984 Niehr, Thomas: Schlagwörter im politisch-kulturellen Kontext. Zum öffentlichen Diskurs in der BRD von 1966 bis 1974. Wiesbaden 1993 Rudolph, Hermann: Mehr als Stagnation und Revolte. Zur politischen Kultur der sechziger Jahre. In: Martin Broszat (Hrsg.): Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte. München 1990, S. 141-151
780
Literaturverzeichnis
Schelsky, Helmut: Macht durch Sprache. In: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Sprache und Herrschaft. Die umfunktionierten Wörter. München 1975, S. 176178
Schelsky, Helmut: Herrschaft durch Sprache. In: W. Bergsdorf (Hrsg.): Wörter als Waffen. Sprache als Mittel der Politik. Stuttgart 1979, S. 1 5 - 2 9 Schilling, Helmut: „antiautoritär" - Analyse eines Schlagwortes. In: MUTTERSPRACHE 8 2 ( 1 9 7 2 ) , S . 1 4 3 - 1 4 9
Schmölders, Günter: Semantische Fallen im Politvokabular. In: W. Bergsdorf (Hrsg.): Wörter als Waffen. Sprache als Mittel der Politik. Stuttgart 1979, S. 6 2 70
Schnauber, Cornelius: Wie diskutiere ich mit Linksideologen? 18 Gesichtspunkte und 15 Grundsätze. Herford 1973 (RCDS Bonn Schriftenreihe 17) Schneider, Wolf: Wörter machen Leute. Magie und Macht der Sprache. München, Zürich 1976 Sontheimer, Kurt: Die Sprache linker Theorie. In: W. Bergsdorf (Hrsg.): Wörter als Waffen. Sprache als Mittel der Politik. Stuttgart 1979, S. 4 4 - 6 1 Sontheimer, Michael: Rebellion ist gerechtfertigt. Bericht eines „Post68ers". In: A u s POLITIK UND ZEITGESCHICHTE Β ( 1 3 . 5 . 1 9 8 8 ) , H . 2 0 , S . 3 6 - 4 6
Steger, Hugo: Sprache im Wandel. In:
SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND
UNTERRICHT ( S u L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 3 , S . 3 - 3 1
Teubert, Wolfgang: Politische Vexierwörter. In: J. Klein (Hrsg.): Politische Semantik. Bedeutungsanalytische und sprachkritische Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989, S. 5 1 - 6 8 Weiss, Andreas von: Schlagwörter der Neuen Linken. Die Agitation der Sozialrevolutionäre. München; Wien 1974
Kapitel 11: Terrorismus-Diskussion Agnoli, J. u.a.: „... da ist nur freizusprechen!" Die Verteidigungsreden im Berliner Mescalero-Prozeß. Reinbek bei Hamburg 1979 Aust, S.: Der Baader Meinhof Komplex. Hamburg 1987 Bachem, R.: Sprache der Terroristen. In: DER DEUTSCHUNTERRICHT ( D U ) 30 (1978), H. 5, S. 6 1 - 7 9 Backes, U.; E. Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. 3 Bde. Köln 1989 Bakker-Schut, P. (Hrsg.): Dokumente, das info. Briefe von Gefangenen aus der RAF 1973-1977. Kiel 1987 Baumann, B.: Wie alles anfing. München 1980 Becker, J.: Hitler's Children. London 1989 [zuerst 1978] Betz, Werner: „Gruppe" oder „Bande"? Politik und Semantik in der deutschen Gegenwartssprache, [zuerst 1975]. In: Hans Jürgen Heringer (Hrsg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 198-202 Boll, Heinrich: Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie fuhren kann. Köln 1974
Kapitel 11: Terrorismus-Diskussion
781
Braunmühl, Brüder v. (Hrsg.): Dokumentation: „Ihr habt unseren Bruder ermordet". Die Antwort der Brüder des Gerold von Braunmühl an die RAF. Reinbek bei Hamburg 1987 Brückner, P.: Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse. Berlin 1987 Bundesministerium des Innern: Öffentlichkeitsarbeit gegen Terrorismus. Hat sich die Republik verändert? Terrorismus im Spiegel der Presse. Bonn 1978 Chaussi, U.: Das Attentat auf Rudi Dutschke. Die Anti-Springer-Kampagne. In: E. Siepmann u.a. (Hrsg.): CheSchahChit. Die sechziger Jahre zwischen Cocktail und Molotov. Reinbek bei Hamburg 1 9 8 4 , S. 2 1 1 - 2 2 9 Cohn-Bendit, Daniel; Hans-Jochen Vogel: „Ihr wollt Menschen schützen. Wir auch." Ein Gespräch zwischen Dany Cohn-Bendit und Hans-Jochen Vogel. In: M. Sontheimer, O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1 9 8 7 , S. 1 5 3 - 1 7 0 (zuerst In: D I E ZEIT 1 6 . 1 0 . 1 9 8 7 ) Coogan, T. P.: The I.R.A. London, 15-, Überarb. Aufl. 1990 Däubler-Gmelin, Herta: Im Zweifel für die Grundrechte oder Kontaktsperre im Parlament. In: M. Sontheimer, O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschlüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1987, S. 99-116 Deutsches Fremdwörterbuch. Begründet von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler, weitergeführt im Institut für deutsche Sprache. Bd. 5. Berlin, New York 1981 Dutschke, Rudi: Mein langer Marsch. Hrsg. von G. Dutschke-Klotz u. a. Reinbek bei Hamburg 1980 Duve, F.; H. Boll; K. Staeck (Hrsg.): Briefe zur Verteidigung der Republik. Reinbek bei Hamburg 1977 Elias, N.: Der bundesdeutsche Terrorismus - Ausdruck eines sozialen Generationenkonflikts. In: N. Elias: Studien über die Deutschen. Hrsg. von M. Schröter. Frankfurt a. M. 1989, S. 300-389 Eschen, K.: Rechtsstaat ohne Konfliktkultur. Die RAF-Prozesse im politischen Ausnahmezustand. In: M. Sontheimer, O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1987, S. 7 8 - 9 8 Fetscher, Iring: Terrorismus und Reaktion. Reinbek bei Hamburg 1981 Good, Colin: Der Kampf geht weiter, oder die sprachlichen Selbstrettungsversuche des SED-Staates. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (SuL) 22 (1991) H. 67, S. 4 8 - 5 5 Grützbach, F.: Heinrich Boll: Freies Geleit für Ulrike Meinhof. Ein Artikel und seine Folgen. Köln 1972 Hansen, H.: Den Staat aushungern oder Die zweite Niederlage der RAF. In: M. Sontheimer, O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1987, S. 117-139 Härtung, K.: Die Linke und die RAF. In: K. Härtung u.a.: Der blinde Fleck: die Linke, die RAF und der Staat. Frankfurt a. M. 1987, S. 148-159 Härtung, K. u.a.: Der blinde Fleck: die Linke, die RAF und der Staat. Frankfurt a. M. 1987 Hess, H.: Terrorismus und Terrorismus-Diskurs. In: H. Hess u.a. (Hrsg.): Angriff auf das Herz des Staates. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1988, Bd. 1, S. 5 5 - 7 4
782
Literaturverzeichnis
Hess; H. u.a. (Hrsg.): Angriff auf das Herz des Staates. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1988 Ho Chi Minh: Gegen die amerikanische Aggression. Aus dem Französischen übersetzt von G. Erler. Hrsg. von R. Jendis, H. Röttgen. München 1968 Hofmann, G.: Bonn, 1987. In: M. Sontheimer, O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1987, S. 3 2 - 5 7 Horchern, H. J.: Fünfzehn Jahre Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. I n : A u s POLITIK UND ZEITGESCHICHTE ( 1 9 8 7 ) , B d . 5 , S. 3 - 1 5
Jeschke, Axel; Wolfgang Malanowski (Hrsg.): Der Minister und der Terrorist. Gespräche zwischen Gerhart Baum und Horst Mahler. Reinbek bei Hamburg 1980
Kallscheuer, Ο.; M. Sontheimer: Kriegsbericht. In: M. Sontheimer, O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1987, S. 9 - 3 1 Keller, Rudi: Wie bietet man Gewähr dafür, daß man jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt? Ein semantischer Beitrag zur Diskussion des sogenannten Radikalenerlasses. In: LINGUISTIK UND DIDAKTIK (LuD) 8 (1977), H. 29, S. 29-35 Klein, H.-J.: Rückkehr in die Menschlichkeit. Appell eines ausgestiegenen Terroristen. Reinbek bei Hamburg 1979 Lackner, K.: Strafgesetzbuch. Mit Erläuterungen von Karl Lackner. München 14 1981 Liedtke, Frank; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991 Meinhof, Ulrike M.: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aufsätze und Polemiken. Mit einem Nachwort und hrsg. von K. Wagenbach. Berlin 1980 Musolff, Andreas: Anmerkungen zur Geschichte des Ausdrucks „Sympathisant" im Kontext der Terrorismus-Diskussion. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989) H. 64, S. 95-109 Musolff, Andreas: Verwendung von Kriegsterminologie in der Terrorismusdiskussion. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 186-204 Peters, B.: RAF. Terrorismus in Deutschland. Stuttgart 1991 Pohrt, W. u.a. (Hrsg.): Die alte Straßenverkehrsordnung. Dokumente der RAF. Berlin 1987 Schneider, P.: Die Botschaft des Pferdekopfs und andere Essais aus einem friedlichen Jahrzehnt. Darmstadt, Neuwied 1981a Schneider, P.: Die Widersprüche der Justiz. In: Schneider, P.: Die Botschaft des Pferdekopfs und andere Essais aus einem friedlichen Jahrzehnt. Darmstadt, Neuwied 1981b, S. 175-187 Schneider, P.: Der Sand an Baaders Schuhen. In: Schneider, P.: Die Botschaft des Pferdekopfs und andere Essais aus einem friedlichen Jahrzehnt. Darmstadt, Neuwied 1981c, S. 188-209 Siepmann, E.: Vietnam - Der große Katalysator. In: E. Siepmann u.a. (Hrsg.): CheSchahChit. Die sechziger Jahre zwischen Cocktail und Molotov. Reinbek bei Hamburg 1984, S. 195-201 Siepmann, E. u.a. (Hrsg.): CheSchahChit. Die sechziger Jahre zwischen Cocktail und Molotov. Reinbek bei Hamburg 1984
Kapitel 12: Gleichberechtigung
783
Sontheimer, M.; O. Kallscheuer (Hrsg.): Einschüsse. Besichtigung eines Frontverlaufs zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst. Berlin 1987 Stötzel, Georg: Konkurrierender Sprachgebrauch in der deutschen Presse. Sprachwissenschaftliche Textinterpretation zum Verhältnis von Sprachbewußtsein und Gegenstandskonstitution. In: WIRKENDES W O R T 30 (1980), S. 39-53 Stötzel, Georg: Heinrich Bolls sprachreflexive Diktion. Sprachwissenschaftliche Interpretation eines Interviews. In: Georg Stötzel: Schulbezogene Sprachwissenschaft. Düsseldorf 1982, S. 110-134 Stötzel, Georg: Nazi-Verbrechen und öffentliche Sprachsensibilität. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) H . 6 3 , S . 3 2 - 5 2
Thränhardt, D.: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1986
Vollmer, Antje: Die schwarzen Meister aus Deutschland. In: K. Härtung u.a.: Der blinde Fleck: die Linke, die RAF und der Staat. Frankfurt a. M. 1987a, S. 185191 (zuerst In: TAGESZEITUNG (taz) 30.1.1986) Vollmer, Α . : Wir sind verstrickt, auch schuldhaft. In: D I E ZEIT 16.10.1987b, S. 1316 Weidenhammer, K.-H.: Selbstmord oder Mord? Das Todesermittlungsverfahren Baader/Ensslin/Raspe. Kiel 1988 Wilkinson, P.: Terrorism and the Liberal State. London 1986 Zeller, M.: Das Mescalero-Modell. Tagebuch einer öffentlichen Affäre. In: DIE ZEIT 23.10.1987, S. 57f.
Kapitel 12: Gleichberechtigung Anders, Ann (Hrsg.): Autonome Frauen. Schlüsseltexte der Neuen Frauenbewegung seit 1968. Frankfurt a. M. 1988 Beck-Gernsheim, Elisabeth: Vom Geburtenrückgang zur Neuen Mütterlichkeit? Über private und politische Interessen am Kind. Frankfurt a. M. 1984 Becker, Baerbel (Hrsg.): Unbekannte Wesen: Frauen in den sechziger Jahren. Berlin 1987 Benard, Cheryl; Edit Schlaffer: Rückwärts und auf Stöckelschuhen... Können Frauen soviel wie Männer? Köln 1989 Böttger, Barbara: Das Recht auf Gleichheit und Differenz. Elisabeth Seibert und der Kampf der Frauen um Art. 3.2 GG. Münster 1990 Brandt, Willy: Hundert Jahre nach August Bebel. Ein Bestseller dient der Gleichberechtigung. 1978a. In: Willy Brandt (Hrsg.): Frauen heute - Jahrhundertthema Gleichberechtigung. Köln, Frankfurt a. M. 1978, S. 7 - 5 1 Brandt, Willy (Hrsg.): Frauen heute - Jahrhundertthema Gleichberechtigung. Köln, Frankfurt a. M. 1978 Bundesministerium für Frauen und Jugend: Frauen in der Bundesrepublik Deutschland. Rheinbach 1992 Däubler-Gmelin, Herta: Chancen-„Gleichheit" einst und jetzt. Erwerbstätigkeit und Bildungsmöglichkeiten von Frauen. In: Willy Brandt (Hrsg.): Frauen heute -Jahrhundertthema Gleichberechtigung. Köln, Frankfurt a. M. 1978, 108-128
784
Literaturverzeichnis
Dobberthien, Marliese: Zur konservativen Famlilien- und Sozialpolitik der Wende. In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Frauen-Widerspruch: Alltag und Politik. Köln 1987, S. 83-109 Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. 1908. In: Hannelore Schröder (Hrsg.): Die Frau ist frei geboren. Texte zur Frauenemanzipation. Bd. II. 1970, S. 255ff. Doormann, Lottemi: Wartet nicht auf bess're Zeiten. Frauenpolitik aus Bonn und Alternativen der Frauenbewegung. Köln 1980 Doormann, Lottemi: Die neue Frauenbewegung. Zur Entwicklung von 1968 bis Anfang der 80er Jahre. In: Florence Hervé (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln 1987, S. 255-289 Flechtheim, Ossip K. (Hrsg.): Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945. Bde. I I / l , III/2: Programmatik der deutschen Parteien. Berlin 1963 Frauenjahrbuch 1976. Hrsg. von der Jahrbuchgruppe des Münchner Frauenzentrums. München 1976 Geißler, Heiner (Hrsg.): Abschied von der Männergesellschaft. Mit dem dokumentarischen Anhang der „Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau". Frankfurt a. M., Berlin 1986 Gerhard, Ute: Recht - nicht nur als Prinzip, sondern weil wir es brauchen. In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Frauen-Widerspruch: Alltag und Politik. Köln 1987, S. 128-144 Gerhard, Ute u.a. (Hrsg.): Differenz und Gleichheit. Menschenrechte haben (k)ein Geschlecht. Frankfurt a.M 1990 Haug, Frigga: Lehren aus den Frauenbewegungen in Westeuropa. In: Autonome Frauenredaktion (Hrsg.): Frauenbewegung in der Welt I: Westeuropa. Berlin, Hamburg 1988, S. 6-13 Heep, Marita: Die Linken und die Frauenfrage. In: Heiner Geißler (Hrsg.): Abschied von der Männergesellschaft. Mit dem dokumentarischen Anhang der „Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau". Frankfurt a. M., Berlin 1986, S. 146-157 Herbstrith, Bernhard M.: Daten zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Düsseldorf 1984 Hoffmann, Ulrich: Sprache und Emanzipation: zur Begrifflichkeit der feministischen Bewegung. Frankfurt a. M., New York 1979 Jansen, Mechthild: Quotierung gegen das Konkurrenzsystem. 1986a. In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Halbe-Halbe. Der Streit um die Quotierung. Berlin 1986, S. 8 - 3 0 Jansen, Mechthild: Frauen und Politik. Die „neue" Frauenpolitik der Bundesregierung und das Agieren der Frauenbewegung. 1987a. In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Frauen-Widerspruch: Alltag und Politik. Köln 1987, S. 11-44 Jansen, Mechthild: Gleichstellung weiterdenken. Perspektiven feministischer Politik. In: BLÄTTER FÜR DEUTSCHE UND INTERNATIONALE POLITIK 37,3 (1992), H. 12, S. 1471-1480 Jansen, Mechthild (Hrsg.): Halbe-Halbe. Der Streit um die Quotierung. Berlin 1986 Jansen, Mechthild (Hrsg.): Frauen-Widerspruch: Alltag und Politik. Köln 1987 Janssen-Jurreit, Marielouise: Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage. München, Wien 1976
Kapitel 12: Gleichberechtigung
785
Jurczyk, Karin: Frauenarbeit und Frauenrolle. Zum Zusammenhang von Familienpolitik und Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland von 1918 bis 1975. Frankfurt a. M., München 1976 Knapper, Marie-Theres: Feminismus - Autonomie - Subjektivität. Bochum 1984 Krechel, Ursula: Selbsterfahrung und Fremderfahrung. Bericht aus der Neuen Frauenbewegung. Darmstadt, Neuwied 1975 Krieger, Verena: Radikale Utopien in Gesetzesform. Das Antidiskriminierungsgesetz der Grünen. In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Frauen-Widerspruch: Alltag und Politik. Köln 1987, S. 146-164 Linnhoff, Ursula: Die neue Frauenbewegung. USA - Europa seit 1968. Köln 1975 Menschik, Jutta: Gleichberechtigung oder Emanzipation? Frankfurt 1971 Menschik, Jutta: Feminismus. Geschichte, Theorie, Praxis. Köln 1977 Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Bonn 1988 Opitz, Claudia: Weiblichkeit oder Feminismus? In: Claudia Opitz (Hrsg.): Weiblichkeit oder Feminismus? Beiträge zur interdisziplinären Frauentagung. Konstanz 1983, S. 9-15 Pausch-Gruber, Ursula: Es mangelt an Solidarität. Entwicklung und Ziele der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. In: Willy Brandt (Hrsg.): Frauen heute - Jahrhundertthema Gleichberechtigung. Köln, Frankfurt a. M. 1978, S. 73-87 Pausch-Gruber, Ursula: Die Quotendiskussion in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Halbe-Halbe. Der Streit um die Quotierung. Berlin 1986, S. 84-91 Pusch, Luise F.: Zur Einleitung: Feminismus und Frauenbewegung. Versuch einer Begriffsklärung. In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Feminismus. Inspektion der Herrenkultur. Ein Handbuch. Frankfurt a. M. 1983, S. 9-17 Richelmann, Doris: Gleichstellungsstellen, Frauenförderung, Quotierung. Entwicklung und Diskurs aktueller frauenpolitischer Ansätze. Bielefeld 1991 Roth, Karin: Quotierung - Reizwort oder Anreiz? In: Mechthild Jansen (Hrsg.): Halbe-Halbe. Der Streit um die Quotierung. Berlin 1986, S. 47-59 Schenk, Herrad: Die feministische Herausforderung. 150 Jahre Frauenbewegung in Deutschland. München 1980 Schönbohm, Wulf: Wie die Essener Leitsätze entstanden sind und was sie bewirkt haben. In: Heiner Geißler (Hrsg.): Abschied von der Männergesellschaft. Mit dem dokumentarischen Anhang der „Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau". Frankfurt a. M., Berlin 1986, S. 178189 Schubert, Doris: Frauen in der Nachkriegszeit Band 1: Frauenarbeit 1945 - 1949. Quellen und Materialien. Annette Kuhn (Hrsg.). Düsseldorf 1984 Schwarzer, Alice: Der kleine Unterschied und seine großen Folgen. Frauen über sich - Beginn einer Befreiung. Frankurt a.M. 21977 Schwarzer, Alice: So fing es an! Die neue Frauenbewegung. Köln 1981 Schwarzer, Alice: Feministinnen sind Piratinnen. Programmatische Broschüre des „Hamburger Instituts für Sozialforschung", Januar 1984. In: Alice Schwarzer: Mit Leidenschaft. Ein Emma-Buch. Hamburg 1985, S. lOOff. Schwarzer, Alice (Hrsg.): Frauenarbeit - Frauenbefreiung. Praxis-Beispiele und Analysen. Frankfurt a. M. 1973
786
Literaturverzeichnis
Schwarzer, Alice; Vera Slupic: Wider die Spaltung der Frauen! Frauenrat und Feministinnen beim Bonner Hearing zum Antidiskriminierungsgesetz. In: Alice Schwarzer (Hrsg.): Das neue Emma-Buch. München 1986, S. 276-309 Soden, Kristine von (Hrsg.): Der große Unterschied. Die neue Frauenbewegung und die siebziger Jahre. Bilderlesebuch. Berlin 1988 Späth, Antje: Vielfaltige Forderungen nach Gleichberechtigung und „nur" ein Ergebnis: Artikel 3 Absatz 2 GG. In: Anna Elisabeth Freier; Annette Kuhn (Hrsg.): Frauen in der Geschichte V. „Das Schicksal liegt in der Hand der Frauen" — Frauen in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Düsseldorf 1984, S. 122-167 Strauß, Gerhard; Ulrike Haß; Gisela Harras: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin, New York 1989 Süssmuth, Rita: Neue Mütterlichkeit und Lebensentwürfe der Frau. 1984. In: Rita Süssmuth: Frauen - der Resignation keine Chance. Düsseldorf 1985, S. 92-104 Zur Sache: Themen parlamentarischer Beratung. Frau und Gesellschaft (II). Bericht 1980 der Enquete-Kommission und Aussprache 1981 im Plenum des Deutschen Bundestages. Deutscher Bundestag. Presse- und Informationszentrum (Hrsg.). Bayreuth 1/1981
Kapitel 13: Feministische Sprachkritik Arends, Gina; Josefin Heffels; Annette Kruthoff: Sexistische Widerborstigkeit des Deutschen? Probleme der Formulierung nicht-diskriminierender Stellenanzeigen. In: Wilfried Kürscher; Rüdiger Vogt (Hrsg.): Sprachtheorie, Pragmatik, Interdiszipinäres. Akten des 19. Linguistischen Kolloquiums Vechta 1984. Bd. 2. Tübingen 1985, S. 247-256 Ausschuß für Frauenpolitik des nordrhein-westfälischen Landtages: Werkstattgespräch: Sprache und Gleichstellung. (Ausschußprotokoll 10/1005). Düsseldorf 1988 Beck, Götz: Laßt doch die Kirche im Dorfe! oder: Wie einige denken, daß Frauen und Männer in der Sprache vorkommen (/sollten). Einige Bemerkungen zur sog. feministischen Linguistik. In: DISKUSSION DEUTSCH (1991), H. 117, S. 94-107 Bickes, Hans; Margot Brunner (Hrsg.): Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? Politikerinnen ratlos? Wiesbaden 1992 Brand, Julia: Neuer Mann gesucht. In: JOURNALIST (1986), H. 10, S. 30 Brinkmann to Broxten, Eva: Der allgemeine Mensch ist immer männlich. Frauen wehren sich gegen ihr Dasein als Außenseiterinnen in der Sprache. In: DER SPRACHDIENST (1990), H. 5, S . 141-148 Brünner, Gisela: Wie kommen Frauen und Männer in der Sprache vor? Eine Unterrichtseinheit in der Sekundarstufe II. In: DISKUSSION DEUTSCH (1990), H. 21, S . 46-71 Die Feindin steht im eigenen Lager. Eine Linguistin zur „Diskriminierung von Frauen in der Sprache". In: D E R TAGESSPIEGEL 5.11.1989 Dieckmann, Walther: Im Hochdeutschen ist das männliche Geschlecht das vorzüglichere. In: SPRACHREPORT (1988), H. 2, S . 1 Drosdowski, Günther: Neues Deutsch für Otto und Ottilie Normalverbraucher/in. In: RHEINISCHER MERKUR 25.10.1991
Kapitel 13: Feministische Sprachkritik
787
Dyck, Joachim: War Paul Celan eine männliche Ingeborg Bachmann? Aufgepuscht und abgetrömelt. Eine Kritik der feministischen Linguistik. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 2 9 . 8 . 1 9 8 9
Ebel, Martin: Mit dem Piloterich zur Gleichberechtigung? Was will die feministische Linguistik? Ein Gespräch mit der Konstanzer Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2 0 . 2 . 1 9 8 6 Frank, Karsta: Sprachgewalt: Die sprachliche Reproduktion der Geschlechterhierarchie. Elemente einer feministischen Linguistik im Kontext sozialwissenschaftlicher Frauenforschung. Tübingen 1992 ( - Reihe Germanistische Linguistik 130) Fromme, Friedrich Karl: Ministerinnen und Mitgliederinnen. Manchmal hinkt die Sprache der Emanzipation hinterher. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 5.3.1986 Ganseforth, Monika: Dynamischer Abteilungsleiter und freundliche Aushilfe gesucht. Frauen und Männer in Stellenanzeigen. Dokumentation. Unveröffentl. Manuskript. Bonn 1992 Glunk, Fritz R.: Männersprache, Frauensprache. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 7.5.1988 Gollnow, Daniela: Eigentlich wollte ich gar nicht Bundeskanzler werden... In der politischen Sprache gibt es die Frauen nicht. In: DIE TAGESZEITUNG 13.10.1983 Grabrucker, Marianne: Die Rechtssprache ist männlich! In: Informationen für die Frau (Informationsdienst des „Deutschen Frauenrates Bundesvereinigung Deutscher Frauenverbände und Frauengruppen gemischter Verbände e.V.") (1987), H. 10, S. 3 - 8 Grabrucker, Marianne: Die Ungleichbehandlung der Frau in der Rechtssprache Ein Beitrag zur Demokratisierung des Rechts. In: Ulrich Battis; Ulrike Schultz (Hrsg): Frauen im Recht. Heidelberg 1990, S. 281-317 Grabrucker, Marianne: Vater Staat hat keine Muttersprache. Frankfurt a. M. 1993 Guentherodt, Ingrid: Berufsbezeichnungen für Frauen: Problematik der deutschen Sprache im Vergleich mit Beispielen aus dem Englischen und Französischen. In: OSNABRÜCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHTHEORIE (OBST) (1979) Beiheft 3, S. 120-132 Guentherodt, Ingrid: Behördliche Sprachregelungen gegen und für eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1980), H. 69, S. 2 2 - 3 6 Guentherodt, Ingrid: Androzentrische Sprache in deutschen Gesetzestexten und der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. In: MUTTERSPRACHE (1983), H. 94, S. 271-289 Guentherodt, Ingrid; Marlis Hellinger; Luise F. Pusch; Senta Trömel-Plötz: Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1981), H. 71, S. 1 - 7 Gutte, Rolf: Mannomann - Ist das Deutsche eine Männersprache? In: DISKUSSION DEUTSCH (1985), H. 86, S. 671-681 Gutte, Rolf: Mannomann - Ist das Deutsche eine Männersprache? Entgegnung auf die kritischen Einwände von Romina Schmitter und Bernhard Rank in DD 88, 1986. In: DISKUSSION DEUTSCH (1986), H. 90, S. 448-451 Häberlin, Susanna; Rachel Schmid; Eva Lia Wyss: Übung macht die Meisterin. Ratschläge für einen nichtsexistischen Sprachgebrauch. München 1992
788
Literaturverzeichnis
Hartmann, Frauke: Maier-Schulze. In: DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 16.2.1990 Haß, Ulrike: Der Rede wert. Frauen und Sprache. In: SPUREN (Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft) (1979), H. 3, S. 2 7 - 3 1 Hausherr-Mälzer, Michael: Die Sprache des Patriarchats: Sprache als Abbild und Werkzeug der Männergesellschaft. Frankfurt a. M., Bern, New York, Paris 1990 Hellinger, Marlis: Zum Gebrauch weiblicher Berufsbezeichnungen im Deutschen. Variabilität als Ausdruck außersprachlicher Machtstrukturen. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1980), H. 69, S. 3 7 - 5 8 Hellinger, Marlis: Kontrastive Feministische Linguistik. Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im Englischen und Deutschen. Ismaning 1990 Hellinger, Marlis (Hrsg.): Sprachwandel und feministische Sprachpolitik: Internationale Perspektiven. Opladen 1985 Hellinger, Marlis; Marion Kremer; Beate Schräpel: Empfehlungen zur Vermeidung von sexistischem Sprachgebrauch in öffentlicher Sprache. Universität Hannover 1985 Hellinger, Marlis; Günther Pflug; Ursula Viet: Von „Entbindungshelfern" und „Amtmänninnen". Probleme der sprachlichen Gleichbehandlung. In: UNIVERSITAS (1991), H. 5, S. 413-421 Honig, Christoph: Genus ist nicht gleich Sexus. Bemerkungen zum bisexuellen Quotendeutsch. In: DER TAGESSPIEGEL 22.10.1989 Jack, Dörte: Empfehlungen für die (zumindest) sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Zur Verwendung von Personenbezeichnungen (Amts-, Berufs-, Funktionsbezeichnungen etc.) in universitären Texten. (Hrsg. von der Interdisziplinären Forschungsstelle Frauenforschung, Universität Bielefeld). Bielefeld 1987 Jäger, Magret; Jäger, Siegfried: Gewalt gegen Frauen - durch Sprache? „Als Gott den Mann schuf, übte sie noch." Duisburg 1988 (= DISS-Texte Nr. 4 Hrsg. vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) Käge, Otmar: Sprache und Geschlecht. Die sprachliche (Selbst)darstellung von Frau und Mann. In: WIRKENDES WORT (1983), H. 4, S. 258-269 Kalverkämper, Hartwig: Die Frauen und die Sprache. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1979a), H. 62, S. 5 5 - 7 1 Kalverkämper, Hartwig: „Quo vadis linguistica? - Oder: der feministische Mumpsismus in der Linguistik. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1979b), H. 63, S. 103-107 Karl, Fritz: Zur gesetzlichen Regelung der Berufsbezeichnungen. In: ZEITSCHRIFT FÜR VERWALTUNGSRECHT UND VERWALTUNGSPOLITIK (1977), H. 24, S. 880-888 Kempe, Anja: Entmannung der Sprache. In: PSYCHOLOGIE HEUTE (1990), H . 3 , S. 5 6 - 5 9 Kerner, Charlotte: Das Fräulein ging den Bach hinab. In: GEO (1989), H. 2, S. 172-175 Klamroth, Kerstin: Ehefrauen dürfen ihren Namen behalten. In: EMMA (1991), H. 5, S. 16-21 Klein, Josef: Benachteiligung der Frau im generischen Maskulinum - eine feministische Schimäre oder psycholinguistische Realität? In: Norbert Oellers (Hrsg.): Akten des Germanistentages 1 9 8 7 . Teil 1 . Tübingen 1 9 8 8 , S. 3 1 0 - 3 1 9 Klostermann, Gerhard: „Substantivklasse" zutreffender als „Geschlecht". In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 1 7 . 2 . 1 9 9 0
Kapitel 13: Feministische Sprachkritik
789
Koch, Manfred: Gardinenpredigt. Frauen in der Sprache. In: CAPITAL (1989), H. 4, S. 327-331 Koenen, Gerd: Geschlechterkampf um's große I. In: PFLASTERSTRAND ( 1 9 9 0 ) , H . 1 , S. 22 Körper, Elke: Sozialgeschichtliche Entwicklung des Begriffs „Fräulein". In: INFORMATIONEN FÜR DIE FRAU ( 1 9 8 8 ) , H . 5 , S . 8 - 1 0
Kotthoff, Helga: Frauensprache/Männersprache. Menschensprache. In:
DIE TAGES-
ZEITUNG 3 - 3 1 9 8 1
Lehmann, Christine: Frauenfeind und Frauenfreund. Moritat über einen Strauß für und wider die feministische Linguistik. In: EMMA (1992), H. 1, S. 2 8 - 3 0 Lieb, Hans-Heinrich; Richter, Helmut: Zum Gebrauch von Personenbezeichnungen in juristischen Texten. Stellungnahme anläßlich der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. In: DEUTSCHE SPRACHE (1990), H. 2, S . 148-157 Männliche Formulierungen historisch gewachsen. Ausschuß diskutierte über geschlechtsneutrale Bezeichnungen in Gesetzen - Alle Anträge abgelehnt. In: W O C H E IM BUNDESTAG 20.1.1988 Müller, Marlies: Feministische Linguistik am Ende? Zum sprachlichen Widerstandskampf der Frauen. In: EMANZIPATION (1988), H. 8, S. 18-23 Müller, Sigrid; Claudia Fuchs: Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten. Im Auftrag des Magistrats der Stadt Frankfurt/Main - Dezernat Frauen und Gesundheit/Frauenreferat. Frankfurt a. M. 1993 Müller, Ursula: Empfehlungen für Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Sprache einer Kommunalverwaltung. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (1988), H. 16, S. 323-329 Neander, Joachim: Frau Duden mischt mit. In: D I E W E L T 16.7.1988 Pauritsch, Gertrude: Frauschaft durch Sprache: Sprachwandel aus feministischer Sicht. In: Beate Frakele; Elisabeth List; Gertrude Pauritsch (Hrsg.): Über Frauenleben, Männerwelt und Wissenschaft. Österreichische Texte zur Frauenforschung. Wien 1987, S. 3 4 - 5 5 Pflug, Günther: Probleme der geschlechtsneutralen Rechts- und Verwaltungssprache. In: INFORMATIONEN FÜR DIE FRAU (1989), H. 11-12, S. 7 - 1 1 Posti, Gertrude: Weibliches Sprechen. Feministische Entwürfe zu Sprache & Geschlecht. Wien 1991 Pusch, Luise F.: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, doch weiter kommt man ohne ihr - Eine Antwort auf Kalverkämpers Kritik an Trömel-Plötz' Artikel über „Linguistik und Frauensprache". In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1979), H. 63, S. 84-102 Pusch, Luise F.: Das Deutsche als Männersprache. Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt a. M. 1984 Pusch, Luise F.: Frauen entpatrifizieren die Sprache: Feminisierungstendenzen im heutigen Deutsch. In: Marlis Hellinger (Hrsg.): Sprachwandel und feministische Sprachpolitik: Internationale Perspektiven. Opladen 1985a, S. 23-47 Pusch, Luise F.: Weibliche Personenbezeichnungen als Mittel weiblicher Realitätsdefinition. In: Wilfried Kürscher; Rüdiger Vogt (Hrsg.): Sprachtheorie, Pragmatik, Interdiszipinäres. Akten des 19- Linguistischen Kolloquiums Vechta 1984. Band 2. Tübingen 1985b, S. 257-273 Pusch, Luise F.: Radikalkur für die Männersprache. In: DIE TAGESZEITUNG 30.8.1986a
790
Literaturverzeichnis
Pusch, Luise F.: Hexenschüsse. Entlastet die Weiblinge. In: VORWÄRTS (15.11.1986b), H. 46 Pusch, Luise F.: Alle Menschen werden Schwestern. Feministische Sprachkritik. Frankfurt a. M. 1990 Pusch, Luise F. (Hrsg.): Feminismus. Inspektion der Herrenk'lltur. Ein Handbuch. Frankfurt a. M. 1983 Pusch, Luise F.; Gerhard Stickel: Feminisierung der Sprache. In: JOURNALIST (1989), H. 9, S. 82-83 Rank, Bernhard: Trotz und wegen „Mannomann": Es gibt die „Männersprache". Ein Diskussionsbeitrag zu der Kritik von Rolf Gutte: „Mannomann - Ist das Deutsche eine Männersprache?". In: DISKUSSION DEUTSCH (1986), H. 88, S. 210216 Rühmkorf, Eva: Frauen drängen rein - 10 Jahre Gleichstellungsstellen und der Ärger mit staatlichen Verwaltungen. In: Barbara Schaeffer-Hegel; Heidi KoppDegethoff (Hrsg.): Vater Staat und seine Frauen. Studien zur politischen Kultur. Pfaffenweiler 1990, S. 139-147 (= Feministische Theorie und Politik Bd.4) Schleich, Barbara: Journalistensprache — Sprache der HERRschenden. In: VORGÄNGE (Zeitschrift für Gesellschaftspolitik) (1978), H. 2, S. 108-110 Schmerl, Christiane (Hrsg.): In die Presse geraten: Darstellung von Frauen in der Presse und Frauenarbeit in den Medien. Köln, Wien 21989 Schmitter, Romina: Kommentar zu Rolf Gutte: „Mannomann - Ist das Deutsche eine Männersprache?" In: DISKUSSION DEUTSCH (1985), H. 88, S. 206-209 Schoenthal, Gisela: Sprache und Geschlecht. In: DEUTSCHE SPRACHE (1985), H. 2, S. 143-185 Schoenthal, Gisela: Personenbezeichnungen im Deutschen als Gegenstand feministischer Sprachkritik. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (1989), H. 17, S. 296-314 Schräpel, Beate: Nicht-sexistische Sprache und soziolinguistische Aspekte von Sprachwandel und Sprachplanung. In: Sprachwandel und feministische Sprachpolitik: Internationale Perspektiven. Hrsg. von Marlis Hellinger. Opladen 1985, S. 212-230 Spieß, Gesine: Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprachanwendung. Unveröffentl. Manuskript. Düsseldorf 1989 Spoo, Eckart: Minister will eher auf die weibliche Form verzichten. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 10.5.1988 Spoo, Eckart: Und beziehungsweise oder. Im Blickpunkt: Frauen in der Amtssprache. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 11.7.1991 Stickel, Gerhard: „Frau Müller ist Diplom-Bibliothekar" - Zur sprachlichen Form von Diplomgraden. In: MITTEILUNGEN (Institut für deutsche Sprache) (1983), H. 9, S. 31-41 Stickel, Gerhard: Was halten Sie vom heutigen Deutsch? - Ergebnisse einer Zeitungsumfrage. In: Rainer Wimmer (Hrsg.): Sprachtheorie. Jahrbuch 1986 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf 1987, S. 280-317 Stickel, Gerhard: Beantragte staatliche Regelungen zur .sprachlichen Gleichbehandlung'. Darstellung und Kritik. In: ZEITSCHRIFT FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK (1988), H. 16, S. 330-355 Thim-Mabrey, Christiane: Ist das Deutsche eine Männersprache? Sprachwissenschaft und feministische Sprachkritik. In: INFO D A F (Informationen Deutsch als Fremdsprache) (1991), H. 2, S. 148-158
Kapitel 13: Feministische Sprachkritik
791
Trömel-Plötz, Senta: Linguistik und Frauensprache. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1978), H. 57, S. 4 9 - 6 8 Trömel-Plötz, Senta: Sprache, Geschlecht und Macht. In: LINGUISTISCHE BERICHTE (1980), H. 69 S. 1 - 1 4 Trömel-Plötz, Senta: Frauensprache - Sprache der Veränderung. Frankfurt a. M. 1982 Trömel-Plötz, Senta: Gewalt durch Sprache: Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen. Frankfurt a. M. 1984 Trömel-Plötz, Senta: Männerbonus ist durch Kompetenz und Leistung nicht wettzumachen. Über die sprachliche Diskriminierung von Frauen und die daraus resultierenden politischen Benachteiligungen. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 13.07.1985a Trömel-Plötz, Senta: Sie reden, wie sie aussehen. In: EMMA (1985b), H. 8, S. 1 8 21 Trömel-Plötz, Senta: Vatersprache - Mutterland. Beobachtungen zu Sprache und Politik. München 1992 Vieth, Ursula: Professor/in/en/innen? Gegen die Verwendung von weiblichen Endungen. In: UNIVERSITÄT OSNABRÜCK ( 1 9 8 7 ) , H . 2 , S. 2 1 Voss, Reinhard: In der Steuererklärung soll der Ehemann abdanken. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 2 7 . 0 8 . 1 9 9 1
Voss, Reinhard: „Geschlechtsneutrale Sprache" in männlicher Form. In:
FRANK-
FURTER RUNDSCHAU 6 . 8 . 1 9 9 2
Wegener, Hildburg; Köhler, Hanne; Kopsch, Cordelia: Frauen fordern eine gerechte Sprache. Gütersloh 1990 Werner, Gesine: Die stumme Sprache der Herrschenden. Zu Spiegelungen weiblich-männlicher Äußerungsformen. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 1 2 . 1 2 . 1 9 8 7 Werner, Gesine: Frauen bitten ums Wort... Beobachtungen zu männlichem und weiblichem Sprachverhalten im Alltag. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 2.7.1988 Wittemöller, Regina: Weibliche Berufsbezeichnungen im gegenwärtigen Deutsch. Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Schweiz im Vergleich. Frankfurt a. M., Bern, New York 1988 Wodak, Ruth u.a.: Sprache und Macht - Sprache und Politik. Der Beitrag der Sprachwissenschaften zur Politischen Bildung. Wien 1986 Wodak, Ruth u.a.: Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann. Linguistische Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann im öffentlichen Bereich (Berufsbezeichnungen, Titel, Anredeformen, Funktionsbezeichnungen, Stellenausschreibungen). Schriftenreihe zur sozialen und beruflichen Stellung der Frau 16/1987. Hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Wien 1987 Zeile, Christine: Gibt es eine Frauensprache? Wie wir uns durch die Sprache bestimmen. In: STUTTGARTER ZEITUNG 11.9.1982 Zielke, Ulrike: Der Kampf der Titaninnen. In: DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT 14.07.1989 Zimmer, Dieter E.: Die Der Das. In: DIE ZEIT (1984), Nr. 17 Zippel-Uhle, Barbara: Bezeichnungen für „Frau" im historischen Wandel. In: Reflexion über Sprache. Zusammengestellt von der Expertengruppe Deutsch. Frankfurt a. M. 1977, S. 3 6 - 5 4 (= Materialien für die Gesamtschule, Deutsch 6)
792
Literaturverzeichnis
Kapitel 14: Paragraph 218 Alt, Fran2: Liebe ist möglich. Die Bergpredigt im Atomzeitalter. München 1985 Amendt, Gerhard: Der neue Klapperstorch. Über künstliche Befruchtung. Samenspender. Leihmütter. Retortenerzeugung. Die psychischen und sozialen Folgen der Reproduktionstechnik. Herbstein 1986 Amendt, Gerhard: Mit dem Kopf dafür, mit dem Herzen dagegen! Die Erstarrung der Bewegung gegen den § 218. In: DR. MED. MABUSE (1985), H. 35, S. 20ff. Amendt, Gerhard: Die bestrafte Abtreibung. Argumente zum Tötungsvorwurf. Fulda 1988 Arndt, Claus; Benno Erhard; Liselotte Funcke (Hrsg.): Der Paragraph 218 StGB vor dem Bundesverfassungsgericht. Dokumentation zum Normenkontrollverfahren wegen verfassungsrechdicher Prüfung des 5. StrRG (Fristenregelung). Karlsruhe 1979 Augstein, Renate; Hans-Georg Koch: Was man über den Schwangerschaftsabbruch wissen sollte. Information und Rat (nicht nur) für Schwangere, Ärzte und Ratgeber. München 1984 Böller, Eva: Anti Familia. Das Beratungsgesetz zum § 218 und der CDU-Leitantrag „Das Christliche Menschenbild". In: BLÄTTER FÜR DEUTSCHE UND INTERNATIONALE POLITIK 33,1 (1988), H. 4, S. 395-398 Brück, Dorothea: Dokumentarischer Anhang. Angriffe auf die Reform des § 218 StGB seit der Wende. In: Herta Däubler-Gmelin; Renate Faerber-Husemann. § 218: Der tägliche Kampf um die Reform. Bonn 1987, S. 161-191 Deutscher Bundestag, Presse- und Informationszentrum (Hrsg.): Reform des § 218. Aus der öffentlichen Anhörung des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform. Reihe Zur Sache. Themen parlamentarischer Beratung. Bonn 1972 DIE GRÜNEN im Bundestag, AK Frauenpolitik & Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V. (Hrsg.): Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik. Dokumentation zum Kongreß vom 19-21.4.1985 in Bonn. Köln 1986 Feuersenger, Marianne: Die garantierte Gleichberechtigung. Ein umstrittener Sieg der Frauen. Freiburg i. B. 1980 Gründel, Johannes (Hrsg.): Abtreibung - pro und contra. München 1971 Janssen-Jurreit, Marielouise (Hrsg.): Frauen und Sexualmoral. Frankfurt a. Μ., München 1986 Jerouschek, Günter: Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots. Stuttgart 1988 Jochimsen, Luc (Hrsg.): § 218. Dokumentation eines 100jährigen Elends. Hamburg 1971 Karpf, Hans J.: Ethische Indikation. Die rechdiche Problematik. München 1966 Ketting, Evert; Philipp von Praag: Schwangerschaftsabbruch. Gesetz und Praxis im internationalen Vergleich. Tübingen 1985 Kontos, Silvia: Wider die Dämonisierung medizinischer Technik. In: DIE GRÜNEN im Bundestag, AK Frauenpolitik & Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V. (Hrsg.): Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik. Dokumentation zum Kongreß vom 19-21.4.1985 in Bonn. Köln 1986, S. 137-148
Kapitel 14: Paragraph 218
793
Kraiker, Gerhard: § 218. Zwei Schritte vor, einen Schritt zurück. Eine Analyse der Reform des § 218 in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. 1983 Krieger, Verena: Entscheiden. Was Frauen (und Männer) über den § 218 wissen sollten. Hamburg 1987 Krieger, Verena: Die neue Abtreibungsdiskussion. In: BLÄTTER FÜR DEUTSCHE UND INTERNATIONALE POLITIK 3 4 ( 1 9 8 9 ) , H . 3 , S . 3 6 1 - 3 6 9
Mies, Maria: Argumente wider den Bio-Krieg. In: DIE GRÜNEN im Bundestag, AK Frauenpolitik & Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V. (Hrsg.): Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik. Dokumentation zum Kongreß vom 19 -21.4.1985 in Bonn. Köln 1986, S. 114-118 Münch, Ingo von (Hrsg.): Abtreibung. Reform des § 218. Zusammengestellt von Friedrich-Christian Schroeder. Berlin 1972 Naumann, Britta: Zur Sozialgeschichte des § 218 StGB. In: FRAUEN UND ARBEIT (1987), H. 8, S. 2 - 6 Paczensky, Susanne von: Von den Gegnern lernen. In: Paczensky, Susanne von; Renate Sadrozinski (Hrsg.): Die Neuen Moralisten. § 218 - Vom leichfertigen Umgang mit einem Jahrhundertthema. Reinbek bei Hamburg 1984, S. 8 - 1 5 Paczensky, Susanne von: Im Nebel der Begriffe. Ein Versuch, Klarheit über den Tötungsvorwurf zu gewinnen. In: Paczensky, Susanne von; Renate Sadrozinski (Hrsg.): § 218 - Zu Lasten der Frauen. Neue Auskünfte zu einem alten Kampf. Reinbek bei Hamburg 1988, S. 9 - 1 9 Paczensky, Susanne von (Hrsg.): Wir sind keine Mörderinnen! Streitschrift gegen eine Einschüchterungskampagne. Reinbek bei Hamburg. 1980 Paczensky, Susanne von; Renate Sadrozinski (Hrsg.): Die Neuen Moralisten. § 218 - Vom leichfertigen Umgang mit einem Jahrhundertthema. Reinbek bei Hamburg 1984 Paczensky, Susanne von; Renate Sadrozinski (Hrsg.): § 218 - Zu Lasten der Frauen. Neue Auskünfte zu einem alten Kampf. Reinbek bei Hamburg 1988 Panzer, Karl (Hrsg.): Schwangerschaftsabbruch. § 218 StGB. Katholischer Arbeitskreis für Strafrecht beim Kommissariat der Deutschen Bischöfe in Bonn (Hrsg.). Köln 1972 Rühmkorf, Eva: Wie sich die Bilder gleichen ... Der Feldzug der Lebensretter in den USA und bei uns. In: Paczensky; Sadrozinski (Hrsg.) 1984, S. 6 6 - 7 8 Schultz, Irmgard: „Im Namen des Lebens". Zur aktuellen Auseinandersetzung um den
§ 218.
I n : BEITRÄGE ZUR FEMINISTISCHEN THEORIE UND PRAXIS ( 1 9 8 7 ) ,
H. 20,
S. 5 1 - 6 4 Schwarzer, Alice (Hrsg.): Weg mit dem § 218. Wir fordern Verfassungsklage! Gehen SPD/FDP/Grüne nach Karlsruhe? Köln 1986 Wagner, Hans: Medien-Tabus und Kommunikationsverbote. Die manipulierbare Wirklichkeit. München 1991 Zimmer, Katharina: Das Leben vor der Geburt. Die seelische und körperliche Entwicklung im Mutterleib. Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.). Kempten 1987 Zwerenz, Ingrid: Frauen. Die Geschichte des § 218. Frankfurt a. M. 1980
794
Literaturverzeichnis
Kapitel 15: Sexual- und Partnerschaftsethik Borneitiann, Ernest: Sexuelle Marktwirtschaft. Vom Waren- und Geschlechtsverkehr in der bürgerlichen Gesellschaft. Wien 1992 Giese, Hans; Gunther Schmidt: Studentensexualität. Reinbek bei Hamburg 1968 Lautmann, Rüdiger: Die gesellschaftliche Thematisierung der Sexualität. In: F. Pfäfflin; E. Schorsch (Hrsg.): Sexualpolitische Kontroversen. Stuttgart 1987, S. 16-27 Niemann, Raul: Desperado-Semantik oder Die Metaphorik einer neuen Anständigkeit. In: Jürgen Micksch; Raul Niemann (Hrsg.): Positiv oder negativ? Aids als Schicksal und Chance. Gütersloh 1988 O'Neill, Nena und George: Die offene Ehe. Konzept für einen neuen Typus der Monogamie. Reinbek bei Hamburg 1975 Rühmann, Frank: Aids. Eine Krankheit und ihre Folgen. Frankfurt a. M., New York 1985 Schäfer, Sigrid: Sappho 70. Zur Situation der lesbischen Frau heute. HenstedtUlzburg 1972 Schenk, Herrad: Freie Liebe, wilde Ehe. Über die allmähliche Auflösung der Ehe durch die Liebe. München 1987 Schwarzer, Alice: Sexualität und Frauenkampf oder Ganz linker Sex. In: F. Pfäfflin; E. Schorsch (Hrsg.): Sexualpolitische Kontroversen. Stuttgart 1987, S. 48-57 Zentner, Kurt (Hrsg.): Aufstieg aus dem Nichts. Deutschland von 1945 bis 1953. Eine Soziographie in zwei Bänden. Köln, Berlin 1954
Kapitel 16: Umweltdebatten Adler, Adam; Hans-Werner Mackwitz: Ökotricks und Bioschwindel. Wien u.a. 3 1990 Altner, Günter u.a. (Hrsg.): Jahrbuch Ökologie 1993- München 1993 Amery, Carl: Lebensqualität - Leerformel oder konkrete Utopie? In: Uwe Schultz (Hrsg.): Lebensqualität. Konkrete Vorschläge zu einem abstrakten Begriff. Frankfurt a. M. 1975, S. 8 - 2 0 Bach, Wilfried: Gefahr für unser Klima. Karlsruhe 1982 Battelle-Institut: Bürgerinitiativen im Bereich von Kernkraftwerken. Hrsg. vom Bundesministerium für Forschung und Technologie, Bonn 1975 Berschin, Helmut: Liebe Freundinnen und Freunde. Über die Sprache der GRÜNEN im Bundestag. In: Klaus Gotto; Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Die Grünen - Partei wider Willen. Mainz 1984, S. 73-84 Bieber, Hans Joachim: Zur politischen Geschichte der friedlichen Kernenergienutzung in der BRD. Heidelberg 1977 Blühdorn, Hardarik: Entsorgungspark Sprache. Von der linguistischen Beseitigung des Mülls. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 338-354.
Kapitel 16: Umweltdebatten
795
Bolten, Jürgen: Heimat im Aufwind. Anmerkungen zur Sozialgeschichte eines Bedeutungswandels. In: Hans-Georg Pott (Hrsg.): Literatur und Provinz. Paderborn u.a. 1 9 8 7 , S. 2 3 - 3 8 Brauns, Patrick: Harte Energie und sanfte Sprache. Zum Sprachgebrauch der Energiepolitik und der Ökologiebewegung in der BRD und in Frankreich. In: OSNABRÜCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHTHEORIE (OBST) 3 3 ( 1 9 8 6 ) , H. 1 , S . 8 0 - 9 9 Bülow, Edeltraud: Der Wortschatz des Ethischen und die GrundwerteDiskussion. Tübingen 1984 Carson, Rachel: Der stumme Frühling. München 1963 (Originaleitel: The Silent Spring 1962) Carstensen, Broder: Die Wörter des Jahres 1 9 7 2 . In: D E R SPRACHDIENST 1 6 ( 1 9 7 2 ) , H . 2, S. 4 9 - 5 0
Carstensen, Broder: Wörter des Jahres
1983-
In:
DEUTSCHE SPRACHE ( 1 9 8 4 ) , S . 8 5 -
92
Carstensen, Broder: Wörter des Jahres
1986.
In:
SPRACHE
UND
LITERATUR
IN
WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 1 7 ( 1 9 8 6 ) , S . 1 0 4 - 1 1 1
Cube, Alexander von: Die Entsorgung in der öffentlichen Diskussion. In: Deutsches Atomforum (Hrsg.): Entsorgung in der Kerntechnik. Berichte des Symposiums am 1 9 . und 2 0 . Januar 1 9 7 6 in Mainz. Bonn 1 9 7 6 , S. 5 9 - 7 0 Cube, Alexander von; Günter Neuberger; Ekkehard Sieker: Das Ende des Nuklearzeitalters. Berlin 1987 Dahl, Jürgen: Auf Gedeih und Verderb. Kommt Zeit, kommt Unrat. Zur Metaphysik der Atomerzeugung. Ebenhausen 1977 Demolì, Reinhard: Bändigt den Menschen. Gegen die Natur oder mit ihr? München 2 1 9 5 7 , 3 1 9 6 0 ( 1 . Auflage 1 9 5 4 unter dem Titel: „Ketten für Prometheus") Dieterich, Johannes: Die Stunde der Experten. Tschernobyl im deutschen Fernsehen. In: MEDIUM ( 1 9 8 6 ) , H. 3 , S. 2 3 - 2 5 Eggers, Hans: Deutsche Sprache im 20. Jahrhundert. München 1973 Fill, Alwin: Wörter zu Pflugscharen. Versuch einer Ökologie der Sprache. Wien u.a. 1 9 8 7 Fill, Alwin: Ökolinguistik. Eine Einführung. Tübingen 1993 Förster, Uwe: Was ist Recycling? In: D E R SPRACHDIENST 1 8
( 1 9 7 4 ) , H. 10, S.
161-
162
Gigon, Andreas: Ausgestorben oder ausgerottet' (Euphemismen) in Natur- und Umweltschutz. In:
Beschönigende
Begriffe
NATUR UND LANDSCHAFT
11
( 1 9 8 3 ) , S. 4 1 8 - 4 2 1
Glaser, Hermann: Das öffentliche Deutsch. Frankfurt a. M. 1972 Gleitsmann, Rolf-Jürgen: Die Anfänge der Atomenergienutzung in der Bundesrepublik Deutschland. In: Armin Hermann; Rolf Schumacher (Hrsg.): Das Ende des Atomzeitalters? Eine sachlich-kritische Dokumentation. München 1987, S. 2 3 - 4 1 Graeub, Ralph: Die sanften Mörder. Atomkraftwerke demaskiert. Zürich 1972 Gruhl, Herbert: Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik. Frankfurt a. M. 1975 (zit. wurde nach der Fischer Taschenbuch-Ausgabe 11. Auflage 1982) Gründler, Hartmut: Kernenergiewerbung. Die sprachliche Verpackung der Atomenergie. Aus dem Wörterbuch des Zwiedenkens. In: Nicolas Born; Jürgen Manthey (Hrsg.): Die Sprache des Großen Bruders. Gibt es ein ost-westliches Kartell der Unterdrückung? Reinbek bei Hamburg 1977, S. 6 9 - 8 9
796
Literaturverzeichnis
Guggenberger, Elisabeth; Helmut Voitl: Waldsterben - Made in Austria. Wien 1986 Hannappel, Hans; Hartmut Melenk: Alltagssprache. Semantische Grundbegriffe und Analysebeispiele. München 2., Überarb. Aufl. 1984 Haß, Ulrike: Lexikonausschnitt Umwelt. In: Gerhard Strauß; Ulrike Haß; Gisela Harras: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin 1989a, S. 397-556 Haß, Ulrike: Interessenabhängiger Umgang mit Wörtern in der Umweltdiskussion. In: Josef Klein (Hrsg.): Politische Semantik. Bedeutungsanalytische und sprachkritische Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen 1989b, S. 153-186 Haß, Ulrike: Das Besetzen von Begriffen. Kommunikative Strategien und Gegenstrategien in der Umweltdiskussion. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 330-339 Heringer, Hans Jürgen: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort". Politik, Sprache, Moral. München 1990 Hermand, Jost: Grüne Utopien, ökologisches Bewußtsein in Deutschland. Frankfurt a. M. 1991 Hermand, Jost; Hubert Müller (Hrsg.): Öko-Kunst? Zur Ästhetik der Grünen. Hamburg 1989 Hermann, Armin; Rolf Schumacher (Hrsg.): Das Ende des Atomzeitalters? Eine sachlich kritische Dokumentation. München 1987 Hermanns, Fritz: „Umwelt". Zur historischen Semantik eines deontischen Wortes. In: Dietrich Busse (Hrsg.): Diachrone Semantik und Pragmatik. Tübingen 1991, S. 235-257 INFAS: Umweltpolitisches Bewußtsein 1972. Eine Untersuchung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft. Bearbeitet von Axel R. Bunz. Berlin 1973 (Beiträge zur Umweltgestaltung 5) Jäckel, Ernst: Tödlicher als die Bombe. Atomkraft kostet Leben. München 1968 Jahn, Thomas; Peter Wehling: Ökologie von rechts. Nationalismus und Umweltschutz bei den neuen Rechten und den „Republikanern". Frankfurt a. M., New York 1991 Jaspers, Karl: Die Atombombe und die Zukunft des Menschen. Politisches Bewußtsein in unserer Zeit. München 7 1983 (ursprünglich 1958) Jogschies, Rainer (Hrsg.): Aus dem neuen Wörterbuch des Unmenschen. Frankfurt a. M. 1987 Jordan, Pascual: Atomkraft - Drohung und Versprechen. München 1954 Jung, Matthias: Der öffentliche Sprachgebrauch und die Umweltdebatte in der BRD. Versuch der Kommunikationsgeschichte eines Themas. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 20 (1989), H . 63, S. 7 6 - 9 8 Jung, Matthias: Die Sprachmacht der Experten wankt. Öffentlicher Sprachgebrauch in den 60er und 80er Jahren. In: FORSCHUNGSJOURNAL NEUE SOZIALE BEWEGUNGEN (1990), H. 1, S. 7 7 - 8 0 Jung, Matthias: Sprache, Identität, Postmoderne. Das neue Sprachbewußtsein der 80er Jahre. In: REVUE D'ALLEMAGNE ( 1 9 9 2 ) , H . 2 , S. 1 3 3 - 1 4 2 Jung, Matthias: Öffentlichkeit und Sprachwandel. Zur Geschichte des Diskurses über die Atomenergie. Opladen 1994 (in Druck)
Kapitel 16: Umweltdebatten
797
Jungk, Robert: Der Jahrtausend-Mensch. Bericht aus den Werkstätten der neuen Gesellschaft. München u.a. 1973 Jungk, Robert: Der Atom-Staat. Vom Fortschritt in die Unmenschlichkeit. München 1977 Kafka, Peter; Jürgen König; Wolfgang Limmer: Tschernobyl - die Informationslüge. Anleitung zum Volkszorn. München 1986 Kann, Hans-Joachim: „Qualität des Lebens"/„Lebensqualität". Anmerkungen zur Wortgeschichte. In: MUTTERSPRACHE 85 (1975), S. 50-53 Kann, Hans-Joachim: „Bürgerinitiative" - Geschichte und Wortfeld. In: MUTTERSPRACHE 86 (1976), S. 441-444 KKW-Fibel: KKW-Fibel für Bürgerinitiativen. Mit neuen Anti-KKW-Karikaturen. Hrsg. v. der Aktionsgemeinschaft für Umweltschutz Darmstadt e.V. Hamburg 1977 Koch, Egmont; Fritz Vahrenholt: Seveso ist überall. Die tödlichen Risiken der Chemie. Köln 1978 Kuhn, Fritz: Überlegungen zur politischen Sprache der Alternativbewegung. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 1 4 ( 1 9 8 3 ) , S. 6 1 79
Kuhn, Fritz: Begriffe besetzen. Anmerkungen zu einer Metapher aus der Welt der Machbarkeit. In: Frank Liedtke; Martin Wengeler; Karin Boke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Opladen 1991, S. 90-110 Kunz, Günter (Hrsg.): Die ökologische Wende. Industrie und Ökologie - Feinde für immer? München 1983 Küpper, Heinz: Illustriertes Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. 6 Bände. Stuttgart 1982 Küpper, Heinz: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Band 1. Stuttgart 1987 Küppers, Günter; Peter Lundgren; Peter Weingart: Umweltforschung, die gesteuerte Wissenschaft? Eine empirirische Studie zum Verhältnis von Wissenschaftsentwicklung und Wissenschaftspolitik. Frankfurt a. M. 1978 Lang-Pfaff, Christa: „Dem Gen auf der Spur": Biotechnologie und Sprache in der Bundesrepublik Deutschland. Eine politikwissenschaftliche Analyse der Biotechnologiedebatte 1984-88. In: Manfred Opp de Hipt, Erich Latniak (Hrsg.): Sprache statt Politik? Politikwissenschaftliche Semantik- und Rhetorikforschung. Opladen 1991, S. 91-123 Lierow, Carl; Elsemarie Maletzke: Dummdeutsch Zwo. Ein satirisch-polemisches Wörterbuch. Frankfurt a. M. 1986 Linse, Ulrich: Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland. München 1986 Luhmann, Niklas: ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? Opladen 1986 Mackwitz, Hans-Werner; Susanne Terschak: Der Bio-Bluff. In: NATUR ( 1 9 8 8 ) , H. 10, S. 9 0 - 9 3 Maier-Leibnitz, Heinz: Lernschock Tschernobyl. Zürich 1986 Manstein, Bodo: Im Würgegriff des Fortschritts. Frankfurt a. M. 1961 Marcuse, Herbert: Versuch über die Befreiung. Frankfurt a. M. 1969 Maren-Grisebach, Manon: Philosophie der Grünen. München 1982
798
Literaturverzeichnis
Margedant, Udo: Entwicklung des Umweltbewußtseins in der Bundesrepublik Deutschland. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE (1987), H. 29, S . 1 5 - 2 8 Mayer, Reinhard: „Endlich Beton". In: DER SPRACHDIENST 30 (1986), H. 6, S . 1 6 5 167 Meadows, Denis u.a.: Die Grenzen des Wachstums. Stuttgart 1972 Mesch, Harald (Hrsg.): Eco resistance/Ökowiderstand. Berlin, Hamburg 1990 Meyer-Abich, Klaus Michael; Reinhard Ueberhorst (Hrsg.): AUSgebrütet. Argumente zur Brutreaktorpolitik. Basel u. a. 1985 Meyer-Abich, Klaus Michael; Bertram Schefold: Die Grenzen der Atomwirtschaft. Die Zukunft von Energie, Wirtschaft und Gesellschaft. München 4 1986 Meyer-Abich, Klaus Michael: Aufstand für die Natur. Von der Umwelt zur Mitwelt. München 1990 Mez, Lutz; Manfred Wilke (Hrsg.): Der Atomfilz. Gewerkschaften und Atomkraft. Berlin 1977 Müller, Wolfgang D.: Kernenergie und Öffentlichkeit. Gedanken zu einem aktuellen Thema anläßlich der Verleihung des Karl-Winnacker-Preises 1976. In: D I E ATOMWIRTSCHAFT ( 1 9 7 7 ) , H . 1 , S . 1 8 - 2 0
Müller-Thurau, Claus-Peter: Über die Köpfe hinweg. Sprache und Sprüche der Etablierten. Düsseldorf 1984 Niehr, Thomas: Schlagwörter in der Bundesrepublik zur Zeit der Großen Koalition und der Ära Brandt. Ein Wörterbuch zum öffendichen Diskurs der Jahre 1966 bis 1974. Wiesbaden 1993 Nunn, David Α.: Politische Schlagwörter in Deutschland seit 1945. Ein lexikographischer und kritischer Beitrag zur Politik. Gießen 1974 Nuys-Henkelmann, Christian de: Im Sternzeichen des Minirocks. Reminiszensen an die Kultur der 60er Jahre. In: Aus POLITIK UND ZEITGESCHICHTE (1986), H. 4 0 41, S. 21-39 Ökologiegruppe (Hrsg.): Kleines Handbuch für Atomkraftwerksgegner. Ein Leitfaden für den Widerstand. Ökologiegruppe Frankfurt. München 1977 Olt, Reinhard: Bio - ein lebhaftes Wortbildungselement. In: DER SPRACHDIENST 2 7 (1983), H. 11/12, S. 163-165. Pöttker, Horst: „... normale Lebensweise und gesunde Ernährung". Tschernobyl in den Schlagzeilen der deutschsprachigen Tagespresse. In: MEDIUM (1986), H. 3, 2 6 - 3 2 Radkau, Joachim: Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945—1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse. Reinbek bei Hamburg 1983 Radkau, Joachim: Die Kernkraft-Kontroverse im Spiegel der Literatur. In: Armin Hermann; Rolf Schumacher (Hrsg.): Das Ende des Atomzeitalters? Eine sachlich kritische Dokumentation. München 1987, S. 307-336 Reimer, Hans: Müllplanet Erde. Hamburg 1971 Renn, Ortwin: Risikowahrnehmung der Kernenergie. Frankfurt a. M. 1984 Römer, Ruth: Die Sprache der Anzeigenwerbung. Düsseldorf 1976 Röthlein, Brigitte: Kernenergie, ein Thema der öffentlichen Meinung. Beschreibung und Analyse eines Kommunikationsprozesses. Dissertation München 1979
Kapitel 16: Umweltdebatten
799
Rucht, Dieter: Gegenöffentlichkeit und Gegenexperten. Zur Institutionalisierung des Widerspruchs in Politik und Recht. In: ZEITSCHRIFT FÜR RECHTSSOZIOLOGIE 9 ( 1 9 8 8 ) , H . 2 , S. 2 9 0 - 3 0 5
Schleunig, Peter: Scene-Sprache. In: OSNABRÜCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHFORSCHUNG (OBST) 16 (1980), S. 9 - 4 4 Schlosser, Horst Dieter: Sprechen die Grünen eine andere Sprache? In: DER SPRACHDIENST 3 0 ( 1 9 8 6 ) , H . 4 , S. 1 0 1 - 1 0 7
Schmidt, Günter D.: Die anderen Bio-Wörter. Zur Bedeutung eines produktiven Wortbildungselements. In: DER SPRACHDIENST 28 (1984), H. 3 / 4 , S. 3 7 - 3 9 Schmidt, Peter M.: Umweltthemen in der öffentlichen Diskussion. Konstanz 1985 Schoenichen, Walther: Naturschutz, Heimatschutz. Ihre Begründung durch Ernst Rudorff, Hugo Conwentz und ihre Vorläufer. Stuttgart 1954 Schönbach, Klaus: „The Issues of the Seventies". Elektronische Inhaltsanalyse und die langfristige Beobachtung von Agenda-Setting-Wirkungen der Massenmedien. In: PUBLIZISTIK ( 1 9 8 2 ) , S. 1 2 9 - 1 4 0 Schönwiese, Christian-Dietrich; Bernd Diekmann: Der Treibhauseffekt. Der Mensch ändert das Klima. Stuttgart 1988 Schramm, Engelbert (Hrsg.): Ökologie-Lesebuch. Ausgewählte Texte zur Entwicklung ökologischen Denkens vom Beginn der Neuzeit bis zum Club of Rome 1971. Frankfurt a. M. 1984 Schultz, Joachim: „Wir fordern" - Politische Sprache der Gegenwart. Manifeste, Programme und Flugblätter der „Grünen" im Deutschunterricht. In: DEUTSCHUNTERRICHT 35 (1983), H. 6, S. 4 8 - 5 9 Schütze, Christian: Schon möglich, daß die Erde sterben wird. Anfänge öffentlicher Meinung zum Thema Umweltschutz. In: MERKUR (1971), H. 5, S. 470-485 Schwab, Günther: Der Tanz mit dem Teufel. Hannover 1958 Schwab, Günther: Morgen holt dich der Teufel. Neues Verschwiegenes und Verbotenes von der .friedlichen' Atomkernspaltung. Salzburg, Stuttgart 1968 Schwenger, Hannes: Im Jahr des Großen Bruders. Orwells deutsche Wirklichkeit. München 3 1984 Stamm, Karl-Heinz: Alternative Öffentlichkeit. Die Erfahrungsproduktion neuer sozialer Bewegungen. Frankfurt, New York 1988 Stave, Joachim: Der Natur auf die Schulter geklopft. Wiederabdruck in: ders.: Wörter und Leute. Mannheim 1968, S. 108-110 Steger, Hugo: Sprache im Wandel. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Bundesrepublik Deutschland. Geschichte in drei Bänden. Band 3- Frankfurt a. M. 1983, S. 1 5 - 4 6 Strohm, Holger: Friedlich in die Katastrophe. Eine Dokumentation über Kernkraftwerke. Hamburg 3-, eiw. Aufl. 1975 (1. Auflage 1973) Sturm, Vilma: Umwelt ist Mitwelt, Wohlstand, Übelstand. In: FRANKFURTER HEFTE (1978), H. 4, S. 4 8 - 5 0 Thorbrietz, Petra: Vernetztes Denken im Journalismus. Journalistische Vermittlungsdefizite am Beispiel Ökologie und Umweltschutz. Tübingen 1986 Trampe, Wilhelm: Ökologische Linguistik. Wiesbaden 1989 Trampe, Wilhelm: Sprache und ökologische Krise. Aus dem Wörterbuch der Landwirtschaft. In: Elisabeth Feldbusch; Rainer Pogarell; Cornelia Weiß (Hrsg.): NEUE FRAGEN DER LINGUISTIK 2, Tübingen 1991, S. 143-50
800
Literaturverzeichnis
Traube, Klaus (Hrsg.): Der Atom-Skandal. Alkem, Nukem und die Konsequenzen. Reinbek bei Hamburg 1988 Umweltbundesamt (Hrsg.): 20 Argumente gegen das Umweltzeichen. Berlin 1990 Vester, Frederic: Neuland des Denkens. Vom technokratischen zum kybernetischen Zeitalter. Stuttgart 1980 Weinzierl, Hubert: Verteidigung der Heimat. In: Harald Mesch (Hrsg.): ökowiderstand. Berlin, Hamburg 1990, S. 206-209 Wey, Klaus-Georg: Umweltpolitik in Deutschland seit 1900. Opladen 1982 Wiegmann, Reinhilde: Graue Gegenwart - Aufgehellte Zukunft. Literarische Texte im Umfeld der Grünen. In: Jost Hermand; Hubert Müller (Hrsg.): ÖkoKunst' Zur Ästhetik der Grünen. Hamburg 1989, S. 125-148 Wilke, Manfred: Der Atomfilz - ein soziologischer Begriff. In: Lutz Mez; Manfred Wilke (Hrsg.): Der Atomfilz. Berlin 1977, S. 187-190 Wilss, Wolfram: Anspielungen. Zur Manifestation von Kreativität und Routine in der Sprachverwendung. Tübingen 1989 Wölk, Volkmar: Natur und Mythos. Ökologiekonzeptionen der „Neuen Rechten" im Spannungsfeld zwischen Blut und Boden und New Age. Duisburg 1993 Wolf, Christa: Störfall. Nachrichten eines Tages. Darmstadt 1987 Zimmer, Dieter E.: Redens-Arten. Über Trends und Tollheiten im neudeutschen Sprachgebrauch. Zürich 1986 (zit. nach der Taschenbuchausgabe Zürich 1988)
Kapitel 17: Entwicklungspolitik Danckwortt, Dieter: Zur Psychologie der deutschen Entwicklungshilfe. Eine Analyse von Meinungen, Motiven und Gefühlen um die deutsche Entwicklungshilfe. Baden-Baden, Bonn 1962 Dennert, Jürgen: Entwicklungshilfe geplant oder verwaltet' Entstehung und Konzeption des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bielefeld 1968 Edelman, Murray: Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns. Frankfurt a. M. 1976 Glinz, Ferdinand: Entwicklungsförderung am Wendepunkt. Zürich 1986 Informationen zur politischen Bildung: Entwicklungsländer. Nr. 221, 4. Quartal 1988 Jung, Reinhardt; Wolfgang Ludwig (Hrsg.): Hilfe für Kinder in Not. Vom Handeln im Widerspruch. Reinbek bei Hamburg 1985 Korlén, Gustav: Zur Entwicklung der deutschen Sprache diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs. In: SPRACHE IM TECHNISCHEN ZEITALTER 4 (1962), S . 2 5 9 280 May, Bernhard: Reagan und die Entwicklungsländer. Die Auslandshilfepolitik im amerikanischen Regierungssystem. München 1987 Neudeck, Rupert; Kurt Gerhardt: Sorgenkind Entwicklungshilfe. Berichte, Analysen, Perspektiven. Bergisch Gladbach 1987 Nohlen, Dieter; Franz Nuscheier (Hrsg.): Handbuch der Dritten Welt. Hamburg, 2., überarb. und erg. Aufl. 1982 Nohlen, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. Reinbek bei Hamburg 1984
Kapitel 18: Einwanderungspolitik
801
Nunn, David Α.: Politische Schlagwörter in Deutschland seit 1945. Ein lexikographischer und kritischer Beitrag zur Politik. Gießen 1974 Nord-Süd-Kommission (Hrsg.): Das Überleben sichern. Der Brandt-Report. Bericht der Nord-Süd-Kommission. Ungekürzte Ausgabe mit einem neuen Vorwort zur Taschenbuchausgabe. Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1981 Nuscheier, Franz: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik. Bonn, 3., akt. und erw. Aufl. 1991 Salin, Edgar: Unterentwickelte Länder: Begriff und Wirklichkeit. In: KYKLOS. Internationale Zeitschrift für Sozialwissenschaften 12 (1959), S. 402-427 Schloz, Rudolf: Deutsche Entwicklungspolitik. Eine Bilanz nach 25 Jahren. München, Wien 1979 Sieberg, Herward: Dritte Welt - Vierte Welt. Grundprobleme der Entwicklungsländer. Heidelberg, New York 1977 Wendorff, Rudolf: Dritte Welt und westliche Zivilisation. Grundprobleme der Entwicklungspolitik. Opladen 1984 Wesel, Reinhard: Entwicklungspolitische Rhetorik: Kognitive Strukturen im Phänomenbereich „Dritte Welt" und ihre .symbolische Politisierung' zwischen euphorischer Projektion und Bedrohungsängsten. In: Manfred Opp de Hipt; Erich Latniak (Hrsg.): Sprache statt Politik. Politikwissenschaftliche Semantikund Rhetorikforschung. Opladen 1991, S. 6 6 - 9 0 Wolfrum, Rüdiger (Hrsg.): Handbuch Vereinte Nationen. München, 2., völlig neu bearb. Aufl. 1991
Kapitel 18: Einwanderungspolitik Bade, Klaus J.: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Deutschland 1880-1980. Berlin 1983 Delgado, Manuel J.: Die Gastarbeiter in der Presse. Eine inhaltsanalytische Studie. Opladen 1972 Eppler, Erhard: Kavalleriepferde beim Hornsignal. Die Krise der Politik im Spiegel der Sprache. Frankfurt a. M. 1992 Gerhard, Ute: Wenn Flüchtlinge und Einwanderer zu „Asylantenfluten" werden. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 1910.1991, S. 12 Gerhard, Ute: Wenn Flüchtlinge und Einwanderer zu „Asylantenfluten" werden. Eine kommentierte Dokumentation zum Rassismus im Mediendiskurs. Bochum 1991 a Graben, Georg: Der Trick mit den Worten. In: Iring Fetscher; Horst Eberhard Richter (Hrsg.): Worte machen keine Politik. Reinbek bei Hamburg 1976, S. 4 7 - 5 8 Herbert, Ulrich: Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 18801980. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter. Berlin, Bonn 1986 Hildebrand, Klaus: Wenn Flüchtlinge Asylanten genannt werden, werden es mehr. In: Arbeiterwohlfahrt: Materialien zum Info-Dienst Flüchdinge, 22.9.1986, S. 5 2 - 5 3
802
Literaturverzeichnis
Huhnke, Brigitta: Intermediale Abhängigkeiten bei der Inszenierung rassistischer Feindbilder seit Mitte der achtziger Jahre am Beispiel der Wochenzeitungen „Bild am Sonntag" und „Der Spiegel". In: Siegfried Jäger; Jürgen Link (Hrsg.): Die vierte Gewalt. Rassismus und die Medien. Duisburg 1993, S. 213-266 Institut für Besatzungsfragen: Das DP-Problem. Eine Studie über die ausländischen Flüchtlinge in Deutschland. Bearb. von Eberhard Jahn. Tübingen 1950 Jäger, Margret; Siegfried Jäger: Verstrickungen - Der rassistische Diskurs und seine Bedeutung für den politischen Gesamtdiskurs in der Bundesrepublik Deutschland. In: Siegfried Jäger; Jürgen Link (Hrsg.): Die vierte Gewalt. Rassismus und die Medien. Duisburg 1993, S. 4 9 - 7 9 Jäger, Siegfried: Der Groß-Regulator. Analyse der BiLD-Berichterstattung über den rassistisch motivierten Terror und die Fahndung nach der RAF im Sommer 1993- Duisburg 1993 Jacobmeyer, Wolfgang: Vom Zwangsarbeiter zum Heimatlosen Ausländer. Die Displaced Persons in Westdeutschland 1945-1951. Göttingen 1985 Kauffmann, Heiko (Hrsg.): Kein Asyl bei den Deutschen. Anschlag auf ein Grundrecht. Reinbek bei Hamburg 1986 Klausmeier, Simone: Vom Asylbewerber zum „Scheinasylanten". Asylrecht und Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland seit 1973. Berlin 1974 Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 19451955. Bonn 1986 Klöcker Michael; Udo Tworuschka (Hrsg.): Miteinander - was sonst' Multikulturelle Gesellschaft im Brennpunkt. Köln, Wien 1990 Külz, Helmut Robert: Die Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone. Frankfurt a. M. 1950 Lehmann, Albrecht: Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945-1990. München 1991 Leuninger, Herbert: Fremdenfeindlichkeit und nationale Identität. In: Gerhard Schult (Hrsg.): Einwanderungsland Bundesrepublik Deutschland? Baden-Baden 1 9 8 2 , S. 1 2 3 - 1 3 0
Link, Jürgen: Asylanten - ein Schimpfwort. In: Heiko Kauffmann (Hrsg.) 1986, S. 5 5 - 5 9
Lübbe, Hermann: Der Streit um Worte. Sprache und Politik. In: Hans-Georg Gadamer (Hrsg.): Das Problem der Sprache. München 1967, S. 351-371 Mackensen, Lutz: Die deutsche Sprache in und nach der Vertreibung. In: Eugen Lemberg; Friedrich Edding (Hrsg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Kiel 1 9 5 9 , B d . III, S. 2 2 4 - 2 7 1
Müller, Ulrich: Fremde in der Nachkriegszeit. Displaced Persons — zwangsverschleppte Personen - in Stuttgart und Württemberg-Baden 1945-1951. Stuttgart 1990 Münz, Rainer: Der Reiz der Vielfalt. Europa zwischen Multikultur und Ethnozent r i s m u s . I n : DIE NEUE GESELLSCHAFT/FRANKFURTER HEFTE ( 1 9 9 1 ) , H . 1 0 , S. 9 1 0 915
Nahm, Peter Paul: Der Wille zur Eingliederung und seine Förderung. In: Eugen Lemberg; Friedrich Edding (Hrsg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Kiel 1 9 5 9 , B d . I, S. 1 4 5 - 1 5 5
Niehr, Thomas: Schlagwörter im politisch-kulturellen Kontext. Zum öffentlichen Diskurs in der BRD von 1966 bis 1974. Wiesbaden 1993
Kapitel 18: Einwanderungspolitik
803
Quinkert, Andreas; Siegfried Jäger: Warum dieser Haß in Hoyerswerda? Die rassistische Hetze von BILD gegen Flüchtlinge im Herbst 1991. Duisburg 1991 Schult, Gerhard (Hrsg.): Einwanderungsland Bundesrepublik Deutschland? Baden-Baden 1982 Schwerdtfeger, Gunther: Einwanderungsland Bundesrepublik? Tatsächliche, politische und verfassungsrechtliche Grundierungen. In: Gerhard Schult (Hrsg.): Einwanderungsland Bundesrepublik Deutschland? Baden-Baden 1982, S. 9 - 1 8 Steger, Hugo: Sprache im Wandel. In: SPRACHE UND LITERATUR IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT ( S U L ) 2 0 ( 1 9 8 9 ) , H . 6 3 , S. 3 - 3 1
Thomä-Venske, Hanns: Worte wirken wie winzige Arsendosen. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU 9-3.1989, S. 10 Tichy, Roland: Ausländer rein! Warum es kein „Ausländerproblem" gibt. München 1990 Wieland, Lothar: Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Frankfurt a. M., Bonn 1968 Wolken, Simone: Das Grundrecht auf Asyl als Problem der Rechtspolitik. In: ZEITSCHRIFT FÜR AUSLÄNDERRECHT ( 1 9 8 6 ) , H . 2 , S . 5 8 - 7 0
Zentner, Kurt (Hrsg.): Aufstieg aus dem Nichts. Deutschland von 1945 bis 1953Eine Soziographie in zwei Bänden. Köln, Berlin 1954
Index (nationalsozialistischer) Sozialismus 34 §218 563-92 17. Juni 1953 294 175er 596 1984 640 35-Stunden-Woche 71 Abartiger Geschlechtstrieb 599 Abbau des Sozialstaates 83 Abbruch der Schwangerschaft 571, 574 Abendland 20, 96 Abfall 671 Abgabe 97 Abgas-Entgiftungsanlage 651 abgeblockt 235 abgeschlafft 231 abknutschen 218 ABM-Vertrag 143 Abrüster 264 Abrüstung 129-162 Absahne 221 absahnen 221 Abschied 659 abschnallen 221 Abschreckung 149 Abschreckungsmittel 139 abseitig veranlagte Menschen 596 absolut 231 Absonderungsschreibe 541 Abteilung jugendkulturelle Massenarbeit 342 abtreiben 571 Abtreibung 563- 592 Abtreibungsdebatte 571 Abtreibungsfilm 571 Abtreibungshandlung 571 Abtreibungsklinik 571 Abtreibungspille RU 486 580 Abtreibungstourismus 565, 571, 575, 586
Abtreibungswille 571 abtreibungswillig 571 Abtreibungswunsch 571 Abwehrfront 136 Abwehrverbände 131 Abweichler, sanfter 225 achtmotorige Wildsau 220 Adenauer-Reise 264 Adenauers Reise 264 after-sales-service 268 Agenda 21 704 Aggression 13, 229 aggressiv 262 Ahlener Programm 26, 37, 54 Aids 12, 612, 615 Aids-Alleingang 615 Aids-Atlas 614 Aids-Desperados 615 Aids-Hysterie 615 Aids-KZ 615 aids-negativ 614 Aids-Phobie 615 Aids-Terroristen 615 Aids-Test 614 Aids-Überwachungsstaat 615 Akademiker-Überschuß 197 Akkusativierung 360, 361 Akt der Aggression 300 Aktiengesellschaft 97 Aktion 218 470, 479, 480, 497, 569 Aktionen 399 Aktion Europa 113 Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft 43 Aktionsrat für die Befreiung der Frau 469 Aktivisten, militante 237 Äktschen 235 AKW 661,663,664
806 Algenkrise 619 Alibi-Damen 510 Alibifrau 507 Alibi-Frau 507 Alleinvertretungsanmaßung 300 Alleinvertretungsanspruch 297, 299 Alleinvertretungsrecht 297, 299 Alle Menschen sind Ausländer 744 allermodernste Waffen 139 Alle Tage Sabotage 238 Alle wollen dasselbe, Dohnanyi in die Elbe 238 Allies 248 Alltagsjude 363 alte Reichshauptstadt 301 alternativ 234, 240, 643, 653 Alternativbuchhandlung 234 Alternative 234, 236, 238 alternative Kfz-Reparatur 235 alternative Läden 234 Alternative Liste 646 Alternativ-Energie 659 alternative Technik 643 alternativ leben 234 Alternativler 234 Alternativszene 231 Altlast 647,652 Altöl 647 Altpartei 619-678, 654, 660, 665 Alt-Punk 231 Alt-Sozialdemokratie 665 Altstoff 647 Amalgam-Füllungen 619 American Way of Life 249, 275 amerikanische Regierung 264 Amerikanismen 245-83 Amtfrau 546, 554 Amtmann 546 Amtmännin 546 Anbau 669 anderer Teil Deutschlands 304 Anderssein 596 an dich heranlassen 235 Anerkennung 303, 304, 305 Anerkennung de jure 311
Index Anerkennungsmanie 305 Anerkennungstrauma 305 Anglizismen 245-283 Angriff 428 Angst 142, 148 Ängste abbauen 235 angstfrei 193 Angstmauer 300 Animateur 256 ankratzen 220 Anliegen 386 Annektierung 331 Annexion 310 Annexionen 32 Anreicherung 624 Anschlug 331, 332 Anschwellen der Zuwandemng 743 Anstand 594 Ansturm der Tatarenhorden 134 -ant (Suffix) 736 Antiamerikanismus 255 antiautoritär 399 Anti-Baby-Pille 600, 601 Antidiskriminierungsgesetz 500, 511 Anti-Europäer 98, 100 Antifaschismus 6, 433 antifaschistischer Schutzwall 300, 301, 342 Anti-Gesellschaft, jugendliche 225 Antiimperialismus 433, 443 antiimperialistischer Kampf 415 Anti-Körper-Test 614 Anti-Pillen-Papst 601 antörnen 277 Antragsteller 554 Anwerbeabkommen 716 Anwerbekommission 716 Anwerbestop(p) 721, 724 Apartheid 694 APO 405,414 apolitisch 225 Apothekerinnen und Apotheker 535 Apparat 220 Appeasement 151 Arbeit 364 Arbeiter 717
Index
Arbeiter-Dandys 220 Arbeitgeber 35-91, 230 Arbeitnehmer 35-91 Arbeitsbürger 719 Arbeitsgemeinschaft, eine - bilden 230 Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe 684 Arbeitsgemeinschaft zum Schutz des ungeborenen Lebens 576 Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP) 60 Arbeitslosigkeit 47, 68, 85 Arbeitslosigkeit für alle bei vollem Lohnausgleich 238 Arbeitsplatzräuber 719 arisch 364 -arm 670 Armee 428 Armutsflüchdinge 734, 735, 737, 738 Art 364, 365 artfremd 365 arthaft 365 artikulieren 385 Arzthelferin 551 Asbest 672 asozial 212 Assoziierungsvertrag 124 astrein 231 Astronaut 252 Asylant 734, 735, 736, 737, 738 Asylant, SPD- siehe SPD-Asylant asylant, Wiitschafts- siehe Wirtschaftsasylant Asylanten 711, 733, 734, 735, 736, 740, 746 asylanten, Boots- siehe Bootsasylanten Asylanten, falsche siehe falsche Asylanten asylanten, Ostblock- siehe Ostblockasylanten asylanten, Schein- siehe Scheinasylanten asylanten, Schwindel- siehe Schwindelasylanten asylanten, Vietnam- siehe Vietnamasylanten Asylantenflut 8, 735, 742, 743 Asylantenfluten 746
807
Asylantenfrage 722 Asylantenproblem 722, 746 Asylantenschwemme 742, 743 Asylanten-Springflut 742, 743 Asylantenstrom 742 Asylantenwelle 742 Asylantenzufluß 742 Asylberechtigte 734 Asylbetrüger 741 Asylbewerber 734, 737 asylfreie Zonen 739 Asylkompromiß 733 Asylmißbrauch 733, 734, 739, 741 Asylrecht 734 Asyl-Schnorrer 737 Asylsuchende 734, 735 Asyltourismus 742 Asymmetrie 528-531 Atempausen 701 Athleting 258 Atom- 139, 140, 141, 142, 143, 622, 642, 643, 647, 656, 657, 663, 664 Atomangst 142, 622 atomare Aufrüstung 140 atomare Bewaffnung 140 atomare Bewaffnung der Bundeswehr 139 atomare Habenichtse 143 atomare Sprengköpfe 138 atomare Trägerwaffen 138 Atomaufrüstung 140 Atombewaffnung 137, 138, 139, 140, 142, 143, 145 Atombombe 139 Atombusen 622 Atomdefaitismus 142 Atomdiva 622 Atom-Ei 230 Atomenergie 663, 664 Atomeuphorie 139, 622, 623 Atomfaschismus 642 Atomfilz 644 Atomgefahr 141, 149 Atomheini 622 Atomherrschaft 621 Atomhysterie 635
808
Atomkraftwerk 664 Atomkraftwerk der Erotik 622 Atom-KZ 642 Atomlobby 640, 656 Atomlobbyist 656 Atommädchen 622 Atommafia 644, 656 Atomminister 656 Atommord 141 Atommuffel 623 Atommüllweltreich 642 Atompanik 142, 148 Atompsychose 142 Atomreaktionär 623 Atomrüstung 140, 141 Atomschlacht 621 Atomsperrvertrag 143 Atomsprengköpfe 138 Atom-Staat 643 Atomstaat 639, 643, 644, 647 Atomsterben 623 Atom-Strauß 622 Atomstrom 635, 663 Atomterror 141 Atomtod 141 Atom-Todeskraftwerk 638 Atomwaffen 138, 139, 140, 142, 143, 152 Atomwaffensperrvertrag 143 Atomzeitalter 621, 635 ätzend 233, 240 Audimax 278 Aufbruch 327, 329 auf dem gebotenen Stand 154 AufFangbecken für Gescheiterte 179 Aufklärung 399 Auflagen 701 Auflösung der Klassengemeinschaft 206 aufnorden/abnorden 365 aufreißen 221 Aufriß 221 Aufrüstung 129-162 Aufrüstung, geistige 174 Aufrüstung im Klassenzimmer 150 Aufrüstungspläne 153 Aufschwung 13, 67, 68, 69, 70, 76, 189
Index
Aufschwung nach Maß 67, 69 Aufschwung Ost 71, 87, 337 Aufsplitterung 286 Aufstrich 221 Aufteilung 286 Auftrag 386 Ausbeuter 60, 390 Ausbeutung 399 Ausbildung 179 AUSbrüten 664 Auschwitz 151, 566, 572, 576 aus dem Markt nehmen. 645 Ausgebeutete 60 Ausgleich der Bildungschancen 189 Ausländer 7 1 1 - 7 4 9 Ausländer, heimatlose siehe heimatlose Ausländer Ausländerbegrenzung 731 Ausländerbegriff 746 Ausländerfeindlichkeit 718, 732, 744 Ausländerflut 8, 742 Ausländerfrage 745, 746 Ausländerkriminalität 744 Ausländerproblem 722, 745 Ausländer raus 711, 730 Ausländer rein! 745 Ausländerschwemme 742 Ausländerstop(p) 730 Ausländerunwesen 730 Ausländer-Zuzugswelle 722 ausländische Arbeitnehmer 717, 719, 723 ausländische Arbeitskräfte 716, 718 ausländische Mitbürger 724, 729, 741 Auslegungsstörfall 660 Auslese 174, 203, 204 Auslese der Begabten 174 Ausrichtung 356 Ausrottung 645 außenpolitische Handlungsfähigkeit 157 außereheliche Lebensgemeinschaft 595 äußere Vereinigung 338 außerparlamentarisch 405 außerparlamentarische Opposition 145, 405 Aussiedler 329, 713, 745, 746
Index aussiedler, Spät- siehe Spätaussiedler Aussiedlerfrage 746 Aussöhnung 388 aussteigen 657, 659 Aussteiger 657 Aussteiger, jugendliche 231 Ausstieg 657, 658, 659, 664 Austausch-Ehe 610 Ausweisung 711 Ausweisungen 713 Auswurf 623 Auto fahren 264 Autonome 232, 236, 238 Autonomie 484 autoritär 399 Autoritätsbonze 231 Autounhold 599 Azubi 268 Baader-Meinhof-Bande 413 Baader-Meinhof-Gruppe 413, 415 Baader-Meinhof-Gruppe/Bande 417 Baader-Meinhof-Prozeß 414 Baby 247 Babycaust 576 Babyjahr 498 Babysitter 252 Bäckerin 551 Backfisch 221 Badewanne 220 Bahnfahrer 271 Bananenkomplott 116 Bananenkrieg 116 Band 249 Bande 230, 414, 415, 416, 422, 428 Bandenterror 232 Banditen, jugendliche 213 Barbecue-Sauce mit Gin 247 Barmaid 256 Barmherzigkeit 390 BASF 230 Baumsterben 649 beamten 361 Beamtin 520 beatific 223 Beatniks 223, 224
809
Beats 223 Beat-Schuppen 221 Bebop 249 Becquerel 672 bedeuten 264 Bediene 221 Bedienen Sie sich 264 bedient sein 221 bedingungslose Kapitulation 285 Bedrohung 130, 134, 135, 148, 155, 156 Bedrohung durch die Sowjetunion 156 Bedrohungsbewußtsein 156 Bedrohungsgefühl 148, 156 Bedrohungslüge 155 Befähigte, besonders 204 befähigt sein zu 177 Befehlswiitschaft, staatliche siehe staadiche Befehlswirtschaft Befreier 19-34 Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen! 470 Befreiung 13, 21, 22, 299, 406 Befreiung der Frau 469, 487, 496 Befreiungsbewegung 701 Befreiungstag 21 Befreiung statt Koexistenz 299 Begabtenauslese 177 Begabtenförderung 174, 204, 205 Begabung 164, 168, 202, 203, 205 Begabung, angeborene 205 Begabung, besondere 205 Begabung, natürliche 205 Begegnung 386 Begegnung zweier Kulturen 708 Beginn des Lebens 567, 569 Begriffe besetzen 13 Begrüßungsgeld 329 Begünstigung der Abkömmlinge der Oberschicht 175 Behörde 106 Beitrag 133 Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 133 Beitrag zur Verteidigung Europas 131 Beitritt 331 Bejing 265
810
Bekennerbrief 415, 424, 439 Bekennerschreiben 437 beknackt 220 beliefern 360 Bellizisten 151, 157 Beratung 575, 578, 586, 587, 588, 589, 590 Beratung, obligatorische 586 Beratungspflicht 586 Beratungsregelung 575 Beratung zugunsten des Lebens 578 Bergmann-Filme 602 Bergsterben 649 Berlin (West) 303 Berliner Mauer 300 Bemfsbezeichnungen 521, 522, 524, 545, 546, 549 Berufsverbot 13, 416 Berufsvertriebene 715 Besatzungszonen 30 Beschäftigungswirksamkeit 699 beschallen 220 beschulen 361 Beseitigung ,lebensunwerten' Lebens 566 Besetzung der Begriffe 392 Besitzanspruch 603 besondere Beziehungen 316 Besserwessi 334 Bestarbeiter 342 -bestimmung 574 Bestseller 252 Beton 647, 668 Betonköpfe 329 betreuen 75, 359, 360 Betreuung 356, 360 betriebliche Partnerschaft 60 betriebsfremde Funktionäre 60 Betriebsstörung 662 Betriebsverfassungsgesetz 57 Betroffene 397 Bevölkerungsexplosion 702 Bevormundung (der Frau) 465, 472, 481 Bevormundungsgesetz 578 bewaffneter Kampf 407, 412, 422, 432 Bewegung 2. Juni 408, 420, 421, 423 Bewegung zum Schutz des Lebens 576
Index
Bewußtseinsbildung 399 Beziehung 235, 236, 617 Beziehungskiste 617 Bezugsscheinwirtschaft 36 bezuschussen 361 Bhopal 619 Biene 221 Bier 115 Big Mac 278 Bike 230 Bikini 622 Bildung 177, 179, 193 Bildung, polltische 164, 165, 166, 195 Bildung, staatsbürgerliche 165 Bildungsbeschwörung statt Bildungspolitik 196 Bildungsboom 176, 192 Bildungsbreite 176 Bildungschancen 12 Bildungsdefizit, katholisches 176 Bildungsdumping 206 Bildungselend 176 Bildungseuphorie 192 Bildungsexpansion 192 Bildungsfrage 12 Bildungsgefälle 12, 176 Bildungsidee, neue 206 Bildungskatastrophe 12, 174, 175, 192, 207 Bildungsnot 174 Bildungsnotstand 176, 226 Bildungsökonomie 176, 177 Bildungsplanung 177, 205 Bildungspolitik, sozialliberale 176 Bildungspredigt statt Bildungspolitik 196 Bildungsreform 12 Bildungsreform, zweite 163, 207 Bildungsruine 191, 192 Bildungsstandort Deutschland 204 Bildungswettlauf 176 Bildungswunder 175 Bindung 386 Binnendeutsch 347 Binnen-I 534,535-537 Binnenmarkt 106, 111
Index Binnenmarkt, europäischer/gemeinsamer/einheitlicher 111 Bio- 669, 670, 672 Biobetrug 670 Bio-Haus 669 Bio-Kost 669 Bio-Küche 669 Bio-Laden 669 Bioladen 277 Biologie 178 biologisch 669, 670 biologisch aktiv 669 biologischer Anbau 670 Bio-Möbel 669 Bio-Ware 669 Biozid 645 Bischöfin 520 Blsex-Welle 608 bisherige DDR 335 Bizone 286, 295 Blattverschwendung 230 Blauer Engel 670, 671 Blauhelmaktionen 158 Blauhelmeinsätze 158 Blauhelmmissionen 158 Blaustrumpf 484 Bleifrei 651 blindlings 364 Blitzkrieg 357 Blößenwahn 617 bloß-keinen-Besitzanspruch-Paare 611 Blue Jeans 219 blühende Landschaften 87 Blumenkinder 225 Blumenladen 268 Blut 364 Blutgeld 378 Blutgemeinschaft 104 blutsfremd 365 Blutvergiftung 365 BMZ 690 Bock 240 Bock auf etwas haben 220, 240 bolschewistische Furie 20 bombig 221
811
Boogie-Woogie 249 Bootsasylanten 736 Börsenjudentum 363 Boß 230 Botschaftsflüchtlinge 745 brain drain 173 Btain-Tech 258 Bravo 277 BRD 317, 318, 319, 320, 322 BRDDR 329 BRD - Nein Danke! 320 Brennstoffkreislauf 661 Brleze 221 Brigadier 555 bringen 220 Britizismus 247 Broccoli 278 Broiler 275 Brüssel 113 Brüsseler Pakt 96 Brutalität 229 Brutalos, jungdeutsche 239 Brutstätten der Kriminalität 237 Bruttosozialprodukt 667 Büchersterben 649 Budapest 265 Bulle 213 Bummelant 736 Bund deutscher Länder 336 Bundesbürger 336 Bundeskanzlerin 533 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 715 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 690, 691 Bundespräsident 349 Bundesrepublik 295, 320, 322 bundesrepublikanische Halbnation 315 Bundesrepublik Deutschland 320, 336 Bundesstaat 102, 104, 124, 125 bundesstaatlich 125 Bundestagsausschuß für Gesamtdeutsche Fragen 298 Bundesvertriebenengesetz 714 Bundeswehr 129-162
Index
812
Bundeswehreinsätze 157, 159 Bund für Heimatvertriebene und Entrechtete (BHE) 714 Bündnisfreiheit 135 Bunte Liste 646 bunte Republik Deutschland 728 Bürger 116,729 Bürgerbeauftragte 116 Bürger im Osten Deutschlands 333 Bürgerinitiative 637 Bürgerinnensteig 540 Bürgerkrieg 412 bürgerliche Sexualreform 604 Bürgermeisterin 556 Bürgernähe 116 Bürgersteig 540 Bürgersteig-Kurtisanen 597 Bürokraft 551 bürokratisch 75 bürokratische Planwirtschaft 46 Bürokratisierung 41 Bürokratismus 40 Burschen 213, 595, 596 Buschneger 707 Butterberg 115 bye-bye 262 byte 274 Callgirl 597 carcinogen 625 Cecchini-Bericht 111 CEE 107 Cent 121 Chancengerechtigkeit 15, 182, 183, 184, 185, 202 Chancengleichheit 15, 164, 176, 180-186, 192, 201, 388, 399, 491, 501, 502 Chancengleichheit, soziale 491 Chancengleichheit, sprachliche 400 charakterlich 356 Chauvi 278, 490 Chauvinismus 489, 490 Chef der Staatskanzlei 555 Chemie 178, 647 Chemiewende 647 China-Syndrom 643, 647
chinesische Mauer 300 Chip 276 Chlor 619 Chlorophyllfaschisten 668 christlich 171, 172 christliche Gemeinschaftsschule siebe Gemeinschaftsschule, christliche christliche Kulturpolitik siehe Kulturpolitik, christliche Christlicher Sozialismus 26, 36, 37, 38, 39 Christliches Abendland 96 chrisdiche Schule siehe Schule, chrisdiche Christlichkeit 170 city 248 Clique 230 Cliquen-Gewalt 232 Club of Rome 7 1 , 7 8 , 7 9 Co-/Ko- 264 Coccooning 258 cold 268 Comic 264 Coming out 616 communauté 104 Communauté Économique Européenne 107 Computer 257, 274 Conny-Pullover 219 Containment 660 cool 221, 231 Cooperation Action 110 Cruise missiles 145 culture biologique 670 D 318, 320, 321 damalige Noch-DDR 335 Dame (Anrede) 543 damenloses Fahrrad 540 Dämme 742, 743, 746 dampfig 220 das Kapital 399 das System 393 da steh' ich drauf 220 Datscha/Datsche 251 Dauergäste 720 dauerhafte Entwicklung 704 Dazuverdiener 497
Index
DDR 2 8 5 - 3 5 3 DDR-Bürger 336 DDR-Politik 317 DDR-Regierung 295 DDT 672 DED 684 de facto-Anerkennung 311 De-facto-Einwanderungsland 725 défense de la langue 272 Deichgraf-Metaphorik 742 Dekadenz-Trend 602 Demarkationslinie 31, 290, 311 Demilitarisierung 135 Demokratie 6, 189, 392, 395, 396, 399 Demokratie, formale 189, 392 Demokratie, inhaltliche 189 Demokratiedefizit 113, 115 Demokratie jetzt 328 demokratisch/Demokratie 364 demokratische Elitebildung siehe Elitebildung, demokratische demokratischer Neuanfang 19 demokratisches Zukunftsmodell 187 Demokratisierung 54, 164, 166, 189, 192, 385, 388, 390, 394, 395, 396, 399 Demokratisierung der Wirtschaft 58 Demonstrationen der Farbigen 707 Demontage 11, 19, 28, 29, 30 Demontage der freien Wirtschaft 73, 74 Denaturierung 624 Denksport 230 der/die/das letzte... 220 der Antragsteller und die Antragstellerin 533 der Antragsteller und seine Ehefrau 533 der Antrag wird gestellt von 554 der Arzt/die Ärztin 522 der Arzt im Praktikum, der schwanger wird 553 Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher 553 der Käufer 520 der Lehrer 517 der Lehrer/die Lehrerin 522 der Leser 517 der Minister 517
813
Der Minister für Familie und Senioren 549 Der Minister für Wissenschaft und Forschung 549 der Schuldner 520 der schwangere Arbeiter 553 der Wähler 517 der Wähler/die Wählerin 522 Desk-Top 258 deutsch 5, 317, 320, 321, 365 deutsch-deutsche Flitterwochen 333, 337 deutsch-deutsche Politik 328 Deutsche 13 Deutsche Bundesrepublik 295, 320, 336 Deutsche Demokratische Republik 295, 307, 341 deutsche Divisionen 136 deutsche Einheit 330 deutsche Einheiten 136 deutsche Frage 285, 286, 325 deutsche Fragen 325 deutsche Gefahr 11, 28 deutsche Hauptstadt Berlin 301 deutsche Katastrophe 26 deutsche Kontingente 136 deutsche Krankheit 596 deutsche Landsleute 316 Deutsche Mark 119 deutsche Nation 315 Deutschenkriminalität 744 deutsche Ostgrenze 31 Deutsche Polizisten - Mörder und Faschisten 406 Deutscher Bund 336 Deutscher Entwicklungsdienst 684 Deutscher Herbst 433 Deutscher Kongreß für aktive Neutralität 135 deutscher Osten 333 Deutsches Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft 689 Deutsches Reich 332 deutsche Staaten 313 deutsche Staatsangehörigkeit 313 deutsche Streitmacht 136 deutsches Wort 253 deutsches Wunder 63
Index
814
deutsche Wehrmacht 132, 136 deutsche Wiederaufrüstung 131 Deutschland 317, 318, 320, 321, 322, 327, 336 Deutschland den Deutschen 730 Deutschlandfrage 285, 286 Deutschlandpolitik 304, 305, 308, 317, 319, 328, 329 Deutschlands Wunderkinder 203 Deutschlands Zukunft heißt Europa 115 Deutsch-Punk 231 deutschstämmig 745 development 683 Dialektik 386 Dialog 329, 642 die 3. Welt 156 die Araber 156 die beiden deutschen Staaten 298 die deutsche Frage 325 die Friedensbewegung 149, 150 die größte Friedensbewegung 150 DIE GRÜNEN 647 die Herrschenden 393 die innere Fremdheit der Deutschen 337 die Lohnabhängigen 399 die Ministerin 520 Dienste in Übersee 684 Dienststelle Blank 132 die Pille 601 diese Gesellschaft 399 diesseits und jenseits von Elbe und Weira 336 die verschrieene Zone 296 die Wählerin 520 die Wirtschaft 399 differenzierte Einheitsschule siehe Einheitsschule, differenzierte Dioxin 672 Diplom-Arbeitsloser 198 Diplom-Kauffrau 548 Diplom-Kaufmann 548 Diplompädagoge 547 direkte Sterilisation 600 Dirigismus 66, 75 dirigistisch 75 Dirne 599
Disco-Kids 231, 233 Diskriminierung, sprachliche 517-562 Diskriminierung (der Frau) 489, 494 Disparitäten 145 Dispatcher 275 Displaced Persons 711,712 Django 278 D-Mark 118 DM-Nationalismus 119 Doktorin 547 Doner Kebab 278 Doosie 263 Doppelaufgabe 456 Doppelbelastung 454, 455, 456, 480, 491 Doppelbe sc hluß 147 Doppelformen, feminin-maskuline 525 Doppelname siehe Namensrecht Doppelrolle 456, 495 doppelte Null-Lösung 152 doppelte Staatsbürgerschaft 747 Doppel- und Dreifachbelastung 454, 494 Doppelverdiener 450-453, 461, 496, 497, 498 Doppelverdienerinnen 497 Doppelverdienertum 451, 452, 453 Doppelverdienst 450 DP's 712,713 Dreck 623, 626, 652 Dreckschleuder 619 dreigliedriges Schulsystem siehe Schulsystem, dreigliedriges Drei-Monats-Frist 567, 569, 571 Drei-Staaten-Theorie 301 Drei-Viertel-Welt 687 Dressman 260 Drill und Leistungswahn 203 Dritte Kraft 94 Dritte Macht 95 dritte Null-Lösung 152 Dritter Block 685 Dritter Stand 685 Drittes Reich 31 Dritte Welt 262, 684-687, 702, 705 drive 221 Drop-in 228
Index
drüben 294 Drückeberger 144 Druggies 225 Dschobs 277 Duales System 671 du benimmst dich wie ein Mädchen 527 dufte 220 du mußt dich öffnen 236 Dünnsäureverklappung 619 Dunstglocke 624, 625 Dunsthaube 625 Dunstwolke 625 durchführen 356 Durchgang 309 Durchmischung 739 durchraßt 739 durchraßte Gesellschaft 730, 731 Durchrassung 739 Düsenjet 260 Düsseldorfer Abkommen 169 Düsseldorfer Leitsätze 4 2 - 4 6 , 58 dynamisch 262 dynamische Gesellschaft siehe Gesellschaft, dynamische D-Zug-Abitur, vorverlegtes 206 E 1962 598 EC 107 echt 231, 240 echte DP's 713 echte Flüchdinge 713 echte Partnerschaft 61 echte Wirtschaftsdemokratie 58 eco- 628 Ecoflow 628 Eco-Linguistics 645 ecological 628 Ecologie Dynamics 628 ecology 626, 628 Ecology Audit 628 ECU 118-121 Ecu, der/die 118, 119 ECU/Ecu 120 ECU-Konten 118 ECU-Schecks 118 EEC 107
815
EG 107, 108 EGB 108 EG-Bier 115 EG-Bürgerschaft 118 EG-Europa 115, 117 EG-Führerschein 117 EG-Gipfel 121 EGKS 96, 105 EG-Steuer 118 eheähnliche Gemeinschaft 8, 598 eheähnliches Verhältnis 609 eheähnliche Verbindung 595, 598 Ehe als Versorgungsanstalt 449 Ehe auf Probe 8 Ehebruch 594, 598, 604, 610 ehemalige DDR 335 Ehename siebe Namensrecht Ehe ohne Trauschein 8, 609 Ehe- und Familienrechtsreform 462 Eheverfehlungen 594, 610 Ehrendienst 149 Ehrenmitglied 231 Eigenart der Frau 462, 463 Eindämmung 738, 742 eindimensional 387, 392 eindimensionale Sprache siehe Sprache, eindimensionale Eine Welt 686 Eine-Welt-Läden 686 einfach 178 einfache Null-Lösung 152 einfache Pornographie 607 Eingeborene 708 Eingliederung 724, 729 Einheit 167-169, 189, 286, 287, 330, 336 Einheit, nicht Zerstückelung 286 Einheitliche Europäische Akte 111 einheitlicher Markt 106 Einheitsbürger 167 Einheitsschule 167, 168, 169 Einheitsschule, differenzierte 167 einige Abwehrverbände 136 Einigkeit 287 Einigung 105, 327 Einkesselung 357
816 Einmaligkeit der Verbrechen 381 einmal mehr 264 ein normaler Mensch 596 Einsatz 356 eins auf die Schnauze kriegen 233 ein Stück sowjetischen Einbruchs 296 Einverleibung 331 Einwanderer 724, 725, 728 Einwanderung 724-727, 731, 732 Einwanderungsgesetz 725, 726, 727 Einwanderungsland 721, 724, 725, 726 Einwanderungsland Deutschland 727, 728 Einwanderungspolitik 726 Einwanderungsquoten 725 Einwanderungsstop(p) 730 Einweisungen 713 eiserner Vorhang 30, 95, 295 elastisch 231 Elendsflüchtlinge 734, 737, 738 elitär 399 Elite 164, 174, 197-201, 204, 205 Elite- 367 Elitebaum 199 Elitebildung, demokratische 175 Eliteburgen 199 Elitefachbereiche 198 Elitehochschule 198 Elite im Taschenbuchformat 231 Elitelehrstühle 198 Eliten, offene 200 Elle 277 Elternbeirat 349 Elternrecht 171 Emanze 485 Emanzipation 186, 189, 388, 393, 396, 397, 399, 540 Emanzipation, mißverstandene 476 Emanzipation (der Frau) 457, 469-473, 475-482, 484, 485, 487, 491-493, 496 Emanzipationsbewegung 470 Emanzipationschancen 481 Emanzipationsgehabe 476 Emanzipationsgerede 492 Emanzipations-Terror 476 Emanzipationstrend 497
Index emanzipieren 477, 493 emanzipiert 470, 475, 480, 481 emanzipierte Frau 474, 493 Embryo 566 Embryocaust 576 Emission 625 Empfangerländer 682 Empfangermaterial 645 Empfängnisverhütung 600 endlagern 661 Endlösung 566, 572 Endlösung für Infizierte 615 Endsieg 357 Energie, additive/zusätzliche 659 Energie, alternative 660 Energie, regenerierbare/emeuerbare 659 Energiefrieden 663 Energiekonsens 663 Energiesparen 651 Energieverbrauch 651 entartet 213, 358 entartete Kunst 358, 368 Entartung 213, 358 Entdeckung Amerikas 707, 708 Enteignung 55 Entenschwanzfrisur 219 Entfremdung 386, 399 Entgiftung der Geschichtsbücher 165 entjuden 365 Entkleidungsszene 597 entmenschte Westbanditen 342 Entmilitarisierung 130 Entnazifizierung (der Sprache) 23 entnorden 365 Entschädigungsdienst 268 Entscheidung, freie 574 Entscheidung, freie und eigenverantwortliche 574 Entscheidung, verantwortliche 574 Entscheidungsfreiheit, verantwortungsvolle 589 Entscheidungspflicht 464 Entscheidungsrecht 462, 464, 466 Entscheidungsverantwortung 464 entsorgen 641, 649
Index Entsorgung 640, 641, 648, 655, 661, 664 Entsorgungspark 640, 641, 655, 665 Entspannung 145, 389, 390 Entspannungseuphorie 12, 145, 306 Entstaatlichung 699 Enttabuisierung 601, 616, 617 Entwelschungswörterbuch 250 Entwicklung 681-684, 702, 704 Entwicklungsdekade 684 entwicklungsfähige Länder 680 Entwicklungshilfe 681, 683, 691, 699 Entwicklungshilfeländer 682 Entwicklungshilfeministerium 690 Entwicklungsland 680 Entwicklungsländer 680-682, 686, 705, 706 Entwicklungsminister 684, 695 Entwicklungsministerium 684 Entwicklungszusammenarbeit 698-700, 704 environmental pollution 634 environmental quality 626 Enzyklika Humanae Vitae 601 Erblast 71, 76 erfolgreiche Frau 475 Erfolgsfrau 475 Ergänzungsabgabe 71 Erklärung der Göttinger 18 138 Erlanger Baby 583 Ermächtigungsgesetz 370 Erneuerung 388 Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft 76 erotische Aggression 606 Erotismus 606 Ersatzdienst 143 Ersatzenergie 659 ersatzlose Streichung des § 218 565, 573, 584, 586, 588 Erste Welt 685 Erzieher 546 Erziehung, politische 166 Erziehung, staatsbürgerliche 165 Erziehungsgeld 495, 498, 577 Erziehungsurlaub 498
817
Erziehungswesen im Nachkriegsdeutschland 164 Erziehung zum Mut 194 erzwungene Trennung der Familien 287 Esperanto-Geld 119 Establishment 228, 253, 387, 397 Ethnisierung sozialer Konflikte 728 etwas erinnern 264 EU 107, 108, 124 Euratom 104 EUREGIO 109 Eureka 110 Euro 108-110, 120 Euro(pa)-Gipfel 115 Euro-Anleihen 109 Eurobanane 116 Euro-Betriebsrat 114 Euro-Bier 115 Eurobolus 120 Eurocard 109 Euro-Center 109 Eurocentime 120 Eurocheque 109 Eurocontrol 108 Eurodisc 109 Euro-Dollar 109, 120 Euro-Franc 120 Euro-Franken 120 Eurofrust 110, 112 Euro-Gulden 120 Euro-Jargon 113 Eurokaner 119 Euro-Kapitalmarkt 109 Eurokommunismus 110 Eurokorps 111 Eurokrat 113 Eurokratur 113 Euro-Mark 120 Euronet 109 euronews 117 Europa 93-128 Europa 1992 112 Europa-AG 97 Europa-Armee 136 Europaarmee 100
818
Europabegeisterung 100 Europa-Busse 108 Europa der Bürger 116 Europa der Konzerne 114 Europa der Nationen 93, 102, 124 Europa der Nationen und Regionen 117, 124 Europa der Regionen 117 Europa der Staaten 105 Europa der Vaterländer 99, 102, 125 Europa der zwei Geschwindigkeiten 112 Europa des Kapitals 99, 114 Europäer 100, 106, 112 Europäer, gute 98, 115 Europäer, schlechtere 98 Europafeindlichkeit 98, 124 Europa-Fieber 111 Europa-Flagge 117, 118 Europa-Hymne 118 Europa-Ideal 100 Europaidee 100 europäisch 96 europäische Abwehrfront 132 europäische Armee 131, 136 Europäische Atomgemeinschaft 104, 105 europäische Föderation 102 Europäische Gemeinschaft 104, 107, 108 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl 96, 98, 105 europäische Konföderation 102 europäischer Bundesstaat 102, 113 Europäische Rektorenkonferenz 108 Europäischer Erzieherbund 108 europäischer Gedanke 100 Europäischer Gerichtshof 107, 115 Europäischer Gewerkschaftsbund 108 europäischer Nationalismus 98 Europäischer Pass 110 Europäischer Rechnungshof 109 europäischer Sozialraum 114 europäischer Staatenbund 124 Europäischer Wirtschaftsraum 111,112 europäische Soldaten 100 Europäisches Patentamt 109 europäisches Statut 99
Index
europäische Staatsbürgerschaft 118 europäisches Vaterland 98, 99, 102 Europäisches Währungsinstitut 113 Europäisches Währungssystem 109,118 Europäische Union 107, 108, 113 Europäische Universität 109 Europäische Verteidigungsgemeinschaft 100, 105, 133, 136 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 104, 105, 108 Europäische Wissenschaftsstiftung 109 Europäische Zentralbank 113 Europäisierung 94, 96 Europäislerung der deutschen Frage 101 Europäislerung der Saar 99 Europa-Kolleg 108 Europa-Krise 107 Europakrise 117 Europamüdigkeit 100 Europa ohne Grenzen 111 Europaparlament 107 Europa-Pokal 108 Europarat 96, 98, 99, 102 Europasekretärin 109 Europas gefährlichste Grenze 291 Europasoldaten 100 Europastraßen 108 Europa-Verträge 124 Europa-Wahlen 115 Europa-Welle 108 European Currency Unit 118 European Economic Community 107 European Research Coordination Agency 110 Europennies 120 Euro-Peso 120 Europessimismus 112 Euro-Pfund 120 Euro-Phobie 110 Europhorie 110 Europoint 109 Europol 118 Europoort 108 Euro-Produkt 116 Euroshop 109
Index
819
Eurosignal 109
falsche Asylanten 740
Eurosklerose 110
falsches Bewußtsein 399
Eurospace 108
Familienfamilien 609
Eurospeak 113
Familienfrau 487
eurosport 117
Familienname siehe Namensrecht
Eurosprech 113
fanatisch 356, 364
Euro-Taler 120
Farbiger 707
Eurotalk 113
Farmerschule 689
eurotaz 117
Faschismus 398
Eurovision 108
Faschismus-Vorwurf 379
Euro-Währung 121
Faschist 398
Eurowährung 119
Faszination 262
Euthanasie 364, 566
FCKW 672
Euthanasieprozeß 566
federal 103
Euthanasieverbrecher 572
federation 102
Evakuierte 712
fédération 102
Evangelische Kirche in Deutschland
feige 364
(EKD) 132 Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe 684 event 248
Feind 407 Feindbild 130, 134, 148, 155, 156 Feindbund 20 Feindschaft 412
EVG 137
Feminina, movierte 538
EWG 107, 108
Femininsuffix 522
ewige Friedensgrenze 291
Femininum, generisches 523, 531, 536,
ewige Studenten siehe Studenten, ewige EWR 112
552, 556 Feminismus 482-489
EWS 109
Feministin 483-485, 488, 489
Ex- 264
feministisch 483
Ex-DDR 335
feministische Gegenkultur 486, 487
Exi 230
Feministische Linguistik siehe
existentiell 386 Exkrement 623 Expansion der bundesdeutschen Bildungspolitik 173
Linguistik, Feministische Feministische Sprachkritik 489, 517-562 Fernsehen 246 Fest 277
Explosion 730
Festsetzer 329
Explosionsbunker 230
Festsetzung 329, 330
Exporte 11, 29
Festung Europa 112
extremistisch 416
Festungskampf 421
Fabrikant 736
Fete 277
fachfraulich 558
fetzend 240
fachmännisch 558
feudal 231
facts 278
fiel der Groschen mit Fallschirm 220
fähig 231
film 248 Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs 576
fair 248 Fallout 622
820
Fischsterben 649 Flamme 220 Fleiß 189 Fleurop 109 flexible Reaktion 143 Flischtlinge 713 Floristikcenter 268 Flüchtling 329, 714, 715, 735, 736 flüchtling, Wirtschalts- siehe Wirtschaftsflüchtling Flüchtlinge 711,713-715,734,736-738 flüchtlinge, Armuts- siehe Armutsflüchtlinge flüchtlinge, Botschafts- siehe Botschaftsflüchtlinge Flüchtlinge, echte siehe echte Flüchtlinge flüchtlinge, Elends- siehe Elendsflüchtlinge flüchtlinge, Nachkriegs- siehe Nachkriegsflüchtlinge flüchtlinge, Ostblock- siehe Ostblockflüchtlinge Flüchtlinge, politische siehe politische Flüchtlinge Flüchtlingsbegriff 714 Flüchtlingsstrom 329 Flüchtlingsströme 739 Flugbegleiterin 269 Flut 722, 733, 743 Flut der Wirtschaftsflüchtlinge 738 föderal 103 Föderalist 95, 104 Föderation 102-104, 106, 330 Folterkomitees 423 food chain 626 Fördern statt Auslesen 186 Förderung von Frauen 502 Formaldehyd 672 formaldehydfrei 670 formal-demokratische Regeln 189 formale Demokratie siehe Demokratie, formale Formeln von gestern 197 formierte Gesellschaft 66, 67, 69 Fortschritt 631 fortschrittlich 388- 399
Index
Fötus 566, 569, 581, 582 Frage der deutschen Ostgrenze 291 Frankfurter Schule 385 frau 486, 540, 559, 560 Frau (Anrede) 542-544 Frauenaktionspläne 504 Frauenbeauftragte 500 Frauenbefreiung 471, 476, 483, 488 Frauenbewegung 563, 565, 571, 573, 576, 582, 583, 585 Frauenbewegung, autonome 469 Frauenbewegung, bürgerliche 459, 482 Frauenbewegung, Neue 565 Frauenbuchladen 487 Frauenbüro 500 Frauencafe 487 Frauendiskothek 487 Frauendiskriminierung 486 Frauenemanzipation 469, 479, 482, 483 frauenfeindlich 495, 508 Frauenfeindlichkeit 486 Frauen-Fest 277 Frauenfördermaßnahme 503 Frauenförderplan 504-506 Frauenförderung 469, 499, 501, 503-506 Frauenförderungsgesetz 505, 513 Frauenförderungsplan 504 Frauenfrage 447 Frauenfrau 487 Frauengalerie 487 Frauen gemeinsam sind stark! 470, 486 Frauengleichstellungsstelle 500 Frauengruppe 486 Frauenhaus 487 Fraueninitiative 487 Frauenkampf 478, 483 Frauenkneipe 487 Frauenkollektiv 487 Frauenladen 277 Frauenliteratur 487 Frauenlohn 457, 458 Frauenlohngruppe 458 Frauenmacht 486 Frauenprojekte 487 Frauenquote 506, 508, 511, 513
Index Frauenrockband 487 Frauensprache 517-562 Frauenstreiks 487 Frauentausch 602 Frauenüberschuß 447-449 Frauenunterdrückung 484, 486 Frauenverlag 487 Frauenversammlung 487 Frauenzeitschrift 487 Frauenzeitung 487 Frauenzentrum 486, 487 Fräulein (Anrede) 542-544 Frau Minister 548 Frau Ministerin 548 Frau Ratsherr 548 -frei 670 frei 27, 301 Freibeutertum 41 freie Lebensgemeinschaft 8 freie Markt- und Wettbewerbswirtschaft 45 Freie Marktwirtschaft oder Planwirtschaft 41 freies Berlin 301 Freie Stadt 301 freie Unternehmerwirtschaft 58 freie Verkehrswirtschaft 45 Freie Welt 301 Freie Wirtschaft 27 freigebig 225 Freiheit 27, 184, 301, 344, 396, 397, 399, 400 Freiheit oder/statt Sozialismus 299 Freiheit oder Sozialismus 39, 72, 73, 75 Freiraum 396, 397 Freizeit- 237 Freizeitterrorismus 237 Fremdarbeiter 712, 716-719 Fremdbestimmung 573 fremdblütig 365 Fremde, junge 238, 239 Fremdenangst 744 Fremdenfeindlichkeit 733 Fremdenhaß 730 Fremdenverkehr 261 fremdrassisch 365
821
Fremdvölker 365 Fremdwort 245-283 Fremdwortjagd 256 Fresse 233 Freudenfrauen 599 Freundschaftsgrenze 289 Frieden 149, 150, 390 Frieden in Freiheit 149 Friedensbewegung 129-162 Friedensbewegungen 149 Friedensbollwerk 300, 301, 342 Friedensdemonstration 149 Friedensdienst 149 friedenserhaltend 158 friedenserhaltende Maßnahmen 158 Friedenserziehung 150 friedenserzwingende Maßnahmen 158 Friedensfeind 310, 311 Friedensgrenze 11, 31, 289, 291 Friedensminister 149 Friedensmissionen 129, 158, 159 Friedenspartnerschaft 160 Friedenspolitik 145, 389, 390 friedensschaffende Maßnahmen 158 friedensschaffende Missionen 158 friedenssichemde Maßnahmen 158 Friedenstage 149 Friedensunterstützung 158 friedlich 656 friedliche Koexistenz 298, 299, 316 friedliche Nutzung der Kernenergie 640, 643, 656 friedliche Revolution 328 friedlicher Revolutionär 696, 697 friedliebendes demokratisches Vaterland 295 fringsen 25 Friseur 268 Friseuse 551 Fristenlösung 563-592 Fristenlösung, verkappte 575 Fristenregelung 563-592 fröhlich 225 Front 442 Frontgemeinschaft 104
822
Frucht außerehelicher Unzucht 599 Frucht ehelicher Pflicht 599 frühere DDR 335 Frustration 399 Führer 364 Führungsoffizier 349 fummeln 218 Fundi 278 fünf junge Bundesländer 335 fünf neue Länder 335 Fünfte Welt 686 funktionelle Verschiedenheit (der Geschlechter) 462, 464, 491 Funktionsteilung 464-466, 468 Fusion 102, 105 Fusionsvertrag 107 Futterkette 626 F-word 103 GAGU 664 gammeln 219 Gammler 223, 224 Gangster-Combos, jugendliche 232 Ganz außergewöhnlicher Umschwung 665 Gast 717-720, 729 Gastangestellte 717 Gastarbeiter 11, 711-749 Gastarbeiterproblem 720-722 Gastarbeiter-Treffpunkt 720 Gastarbeiter-Wohnung 720 Gastarbeiter-Zustrom 722 Gäste 717, 719, 720, 729 Gasthirt 256 GAU 638, 640, 643, 660, 661, 664 GAU, chemischer 662 GAU im Gehirn 656 Gay-Pride-Parade 608 Gebärmaschine 573 Gebärzwang 567, 573 Gebilde 309 Geburtenkontrolle 600 Geburtshelfer 546 Gedächtnisölung 230 gedämpfte Vitalität 651 Gedankenaustausch treiben 230 geeignet sein für etwas 177
Index gefecht 421 Gefühle in sich hochkommen lassen 235 Gegengewalt 394, 397, 408 Gegenrüstung 145 gehandicapt 264 geil 233,240 geistige Aufrüstung siehe Aufrüstung, geistige geistige Einheit 336 geistige Umweltverschmutzung 653 geistige Wende siehe Wende, geistige geistig-moralische ZusammenfUhrung 337 geistig unterernährt 220 Gemeineigentum 54, 55 Gemeinsame Agrarpolitik 115 Gemeinsamer Markt 104, 106, 107 Gemeinsames Haus Europa 123, 124 Gemeinschaft 102, 104-106 gemeinschaftlich 103, 104 gemeinschaftsfreundlich/-feindlich 106 gemeinschaftskonform 106 Gemeinschaftsmitglied 105 Gemeinschaftsorgan 105 Gemeinschaftsrecht 105 Gemeinschaftsschule 170, 172 Gemeinschaftsschule, christliche 172 Gemeinschaftsschule, sogenannte chrisdiche 172 Gemeinschaftsstaat 105 Gemeinwirtschaft 27, 54 Gemeinwohl 66 Gemischtwirtschaft 40 Generation 420, 438 Generationenkonflikt 215 generisches Maskulinum siehe Maskulinum, generisches Genickschuß 379 Genußllteiatur 597 Genus und Sexus 538 geplättet 221 GER 318, 320 Gerechtigkeit 83, 84, 184, 390, 400 Gerechtigkeitslücke 87 gerissen 364 germanisch 365
Index
German Wonder 33 Gesamt-/Großdeutschland 97 Gesamt-/Großeuropa 97 gesamtdeutsch 298, 313 gesamtdeutsche Fragen 327 gesamtdeutsche Gespräche 298 Gesamtdeutschland 298 Gesamteuropa 121 gesamteuropäisches Bewußtsein 166 Gesamthaushalt 51 Gesamtschul-Diskussion 188 Gesamtschule 188 geschafft 221 Geschichtsverdrängung 374, 379 Geschlecht 605 Geschlecht, grammatisches 521, 522 Geschlecht, natürliches 521 geschlechtergerechter Sprachgebrauch siehe Sprachgebrauch, geschlechtergerechter Geschlechtliche, das ~ 605 geschlechtliche Begegnung 605 Geschlechtsattraktion 602 geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen siehe Personenbezeichnungen, geschlechtsneutrale geschlechtsspezifische Arbeits- und Rollenverteilung 480, 484, 492-494 Gesellschaft 104, 399 Gesellschaft, dynamische 189 Gesellschaft für Erbgesundheitspflege e.V. 623 gesellschaftliche Leistungszwänge siehe Leistungszwänge, gesellschaftliche Gesellschafts-Sex 602 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft 67 Gesprächsverhalten, geschlechtsspezifisches 519 Gestalten, verwahrloste 225 Gestaltung 356 Gestank 623 Getto 723 Gewalt 408, 6 l 6 Gewalt gegen Frauen 486 Gewerkschaft 3 5 - 9 1
823
Gewinn 390 Gewissensentscheidung 588, 589 Gewissensentscheidung, eigenverantwortliche 589 Gewissensentscheidung, verantwortungsbewußte eigene 586, 589 Gewissensfreiheit 589 Gewitterziege 220 Gift 623-625, 629, 634, 645 giftfest 624 Giftgas 623 gifthart 624 giftig 634 Giftmüllskandale 619 Giftstau 624 Girl 277 Gitterbug 249 Glasnost 279 Glatzen 232, 239 Glatzköpfe 232, 239 Glaubenskrieg 194 Gläubigerin 520 Gleichbehandlung, sprachliche 517-562 Gleichberechtigung, formale 461, 463, 466 Gleichberechtigung, rechtliche 491 Gleichberechtigung, schematische 463, 466, 467 Gleichberechtigung, soziale 491 Gleichberechtigung, totale 463, 466, 467 Gleichberechtigung, volle 462, 467, 468 Gleichberechtigung, Wahlfreiheit, Partnerschaft 495 Gleichberechtigung (von Mann und Frau) 447, 453, 456, 459-473, 476, 477, 491, 492, 494, 495, 496, 500-503, 506, 512, 513 Gleichberechtigungsgesetz 454, 464, 465, 500 Gleiche Bildungschancen für alle 180 gleicher Lohn für gleiche Arbeit 4 5 7 - 4 5 9 gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Leistung 457 gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit 457-458 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft 612
824
gleichgeschlechtliche Unzucht 596 gleichgestellt 460 Gleichheit 181, 183, 184, 189, 399 Gleichmacherei 181, 460, 464, 466, 467 Gleichstellung, mechanische 462 Gleichstellung, schematische 461, 462 Gleichstellung (der Frau) 460, 461, 463, 466, 470, 471, 482, 491, 499, 500-503, 506 Gleichstellungsbeauftragte 500 Gleichstellungsgesetz 500, 512 Gleichstellungsstelle 499, 500 Gleichwertigkeit (von Mann und Frau) 460, 461, 462, 464, 496 globale Verantwortung 706 Global Marketing 263 Globalsteuerung 51, 67 Glykol 652,672 Gnade 436, 440 Godesberger Programm 47, 49, 51, 55, 59, 65, 73 Goebbels der Sowjetzone 371 Goebbels-Vergleich 377 Go-in 228 Go-Ins 407 goldenes Bett 693 Golf Europa 117 Golfkrieg 151, 156, 157 Gorbatschow-Goebbels-Vergleich 379 Gorbi 278 Gorleben soll leben 647 gottlos 365 Grabenkrieg 194 Greens, the 647 Grenzberichtigung 32 Grenze der Versöhnung 291 Grenzen des Sozialstaats 82, 83 Grenzen des Wachstums 630, 631 Grenzfrage 31, 291 Grenzwert 672 Greuelhetze 364 groovy 231 Großberlin 301 Großdeutschland 333 Große-I-Schreibung siehe Binnen-I Große Koalition 65, 66, 68
Index
große Waffen 138 großfranzösisch 99 Großkapital 26 Größte anzunehmende Unklarheit 664 größte denkbare Verschmutzergemeinschaft 114 größter anzunehmender gesellschaftlicher Unfall 664 größter anzunehmender Unfall 638 Größter anzunehmender Unfug 664 group-sex 602 grün 7, 12, 645, 646, 653, 668 Grundbedürfnisstrategie 697 Grundgesetz-Artikel 15 54 Grundlagenvertrag 310, 312, 317 Grundrecht 392 Grundsatzprogramm 59, 72, 76, 77 Grundschule 167 Grundstoffindustrie 53 Grüne 12, 647 Grüne/Gelbe/Braune/Rote Tonnen 619 Grüne Aktion Zukunft 646 Grüne Charta 646 grüne Faust 646 grüne Front 646 Grüne Liste 646 Grüner Bericht 646 Grüne Revolution 646 grüner Katalog 653 Grüner Plan 646 Grüner Punkt 671 grünes Auto 653 grünes Bett 653 grünes Knöllchen 653 Grünes Kreuz 646 grüne Sprache 653 grünes Telephon 653 Grüne Woche 646 Grünsterben 649 Gruppe 4 1 5 , 4 1 6 , 4 2 2 , 4 2 8 Gruppensex 602 Gruppen-Sex 602 Guerilla 412 Guerilla-Krieg 412 Guerilla-Krieger 443
Index Gyros 278 Hair-Design-Center 268 halbstark 217, 218, 229 Halbstarke 211, 216-218 Halbstarke, halbwüchsige 229 Halbstarkenchinesisch 216, 218, 219 Halbstarkentum 218 Halbtagsbeschäftigung 455 hallo 221, 262 Hallstein-Doktrin 297-299 Halt' die Klappe 218 Hamburger 278 Hamburger Abkommen 178, 187 Handicap 260 handicapen 264 Hänflinge 220 Hannover-Messe 263 Hannoversche Messe 264 Happening 253, 386 happy 262 hardware 274 Harrisburg-Störfall 639 hart 364,643 Härte 356 harte Energie 643 harter Kern 414 HAU 665 hauptfeind 420 Hauptschule 178, 179 Hauptstadt der DDR 349 Hauptvariante Bundesrepublik 347 Hauptverdienerin 451, 452 Hausarbeitstag 455 Hausbesetzer 211, 236, 237 Häuserkämpfer 237 Hausfrau 453, 539 Hausfrauenehe 480, 491, 493 Hausfrauen und -männer 534 Hausfriedensbrecher 237 Haushaltshilfe 551 Hausmann 539 Havarie 661,662,665 Hearing 267 Hebammer 546 Hebammerich 546
825
Heilige Geistin 521 Heilige Kühe 694 Heimat 632, 668 Heimatarbeit 632 heimatbezogen 178 heimatlose Ausländer 713 Heimatpflege 620 Heimatrecht 715 Heimatschutz 620 heimatvertrieben 715 Heimatvertriebene 711, 714, 715 Heimkehrer-Ehe 594 Heimkehrer-Krise 594 heiß 231 heißer Krieg 442 helfen Sie sich selbst 264 Helfen statt Strafen 578 Helfen statt Töten 579 Help yourself 264 herkömmliche Entwicklungsländer 705 Herr (Anrede) 543 Herrenbar 599 herrenloses Fahrrad 540 Herrenmagazin 599 Herrenrasse 19, 25, 358, 364 Herr Ober/Frau Oberin 543 Heterosexualität 607 Heulbojen 231 Heureka 110 Hexenjagd 577 Hexenkessel 713 hi 262 high sein 262 Hilfe 699 Hilfe statt Strafe 587 Hilfe zur Selbsthilfe 692 Hindernis 260 hinterfragen 384, 385, 401 Hinterhof der Nation 179 Hinzuverdienen 454 hip 224 Hippie 224, 253 Hippies 211, 223, 224 Hiroshima 139, 142, 148, 655 Historikerstreit 369
826
historische Hauptstadt 301 HJ 11 Hobby 250 Hobel 221 hochbegabt 203, 205 Hochbegabte 202-205 Hochbegabtenfördening 204 Hochbegabung 199, 203, 205 Hochrüstung 146 Hochschulgrade 547-548 Hochsicherheit 429 Hochsicherheits-Gefángnis 421 Höchstwahrscheinlich anzunehmender Unfall 665 höflich 225 Holocaust 576, 642 Hometrainer 260 Homo-Bar 604 Homoeroten 596 homophile Versager 599 Homo-Seuche 613 Homosexualität 599, 604, 607 homosexuell 608 homosexuelle Lebensgemeinschaft 612 Homosexuellen-Seuche 613 Homo-Treff 604 Homo-Welle 608 Honigbiene 566 Honni 278 Hooligan 218 Hooligans 232 Hörerinnen 535 Hörigkeit 261 hormonale Kontrazeption 600 Horror-Kommune 228 Hort antikapitalistischer Strukturreformer 189 Hostess 257 hot 268 hotten 219, 221 humanes Wachstum 75, 79, 80 humanitär 158 humanitäre Hilfe 158 humanitäre Hilfe vor Ort 159 Hund, ein dicker - 220
Index
Hungerzüge 25 Hürdenlauf 578 Hygiene 633 Ibbenbüren 619 I beg you 248 I break together 263 Ich bin ein Ausländer 744 Ich Ich Ich Ich
bin geplättet 220 möchte meinen 264 seh' Sterne 220 werd' zur Minna 220
Ich zähl' bis drei und du stehst im Hemd 220 Identitätsbildung 186 Ideologen-Ei 194 Ideologie 74 Ideologie der Weiblichkeit 475 Ideologiekritik 386 IG der weiblichen und männlichen Kriegsdienstverweigerer, der ehemaligen Zivildiensdeistenden und Pazifisten/innen in der SPD 151 Ignorant 736 ihren Mann stehen 527 Illegale 212 illusionärer Pazifismus 135 Illusionsbunker 222 Imperialismus 409, 688, 695 imperialistische Bluthunde 342 in 19- 264 in die Eier treten 233 Indikation, ethische 564 Indikation, eugenische 564 Indikation, medizinische 564 Indikation, soziale 564, 575, 577 Indikationenregelung 563-592 indirekte Sterilisation 601 Individualismus 59 Individualität 168 individuell/Individualismus 364 individuelle Leistungsentwicklung und Leistungsmotivierung 191 industrielle Entwicklung 691 Industriestandort Deutschland 87, 88, 204 Industriezerstörung 29
Index
Inflation 53, 65, 72, 75 Informationskreis Kernenergie 663 Informationspapier 231 INF-Vertrag 152 Inhaber des Personalausweises 539 inhaltliche Demokratie siehe Demokratie, inhaltliche inhumaner Akkusativ 361 innerdeutsch 308 innerdeutsche Beziehungen 328 innerdeutsche Gespräche 308 innerdeutsche Grenze 311 innerdeutsches Verhältnis 308 Innere Führung 137 innerer Wiederaufbau 25 innere Vereinigung 338 innergemeinschaftlich 105 Inoffizieller Mitarbeiter (IM) 349 Instandbesetzer 237 Institut für Umweltforschung 626 Integration 104, 105, 721, 724, 727, 732 Integrationist 104 Integrationsfähigkeit 727 Integrierter Pflanzenbau 669 Integriertes Entsorgungszentrum 641 integriertes Europa 105 intellektuell 356, 364 Intelligenzler 203 Intendant 736 Interessenausgleich 388 internalisieren 385 international 104 Internationalismus 261, 271 internationalistisch 365 International Refugees Organisation (IRO) 713 Interpretationsehe 230 Interruptio graviditatis 568 Intershop 275 Interventionismus 53 Interventionsarmee 159 Invasion 722, 723 Invasion der Türken 722 Invasion der Türkenkinder 722 Invertierte 596
827
Investitionshilfeabgabe 71 Investitionslenkung 71, 72, 74 IRA 418 irgendwie 235, 236 irre 221, 231, 235, 240 irre viel 240 Ische 221 islamischer Fundamentalismus 156 -ismus 688, 689 Isolationsfolter 419 Itakas 718 italienische Arbeitskräfte 716 Iwan 134 Jahr der Frau 470, 489, 492, 493 James-Dean-Jacken 219 Jammer-Ossi 334 Jauler 231 Jazz 278 jede(r) 535 job 248, 262 Judasgeschäft 746 Jude 364 Judentum 363 jüdisch 365 jüdische Klassenhetze 33 Jugendkriminalität 212 Jugendkultur 216, 223, 231, 232, 239 Jugendliche, marodierende 232 Jugendnot 212 Jugendsprache 211-244 Jugendunterdrückung 390 Jugend von heute 215 Jugendweihe 342 jung 335 Jungbrutalos 232 junge Länder 335 junge Staaten 682 junge Völker 682 Jungnazis 232 Jung-Süchtige 225 Jurafrau 487 Juristinnen 536 Kacke 233 Kahlköpfe 232, 239
828
Index
Kalorienstaat 647
keine Gefühle zulassen 235
kalte Aussperrung 71
Kein Kernkraftwerk in Wyhl
kalten Anschluß 332
und anderswo 647
Kalter Krieg 129, 155, 156, 295, 390, 442
Kern- 642, 643, 647, 657, 663, 664
kalte Sozialisierung 55
Kern-/Klein-/ Rumpf-/Restdeutschland 97
Kameltreiber 719
Kernenergie 640, 656, 663
Kameradschaftsehe 595
Kerneuropa 20, 97
Kampagne für Volksbefragung gegen
Kemkraft - nein danke 647
Remilitarisierung 133
Kernkraftwerk 640, 656
Kampfbund gegen Atomschäden 623
keynesianisch 67, 71, 74
Kampf dem Atomtod 141, 148, 622
Keynesianismus 65
Kampfeinsätze 158
Kid 260
Kanaken 730
Kies 221
Kanne 220
Kind 582
Kanzlermacher 264
Kind, ungeborenes 565, 579, 580, 582
Kapitalismus 26, 40, 41, 390
Kindchenschema 582
Kapitalist 59
Kinder, ungeborene 578, 587
kapitalistisch 41, 42
Kindergärtner 546
kapitalistische Nation 314
Kindersäkändhänd-Laden 277
kapitalistischer Ausbeuterprofit 390
Kinderzimmer, Heim und Herd sind kein
kapitalistische Sklavenhalter 342
ganzes Leben wert! 478
kapitalistisches Suprakartell 97
Kiste 221, 235
Kapitulation 440
KKW 664
Kaputtbesetzer 236, 237
Klammer-Schreibung (LeseKin)) siehe
Karaoke 279
Splitting
Karre 229, 230
Klappen 604
Karrierefrau 474, 475, 485, 487
Klassenkampf 33, 59, 60, 76
Kartell 97
Klassenkampfldeologie 84
Kartoffel-Dressing 247
Klassenkampfparolen 74
Kaschmir-Kinder 231
klassische, alte Entwicklungsländer 705
Kassiererin 551
kleine Atomwaffen 138
Kat 651,672
kleine Eierköpfe 203
Katalysator 651
Klein-Europa 97
katalytischer Nachverbrenner 651
kleine Währungsunion 112
katholisches Bildungsdefizit siehe
Kleinsteuropa 97, 98, 101
Bildungsdefizit, katholisches Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe 684 Katy 651
kleinsteuropäisch 99 Klima-GAU 651 Klimakatastrophe 651 Kloake 623
Katzeimacher 718
Kluft 230
Kauffrau 520
Kneipenszene 240
Kaufmännin 546
Knoff-Hoff-Show 277
Kaulquappe 566, 569
Koalition 262
Kegel 599
Koalition, sozial-liberale 390
Keine Experimente 169
Koexistenz 299
Index Koexistenz der Täuschungen 299 kognitive Operationsmodi 393 Kolle-Filme 602 kollektiver Freizeitpark 88 Kollektivismus 40, 52, 60, 70 kollektivistisch 37, 54 kollektivistische Befehlswirtschaft 49 kollektivistische Planwirtschaftler 42 kollektivistische Wirtschaft 40 Kollektivschuld 19-34 Kollektivschulddiskussion 212 Kölner Leitsätze 62 kolonial 688, 689 koloniale Herrschaft 688 Kolonialismus 688, 689, 694 Kolonialschule 689 Kolonialwarenläden 688 Kolonie 688 Komfort 28 Kommando 423 Kommando Ulrike Meinhof 424 Kommandowirtschaft 40, 49 Kommandowirtschaft, staatliche 40 kommerzialisierte Erotik 597 Kommission 106 Kommission für nachhaltige Entwicklung 704 Kommunarde 227 Kommunarden 228 Kommune 227, 228, 608, 609 Kommune 1 408, 409 Kommune-Brüder 228 Kommunismus 55, 303 kommunistische Repressalien 303 kommunistischer Terror 407 kommunistische Schule siehe Schule, kommunistische kommunistische Störaktionen 303 kompensatorische Gegenrüstung 145 Kondom 615 Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 121 Konfessionsschule 170 Konfitüre 116 Konflikt 584
829
Konföderation 324, 330, 331 Kongreß der Kindertester 203 Konkubinat 594, 595, 602 Konnäktschen 235 Konnektschn 277 konservativ 14, 27, 385 konservativer Leistungswahn 85 konservative Tendenzwende siehe Tendenzwende, konservative Konsortium 104 Konsumexplosion 702 Konsum-Jugend 231 Konsumterror 399 Kontaktinsektizid 625 Kontaktsperre 429 Kontrolletti 278 Konversion 647 Konzentrationslager 300, 362, 377 Konzept, wirtschaftspolitisches 35-91 Konzept Stadtguerilla 411, 412, 413 Konzern 97 Konzertierte Aktion 67, 68, 69, 70 konzertierte Stabilisierungsaktion 68 Konzessionsfrau 507, 510 Kooperation 189, 230, 262 Korea-Konflikt 33 Korea-Krieg 33, 130, 131, 134, 294 Koreapeitsche 221 Korea-Polizeiaktion 33 Körnerfreaks 234 Kosmonaut 252 Kosten der Einheit 62, 87 krank 221, 596, 607 Krankenbruder 546 Krankenpfleger 546 Krankheit 596, 612 kreativer Haß 394 Krebsfutter 231 Krebsstange 231 Krieg 144, 159, 407, 410, 412, 428, 442 Krieg gegen Ungeborene 584 Kriegsdienst 143, 144 Kriegsdienstverweigerung 135, 144 Kriegsdisziplin 420 Kriegs-Ehe 594
830
Kriegseinsätze 158 Kriegserklärung 428 Kriegsfolgenrecht 746 Kriegsgefangenen-Status 418, 420, 443 Kriegsgegner 412 kriegsrechtlich 428 Kriegsschauplätze 412 Kriegssituation 443 Kriminalstory 264 kriminelle Fluchtburg 237 kriminelle Vereinigung 415 kritisch 365 kritische Reflexion 399 Kritische Theorie 385, 386 krokodinabel 231 Kronzeugen 414 Krücken 220 krummnasig 364 KSZE 145 Kuh 120 Kulis der Konjunktur 721 Kulturaustausch treiben 230 kultureller Sozialismus siebe Sozialismus, kultureller Kulturindustrie 386 Kultur-Nation 314 Kulturnation 347 kulturnationale Beziehungen 347 kulturnationale Bindungen 347 Kulturpolitik, christliche 170, 171 Kulturschaffende 356 Kundschafter 349 Kunststoff 621 Kurs auf Europa 111 Kurzstreckenraketen 138, 153 Kutte 229, 230 KZ 372 KZ-Chef 301 KZ-Chef der Zone 373 KZ-Ei 13 KZ-Vergleiche 376 KZ-Zaun 300 Laden 277 Lager 356,358 lahm 231
Index
Lambada 279 Lance 153 Landespflege 632 Landsleute 336 Landsmann 526 Landstraßenjugend 212 land- und forstwirtschaftliche Schmalspurzugmaschine auf Rädern 114 Langzeitarbeitslosigkeit 85 La Ola 279 Lappen 221 lässig 220 Laßt die Pfoten von den Quoten! 508 last (but) not least 260 Lastenausgleich 59, 6 1 - 6 3 , 715 Lastenausgleich, nationaler 62 Lastenausgleich, sozialer 62 Lastenausgleichsgesetz 62, 715 Latzhosenfreaks 231, 234 Laube 251 leasen 264 least developed countries (LLDC) 687 Leben 563-592 Leben, gewordenes 569 Leben, keimendes 564 Leben, menschliches 565, 569, 572, 574, 576, 578, 583, 586, 588 Leben, personales menschliches 579 Leben, ungeborenes 565, 570, 572, 575, 580 Leben, ungeborenes menschliches 570 Leben, vorgeburtliches 579, 589 Leben, werdendes 565, 567, 569, 570, 572, 575, 586 Lebensabschnittsgefährte 617 Lebensqualität 273, 388, 390, 399, 630 Lebensrecht 563-592, 581 Lebensrechder 582 Lebensschutzbewegung 576, 581 Lebensschützer 631 Lebensstandott 88 Lech Walesa 265 Lederjackenträger, muskelunruhige 221 legalisiert 237 Legalisierung der Massenvertreibung 310 Legitimation 385
Index
Lehrer 555 Lehrerinnen und Lehrer 534 Lehrerschwemme 12, 177, 192 Lehrling 268 Leibesfrucht 567, 569, 574 Leichtarbeitsplatz 449 leichte Atomwaffen 138 Leichtlohn 457 Leichtlohngruppe 458, 459 leiern 221 Leihmutterschaft 585 Leistung 43, 168, 189-191, 200, 203, 364 Leistungseliten 198 Leistungsgesellschaft 189, 399 Leistungswettbewerb 43, 47 Leistungszwang 189, 193, 399 Leistungszwänge, gesellschaftliche 191 Lenkung 37, 39 Lenkung der leichten Hand 42, 52 Lenkungswirtschaft 39, 42, 50, 52 Lernen, soziales 186 Lernen und Helfen in Übersee 684 Lernprozesse 399 Lernroboter 193 Lernstrategien 393 Lesben 599 Lesbierinnen 599 lesbische Lebensgemeinschaft 612 lesbische Liebe 599 Leserinnen 535, 536 Leserinnen und Leser 536 Letztentscheid 464, 465, 468 Letztentscheidungsrecht 462, 465, 468 Leukoplastbomber 221 liberalistisch 47 liberal-kapitalistisch-reaktionär 36 Liebesgeneration 225 lifestyle 276 Linguistik, Feministische 517-562 Linie 289, 290 Linie/Grenze 31 linke Sprache siehe Sprache, linke Lockemess 277 logiciel 274
831
Lohngleichheit (von Mann und Frau) 457, 459, 491 Love-in 228, 386 LSD-Reisende 225 LT! 24,356 Lübke-Englisch 263 Lückenbüßer der Wohlstandsgesellschaft 721 Ludwigshafener Grundsatzprogramm 75 Luftverseuchung 634 Lulle 221 Lumpenproletariat, halbwüchsiges 233 Lust-Seuche 605, 612 Maastricht 111, 118 Maastrichter Vertrag 107,110 Machismo 490 Macho 278, 490 Machtergreifung 23, 370 Machtübergabe 23, 381 Machtübernahme 23, 381 machtverteilendes Prinzip 40 Macker 221 Made in Germany 28 Mädel 356, 357 Magister 547 Magistra 547 Mainzelmännchen-Happening 227 Make Love not War 253 Makkaronis 718 Malerin 551 man 559, 560 Management 8 Manager 526 MANchmal 540 mangelnde Verteidigungsbereitschaft 155, 156 Manipulation 386 Männerberufe 448 Männergesellschaft 469, 473 Männerherrschaft 484 Männerlohn 458 Männersprache 517-562, 519 Männer und Frauen sind gleichberechtigt 460, 502 MANNheim 540
832
männlich 475, 477, 487 Männlichkeit 474 Mannweib 475 marché unique 106 Marionettenregime 307 Mark 106 Marketing 8 Markt 106 Marktwirtschaft 35-91, 390, 666 Marktwirtschaft, freie 11, 41, 43-45, 47, 57, 58 Marktwirtschaft, gelenkte 52 Marktwirtschaft, geplante 52 Marktwirtschaft, gesteuerte 73, 74 Marktwirtschaft, liberale 45, 63 Marktwirtschaft, ökologische 72, 77 Marktwirtschaft, ökologische und soziale 77 Marktwirtschaft, soziale 11, 35-91, 45, 47, 106, 666 Marktwirtschaft, sozial gebundene 44 Marktwirtschaft, sozial gesteuerte 44 Marktwirtschaft, sozialistische 52, 66 Marktwirtschaft, sozialökologische 72, 77 Marktwirtschaft, sozial verpflichtete 44 Marktwirtschaft mit freier Preisbildung 41 Marktwirtschaft von links 52 Marmelade 116 Marsch durch die Institutionen 389 marschieren 24 Marshallplan 29, 30 Marshall-Plan 357 Marshallplan-Hilfe 95, 96 Marxismus 38 marxistisch 27 marxistischer Sozialismus siehe Sozialismus, marxistischer Maskulinum, generisches 521-527, 539 Massenarbeitslosigkeit 72, 76, 87 Massenausbildung 197 Massenbetrieb Universität 197 Massenelend 691, 697 Massenkultur 21 Massenmedien 216 Massenmensch 21 Massenmord 572, 576, 580
Index
Massenmordkoalition 20 Massenmordmittel 142 Massenraubmord 638 Massensozialismus 21 Massenvernichtung 566 Massenvernichtungsmittel 140, 142 Massenvernichtungswaffen 142, 148 Massen von Asylbewerbern 743 Maßhalte-Kanzler 66 Maßhalten 66 massive Vergeltung 143 Maßnahmenkatalog 615 Mastensterben 649 materialistisch 365 matériel 274 Mathematik 178 Mauer 300, 303 Mauer der Schande und der Tränen 300 Mauer in den Köpfen 337 Mauerspecht 329 MBFR-Verhandlungen 143 Medienfrau 487 Medizinfrau 487 medizinische Indikation 564 mehr Demokratie wagen 388, 396, 637 Mein Bauch gehört mir 565, 573, 585 meinen 264 Mein Freund ist Ausländer 744 Memminger Hexenprozeß 577 Mensch(enleben) 566, 579 menschliche Erleichterungen 388 menschliches Leben 573 Menschlichkeit 390 Mensch oder Prolet 26 Menschwerdung 567, 569, 570 Metropole des Klassenfeindes 407 Metropolenkampf-Jargon 425 mies 231 Miezen 13 Migrant 736 Milchquote 115 Milchsee 115 Militante 237 militante Neinsager 232 Militäreinsätze 158
Index
militärisch 408 militärische Dienstpflicht 131 Militarisierung 159 Militarismus 133, 157 Militaristen 151 Minderberechtigung (der Frau) 465 Minimaxstrategie 71 Mini-Revoluzzer 407 Minister 526, 548 Minister für Gesundheitswesen 548 Ministerin 520 Ministerium für Atomfragen 621 Ministerium für Familie und Senioren 549 Ministerium für gesamtdeutsche Beziehungen 313 Ministerium fur innerdeutsche Beziehungen 313 Ministerium für Wissenschaft und Forschung 549 Ministerpräsident 555 Ministerpräsidentin 555 Ministerrat der Europäischen Union 107 Mischehe 364, 598 Mischformen 40 Mißbrauch 623 Mißbrauch des Asylrechts 733, 734, 738 Mitarbeit 56, 59 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen 534 Mitberatungsrecht 56 Mitbestimmung 56-61, 68, 71, 186, 189 Mitbestimmung, gewerkschaftliche 58 Mitbestimmung, paritätische 57, 61, 71 Mitbestimmung der Arbeitnehmer 58 Mitbestimmungsrecht 56, 58, 61 Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer 56 Mitbeteiligung 60 Mitbürger 721,729 Mit-Komposita 56 Mitrederecht 57 Mitropa 109 Mitsprache 56, 60 mitteldeutsch 293 Mitteldeutsche 293, 321 Mitteldeutscher Rundfunk 333 Mitteldeutschland 288, 292, 293, 304
833
Mitteleuropa 121-123 Mittelfristige Finanzplanung (MiFriFi) 67 Mittelstreckenraketen 145 Mittelzone 293 Mitverantwortung 60, 189 mitverdienen 452 Mitverdienerin 451 Mitwelt 645 Mitwirkung 56, 57, 60 Mitwirkungsrecht 57 Mob, immatrikulierter, mobilisierter 227 Mobilität 189 moderne Waffen 139 Modernisierung 15, 81, 140, 143, 152-155 Modernisierung dieser Länder 691 Modernisierungswahn 154 modernization 153 modernste Waffen 139 Monopol 97 Monopolkontrolle 47 Montanmitbestimmung 57 Montanmitbestimmungsgesetz 57 Montanunion 96, 108 Mord 566, 576, 580 Morgenthau-Plan 19 Motivation 189 Movierung 522 Muhme 250 Müll- 629 Müll-Lawine 629 Müllplanet 629 Multikultur 728 Multikulturelle Gesellschaft 711, 724, 726-728 multikulturelles Chaos 726 multinationale Gesellschaft 727 multirassische Gesellschaft 730 mündige Gesellschaft 69 mündiger Bürger 388 Mündigkeit 189, 399 Mundraub 25 Munition 421 Music-Box 249 Music Express 277 Muß-Ehe 600
834
Mütterarbeit 456 Mutterfamilie 448 Mutterschaftsideologie 459 Mut zur Erziehung 194 Nachfragebeschränkungen 701 nachhaltige Entwicklung 667, 703, 704 nach Holland fahren 575 Nachkriegsflüchtlinge 712 Nachrüstung 140, 143, 145-149, 153, 154 Nachrüstungsbeschluß 147 Nachrüstungsdebatte 8, 148 Nachrüstungsdiskussion 147 NachrüstungswafFen 145 Nachweltschutz 645 Nackt-Naturalismus 606 Nahrungskette 624, 626 Namensrecht 543-545 Nation 117, 307, 312, 313, 321 national 321, 347, 365 Nationalbudget 51 Nationaler Notstand (im Erziehungswesen) 174 Nationalismus 28 Nationalrausch 332 Nationalsozialismus 355, 361, 362 Nation Europa 93, 102, 124 NATO 129-162 NATO-Beitritt 130, 137, 160 NATO-Doppelbeschluß 153 Natur 475, 623, 626, 631, 669, 670 Naturkunde 178 Naturlehre 178 natürlich 621, 669 natürlich/unnatürlich 597 natürliche Aufgabenteilung 463 natürliche Ordnung (der Ehe und Familie) 462, 463 natürliche Verschiedenheit 463 natürliche Verschiedenheit (von Mann und Frau) 462, 473 Naturschutz 620, 626, 631, 632 Naturschützer 264 Naturschutzjahr 632 naturwidrige Gleichmacherei 463 Nazi-Euthanasie 572
Index
Nazi-Mentalität 358 Nazi-Sprache 355 Nazi-Vergleiche 294, 300, 355, 369, 372, 373, 381 Neger 707 Neger-Aufruhr 707 nehmende Länder 682 Neidsteuer 71 Neinsager, militante 238 Neo-Europäer 98 neo-kolonial 689 Neokolonialismus 688, 689, 690, 694, 695 neo-kolonialistisch 689 neo-liberal 39 Neolibeiale 66 Nervenkrieg 357 neu 335 neuartiger Waldschaden 649, 650 Neubürger 711 Neue Armut 72,81,82,85,86 neue Bundesländer 335 neue deutsche Wehrmacht 131, 136 Neue deutsche Welle 277 neue Entwicklungsländer 703, 705 Neue Frauenbewegung 447, 469-473, 478, 481-483, 485-488, 495, 496, 499 neue Länder 335, 682 Neue Mütterlichkeit 496, 583 Neue Nachdenklichkeit 584 neue Nachrüstung 147 neuer contrat social 68 Neue Soziale Frage 72, 82-85, 400 neue Verantwortung Deutschlands 155 neue Waffen 139 Neue Weiblichkeit 488, 496, 583 Neue Weltwirtschaftsordnung 697, 698, 700 Neuorientierung, realistische 194 Neurüstung 153 Neusprache 640 neutral 135 Neutralisation 135 Neutralisierung 135, 136 Neutralität 15, 130, 135, 136 Neutralitätsparagraph 71
Index
Neutronenbomben 143 Neuvereinigung 326 Newly Industrializing Countries 687 news 248 NIC 687 Nicaragua 700 nichtarisch 364 nichteheliche Gemeinschaft 8 nicht-eheliche Lebensgemeinschaft 609 Nicht-Krieg 149 nicht strukturierter Einheitsbrei 189 Niederlage 22 Nietenhose 219 Nitrat 672 No-Future-Generation 233 NOK für Ostdeutschland 304 Nonstopflug 264 Norderweiterung 109 nordisch 365 Nordseesterben 649 Nord-Süd-Beziehungen 693 Nord-Süd-Dialog 693 Nord-Süd-Kommission 693 Nord-Süd-Konflikt 157, 692, 697, 698, 703 Nord-Süd-Probleme 693 normal 607 normal/abnormal 595, 597 normal/unnormal 616 Normalisierung 304, 312 Not, moralische 212 Nötigung 616 Nodage 577, 578 Notlage, soziale 577 Notlagen-Indikation 565, 570, 575 Notlagenindikation 576, 577 Notlagenindikation, soziale 577 Notstand im Erziehungswesen 174 Notwohnungen 713 Novemberverbrecher 363 NS-Vergleich 566, 572 nudistische Attraktion 597 nuklearer Selbstmord 142 Null-Lösung 151, 152, 153, 154 Null-Option 151 Nulltarif 151
835
Nullwachstum 71, 78, 79, 80, 151 Nurhausfrau 453 Nur-Hausfrau 453, 454, 456, 478, 480 Nylonstrümpfe 13 objektiv 364 obskurer Stamm von Wilden 221 Obstvernichtung 115 octet 274 Oder-Neiße 288 Oder-Neiße-Garantie 291 Oder-Neiße-Grenze 11, 31, 291 Oder-Neiße-Linie 11, 31, 290, 291 oder so 236 OECD 96 Oekologie 628 ofFeneEhe 609 Offene-Ehe-Propagandisten 611 öffentliche Kontrolle 54, 55 Oheim 250 Ohne mich 129, 130 ohne mich-Bewegung 129, 130 Ohnemichel 129 Ohnemichstlmmung 129 ohne mich-Welle 142 okay 262 Okkupationszonen 30 Öko- 645, 654, 669, 670 Öko 669 Öko-Bank 666 Öko-Banker 666 Öko-Diktatur 667 Ökodiktatur 667 Ökofaschismus 668 Öko-Krimineller 648 Ökoladen 277 Öko-Lavamat 669 ökoLinX 664 Ökologie 76, 80, 81, 626-628, 633, 654, 666-668, 672 Ökologie und Ökonomie 666 ökologisch 654,666-670 ökologische Ausgleichsmaßnahme 654 ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft 77 ökologische Linguistik 645
836 ökologische Marktwirtschaft 654-666 ökologischer Holocaust 642 ökologischer Ordnungsrahmen 667 ökologischer Umbau der Industriegesellschaft 666 ökologischer Umbau unserer Industriegesellschaft 77 ökologische Umrüstung der Marktwirtschaft 666 ökologische Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft 666 ökologisch soziale Marktwirtschaft 666 ökologisch und sozial verantwortliches Wirtschaften 77 ökologisch verpflichtete Soziale Marktwirtschaft 77 ökologisierung 666 Öko-Manager des Jahres 669 Öko-Nische 668 Ökonom 555 Ökopädagogik 654 Öko-Plus-System 669 Ökos 231, 238 Öko-Siewamat 669 Öko-Sozialismus 666 Ökosozialprodukt 667 Öko-Sparkonten 666 Öko-Steuem 666 Öko-Terrorismus 619 Oldtimer 260 Ölkrise 71,82,631 Ölpest 624, 627 Ölpreiskrise 631 Ölteppich 645 once more 264 Onkel 250 Onkel-Ehe 594, 595 Opposition 130, 135, 141, 145, 151 orale Empfängnisverhütung 600 orale Kontrazeptionsmethode 600 ordinateur 274 Ordnungsprinzip Demokratie 189 Organisation for Economic Cooperation and Development 96 Organisation for European Economic Cooperation 96
Index organische Ordnung 462 organisieren 357 Orientierungsdaten 68 Ossi 334 Ost- 292, 334 Ost-Berlin 302, 349 Ostblock 301 Ostblockasylanten 736 Ostblockflüchtlinge 736 Ostbürger 334 Ostdeutsche 334 Ostdeutschland 288, 292, 294, 304, 333 Osten 334 Ostermärsche 143 Ostkomposita 334 Ostpolitik 145, 291, 298, 300, 390 Ost-West-Konflikt 156 Ostzone 31, 292 Ostzonen-Polizeiarmee 134 out 266 Outcasts 233 outen 616 Outfit 260 Outing 260, 616 out of area 157,160 Ovulationshemmer 600 Ozonloch 651 Paarformel (Leser und Leserin) siehe Splitting Paneuropa 93 Pankow 295, 321 Pankower Diktatur 296 Pankow-Regime 296 Pansy 596 paramilitärisch 408 Parasiten 719 parlamentarisch-demokratischer Verfassungsstaat 189 Parteigenosse 364 Parteikongreß 364 Parteitag 36, 37, 42, 49, 60, 73, 77, 79, 81, 83 Partner 61, 493 Partnerin 478
Index
Partnerschaft 59-61, 482, 491-496, 507, 602 Partnerschaft, neue 498 Partnerschaft fur den Frieden 160 Partnerschaft für eine weltweite Intervention 160 Partnerschaft für Frieden 160 partnerschaftlich 478,491-494 Partnerschaftsehe 480, 493 Partnerschafts-Ideologie 57 Partnerschafts- und Sexualethik 612 Partnership in peace 160 Partneitausch-Fans 611 Party 249, 252, 277 patriarchalisch 474, 483, 484, 488 patriarchalische Ordnung 470 Patriarchat 469, 470, 473, 475 Patriotismus 28 Pauker 230 pays sous- développés 683 Pazifismus 15, 20, 129, 130, 135, 136, 150, 151 Pazifismus-Nostalgiker 151 Pazifist 135, 151 Pazifisten 151, 157 pazifistisch 148 pazifistische Sekte 135 pazifistisches Gequackele 135 Peace Corps 684 peace enforcing 158 peace keeping 158 peace support 158 Peking 265 Penne 230
837
Personenbezeichnungen, symmetrischer Gebrauch von - 528-531 Personenbezeichnungen in Gesetzestexten siehe Rechts- und Verwaltungssprache, geschlechtsneutrale Perversion des Denkens 143 Pestizid 645 Peters Haus 264 Petticoat 219 Pfanne 220, 230 Pflanzenschutzmittel 645 Pflasterstein 277 Pflegekraft 551 pfundig 220 Phallus, grammatischer 538 Phänomen 303, 309 PHARE 123 Phosphate 672 phosphatfrei 670 Physik 178 Piktogramme 556-557 Pille 601 Pillen-Enzyklika 601 Pincus-Pillen 600 Pizza 278 Planung 37, 39, 50, 51, 53 Planwirtschaft 35-91 Planwirtschaft, freiheitliche 52 Planwirtschaft, totale 41, 49 Planwirtschaft, unsoziale 46 Planwirtschaft, zentralistische 49 planwiitschaftlicher Dirigismus 73, 75 planwirtschaftliche Wirtschaftsführung 42 plattfUßig 364
Penthouse/Penthaus 254 Per 672
Playboy 262, 277, 599
Perestroika 155, 279 permissive Gesellschaft 605 Pershing II 145
Plutoniumminister 658
Persilschein 614 Persilscheine 406
Plutonium-Wahl 658
Personenbezeichnungen 521-524, 533,
Pogromstimmung 615
538, 539, 554 Personenbezeichnungen, geschlechtsneu-
Polente 213
trale 517, 524
Plutonium 643, 657, 658 Plutonium-Staat 647 Plutoniumstaat 657 Plutoniumwirtschaft 657, 658
Politik der Stärke 136 Politikdialog 698-700
838
politische Bildung siehe Bildung, politische politische Erziehung siebe Erziehung, politsche politische Flüchtlinge 713, 734 politische Gemeinschaft 106 politischer Smog 625 Politische Union 106 politisch Verfolgte 734, 739 Politisierung der Gesellschaft 396 Polizeistaat 644 pollution 633 polnische Westgrenze 31 polnisch verwaltete deutsche Ostgebiete 309 Pönalisierung 602 popcorn 277 Popcom-Jugend, harmlos nette 233 popen 275 Popper 231, 233 Porno 606 Pornographie 606, 607 pornographischer Terror 606 Porno-Welle 606 Positive 614 potentielles Entwicklungsland 681 Potsdamer Abkommen 130 Praktikant 736 Praktiker-Eliten 198 Präsi 230 praxisnah 178 Pressemeldungsflut 743 Primitivschule 179 Prinz 277 prisoner 248 Privatisierung 87 Privatkapital 26 Privileg (des Mannes) 464, 465 Problem 722, 745 Problem der deutschen Grenze 291 Produktivität 350 produzieren 645 pro-europäisch 98 Professorin 547 Profit 390, 399
Index
Profitkapitalisten 390 Profitwirtschaft, unsoziale 47 progressiv 385, 388, 397, 399 Promiskuität 600 promiskuitiv 614 Promiskuitive 614 Propaganda 357, 364 Proporz 507-509 Proporz-Dame 507 Proporzdenken 507 Proporzfrau 507 Proporz-Frau 509 Prostitution 599 Provisional Irish Republican Army 418 Provokation 229 Prüderie 593, 595, 610 Prüfungsordnungen siehe Rechts- und Verwaltungssprache, geschlechtsneutiale Pseudo-Europäisierung 98 Pseudo-Krupp 619 Pseudo-Punk 231 Pseudo-Revoluzzer 227 publicity 248 Pullunder 260 Punk 232,233 Punks 231,232,238 Punk-Sprößling 231 Puppe 221 putative Notwehr 406 Putz 230 Putzkraft 551 Qualifikation 177, 193 qualifiziert 177 Qualität 200 Qualität des Lebens 390, 630 qualitativ 631 quality of life 630 Qualle 569 querschießen 357 Querulant 736 Quote 506, 508, 510, 511, 513 Quotenfrau 510, 511 Quoten-Frau 507, 509-512 Quotenregelung 503, 508 Quoten-Tante 510
Index
Quotierung 499, 501, 503, 506, 508-510 Quotierungsgesetz 511, 513 Quotierungsplan 501 Rabatz 230 racism 489 Radau-Knilche 221 radikal 227, 416 radikale Linke 238 Radikalenerlaß 416, 417 Radikalinskis 225 RAF- 438 RAF 379, 416 RAF-Kommando 415, 437 rail and fly 268 Railer 271 Raketenlücke 145 Rambo 278 Randale 230 Randgruppen 84, 85, 405 Rasse 364, 365 rassefremd 365 Rassenunruhen 707 Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe 96 Ratsfrau 548 Ratsherr 526 Ratsherrin 548 Rauch 652 rauchverseuchter Nebel 625 Raum 357, 364 Raumpflegerin 551 reaktionär 26, 27, 398 realisieren 264 Realist 555 realistisch 317 realistische Entspannungspolitik 317 realistische Veitiagspolitik 317 Realo 278 Rechenknecht 257 Rechnen/Raumlehre 178 Recht, über den eigenen Körper selbst zu bestimmen 573 Recht auf Abtreibung 571, 589 Recht auf den eigenen Körper 563 Recht auf Leben 564, 569 Recht der Frau auf Selbstbestimmung 573
839
Rechtsanwältin 520 rechtsfreier Raum 237 Rechtsstaat 350, 392 Rechtsstaatlichkeit 443 Rechts- und Verwaltungssprache 520 Rechts- und Verwaltungssprache, geschlechtsneutrale 552-555 Rechtswende 196 recyceln 264 Recycling 628, 640, 654, 655 Redakteure(innen) 534 Redaktionsfrau 487 redundante Sicherheitssysteme 660 reeducation 23 Re-education 163-165, 167, 168 Referentinnen 536 reflektieren 385, 401 Reform 185-187, 192, 388, 399 Reformbesessenheit 187 Reform des § 218 563-592, 572 Reformdiskussion 178, 185 Reformen, innere 388, 390 Reformer 623 Reformeuphorie 7, 187 Reformitis 185, 187 Reformmüdigkeit 192 Reformpolitik 81, 388 Reformübereifer 187 Reformüberschwang 187 regenerierbar 659 Regierung 222 Regierungskrankenhaus 349 Regierung von Pankow 295 Reich 30, 31, 364 Reichsbahn 31 Reichseinheit 30, 287 Reichskristallnacht 380 Reichspogromnacht 380 Reichspost 31 reinschmeißen 221 Reisefreiheit 329 Rekolonialislerung 703 Remilitarisierung 130-133, 136, 144, 159 Remotivierung 569, 573, 574 Renationalisierung 124
840 Renazifizierung 132 Renommieifrau 507 Rentenkonkubinat 595 Reparation 694 Reparationen 1 1 , 2 9 , 3 0 Repression 386 repressiv 387 repressive Toleranz 394, 399 Republik Deutschland 336 Reservist 428 resistent 624 Restauration 64 Restbedarf 642 Restdeutschland 713 Resteuropa 97 Restrisiko 12, 636, 640, 642, 655, 656, 6 661, 662, 665 Retortenbaby 585 Revolution 187, 386, 392, 393 Revolutionär 696 Revolutionäre Handwerker 238 revolutionäre Identität 406 Revolutionäre Zellen 408, 423 Revolutions-Mythen 433 Rezession 65 Rhein-GAU 662 Richterin 520 Riesen- 97 Rlo-Erklärung 704 Risikogruppe 613 Risikoländer 614 Riß durch Deutschland 286 Robben schützen, Menschen töten 584 Robbensterben 619, 649 Robin Wood 619 Rock 'n' Roll 253 Rock-'n'-Roll-Fanatiker 220 rocken 221 Rocker 229 Rockerbande 229 Rockermilieu 229 Rocky 277 rollen 221 rot 303 Rotation 721
Index
Rotationsprinzip 721 Rote Armee Fraktion 408, 411, 418 Rote Düsenjäger 303 rote Flut 20 Rote Hilfen 419 rote Mauer 300 rote Schikanen 303 rote Schule siehe Schule, rote Rotes Kreuz 646 Rowdy 218, 248 Rückbesinnung auf christliche Werte 195 Rückkehr nach Europa 123 Rückstände 626, 671 rückständige Länder 680 Rumpfeuropa 97 Russen- und Polenplage 712 Rüssl-Räckords 277 Rüstungsbeschluß 147 Rüstungskontrollvereinbamngen 145 Rüstungskonzern 97 Saarstatut 99, 100 safer sex 265 safer-sex-Kampagnen 614 safe sex 265 Saftneger 220 Salmonellen 672 SALT Π 145 SALTI und Π 143 sanft 643, 647, 653 sanfte Chemie 647, 653 sanfte Energie 643 sanfte Geburt 653 sanfte Revolution 327, 328 sanfter Faschismus 653 sanfter Handel 653 sanfter Tourismus 653 sanftes Auto 653 sanftes Ballett 653 Sanierung 87 Satellitenstaat 296 satt 231 sauber 654 Säugling 247 Säureköpfe 225 Saurer Regen 651
841
Index
SBZ 293 scannen 264 Scene 236 schädlich 607 Schadstoff 624, 672 schadstoffarm 654, 670 Scham 617 Schampun/Schampon 264 Schanddiktat 363 Schandmauer 300, 342 Schändung 623 Schein 741 Scheinasylant 734, 739, 741 Scheinasylanten 7 3 8 - 7 4 2 Scheinasylantenlawine 738 Scheinasylantenschwemme 735 Scheinasylantentum 740 Schein-Christ 741 Scheiße 233 Scheißer, autoritärer 231 Scheißtyp 231 Schengener Abkommen 111, 112 Schi 264 Schicksalsgemeinschaft 104 Schießbude 220 Schilfsterben 649 schlagartig 357 Schlägertrupps, rote 232, 238 Schlechterstellung (der Frau) 465 Schlesien bleibt unser 291 Schlesien bleibt unsere Zukunft in einem Europa freier Völker 291 schlichte Weltdeutung 178 Schlosserin 551 Schlüsselindustrien 73 Schlüsselkind 456 Schmachthähne 220 Schmalzler 231 Schmutz 626 Schmutzstoffe 626 Schnalle 220 Schnecke 220 Schneckentempo des Bildungswesens 206 Schrägstrich-Schreibung (Leser/in) siehe Splitting
Schreibkraft 551 Schreibtischmörder 572 Schreibtischtäter 394 schrill 233 Schüblinge 734 Schuld 19 Schulddiskussion 25, 356 Schuldenerlaß 700 Schuldenkrise 693, 700, 701 Schuldenstreichung 700 Schuldprinzip 610 Schule, christliche 170 Schule, humane 193 Schule, kommunistische 168 Schule, menschliche Schule 193 Schule, rote 168 Schule als Zwingburg der Nation 193 Schuleintopf 169 Schülerdeutsch 230 Schülerschwemme 193 Schüler und Schülerinnen 534 Schulgeldfreiheit 168 Schulmisere 191, 192 Schulreform, äußere 172 Schulreform, innere 172 Schulreformpolitik, alliierte 164 Schulstreß 193 Schulsystem, dreigliedriges 169 Schulsystem, vornationalsozialistisches 164 Schulung 357 Schumankriegsplan 97 Schuppen 222 Schutz 632 Schutz der ungeborenen Kinder 586 Schutz des keimenden Lebens 563, 564 Schutz des Lebens 569, 584 Schutz des ungeborenen Kindes 578 Schutz des ungeborenen Lebens 587, 588, 590 Schutz des vorgeburtlichen Lebens 586 Schutz des werdenden Lebens 567 Schutzfront 136 Schutzpolizei 136 Schwangerenberatungsgesetz 578 Schwangerschaft 563-592
842 Schwangerschaft beseitigen 566 Schwangerschaftsabbruch 5 6 3 - 5 9 2 Schwangerschaftsunterbrechung 564, 567, 568, 570, 571 Schwarzer 707 Schwarzer September 420 Schweden-Filme 602 Schwellenländer 687, 688 Schwemme 260, 743 Schwemme von Scheinasylanten 740, 742 schweres Wort 261 Schwindelasylanten 741 schwindendes Bedrohungsgefuhl 155, 156 schwul 599, 604, 608, 611 Schwule 608, 611 Schwulen-Fest 277 Schwulenkneipe 608 Schwulenkrebs 613 Schwulen-Seuche 613 Schwulenszene 240 SDI 111 Sechser- / Neuner- / Zwölfergemeinschaft 105 SED-Regime 300 SED-Staat 300 seelische Verirrung 596 Sekretärin 257 Sektor 357 Sekundärrohstoff 671 Selbständigkeit oder Betreuung 75 Selbstbefreiung 486 Selbstbestimmung 399, 470, 484, 486, 566, 573, 574, 585 Selbstbestimmungsrecht 470 Selbstbestimmungsrecht der Frau 563, 566, 567, 572, 573, 575, 584, 585, 5 8 7 - 5 8 9 Selbstbezichtigungsaktion 569, 571 Selbstentfaltung 473 selbst entscheiden 574 Selbsterfahrung 486 Selbsterfahrungsgruppe 486 Selbstfindung 486 Selbstmordinstrumente 140 Selbstverwirklichung 388, 399, 471, 479, 486, 494, 496 semantischer Kampf 32
Index
Seminar für Umweltschutz 632 Seoul 264 Sero 671 Serviererin 551 Seuche 634 Seveso 639 Seveso ist überall 647 Sex 602, 605, 606 Sex-Appeal 597 Sex-Film 606 Sex-Film-Welle 606 Sex-Flut 605 sexism 489 Sexismus 484, 489 sexistisch 489 sexistischer Sprachgebrauch siehe Sprachgebrauch, sexistischer Sex-Kult 605 Sex-Laden 606 Sexpansion 602 Sexplosion 602 Sex-Schwemme 606 Sex-Seuche 612 Sex-Shop 606 Sexualethik 5 9 3 - 6 1 8 Sexualität 606, 5 9 3 - 6 1 8 Sexual-Lokal 6θ6 Sexualpädagogik 601 sexualrepressive Ethik 593, 595 sexualwissenschaftliche Literatur 602 sexuelle Aufklärung 601 sexuelle Befreiung 603, 605 sexuelle Belästigung 616 sexuelle Freiheit 605 sexuelle Gegenrevolution 613 sexuelle Massenverelendung 605 sexuelle Revolution 603, 604 sexueller Mißbrauch 6 l 6 sexuelles Benehmen 597 Sexus 597 Sexus und Genus 521 Sex-Welle 602, 605, 606 sexy 252 Shampoo 264 Ship 276
Index
843
Shop 257, 277
Solidus
Showmaster
Soljanka 251
260
sich b e ö l e n
120
Sore 213
221
sicheres Drittland 7 3 4
Sorre 213
Sicherheit
Souveränität 440
390
Sicherheitsgarantien
sowjetisch besetztes Deutschlanddrittel
160
Sicherheitsmemorandum Sicherheitspolitik sich öffnen
296
132
sowjetische Besatzungszone
390
Deutschlands
Sieger 22, 24 Sieg im Volkskrieg
309
sowjetisches Marionettenregime in
412
sie ist ein richtiger J u n g e
Ostdeutschland
527
296
Signifikant 7 3 6
Sowjetrußland
Simbabwe
Sowjet-Satellit 307
265
Simultanschule
Sowjetzonenregierung
172
Single-Gesellschaft
617
Sozialabbau 72, 81, 82, 87
228,253,386
soziale Demontage 72, 82, 83, 8 6 Soziale Frage 83, 8 4
594,597,599
sittlich/unsittlich
soziale Hellslehren
598
sittliche Verwahrlosung
234 232
soziale Ungerechtigkeit soziale Zeitbombe
Slip 2 6 0 Slipper 2 6 0 Smog 6 2 4 - 6 2 6 , 6 2 8
303
341
Sozialismus, demokratisch-freiheitlicher
sogenannte Deutsche Demokratische 296
Solidarnosc
38
265,400 265
Solidarpakt 70, 71, 8 7
54
27
Sozialismus, demokratischer 51, 7 3
sogenannte DDR 296
Solidarismus
34
Sozialismus 11, 14, 21, 2 5 - 2 7 , 3 5 - 9 1 , 189,
274
Soldaten sind potentielle Mörder
sozialisieren
730
Sozlalisierungsdebatte
soft 6 4 3
Republik
228
Sozialisierung der Grundstoffindustrien
629
Soft T e c h n o l o g y 6 4 3 sogenannte
Sozialisation
653
85
Sozialisierung 11, 26, 27, 37, 5 3 - 5 5 , 58
602
Sofortprogramm
Solidarität
soziales Netz 8 3 soziale Umweltverschmutzung
Skins 2 3 2
software
sozialer Rechtsstaat 8 4 soziale Symmetrie 69, 7 0
Ski 2 6 4
social-sex
siehe
Marktwirtschaft, soziale
skeptische Generation der achtziger
Skinheads
48
soziale Marktwirtschaft
594
skandinavischer Typ 6 0 4 Jahre
295
sozial 27, 4 5 - 4 8 , 61, 73, 365, 577
Sit-ins 407 Sitte
134
Sowjetzone 293, 295
Simulant 7 3 6
Sit-in
304
Sowjetische Besatzungszone
235
155
Sozialismus, freiheidicher 51 Sozialismus, kultureller 21 Sozialismus, marxistischer 26 Soziallsmus aus chrisdicher Verantwortung
38
Sozialist 36, 38 sozialistisch 27, 38, 41, 53, 75, 8 4 sozialistische Kaderschmiede 187, 189
51
844
sozialistische Nation 314 Sozialistischer Deutscher Studentenbund 469 sozialistischer Jet-Set 86 Sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern 315 Sozialistischer Staat deutscher Nation 315 sozialistischer Versorgungsstaat 73, 75 sozialistischer Zeitgeist 36 sozialistischer Zug der Zeit 39 sozialistisch-marxistisches Gedankengut 39 sozialliberale Bildungspolitik siehe Bildungspolitik, sozialliberale sozial-liberale Koalition siehe Koalition, sozial-liberale Sozialpartner 11, 34, 59-61 Sozialpartnerschaft 59, 60 Sozialpolitik 72, 82-86 sozialpolitisch 61, 81 Sozial-Sprengstoff 730 Sozialstaat 52, 83, 87, 392 Sozial-Symmetrie 70 Spaghettikrieg 115 Spaghettis 718 Spalter-Emblem 288 Spalter-Fahne 287 Spalterwappen 288 Spaltung 286, 287 sparen 71 Sparpolitik 82 Spätaussiedler 745 Spätberufener 231 spätkapitalistisch 398 spät-stalinistische Apparat-Herrschaft 297 SPD-Abitur 206 SPD-Asylant 737 Spekulant 736 Sperrmauer 301 Spezialität 262 Spion 349 Spitzenleistung 199 Splitting 534-535 spontan 235 Spontiszene 240 Sprach-Amazonen 538 Sprache, eindimensionale 387
Index
Sprache, linke 388, 390 Sprache in der verwalteten Welt 359 Sprache und Geschlecht 517-562, 539 Sprachgebrauch, geschlechtergerechter 517-562 Sprachgebrauch, sexistischer 517-562 Sprachkritik, feministische siehe Feministische Sprachkritik Sprachlenkung 21 sprachliche Anbiederung 261 sprachliche Diskriminierung von Frauen siehe Diskriminierung, sprachliche sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern siehe Gleichbehandlung, sprachliche Sprachloyalität 271 Sprachpolitik 267 Sprachwandel 557-560 Spraydose 264 Springflut 738 Sputnik-Schock 173 SS 20 145, 148 SS-Staat 644 Staat 307, 312 Staatenbund 102, 104, 330 Staatenverbund 102, 113 Staaten von Europa 95 staatliche Befehlswirtschaft 40-42 staatliche Einheit 336 staatliche Lenkungsmaßnahmen 74 staatliche Planungskommission 349 staatliche Reglementierung 75 Staatlichkeit 313 Staatsangehörigkeit 313 Staatsbürger 58, 307, 312, 720, 729 Staatsbürger in Uniform 137 staatsbürgerliche Bildung siehe Bildung, staatsbürgerliche staatsbürgerliche Erziehung siehe Erziehung, staatsbürgerliche Staatsbürgerschaft 313 Staatskapitalismus 40, 54 staatsmonopolistischer Kapitalismus (Stamokap) 71 Staatsnation 347 staatsnationales Bewußtsein 347
Index
Staatsnotstand 739 Staatsratsvorsitzender 349 Staatssozialismus 26 Staatsverschuldung 70, 76 Stabilität 67, 70, 78 Stabilitätsgesetz 67 Stabilitätspakt 70 Stachelzaun 300 Stadtguerilla 411 Stadtindianer 236 Stadtmütter und -väter 528 Stadtteil-Fest 277 Stadtväter 528 Staffelhaus 254 Stall 222 Stamm 709 Stammhalter 543 Stamokap-Fraktion 73 Standesbeamter 554 Standesbeamtin 554 Ständige Vertretung 311 Standort Deutschland 88 Star 221, 249 stark 231 Stasi-Akten 349 Stasi-Auflöser 349 Stationierung von Massenvernichtungsmitteln 146 StattAuto 664 statt volkstümlicher Bildung ein höheres Maß an Rationalität 178 Stattzeitung 277 Steckenpferd 250 stehen auf 240 steil 221 Stellenausschreibungen 549-552 stenzen 219 Steuer 97 -Steuerung 74 Stewardeß 269 Stichentscheid 464, 466, 473 Stigmatisierung 357 Stiller Brüter 652 Store 257 Störerpotential, ultralinkes 232, 238
845
Störfall 638, 640, 648, 655, 656, 661, 662 Storiali, intellektueller 655 Störfallverordnung 662 story 248 Straffung überlanger Ausbildungszeiten 206 Strahlenschutz 649 Strahlensmog 619 Strategiediskussionen 393 strategische Bomben 139 Streetgangs 232 Streikparagraph 71 Streß im Klassenzimmer 193 Strichjunge 600 Strip-Tease-Show 597 Strolch 599 Strom 743 Ströme von Fremden 742 Strukturanpassungen 701 strukturelle Gewalt 385, 399 Strukturplan für das Bildungswesen 185 Strukturpolitik 72 strukturpolitische Maßnahmen 74 Studenten, ewige 197 Studentenbewegung 71, 72, 216, 223, 225-231, 384, 385, 401, 469 Studentenrebellion 383, 401 Studentenrevolte 401 Studentinnen und Studenten 534 Studienrat 349 Stunde Null 21 Sub-Kultur 604 Subkultur 608 Subsidiarität 116 Subsidiaritätsprinzip 114, 117 Subventionen 393 Suchtgefährdete, minderjährige 225 Süderweiterung 109 sülzen 220 super 221 Super- 97, 264 Super-GAU 643, 647, 655, 660, 661 SuperGAUdi 664 Superkriegskartell 97 Supermächte 94
846
superraffìtechnisch 220 Superwaffen 139 supranational 103, 104 supranationales Gebilde 103 sustainable development 667, 704 Swinger 614 Symbiose schließen 230 Symmetrie 528-531 Sympathisant 14, 414, 415, 430, 431, 435, 736 Sympathisanten 419, 429-431, 434, 440 Sympathisantenheer 430 Sympathisantenjagd 435 Sympathlsantentum 423 System 363, 397, 398, 660 System kollektiver Sicherheit 135 Systemkonkurrenz 177 systemstabilisierend 398 Systemüberwindung 386, 389, 397 Systemveränderung 397, 398 Szene 240 Tag der Ausländer 729 Tag des ausländischen Mitbürgers 727, 729 Tagesmüttermodell 495 taktische Atomwaffen 138, 139 taktische Waffen 138 Talent-Aktivierung 174 Talentsuche 174 Tannensterben 649 Tante 250 Tarifparteien 61, 68 Tarifpartner 59 Tatort Müll 629 Tatortprinzip 586 Teach-in 228, 253, 386 technologische Lücke 177 technologische Rückständigkeit 173 Teddy-Boys 220 Teenager 249, 252 Teilnehmerinnen 537 Teilzeitarbeit 455, 495 Television 246 Telewischen 277 Tendenzwende 195, 400, 495, 496, 578
Index
Tendenzwende, konservative 194 Termitenstaat 49 territoriale Neuordnung 25 Terror 407 Terror der StraSe 407 Terrorismus 237 Terroristen 416 Terz 277 Testament 230 Testpositive 614 Teufelsgrenze 291 Teufelskreis der Armut 703 thermischer Nachverbrenner 651 tierisch 233, 240 Tiers État 685 Tiers Monde 685 Tintenfisch 566 Tiramlssou 278 Titel 547, 548 Tod 645 Todespille 580 Tokio/Tokyo 265 Toleranz, repressive 228 top 231 Top-Frau 475 totaler Giftkrieg 623 totaler Versorgungsstaat der Funktionäre 75 total geil 240 total spontan 240 Totalverweigerung 144 Tötung 568, 569, 574, 576, 578, 580, 581, 583 Tötungsvorwurf 574, 575, 581, 583 Tötung ungeborener Kinder 566 Tourismus 261 Touropa 109 toxisch 624 Trabant 296 Trabbi 329 Trabi 329 tragbar 357 Traktor 114 trampen 260 Transit-Verkehr 309
Index
Treff 230 Treibhauseffekt 651 Trend 262 Trennungsjahr 610 Treuhandanstalt 87 Treuhandschaft 703, 706 Triebunterdrückung 386 Trikont 686 triumphieren 24 Trizone 28, 286, 295 trübe Tasse 220 Truck 257 Trümmerfrau 448, 498, 499 Truppen-Disziplin 412 Trust 97 tschau 221 Tschernobyl 655, 662 Tschernobyl, kulturelles 655 Tschernobyl, politisches 655 Tschernobyl der Informationstechnik 655 Tschernobyl des Meeres 655 Tschernobyl-Jahr 655 Tschernobyl-Wahl 655 Tüchtigkeit 189 Türken 721, 722, 723 Türkenfeindlichkeit 723 Türkengangs 232 Türken-Komposita 723 türkisch 723 Twen 260 typische Frauenarbeit 457 typische Männerarbeit 457 typisch männlich 475 typisch weiblich 474, 475 Übeltäter 213 Über- 97 überbevölkeiter Hexenkessel .Restdeutschland' 713 Überbevölkerung 713 Überflußgesellschaft 631 Überflutung 260 Überfremdung 7 2 4 , 7 3 0 - 7 3 2 Überführung 711 Überführung der Grundstoffindustrien in Gemeineigentum 54
847
Überfüllung 731 Übergang 655 Übergangsenergie 655 Übergangslösung 655 Überpädagogisierung, gnadenlose 203 Überqualifikation 177 Überredungs-Beratung 578 überrollen 731 Überschuldung 692, 693 Überschwemmung 742, 743 Übersiedler 329,745 Ulbrichts KZ 372 Ulbrichts Schandmauer 300 Ulbrichts Westwall 300 Umbau 659 Umbau des Sozialstaates 83 Umbruch 327, 329 Umerziehung 23, 164, 168 Umfeld 434 umfunktionieren 385, 393, 397 Umlage 97 Umquartierungen 713 Umrüstung 139, 140 Umsiedler 329 umsteigen 657 umsteuern 657 Umverteilung 82 Umverteilungskarussell 86 Umverteilung von unten nach oben 72, 86 Umwelt 12, 624, 626-629, 631, 633, 635, 645, 654, 668-670, 672 Umweltauto 654 Umweltbedrohung 633 Umweltbewußtsein 633 Umwelt-Darlehen 669 Umwelterziehung 654 Umweltethik 673 umweltfeindlich 654, 671 Umweltflüchtlinge 705 Umweltforschung 627 umweltfreundlich 633, 653, 654, 671, 672 umweltfreundlicheres Auto 672 umweltfreundliches Wachstum 631 Umweltfreundlichkeit 672 Umwelt-Gefährdung 628
848
Umwelthysterie 629
Index
-Unterbrechung 568
Umweltkriminalität 648
Unterdrücker 22
Umweltkrise 6 2 7 , 6 3 3
Unterdrückung der Frau 469, 471, 496
Umweltmanagement 669
unterentwickelt 680, 682
Umweltminister 656
unterentwickelte Gebiete 680
Umweltmuffel 648
unterentwickelte Länder 6 8 0 - 6 8 2 , 686
umweltneutral 671
unterentwickelt gehaltene Länder 683
umweltökonomische Gesamtrechnung 667
Untermensch 364
Umweltprobleme 632
Unternehmer 3 5 - 9 1
Umweltschäden 627
Unternehmerschutzwirtschaft 73
umweltschädlich 624
Unterprivilegierte 399
umweltschonend 671
Unterschrift des Inhabers 553
Umweltschutz 72, 76, 80, 81, 620, 626,
Unterwürfigkeit 261
6 2 8 - 6 3 3 , 653, 654
unverheiratetes Paar 609
Umweltsünder 648
unweiblich 473, 474
Umweltsymposium 669
unwertes Leben 358, 364
Umwelttag 654
unwiderlegbare Zerrüttungs-
Umweltverderbnis 633
vermutung 610
Umweltverpester 231
Unzucht 599, 602, 607
Umweltverschmutzung 634, 653
up to date 154
Umweltverseuchung 633, 634
Ureinwohner 708
umweltverträglich 671
US-Regierung 264
umweltverträgliche Entwicklung 704
Utopie 399
Umweltwissenschaft 627
utopisch 231
Unabhängige Ökologen Deutschlands 667 Unauflösbarkeit der Ehe 594 underdeveloped countries 683 undeutsch 365 unehelich 598 Unfreiheit 4 9 , 7 4 Unfriedensbewegung 150 ungeheuer 235 Ungeziefervertilgungsmittel 142 ungültige Mischehe 598 unheimlich 235, 240 Unhold 599 Unikum 278 Unilife 278 Union 102, 103, 104 Unionist 104 Unions-Abitur 206 Unionsbürgerschaft 118 Unkraut 645 Unrat 623 unsozial 48
van driben 713 Väter des Grundgesetzes 527, 528 Vaterland 31, 316 Vaterland der Europäer 99 vaterlandsfeindliche Gesinnung 310, 311 Veitstanzfanatiker 221 Veränderung 397, 399 Veränderungsbereitschaft 189 Verantwortlichkeit, gleichrangige gemeinschaftliche 466 Verantwortlichkeit (von Mann und Frau) 466 Verantwortung 157 Verantwortungsgemeinschaft 316 Verarschung 233 verbrauchen 651 Verbraucherwirtschaft 45 Verbrechensrelativiening 374, 379 Verderbnis 633 Verdeutschungswörterbuch 250 Verdinglichung 386
Index
Verdrängung 357, 371 Vereinbarungen 701 Vereinheitlichung 167, 169 vereinigte Republik 285 Vereinigte Staaten 104 Vereinigte Staaten von Amerika 102 Vereinigte Staaten von Europa 94, 102, 125 Vereinigung 63, 71, 87, 105, 287, 324-326, 422 Vereinnahmung 331 Verfassung 392 Verfassungsrecht 392 Verfassungswirklichkeit 392 Verflachung 172 Verfügungsgewalt der Frau 590 Verfügungsgewalt über das ungeborene Kind 566 Verfügungsrecht 573, 589 Vergangenheitsbewältigung 19, 33 vergemeinschaften 106 Vergesellschaftung 26, 54, 55 Vergeudungsgesellschaft 631 Vergewaltigung 623 Vergewaltigung in der Ehe 616 Vergiß es! 264 Verhältnis 617 Verjauchung 623 verjuden 365 Verkäuferin 551 verlorene Generation 11, 25, 212, 214 verlorenes Jahrzehnt 701 Vermännlichung der Frau 476 Vermassung 624 Vermummte 237 vernegem 365 Vernichtungsschlacht 357 verpesten 623 Verpestung 634 verschandeln 623 Verschmelzung 105, 287 Verschuldensprinzip 594 Verschuldung 72,81,82,87 verseuchen 623 Verseuchung 633, 634
849
Versöhnung 381 Versorgungsstaat 52 Verstaadichung 26, 37, 54, 55, 73-75 Verstaatlichung der Großindustrie 54 Verteidiger 443 Verteidigung 130, 133 Verteidigung der Demokratie 443 Verteidigung der Freiheit 410 Verteidigungsbeitrag 130, 132, 133 Verteidigungsbereitschaft 148 Verteidigungsmittel 139 Vertragsgemeinschaft 330 Vertragsverlängerer 231 Vertrag über die Europäische Union 116 Vertreibung 711, 715 Vertreter 357 Vertriebene 714, 715, 745 Vertriebenenverbände 715 Vertriebener 715 verts, les 647 verunsichern 393 Verwahrlosung 212 Verwaltungswirtschaft, zentrale 49 Verzicht 303, 305, 657, 659 Verzichtspolitiker 305 Vielvölkerstaat Bundesrepublik 727, 728 vier Freiheiten 111 Viertes Reich 11, 29, 30, 333 Vierte Welt 684, 686, 687 Vietnamasylanten 736 Vietniks 224 Volk 364, 365 Völkerbrei 742 Völkermord 638 Völkerwanderung 703, 705 volkhaft 365 volksfremd 365 Volksgemeinschaft 104 Volksgerichtshof-Ton 375 Volkskörper 365 Volksschule 167, 178, 179 Volksstämme 707 volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 51 Vollbeschäftigung 52, 53, 65, 75, 79 Volljuristinnen 536
Index
850
vollwertige Ehe 598 Vom Nebeneinander zum Miteinander 388 vom Wahnsinn umzingelt 220 von-Genitiv 264 vorausschauende Strukturpolitik 74, 75 Vorherrschaft (des Mannes) 465 Vormachtstellung (des Mannes) 465 Vorrangstellung (des Mannes) 465 Vorrecht (des Mannes) 465 Vorrechtsanspruch (des Mannes) 465 Vorrüstung 145, 146, 148 vorweggenommener Mord 601 Vorzimmerin 257 WAA 661 WAAhnsinn 664 Wachstum 71, 78-81, 630 Wachstum, arbeitsplatzschaffendes 79 Wachstum, falsches 631 Wachstum, qualifiziertes, qualitativ gelenktes 79 Wachstum, qualitatives 71 Wachstum, umweltverträgliches 71, 81 Wachstum bremsen 80 Wachstum für alle 76, 78, 79 Wachstumsfetischismus 78, 79 Wachstumsfetischist 631 Wachstumsideologie 78 Wachstum und Lebensqualität 635 waffenstarrend 644 Wahlfreiheit 478, 481, 491, 493-496, 498 Wahlfreiheit, Partnerschaft, Chancengleichheit 491 Wahlkampf 42, 45-47, 50, 55, 74, 75, 77, 78, 82-84 wahnsinnig 235 Währungsreform 29, 35, 36, 43, 45, 46 Währungsschlange 109 Waldbericht 650 Waldmord 649, 650 Waldpfennig 619 Waldschadensstufe 650 Waldsterben 649, 650, 651 Wandel 388 Wanderungsbewegungen 705 Warencharakter 386
Warschauer Pakt 143, 145, 155 Waschautomat 669 Wasserstoffbomben 139 Wegbereiter 429, 440 Wegwerfbeziehung 610 Wegwerfzeitalter 631 Weg zurück nach Auschwitz 576 Wehr 133, 144 Wehrbeitrag 129, 132, 133 Wehrdienst 143, 144 Wehrdienstverweigerer 144 Wehrdienstverweigerung 144 Wehrersatzdienst 143 Wehrerziehung 150 Wehnnacht 131, 136, 137 Wehrunterricht 150 Wehrverfassung 138 Wehrwillen 156 Wehrwirtschaftsrat 97 weiblich 474, 475, 477, 487 Weibliche, das 487 weibliche Homosexualität 599 Weiblichkeit 474, 476 Weiblichkeitsmythos 487 Weiblichkeitswahn 473, 479, 487 weiche/harte Pornographie 607 Wein-Entsorgung 652 Wein-GAU 652 Weiterentwicklung der Artillerie 138 Weiterverwendungsdiskussion 355 Welle 722 Welle der Wirtschaftsflüchtlinge 738 Weltbund zum Schutz des Lebens 623 Weltbürgerkrieg 428, 430, 443 Weltrevolution 406 Weltsensation 622 Weltverbesserer, versponnene 225 weltweite Umweltpartnerschaft 705 Weltwirtschaftskrise 177 Wende 71, 76, 189, 194, 195, 327-329, 348, 400, 576, 583, 698 Wende, geistige 197 Werbegag 264 Werte 166, 194, 196 Werte- und Moralerziehung 195
Index
Wertewandel 196, 497, 563, 579 Wertwandel 196 Wesen der Frau 463, 473, 475, 484 Wessi 334 West 320, 334 West-Berlin 302 Westbürger 334 Westdeutsche 334 Westdeutsche Abbauhelfer 238 westdeutscher Separatstaat 320 Westdeutschland 295, 319 Westen 334 Westeuropa 95 westeuropäische Armee 132 Westgrenze Polens 34 Westintegration 129-131, 134, 137, 294 Westkomposita 334 Westmächte 131 West-Zonenstaat 302 Wettbewerb 43, 50, 52 Wettbewerbswirtschaft 45 Wichse 233 Widerstand 406 Wieder 322, 325, 326 Wiederaufarbeitung 661 Wiederaufbau 75, 448 Wiederaufrüstung 130, 131 Wiederbewaflhung 20, 33, 129, 145 Wiederbewaffnungsdiskussion 129, 143 wieder einmal 264 Wiedergutmachung 13, 378 Wiedervereinigung 322-327, 331, 337 Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit 323 wife swapping 602 wilde Ehe 594, 609 wilde Renten-Ehe 595 Wildkraut 645 Windsurfing 262 Wir Deutsche 336 Wir haben abgetrieben 569, 571 Wir machen uns stark für Europa 113 Wir sind das Volk 328 Wir sind ein Volk 328 Wir sind Europa 115
851
Wirtschaft, freie 4 0 - 4 3 , 45, 47 wirtschaftlich-soziale Einheit 336 Wirtschaftsasylant 738 Wirtschafts-Asylanten 740 Wirtschaftsaufschwung 11, 29, 35, 47, 54, 63,64 Wirtschaftsbürger 58, 59 Wirtschaftsdemokratie 47, 58, 59 Wirtschaftsemigranten 740 Wirtschaftsflüchtling 733, 734, 737-740, 742, 743 Wirtschaftsgutachten 349 Wirtschaftskrise 68, 71, 72, 74, 75, 78, 81, 87 Wirtschaftslenkung 44 wirtschaftsliberal 46, 48, 52, 53 Wirtschaftsliberale 52, 53 Wirtschaftsplanung 50 Wirtschaftspolitik 3 5 - 9 1 Wirtschaftsstandort Deutschland 71, 87, 88 Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland 207 Wirtschaftsuntertan 58 Wirtschaftswachstum 78, 81 Wirtschaftswunder 12, 29, 59, 61, 63, 64, 173, 621 wissenschaftliche Eliten 198 Wochenendhäuschen 251 Wohlfahrtsbetrieb 52 Wohlfahrtsstaat 52 Wohlstand 47, 73, 78 Wohlstand für alle 47, 78 Wohngemeinschaft 609 Wohngruppe 608 Wohnortprinzip 585, 586 Wohnungsbeschlagnahme 713 Wohnungseinweiser 713 Wolke 221 Women's Liberation Movement 483, 489 Wonne, die 220 Wort des Jahres 8 2 , 8 7 Wörterbuch des Unmenschen 24 Wort-Schatz 369 Wuchtbrumme 220 wuchtig 220 Wunder 63, 64, 65
852
Index
Würde der Frau 461, 463
Zone der Unfreiheit 294, 296
Wurzel 220
zu betreuende Länder 682
X-mas 258 X-Wachstum 80 You-Generation 258 Zables 258 Zahlmeister der EG 110,114 Zahn 221 Zahn, einen ~ aufreißen 220 Zeitbombe 730 Zeitgeschehen 357 Zellengebilde 566 Zellgewebe 566 Zellklumpen 579, 582 Zensur 13 Zentrale des Todes 656 zentralistisch 42 Zentralverband der Vertriebenen 715 Zentralverwaltungswlrtschaft 39, 43 Zentralverwaltungswirtschaft, demokratische 40 Zerberus 230 Zerreißung des Vaterlandes 287 zerrissenes Deutschland 285, 287 Zerschlagung 286 zersetzender Pazifismus 135 Zersetzung 254 Zersplitterung 286 Zerstörung 645 Zerstörungskrieg 421 Zerstückelung 34 Zigarettenwährung 13 Zimbabwe 265 Zimtziege 220 Zitterstunden 230 Zivildienst 143, 144 zivile Nutzung der Atomenergie 643 zivile Nutzung der Kernenergie 656 ziviler Ersatzdienst 143 Zölibatsklausel 450, 453 Zone 293, 302
Zucchini 278 Zucht 594 Zugang 309 Zug zum Flug 268 Zurück an den Herd 497 Zusammenarbeit 59, 699 Zusammenbruch 22 zusammenwachsen 327 zusammenwuchern 327 zu seinen Ängsten stehen 235 zu seinen Gefühlen stehen 235 zu seinen Verletzlichkeiten stehen 235 Zustrom 722 Zustrom ausländischer Menschen 738 Zustrom von Asylanten 735 Zustrom von Asylbewerbem 738 Zustrom von Aussiedlern 746 Zuverdlenerin 497 Zuzugssperren 724 Zwang 167 Zwangsanleihe 71 Zwangsarbeiter 712 Zwangsauflage 97 Zwangsberatung 587 Zwangs-Gemeinschaftsschule 172 Zwangsvereinigung 287 Zwangswirtschaft 36, 39, 40, 41, 43, 49 zwei deutsche Staaten 305, 307, 317 zwei deutsche Völker 307 Zweidrittelgesellschaft 72, 81, 86, 87 Zweidrittel-Nation 86 Zweierkiste 603 zweite Bildungsreform siehe Bildungsreform, zweite Zweite Dritte Welt 703, 705 zweite Nachrüstung 147 zweiter .Eiserner Vorhang' 291 zweiter deutscher Staat 307 zweites Wirtschaftswunder 30 Zweite Welt 685,705
PETER VON POLENZ
Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Band II: 17. und 18. Jahrhundert 23,0 χ 15,5 cm. I X , 498 Seiten. 1994. Broschur ISBN 3-11-013436-5. Gebunden 3 - 1 1 - 0 1 4 6 0 8 - 8 de Gruyter Studienbuch Nach dem 1991 erschienenen B a n d I der „Deutschen Sprachgeschichte" legt Peter von Polenz nun den zweiten B a n d dieser völlig neu konzipierten deutschen Sprachgeschichte vor, der dem 17. und 18. J a h r h u n d e r t gewidmet ist - und damit der entscheidenden E p o c h e der Kultivierung der deutschen Sprache als Literatur-, Wissenschafts-, Bildungsund Öffentlichkeitssprache. Grundlage dieses Studienbuchs sind die neuen Schwerpunkte und Fragestellungen, die seit den siebziger J a h r e n an die E r f o r s c h u n g der neueren deutschen Sprachgeschichte herangetragen worden sind: das Verhältnis zwischen Sprachgeschichte und Sozial-, Medien- und K o m m u n i k a t i o n s g e s c h i c h t e ; die Beziehung des Deutschen zum Latein und zum Französischen sowie der Einfluß dieser und anderer Sprachen auf das D e u t s c h e ; Bemühungen und Wirkungen von Sprachideologen, G r a m m a t i k e r n und Wörterbuchschreibern vom Kulturpatriotismus bis zur Volksaufklärung und zum beginnenden N a t i o n a l i s m u s ; Akzeptanz des von G o t t s c h e d propagierten „ H o c h d e u t s c h " in Süddeutschland und Österreich; K o n tinuitäten und U m b r ü c h e belletristischer Literatursprache und deren Folgen für die problematische Entwicklung von Nationalbewußtsein und öffentlicher Sprache. Diese Aspekte leiten unmittelbar über zur neuesten Entwicklung der deutschen Sprache im 19. und 20. J a h r h u n d e r t , die T h e m a von Band III der „Deutschen S p r a c h g e s c h i c h t e " sein wird. Der Band stellt ein problemorientiertes Studienbuch mit ausführlicher Bibliographie für das Germanistikstudium dar.
Band I: Einführung — Grundbegriffe. Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit 18,0 χ 12,0 cm. 380 Seiten. Mit 10 Abbildungen. 1991. Broschur ISBN 3 - 1 1 - 0 1 2 4 5 8 - 0 (Sammlung Göschen, Band 2237)
DE
Walter de Gruyter Berlin
SPRACHE, POLITIK, ÖFFENTLICHKEIT
Sprache im Umbruch Politischer Sprachwandel im Zeichen von „Wende" und „Vereinigung" Herausgegeben
von Armin Burkhardt und K. Peter Fritzsche
23,0 χ 15,5 cm. XXI, 314 Seiten. Mit 1 Abbildung. 1992. Ganzleinen. ISBN 3-11-013613-9 (Band 1) Thema des Buches sind die sprach- und politikwissenschaftlichen Untersuchungen der politischen Sprache in der DDR vor und nach der „Wende". Im Kontext der deutschen Vereinigung und der ersten gesamtdeutschen Wahlen von 1990 werden u. a. folgende Aspekte behandelt: Politische Kultur in der D D R - „Macht des Wortes" - „Wir sind das Volk" - Sprechchöre bei der „Montags-Demo" in Leipzig - Christa Wolfs Streit mit dem „großen Bruder" - Sprache des Umbruchs und ihre Ubersetzung - Sprache der Volkskammer - Schulbücher in der DDR - „Haus Europa" - Die Deutschen und das Deutsche - Gesamtdeutsche Bundestagswahlen - Sprache der Vereinigung.
SABINA SCHROETER
Die Sprache der DDR im Spiegel ihrer Literatur Studien zum DDR-typischen Wortschatz 23,0 χ 15,5 cm. X, 241 Seiten. 1994. Ganzleinen. ISBN 3-11-013808-5 (Band 2) Auf der Grundlage von 35 Romanen und Erzählungen der DDR-Literatur von 1949 bis 1989 wird der DDR-typische Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache untersucht. Die Studie möchte zur Klärung der Beziehungen zwischen Sprache und Gesellschaft bzw. Sprache und Ideologie am Beispiel der DDR beitragen. Aus dem Inhalt: Wortbildung — Wortschatz der Nachkriegszeit — Berufs- und Personenbezeichnungen für Frauen — Komposita mit Volk- — Wortschatz der marxistisch-leninistischen Ideologie - Darstellung Stalins in den Romanen - Wortindex.
Überredung in der Presse Texte, Strategien, Analysen Herausgegeben
von Markku
Moilanen und Liisa
Tiittula
23,0 X 15,5 cm. X, 239 Seiten. Mit zahlreichen Tabellen. 1994. Ganzleinen. ISBN 3-11-014346-1 (Band 3) Thema dieses Bandes sind die Mittel und Strategien der Uberzeugung und der sprachlichen Manipulation. Verschiedene Methoden und Ergebnisse der Analysen bewertender Texte in der Massenkommunikation werden vorgeführt, miteinander verglichen und deren methodologische Grundlagen kritisch besprochen.
w DE
G
Walter de Gruyter Berlin · New York