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German Pages 500 [908] Year 2022
Sudergat Kontopfändung und P-Konto Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Drittschuldnerbearbeitung
RWS-Skript 365
Kontopfändung und P-Konto Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Drittschuldnerbearbeitung 4., wes. erweiterte Auflage
von RA Lutz G. Sudergat, Kirchlinteln-Luttum
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Köln
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Vorwort zur 4. Auflage Das PKoFoG verändert das Kontopfändungsrecht deutlich. Mit dieser zweiten großen Reform nach 2010, aber auch durch die Rechtsprechung, sind seit der letzten Auflage Klarstellungen, aber auch neue Probleme und Fragen entstanden. Auch gesetzgeberisch hat es noch wichtige Ergänzungen gegeben, z. B. durch das ZKG im Jahre 2016, das einen Rechtsanspruch auf ein Basis(P-)Konto brachte. Insofern war es höchste Zeit für diese 4. Neu-Auflage. Der Duktus ist ein anderer: Der „Schuldnerschutz“ dominiert das Kontopfändungsrecht. Interessen der Gläubiger, der unterfinanzierten Schuldnerberatungsstellen, insbesondere der drittschuldnerischen Kreditinstitute, derer sich der Gesetzgeber durch immer mehr Inanspruchnahme und natürlich ohne Kostenersatz bedient, geraten völlig aus dem Blick. Der Gesetzgeber hat zwar stets betont, dass er eine ausgewogene Interessenwahrung aller Beteiligten will, die Rechtsprechung hat das am Ende aber ignoriert. Dem habe ich mich nun gewissermaßen „gebeugt“, weil ein weiteres Kämpfen gegen einen maximalen Schuldnerschutz nur Zeit kostet und die ohnehin knappen und teuren Ressourcen belastet. Um dem Anspruch des Skriptes weiter gerecht zu bleiben, eine Arbeitshilfe für die Praktiker:innen zu sein, habe ich nun meist schuldnerschützende Lösungen aufgezeigt, die das antizipieren, auch im Hinblick auf das PKoFoG. Für einen Don Quijote des ausgewogenen Kontopfändungsrechts war kein Raum mehr. Mein Bestreben ist es, Ihnen wieder ein Werk an die Hand zu geben, das Sie in der täglichen Arbeit unterstützt. Es soll Sie rechtssicher und effizient durch das Kontopfändungsrecht führen. Ich hoffe, ich kann Ihren Ansprüchen wieder gerecht werden und danke Ihnen, den Fachkolleg:innen und dem großartigen Umsetzungs-Projektteam PKoFoG beim DSGV für zahlreiche Impulse und fruchtbare Diskussionen, die hier wieder eingeflossen sind. Mein besonderer Dank gilt Prof. Grote (und Marlene!), dem Vorstand und meinen Mitarbeiter:innen der Kreissparkasse Verden, sowie vor allem den Fachkollegen Dr. Frings (DSGV), Dr. von Oppen (BdB), Dr. Saager und Selzer (beide BVR) und meinem Dozentenkollegen Rainer Hock. Zudem, weil Basis für das so nur mögliche Kapitel „Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten)“, gilt mein Dank den Banken- und Sparkassenverbänden, den beiden Rechenzentren FI und Atruvia sowie vielen einzelnen Sparkassen, Banken, Dienstleistern, Softwarehäusern und der SCHUFA für die Überlassung von – natürlich anonymisierten – Daten zur Kontopfändung, mittels derer ich erstmals validiert aufzeigen konnte, dass der vom Gesetzgeber prognostizierte Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft unterzeichnet ist und nicht annähernd zutrifft.
Kirchlinteln-Luttum, im Februar 2022
Lutz G. Sudergat
V
Vorwort
PS: Wenn Sie Anregungen, interessante Gerichtsentscheidungen oder instruktive Fallbeispiele haben oder Kritik (oder Lob) äußern wollen, schreiben Sie mir gerne: [email protected] oder [email protected]
VI
Vorwort
Vorwort zur 3. Auflage Inzwischen ist auch die zweite Stufe der zum 1.7.2010 in Kraft getretenen Reform des Kontopfändungsschutzes abgeschlossen. Kontopfändungsschutz ist seit 1.1.2012 nur noch mittels eines Pfändungsschutzkontos möglich. Der befürchtete Kollaps durch den Wegfall des alten Pfändungsschutzregimes zum 31.12.2011 ist Gottseidank ausgeblieben, ganz wesentlich aber nur Dank intensivster Bemühungen insbesondere auch der Kreditwirtschaft, die in einem gewaltigen Kraftakt herkömmliche, gepfändete Girokonten rechtzeitig in P-Konten umgewandelt hat, teilweise sogar „zwangsweise“ und auf eigenes Haftungsrisiko. Die Reform lässt aber immer noch weitere Fragen offen. Dazu gehört das nach wie vor ungeklärte Problem debitorischer P-Konten. Aber auch aus der gesetzlich nachgebesserten Monatsanfangsproblematik haben sich neue Fragen ergeben, einmal abgesehen davon, dass die Regelungen inzwischen derart kompliziert geworden sind, dass Laien keine Chance mehr haben, dies zu durchdringen. Ich werde daher versuchen, die Kontodisposition durch Beispiele verständlicher zu machen. In den Fokus geraten ist auch die Frage, ob eine (Verbraucher-)Insolvenz auf ein (Pfändungsschutz-)Konto die gleichen Auswirkungen hat, wie eine eingehende Kontopfändung. Auch hier gäbe es weiteren gesetzlichen Regelungsbedarf. Zur Frage der (höheren) Kontoführungsentgelte für P-Konten hat sich der BGH inzwischen – zwar wenig überzeugend – abschlägig geäußert und damit eine umstrittene Frage entschieden, die es ebenfalls darzustellen galt. Eingearbeitet werden musste beispielsweise auch die Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung – ZVFV) mit der das Bundesministerium der Justiz den Pfändungsgläubiger vorgeschrieben hat, dass seit dem 1.3.2013 für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- (und Überweisungs-)beschlusses Formulare zu verwenden sind. Daneben waren weitere Praxisprobleme und natürlich neueste Gerichtsentscheidungen zu verarbeiten. Und schließlich – um dem ursprünglichen Auftrag des Skriptes, Arbeitshilfe für den PRAKTIKER zu sein, treu zu bleiben, habe ich das Skript um die nicht mehr relevanten Passagen des alten Pfändungsschutzregimes entlastet. Das in der 2. Auflage noch vorhandene Kapitel IX „Der bisherige Pfändungsschutz“ konnte daher komplett entfallen, was eine Neu-Nummerierung notwendig machte. Die mittlerweile dritte Auflage in nur drei Jahren war deshalb in diesem derzeit dynamischen Rechtsgebiet unumgänglich. Mich haben außerdem wieder viele Anregungen, Hinweise, Denkanstöße aus der Praxis und von Fachkolleginnen und -kollegen erreicht, die ich ebenfalls bemüht war zu reflektieren. Ganz herzlichen Dank dafür, insbesondere aber – für einen Autor das größte Kompliment – die rege Nachfrage nach dem Skript, was mich zusätzlich bestätigt und motiviert, nun diese neuerliche Auflage zu präsentieren. Ein Dank geht aber auch wieder an all diejenigen, denen ich die Arbeit an dem Skript leider viel zu häufig gemeinsamen Stunden vorziehen musste, wofür ich erneut um Nachsicht bitte. Verden, im Juni 2013
Lutz G. Sudergat VII
Vorwort
Vorwort zur 2. Auflage Nach wie vor hat die Pfändungsschutzreform noch nicht umfassend überzeugen können. Neben gesetzgeberischen Nachbesserungen, insbesondere zum Monatsanfangsproblem, und weiteren hilfreichen – wie aber auch irritierenden – Gerichtsentscheidungen, haben sich aus der Praxis weitere und neue Fragen ergeben. Insbesondere der Jahreswechsel 2011/2012 wird zeigen, ob ein zweites „Monatsanfangsproblem“ droht, wovon der Verfasser leider ausgeht. Allein der Wegfall des § 55 SGB I und des § 76a EStG oder das ungeklärte Problem debitorischer P-Konten sowie die Frage, ob alte Freistellungsbeschlüsse nun weiter gelten oder nicht, birgt ausreichend „Zündstoff“. Dieser wird leider das Zeug dazu haben, das alte Pfändungsschutzregime mit einem „lauten Knall“ zu verabschieden. Offen ist weiterhin auch die Diskussion um höhere Kontoführungsentgelte, sodass eine zweite Auflage – auch nach vergleichsweise kurzer Zeit – geradezu „zwangsläufig“ war. Nicht zuletzt aber wurde sie auch deswegen notwendig, weil nach den überwältigend positiven Reaktionen auf die erste Auflage, sie schon Mitte 2011 nicht mehr verfügbar war. In diesem Zusammenhang möchte ich für eine äußerst wohlwollende Rezension in der WM Herrn Prof. Georg Bitter, Mannheim, danken, auch für den anregenden fachlichen Austausch. Besonders danken möchte ich aber den Kolleginnen und Kollegen aus dem „Arbeitskreis P-Konto“ beim DSGV unter Führung von Herrn Dr. Hartmut Frings, Berlin. Der Arbeitskreis erweist sich stets als höchst professioneller, einfallsreicher, kreativer und an pragmatischen Lösungen orientierter, nie versiegender Quell. Außerdem haben mich viele Anregungen, Hinweise, Denkanstöße aus der Praxis und von Fachkolleginnen und -kollegen erreicht, für die ich ebenfalls herzlich danke und gleichzeitig aufrufe, nicht nachzulassen. Nicht zuletzt aber gilt der Dank meiner Familie, die mich allzu oft für abendliche Stunden oder an Wochenenden entbehren musste und es tapfer erträgt. Aber das Thema ist einfach zu spannend, um von ihm zu lassen. Trotz Kontroversität in der Sache, ist es mir wichtig an dieser Stelle Frau Ministerialrätin Dr. iur. Silvia Schumacher, Referentin im Referat „Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung“ im Bundesministerium der Justiz, die quasi als „Mutter der P-Kontoreform“ gilt, zu gedenken, die nach schwerer Krankheit im Alter von nur 49 Jahren im November 2010 in Potsdam leider verstorben ist.
Kirchlinteln, im Oktober 2011
VIII
Lutz G. Sudergat
Vorwort
Vorwort zur 1. Auflage Dieses Skript führt sie durch die Kontopfändung und die damit verbundene Drittschuldnerbearbeitung, wobei die Bearbeitung durch ein drittschuldnerisches Kreditinstitut breiten Raum einnimmt. Die Kontopfändung im Allgemeinen sowie deren Neuerungen durch die zum 1.7.2010 in Kraft getretene Reform des Kontopfändungsschutzes im Besonderen bilden den Schwerpunkt. Erste Erfahrungen aus der Praxis sind bereits eingeflossen. Ergänzend dazu, wird die gesamte Pfändung von Ansprüchen, die einem Schuldner gegen sein Kreditinstitut zustehen können, behandelt, wie Ansprüche aus Depot bzw. aus Wertpapierverwahrung, Schließfach, Rückgewähr von Sicherheiten oder die Pfändung von Genossenschaftsanteilen. Ein besonderer Abschnitt ist der effizienten Drittschuldnerbearbeitung, die ausführlich im Skript behandelt wird, und den Bankenentgelten im Zusammenhang mit der Kontopfändung gewidmet. Während die Neuerungen der Reform grundsätzlich dort behandelt werden, wo sie thematisch einzuordnen sind (oder Verweise existieren), wird das Thema P-Konto und (neuer) Pfändungsschutz überwiegend zusammenhängend dargestellt. Das Skript will dabei zweierlei: dem Gläubiger helfen die Kontopfändung richtig auszubringen, dem drittschuldnerischen Kreditinstitut, sie richtig und vor allem effizient zu bearbeiten. Das Skript verliert dabei nie den rechtswissenschaftlichen Anspruch aus dem Auge, aber soll doch in erster Linie Arbeitshilfe für den Praktiker sein. Deshalb enthält dieses Praktiker-Handbuch viele Beispielfälle, Schaubilder, Übersichten und zeigt viele konkrete Problempunkte aus der Praxis (mit Lösungen, hier „Haftungsfallen“ genannt), die – soweit ersichtlich – zum Teil erstmalig in einem zusammenhängenden Kompendium behandelt werden. „Altbekanntes“ wird daher grundsätzlich kurz und knapp behandelt, während Lösungen und Vorschläge für die in der Praxis auftretenden Probleme und Fragen umfänglich angesprochen werden. Dem Praktiker – und selbstverständlich auch der Praktikerin – schnelle, aber gleichwohl fundierte Antworten auf seine Fragen zu geben, war hierbei oberste Maxime. Dargestellt wird deshalb auch nur noch der aktuelle Rechtsstand ab 1.7.2010. Die alte Rechtslage fließt nur noch dort ein, wo es mir für das Verständnis hilfreich oder didaktisch notwendig erschien. Kritik, Anregungen, Wünsche und gerne auch Lob sind ausdrücklich erwünscht. Herzlich lade ich alle Leser ein, mir Ihre Praxiserfahrungen zu berichten; gerne können Sie hierzu folgende E-Mail-Adressen benutzen: [email protected] [email protected] Für Barbara und Cara und für Philipp Weyrauch (†) Verden, im September 2010
Lutz G. Sudergat IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
Vorwort zur 4. Auflage .................................................................................. V Vorwort zur 3. Auflage ............................................................................... VII Vorwort zur 2. Auflage .............................................................................. VIII Vorwort zur 1. Auflage ................................................................................ IX Literaturverzeichnis .................................................................................. XXV I.
Allgemeines zur Kontopfändung .............................................. 1 ........ 1
1.
Bedeutung ..................................................................................... 1 ........ 1
2.
Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten) ....................................................................... 7 a) Anzahl der jährlichen Kontopfändungen bundesweit ...... 10 b) Struktur der Pfändungsgläubiger und -maßnahmen ......... 22 c) Höhe der gepfändeten Forderungen .................................. 27 d) Betroffene Konten (Privatkonten/Geschäftskonten/ Gemeinschaftskonten) ........................................................ 36 e) Mehrfachpfändungen .......................................................... 39 f) Laufzeiten von Kontopfändungen und Erledigungsgründe .................................................................................. 41 g) P-Konten ............................................................................. 48 h) Freibetrags-Strukturen ....................................................... 51 i) Nutzen der Kontopfändungen für Gläubiger ................... 56 j) Kosten der Kontopfändungsbearbeitung .......................... 60
........ ........ ........ ........
2 3 7 8
...... 10 ...... 11 ...... ...... ...... ...... ......
11 12 13 14 15
3.
Rechtsgrundlagen ....................................................................... 69 ...... 17
4.
Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen .................................... 74 a) Antrag des Gläubigers ......................................................... 74 b) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen ................... 109 c) Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen .................... 113
5.
Zuständiges Vollstreckungsorgan ............................................ 115 ...... 33
6.
Parteien der Zwangsvollstreckung ........................................... a) Vollstreckungsgläubiger ................................................... b) Vollstreckungsschuldner .................................................. c) Dritte/Drittschuldner .......................................................
125 125 126 127
...... ...... ...... ......
...... ...... ...... ......
18 18 31 33
35 35 35 35
XI
Inhaltsverzeichnis Rn.
7.
Vollstreckung in Konten allgemein ......................................... a) Bezeichnung der Parteien ................................................. aa) Haftungsfalle: Nach-Identifikation .......................... bb) Haftungsrisiken ......................................................... cc) Vollstreckbarer Anspruch des Gläubigers ............... b) Haftungsfallen: Unterhaltspfändung ............................... aa) Haftungsfalle: Unbestimmte Fälligkeit .................... bb) Haftungsfalle: Dynamisierung .................................. cc) Bezeichnung der zu pfändenden Forderung ............ (1) Haftungsfalle 1: Bestimmtheit ......................... (2) Haftungsfalle 2: vergessene Ansprüche aufgrund Formularzwangs ............................... (3) Haftungsfalle 3: Anlagen zum PfÜB ............... dd) Bezeichnung des Drittschuldners ............................. ee) Drittschuldnerverbot/Arrestatorium ....................... ff) Schuldnergebot/Inhibitorium ................................... gg) Sonstige Anordnungen .............................................. hh) Angabe der Bankverbindung des Gläubigers/ Gläubigervertreters .................................................... c) Überweisungsbeschluss (§ 835) ....................................... d) Zustellung .......................................................................... aa) Zustellung an den Drittschuldner ............................. (1) Haftungsfalle: Ersatzzustellung ....................... (2) Haftungsfalle: Fusion 1 .................................... (3) Haftungsfalle: Fusion 2 .................................... bb) Zustellung per Fax oder E-Mail oder beBPo ........... cc) Zustellung an den Schuldner .....................................
Seite
128 132 143 145 150 154 154 158 189 202
...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
36 36 40 42 43 47 47 49 56 60
204 207 211 232 236 237
...... ...... ...... ...... ...... ......
61 62 64 69 69 70
238 242 255 255 258 276 280 283 293
...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
70 71 74 74 75 82 84 85 87
8.
Arrestpfändung ......................................................................... 295 ...... 88
9.
Vorpfändung/Vorläufiges Zahlungsverbot (§ 845) ................ 299 ...... 89
10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) ................................................................................. a) Übersicht ........................................................................... aa) Europäisches Arrestverfahren und Europäische/s Vorpfändung/Vorläufiges Zahlungsverbot .............. bb) Vorliegen einer „grenzüberschreitenden Rechtssache“ .......................................................................... cc) Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen ........ dd) Kontoinformationsrechte des Gläubigers ................ ee) Bestimmung des Begriffes „Konto“ ......................... ff) Schuldnerschutz ......................................................... b) Abweichungen zur einer nationalen Kontopfändung ..... aa) Umfang der Kontopfändung .................................... bb) Rangverhältnis der Konten .......................................
XII
315 ...... 93 315 ...... 93 323 ...... 95 327 329 331 339 343 346 347 351
...... 96 ...... 97 ...... 97 ...... 99 .... 100 .... 101 .... 101 .... 102
Inhaltsverzeichnis Rn.
c)
Seite
Die Drittschuldnererklärung und Bankenentgelte .......... 353 .... 103 aa) Drittschuldnererklärung ........................................... 353 .... 103 bb) Kein Bankenentgelt für die Drittschuldnerbearbeitung eines EuBvKpf ....................................... 361 .... 106
11. Wirkungen der Pfändung ......................................................... a) Allgemeines ....................................................................... b) Wirkung für den Gläubiger .............................................. c) Wirkung für den Schuldner .............................................. d) Wirkung für den Drittschuldner ...................................... aa) Allgemein ................................................................... bb) Beauftragte, nicht abgeschlossene Weisungen ......... cc) AGB-Pfandrecht ........................................................
364 364 365 366 380 380 404 421
.... .... .... .... .... .... .... ....
106 106 107 107 111 111 117 121
12. Rechtsbehelfe ............................................................................ 429 .... 123 13. Fehlerhafte Beschlüsse ............................................................. 435 .... 125 a) Nichtige Beschlüsse .......................................................... 436 .... 125 b) Anfechtbare Beschlüsse .................................................... 456 .... 130 14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen ................... a) Auswirkungen bei Pfändungen in Nachlasskonten ........ b) Pfändungen in „künftige“ Konten ................................... c) Konkurrenz zwischen Abtretung und Pfändung ............ aa) Abtretung nach einer Pfändung ................................ bb) Beweislast ................................................................... cc) Rückdatierte Abtretungserklärung ........................... dd) Abtretung vor einer Kontopfändung ....................... ee) Abtretung von Kontoguthaben statt Pfändung .......
461 461 465 492 493 497 499 502 504
.... .... .... .... .... .... .... .... ....
131 131 133 140 141 141 141 142 143
II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto) ............................................................. 522 .... 149 1.
Umfang der Pfändung .............................................................. 522 .... 149
2.
Pfändung des gegenwärtigen Saldos (Zustellungssaldo) ........ 540 .... 153
3.
Künftige Salden und Abschlusssaldo ....................................... 544 .... 154 a) Pfändung des künftigen Saldos ........................................ 544 .... 154 b) Pfändung des Abschlusssaldos gekündigter Konten ...... 549 .... 155
4.
Pfändung des Tagessaldos ........................................................ 553 .... 156
5.
Anspruch auf Gutschrift eingehender Beträge ....................... 556 .... 157
6.
Anspruch auf Durchführung von Überweisungen ................. 559 .... 158
7.
Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (Kontoauszüge) ........................................................................ 561 .... 159
8.
Pfändung von prepaid-Konten ................................................ 577 .... 163 XIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
9.
Seite
Konto-Karte (girocard) ............................................................ 580 .... 163
10. Pfändung des Geldkarten-Guthabens ..................................... 582 .... 164 11. Pfändung in Kreditzusagen ...................................................... a) Geduldete Überziehung und eingeräumte Überziehungsmöglichkeit – Definitionen ................................ b) Geduldete Überziehung, § 505 BGB ............................... c) Eingeräumte Überziehungsmöglichkeit (Dispositionskredit) .........................................................
590 .... 165 594 .... 166 595 .... 166 598 .... 167
12. Verfügungsbefugnis über ein Konto ....................................... 609 .... 170 III. Darlehensansprüche ................................................................ 612 .... 171 IV. Pfändung in andere Konten(formen) ................................... 623 .... 173 1.
Sparkonto .................................................................................. a) Gläubigerschaft ................................................................. b) Sparurkunde ....................................................................... aa) Allgemeines ................................................................ bb) Mehrfach-Pfändung bei Sparkonten ......................... c) Kennwort/Sperrvermerke/Kündigungsfristen ................ d) Prämienbegünstigte Sparverträge .....................................
2.
Ansprüche aus Festgeldkonten ................................................ 642 .... 177
3.
Gemeinschaftskonten ............................................................... a) Oder-Konto ....................................................................... b) Und-Konto ........................................................................ c) GbR-Konto .......................................................................
4.
Einzelkaufmann ........................................................................ 682 .... 186
5.
Treuhandkonto ......................................................................... 685 .... 187
6.
Anderkonto ............................................................................... 695 .... 189
7.
Insolvenz-Sonderkonto ............................................................ 699 .... 189 a) Auswirkungen Pfändungen auf bestehende InsolvenzSonderkonten .................................................................... 708 .... 191 b) Insolvenz-Sonderkonten als künftige Konten ................ 712 .... 191
8.
WEG-Konten ............................................................................ 715 .... 193 a) Offenes Treuhandkonto des Verwalters .......................... 722 .... 194 b) Offenes Fremdkonto der WE-Gemeinschaft .................. 723 .... 194
9.
Konto mit Verfügungsbeschränkung für den Kontoinhaber („Sperrkonto“) .......................................................................... 724 .... 194 a) Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) .......................... 726 .... 195 aa) Vor dem Rechtserwerb/vor Eintritt der Bedingung ............................................................ 727 .... 195
XIV
623 624 627 627 629 630 636
645 648 657 664
.... .... .... .... .... .... ....
.... .... .... ....
173 173 174 174 175 176 176
178 179 181 183
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
bb) Nach dem Rechtserwerb/nach Eintritt der Bedingung ............................................................ 728 .... 195 b) Mietkautions-Konten/Pfandrechtsbestellung ................. 730 .... 196 10. Altersvorsorgeverträge ............................................................. a) Riesterverträge ................................................................... b) Haftungsfalle: Riester 1 .................................................... c) Haftungsfalle: Riester 2 .................................................... d) Haftungsfalle: Riester 3 ....................................................
735 742 750 751 752
.... .... .... .... ....
197 199 201 201 201
11. Altersrentenverträge Selbstständiger (Rürup-Rente) ............ 756 .... 202 V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten .................................................................................. 763 .... 205 1.
Depot-Ansprüche ..................................................................... a) Wertpapiere in Sonderverwahrung/StreifbandVerwahrung ....................................................................... b) Wertpapiere in Sammelverwahrung ................................. c) Wertrechte („Bucheffekten“) ...........................................
763 .... 205 769 .... 206 773 .... 207 781 .... 208
2.
Genossenschaftsanteile ............................................................ 783 .... 209
3.
(Bank-)Schließfach/Schrankfach ............................................. 791 .... 211
4.
Rückgewähransprüche/Freigabeanspruch .............................. a) Bestimmtheit ..................................................................... b) Mehrere Rückgewährberechtigte ..................................... c) Grundschuld ...................................................................... d) Bewegliche Sachen (Sicherungsübereignung) ................. e) Forderungen ...................................................................... f) Übererlös ...........................................................................
5.
Pfändung von Kryptowährungen ............................................ 832 .... 219
800 803 806 809 822 826 829
.... .... .... .... .... .... ....
213 214 214 215 216 217 218
VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes ....................... 834 .... 221 1.
Einführung ................................................................................ 834 .... 221
2.
Reformentwicklung .................................................................. 835 .... 221 a) Die erste große Reform 2010 ........................................... 842 .... 222 b) Zweite große Reform 2021, PKoFoG .............................. 845 .... 223
3.
Die Eckpunkte der ersten Reform 2010 .................................. 860 .... 227
4.
Die Eckpunkte des PKoFoG 2021 .......................................... 866 .... 228
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) .............................. 882 .... 233 1.
Anspruchsberechtigte Personen: Nur natürliche Personen ..... 884 .... 233
XV
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
2.
Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreter als berechtigter Antragsteller ................................................... 885 .... 234
3.
Art des Kontos ......................................................................... 893 .... 236
4.
Umwandlungsanspruch ............................................................ 900 .... 238
5.
Versicherung, kein anderes P-Konto zu führen ..................... a) Versicherung des Kunden – Missbrauchsprävention .......................................................................... b) Ablauf des Verfahrens, wenn ein Kunde mehrere P-Konten unterhält ........................................................... c) Folgen der PKonto-Bestimmung .....................................
903 .... 239 904 .... 239 922 .... 242 945 .... 246
6.
Ablehnung der Umwandlung .................................................. 948 .... 247
7.
Kein Anspruch auf Neu-Eröffnung eines P-Kontos .............. 954 .... 250
8.
Umwandlungsanspruch auch bei debitorischem Konto ........ 961 .... 253
9.
P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden ..................... a) Die Konsequenzen des § 850k Abs. 1 Satz 3 ................... b) Zweikonten-Modell – Lösungsmöglichkeiten bei debitorischen P-Konten .............................................. aa) Das „Zwei-Konten-Modell“- der Prototyp nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ........................ bb) Das Zwei-Konten-Modell der Praxis ........................ cc) Entgelte und Sollzinsen bei Zwei-Konten-Modell ....
965 .... 253 968 .... 254 984 .... 261 987 .... 261 992 .... 262 998 .... 263
10. Einrichtungsfristen ................................................................. 1018 .... 267 11. Keine Änderung des Girovertragsverhältnisses durch Umwandlung .......................................................................... 1033 .... 271 12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto .......................... a) Versicherung, auch keinen weiteren Antrag auf Führung eines P-Kontos gestellt zu haben .................... b) Antragsdatum in der Zukunft ........................................ c) Hinweis auf Streitbeilegung ........................................... d) Besondere Vereinbarungen ............................................. aa) Hinweis „Kündigung bei mehrfacher P-Kontounterhaltung“ ........................................................... bb) Vereinbarung über die „Kündigung der Pfändungsschutzfunktion durch den Kontoinhaber (Rückumwandlungsanspruch)“ .............................. cc) Vereinbarung über den Entzug der Nutzung von Kreditkarte, Dispositionskredit, geduldeter Überziehungsmöglichkeit, Scheckausstellung, Dauerauftragsausführung und Lastschrift-Kontingent .....
XVI
1041 .... 273 1045 1054 1057 1058
.... .... .... ....
274 276 276 277
1063 .... 277
1072 .... 281
1075 .... 281
Inhaltsverzeichnis Rn.
dd) Exkurs: Beschränkung der ordentlichen Kündigung von Zusatzleistungen durch Sparkassen ....... ee) Nichtzulassung von Bevollmächtigungen .............. ff) Entzug des online banking-Nutzung ..................... gg) Guthabenregelung ................................................... hh) Entzug des Karten- und Dokumentenservices ......
1094 1098 1102 1104 1111
Seite
.... .... .... .... ....
286 287 288 288 289
13. Fremdwährungskonten .......................................................... 1113 .... 290 14. Prepaid-Kreditkarten-Konten ................................................ 1114 .... 290 15. Paypal und Co. ........................................................................ 1118 .... 291 16. P-Konto als Nachlasskonto ................................................... 1121 .... 292 17. Rückumwandlung P-Konto durch den Kontoinhaber ......... 1125 .... 293 18. Einrichtung PKonto in Abwesenheit des Kunden ............... 1148 .... 299 a) Abwesenheit des Kunden ............................................... 1149 .... 299 b) Fernabsatzrecht ............................................................... 1154 .... 301 VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto ........................... 1157 .... 303 1.
2.
Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899 ............................................. a) Der Grundfreibetrag – der Basisschutz oder die sogenannte Stufe 1 des Kontopfändungsschutzes .... b) Schutz von Guthaben ..................................................... aa) Definition „Guthaben“ ............................................ bb) Kein Herkunftsprinzip im Rahmen des Guthabenschutzes .................................................................... cc) Jährliche Anpassung der Pfändungsfreibeträge ..... c) Keine Anrechnung von Vorverfügungen ....................... d) Berücksichtigung von Verfügungen in Sonderfällen .... aa) Verfügung an Geldautomaten ................................. bb) Verfügungen mittels Kreditkarten .......................... cc) Rücklastschriften ..................................................... dd) Anrechnung von Darlehenstilgungen .................... ee) Keine Überschreitung des Freibetrages ................. ff) Kalendermonat als geschützter Zeitraum .............. e) Rückwirkender Schutz durch Umwandlung ................. f) Übertragung nicht verbrauchten Guthabens ................ g) Einwendungen gegen die Höhe eines pfändungsfreien Betrages ............................................................................ h) Kontoleihe .......................................................................
1159 .... 303 1160 .... 304 1177 .... 309 1178 .... 309 1183 1189 1196 1200 1201 1211 1214 1222 1239 1241 1244 1261
.... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... ....
310 312 315 316 317 320 321 323 328 329 330 336
1286 .... 343 1301 .... 346
Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten ................. 1318 .... 351 a) Anspruch auf Einzelkonten ............................................ 1324 .... 353 b) Anspruch auf neue Einzelkonten ................................... 1363 .... 364
XVII
Inhaltsverzeichnis Rn.
c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) n)
Anspruch auf Umschreibung des vormaligen Gemeinschaftskontos in ein Einzelkonto ................................... Schutz des Guthabens auf dem Gemeinschaftskonto ..... Übertragung des Guthabens im Rahmen des § 850l ..... Abweichende Verteilung des Guthabens ....................... Künftiges Guthaben ........................................................ Pfändungsschutz für übertragenes Guthaben ............... Debitorisches Gemeinschaftskonto ............................... Zeitpunkt der Übertragung des Guthabens .................. Moratorium im Rahmen des § 850l und weitere Wirkungen ....................................................................... Fortsetzung der Pfändungswirkungen .......................... Kontoführungsentgelte im Rahmen des § 850l ............. Übergangsrecht ...............................................................
Seite
1378 1396 1399 1410 1440 1452 1464 1468
.... .... .... .... .... .... .... ....
372 376 376 383 392 397 401 403
1471 1479 1491 1492
.... .... .... ....
403 407 410 411
3.
Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900 ........................................................................................ 1503 .... 416
4.
Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901 ............... a) Verbot der Aufrechnung und Verrechnung auch ohne Kontopfändung ...................................................... b) Verbot der Aufrechnung und Verrechnung ab Kenntnis der Kontopfändung ........................................ c) Pfändungsschutz von Guthaben des § 901 .................... d) Sonderfragen/Übergangsrecht .......................................
5.
Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 ........... a) Erhöhungen wegen Unterhaltspflichten, § 902 Nr. 1a .... b) Erhöhungen bei Entgegennahme von Leistungen i. R. einer Gemeinschaft, § 902 Satz 1 Nr. 1b ....................... c) Erhöhungen bei Entgegennahme von Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, § 902 Satz 1 Nr. 1c ............................................................................... d) Erhöhungen einmalige Sozialleistungen und Geldleistungen zum Ausgleich des durch einen Körper oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwandes, § 902 Satz 1 Nr. 2 ............................................................ e) Erhöhung aufgrund von Geldleistungen, die nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ gewährt werden, § 902 Satz 1 Nr. 3 .............................................. f) Erhöhungen aufgrund von Geldleistungen nach SGB II und XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz, § 902 Satz 1 Nr. 4 ............................................................ g) Erhöhung durch Kindergeld und andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder, § 902 Satz 1 Nr. 5 ..............
XVIII
1526 .... 426 1542 .... 429 1591 .... 444 1593 .... 445 1597 .... 447 1605 .... 449 1614 .... 450 1637 .... 457
1641 .... 458
1642 .... 459
1652 .... 461
1654 .... 462 1658 .... 463
Inhaltsverzeichnis Rn.
h) Erhöhung durch Geldleistungen, die dem Schuldner nach landesrechtlichen oder (anderen) bundesrechtlichen Rechtsvorschriften gewährt werden, in welchen die Unpfändbarkeit der Geldleistung festgelegt wird, § 902 Satz 1 Nr. 6 ............................................................ aa) Allgemeines .............................................................. bb) Exkurs: Corona-Soforthilfen/staatliche CoronaGeldleistungen ......................................................... (1) Staatliche Hilfen bei Gutschrift auf ein P-Konto ........................................................... (2) Abhilfe durch den § 902 Satz 1 Nr. 6 ............ (3) Hilfen bei Gutschrift auf ein Nicht-PKonto ............................................................... i) Übertragung Guthaben aus Erhöhungsbeträgen .......... 6.
7.
Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 .... a) Gutglaubensschutz .......................................................... b) Aussteller der Bescheinigungen ..................................... aa) Familienkassen, Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen ..................... bb) Arbeitgeber .............................................................. cc) Geeignete Person oder Stelle .................................. c) Befristete und unbefristete Bescheinigungen ................ d) Verpflichtung zur Ausstellung von Bescheinigungen ..... e) Inhaltliche Vorgaben für Bescheinigungen .................... f) Fristbeginn zur Beachtung der bescheinigten Erhöhungsbeträge ........................................................... g) Zeitpunkt der Berücksichtigung vorgelegter Bescheinigungen .......................................................................... h) Geltungsdauer einer Bescheinigung ............................... i) Alter vorgelegter Bescheinigungen ................................ j) Rückwirkung bei Bescheinigungen ................................ k) Prüfungspflichten der Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Bescheinigung ........................................... l) Übergangsrecht ............................................................... Nachzahlung von Leistungen, § 904 ..................................... a) Nachgezahlte Geldleistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 1b oder 1c oder Nr. 4 bis 6, § 904 Abs. 1 ............................ b) Andere laufende Geldleistungen SGB sowie Arbeitseinkommen, § 904 Abs. 2 ............................................... c) Die Berechnung der Verteilung eines Nachzahlungsbetrages, der 500 € überschreitet, § 904 Abs. 3 ............. d) Zuständigkeiten für die Verteilungsberechnung ...........
Seite
1679 .... 471 1680 .... 471 1684 .... 472 1689 .... 475 1705 .... 478 1709 .... 479 1714 .... 480 1715 .... 480 1742 .... 487 1746 .... 488
1753 1755 1762 1768 1803 1806
.... .... .... .... .... ....
490 490 492 494 503 504
1814 .... 507 1821 1824 1831 1843
.... .... .... ....
510 511 513 516
1850 .... 518 1883 .... 528 1886 .... 529 1896 .... 532 1901 .... 535 1905 .... 537 1909 .... 540
XIX
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
8.
Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905 ......................................................... 1920 .... 542 a) Voraussetzungen für die Anrufung des Vollstreckungsgerichts ............................................................................. 1932 .... 546 b) Hinweis auf die Festsetzung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben ........................................................ 1958 .... 553
9.
Auslegungsfragen zu den gerichtlichen Beschlüssen nach § 904 und § 905 .............................................................. 1960 .... 554 a) Kontobezogenheit: ......................................................... 1961 .... 554 b) Das Bemühen beim Ersuchen um Erteilung einer Bescheinigung im Rahmen des § 905 ............................. 1962 .... 554
10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages durch das Vollstreckungsgericht, § 906 ................................ a) Die Regelung des § 906 Abs. 1 ....................................... b) Die Regelung des § 906 Abs. 2 ....................................... c) Die Vorgaben für das Vollstreckungsgericht, § 906 Abs. 3 ..................................................................... aa) Grundsatz, einen konkret bezifferten Betrag festzusetzen, § 906 Abs. 3 Nr. 1 ............................. bb) Weitere Vorgaben für das Vollstreckungsgericht .... d) Übertragbarkeit der durch das Vollstreckungsgericht freigestellten Beträge, § 906 Abs. 4: ...............................
1968 .... 555 1971 .... 556 1984 .... 559 1995 .... 562 1996 .... 562 2070 .... 587 2075 .... 588
11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907 ............................................................ 2079 .... 589 a) Voraussetzungen für die Festsetzung einer befristeten Unpfändbarkeit ............................................................... 2087 .... 591 b) Weitere Pflichten, Auswirkungen und Haftungsfallen ................................................................................. 2128 .... 600 IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908 .................... 2160 .... 607 1.
Auszahlungspflicht ................................................................. 2161 .... 607
2.
Mitteilungspflichten ............................................................... 2168 .... 608
3.
Wie müssen die Mitteilungspflichten erfüllt werden? .......... 2179 .... 610
4.
Wie häufig müssen die Mitteilungspflichten erfolgen? ........ 2190 .... 614
5.
Ankündigungspflicht des § 908 Abs. 3 .................................. 2199 .... 617
X. Datenweitergabe und Löschungspflichten, § 909 ZPO .... 2206 .... 621 1.
Auskunfteien-Meldeverfahren ............................................... 2208 .... 621
2.
Mitteilungsbefugnis ................................................................ 2212 .... 622
XX
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
3.
Anfrage- und Auskunftsbefugnis .......................................... 2224 .... 624
4.
Löschungspflichten ................................................................ 2242 .... 628
XI. Verwaltungsvollstreckung, § 910 ........................................ 2246 .... 629 XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen ............................................................................ 2265 .... 633 1.
Ende/Beendigung einer Kontopfändung .............................. a) Der Verzicht auf die Pfändung und Überweisung durch den Pfändungsgläubiger, § 843 ............................ b) Gerichtliche Aufhebung der Pfändung .......................... c) Beendigung durch vollständige Begleichung der Pfändungsforderung .......................................................
2265 .... 633 2266 .... 633 2275 .... 634 2286 .... 637
2.
Die Zahlungsmoratorien des § 835 ........................................ 2289 .... 638
3.
Pfändungsschutz für sonstige Einkommen, § 850i .............. 2324 .... 647
4.
(P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz ........... a) Auswirkungen auf Konten und Verfügungsbefugnisse ........................................................................ aa) Außergerichtliche Schuldenbereinigung ................ bb) Gerichtliche Schuldenbereinigung .......................... cc) Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren ........ (1) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters ohne Verfügungsverbot .................................. (2) Nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 .... (3) Nach Anordnung der Untersagung und einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ................ dd) Keine Eröffnung des Verfahrens ............................ ee) Eröffnung des Verfahrens ....................................... ff) Aufhebung des Verfahrens ...................................... gg) Wohlverhaltensphase ............................................... hh) Restschuldbefreiung ................................................ b) Auswirkungen auf P-Konten und Verfügungsbefugnisse ........................................................................ aa) Fortbestand des P-Kontos in der Phase vor Verfahrenseröffnung ..................................................... bb) Verfügungsbefugnisse beim PKonto ...................... cc) Keine Eröffnung des Verfahrens ............................ dd) Eröffnung des Verfahrens ....................................... ee) Nach Aufhebung oder nach Abschluss des Insolvenzverfahrens .........................................................
2347 .... 653 2356 2357 2359 2361
.... .... .... ....
656 656 656 657
2362 .... 657 2372 .... 659
2377 2383 2385 2398 2399 2404
.... .... .... .... .... ....
659 661 661 664 664 665
2406 .... 665 2408 2413 2424 2426
.... .... .... ....
665 666 669 669
2468 .... 677
XXI
Inhaltsverzeichnis Rn.
c)
Auswirkungen auf bestehende Kontopfändungen ........ aa) In der außergerichtliche Schuldenbereinigung ...... bb) In der gerichtlichen Schuldenbereinigung .............. cc) Im Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren .... (1) Bei Einsetzung eines vorläufigen Verwalters ohne Verfügungsverbot .................................. (2) Nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 .... (3) Nach Anordnung der Untersagung und einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ................ dd) Nicht eröffnetes Verfahren ..................................... ee) Verfahrenseröffnung ............................................... ff) Exkurs: Rückschlagsperre ....................................... gg) Verfahrensaufhebung .............................................. hh) Wohlverhaltensphase ............................................... ii) Restschuldbefreiung ................................................ d) Auswirkungen auf neu ausgebrachte Kontopfändungen ...................................................................... aa) Außergerichtliche Schuldenbereinigung ................ bb) Gerichtliche Schuldenbereinigung .......................... cc) Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren ........ (1) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters ohne Verfügungsverbot .................................. (2) Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 .................. (3) Nach Anordnung der Untersagung und einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ................ dd) Keine Verfahrenseröffnung ..................................... ee) Verfahrenseröffnung ............................................... ff) Verfahrensaufhebung .............................................. gg) Wohlverhaltensphase ............................................... hh) Restschuldbefreiung ................................................ e) Freigabe von Konten oder Guthaben aus der Masse .... f) Exkurs: Lastschrift-Widerruf in der Insolvenz .............
2472 2473 2475 2477
Seite
.... .... .... ....
678 678 678 679
2483 .... 680 2484 .... 680
2488 2492 2496 2502 2533 2538 2541
.... .... .... .... .... .... ....
681 682 682 683 691 692 693
2544 2545 2547 2549
.... .... .... ....
694 694 694 694
2550 .... 694 2552 .... 695
2554 2561 2562 2566 2567 2571 2572 2594
.... .... .... .... .... .... .... ....
695 697 697 698 698 698 699 704
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung .............................. 2603 .... 707 1.
Drittschuldnererklärung ........................................................ a) Verpflichtung des Drittschuldners ................................ b) Inhalt der Erklärung ........................................................ aa) Allgemeines .............................................................. bb) Zahlungsbereitschaft ............................................... cc) Ansprüche anderer Personen .................................. dd) Vorrangige Ansprüche Dritter ................................
XXII
2603 2604 2632 2633 2641 2647 2649
.... .... .... .... .... .... ....
707 707 716 716 718 720 721
Inhaltsverzeichnis Rn.
ee) Weitergehende Drittschuldnererklärung für P-Konto und Gemeinschaftskonto .................. (1) Auskunft über eine befristete Unpfändbarkeit nach § 907 ........................................................ (2) Auskunft über ein P-Konto und Gemeinschaftskonto .................................................... (3) Auskunft über ein Gemeinschaftskonto .......
Seite
2653 .... 722 2655 .... 723 2659 .... 723 2672 .... 726
2.
Kein einklagbarer Anspruch auf Auskunftserteilung ........... 2684 .... 728
3.
Zeitpunkt und Frist zur Abgabe der Erklärung .................... 2686 .... 728 a) Zwei-Wochen-Frist ......................................................... 2687 .... 729 b) Folgen nicht rechtzeitiger Abgabe/Nicht-Abgabe ....... 2693 .... 730
4.
Wiederholte Drittschuldnererklärung ................................... 2701 .... 731
5.
Risiken der Drittschuldnererklärung bei mehreren PfÜBs desselben Gläubigers .............................................................. 2716 .... 734
6.
Einstweilige Einstellung ......................................................... 2722 .... 735
7.
Pfändungsbenachrichtigung des Schuldners ......................... 2726 .... 736
8.
IT-unterstützte Pfändungsbearbeitung ................................. 2738 .... 739
9.
Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung ................................. a) Zulässigkeit ...................................................................... b) Keine Akzeptanz durch Drittschuldner ........................ c) Sonderfall: § 258 AO – Vollstreckungsaufschub .......... d) Sonderfall abweichende Bestimmung pfändungsfreier Beträge im Rahmen des Landes-Verwaltungsvollstreckung ......................................................................... e) Ruhendstellung/Aussetzung beim P-Konto .................
2752 2753 2760 2776
.... .... .... ....
741 741 743 746
2794 .... 751 2799 .... 752
10. Mehrfach-Pfändungen/Hinterlegung .................................... 2812 .... 756 11. Bereicherungsausgleich bei Fehlzahlungen durch Drittschuldner ................................................................................. 2817 .... 758 XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle ...................................... 2824 .... 761 1.
Entgelte für die Pfändungsbearbeitung – Allgemein ............ 2833 .... 763
2.
Entgelt bei „Missbrauchs-Pfändungen“ ................................ 2840 .... 765
3.
Kontoführungs-Modelle ........................................................ 2842 .... 765
4.
Entgelt bei Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung .............. 2848 .... 766
5.
Weitere unzulässige Entgelt-Möglichkeiten ......................... 2853 .... 768
6.
Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto .................... 2857 .... 768 a) Umwandlung ................................................................... 2858 .... 769 XXIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
b) c) d) e)
Rückumwandlung ........................................................... Höheres Kontoführungsentgelt für P-Konten ............. Entgeltgestaltungs-Alternativen .................................... Auslagen Dritter ..............................................................
2863 2865 2888 2906
Seite
.... .... .... ....
769 770 775 779
XV. Kündigungsmöglichkeiten eines Zahlungskontos bei Vorliegen einer Kontopfändung .................................. 2908 .... 781 XVI. Epilog .................................................................................... 2933 .... 787 Anhang 1 ....................................................................................................... 791 Anhang 2 ....................................................................................................... 794 Anhang 2a ..................................................................................................... 795 Anhang 2b ..................................................................................................... 796 Anhang 3 ....................................................................................................... 797 Anhang 3a ..................................................................................................... 804 Anhang 4 ....................................................................................................... 806 Anhang 4a ..................................................................................................... 807 Anhang 4b ..................................................................................................... 815 Anhang 5 ....................................................................................................... 818 Anhang 6 ....................................................................................................... 828 Anhang 7 ....................................................................................................... 839 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 849
XXIV
Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Andres/Leithaus Insolvenzordnung, 4. Aufl., 2018 (zit.: Andres/Leithaus-Bearbeiter, InsO) Assmann/Schütze/Buck-Heeb Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl., 2020 (zit.: Assmann-Bearbeiter, KapitalanlageR) Beckscher Online-Kommentar BGB 58. Ed., Stand: 1.5.2021 (zit.: BeckOK BGB/Bearbeiter) Beckscher Online-Kommentar ZPO 40. Ed., Stand: 1.3.2021 (zit.: BeckOK ZPO/Bearbeiter) Braun InsO, Kommentar, 8. Aufl., 2020 (zit.: Braun-Bearbeiter, InsO) Bülow/Artz Kommentar zum Zahlungskontengesetz (ZKG), 1. Aufl., 2017 (zit.: Bülow/Artz-Bearbeiter, ZKG) Bunte/Zahrte AGB-Banken und Sonderbedingungen, 5. Aufl., 2019 (zit.: Bunte/Zahrte-Bearbeiter, AGB) Canaris Bankvertragsrecht, 2. Aufl., 1981 Cranshaw Drittschuldnerkommentar Kreditwirtschaft 2021 (zit.: Bearbeiter in: Cranshaw, DS-Komm.) Damm Zwangsvollstreckung für Anfänger, Lehrbuch, 13. Aufl., 2021 Ehlenz/Diefenbach Pfändung in Bankkonten und andere Vermögenswerte, 7. Aufl., 2010 Ellenberger/Bunte Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter, in: Bankrechts-Hdb.) Frings/Lücke/v. Oppen/Saager/Selzer Das Pfändungsschutzkonto, Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft, 3. Aufl., 2021
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Goebel Kontopfändung unter veränderten Rahmenbedingungen, 1. Aufl., 2009 Gottwald/Haas Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter, in: Gottwald/Haas) Großkommentar zur ZPO Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann (Gesamt-Hrsg); Köndgen (Hrsg.); Stand 1.2.2022 (zit.: Bearbeiter, in BeckOGK, ZKG) Groth/Homann/Hornung/Maltry/Richter/Tiffe/Zimmermann/Zipf (Hrsg.) Praxishandbuch Schuldnerberatung, Stand: Lfg. Nr. 29/April 2021 (zit.: Bearbeiter, in: Praxishandbuch Schuldnerberatung) Hadatsch/Wagner Pfändungsbeschluss und Drittschuldnererklärung, 9. Aufl., 2011 Hau/Poseck (Hrsg.) Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 59. Edition (zit.: BeckOK BGB/Bearbeiter BGB) Hellner/Steuer (Hrsg.) Bankrecht und Bankpraxis, 4. Aufl., 105/125/142 Lfg. (zit.: Bearbeiter, in: BuB) Henning/Lackmann/Rein Privatinsolvenz, 1. Aufl., 2020 Herzog/Achtelik Geldwäschegesetz (GwG), 4. Aufl., 2020 (zit.: Herzog/Achtelik-Bearbeiter, GwG) Heuser Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG), Kommentar für die Praxis, 1. Aufl., 2020 Hey/Kreuznacht/Voß (Hrsg.) Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, 4. Aufl., 2019 Institut für Finanzdienstleitungen (Iff) Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009, Schlussbericht vom 1.2.2016 Jurgeleit Die Haftung des Drittschuldners, 2. Aufl., 2004 Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung 8. Aufl., 2019 (zit.: Bearbeiter, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung)
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XLI
I. Allgemeines zur Kontopfändung 1. Bedeutung Die Verschuldungsquote ist in Deutschland mit wenigen Schwankungen seit 1 2004 bis 2020 kontinuierlich angestiegen, lag 2016 – nach dem Zenit 2007 – erstmals seit 2008 wieder über 10 % und hat sich selbst in den prosperierenden Vor-Coronajahren über diesem Niveau gehalten (siehe Schaubild; Einwohnerzahlen: © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021).
Erst 2020 und 2021, also erstaunlicherweise in den Coronajahren, ist die Ver- 2 schuldung trotz der pandemischen Auswirkungen auf einen historischen Tiefststand gesunken. Die Creditreform spricht deshalb auch von einem „Überschuldungs-Paradoxon“. Aber: 6,16 Millionen Bewohner Deutschlands (also knapp unter 9 % der Männer und Frauen oder 3,08 Mio. Haushalte) gelten als überschuldet. Offensichtlich haben die massiven und auch langandauernden staatlichen Hilfsgelder und Zuschüsse sowie Moratorien, Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen Unternehmen gestützt und damit auch Arbeitsplätze gesichert und Verbraucher zunächst vor einer steigenden Überschuldung bewahrt. Es ist aber lt. Creditreform damit zu rechnen, dass eine zeitverzögerte und Langzeitwirkung der Coronafolgen auftritt. Abzuwarten wird auch bleiben, wie der Umstand gestörter Lieferketten, steigender Energiepreise und die steigende Inflation sich auswirken werden, von weiteren Lockdowns ganz zu schweigen. Der starke Inflationsanstieg ab Mitte 2021 mag ein erstes Anzeichen dafür sein. Zudem wird sich die coronabedingte Ausgabenvorsicht und Konsumzurückhaltung der Verbraucher sicher wieder anders entwickeln. Vermutlich verzögert, aber perspektivisch wird das wieder zu einer steigenden Überschuldungsquote führen. Derzeit sind lt. Creditreform immer noch 32 % oder rund 13,5 Millionen 3 Haushalte von Einbußen beim Haushaltsnettoeinkommen betroffen. Der sog.
1
I. Allgemeines zur Kontopfändung
„finanzielle Stress“ der Verbraucher habe auch wieder zugenommen und sei auf dem höchsten Wert seit Mai 2020. Zu all dem siehe „SchuldnerAtlas Deutschland 2021“ des Verbandes der Vereine Creditreform e. V. v. 10.11.2021.
4 Die Privat-Insolvenzen sind im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen. Nach Ansicht der Wirtschaftsforschung der Creditreform ist das auf die Änderung des Verbraucherinsolvenzrechts zum Oktober 2020 zurückzuführen. Ab da hat die verkürzte Restschuldbefreiung deutliche Erleichterungen für überschuldete Privatpersonen gebracht. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen stieg im 1. Halbjahr 2021 auf 46.000 Fälle (+62,9 %) deutlich an. Im gleichen Vorjahreszeitraum betrug die Anzahl nur 28.240 Fälle. Offensichtlich haben zahlungsunfähige Verbraucher1) in Erwartung dieser Rechtsänderung mit dem Insolvenzantrag gewartet. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) sind die Überschuldungen inzwischen aber vor allem Folge der CoronaPandemie, wie etwa die Umstellung auf Kurzarbeit oder nun doch erfolgter Entlassungen.
5 Ausdruck einer steigenden Überschuldung sind auch die Anzahl der Kontopfändungen. Auch sie sind ein verlässlicher Indikator der obigen Verschuldungs-Entwicklung. 6 Im ersten Coronajahr 2020 gingen diese Kontopfändungen, nach stetigen Steigerungen seit 2010, erstmals zwar wieder spürbar zurück, aber das war lediglich eine Momentaufnahme. Im Wesentlichen dadurch bedingt, dass sich insbesondere die öffentliche Hand mit Kontopfändungen zurückhielt, weil man die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in der sich Menschen durch die Krise und den Lockdown befanden, nicht verschärfen wollte. Diese ehrenwerte Zurückhaltung wurde aber schon im Sommer 2020 teilweise wieder aufgegeben und führt seitdem zu einem gewissen Nachholeffekt, auch noch im Jahr 2021. 2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten) 7 Welche Bedeutung die Kontopfändung für alle Beteiligten hat, mögen nachfolgend einige Daten belegen. Der Autor hat dazu eigene empirische Erhebungen durchgeführt. Daher ist es gelungen, erstmals aus Echtdaten diverser Institute bzw. Institutsgruppen sich dem Ausmaß der Kontopfändungen und deren Bearbeitungsaufwand für die drittschuldnerische Kreditinstitute zu nähern. Die Detailtiefe der in Rn. 8 genannten Beteiligten und Kreditinstituten gelieferten Daten insgesamt war sehr unterschiedlich, worauf der Autor an den jeweiligen Stellen hinweisen wird.
___________ 1) Personenbezogene Bezeichnungen werden um der besseren Lesbarkeit willen in der männlichen Form verallgemeinernd verwendet und beziehen sich auf alle Geschlechter.
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2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten)
Die Kontopfändung, die Verwaltung und Disposition von P-Konten und die 8 Drittschuldnerbearbeitung verursachen erheblichen Arbeitsaufwand bei den drittschuldnerischen Kreditinstituten. Das Ausmaß im Einzelnen wird Dank freundlicher Überlassung von – natürlich anonymen – empirischen Daten verschiedener Banken und Sparkassen oder deren Banken- und Sparkassenverbänden (Bundesverband deutscher Banken e. V. [BdB], Deutscher Sparkassen- und Giroverband [DSGV], Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken [BVR] sowie deren Rechenzentren (Finanz Informatik [FI] und Atruvia AG vormals FIDUCIA) und Dienstleistern wie der S-Servicepartner Deutschland GmbH, Berlin, der DSGF Deutsche Servicegesellschaft für Finanzdienstleister mbH, Hamburg, oder Softwareentwicklern und Systemhäusern wie der tolina GmbH aus der netgo group GmbH, Berlin/Borken sowie der SCHUFA Holding AG, Wiesbaden, nachfolgend einmal zusammengestellt.
Damit gelingt es erstmals einigermaßen validierte Zahlen zu präsentieren, die 9 auch den „Erfüllungsaufwand“ für die Kreditwirtschaft, den der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang – und auch wieder beim PKoFoG – regelmäßig unterzeichnet, ein bisschen realistischer darzustellen vermögen. a) Anzahl der jährlichen Kontopfändungen bundesweit Ein wesentlicher „Aufwandstreiber“ für die Kreditwirtschaft ist die Anzahl 10 der jährlich zugestellten Kontopfändungen. Hier hat der Autor versucht, auf Basis empirischer Echtdaten abzuleiten, welche 11 Gesamtzahl den bundesdeutschen Kreditinstituten jährlich zugestellt wird. Die nachfolgenden Daten zu den jährlichen Kontopfändungen, sind relativ 12 verlässlich. Sie grundsätzlich repräsentativ. Während aus dem Sparkassenbereich anonymisierte Daten von immerhin 103 Sparkassen von bundesweit zu diesem Zeitpunkt 371 Instituten (Stand: 15.6.2021 lt. Homepage des DSGV https://www.dsgv.de/sparkassen-finanzgruppe/ organisation/sparkassen.html), also knapp 28 %, ausgewertet werden konnten, und von den BdB-Banken anonymisierte Kontopfändungsdaten von Mitgliedsinstituten vorlagen, die etwas mehr als 50 % der insgesamt in der Verbandsgruppe geführten Girokonten repräsentierten, lagen von 814 selbstständigen Genossenschaftsbanken (Stand 31.12.2020, Homepage des BVR, https:// www.bvr.de/Presse/Zahlen_Daten_Fakten) die Gesamtanzahl der Kontopfändungen ca. 450 Instituten vor. Vom Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, waren zwar keine Daten zu erhalten, da diese dort nicht zentral vorgehalten werden; allerdings lagen dem Autor Daten von ca. 10 % der Mitgliedsinstitute vor. Die Landesbanken und privaten Sparkassen werden allerdings datentechnisch über den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erfasst. Für die Sparkassen war das aufgrund der breiten Datenlage relativ verlässlich möglich.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
13 So standen der Anzahl der geführten Girokonten der Sparkassen i. H. v. das entspricht etwa einem durchschnittlichen Prozentsatz von ca. 6 %. Im Volks- und Raiffeisenbanken-Lager scheint die Quote niedriger zu sein, etwa bei 4 – 5 %, allerdings auf Grundlage einer nicht repräsentativen Datenlage. Die Anzahl der Kontopfändungen der Kreditgenossenschaften selbst birgt zudem eine HochrechnungsUnsicherheit, da dem Autor nur die Gesamtzahl von ca. 450 Kreditgenossenschaften vorlag, während es Ende 2020 814 (eigene Angaben BVR) bzw. 815 (Bundesbankstatistik) gab. Insofern hat der Autor hier auf Basis der Daten eine Dreisatz-Hochrechnung vorgenommen. Schon das liefert natürlich weniger validierte Zahlen; außerdem dürfte die Anzahl der bei Kreditgenossenschaften eingehenden Pfändungen deshalb höher sein, weil insbesondere große Kreditgenossenschaften mit vielen Kontopfändungen, sich oftmals eigener Software bedienen, während kleinere Institute häufiger auf die IT der Atruvia AG (vormals FICUDIA) zurückgreifen (so wie die ca. 450 Institute). Aus dem Lager der sog. „Kreditbanken“ liegt von Instituten die im Bundesverband Deutscher Banken (BdB) organisiert sind aus einem Durchschnitt von Daten, deren Institute etwas mehr als 50 % der durch BdB-Institute geführten Girokonten repräsentieren, die Quote bei 7,75 %. Bei den Banken des Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, zu den etwa die Landesbanken und „freien“ Sparkassen gehören, lagen dem Autor von ca. 10 % der Mitgliedsinstituten Daten vor. Hieraus ergab sich eine Quote von ca. 5,8 %.
14 Entsprechend gewichtet bedeutet das, dass etwa 6,15 % der bundesweit unterhaltenen Girokonten Kontopfändungen erfahren. Das sind auf die knapp 110 Mio. Girokonten bundesweit bezogen, Bundesbank-Statistik, Tabelle 4 – Zahlungsverkehrsdienstleister für Nicht-Zahlungsdienstleister (Stand am Jahresende 2020),
derzeit etwa 6,75 bis 7 Mio. Kontopfändungen jährlich (!) die gegen in Deutschland befindliche Kreditinstitute ausgebracht werden, mit offensichtlich weiter steigender Tendenz. Naturgemäß gibt es, schon wegen unterschiedlicher Geschäftsmodelle von Banken und regionaler Unterschiede sowie der Tätigkeit in Ballungs- oder eher ländliche geprägten Gebieten zum Teil deutliche Abweichungen. Zudem: In der Bundesbank-Statistik wird nicht die reine Anzahl der Girokonten erhoben, da für die Statistik die Anzahl der Konten relevant ist, die für den Zahlungsverkehr genutzt werden können. Insofern sind in den ca. 110 Mio. auch noch weitere Konten enthalten, wie bspw. Kreditkartenkonten, die ein Guthaben aufweisen. Insofern dürfte der prozentuale Anteil der Kontopfändungen pro geführter Girokonten sogar noch etwas höher sein.
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2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten) Diese Konten sind nach Bankengruppen differenziert, zu denen neben denen der Sparkassen und Landesbanken sowie Kreditgenossenschaften auch „Kreditbanken“ gehören. Die Bankengruppe der „Kreditbanken“ umfasst nach Auskunft der Bundesbank „Großbanken“, „Regionalbanken und sonstige Kreditbanken“ sowie „Zweigstellen ausländischer Banken“. Eine weitere Gruppe von 54 Instituten (Ende 2020) besteht aus den „Realkreditinstituten“, „Banken mit Sonderaufgaben“ und „Bausparkassen“.
Nach einer Schätzung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) vom Februar 15 2007 hat sich die Anzahl der Kontopfändungen seit Mitte der 90er Jahre bei manchen Kreditinstituten verdreifacht. Schätzung anlässlich eines Schreibens des ZKA im Frühjahr 2007 an das Bundesministerium der Justiz zum damaligen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Kontopfändung (Stand: 19.1.2007). Exkurs: Die Bezeichnung Zentraler Kreditausschuss (ZKA) wurde seit August 2011 durch den neuen Namen „Die Deutsche Kreditwirtschaft, DK„ abgelöst. Der neue Name „Deutsche Kreditwirtschaft (DK)“ steht (weiterhin) für den Zusammenschluss der fünf kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände in Deutschland (Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Bundesverband deutscher Banken, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Verband deutscher Pfandbriefbanken).
Angesichts dieser dramatisch angestiegenen Kontopfändungen in den letzten 16 Jahrzehnten, sind aber nicht nur immer mehr Menschen und damit einzelne Schicksale von dieser Vollstreckungsmaßnahme und ihren teilweise erheblichen Auswirkungen betroffen, sondern auch die Kreditinstitute sehen sich diesbezüglich eines erheblichen Personal- und Sachkostenaufwandes ausgesetzt, um der Bearbeitung von Kontopfändungen und der Verwaltung der gepfändeten Konten und Depots Herr zu werden. Schon im vierten „Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann“, BT-Drucks. 16/2265, S. 17 aus Juli 2006, konstatiert der Gesetzgeber: „… sind die Kreditinstitute gezwungen, Personal bis hin zu eigenen Abteilungen zur Bearbeitung der Kontopfändungen bereit zu stellen. Wegen der dadurch entstehenden Kosten besteht kein Erstattungsanspruch, auch handelt es sich nicht um Kosten der Vollstreckung, für die sonst zunächst der Vollstreckungsgläubiger in Vorleistung zu treten und die letztlich der Schuldner zu tragen hat. Eine Neukonzeption des Rechts der Kontopfändung muss daher aus Sicht der Bundesregierung auch dem Ziel folgen, den Aufwand für die Banken in einem solchermaßen vertretbaren Rahmen zu halten, dass es nicht aus diesem Grunde zur Schließung von Konten im Fall der Pfändung kommt.“
Im Schlussbericht der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- 17 schutz in Auftrag gegebenen „Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009“ des iff institut für finanzdienst-
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
leistungen e. V., Hamburg (Ziff. 3.2.1, S. 24), mutmaßten für diese Evaluierung befragte Expertinnen und Experten, dass es für das gestiegene Pfändungsaufkommen vier wesentliche Ursachen gibt: Das iff, institut für finanzdienstleistungen e. V. Hamburg, wurde 2014 vom BMJV beauftragt, eine Studie zur „Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009“ zu erstellen; das Ergebnis ist zu finden unter https://www.bmjv.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Fachinformationen/Evaluierung_ P-Konto.pdf;jsessionid=4F00598CEA692FE0C5B27783BE59 A300.2_cid334?__blob=publicationFile&v=5 (Schlussbericht) und https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Fachinformationen/Evaluierung_P-Konto_Kurzfassung.html (Kurzfassung und Empfehlungen)
18 Das „Gesetzes der Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung“ vom 29.7.2009 schuf den § 802l Abs. 1 Nr. 22), der dem Gerichtsvollzieher das Recht eingeräumt hat, nach Scheitern einer Vermögensauskunft des Schuldners das Bundeszentralamt für Steuern um einen sog. automatisierten Kontenabruf nach § 93b Abs. 1 AO zu ersuchen. Dadurch erfahren private Gläubiger seit dem 1.1.2013 offenbar häufiger von der Existenz von Girokonten und Depots eines Schuldners. Das ist auch an den Zahlenreihen ablesbar, denn die eingehenden Kontopfändungen des Jahres 2014, dem ersten repräsentativen Jahr nach Etablierung des Kontenabrufs, haben sich gegenüber 2013 um über 10 % erhöht.
19 Daneben scheint die gestiegene Zahl an Kontopfändungen auch damit zusammen zu hängen, dass Kontoschutz nur noch über ein P-Konto zu erlangen ist, aufgrund mangelnder Kenntnisse der Kontoinhaber (zumindest noch in 2014) aber nicht oder nicht rechtzeitig in Pfändungsschutzkonten umgewandelt wurde oder über die Reichweite des Schutzes auf solchen Konten Unkenntnis oder Fehlvorstellungen bestanden. So wurden alleine durch die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos nicht etwa sämtliche Eingänge geschützt. Für die Inkassowirtschaft und die sonstigen vollstreckenden privaten Gläubiger ist daher die Kontopfändung offensichtlich attraktiver geworden (siehe auch Schlussbericht Ziff. 3.5.2, S. 68). Führt man sich das vor Augen, ist der gesetzgeberische Ansatz, der mit der Schaffung des P-Kontos 2010 und den Kontopfändungsschutzvorschriften beabsichtigt war, sogar konterkariert worden.
Zudem wurden P-Konten nun auch tatsächlich für den Zahlungsverkehr vermehrt genutzt, haben sich als „wirtschaftliche Zentrale“ etabliert, so dass die Kontenpfändung auf diesen aktiven (statt auf „toten“) Konten für die Inkassowirtschaft an Attraktivität gewonnen hatte. ___________ 2)
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§-Angaben ohne Zusatz des Gesetzes verweisen auf die ZPO.
2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten)
Die Steigerungsraten betrugen in den letzten Jahren teilweise mehrfach hinter- 20 einander über 10 %. Eine Ausnahme bildete coronabedingt das Jahr 2020, bei dem im Schnitt ein Rückgang i. H. v. ca. 10 % zu verzeichnen war, vor allem weil sich in den Monaten April, Mai und Juni 2020 insbesondere die öffentliche Hand mit Kontopfändungen stark zurückgehalten hat. Auch hier gab es natürlich Abweichungen (bis -39 % Rückgang), aber auch Kreditinstitute, bei denen fast kein Rückgang zu verzeichnen war. Danach stieg das Niveau wieder an. In 2021 war teilweise noch ein Nachholeffekt aus 2020 festzustellen; 2021 insgesamt dürfte das Niveau noch nicht wieder auf den VorpandemieNiveau des Jahres 2019 liegen, aber leicht über dem Niveau des Jahres 2020, etwa in einer geschätzten Größenordnung von durchschnittlich 1 – 3 % mehr, was dann sogar ca. 7,2 Mio. ausgebrachter Kontopfändungen pro Jahr entsprechen würde.
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Eine unglaubliche Anzahl an jährlichen Kontopfändungen. Darüber hinaus sind in der obigen Zahl auch Pfändungen erfasst, die sich gegen weitere Ansprüche oder andere Vermögenswerte richten, wie gegen Ansprüche aus Depotverwahrung, Zugang zu Schließfächern, Auskunftsansprüchen, Rückgewähransprüchen oder Anteilen an Genossenschaftsbanken. Diese Pfändungen lösen einen ungleich höheren Bearbeitungsaufwand aus als die „reinen“ Kontopfändungen.
Zumeist werden die allermeisten dieser Ansprüche zusammen in ein und derselben Pfändung aufgeführt; Pfändungen isoliert auf nur ausgesuchte Ansprüche, werden äußerst selten ausgebracht. Beispiele sind Vollstreckungsbehörden, z. B. der Finanzverwaltung, die aufgrund spezifischer Kenntnis und verwaltungsvollstreckungsrechtlicher Abläufe die Pfändung von Grundschulden (Rückgewähransprüche) separat pfänden. Ebenso ist das denkbar, wenn Gläubiger Anteile bei Genossenschaftsbanken vergessen haben zu pfänden und diese nachpfänden, was sich angesichts meist überschaubarer Anteilswerte – und langer Kündigungs- bzw. Auskehrungsfristen und hoher formaler Anforderungen, vgl. Rn. 783 – aber nur in wenigen Fällen lohnt und daher nur sehr vereinzelt vorkommt. Zu den „versehentlichen“, also unbeabsichtigt separaten Kontopfändungen, siehe Rn. 202.
b) Struktur der Pfändungsgläubiger und -maßnahmen Hier gibt es einen relativen stabilen Trend seit Jahren: Im Schlussbericht iff geht 22 die Evaluations-Studie von einem Anteil der Pfändungen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung von „mehr als 50 % aller Kontenpfändungen“ aus. Schlussbericht iff, S. 149 (Kapitel 3.4.3).
Nach Recherchen des Autors auf Basis der Echtdaten ist der Anteil aber noch 23 höher. Er erreicht nahezu 60 %, d. h. teilweise fast 2/3 der ausgebrachten Kontopfändungen stammen aus der Verwaltungsvollstreckung.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Bei einigen Instituten erreicht die Anzahl sogar bis fast 3/4 der Gesamtzahl. Finanzämter und Hauptzollämter stellen davon den größten Anteil gefolgt von den gesetzlichen Krankenkassen sowie Städten und Kommunen. Hauptzollämter treiben neben eigenen Steuer- und Abgabenforderungen wie zum Beispiel Zölle, Kraftfahrzeugsteuer, Energiesteuer auch im Auftrag von sog. Fremdgläubigern, wie den Agenturen für Arbeit, gesetzlichen Krankenkassen oder Sozialversicherungsträger öffentlich-rechtliche Geldforderungen ein.
24 Bei den Gläubigern die gewöhnliche Geldforderungen nach der ZPO vollstrecken, werden ca. 22 % durch Inkasso-Unternehmen beigetrieben. Telefonbzw. Mobilfunkanbieter stellen mit etwa 21 % die zweitgrößte Gruppe, während private Versicherungen (ca. 10 %) und Energieversorger (knapp 6 %) deutliche seltener Kontopfändungen ausbringen. Hier sind allerdings mangels breiter repräsentativer Daten entsprechende Einschränkungen an die Validität zu machen und auch hier gilt, dass es natürlich Abweichungen bei den einzelnen Instituten gibt.
25 Festzustellen ist, dass in ca. 10 – 12 % der Fälle auch vorläufige Zahlungsverbote nach § 845 zugestellt werden. Das sind immerhin ca. 700.000 VZVs bundesweit jährlich. Zu den vorläufige Zahlungsverboten vgl. Rn. 299.
26 Diese werden nahezu ausschließlich in der Vollstreckung privater Gläubiger, nicht dagegen in der Verwaltungsvollstreckung nach Landes- oder Bundesrecht ausgebracht. Zumeist sind dies Inkassobüros (ca. 1/3), aber auch Anbieter von Telekommunikationsleistungen (ca. 28 %) oder Versorger, wie Gas- oder Stromanbieter (ca. 9 %) und bisweilen – aber eher vereinzelt – auch private Versicherungen oder Kreditinstitute. c) Höhe der gepfändeten Forderungen 27 Die durchschnittliche Forderungshöhe beträgt bei Sparkassen knapp unter 3.000 €. Hier sind allerdings mangels breiter repräsentativer Daten entsprechende Einschränkungen an die Validität zu machen. Das gilt auch für die nachfolgenden Daten zur Clusterung und zu den Daten unter d).
28 Bei der Verteilung in Forderungs-Cluster liegen ca. 48 % bei Beträgen bis 500 €, darüber bis 5.000 € sind es etwa 44 %. Beträge darüber bis 25.000 € werden nur in etwa. 6 % der Fälle ausgebracht, noch höhere nur in knapp 2 % der Fälle. Bei den „Kreditbanken“ scheint ein deutlich geringerer Anteil „bis 500 €“ vorzuliegen (geschätzte 30 %). Insgesamt scheint sich aber die Clusterung dort etwas anders zu verteilen: 500 – 5.000 € machen im Durchschnitt ca. 30 %, aus 5.000 – 25.000 € ebenfalls ca. 30 %, während höhere > 25.000 € ca. 10 % auszumachen scheinen. Mangels ausreichend vorliegender Daten, ist eine (ganz) verlässliche Aussage hier aber nicht möglich.
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2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten)
Während vereinzelt auch mal sehr hohe Forderungsbeträge eingefordert 29 werden, auch im zweistelligen Millionenbereich, zumeist veranlasst von den Vollstreckungsstellen der Finanzämter oder von Staatsanwaltschaften, kommen unverständlicherweise auch immer wieder sehr kleine Forderungsbeträge in die Vollstreckung. Diese kommen – nicht unerwartet – regelmäßig aus der Verwaltungsvollstreckung und zwar zu 100 %. So werden auch Beträge i. H. v. von beispielsweise nur 4,50 € vollstreckt, bei 30 der Aufwand und Nutzen sowohl beim Gläubiger, aber schon gar nicht beim drittschuldnerischen Kreditinstitut in vertretbarer Relation stehen. Eine gesetzliche Beschränkung, Kleinstbeträge (bis 50 – 100 €) nicht mehr 31 mittels Kontopfändung vollstrecken zu können, hat der Gesetzgeber nicht realisiert. Vgl. Rn. 2097; nach der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 vom 10.6.2020, Seite 20, führt der Gesetzgeber dafür auch an, dass das „eine – nicht intendierte – Schwächung der Zahlungsmoral bei Kleinbeträgen nach sich ziehen“ könnte. Einmal abgesehen davon, dass der Vorschlag war, nur KONTOPFÄNDUNGEN wegen Kleinstbeträgen zu untersagen, nicht die Zwangsvollstreckung an sich, gibt es grundsätzlich natürlich den Anspruch auch auf Vollstreckung von Kleinbeträgen, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.8.2006 – 9 L 27.06, juris, dass dies bei der 0,18 € (!) als „ermessensfehlerfreie“ Entscheidung angesehen hat.
Es geht aber darum, auch die öffentlichen Kassen zu schonen! Kein privater 32 Gläubiger käme auf die Idee, wegen 4,50 € – oder gar 0,18 €, wie es der Autor auch schon erlebt hat – eine Zwangsvollstreckung in die Wege zu leiten, weil – Zahlungsmoral hin oder her – er vernünftigerweise eine Kosten-NutzenAbwägung trifft. In der kommunalen Vollstreckung sammelt man Beträge zumindest inzwischen teilweise bis bestimmte Schwellenwerte erreicht sind, die je nach Kommune allerdings schwanken. Ab 10 € summierter Forderungen wird dann oftmals aber schon mit der Vollstreckung begonnen.
Die Ausnahme wird ein „störrischer“ Schuldner sein, der zwar zahlungsfähig, 33 aber nicht zahlungswillig ist: Dass ein Gläubiger dann auch wegen geringster (Rest-)Forderungen die Zwangsvollstreckung einleitet, ist nachvollziehbar. Das LG Aachen hat das unterstützt und einen Gläubiger attestiert, dass er nicht treuwidrig handelt, wenn er wegen eines Zinsbetrages von 0,11 DM (entspricht 0,06 €) die Vollstreckung einleitet, nachdem er den Schuldner erfolglos zur Zahlung desselben aufgefordert hat, LG Aachen, v. 16.2.1987 – 5 T 17/87, DGVZ 1987, 139.
Hinweis: Die Verweigerung einer gesetzlichen Beschränkung der Konto- 34 pfändung für Kleinstbeträge ist umso unverständlicher, als durch das GvSchuG in der seit 1.1.2022 geltenden Fassung des § 811 Abs. 1 Nr. 3 Bargeld unterhalb von 1/5 des täglichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 9
I. Allgemeines zur Kontopfändung
Nr. 1 für jeden Kalendertag ab dem Zeitpunkt der Pfändung bis zu dem Ende des Monats, in dem die Pfändung bewirkt wird, ebenfalls nicht der Pfändung unterliegt. 35 Hier kommen deutlich höhere unpfändbare Beträge zusammen als 50 – 100 €, zumal für jede weitere Person, mit der der Schuldner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, noch jeweils ein Zehntel hinzukommt. Auch der Barbetrag (auf einem „Taschengeldkonto“) eines in einer Pflegeeinrichtung lebenden Schuldners ist geschützt, soweit das Guthaben den nach § 27b Abs. 3 SGB XII festgelegten Barbetrag nicht übersteigt. Dieser entspricht im Jahr 2021 monatlich 120,42 €, vgl. Wrackmeyer-Schoene, NZS 2021, 799.
d) Betroffene Konten (Privatkonten/Geschäftskonten/Gemeinschaftskonten) 36 Der ganz überwiegende Teil der Kontopfändungen wir gegen Privatkonten und damit natürliche Personen ausgebracht. Regelmäßig sind das bei den Sparkassen über 93 %, während nur ca. 7 % sich gegen nicht-natürliche Personen richten. Bei den Kreditbanken zeigt sich ein ähnliches Bild, allerdings liegt der Anteil an gepfändeten Geschäftskonten deutlich höher, was aber der unterschiedlichen Kundenstruktur geschuldet sein mag.
Bei diesen ca. 7 % werden im Übrigen die Kontopfändungen zu ca. 85 % von Finanzämtern, gesetzlichen Krankenlassen und Städten und Gemeinden ausgebracht. 37 Gemäß Auswertung der empirischen Daten betreffen ungefähr 15 % der jährlichen Kontopfändungen bei Sparkassen Gemeinschaftskonten; bereinigt durch Mehrfachpfändungen und Pfändungen, die sich innerhalb von 5 Tagen erledigen, dürften aber nur ca. 6 – 8 % der Gemeinschaftskonten am Ende wirklich betroffen sein. Bei den Kreditbanken liegt der Anteil ebenfalls etwa bei knapp unter 10 %. Das beträfe bundesweit immerhin im Jahr bis zu 560.000 Gemeinschaftskonten die von einer Pfändung betroffen wären und für die künftig die Regelung des § 850l anwendbar wäre.
38 Derzeit machen Gemeinschaftskonten, die als Geschäftsgirokonten oder von einer nicht-natürlichen und einer natürlichen Person zusammen geführt werden nur eine verschwindend geringe Zahl aus. Abzuwarten wird bleiben, wie der Umstand, dass § 850l seit dem 1.12.2021 den Schutz von Guthaben auf gepfändeten Gemeinschaftskonten ermöglicht, sich auswirken wird. Vgl. Rn. 1342 zum möglichen missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
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2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten)
e) Mehrfachpfändungen Die Mehrfachpfändung von Konten ist der Regelfall. In ca. 60 % der Fälle 39 werden Konten daher nicht nur einmal, sondern mehrfach gepfändet. Der Schnitt bei Mehrfachpfändungen liegt jedenfalls bei Sparkassen über vier, d. h. durchschnittlich werden bei Mehrfachpfändungen zwischen 4 und 5 Pfändungen gegen denselben Schuldner ausgebracht. In ca. 90 % der Fälle werden PfÜB im Übrigen nur gegen ein drittschuldne- 40 risches Kreditinstitut ausgebracht, in nur ca. 10 % der Fälle auch gegen mehrere Drittschuldner in einem einheitlichen PfÜB. Wenn ein einheitlicher Beschluss ausgebracht wird, dann zumeist gegen weitere drittschuldnerische Kreditinstitute und/oder den Arbeitgeber des Schuldners. Als Zustellungskosten eines solchen einheitlichen Beschlusses sind dann gem. BGH, Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 90/20, WM 2021, 509 mit Anm. Sudergat, WuB 2021, 463, sämtliche Zustellungskosten an alle Drittschuldner von diesem (einheitlichen) Beschluss umfasst.
f) Laufzeiten von Kontopfändungen und Erledigungsgründe Bei der Betrachtung einiger weniger Institute betrug die durchschnittliche 41 Dauer einer Kontopfändung ca. 250 Tage (betrachtet im Zeitraum der letzten 5 Jahre). Auf Basis dieser Daten, ist die durchschnittliche Laufzeit von Kontopfän- 42 dungen daher nicht verlässlich anzugeben. Hierzu war die Datenbreite und -tiefe nicht valide genug, um sie als belastbar zu bezeichnen.
Bei der Auswertung dieser wenigen Institute, die hierzu Daten geliefert haben, 43 fiel allerdings auf, dass sich ein erheblicher Prozentsatz der Kontopfändungen innerhalb von 5 Tagen wieder erledigte. Auch hier gab es aber Schwankungsbreiten zwischen 25 – 50 %. Deutlich geringer scheint der Anteil hier aber bei den Kreditbanken zu sein: nur ca. 9 % erledigen sich innerhalb von 5 Tagen wieder, auf Basis einer geringen Anzahl von Instituten, die allerdings einen maßgeblichen Anteil der empfangenen Kontopfändungen repräsentieren.
Diese „Kurzläufer“ lösen damit einen im Vergleich zur Laufzeit unverhältnis- 44 mäßig hohen Arbeitsaufwand aus, denn die Drittschuldnererklärung und Pfändungsbearbeitung muss trotzdem erfolgen. Zumeist nur im Geschäftskundenbereich werden aber Kontosperren unter Aufwandsgesichtspunkten vielfach sehr defensiv vorgenommen, wenn absehbar ist, dass die Pfändung kurzfristig wieder aus der Welt geschafft werden kann. Hintergrund ist, dass mit der Kündigung und Streichung der Betriebsmittellinien anlässlich einer
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Pfändung, die Wiedereinräumung dieser Linien nach Erledigung nur durch neue, teilweise sehr aufwändige Kreditbeschlüsse erfolgen müssten. Diesen – durch aufsichtsrechtliche Vorgaben und Formalien – inzwischen sehr aufwändigen Prozess scheut ein Kreditinstitut naturgemäß, wenn sich unmittelbar nach Zustellung der Pfändung abzeichnet, dass die Pfändung bezahlt, ggf. aus den nicht ausgeschöpften Betriebsmittelkreditlinien heraus oder eine Ratenzahlung des Pfändungsschuldners mit seinem Gläubiger – ggf. verbunden mit einer ersten maßgeblichen Einmalzahlung – vereinbart werden kann, der zur Aufhebung der Pfändung führt. Gleichwohl hat der Abstimmungsbedarf der in diesen Fällen entsteht, zwischen dem Kundenberater und der Pfändungsbearbeitung sowie der Kontakt und Gespräche mit dem Kunden ein ebenfalls nicht unerhebliches Aufwandspotenzial.
45 Auf Basis dieser nur geringen, nicht repräsentativen Daten fällt ebenfalls auf, dass offensichtlich innerhalb von 5 Tagen am häufigsten (40 %) Forderungen von Telefonanbietern erledigt werden. Bei den Kreditbanken erledigen sich durchschnittlich nur 25 % innerhalb eines Monats, während das Gros länger als 1 Monat im Bestand bleibt.
46 Zumeist erledigen sich Pfändungen natürlich durch direkte Bezahlung (Sparkassen ca. 45 %; Kreditbanken ca. 38 %); hinter der „Aufhebung“ einer Pfändung durch den Gläubiger dürften in der Regel ebenfalls die „Bezahlung“ der Pfändung stehen, ggf. ratierlich im Rahmen einer Ratenzahlungsvereinbarungen. Sie machen etwa 23 % (Sparkassen) bzw. ca. 38 % (Kreditbanken) der Erledigungen aus. Da drittschuldnerische Kreditinstitute in der Regel keine Pfändungsaussetzungen/Ruhendstelllungen mehr akzeptieren, vgl. aber gerichtliche Aussetzungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, Rn. 2516, bleibt dem Gläubiger vielfach nur die Aufhebung.
47 In ca. 8 % der Fälle werden Kontopfändungen bei Sparkassen auch durch Auskehrung von Guthaben durch das drittschuldnerische Kreditinstitut erledigt. g) P-Konten 48 Per 30.6.2021 gab es ca. 3 Mio. P-Konten bundesweit. Bei der SCHUFA alleine waren nach deren Angaben per 30.6.2021 2.750.603 P-Konten im SCHUFA-Datenbestand gespeichert. Bei einer Marktabdeckung nach Angaben der SCHUFA per 30.6.2021 von 85 % bei den Sparkassen und jeweils über 90 % bei den Genossenschafts-, Groß- und Privatbanken die zusammen Ende 2020 ca. 105 Mio. Girokonten führten, käme man hochgerechnet auf etwa 3 Mio. P-Konten. Die tatsächliche Anzahl dürfte etwas höher sein, denn nicht alle Institute dürften P-Konten an die SCHUFA melden.
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2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten) Alleine bei den bundesdeutschen Sparkassen die an das Rechenzentrum der Finanzinformatik angeschlossen sind, dem nahezu alle Sparkassen und Landesbanken angehören werden ca. 1,7 Mio. P-Konten geführt (Stand 6/2021).
Das entspricht bei 105 Mio. Zahlungskonten einer Quote von ca. 2,8 – 3 %. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der sog. inaktiven P-Konten, also derjenigen 49 P-Konten, die nicht mit einer aktiven Pfändung belegt sind, Mitte 2021 nahezu gleich hoch waren wie die mit einer Pfändung belegten P-Konten. Bei den Sparkassen machen sie den sogar größeren Anteil aus (durchschnittlich 51 %). Die Zahlen schwanken aber pro Haus sehr, auch abhängig davon wie konsequent die Kunden nach Erledigung einer Kontopfändung wieder zurück in ein Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz gedrängt werden. Das wird angesichts der Auswirkungen des § 901 (Verrechnungsund Aufrechnungsschutz) für die Kreditinstitute und des Umstandes, dass P-Konten seit 1.12.2021 nur noch auf Guthabenbasis geführt werden dürfen und auch der Kontoinhaber sein P-Konto jederzeit wieder in ein Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz umwandeln kann, sicherlich in den kommenden Jahren ändern.
Durch das Inkrafttreten des PKoFoG werden die Zahlen in den nächsten 50 Jahren aber mindestens stagnieren, denn insbesondere die inaktiven P-Konten werden – so die Prognose des Autors – zunehmend wieder in Zahlungskonten ohne Pfändungsschutz zurückgewandelt werden. Weniger, weil der Kunde das will, sondern weil die Kreditinstitute zur Vermeidung des Verrechnungsverbots des § 901 darauf drängen werden. h) Freibetrags-Strukturen Die Mehrheit der P-Kontoinhaber kommt offensichtlich mit dem Grund- 51 freibetrag aus, im Schnitt knapp 60 % (bei Sparkassen). Die nachfolgenden Daten dürften allerdings nicht ganz valide belastbar sein, da zu wenige Institute dazu Angaben gemacht machen (ca. 3,5 % der Sparkassen). Auch hier gibt es Schwankungen; so betrug der Anzahl bei einer großen Volksbank sogar fast 75 %. Bei den Banken des BdB, deren Institute, die dazu Angaben gemacht haben etwa 51 % der insgesamt dort geführten Girokonten repräsentieren, lag der Wert bei ca. 49 %, die mit dem Grundfreibetrag auskommen, während 47 % einen höheren Freibetrag benötigten.
Dementsprechend benötigen immerhin ca. 40 % bis 50 % einen für die drittschuldnerischen Kreditinstitute deutlich aufwändiger zu bearbeitenden höheren Freibetrag, sind also auf eine Bescheinigung von Erhöhungsbeträgen oder eine gerichtliche Entscheidung nach den §§ 905, 906 angewiesen. In nur ganz wenigen Fällen, zwischen unter 1 % und bis zu 4 % der Fälle, wird ein niedriger Betrag hinterlegt, etwa bei Pfändungen von Unterhaltsgläubigern.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
52 Der Durchschnittsbetrag der höheren Freibeträge liegt bei Sparkassen bei ca. 2.400 €. 53 Knapp 30 % der P-Kontoinhaber nehmen auch Kindergeldzahlungen entgegen. Gem. Datenreport 2021 des Statistischen Bundesamtes, (Destatis; Autoren Tim Hochgürtel, Bettina Sommer), Auszug 2, Familie, Lebensformen und Kinder, S. 59,
zogen Familien im Jahr 2019 durchschnittlich 1,65 minderjährige Kinder groß. Der Anteil der Kinder bei Pfändungsschuldnern (anhand der hinterlegten Kinderfreibeträge ermittelt) beträgt dagegen ca. 1,9 Kinder, wobei hier die Unschärfe zu berücksichtigen wäre, dass auch nicht mehr minderjährige, aber noch kindergeldberechtigte Kinder mit enthalten sind. Auch hier waren aber die Datenbreite und -tiefe nicht valide genug, um sie als belastbar bezeichnen zu können.
54 Der Anteil der debitorischen P-Konten beträgt durchschnittlich knapp 10 % der P-Konten. Als „debitorisch“ bezeichnet man ein Konto, das einen Sollsaldo (Debet) aufweist, sich also umgangssprachlich „im Minus“ befindet. Durch die gesetzliche Vorgabe des § 850k Abs. 1 Satz 3 darf seit 1.12.2021 jedes P-Konto nur noch im Guthaben geführt werden.
55 Ein deutlich größerer Teil der debitorischen P-Konten weist nur Sollstände bis max. 100 € auf. Bei den meisten wird es aber trotzdem nicht gelingen, auch diesen geringen Sollstand zügig nach Umwandlung zu beseitigen. Bei Auswertung weniger Institute zeigte sich, dass etwa ein Viertel der debitorischen P-Konten einen nachhaltigeren Sollstand aufwiesen. In diesen Fällen wird es ohnehin nicht möglich sein, den Sollstand kurzfristig zu beseitigen. Hier muss man sich dann verschiedener Möglichkeiten bedienen, die der Gesetzgeber vorsieht, vgl. Ausführungen zu den §§ 850k und 901.
i) Nutzen der Kontopfändungen für Gläubiger 56 Kontopfändungen sind für die Gläubiger durchaus lohnenswert, da sich – bislang zumindest – immer wieder Auskehrungsguthaben ergeben. Da hier nur eine nicht ausreichende Datenlieferung Grundlage ist, lassen sich nur wenige Verallgemeinerungen vermuten, nicht repräsentativ belegen.
57 Bei der Auswertung stieß der Autor auf Institute, bei denen es bei knapp einem Viertel der mit mindestens einer Pfändung belegten Konten zu Auskehrungen kam. 58 Wenn es zu Auskehrungen kommt, dann in der überwiegenden Zahl der Fälle an Gläubiger der Verwaltungsvollstreckung, mehrheitlich an Finanzämter und gesetzliche Krankenkassen.
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2. Das Ausmaß der Kontopfändungen (Auswertungen empirischer Daten)
Bei P-Konten kommt es naturgemäß deutlich seltener zu Auskehrungen und 59 wenn, dies dann auch nur mit relativ geringen Beträgen, überwiegend unter 10 €. Durch den neuen, in vielen Facetten durch das PKoFoG verbesserten Schuldnerschutz, wird es aber ab Dezember 2021 bei P-Konten vermutlich zu deutlich weniger Auskehrungen kommen; insbesondere die längere Übertragbarkeit von nicht sofort verbrauchtem Guthaben, § 899 Abs. 2 Satz 1, sowie der Pfändungsschutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten, § 850l, wird zur Reduzierung von Auskehrungen führen. Gleichwohl werden dadurch die Kontopfändungen sicherlich nicht nachlassen, sondern im Zweifel weiter steigen.
j) Kosten der Kontopfändungsbearbeitung Die Bearbeitungskosten bei der Pfändungsbearbeitung in der Kreditwirtschaft 60 wurden ebenfalls bislang meist nur geschätzt. Letztmalige Schätzungen gehen von 30 – 60 € aus, so Bitter, ZIP 2008, 2155, stammen damit allerdings auch aus einer Zeit, in der die digitalisierte Bearbeitung noch nahezu keine Rolle spielte.
Seit 2008 wurden aber die Prozesse und Abläufe stark automatisiert und digi- 61 talisiert, so dass die Kosten pro Pfändung deutlich gesenkt werden konnten. Trotzdem bindet die Pfändungsbearbeitung weiterhin erhebliche Personalund Sachkosten. Daher bedienen sich immer mehr drittschuldnerische Kreditinstitute auch externer Dienstleister. Diese können durch Skaleneffekte, aber auch wegen sehr weitgehend automatisierter und digitaler Prozesse und Abläufe zuweilen etwas kostengünstiger arbeiten, zumal dort meist regelmäßig weniger und im Durchschnitt geringere Personalkosten anfallen. Heute werden zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bei den Dienstleistern überwiegend mit einer Texterkennung in die verwaltenden IT-Systeme übertragen mit einer inzwischen fehlerfreien Quote von bis zu 80 %. Nur dieser weiter zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung ist es zu verdanken, dass angesichts der rasant gestiegenen Kontopfändungen die Bearbeitung überhaupt noch handhabbar und kostenmäßig nicht völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Im Durchschnitt kostet die reine Pfändungsbearbeitung etwa ca. 20 – 25 € pro 62 Pfändung. Hier gibt es große Schwankungsbreiten, die ursächlich auch mit dem Grad der Digitalisierung zusammenhängen.
Das sind – mit erneuter Steigerung der Pfändungszahlen im Jahr 2021 i. H. v. 63 ca. 1 – 3 % – bei dann ca. 7,2 Mio. Kontopfändungen knapp 183 Mio. € jährlich. Große Kreditinstitute mit entsprechenden Skaleneffekten und ebenfalls weitgehend automatisierter und digitaler Prozesse und Abläufe dürften ähnlich wie Dienstleister deutlich günstiger Pfändungen bearbeiten können.
Hinzu kommen aber bei den drittschuldnerischen Kreditinstituten noch 64 Kosten die bei der Entgegennahme der Zustellung, durch die interne Logistik 15
I. Allgemeines zur Kontopfändung
und Rechtsberatungskosten und Anteilen für den Overhead wie Personalführung etc. anfallen. Dienstleiter, die meist noch günstigere Personalkosten und weniger Overhead umlegen müssen, kalkulieren derzeit ca. 12 – 15 € pro Pfändung.
Diese sämtlichen Kosten können die drittschuldnerischen Kreditinstitute weder dem Kontoinhaber des gepfändeten Kontos noch dem Vollstreckungsgläubiger in Rechnung stellen. 65 Nach Ansicht des BGH erbringt ein Kreditinstitut als Drittschuldner i. R. d. Pfändungsbearbeitung, insbesondere durch Abgabe der Drittschuldnererklärung (§ 840), keine (Sonder-)Dienstleistung für den Schuldner auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, sondern handelt vorrangig im eigenen Interesse zur Erfüllung einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung. BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, ZIP 1999, 1090 = NJW 1999, 2276; BGH, Urt. v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, ZIP 2000, 16 = NJW 2000, 651, dazu EWiR 2000, 363 (Metz). Dies gilt auch für die aufwändiger zu bearbeitenden Europäischen Beschlüsse zur vorläufigen Kontopfändung (EuBvKPf). Deren Drittschuldnererklärung umfasst deutlich mehr Auskünfte, vgl. ausführlich Rn. 353 ff.). Nach Art. 43 Abs. 1 der „VERORDNUNG (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen“ (im Weiteren EuKoPfVO) darf sich ein Kreditinstitut die Kosten, die ihr bei der Ausführung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung entstehen, vom Gläubiger oder vom Schuldner nur dann erstatten oder vergüten lassen, wenn sie nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats im Zusammenhang mit gleichwertigen nationalen Beschlüssen Anspruch auf eine solche Vergütung oder Erstattung hat. Durch die obigen Entscheidungen des BGH ist dies in Deutschland aber nicht der Fall.
66 Insbesondere diese Entgelt-Urteile des BGH haben zu besonderem Unverständnis in der Kreditwirtschaft geführt, weil das Verursacherprinzip nach Ansicht des BGH keine Rolle spielen darf, obwohl es hier besonders spürbar ist. Daher nach wie vor – mit guten Argumenten – der BGH-Rechtsprechung widersprechend: Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 9, der zu Recht darauf verweist, dass aus der staatsbürgerlichen Pflicht zur Erteilung der Drittschuldnererklärung, noch lange nicht folge, dass „eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, die den Kunden mit den daraus entstehenden Kosten belastet, gegen § 307 BGB verstößt“. Denn letztlich fallen diese Kosten natürlich tatsächlich trotzdem an und werden – als Konsequenz dieser Rechtsprechung – als Gemeinkosten auf andere Produkte und Dienstleistungen bzw. die Kontoführungsentgelte aller Girokonten umgelegt. Die Konsequenz ist klar: Alle Verbraucher insgesamt
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3. Rechtsgrundlagen werden – nicht verursachergerecht – „geschröpft“ und der gut gemeinte Verbraucherschutz geht als „Schuss nach hinten“ los. Denn, so Bitter zu Recht, diese Rechtsprechung „zwingt die Banken durch das Verbot der Entgelterhebung zu einer Quersubventionierung der kostenverursachenden durch die preisbewussten und kostensparenden Kunden“.
Zudem löst die Quersubventionierung eine Spirale nach unten aus: In Regionen 67 mit strukturell hohen Kontopfändungszahlen beeinträchtigt sie die Wettbewerbsfähigkeit der Institute, da diese Quersubventionierung zu immer höheren Kosten bei den sonstigen Produkten führt. Dies wiederum lässt preisbewusste und kostensparende Kunden zu anderen Instituten abwandern, was durch die Digitalisierung und online banking auch noch erleichtert wird. Das wird dazu führen, dass insbesondere das Filialangebot sich noch schneller reduziert und damit am Ende auch insbesondere ältere Menschen benachteiligt. Vor diesem Hintergrund bleibt es umso wichtiger, die Ausbringung einer 68 Kontopfändung und deren Drittschuldnerbearbeitung rechtssicher, aber auch straff, effizient und zunehmend digitalisiert zu organisieren, um einerseits erfolgreich zu vollstrecken andererseits auf Seiten der Drittschuldner Haftungsrisiken zu vermeiden und die diesbezüglichen Kosten auf das notwendigste Minimum zu reduzieren. 3. Rechtsgrundlagen Bei der Zwangsvollstreckung ist zunächst zu unterscheiden zwischen der 69 Einzelzwangsvollstreckung nach dem 8. Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) und der Gesamtvollstreckung i. R. d. Insolvenzordnung (InsO). Zum Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO) vgl. Rn. 315 ff.
In der hier näher zu betrachtenden Kontopfändung als Maßnahme einer Einzel- 70 zwangsvollstreckung wird weiter differenziert „weswegen“ und „in was“ vollstreckt wird. Die ZPO unterscheidet in erster Linie nach dem Inhalt des zu vollstreckenden Anspruchs des Gläubigers gegen den Schuldner („weswegen“). Geregelt sind im Einzelnen die zwangsweise Durchsetzung von x
Geldforderungen (§§ 802a – 882i, §§ 1 ff. ZVG),
x
Herausgabeansprüchen (§§ 883 – 886),
x
Handlungsansprüchen (§§ 887 – 889),
x
Unterlassungs- und Duldungsansprüchen (§§ 890 – 893),
x
Ansprüchen auf Abgabe einer Willenserklärung (§§ 894 – 898).
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
71 Bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen ist dann noch einmal danach zu unterscheiden, in welchen Vermögenswert des Schuldners vollstreckt werden soll. Das Gesetz differenziert zwischen der Zwangsvollstreckung x
in körperliche Sachen (§§ 808 – 827),
x
in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828 – 863),
x
in das unbewegliche Vermögen (§§ 864 – 871, §§ 1 ff. ZVG).
72 Grundlage der Kontopfändung ist der Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) zur Durchsetzung von Geldforderungen (§§ 802a – 882i), speziell geregelt in den Vorschriften §§ 828 – 863 über die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte. 73 Ergänzt wird dies durch den mit dem PKoFoG seit 1.12.2021 geltenden, neu geschaffenen Abschnitt 4 Wirkungen des Pfändungsschutzkontos (§§ 899 – 910) und die am 18.1.2017 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 946 – 959 im neuen Abschnitt 6 im achten Buch der ZPO „Grenzüberschreitende vorläufige Kontenpfändung“ i. V. m. der EuKoPfVO. Dort ist das Verfahren für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung geregelt. Ausführlich dazu Rn. 315 ff.; zur Kritik an der systematischen Verortung in der ZPO vgl. Wolber, IWRZ 2017, 5 ff. der insbesondere kritisiert, dass diese Regelungen mit der bisherigen Systematik des Europäischen Zivilprozessrechts brechen, das eigentlich im elften Buch der ZPO gesammelt geregelt ist.
4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen a) Antrag des Gläubigers 74 Eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme i. R. d. ZPO wird – erst und nur – durch den Antrag des Gläubigers in Gang gesetzt. Sofern der Antrag nicht als elektronisches Dokument eingereicht wird, § 130a, muss er unterzeichnet sein. Eine eigenhändige Unterschrift ist nicht zwingend erforderlich für die Wirksamkeit seines Antrags auf Erlass eines PfÜB. Sie ist auch nicht etwa gesetzlich vorgeschrieben, BGH, Beschl. v. 5.4.2005 – VII ZB 18/05, DGVZ 2005, 94. Ein PfÜB ist daher auch dann wirksam gestellt, wenn er mit einer eingescannten Unterschrift versehen ist, BGH, a. a. O.; ebenso LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 23.4.2010 – 1 T 78/10, VE 2011, 167 = IWW, Abruf-Nr. 113106. Wichtig: Die Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner und den Schuldner ist kein Vollstreckungsauftrag, sondern lediglich eine Zustellung, bei dem die §§ 130a ff. keine Anwendung finden, AG Hildburghausen, Beschl. v. 21.9.2021 – 3 M 729/21, BeckRS 2021, 39456. Soweit ein Gerichtsvollzieher durch Vermittlung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts beauftragt wird, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an Schuldner und Drittschuldner zuzustellen, handelt es sich um eine Zustellung im Parteibetrieb, vgl. AG Wertheim, Beschl. v. 24.8.2021 – M 287/21, BeckRS 2021, 32046.
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4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen Seit 1.1.2022 sind aber alle Rechtsanwälte, Notare und Behörden durch u. a. § 130d verpflichtet, mit den Gerichten elektronisch zu kommunizieren, vgl. dazu Bellardita, DGVZ 2022, 4. Durch die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) sind die technischen Rahmenbedingungen festgelegt worden. Die beiden Antragsformulare auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 2 ZVFV (siehe Anhang 5 und 6) sind somit elektronisch zu übermitteln, offensichtlich jedenfalls soweit ein Vollstreckungsbescheids von nur bis zu 5.000 € zugrunde liegt, da sich diesbezügliche Einschränkungen aus den §§ 754a, 829a ergeben. Wegen der §§ 754a, 829a sind PfÜbs auf Basis anderer Titel, z. B. eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, Urteils oder Vergleichs, wohl weiterhin in Papierform einzureichen. Hier wird die Rechtsprechung klären müssen, ob das im Sinne des Gesetzgebers ist. Gleiches gilt im Übrigen für Inkassodienstleister, da in § 130d keine (registrierten) Inkassounternehmen genannt sind. Gem. § 4 Satz 2 ZVFV bezüglich der in den Formularen enthaltenen Angaben sind diese im sog. XML-Format zu übertragen. Nähere Einzelheiten sind unter www.xjustiz.de zu finden. Praxistipp: Um zu vermeiden, dass ein elektronisch übermittelter Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen wird, muss dieser als XML-Datei übermittelt werden. Maßgeblich ist die Bearbeitbarkeit des elektronischen Dokuments durch das Vollstreckungsgericht, die ohne eine XMLDatei nicht gegeben ist, weil die Formularfelder dann nicht unveränderlich sind, vgl. dazu Mardorf, jM 2022, 2. Mardorf weist auch darauf hin, dass es sich empfiehlt, um sicherzustellen, dass der postalisch an das Vollstreckungsgericht gesendet Vollstreckungstitel dem (bereits) elektronisch eingegangenen Vollstreckungsantrag verlässlich und schnell zugeordnet werden kann, dem Vollstreckungstitel einen Hinweis (z. B. eine Kopie der Eingangsbestätigung des Gerichts) beizufügen, aus der sich Tag und Uhrzeit der Übersendung an das elektronische Gerichtspostfach ergeben.
Überwiegend ist die unterinstanzliche Rechtsprechung aber wohl noch der An- 75 sicht, dass es bei der körperlichen Einreichung einer eigenhändigen Originalunterschrift bedarf. LG Rottweil, Beschl. v. 11.3.2021 – 1 T 27/21, juris Rn. 18; LG Heilbronn, Beschl. v. 7.12.2020 – 1 T 211/20, BeckRS 2020, 3689; LG Dortmund, Beschl. v. 28.5.2010 – 9 T 278/10, Rpfleger 2010, 679; LG Leipzig, Beschl. v. 21.5.2013 – 08 T 249/13, BeckRS 2013, 15466 für die neuen Antragsformulare.
Das LG Dortmund ist der Ansicht, dass in „Massenverfahren, die beim 76 Gläubiger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten im standardisierten Verfahren unter Verwendung von Computerprogrammen zur Erstellung der Antragsschriften und der Forderungsaufstellungen betrieben werden“, eine eingescannte Unterschrift, die ebenfalls im automatisierten Verfahren hinzugefügt werden kann, nicht ausreicht.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung „Denn sie lässt nicht den sicheren Rückschluss darauf zu, dass der vermeintliche Autor der Antragsschrift diese überhaupt selbst erstellt oder sie auch nur selbst geprüft hat, bevor sie versandt worden ist. Hat er sie nicht selbst erstellt oder zumindest geprüft, kann eine willentliche und ernsthafte Antragstellung des angegebenen Autors denknotwendig nicht gegeben sein.“ So auch LG Stuttgart, Beschl. v. 4.6.2012 – 10 T 186/12, Rpfleger 2012, 700; LG Leipzig, Beschl. v. 21.5.2013 – 08 T 249/13, BeckRS 2013, 15466. Ebenso LG Heilbronn, 4.1.2017 – Sm 1 T 542/16, juris; AG Ludwigsburg, 17.1.2017 – 10 M 6684/16, juris; LG Trier, 15.5.13 – 5 T 26/13, juris; LG Stuttgart DGVZ 14, 196. Weitergehend das AG Heilbronn, Beschl. v. 2.6.17 – 9 M 1945/17, VE 2017, 165, dass eine leserliche Unterschrift und einen entsprechenden Zusatz in der Namenszeile des Formulars fordert.
77 Das ist aus Sicht des Autors überzogener Formalismus. Wir leben in einer digitalen Zeit, durch die Pandemie 2020 noch stärker in die Digitalität „gezwungen“. 78 Richtig dürfte sein, dass es keiner Original-Unterschrift bedarf. LG Freiburg Beschl. v. 5.7.2021 – 9 T 26/21, BeckRS 2021, 23253, das AG Emmendingen (Abt. 8), Beschl. v. 9.4.2021 – 8 M 5/21, BeckRS 2021, 23343 aufhebend. Das AG Emmendingen hatte irreführender Weise mit Verweis auf den BGH, Beschl. v. 4.11.2015 – VII ZB 22/15, NJW 2016, 81, argumentiert, der aber in dieser Entscheidung, in der es nur um die Frage ging, dass das Antragsformular gem. Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV dann zu nutzen ist, wenn hinsichtlich der Forderungsaufstellung eine vollständige Eintragungsmöglichkeit möglich ist, zum Unterschriftserfordernis nichts gesagt hatte.
79 Denn der Unterschriftskasten im ZVFV-Formular ändert nichts daran, dass eine bestimmte Form für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht vorgeschrieben ist, sondern weiterhin mündlich und insbesondere auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden kann. LG Freiburg, Beschl. v. 5.7.2021 – 9 T 26/21, BeckRS 2021, 23253 für die vergleichbare Situation beim Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher.
80 Die Regelungen der ZVFV schreiben keine andere Handhabung vor, schon weil der Verordnungsgeber der Ermächtigung dazu bedurft hätte, ein Schriftformerfordernis einzuführen. Auch das Unterschriftsfeld im ZVFV-Formular gehört, so das LG Freiburg zu Recht zum GVFV-Formular, nicht zum „Modul“. Der standardisierte Vordruck dient nur zur schnelleren Erfassung des Inhalts des Antrags und soll damit die Vollstreckungsgerichte entlasten. Für eine Unterschrift als Formerfordernis besteht vor diesem Hintergrund inhaltlich keine Notwendigkeit. Selbst wenn man aber von einem Unterschriftserfordernis ausginge, wäre ein solcher Mangel einer Originalunterschrift jedenfalls spätes-
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4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen tens dann geheilt, wenn durch nachfolgende, eigenhändig unterschriebene Schriftsätze oder im Beschwerdeverfahren durch Einreichung einer eigenhändig unterschriebenen Beschwerdeschrift diejenige Person unterschreibt, deren Unterschrift zuvor in eingescannter Form im Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorgelegt worden war, so das LG Freiburg, a. a. O., für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher, unter Verweis auf u. a. LG Konstanz, Beschl. v. 6.4.2021 – A 62 T 30/21, DGVZ 2021, 143; LG Heilbronn, Beschl. v. 1.3.2017 – Bm 1 T 52/17, juris Rn. 7.
Dass die Antragstellung ernstlich gewollt ist, kann aber auch dadurch zum 81 Ausdruck kommen, dass sich dieser Wille aus der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses ergibt oder aus einer späteren Eingabe, z. B. der Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses des PfÜBs. A. A. aber LG Heilbronn (1. Zivilkammer), Beschl. v. 11.12.2018 – Hn 1 T 98/18, BeckRS 2018, 32411 für den Fall, dass nicht derselbe Rechtsanwalt den ergänzenden Schriftsatz unterschrieben hat.
Der BGH dagegen scheint dazu zu tendieren, eine eigenständige Unterschrift 82 des Antragstellers nicht verlangen zu wollen, da er ausführt, dass eine „bestimmte Form für den Vollstreckungsauftrag nicht vorgeschrieben ist, er vielmehr mündlich und insbesondere auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden kann“: BGH, Beschl. v. 5.4.2005 – VII ZB 18/05, DGVZ 2005, 94. Der BGH hatte hier eine Entscheidung zu einem Vollstreckungsauftrag nach § 754 ZPO gefällt, es wäre aber auch § 829 ZPO für den Antrag auf Erlass eines PfÜBs übertragbar. Wenn zweifelsfrei ein ernstgemeinter Antrag vorliegt, kann auch eine eingescannte Unterschrift ausreichend sein, Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 829 Rn. 2a. Es empfiehlt sich allerdings, den Namen des Gläubigers oder seines Vertreters dazuzusetzen.
Dass sich ein Original-Unterschriftserfordernis seit Erlass der ZVFV unmittelbar aus dem Formular selbst ergibt, weil es dort heißt „Unterschrift Antragsteller“ (siehe obenstehender Ausschnitt), dieser Ansicht ist Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, § 829 Rn. 66. Praxistipp: Um eine Zurückweisung zu vermeiden, empfiehlt es sich natürlich, den Antrag zu unterschreiben oder zuvor mit „seinem“ (zuständigen) Amtsgericht zu klären, wie es das sieht.
Zu beachten ist, dass dann, wenn ein Bevollmächtigter den Antrag stellt, die 83 Vollmacht im Zweifel im Original vorzulegen ist.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Eine beglaubigte Fotokopie einer Inkassovollmacht wahrt dieses Formerfordernis nicht, AG Schwäbisch Hall, Beschl. v. 23.6.2020 – 1 M 571/20, BeckRS 2020, 36896 Rn. 8. Vollmachten und Prozessvollmachten bedürfen eigentlich keiner besonderen Form. Nach § 80 Abs. 2 Halbs. 2 ist der Mangel der Prozessvollmacht eines Rechtsanwalts z. B. nur auf Rüge des Gegners zu prüfen. Bei nichtanwaltlichen Bevollmächtigten dagegen werden Mängel der Vollmacht von Amts wegen berücksichtigt; sie müssen sich durch eine schriftliche Vollmacht legitimieren. Das bedeutet aber nach einer Entscheidung des BGH, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierte Inkassodienstleister gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 den Gläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren vertreten, sie aber den vereinfachten, auf elektronischem Weg mit digitaler Signatur an das elektronische Gerichtspostfach übermittelten Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden nach § 829a ZPO nicht nutzen dürfen, BGH. Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZB 25/20, BeckRS 2021, 32659. Die auf den Inkassodienstleister ausgestellte privatschriftliche Vollmachtsurkunde der Gläubigerin, die in diesem Fall mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Beglaubigungsvermerk eines Notars, mit dem dieser die Übereinstimmung des ihm in Urschrift vorliegenden Dokuments mit den in der Datei enthaltenen Bilddaten beglaubigt hat, versehen war, kann nicht als elektronische Ablichtung dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden. Sie muss als schriftliche Vollmacht vorgelegt werden, weshalb die Voraussetzung des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, dass außer der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids keine „andere Urkunde“ vorzulegen ist, nicht erfüllt werden kann, so der BGH.
84 Der Gläubiger ist „Herr des Verfahrens“ und bestimmt Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs. Zöller-Seibel, ZPO, vor § 704 Rn. 19.
85 In der Praxis beantragt bei der Kontopfändung der Gläubiger den Erlass eines entsprechenden Pfändungs- (und ggf. zeitgleich auch eines Überweisungs-) beschlusses auf einem von ihm unterschriftsreif erstellten Beschluss-Entwurf, so dass das Gericht nur das Dienstsiegel und seine Unterschrift ergänzen muss. BGH, Beschl. v. 21.7.2021 – VII ZB 34/20, BeckRS 2021, 28851. In diesen vom BGH entschiedenen Fall war vom Gläubiger der Erlass eines PfÜbs aufgrund eines Vollstreckungsbescheids eines Amtsgerichts in Verbindung mit einer Rechtsnachfolgeklausel beantragt worden, bei dem diese Rechtsnachfolgeklausel, beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden ist; nachträglich ist auf dieser Rechtsnachfolgeklausel außerdem händisch ein weiteres Siegel vom Amtsgericht angebracht worden. Der BGH war der Meinung, dass die Rechtsnachfolgeklausel den Anforderungen des § 703b Abs. 1 genügt, wenn die Klausel mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, auch wenn es nur teilweise in einem automatisierten Verfahrensablauf erstellt ist. Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst (natürlich) nicht maschinell erfolgt, stünde der Anwendung von § 703b Abs. 1
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4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen nicht entgegen. Entsprechendes gelte für die Unterschrift des Rechtspflegers unter der Rechtsnachfolgeklausel: Es handele sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gelte Entsprechendes.
Selbstverständlich kann der Antrag, soweit gem. § 130a Abs. 2 einzelnen 86 Landesregierungen durch Rechtsverordnung den elektronischen Rechtsverkehr bei den Gerichten zugelassen haben, um eine elektronische Antragstellung zu eröffnen, auch eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 130a) die Unterschrift „ersetzen“. Für den vereinfachten Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden zur Pfändung von Geldforderungen, vgl. § 829a. Keiner Unterschrift bedarf es nach § 703b Abs. 1 für das automatisierte Mahnverfahren und bei maschineller Bearbeitung; hier tragen die Ausfertigungen nur ein Gerichtssiegel. Im nicht automatisierten Verfahren bietet die Unterschrift Gewähr, dass die Ausfertigung vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder vom Rechtspfleger stammt, vgl. Giers, in: Kindl/MellerHannich, § 725 Rn. 9. Ebenso LG Leipzig, v. 21.5.2013 – 8 T 249/13, BeckRS 2013, 15466, das selbst eine Originalunterschrift auf einem (nachgereichten) Anschreiben nicht ausreichen lassen will. Das LG Dortmund, Beschl. v. 28.5.2010 – 9 T 278/10, Rpfleger 2010, 679 hält in solchen Massenverfahren, die beim Gläubiger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten im standardisierten Verfahren unter Verwendung von Computerprogrammen zur Erstellung der Antragsschriften und der Forderungsaufstellungen betrieben werden, eine eingescannte Unterschrift unter der Antragsschrift, wenn sie ebenfalls im automatisierten Verfahren hinzugefügt werden kann, für nicht ausreichend. Denn, so das LG Dortmund, „sie lässt nicht den sicheren Rückschluss darauf zu, dass der vermeintliche Verfasser der Antragsschrift diese überhaupt selbst erstellt oder sie auch nur selbst geprüft hat, bevor sie versandt worden ist.“ Ist das nicht der Fall, ist eine willentliche und ernsthafte Antragstellung des angegebenen Verfassers „denknotwendig“ nicht gegeben.
Das Siegel, im automatisierten Mahnverfahren auch ein eingedrucktes Siegel, 87 ist nach wie vor Voraussetzung der Wirksamkeit. Vgl. Giers, in: Kindl/Meller-Hannich, § 725 Rn. 10 m. w. N.; OLG München, Beschl. v. 10.9.2015 – 34 Wx 256/15, BeckRS 2015, 16227; nach BGH, Beschl. v. 8.10.1991 – XI ZB 6/91, NJW 1992, 243, kann dies genügen, wenn an der Autorenschaft und Absicht, eine volle Unterschrift zu leisten, keine Zweifel bestehen.
Der Antrag muss seit 1.3.2013 für Gläubiger, die nach der ZPO vollstrecken, 88 auf vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Formularen gestellt werden.
23
I. Allgemeines zur Kontopfändung Siehe Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung – ZVFV) v. 23.8.2012, BGBl I 2012, 822, sowie Verordnung über Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung v. 16.6.2014, BGBl I 2014, 754. Es existieren zwei Formulare, eines wegen der Pfändung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach § 850d der Zivilprozessordnung (Anlage 3 zu § 2 ZVFV – Anhang 6) und eines für alle anderen Fälle, also insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen (Anlage 2 zu § 2 ZVFV – Anhang 5).
89 Ausnahme: Durch die Verordnung über Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16.6.2014 (BGBl I, 754) wurde § 2 ZVFV allerdings dahingehend ergänzt (neuer Satz 2), dass soweit die Forderung durch einen Beschluss bereits gepfändet worden ist, nur für den späteren Antrag auf Überweisung derselben Forderung die Nutzung der Formulare nicht mehr verbindlich ist. In der Verordnungsbegründung heißt es dazu: „Es ist zumindest bei dem derzeitigen Verfahrensstand nicht erkennbar, dass die mit der Nutzung der einheitlichen Formulare intendierte Rationalisierung konterkariert wird, wenn der Antrag auf Überweisung einer bereits gepfändeten Forderung formlos gestellt wird“ (BR-Drucks. 137/14 (neu) v. 7.4.2014, S. 28).
90 Die Formulare sind über die Homepage des BMJV abrufbar. Die beiden Musteranträge sind in Anhang 5 und 6 abgedruckt. Auf der Homepage des BMJV sind auch die FAQ zu den Formularen zu finden. https://www.bmjv.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/ ZwangsvollstreckungPfaendungsschutz/faqList.html;jsessionid= AC8810688305E822390F6F14B7A41D7D.2_cid289?nn=6433524. Bis zum 10.2.2022 waren die Formulare allerdings noch nicht an die geänderten Vorschriften und Maßgaben des PKoFoG angepasst.
91 Der Verordnung über die Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16.6.2014 (BGBl I 2014, 754) ging im Übrigen eine bemerkenswerte Entscheidung des BGH voraus, BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – VII ZB 39/13, ZVI 2014, 133,
worin der BGH eine „überdeutliche Schelte für das BMJV“, so Walker, WuB VI D. § 829 ZPO 1.14,
für die zahlreichen Mängel der (ersten) Formulargestaltung. Auch den Rechtspflegern, die zuvor vereinzelt (!) unzulässigerweise auf die exakte Einhaltung des vorgegebenen Layouts bestanden hatten, wurde mit dieser gläubigerfreundlichen Entscheidung die Grenzen aufgezeigt. Änderungen im Layout sind laut BGH hinzunehmen, wenn sie „geringfügig“ sind und eine „zügige Bearbeitung des Antrags nicht erschweren“. Die verbindlichen Formulare sollten insbesondere die Vollstreckungsgerichte entlasten. Vom Formularzwang müssten aber dann Ausnahmen gemacht werden, wenn – wie die Formulare vor der Verordnung über die Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verord-
24
4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen
nung – diese „unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich“ sind. Hier muss es dem Gläubiger erlaubt sein, Streichungen, Berichtigungen oder 92 Ergänzungen vornehmen oder sogar auf beigefügte Anlagen zu verweisen. Zudem sei der Antrag auch nicht deshalb formunwirksam, weil der Gläubiger ein abgewandeltes Formular benutzt, das im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht ins Gewicht fallende Änderungen enthalte oder nicht die grünfarbigen Elemente aufweise (Darstellung der einzelnen Rahmen, die Zeilen- und Seitenrandabstände sowie die Länge der Textlinien wichen im konkreten Fall teilweise vom Originalformular ab). Wenn in einem solchen Fall der Gläubiger trotzdem auf die Einhaltung des Formulars verwiesen werde, könne das Ausfüllen Schwierigkeiten bereiten, wodurch der berechtigte Anspruch des Vollstreckungsgläubigers beeinträchtigt werde, im Rahmen der Forderungspfändung zügig ein Pfändungspfandrecht zu erwerben. Das beeinträchtige das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so der BGH zu Recht. § 829 Abs. 4 Satz 2 schreibt ausdrücklich vor, dass sich der Antragsteller der 93 Formulare bedienen muss, wobei nach Satz 3 unterschiedliche Formulare möglich sind, für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren elektronisch bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht elektronisch bearbeiten. Für öffentliche Gläubiger, etwa Finanzämter, also im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung besteht diese Formularpflicht nicht, da § 2 Satz 1 ZVFV dies nur für Anträge auf Erlass eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses nach § 829 vorsieht. Eine Sparkasse oder andere Anstalt des öffentlichen Rechts sind als Gläubiger ebenfalls an die Formulare gebunden; allein maßgebend ist, ob sich die begehrte Vollstreckung als Verwaltungsvollstreckung oder als Vollstreckung nach der ZPO darstellt. Ist letzteres der Fall, führt dies auch bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts nicht zur Befreiung vom Formularzwang. AG Schöneberg, Beschl. v. 6.3.2017 – 33 M 8130/16, DGVZ 2017, 176.
In der Praxis sind auch nach der Verordnung über die Änderung der Zwangs- 94 vollstreckungsformular-Verordnung vom 16.6.2014 (BGBl I 2014, 754) noch einige weitere Fragestellungen geblieben. x
Ein vorder- und rückseitiger Ausdruck (zwei Seiten auf ein Blatt) dürfte möglich sein, jedenfalls den eigentlichen Beschluss-Entwurf betreffend. So auch Fechter, Rpfleger 2013, 9, 11, die das sogar als „Tipp“ zur Kostensenkung verstanden wissen will; Fechter ist Mitarbeiterin im BMJV und war immerhin selbst mit an der Entwicklung der Formulare beteiligt, auch wenn der Beitrag nur ihre „persönliche Meinung“ wiedergibt.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
Die Seite 1 des Formulars, der eigentliche „Antrag“, muss aber bei körperlicher Einreichung separat dem Gericht eingereicht werden. Er darf nicht mit Teilen des Beschlussentwurfes auf ein Blatt zusammengedruckt werden und ist auch nicht Bestandteil des Beschlusses. x
Geklärt ist aber, dass es nicht zulässig ist, das Formular zu verkleinern, so dass beispielsweise zwei Seiten des Formulars auf eine DIN A4-Vorderseite gedruckt werden und bei beidseitigem Druck damit vier Formularseiten auf ein Blatt passen. § 3 Abs. 2 Satz 2 ZVFV schreibt insoweit den Erhalt des Formats DIN A4 vor: „Eine Abweichung von der formalen Gestaltung der Formulare ist nicht zulässig. Wenn das Papierformat DIN A4 erhalten bleibt und die Reihenfolge und Anordnung der Formularfelder der einzelnen Seiten und die Seitenumbrüche nicht verändert werden, sind folgende Abweichungen zulässig: 1.
unwesentliche Änderung der Größe der Schrift,
2.
unwesentliche Änderung sonstiger Formularelemente und
3.
Verwendung nur der Farben Schwarz und Weiß sowie von Grautönen, soweit die Lesbarkeit nicht beeinträchtigt wird.“ Instruktiv dazu LG Frankenthal (1. Zivilkammer), Beschl. v. 30.9.2015 – 1 T 235/15, BeckRS 2016, 10648, was wo einzutragen ist und eingetragen werden kann; der BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZB 54/15, NJW 2016, 2668 hat das LG Frankenthal bestätigt. Obwohl es in der GVFV keine dem § 3 Abs. 2 Satz 2 ZVFV entsprechende Regelung gibt, sind auch diese Vollstreckungsaufträge in DIN A 4 einzureichen, vgl. AG Oberndorf, Beschl. v. 16.8.2021 – 3 M 829/21, VE 2022, 22.
95 Wird gleichwohl ein PfÜB ohne Verwendung des amtlichen Vordrucks vom Gericht erlassen und dem drittschuldnerischen Kreditinstitut zugestellt, was die absolute Ausnahme sein dürfte, ist dieser vom Drittschuldner trotzdem zunächst zu beachten. Ebenso Vollkommer, NJW 2012, 3681, der für das Formular „Wohnungsdurchsuchung“ davon ausgeht, dass ein entsprechender Antrag ohne das verbindliche Antragsformular, „dies die getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen weder unwirksam noch anfechtbar machen“.
96 Da der Formularzwang hauptsächlich der Arbeitserleichterung und Effizienzsteigerung bei Gericht dient, gilt dies auch für das Antragsformular „Pfändungsu. Überweisungsbeschluss wegen gewöhnlicher Geldforderungen bzw. wegen Unterhaltsforderungen“. Ebenso Vollkommer, NJW 2012, 3681, für das Formular „Wohnungsdurchsuchung“, der es auch für unzulässig hält, dass dies von „konkurrierenden Gläubigern oder vom Schuldner“ im Wege der Erinnerung, § 766, gerügt werden könne.
26
4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen
Entschieden hat der BGH zudem in mehreren Entscheidungen, wann (nur) 97 auf eine separate Forderungsaufstellung als „Anlage“ verwiesen werden kann. Der Grundsatz aus der Entscheidung des BGH vom 13.2.2014 BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – VII ZB 39/13, ZVI 2014, 133,
wonach der Gläubiger vom Formularzwang nur insoweit entbunden ist, soweit das Formular „unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist“, wurde dabei bestätigt. Dann kann der Gläubiger in dem Formular „Streichungen, Berichtigungen oder Ergänzungen“ vornehmen oder das Formular insoweit gar nicht nutzen, sondern auf beigefügte Anlagen verweisen. Nach der Rechtsprechung des BGH vom 13.2.2014 hat der Gesetzgeber dem Rechnung getragen und die Formulare durch die Verordnung über die Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16.6.2014 (BGBl 2014, 754) angepasst. § 3 Abs. 3 ZVFV lautet nun: „Soweit für den beabsichtigten Antrag keine zweckmäßige Eintragungsmöglichkeit in dem Formular besteht, kann ein geeignetes Freifeld oder eine Anlage genutzt werden. Die Nutzung mehrerer Freifelder und Anlagen ist zulässig.“
Die daraufhin ergangene weitere Rechtsprechung des BGH
98
BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZB 54/15, NJW 2016, 2668; BGH, Beschl. v. 4.11.2015 – VII ZB 22/15, MDR 2016, 52
musste – und hat – weiter bestehende Zweifel beseitigt. Stamm, BGH Beschl. v. 16.4.2014 – VII ZB 39/13, LMK 2014, 357260, spricht denn auch vom BGH als „Reparaturbetrieb des Verordnungsgebers“.
Will der Gläubiger eine Restforderung vollstrecken, nachdem der Schuldner 99 Teilbeträge gezahlt hat, bietet das Antragsformular gem. Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV hinsichtlich der Forderungsaufstellung eine vollständige Eintragungsmöglichkeit und ist daher ausschließlich zu nutzen. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZB 54/15, NJW 2016, 2668: Die noch zu vollstreckende Restforderung muss dann in der zweiten Zeile auf S. 3 des Formulars eingetragen werde. Von der Schuldnerin bereits getätigte Ratenzahlungen sind nicht einzutragen, da es – so der BGH – kein Bedürfnis des Drittschuldners gebe, „über die Höhe der ursprünglichen Hauptforderung, die erfolgten Ratenzahlungen und deren Anrechnung informiert zu werden“.
Will der Gläubiger Zinsen einer Restforderung vollstrecken, nachdem der 100 Schuldner Teilbeträge gezahlt hat, bietet das Antragsformular gem. Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV hinsichtlich der Forderungsaufstellung ebenfalls eine vollständige Eintragungsmöglichkeit und ist daher ausschließlich zu nutzen. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZB 54/15, NJW 2016, 2668: Die Zinsforderung kann umfassend in Zeile 4 des vorgegebenen Formulars eingetragen werden. Ausgerechnete Zinsen können zwar nicht isoliert aufgeführt werden, da in den Zeilen 3 und 4 jeweils
27
I. Allgemeines zur Kontopfändung nur Beträge „nebst“ Zinsen eingesetzt werden können. Wenn es jedoch nicht erforderlich ist, die Zinsen aus der Restforderung für einen bestimmten Zeitraum auszurechnen, sondern sie vollständig – dann vom Vollstreckungsgericht auszurechnende „Nebenforderung“ – in die zweite Spalte in der vierten Zeile des vorgegebenen Formulars einzutragen, ist das Formular ausschließlich zu nutzen. Die Nebenforderung ist dann wie folgt einzutragen:
Will der Gläubiger lfd. Zinsen vollstrecken, macht er es dadurch kenntlich, dass er nur den Zinsbeginn, nicht aber auch ein Zinsende einträgt. Dadurch wird deutlich, so der BGH, dass auch wegen der fortlaufenden Zinsen gepfändet werden soll (vgl. BGH, Beschl. v. 4.11.2015 – VII ZB 22/15, NJW 2016, 81, Rn. 14 m. w. N.).
101 Will der Gläubiger z. B. wegen eines Anspruchs sowie wegen eines Anspruchs auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag vollstrecken, bietet das Antragsformular bei einheitlichem Zinslauf gem. Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV hinsichtlich der Forderungsaufstellung ebenfalls eine vollständige Eintragungsmöglichkeit und ist daher ebenfalls ausschließlich zu nutzen. BGH, Beschl. v. 4.11.2015 – VII ZB 22/15, MDR 2016, 52: Zwar bietet das Formular nicht die Möglichkeit, ausgerechnete Zinsen für verschiedene Teilforderungen und zusätzlich weiter laufende Zinsen aufzuführen. Bei „einheitlichem Zinslauf“, also wenn wegen mehrerer Forderungen mit demselben Verzinsungsbeginn und einheitlicher Zinshöhe vollstreckt wird, kann aber die Zinsforderung in der in der Zeile 4 auf Seite 3 des Formulars vollständig wie folgt erfasst werden:
102 Will der Gläubiger dagegen z. B. unter anderem wegen zweier titulierter Kostenforderungen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichem Zinslaufbeginn vollstrecken, bietet das Formular keine ausreichende Möglichkeit, diese Zinsforderungen in das vorgegebene Formular einzutragen. Für diesen Fall hat der BGH zudem entschieden, dass in Fällen, in denen das Formular möglicherweise teilweise zutreffend nutzbar wäre, der Gläubiger nicht nur für den Rest einzelner Forderungsanteile eine Anlage verwenden darf, also das Formular nicht anteilig befüllen muss, sondern insgesamt auf eine Forderungsaufstellung als Anlage verweisen darf. 28
4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen BGH, Beschl. v. 15.6.2016 – VII ZB 58/15, NJW 2016, 2810. Das Formular bietet nämlich auch nicht alternativ die Möglichkeit, ausgerechnete Zinsen einzutragen, so der BGH. „Eine entsprechende Zeile ist nicht vorgesehen. In den Zeilen 9 und 10 können jeweils nur Beträge ggf. „nebst“ Zinsen eingesetzt werden. Würde der Gläubiger – so wie vom Amtsgericht vorgeschlagen (vgl. Bl. 19 d. A.) – in Spalte 1 der 8. Zeile die Gesamtforderung, darunter in Spalte 1 der 9. Zeile die ausgerechneten Zinsen und daneben in Spalte 2 der 9. Zeile die fortlaufenden Zinsen eintragen, wäre dies aus Sicht eines verständigen Nutzers dahin zu verstehen, dass neben der in Zeile 8 eingetragenen Kostenforderung wegen einer weiteren in Spalte 1 der 9. Zeile aufgeführten Kostenforderung und wegen auf diese entfallender Zinsen vollstreckt werden soll.“
Dass der Gläubiger nicht darauf verweisen werden kann, zumindest diejenigen 103 Teile der Forderung (im konkreten Fall die Hauptforderung und die Vollstreckungskosten) in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des vorgegebenen Formulars einzutragen, soweit es „vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeiten bietet“, hat der BGH richtigerweise unter Bezugnahme u. a. auf die Gesetzesmaterialien, BT-Drucks. 13/341, S. 11; BR-Drucks. 326/12, S. 1,
damit begründet, dass die durch den Formularzwang geforderten Effizienz und die Entlastung der Vollstreckungsgerichte dadurch ansonsten quasi konterkariert würden. „Diesem Zweck liefe es zuwider, würde der Gläubiger die zu vollstreckenden Forderungen teilweise in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des vorgegebenen Formulars und teilweise in eine als Anlage beigefügte Forderungsaufstellung eintragen. Mit einer solchen Vorgehensweise wäre nicht nur ein Mehraufwand für den Gläubiger, sondern auch für das den Antrag bearbeitende Vollstreckungsgericht verbunden. Die einheitliche Darstellung der zu vollstreckenden Forderungen in einer Forderungsaufstellung dient der Übersichtlichkeit und vermeidet, dass der zuständige Rechtspfleger bei der Antragsbearbeitung zwischen zwei Forderungsaufstellungen ‚hin- und herwechseln‘ muss“. Und auch der Hinweis in Zeile 13 der Forderungsaufstellung, dass Anlagen zulässig seien, „wenn in dieser Aufstellung die erforderlichen Angaben nicht oder nicht vollständig eingetragen werden können“, könne verständig nur dahingehend verstanden werden, dass wegen der zu vollstreckenden Forderungen „insgesamt auf eine Anlage verwiesen werden darf, sofern die Forderungen nicht vollständig in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des Formulars eingetragen werden können“. Offen gelassen hat der BGH, ob es trotzdem noch zumindest der Eintragung 104 der Gesamtsumme („Summe II“) in Zeile 14 des Formulars bedarf. Im entschiedenen Fall hatte der Gläubiger nämlich erstinstanzlich seinen Antrag durch eine um diesen Betrag ergänzte Seite 3 zur Gerichtsakte nachgereicht, weshalb der BGH es offen lassen konnte. Nimmt man die Ausführungen des BGH zur Effizienz ernst, bedarf es aber, wenn auf eine Forderungsaufstellung verwiesen werden darf, nicht mehr der Eintragung der Gesamtsumme
29
I. Allgemeines zur Kontopfändung
(„Summe II“) in Zeile 14 des Formulars. Denn sonst wäre auch dieser Wert durch den zuständigen Rechtspfleger bei der Antragsbearbeitung durch „hinund herwechseln“ zwischen zwei Forderungsaufstellungen zu überprüfen (es dürfte sich der Klarheit halber nämlich kein Widerspruch zwischen der Gesamtsumme auf Seite 3 des Formulars und derjenigen in der Forderungsaufstellung ergeben, was der Rechtspfleger überprüfen müsste). 105 Es ist generell darauf zu achten, wenn auf „beiliegende Aufstellungen“ (= Anlagen) verwiesen wird, dass sie keinen Widerspruch oder eine „(Teil-) Doppelung“ zu dem vorgegebenen Formulartext verursachen. 106 Möglich ist eine Anlage auch zur Bezeichnung der zu pfändenden Forderungen (der „Ansprüche“ des Schuldners, die gepfändet werden sollen, soweit diese nicht (vollständig) im Formular enthalten sind). In der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 137/14 (neu) v. 7.4.14, S. 32), heißt es beispielsweise „zu Anspruch G“: „In dieses Formularfeld können Ansprüche gegen weitere Drittschuldner oder Ansprüche gegen bereits in dem Formular erfasste Drittschuldner, bei denen eine vollständige Eintragung der zu pfändenden Ansprüche nicht möglich ist, eingetragen werden.“
107 Entstehende Widersprüche oder Zweifel zwischen Formulartext und Formulierungen in den Anlagen, bei denen das Gericht nicht zur eigenen Auslegung berechtigt ist, können dazu führen, dass der Antrag schlechtenfalls zurückgewiesen werden muss. Bestenfalls wird das Gericht „nur“ mittels Zwischenverfügung den Gläubiger auffordern, sich klar und unmissverständlich zu erklären. Beides (Zurückweisung des Antrages oder Zwischenverfügung) führt mindestens zu einem Zeitverlust, ggf. zum Verlust der Priorität und ggf. zum Wegfall des Neubeginns der Verjährung, § 212 Abs. 3 BGB. Ist der Vollstreckungstitel auf Basis dessen der PfÜB beantragt wird, schon mehr als 30 Jahre alt, muss der PfÜB trotzdem erlassen werden. Das Vollstreckungsgericht hat im Rahmen der Beantragung eines PfÜB nur formelle Voraussetzungen, nicht materielle Fragen zu prüfen, also nur die allgemeinen und ggf. besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, z. B. Titel, Klausel, Zustellung, Wartefristen, etc. Die Vollstreckungsorgane sind wegen der Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren nicht befugt, den Vollstreckungstitel einer materiell-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen (vgl. BGHZ 124, 164 = NJW 1994, 460, 461; vgl. auch BGH NJW 2009, 1887 Rn. 14). Ist der titulierte Anspruch verjährt, muss der Schuldner dies im Zweifel mittels Vollstreckungsgegenklage nach § 767 durch das Prozessgericht klären lassen. Die Erinnerung nach § 766 hilft hier nicht weiter, da sie genau eben nur die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betrifft, BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – I ZB 61/12, NJW 2013, 2287.
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4. Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen Praxistipp: Gläubiger sollten ggf. sicherheitshalber vorab klären, wie das jeweils zuständige Vollstreckungsgericht die Nutzung bzw. Nichtnutzung der Formulare handhabt.
Wird ein PfÜB mit Widersprüchen bzgl. der Forderungshöhe im Formular 108 und in der Anlage (Forderungsaufstellung) gleichwohl erlassen, wird der Drittschuldner in die Verlegenheit kommen, den Widerspruch auflösen zu müssen. Das kann er durch Einlegung von Rechtsmitteln tun (Erinnerung nach § 766, vgl. Rn. 430), um klären zu lassen, welche Forderungshöhe z. B. nun maßgeblich ist, kann dies aber auch dadurch tun, dass er im Zweifel zunächst nur die geringere von beiden Forderungen anerkennt (beachte aber OLG Frankfurt/M. Rn. 430). Praxistipp: Soweit die amtlichen PfÜB-Formulare noch nicht an die Neuerungen in § 850c, der bereits zum 8.5.2021 in Kraft getreten ist, angepasst sind, darf der Gläubiger diese (handschriftlich) ändern, BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – VII ZB 39/13, DGVZ 2014, 121. Der BGH hatte dort entschieden, dass der Formularzwang für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht gilt, wenn das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist; in diesem Fall darf es u. a. nicht beanstandet werden, wenn der Gläubiger in dem Formular Streichungen, Berichtigungen oder Ergänzungen vornimmt. Daher kann in dem Vordruck auf den Seiten 1, 7 und 8 des amtlichen Formulars beim „Antrag auf Nichtberücksichtigung“ der § 850c Abs. 4 durch § 850c Abs. 6 ersetzt werden und unter dem Punkt „Vom Gericht auszufüllen (wenn ein Unterhaltsberechtigter nur teilweise zu berücksichtigen ist):“ sowie auf Seite 4 des amtlichen Formulars unter „Anspruch A und B“ der § 850c Abs. 3 durch § 850c Abs. 4, 5. Auch die Hinweise zu Anspruch D („Auf § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO (Zahlungsmoratorium von vier Wochen) und § 835 Abs. 4 ZPO wird der Drittschuldner hiermit hingewiesen.“ und „Pfändungsschutz für Kontoguthaben und Verrechnungsschutz für Sozialleistungen und für Kindergeld werden seit dem 1.1.2012 nur für Pfändungsschutzkonten nach § 850k ZPO gewährt.“) sind in den bis zu Redaktionsschluss dieses RWS-Skriptes verfügbaren Versionen (siehe Anhang 5 und 6) überholt, ebenso wie der Satz auf S. 4 (Anhang 5) zu „Anspruch A und B: Die für die Pfändung von Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO in Verbindung mit der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO in der jeweils gültigen Fassung sind zu beachten“. Ggf. kann aber mit dem örtlich zuständigen Vollstreckungsgericht auch geklärt werden, ob es die Anpassungen von Amts wegen selbst vornimmt.
b) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen Daneben müssen auch die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor- 109 liegen. Der „Begriffstrias“ x
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Titel,
31
I. Allgemeines zur Kontopfändung
x
Klausel,
x
Zustellung, Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 1135 ff.,
ist jedem als Vollstreckungsvoraussetzung geläufig. Dahinter verbirgt sich die Notwendigkeit, vor der Zwangsvollstreckung vorweisen zu können: x
erstens einen Vollstreckungstitel, §§ 704, 794; Behörden, die öffentlich-rechtliche Forderungen wie beispielsweise Steuerforderungen oder Forderungen der öffentlichen Hand, aber auch die gesetzlichen Krankenkassenbeiträge geltend machen, können regelmäßig aufgrund eigener Vollstreckungshoheit ihre Forderung selbst titulieren; die Behörden müssen sich dazu nicht der Vollstreckungsgerichte bedienen. Sie können – auf Grundlage eines Verwaltungsaktes – eine Forderung oder Verpflichtung nach den gesetzlichen Vorschriften selber durchsetzen, aber nur wenn sie befugt sind, in dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Verwaltungsakt tätig zu werden. Der Verwaltungsakt ersetzt dabei den zivilgerichtlichen Titel (sog. Privileg der Selbsttitulierung und Selbstvollstreckung). Fehlt es an dieser Befugnis, dann müssen auch Behörden die zivilen Vollstreckungsgerichte bemühen, um mittels eines dort erwirkten vollstreckbaren Titels die Vollstreckung zu veranlassen.
x
zweitens eine Vollstreckungsklausel, §§ 724 ff. und
x
drittens die Zustellung des Vollstreckungstitels mit der Vollstreckungsklausel an den Schuldner, § 750.
111 Die Vollstreckungsklausel ist dabei gem. § 725 lediglich der auf dem Titel aufgebrachte Satz „Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“. Sie ist der Ausfertigung des Titels beizufügen und wird auf Antrag des Gläubigers erteilt. Dieser Zusatz macht dann die normale Ausfertigung des Titels zu einer „vollstreckbaren“ Ausfertigung. Ein Vollstreckungsgericht darf nur überprüfen, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht aber ob sie hätte erteilt werden dürfen, also materiell rechtmäßig erteilt wurde. BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – VII ZB 22/16, NJW-RR 2017, 510.
112 Eine vollstreckbare Ausfertigung oder Abschrift des Titels muss dem Schuldner spätestens bei Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt werden, § 750. Sie dient damit der Kontrolle der Vollstreckungsvoraussetzungen und soll natürlich dem Schuldner auch klar machen, dass es jetzt ernst wird („Funktion einer letzten Warnung“). Musielak/Voit-Lackmann, ZPO, § 750 Rn. 1.
32
5. Zuständiges Vollstreckungsorgan
c) Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen Ggf. müssen seitens des Gläubigers noch weitere, besondere Vollstreckungs- 113 voraussetzungen beachtet werden. Dazu gehören x
der Eintritt eines Kalendertags, § 751 Abs. 1,
x
die Leistung einer Sicherheit, § 751 Abs. 2,
x
die Erbringung einer Zug-um-Zug-Leistung, §§ 756, 765.
Die Einhaltung dieser Voraussetzungen wird bei der Kontopfändung das 114 Vollstreckungsgericht prüfen und selbstverständlich wird sich der Gläubiger vorher versichern, dass sie vorliegen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut aber braucht eine diesbezügliche Prüfung nicht vornehmen. Zu den weiteren Voraussetzungen im Rahmen eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung vgl. Rn. 315 ff. 5. Zuständiges Vollstreckungsorgan Für die Kontopfändung als Zwangsvollstreckung in „Forderungen und andere 115 Rechte“ ist gem. § 828 Abs. 1 das Vollstreckungsgericht in Form des Amtsgerichts zuständig und zwar dasjenige, in dessen Bezirk der Schuldner im Inland gem. §§ 13 – 18 seinen allgemeinen Gerichtsstand (= regelmäßig der Wohnsitz) hat, § 828 Abs. 2. Funktionell ist im Vollstreckungsgericht gem. §§ 3 Nr. 3a, 20 Nr. 17 RPflG der Rechtspfleger zuständig. Zur Kontopfändung beantragt der Gläubiger also den PfÜB beim Amtsgericht 116 in dessen Bezirk der Schuldner wohnt. Bei Beantragung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfän- 117 dung (EuBvKPf) ist nach § 946 Abs. 1 das Gericht der Hauptsache zuständig. Ziel der vorläufigen europäischen Kontenpfändung, siehe Erwägungsgrund 7 und 8 EuKoPfVO ist (nur) die Sicherstellung der nachfolgenden Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in eine Geldforderung. Im deutschen Recht wird das erreicht durch den dinglichen Arrest, § 916. Sie ist damit lediglich eine Art Eilrechtsschutz, der damit in das europäische Zivilverfahrensrecht einbezogen wird, vgl. BeckOK ZPO/Kreutz, § 946 Rn. 12.
Ist die Hauptsache bereits anhängig, ist auch dieses Gericht für den Erlass 118 des EuBvKPf zuständig. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob diese Zuständigkeit korrekt begründet wurde, solange dies wirksam geschehen ist, BeckOK ZPO/Kreutz, § 946 Rn. 3.
Ist die Hauptsache noch nicht anhängig, ist das Gericht zuständig, bei dem 119 die Hauptsache nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften anhängig gemacht werden könnte.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung § 946 Abs. 1 Satz 2 erklärt die besonderen Zuständigkeitsvorschriften im Recht der einstweiligen Verfügung, die Normen §§ 943 und 944 bei Beantragung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKPf) für entsprechend anwendbar. Damit wird im Rahmen des § 944 auch eine Dringlichkeitsentscheidung des jeweiligen Vorsitzenden des Kollegialgerichts möglich, BeckOK ZPO/Kreutz, § 946 Rn. 5.
120 Bei der Zwangsvollstreckung durch „Behörden“ i. R. d. sog. Verwaltungsvollstreckung (z. B. Finanzamt oder Städte und Gemeinden oder gesetzliche Krankenkassen) können diese Behörden im Verwaltungswege aufgrund eigener Vollstreckungshoheit selbst vollstrecken. Sie erlassen die notwendige Pfändungs- und Einziehungsverfügung (PfEV) selbst und stellen diese auch selbst zu. Diese Verfügung muss aber einen Dienststempel/Siegel der Behörde/ Krankenkasse und eine eigenhändige Original-Unterschrift des Vollstreckungsbeamten tragen. BGH, Urt. v. 23.10.1997 – IX ZR 249/96, ZIP 1997, 2126 = NJW 1998, 609.
121 Eine faksimilierte Unterschrift, also eine Unterschrift durch Aufbringung eines Faksimilestempels oder vorgedruckter Unterschriften, reichen nicht aus. OLG München, Beschl. v. 10.9.2015 – 34 Wx 256/15, BeckRS 2015, 16227 sagt zur Unterschrift: „Die Unterschrift des Urkundsbeamten muss nicht lesbar sein, aber einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug mit individuellem Charakter aufweisen, der sich als Wiedergabe des Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (BGH NJW 1994, 55). Auch wenn die Unterschrift nur flüchtig niedergelegt, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (BGH NJW 2005, 3775) und nicht einmal einige Buchstaben erkennen lässt (vgl. BGH NJW 1992, 243), kann dies genügen, wenn an der Autorenschaft und Absicht, eine volle Unterschrift zu leisten, keine Zweifel bestehen.“
122 Der zuständige Vollstreckungsbeamte muss die Vollstreckungsmaßnahme bewusst und persönlich veranlassen. Die Unterschrift ist deshalb einerseits Selbstkontrolle des entscheidenden Organs, aber soll – nach außen – erkennbar machen, dass dieser unterschriebene Beschluss auch tatsächlich den Willen bei der Beschlussfassung korrekt wiedergibt. Dadurch wird „dem Rechtsverkehr eine hinreichende Gewähr für den Inhalt der getroffenen Entscheidung geboten“. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – VII ZB 62/07, ZVI 2008, 442 = NZI 2008, 512 = NJW-RR 2008, 1164. Die beglaubigte Abschrift muss erkennen lassen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Ausfertigungsvermerk unterschrieben hat. Hierfür reicht nach Ansicht des FG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.10.2004 – 13 K 68/01, BeckRS 2004, 26017170 „die maschinenschriftliche oder sonstige Wiedergabe des Namens“. Der BGH hatte entschieden, dass der Zusatz „gez. Unterschrift“ ebenfalls ausreicht, BGH, Urt. v. 23.1.1975 – VII ZR 199/73, NJW 1975, 781.
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6. Parteien der Zwangsvollstreckung
Etwas anderes gilt, wenn in den VwVG, VwVfG, JBeitrG (der Länder) geregelt 123 ist, dass (elektronisch) erlassene Verwaltungsakte weder des Dienstsiegels noch einer Originalunterschrift bedürfen. BGH, Beschl. v. 11.6.2015 – I ZB 64/14, MMR 2016, 280. So auch OVG Greifswald (2. Senat), Beschl. v. 19.5.2016 – 2 M 31/16, bzgl. § 37 Abs. 5 VwVfG M-V. Teilweise hängt die Frage, ob der Antrag unterschrieben sein muss, davon ab, welcher Gläubiger welche Geldforderung vollstreckt, vgl. BGH NJW 2015, 2268 zu § 7 Satz 2 JBeitrO. Praxistipp: Das drittschuldnerische Kreditinstitut wird hierauf wenig Prüfungsanstrengungen verwenden. Im Zweifel wird es den PfÜB/PfEV akzeptieren und etwaige diesbzgl. Beanstandungen dem Schuldner oder einem (nachrangigen) Gläubiger überlassen.
Eine (gesetzliche) Krankenkasse kann im Übrigen i. R. d. Forderungspfändung 124 – wozu die Kontopfändung zählt – in der Regel aufgrund der in den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen enthaltenen Ermächtigung, z. B. Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG), § 45 „Pfändung einer Geldforderung“, dort Absatz 3,
Pfändungen bundesweit und nicht nur auf den jeweiligen Vollstreckungsbezirk beschränkt ausbringen (was sonst nur möglich wäre, wenn sie bundesunmittelbare Trägerin wäre). 6. Parteien der Zwangsvollstreckung a) Vollstreckungsgläubiger Vollstreckungsgläubiger ist derjenige, der im Titel selbst (oder in der Voll- 125 streckungsklausel) als derjenige ausgewiesen sein muss, der den titulierten Anspruch geltend macht. b) Vollstreckungsschuldner Vollstreckungsschuldner ist der Gegner der (titulierten) Forderung. Auch er 126 muss sich aus dem Titel oder der Vollstreckungsklausel zweifelsfrei ergeben. c) Dritte/Drittschuldner Bei der Kontopfändung sind regelmäßig noch ein (oder mehrere) Drittschuld- 127 ner beteiligt, die nahezu ausnahmslos Kreditinstitute sind – jedenfalls unterstellen wir dies i. R. d. in diesem Skript dargestellten „Kontenpfändung“.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
7. Vollstreckung in Konten allgemein 128 Die Kontopfändung vollzieht sich als „Zwangsvollstreckung in Forderungen“ auf Basis von zwei – zunächst einmal getrennt voneinander zu betrachtenden – hoheitlichen Maßnahmen: x
zum einen durch die „Pfändung“ selbst, die neben der Beschlagnahme auch das Pfandrecht für den Gläubiger begründet und
x
zum anderen durch die „Überweisung“ (bei öffentlich-rechtlichen Forderungen auch „Einziehung“ genannt).
129 Die Überweisung ermächtigt den Gläubiger, das gepfändete Forderungsrecht des Schuldners im eigenen Namen geltend zu machen und vom Drittschuldner die Erfüllung der geschuldeten Leistung anzunehmen. 130 In der Praxis werden ganz überwiegend beide Beschlüsse gemeinsam beantragt. In diesem Fall ergeht regelmäßig auch von Seiten des Gerichts ein einheitlicher Beschluss. Gleiches gilt bei der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen. Auch hier erlässt die zuständige Behörde/Krankenkasse regelmäßig eine einheitliche PfEV. 131 Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend die konkreten Anforderungen an diese Beschlüsse/Verfügungen zusammen für PfÜB und Pfändungs- und Einziehungsverfügung erläutert und nur dort getrennt dargestellt, wo es unerlässlich ist. a) Bezeichnung der Parteien 132 Im PfÜB sind die Parteien zu bezeichnen (§§ 829, 313 Abs. 1 Nr. 1), also Gläubiger und Schuldner, ggf. ihre (gesetzlichen) Vertreter und Prozessbevollmächtigten sowie der Drittschuldner. Zu den weiteren Angaben im Rahmen eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung vgl. Rn. 315 ff. 133 Der Gläubiger des PfÜB muss mit dem Gläubiger im zugrundeliegenden Titel übereinstimmen. 134 Die bloße Änderung des Namens oder der Firma des Gläubigers steht der Vollstreckung eines Titels dann nicht entgegen, wenn der Gläubiger die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan durch entsprechende Urkunden zweifelsfrei nachweist. BGH, Beschl. v. 21.7.2011 í I ZB 93/10, NJW-RR 2011, 1335.
135 Will eine mit dem im Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubiger hinsichtlich der Rechtsform nicht namensgleiche offene Handelsgesellschaft die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben und macht sie geltend, es liege eine Änderung der Rechtsform und eine Änderung der Firma vor, hat sie die Per-
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
sonenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan durch entsprechende Urkunden zweifelsfrei nachzuweisen. BGH, Beschl. v. 17.5.2017 – VII ZB 64/16, DGVZ 2017, 142.
Ist ein PfÜB bereits erlassen und zugestellt und wechselt anschließend der 136 Gläubiger, kommt keine Titelumschreibung in Betracht. § 727 ist auf Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden, BGH, Beschl. v. 21.9.2016 – VII ZB 45/15, NJOZ 2017, 571. Der BGH führt zu Recht aus, dass es sich bei einem Pfändungsbeschluss nach § 829 Abs. 1, um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung und nicht um einen Vollstreckungstitel handelt. Der Zessionar kann die Rechtsnachfolge sowie den Übergang des durch den Pfändungsbeschluss begründeten Pfandrechts nach § 401 Abs. 1 BGB dem Drittschuldner gegenüber in diesem Fall ohne weiteres durch Vorlage der ihm nach § 727 für den zugrunde liegenden Urteilstitel zu erteilenden Rechtsnachfolgeklausel, durch Vorlage der Abtretungsurkunde oder in anderer geeigneter Weise nachweisen. Ist das geschehen, ist das drittschuldnerische Kreditinstitut auch dem neuen Gläubiger gegenüber im Rahmen des § 840 vom Bankgeheimnis befreit.
Der Drittschuldner muss den Pfändungsschuldner eindeutig identifizieren 137 können. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.3.1993 – 1 U 116/92, NJW-RR 1994, 1023 = WM 1993, 2020.
Wenn der Drittschuldner den Schuldner wegen unvollständiger oder falscher Angaben nicht sicher identifizieren kann, ist die Pfändung unwirksam. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.3.1993 – 1 U 116/92, NJW-RR 1994, 1023 = WM 1993, 2020.
Beispiel: Es geht ein PfÜB des Gläubigers G gegen Schuldner Stefan Schmidt [S] beim Kreditinstitut K ein. Name und Vorname stimmen in der IT der K überein, nicht aber die Adresse. K hat einen weiteren Kunden mit dem Namen Stefan Schmidt unter derselben Adresse (Hochhaus mit 60 Parteien). In der IT der K ist aber die im PfÜB angegebene Adresse des S als „nicht mehr aktuelle Adresse“ (Vor- oder Alt-Adresse) noch ersichtlich. Hier würde man wohl keinen Zweifel daran hegen, dass es sich bei S um den Vollstreckungsschuldner handelt und dessen Konten sperren. Variante: Die „nicht mehr aktuellen Adressen“ sind nicht ohne Weiteres in der IT der K ersichtlich, sondern würden es erfordern, dass Mitarbeiter der K in eingescannten Unterlagen aufwändig recherchieren müssten.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
In diesem Fall wäre es zulässig, dass K die Pfändung als „zu unbestimmt“ zurückweist und keine Konten sperrt, weil sie S auf Basis nur der Angaben im PfÜB und ihrer Daten in der IT nicht zweifelsfrei identifizieren kann. K muss nicht aufwändig recherchieren, ob der Vollstreckungsschuldner S Kunde bei ihr ist, sondern darf darauf vertrauen, dass es alleine auf Basis der Angaben im PfÜB in der Lage ist, anhand der eigenen IT den Schuldner zügig zu identifizieren. Und K muss auch nicht veraltete Adressen so vorhalten, dass ein jederzeitiger Zugriff darauf schnell möglich ist. Der BGH hat schon 1986 entschieden, dass sich die Belastungen für den Drittschuldner bei der Drittschuldnerbearbeitung nur „auf geringstmöglichem Niveau“ bewegen dürfen. Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 25.9.1986 – IX ZR 46/86, ZIP 1986, 1422 = NJW 1987, 64;
Beispiel: Schuldnerin S hat vor Zustellung des PfÜB beim Kreditinstitut K durch Heirat den Nachnamen gewechselt. Der PfÜB wird K noch unter dem alten Namen der S zugestellt. K, der der Namenswechsel durch Einreichung der Heiratsurkunde bekannt ist, sperrt die Konten der S; S reklamiert, dass dies unzulässig sei, weil sie im PfÜB nicht korrekt namentlich bezeichnet worden ist. Die Zwangsvollstreckung kann begonnen/fortgesetzt werden, sofern „die Identität der Schuldnerin mit der im Titel bezeichneten Namensträgerin sicher gewährleistet bleibt“. AG Dresden, Beschl. v. 21.3.2005 – 501 M 3689/05, DGVZ 2005, 129; LG Koblenz, Beschl. v. 17.1.2003 – 2 T 860/02, InVo 2004, 29; ebenso schon AG Mönchengladbach, v. 14.9.1961 – (3 (6) B 1137/61, BB 1962, 615.
K darf, wenn es ebenfalls keinerlei Zweifel an der Identität der S hat, daher die Konten sperren. Der Gläubiger muss keine Umschreibung des Titels nach § 727 veranlassen. Der Erteilung einer auf den jetzigen Namen der S lautenden Vollstreckungsklausel bedarf es nicht. Insoweit ist der Namenswechsel nicht einer Rechtsnachfolge gleichzusetzen. Klarstellend: Hat der Gerichtsvollzieher, der den PfÜB der K zustellen muss, Zweifel an der Identität der S, muss er sich vom Gläubiger die Identität nachweisen lassen. Fügt er dann den Nachweis bei der Zustellung dem PfÜB bei, ist das für K eine zusätzliche, aber nicht zwingend notwendige Hilfe zur sicheren Identifizierung der S. Hat K dagegen Zweifel und reicht ihr der Gläubiger erst nachträglich die Heiratsurkunde ein, ergibt sich die sichere Identifikation der S nicht aus dem PfÜB selbst heraus. Hier müsste die K die Sperrung der Konten eigentlich ablehnen. Ob K in diesem Fall, das – geringe – Risiko eingeht, die Konten trotzdem zu sperren, muss jedes Kreditinstitut für sich entscheiden.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein Praxistipp: In der Zwangsvollstreckung herrscht – zu Recht – Formstrenge. Trotzdem sollte § 750 Abs. 1 Satz 1 nicht „kleinlich“ ausgelegt werden. Hat das drittschuldnerische Kreditinstitut daher keine vernünftigen Zweifel, dass es sich bei dem Vollstreckungsschuldner um den Kontoinhaber handelt, sollte es die Konten sperren. Unwesentliche und damit unerhebliche Mängel bei der Schuldnerbezeichnung können z. B. die nicht ganz richtige Schreibweise des Namens oder der Firma sein (ae statt ä; Rotensky statt Rothensky; Rufname statt des offiziellen Vornamens; weitere Beispiele bei Heßler, in MünchKomm-ZPO, § 750 Rn. 53). Für einen Gläubiger empfiehlt sich im Falle einer Namensänderung einen Klarstellungsvermerk auf dem Titel anbringen lassen. Das erspart Diskussionen und Unklarheiten und bewahrt vor Zeitverlust. Eine notarielle Urkunde bedarf insoweit auch nur der kostenfreien Berichtigung, nicht der Umschreibung des Titels, vgl. BayObLG (3. Zivilsenat), Beschl. v. 12.6.1978 – BReg. 3 Z 72/77, DNotZ 79, 55; ebenso OLG Bremen, Beschl. v. 4.11.1988 – 1 W 67/88, Rpfleger 1989, 172.
Vollstreckungsgerichte müssen von Amts wegen im PfÜB das – im zugrunde- 138 liegenden Vollstreckungstitel nicht aufgeführte – Geburtsdatum des Schuldners streichen, wenn der Gläubiger es bei der Beantragung des PfÜB in diesem – zur sicheren Identifikation – ergänzend eingefügt hat. Die Streichung geschieht zu Recht, denn wenn das Gericht die Streichung nicht 139 vornehmen würde, würde es den „amtlichen Anschein“ erwecken, dass das Geburtsdatum zu diesem Schuldner gehört, was sich aber aus dem zugrundeliegenden Vollstreckungstitel eben gerade nicht ergibt. § 750 Abs. 1 sieht lediglich vor, dass der Vollstreckungsschuldner aus dem Vollstreckungstitel „namentlich bezeichnet“ ist, also mit Vor- und Nachnamen. Das möglicherweise i. R. d. der späteren Vollstreckung zur sicheren Identifikation hilfreiche Geburtsdatum ist bewusst nicht vorgeschrieben, um dem Gläubiger die Titulierung nicht zu erschweren, da er das Geburtsdatum vielfach nicht wissen wird (ein Handwerker kennt im Zweifel nicht das Geburtsdatum seines Auftraggebers). Praxistipp: Der Gläubiger kann – und sollte das auch – das Geburtsdatum (soweit vorhanden) bereits im Vollstreckungstitel angeben (hinter der Namensbezeichnung, was auch im Antrag zum Erlass eines Mahnbescheides geht). Nur dann kann es auch in den PfÜB übertragen werden. Eine nachträgliche Ergänzung des Titels (nur) wegen des Geburtsdatums ist regelmäßig nicht möglich (Ergänzungen sind nur i. R. d. § 321 und darauf verweisender Normen möglich).
Vergisst das Gericht die Streichung des Geburtsdatums, was im Massengeschäft 140 natürlich vorkommen kann, ist das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht daran gehindert, das Geburtsdatum zu Identifikation des Vollstreckungsschuldners zu nutzen.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
141 Grundsätzlich muss ein Kreditinstitut selbstverständlich durch eine ausreichende Organisation gewährleisten, dass es den ordnungsgemäß bezeichneten Vollstreckungsschuldner auch identifizieren kann. Beispiel, Variante zum Fall Rn. 137: Gläubiger G hat die aktuelle Adresse des Schuldners S im PfÜB angegeben. Kreditinstitut K ist diese Adresse durch eine „Adressänderung“ des S vor 10 Tagen auch bekannt gegeben worden, allerdings ist in der IT noch die alte Adresse hinterlegt, so dass der Mitarbeiter in der Pfändungsbearbeitung der K zur Erkenntnis kommt, dass der S nicht eindeutig identifizierbar ist und eine Sperrung der Konten des S ablehnt. Hier liegt ein Organisationsverschulden der K vor. Erleidet der G dadurch einen Schaden, der mindestens im Mehraufwand für die Aufklärung der Situation bestünde, schlechtenfalls darin, dass G der Vollstreckungserfolg vereitelt wird, muss K diesen Schaden tragen. K hätte hier die Konten des S sperren müssen und wird entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 31, 166 Abs. 1 BGB so behandelt, als hätte sie die Adressänderung ordnungsgemäß vermerkt. K muss sich so organisieren, dass die neuen Informationen so zeitnah eingepflegt werden, wie es den Erwartungen des Rechtsverkehrs und den Organisationspflichten zur Führung eines ordnungsgemäßen Bankgeschäfts entspricht. 10 Tage für eine Adressänderung zu benötigen, entspricht diesen Erwartungen eindeutig nicht. In der AGB der Banken (dort unter Nr. 11 (1)) und Sparkassen (dort unter Nr. 20 (1) a)) ist geregelt, dass der Kunde Adressänderungen unverzüglich mitzuteilen hat. Insofern wird man unterstellen müssen, dass ein Kreditinstitut – schon wegen § 154 AO – auch ein Interesse daran hat, eine solche mitgeteilte Adressänderung „unverzüglich“ in seiner IT zu vermerken.
142 Grundsätzlich bleibt es aber der freien Entscheidung jedes Kreditinstitutes überlassen, „im Hinblick auf die Registrierung ihrer Konteninhaber die ihr für ihre speziellen Zwecke am geeignetsten erscheinenden Organisationsform zu verwenden“, soweit die Organisationsmöglichkeit nicht von vornherein unbrauchbar oder untauglich ist. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.3.1993 – 1 U 116/92, NJW-RR 1994, 1023 = WM 1993, 2020. Praxistipp: Kann der Schuldner nicht identifiziert werden, ist in der „Drittschuldnererklärung“ darauf wie folgt hinzuweisen: „Aufgrund unzureichender Angaben kann der Schuldner nicht identifiziert werden. Die Pfändung erkennen wir daher nicht an.“
aa) Haftungsfalle: Nach-Identifikation 143 Einen in der Praxis vorkommenden „Dauerbrenner“ in diesem Zusammenhang stellt nachfolgendes Beispiel dar. 40
7. Vollstreckung in Konten allgemein
Beispiel: Dem Kreditinstitut wird ein PfÜB mit umfassender Kontopfändung zugestellt. Er richtet sich gegen Hermann Muster, Musterstraße 168, 81249 München, ohne Angabe eines Geburtsdatums oder einer Kontonummer. Das Kreditinstitut hat zwei Kunden mit demselben Namen und derselben Anschrift (Vater Hermann sen. und Sohn Hermann jun.). Bei Hermann jun. liegen bereits mehrere Pfändungen vor, Hermann sen. ist dagegen ein guter Kunde. A) Sachbearbeiter A sperrt die Konten von Hermann jun., weil er der Meinung ist, das betrifft den „bekannt klammen Junior“. B) Sachbearbeiterin B ruft den Gläubiger an um zu fragen, ob er nähere Angaben zum Schuldner habe, da man mehrere Hermann Mayer habe. Der Gläubiger nennt das Geburtsdatum von Hermann jun., das mit dem in der IT des Kreditinstitutes hinterlegten übereinstimmt. B sperrt die Konten des Hermann jun. C) Sachbearbeiter C weist den PfÜB mit der Drittschuldnererklärung als „unbestimmt hinsichtlich der Schuldnerbezeichnung“ als unwirksam zurück. Daraufhin faxt der Gläubiger das Geburtsdatum des Hermann jun. zu und bittet nunmehr um Sperrung der Konten, was C veranlasst. Welches Verhalten ist korrekt oder zumindest unter Arbeitseffizienzgründen vertretbar? Lösung: Keines! Der Inhalt eines PfÜBs muss sich „aus ihm selbst“ heraus ergeben. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – VII ZB 62/07, ZVI 2008, 442 = NZI 2008, 512 = NJW-RR 2008, 1164.
Deshalb dürfen Informationen, Umstände oder Urkunden außerhalb des eigentlichen Beschlusses nicht zur Auslegung herangezogen werden. Dies würde im Ergebnis auf eine „unzulässige Ergänzung des unvollständigen und deshalb unwirksamen Pfändungsakts“ hinauslaufen. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – VII ZB 62/07, ZVI 2008, 442 = NZI 2008, 512 = NJW-RR 2008, 1164.
Alle Sachbearbeiter haben daher falsch gehandelt! Alles, was nicht Bestandteil des Beschlusses ist (ggf. auch mit dem Beschluss z. B. als „Anlage“ fest verbunden ist, vgl. Rn. 84), darf nicht zur Herstellung der Bestimmtheit herangezogen werden. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1984 – X ZR 39/83, NJW 1985, 1031.
Hier muss also in der Drittschuldnererklärung mitgeteilt werden, dass man den PfÜB mangels zweifelsfreier Identifikation des Schuldners als „zu unbestimmt“ entweder „für erledigt betrachtet“, als „nichtig“ zurückweist oder schlicht „nicht anerkennt“. Wichtig ist, dann aber auch nicht mehr auf Anrufe/Schreiben etc. des Pfändungsgläubigers mehr zu reagieren.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
144 Dass die Bestimmtheit auch im Interesse anderer Gläubiger einzuhalten ist, hat der BGH mehrfach entschieden. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197.
bb) Haftungsrisiken 145 Für das Kreditinstitut: Falls das drittschuldnerische Kreditinstitut die Unbestimmtheit nicht erkennt bzw. eine Nachidentifikation zulässt und die Konten des Schuldners sperrt, macht es sich diesem gegenüber schadensersatzpflichtig. Lehnt es beispielsweise in dieser Phase eine Überweisung ab und entsteht dem Schuldner dadurch ein Schaden (was bei gewerblichen Schuldnern, wenn z. B. fällige Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt würden, nicht unerhebliche Folgen haben kann), mag man sich ausmalen, dass der Schaden „spürbar“ ausfallen kann. Aber auch, wenn es gegenüber einem nachfolgenden Pfändungsgläubiger eine – dann ja falsche – Drittschuldnererklärung abgibt, und dieser deshalb weitere, unnötige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreift, entsteht ein Haftungs- und Kostenrisiko für das Kreditinstitut. 146 Zudem betreibt das Kreditinstitut mit der – unzulässigen – Nachidentifizierung natürlich völlig unnötigen Mehraufwand und bindet dadurch Ressourcen, die anderweitig dringender benötigt bzw. besser eingesetzt sind. Auch kann natürlich die Nochmalzahlung drohen, wenn ein nachrangiger Gläubiger nachweisen kann, dass die vorrangige Gläubigerstellung nicht berechtigt war.
147 In der Praxis ist diese -unzulässige- Nachidentifikation nicht selten trotzdem vorzufinden. Argument dafür ist zumeist, dass es weniger Aufwand ist, als sich mit den „Eingaben“ des Gläubigers auseinandersetzen zu müssen, der zumeist die Ablehnung nicht sofort akzeptieren wird. 148 Das mag sein, der Autor will auch den Kreditinstituten sicher nicht vorschreiben, in welcher Form und wie man eine -täglich an vielen Stellen notwendige – Abwägung zwischen Risiken und Aufwand vorzunehmen hat, will aber aufzeigen, dass die Nachidentifikation eben Risiken birgt. Man mag diese eingehen, sollte sie aber dann kennen. Und in der Tat ist zu konzedieren, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der (richtige) Vollstreckungsschuldner oder ein nachrangiger Pfändungsgläubiger dessen gewahr wird, nahezu nicht besteht, so dass die Abwägung dann sicherlich oftmals zu Lasten des Risikos und zu Gunsten des geringeren Aufwandes ausfällt, was angesichts des generellen, nicht über Entgelte kompensierbaren Aufwandes der Pfändungsbearbeitung insgesamt kaum verwundert, mehr noch, gut nachvollziehbar ist. Der Grat zwischen Risikoabwägung und einem Verhalten contra legem ist aber schmal.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Vergleichbar auch die Folgen für den Gläubiger: Wenn das drittschuldne- 149 rische Kreditinstitut in seiner Erklärung den Anspruch als „zu unbestimmt“ zurückweisen wird, kann der Gläubiger zwar daraufhin einen neuen, dann „hinreichend bestimmten“ PfÜB nachschieben, aber abgesehen vom Mehraufwand und den in diesem Fall im Zweifel vom Schuldner nicht zu ersetzenden zusätzlichen Kosten (weil ggf. nicht „notwendig“ i. S. d. §§ 788 Abs. 1, 91, wenn er die Bestimmtheit von Anfang an hätte herstellen können), kann der Gläubiger hier seine besserrangige Position verlieren, wenn zwischenzeitlich eine andere Pfändung eines anderen Gläubigers eingeht. cc) Vollstreckbarer Anspruch des Gläubigers Der Anspruch muss nach Hauptsache, Zinsen und anderen Nebenleistungen, 150 bisherigen Zwangsvollstreckungskosten und Kosten „dieses“ (!) Pfändungsbeschlusses aufgeschlüsselt werden. Der Zinsanspruch kann „fortlaufend“ angeordnet werden, d. h. so, dass der Gläubiger alles erhält, was ihm in dem Augenblick zusteht, in dem der Drittschuldner tatsächlich zahlt. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.83.
Haftungsfallen: 1. Zu den Kosten „dieses“ PfÜB gehören immer auch die Zustellkosten an 151 eventuell weitere Drittschuldner desselben, einheitlichen Beschlusses (BGH, Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 90/20, WM 2021, 1509 mit Anm. Sudergat, WuB 2021, 463; vgl. auch Rn. 40 und 2461). Sie sind mit der Bezeichnung „Zustellungskosten für diesen Beschluss“ hinreichend bestimmt genug bezeichnet, so der BGH: „Aus dem PfÜB ist durch die Angabe von Namen und Anschrift auch der weiteren Drittschuldner erkennbar, dass der Gläubiger die Pfändung von Forderungen des Schuldners gegen weitere Drittschuldner betreiben will und eine Zustellung des Beschlusses an diese erfolgen kann. Die Formulierung ‚Zustellungskosten für diesen Beschluss‘ kann schließlich nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Pfändung einer gegen einen Drittschuldner bestehenden Forderung nur die Kosten erfasst, die mit der Zustellung des Beschlusses an ihn entstanden sind. Denn es wird nur ein einheitlicher PfÜB erlassen, von dem zum Zweck der Zustellung beglaubigte Abschriften gefertigt werden. Unter den im amtlichen Formular genannten ‚Zustellungskosten für diesen Beschluss‘ sind folglich die Kosten der Zustellung an den Schuldner und alle Drittschuldner zu verstehen.“, so der BGH zu Recht. Offen gelassen hat der BGH allerdings in dieser Entscheidung, ob auch „nicht ohne weiteres erkenn- und feststellbare Zustellungskosten – etwa für eine Zustellung im Ausland oder unvorhergesehene weitere, im Zusammenhang mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses anfallende Kosten –“ miterfasst werden. Dass für die ordnungsgemäße Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Schuldner und ggf. Drittschuldner das Vorliegen von in Schriftform verkörperten Abschriften zwingend erforderlich ist, hat das AG Duderstadt, Beschl. v. 22.7.2021 – 12 M 394/21, BeckRS 2021, 22268, entschieden.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Praxistipp: Auch der Folgeauftrag der Zustellung sollte an den Gerichtsvollzieher elektronisch erfolgen. Wenn nur der Auftrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom Pfändungsgläubiger auf elektronischem Weg gestellt worden ist, der Folgeauftrag auf Zustellung dieses Beschlusses, der grundsätzlich gem. §§ 835 Abs. 3, 829 Abs. 2 im Parteibetrieb zu erfolgen hat, dem Gerichtsvollzieher aber lediglich vom Gericht, das den PfÜB erlassen hat, vermittelt wurde und nicht etwa von der Gläubigerin selbst per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA), dann sind die vom Gerichtsvollzieher zu fertigenden Abschriften „berechtigte“ Kosten; nur wenn auch der Zustellungsauftrag elektronisch an den Gerichtsvollzieher übermittelt worden wäre, hätte dieser gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 fehlende Abschriften kostenfrei fertigen müssen. Ansonsten fällt die Dokumentenpauschale KV700 an, vgl. AG Trier, Beschl. v. 31.8.2021 – 22 M 417/21, BeckRS 2021, 24139; ebenso AG Villingen-Schwenningen, Beschl. v. 9.11.2021 – 11 M 1610/21, BeckRS 2021, 34777 und AG Hildburghausen, Beschl. v. 21.9.2021 – 3 M 729/21, BeckRS 2021, 39456. Siehe dazu auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.3.2021 – 2 U 3607/20, NJW 2021, 2123: „Eine Partei, die einen Schriftsatz gem. § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreicht, ist nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen. Aus diesem Grund kann die zusätzliche Übermittlung per Telefax einer erforderlichen Anfertigung einer Mehrfertigung nicht gleichstehen und deshalb den Anfall einer Dokumentpauschale nach Nr. 9000 Ziff. 1 Buchst. b Halbs. 2 KV-GKG nicht begründen. Einer entsprechenden Anwendung dieser Kostenvorschrift steht das kostenrechtliche Analogieverbot entgegen.“ Instruktiv dazu Goergen, DGVZ 2022, 32 m. w. N.
2. Auch wenn die Kosten dieses Beschlusses dem Kreditinstitut als Drittschuldner zum Zeitpunkt der Zustellung noch nicht bekannt sein können (auch der Gläubiger kann sie zunächst nur schätzen), ist zu beachten, dass die Pfändung durch Zahlung erst dann erledigt werden kann, wenn auch diese (ggf. nachträglich vom Gläubiger in der Forderungsaufstellung) aufgegebenen Kosten bezahlt sind. Haftungsfalle: Das drittschuldnerische Kreditinstitut muss sich daher ggf. dafür einen zusätzlichen Betrag aus dem gepfändeten Guthaben zurückbehalten und darf nicht bereits das verbleibende Restguthaben sogleich an den Schuldner auskehren. Ebenso Hansens, AGS 2021, 477. Der BGH hatte mit Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 90/20, WM 2021, 1509 mit Anm. Sudergat, WuB 2021, 463, entschieden, dass die Zustellungskosten an alle Drittschuldner von den Kosten für diesen (einheitlichen) Beschluss umfasst sind. Wie lange das drittschuldnerische Kreditinstitut Beträge zurückhalten muss bzw. dem Schuldner vorenthalten darf, hat der BGH offen lassen können. Grds. wird es dafür aber auch keine zeitliche
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7. Vollstreckung in Konten allgemein Einschränkung geben, denn die Pfändung wirkt insofern ja weiter. Aus der Praxis dürfte sich aber regelmäßig ergeben, dass diese Kosten relativ schnell übermittelt werden, da sie nach erfolgter Zustellung feststehen, zumal dann, wenn der Gläubiger schon vom drittschuldnerischen Kreditinstitut Gelder ausgekehrt erhalten hat, also weiß, dass er die weiteren Kosten mutmaßlich erstattet erhält. Hansens, a. a. O., hält dafür einen Zeitraum von zwei Monaten für ausreichend. Deutlich hinzuweisen ist aber darauf, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut diesen – wie Hansens ihn nennt – „Rückstellungsbetrag“ so lange dem Schuldner vorenthalten darf, bis der Gläubiger ihm die noch offenen Zustellungskosten aller Drittschuldner mitgeteilt hat.
3. Als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung i. S. d. § 788 Abs. 1 anzusehen sind auch Aufwendungen, die erforderlich sind, um beispielsweise „das vorgeschriebene Zwangsvollstreckungsformular nebst den erforderlichen Unterlagen zu vervielfältigen und zu versenden“. LG Frankfurt/M. (9. Zivilkammer), Beschl. v. 20.9.2019 – 2-09 T 351/19, DGVZ 2021, 177, das das noch gegenteilige entschiedene AG Frankfurt/M. (Außenstelle Höchst) in die Schranken verwiesen hat. Der „Einsatz von Papier für die vierfache Ausfertigung des Antragsformulars samt Forderungsaufstellung nebst Titel und Vollstreckungsunterlagen, die Verwendung eines Kuverts für die Versendung sowie das entsprechende Porto“ seien notwendig, so das LG Frankfurt/M. zu Recht und auch im konkreten Falle glaubhaft i. S. d. § 104 Abs. 2 gemacht.
4. Definitiv nicht – jedenfalls nicht automatisch – zu den Kosten „dieses“ Beschlusses gehören die Kosten eines vorgegangenen vorläufigen Zahlungsverbotes, auch wenn es zur Sicherung und Vorbereitung des nachfolgenden PfÜB dient. Diese Kosten können als „bisherige Vollstreckungskosten“ (Seite 3 der neuen Formulare, siehe Anhang 5 und 6) explizit im PfÜB angegeben werden, sind aber keine Kosten „dieses“ Beschlusses. 5. Durch Zahlung wird die Forderung im Übrigen nur dann beglichen, wenn die Tilgungsbestimmung die Zahlung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes (z. B. auch auf Weisung des Schuldners) klar zum Ausdruck bringt, dass auf die gepfändete Forderung gezahlt wird. Ansonsten könnte der Pfändungsgläubiger gem. § 366 BGB mit anderen Forderungen des Schuldners verrechnen. 6. Zahlt das drittschuldnerische Kreditinstitut aber auf die gepfändete Forderung vollständig, dann führt die Zahlung rechtlich dazu, dass der Anspruch aus dem PfÜB erlischt, § 362 Abs. 1 BGB. Einer formalen Aufhebung des Beschlusses durch das Vollstreckungsgericht, dass die Pfändung „erledigt“ ist, bedarf es nicht. Dass dies in der Praxis immer mal wieder trotzdem geschieht, ändert nichts daran, dass die Pfändung bereits mit vollständiger Zahlung erlischt; siehe zum Thema Erledigung der Pfändung auch Rn. 2286 ff.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
Das drittschuldnerische Kreditinstitut darf den PfÜB dann als „erledigt“ kennzeichnen und muss die Kontosperren gegen den Schuldner wieder aufheben; das gilt auch unabhängig davon, ob der Gläubiger das Erlöschen bestätigt, denn das drittschuldnerische Kreditinstitut ist selbst in der Lage – und muss es auch – jederzeit und zu jedem Tag zu berechnen, wie hoch die mit dem PfÜB geltend gemachte Forderung ist. Zur Ausnahme der Zustellungskosten (auch für weitere Drittschuldner), die das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht anhand des PfÜB selbst ermitteln bzw. exakt berechnen kann, Sudergat, WuB 2021, 463, siehe auch Rn. 40. Der Schuldner hat im Übrigen dann das Recht, für jede TeilZahlung eine Quittung vom Gläubiger zu fordern, § 757 Abs. 2, § 368 BGB und den Titel, wenn er vollständig bezahlt ist, von ihm heraus zu verlangen, § 757 Abs. 1.
7. Das drittschuldnerische Kreditinstitut muss sich vor Zahlung im Zweifel auch die ordnungsgemäße Vollmacht zum Empfang von Geldern durch den (Prozess-)Bevollmächtigten (Gläubigervertreter) nachweisen lassen (siehe dazu auch Rn. 83). Dazu berechtigt eine normale Prozessvollmacht nach § 81 nicht. 8. In den Formularen „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen“ (siehe Anhang 5) und „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen“ (siehe Anhang 6) ist bei der Bezeichnung des Zinsanspruchs der fortlaufenden Zinsen vorgesehen (ganz links) einen €-Betrag einzusetzen. Dies macht bei fortlaufenden Zinsen aber keinen Sinn, einmal abgesehen davon, dass dann fraglich wäre, bis zu welchem Zeitpunkt sie zu berechnen wären. Das könnte dazu führen, dass keine weiteren Zinsen vollstreckt werden können (der Hinweis „sowie weitere Zinsen“ fehlt), weshalb im Zweifel an dieser Stelle zwar ein Zinsbetrag eingetragen werden kann, aber „nebst Zinsen in Höhe“ anzukreuzen und das Datum „seit dem“ einzutragen ist. Hintergrund war wohl, dass ein Gesamtbetrag in Euro ausgewiesen werden sollte, um unten eine Summe für die Gebührenberechnung bilden zu können.
9. Die Formulare führen nur die – aus Sicht des Gesetzgebers „wichtigsten bzw. häufigsten“ – Forderungen standardmäßig auf. Im Kasten „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ müssen daher weitere Forderungen gegen Kreditinstitute eingetragen werden. Auf Seite 6 bzw. 7 der Formulare im Kasten „Anspruch G (an Sonstige)“ können weitere Forderungen, für die ansonsten keine Eintragungsmöglichkeit besteht, eingegeben werden. In Anhang 1 sind diese weiteren Ansprüche nochmals zusammengefasst. 10. Es ist darauf generell darauf zu achten, dass wenn auf „beiliegende Aufstellungen“ (= Anlagen) verwiesen wird, kein Widerspruch oder eine „(Teil-) Doppelung“ zwischen diesen „Anlagen“ und dem vorgegebenen Formular46
7. Vollstreckung in Konten allgemein
text verursacht wird. Dies wird ansonsten, da das Gericht bei Zweifeln nicht zur Auslegung berechtigt ist, dazu führen, dass der Antrag schlechtenfalls zurückgewiesen werden muss. Ggf. wird das Gericht mittels Zwischenverfügung den Gläubiger auffordern, sich klar und unmissverständlich zu erklären. Beides (Zurückweisung des Antrages oder Zwischenverfügung) führt mindestens zu einem Zeitverlust, ggf. zum Verlust der Priorität und zum Wegfall des Neubeginns der Verjährung, § 212 Abs. 3 BGB. Seit dem Jahre 2003 hat der BGH auch erlaubt, Vorauspfändungen von Konto- 152 guthaben für (erst) künftig fällig werdende Unterhaltsansprüche auszubringen. BGH, Urt. v. 31.10.2003 – IXa ZB 200/03, ZVI 2003, 646 = NJW 2004, 369; Pfändungsgegenstand einer Dauerpfändung kann auch eine Eigentümerbriefgrundschuld des Schuldners sein, BGH, Beschl. v. 16.9.2021 – VII ZB 9/21, WM 2021, 2200 bejahend auch für lfd. Mietansprüche: AG Norden, Beschl. v. 21.1.2004 – 9a H 4179/03, NJW-RR 2004, 1692.
Diese sog. Dauerpfändung verstößt nicht gegen § 751 Abs. 1, da die Zwangs- 153 vollstreckung nicht vor Fälligkeit der Vollstreckungsforderung, sondern frühestens an dem auf den Fälligkeitstag folgenden Werktag beginnt. Das Pfändungspfandrecht entsteht für jede Unterhaltsrate getrennt und erst mit deren jeweiliger Fälligkeit. Im Beschluss muss dies aber klargestellt werden: „Die Pfändung wegen der künftigen Beträge wird erst mit dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag wirksam.“ Im Antrag auf Erlass eines PfÜB wegen Unterhaltsforderungen (Anhang 6) ist der Satz leider nicht enthalten.
b) Haftungsfallen: Unterhaltspfändung aa) Haftungsfalle: Unbestimmte Fälligkeit Beispiel:
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Der Gläubiger pfändet im Wege der Kontopfändung rückständigen Unterhalt i. H. v. 4.398,12 € und mtl. Unterhalt i. H. v. 732,34 € „zahlbar ab März 2022“. Das Kreditinstitut erkennt nur die Pfändung hinsichtlich des Unterhaltsrückstandes an. Zu Recht? Lösung: Ja! Die Angabe „ab März 2022“ für den laufenden Unterhalt ist zu unbestimmt, weil nicht klar ist, ab welchem Tag genau der laufende Unterhalt fällig wird. Auch § 1612 Abs. 3 BGB hilft hier nicht weiter (Fälligkeit tritt danach zum Ersten eines Monats ein), weil das nur die gesetzliche Regelvermutung ist. Unterhaltsschuldner und Unterhaltsverpflichteter können aber – z. B. aus Rücksicht auf den Gehaltseingang des Unterhaltsschuldners am 15. eines Monats – einen anderen Fälligkeitszeitpunkt gewählt haben. Die genaue Fälligkeit des künftigen Unterhalts muss also im PfÜB angegeben sein, siehe zu den Mängeln im neuen Formular, Anhang 6, Rn. 1981. Dies auch deshalb, damit der Drittschuldner bei Mehrfach47
I. Allgemeines zur Kontopfändung
Pfändungen weiß, welcher Gläubiger zuerst zu bedienen ist (siehe nachfolgende Übersicht): 155 Übersicht: Unterhaltspfändung wegen rückständigem und laufendem Unterhalt ab 1.10.2022 Zustellung UnterhaltsPfÜB 15.3.2022 durch Gläubiger A
Zustellung normaler PfÜB 18.3.2022 durch Gläubiger B
Zustellung normaler PfÜB 4.4.2022 durch Gläubiger C
Zustellung normaler PfÜB 4.5.2022 durch Gläubiger D
Reihenfolge: 1. Pfändung für Gläubiger A wegen rückständigen Unterhalts wirkt ab 15.3.2022 2. Pfändung für Gläubiger B wirkt ab 18.3.2022 3. Pfändung für Gläubiger A wegen lfd. Unterhalts für Monat April 2022 wirkt ab 1.4.2022 4. Pfändung für Gläubiger C wirkt ab 4.4.2022 5. Pfändung für Gläubiger A wegen lfd. Unterhalts für Monat Mai 2022 wirkt ab 1.5.2022 6. Pfändung für Gläubiger D wirkt ab 4.5.2022 7. Pfändung für Gläubiger A wegen lfd. Unterhalts für Monat Juni 2022 wirkt ab 1.6.2022 8. Pfändung für Gläubiger A wegen lfd. Unterhalts für Monat Juli 2022 wirkt ab 1.7.2022 usw.
156 Dauerpfändungen in Form von Unterhaltspfändungen sind zwar vergleichsweise selten, etwa in einer Größenordnung von ca.1 – 4 % der Kontopfändungen, vgl. Rn. 51, verursachen aber durch die monatlichen, laufenden Unterhaltsansprüche einen unverhältnismäßig hohen Überwachungs- und Bearbeitungsaufwand und damit auch Haftungsrisiken. Unter anderem muss ein Kreditinstitut – soweit keine Auskehrungen an den Gläubiger erfolgen (können) – gewährleisten, dass sich die Unterhaltsforderung jeweils um den monatlich festgelegten Unterhaltsanspruch verzinslich erhöht. Auch ist zu beachten, dass Unterhaltsforderungen ggf. zeitlich befristet sind und sich natürlich die Rangfolgen (gegenüber anderen Pfändungsgläubigern) ggf. monatlich ändern können, wenn eine laufende Unterhaltsforderung und/oder -rückstände sich durch Zahlung an den Gläubiger erledigt haben. Erwirkt ein eigentlich nachrangiger Gläubiger einen Nichtberücksichtigungsbeschluss nach § 850c Abs. 6, verdrängt dieser hinsichtlich der Pfändungstiefe den vorrangigen Gläubiger, weil im Verhältnis nur zu diesem nachrangigen Gläubiger geringere Freibeträge greifen. Erst wenn auch der vorrangige Gläubiger einen Beschluss nach § 850c Abs. 6 erwirkt, verdrängt dieser wegen des Prioritätsgrundsatzes (wieder) die Wirkungen des Beschlusses des nachrangigen Gläubigers, der zuerst den Antrag nach § 850c Abs. 6 gestellt hat, vgl. LG Mönchengladbach, Beschl. v. 20.5.2003 – 5 T 142/03, BeckRS 2003, 12480 (noch zur inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 850c Abs. 4 a. F.).
157 Das ist auch bei der Drittschuldnererklärung gegenüber nachrangigen, neuen Pfändungsgläubigern zu berücksichtigen. 48
7. Vollstreckung in Konten allgemein
bb) Haftungsfalle: Dynamisierung Weitere Haftungsfallen, haben sich durch die Beschlüsse des LG Kassel,
158
Beschl. v. 5.6.2009 – 3 T 106/09, BeckRS 2009, 86590,
und des OLG Jena, Beschl. v. 24.1.2000 – 6 W 622/99, RPfleger 2000, 225,
ergeben. Nach Ansicht des LG Kassel und des OLG Jena ist auch ein PfÜB möglich, 159 bei dem sich die Dynamisierung des Zahlbetrags eines Unterhaltstitels auf der Vollstreckungsebene fortsetzt. Ein PfÜB muss daher nicht (mehr) auf feste Beträge beschränkt werden. Der Pfändungsgläubiger im Fall des LG Kassel hatte einen Unterhaltstitel für laufenden Unterhalt erwirkt mit dem Tenor „laufenden Unterhalt ab dem 1.10.2003 i. H. v. 131,6 % des jeweiligen Regelbetrages gem. § 2 Regelbetragsverordnung der jeweiligen Altersstufe unter Berücksichtigung des jeweiligen anrechenbaren anteiligen Kindergeldes monatlich im Voraus“,
und im Fall des OLG Jena hatte sich der Vollstreckungsschuldner verpflichtet, „an den Vollstreckungsgläubiger monatlichen Unterhalt für die Zeit vom 1.7.1999 bis 31.8.2000 in Höhe von 142,3 % des jeweiligen Regelbedarfs der 1. Altersstufe abzüglich 110 DM Kindergeldanteil und für die Zeit danach 142,3 % des jeweiligen Regelbedarfs der 2. Altersstufe abzüglich 110 DM Kindergeldanteil zu zahlen.“
Mit dieser Dynamisierung haben dann beide Vollstreckungsgläubiger auch den 160 PfÜB beantragt. Diese Dynamisierung wurde vorinstanzlich zunächst mit dem Hinweis abgewiesen, der Drittschuldnerin sei es nicht zuzumuten, die Höhe des zu zahlenden Betrages eines dynamisierten Titels jeweils zu ermitteln. Dem haben sowohl das LG Kassel wie auch das OLG Jena widersprochen. Das LG Kassel argumentierte: „Die Drittschuldnerin kann wie jede andere Person unter Hinzuziehung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, der Regelbetragsverordnung bzw. der jetzigen gesetzlichen Festsetzung des Mindestunterhalts anhand des im Titel angegebenen Prozentsatzes den konkret geschuldeten Betrag zuverlässig errechnen. Vergleichbar bestimmt auch § 794 Abs. 1 Nr. 2a solche Beschlüsse zu Titeln, aus denen die Zwangsvollstreckung stattfinden kann, die im vereinfachten Verfahren den Unterhalt Minderjähriger festsetzen. Die Vorschrift unterscheidet dabei nicht, ob es sich um einen betragsmäßig bezifferten Unterhaltssatz oder aber um einen Prozentsatz vom Mindestunterhalt handelt (vgl. auch Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 794 Rn. 19). Deswegen ist nach herrschender Ansicht, der sich die Kammer anschließt, ein dynamisierter Unterhaltstitel auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit ein tauglicher Vollstreckungstitel (vgl. auch OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 1046; OLG Jena, FamRZ 2005, 916; Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 704 Rn. 4).“
49
I. Allgemeines zur Kontopfändung
161 Das OLG Jena stimmte dem mit inhaltlich vergleichbarer Argumentation zu und wies zudem darauf hin, dass hierfür auch „insbesondere der Sinn und Zweck des durch das Kindesunterhaltsgesetz neu gefassten § 1612a BGB“ spräche. Der gesetzgeberische Wille, damit „die prozessuale Stellung des unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindes zu verbessern und die Unterhaltstitel automatisch an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen“ könne sich daher nicht nur auf das Erkenntnisverfahren beschränken, sondern gelt nach Ansicht des OLG Jena auch für das Vollstreckungsverfahren.
162 Das OLG Jena hat allerdings auch bestimmte Voraussetzungen festgelegt, die der PfÜB erfüllen muss: 1. Der PfÜB muss den vollstreckbaren Anspruch inhaltlich bestimmt ausweisen. Daher muss sich der Betrag „ohne Weiteres errechnen“ lassen, das heißt, dass auch der Drittschuldner in der Lage sein muss, den Unterhalt aus dem PfÜB selbst in Verbindung mit anderen allgemein zugänglichen Daten festzustellen. Hierfür soll aber ausreichen, dass der Unterhaltsanspruch im PfÜB durch Angabe eines Prozentsatzes des jeweiligen Regelbetrages unter Abzug des gesetzlichen Kindergeldanteils angegeben wird. Wenn sich die zur Berechnung des jeweiligen konkret geschuldeten Unterhalts für den Drittschuldner erforderlichen Angaben „Geburtsdatum“ und „Wohnort des Vollstreckungsgläubigers“, „Prozentsatz des Regelbedarfs“, „Höhe des abzuziehenden Kindergeldanteils“ aus dem Titel selbst bzw. dem PfÜB und im Übrigen aus dem Gesetz die Altersstufen nach § 1612a Abs. 3 BGB und die Regelbeträge entsprechend der jeweiligen Regelbetragsverordnung (galt bis 31.12.2005) ergeben, ist der vollstreckbare Anspruch bestimmt genug bezeichnet. Dann sollte nach Ansicht des OLG Jena die erforderliche Berechnung von jedem Drittschuldner (hier handelte es sich um einen Arbeitgeber) durchgeführt werden können. Das Haftungsrisiko der Falschberechnung sieht das OLG Jena nicht, da die für die Veränderung der Regelbeträge maßgebenden Änderungen vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (kurz: BMJV) im Rahmen der Regelbetragsverordnung rechtzeitig bekanntgegeben würde. Auch zeitlich habe der Drittschuldner damit „hinreichend Zeit, diesen Änderungen Rechnung zu tragen“. 2. Im PfÜB muss, wenn der geschuldete Unterhalt in Höhe eines Prozentsatzes vom Regelbetrag der jeweiligen Altersstufe eines Kindes gepfändet wird, die Altersstufen angegeben werden. Allerdings braucht ein nach § 1612a Abs. 1 BGB dynamisierter Titel – und damit auch der PfÜB die Höhe des anzurechnenden Kindergeldes nicht beziffert zu enthalten. Es genüge die Bezugnahme auf dessen jeweilige gesetzliche Höhe, wenn vermerkt sei, um Kindergeld für welches Kind (erstes, zweites drittes usw.) es sich handelt. Dann muss der Drittschuldner im Zweifelsfall auch hinsichtlich des anzurechnenden Kindergeldes die jeweiligen gesetzlichen Änderungen berücksichtigen.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
3. Nicht ausgewiesen werden muss nach Ansicht des OLG Jena, ob der Regelsatz des § 1 oder des § 2 der Regelbetragsverordnung gemeint sei, da maßgebend dafür, ob § 1 oder § 2 Anwendung findet, der Wohnort des Unterhaltsgläubigers sei. Ebenso OLG Dresden, Beschl. v. 15.2.2011 – 23 WF 576/10, NJW-RR 2011, 1305 (Hinweis: Die RegelbetragVO wurde mit Wirkung zum 1.1.2008 aufgehoben. Alte dynamisierte Titel gelten aber gem. § 36 Nr. 3 EGZPO fort und werden in neues Recht überführt, vgl. Begr. zum Gesetzentwurf der BReg. – Gesetz zur Änderung des UnterhaltsR – BT-Drucks. 16/1830, S. 34).
Dieser Wohnort müsse nur dann in den PfÜB aufgenommen werden, wenn sich der Wohnort nicht aus dem Vollstreckungstitel ergäbe. Das AG Hamburg-Altona will mit seinem Beschluss ebenfalls dem drittschuld- 163 nerischen Kreditinstitut eine Berechnung der pfändungsfreien Beträge zumuten. Bestätigt durch das LG Hamburg, Beschl. v. 8.10.2009 – 319 T 55/09, BeckRS 2010, 10532.
Es ist der Ansicht, dass es dem Drittschuldner zuzumuten sei, „anhand einer einfachen Formel den pfandfreien Betrag nach § 850c zu berechnen und dabei die Verfügungen des Schuldners innerhalb der Wochenfrist des § 55 Abs. 1 SGB I zu berücksichtigen“.
Zu unterscheiden ist hier zwischen drittschuldnerischen Kreditinstituten und 164 Arbeitgebern als Drittschuldnern. Für die Pfändung von Arbeitslohn beim Arbeitgeber hat das OLG Brandenburg ausdrücklich festgestellt, dass es Sache des Drittschuldners ist nach wirksamer Zustellung eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses die Unterhaltspflichten des Schuldners zu ermitteln. Wenn der Schuldner die Abtretung des pfändbaren Gehaltsanspruches an seine Ehefrau vor Wirksamwerden der Pfändung nicht nachweisen kann und es nicht ausgeschlossen scheint, dass die Abtretung nachträglich gefertigt wurde, ist die Abtretung nicht zu berücksichtigen, OLG Brandenburg (7. Zivilsenat), Urt. v. 14.4.2021 – 7 U 79/20, LSK 2021, 10754.
Auch wenn sich in einer Entscheidung aus 2002 das BVerfG anders geäußert 165 hat, BVerfG, Beschl. v. 17.6.2002 – 1 BvL 9/01, NJW 2003, 279, in dem es auf eine Entscheidung des LG Koblenz, Beschl. v. 10.9.1997, RPfleger 1998, 76, Bezug nimmt und daraus wie folgt zitiert: „… dass es einer Bank als Drittschuldnerin nicht zugemutet werden könne, den unpfändbaren Teil des auf einem von ihr geführten Konto eingegangenen Arbeitseinkommens des Schuldners zu ermitteln.“ Und weiter: „Vielmehr sei allein das Vollstreckungsgericht auf einen entsprechenden Antrag des Schuldners hin verpflichtet, den pfändungsfreien Teilbetrag des Kontoguthabens selbst zu berechnen [Anm. des Autors: gemeint ist der Antrag nach
51
I. Allgemeines zur Kontopfändung § 850k in der Fassung bis 30.6.2010., nicht etwa ein Antrag, den pfändbaren Teil des Guthabens zu berechnen]. Durch diese Verfahrensweise werde der pfändungsfreie Betrag des Kontoguthabens für alle Beteiligten verbindlich festgelegt. Eine solche umfassende Regelung könnte das Geldinstitut als Drittschuldner nicht treffen. Zudem biete das gerichtliche Pfändungsschutzverfahren eine höhere Gewähr dafür, dass dem Schuldner nur der ihm tatsächlich zutreffende unpfändbare Teil des Kontoguthabens belassen werde.“
wird man wohl inzwischen aufgrund der sich durchsetzenden Rechtsprechung konstatieren müssen, dass dem Drittschuldner die eigene Berechnung des pfändungsfreien Betrages zuzumuten ist. 166 Hier ist aber zu differenzieren, vgl. auch Rn. 2040: Ein Gerichtsbeschluss etwa, der dem Kreditinstitut auferlegt, nur „anhand der Gehaltsabrechnung“ den pfändungsfreien Betrag selbst zu bestimmen, wäre so nicht zulässig. Hiergegen sollte sich das Kreditinstitut mittels Erinnerung nach § 766 wehren, da in diesem Fall die Berechnungsgrundlagen nicht feststünden. Werden sie dagegen durch das Gericht präzise genannt oder festgelegt, dürfte die Berechnung wohl auf Basis der obigen Rechtsprechung den Kreditinstituten zumutbar sein. Der hohe Prüfungs- bzw. Berechnungsaufwand und die damit einhergehenden Haftungsrisiken muss das drittschuldnerische Kreditinstitut in Kauf nehmen. 167 Das OLG Jena wischt das Problem steigender Haftungsrisiken damit vom Tisch, dass es meint, dass diese nicht unzumutbar seinen, da die für die Berechnung der Dynamisierung notwendigen Regelbeträge aus dem Gesetz und deren etwaigen Anpassungen rechtzeitig ersichtlich sind. 168 Das kann man kritisieren, aber der Autor will mit dem Skript weiterhin „Arbeitshilfe für Praktiker“ sein. Die Praktiker interessieren am Ende das, worauf sie sich „nach herrschender Meinung“ einzustellen haben. Insofern ist auch die anderweitige Rechtsprechung des BGH, wonach sich die Belastungen für den Drittschuldner auf geringstmöglichem Niveau bewegen müssen, zumindest für diesen Punkt – sonst schon – nicht mehr belastbar. Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 25.9.1986 – IX ZR 46/86, ZIP 1986, 1422 = NJW 1987, 64; ebenso Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 850k a. F. Rn. 13.
169 Auch das Argument, dass im neuen Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen“ (Anhang 6, dort Seite 4) zwar (natürlich) eine dynamisierte Unterhaltsrente vorgesehen ist, aber auch vorgeschrieben ist, dass für die drei Altersstufen ein „derzeitiger monatlicher Zahlbetrag des Unterhalts“ in € anzugeben ist sowie der Zeitraum („bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres“; „vom siebenten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres“ und „ab dem dreizehnten Lebensjahr“) sowie der „Zeitraum“ („vom … bis“ bzw. „ab dem …“), dürfte nicht mehr helfen (vgl. dazu unter Rn. 91 die Rechtsprechung des BGH zur Nutzung von Anlagen, falls das Formular nicht nutzbar ist).
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Besonders unangenehm für Drittschuldner ist auch die Entscheidung des AG 170 Hamburg-Altona, weil die Gerichte bislang oftmals bei wechselndem monatlichem Arbeitseinkommen gleichwohl im Rahmen einer Pauschalierung einen monatlichen festen Betrag festgesetzt hatten, der sich in der Praxis an dem Durchschnittsverdienst orientiert. Richtig: LG Limburg, Beschl. v. 17.1.2011 – 7 T 229/10, n. v.; ebenso schon LG Augsburg, Beschl. v. 13.3.1997 – 5 T 603/97, juris; a. A. Stöber/Rellermeyer, Rn. C.369 n. w. N. Einen ebenso richtigen, etwas anderen Weg ist das AG Norderstedt, Beschl. v. 11.10.2021 – 68 M 2057/18, BeckRS 2021, 34723, gegangen bei einem gepfändeten P-Konto, auf das ein ständig schwankendes Arbeitseinkommen einging. Das AG lehnte es ab, sich jeden Monat aufs Neue mit Freigabeanträgen, Anhörungen, einstweiligen Einstellungen, endgültigen (zu begründenden) Beschlüssen, Rechtskraftmitteilungen und vorliegend wegen der Beteiligung von mindestens zwei Vollstreckungsgerichten zusätzlich auch noch mit der „Gefahr“ unterschiedlicher Beschlussfassungen auseinandersetzen zu müssen. Daher hatte es tenoriert, dass für bestimmte Monate der pfandfreie Betrag auf einen monatlichen Mittelwert, vgl. dazu auch Rn. 176, i. H. v. 1.835,28 € und für den Monat, in dem der Schuldner Urlaubsgeld erhält, auf 1.899,08 € festgesetzt wurde.
Soweit Vollstreckungsgerichte nicht nur die Berechnung auf die Kreditinstitute 171 verlagern, sondern ihnen auch noch auferlegen wollen, den ggf. von Monat zu Monat wechselnden Eingang jeweils zu berechnen, ist das daher unzulässig. Abzulehnen deshalb auch AG Biberach, Beschl. v. 5.4.2011 – 1 M 2605/10, n. r., n. v., das einem Kreditinstitut – unter Vorgabe einer (eigenen) Staffelung, aus der hervorging, welche Beträge bei einer bestimmten Höhe des Gehaltseinganges pfändbar sind – aufgegeben hatte, das unpfändbare Gehalt nach § 850c selbst zu berechnen. Der sich hieraus ergebende Aufwand für Kreditinstitute wäre nicht zuzumuten, einmal abgesehen davon, dass auch diese der Pauschalierungssystematik des P-Konto-Pfändungsschutzes widersprechen würde.
Die zur Arbeitserleichterung in der Praxis gefundene Möglichkeit der Pauscha- 172 lierung des monatlichen Freibetrages (Mittelwert-Rechtsprechung, vgl. insoweit auch Rn. 176) ist damit den Kreditinstituten zusätzlich abgeschnitten. § 906 Abs. 3 Nr. 1 schreibt zwar vor, dass der Betrag zu beziffern ist, aber nur in der Regel, was – allerdings nur in sehr engen Grenzen – Ausnahmen zulässt. Zur inzwischen durch den BGH zugelassenen, für das Dispositionsverhalten der Kreditinstitute trotzdem zu fatalen Auswirkungen führenden Ausnahme, vgl. Rn. 177, Rn. 1187 und 1998. Aber auch in diesen Konstellationen muss das Vollstreckungsgericht einen Freibetrag zumindest insoweit festsetzen, als das Kreditinstitut ihn nicht „berechnen“ muss, weil er durch die jeweilige Überweisung vorgegeben wird.
Grundsätzlich wird es dem Drittschuldner sonst nicht gelingen und wäre ihm 173 daher nicht zumutbar, die erforderliche Ermittlung des pfandfrei zu belassen53
I. Allgemeines zur Kontopfändung
den Betrages mit einem „vertretbaren personellen und sachlichen Aufwand sicher vorzunehmen“, so der BGH zu Recht. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZVI 2011, 450 = WM 2011, 2367, dazu WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat); inhaltsgleich BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 74/10, BeckRS 2011, 27892.
174 Dabei geht es nicht darum, dass ein Kreditinstitut nicht prüfen könnte, ob das Arbeitseinkommen von einem bestimmten vom Gericht im Beschluss genannten Arbeitgeber stammt. Durch eine – allerdings meist nur manuell sicher prüfbare – Kontoumsatzanalyse wäre dies möglich, allerdings auch nicht zweifelsfrei. So weist das BVerfG, Beschl. v. 17.6.2002 – 1 BvL 9/01, NJW 2003, 279 zu Recht darauf hin, dass es zur zweifelsfreien Klärung ggf. der freiwilligen Mitwirkung des Schuldners bedürfte, eine Auskunft des Schuldners vom Kreditinstitut aber nicht zwangsweise durchzusetzen sei. Selbst wenn er aber mitwirken würde, kann das Kreditinstitut als Drittschuldner die Richtigkeit einer ggf. erteilten Auskunft des Schuldners nicht überprüfen. Den Schuldner selbst wiederum treffe keine Auskunftspflicht gegenüber dem Drittschuldner. Eigene Ermittlungen aber können von einem Kreditinstitut nicht verlangt werden.
175 Diesen Aufwand vertretbar zu bewerkstelligen, ist aber schlicht unmöglich. Damit eine Kontodisposition überhaupt halbwegs mit vertretbarem Aufwand gelingt, müssen Kreditinstitute ohnehin in teure Software investieren. Diese Software erfordert aber in der Regel zwingend einen konkret bezifferten Betrag, um ihn hinterlegen und die automatisierte Kontodisposition nutzen zu können. Zumindest braucht es einen nach unverwechselbaren Kriterien allein von der IT identifizierbaren Geldeingang. Richtig daher die Argumentation des LG Limburg, Beschl. v. 17.1.2011 – 7 T 229/10 n. v., wonach ein konkreter Betrag vom Vollstreckungsgericht festzusetzen ist, bei schwankendem Einkommen ggf. als „durchschnittlicher“ Wert. Es mag durch Fortschritte der Programmierung möglicherweise heute besser gelingen, eine maschinelle Erkennung der relevanten Beträge vorzunehmen. Dann muss aber im Tenor selbst genau vorgegeben werden, durch welchen Verwendungszweck der Betrag zu identifizieren ist. Kleinste Abweichungen führen aber beim Kreditinstitut zu Haftungsrisiken oder eben einem aufwändigen, im „Massengeschäft Kontopfändung“ nicht mehr leistbaren manuellen Mehraufwand.
176 Bei Schwankungen im Einkommen des Schuldners könnte das Vollstreckungsgericht – wie bisher auch – einen geeigneten Mittelwert/ein Durchschnittseinkommen ermitteln und auf Basis dessen den Betrag konkret beziffern. So auch das AG Norderstedt, Beschl. v. 11.10.2021 – 68 M 2057/18, BeckRS 2021, 34723, siehe Rn. 2005 u. 2064.
54
7. Vollstreckung in Konten allgemein
Der BGH hat allerdings nun diesen in der Praxis bewährten und für alle gut 177 handhabbaren Weg – ohne Not – verlassen: BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZVI 2011, 450 = WM 2011, 2367, dazu WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat); inhaltsgleich BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 74/10, BeckRS 2011, 27892.
Die Folgen dieser Rechtsprechung sind für die Dispositionspraxis fatal und 178 hätten eigentlich einer gesetzlichen Korrektur bedurft, vgl. Rn. 1998. Hier wurde die Justiz entlastet auf Kosten von steigenden Haftungsrisiken auf Seiten der drittschuldnerischen Kreditinstitute. Und das, obwohl es in den Ausführungen im Gesetzesentwurf zur Gesetzesreform 2010 wörtlich heißt: „Der neue Ansatz, den Pfändungsschutz nicht an die Art der Einkünfte anzuknüpfen, hat des Weiteren den Vorteil, dass weder die Kreditinstitute noch die Vollstreckungsgerichte nachprüfen müssen, ob das gepfändete Guthaben aus der Gutschrift von bestimmten geschützten Einkünften herrührt. Dies macht die praktische Handhabung des neuen Kontopfändungsschutzes einfach und dürfte zu einer erheblichen Entlastung der Kreditinstitute und auch der Vollstreckungsgerichte führen“. (Vgl. BT-Drucks. 16/7615, v. 19.12.2007, S. 18.)
Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsprechung des BGH nicht nachvoll- 179 ziehbar. Denn ohne einen bezifferten Freibetrag muss das Kreditinstitut durch eine Kontoumsatzanalyse zunächst erst wieder klären, welcher Herkunft die eingegangenen Beträge sind. Das steht der Pauschalierungssystematik des Gesetzes, vgl. dazu Rn. 1183, diametral entgegen. Trost mag dem drittschuldnerischen Institut nur die Tatsache geben, dass 180 der BGH dies zunächst nur in engen Grenzen, vgl. Rn. 1998 zulässt. Würde sich diese weiter verbreiten und auf alle Sachverhalte und Einkommensarten ausdehnen, käme es – erneut zur Entlastung der Justiz und unter Inkaufnahme weiterer Belastung der Kreditinstitute – zu erheblichem Mehraufwand und steigenden Haftungsrisiken. Man kann den Kreditinstituten daher nur raten, sich vehement dagegen zu wehren, dass sich die Rechtsprechung ausbreitet oder aber den Kreditinstituten – ohne jegliche Anhaltspunkte – die Berechnung pfandfreier Einkünfte auferlegt wird. Dafür spricht auch, dass der BGH immerhin (in Tz. 8) an dem Grundsatz 181 festhält, dass das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag konkret zu beziffern hat. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10 (Tz. 8), ZVI 2011, 450 = WM 2011, 2367; dazu WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat); inhaltsgleich BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 74/10, BeckRS 2011, 27892.
Da in § 906 durch das PKoFoG auf diese Rechtsprechung ausdrücklich Bezug 182 genommen wurde, ist die Ausnahme nur in wenigen Fällen möglich.
55
I. Allgemeines zur Kontopfändung
183 Es liegt auf der Hand, dass Kreditinstitute – trotz des Rechtsanspruchs auf ein Basiskonto – ansonsten versuchen werden, sich von solchen Kontoinhabern unverzüglich zu trennen. Dies ebenfalls befürchtend Bürger, GWR 2013, 45. Ebenso Schlussbericht Evaluation, Ziff. 3.4.8, S. 42.
184 Die Hoffnung, dass, um dem gewollten, nachvollziehbaren und sozialpolitisch begrüßenswerten Schutz der Teilhabe am bargeldlosen Zahlungsverkehr zielführend zu entsprechen, Schuldnerberatungen, Justiz oder gar Drittschuldnern ein adäquater Ersatz oder mindestens eine Kompensation an anderer Stelle für Personal- und/oder Sachkosten zugebilligt erhalten, ist spätestens mit dem PKoFoG erloschen. Das gesetzliche Recht auf ein Basiskonto für jedermann, installiert im §§ 31 Abs. 1, 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG, hat den Zugang zu einem Girokonto verbessert; zwar gibt es auch hier sind Ausnahmen (siehe Rn. 949), die aber in der Praxis selten zu Tragen kommen werden, so dass eine drohende Kontolosigkeit kein Argument mehr ist, eine Kostenkompensation zuzubilligen. 185 Der Gesetzgeber hat im neuen § 906 Abs. 3 allerdings nun geregelt, dass das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag „in der Regel zu beziffern“ hat. 186 Damit bringt der Gesetzgeber aber nur zum Ausdruck, was auch der BGH bereits entschieden hat. In der Gesetzesbegründung nimmt der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu Bezug und wollte sich ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Regelung im neuen § 906 Abs. 3 an dieser Rechtsprechung des BGH orientieren. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZIP 2012, 399.
187 Ausdrücklich erwähnt die Gesetzesbegründung auf Seite 43, dass der Entwurf dieser Rechtsprechung aufgreift und eine Ausdehnung der nicht bezifferten Festsetzungen über die dargestellte Rechtsprechung hinaus nicht vorgesehen ist. Vergegenwärtigt man sich daher die Rechtsprechung des BGH noch einmal, ist festzustellen, dass eine unbezifferte Festsetzung eines Pfändungsfreibetrages nur in sehr engen Grenzen zulässig ist: Es müssen sich ständig und ständig in unterschiedlicher Höhe wechselnde monatliche Freibeträge ergeben. Nur in diesen Fällen kann auf eine Bezifferung verzichtet werden, sonst nicht, vgl. dazu ausführlich Rn. 1998.
188 Ist das nicht der Fall, dann muss das Vollstreckungsgericht den Freibetrag beziffern. cc) Bezeichnung der zu pfändenden Forderung 189 Die gepfändete und überwiesene Forderung muss so klar und bestimmt bezeichnet sein, dass sie eindeutig identifiziert und von anderen unterschieden werden kann. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197.
56
7. Vollstreckung in Konten allgemein
Zuletzt bestätigte der BGH,
190
Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074,
dies und definierte die Anforderungen an die Bestimmtheit wie folgt: „Nach stRspr. des BGH muss der Pfändungsbeschluss die gepfändete Forderung oder die gepfändeten Forderungen und ihren rechtlichen Grund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (BGH, NJW 1988, 2543; BGH, WM 2012, 1786 = BeckRS 2012, Rn. 5). Übermäßige Anforderungen dürfen nicht gestellt werden, weil der Gläubiger die Verhältnisse des Schuldners in der Regel nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind daher unschädlich, sofern eine sachgerechte Auslegung ergibt, welche bestimmte Forderung gemeint ist. Die Auslegung ist nach objektiven Gesichtspunkten im Wesentlichen nach dem Inhalt des Pfändungsbeschlusses vorzunehmen. Die Bestimmbarkeit des Pfändungsgegenstands muss sich bei einer nach § 133 BGB vorzunehmenden, nicht am buchstäblichen Sinne haftenden Auslegung des Beschlusses aus diesem selbst ergeben.“
Während in der Rechtsprechung zur Bestimmtheit des Pfändungsbeschlusses 191 eher eine gewisse „Großzügigkeit“ festzustellen ist, kann die Notwendigkeit, hier präzise zu sein, trotzdem nicht oft genug wiederholt werden. Bei einem auf Pfändung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen bei einer Lebensversicherungsgesellschaft gerichteten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der die gepfändeten Forderungen nur abstrakt-generell ohne Bezug auf einen konkreten Versicherungsvertrag bezeichnete, hat der BGH entschieden, dass dieser regelmäßig dahingehend auszulegen sei, dass er lediglich uneingeschränkt pfändbare Forderungen umfasse, nicht aber solche, die zum Zeitpunkt des Erlasses des PfÜBs nicht oder nur nach Maßgabe des § 850b Abs. 1 Nr. 1 pfändbar waren, BGH, Urt. v. 25.1.2018 – IX ZR 104/17, NJW 2018, 2732. Hier spielte es also keine Rolle, ob ggf. ein Verstoß gegen Pfändungsverbote wie die in § 850b Abs. 1 vorlagen. Dieser hätte ggf. die Diskussion eröffnet, ob damit ein offenkundiger, schwerer Mangel vorliegt, der die Nichtigkeit des PfÜB zur Folge hätte. Der BGH hat diese Diskussion aber gar nicht erst entstehen lassen, weil für den vorliegenden Fall die in § 850b Abs. 1 genannten Ansprüche, erst gar nicht als vom Beschluss erfasst ansah, solange keine formell korrekte Entscheidung gem. § 850b Abs. 2 ergangen ist. Damit war diese Forderung – zum Nachteil des Gläubigers – weder verstrickt noch gepfändet, vgl. auch Gössl, NJW 2018, 2732 Anm. zu BGH, Urt. v. 25.1.2018 – IX ZR 104/17.
In diesem Punkt gibt es in der Praxis leider nach wie vor unnötige Nachlässig- 192 keiten. Sie gefährden den Vollstreckungserfolg für den Gläubiger bzw. lösen beim Drittschuldner Haftungsrisiken aus. Der BGH legt als Maßstab fest, dass bei „verständiger Auslegung“ unzweifelhaft feststehen muss, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1984 – X ZR 39/83, NJW 1985, 1031, zuletzt bestätigt durch BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
57
I. Allgemeines zur Kontopfändung
193 Trotz zunehmender Standardisierung (Musteranträge, siehe auch Anhang 5 und 6), liegt hier immer noch ein Risiko für den Gläubiger, wie auch für die Drittschuldner. Denn der BGH hat auch klargestellt, dass es der Bestimmtheit nicht nur im Interesse der unmittelbar Beteiligten bedarf, sondern ebenso für andere Personen, insbesondere für weitere Gläubiger, die möglicherweise auch pfänden wollen. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197, zuletzt bestätigt durch BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
194 Es muss daher aus dem Beschluss selbst erkennbar sein, welche Forderung gepfändet worden ist. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197, zuletzt bestätigt durch BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
195 Keiner darf deshalb auf die Möglichkeit verwiesen werden, sich notwendige Angaben aus anderen Unterlagen oder Umständen außerhalb des PfÜBs zu beschaffen. Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197, zuletzt bestätigt durch BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
196 Der Rechtsgrund der gepfändeten Forderung muss deshalb wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben sein. Die Pfändung „aller Guthaben aus Konten bzw. Salden, insbesondere aus der in laufender Rechnung (Kontokorrent) bestehender Geschäftsverbindung“ ist im Hinblick auf ein Kreditinstitut als Drittschuldnerin hinreichend bestimmt. OLG Köln, Urt. v. 1.3.1999 – 16 U 80/98, NJW-RR 1999, 1224.
197 Ganz allgemein gehaltene Angaben genügen jedoch regelmäßig nicht, z. B.: x
„Forderungen“ (ohne nähere Beschreibung), BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074,
x
„alle Ansprüche aus jedem Rechtsgrund“, BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976 unter Bezugnahme auf die Ausgangsentscheidung BGH, Urt. v. 18.3.1954 – IV ZR 160/53, MJW 1954, 881; zuletzt bestätigt durch BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074,
x
„aus Bankverbindung“, Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 17 m. w. N.,
x
„aus laufender Geschäftsbeziehung“, zuletzt BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976 unter Bezugnahme auf die Ausgangsentscheidung BGH, Urt. v. 18.3.1954 – IV ZR 160/53, MJW 1954, 881
58
7. Vollstreckung in Konten allgemein
oder x
„aus Verträgen oder sonstigen Rechtsgründen“, BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976 unter Bezugnahme auf die Ausgangsentscheidung BGH, Urt. v. 18.3.1954 – IV ZR 160/53, MJW 1954, 881; zuletzt bestätigt durch BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
Lebensfremd – auch schon zu damaliger Zeit – aber das LG Aurich,
198
LG Aurich, v. 3.12.1992 – 3 T 216/92, Rpfleger 1993, 357,
welches einen PfÜB, bei dem Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut in vorformulierten Antragsformularen „aus Sparkonten, Wertpapierdepots, Kreditzusagen oder Bankstahlfächer“ gepfändet wurden, deswegen als „regelmäßig zu unbestimmt“ angesehen hatte, „da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass ein Schuldner nicht hierüber verfügt“. Zur berechtigten Kritik an dieser Entscheidung, vgl. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 26, der dafür plädiert, im Hinblick auf den Pfändungsgegenstand „generell die Grenze des Rechtsmissbrauchs nicht zu eng“ zu ziehen.
Ungenauigkeiten sind nur dann unschädlich, wenn für Schuldner, Dritt- 199 schuldner und Dritte – insbesondere weitere Gläubiger des Schuldners – keine vernünftigen Zweifel bestehen, welche konkrete Forderung gemeint ist. OLG Köln, Urt. v. 1.3.1999 – 16 U 80/98, NJW-RR 1999, 1224.
In der Entscheidung,
200
BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074,
macht der BGH aber auch klar, dass zumindest dann, wenn durch weitergehende Aufzählungen oder Erläuterungen hinreichend deutlich werde, dass es sich um Ansprüche aus bankmäßiger Verbindung handelt, der Bestimmtheit Genüge getan ist. Im obigen Fall hatte der PfÜB die Ansprüche auszugsweise wie folgt bezeichnet: „Aufgrund dieser Ansprüche […] werden die nachstehend aufgeführten angeblichen Forderungen der Schuldnerin gegen die […] S […] solange gepfändet, bis der Gläubigeranspruch vollständig besichert ist. Die Pfändung erstreckt sich auf Ansprüche 1.
auf Auszahlung an sich und Überweisung an Dritte von Beträgen, die zugunsten der Schuldnerin beim Drittschuldner eingehen;
2.
auf Annahme von Geld für die Schuldnerin, jeglichen Guthabens auf Konten der Schuldnerin;
3.
über den gegenwärtigen und jeden künftigen Aktivsaldo (Überschuss), welcher sich aufgrund der Saldoziehung zum Zustellungszeitpunkt dieses Beschlusses an den Drittschuldner und zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rechnungsperiode ergibt;
59
I. Allgemeines zur Kontopfändung 4.
auf Rückzahlung jeglichen, auch des künftigen Guthabens, auf Prämienauszahlung samt Zinsen und Zinseszinsen und auf Auszahlung der Zinsen aus Sparverträgen; […]
5.
auf Auszahlung der bereitgestellten, noch nicht abgerufenen Darlehnsvaluta aus bereits abgeschlossenen Kreditgeschäften, soweit die Schuldnerin diese in Anspruch nimmt;
6.
auf Kündigung der zwischen der Schuldnerin und dem Drittschuldner geschlossenen Verträge, namentlich Darlehens-, Sicherungsübereignungs-, Hinterlegungs- und Spareinlagen jeglicher Art.“
201 Dies hatte der BGH als ausreichend bestimmt genug anerkannt. In diesem Fall so der BGH, seinen „insbesondere Spar- und Girokonten“ des Schuldners erfasst. Bei dieser Bezeichnung konnte weder beim drittschuldnerischen Kreditinstitut noch bei den anderen Gläubigern Zweifel daran aufkommen, dass eine ausreichend bestimmte Vorrangpfändung etwaiger Spar- und Girokonten vorlag. (1) Haftungsfalle 1: Bestimmtheit 202 Beispiel: Eine gesetzliche Krankenkasse, die nicht an die gem. § 2 ZVFV verbindlich vorgeschriebenen Formulare gebunden ist, pfändet i. R. d. Kontenpfändung folgende Ansprüche des Schuldners bei dessen Hausbank: x
alle gegenwärtigen und künftigen Saldenansprüche aus Kontokorrent- und Giroverträgen, Ansprüche auf Gutschrift und Auszahlung der laufenden Eingänge sowie auf Durchführung von Überweisungen an Dritte, insbesondere Konto-Nr.: xy,
x
alle anderen Rechts- und Schuldverhältnisse.
Lösung: Ein fataler Fehler, wie sich zeigt. Zwar hat der Gläubiger mit dem ersten Anspruch alle Kontokorrent- und Girokonten erfasst, nicht aber beispielsweise Sparkonten (er hat – unnötigerweise – einschränkend nur „Kontokorrent- und Girokonten“ genannt) und auch nicht Ansprüche „aus Depot“ (die separat erwähnt werden müssen, siehe Rn. 763). Der zweite Anspruch, der als „Generalklausel“ wohl alle anderen (möglicherweise sonst vergessenen) Ansprüche erfassen sollte, aber ist nach den obigen Maßstäben zu unbestimmt, mit der Folge, dass mögliche Spar- und Depotguthaben von dieser Pfändung nicht erfasst werden und vom drittschuldnerischen Kreditinstitut auch nicht gesperrt werden dürfen. Haftungsrisiken: 203 x
60
Für das Kreditinstitut: Falls das drittschuldnerische Kreditinstitut die Unbestimmtheit nicht erkennt und auch die Sparkonten und Depots des Schuldners sperrt, macht es sich ihm gegenüber schadensersatzpflichtig. Lehnt es beispielsweise in dieser Phase einen Wertpapier-Verkaufsauftrag
7. Vollstreckung in Konten allgemein
ab und fällt danach der Kurs, kann ein Schaden „spürbar“ ausfallen. Auch wenn es gegenüber einem nachfolgenden Pfändungsgläubiger eine – dann ja falsche – Drittschuldnererklärung abgibt, und dieser deshalb weitere, unnötige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreift, entsteht ein Haftungsund Kostenrisiko für das Kreditinstitut. x
Für den Gläubiger: Vergleichbar auch die Folgen für den Gläubiger. Wenn – wie hoffentlich – das drittschuldnerische Kreditinstitut in seiner Erklärung den zweiten Anspruch als „zu unbestimmt“ zurückweisen wird, kann der Gläubiger zwar daraufhin einen zweiten PfÜB nachschieben, aber abgesehen vom Mehraufwand und den in diesem Fall im Zweifel vom Schuldner nicht zu ersetzenden zusätzlichen Kosten (weil ggf. nicht „notwendig“ i. S. d. §§ 788 Abs. 1, 91, weil es bei ordnungsgemäßer Beantragung durch den Gläubiger keines zweiten Antrages bedurft hätte), kann der Gläubiger hier sogar seine erstrangige Position verlieren, wenn zwischenzeitlich eine andere Pfändung eines anderen Gläubigers eingeht. Praxistipp: Da auch das Pfändungs- und Überweisungsbeschluss-Formular nach der ZVFV nicht alle Konten erfasst, sollte ein Gläubiger darauf achten, nicht hinter der Formulierung des § 833a zurückzubleiben und stets ganz allgemein „Kontoguthaben“ zu pfänden. Dann sind zumindest alle Konten erfasst (siehe Rn. 545).
(2) Haftungsfalle 2: vergessene Ansprüche aufgrund Formularzwangs Die neuen Formulare (vgl. Rn. 88 ff.; Anhang 5 und 6 ) führen nur die – aus 204 Sicht des Gesetzgebers – „wichtigsten bzw. häufigsten“ Forderungen standardmäßig auf. Im Kasten „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ müssen daher weitere Forderungen gegen Kreditinstitute zusätzlich eingetragen werden. Auf Seite 6 bzw. 7 der Formulare im Kasten unter „Anspruch G (an Sonstige)“ können bei „gemäß gesonderter Anlage“ weitere Forderungen, für die ansonsten keine Eintragungsmöglichkeit besteht, eingegeben werden. Der Autor wird bei den einzelnen, nachfolgend dargestellten Ansprüchen 205 darauf hinweisen, welche Ansprüche zusätzlich weiterhin einzutragen sind, siehe auch Anhang 1, in der diese weiter separat anzugebenden Ansprüche nochmals zusammenfassend aufgeführt sind. Ein PfÜB ist, das hat der BGH klargestellt, auch dann wirksam, wenn sich die 206 bestimmt genug bezeichneten Ansprüche aus den dem PfÜB angehefteten Anlagen ergeben. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – VII ZB 62/07, ZVI 2008, 442 = NZI 2008, 512 = NJW-RR 2008, 1164,
61
I. Allgemeines zur Kontopfändung
Die Anlagen als solche müssen dann nicht separat (vom Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts) unterschrieben werden, aber mit dem PfÜB fest verbunden sein. Maßgeblich ist allein, dass die Anlagen „Bestandteil des Beschlusses“ sind. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – VII ZB 62/07, ZVI 2008, 442 = NZI 2008, 512 = NJW-RR 2008, 1164.
(3) Haftungsfalle 3: Anlagen zum PfÜB 207 Beispiel: Das Hauptzollamt pfändet wegen verschiedener Forderungen beim Kreditinstitut K. Die zwölf zeitgleich am 10.6.2022 erlassenen und dem Kreditinstitut am selben Tag zusammen zugestellten PfEV über unterschiedliche Beträge verweisen hinsichtlich der gepfändeten Ansprüche allesamt auf eine „Anlage“, die nur mit der ersten PfEV verbunden ist. Auf dieser „Anlage“ ist vermerkt: „Anlage zur PfEV vom 10.6.2022; Az: RK-0000-1234-56-7890-1234 und andere“. Das Kreditinstitut erkennt die erste PfEV an, nicht aber die weiteren, weil dort die Bezeichnung des gepfändeten Anspruchs fehlt. Zu Recht? Lösung: Ja! Die „Anlage“ ist nur mit einer, der ersten PfEV fest verbunden. Der Verweis „und andere“ in der Anlage und die Tatsache, dass alle zwölf verschiedenen PfEV zeitgleich beim Kreditinstitut eingehen, führt nicht dazu, dass die elf anderen PfEV rechtswirksam ergangen sind. Es fehlt bei diesen PfEV – mangels fester Verbundenheit der „Anlage“ auch mit diesen – an den zwingend im Beschluss anzugebenden „zu pfändenden Forderungen“ des Pfändungsschuldners gegen den Drittschuldner. Wenn diese nicht wenigstens „in allgemeinen Umrissen“ angegeben sind, ist die Pfändung unwirksam. BGH, Beschl. v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, ZIP 2007, 983 = ZVI 2007, 254 = NJW 2007, 3132.
Ausreichend dürfte es aber sein, wenn alle PfEV und die eine Anlage fest miteinander verbunden, z. B. mit einer Heftklammer „getackert“ sind, vgl. Rn. 2720. (Teil-)Unwirksam wäre im Übrigen auch eine Pfändung, bei der in einem einheitlichen Beschluss mit den ZVFV-Formularen, der dem Arbeitgeber und dem Kreditinstitut zugestellt würde, nur der Anspruch A (an Arbeitgeber), nicht aber auch der Anspruch D (an Kreditinstitute) angekreuzt wäre. In diesem Fall würde bezüglich des Kreditinstitutes keine Pfändung vorliegen, weil nichts gepfändet wurde. Diese Pfändung wäre unwirksam, die gegen den Arbeitgeber dagegen (vom Arbeitgeber) zu beachten.
208 Der Umfang der Pfändung ist ebenfalls hinreichend bestimmt, auch wenn im Pfändungsbeschluss Angaben dazu fehlen, welche von möglicherweise mehreren Forderungen in welcher Höhe, ggf. auch in welcher Reihenfolge von der Pfändung erfasst sein sollten. BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Nach Ansicht des BGH hat eine Forderungspfändung in Höhe des Anspruchs 209 des Gläubigers regelmäßig die „Bedeutung einer Teilpfändung“, wenn die gepfändete Forderung die Forderung des Gläubigers übersteigt. „Werden mehrere Forderungen des Schuldners teilweise bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld gepfändet, erfasst die Pfändung jede der mehreren Forderungen des Schuldners bis zur Höhe der Schuld, deretwegen die Pfändung erfolgt ist. Jede der gepfändeten Forderungen unterliegt der Pfandverstrickung in Höhe der Schuld. Der Gläubiger braucht bei der Pfändung ebenso wenig die Schuld auf die gepfändeten Forderungen zu verteilen wie in dem Fall, dass er zulässigerweise für seinen Anspruch mehrere, diesen insgesamt übersteigende Forderungen des Schuldners in voller Höhe gepfändet hat.“
Beispiel: Gläubiger G bringt gegen Schuldner S bei dessen Kreditinstitut K eine Kontopfändung wegen 5.000 € aus. S unterhält drei Konten mit je 5.000 € Guthaben. Alle drei Konten sind von K in Höhe der Schuld (hier 5.000 €) vor dem Zugriff des S zu schützen. Weder G noch K müssen eine Verteilung bzw. Auswahl vornehmen Eine etwaige Freigabe müsste im Zweifel einvernehmlich zwischen den Beteiligten erfolgen. Variante: S unterhält drei Konten mit je 15.000 € Guthaben. Auch dann sind alle drei Konten von der Pfändung erfasst; K darf die Konten aber jeweils nur „in Höhe der Schuld“ (hier 5.000 €) gegen Verfügungen des S sperren. Über den Rest muss S weiterhin verfügen können. Sollte K – beispielsweise aus technischen Gründen oder Gründen der Beschränkungen der eingesetzten Software – nicht in der Lage sein, dies so zu gewährleisten, muss es ggf. die arretierten Beträge separieren, um S die Verfügungsbefugnis über die über die Höhe der Schuld hinausgehenden Beträge weiter zu ermöglichen. Nur in diesem Fall kann K zur Behebung seiner technischen Unzulänglichkeiten selbst Beträge separieren. K alleine dürfte und sollte aber nicht entscheiden, welches Konto/welche Konten bzw. welches jeweilige separierte Guthaben sie gänzlich freigibt und welches sie weiter sperrt, da die Präferenzen des S ggf. andere sind als die des K. Eine etwaige Freigabe müsste im Zweifel einvernehmlich zwischen den Beteiligten erfolgen. Haftungsfalle: Für den EuBvKpf, dazu Rn. 315 ff., bei dem in Art. 24 Abs. 5 EuKoPfVO 210 selbst vorgeschrieben ist, dass dann, wenn die Tagessalden auf den gepfändeten Konten den im EuBvKpf angegebenen Betrag übersteigen, die Gelder auf dem Konto oder den Konten, die den im EuBvKpf angegebenen Betrag übersteigen, von der Ausführung des Beschlusses unberührt bleiben und über Art. 24 Abs. 7 EuKoPfVO zudem gesetzlich geregelt ist, welche Konten in welcher Reihenfolge von der Ausführung des EuBvKpf erfasst bzw. nicht erfasst sind
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
(sog. Kontenhierachie), ist es daher gar nicht notwendig, sich auf die obige Rechtsprechung des BGH zu beziehen. Beispiel: Gläubiger G bringt gegen Schuldner S bei dessen Kreditinstitut K einen EuBvKpf wegen 5.000 € aus. S unterhält drei Konten mit je 5.000 € Guthaben, darunter ein Sparkonto auf seinen alleinigen Namen, ein Girokonto auf seinen alleinigen Namen und ein gemeinschaftliches Sparkonto zusammen mit seiner Frau. K dürfte nur das Sparkonto auf den alleinigen Namen des S vor Verfügungen des S sperren. Nur wenn das dort gesperrte Guthaben nicht ausreichen würde, weil z. B. zu den 5.000 € noch laufende Zinsen hinzukommen oder Vollstreckungskosten, wäre wegen der Kontenhierachie des Art. 24 Abs. 7 als nächstes das Girokonto auf den alleinigen Namen des S zusätzlich zu sperren, wegen Art. 24 Abs. 5 aber auch nur i. H. d. mutmaßlichen Betrages der noch dazukommt (muss ggf. geschätzt werden, vgl. Rn. 151 unter 2.). Das gemeinschaftliche Sparkonto, das S zusammen mit seiner Frau unterhält, dürfte K dagegen nicht sperren. dd) Bezeichnung des Drittschuldners 211 Weiterhin ist natürlich die Bezeichnung des Drittschuldners erforderlich. Auch hier zeigen sich in der Praxis immer wieder Probleme. Der Drittschuldner muss so bezeichnet sein, dass über seine Identität auch für Dritte keine Zweifel bestehen. BGH, Urt. v. 22.11.1979 – VII ZR 322/78, NJW 1980, 584.
212 Er muss aus dem Pfändungsbeschluss von jedem Dritten, der die Rechtsbeziehung des Schuldners zum Drittschuldner nicht kennt, zweifelsfrei ermittelt werden können. BGH, Urt. v. 22.11.1979 – VII ZR 322/78, NJW 1980, 584.
213 Ist die Bezeichnung fehlerhaft (offensichtliches Schreibversehen und ähnliche offensichtliche Unrichtigkeiten), steht aber dennoch die Identität des Drittschuldners zweifelsfrei fest, so schadet die fehlerhafte Bezeichnung nicht. LArbG Köln, Urt. v. 25.11.1993 – 10 Sa 757/93, BB 1994, 944.
Beispiel: x
„Sparkasse“ statt „Kreissparkasse“ oder statt „Stadtsparkasse“ (bei sonst richtiger Adressdaten – dürfte selbst dann gelten, wenn tatsächlich beide Anstalten des öffentlichen Rechts in derselben Stadt vorhanden sind (Kreissparkasse und Stadtsparkasse und nur als „Sparkasse“ bezeichnet werden würden, da dann die zweifelsfreie Zuordnung über die richtigen Adressdaten erfolgen kann). Die Bezeichnung einer in Baden-Württemberg ansässigen Drittschuldnerin als „Sparkasse Schwarzwald-Baar, Gerberstraße 45, 78050 Villingen-Schwenningen“ ist hinreichend bestimmt. Es bedarf auch für die Zustellung des Pfändungsbeschlusses keiner Angaben
64
7. Vollstreckung in Konten allgemein über das zur Vertretung berechtigte Organ und die Mitglieder des Vertretungsorgans, BGH, Beschl. v, 2.12.2015 – VII ZB 36/13, NJW-RR 2016, 254.
x
„Volksbank“ statt „Volks- und Raiffeisenbank“ (bei sonst richtiger Adressdaten).
x
„Kommerzbank“ statt „Commerzbank“.
Das im Pfändungsbeschluss enthaltene Zahlungsverbot entfaltet Wirkung allein 214 gegen den dort bezeichneten Drittschuldner, dem der Beschluss zugestellt wird, nicht aber gegen einen anderen Drittschuldner, auch wenn dieser mit dem im Pfändungsbeschluss genannten gesamtschuldnerisch haftet. RGZ 140, 340, 342.
Das Zahlungsverbot – und damit die Pfändung – ist wirkungslos, wenn der 215 Drittschuldner im Pfändungsbeschluss gar nicht angegeben ist. Dieser Mangel kann auch nicht durch Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den tatsächlichen, aber nicht bezeichneten Drittschuldner geheilt werden. Auf jeden Fall dürfte die Bezeichnung nach x
Familien- und Vornamen,
x
Stand oder Gewerbe und
x
Wohnort
216
geboten sein. Mit der Firma (= Name des Kaufmanns) und ggf. dem Ort einer Zweignieder- 217 lassung wäre eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft des Handelsrechts als Drittschuldner ausreichend bezeichnet. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.92.
Das LG München II hat diesbezüglich entschieden, dass es zur genauen Be- 218 zeichnung des Drittschuldners im PfÜB im Einzelfall schon genügen kann, wenn eine Geschäfts- und Betriebsbezeichnung ohne konkrete Angabe des Inhabers oder der Rechtsform der Firma erfolgt. LG München II, Beschl. v. 15.5.2006 – 6 T 2384/06, Rpfleger 2006, 664.
Beispiel: „Goethe-Apotheke“ oder „Cafe am Rindermarkt“ mit richtiger Adresse genügen danach für eine ausreichende Drittschuldnerbezeichnung. Nur bei offenkundiger Unrichtigkeit der Geschäftsbezeichnung darf das Vollstreckungsgericht auf eine Ergänzung des Antrags hinwirken. LG München II, Beschl. v. 15.5.2006 – 6 T 2384/06, Rpfleger 2006, 664.
65
I. Allgemeines zur Kontopfändung
219 Diese – sehr „großzügige“ – Entscheidung des LG München darf allerdings nicht verallgemeinert werden. Problematisch dürfte sein, wenn sich Kreditinstitute von Ihrer (meist namensähnlichen Mutter) verselbstständigt haben. Hier geht es dann zumeist nicht um eine unpräzise Drittschuldnerbezeichnung die auslegungsfähig wäre, sondern schlicht darum, dass man den falschen Drittschuldner „erwischt“ hat. Beispiel: Würde eine Zustellung für einen Vollstreckungsschuldner, der Kunde bei der Kreissparkasse Köln, Mündelsichere Anstalt des öffentlichen Rechts, Neumarkt 18 – 24, 50667 Köln ist, versehentlich bei der Sparkasse KölnBonn, Anstalt des öffentlichen Rechts, Hahnenstraße 57, 50667 Köln zugestellt, würde diese Kontopfändung dort (natürlich) keine Wirkung entfalten; es handelt sich zwar um (zwei) „Sparkassen“ und beide mit Sitz in Köln, aber eben um unterschiedliche Rechtssubjekte. Der Pfändungsgläubiger müsste dann nochmals an den richtigen Drittschuldner zustellen. Praxistipp: Im Impressum des Internet-Auftritts ist die korrekte Bezeichnung klar ersichtlich. Dass ein Schuldner seine Bankverbindung in der eidesstattlichen Versicherung z. B. nur mit „bei der Sparkasse Köln“, (oder Postbank, ohne Angabe des Städtenamens) angibt, macht dann eben ggf. eine Ergänzung der eidesstattlichen Erklärung notwendig, bei „welcher Sparkasse/Bank genau“ er denn nun das Konto unterhält.
220 Immer wieder kommt die Frage auf, ob eine Kontopfändung nur dann bestimmt genug ist, wenn auch die kontoführende Niederlassung bzw. Filiale eines Kreditinstitutes angegeben ist. 221 Die Zweigniederlassung ist als Unternehmensteil zwar selbstständig nicht rechtsfähig, Stöber/Rellermeyer, Rn. B.92,
aber mit seiner Zweigniederlassung nimmt der Drittschuldner am Rechtsverkehr teil (vgl. § 15 Abs. 4 HGB). Das ermöglicht für den PfÜB auch die Bezeichnung des Drittschuldners mit der Firma der Zweigniederlassung. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.92.
Beispiel: PfÜBs gegenüber der Postbank (Sitz dieser Niederlassung der Dt. Bank ist Bonn) könnten auch an die kontoführende Niederlassung Frankfurt zugestellt werden, wenn der Schuldner seine Konten dort unterhält. Das könnte in einigen Fällen sogar eine zügigere Sperrung der Konten zur Folge haben. 222 Fraglich ist aber, ob dann, wenn beispielsweise nur an diese eine Niederlassung zugestellt wird, auch Forderungen bei anderen Niederlassungen erfasst sind. Das AG Leipzig, AG Leipzig, Urt. v. 7.10.1997 – 06 C 6952–97, NJW-RR 1998, 1345,
66
7. Vollstreckung in Konten allgemein
hat dies richtigerweise verneint mit der Begründung, dass – unabhängig von der Frage, ob es einer anderen Filiale überhaupt technisch möglich wäre, Auskünfte über Kunden anderer Filialen zu erteilen – jedenfalls keine rechtliche Verpflichtung bestünde, für die andere Filiale eine Drittschuldnererklärung abzugeben, da eine Bankniederlassung kein Weisungsrecht gegenüber einer anderen Bankniederlassung habe. So auch Rellermeyer, Stöber/Rellermeyer, Rn. B.92,
der die Zustellung an die eine Niederlassung nicht ausreichen lassen will, um alle Forderungen gegen ein Kreditinstitut zu erfassen. Das LG Frankfurt/Main stellt aber klar:
223
„Die der Hauptniederlassung einer Bank zugestellte Pfändung erfasst Forderungen gegen einzelne Filialen zumindest dann, wenn diese im Pfändungsbeschluss gesondert genannt sind.“ LG Frankfurt/M., Urt. v. 26.11.1985 – 2/8 S 151/85, WM 1986, 239.
Das Risiko einer verzögerten Zustellung an die tatsächlich kontoführende Stelle 224 trägt insoweit auch der Pfändungsgläubiger (§ 407 BGB analog). Allerdings ist der Drittschuldner – die juristische Person als solche – gehalten, alles Mögliche (und Zumutbare) zu unternehmen, um durch eine umgehende Unterrichtung ihrer betreffenden Filiale Nachteile vom Pfändungsgläubiger abzuwenden. Im Zuge fortgeschrittener IT-Vernetzung dürfte im Zweifel die Feststellung 225 (und die Sperrung) von Konten kaum noch Probleme bereiten, weshalb eine Pfändung – egal ob sie in der Zentrale oder einer Zweigniederlassung zugestellt wird – stets alle (dort geführten) Konten erfasst. So auch Hök, ZAP Nr. 13 2006, 695 (701) unter Verweis auf LG Essen, Beschl. v. 13.5.1997 – 17 O 29/97, n. v., der der Ansicht ist, dass die Kontopfändung damit grundsätzlich alle Konten, die bei unterschiedlichen Filialen einer (deutschen) Großbank geführt werden, erfasst.
Dass drittschuldnerische Kreditinstitut zunehmend die Pfändungsbearbeitung 226 an Standorten zentralisieren, hat damit nichts zu tun. Die Zustellung – kann, sollte, muss aber nicht – dann direkt an diese zentralen Standorte erfolgen. Für den Gläubiger hat es regelmäßig den Vorteil, dass seine Kontopfändung schnell(er) und effizient(er) bearbeitet wird. So erfolgt Beispielsweise die Bearbeitung für den Drittschuldner bei der Commerzbank AG (inklusive der ehemaligen comdirect Bank AG sowie der ehemaligen Dresdner Bank AG) seit Beginn des Jahres 2021 offensichtlich ausschließlich an zwei zentralen Standorten je nach Postleitzahlenbereichen des Schuldners. Die Commerzbank AG bat in einem Anschreiben an maßgebliche Pfändungsgläubiger, die immer wieder Kontopfändungen veranlassen, darum, von Zustellungen „in Filialen, in der Zentrale in Frankfurt/Main sowie in Quickborn (früherer Sitz der comdirect Bank AG)“ abzusehen. Damit ist trotzdem natürlich nicht verbunden, dass Gläubiger weiterhin dorthin zustellen lassen können; Sinn macht es aber nicht.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
Sonderfall: Pfändung von Kontoguthaben in Auslandsniederlassungen 227 Ob die Pfändung von Konten des Schuldners bei der Inlandszentrale bzw. -filiale auch die Pfändung von Kontoguthaben bei den Auslandsniederlassungen des Drittschuldner-Instituts erfassen, ist umstritten, aber eher abzulehnen. A. A. Hök, ZAP 13 2006, 695 (701), der davon ausgeht, dass die Kontopfändung auch greift, wenn es sich um „Filialen einer ausländischen Bank im Inland oder um Filialen einer inländischen Bank im Ausland“ handelt. Hök ist – insofern noch weitergehend – auch der Ansicht, dass die inländische Pfändung daher grundsätzlich auch die im Ausland ansässige Zentrale der inländischen Bankfiliale erfasst.
228 Zwar wird – als Grundvoraussetzung – zwischen der inländischen und den ausländischen Niederlassungen/Filiale in der Regel eine sog. „Haftungseinheit“ bestehen, so Kotrschal/Stalberg, WM 2009, 38, 39,
aber ob der Zugriff zulässig ist, richtet sich nach den Grundsätzen des internationalen Zwangsvollstreckungsrechts. Kotrschal/Stalberg, WM 2009, 38.
229 Dass dies je nach Land unterschiedlich sein kann, und sich ständig wandelnden auch internationalen Abkommen unterliegt sowie unterschiedliche gerichtliche Zuständigkeiten bedingt, muss an dieser Stelle auf eine ausführliche Schilderung verzichtet werden. Insofern sei dazu auf die Spezialliteratur verwiesen. Besonders instruktiv Hök, MDR 2005, 306 und Hök, ZAP Nr. 13 2006, 695.
230 Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Vollstreckungsmaßnahmen als (nationale) Hoheitsakte sich nach dem sog. Territorialitätsprinzip nur auf das Inland beschränken. Als betroffene Drittschuldnerin sollte man daher Pfändungen von Konten in Auslandsniederlassungen nach derzeitigem Stand der Dinge (in der Drittschuldnererklärung) ablehnen. Beispiel: Der Pfändungsgläubiger G veranlasst eine Kontopfändung gegen S bei der Deutschen Bank AG, am Sitz in Frankfurt. In der Drittschuldnerklärung bezieht die Deutsche Bank AG – dem G bekannte – Konten des S bei der Deutschen Bank in Luxemburg nicht mit ein, was G reklamiert. Lösung: Soweit die Deutsche Bank dort eine selbstständige Bank führt – die Deutsche Bank Luxembourg S.A. – geschieht die Nicht-Einbeziehung zu Recht. Nur dann, wenn dies eine unselbstständige Filiale der Deutschen Bank AG wäre, was die absolute Ausnahme sein dürfte, wäre die Drittschuldnererklärung unvollständig. Inzwischen wurde die „grenzüberschreitende Kontenpfändung“ auf EU-Ebene geschaffen, vgl. Rn. 315 ff.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Den umgekehrten Fall – es wird im Ausland nach den dortigen Zwangsvoll- 231 streckungsvorschriften eine Forderungspfändung der Vollstreckungsbehörde eines fremden Staates der Drittschuldnerin bei ihrer im Ausland befindlichen Geschäftsstelle zugestellt und soll auch Konten in Deutschland erfassen – hat das OLG Frankfurt mangels eines entsprechenden internationalen Abkommens (Staat New York) ebenfalls nicht zugelassen. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.2.2011 – 17 U 234/10, WM 2011, 693.
ee) Drittschuldnerverbot/Arrestatorium Das Drittschuldnerverbot, das sog. Arrestatorium, § 829 Abs. 1 Satz 1, „Dem 232 Drittschuldner wird verboten, an den Schuldner zu zahlen.“ ist für die Wirksamkeit einer Pfändung unerlässlich. Ist der Passus im Beschluss nicht enthalten, ist er schlicht unwirksam (nichtig). BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – VII ZB 9/20, WM 2021, 254; LG Leipzig WM 2021, 254. Das Arrestatorium ist nicht schon in dem Ausspruch der Pfändung enthalten. Pfändung und Arrestatorium sind voneinander zu trennende Bestandteile des Pfändungsbeschlusses. Erst das Arrestatorium, nicht schon der Ausspruch der Pfändung lässt den Drittschuldner „amtlich“ erkennen, dass er aufgrund der Pfändung keine Zahlungen mehr an den Schuldner erbringen darf, Walker, WuB 2021, 197.
Bei Verwendung des Formulars nach ZVFV, sollte dies nicht mehr passieren, 233 da das Arrestatorium bereits enthalten ist (Satz 1):
Das Arrestatorium ist auch bei der Pfändung von anderen Vermögensrechten 234 nach § 857 notwendig. Im vom BGH entschiedenen obigen Fall ging es um die Pfändung einer Grundschuld bzw. von GmbH-Geschäftsanteilen.
Eine Ausnahme ist daher nur zulässig, bei drittschuldnerlosen Rechten gem. 235 § 857 Abs. 2. ff) Schuldnergebot/Inhibitorium Das Gebot an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung zu 236 enthalten, das sog. Inhibitorium, § 829 Abs. 1 Satz 2, wiederum ist nicht so wichtig, dass es Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Fehlt dieser Passus im Beschluss, ist der Beschluss gleichwohl wirksam. Ausnahme: Bei drittschuldner-
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
losen Rechten gem. § 857 Abs. 2 ist es für die Wirksamkeit der Pfändung und die Entstehung des Pfändungspfandrechts von wesentlicher Bedeutung. Stieper, in: Kindl/Meller-Hannich, 5. Zwangsvollstreckung in Immaterialgüterrechte Rn. 40.
gg) Sonstige Anordnungen 237 Ggf. wird (und muss) der Pfändungsbeschluss noch folgende weitere Anordnungen enthalten, x
dass die Sache an den Gerichtsvollzieher herauszugeben ist (z. B. § 847 Abs. 1);
x
dass sich die Pfändung auf die nach der Pfändung fällig werdenden Raten der zu pfändenden Forderung erstrecken soll;
x
die Pfändung wegen künftiger Raten der vollstreckbaren Forderung erst mit dem auf ihre Fälligkeit folgenden Werktage wirksam wird (Vorauspfändungen von Kontoguthaben für (erst) künftig fällig werdende Unterhaltsansprüche, zu den Gefahren vgl. Rn. 1981. BGH, Urt. v. 31.10.2003 – IXa ZB 200/03, ZVI 2003, 646 = NJW 2004, 369.
hh) Angabe der Bankverbindung des Gläubigers/Gläubigervertreters 238 Die Angabe der Bankverbindung des Gläubigers/Gläubigervertreters ist nach den Formularen des § 2 ZVFV (Anhang 5 und 6) Bestandteil des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses. Ob sie ist aber gesetzlicher Bestandteil ist, ist fraglich. Dagegen Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 835 Rn. 10.
239 In der Vergangenheit haben daher einige Gerichte die Angaben gestrichen oder mit der Anmerkung versehen „gehört nicht zum Beschluss“, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Bankverbindung keine „staatliche Anordnung“ und die Geldempfangsvollmacht des Gläubigervertreters weder nachgewiesen noch geprüft ist, sondern eine bloße Bitte des Gläubigers darstellt. 240 Unabhängig davon, ob sie durch die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung nun gesetzlicher Bestandteil geworden ist (dagegen spricht, dass sie nicht angegeben werden muss, sogar gestrichen werden kann und auch weiterhin nicht vom Gericht geprüft wird), dürfte eine Streichung nunmehr der Vergangenheit angehören. Sinnvoll ist die Angabe der Bankverbindung allemal. Haftungsfalle: 241 Die Geldempfangsvollmacht muss sich der Drittschuldner vom Gläubiger allerdings (bei Zweifeln) weiterhin nachweisen lassen. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.82.
70
7. Vollstreckung in Konten allgemein
c) Überweisungsbeschluss (§ 835) Einige Besonderheiten den Überweisungsbeschluss betreffend, sollen nachfol- 242 gend noch separat dargestellt werden. Ansonsten gilt das Vorgesagte gleichermaßen für den Pfändungs- wie auch den Überweisungsbeschluss. Der Drittschuldner darf überhaupt erst gepfändete Guthaben an den Pfän- 243 dungsgläubiger auskehren, wenn ihm auch ein Überweisungs-Beschluss (oder eine Einziehungsverfügung) zugestellt wurde. Dies stellt gewissermaßen die „Pfandverwertung“ dar und wird erst durch die „Überweisung“, § 835, ermöglicht (zur Sperrfrist siehe Rn. 1503 ff.). Auch den Überweisungsbeschluss erlässt – auf Antrag – das Vollstreckungs- 244 gericht (oder die Vollstreckungsbehörde). Die gepfändete Geldforderung ist dem Gläubiger nach seiner Wahl zur Ein- 245 ziehung oder an Zahlungs statt zum Nennwert zu überweisen, § 835 Abs. 1. Haftungsfallen: 1. In den amtlichen Vordrucken (siehe Anhang 5 und 6) „Antrag auf Erlass 246 eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen“ (dort Seite 8) und „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen“ (dort Seite 10) ist der Überweisungsbeschluss durch Ankreuzen zu beantragen.
Das Kreuz darf daher dort nicht vergessen werden (Gläubiger-Haftungsfalle), denn unabhängig davon, ob auf jeweils Seite 1 der Vordrucke davon die Rede ist, dass es sich um einen „Antrag auf Erlass eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses…“ handelt: Wird das Kreuz vergessen, wird bei Vorliegen der Voraussetzungen nur ein Pfändungsbeschluss erlassen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut wird darauf zu achten haben und dürfte in diesem Fall selbstverständlich keine pfändbaren Beträge abführen. 2. Ist zwar das (erste) Kreuz gesetzt, aber die ebenfalls notwendige Auswahl „zur Einziehung“ oder „an Zahlungs statt“ nicht durch Ankreuzen gewählt und der Beschluss trotzdem ohne dieses (zweite) Kreuz erlassen (grundsätzlich wäre im Wege einer Zwischenverfügung der Gläubiger um Ergänzung anzuhalten), muss das Kreditinstitut diesen Beschluss (nicht aber den Pfändungsbeschluss wenn dieser ordnungsgemäß erlassen wurde) als zu unbestimmt zurückweisen. Eine eigene Auslegung dahingehend, dass wohl „zur Einziehung“ den Gläubigerinteressen eher entsprechen würde, 71
I. Allgemeines zur Kontopfändung
(siehe nachfolgende Rn. 247), was in der Regel zwar so sein wird, sollte sich das Kreditinstitut tunlichst verkneifen. Mag die Rechtsprechung klären, ob eine solche Regel-Auslegung opportun ist. Aber Stamm, NJW 2021, 2563, der in Zuge der Digitalisierung den Überweisungsbeschluss künftig für gänzlich entbehrlich hält.
Auch der „Zuruf“ des Gläubigers (schriftlich, telefonisch oder wie auch immer), hilft nicht. Der Beschluss selbst muss aus sich heraus bestimmt sein (vgl. Rn. 143) und ist daher nur durch eine gerichtliche „Nachbesserung“ zu heilen. 247 In der Praxis wird nahezu ausschließlich die „Überweisung zur Einziehung“, nicht dagegen die „Überweisung an Zahlungs statt“ gewählt. Hintergrund ist, dass nur diese Form der Überweisung das Risiko der Beitreibbarkeit beim Schuldner belässt. Denn bei der Überweisung der Forderung „zur Einziehung“ verbleibt die (gepfändete) Forderung im Vermögen des Pfändungsschuldners. BGH v. 8.10.1981 – VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28, 31 = NJW 1978, 1914 f.
248 Das Risiko der Uneinbringlichkeit läge sonst beim Gläubiger, wie nachfolgendes Beispiel verdeutlicht, weshalb diese Form in der Praxis kaum vorzufinden ist. Beispiel: Gläubiger G lässt sich die Forderung des Schuldners S gegen seinen Vertragspartner (= Drittschuldner) D i. H. v. 5.000 € auf Zahlung aufgrund erbrachter Dienstleistungen wegen eines titulierten Anspruchs von 5.000 € an Zahlungs statt überweisen. Kurz darauf beantragt D wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Lösung: G kann daher seine Forderung gegen D nicht mehr realisieren (bzw. nur noch i. H. einer eventuellen Insolvenzquote), da er als befriedigt gilt. Er trägt somit das Insolvenzrisiko und hat Pech gehabt. Eine weitere Vollstreckung aus diesem Titel ist damit ausgeschlossen. Dagegen erlischt die Vollstreckungsforderung des Gläubigers bei der Überweisung „zur Einziehung“ erst, wenn und soweit an den Gläubiger die gepfändete Forderung als geschuldete Leistung tatsächlich bewirkt (bezahlt) wird. 249 Wirksam wird der Überweisungsbeschluss – ebenso wie der Pfändungsbeschluss – mit Zustellung an den Drittschuldner (§ 835 Abs. 3, § 829 Abs. 3). Da beide unabhängig voneinander erlassen werden können, würde die Unwirksamkeit des Überweisungsbeschlusses die Wirksamkeit eines rechtswirksamen Pfändungsbeschlusses allerdings unbeeinträchtigt lassen (umgekehrt kann das natürlich nicht gelten).
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Durch die „Überweisung“ der Forderung „zur Einziehung“ wird der Gläubiger 250 in die Lage versetzt, die gepfändete Forderung des Schuldners im eigenen Namen geltend zu machen und vom Drittschuldner die Erfüllung der geschuldeten Leistung anzunehmen. Er kann die Forderung kündigen, einziehen, mit ihr aufrechnen sowie auf Leistung an sich klagen. BGH v. 8.10.1981 – VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28, 31 = NJW 1978, 1914.
Nur ergänzend sei hier erwähnt, dass dem Pfändungsgläubiger das Recht zur 251 Einziehung nur i. H. d. wirksam gewordenen Pfändung zusteht. Die Einziehungsbefugnis wird durch den Betrag der Vollstreckungsforderung begrenzt. Haftungsfalle: Forderungshöhe
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Beispiel: Gläubiger G lässt im Januar 2022 die Forderung des Schuldners S gegen dessen Kreditinstitut (= Drittschuldner D) auf Zahlung von Kontoguthaben aufgrund eines titulierten Anspruchs von 3.000 € in dieser Höhe pfänden und zur Einziehung überweisen. Da das Kontoguthaben im August 2022 plötzlich 5.000 € beträgt und wohl ausreicht, um die Pfändung zu bedienen, bittet D den G um Aufgabe der aktuellen Forderung. G, der inzwischen einige weitere Forderungen gegen S tituliert hat, lässt D eine Forderungsaufstellung aller offenen Beträge zukommen, zusammen einen Betrag i. H. v. 6.887,15 €. D überweist daraufhin 5.000 €. Zu Recht? Lösung: Nein! Selbstverständlich beschränkt sich die Einziehungsbefugnis – auch ohne ausdrückliche Erklärung – nur auf den Betrag, zu dem die Forderung überwiesen ist. Wirksam geworden ist die Pfändung nur i. H. v. 3.000 € (anders, wenn eine Dynamisierung durch Zinsen, z. B. orientiert am Basiszinssatz zzgl. 5 %, oder Säumniszuschläge öffentlicher Pfändungsgläubiger i. H. v. X% pro Monat mit tituliert, gepfändet und überwiesen worden wäre). S hat einen Anspruch auf Wiedergutschrift des zu viel gezahlten Betrages gegen D und dieser einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen G, denn die Überweisung für eine vermeintliche, tatsächlich aber nicht bestehende Forderung ist unwirksam. BGH, Urt. v. 13.6.2002 – IX ZR 242/01, NJW 2002, 2871 ff. = ZIP 2002, 1419.
Interessant in diesem Zusammenhang die Entscheidung des AG Dortmund, AG Dortmund, Urt. v. 30.12.2011 – 409 C 10246/10, BeckRS 2012, 24033:
In Höhe der (unberechtigten) Auskehrung ist der Schuldner von einer Verpflichtung gegenüber dem Pfändungsgläubiger frei geworden. Das AG Dortmund ist der Ansicht, dass deshalb „nach dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, der für das ganze Rechtsleben maßgeblich ist“ das drittschuldnerische
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
Kreditinstitut verlangen kann, dass der Schuldner „Zug um Zug gegen Erstattung die Verpflichtung übernimmt, diesen Betrag [dem Kreditinstitut] zurückzuerstatten, sobald er dazu finanziell in der Lage ist“. 254 Diese Erstattungsverpflichtung ergebe sich letztlich auch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung des Schuldners, §§ 812 ff. BGB. d) Zustellung aa) Zustellung an den Drittschuldner 255 Um wirksam zu werden, müssen beide, der Pfändungs- und der Überweisungsbeschluss, aber auch die Vorpfändung (§ 845 Abs. 1) an den Drittschuldner zugestellt werden, §§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1. Die Zustellung erfolgt auf Antrag des Gläubigers durch einen Gerichtsvollzieher (sog. „Parteibetrieb“, § 829 Abs. 2 Satz 1). Dafür gelten die (Sonder-)Regelungen der §§ 191 ff. Neu ist seit 1.1.2022 die elektronische Zustellung gem. § 193a, vgl. dazu Brunner, DGVZ 2022, 1. Aufgrund des Redaktionsschlusses konnte hier nicht mehr ganz ausführlich darauf eingegangen werden, aber es ist anzunehmen, dass diese Form der Zustellung zügig die körperliche Zustellung ablösen wird, auf die nachfolgend noch eingegangen wird, deren geschilderte Probleme aber zum Teil entfallen werden.
Dies bedeutet, dass eine beglaubigte Abschrift der dem Gläubiger vom Vollstreckungsgericht erteilten Ausfertigung des PfÜBs an den Drittschuldner übergeben wird (§ 829). Bei mehreren Drittschuldnern ist jedem Einzelnen eine Abschrift zuzustellen (§§ 829 Abs. 3, 173 Nr. 2 GVGA). 256 Eine Zustellung i. R. d. ZPO an ein Kreditinstitut, auch soweit es eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist (Sparkassen), gegen Empfangsbekenntnis ist nicht möglich. Zu beachten aber die elektronische Zustellung gem. § 193a.
257 Die Zustellung von PfEV dagegen, die sich nach dem VwZG richten, ist nach § 5 Abs. 2 VwZG gegen Kreditinstitute auch gegen Empfangsbekenntnis und sogar per Telefax möglich, § 5 Abs. 4 VwZG, soweit diese öffentlich-rechtliche Anstalt sind (Sparkassen). Dies gilt nur für Sparkassen, die nach den Regelungen der Landessparkassengesetze Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Sparkassen als juristische Personen des Privatrechts, historisch bedingt werden einige Sparkassen auf privat-rechtlicher Rechtsgrundlage betrieben, die sog. „freien Sparkassen“ wie z. B. die „Frankfurter Sparkasse AG“ oder „Die Sparkasse in Bremen“, gehören nicht dazu. Nach § 5a VwZG kann auch eine elektronische Zustellung durch Übermittlung der nach § 17 des De-Mail-Gesetzes akkreditierten Diensteanbieter gegen Abholbestätigung nach § 5 Abs. 9 des DeMail-Gesetzes an das De-Mail-Postfach des Empfängers erfolgen.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
(1) Haftungsfalle: Ersatzzustellung Die Parteizustellung kann auch im Wege der sog. Ersatzzustellung ausgeführt 258 werden (§§ 191, 178 f.), was bei Kreditinstituten der Regelfall sein dürfte. So auch der BGH, Urt. v. 4.2.2015 – III ZR 513/13, ZIP 2015, 1143.
Denn der Gerichtsvollzieher stellt die Abschrift des Beschlusses kaum dem Vorstand als gesetzlichem Vertreter zu (so eigentlich § 170 Abs. 1 als Regelfall), sondern allenfalls dem jeweiligen Leiter der Niederlassung/Geschäftsstelle, § 170 Abs. 3, vermutlich in der Praxis aber zumeist einem (in den Geschäftsräumen des Kreditinstituts befindlichen und beschäftigen) Angestellten. Schon dies ist eine Ersatz-Zustellung, § 178 Abs. 1 Nr. 2. Durch eine Ersatzzustellung gilt der PfÜB zu diesem Zeitpunkt als zugestellt. Mit der Möglichkeit der elektronischen Zustellung nach § 193a wird die Ersatzzustellung in naher Zukunft vermutlich aber ihre Bedeutung verlieren.
Dass auch die Zustellung des Pfändungsbeschlusses nach § 829 Abs. 2 Satz 2 259 im Wege der Ersatzzustellung an den Drittschuldner erfolgen kann, hat das LG Siegen entschieden. LG Siegen, Beschl. v. 23.2.1994 – 4 T 1/94, JurBüro 1995, 161; Gleiches gilt natürlich auch für den Überweisungsbeschluss.
Beispiel: Der Gerichtsvollzieher stellt bei dem Kreditinstitut 20 PfÜB zu. Er übergibt sie dem Mitarbeiter, der an der „Info“ arbeitet und vermerkt jeweils in den Zustellungsurkunden, dass der er den Vorstand als deren gesetzlichen Vertreter (Zustellungsadressat) in dem Geschäftsraum nicht erreicht habe. Ist hier eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt? Ja, die Zustellungen sind als sog. Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 wirksam gewesen, obwohl der Zusteller alle Schriftstücke ohne jede Nachfrage bei dem Mitarbeiter abgegeben hat, obwohl der Vorstand möglicherweise irgendwo in den Geschäftsräumen anwesend und zur Annahme der Zustellung bereit gewesen wäre. Der BGH hat dazu richtigerweise entschieden, dass in der widerspruchslosen Entgegennahme der zustellenden Schriftstücke durch einen Mitarbeiter in den Geschäftsräumen, der allerdings als beim Unternehmen Beschäftigter zweifelsfrei erkennbar oder dem Gerichtsvollzieher in dieser Funktion bekannt sein muss, zugleich die (konkludente) Erklärung liegt, dass der Zustellungsadressat entweder abwesend oder an der Entgegennahme der Zustellung verhindert ist. Dann darf sich der Gerichtsvollzieher darauf verlassen und muss keine weiteren Nachforschungen anstellen. BGH, Urt. v. 4.2.2015 – III ZR 513/13, ZIP 2015, 1143.
Das Merkmal des „Nichtantreffens“ des gesetzlichen Vertreters als Voraus- 260 setzung für eine Ersatzzustellung in Geschäftsräumen ist also bereits dann 75
I. Allgemeines zur Kontopfändung
erfüllt, wenn der gesetzliche Vertreter lediglich als abwesend oder verhindert bezeichnet wird. Ob er wirklich abwesend oder verhindert ist, ist unerheblich. BGH, Urt. v. 4.2.2015 – III ZR 513/13, ZIP 2015, 1143; ebenso schon OLG Frankfurt/M. WM 1996, 699; OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1998, 1684; OLG Köln OLGR 2001, 116, 117; OVG Berlin-Brandenburg, NJW 2012, 951, 952.
261 Anders aber: Bei der Ersatzzustellung in der (privaten) Wohnung eines Zustellungsadressaten z. B. an dessen nichteheliche Lebensgefährtin nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 muss der Gerichtsvollzieher, wenn er die Beziehung des Adressaten zu dem in der Wohnung Angetroffenen nicht kennt und sie ihm auch nicht unaufgefordert genannt wird, ggf. durch Nachfragen klären, ob die Voraussetzungen der Ersatzzustellung an diese Person („erwachsener Familienangehöriger, eine in der Familie beschäftigte Person oder ein erwachsener ständiger Mitbewohner“) vorliegen. BGH, Urt. v. 14.3.1990 – VIII ZR 204/89, ZIP 1990, 608 (noch zur damals gültigen, vergleichbaren Vorgängernorm § 181 Abs. 1 a. F.).
262 Wird eine Person nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 allerdings ebenfalls nicht angetroffen, dann kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, § 180 Satz 1. Das Schriftstück gilt dann mit der Einlegung als zugestellt, § 180 Satz 2. 263 Für ein Kreditinstitut stellt sich dann die Frage, welche Wirkungen dies hat. Beispiel: Der Gerichtsvollzieher will Freitagnachmittag auf seinem Nachhauseweg noch bei dem örtlichen Kreditinstitut K 20 PfÜB zustellen, wobei ein PfÜB den S betrifft, der bei der K verschiedene Konten unterhält. Da er sich durch einen Verkehrsstau bedingt verspätet, sind die Geschäftsräume schon geschlossen als er bei K eintrifft. Er legt daher die PfÜB in den Briefkasten der K ein und vermerkt gem. § 180 Satz 3 auf den jeweiligen Umschlägen der zuzustellenden Schriftstücke als Datum der Zustellung „Freitag, 6.5.2022“. Schuldner S hebt am Samstag, den 7.5., am Geldautomaten 400 € ab; der Pfändungsgläubiger G des S, der auch dessen Kontoauszüge gepfändet und nach Aushändigung von KontoauszugsDuplikaten durch den S von der Verfügung erfahren hat, verlangt nun von der K nochmalige Zahlung an G, da die Konten nach Zustellung nicht gesperrt worden waren. Zu Recht? Nein. Zwar ist der Einwurf in den Briefkasten eines Kreditinstitutes grundsätzlich (nur) zulässig, wenn die Geschäftsräume geschlossen sind. BGH, Beschl. v. 24.4.2007 – AnwZ (B) 93/06, NJW 2007, 2186,
weshalb ein Kreditinstitut daher während der normalen Öffnungszeiten auch nicht organisatorisch gewährleisten muss, dass der Briefkasten (deswegen) regelmäßig
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
geleert wird. Eine gleichwohl durch Einlegung in den Briefkasten erfolgte Zustellung während der Öffnungszeiten wäre im Übrigen nicht rechtwirksam erfolgt. BFH, Beschl. v. 14.2.2007 – XI B 108/05, BeckRS 2007, 25011328.
Weil die Geschäftsräume geschlossen waren, stellt dies eine ordnungsgemäße Ersatzzustellung dar und die Zustellung gilt auch mit der Einlegung in den Briefkasten der K dieser als am Freitag zugestellt, § 180 Satz 2. Mit dem OVG Münster, Beschl. v. 12.9.2013 – 2 A 2524/12, BeckRS 2014, 55803, ist davon auszugehen, dass in einem solchen Fall eine wirksame Zustellung erfolgt ist, wobei es dort allerdings nur um den auslösenden Beginn einer Berufungsfrist von 1 Monat ging, die also kein unmittelbares Handeln erforderte. Auch der BGH, Beschl. v. 24.4.2007 – AnwZ (B) 93/06 (AnwGH Stuttgart), DGVZ 2007, 124, ist der Ansicht, dass eine Zustellung, die beispielsweise donnerstags um 19.35 Uhr und damit außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten erfolgt ist, die Zustellungsfiktion nach § 180 Satz 2 auslöst. Aber auch in diesem Fall ging es nur um den Beginn einer Zwei-Wochen-Frist.
Aber K hatte keine tatsächliche Möglichkeit, den PfÜB vor Montag, also dem nächsten Geschäftstag zur Kenntnis zu nehmen, zu prüfen, zu bearbeiten und Konten zu sperren. Daher geht die Verfügung weiterhin zu Lasten der Pfändungsgläubigerin, nicht zu Lasten der K. Überlegungen, ob eine solche Zustellung, die außerhalb der gewöhnlichen 264 Geschäftszeiten erfolgt, ggf. eine rechtunwirksame Zustellung zur Unzeit ist, so Häublein, MünchKomm-ZPO, § 180 Rn. 3,
kann insoweit offen bleiben. Der Gesetzgeber, Begründung des Entwurfes eines ZustellreformG, BT-Drucks. 14/4554, S. 21,
wollte zwar „dem in der Praxis häufig beklagten Missstand, dass die Ersatzzustellung im Geschäftsraum daran scheiterte, dass während des Zustellgangs der Post Geschäftsräume oftmals noch nicht geöffnet haben und für diesen Fall eine weitere Art der Ersatzzustellung gesetzlich nicht vorgesehen war“ abhelfen. Daher ist es richtig, dass die Zustellung außerhalb der Öffnungszeiten von Kreditinstituten zwar eine wirksame Zustellung bewirkt. Daraus ein sofortiges Handeln eines Kreditinstitutes abzuleiten, unmittelbar nach der Zustellung die Konten des betroffenen Schuldners sperren zu müssen, ist aber unzulässig. Allerdings beginnt die Frist zur Abgabe der Drittschuldnererklärung, vgl. Rn. 2689, wenn dazu ordnungsgemäß im Rahmen der Zustellung aufgefordert wurde, schon mit der ersatzweisen Zustellung zu laufen (der Zustellungstag selbst zählt nicht mit, § 187 Abs. 1 BGB), einerlei ob die tatsächliche Kenntnisnahme des PfÜB – und damit die erste Bearbeitungsmöglichkeit – erst am nächsten Bankarbeitstag erfolgen kann, z. B. wenn die Zustellung an einen Samstag erfolgte oder wie im obigen Beispielsfall in den Abendstunden eines Freitages, als das drittschuldnerische Kreditinstitut schon geschlossen hatte.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
265 Im digitalen Zeitalter wird – zu Recht – erwartet, dass Kreditinstitute ein Öffnungszeiten unabhängiges online banking und jederzeitige Verfügbarkeit von Bargeld zur Verfügung stellen und erweiterte Servicezeiten anbieten. Das bedingt aber auf der anderen Seite eben auch die daraus resultierenden Nachteile, nämlich außerhalb der regulären Öffnungszeiten nicht alles anbieten und zeitnah reagieren zu können. 266 Ggf. bietet sich daher für die Praxis an, den Briefkasten eines Kreditinstitutes für solche Zustellungen nicht zuzulassen, ihn anders zu widmen. Variante 1: Der Gerichtsvollzieher legt die PfÜB in den Briefkasten der K ein und vermerkt gem. § 180 Satz 3 ZPO auf den jeweiligen Umschlägen der zuzustellenden Schriftstücke als Datum der Zustellung „Freitag, 6.5.2022“. K hat an dem Briefkasten jedoch ein gut sichtbares und jedermann lesbares Schild angebracht „Nur für Überweisungsaufträge und allgemeine Post, nicht aber für Zustellungen“. Ist die Zustellung ordnungsgemäß am Freitag erfolgt? Nein. Eine Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten ist nur dann ordnungsgemäß, wenn der Briefkasten für diesen konkreten Postempfang auch vom Zustellungsadressaten eingerichtet war. Für Zustellungen war der Briefkasten von der K aber gerade nicht angebracht worden. Zu einer Zustellung am Freitag kam es daher nicht. 267 Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Briefkasten objektiv für eine Ersatzzustellung geeignet wäre, sondern ob er auch vom Empfangsadressaten dafür vorgesehen ist. Auch Häublein, in: MünchKomm-ZPO, § 180 Rn. 4, hält eine Hinweisschild für ausreichend; er führt das Beispiel mit einem sog. „englischen Briefkasten“ an, bei dem am Briefkasten der Hinweis auf einen weiteren, etwa im Hinterhaus befindlichen Briefkasten angebracht wird, womit regelmäßig der Wille des Empfangsadressaten ausgedrückt werde, dass der vordere Briefkasten nicht von allen Bewohnern für den Postempfang eingerichtet worden ist, was bei der Zustellung zu beachten ist.
268 Soweit ein Briefkasten einschränkend „gewidmet“ wird (Einwurf nur bestimmter Dokumente für bestimmte Empfangsadressaten oder auch nur zu bestimmten Zeiten), muss aber auf diese eingeschränkte Empfangsbereitschaft am Briefkasten selbst hingewiesen werden. 269 Ein Kreditinstitut wäre im Übrigen auch nicht verpflichtet, überhaupt einen Geschäftsbriefkasten zu unterhalten. Insofern muss es ihm nach dem Rechtsgrundsatz argumentum a maiore ad minus unbenommen bleiben, ein Weniger, nämlich die Nutzung des Briefkastens durch entsprechende Widmung nur einzuschränken.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Variante 2: Allerdings könnte ein solcher Zustellungsmangel gem. § 189 geheilt werden (siehe aber nachfolgend bei „systematischem Verstoß“). Danach gilt das Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gem. gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Im konkreten Fall würde daher die Zustellung in dem obigen Beispielsfall der K nach Leerung des Briefkastens am nächstmöglichen Geschäftstag, hier Montag der 9.5.2022, als zugegangen gelten. Wenn der Gerichtsvollzieher das Schild im obigen Beispiel beachtet hätte, wäre ihm noch die Möglichkeit geblieben, eine ordnungsgemäße Zustellung dadurch zu bewirken, dass er die Schriftstücke auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, oder, wenn die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt ist, am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niedergelegt hätte, § 181. Auch das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG), das für das Zustellungs- 270 verfahren der Bundesbehörden, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und der Landesfinanzbehörden Anwendung findet, kennt ähnliche Zustellungsnormen. Beispiel: Eine Rundfunkgesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts, vollstreckt wegen rückständiger Rundfunkgebühren gegen Schuldner S mittels einer PfEV bei Kreditinstitut K, bei der S Konten führt. Die PfEV wird der K mittels einfachen Briefes zugestellt. Ist die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt? Zwar nein, da die Zustellung nach den Vorschriften des VwZG eigentlich mit den dort vorgesehenen förmlichen Zustellungen hätte erfolgen müssen; trotzdem kann dieser Mangel geheilt werden und die Zustellung gilt als in dem Zeitpunkt als erfolgt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, § 8 VwZG, siehe auch BGH, Urt. v. 25.1.1980 – V ZR 161/76, NJW1980, 1754, für die inhaltsgleiche damalige Norm des § 9 VwZG. K sollte daher fristgerecht die Drittschuldnererklärung abgeben und die Konten des S sperren. Grundsätzlich ist § 8 VwZG zwar eigentlich als „Heilungsnorm“ dafür gedacht, 271 dass wenn bei der Zustellung etwas „schief“ gegangen ist, diese als in dem Zeitpunkt erfolgt gilt, in dem das Dokument dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, auch wenn die Zustellung ausnahmsweise unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugestellt wurde. Wenn allerdings – wie hier zu vermuten – ständig gegen zwingende Zustellungsvorschriften verstoßen wird, (systematischer Verstoß), um Kosten zu sparen, ist tatsächlich fraglich, ob sich der Pfändungsgläubiger dann auf den § 8 VwZG überhaupt berufen kann. So auch Müller, in: MünchKomm-ZPO, 6. Aufl., § 189 Rn. 1, der meint, dass die Formulierung „unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften“ nicht das Außerachtlassen des Zustellungsrechts
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I. Allgemeines zur Kontopfändung insgesamt erfasse, so dass eine förmliche Zustellung „wenigstens angestrebt sein muss“; a. A. OLG Dresden, Beschl. v. 13.5.2003 – 11 W 586/03, NJW-RR 2003, 1721. Praxistipp: Als drittschuldnerisches Kreditinstitut sollte man die zugegangenen Kontopfändungen grundsätzlich spätestens bei tatsächlichem Zugang als zugestellt betrachten und entsprechend reagieren. Mag sich der Schuldner oder der (nachrangige) Gläubiger gegen eine behauptete nicht ordnungsgemäße Zustellung wenden.
272 Problematisch kann in diesem Zusammenhang sein, dass Kreditinstitute mit ihren Öffnungszeiten zunehmend auf ein verändertes Kundenverhalten Rücksicht nehmen. Beispiel: Der Gerichtsvollzieher stellt samstags, den 7.5.2022 bei dem örtlichen Kreditinstitut K einen PfÜB gegen Schuldner S am „Servicepoint“ der K in einem großen Einkaufszentrum zu. Der Servicepoint, zu dem auch diverse SB-Geräte gehören, ist lediglich mit einer Mitarbeiterin besetzt, die nur Zugriff auf Beratungsprogramme und Abfragen der IT hat, nicht aber Eingaben vornehmen kann. Schuldner S hebt am Sonntag, den 8.5., am Geldautomaten 400 € ab; der Pfändungsgläubiger G des S, der auch dessen Kontoauszüge gepfändet und nach Aushändigung von Kontoauszugs-Duplikaten durch den S von der Verfügung erfahren hat, verlangt nun von der K nochmalige Zahlung an G, da die Konten nach Zustellung nicht gesperrt worden waren. Zu Recht? Variante 1: Der Gerichtsvollzieher stellt an einem normalen Geschäftstag bei dem örtlichen Kreditinstitut K einen PfÜB gegen Schuldner S in den Abendstunden zu (20:30 h). In diesen Abendstunden, die K als besonderen Service für Berufstätige anbietet, sind die Geschäftsräume der K bis 22:00 h geöffnet, aber nur noch mit wenigen Service-Mitarbeitern besetzt. Mitarbeiter in den zentralen Abteilungen dagegen, die z. B. für die Pfändungsbearbeitung, insbesondere die Sperreneingabe der Konten zuständig sind, die die Service-Mitarbeitern nicht vornehmen können, haben den Arbeitstag bereits um 18:00 h beendet. S hebt am selben Tag um 23:30 h am Geldautomaten 400 € ab; der Pfändungsgläubiger G des S, der auch dessen Kontoauszüge gepfändet und nach Aushändigung von Kontoauszugs-Duplikaten durch den S von der Verfügung erfahren hat, verlangt nun von der K nochmalige Zahlung an G, da die Konten nach Zustellung nicht gesperrt worden waren. Zu Recht? In beiden Fällen kommt zwar eine wirksame Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 zustande. Eine Sperrung der Konten und damit das Verhindern von weiteren Verfügungen durch den Schuldner ist aber erst wieder zu Beginn des nächsten Geschäftstages möglich und notwendig, da die Servicekräfte nur einen eingeschränkten, nur für
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
die Beratung notwendigen Zugriff auf die IT des Kreditinstitutes haben und eben tatsächlich nicht in der Lage sind, die Kontensperren zu veranlassen. Der Autor meint daher, dass das Kreditinstitut auch in diesen Fällen grund- 273 sätzlich geschützt ist. Verfügungen des Schuldners, die der Drittschuldner in Unkenntnis der Ersatzzustellung zulässt oder zwar in Kenntnis von Teilen der Belegschaft, aber ohne konkrete Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich vorzunehmender Kontosperren durch diese Mitarbeiter, muss der Gläubiger gegen sich gelten lassen. Denn der Drittschuldner muss Kenntnis von der Ersatzzustellung haben und reagieren können. Das ist hier nicht der Fall. Auch wegen des internen Bankgeheimnisses darf das Wissen eines Mitarbeiters nicht allen anderen Mitarbeitern desselben Kreditinstitutes generell zugerechnet werden, das Kreditinstitut im Hinblick auf die Wissenszurechnung nicht stets wie „eine Person“ behandelt werden, so richtigerweise Krepold/Zahrte, in: Bankrechts-Hdb., § 8 Rn. 63.
Im Falle der erweiterten Öffnungszeiten mit eingeschränktem Betrieb und reinen Beratungskräften ohne Backoffice (samstags, abends, „Servicepoints“), wird man zwar die (Teil-)Kenntnis nicht verneinen können, aber soweit diese Mitarbeiter nicht berechtigt oder befähigt sind, Kontensperren zu veranlassen, wird man auf deren alleinige Kenntnis vernünftigerweise nicht abstellen können. Verfügungen die ein drittschuldnerisches Kreditinstitut deshalb in Unkenntnis der Ersatzzustellung noch zulässt, gehen analog §§ 407, § 1275 BGB nicht zu seinen Lasten. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 829 Rn. 40.
Das Kreditinstitut muss auch nicht Backoffice-Kräfte zusätzlich vorhalten, da 274 die Ausdehnung der Öffnungszeiten nur einem eingeschränkten Zweck (Beratung, Service) dient und der Geschäftsbetrieb nicht vollumfänglich aufrechterhalten wird. Allerdings trifft im Zweifel das drittschuldnerische Kreditinstitut die Beweislast, dass es keine Kenntnis von der Pfändung nehmen bzw. Sperren vornehmen lassen konnte. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 829 Rn. 40.
Das umfasst unter Umständen dann auch die Darlegung, dass nur ein „einge- 275 schränkter“ Geschäftsbetrieb aufrechterhalten wurde. Wäre dies nicht der Fall – also würde es tatsächlich einen vollumfänglichen Geschäftsbetrieb geben – dann käme ein Organisationsverschulden in Betracht, wenn in angemessener Zeit danach keine Sperrung der gepfändeten Konten veranlasst würde. Zur möglichen Reaktionszeit des Drittschuldners nach erfolgter Zustellung vgl. aber Rn. 382 zur Entscheidung des LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.10.2008 – 2/01 S 117/08, WM 2009, 409.
Für diese Fälle müsste daher dann auch Sorge dafür getragen werden, dass Mitarbeiter in der Lage sind, ggf. Kontosperren zu veranlassen.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
(2) Haftungsfalle: Fusion 1 276 Kreditinstitute können aus Fusionen hervorgegangen sein. Dazu einige Zahlen: Die Anzahl der rechtlich selbstständigen Kreditinstitute betrug im Jahr 1957 noch 13.359 Institute. Um die Jahrtausendwende 2000 waren es noch ca. 3.000 und 2019 gerade noch 1.717. Zahlen aus Krepold/Zahrte, in: Bankrechts-Hdb., § 8 Rn. 73.
Ende 2010 gab es nur noch 1136 Volks- und Raiffeisenbanken, ohne BAG Hamm und TeamBank; Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Liste „Alle Volksbanken und Raiffeisenbanken per Ende 2010“, http://www.bvr.de,
und 429 Sparkassen, Statement des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, http://jahresbericht2010.dsgv.de/finanzbericht.html,
während es am Jahresende des Wiedervereinigungsjahres 1990 noch 3.344 Volks- und Raiffeisenbanken (–66 %) waren, Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Liste „Entwicklung der Volksbanken und Raiffeisenbanken ab 1970“ http://www.bvr.de,
und 772 Sparkassen (–44 %). Zeitreihe „OU1073: Anzahl der berichtenden Institute/Sparkassen“ der Bundesbank-Statistik.
Heute gibt es noch 367 Sparkassen (Stand 1.1.2022) und 814 Volks- und Raiffeisenbanken, (Stand: 31.12.2020). Laut Recherchen der https://finanz-szene.de v. 18.2.2021 werden aber statt der bisher ca. gut 30 Fusionen jährlich, ab wohl spätestens 2022 tendenziell eher ca. 40 und mehr Genossenschaftsbanken durch eine Fusion die Gesamtzahl um diese Größenordnung weiter reduzieren.
277 Für die Zustellung hat dies Auswirkungen: Ist im Falle einer Fusion ein Kreditinstitut als Rechtsträger untergegangen, dann existiert dieses Kreditinstitut nicht mehr. Eine Zustellung an einen nicht (mehr) existierenden Rechtsträger ist nicht möglich. Das Kreditinstitut, dem ein PfÜB gleichwohl unter dem Namen des alten, untergegangenen Rechtsträger zugestellt wird, muss daher schon die Zustellung zurückweisen („Wir existieren nicht (mehr)!“). Beispiel: Die „Volksbank Musterstadt eG“ und die „Volksbank im Muster’schen Kreis eG“ schließen sich zusammen zu der neuen „Volksbank Musterkreis eG“. Die sog. rechtliche Fusion erfolgt mit Eintragung der neuen Bank in das Genossenschafts-
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
register. Mit der Eintragung existieren die beiden Vorgängerbanken nicht mehr und die neue Bank ist offiziell geboren. Gleichwohl beantragt der Gläubiger G einen PfÜB gegen die (alte) „Volksbank Musterstadt eG“, der nach Erlass der Angestellten A der (neuen) „Volksbank Musterkreis eG“ in deren Geschäftsräumen durch Aushändigung zugestellt wird. Die Geschäftsräume der neuen Bank sind dieselben wie die Geschäftsräume der alten Bank. A leitet den Beschluss an die Pfändungsbearbeitung weiter, die die Konten des Schuldners S sperrt, da dessen Konten bei der (untergegangenen) „Volksbank Musterstadt eG“ i. R. d. Fusion von der neu entstandenen „Volksbank Musterkreis eG“ fortgeführt werden. Außerdem gibt die Pfändungsbearbeitung eine Drittschuldnererklärung ab. Zu Recht? Lösung: Nein! Der alte Rechtsträger existiert nicht mehr, weshalb an ihn nicht mehr zugestellt werden kann. Der PfÜB hätte daher zurückgewiesen werden müssen. Die Sperrung der Konten des S ist unzulässig, die erteilte Drittschuldnererklärung ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Der Gläubiger muss sich vorher versichern, ob er den richtigen Gläubiger gewählt und korrekt bezeichnet hat. Üblicherweise wird das neue Kreditinstitut durch die Fusion gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG Gesamtrechtsnachfolger der verschmolzenen Vorgängerinstitute und tritt damit in alle vertraglichen Beziehungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein, vgl. Krepold/ Zahrte, in: Bankrechts-Hdb., § 8 Rn. 75.
Im Hinblick auf diese Haftungsrisiken, aber auch den unnötigen Arbeits- 278 aufwand, kann man nur dazu raten, hier konsequent zu bleiben. Praxistipp: Hilfreich und sinnvoll wäre es in einem solchen Fall sicherlich, das örtliche Vollstreckungsgericht und die Gerichtsvollzieherverteilerstelle sowie die örtlichen Behörden mit eigener Vollstreckungshoheit (Finanzamt, Kommunen, Krankenkassen) auf die Fusion und die Zurückweisung von Zustellungen mit falscher Drittschuldnerbezeichnung hinzuweisen und die korrekte Bezeichnung des neuen Rechtsträgers mitzuteilen.
Etwas anderes wäre im obigen Beispielsfall nur dann zu vertreten, wenn eine 279 der (neuen) Filialen/Geschäftsstellen/Niederlassungen der neuen „Volksbank Musterkreis eG“ noch unter dem alten Namen der erloschenen Bank in einer Stadt/Gemeinde des Landkreises „Muster“ existieren würde (z. B. „Volksbank Musterstadt, Filiale der Volksbank Musterkreis eG“). Dann wäre es vertretbar, dies als unschädliche Falschbezeichnung eines Drittschuldners auszulegen und als (Ersatz)Zustellung an den neuen Rechtsträgers „Volksbank Musterkreis eG“ zu akzeptieren. Nach einer Fusion bleiben die Pfandverstrickung und die Rangfolge von Kontopfändungen erhalten, wenn die Konten fortgeführt werden, was der Regelfall sein dürfte. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen das neu entstandene Kreditinstitut müssen nicht neu erwirkt werden, LAG Hessen, Urt. v. 22.7.1999 – 5 Sa 13/99, NZA 2000, 615 (hier für Lohnpfändungen).
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
(3) Haftungsfalle: Fusion 2 280 Möglicherweise unterhielt der Schuldner bei beiden fusionierten Kreditinstituten Konten, die aber nur bei einem gepfändet waren. 281 Durch die Verschmelzung der Institute ändert sich daran nicht. Die vormals gepfändeten Konten bleiben gepfändet, die vormals nicht gepfändeten zur freien Verfügung des Schuldners. Die würde auch dann gelten, wenn der Gläubiger „künftige Konten“ gepfändet hätte, denn abgesehen davon, dass der Autor die Pfändung künftiger Konten für nicht zulässig hält, vgl. insoweit die Nicht-Pfändbarkeit eines solchen Anspruchs unter Rn. 465 ff., hätte sich das „künftig“ natürlich auch nur auf Konten des ursprünglichen Rechtsträgers beziehen können. 282 Folgendes gilt es noch zu beachten: x
Künftige Pfändungen erfassen dann selbstverständlich regelmäßig sämtliche Konten (es sei denn, es gäbe vom Gläubiger gesetzte Einschränkungen), so dass sich, trotz nachrangiger Pfändung, bzgl. der bislang von den vorgehenden Pfändungen nicht erfassten Konten ein Vorrang ergibt.
x
In künftigen (!) Drittschuldnererklärungen ist dem Pfändungsgläubiger der Vorrang der schon bisher mit einer Pfändung belegten Konten mitzuteilen. Da weder die verschiedenen Gläubiger, aber auch der Schuldner, nicht in ihren Rechten beeinträchtigt werden, darf auch mitgeteilt werden, dass sich der Vorrang – fusionsbedingt – ggf. nur auf bestimmte Konten bezieht. Eine Pflicht zur Mitteilung, auf welche Konten sich der Vorrang bezieht, besteht aber nicht. Keinesfalls dürfen aber Alt-Gläubigern nach der Fusion durch eine ergänzende Mitteilung/Drittschuldnererklärung etc. darauf hingewiesen werden, dass der Schuldner nun weitere Konten bei der Drittschuldnerin unterhält. Das wäre ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis mit entsprechenden Folgen!
x
Es dürfte keine missbräuchliche Gestaltung darstellen, wenn der Schuldner seine mit einer Pfändung belegten Konten auflöst (siehe Rn. 491 Praxistipp) und nur noch die pfändungsfreien Konten weiter unterhält. Das löst im Übrigen keine (neue) Pflicht zu einer ergänzenden Drittschuldnererklärung aus; gleichwohl ist ein drittschuldnerisches Kreditinstitut nicht gehindert zu erklären, dass es fusioniert hat und der Schuldner die vormals gepfändeten Konten aufgelöst hat. Nicht erklären aber darf der neue Rechtsträger, dass die „Geschäftsverbindung beendet“ ist, weil sie noch besteht, und ebenso nicht, dass sie nicht beendet ist, weil damit dem Pfändungsgläubiger mitgeteilt würde, dass es sich ggf. lohnt, eine erneute Kontopfändung gegen den Schuldner beim neuen Rechtsträger auszubringen.
x
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Durch die Universalsukzession (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) gehen im Verhältnis Schuldner/Kreditinstitut alle Rechte und Pflichten aus Schuldver-
7. Vollstreckung in Konten allgemein
hältnissen auf den übernehmenden Rechtsträger über. Hinsichtlich des AGB-Pfandrechtes dürfte aber insofern eine Einschränkung zu beachten sein, als es gegenüber einem Pfändungsgläubiger dann nicht vorrangig ist, da die i. R. d. Fusion erworbenen debitorischen Konten nicht als „vorrangige Forderungen“ gelten können, da sie erst danach (mit der Fusion), im Verhältnis zum Pfändungsgläubiger also neu entstanden sind, vgl. Rn. 555. x
Besonderheiten durch die Führung eines (!) P-Kontos dürften sich nicht ergeben, da sich durch die Fusion an dessen Eigenschaft nicht ändert. Unterhielte der Kunde tatsächlich in beiden Kreditinstituten P-Konten, gilt das unter Rn. 922 ff. Gesagte.
bb) Zustellung per Fax oder E-Mail oder beBPo Der Versuch, die Erleichterung des Zustellungsreformgesetzes für die Zu- 283 stellung von PfÜBs an Kreditinstitute zu nutzen, ist nicht generell zulässig. Siehe dazu zusammenfassend: Wunsch, JuS 2003, 276.
Insbesondere Behörden mit eigener Vollstreckungshoheit (Finanzamt, Kom- 284 munen) übermitteln in der Praxis immer mal wieder PfEV per Fax. Weder in der ZPO noch in den Verwaltungszustellungsgesetzen oder der AO sind dazu gesetzliche Grundlagen vorhanden. Die Zustellung von PfÜBs erfolgt regelmäßig durch Zustellung im Parteibetrieb (§ 829 Abs. 2 Satz 1; § 5 Abs. 1 VwZG), der die privilegierte Form der Zustellung per Fax oder E-Mail an Kreditinstitute, soweit sie juristische Personen des Privatrechts sind, nicht zulässt. Mit der elektronischen Zustellung gem. § 193a gilt das natürlich nicht mehr.
Dies gilt auch für die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis: sie ist, wie bisher 285 auch, ausgeschlossen. Für Anstalten des öffentlichen Rechts, zu denen die meisten Sparkassen gehören, aber befürwortend BeckOK ZPO/ Dörndorfer, § 174 Rn. 2; siehe Rn. 287. Bei einer § 193aZustellung stellt sich das Problem nicht mehr.
§ 174 Abs. 3 („Zustellung gegen Empfangsbekenntnis oder automatisierte 286 Eingangsbestätigung“), der die Übermittlung per E-Mail regelte, ist durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (ERVGerFöG) v. 5.10.2021 aufgehoben worden. Vgl. BGBl I, 4607.
Zwei Ausnahmen galt es allerdings schon damals zu beachten:
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(1) An öffentlich-rechtliche Anstalten, also öffentlich-rechtliche Sparkassen (vgl. dazu Rn. 257 f.), kann eine Zustellung von PfEV sowohl gegen 85
I. Allgemeines zur Kontopfändung
Empfangsbekenntnis als auch durch Telefax mit Empfangsbekenntnis erfolgen, § 5 Abs. 2 und Abs. 4 VwZG. Siehe auch Verfügung betr. Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis vom 23.2.2006 der OFD Magdeburg S 1134 – 3 – St 251, Ziff. 3.1.
(2) Die StPO regelt die im Rahmen der beim Vollzug eines Arrestes (siehe Rn. 295) erforderlichen Zustellungen wie folgt: nach § 111k Abs. 2 Satz 1 – mit der Verweisung auf 37 Abs. 1 – StPO kann sich die Staatsanwaltschaft – bei Gefahr im Verzug – aussuchen, ob sie die beim Arrestvollzug notwendigen Zustellungen im Partei- oder im Amtsbetrieb vornimmt. Spillecke, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 111k Rn. 6.
288 Nach § 111k Abs. 2 Satz 2 StPO kann die Zustellung an ein im Inland zum Geschäftsbetrieb befugtes Kreditinstitut entsprechend § 174, also auch per Fax oder elektronische Dokumente (§ 174 Abs. 3) erfolgen. 289 Diese vereinfachten Zustellungsmöglichkeiten gelten nicht mehr nur für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, sondern nun auch für private Banken. BT-Drucks. 18/9525, S. 82.
290 Wünschenswert wäre es, in Ergänzung des § 193a, dass eine Zustellung von insbesondere PfEV öffentlicher Gläubiger, wie Finanzämtern, Kommunen und Krankenkassen, die ca. 60 % aller Pfändungseingänge ausmachen (vgl. Rn. 23), als reiner Datensatz über eine (gemeinsame) Datenschnittstelle zur elektronischen Übertragung der Pfändungsdaten möglich wäre. Ein entsprechendes Projekt „eDEN“ unter Führung des SoftwareAnbieters netgo GmbH gibt es augenscheinlich derzeit in Hamburg. Allerdings bleibt abzuwarten, ob drittschuldnerische Kreditinstitute oder entsprechende Dienstleister den weitergehenden Nutzen auch dann annehmen werden, soweit sie sich schon heute einer Texterkennungs-Software zum automatisierten Einlesen zugestellter Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bedienen; denn dort werden schon heute mit einer bis zu 80 %igen Erfolgsquote zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse richtig erkannt und automatisiert verarbeitet. Am Ende wird es davon abhängen, ob der über diese 80 % hinausgehende Nutzen in einem angemessenen Preis-Leistungsverhältnis steht.
Das würde auf Seiten der Gläubiger erhebliche Kosten (Briefversand + Porto bzw. Zustellkosten) und bei denjenigen drittschuldnerischen Kreditinstituten, die ohne Texterkennungs-Software arbeiten, erheblichen Erfassungsaufwand ersparen. Hinzu käme, dass dadurch natürlich Übertragungsfehler und damit Haftungsrisiken vermieden würden. Das wäre daher tatsächlich nach der elektronischen Zustellung ein weiterer „Quantensprung“ in der Pfändungsbearbeitung.
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7. Vollstreckung in Konten allgemein
Seit 1.1.2022 ist die verbindliche Nutzung des besonderen Behörden-Post- 291 faches (beBPo) auch für Sparkassen vorgeschrieben. Dann sind Sparkassen gesetzlich verpflichtet, mit der Justiz einen sicheren digitalen Übermittlungsweg zu nutzen. Die Verpflichtung ergibt sich dann aus § 130d i. V. m. Art. 26 Abs. 7 des ERVGerFöG und ist dann eine aktive Nutzungspflicht, die Sparkassen verpflichtet, im Rahmen einer gesicherten Infrastruktur zu künftig rechtskonform mit Gerichten aber auch anderen an diesem Verfahren teilnehmenden Personen und Institutionen (Rechtsanwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern etc.) zu kommunizieren.
Nach § 829 Abs. 2 Satz 1 kann der PfÜB aber auch weiterhin körperlich über 292 den Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Für sonstige Korrespondenz im Rahmen von Kontopfändungen muss aber – ggf. über den Umweg des Vollstreckungsgerichtes – von der Möglichkeit der elektronischen Kommunikation mittels beBPo Gebrauch gemacht werden.
cc) Zustellung an den Schuldner Auch wenn es für die (Konto)Pfändung im Ergebnis für Gläubiger und Dritt- 293 schuldner keine Rolle spielt, sei an dieser Stelle erwähnt, dass natürlich auch dem Schuldner die PfÜBs durch den Gerichtsvollzieher von Amts wegen zugestellt werden. Aus guten Gründen aber erst zeitlich nach der Zustellung an den Drittschuldner, § 121 Abs. 1 Satz 2 GVGA. Dem Beschluss wird der Zustellungsnachweis an den Drittschuldner beigefügt, § 829 Abs. 2 Satz 2. Eine versäumte Zustellung des Beschlusses an den Schuldner führt ebenso wie das Unterlassen des Inhibitoriums im Beschluss (= das Gebot nach § 829 Abs. 1 Satz 2 an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten), nicht dazu, dass der PfÜB unwirksam ist. BGH, Urt. v. 18.11.1999 – IX ZR 420/97, NJW 2000, 730.
Zum Nachweis der Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung an den 294 Schuldner genügt beim Erlass eines PfÜBs grundsätzlich die Vorlage aktueller Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen Einwohnermelde- und Postamts. BGH, Beschl. v. 14.2.2003 – IXa ZB 56/03, ZVI 2003, 158 = NJW 2003, 1530; dazu der BGH: „Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch des Antragstellers mit den Belangen des Zustellungsadressaten sind im Fall der Forderungspfändung in der Regel an den Nachweis des unbekannten Aufenthalts des Schuldners, der die Zustellung des PfÜBs an ihn entbehrlich macht (§ 829 Abs. 2 Satz 2, § 835 Abs. 3 Satz 1), wegen dessen wesentlich geringeren Schutzbedürfnisses weniger strenge Anforderungen zu stellen als für öffentliche Zustellungen an den Beklagten im Erkenntnisverfahren.“
87
I. Allgemeines zur Kontopfändung
8. Arrestpfändung 295 Ggf. muss ein Gläubiger schnell reagieren, um Vermögenswerte zu festzusetzen. Auch aufgrund der Dauer eines Prozesses gegen den Schuldner kann der Gläubiger Gefahr laufen, nach Durchführung feststellen zu müssen, „dass der titulierte Anspruch jetzt praktisch wertlos ist, weil wegen der Dauer des Rechtsstreits zu seinen Lasten vollendete Tatsachen eingetreten sind, der Schuldner inzwischen insolvent wurde oder den Vollstreckungsgegenstand bzw. Vermögen beiseite geschafft hat“. Musielak/Voit-Huber, ZPO, § 916 Rn. 1.
296 Deshalb gibt es die Möglichkeit, auf Basis eines Arrestbeschlusses eine Arrestpfändung zu veranlassen. Der Arrestbeschluss oder -befehl erzeugt nur einen (vorläufigen) Vollstreckungstitel. Dieser Beschluss/Befehl eröffnet einem Gläubiger den Zugriff auf das arrestierte, also grundsätzlich gesamte Vermögen des Schuldners. Zumeist ist dann die Forderung noch nicht tituliert, weshalb ein vorliegender Arrestgrund besonders kritisch geprüft werden muss, OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.1999 – 5 UF 82/97, FamRZ 2000, 966.
Der Gläubiger braucht dann keinen titulierten Anspruch aus einem Erkenntnisverfahren abzuwarten. Die Arrestpfändung hat aber nur die Wirkung eines Pfändungsbeschlusses, da es darum geht, Vermögen des Schuldners zunächst einmal nur zu sichern, § 930 Abs. 1 Satz 2. Ein aufgrund einer Arrestpfändung erlassener Überweisungsbeschluss wäre deshalb auch nicht möglich und nichtig. BGH, Urt. v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, NJW 1993, 735. Der Arrest(-beschluss/-befehl) selbst bewirkt noch keine Beschlagnahme und beschränkt den Schuldner rechtlich auch sonst noch nicht in seiner Verfügungsbefugnis. Der Arrestbefehl ist nur Voraussetzung einer Zwangsvollstreckung, nicht schon selbst Zwangsvollstreckung. Der Arrest bedarf daher wie jeder andere Vollstreckungstitel auch noch der Vollstreckung, was in der ZPO als „Vollziehung“ beschrieben wird, §§ 930, 931, 932, 933, OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.1999 – 5 UF 82/97, FamRZ 2000, 966.
297 Das drittschuldnerische Kreditinstitut darf deshalb auf Basis einer Arrestpfändung auch keine Auskehrungen an den Gläubiger vornehmen. Der Schuldner ist an Verfügungen über sein Konto natürlich gehindert. Praxistipp: Da der Arrestbeschluss für die Pfändung von anderen Vermögensrechten i. S. v. § 857 nicht formulargebunden ist, ist auch hier unbedingt darauf zu achten, dass das Arrestatorium enthalten ist.
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9. Vorpfändung/Vorläufiges Zahlungsverbot (§ 845)
Ggf. ist es bei der Pfändung von anderen Vermögensrechten anzupassen; das 298 Verbot an den Drittschuldner hat sich an den zu erbringenden Erfüllungs- und sonstigen Handlungen zu orientieren, die das Pfändungspfandrecht beeinträchtigen könnten, Walker, WuB 2021, 197. Zur Abgrenzung der Rechtsbehelfe gegen den Erlass des Arrests und dessen Vollziehung, vgl. sehr instruktiv OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.1999 – 5 UF 82/97, FamRZ 2000, 966.
9. Vorpfändung/Vorläufiges Zahlungsverbot (§ 845) Auch nur eine Pfändung – ohne Überweisung – stellt die Vorpfändung (auch 299 „vorläufiges Zahlungsverbot“ oder „Pfändungsbenachrichtigung“ genannt) gem. § 845 dar. Im Gegensatz zur Arrestpfändung verfügt hier der Gläubiger über einen 300 mindestens vorläufig vollstreckbaren Vollstreckungstitel, ohne dass er die Urteilsausfertigung bereits in Händen halten muss. Damit kann er aber nur eine zeitlich auf einen Monat begrenzte Pfändung erreichen, § 845 Abs. 2 Satz 1. Dies geschieht in der Praxis durchaus häufiger und dient regelmäßig dazu, den zeitintensiveren Erlass und die Zustellung eines PfÜBs zu überbrücken, um dem Schuldner unverzüglich nach Erlass des Vollstreckungstitels weitere Kontoverfügungen untersagen zu können. Zur „Ratio der Vorpfändung“ aber auch zur „Entartung des vorläufigen Zahlungsverbotes durch Gläubigerstrategien“ siehe Hergenröder, DGVZ 2021, 101.
Denn mit der Beauftragung des Gerichtsvollziehers, stellt dieser dem Kredit- 301 institut eine Vorpfändung je nach Dringlichkeit in kürzester Zeit zu (unter Umständen innerhalb einer Stunde oder sogar weniger). In der Praxis sind etwa 10 % der Kontopfändungen als vorläufige Zahlungsverbote, zumeist von Inkassobüros oder Anbietern von Telekommunikationsleistungen ausgebracht, vgl. Rn. 25.
Die Vorpfändung muss den gleichen Anforderungen wie ein Pfändungsbe- 302 schluss genügen, d. h. materiell die gleichen Inhalte aufweisen, insbesondere Klarheit und Bestimmtheit betreffend. BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976 = WM 2001, 1223.
Eine Vorpfändung muss seit dem 1.4.2016 mit dem amtlichen Vordruck der 303 Gerichtsvollzieherformular-Verordnung, GVFV (siehe Anhang 7 aber auch
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Formulare/ Vollstreckungsauftrag_an_Gerichtsvollzieher.html?nn=6433524), dort mittels „Modul J“ beantragt werden (siehe nachfolgender Forumlar-Ausschnitt des Vollstreckungsauftrages):
304 Wird nach „Modul J“ beantragt, fertigt der Gerichtsvollzieher die Vorpfändung nach Weisung des Gläubigers selbst an (zweites Kästchen ankreuzen) und wird zugleich damit beauftragt, sie zuzustellen. Mit Zustellung der vom Gerichtsvollzieher gefertigten Vorpfändung, wird die Pfändung/Verstrickung/Beschlagnahme ausgelöst. Der Gläubiger kann dem Gerichtsvollzieher aber auch nach wie vor eine selbst angefertigte Vorpfändung zur Zustellung übergeben. Dann ist das „Modul C“ zu nutzen (vorletztes Kästchen ankreuzen und „Vorpfändungsbenachrichtigung gem. Anlage“ als Text einsetzen) und unter „Modul D“ (Zustellung) noch ein Kreuzchen zu setzen (siehe nachfolgender Forumlar-Ausschnitt des Vollstreckungsauftrages):
305 Die Vorpfändung begründet ein Pfändungspfandrecht mit dem Rang am Tag seiner Zustellung, wenn innerhalb eines Monats (nicht vier Wochen) seit Zustellung der Vorpfändung dem Drittschuldner ein Pfändungsbeschluss zugestellt wird. BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976 = WM 2001, 1223. Bei einer Ein-Monats-Frist endet z. B. bei einer Zustellung am Mittwoch, 15.3.2022 die Frist am 15.4.2022 24:00 h und nicht – wie bei einer Vier-Wochen-Frist – bereits am Dienstag, 12.4.2022 24:00 h.
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9. Vorpfändung/Vorläufiges Zahlungsverbot (§ 845)
Übersicht:
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Zustellung Vorpfändung 15.3.2022 durch Gläubiger A
Zustellung PfÜB am 25.3.2022 durch Gläubiger B
Zustellung PfÜB am 14.4.2022 durch Gläubiger A
1. Pfändung für Gläubiger A „wirkt zeitlich zurück“ auf seine Vorpfändung 2. A hat Pfändungsrang vor B, obwohl dessen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zeitlich vor dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des A zugestellt wurde
Die Vorpfändung sichert also einen Monat, nicht vier Wochen, lang die Rang- 307 stelle vor sonst eventuell vorrangigen Pfändungen weiterer danach pfändender Gläubiger. Die Monatsfrist beginnt gem. § 845 Abs. 2 Satz 1 mit dem Tage, an dem die Vorpfändung zugestellt worden ist. Praxistipp: Beim nachfolgenden Antrag auf Erlass eines PfÜBs empfiehlt sich daher ein deutlicher Hinweis auf die Monatsfrist. Wehrt sich beispielsweise der Schuldner gegen eine Vorpfändung gem. § 845 mittels Erinnerung nach § 766 – beispielsweise wegen eines Mangels in den Voraussetzungen der Vorpfändung – richtet sich die Zuständigkeit des Gerichts für das Erinnerungsverfahren nach § 828 Abs. 2. Zuständig ist somit das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, da die Vorpfändung lediglich eine „vorläufige, private Zwangsvollstreckungsmaßnahme“ darstellt, bei der außer im Rahmen der Zustellung der Benachrichtigung durch den Gerichtsvollzieher ein Gericht nicht mit eingebunden ist, OLG Hamm, Beschl. v. 17.6.2011 – 32 Sdb 42/11, BeckRS 2011, 18365.
Die Ein-Monats-Frist des § 835 Abs. 3 Satz 2 (siehe dazu Rn. 2290 ff.) ist im 308 Übrigen für den nachfolgenden PfÜB trotz vorheriger Vorpfändung zu beachten. Eine Vorpfändung kann – allerdings nicht rückwirkend rangwahrend bezüglich 309 der Zustellung der vorgehenden Vorpfändung – wiederholt werden. Sie kann (grundsätzlich unbegrenzt) wiederholt werden, ist aber jeweils nur einen Monat rangwahrend. Die Monatsfrist der vorgehenden Vorpfändung wird also nicht verlängert, sondern beginnt mit Zustellung der neuen Vorpfändung neu zu laufen. Überschneiden sich die Fristen nicht, ist das Konto in dieser Phase pfändungslos mit der Folge, dass der Schuldner über sein Guthaben auf dem
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
Konto – beim P-Konto ohne Einschränkungen auf den Freibetrag – vollständig verfügen kann. Die mehrfache Zustellung von Vorpfändungen, die „nicht die Durchführung einer Zwangsvollstreckung, sondern allein die Störung des Schuldners bezwecken“, sind allerdings rechtsmissbräuchlich und geben dem Schuldner einen Unterlassungsanspruch gegen den Gläubiger, OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.7.2000 – 8 W 143/00, NJOZ 2001, 1782. Auch das drittschuldnerische Kreditinstitut könnte sich gegen solche „lästigen“ Dauer-Vorpfändungen wehren.
Haftungsfalle: keine Drittschuldnererklärung bei Vorpfändung 310 Wird dem drittschuldnerische Kreditinstitut nur eine Vorpfändung zugestellt, darf keine Drittschuldnererklärung abgegeben werden. 311 Stellt der Gerichtsvollzieher eine Vorpfändung zu, in der gleichwohl von Gläubiger die Aufforderung, Bitte oder das Ersuchen um Abgabe einer Drittschuldnererklärung enthalten ist, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut das ignorieren, vgl. Rn. 2628. Zu Recht wird von Gerichtsvollziehern zunehmend die Zustellung vorläufiger Zahlungsverbote verweigert, in denen Gläubiger den Drittschuldner unzulässigerweise auffordern, „im Interesse einer raschen und vereinfachten Abwicklung zu erklären, ob er die gepfändete Forderung anerkennt und zur Leistung bereit“ sei und dadurch der Eindruck vermitteln, der Drittschuldner sei zur Abgabe einer Auskunft verpflichtet, vgl. Rn. 2629.
Haftungsfalle: Betragsdifferenz: 312 Es kann vorkommen (und ist natürlich zulässig), dass die Forderung des späteren Pfändungsbeschlusses die Forderung der Vorpfändung übersteigt. Zu beachten ist dann, dass nur der Forderungsbetrag der nachfolgenden Pfändung, der deckungsgleich mit der Vorpfändung ist, den vorrangigen Rang genießt. BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976 = WM 2001, 1223.
313 Werden dann an verschiedene Gläubiger Beträge ausgekehrt, hat der Drittschuldner daher auf die richtige Reihenfolge zu achten, wie in nachfolgendem Beispiel dargestellt. Beispiel: A pfändet zunächst mittels Vorpfändung i. H. v. 1.150 € am 5.9. Gläubiger B pfändet mittels PfÜB am 12.9. Innerhalb von einem Monat nach Zustellung der Vorpfändung lässt A den dazugehörigen PfÜB zustellen, dann allerdings i. H. v. 2.300 €. 1.500 € können ausgekehrt werden. Wer erhält wie viel?
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10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) Vorpfändung A am 5.9.
Pfändung B am 12.9.
Pfändung A am 1.10. zur Vorpfändung
1.000,00 €
250,00 €
2.000,00 €
1.000,00 €
250,00 €
Zinsen
100,00 €
25,00 €
200,00 €
100,00 €
25,00 €
Kosten
50,00 €
12,50 €
100,00 €
50,00 €
12,50 €
1.150,00 €
287,50 €
2.300,00 €
1.150,00 €
287,50 €
Hauptforderung
Auskehrung Auskehrung Auskehrung 1.500 €, davon an B Rest wieder an A 1.150 €, da an A nur dieser Betrag deckungsgleich 62,50 €
62,50 €
Hier erhält A vorrangig nur den mit der Vorpfändung deckungsgleichen Betrag i. H. v. 1.150 € (ggf. zzgl. weiter aufgelaufener Zinsen). Obwohl seine Pfändung innerhalb von einem Monat nach Zustellung der Vorpfändung fristgerecht zugestellt wurde und daher die rangwahrende (Rück)Wirkung ausgelöst hat, gilt diese eben nur im Forderungsumfang der Vorpfändung i. H. v. 1.150 €. Die weitere Teilforderung i. H. v. 1.150 € (2.300,00 € ./. 1.150,00 €) genießen dann erst Rang NACH der Pfändung des B. Hinzuweisen ist noch darauf, dass sich (auch) ein vorläufiges Zahlungsverbot 314 nicht auf das Guthaben innerhalb der Freibeträge von Pfändungsschutzkonten erstreckt. Ebenso Hergenröder, DGVZ 2021, 101, der aber von Fällen „aus der Praxis“ berichtet, bei denen das anders ist. Drittschuldnerische Kreditinstitute, es dürfte sich aber allenfalls um wenige Einzelfälle handeln, die sich so verhalten, verstoßen nicht nur gegen § 908 Abs. 1 und bei debitorischen Konten auch gegen § 901 Abs. 1, sondern erweisen der Branche keinen guten Dienst, wenn sie offensichtlich unpfändbare Forderungen des Schuldners nicht an ihn auskehren. Ebenso wie bei PfÜB selbst, treten die Wirkungen des vorläufigen Zahlungsverbotes nur im Rahmen der Grenzen der Pfändbarkeit ein. „Eine entgegenstehende Praxis ist rechtswidrig, gegebenenfalls ist der Drittschuldner überdies zum Schadensersatz gegenüber dem Schuldner verpflichtet“, so zu Recht Hergenröder.
10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) a) Übersicht Zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in 315 Zivil- und Handelssachen ist es auch möglich, eine vorläufige Kontenpfändung im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EU, mit Ausnahme des Vereinigten Königsreichs und Dänemarks. auszubringen. Der Erwägungsgrund 5 der EuKoPfVO nennt als Motiv „ein verbindliches und unmittelbar geltendes Rechtsinstrument der Union zu erlassen, mit dem ein neues Unionsverfahren eingeführt wird, das in grenzüberschreitenden Fällen die vorläufige Pfändung von
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Geldern auf Bankkonten in einer effizienten und zügigen Weise ermöglicht.“
316 Dazu wurde die in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar geltende Europäische Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO) in Kraft gesetzt. 317 Die „Durchführungsverordnung zur Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfDVO)“ Durchführungsverordnung (EU) 2016/1823 der Kommission vom 10.10.2016 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Verfahrens für einen europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen. Sie wurde am 19.10.2016 im Amtsblatt der europäischen Union L 283/1 veröffentlicht. Auch sie trat am 18.1.2017 in Kraft
gibt die dafür zu verwendenden Formblätter zur Europäischen Kontenpfändungsverordnung vor, z. B. den Beschluss selbst (EuBvKpf) oder die künftig von den Kreditinstituten abzugebenden Drittschuldnererklärung. Formulare abrufbar unter https://e-justice.europa.eu/content_ european_account_preservation_order_forms-378-de.do#action; die Drittschuldnererklärung ist die „Erklärung betreffend die vorläufige Pfändung von Geldern“, Anhang IV, S. 26 ff.
318 Welche Gerichte, Behörden und Personen im Inland für den Erlass und die Durchführung des EuBvKpf, für die Veranlassung und die Durchführung von Zustellungen sowie für die Entscheidung über etwaige Rechtsbehelfe zuständig sind, regeln in Deutschland die zu diesem Zwecke in die ZPO eingefügten §§ 946 ff. Art. 46 Abs. 1 regelt, dass alle in der EuKoPfVO nicht geregelten verfahrensrechtlichen Fragen sich nach nationalem Recht richten.
319 Grundlage war das zeitgleich in Kraft getretene flankierende „Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG)“. BGBl I 2016, 2591 ff.
320 Die EuKoPfVO bietet die Grundlage dafür, dass Europäische Gläubiger mit Hilfe ihrer nationalen Gerichtsbarkeit Konten ihrer Schuldner im Europäischen Ausland vorläufig pfänden lassen können. Gläubiger sollen in die Lage versetzt werden, in allen EU-Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung zu erwirken. BT-Drucks. 18/7560 v. 17.2.2016, S. 1.
321 Die Europäische vorläufige Kontenpfändung dient nur der Sicherung der späteren Zwangsvollstreckung, nicht der Befriedigung des Gläubigers. Dem Gläubiger kann deshalb der Anspruch des Schuldners gegen sein Kreditinstitut 94
10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf)
auf Auszahlung von Kontoguthabens weder zur Einziehung noch an Zahlungs statt überwiesen werden. BT-Drucks. 18/7560 v. 17.2.2016, S. 32.
Nachfolgend wird dieses Verfahren in einem eigenen Kapitel dargestellt, um 322 die Neuerungen/Unterschiede zu nationalen Kontopfändungsmaßnahmen zusammenhängend darstellen und besser verstehen zu können. aa) Europäisches Arrestverfahren und Europäische/s Vorpfändung/ Vorläufiges Zahlungsverbot Art. 5 EuKoPfVO sieht vor, dass der EuBvKpf grundsätzlich in zwei Fällen 323 zur Anwendung kommen kann: VOR Erwirkung eines vollstreckbaren Titels, also vor oder während eines Gerichtsverfahrens zur Hauptsache oder wenn der vorhandene Titel noch nicht vollstreckbar ist und NACH Erwirkung eines vollstreckbaren Titels. Soweit noch kein Titel vorliegt, ist das Verfahren „strukturell vergleichbar“ mit dem Arrestverfahren nach §§ 916 ff. i. V. m. einem Kontenpfändungsbeschluss nach § 829/§ 309 AO. BT-Drucks. 18/7560 v. 17.2.2016, S. 32.
Im Rahmen des Arrestanspruches ist der Bestand der Forderung darzulegen, 324 wobei als Arrestgrund, die Eilbedürftigkeit, eine begründete Gefahr bestehen muss, dass der Schuldner den Vollstreckungszugriff auf seine Konten bei Nichterlass des EuBvKpf vereiteln oder zumindest ernsthaft gefährden würde. Das OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.2019 – I-8 W 51/18, ZVI 2019, 374 hat dazu erste Anforderungen definiert: Der Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung setzt voraus, dass die Vollstreckung des Gläubigers ohne den Beschluss unmöglich oder sehr bzw. erheblich erschwert wird. Es reicht nicht aus, dass der Schuldner ein Kontoguthaben von einem Mitgliedstaat in einen anderen transferiert. Das LG Bremen (3. Zivilkammer), Beschl. v. 7.1.2020 – 3 O 2166/19, BeckRS 2020, 4950 stellt zwei zu erfüllende Anforderungen: 1. Zur Glaubhaftmachung einer Gefahr der Vollstreckungsvereitelung oder Vollstreckungserschwerung nach Art. 7 EuKopfVO genügt es nicht, lediglich eine abstrakte Insolvenzgefahr zu benennen; auch die Nichtzahlung allein oder vertröstendes Verhalten reicht nicht aus. 2. Vor Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung ist das zentrale Schutzschriftenregister zu prüfen. Beide Entscheidungen interpretieren die Anforderungen aus Sicht des Autors nicht sachgerecht. Das Ziel der EuKoPfVO ist, die vereinfachte Möglichkeit in allen EU-Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung erwirken zu können. Dass berücksichtigen die beiden Entscheidungen nicht ausreichend.
Verfügt der Gläubiger dagegen über einen – auch im Vollstreckungsstaat – 325 vollstreckbaren Titel, so ist der EuBvKpf dann dem vorläufigen Zahlungsverbotes nach § 845 ähnlich, allerdings ohne dessen die zeitliche Befristung. 95
I. Allgemeines zur Kontopfändung Gem. § 845 Abs. 2 hat die Vorpfändung/das vorläufige Zahlungsverbot nur eine Laufzeit von einem Monat, während ein EuBvKpf gem. Art. 20 EuKoPfVO grundsätzlich solange wirksam bleibt, bis er durch eine vergleichbare nationale Vollstreckungsmaßnahme „abgelöst“ oder widerrufen oder beendet wird. Das OLG Hamm, Beschl. v. 13.11.2019 – 8 W 30/19, NJW-RR 2020, 550 sieht in einer weiteren Entscheidung zudem die (internationale) Zuständigkeit deutscher Gerichte für den Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung nicht allein dadurch begründet, dass der Gläubiger zuvor bei einem deutschen Gericht einen dinglichen Arrest erwirkt hat.
326 All das wird die Akzeptanz zur Beantragung eines EuBvKpf kaum fördern. Harbeck, in: Seibel u. a., § 5 Rn. 61, weist zu Recht darauf hin, die Erfahrungen im internationalen Rechtsverkehr zeigen, dass nicht die vorgegebene Verfahrensweise Problemstellungen mit sich bringt, sondern der Umstand, dass in unterschiedlichen Mitgliedstaaten unterschiedlich gearbeitet wird, der Beschluss daher in einigen Mitgliedstaaten besser umsetzbar ist als in anderen.
bb) Vorliegen einer „grenzüberschreitenden Rechtssache“ 327 Nach Art. 3 Abs. 1 EuKoPfVO muss zunächst eine „grenzüberschreitende Rechtssache“ vorliegen, um einen EuBvKpf beantragen zu können. Davon ist auszugehen, wenn sich entweder das angerufene Gericht, der Gläubiger oder das zu pfändende Konto in mehr als einem EU-Mitgliedstaat befinden. Zum möglichen Missbrauch einer nur behaupteten grenzüberschreitenden Rechtssache siehe Kreutz, Rpfleger 2016, 509 ff.
Beispiel: Gläubiger G aus Deutschland will gegen seinen Schuldner S aus Frankreich vollstrecken. S unterhält sowohl Konten in Frankreich als auch in Deutschland. G muss zwei Anträge stellen. So auch Graf von Bernstorff, AW-Prax 2017, 95, 96.
Einen auf Erlass eines EuBvKpf wegen der Konten des S in Frankreich und einen deutschen Pfändungs- (und ggf. Überweisungs-)beschluss bezüglich der in Deutschland unterhaltenen Konten. Ebenso Hilbig-Lugani, in: MünchKomm-ZPO, Art. 3 EuKoPfVO, Rn. 2 der zu Recht darauf verweist, dass der grenzüberschreitende Bezug für jedes einzelne betroffene Konto gegeben sein muss; für Konten ohne grenzüberschreitenden Bezug kann daher kein Verfahren nach der EuKoPfVO angestrengt werden.
328 Liegt noch kein Titel i. S. d. EuKoPfVO vor, ist das Gericht der Hauptsache zuständig, Art. 6 Abs. 1 EuKoPfVO. In Verbrauchersachen sind ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, Art. 6 Abs. 2 EuKoPfVO. Hat der Gläubiger bereits einen Titel, sind
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10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf)
die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, die den Titel geschaffen haben oder in dessen Bezirk sie geschaffen wurden, Art. 6 Abs. 3, 4 EuKoPfVO, z. B. bei vollstreckbaren notariellen Urkunden. § 946 regelt dann die örtliche, ggf. auch sachliche Zuständigkeit. Ebenso Hilbig-Lugani, in: MünchKomm-ZPO, § 946 Rn. 10; Musielak/Voit-Lackmann, ZPO, Einführung vor §§ 946 ff. Rn. 15. Dass das Finden des zuständigen Gerichts nicht ganz unproblematisch ist, zeigt die Entscheidung des OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.12.2018 – 209 AR 12/18 –, juris, im Übrigen ein Paradebeispiel dafür, wie ein Gläubiger in einer „Justizposse der Unzuständigkeit“ aufgerieben werden kann (es ging um die Frage, welches Gericht für den Erlass eines europ. Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung zuständig ist, solange das Mahnverfahren nicht in das streitige Verfahren übergegangen ist.
cc) Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen Die Forderung des Gläubigers muss eine Geldforderung in Zivil- und Handels- 329 sachen sein, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuKoPfVO. Forderungen aus dem ehelichen Güterrecht oder aus dem Erbrecht sind dagegen ebenso ausgenommen, wie Zahlungsansprüche gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Nach dem Erwägungsgrund 8 der VO soll der sachliche Anwendungsbereich zwar keine Anwendung finden auf Forderungen gegenüber einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Dies soll aber nur bedeuten, dass ein EuBvKpf nicht gegen einen Schuldner erlassen werden kann, sobald gegen ihn ein Insolvenzverfahren im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates (1) eingeleitet worden ist. Anfechtungsansprüche bzgl. Zahlungen, die der Schuldner an Dritte geleistet hat, sind dagegen ausdrücklich mittels EuBvKpf durchsetzbar.
Ebenfalls ausgenommen: Ansprüche aus sozialen Sicherungssystemen oder 330 Forderungen, die im Rahmen eines Schiedsverfahrens geltend gemacht werden, Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Ansprüche oder solche aus der Haftung eines Staates. dd) Kontoinformationsrechte des Gläubigers Eine deutliche Stärkung der Gläubigerrechte ist der Anspruch auf Konto- 331 informationen über den Schuldner. Denn in der Vollstreckungspraxis wird der Gläubiger möglicherweise oftmals gar nicht wissen, bei welchen Banken der Kunde überall Konten in den EU-Mitgliedsstaaten unterhält. Er muss aber zumindest das Kreditinstitut und idealerweise auch die Kontonummer im EuBvKpf angeben, Art. 8 Abs. 2d EuKoPfVO. Daher räumt Art. 14 Abs. 1 EuKoPfVO dem Gläubiger das Recht ein, bereits im Antrag auf Erlass des Beschlusses Informationen über die Bankverbindungen und Konten des Schuldners einzuholen.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
332 In Deutschland regelt § 948, dass das Bundesamt für Justiz, das das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen darf, bei den Kreditinstituten die nötigen Daten abzurufen, die zuständige Auskunftsbehörde ist. Auch hier hat das OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.2019 – I-8 W 51/18, ZVI 2019, 374 erste Anforderungen definiert: Ein Anspruch darauf, Kundeninformationen gem. Art. 14 EuKoPfVO einzuholen, besteht nicht schon dann, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass der Schuldner in einem Mitgliedstaat Konten unterhält. Diesen Umstand muss der Gläubiger konkret begründen. Das ist nicht ganz unproblematisch, zumal zu bedenken ist, dass der EuKoPfB lediglich der Sicherung der Zwangsvollstreckung und nicht der Befriedigung des Gläubigers dient. Ferner wird der Grundrechtseingriff durch die Gläubigerpflicht zur Erbringung einer Sicherheitsleistung in angemessener Höhe bei Beantragung des Beschlusses vor Einleitung des Hauptsacheverfahrens abgemildert bzw. ausgeglichen, vgl. Harbeck, a. a. O., § 5 Rn. 25.
333 Für den Grund zur Annahme, dass der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einem Kreditinstitut im europäischen Ausland unterhält, müssen daher Indizien ausreichen; etwa eine berufliche Tätigkeit des Schuldners im Ausland, dort belegenes Eigentum, oder auch ein dauerhafter oder vorübergehender Aufenthalt des Schuldners im europäischen Ausland ist als Indiz ausreichend. Vgl. Harbeck, in: Kindl/Meller-Hannich, Art. 14 EuKoPfVO Rn. 10, der zu Recht darauf hinweist, dass bei juristischen Personen diese Indizien zweifellos vorliegen, wenn Zweigniederlassungen o. Ä. im Ausland unterhalten werden.
334 An das Bundesamt für Justiz muss das für den Erlass des Beschlusses zuständige deutsche Gericht das Ersuchen auf Antrag des Gläubigers stellen. Ist der Titel noch nicht vollstreckbar, müssen gem. Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 EuKoPfVO weitere Anforderungen für ein Ersuchen auf Kontoinformation erfüllt sein: Der zu pfändende Betrag muss „von erheblicher Höhe“ sein und der Gläubiger muss Beweismittel vorlegen, die das dringende Erfordernis der Informationen belegen, „da sonst die spätere Vollstreckung der Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner wahrscheinlich gefährdet ist und dass dies in der Folge zu einer wesentlichen Verschlechterung der finanziellen Lage des Gläubigers führen könnte“. Es wurden auch Befürchtungen geäußert, dass es wegen dieser gegenüber dem deutschen Recht einfacheren Informationsmöglichkeit ggf. zu einer Verlagerung in den EuBvKpf kommen könnte, so die Befürchtung bei Kreutz, Rpfleger 2016, 509, 512, die sich aber allen Anschein nach nicht bewahrheitet hat, obwohl die restriktiveren Möglichkeiten nach deutschen Zwangsvollstreckungsrecht ein weniger „potentes Instrument“ zur Ermittlung der Bankverbindungen des Schuldners bieten.
335 Zwar besteht auch im nationalen Recht die Möglichkeit der Einholung von Kontoinformationen i. R. d. § 802l, aber sie ist nur dann zulässig, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt 98
10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf)
oder die aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht erwarten lassen, und nur soweit sie zur Vollstreckung erforderlich ist. BT-Drucks. 18/9698, S. 24.
Der „Betrag von erheblicher Höhe“ ist im Übrigen nicht konkretisiert.
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In der Erläuterung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1823 der Kommission vom 10.10.2016 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 ist zu Ziff. 10.2 lediglich gesagt, dass sich der erhebliche Betrag auch „unter Berücksichtigung der einschlägigen Gegebenheiten“ festgelegt wird. Dies deutet darauf hin, dass ein Gericht ggf. individuell im Einzelfall entscheiden wird, ob ein Betrag für einen Gläubiger „erheblich“ ist.
Harbeck ist der Ansicht, dass der Betrag derart hoch sein muss, dass er für den 337 Gläubiger eine „immense wirtschaftliche Relevanz“ aufweist. Harbeck, in: Kindl/Meller-Hannich, EuKoPfVO Art. 14 Rn. 14.
Der Gläubiger muss darlegen, dass es ohne den EuBvKpf zu einer wesentlichen 338 Verschlechterung seiner finanziellen Lage führen würde. Siehe Durchführungsverordnung (EU) 2016/1823 der Kommission vom 10.10.2016 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 655/2014, Erläuterungen zu Ziff. 10.2.
Es wird also eine Einzelfallentscheidung der Gerichte bleiben, die, so ist erfahrungsgemäß zu erwarten, eher restriktiv ausgelegt werden wird. Auch das aber wäre nicht im Sinne der EuKoPfVO. Zu hoffen ist, dass die europäischen Gerichte hier wieder einiges gerade rücken. Einen ersten Anfang hat der EuGH, Urt. v. 7.11.2019 – C-555/18, BeckRS 2019, 26961, gemacht, der die EuKoPfVO in dieser Entscheidung eher vollstreckungsfreundlich auslegt hat.
ee) Bestimmung des Begriffes „Konto“ Der Kontobegriff ist grundsätzlich kein anderer als der nationale. Nach Art. 4. 339 Nr. 1 EuKoPfVO ist ein zunächst mal Konto i. S. d. VO „jedes Konto, das im Namen des Schuldners oder in fremdem Namen für den Schuldner bei einer Bank geführt wird und auf dem Gelder gutgeschrieben sind“. gem. Art. 2 Abs. 3 und 4 EuKoPfVO sind bestimmte Konten von der VO ausgenommen, nach Abs. 3 z. B. diejenigen Konten, die nach dem Recht des Mitgliedstaates nicht gepfändet werden dürfen. Zum einen sind nach Abs. 3 Konten nach der Finalitätsrichtlinie ausgenommen und nach Abs. 4 bei Zentralbanken geführte Konten, wenn diese in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörden tätig werden. Nach Art. 30 EuKoPfVO dürfen auch Gelder auf Gemeinschaftskonten und Treuhandkonten nur dann gepfändet werden, wenn sie auch nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats pfändbar sind.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
340 Nicht pfändbare Konten gibt es in Deutschland allerdings nicht. Insbesondere können daher mit dem EuBvKpf auch Pfändungsschutzkonten gepfändet werden, selbstverständlich ohne, dass die zu Gunsten des Schuldners bestehenden Freibeträge tangiert wären. „Depotkonten“ dagegen sind keine Konten, sondern Verwahrverhältnisse. Siehe Rn. 763.
341 Um solche handelt es sich regelmäßig auch bei Tagesgeldkonten. Tröger, NJW 2015, 657 m. w. N.
342 Der EuBvKpf bleibt damit vom Umfang hinter einer nationalen Arrestpfändung zurück, weil damit lediglich Guthaben auf Konten eingefroren werden können, während ein Gläubiger sonst, bei vergleichbaren Voraussetzungen, die Beschlagnahme des gesamten Vermögens des Schuldners erreichen kann. So zu Recht Musielak/Voit-Lackmann, ZPO, Einführung vor §§ 946 ff. Rn. 2, der glaubt, dass es daher für den Gläubiger sinnvoller sein dürfte, das nationale Arrestverfahren zu nutzen.
ff) Schuldnerschutz 343 Dem Schuldner wird – um dem Gläubiger den Überraschungseffekt zu erhalten – kein vorheriges rechtliches Gehör gewährt, Art. 11 EuKoPfVO. Anders als beim nationalen Arrest, § 922, hat das erlassende Gericht insoweit auch keinen Ermessenspielraum. Der Schuldner ist aber gegen Missbrauch geschützt: Er wird nachträglich, aber zeitnah über die Pfändung informiert. Nach Art. 28 Abs. 2 EuKoPfVO ist der Schuldner binnen drei Arbeitstagen nach Erhalt der Drittschuldnererklärung über den Beschluss zu informieren.
344 Liegt dem Gläubiger noch kein vollstreckbarer Titel vor, ist das Gericht grundsätzlich verpflichtet, eine Sicherheitsleistung zu verlangen, Art. 12 Abs. 1 EuKoPfVO. Zudem haftet der Gläubiger gem. Art. 13 EuKoPfVO dem Schuldner für Schäden aus unrechtmäßiger Vollstreckung, wobei Abs. 2 Beweiserleichterungen für den Schuldner vorsieht, z. B. für den Fall, dass der EuBvKpf widerrufen wird, weil der Gläubiger es unterlassen hat, ein Verfahren in der Hauptsache einzuleiten. Denn der Gläubiger muss dem Gericht gem. Art. 10 Abs. 1 EuKoPfVO dreißig Tage nach Einreichung seines Antrags oder innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Erlass des Beschlusses, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist, nachweisen, dass er das Hauptsacheverfahren eingeleitet hat. Und schließlich stehen dem Schuldner umfangreiche Rechtsbehelfe zur Verfügung, Art. 33 – 35 EuKoPfVO. Hierzu wird auf die einschlägigen Normen und Kommentierungen verwiesen.
345 Mit der Zustellung des EuBvKpf nach den nationalen Zustellungsvorschriften an das Drittschuldner-Kreditinstitut, löst dies die üblichen Arbeiten der Pfändungsbearbeitung aus. Gleichwohl soll nachfolgend, teilweise anhand 100
10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf)
von Fall-Beispielen, auf einige Besonderheiten hingewiesen werden, die auch zusätzliche Haftungsrisiken bergen. b) Abweichungen zur einer nationalen Kontopfändung Von einer nationalen Kontopfändung gem. § 829 unterscheidet sich der 346 EuBvKpf zum Teil deutlich. aa) Umfang der Kontopfändung Beispiel:
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Dem Kreditinstitut wird von Gläubiger 1 ein EuBvKpf wegen 1.000 € gegen Schuldner S zugestellt. S unterhält bei dem Kreditinstitut ein Girokonto, dass zum Zeitpunkt der Zustellung kein Guthaben ausweist. Einen Tag später, wird dem Kreditinstitut ein nationaler PfÜB über 500 € durch Gläubiger 2 zugestellt. Inzwischen ist das Girokonto wieder im Haben. Eine Haftungsfalle kann hier sein, dass anders als regelmäßig der nationale PfÜB die Pfändung des Guthabens eines Kontos nicht auch künftige Guthaben erfasst. Während gem. § 833a bei einem nationalen PfÜB regelmäßig auch künftige Salden erfasst sind (vgl. Rn. 546), gibt es in der EuKoPfVO eine gegenteilige Vorschrift. Nach Art. 4 Nr. 1 und 3 i. V. m. Art. 24 Abs. 6 sind ausdrücklich nur vorhandene Tagesguthabensalden „zum Zeitpunkt der Ausführung des Beschlusses“ erfasst und nicht auch die Tagesguthabensalden der auf die Ausführung des EuBvKpf folgenden Phasen. Insoweit kann wegen dieser Formvorgaben der EuBvKpf auch nicht erweitert werden indem der Gläubiger beispielsweise den EuBvKpf entsprechend ergänzt. Der EuBvKpf geht im Beispielsfall also mangels Guthaben am Zustellungstag „ins Leere“; Gläubiger 2 dagegen profitiert über § 833a auch an künftigen Guthabensalden und ist trotz nachrangiger Zustellung insoweit „vorrangig“. Unberücksichtigt bleibt aus Vereinfachungsgründen der Umstand, dass bei einem P-Kontoinhaber ggf. die Freibeträge der §§ 899, 902 das Guthaben schützen oder eine vorrangiges AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes bestehen kann.
Im Übrigen sind – wegen des engen Wortlautes von Art. 24 Abs. 6 EuKoPfVO tatsächlich nur die Guthabensalden zum „Zeitpunkt der Ausführung des Beschlusses“, also der konkreten Saldoziehung zum Zeitpunkt, zu dem das drittschuldnerische Kreditinstitut die Konten sperren würde, erfasst, z. B. also um 10:30 h vormittags; ergäbe sich dann erst um 14:30 h nachmittags durch weitere Zahlungseingänge ein Guthaben, wäre dieses nicht mehr vom EuBvKpf erfasst. Insofern sind die Tagesguthabensalden hier enger auszulegen als im Rahmen des § 833a. Das dürfte in der Praxis den EuBvKpf, jedenfalls soweit volatile Geschäftskonten erfasst sind, die durch z. B. Abbuchungen von Löhnen/Gehältern an einem und großen Zahlungseingängen am weiteren Tag stark schwankende Salden ausweisen werden, vielfach wirkungslos machen.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
348 Eine weitere Haftungsfalle – sowohl für Gläubiger als auch für das drittschuldnerische Kreditinstitut – ist auch, dass im EuBvKpf unter Ziff. 6.7 anzugeben ist, ob neben dem unter 6.6 zu bezeichnenden Konto auch weitere Konten des Schuldners vorläufig gepfändet werden sollen (siehe nachfolgender Formular-Ausschnitt des EuBvKpf):
349 Unterbleibt ein Ankreuzen bei Ziff. 6.7, ist im Zweifel also von der vorläufigen Pfändung nur des unter 6.6 bezeichneten Kontos auszugehen. Anders als im nationalen PfÜB, wirkt § 833a also nicht zugunsten des Gläubigers. Allerdings schränken die Formulare gem. Anlage 2 und 3 zu § 2 Satz 1 ZVFV unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ die Konten gegenüber § 833a ebenfalls ein. So sind beispielsweise im Formular Tagesgeldkonten nicht erwähnt und damit grds. nicht erfasst, vgl. Rn. 536.
350 Ein reflexhaftes Sperren aller Konten des Schuldners durch das drittschuldnerische Kreditinstitut verbietet sich daher beim EuBvKpf. bb) Rangverhältnis der Konten 351 Beispiel: Dem Kreditinstitut wird von Gläubiger 1 ein EuBvKpf wegen 1.000 € gegen Schuldner S zugestellt. S unterhält bei dem Kreditinstitut vier Sparkonten mit einem Guthaben i. H. v. je 250 € und ein Oder-Sparkonto zusammen mit seiner Frau, das zum Zeitpunkt der Zustellung ein Guthaben i. H. v. 1.000 ausweist. Einen Tag später wird dem Kreditinstitut ein nationaler PfÜB über 500 € durch Gläubiger 2 zugestellt. Zu beachten ist, dass Art. 24 Abs. 7 ein (echtes) Rangverhältnis der zu sperrenden Konten vorgibt. Während ein nationaler PfÜB, der regelmäßig sämtliche Ansprüche pfändet, auf die Art der Konten keine Rücksicht nehmen braucht, ist bei einem EuBvKpf, der sich auf mehrere Konten des Schuldners bei demselben Kreditinstitut bezieht, ggf. ein Konten-Rangverhältnis bei der Sperrung zu beachten. Selbstverständlich beschränkt sich auch diese Pfändung nur auf die Beträge, die zur (möglichen) Begleichung der Pfändungsforderung benötigt werden, Rn. 367 ff.
Immer dann, wenn die Tagessalden auf diesen Konten den im EuBvKpf angegebenen Betrag übersteigen, dürfen Konten nur in folgender Reihenfolge gesperrt werden: a) Sparkonten auf den alleinigen Namen des Schuldners; b) Girokonten auf den alleinigen Namen des Schuldners; c) gemeinschaftliche Sparkonten auf den Namen mehrerer Personen; d) gemeinschaftliche Girokonten auf den Namen mehrerer Personen. 102
10. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) Die Einschränkung bei c) und d), „vorbehaltlich des Artikels 30 EuKoPfVO“, dass Gelder auf Konten, über die der Schuldner nicht allein verfügen kann oder über die ein Dritter im Namen des Schuldners oder der Schuldner im Namen eines Dritten verfügen kann, nur insoweit vorläufig gepfändet werden dürfen, wie sie nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats pfändbar sind, ist für Deutschland unbeachtlich, als es solche Einschränkungen nicht gibt. Zu beachten ist aber, dass bei einem Oder-Konto, die Nur-Pfändung (ohne Einziehungsverfügung) nur eines der Kontoinhaber, wie es auch beim EuBvKpf der Fall ist, den anderen Kontoinhaber nicht daran hindert, weiter zu verfügen, vgl. Rn. 652; ebenso Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 114, 115.
Somit dürfen im Beispielsfall nur die vier Sparkonten, die auf S alleine lauten, für Gläubiger 1 gesperrt werden. Das hat auch für den drittschuldnerische Kreditinstitut Mehraufwand zur Folge und natürlich bildet dies auch eine weitere Haftungsfalle. Dem Mehraufwand konstatiert auch der Rechtsausschuss des EP, vgl. Bericht des Rechtsausschusses des EP über den Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen, A7-0227/2013 v. 19.6.2013, S. 68 letzter Absatz.
Das Kreditinstitut muss daher ein ggf. kontobezogenes unterschiedliches Rangverhältnis beachten, muss dies auch in der Drittschuldnererklärung berücksichtigen und natürlich erst recht bei evtl. Auskehrungen, wobei an den Gläubiger eines EuBvKpf natürlich nicht ausgekehrt werden darf. Gläubiger 2 hat damit trotz nachrangiger Zustellung vorrangigen Zugriff auf das Oder-Sparkonto. Ist durch den Gläubiger unter Ziff. 6.6 des EuBvKpf, allerdings nur ein kon- 352 kretes Konto durch Auswahl einer einzigen Kontonummer angegeben, ist bei vorhandenem Guthaben nur dieses Konto zu sperren; die Kontenhierarchie des Art. 24 Abs. 7 EuKoPfVO tritt in diesem Fall dann hinter die Vorgabe des Gläubigers zurück. Der Schuldner hätte aber die Möglichkeit nach Art. 38 EuKoPfVO, ein Guthaben in entsprechender Höhe von einem ihm entbehrlicheren Konto als Sicherheit zu stellen, um so die dringender benötigten Konten freizubekommen. Diesen Antrag kann er jederzeit stellen. c) Die Drittschuldnererklärung und Bankenentgelte aa) Drittschuldnererklärung Die EuKoPfVO macht auch genaue Vorgaben hinsichtlich der Form und Inhalt 353 der Drittschuldnererklärung. Auf das drittschuldnerische Kreditinstitut kommen beim EuBvKpf umfangreichere Information- und Auskunftspflichten zu als dies im Rahmen des § 840 oder des § 316 AO der Fall ist. Siehe zur Drittschuldnererklärung allgemein Rn. 2603 ff.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
354 So muss die Formular-Erklärung gem. Art. 25 Abs. 2 EuKoPfVO nicht wie beim nationalen PfÜB nur einmal dem Gerichtsvollzieher oder dem Gläubiger gegenüber abgegeben werden, sondern zweifach dem erlassenden Gericht und dem Gläubiger gegenüber. Siehe Anhang IV der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1823 der Kommission v. 10.10.2016 zur Festlegung der Formblätter (siehe Fn. 4) S. 26 ff.
355 Auch reicht kein einfacher Brief, sondern auch hier ist eine besondere Form des Versandes vorgegeben: gem. Art. 25 Abs. 2 EuKoPfVO muss die Erklärung „per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigen elektronischen Mitteln“ übermittelt werden. 356 Ebenso ist die Frist, innerhalb derer die Drittschuldnererklärung abzugeben ist, deutlich kürzer: Statt „binnen zwei Wochen“, § 840 Abs. 1, muss sie bei einem EuBvKpf bereits „bis zum Ende des dritten Arbeitstags nach Zustellung“ ausgestellt sein. „Aufgrund außergewöhnlicher Umstände“ gilt auch eine längere Frist, nämlich „so schnell wie möglich, spätestens jedoch bis zum Ende des achten Arbeitstags“. Was allerdings „außergewöhnliche Umstände“ sein können, bleibt offen und birgt die Gefahr für die Kreditinstitute, sich bei Überschreitung der drei Tage schadensersatzpflichtig zu machen, weil die „außergewöhnliche Umstände“ retrospektiv betrachtet nicht anerkannt werden. Jedenfalls keine „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne dieser Vorschrift sind Gerichtsferien, EuGH, Urt. v. 7.11.2019 – C-555/18, BeckRS 2019, 26961.
357 In der Praxis sollte dies nur im Ausnahmefall ein Problem darstellen, da Kreditinstitute schon aus Gründen der Effizienz die Drittschuldnererklärung zumeist sogleich i. R. d. Pfändungsbearbeitung bei Eingang der Pfändung abgeben werden. Vgl. Rn. 2690 und Rn. 2628.
358 Insbesondere inhaltlich wird die Beantwortung deutlich aufwändiger. Während bei nationalen Kontopfändungen grundsätzlich nur die Erklärungsinhalte gem. § 840 Abs. 1 und § 316 Abs. 1 Satz 1 AO abgegeben werden, müssen im Rahmen der Drittschuldnererklärung zu einem EuBvKpf mehr Angaben gemacht und mehr Fragen beantwortet werden. Zunächst sind stets umfangreiche Angaben zum Gericht, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat, zum Pfändungsbeschluss und seiner Währung sowie zum Gläubiger und Schuldner zu machen. Dann müssen zu den vorläufig gepfändeten Geldern, also den Beträgen, die das Kreditinstitut tatsächlich „einfriert“, Angaben gemacht werden, die über das Maß der §§ 840 Abs. 1 und § 316 Abs. 1 Satz 1 AO hinausgehen. Besonders schmerzlich wird dieser Mehraufwand dann, wenn keine Geschäftsverbindung zum Schuldner besteht. Während bei einer Kontopfändung nach §§ 829 ff./§§ 309 ff. AO eine sehr kurze Erklärung möglich ist („Stempelauskunft“, vgl. Rn. 454 und 2640), 104
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sind auch in diesem Falle einige der unter Ziff. 5.6 in der Formular-Erklärung aufgeführten Fragen zu beantworten:
Weitere Angaben sind in Ziff. 5.7/5.8 zu machen, wenn der vorläufig gepfändete 359 Betrag in mehreren Währungen gepfändet wird, was nach nationalen Vorschriften gar nicht möglich ist. In erster Linie die Währungen der EU-Länder, die nicht zum EuroWährungsgebiet gehören: bulgarischer Lew (BGN) tschechische Krone (CZK) kroatische Kuna (HRK) ungarischer Forint (HUF) polnischer Zloty (PLN) rumänischer Leu (RON) schwedische Krone (SEK).
Und schließlich ist gem. Ziff. 5.9 zu begründen, wenn die gesperrten Guthaben geringer als der im Pfändungsbeschluss angegebene Betrag sind, aus welchen Gründen nicht der Gesamtbetrag eingefroren werden konnte. Angaben zu Gemeinschaftskonten werden anders als in § 840 Abs. 1 Nr. 5 nur abgefragt, wenn keine Gelder vorläufig gepfändet werden oder der vorläufig gepfändete Betrag geringer als der im Pfändungsbeschluss angegebene Betrag ist. Dann wir gefragt, ob „das betreffende Konto ein gemeinsames Konto oder ein Treuhandkonto (nominee account) ist und nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht pfändbar ist“.
Im Rahmen des Art. 25 Abs. 2 EuKoPfVO ist eine Drittschuldnererklärung 360 ohne Nutzung des Formulars nicht zulässig, auch dann nicht, wenn keine Geschäftsverbindung zum Schuldner besteht. Das Formular muss in jedem Fall verwendet werden, denn ohne die Verwendung des Erklärungsformblatts ist eine abgegebene Erklärung fehlerhaft. Hilbig-Lugani, in: MünchKomm-ZPO, Art. 25 EuKoPfVO Rn. 1.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
bb) Kein Bankenentgelt für die Drittschuldnerbearbeitung eines EuBvKpf 361 Nach Art. 43 Abs. 1 EuKoPfVO kann ein Kreditinstitut nur dann eine Erstattung seiner Pfändungsbearbeitungskosten bei einem EuBvKpf verlangen, wenn es auch bei „gleichwertigen nationalen Beschlüssen“ einen Anspruch auf eine solche Erstattung hätte. Zu den erheblichen Kosten, die eine Kontopfändung beim drittschuldnerischen Kreditinstitut auslöst, vgl. Rn. 62.
362 Damit hängt die Möglichkeit, sich die Pfändungsbearbeitungskosten erstatten zu lassen nach der EuKoPfVO davon ab, wie das Recht des Staates, in dem das Konto des Schuldners bzw. Antragsgegners geführt wird, ausgestaltet ist. In Deutschland ist es aufgrund der Rechtsprechung des BGH nicht möglich, sich die Kosten erstatten zu lassen BGH, Urt. v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545; BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271. Zu berechtigten Kritik daran, vgl. Stellungnahme v. 5.12.2011 der Deutschen Kreditwirtschaft, a. a. O., S. 6/7, die darauf hinweist, dass dadurch deutsche Kreditinstitute und solche, in einem anderen EU-Staat ohne Kostenerstattungsmöglichkeit aufgrund ähnlicher gesetzlicher Regelung bzw. Rechtsprechung, im Zweifel wettbewerbsverzerrend benachteiligt würden, weil diese Regelung dazu führen dürfte, dass EuBvKpf vermehrt in diesen Staaten erlassen würden, bei denen insbesondere den Gläubigern keine Kosten entstünden. Auch Schuldner würden sich die Kostenunterschiede bei der Verfolgung unseriöser Geschäftsmodelle durch eine Standortwahl zunutze machen (Entstehung von Regulierungsbzw. Risikoarbitragen).
363 Dass ein EuBvKpf in der Drittschuldnerbearbeitung aufwändiger und mit zusätzlichen Risiken behaftet ist, ändert daran nichts. „Gleichwertig“ bezieht sich insoweit lediglich auf die vergleichbaren Wirkungen wie bei nationalen Beschlüssen. 11. Wirkungen der Pfändung a) Allgemeines 364 Pfändungsbeschluss, Vorpfändung, Arrestpfändung oder EuBvKpf führen ab dem Zeitpunkt der Zustellung an das kontoführende Kreditinstitut als Drittschuldnerin zur „Beschlagnahme“ und damit zur sog. „Verstrickung“ der gepfändeten Forderungen. Die Verstrickung löst also die Verfügungsbeschränkungen über die Forderung aus. Man bezeichnet das auch als öffentlich-rechtliche Wirkung. Es meint also das Verfügungsverbot für den Schuldner und das Verbot des drittschuldnerischen Kreditinstitutes an den Schuldner zahlen zu dürfen.
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11. Wirkungen der Pfändung
Für den Pfändungsgläubiger entsteht gleichzeitig ein Pfändungspfandrecht (privatrechtliche Wirkung). Dieses ist Grundlage dafür, dass der Gläubiger später den Verwertungserlös behalten darf. b) Wirkung für den Gläubiger Das Pfändungspfandrecht ist zunächst nur eine Sicherung für den Gläubiger. 365 Die Forderung ist dem Schuldner nun entzogen, obwohl sie noch in seinem Vermögen steht. Eine Überweisung an den Gläubiger kann dieser nur aufgrund einer Pfändung nicht verlangen. Maßnahmen zum Erhalt der Forderung kann er allerdings ergreifen (z. B. die Anfechtung einer vorrangigen Abtretung an Angehörige), nicht aber Einziehungshandlungen oder Maßnahmen, die den Bestand der Forderung beeinflussen (Erlass, Abtretung, Aufrechnung, Verzicht). c) Wirkung für den Schuldner Der Schuldner muss sich durch die Pfändung jeder Verfügung über die Forde- 366 rung enthalten, § 829 Abs. 1 Satz 2. Unter dieses Verbot fallen auch sämtliche Handlungen, die den Bestand der Forderung beeinträchtigen bzw. die Rechtsstellung des Pfändungsgläubigers gefährden würden (Erlass, Stundung, Abtretung, Verpfändung etc.). Aber auch er darf Maßnahmen, die dem Erhalt der Forderung dienen, weiterhin ergreifen. Haftungsfalle: Zu-viel-Sperrung Das Gebot sich jeder Verfügung zu enthalten, beschränkt sich natürlich nur 367 auf die Beträge, die zur (möglichen) Begleichung der Pfändungsforderung benötigt werden. Beispiel: Der Schuldner S, dessen Konten gepfändet werden (Forderungshöhe 1.000 €) verfügt über diverse Sparkonten mit insgesamt Guthaben i. H. v. 50.000 €. Er will ein Sparbuch i. H. v. 25.000 € seinem 18-jährigen Enkel anlässlich dessen bestandener Führerschein-Prüfung übertragen. Das Kreditinstitut lehnt im Hinblick auf die umfassende Kontopfändung, die alle Konten erfasst, ab. Zu Recht? Lösung: Nein! Selbstverständlich darf der Schuldner weiter über Guthaben verfügen, die über die Höhe des gepfändeten Betrags hinausgehen. Nur die Guthaben-Beträge, die zur Abdeckung des Pfändungsbetrages benötigt werden, dürfen dem Schuldner entzogen werden. BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074.
Im obigen Beispielsfall mag das noch ein harmloses Haftungs-Szenario für das 368 Kreditinstitut sein, aber stellen Sie sich vor, dass unberechtigt Gelder eines
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
Unternehmens blockiert würden die eine Beeinträchtigung der Bonität und in Folge dessen gar eine Insolvenz zur Folge hätte! Zu beachten sind die Besonderheiten der EuKoPfVO, hier Art. 24 Abs. 5, wenn bei einem zugestellten EuBvKpf die Tagessalden auf den gepfändeten Konten den im EuBvKpf angegebenen Betrag übersteigen, vgl. Rn. 210. Dort ist ausdrücklich angeordnet, dass Gelder auf dem Konto oder den Konten, die den im EuBvKPf angegebenen Betrag übersteigen, „von der Ausführung des Beschlusses unberührt“ bleiben. Auch Art. 24 Abs. 2 EuKoPfVO bestimmt, dass zur Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung das Kreditinstitut entweder den im Beschluss angegebenen Betrag so sicherstellt, dass „dieser Betrag“ (also nicht mehr) nicht von dem Konto oder den Konten, das bzw. die in dem Beschluss genannt ist/sind oder das bzw. die nach Absatz 4 ermittelt wurde(n), überwiesen oder abgehoben wird oder „diesen Betrag“ auf ein für vorläufige Pfändungen bestimmtes Konto überweist. Über die den Beschluss übersteigende Gelder muss der Schuldner also kraft Gesetzes weiter verfügen können.
369 Das OLG Rostock hat zu einer nationalen Pfändung ausgeführt: „Wird dem kontoführenden Kreditinstitut aufgrund einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung untersagt, bis zur Höhe des Schuldbetrages an den Inhaber des Sparkontos zu zahlen, begeht dieses eine Pflichtverletzung gegenüber dem Kontoinhaber, wenn sie das Konto zur Gänze sperrt und auch die Auszahlung des den arretierten Betrag übersteigenden Guthabens verweigert.“ OLG Rostock, Urt. v. 17.1.2002 – 1 U 33/00, ZIP 2002, 429. Im Rahmen des § 850l allerdings muss zunächst das ganze Guthaben des Gemeinschaftskontos auf die Einzelkonten übertragen werden, da es im Rahmen des § 850l auch um den Schutz von Guthaben des nicht-schuldnerischen Mitkontoinhabers geht; vgl. Rn. 1407 (nach der Tabelle). Wird eine Übertragung allerdings nicht vorgenommen, ist nach Ablauf des Moratoriums von einem Monat selbstverständlich von der Pfändung auch dann nur das Guthaben erfasst, das der Forderungspfändung der Höhe nach entspricht.
370 Der BGH, BGH, Urt. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074,
hat in seiner Entscheidung allerdings ausführt, dass dann, wenn mehrere Forderungen von der (nationalen) Pfändung erfasst werden sollen, „keine Verteilung der Schuld auf die gepfändeten Forderungen erforderlich“ ist. Dann unterliegt jede der gepfändeten Forderungen der Pfandverstrickung in Höhe der Schuld, so der BGH. Soweit hieraus möglicherweise eine Übersicherung des Pfändungsgläubigers resultiert, sei das für die „Wirksamkeit der Pfändung“ ohne Bedeutung.
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11. Wirkungen der Pfändung Praxistipp: Hat der Schuldner nur ein Konto/Depot und ist dort ausreichendes Guthaben (an Zinsen und Kosten denken) vorhanden, kann man daran denken, Guthaben auf einem internen Konto des Kreditinstitutes zu separieren und das Konto des Schuldners wieder freizugeben (bzw. gar nicht erst sperren). Ggf. ist die Sperrfrist des § 835 Abs. 3 und 4 abzuwarten. Zu beachten sind allerdings – insbesondere bei mehreren Konten – die Rechtsprechung des BGH und ggf. Art. 24 EuKpfVO, vgl. Rn. 210. Im Zweifel wäre die Sperrfrist schon für die Separierung abzuwarten, weil das Guthaben dem Schuldner wegen eines möglichen Guthabenzins-Verlustes frühestens dann – zinsmäßig – entzogen werden darf, wenn diese Frist verstrichen ist. Allerdings dürfte das in der derzeitigen Niedrigzinsphase kein Problem darstellen.
Die Separierung bzw. die Auswahl des Guthabens mehrerer Konten kann 371 grundsätzlich nur mit Zustimmung des Schuldners erfolgen. Es wird einen Unterschied machen für den Schuldner, ob Guthaben von seinem 372 Girokonto, das er für den täglichen Zahlungsverkehr nutzt und das damit sehr volatil ist, separiert wird oder nur von einem Anlage- oder Sparkonto oder Depot. Der Umstand, dass die vom Schuldner getroffene Wahl ggf. für das drittschuld- 373 nerische Kreditinstitut aufwändiger ist, wäre insoweit unbeachtlich. Das Kreditinstitut hat die Interessen seines Kunden zu wahren. BGH, Urt. v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, NJW 1993, 735; ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 8.11.2006 – 4 U 59/06, WM 2007, 2239.
Soweit ein von der Pfändung erfasstes Depot – aus IT-technischen Gründen – 374 entweder nur ganz oder gar nicht gesperrt werden kann, darf dies ebenfalls nicht durch vollständige Sperrung zu Lasten des Schuldners gehen. A. A. Ehlenz/Diefenbach, Rn. 422d.
Mangelnde „Technik“ bzw. mangelhaft funktionierende IT kann für ein dritt- 375 schuldnerisches Kreditinstitut (leider) nie Entschuldigung dafür sein, gesetzliche oder von der Rechtsprechung vorgegebene Rechtsfolgen nicht umzusetzen. Das gilt erst recht, wenn die IT aus Kostengründen so programmiert und konzipiert ist, dass sie nur „in groben Zügen“ funktioniert, nicht aber exakt das tut, was Gesetz oder Rechtsprechung vorgeben. Das mag ein drittschuldnerisches Kreditinstitut unter einer KostenRisiko-Abwägung im Einzelfall hinnehmen; teilweise auch nur übergangsweise, weil anders als der BGH glaubt, eine aufgrund sich ändernder Rechtsprechung notwendige IT-Umprogrammierung nicht von heute auf morgen passieren kann. Entsprechende Rechte des Schuldners/Kontoinhabers kann es mit dieser Begründung trotzdem nicht einschränken, auch nicht übergangsweise.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
376 Erst recht gilt das, wenn auf den Einsatz von Software und IT zur Pfändungsbearbeitung verzichtet wird, was angesichts der komplizierten Disposition von P-Konten allenfalls noch dort vertretbar sein wird, wo nur sehr wenige Pfändungen eingehen oder Zahlungskonten nicht zum Produktangebot eines Kreditinstitutes gehören. Unbenommen ist dem einzelnen Kreditinstitut trotzdem eine eigene Risiko-Nutzenabwägung zu treffen.
377 Übersteigt das Depotguthaben den Pfändungsbetrag, muss der Schuldner weiter in die Lage versetzt werden, Verkaufsorders zu erteilen. Diese muss das Kreditinstitut auch ausführen, solange sichergestellt ist, dass ausreichendes Guthaben zur Bedienung der Pfändung verbleibt. Beispiel: Schuldner S unterhält lediglich ein Depot bei seinem Kreditinstitut K und ein (Erträgnis-)Girokonto. Der eingehende PfÜB umfasst die jährliche Grundsteuer i. H. v. 250 €. Das Girokonto steht auf null, dass Depot hat derzeit einen Wert i. H. v. 125.000 €. S will Aktien im Wert von 25.000 € verkaufen, weil er in den nächsten Tagen dessen Wertverfall fürchtet. Das muss K grundsätzlich zulassen. 378 Bei hoher Volatilität der im Depot befindlichen Wertpapiere, kann dies allerdings trotzdem dazu führen, dass das Depot insgesamt zu sperren ist. Ggf. kann das Kreditinstitut aber auch hier mit Zustimmung des Schuldners eine dem Forderungsbetrag entsprechende Summe von einem Zahlungsverkehrskonto separieren. Sinnvoll dürfte es sein, mit den Kunden unverzüglich in Kontakt zu treten und eine Weisung einzuholen, vgl. Rn. 209. 379 Die vormals in der Praxis vorzufindende Regelung (oftmals bei Direktbanken), dass anlässlich der Pfändung und Umwandlung in ein P-Konto dem Kunden eine Verfügung über das Konto erschwert wird, ist durch die Regelung des § 850k Abs. 2 Satz 2 nicht mehr zulässig. Beispiel: S unterhält sein Konto bei der Direktbank D. Es geht eine Kontopfändung über 185 € ein, das Konto weist aber einen Guthabenstand i. H. v. 1.000 € auf. S wandelt das Konto in ein P-Konto um. D sperrt daraufhin das Konto insgesamt für das online banking, weist den Kunden darauf hin und teilt mit, dass er über das auf dem Konto befindliche, den Betrag i. H. v. 185 € übersteigende Guthaben weiterhin verfügen kann, dies aber nur durch Einreichung von körperlichen Überweisungsaufträgen. Das wäre nicht zulässig, da das Vertragsverhältnis gem. zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut im Übrigen unberührt bleiben muss. Im Übrigen kann das Kreditinstitut diese Leistungen auch nicht „kündigen“, weil dies keine gesondert zum Girovertrag abgeschlossenen Zusatzleistungen sind, sondern Leistungselemente des Girovertrages, die untrennbare Geschäftsbeziehungen i. S. v.
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11. Wirkungen der Pfändung Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken/Nr. 26 Abs. 1 Satz 1 AGBSparkassen sind und damit ohnehin nicht einseitig verändert werden können, vgl. Bunte/Artz, in: Bankrechts-Hdb., § 3 Rn. 9 unter Bezug auf BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, NJW 2006, 430. Bei einem Basiskonto mit grundlegenden Funktionen i. S. d. § 31, 33 ZKG ist zu beachten, dass der Entzug von „grundlegenden Funktionen“ nicht zulässig ist, vgl. § 38 Abs. 2 ZKG. Zu Recht weist Linardatos im Zusammenhang mit dieser inhaltlichen Ausgestaltung des Basiskontos darauf hin, dass die private Kreditwirtschaft durch die Indienstnahme Privater auf diese Weise in einem weitreichenden Umfang der Daseinsvorsorge, vergleichbar einer staatlichen Stelle, unterworfen wird, vgl. Linardatos, BeckOGK, ZKG § 38 Rn. 2, Stand: 1.2.2022.
d) Wirkung für den Drittschuldner aa) Allgemein Für den Drittschuldner sind – neben dem Schuldner – die Wirkungen am 380 spürbarsten. Er darf gem. § 829 Abs. 1 Satz 1 nicht mehr an den Schuldner zahlen (Verstrickung). Dies muss er (organisatorisch) sicherstellen, womit ihm auch ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko aufgebürdet wird. Zu den organisatorischen Anforderungen eines Kreditinstitutes zur Sicherstellung der Weitergabe vorhandener Informationen vgl. OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 31 U 15/04, BeckRS 2010, 10780.
Bei der umfassenden Kontopfändung hat das Kreditinstitut daher sämtliche 381 Konten (und – soweit mitgepfändet – Depots) gegen weitere Verfügungen des Schuldners zu sperren (siehe aber Rn. 367 ff.). Ungeklärt ist, innerhalb welcher Zeit die Konten gesperrt sein müssen. Die 382 Entscheidung des LG Frankfurt/Main, LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.10.2008 – 2/01 S 117/08, WM 2009, 409,
gibt etwas Orientierung. Danach liegt auf jeden Fall kein Organisationsverschulden vor, wenn die Kontosperre (bei einer Großbank – hier: Deutsche Bank) innerhalb von zwei Stunden erfolgt ist. In der Entscheidung, die zu Gunsten der Deutschen Bank erging, die jährlich Kontopfändungseingänge im sechs-bis siebenstelligen Bereich zu bearbeiten haben dürfte, wurde ein Organisationsverschulden ausgeschlossen.
Wichtig: Das Gericht hat sich aber insoweit nicht auf „zwei Stunden“ als fixe Obergrenze festgelegt, sondern nur Folgendes ausgeführt: „Alleine der Umstand, dass zwischen der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und der Mitteilung der Kontensperrung an die Auszahlungsstellen ein Zeitraum von nicht einmal zwei Stunden lag, belegt, dass – vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Beklagten um eine weltweit agierende Großbank handelt, bei der täglich eine Vielzahl an Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugeht – der Informationsaustausch bei der Beklagten hinreichend zügig funktioniert.“
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
383 Das darf man so interpretieren, dass zwei Stunden in jedem Fall ausreichend sind, mehr aber auch noch als „hinreichend zügig“ angesehen werden können, denn zwei Stunden können im Einzelfall ambitioniert erscheinen (vgl. Rn. 274). Der Maßstab „täglich eine Vielzahl“ scheint allerdings kaum geeignet, um eine konkrete Maßgabe daraus abzuleiten. Kein drittschuldnerisches Kreditinstitut wird sich zudem – zumindest im Mittel – zwei Stunden Zeit lassen (können), um eine gewöhnliche Kontopfändung bis zur Kontosperre zu bearbeiten. In der Praxis wird dies regelmäßig deutlich schneller geschehen, was nicht ausschließt das einzelne Kontopfändungen deutlich mehr Aufwand verursachen.
384 Maßstab ist die einzelne Kontopfändung und dafür sind 2 Stunden regelmäßig ausreichend als Gesamt-Bearbeitungszeit (von der Zustellung bis zur Kontensperre). 385 Organisatorisch bzw. die Ressourcen betreffend ist weiterhin maßgeblich nur das Verhältnis von Anzahl der eingehenden Kontopfändungen zur Mitarbeiter-Kapazität für die Pfändungsbearbeitung. Diese muss im Zweifel so bemessen sein, dass der Durchschnitt der eingehenden Kontopfändung auch täglich – und nicht innerhalb von 2 Stunden – vollständig abgearbeitet werden kann. 386 Bedient sich ein Kreditinstitut eines Dienstleisters für die Pfändungsbearbeitung, was zunehmend häufiger der Fall ist, ist selbstverständlich nicht maßgeblich, wie viele Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse dem Dienstleister täglich zugehen, sondern es geht um die Menge des beauftragenden Kreditinstituts, das sich des Dienstleisters bedient. Soweit zwischen dem Kreditinstitut und dem Dienstleister ein sog. „Servicelevel“, also der Zeitraum innerhalb dessen die Pfändungsbearbeitung einer zugestellten Pfändung beim Dienstleister bearbeitet sein muss, vereinbart sind, muss das auslagernde Kreditinstitut darauf achten, dass dieser Servicelevel den hier vertretenen Maßstäben (mindestens) genügt, um Schadensersatzansprüche wegen Organisationsversagens zu vermeiden. Die Schnittstelle zum Dienstleister, also insbesondere die unverzügliche Weiterleitung, wenn Pfändungen weiterhin beim auslagernden Kreditinstitut und nicht direkt beim Dienstleister zugestellt werden, muss das Kreditinstitut weiterhin selbst organisieren. Hierfür trägt es auch nach wie vor selbst die Verantwortung. In Übrigen ist es im Außenverhältnis auch insgesamt weiterhin immer verantwortlich, auch wenn Fehler oder Schäden durch Organisationsversagen beim Dienstleister entstehen. Es kann sich dann beim Dienstleister für dessen Organisationversagen schadlos halten, aber im Verhältnis zum Schuldner und Gläubiger, ist es stets selbst haftbar (das Kreditinstitut ist Drittschuldner, nicht der Dienstleister). Im Zweifel werden diese Tätigkeiten Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Kreditinstitut und Dienstleister sein.
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11. Wirkungen der Pfändung
Bei normalem, dem Durchschnitt des Kreditinstitutes entsprechenden Pfän- 387 dungseingangszahlen, müssten nach Meinung des Autors daher maximal binnen eines Arbeitstages (= ca. 8 Std.) alle Sperrungen vorgenommen sein. Die zunehmende Digitalisierung hat – wenn überhaupt – lediglich die Vervielfachung der Pfändungseingangszahlen, die sich seit der Entscheidung des LG Frankfurt/M. eingestellt haben, kompensiert, denn die Pfändungsbearbeitung ist hinsichtlich z. B. der verschiedenen Prüfungen vielfach immer noch ein manuelles Geschäft. So hat der BGH beispielsweise postuliert, dass von einer Bank … zu erwarten[ist], dass sie einen Überweisungsbeschluss auch daraufhin überprüft, ob er nach seinen äußeren Merkmalen den gesetzlichen Anforderungen entspricht BGH, Urt. v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, NJW 1993, 735. Das OLG Brandenburg stellt ergänzend fest: „Erst recht und zwangsläufig muss die Bank jedoch prüfen, welche Forderungen überhaupt vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasst sind. Denn nur daraufhin kann sie gestützt auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über die Forderung des Kontoinhabers aus Guthaben verfügen.“, OLG Brandenburg, Urt. v. 8.11.2006 – 4 U 59/06, WM 2007, 2239.
Mehr als einen Arbeitstag für die Abarbeitung aller zugestellten Kontopfän- 388 dungen dürfte allerdings trotzdem nur dann tolerabel sein, wenn ausnahmsweise eine außergewöhnliche Vielzahl von Kontopfändungen an einem Tag eingeht. Der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass für die Bearbeitung einer Pfändung ca. 20 Minuten aufzuwenden sein werden, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 24, wobei er offensichtlich unterstellt, dass das Kreditinstitut sich einer Pfändungsbearbeitungs-IT bedient, was beileibe noch nicht bei allen Kreditinstituten der Fall ist, insbesondere dann nicht, wenn die Anzahl der Kontopfändungen die Anschaffungsund lfd. Unterhaltungskosten nicht rechtfertigt. Unterstellte man das einmal, unter Außerachtlassung aller Bedenken und guten Gründe, dass 20 Minuten nicht ausreichend bemessen sind, würde eine Vollzeit-Kraft mit im Jahr ca. 1.500 Stunden verfügbarer Netto-Arbeitszeit demnach ca. 4.500 Kontopfändungen bearbeiten können oder ca. 18 – 20 am Tag. Brauchen die Mitarbeite länger, ist die Anzahl der zu bearbeitenden Kontopfändungen entsprechend geringer und die Mitarbeiterzahl muss entsprechend aufgestockt werden.
Darf ein – sicherlich geschulter, erfahrener – Mitarbeiter daher pro Pfändung 389 durchschnittlich 20 Minuten benötigen, bedeutet das auch, dass dann, wenn morgens um 8:00 h alle Kontopfändungen gleichzeitig zugestellt werden, dass die letzte Kontopfändung erst 20 min vor Ende der Arbeitszeit geprüft und Sperren erst nach dieser Prüfung veranlasst werden können, also im Zweifel dann 7 – 8 Stunden nach Zustellung. In dieser Zeit könnte ein Schuldner also im Zweifel noch verfügen, was aber der Gläubiger hinzunehmen hätte. Entsprechend verlängert sich diese Karenzzeit dann, wenn mehr als 20 Konto- 390 pfändungen eingehen.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Soweit die Prüfung und IT-Eingaben daher unverzüglich erfolgen, müssen in solchen Situationen auch entsprechend längere Zeiten akzeptiert werden. Beispielsberechnung: Braucht ein Kreditinstitut für die Bearbeitung von üblichen 20 Pfändungseingängen einen Tag und hält dafür die entsprechende personelle Ressource vor, auch im Vertretungs- und Krankheitsfall natürlich, dürfte es vertretbar sein, dass dann, wenn ausnahmsweise an einen Tag einmal 30 Pfändungen eingehen, das Kreditinstitut dann 1,5 Tage (= 8 + 4 = ca. 12 Stunden) braucht, bis alle Pfändungen geprüft und die Sperren veranlasst sind. Klar ist aber auch, dass der „Bearbeitungs-Rückstand“, der dadurch entsteht, nicht auf ewig „vorgetragen“ und über längere Zeit noch weiter aufgebaut werden darf; er muss sicherlich im Rahmen der folgenden Woche wieder sukzessive abgebaut sein; gehen dagegen immer wieder mal 30 Pfändungen in der Woche ein, ist die Mitarbeiterkapazität ggf. entsprechend anzuheben oder durch geschickte Steuerung so einzusetzen, dass auch die 30 Pfändungseingänge an einem Tag und/oder die Rückstände zeitnah abzuarbeiten sind.
391 Maßstab kann und muss daher sein, dass sich ein Kreditinstitut für den Normalfall, also das übliche Maß an Pfändungseingängen bei sich, so organisiert und personell ausstattet, dass zeitnah im obigen Sinne reagiert wird. Das Erfordernis einer angemessenen personellen Ausstattung ergibt sich unmittelbar aus § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG. In den MaRisk, die im Wesentlichen die Anforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute regeln, heißt es in AT 7.1 TZ 1 „Personal“ in Satz 1 z. B.: „Die quantitative und qualitative Personalausstattung des Instituts hat sich insbesondere an betriebsinternen Erfordernissen, den Geschäftsaktivitäten sowie der Risikosituation zu orientieren.“
392 Das Kreditinstitut ist zunächst verpflichtet, eine Überprüfung des Beschlusses vorzunehmen und den betroffenen Schuldner zu eruieren, wofür ihr ein angemessener Zeitraum zuzubilligen ist. Schon diesen allein bemisst das LG Frankfurt am Main in der obigen Entscheidung mit „jedenfalls einer halben Stunde“. AG Köln, Urt. v. 1.6.1983 – 112 C 42/83, ZIP 1983, 930 das den Aufwand der Prüf- und Anordnungszeit durch eine „juristisch vorgebildete Fachkraft“ von einer Stunde für angemessen hält.
393 Werden Gemeinschaftskonten gepfändet, darf sich der Zeitraum allerdings nicht dadurch verlängern, dass der gem. § 850l nun notwendige zusätzliche Aufwand (Anlage von Einzelkonten nach Anfrage bei der Auskunft und Übertragung von Guthaben, vgl. Rn. 1318 ff.) entsteht. Gleiches gilt, wenn anlässlich der Zustellung eines PfÜB ein Konto in ein P-Konto umgewandelt wird. Auch hier ist zunächst das Konto zu sperren und anschließend die Umwandlung vorzunehmen.
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11. Wirkungen der Pfändung
Denn die Prüfung der Pfändung und die Sperrung der Konten selbst haben 394 Vorrang und müssen vor den zusätzlichen Tätigkeiten im Rahmen des § 850l erfolgen und nicht erst dann, wenn auch diese vollzogen sind. Allenfalls wäre anzunehmen, dass die Prüfung der Sperrung eines Gemeinschaftskontos aufwändiger ist, weil insbesondere dann, wenn nur ein Gemeinschaftskonto-Mitinhaber Vollstreckungsschuldner ist, die Prüfung risikobehafteter und umfänglicher sein wird.
Im Übrigen wird natürlich auch der Umfang und Art der gepfändeten Ansprüche, insbesondere wenn auch Rückgewähransprüche von Kreditsicherheiten mitgepfändet werden, den Prüfungsumfang beeinflussen. Organisatorisch ist auch sicherzustellen, dass alle Stellen beim Drittschuldner 395 (Filialen/Geschäftsstellen/Niederlassungen), bei denen ein PfÜB eingehen kann (Posteinlauf), darüber informiert werden, dass und an wen sie den PfÜB unverzüglich melden müssen, damit eine Sperrung zeitgerecht erfolgen kann. Zur Problematik der Ersatzzustellung außerhalb der Geschäftszeiten siehe oben Rn. 258.
Organisatorisch ebenfalls sicherzustellen ist, dass die Stelle, die die Pfändungs- 396 bearbeitung im Hause erledigen und Sperren veranlassen muss, sachlich wie personell so ausgestattet ist, dass diese Aufgaben in angemessenem Zeitrahmen erledigt werden können. Können die üblicherweise eingehenden täglich Pfändungen nicht auch im Laufe eines Tages abgearbeitet und dafür Sperren veranlasst werden, dann würde man diesem Kreditinstitut im Zweifel ein Organisationsverschulden vorwerfen können, weil es seinen gesetzlichen Pflichten (§ 829) nicht nachkommt. Ob es sich empfiehlt, in dieser Situation zunächst ohne große Prüfung die 397 Wirksamkeit des PfÜBs (bzw. einzelner Ansprüche darin) zu unterstellen und Konten etc. umfassend prophylaktisch zu sperren, gilt es abzuwägen. Das minimiert auch ggf. nur das Haftungsrisiko. Den Aufwand der genauen Prüfungen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verringert es nicht, denn diese muss dann nachgelagert trotzdem erfolgen.
Kreditinstitute sind profitable Wirtschaftsunternehmen. Sie müssen sich – 398 schon allein aufgrund des Wettbewerbs – wirtschaftlich ausrichten und werden in vielen Alltagssituationen eine – manchmal auch nur überschlägige – Risiko-/ Aufwand-Analyse anstellen: Ist die „kontrollierte Vernachlässigung“ von Risiken gegenüber einer schlanken Bearbeitung tragbar oder nicht? Wenn ja, dann wird die knappe Personalausstattung in der Pfändungsbearbeitung eben den (Rest)Risiken der nicht rechtzeitig erfolgten Sperrung von Konten geopfert. Es kommt also entscheidend darauf an, dass dem Kreditinstitut kein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist. Das Kreditinstitut muss sich also die Frage stellen, ob man sich so organisiert hat, dass die notwendigen Sperrungen (für die Normal-
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I. Allgemeines zur Kontopfändung anzahl an PfÜB-Eingängen) zeitnah entsprechend den „Erwartungen des Rechtsverkehrs und den Organisationspflichten zur Führung eines ordnungsgemäßen Bankgeschäfts“ eingegeben sind, so Burghardt, WuB VI D. § 829 ZPO 1.09. Zur Wissenszurechnung eines Hauptzollamts, BGH, Urt. v. 31.10.2019 – IX ZR 170/18, NJW-RR 2020, 294.
399 Die Beantwortung der Frage, wann alle Sperren der täglich eingegangenen Pfändungen spätestens veranlasst sein müssen, kann also nicht eindeutig für alle Fälle ausfallen. Sicherlich wird ggf. auch noch eine Rolle spielen, ob die Pfändungsbearbeitung für das Kreditinstitut ein Massengeschäft oder eher die Ausnahme darstellt (z. B. weil der bankgeschäftliche Schwerpunkt nicht in der Führung von Konten liegt oder es sich um eine Spezial-Kreditinstitut handelt). Allerdings dürfte die absolute Menge bzw. die Größe des Kreditinstituts im Zweifel keine Rolle spielen, so aber offensichtlich Burghardt a. a. O. Denn (personelle und sachliche) Ressourcen und Abläufe sind immer entsprechend vorzuhalten bzw. entsprechend zu organisieren. Die Anzahl der Pfändungseingänge und/oder die Größe des Kreditinstituts (z. B. mehr Hierachie-Ebenen, längere [Entscheidungs-]Wege etc.) muss dabei berücksichtigt werden: Wer mehr Pfändungseingänge zu verzeichnen hat, wird auch mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen haben, um sich nicht des Vorwurfes eines Organisationsversagens auszusetzen. Und wer dezentral organisiert ist, wird seine Logistik/Abläufe so zu organisieren haben, dass im Zweifel gewährleistet ist, dass zugestellte Pfändungen vergleichbar schnell das Team „Pfändungsbearbeitung“ oder den Dienstleister erreicht, wie bei einem kleinen Institut mit „kurzen Wegen“.
400 Trotzdem: Eine ganz klare Stunden-Richtschnur gibt es leider nicht. Man kann sich natürlich auch vielleicht anders nähern: Wie viele Sperrungen inkl. aller Prüfungen etc. kann ein „juristisch geschulter“ Mitarbeiter an einem Arbeitstag oder in 8 Stunden realistisch (= im statistischen Durchschnitt) eingeben: Diese Zahl an Mitarbeitern ggf. in Teilzeit, müsste man also im Zweifel – für das normale Pensum an Pfändungseingängen – vorhalten. Am Ende bleibt es aber eine Risikokostenabwägung: Eine Mitarbeiterkapazität (MaK) weniger pro Jahr (!), bringt – je nach tariflicher Eingruppierung der Mitarbeiter der Pfändungsbearbeitung – vielleicht 30 – 60 T€ Ersparnis. Wenn man die oder mehrere nicht einsetzt/einspart, kann sich ein Kreditinstitut ausrechnen, welches Schadenspotenzial es sich eigentlich jedes Jahr leisten könnte.
401 Eilige Pfändungen (z. B. dingliche Arreste der Staatsanwaltschaft) oder solche über hohe Forderungsbeträge bzw. wenn es Kunden trifft, die hohe Guthaben unterhalten, vorzuziehen, ist ebenfalls eine Risikoabwägung, die ein Kreditinstitut (oder Dienstleiter) treffen kann. Das Prioritätsprinzip, siehe Rn. 2812, der zugestellten Pfändungen außer Acht zu lassen, ist bei einer solchen Risikoabwägung also durchaus legitim. Zumeist werden mehrere Pfändungen – auch für denselben Vollstreckungsschuldner – ohnehin zeitgleich zu-
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11. Wirkungen der Pfändung gestellt, § 121 Abs. 1 Satz 5 GVGA, so dass sie im Zweifel Gleichrang haben. Trotzdem mag es – allerdings nur bei verschiedenen Vollstreckungsschuldnern – Sinn machen, eine später zugestellte Pfändung mit hohem Schadenspotenzial für das Kreditinstitut vor einer Pfändung zu bearbeiten, die nur ein geringes Schadenspotenzial birgt. Betreffen beide Pfändungen denselben Vollstreckungsschuldner, darf das Rangverhältnis natürlich durch das drittschuldnerische Kreditinstitut dadurch im Ergebnis nicht geändert werden.
Abzuwägen wird hier bleiben, ob diese Vorauswahl – auch die kostet Zeit – 402 im Massengeschäft nicht wiederum mehr Zeit und Ressource kostet, als es Vorteile bringt (oder Nachteile vermeidet). Der Drittschuldner insgesamt wird im Übrigen materiell-rechtlich durch die 403 Pfändung nicht schlechter gestellt. Ihm bleiben alle Einwendungen und Einreden gegenüber dem Schuldner und Kontoinhaber erhalten, insbesondere das Aufrechnungsrecht. bb) Beauftragte, nicht abgeschlossene Weisungen Bereits beauftragte Weisungen des Schuldners, die noch nicht abgeschlossen 404 sind, darf das Kreditinstitut grundsätzlich nicht mehr ausführen. Eine Ausnahme gilt natürlich i. R. v. Pfändungsfreibeträgen beim P-Konto; dazu siehe ausführlich Kapitel VIII. Rn. 1157 ff.
Überweisungen, die der Schuldner bereits eingereicht hat, dürfen nur dann 405 noch – im Ergebnis in diesem Fall zulasten des Pfändungsgläubigers – ausgeführt werden, wenn deren Bearbeitung schon so weit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr in zumutbarer Weise angehalten werden kann. LG Kiel, Urt. v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501; Hadatsch/Wagner, Kap. 9.4.1, S. 54.
Beim online banking wird das der Fall sein, wenn bei einer elektronischen 406 Übermittlung des Zahlungsauftrages in eine Datenmaske eingegeben und freigeschaltet wurde und das System zum Zeitpunkt des Eintritts in den Machbereich mit der elektronischen Verarbeitung beginnen kann. Langenbucher/Bliesener/Spindler-Herresthal, 3. Kap., BGB § 675n Rn. 8, der zu Recht darauf hinweist, dass das nur insoweit gilt, wie das System zu diesem Zeitpunkt eine elektronische Verarbeitung vornimmt, also z. B. nicht bei nächtlichen Zeiten der Speicherung; dann erfolgt der Zugang erst mit Ende dieses Zeitraums.
Entsprechendes gilt für Daueraufträge und Lastschriften. Bei Daueraufträgen 407 wäre ggf. allerdings in engen Grenzen zu berücksichtigen, wenn hier eine Sperrung technisch nicht unverzüglich umzusetzen wäre, was nach heutigem Stand der Technik die Ausnahme sein dürfte. Zu Haftung bei Rückrufen von online banking Aufträgen, vgl. AG Bonn, Urt. v. 11.2.2015 – 109 C 244/14, MMR 2015, 477.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
408 Auf dem gepfändeten Konto eingereichte Schecks und Lastschriften „Eingang vorbehalten“ gehen ebenfalls zulasten des Pfändungsgläubigers, wenn diese Schecks/Lastschriften fristgerecht mangels Einlösung später wieder belastet werden. Hadatsch/Wagner, Kap. 9.4.1, S. 53.
Allerdings sind nach Eingang der Pfändung eventuell vorhandene Scheck- und Lastschriftkontingente „Eingang vorbehalten“ grundsätzlich zu löschen. 409 Schecks mit vor Pfändungszustellung versehener Einlösungszusage (bestätigte Bankschecks), müssen selbstverständlich ebenfalls noch eingelöst werden. Dies gilt aber nicht in der regelmäßig auftretenden Situation, dass die Einlösung nur unter „banküblichem Vorbehalt“ steht, da die Scheckanweisung für das bezogene Kreditinstitut dann erst mit der Vorlage des Schecks wirksam wird. Nobbe, in: Bankrechts-Hdb., 5. Aufl., § 60 Rn. 178.
410 Rentenrückrufe, die der Leistungsträger nach § 118 Abs. 3 SGB VI wegen überzahlter Renten nach dem Tod eines Berechtigten fordert, muss das Kreditinstitut (im Rahmen vorhandenen Guthabens oder wenn es die Überzahlung ausschließlich zur Befriedung eigener Forderungen verwandt hat) zurückerstatten. Da diese Leistungen insoweit nur „unter Vorbehalt“ geleistet worden sind, wirken sie (auch) zu Lasten des Pfändungsgläubigers. 411 Kreditkartenabbuchungen müssen wegen der bei jedenfalls institutseigenen Kreditkarten bestehenden Einlösegarantie, zu den zusätzlichen Problemen bei der Berücksichtigung von Freibeträgen auf dem P-Konto siehe Rn. 1211,
ebenfalls noch eingelöst werden, wenn die Bezahlung noch vor der Sperrung erfolgte. Dies auch dann, wenn das Konto dadurch ins Soll gerät. Siehe dazu auch Rn. 1229 für die Sparkassen-Card PLUS, bei dem der Karteninhaber über einen an der Karte hinterlegten Kreditrahmen verfügt, den er im Rahmen von Kartenzahlungen ausnutzen (ähnlich einer Kreditkarte) und ratenweise zurückführen kann.
412 Bei der geplanten Herausgabe sog. Debit-Karten (debitscards), einer Mischform aus girocard und Kreditkarte, bei der alle Verfügungen, auch die Bargeldbeschaffung im Ausland oder die Bezahlung beim Internetkauf, anders als bei der Kreditkarte sofort dem Zahlungskonto belastet wird, muss man unterscheiden: Wird mit der Kreditkartenfunktion bezahlt, ergibt sich ebenfalls eine Einlösegarantie zu Lasten des emittierenden Instituts. Auch Sparkassen-Card mit sog. Debit-Mastercard-Funktion, bei der die Karte weiter eine girocard ist, aber trotzdem die 16-stellige Kartennummer, das Ablaufdatum und die Prüfziffer, die man z. B. fürs online shopping braucht, enthält, ist diese Differenzierung dann vorzunehmen. Zu Sparkassen-Card PLUS, siehe Rn. 1229.
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11. Wirkungen der Pfändung
Die Sperrung der Kreditkarten ist allerdings nach Zustellung der Pfändung 413 unverzüglich zu veranlassen. Im absoluten Ausnahmefall, sind – soweit es dem Kreditinstitut überhaupt bekannt wäre – ausnahmsweise vor sofortiger Sperrung einer Kreditkarte auch einmal wichtige Belange des Schuldners abzuwägen: wenn der Schuldner auf die Karte dringend angewiesen ist (Auslandsaufenthalt in Ländern mit schlechter Geldversorgung bei z. B. geringfügiger Pfändung), verstieße die sofortige Sperrung ggf. gegen Treu und Glauben. Das wird aber nur in absoluten Ausnahmefällen vorkommen; in der Regel wird es schon daran scheitern, dass ein Kreditinstitut (zunächst) kaum wissen können wird, wo sich sein Kunde gerade aufhält. Aber: Die Interessen des eigenen Kunden hat ein Kreditinstitut grundsätzlich auch zu wahren, OLG Brandenburg, Urt. v. 8.11.2006 – 4 U 59/06, WM 2007, 2239.
Abbuchungen institutsfremder Kreditkarten sind nicht mit einer Einlöse- 414 garantie versehen. Sie werden disponiert wie gewöhnliche Lastschriften, also nur bei ausreichendem Freibetrag eingelöst. Steht kein (ausreichender) Freibetrag oder kein ausreichendes Guthaben zur Verfügung, ist die Lastschrift mangels Masse zurückgegeben. Gleiches gilt für Verfügungen am Geldausgabeautomaten. Hier wird die Sperre grundsätzlich zwar sofort greifen, aber bei Auslandsverfügungen kann es ein paar Tage Diskrepanz geben, die ebenfalls nicht zulasten des Drittschuldners gehen.
Stornierungen kann der Drittschuldner ebenfalls vornehmen; zumeist gibt 415 es hier eine AGB-rechtliche Grundlage (Nr. 8 AGB-Banken und AGB-Sparkassen). Kontoentgelte des P-Kontos kann das Kreditinstitut ebenfalls weiterhin 416 dem P-Konto belasten, vgl. Rn. 971 (Beispiel Kontoführungsentgelt). Zu beachten ist aber, dass bei einem P-Konto das AGB-Pfandrecht eingeschränkt ist, durch den neuen § 901 im Umfang auch sehr viel weitreichender, vgl. Rn. 1526 ff. Im Übrigen können nur angemessene Kontoentgelte verrechnet werden, vgl. Rn. 971 und Rn. 2824. Dagegen können Sollzinsen und Darlehensabbuchungen im Zweifel nicht mehr gegen den Willen des Kontoinhabers seinem P-Konto belastet werden, da ein Zugriff auf die Freibeträge nicht möglich ist. Bei der Umbuchung des Sollsaldos im Rahmen des § 901 auf das in der Regel neu zu eröffnende Zweitkonto ist ein Kreditinstitut gut beraten, sich an den Sollzinsen nicht mehr als schadlos zu halten, also im Zweifel nicht mittels höherer Sollzinsen und unangemessener Kontoführungsentgelte zu versuchen, eine Überkompensation zu erzielen. Ein solcher Versuch würde unweigerlich die verbraucherschützenden Organisationen und Verbände auf den Plan rufen und wäre im Zweifel – zu Recht – vor Gericht zum Scheitern verurteilt. Denn durch das Zwei-Kontenmodell wird es vermutlich ohnehin
119
I. Allgemeines zur Kontopfändung schon teurer für den Vollstreckungsschuldner: Der auf das Zweitkonto umgebuchte Sollsaldo wird nicht zwischenzeitlich durch Zahlungseingänge zumindest tageweise reduziert, sondern verzinst sich stets in voller Höhe, bis der Vollstreckungsschuldner freiwillig oder aus pfändbarem Guthaben Tilgungen leistet. Außerdem muss er für ein zweites Girokonto grds. ebenfalls Kontoführungsentgelte entrichten.
417 Es scheint daher schon fraglich, ob ein Kreditinstitut den Sollsaldo nicht statt auf ein zweites Girokonto, auf ein entgeltfreies z. B. Darlehens-Konto umbuchen oder das Zweit(-Giro-)konto entgeltfrei zur Verfügung stellen muss. Und vermutlich wird die Rechtsprechung es auch nicht mitmachen, dass Kreditinstitute den Sollzinssatz auf einen lukrativeren Überziehungszinssatz umstellen, weil das Kreditinstitut die Kontopfändung und die Umwandlung in ein auf Guthabenbasis zu führendes P-Konto zum Anlass genommen hat, den vormals vertraglich eingeräumten Dispositionskredit zu kündigen und damit erst eine Überziehung zu schaffen. Hier ist nach den Erfahrungen mit der schuldnerschützenden Interpretation der Gerichte einschließlich des BGH schon zur ersten Reform 2010 auch Zurückhaltung beim PKoFoG zu empfehlen. Ob eine Kündigung selbst anlässlich einer eingehenden Kontopfändung überhaupt noch zulässig ist, scheint nicht mehr ausgemacht, vgl. Rn. 2909; bisweilen, wenn der Anspruch auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits („offene Kreditlinie“), soweit der Schuldner den Kredit in Anspruch nimmt, mitgepfändet ist, wird eine Kündigung der Kreditlinie (vgl. Rn. 607) oder Kreditkarte (vgl. Rn. 413) aber sogar unerlässlich sein.
418 Die gleichwohl anfallenden Sollzinsen und Darlehensabbuchungen, deren Grundlage aus der Zeit vor Pfändungseingang stammen, können aber mit Zustimmung des Kunden – oder ohne Widerruf eine früher gegebenen Zustimmung – weiter belastet werden. 419 Hat der Pfändungsschuldner ein P-Konto und daneben noch ein Darlehen und wird die Darlehensrate weiterhin vom P-Konto abgebucht (mittels Einzugs, Lastschrift oder Dauerauftrages), und widerruft er die Abbuchungsermächtigung, können diese Abbuchungen nicht mehr vom P-Konto erfolgen, soweit sie zu Lasten der unpfändbaren Guthaben belastet werden sollen, siehe Rn. 427). Der Grundfreibetrag ggf. inkl. Erhöhungsbeträge bzw. das davon umfasste Guthaben auf dem P-Konto sind der Pfändung nicht (mehr) unterworfen. Damit besteht an ihnen auch kein AGB-Pfandrecht mehr. Somit kann auch diesbezüglich keine Verrechnung mit Forderungen des Kreditinstitutes stattfinden. 420 Eine Verrechnung wäre – mit Guthaben – nur möglich, soweit diese Guthaben oberhalb der des individuellen Freibetrages liegen. Hier kann das Kreditinstitut auch ohne Zustimmung weiterhin das Guthaben zur Erfüllung einer ihm gegenüber – etwa aus einem Darlehensvertrag – bestehenden, fälligen Forderung verrechnen/abbuchen. Siehe dazu auch das Beispiel unter Rn. 1211.
120
11. Wirkungen der Pfändung
cc) AGB-Pfandrecht Als Drittschuldner steht dem Kreditinstitut regelmäßig ein Pfandrecht an 421 Guthaben des Kontoinhabers und Schuldners zu, das in den AGB geregelt ist (Nr. 14 AGB-Banken; Nr. 21 AGB-Sparkassen). Damit besteht für Kreditinstitute eine Aufrechnungsmöglichkeit, zum Teil auch als „Pfandrecht an der eigenen Schuld“ bezeichnet. Piekenbrock, WM 2009, 49 m. w. N.
Das Pfandrecht gegenüber dem Kunden geht auch nachfolgenden Konto- 422 pfändungen vor, wenn – was der Regelfall ist – das AGB-Pfandrecht bei Zustellung des Pfändungsbeschlusses bereits schon entstandene Forderungen gegen den Kunden gesichert hat. Canaris, Bankvertragsrecht (= Staub, HGB, Bd. III/3), Rn. 2495 ff. Zur Insolvenzfestigkeit des AGB-Pfandrechts vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079. Danach erstreckt sich das AGB-Pfandrecht an einem Guthaben auf einem im Kontokorrent geführten Girokonto auch auf den girovertraglichen Anspruch auf das „Tagesguthaben, das auch dann nicht anfechtbar ist, wenn in dem der Anfechtung unterliegendem Zeitraum fortlaufend neue Tagessalden gebildet und neue Rechnungsabschlüsse vorgenommen werden. Insofern liegt lediglich ein masseneutraler Sicherheitentausch vor, der nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung führen kann, siehe auch Besprechung Neuhof, WuB 2021, 37. Zu beachten ist aber, dass gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Tagessaldo am Tag vor dem letzten Monat vor dem Insolvenzantrag maßgeblich ist und wenn Guthaben nach diesem Stichtag gemindert wird, darin eine Freigabe des Pfandrechts liegt. Spätere Erhöhungen des Guthabens im letzten Monat vor Insolvenzantrag führen dann nicht zu einem Wiederaufleben des Pfandrechts, sondern zu neuen, dann anfechtbaren Pfandrechtsbestellungen, BGH, Urt. v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, dort die Rn. 30 – 44.
Damit werden nicht nur gegenwärtige, sondern auch künftige Forderungen 423 gegen den Kunden besichert. Zu den Einschränkungen i. R. eines Insolvenzverfahrens siehe Rn. 2502.
Dies gilt selbst dann, wenn die Forderungen, die das Kreditinstitut gegen den 424 Kunden zum Zeitpunkt der Pfändungszustellung hat, zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig sind. Das Kreditinstitut kann von seinem Pfandrecht an den Forderungen eines Kunden aus einem Kontoguthaben auch schon vor Pfandreife Gebrauch machen, indem es zur Sicherung einer späteren Verwertung keine Verfügungen des Kunden mehr zulässt und eine Kontosperre verhängt. BGH, Urt. v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 = ZVI 2004, 252 = NJW 2004, 1660; a. A. offensichtlich OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.2.2011 – 17 U 234/10, WM 2011, 693.
121
I. Allgemeines zur Kontopfändung
425 Zwar darf sie die Guthaben noch nicht mit ihren Forderungen verrechnen (sie sind noch nicht „fällig“), aber mit Fälligstellung ist dann eine Verrechnung möglich. Beispiel: Der Gläubiger pfändet durch Kontenpfändung die Ansprüche des Schuldners S bei dessen Kreditinstitut K. Ein Girokonto weist ein Guthaben i. H. v. 1.000 € auf. Die K hat eigene, vorrangige Forderungen aus einem Darlehen i. H. v. 10.000 € gegen S, bei dem eine Rate i. H. v. 600 € seit zehn Tagen im Rückstand steht. Muss K an den Pfändungsgläubiger etwas auskehren? Lösung: Nein. Aufgrund des (vorrangigen) AGB-Pfandrechtes kann K die 1.000 € i. H. v. 600 € sofort mit der der fälligen Darlehensrate verrechnen. In Höhe von 400 € hat K zwar (derzeit) keine weitere fällige Forderung und kann daher diese nicht einfach auf das Darlehen buchen (es sei denn, es würde anlässlich der Pfändung wegen „Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ fristlos außerordentlich gekündigt), aber es kann die Sicherstellung der späteren Verrechnung durch eine Kontosperre des restlichen Guthabens vornehmen. Denn nach § 1281 Satz 2 Halbs. 1 BGB kann der (AGB-)Pfandgläubiger auch schon vor Pfandreife verlangen, dass der Schuldner an ihn und den Gläubiger gemeinschaftlich leistet. Bei Identität von Schuldner und Pfandgläubiger – wie sie für das AGB-Pfandrecht der Kreditinstitute kennzeichnend ist – kann der Gläubiger der Einlage (= Kunde) nicht Leistung an sich verlangen. Dem Kontoinhaber und Schuldner – und damit auch „seinem“ Pfändungsgläubiger, der ja durch die Kontopfändung nicht etwa mehr Rechte erwirbt, als der Pfändungsschuldner hat – muss also bis zum Eintritt der Pfandreife nicht die volle Verfügungsfreiheit über sein Kontoguthaben erhalten bleiben. Denn nach Sinn und Zweck des AGB-Pfandrechts muss es dem Kreditinstitut erlaubt sein, schon vor Pfandreife etwas zu unternehmen, um sein Pfandrecht zu sichern. Sonst wäre es im Ergebnis wertlos. 426 Daran hat sich durch die Kontopfändungsreform grundsätzlich nichts geändert. Hat der Schuldner aber ein P-Konto, ist das AGB-Pfandrecht eingeschränkt. An dem vom (individuellen) Pfändungsfreibetrag geschützten Guthaben darf sich das Kreditinstitut nicht befriedigen. Diese Guthaben sind weder der Pfändung unterworfen noch besteht an ihnen ein AGB-Pfandrecht. Siehe dazu ausführlich: Rn. 419 sowie Rn. 1222 und Rn. 2161.
427 Deswegen bedürfen Abbuchungen vom Pfändungsschutzkonto zur Tilgung von Darlehen beim selben Kreditinstitut auch der ausdrücklichen Zustimmung des P-Kontoinhabers oder einem Nicht-Widerruf einer früher gegebenen Zustimmung, vgl. Rn. 419. In der Regel wird diese Zustimmung allerdings bereits im Darlehensvertrag erteilt sein. Sie gilt weiter.
122
12. Rechtsbehelfe
Das AGB-Pfandrecht kann aber keine Forderungen des Kreditinstitutes, die 428 erst nach der Kontopfändung aus neuen entstandenen Geschäften resultieren, zu Lasten des Pfändungsgläubigers sichern. BGH, Urt. v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, ZIP 1985, 150. Zu beachten auch die Einschränkungen im Rahmen einer Fusion von Kreditinstituten, vgl. Rn. 276 ff.
12. Rechtsbehelfe Eine Kontopfändung berührt die Rechte aller Beteiligten: Schuldner, Gläubiger, 429 Drittschuldner und – in Ausnahmefällen – auch Dritter. Dass der Schuldner – durch jede gegen ihn gerichtete Vollstreckungsmaßnahme – betroffen („beschwert“) ist, liegt auf der Hand. Aber auch der Gläubiger kann beschwert sein, beispielsweise wenn seinem Antrag auf Erlass eines PfÜBs nicht oder nicht wie beantragt oder zeitnah entsprochen würde. Selbst ein Dritter, der gar nicht unmittelbar Beteiligter der Zwangsvollstreckung ist, kann beispielsweise i. R. einer Kontopfändung dadurch betroffen sein, dass ihm das an ihn durch den Schuldner abgetretene Guthaben entzogen würde (weil die Abtretung z. B. still und nicht unter Offenlegung der Übertragung erfolgt und damit für Drittschuldner und Gläubiger zunächst nicht ersichtlich ist). Und schließlich wird das drittschuldnerische Kreditinstitut durch eine Kontopfändung allein schon deshalb beschwert, weil es z. B. die Konten sperren (§ 829) und eine Drittschuldnererklärung abgeben muss (§ 840). Schon aus den bisher geschilderten Haftungsrisiken wird deutlich, dass der Drittschuldner durch eine Kontopfändung sich mannigfachen Schadenersatzpflichten ausgesetzt sieht, wenn er beispielsweise die Anordnungen aus dem PfÜB nicht korrekt umsetzt. Dem Anspruch eines Praxis-Skripts folgend, sich auf das Wesentliche, für die Praxis Wichtige zu konzentrieren, sind die Ausführungen zu den Rechtsbehelfen kurz gehalten. Die „Erinnerung“ nach § 766 ist zwar für den Drittschuldner der wichtigste 430 Rechtsbehelf, gleichwohl kommt sie in der Praxis kaum zum Einsatz. Mit ihr kann der Drittschuldner formelle Mängel des Pfändungsverfahrens rügen. Unter Arbeitsaufwand- und Kostengründen, wird es das aber nur tun, wenn seine eigenen Interessen dies unbedingt – zumeist um künftigen Mehraufwand oder Haftungsrisiken abzuwehren – erfordern. Der häufigste Anwendungsfall in der Praxis wird deshalb sein, dass der PfÜB dem Kreditinstitut Pflichten auferlegt, die es nicht erfüllen muss (z. B. Berechnung pfändungsfreier Beträge, vgl. Rn. 171) oder in irgendeiner Weise unklar gefasst ist. Beispiel: Eine gesetzliche Krankenkasse erlässt eine PfEV wegen einer Forderung i. H. v. 610 €. „In Worten“ steht aber in der PfEV versehentlich „neunhundertzehn €“. Das Kreditinstitut legt Erinnerung nach § 766 ein, weil es nicht weiß, über welche Höhe die Kontopfändung nun gelten soll. Eine solche Konstellation hatte das OLG Frankfurt/M. zu entscheiden. In seinem Beschl. v. 27.1.1977 – 17 W 45/76, MDR 77,
123
I. Allgemeines zur Kontopfändung 676 gelangte es zum Ergebnis, dass bei der Bezeichnung der vollstreckbaren Forderung im PfÜB die Abweichung zwischen Ziffernbetrag und dem Betrag „in Worten“ dazu führt, dass die Pfändung nichtig (also völlig unbeachtlich) ist, weil sich der Widerspruch nicht auflösen ließ (ein Schreibversehen war nicht eindeutig zu erkennen). Dies dürfte eine überzogene Anforderung an die Bestimmtheit sein, denn unstreitig war ja – und dies hätte eine entsprechende Auslegung auch so ergeben müssen – zumindest eine vollstreckbare Forderung i. H. d. geringeren der beiden Forderungen gewollt (die Zweifel bzgl. der Differenz gehen natürlich zulasten des Vollstreckungsgläubigers). In der Pfändungsvordrucken der ZVFV ist der Betrag „in Worten“ nicht mehr anzugeben; hier sollte das Problem nicht entstehen, es sei denn der Gläubiger muss – ergänzend – ausnahmsweise mit einer Anlage arbeiten, in der die Beträge von denjenigen, die er in Seite 3 eingetragen hat, abweichen sollten. Grds. sollten aber dann entweder auf Seite 3 oder in der Anlage Angaben gemacht werden, um Widersprüche zu vermeiden.
Haftungsfalle: Kosten der Erinnerung 431 Bei den Kosten des Erinnerungsverfahrens handelt es sich um eigenständige Verfahrenskosten, über die gem. den §§ 91 ff. zu entscheiden ist. BGH, Beschl. v. 29.9.1988 – I ARZ 589/8, NJW-RR 1989, 125; bestätigt durch BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – V ZB 125/05, NJW 2007, 2993.
Bei der Erinnerung nach § 766 handelt es sich nämlich um einen eigenständigen Rechtsbehelf. Als Drittschuldner ist man daher gut beraten, vorher die Erfolgsaussichten einer Erinnerung zu prüfen. 432 Vorsicht: Der BGH hat auch entschieden, BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, NJW-RR 2009, 211,
dass maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines PfÜBs die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über das gegen den Beschluss eingelegte Rechtsmittel ist. Ändert sich also zwischen Zustellung des PfÜBs und Entscheidung über das Rechtsmittel die Sach- und Rechtslage so, dass das Rechtsmittel dann nicht mehr erfolgreich ist, trägt der Rechtsmittelführer das Kostenrisiko. 433 Hinweis: Der Verfahrenswert der Erinnerung bemisst sich nach der Höhe der gesamten Forderung, die Bestandteil des PfÜBs war, OLG Celle, Beschl. v. 3.3.2010 – 4 W 29/10, BeckRS 2010, 06003,
auch wenn man sich nur gegen einen der beiden Beschlüsse wenden sollte. Das Interesse des Pfändungsgläubigers ist bei der Überweisung auf die Verwertung der gesamten gepfändeten Forderung gerichtet. Dieses Interesse ist aber „nicht deshalb um die Hälfte gemindert [pro Beschluss gewissermaßen 50 %; Anm. des Autors], weil die Überweisung nur ein (notwendiger) Teil eines PfÜBs ist oder sich schon deshalb ein Teilerfolg einstellt, weil die in Rede stehende Forderung zumindest bereits erfolgreich gepfändet wurde“.
124
13. Fehlerhafte Beschlüsse
Die sonstigen „Rechtsbehelfe“ des Schuldners, z. B. die Vollstreckungsgegen- 434 klage nach § 767 gegen materiell-rechtliche Einwendungen, die negative Feststellungsklage nach § 256 oder der Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a (bei sittenwidriger Härte) sowie Rechtsbehelfe Dritter (z. B. die Drittwiderspruchsklage gem. § 771), sollen hier nicht speziell erläutert werden. Hierzu gehören auch die Rechtsbehelfe der EuKoPfVO mittels derer sich der Schuldner gegen sowohl den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung als auch gegen dessen Vollstreckung, § 954 ff. ZPO, wehren kann. Da dem Gläubiger ermöglicht werden soll, ohne Schuldnerbeteiligung die spätere Zwangsvollstreckung in Konten des Schuldners zu sichern, finden die Rechte des Schuldners in Art. 33 ff. EuKoPfVO zwar grundsätzlich nur ex-post Berücksichtigung. Der Schuldner kann aber dann z. B. prüfen lassen, ob die Voraussetzungen der Verordnung eingehalten wurden. Der Schuldner ist aber auch über die Schadensersatzpflicht des Gläubigers Art. 13 EuKoPfVO, § 958 oder über die vorherige Stellung einer Sicherheitsleistung durch den Gläubiger, Art. 12 EuKoPfVO geschützt, vgl. Rn. 315 ff. Art. 35 EuKoPfVO bietet sowohl Schuldnern als auch Gläubigern die Möglichkeit einen Rechtsbehelf einzulegen, wenn sich die Umstände geändert haben.
13. Fehlerhafte Beschlüsse PfÜBs können an Mängeln leiden. Als staatliche Zwangsvollstreckungsakte 435 sind fehlerhafte PfÜBs zunächst allerdings grundsätzlich voll wirksam und durch das Kreditinstitut zu beachten, auch wenn sie bei richtiger Sachbehandlung hätte unterbleiben müssen BGH, Beschl. v. 2.7.2020 – VII ZA 3/19, WM 2020, 1548. Solange die Fehlerhaftigkeit nicht durch die dafür zuständige Stelle festgestellt ist, müssen die im Namen des Staates getroffenen Entscheidungen beachtet und befolgt werden.
Sie sind aber mit einem Rechtsbehelf (z. B. der Erinnerung, siehe oben Rn. 202) ggf. nachträglich anfechtbar und damit vernichtbar. a) Nichtige Beschlüsse Eine – seltene – Ausnahme gilt aber dann, wenn der Beschluss an einem gra- 436 vierenden (rechtlichen) Mangel leidet. In diesen Fällen ist der PfÜB nichtig, entfaltet also keinerlei Wirkung. Der (rechtliche) Mangel muss dann offenkundig sein. Dies setzt nicht voraus, 437 dass er von jedermann als solcher erkannt wird. BGHZ 121, 98 = NJW 1983, 735.
An Kreditinstitute, die mit der Zwangsvollstreckungsmaterie in der Regel 438 vertraut sind, werden insoweit aber höhere Maßstäbe angelegt. Ein offenkundig rechtsfehlerhafter Beschluss wird daher – in Anlehnung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten, BVerwGE 75, 62, 65,
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
schon dann anzunehmen sein, wenn der besonders schwere Fehler nur für „Insider“ erkennbar ist, also für diese „auf der Hand liegt“. Vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, ZIP 1991, 737 = NJW 1991, 2147, m. w. N.
439 Nichtig sind Beschlüsse nur dann, wenn es ihnen an grundlegenden Voraussetzungen fehlt, sie also „unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler“ leiden. BGH, Beschl. v. 2.7.2020 – VII ZA 3/19, ZInsO 2020, 1847.
440 Das ist insbesondere der Fall, so der BGH (a. a. O.), x
wenn der Schuldner nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt,
x
das unzuständige Vollstreckungsorgan gehandelt hat,
x
schon der äußeren Form nach ein Vollstreckungstitel nicht vorliegt, ständige Rspr.: BGH, Urt. v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, BGHZ 121, 98, 101 f; bestätigt in BGH, Beschl. v. 22.7.2021 – IX ZB 47/19, BeckRS 2021, 23176 Rn. 13,
x
wesentliche Förmlichkeiten des Vollstreckungsaktes nicht eingehalten wurden oder
x
die gepfändete Forderung dem Schuldner gegen den Drittschuldner nicht zusteht (dazu Rn. 450). Umfassende Nachweise bei Jurgeleit, Rn. 3 ff.
Nichtig wäre z. B. ein PfÜB, bei dem die Unterschrift des Rechtspflegers fehlt. BGH, Urt. v. 24.6.1981 – VIII ZR 223/80, ZIP 1981, 909 = NJW 1981, 2256. Siehe aber zur Ausnahme im „automatisierten Verfahren“, Rn. 14.
441 Ebenso, wenn das Drittschuldnerverbot (Arrestatorium; § 829 Abs. 1 Satz 1) fehlt, das dem Drittschuldner verbietet, an den Schuldner zu zahlen. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 829 Rn. 35; so auch schon RGZ 72, 224. Das Fehlen des Arrestatoriums sollte aber durch den Formularzwang, vgl. Rn. 88, kaum mehr passieren. Allerdings ist in Fällen, in denen z. B. ein Arrestbefehl mit Vollziehung beantragt wird, darauf zu achten, dass das Arrestatorium am besten im Wortlaut des § 829 ZPO hinzugesetzt wird.
442 Ebenfalls nichtig ist ein PfÜbs der auf einer Vorschussanordnung entsprechend § 9 InsVV basiert, da diese keine vollstreckungsfähige Entscheidung darstellt, sondern lediglich eine insolvenzgerichtliche Erlaubnis ist, die im Wege der Aufsicht nach § 58 InsO durchzusetzen ist. BGH, Beschl. v. 22.7.2021 – IX ZB 47/19, BeckRS 2021, 23176, Rn. 13. Anders als die endgültige Festsetzung der Vergütung nach § 73 Abs. 1 InsO, §§ 17, 18 InsVV ist die Vorschussanordnung
126
13. Fehlerhafte Beschlüsse kein vollstreckungsfähiger Titel i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 3, so der BGH. Die Vorschussanordnung ist auch kein Vollstreckungstitel i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 2, da hierunter regelmäßig nur Kostenfestsetzungsbeschlüsse die als Kostenentscheidungen der Gerichte nach §§ 103 ff. ergehen, zu verstehen sind. Einer Kostenentscheidung nach §§ 103 ff. muss stets ein Rechtsstreit vorausgehen, BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 6. Weder das Festsetzungsverfahren betreffend die Vergütung des Gläubigerausschussmitglieds noch die Bewilligung eines Vorschusses auf die Vergütung sind in diesem Sinne ein Rechtsstreit, BGH Beschl. v. 22.7.2021 – IX ZB 47/19, BeckRS 2021, 23176 Rn. 22,
Dagegen ist eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung (z. B. des Finanzamtes 443 oder einer anderen Behörde die nach dem Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt), nicht deshalb unwirksam, weil das Dienstsiegel fehlt. Das Siegel ist zwar anzubringen, führt aber beim Fehlen nicht zur Unwirksamkeit, so Urteil des FG Hamburg, v. 25.2.2000 – V 44/98l, n. v.; so auch VG Freiburg, Beschl. v. 9.5.2018 – 6 K 2172/18, VuR 2018, 393, das der Ansicht ist, dass aber die erlassende Vollstreckungsbehörde angegeben und aus der Verfügung erkennbar sein muss.
Der BFH hat außerdem festgestellt, dass mit Hilfe automatischer Einrichtungen 444 erlassene Pfändungsverfügungen gem. § 119 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 AO keiner Unterschrift des zuständigen Bediensteten der Vollstreckungsstelle bedürfen. BFH, Urt. v. 17.12.2019 – VII R 62/18, DStRE 2020, 875; ebenso hat der BFH in dieser Entscheidung aber auch klar gemacht, dass Pfändungsverfügungen in der Regel nicht formularmäßig ergehen können, weil es sich bei deren Erlass um Ermessensentscheidungen handelt, deren Begründung die Aufnahme der Ermessenserwägungen bedarf.
Auch die Nichtbeachtung von Pfändungsschutzvorschriften ist kein besonders 445 schwerer und offenkundiger Fehler des Vollstreckungsverfahrens. BGH, Beschl. v. 2.7.2020 – VII ZA 3/19, ZInsO 2020, 1847, bei dem es um die mögliche Nichtbeachtung von § 851c Abs. 1 ging; so bereits BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, WM 2008, 2265 Rn. 7 m. w. N.
Ebenso ist ein ohne Anhörung des Schuldners ergangener und gegen ein 446 Pfändungsverbot verstoßender Pfändungsbeschluss nicht nichtig. BGH, a. a. O.: „… die Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung stellt keine materielle Wirkung der Pfändung dar, sondern die im formellen Vollstreckungsverfahren erfolgende hoheitliche Verwertung der gepfändeten Forderung.“; dazu eingehend Jurgeleit, Rn. 100 ff.
127
I. Allgemeines zur Kontopfändung
447 Von einer „Verdachtspfändung“, „Parallelpfändung“ oder „Ausforschungspfändung“ spricht die Praxis, wenn der Gläubiger bei verschiedenen Kreditinstituten einen PfÜB ausbringt, in der Hoffnung, dass der Schuldner bei einem Institut eine Geschäftsbeziehung unterhält. Der BGH, Beschl. v. 19.3.2004 – IXa ZB 229/03, ZIP 2004, 1380 = ZVI 2004, 284 = NJW 2004, 2096,
hat dazu entschieden, dass bei einem Schuldner, der eine natürliche Person ist, ein Formular-(Kontopfändungs-)antrag eines Gläubigers gegen nicht mehr als drei bestimmte Geldinstitute am Wohnort des Schuldners möglich ist. 448 Bei „gewerblichen“ Konten (juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften, aber auch Einzelfirmen) oder in „größeren Städten“ sollen auch bis zu zehn Pfändungen möglich sein. Hess, NJW 2004, 2350; Lürken, Rpfleger 2004, 572. Praxistipp: Einen Beschluss, der ggf. der „Ausforschung“ dienen könnte (Verdachtspfändung), weil er sich gegen diverse Kreditinstitute richtet, darf vom drittschuldnerischen Kreditinstitut grundsätzlich nicht als „nichtig“ angesehen werden. Es ist in erster Linie Aufgabe des Schuldners, sich dagegen zu wehren. Das OLG München, Beschl. v. 1.8.1990 – 14 W 173/90, ZIP 1990, 1128 = WM 1990, 1591 hatte eine Verdachtspfändung angenommen: Der Gläubiger hatte vorgetragen, der Vollstreckungsschuldner hätte „kofferweise Geld aus der Schweiz nach Deutschland verbracht, u. a. nach Frankfurt“, weshalb davon auszugehen sei, dass er „in erheblichem Maße Geld bei Frankfurter Banken deponiert“ habe. Der Gläubiger hatte daher dann beantragt, an 264 (!) in Frankfurt ansässige Geldinstitute und Repräsentanzen den Beschluss als Drittschuldner zuzustellen. Gegen diesen Beschluss hatte sich ein drittschuldnerisches Kreditinstitut gewehrt, was in diesem Fall nachvollziehbar ist. Das Gericht hatte zu Recht den Erlass des PfÜB abgelehnt, denn nähere Anhaltspunkte, bei welcher bestimmten Bank Geld eingezahlt worden sein soll, fehlen ebenso wie zumindest eine engere Eingrenzung der möglichen Drittschuldner. Daher, so dass OLG, sei der Vortrag des Antragstellers hinsichtlich der einzelnen Drittschuldner „als bloße Vermutung des Bestehens von Forderungen der Antragsgegner gegen die benannten Drittschuldner zu werten“. Diese sei als eine „bloße Ausforschungs- und Verdachtspfändung nichtig und infolgedessen aufzuheben“, vgl. auch Stöber/Rellermeyer, Rn. B.71 m. w. N.; ausführlich Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 23 ff.
449 Ein offensichtlich rechtsfehlerhafter und damit unwirksamer PfÜB könnte auch vorliegen, wenn z. B. eine Behörde mit eigener Vollstreckungshoheit außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs vollstreckt. Nach einem Urteil des BGH, BGH, Urt. v. 22.5.1970 – IV ZR 1008/68, NJW 1970, 1841,
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13. Fehlerhafte Beschlüsse
sind Pfändungen von Vollstreckungsbehörden, die unter Überschreitung der Verbandskompetenz ergehen, unwirksam. Ob die Überschreitung der Zuständigkeit allerdings als offensichtlicher Fehler einzustufen ist (der zur Nichtigkeit des PfÜBs führt), sagt der BGH nicht. Im Verwaltungsrecht wird allerdings vertreten, dass Entscheidungen von Behörden in anderen Bundesländern ohne entsprechende gesetzliche Grundlage offenkundig nichtig sind. OLG Saarbrücken, v. 13.4.2004 – 4 U 459/03-80, OLGR 2004, 488 ff. Praxistipp: Die „Empfehlung“, wenn das Kreditinstitut berechtigte Zweifel hat, sich die Vollstreckungshoheit der Behörde für dieses Bundesland nachweisen zu lassen, dürfte in der Praxis zumeist daran scheitern, dass die Behörde dies (unter Arbeitsaufwandsgesichtspunkten) verweigert und das Kreditinstitut schlicht vor die Wahl stellen wird, die Pfändung als wirksam oder – mit den entsprechenden Konsequenzen – eben als unwirksam zu behandeln. Die Risiken müssen dann abgewogen werden, wobei ein Kreditinstitut zumeist richtiger damit liegen wird, die Pfändung als „wirksam“ anzusehen (siehe auch Rn. 124).
Nichtig – richtiger: die Pfändung „geht ins Leere“ – ist ein Beschluss laut BGH, 450 Urt. v. 15.5.1986 – VII ZR 211/85, ZIP 1986 1177, NJW 1986, 2430,
im Übrigen auch dann, wenn die Forderung einem Dritten und nicht dem Schuldner zusteht (also die Forderung – des Pfändungsschuldners – im Ergebnis nicht besteht, weil er sie bereits zuvor an einen Dritten, still oder offen, abgetreten hat). Auf eine Abtretung, soweit sie dem drittschuldnerischen Kreditinstitut bekannt ist, wäre aber in der Drittschuldnererklärung unter Nennung des Zessionars mit Anschrift hinzuweisen; siehe Ausführungen zur Drittschuldnererklärung unter Rn. 2706 ff.
Es würde im Übrigen keine Rolle spielen, wenn später eine Rückabtretung an 451 den Schuldner erfolgen würde (anders aber bei Lohn- und Gehaltsansprüchen, siehe Rn. 828). Selbst wenn es dem Pfändungsgläubiger durch Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz gelänge, die Forderung erfolgreich anzufechten, bedürfte es einer neuen Pfändung. Die Forderung muss dem Pfändungsschuldner daher zum Zeitpunkt des Eingangs der Pfändung beim Drittschuldner zustehen. Der Autor würde hier allerdings nicht von einem „nichtigen“ Beschluss spre- 452 chen wollen (der würde keine Pflicht zur Drittschuldnererklärung auslösen), sondern von einem, der „ins Leere“ geht. Häufigster Fall einer „faktischen Unwirksamkeit“ in der Praxis ist dagegen, 453 dass die „gepfändete“ Forderung nicht besteht, weil der Schuldner z. B. keine Geschäftsverbindung zu dem Kreditinstitut (mehr) unterhält. Geht der PfÜB aus diesem Grunde ins Leere (es liegt im engeren Sinne keine 454 „Nichtigkeit“ vor), muss eine Drittschuldnererklärung abgegeben werden.
129
I. Allgemeines zur Kontopfändung Praxistipp: In der Praxis reicht hier eine (sehr) verkürzte Drittschuldnererklärung (auch durch Aufdruck eines Stempels auf den Original-PfÜB möglich) aus. „Es besteht keine Geschäftsverbindung! (oder: Die gepfändeten Ansprüche bestehen nicht!)“ „Ihre Pfändung betrachten wir daher als erledigt (ggf.: Den Beschluss reichen wir urschriftlich zurück.“ Datum, Unterschrift (Kreditinstitut) Eine persönliche Unterschrift ist nicht zwingend erforderlich. Der automatisierte Ausdruck der Firma des Kreditinstitutes reicht aus. Wenn man sich entschließt, den Original-Beschluss zurückzureichen (ohne sich eine Kopie zu behalten), kann es Sinn machen, sich zumindest irgendwo zu vermerken, dass der Beschluss eingegangen ist. Denn sollte der Beschluss auf dem Postwege verloren gehen, trägt der Drittschuldner im Zweifel die Beweislast für die abgegebene Drittschuldnererklärung. Vorsicht: Im Rahmen des Art. 25 Abs. 2 EuKoPfVO dürfte eine derart verkürzte Drittschuldnererklärung nicht zulässig sein, weil durch die EuKoPfDVO ein auszufüllendes Formular vorgegeben ist, siehe Rn. 358, das auch der vereinfachten Prüfung durch die Vollstreckungsgerichte dient.
455 Fazit: Bei Zweifeln, ob die Rechtsfehler so gravierend und „offenbar“ sind, sollte der Drittschuldner sicherheitshalber nicht von der „Nichtigkeit“ des Beschlusses ausgehen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut wird ihn daher als wirksam beachten. Sollte es – z. B. aus grundsätzlichen Erwägungen, um die Sache für die Zukunft zu klären – ein Eigeninteresse an einer gerichtlichen Entscheidung haben, wäre dies ein Fall für das Einlegen einer Erinnerung nach § 766. Unter Arbeitsaufwandsgesichtspunkten und im Hinblick auf etwaige Kostenrisiken, wird das Kreditinstitut es aber grundsätzlich dem Schuldner überlassen, Rechtsmittel einzulegen. b) Anfechtbare Beschlüsse 456 Während die oben beschriebenen, rechtsfehlerhaften PfÜBs keine Wirksamkeit entfalten, besteht bei nur anfechtbaren PfÜBs die Verstrickung fort. Ständige Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016.
457 Die Zustellung muss den Drittschuldner also veranlassen, die erforderlichen Kontosperren vorzunehmen. Liegen derartig schwere Fehler, die den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nichtig werden lassen, nicht vor, ist eine Vollstreckungshandlung als staatlicher Hoheitsakt wirksam, auch wenn sie bei richtiger Sachbehandlung hätte unterbleiben müssen. Ihre Fehlerhaftigkeit führt lediglich dazu, dass sie auf entsprechenden Rechtsbehelf wieder aufzuheben ist. Solange die Fehlerhaftigkeit nicht durch die dafür zuständige Stelle festgestellt ist, müssen die im Namen des Staates getroffenen Entscheidungen beachtet und befolgt werden (BGH, Urt. v. 21.5.1980 – VIII ZR 284/79, MDR 1980, 1016 = juris Rn. 20).
130
14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
Anfechtbarkeit wäre beispielsweise gegeben, wenn trotz Pfändungsverbots nach 458 § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO, § 89 InsO oder trotz Anordnung einer befristeten Unpfändbarkeit nach § 907 (dazu Rn. 2078) ein Beschluss erlassen und zugestellt werden würde. Siehe dazu Rn. 2377 ff.
Das Kreditinstitut könnte dann bei einem vorliegenden Überweisungsbeschluss 459 auch Schuld befreiend an den Pfändungsgläubiger auszahlen, weil es durch § 836 Abs. 2 geschützt wäre (bzw. § 315 Abs. 1 Satz 3 Abgabenordnung (AO) bei Pfändungs- und Einziehungsverfügung z. B. des Finanzamtes). Eine Ausnahme ist zu machen, wenn dem Kreditinstitut der Beschluss nach § 907 selbst zugestellt wurde. Dann kann es sich nicht mehr auf § 836 Abs. 2 bzw. § 315 Abs. 1 Satz 3 AO berufen, weil es weiß/wissen muss, dass der gleichwohl erlassene PfÜB/die PfEV zwar vielleicht zulässig war, aber keine Verstrickung ausgelöst hat. Dann ist natürlich von einer Auskehrung abzusehen.
Auch gegen einen anfechtbaren Beschluss wird sich das Kreditinstitut durch 460 Einlegung der „Erinnerung“ nach § 766 nur ausnahmsweise und dann wehren, wenn es ein eigenes Interesse daran hat (siehe oben). Ansonsten möge sich der Schuldner – oder sein Vertreter/Bevollmächtigter – dagegen zur Wehr setzen. Praxistipp: Man kann als Drittschuldner versuchen, in Fällen anfechtbarer PfÜB, den Pfändungsgläubiger ausdrücklich aufzufordern, auf seine Rechte aus dem PfÜB nach § 843 Satz 1 zu verzichten. Zum einen hat man dann Rechtssicherheit zum anderen sind hieran kürzere Aufbewahrungspflichten gebunden. Für den Gläubiger kann der Verzicht ebenfalls Kostenvorteile (weniger Aufwand) haben. Die Erfahrung der Praxis zeigt allerdings, dass Pfändungsgläubiger auf solche Ansinnen deutlich zurückhaltend reagieren. Das ist einerseits zu verstehen, weil evtl. doch etwas zu pfänden sein könnte, während die Realität meist zeigt, dass i. R. eines Insolvenzverfahrens die Gläubiger nichts mehr erhalten.
14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen a) Auswirkungen bei Pfändungen in Nachlasskonten War der Schuldner zum Zeitpunkt des Pfändungseingangs bereits verstorben, 461 ist für die Frage, ob die Pfändung der (Nachlass-)Konten zu beachten ist, zu differenzieren: x
Erstens: Hatte die Zwangsvollstreckung (= z. B. Erlass des PfÜBs) vor 462 dem Tode des Schuldners bereits begonnen, gilt § 779, d. h., die Pfändung ist zu beachten, ohne dass der Gläubiger z. B. den Titel auf die Erben umschreiben und ihnen nochmals zustellen muss. LG Dortmund, Beschl. v. 2.11.1972 – 9 T 417/72, NJW 1973, 374.
Bei der Verwaltungsvollstreckung gilt über § 265 AO, §§ 5 VwVG und 167 Abs. 1 VwGO der § 779 entsprechend. 131
I. Allgemeines zur Kontopfändung
Die Prüfung, ob die Zwangsvollstreckung (= z. B. Erlass des PfÜBs) vor dem Tode des Schuldners bereits begonnen hat, ist insofern auch für den Drittschuldner unproblematisch, weil das Erlassdatum (Pfändungsbeschluss) sowie das Sterbedatum leicht festzustellen sind. Auf die Frage, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen wurde, kommt es nicht an. Die Erben müssen ggf. ihre Rechte selbst wahren; ist die Erbschaft noch nicht angenommen, muss ggf. ein besonderer Vertreter für die (mutmaßlichen) Erben bestellt werden, § 779 Abs. 2. Die Kosten dieses Pflegers hat zunächst der Gläubiger zu tragen.
Bestehende, bereits zu Lebzeiten des Erblassers zugestellte Pfändungen gelten ohnehin weiter. 463 x
Zweitens: Wurde der PfÜB erst erlassen, nachdem der Schuldner gestorben war, kann gleichwohl der PfÜB zu beachten sein. In diesem Falle muss der Pfändungsgläubiger aber dem Kreditinstitut als Drittschuldner nachweisen, dass die Zwangsvollstreckung allgemein schon vor dem Tod des Schuldners begonnen hatte. Nach § 779 reicht es nämlich aus, dass irgendeine Zwangsvollstreckungsmaßnahme vor dem Tod des Schuldners bereits begonnen hatte. „Begonnen“ in diesem Zusammenhang bedeutet, dass z. B. bei einem Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher dieser bereits eine (erste) Vollstreckungshandlung vorgenommen haben muss oder ein anderer PfÜB oder Durchsuchungsbeschluss zumindest bereits erlassen wurde. Ist das der Fall, darf die Zwangsvollstreckung auch ohne Titelumschreibung auf die Erben und ohne die erneute Zustellung an diese fortgesetzt werden. Damit kann nicht nur eine bereits begonnene konkrete Vollstreckungsmaßnahme (beispielsweise die Sachpfändung durch den Gerichtsvollzieher) weiterbetrieben werden, sondern auch neue Vollstreckungshandlungen (beispielsweise der Erlass eines PfÜBs) sind zulässig. Weitere Voraussetzung ist nur, dass die neue Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus demselben Titel erfolgt. Zu dem Titel, aus dem vollstreckt wurde, gehört nicht der nach § 104 ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss, Musielak-Lackmann, ZPO, § 779 Rn. 3. Zur begonnenen Vollstreckung zählt aber auch die Beitreibung wegen der Vollstreckungskosten (§ 788).
Die P-Kontoeigenschaft bleibt allerdings bei Nachlass-Konten nicht erhalten, siehe dazu Rn. 1122. 464 x
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Drittens: Wurde der PfÜB erst erlassen, nachdem der Schuldner gestorben war und hatte die Zwangsvollstreckung auch nicht mit anderen Vollstreckungsmaßnahmen vorher begonnen, muss in der Drittschuldnererklärung die Pfändung unter Verweis auf § 778 zurückgewiesen werden. Die Pfändung in die Nachlasskonten wäre nur möglich nach Klauselumschreibung (§ 727) gegen den oder die Erben und einer erneuten Zustellung des Vollstreckungstitels mit der sog. Rechtsnachfolgeklausel an diese.
14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen Praxistipp: Es ist ausreichend, in der Drittschuldnererklärung darauf hinzuweisen, dass der Schuldner v o r Erlass des PfÜB verstorben ist und die Kontopfändung daher zurückgewiesen wird.
b) Pfändungen in „künftige“ Konten Immer wieder versuchen Pfändungsgläubiger Ansprüche auch „künftiger 465 Konten“ – im Gegensatz zu künftigen Ansprüchen auf schon bestehenden Konten – zu pfänden. Eine solche Pfändung ist grundsätzlich als zu unbestimmt im Hinblick auf diese zum Zeitpunkt des Pfändungseingangs noch nicht bekannten Konten nicht zu akzeptieren. OLG Bamberg, Urt. v. 18.7.2006 – 3 U 260/06, n. v.
Im Gegensatz zur Pfändung künftigen Guthabens auf bestehenden Konten, 466 vgl. § 833a, ist sie nur in ganz engen Ausnahmen überhaupt möglich. Ein zukünftiger Anspruch kann zwar grundsätzlich gepfändet werden, aber es muss zum Zeitpunkt des Pfändungseingangs schon ein Rechtsverhältnis oder doch eine Rechtsgrundlage für die Möglichkeit des Entstehens des zukünftigen Anspruchs vorhanden sein (der zukünftige Anspruch muss „in Aussicht stehen“). Lieseke, WM 1975, 317; Stöber/Rellermeyer, Rn. A.30/31; ebenso OLG Jena, Urt. v. 27.4.1999 – 5 U 1200/98, OLG-NL 1999, 212.
Dazu reicht es aber nach Ansicht des Autors nicht, dass schon eine Geschäfts- 467 beziehung (mit anderen Konten) zum Schuldner besteht, denn das Rechtsverhältnis oder die Rechtsgrundlage für die Möglichkeit des Entstehens des (zukünftigen) Anspruchs aus dem zukünftigen Konto muss sich konkret auf dieses künftige Konto (oder Darlehen) beziehen. Ansonsten würde nur ein erhofftes Recht gepfändet, dessen Pfändung ausgeschlossen ist. So auch Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, § 829 Rn. 20; a. A. und nicht nachvollziehbar: OLG Celle, Beschl. v. 26.7.2010 – 4 U 66/10, n. v. Diese Entscheidung darf aus Sicht des Autors nicht verallgemeinert werden. Das Gericht wertet (fälschlicherweise) den Umstand, dass nach den AGB des Kreditinstitutes (konkret Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 der AGB-Banken) auch neu eröffnete (künftige) Konten unter die bankmäßige Geschäftsverbindung fallen, als Indiz dafür, dass es sich bei der späteren Neu-Eröffnung eines (Festgeld-)Kontos nicht um einen „ungewöhnlichen, sondern bereits absehbaren Vorgang“ handelt, da bereits das Kreditinstitut einen solchen Umstand (die Einbeziehung in ihr AGB-Pfandrecht) in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit aufgenommen hat und hiervon erfasst sehen will. Das eine hat mit dem anderen aber nichts zu tun: Die Tatsache, dass die – nicht absehbare – Begründung eines später eröffneten Kontos natürlich unter die AGB fällt (diese werden ohnehin nochmals neu einbezogen und das AGBPfandrecht erstreckt sich deswegen auch auf Guthaben neuer Konten), begründet nicht die „Absehbarkeit“ der Kontoanlage an sich. Insoweit führt jedes Konto ein „Eigenleben“, denn es ist nicht absehbar, ob oder welche Kontoart (Sparkonto, Girokonto) später eröffnet wird.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
468 An der konkreten Aussicht auf dieses künftige Konto (oder Darlehen) dürfte es aber regelmäßig scheitern. Ausnahmen sind aber möglich, wenn zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden schon konkret verabredet wäre, dass man zu einem späteren, aber schon absehbaren Zeitpunkt beispielsweise noch ein Mietkautionskonto oder ein „Konto für eingehende Mieten“ aus einem von Kreditinstitut finanzierten Mietshaus einrichten will. Aber welcher Pfändungsgläubiger wird das wissen oder gar belegen können, denn er müsste dann dieses künftige Konto zumindest beschreibend konkretisieren („inkl. künftige Konten für eingehende Mieten der vermieteten Immobilie X-Str. 2 in 12345 Musterstadt“).
469 Reine Hoffnungen und Erwartungen (erhoffte Rechte) aber können nicht gepfändet werden. So auch Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 27.
470 Es genügt also nicht, dass der künftige Anspruch, hier die Eröffnung eines neuen Kontos (unter Einbeziehung der AGB), überhaupt denkbar erscheint. A. A. Büchel, ZInsO 2020, 1513, der einer der „Zwangsvollstreckung innewohnende formalen Betrachtungsweise“ folgt und es an einer „Zäsur“ festmachen will, ob künftige Konten erfasst sind. Gibt es danach ein Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner (Kreditinstitut) der gleichen Art („Gruppe“) im Zeitpunkt der Zustellung, würde jedes weitere neu eröffnete (Unter-)Konto derselben Art („Gruppe“) von der Pfändung erfasst, weil so Büchel, hier gleichartige (künftige) Ansprüche mit ihrer Entstehung schon verstrickt sind. Dabei soll es keinen Unterschied machen, ob diese künftigen Ansprüche aus einem oder mehreren gleichartigen Verträgen stammen. Wäre dagegen das letzte Zahlungsverkehrskonto geschlossen, ohne dass noch ein auszukehrendes Restguthaben oder ein Sollsaldo vorhanden waren, erlöschen das Pfandrecht und die Verstrickung (Zäsur) und leben bei späterer Neu-Eröffnung eines Kontos auch nicht wieder auf.
471 In der Tat hat diese Auslegung eine gewisse Logik. Andererseits käme man trotz der Formalstrenge auch dann um Auslegungen nicht umhin. Der Schuldner, der sein einziges von der Pfändung erfasstes Konto auflöst, um es am nächsten Tag wieder zu eröffnen, könnte seine Pfändung so abschütteln. Der Rechtsanspruch auf ein Basiskonto nach ZKG würde es dem Kreditinstitut vermutlich noch nicht einmal ermöglichen, die Neueröffnung zu verweigern. Ein solches Ergebnis scheint vollstreckungsrechtlich unangemessen. Umgekehrt: Wenn der Kunde noch ein Konto hat, soll das ein oder sogar viele Jahre nach Zustellung der Pfändung neu eröffnetes Konto ebenfalls der Pfändung unterliegen, obwohl seinerzeit nicht mal ansatzweise absehbar war, dass der Kunde ein neues Konto eröffnen könnte. Auch das scheint vollstreckungsrechtlich ebenfalls kein zutreffendes Ergebnis.
Von daher ist es weiterhin konsequenter und richtiger, den Anspruch auf künftige Konten grundsätzlich als zu unbestimmt abzulehnen.
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14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
Das scheint im Hinblick auf das streng formalisierte Zwangsvollstreckungs- 472 verfahren, so der BGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, NJW-RR 2016, 319,
ebenso vertretbar. Dass § 833a ausdrücklich gesetzlich definiert, dass auf bestehenden Konten künftiges Guthaben der Pfändung unterliegt, widerspricht dem nicht, weil es eben für diesen Fall ausdrücklich geregelt ist und künftiges Guthaben sozusagen nur die Volatilität des bereits gepfändeten Vermögensgegenstandes „Konto“ betrifft. Auch ein gepfändetes Wertpapier oder eine Goldmünze unterliegt Wertschwankungen.
Und im Gegensatz zu § 832, der kraft Gesetzes auch künftig fällig werdende 473 Lohn- oder Gehaltbezüge erfasst, ist bei der Pfändung künftiger Konten, die Grundlage nicht eine bereits bestehende einheitliche Rechtsbeziehung, wie sie im Rahmen des § 832 der Arbeitsvertrag ist, aus dem künftige Lohnansprüche erwachsen. Grundlage bei der Pfändung künftiger Konten kann daher nicht die einzelne schon bestehende Kontovertragsbeziehung für ein anderes, künftiges Konto sein, weil dessen Anlage völlig unbestimmt ist. Selbst wenn es aber zur – nicht absehbaren – Neuanlage eines künftigen Kontos kommt, werden auch für dieses Konto die AGB nochmals neu einbezogen. Schon deshalb, weil das zuvor bestehende Konto erlöschen könnte, was ebenfalls belegt, dass nicht ein Konto pfändungsrechtlich Grundlage für ein anderes sein kann. Daher hilft aus Sicht des Autors auch die Einschränkung nicht weiter die Büchel, ZInsO 2020, 1513, dadurch macht, dass er für den geforderten Ansatz des Bestehens einer Rechtsbeziehung zur Pfändung künftiger Konten nicht irgendeine noch bestehende Rechtsbeziehung des Schuldners zum Kreditinstitut genügt lassen will (z. B. eine Spareinlage, eine Baufinanzierung, ein Aval, ein Schrankfach oder gar nur eine Rechtsbeziehung als Drittsicherungsgeber z. B. als Bürge), sondern nur eine gleichartige (vertragliche) Rechtsbeziehung. Hat der Schuldner z. B. zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung künftiger Konten nur ein Schrankfach (Mietvertrag) oder Sparkonto, können nach Büchel auch im Ansatz keine Ansprüche aus Kontoguthaben an einem künftigen Zahlungsverkehrskonto von der Pfändung erfasst werden. Anders ist das allerdings bei der Konstruktion des sog. Unterkontos, bei dem das echte Unterkonto auf der Rahmenvereinbarung des Haupt-(bzw. Ober-)Kontos beruht., denn hier kann das Unterkonto nicht ohne das Hauptkonto existieren. Hier hat ein Unterkonto insoweit eher einen „Teilmengen-Charakter“ des Hauptkontos.
Die besseren Gründe sprechen daher dafür, dass der Anspruch auf künftige 474 Konten als zu unbestimmt grundsätzlich nicht gepfändet werden können, Ausnahmen aber möglich sind.
135
I. Allgemeines zur Kontopfändung
475 Auch ein Anspruch, der sich beispielsweise aus einem noch nicht erlassenen Gesetz künftig ergeben könnte, kann nicht gepfändet werden. Das Gesetz muss erst erlassen worden sein. Auch der zu erwartende Anspruch auf künftige Mieten aus der Vermietung einer gerade fertig gestellten Wohnung wäre nicht pfändbar, wenn der Mieter noch gar nicht feststeht. Ebenso steht auch das Kreditinstitut als Drittschuldner künftiger Konten nicht fest. Denn ob der Schuldner ein künftiges Konto auch bei demselben Kreditinstitut eröffnet oder nicht doch bei einem anderen, ist völlig unbestimmt. Im Gegenteil dürfte es wahrscheinlicher sein, dass bei bestehender Kontopfändung ein künftiges Konto des Schuldners von ihm eher bei einem anderen Kreditinstitut eröffnet wird.
476 Selbst wenn daher schon Zahlungskonten bestehen, fehlt es für die allgemeine Zulässigkeit der Pfändung künftiger Konten an der Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung beim Kreditinstitut bereits ein Rechtsverhältnis oder eine Rechtsgrundlage für die Möglichkeit des Entstehens des konkreten zukünftigen Kontos besteht. Ebenso Knees, WM 2021, 664, 671.
477 Dass künftige Kosten nicht pfändbar sind, lässt sich auch aus der Entscheidung des BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937,
zur Pfändung eines Dispositionskredites (= „eingeräumte Überziehungsmöglichkeit“, § 504 BGB) herauslesen. In diesem Fall wurden in der PfEV als gepfändet unter anderem ausdrücklich Ansprüche „aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen“ aufgeführt. Der BGH hat hinsichtlich der „künftigen Kreditverträge“ dann ausgeführt, dass sich die Pfändung auch auf „im Zusammenhang mit dem Girovertrag“ eingeräumte, erst später entstehende oder fällig werdende Kreditauszahlungsansprüche erstreckt. Dadurch wird im Umkehrschluss deutlich, dass ein isolierter Auszahlungsanspruch aus einem künftigen, zum Zeitpunkt des Pfändungseingangs noch nicht einmal ansatzweise zugesagten oder in Aussicht gestellten Darlehens aber nicht pfändbar wäre. Ebenso OLG Jena, Urt. v. 27.4.1999 – 5 U 1200/98, OLG-NL 1999, 212.
478 Die reine Differenzierung danach, ob noch eine Geschäftsverbindung weiter besteht, z. B. weil der Pfändungsschuldner noch andere Konten unterhält, oder nicht, so VE, 2008, 141,
ist abzulehnen. Auch die einschränkende Ansicht von Büchel, a. a. O., dass zumindest eine gleichartige Geschäftsbeziehung bestehen muss, so dass nur dann, wenn der Kunde bei Zustellung einer Pfändung noch ein Zahlungskonto besitzt auch später eröffnete künftige Zahlungskonten erfasst sind, nicht aber Sparkonten oder z. B. Depots, wird dem nicht gerecht.
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14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
Dafür spricht auch, dass anders als bei der Pfändung von Arbeitseinkommen 479 (auch bei einem neuen Arbeitgeber) eine vergleichbare Regelung wie § 833 Abs. 2, im Bereich der Kontenpfändung nicht existiert. § 833 Pfändungsumfang bei Arbeits- und Diensteinkommen „(2) Endet das Arbeits- oder Dienstverhältnis und begründen Schuldner und Drittschuldner innerhalb von neun Monaten ein solches neu, so erstreckt sich die Pfändung auf die Forderung aus dem neuen Arbeits- oder Dienstverhältnis.“
Fazit: Das künftige Konto muss zumindest konkret „in Aussicht stehen“. Dem 480 Pfändungsgläubiger gegenüber sollte ein Kreditinstitut anderenfalls – und das dürfte der Regelfall sein – in der Drittschuldnererklärung den Anspruch auf ein künftiges Konto als „zu unbestimmt“ ablehnen. OLG Bamberg, Urt. v. 18.7.2006 – 3 U 260/06, n. v.; so auch OLG Celle, Urt. v. 18.2.1966 – 8 U 54/65, JurBüro 1966, 348.
Ausnahmen: Das gepfändete Konto wird vom Schuldner geschlossen und ein neues zur 481 „Umgehung“ der Pfändung zugleich wiedereröffnet. Das wäre rechtsmissbräuchlich und dieses Konto wäre – soweit das neue Konto zeitnah erneut eröffnet würde – von der Pfändung erfasst. So auch OLG Celle, Beschl. v. 26.7.2010 – 4 U 66/10, n. v., während der Phase einer bedingten Aussetzung einer Pfändung, wenn ein künftiges Konto als „Seperatkonto“ eröffnet wird, auf das Guthaben zur Umgebung der Verstrickung umgebucht wird.
Diese Ausnahme ist auch kein Widerspruch dazu, dass künftige Konten nicht 482 von einer Kontopfändung erfasst werden können. Diese Ausnahme ist darin begründet, dass solch eine Kontoneuanlage durch einen rechtsmissbräuchlichen Kontowechsel (Schließung des der Pfändung unterworfenen und Wiedereröffnung eines neuen, künftigen Kontos) vollstreckungsrechtlich nicht als neues, künftiges Konto bewertet werden kann. Das neue Konto ist in diesem Ausnahmefall nur die „vollstreckungsrechtliche (und technische) Fortsetzung“ des schon bestehenden Kontos, das von der Pfändung erfasst war und damit auch bei einem wiedereröffneten Konto bleibt. Was in diesem Zusammenhang „zeitnah“ bedeutet, ist offen. Ob hier 9 Monate, entsprechend der Regelung im § 833 Abs. 2, noch als zeitnah angesehen werden kann, darf bezweifelt werden. Um die „vollstreckungsrechtliche (und technische) Fortsetzung“ überhaupt annehmen zu können, bedarf es eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Schließung und Wiedereröffnung, der nach 3 Monaten regelmäßig nicht mehr bestehen dürfte. Denkbar wäre ein längerer Zeitraum wohl nur ausnahmsweise dann, wenn der damalige Umfang des Zahlungsverkehrs auf dem geschlossenen Konto nur sporadisch oder sehr gering war (wenige Umsätze pro Monat), da dann angenommen werden kann, dass der Vollstreckungsschuldner diesen Zeitraum leichter überbrücken
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I. Allgemeines zur Kontopfändung kann. Spätestens nach 6 Monaten wäre die Eröffnung eines neuen Kontos aber keine Wieder-Eröffnung mehr, sondern die NeuEröffnung eines „künftigen Kontos“, das dann nicht von der noch bestehenden Pfändung erfasst wäre.
483 Gleichgelagert liegt der Fall, wenn der Schuldner ein Gemeinschaftskonto unterhält und zum Zwecke, Pfändungsschutz zu erhalten, für sich ein neues P-Konto eröffnet. Dieses eigentlich „künftige“ Konto ist von der (alten) Pfändung erfasst. Erfolgt die Neu-Eröffnung im Rahmen des § 850l Abs. 2, ist die Fortsetzung der Wirkungen von Pfändung und Überweisung von Guthaben auf das Einzelkonto des Schuldners übertragenen Guthabens sogar gesetzlich normiert, vgl. § 850l Abs. 4, auch wenn dort die Fortsetzung sich wörtlich zunächst nur auf das ÜbertragungsGuthaben bezieht, vgl. Rn. 1485.
484 Die für die Bestimmtheit des künftigen Kontos erforderliche „rechtliche Grundlage“ bildet das ursprüngliche Gemeinschaftskontos, das insoweit ebenfalls lediglich durch das P-Konto – das nur als Einzelkonto unterhalten werden kann, vgl. Rn. 1318 – „vollstreckungsrechtlich und technisch fortgeführt“ wird, weil ein Gemeinschaftskonto nicht als P-Konto unterhalten werden kann. Das neue P-Konto wäre in diesen Fällen quasi vollstreckungsrechtlich ein „Fortsetzungsvermögen“. Praxistipp: Der Schuldner darf das gepfändete Konto trotzdem auflösen. Zwar hat er sich nach § 829 Abs. 1 Satz 1 jeder Verfügung über die gepfändete Forderung zu enthalten (Inhibitorium), er darf aber weiterhin Handlungen vornehmen, die den Pfändungsgläubiger nicht beeinträchtigen. Die Kündigung des Kontos tut dies nicht, weil insoweit die Rechtsstellung des Schuldners aus seinem Rechtsverhältnis zum Drittschuldner durch die Pfändung nicht erfasst wird. Ebenso Stöber/Rellermeyer, Rn. B.157. Der Kontoinhaber kann sein Girokonto im Übrigen auch dann kündigen, wenn es im Soll steht. Das P-Konto darf allerdings gem. § 850k Abs. 1 Satz 3 grundsätzlich nur noch im Guthaben geführt werden, siehe dazu Rn. 1001, so dass dies bei einem bestehenden P-Konto der Ausnahmefall sein wird. § 489 Abs. 3 BGB (Kündigung gilt als nicht erfolgt, wenn der geschuldete Betrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt wird) ist nur für Kreditverträge, nicht aber für einen Girokontovertrag einschlägig. Dies sind zwei unterschiedliche Vertragsverhältnisse, ebenso Leitfaden Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.12.2.
485 Deshalb bleibt es – konsequenterweise – rechtlich auch möglich, dass ein Gemeinschaftskonto, das von einer Pfändung erfasst wurde, durch die beiden Kontoinhaber einvernehmlich auf den Kontoinhaber alleine umgeschrieben wird, der nicht Vollstreckungsschuldner ist. 486 Die gesetzliche Vorschrift des § 850l Abs. 2 Satz 1, wonach die Kontoinhaber eines Gemeinschaftskontos, soweit sie natürliche Personen sind, einen Anspruch auf je ein Einzelkonten haben, widerspricht dem nicht, da es lediglich 138
14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
eine Schutznorm zu Gunsten der Gemeinschaftskontoinhaber ist. Dieser Schutz ist auch wahrnehmbar durch die Umschreibung für einen der beiden Vollstreckungsschuldner. Das anteilige Guthaben wird dann eben nicht übertragen, sondern verbleibt auf dem künftigen Einzelkonto. Beispiel: Vollstreckungsschuldner S unterhält zusammen mit seiner Ehefrau F ein OderKonto beim Kreditinstitut K. Das Konto wird von einem Pfändungsgläubiger des S gepfändet. Es befinden sich noch 300 € Guthaben auf dem Oder-Konto. Entsprechend § 850l eröffnet S ein P-Einzelkonto aus seinen Namen und beantragt, dass ihm vom Oderkonto 150 € auf dieses Konto überwiesen werden. K kommt dem nach. F beantragt, dass das Oder-Konto nunmehr auf ihren Namen als Einzelkonto umgeschrieben wird, womit S einverstanden ist. K weigert sich, da es der Meinung ist, dass damit evtl. noch eingehendes Guthaben der Pfändung entzogen würde. Zu Recht? Ja, wenn auch aus anderen Gründen. F hat zwar gem. § 850l Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 einen gesetzlichen Anspruch auf Übertragung des Guthabens auf ein alleine auf ihren Namen lautendes Zahlungskonto, vgl. Rn. 1324. Das ist aber nur ein Anspruch auf ein neues Einzelkonto, kein Rechtsanspruch auf Umschreibung des Gemeinschaftskontos in ein Einzelkonto. K kann, muss aber die Umschreibung nicht ablehnen. Diese Umschreibung eines Gemeinschaftskontos in ein Einzelkonto ist aber dann möglich und kann vom Kreditinstitut nicht verweigert werden, wenn einer der Ehegatten/Lebenspartner als Kontomitinhaber eines Oder-Kontos stirbt und der Ehegatte/ Lebenspartner die girovertraglich vereinbarte Möglichkeit nutzt, das Konto auf sich allein umschreiben zu lassen. Hier wäre das Kreditinstitut aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung verpflichtet, dem Ansinnen nachzukommen.
Einem Kreditinstitut ist allerdings zu empfehlen, die Umschreibung des 487 Gemeinschaftskonto auf ein Einzelkonto des nicht-schuldnerischen Gemeinschaftskonto-Inhabers im Fall der Pfändung des Gemeinschaftskonto nicht zuzulassen. Da es dem Kreditinstitut gestattet ist, im beleglosen Zahlungsverkehr ausschließlich nach der Kontonummer zu buchen, muss es dann entsprechende Sorgfaltspflichten erfüllen, um Fehlleitungen von Überweisungen zu vermeiden, LG Hannover, Urt. v. 26.8.1992 – 6 O 152/92, NJW-RR 1993, 175; ebenso Joeres/Menges, in: Bankrechts-Hdb., § 13, Rn. 31. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe ist das Unterlassen der Neuvergabe einer Kontonummer im Zusammenhang mit der Umschreibung ohne Information der überweisenden Stellen sogar pflichtwidrig, OLG Karlsruhe Urt. v. 9.6.1988 – 11 U 112/87, WM [WPM] 1988, 1330. In diesem Fall hatte das Kreditinstitut das Konto eines Rentenempfängers nach dessen Tod unter Beibehaltung der Kontonummer auf dessen Ehefrau umgeschrieben; in diesem Fall müsse das Kreditinstitut die überweisenden Stellen hiervon informieren, so das OLG Karlsruhe.
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
488 Es hat – neben zahlungsverkehrsrechtlichen Bedenken, vgl. Rn. 1378 – immer schnell den Ruch des kollusiven Zusammenwirkens von Vollstreckungsschuldner und drittschuldnerischem Kreditinstitut zu Lasten des Pfändungsgläubigers. Das sollte ein drittschuldnerisches Kreditinstitut möglichst vermeiden. 489 Lässt ein Kreditinstitut im Ausnahmefall gleichwohl die Umschreibung auch im obigen Beispielsfall im Falle einer Pfändung des Gemeinschaftskontos zu und wird das gepfändete Konto für die Zukunft bzw. künftiges Guthaben auf diese Weise im Ergebnis dem Zugriff des Pfändungsgläubiger entzogen, ist das Ausscheiden als Kontomitinhaber und Vollstreckungsschuldners aus einem Gemeinschaftskonto aber rechtlich nicht anders zu bewerten, als die Kontoauflösung und deutlich spätere Wiedereröffnung eines Einzelkontos. Ebenso Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, Kap. 2.3.2.4., S. 381 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 13.6.1983 – II ZR 226/82, WM 1983, 834, 835.
490 In diesem Fall unterliegt das insoweit künftige Konto des Nicht-Schuldners auch nicht mehr der Pfändung, da es insoweit keine „vollstreckungsrechtliches (und technisches) Fortsetzungsvermögen“ des Vermögensgegenstandes Konto des Vollstreckungsschuldners ist. 491 Zuvor verstricktes Guthaben auf dem Oder-Konto kann aber dadurch selbstverständlich nicht (nachträglich) – mit Ausnahme im Rahmen des § 850l – der Beschlagnahme wieder entzogen werden. Praxistipp: Problematisch und an der Grenze zum Missbrauch wäre es allerdings, wenn nach Umschreibung des Kontos auf den Nicht-Schuldner, weiterhin Gutschriften für den (ausgeschiedenen) Schuldner auf dieses Konto gutgeschrieben würden. Dies gilt umso mehr, als nach § 675r BGB Zahlungsaufträge nur anhand der IBAN oder Kontonummer nebst Bankleitzahl, also ohne den früher notwendigen Namensabgleich, ausgeführt werden können. Sollte das Kreditinstitut dies bemerken (eine Nachforschungspflicht besteht insoweit aber nicht), wäre dies ein außerordentlicher Kündigungsgrund, da sich für das Kreditinstitut dann bei einer Falschgutschrift ggf. Haftungsrisiken ergeben können, vgl. BGH, Urt. v. 13.6.1983 – II ZR 226/82, WM 1983, 834, 835.
c) Konkurrenz zwischen Abtretung und Pfändung 492 Oftmals treten Kontopfändung und Abtretung in Konkurrenz. Zur Konkurrenz zwischen Verpfändung und Pfändung siehe Rn. 730.
In der Regel wird man aber nach dem Prioritätsprinzip eine klare Aussage dazu treffen können, welche Maßnahme vorrangig ist.
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14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
aa) Abtretung nach einer Pfändung Nach erfolgter Kontopfändung kann die Forderung gegen das Kreditinstitut 493 nicht mehr – gegenüber dem Pfändungsgläubiger wirksam – abgetreten werden, § 829 Abs. 1 i. V. m. § 135 BGB (= Pfändung als relatives Verfügungsverbot). Die Abtretung lebt allerdings – ohne dass eine neuerliche Abtretung erfolgen 494 müsste – dann wieder auf, wenn die Kontopfändung erledigt ist, sie aufgehoben oder auf sie verzichtet (§ 843) wird oder sie aus sonstigen Gründen entfällt. Stöber/Rellermeyer, Rn. C.92.
Das drittschuldnerische Kreditinstitut muss daher (in seiner IT) eine solche 495 ihm offengelegte Abtretung grundsätzlich wie eine nachrangige Pfändung behandeln. Haftungsfalle: Als „Pfändungsdatum“ der dem Kreditinstitut gegenüber offengelegten Ab- 496 tretung muss das drittschuldnerische Kreditinstitut das Abtretungsdatum eingeben, nicht das Datum des Eingangs der Abtretungsanzeige. Nur dann wir die automatisierte Disposition auch später rangrichtig berücksichtigt! bb) Beweislast Leistet das drittschuldnerische Kreditinstitut in Unkenntnis einer Abtretung 497 an den Pfändungsgläubiger, dessen Pfändung zeitlich nach der Abtretung erfolgte, wird das drittschuldnerische Kreditinstitut nach §§ 408 Abs. 2, 407 BGB von seiner Leistungspflicht frei. Dass dem drittschuldnerischen Kreditinstitut die Abtretung bekannt war, 498 müsste der Zessionar beweisen. Anders nur dann, wenn der Zessionar nachweisen könnte, dass dem drittschuldnerischen Kreditinstitut die Abtretungsanzeige (zuvor) zugegangen ist. Leistet das drittschuldnerische Kreditinstitut schuldbefreiend – in Unkenntnis einer vorausgegangenen Abtretung – an den Pfändungsgläubiger, kann der Zessionar gegenüber diesem Bereicherungsansprüche geltend machen. BGH, Urt. v. 25.3.1976 – VII ZR 32/75, NJW 1976, 1090; allerdings kann der Pfändungsgläubiger seine Vollstreckungskosten (dazu gehören aber nicht die Auslagen für die Zustellung des Titels sowie die bisherigen Vollstreckungskosten) dieses PfÜB gegen rechnen.
cc) Rückdatierte Abtretungserklärung Stünde fest (was in der Praxis schwerlich zu beweisen und daher eher die ab- 499 solute Ausnahme sein dürfte), dass dem drittschuldnerischen Kreditinstitut zeitlich nach erfolgter Kontopfändung eine Abtretungsvereinbarung vorgelegt wurde, die auf einen Zeitpunkt vor der Kontopfändung rückdatiert wurde, also tatsächlich erst nach der Pfändung ausgestellt wurde und erfolgt ist, würde 141
I. Allgemeines zur Kontopfändung
das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht schuldbefreiend an den Abtretungsempfänger zahlen können, da die Ansprüche dann dem Vollstreckungsgläubiger (weiter) zustünden (§§ 408, 409 BGB). BGH, Urt. v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, ZIP 1987, 601.
500 Grundsätzlich ist eine Abtretung nicht formgebunden und wäre z. B. auch mündlich möglich. Wurde dies vor der Kontopfändung vereinbart, aber erst nachträglich schriftlich fixiert, trüge dafür der Abtretungsempfänger die Beweislast. Eine zwischenzeitlich angegebene Drittschuldnererklärung, die dann zwar zum Zweitpunkt der Abgabe richtig war, deren „Wahrheitsgehalt“ sich aber durch die später angezeigte, aber vorher vereinbarte Abtretung nachträglich verändert, weil die Abtretung sich quasi vor die Pfändung „drängt“, führt allerdings nicht dazu, dass eine neuerliche Drittschuldnererklärung abgeben werden muss. Gleichwohl mag in diesem Ausnahmefall sinnvoll sein, den Pfändungsgläubiger zu unterrichten, dass seine Pfändung nachträglich aufgrund der vorrangigen Abtretung ins Leere gegangen ist und nicht wieder auflebt. Ebenso sinnvoll mag es dann sein, die Angaben zur Abtretung zu machen als wenn die Abtretung von Anfang an vorrangig gewesen wäre. Verpflichtend wäre aber auch das nicht, denn wenn es keine Pflicht zur nachgebesserten Drittschuldnererklärung gibt, kann es auch keine inhaltlichen Vorgaben geben. Hilfreich wäre es aber natürlich für den Gläubiger, wenn ein drittschuldnerisches Kreditinstitut diese Angaben macht. In solchen Fällen ist eine „Manipulation“ zu Lasten des bislang vorrangigen Pfändungsgläubigers nicht ausgeschlossen, zumal wenn die Abtretung an Ehepartner oder nahe Verwandte erfolgt ist. Mit den Angaben ist der nun ggf. nachrangige Pfändungsgläubiger im Zweifel aufgrund der Auskunft in der Lage, festzustellen, ob die vom Drittschuldner behauptete vorrangige Abtretung seiner Pfändung im Range tatsächlich vorgeht. Zudem kann er evtl. Anfechtungsansprüche prüfen und ob und wann diese als erfüllt angesehen werden können, vgl. Rn. 2647. Gegen etwaige Ansprüche des Zedenten, auch wegen zwischenzeitlich an den Pfändungsgläubiger abgeführte Zahlungen, ist das drittschuldnerische Kreditinstitut durch §§ 408 Abs. 2 Alt. 1, 407 BGB geschützt. Etwaige Ansprüche muss der Zedent dann direkt gegen den Pfändungsgläubiger geltend machen.
501 Das drittschuldnerische Kreditinstitut kann in solchen Fällen, auch in anderen Zweifelsfällen, um die Haftungsrisiken einer mehrmaligen Inanspruchnahme zu vermeiden, etwaige abzuführende Guthaben nach § 372 BGB hinterlegen. dd) Abtretung vor einer Kontopfändung 502 Eine Kontopfändung, die nach bereits rechtswirksam erfolgter Abtretung der gepfändeten Forderung erfolgt, geht in Leere. BGH, Urt. v. 12.12 2001 – IV ZR 47/01, ZIP 2002, 226.
142
14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
Der Gläubigerwechsel fand bereits vor Zustellung der Pfändung statt, so dass 503 der Vollstreckungsschuldner zum Zeitpunkt der Zustellung gar nicht mehr Gläubiger der Forderung war. Sie lebt – anders als im umgekehrten Fall – nicht wieder auf, wenn die Abtretung, z. B. durch Anfechtung oder durch spätere Rückabtretung, zur Ausnahme bei Pfändung künftiger, fortlaufender Lohnansprüche eines Schuldners, die im Voraus abgetreten sind, vgl. § 832,
nachträglich unwirksam oder z. B. durch eine Anfechtung hinfällig wird. BGH, Urt. v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, ZIP 1987, 601.
ee) Abtretung von Kontoguthaben statt Pfändung In der Praxis nicht selten sind Versuche von – nicht immer seriösen – „Schuld- 504 nerberatern“, die sich für ihre (entgeltlichen) Beratungsleistungen zur Sicherung der Tilgung dieser Beratungsentgelte sämtliche Forderungen des Schuldners gegen sein Kreditinstituten abtreten lassen. Bei Nichtzahlung von vereinbarten Raten legen sie dann diese Abtretung gegenüber dem Kreditinstitut offen und bitten („im Rahmen von Kostenersparnis und rechtlicher Besserstellung der Abtretung“) um Bestätigung der Abtretung und Zahlung von sich ergebenden Guthabensalden. Regelmäßig beschränken sich die Abtretungsklauseln zwischenzeitlich wieder auf die pfändbaren Anteile von Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion. Aber es gibt nach wie vor einige Inkassodienstleister, die ihre formularmäßige Abtretung auch auf Guthaben von Zahlungs- und sonstigen, insbesondere Sparkonten ausdehnen. Bekannt ist die Abtretungspraxis gem. Zimmermann, in: Groth/Homann/ Hornung/Maltry/Richter/Zimmermann/Zipf, Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5, Ziff. 4.13.7. z. B. von CreditreformVereinen, Heidelberger Inkasso (ALTOR Gruppe), Inkasso Becker und Rechtsanwältin Dr. C. Wendel.
Formulierungen sehen etwa so aus:
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„Zur Absicherung der Forderung trete ich den gegenwärtig und künftig pfändbaren und abtretbaren Teil meiner Lohn-, Gehalts-, Arbeitslosengeld- und Rentenansprüche i. S. v. § 850 einschließlich der Abfindungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Kurzarbeitergeldes gegenüber meinen gegenwärtigen und künftigen Arbeitgebern, der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Rentenversicherungsträger an die Gläubigerin ab. Für den Fall eines vertraglichen Abtretungsverbotes wird der Gläubigerin unwiderruflich das Recht zum Einzug der pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens eingeräumt. Zusätzlich trete ich mein sonstiges gegenwärtiges und künftiges Guthaben sowie die von mir abgerufenen Kreditmittel bei Kreditinstituten, mit denen ich gegenwärtig oder künftig in Geschäftsbeziehungen stehe, an die Gläubigerin ab. Die Abtretung ist auf Beträge beschränkt, die nach dieser Vereinbarung noch jeweils zur Zahlung offen stehen. Die Gläubigerin nimmt die Abtretungen an. …
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I. Allgemeines zur Kontopfändung Die Abtretung beschränkt sich auf die zum Zeitpunkt der Offenlegung noch zur Zahlung offenstehenden Beträge. Meine Drittschuldner entbinde ich von allen gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Schweigepflichten. … Befinde ich mich mindestens 14 Tage mit einer Rate ganz oder teilweise im Rückstand, dürfen die durch mich erklärten Abtretungen offengelegt werden. Der Abtretungsempfänger ist berechtigt, die Abtretung dem jeweiligen Drittschuldner anzuzeigen. Der jeweilige Drittschuldner ist berechtigt, dem Abtretungsempfänger Auskünfte i. S. v. § 840 zu erteilen. Alle abgetretenen Rechte gehen ohne weitere Bestätigung wieder auf mich über, sobald ich die Ansprüche der Gläubigerin aus dieser Vereinbarung befriedigt habe.“
506 Eine solche Abtretung sollte ein drittschuldnerisches Kreditinstitut generell nicht anerkennen, wenn Gegenstand der Abtretung auch Guthaben von Zahlungskonten sind. Gründe braucht es nicht anzugeben und sollte das auch nicht tun. 507 Soweit solch eine Inkasso-Abtretung nicht bereits zu unbestimmt ist, vgl. dazu auch Rn. 202, weil eine zu allgemein gefasste und umfassende Abtretung nicht zulässig wäre, dürfte sie regelmäßig AGB-rechtlich unzulässig sein (überraschende Klausel, §§ 307 ff. BGB) und in erster Linie aber daran scheitern, dass sie sittenwidrig ist, weil dem Schuldner durch die Abtretung bzgl. des Kontoguthabens auf einem Zahlungskonto im Zweifel nichts mehr verbliebe, also nicht einmal das Existenzminimum. 508 Zwar wird zumeist nur das „unpfändbare“ Guthaben abgetreten, aber es fehlt an einem Anknüpfungspunkt bzw. der Definition solch eines unpfändbares Guthabens. Auf einem P-Konto wird – mit Ausnahme im Rahmen des § 901 – erst durch eine Pfändung – nicht aber eine Abtretung – ein Freibetrag ausgelöst, der zumindest das Existenzminimum sichert (Grundfreibetrag). Ohne Pfändung aber gibt es auch keine Begrenzung auf den Freibetrag, es sei denn im Rahmen des § 901 Abs. 1. 509 Die Anerkennung einer solchen Abtretung von Kontoguthaben auf Zahlungskonten kann aber auch bereits aus formalen Gründen scheitern. So weisen Zimmermann, in: Groth/Homann/Hornung/Maltry/ Richter/Zimmermann/Zipf, Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5, Ziff. 4.13.7, beispielsweise darauf hin, dass sich Ratenvereinbarungen mit Abtretungserklärungen meist per Briefwechsel zustande kommen oder es sich um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub von mehr als drei Monaten handelt, denen es dann aber regelmäßig an der notwendigen Widerrufsbelehrung fehlt, §§ 506 ff. BGB.
510 Wenn die Anerkennung einer solchen Abtretung von Kontoguthaben auf Zahlungskonten nicht bereits aus formalen Gründen verweigert werden kann, dann werden die vorformulierte Vertragsbedingungen zur Guthabenabtretung aber meist eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB darstellen
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14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen
und einer AGB-Inhaltskontrolle nicht standhalten, da sie selbst den Kontopfändungsschutz des Existenzminimums eines P-Kontos nicht gewährleisten. Zimmermann, in: Groth/Homann/Hornung/Maltry/Richter/ Zimmermann/Zipf, Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5, Ziff. 4.13.7, weisen zudem zu Recht darauf hin, dass es beispielsweise vielfach an Moratorien entsprechend den §§ 835 Abs. 3 und 900 fehlt, also dem notwendigen Zeitfenster um ggf. Kontoguthabenschutz zu erlangen.
Sind Gegenstand der Abtretung allerdings kein Zahlungskonto, sondern nur 511 Konten, die der Vermögensbildung oder -Anlage dienen, z. B. Spar-, Tagesgeld oder Depotkonten, muss die Abtretung wohl anerkannt werden, denn solche Guthaben wären auch bei einer Pfändung nicht schützbar. Nur ein EinzelZahlungskonto kann in ein P-Konto umgewandelt werden, so dass das nur dessen Guthaben (teilweise) schützbar ist. Sind sowohl Zahlungs- als auch Konten zur Vermögensbildung Gegenstand derselben Abtretung, erstreckt sich die sittenwidrige Nichtigkeit grundsätzlich auf die gesamte Abtretung, BGH, Urt. v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26. Nur falls die einzelnen Passagen zu den unterschiedlichen Konten eindeutig abtrennbare Teile wären, BGH, Urt. v. 12.7.1965 – II ZR 118/63, NJW 1965, 2147, was bei solchen Abtretungen regelmäßig nicht anzunehmen sein dürfte, und nur einzelne gegen die guten Sitten verstoßen würden, käme in Betracht, dass die Abtretung ausnahmsweise für den nicht sittenwidrigen Teil aufrecht erhalten bleiben kann, allerdings nur wenn dies dem mutmaßlichen Willen der Parteien, also auch dem des Schuldners entspräche, BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815, 817. Ist die sittenwidrige Klausel Bestandteil einer in sich einheitlichen Regelung ist, die nicht in einzelne Teile zerlegt werden kann, scheidet eine geltungserhaltende Reduktion aus, BGHZ 44, 158, 162 = NJW 1965, 2147. Die Voraussetzungen an die geltungserhaltende Reduktion eines sittenwidrigen Vertrages sind allerdings hoch, da es mit dem „Sinn und Zweck von § 138 BGB grundsätzlich nur in Ausnahmefällen vereinbart werden kann, wenn dem sittenwidrig Handelnden auch nur ein Teilerfolg seines anstößigen Verhaltens verbleibt“, so zu Recht BeckOK BGB/Wendtland, § 138 Rn. 33.
Die Abtretung von Guthaben auf einem gemeinschaftlichen Zahlungskonto 512 würde im Übrigen nicht dazu führen, dass die Ansprüche nach § 850l geltend gemacht werden könnten; dies setzt nach dem Wortlaut des § 850l eine Pfändung voraus. § 400 BGB bestimmt, dass eine Forderung nicht abgetreten werden kann, 513 soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist; die Abtretung von Bankguthaben auf Zahlungskonten wäre damit in der Logik des Kontopfändungsschutzrechtes nur wirksam, soweit es die Pfändungsfreibeträge übersteigt. Freibeträge sind aber nicht abstrakt bestehend, sondern werden erst durch eine Pfändung oder im Rahmen des § 901 bei einem P-Konto ausgelöst. Insofern löst bzw. definiert die Abtretung der Guthaben des Zahlungskontos alleine keine Frei-
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I. Allgemeines zur Kontopfändung
beträge (aus). Daher scheitert nach Auffassung des Autors die Abtretung auch an dieser Hürde. Selbst eine Abtretung von Kontoguthaben, die nur solche Guthaben erfassen soll, die über die Pfändungsfreigrenze hinausgehen, würde voraussetzen, dass es schon eine bestehende Kontopfändung auf einem bestehenden P-Konto gäbe; damit wäre sie aus Sicht des Autors unwirksam, weil sich die Pfändungsfreigrenze für den konkreten Schuldner nicht selbst aus der Abtretung ergäbe. 514 Wenn es sich um Guthaben eines bereits gepfändeten oder mit einem Freibetrag im Rahmen des § 901 versehenes P-Konto handeln würde, dessen Guthaben abgetreten würde, würde das die Abtretung auch nicht wirksam werden lassen, denn die pfändungsschützende Beschränkung würde sich auch dann nur ableiten und sich nicht aus der Abtretung selbst ergeben. Denn entfiele die Pfändung, z. B. durch Bezahlung, Rücknahme oder sonstige Erledigung oder würde das i. S. d. § 901 nicht mehr debitorische P-Konto rückumgewandelt in ein herkömmliches Zahlungskonto, entfiele damit auch der Anknüpfungs- bzw. Auslösepunkt für den Freibetrag wieder. Die Abtretung ist dann schon deswegen als unzulässig zurückzuweisen, § 394 BGB i. V. m. § 899 Abs. 1 Satz 1. A. A. Klebingat, FP 2016, 126, die zwar konstatiert, dass solche Abtretungen offensichtlich nur dem Zweck dienen (teure und formale) Vollstreckungsmaßnahmen zu umgehen, aber sie rechtlich gesehen für zulässig hält, auch weil der Schuldner „mehr oder weniger freiwillig“ an der Abtretungsvereinbarung mitwirkt, somit auch freiwillig auf seine Existenzgrundlage verzichtet und sich bewusst des gesetzlichen Pfändungsschutzes begibt. Das scheint zu kurz gegriffen, denn sittenwidrige Verträge bleiben auch dann sittenwidrig, wenn sie freiwillig geschlossen wurden, § 138 Abs. 1 BGB, da dass das Gesetz Rechtsgeschäften trotz Privatautonomie, die sich mit der Rechtsordnung nicht vertragen, generell die Wirksamkeit versagt.
515 Wenn ein drittschuldnerisches Kreditinstitut die Abtretung trotzdem anerkennen würde, erwirbt der Zessionar die Forderung in jedem Fall nur belastet mit dem AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes. OLG München, Urt. v. 16.6.1994 – 6 U 4509/93, WM 1995, 429.
516 Zudem ist kritisch zu prüfen, welchen Umfang die Abtretung hat, welche Ansprüche konkret abgetreten sind, vgl. dazu unter II. ab Rn. 522 ff. 517 § 833a gilt insoweit nur für Kontopfändungen, nicht aber für Abtretungen. 518 Ist in seinen AGB ein Abtretungsverbot enthalten, wird das drittschuldnerische Kreditinstitut in seiner ablehnenden Erklärung darauf verweisen. Zwar schuldet das Kreditinstitut keine Drittschuldnererklärung i. S. d. § 840 und die Tatsache, dass der Schuldner von der Verschwiegenheit entbindet, schafft zwar ein Recht, aber noch keine Pflicht, Antwort zu geben. Um aber zu vermeiden, dass das
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14. Auswirkungen auf die Pfändung in Sonderfällen Schweigen als Zustimmung zur Abtretung gedeutet werden kann, sollte man – sehr kurz – antworten, dass man die Abtretung nicht akzeptiert.
In den Standard-AGB der Banken und Sparkassen ist ein Abtretungsverbot 519 nicht enthalten, aber z. B. in den Sparkassen-AGB (Nr. 1) vereinbart, dass die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut „durch die Besonderheiten des Bankgeschäfts und ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt“ ist. Es gibt aber durchaus Kreditinstitute, die solche Abtretungen auch allgemein AGB-rechtlich ausgeschlossen haben oder die Abtretung von der Anzeige und der Zustimmung des Kreditinstitutes abhängig machen. Auch ein individualvertraglicher Abtretungsausschluss wäre möglich, müsste aber wegen § 407 Abs. 1 BGB vor Anzeige/Offenlegung der Abtretung erfolgt sein.
Auch das Bankgeheimnis könnte daher einer (so umfassenden) Abtretung 520 entgegenstehen. Ausnahme vom regelmäßig nicht vorhandenen Abtretungsverbot: In den Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten und Gesellschaften von Rechtsanwälten und Notaren ist explizit ein Abtretungsverbot vereinbart. Die Ansprüche sind generell nicht übertragbar auf Personen, die nicht den gleichen Amtspflichten unterliegen wie die Treuhänder selbst. Durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge v. 10.8.2021, BGBl I 2021, 3433, wurde ein Verbot für Abtretungsausschüsse beschlossen. U. a. für Zahlungsdiensterahmenverträge i. S. d. § 675f Abs. 2 BGB gilt das aber nicht. Im Rahmen des § 308 Nr. 9 BGB können Kreditinstitute daher nun Abtretungsausschlüsse in ihren AGB vereinbaren. Bleibt abzuwarten, ob das auch geschieht.
Besteht Unsicherheit darüber, ob die Abtretung wirksam ist, wäre auch eine 521 Hinterlegung nach §§ 372 ff. BGB möglich. Dann könnte das Guthaben – statt es an den Pfändungsgläubiger abzuführen – beim zuständigen Amtsgericht hinterlegt werden, weil das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht weiß, wem das Guthaben zusteht. Der Schuldner müsste dann den Abtretungsgläubiger mit einer Frist auffordern, die Auszahlung freizugeben oder ihn im Weigerungsfalle, auf Freigabe verklagen. Zimmermann, in: Groth/Homann/Hornung/Maltry/Richter/ Tiffe/Zimmermann/Zipf, Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5, Ziff. 4.13.7.
Für das Gericht bestünde dann aber auch die Verantwortung, bis zum rechtkräftigen Abschluss des Verfahrens dem Schuldner zumindest das Existenzminimum freizustellen.
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto) 1. Umfang der Pfändung Gepfändet werden mittels des Zwangsvollstreckungsvordruckes (siehe An- 522 hang 5 und 6) unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ Ansprüche betreffend das Girokonto wie folgt:
Soweit Gläubiger nicht auf die Vordrucke verwiesen sind, sondern nach eigenen 523 Gutdünken die Ansprüche bezeichnen können, z. B. gesetzliche Krankenkassen, werden diese teilweise wie folgt bezeichnet: Formulierungen aus der Praxis: „… werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen das Kreditinstitut K AG, Niederlassung N, gepfändet … – … aus Kontoverbindung jeder Art … – … aus den Girokonten, insbesondere Kontonummer … – … aus Konten in laufender Rechnung …“.
Gepfändet werden können die sich aus §§ 355, 357 HGB ergebenden An- 524 sprüche auf „Überschuss aus der laufenden Rechnung“, also auf Abrechnung und Auszahlung fälliger Guthaben aus dem Kontokorrent. Nicht pfändbar sind deshalb kontokorrentgebundene, einzelne Kontoeingänge, sondern nur sich ergebende (positive) Konten-Salden. BGH, Urt. v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, ZIP 1981, 591 = NJW 1981, 1611.
Der BGH hat dazu ausgeführt, dass sich das bereits aus dem Wortlaut des § 357 525 HBG ergebe („Überschuss aus der laufenden Rechnung“), dass etwas anderes aber auch dem Wesen des Kontokorrents nach § 355 HGB widerspräche. „Das Wesen der Kontokorrentabrede besteht darin, dass die in die laufende Rechnung aufgenommenen beiderseitigen Ansprüche und Leistungen am Tage des periodischen Rechnungsabschlusses durch Anerkennung des Saldos als Einzelforderungen untergehen; übrig bleibt alsdann nur ein Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis, der als neue, auf einem selbstständigen Verpflichtungsgrund beruhende, vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung an die Stelle der bisherigen Einzelforderungen tritt (BGH, Urt. v. 28.6.1968 – I ZR 156/66, BGHZ 50, 277, 279 = NJW 1968, 2100; ständige Rspr.). Die Einzelforderungen können deshalb nicht selbstständiger Pfändungsgegenstand sein.“
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
526 Bei bestehender Kontokorrentbindung kann daher ein Pfandrecht an den in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen nicht erworben werden BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08, BGHZ 181, 362 Rn. 9 = WM 2009, 1515; BGH, Beschl. v. 18.3.2010 – IX ZR 111/08, ZIP 2010, 1137 = ZInsO 2010, 710 Rn. 4 und BGH, Urt. v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, WM 2020, 1980. Der BGH hat in der Entscheidung 2020 nochmals betont, dass im Falle eines im Kontokorrent geführten Girokontos aus den girovertraglichen Vereinbarungen Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Denn nach den AGB der Kreditinstitute zerfällt der Anspruch auf Kontoguthaben im Falle eines im Kontokorrent geführten Girokontos in mehrere, getrennt voneinander zu betrachtende Einzelansprüche: Den Anspruch auf Gutschrift, den girovertraglichen Auszahlungsanspruch und den aus dem Saldoanerkenntnis nach Rechnungsabschluss folgenden Anspruch auf den anerkannten Saldo. Das AGB-Pfandrecht erfasst alle.
527 Kommt es daher zu einer Einzahlung auf das Zahlungskonto, erwirbt der Kontoinhaber gegen das Kreditinstitut einen Anspruch auf Gutschrift gem. § 667 BGB. Dieser unterliegt zwar der Kontokorrentbindung. Der Anspruch auf Gutschrift ist jedoch pfändbar, so dass die Kontokorrentbindung einem AGB-Pfandrecht der Bank nicht entgegensteht. BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 = WM 2017, 446 Rn. 13 m. w. N.
528 Führt die Einzahlung zu einem Guthaben, folgt aus der girovertraglichen Abrede ein Auszahlungsanspruch des Kunden (Anspruch aus Gutschrift). Diesem Anspruch steht die Kontokorrentbindung nicht entgegen. 529 Dieser Auszahlungsanspruch wird gemeinhin als Anspruch auf das „Tagesguthaben“ oder den „Tagessaldo“ bezeichnet. Vgl. § 833a; BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, BGHZ 84, 325, 329 ff. = WM 1982, 838; BGH, Urt. v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, BGHZ 84, 371, 376 ff. = WM 1982, 816.
530 Der Anspruch ist sowohl pfändbar (§ 833a) als auch abtretbar. BGH, Urt. v. 8.7.1982, a. a. O.
531 Von der Pfändung erfasst wird das Konto, wenn es auf den Vollstreckungsschuldner lautet. 532 Die Angabe der Kontonummer im Pfändungsbeschluss ist weder erforderlich, OLG Köln, Urt. v. 1.3.1999 – 16 U 80/98, NJW-RR 1999, 1224; Stöber/Rellermeyer, Rn. A.244 m. w. N.,
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1. Umfang der Pfändung
noch schadet es, wenn eine falsche Kontonummer angegeben wäre. Entscheidend ist, ob der Vollstreckungsschuldner bei dem Kreditinstitut die in der Pfändung bezeichneten Ansprüche hat. Ist aus der Angabe der zu pfändenden Ansprüche in einem PfÜB außerdem 533 zu entnehmen, dass die Guthaben sämtlicher von dem Drittschuldner geführten Konten des Schuldners der Pfändung unterworfen sein sollen, so lässt die Nennung nur einer Kontonummer nach Ansicht des BGH auch nicht den Schluss zu, es solle nur das auf diesem einen Konto ausgewiesene Guthaben gepfändet sein. BGH, Urt. v. 28.4.1988 – IX ZR 151/87, ZIP 1988, 871 = NJW 1988, 2543. Praxistipp: Soweit Gläubiger den Vordruck nach § 2 ZVFV benutzen (müssen), sind durch die Formulierung die Guthaben der dort aufgeführten Kontengruppen gepfändet und zwar auch deren künftige Salden (letzteres ist im § 833a ZPO ausdrücklich geregelt). Bei Gläubigern, die nicht an den Vordruck gebunden sind und die Ansprüche selbst formulieren, ist es als drittschuldnerisches Kreditinstitut angeraten, die bezeichneten – oder eben gerade nicht bezeichneten – Ansprüche genau zu prüfen. Hier sind oftmals „verunglückte“ oder (in Teilen) zu unbestimmte Formulierungen zu finden, die im Ergebnis dazu führen können, dass nicht alle – oder auch gar keine – Konten zu sperren sind.
Durch § 833a sind, wenn der PfÜB keine Einschränkung enthält, die Guthaben 534 aller Konten gepfändet und zwar auch deren künftiger Salden. Im amtlichen Formular sind allerdings – unerklärlicherweise – gegenüber § 833a 535 durch die Positivformulierungen Einschränkungen hinsichtlich der Kontenarten vorgenommen worden. Nur Girokonten, Sparkonten und Festgeldkonten sowie das „zum Wertpapierkonto gehörende Gegenkonto“ werden erwähnt, aber nicht alle Kontenarten. Sog. Tagesgeldkonten wären danach nicht erfasst. Die muss ein Gläubiger 536 zusätzlich im Vordruck unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ bei Nr. 6 erfassen. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 100, meint sogar, dass selbst § 833a Tagesgeldkonten nicht erfasst, weil es sich bei einem Tagesgeldkonto um ein Verwahrverhältnis (unregelmäßige Verwahrung gem. §§ 688, 700 BGB) handelt; ebenso Träger, NJW 2015, 657 [658], der meint, im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis müsse das Tagesgeldkonto gesondert beantragt werden.
Im Hinblick auf die Gesetzesbegründung,
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BT-Drucks. 16/7615, 16 unten und 17 oben (es heißt dort: „unter Konto sind dabei alle Arten von Konten bei Kreditinstituten, insbesondere Giro- und Sparkonten zu verstehen“),
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
und die Tatsache, dass auch auf einem Tagesgeldkonto „Geldguthaben“ entstehen können, handelt es sich allerdings um Konten i. S. d. § 833a, die bei einer Pfändung, die „Guthaben“ pfändet, nicht gesondert erwähnt werden müssen. Anders aber bei Depots, vgl. Rn. 763.
538 Dass es sich bei Tagesgeldkonten regelmäßig nicht um Konten handelt, die für den normalen Zahlungsverkehr zugelassen sind, spielt keine Rolle. Da aber im ZVFV-Vordruck – im Gegensatz zu § 833a – eine Positiveinschränkung auf nur bestimmte Kontenarten vorgenommen worden ist, sind Tagesgeldkonten im ZVFV-Formular ohne zusätzliche Erwähnung nicht umfasst. Aus Vorsichtsgründen sollte aus Gläubigersicht daher das Tagesgeldkonto (sowie andere Kontenarten) gesondert als Anspruch aufgeführt werden. Dem drittschuldnerischen Kreditinstitut wiederum ist zu empfehlen, das Tagesgeldkonto (nur) dann als erfasst zu betrachten und es zu sperren, wenn ein Gläubiger (ohne Vordruckzwang) „alle“ Konten ohne Einschränkung (i. S. d. § 833a) pfändet oder ein Gläubiger mit Vordruckzwang sie zusätzlich erwähnt. Pfändet ein Gläubiger mit Vordruckzwang nach Anspruch D standardmäßig lediglich Girokonten, Sparkonten und Festgeldkonten, sollten die Tagesgeldkonten nicht gesperrt werden. Praxistipp: Es könnte sich empfehlen, soweit ein Kreditinstitut Tageskonten im Produktangebot führt, in jeder Drittschuldnererklärung in einem „allgemeinen Hinweis“ am Ende der Drittschuldnererklärung mitzuteilen, dass Tagesgeldkonten als unregelmäßiges Verwahrverhältnis gem. §§ 688, 700 BGB weder unter den Begriff „Girokonten“ noch „Sparkonten“ oder „Festgeldkonten“ fallen und daher vom diesem drittschuldnerischen Kreditinstitut immer nur dann gesperrt werden, wenn Tagesgeldkonten ausdrücklich als Anspruch aufgeführt werden. Es mag dem einen oder anderen drittschuldnerische Kreditinstitut mit dieser Verfahrensweise bis zu einer höchstrichterlichen Klärung vielleicht nicht ganz wohl zumute sein, zumal wenn Tagesgeldkonten des Vollstreckungsschuldners hohe Guthaben aufweisen. Dann aber lieber zu Lasten des Vollstreckungsschuldners die Tagesgeldkonten stets als umfasst zu betrachten birgt natürlich ebenfalls Risiken. Im Zweifel bleibt dann nur, im Wege der Erinnerung § 766 gleich nach Zustellung des PfÜB gerichtlich klären lassen, ob Tagesgeldkonten von dieser so formulierten Kontopfändung erfasst sind oder nicht oder die Tagesgeldkonten zu sperren, aber deren Guthaben aus den Tagesgeldkonten, nach Ablauf der Moratoriumsund ggf. Kündigungsfristen, zu hinterlegen.
Haftungsfalle: 539 Soweit ein Gläubiger nicht die Standard-Formulierungen des Formulars verwenden will, sondern auf eine eigene Anlage mit formulierten Ansprüchen verweist, was (richtigerweise unter Streichung der vorformulierten Passagen) zulässig ist, können durch Formulierungsfehler weiterhin Ansprüche nicht wirksam erfasst werden. 152
2. Pfändung des gegenwärtigen Saldos (Zustellungssaldo)
2. Pfändung des gegenwärtigen Saldos (Zustellungssaldo) Gepfändet werden mittels des Zwangsvollstreckungsvordruckes (siehe An- 540 hang 5 und 6) unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ bestehende Guthaben:
Alternative Formulierungen aus der Praxis: Soweit Gläubiger nicht auf die ZVFV-Vordrucke verwiesen sind, sondern nach eigenem Ermessen die Ansprüche bezeichnen können, z. B. gesetzliche Krankenkassen im Rahmen des Verwaltungsvollstreckung, werden diese teilweise wie folgt bezeichnet: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf … – … Auszahlung des gegenwärtigen Guthabens … – … Zahlung des gegenwärtigen Überschusses … – … den Zustellungssaldo … – … alle gegenwärtigen Guthaben …“.
Die Pfändung nur des Guthabens in laufender Rechnung gem. § 357 HGB 541 würde dazu führen, dass nur der Saldo zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung, der „gegenwärtige“ Tagessaldo, erfasst würde. BGH, Urt. v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, ZIP 1981, 591 = NJW 1981, 1611.
Es würde also mit Eingang der Pfändung ein Saldo gezogen. Weitere Buchungen 542 blieben unberücksichtigt, was dazu führen würde, dass wenn sich bei Saldoziehung zum Zustellungszeitpunkt kein Guthaben ergäbe, aber danach ein größerer Haben-Eingang zu verzeichnen wäre, der Gläubiger trotzdem leer ausginge. Darüber hinaus könnte der Schuldner nach diesem Buchungsschnitt sogar auch wieder über sein Konto verfügen. Lwowski/Bitter, in: WM-Festgabe Hellner, S. 59.
Haftungsfalle: Genau das ist aber z. B. beim EuBvKpf der Fall, vgl. Rn. 347. Es liegt auf der 543 Hand, dass deshalb die Pfändung allein dieser Ansprüche dem Gläubiger nur in den seltensten Fällen Befriedigung verschaffen würde. Dies gilt zumal dann, wenn hoch volatile Konten, wie die gewerblicher Kunden, durch tageweise stark schwankende Kontostände aufgrund hohen Zahlungsverkehrs – sogar untertägig – zwischen Soll und Haben wechseln. 153
II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
3. Künftige Salden und Abschlusssaldo a) Pfändung des künftigen Saldos 544 Zusätzlich wurden daher in der Vergangenheit, vor Geltung des § 833a, regelmäßig auch die „künftigen Saldoguthaben“ gepfändet. BGH, Urt. v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, NJW 1981, 1611, 1612 = ZIP 1981, 591.
545 Während früher die Pfändung dieser „künftigen“ Guthaben (bis 30.6.2010) im Beschluss ausdrücklich angeordnet sein musste, vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. A.267,
regelt § 833a nun den Pfändungsumfang bei Kontoguthaben. Er lautet: Die Pfändung des Guthabens eines Kontos bei einem Kreditinstitut umfasst das am Tag der Zustellung des Pfändungsbeschlusses bei dem Kreditinstitut bestehende Guthaben sowie die Tagesguthaben der auf die Pfändung folgenden Tage. (Hervorhebung durch den Autor)
546 Nach § 833a erfasst daher die Pfändung des „Guthabens“ eines Kontos bei einem Kreditinstitut nicht nur das am Tag der Zustellung des Pfändungsbeschlusses bei dem Kreditinstitut bestehende Guthaben (Zustellungssaldo), sondern automatisch auch sämtliche künftige Salden. Dies gilt im Übrigen nicht nur für ein laufendes Giro- oder P-Konto: Im Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes, BT-Drucks. 16/7615 v. 19.12.2007, B. BT, Zu Art. 1 (Änderung der Zivilprozessordnung, Zu Nr. 3 (§ 833a), S. 16, rechte Spalte, vorletzter Halbsatz heißt es: „unter Konto sind dabei alle Arten von Konten bei Kreditinstituten, insbesondere Giro- und Sparkonten zu verstehen.“
547 Danach reicht künftig die Pfändung von „(Konto)Guthaben“ aus, um auch künftige Salden einschließlich eines eventuellen (künftigen) Rechnungsabschlusssaldos zu erfassen. Damit sollen, so die Gesetzesmaterialien, „sprachlich schwerfällige PfÜBs entbehrlich“ werden. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes, BT-Drucks. 16/7615 vom 19.12.2007, B. BT, Zu Art. 1 (Änderung der Zivilprozessordnung, Zu Nr. 3 (§ 833a), S. 17, linke Spalte, 2. Absatz.
548 Das alleine macht aber einen PfÜB nicht schwerfällig. Vielmehr sind es die mannigfachen sonstigen Ansprüche gegen Kreditinstitute (siehe Rn. 763 ff.), die weiterhin explizit genannt sein müssen. Diese sind es vielmehr, die einen PfÜB „sprachlich schwerfällig“ machen.
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3. Künftige Salden und Abschlusssaldo
b) Pfändung des Abschlusssaldos gekündigter Konten Wurde ein Konto gekündigt, unterliegt der mit Wirksamwerden der Kündigung 549 entstehende Abschlusssaldo bei einer Pfändung von „(Konto)Guthaben“ der Pfändung, auch ohne ausdrückliche Erwähnung. Dies gilt auch bei einem P-Konto. Denn mit Wirksamwerden der Kündigung endet auch die Pfändungsschutz- 550 eigenschaft des vormaligen P-Kontos. Damit unterliegt der Abschlusssaldo entweder dem (vorrangigen) AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes (vgl. Rn. 421) oder muss an den Pfändungsgläubiger ausgekehrt werden. Der Pfändungsfreibetrag, auch wenn er noch nicht ausgeschöpft war, kann und darf nicht mehr zur Anwendung kommen. Ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.12.4. Das gilt im Übrigen auch für noch nicht verbrauchtes Guthaben, dessen dreimonatiger Übertragungszeitraum zum Wirksamwerden der Kündigung noch nicht abgelaufen ist. Denn die Verfügung über nicht verbrauchtes Guthaben setzt voraus, dass dafür weiterhin ein P-Konto unterhalten wird. Ist das nicht das Fall, dann entfällt grds. jeglicher Pfändungsschutz von Guthaben. Sämtliches Guthaben, auch solches das vor Wirksamwerden der Kündigung auf dem P-Konto eingegangen ist und noch nicht verbraucht wurde, ist mit Beendigung des Pfändungsschutzes (oder gar des gesamten P-Kontos) dann nicht mehr geschützt. Der Schutz von Guthaben setzt zwingend immer ein bestehendes P-Konto, also ein Zahlungskonto mit nicht beendetem Pfändungsschutz voraus. Ausnahme: Nach Entfall des Pfändungsschutzes aber weiter bestehendem Zahlungskonto kann neu entstehendes Guthaben wieder durch § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 geschützt sein.
Das kontoführende Kreditinstitut muss den Kontoinhaber – trotz des inso- 551 weit „offenen“ Wortlautes – im Übrigen darüber nicht über diese Konsequenz gem. § 908 Abs. 2 Nr. 2 informieren, da diese Bestimmung nicht für diesen Fall gilt, sondern sich nur auf ein übertragenes Guthaben bezieht, das bei einem weiter fortbestehenden P-Konto mit Ablauf des Monats droht, der Pfändung zu unterfallen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44: Dort ist die Rede von „der Schaffung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Zusammenhang mit den Ansparmöglichkeiten auf dem P-Konto“. Der Gesetzgeber geht im Rahmen des § 908 Abs. 2 Nr. 2 davon aus, dass ein Kreditinstitut den Schuldner nur – in einer für diesen geeigneten und zumutbaren Weise – über einen aus vorangegangenen Monaten stammenden zusätzlichen pfändungsfreien Betrag i. S. v. § 899 Abs. 2 und den jeweiligen Zeitpunkt des Ablaufs des Schutzes informiert.
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
552 Im Falle einer Kündigung durch den Kontoinhaber liegt dieser Sachverhalt für den Abschlusssaldo nicht vor. Das kontoführende Kreditinstitut trifft auch nach anderen Vorschriften oder vertraglichen Fürsorgepflichten keine diesbezügliche Aufklärungspflicht, dergestalt, dass es den Kontoinhaber etwa darüber aufklären müsste, dass mit Wirksamwerden der Kündigung die (nicht verfügte) Guthaben nicht mehr geschützt sind. Gleichzeitig wäre aber der „gut gemeinte Rat“ an den Kontoinhaber, über das Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto vor Wirksamwerden der Kündigung im Rahmen seines monatlichen Pfändungsfreibetrages noch zu verfügen, keine Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung oder sittenwidrig und würde daher auch nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Pfändungsgläubigers gegenüber dem Kreditinstitut führen.
4. Pfändung des Tagessaldos Zum früheren Recht: vgl. Stöber, 11. Aufl., Rn. 166.
553 Die Zeiträume zwischen den Salden im Zeitpunkt des Rechnungsabschlusses, also z. B. die täglichen Gutschriften, waren – nach früherem Recht – weiterhin dem Zugriff des Schuldners ausgesetzt, BGH, Urt. v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, ZIP 1981, 591 = NJW 1981, 1611,
wenn sie nicht ausdrücklich mitgepfändet wurden. Hat der Schuldner also jeweils unmittelbar vor den Rechnungsabschlüssen abgehoben, ging der Gläubiger leer aus. Gläubiger mussten daher zusätzlich das sich „zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebende Tagesguthaben“ pfänden. Zur Pfändbarkeit dieses Anspruchs: BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, ZIP 1982, 935 = NJW 1982, 2192.
554 Auch die sich zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebenden Tagesguthaben werden gem. § 833a – ohne dass diese Saldenansprüche noch ausdrücklich im PfÜB miterwähnt werden müssten – von einer „(Konto)Guthabenpfändung“ automatisch miterfasst. Das Kreditinstitut darf aus dem sich ggf. täglich ergebenden Kontoguthaben daher keine Barauszahlungen mehr an den Schuldner vornehmen oder Überweisungsaufträge sowie Lastschrifteinlösungen zulassen. Sämtliche Soll-Verfügungen sind daher nicht mehr möglich. Dies ist durch das Kreditinstitut als Drittschuldner durch entsprechende Kontosperren zu gewährleisten. Das Guthaben ist jeweils in der Höhe gepfändet, die der Tageskontoauszug ausweist. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.3.1994 – 1 U 221/91, WM 1994, 684, 686; vgl. dazu auch die Unterschiede zu Wertstellungs- und Buchungstag, Rn. 1278.
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5. Anspruch auf Gutschrift eingehender Beträge
Sogar die Neueinräumung einer geduldeten Überziehung (§ 505 BGB), um 555 später eine Verrechnung mit künftigen Eingängen zu ermöglichen, ist jetzt ebenfalls nicht mehr möglich. Vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. A.253. Dem ist zuzustimmen, weil dies zwar zulässig wäre, dann aber nicht mehr vorrangig vom AGBPfandrecht umfasst wären, weil diese Forderungen gegen den Schuldner dann erst nach Pfändungseingang entstanden wären.
5. Anspruch auf Gutschrift eingehender Beträge Mit der Pfändung des „Guthabens“ i. S. d. § 833a, also aller Salden, des gegen- 556 wärtigen, des künftigen Saldos und des sich „zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebenden Tagesguthabens“, ist der Gläubiger gegen Verfügungen des Schuldners bezüglich Kontoguthaben umfassend geschützt. Gefährdet ist die Entstehung der obigen Ansprüche aus Guthabensalden aber 557 noch dadurch, dass die Eingänge dem Konto gar nicht gutgeschrieben würden und damit gar keine Guthabensalden entstünden. Praxistipp: Um es für den Gläubiger ganz „wasserdicht“ zu machen, muss er noch einen weiteren Anspruch des Schuldners pfänden: Den Anspruch „auf Gutschrift eingehender Beträge“. Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners aus dem Giroverhältnis auf … – … Gutschrift eingehender Beträge … – … Gutschrift aller Eingänge …“.
Die Pfändung des Anspruchs auf „Gutschrift der eingehenden Beträge“ hat 558 deshalb nach einem Urteil des BGH, BGH, Urt. v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, NJW 1985, 1218, 1219 = ZIP 1985, 339,
(nur) zur Folge, dass diese dem Konto auch tatsächlich gutgeschrieben werden müssen, der Kontoinhaber also nicht vor Gutschrift über diese anderweitig verfügen kann (z. B. durch eine „zweckgebundene Einzahlung“). Für den Gläubiger ist sie insofern eine „Hilfspfändung“, BGH, Urt. v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, NJW 1985, 1218, 1219 = ZIP 1985, 339,
damit der Anspruch auf unmittelbare Auszahlung an ihn – aufgrund der (weiteren) Pfändung des Anspruchs auf „Auszahlung des Guthabens“ – vom Schuldner nicht vereitelt werden kann. Die Pfändung ist auch nur im Zu-
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
sammenhang mit einer Guthaben- bzw. Kontokorrentpfändung möglich, nicht dagegen für sich allein. A. A. offensichtlich Stöber/Rellermeyer, Rn. A.247, der davon ausgeht, dass ein „Anspruch auf Gutschrift“ gem. § 675f Abs. 2 BGB nicht mehr besteht. Nach § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB sei der eingehende Zahlungsbetrag dem Schuldner als Empfänger „unverzüglich verfügbar zu machen“, so dass dieser Zahlungsbetrag vom Eingang auf dem Zahlungskonto an, von der Pfändung erfasst sei. Abgesehen davon, dass der Anspruch in den Formularen nach ZVFV noch enthalten ist, geht die h. M. nach wie vor davon aus, dass der Anspruch auf Erteilung einer Gutschrift im Wege der Hilfspfändung als nach § 675t BGB pfändbar ist. Er ist, so Bitter, Bankrechts-Hdb, § 17 Rn. 46, der gesetzlich konkretisierte Anspruch des Kontoinhabers auf Erteilung einer Gutschrift hinsichtlich eingegangener Beträge, die bei Pfändung allerdings „nur“ bewirkt, dass „die eingehenden Beträge dem Konto auch tatsächlich gutgeschrieben werden müssen, der Kontoinhaber also nicht vor Gutschrift im Einvernehmen mit der Bank die Kontokorrentbindung aufheben und sodann über die Beträge anderweitig verfügen kann.“ Dagegen bewirkt die zusätzliche Pfändung des „Anspruchs auf Auszahlung der laufenden Eingänge“ nichts weiter. Fraglich ist schon, ob er überhaupt pfändbar ist, denn Bitter, a. a. O., Rn. 45, weist zu Recht darauf hin, dass ein solcher Anspruch eigentlich gar nicht existiert, „da die in das Kontokorrent einzustellenden Einzelforderungen nicht pfändbar sind“. Der Kontoinhaber selbst hat nur einen Anspruch auf Auszahlung seines positiven Saldos, nicht aber einen Anspruch auf Auszahlung einzelner eingehender Beträge. Praxistipp: Da § 833a hinsichtlich des Pfändungsumfangs nur „Guthaben-Salden“ erfasst, nicht aber weitere Rechte, BT-Drucks. 16/12714, S. 19, muss der „Anspruch auf Gutschrift eingehender Beträge“ auch weiterhin ausdrücklich mitgepfändet werden. Im ZVFV-Formular (Anhang 5 und 6) allerdings ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten.
6. Anspruch auf Durchführung von Überweisungen 559 Auch dieser Anspruch ist nach Ansicht des BGH pfändbar. BGH, Urt. v. 1.12.1982 – VIII ZR 279/81, ZIP 1983, 34 = NJW 1983, 687.
560 Praktische Bedeutung kommt diesem Anspruch aber keine mehr zu, da gem. § 833a die Pfändung von „Guthaben“ nun auch den Anspruch auf „Auszahlung der Tagessalden“, stets mit umfasst und damit mitgepfändet ist. Im ZVFV158
7. Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (Kontoauszüge)
Formular (Anhang 5 und 6) ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten. Dann sind Soll-Verfügungen ohnehin schon deshalb nicht mehr möglich. Der ebenfalls häufig verwendete – im Übrigen auch vom Gesetzgeber i. R. d. Kontopfändungsreform, vgl. § 833a – Begriff „Tagesguthaben“ ist dagegen missverständlich: es gibt nicht nur einmal am Tag ein Guthaben, sondern der Kontoinhaber – und damit auch der Pfändungsgläubiger – kann die nach jeder Kontoverfügung untertags entstehenden „ad-hoc-Tagesguthabensalden“ beanspruchen.
7. Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (Kontoauszüge) Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners aus der Kontokorrentvereinbarung auf… – … Auskunft und Rechnungslegung aus dem Bankvertragsverhältnis … – … Auskunft und Rechnungslegung, einschließlich des Rechts auf Herausgabe der Kontoauszüge … – … Auskunft über Gutschrift und Kontostand …“. Wichtig: Dieser Anspruch ist im ZVFV-Formular (Anhang 5 und 6 ) NICHT in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ enthalten und muss daher separat zusätzlich aufgenommen werden.
Die Frage ist vielfach für den Gläubiger, ob er die ihm nach der Pfändung zu- 561 stehenden Ansprüche aus dem Kontokorrent bzw. Giroverhältnis auch kontrollieren/überwachen kann. Besonderes Interesse hat der Gläubiger daher am Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch des Schuldners, am liebsten in Form der „Herausgabe von Kontoauszügen“ durch den Drittschuldner, auch um sich dadurch weitere Kenntnis über die Zahlungsströme des Schuldners verschaffen zu können. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 48.
Zwischen Kreditinstitut und Kunden besteht mit Abschluss eines Girovertrages 562 mit Kontokorrentabrede ein Zahlungsdiensterahmenvertrag i. S. d. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB. Daraus ergibt sich für den Kunden als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter i. S. v. §§ 675, 675c Abs. 1 BGB aus §§ 666, 675c Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung. BGH, Urt. v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, ZIP 1985, 1315 = NJW 1985, 2699.
563
Während dieser Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch pfändbar ist, BGH, Beschl. v. 18.7.2003, – IXa ZB 148/03, ZIP 2003, 1771 = ZVI 2003, 457 = NJW-RR 2003, 1555,
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
(nicht allein, aber als Nebenrecht zur Pfändung der „Ansprüche aus einem Girovertrag mit Kontokorrentabrede“ und deswegen muss er im Übrigen nicht ausdrücklich mitgepfändet werden), hat es der BGH abgelehnt, den Anspruch auf Erteilung der Kontoauszüge durch den Drittschuldner als pfändbar anzusehen. H. M., zuletzt BGH v. 28.6.2006 – VII ZB 142/05, WM 2006, 1684; zuvor bereits: BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 90/05, ZIP 2005, 2252 = ZVI 2006, 114 = WM 2005, 2375; Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 49 m. w. N. in Fn. 7.
564 Das klingt zunächst widersprüchlich, weil der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in der Praxis nun mal durch Aushändigung der Kontoauszüge erfüllt wird. Bitter, Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 50,
weist aber völlig zu Recht darauf hin, dass es zu differenzieren gilt: 565 Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch, zumeist als Nebenanspruch zum „Anspruch auf des sich zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebenden Tagesguthabens“ (siehe oben) mitgepfändet, soll nur darauf gerichtet sein, dem Gläubiger Auskunft über eben die Höhe des (Tages)Guthaben-Saldos zu verschaffen. So auch das LG Itzehoe, Urt. v. 10.5.1988 – 1 S 292/87, ZIP 1988, 1540 = NJW-RR 1988, 1394.
566 Bestünde daher kein Guthabensaldo, bestünde im Ergebnis auch kein Auskunftsanspruch, der sich ja als Nebenrecht nur vom (bestehenden) Hauptanspruch ableitet. Bestünde aber ein Guthaben, das dann an den Gläubiger abgeführt werden müsste, bedarf es des Auskunftsanspruchs (zur Durchsetzung) nicht. Allenfalls wäre daran zu denken, wenn der Gläubiger berechtigte Zweifel glaubhaft machen könnte, dass der Drittschuldner nicht korrekt abgeführt hätte. 567 Die Pfändung von Kontoauszügen beim Drittschuldner dagegen würde dem Pfändungsgläubiger Informationen an die Hand geben, „deren Umfang aber nicht mehr durch den, dem PfÜB zugrunde liegenden Titel, gerechtfertigt“ wäre. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 50, der darauf verweist, dass zwischen dem deutlich umfassenderen Rechnungslegungsanspruch und dem allgemeinen Auskunftsanspruch, der allein dazu berechtigt, Auskunft über die Höhe des Saldos zu erhalten, eben ein deutlicher Unterschied besteht.
568 Dem hat sich der BGH angeschlossen, so dass Gerichte die Pfändung der Herausgabe von Kontoauszügen (vom Drittschuldner!) grundsätzlich auch nicht mehr zulassen. Sollte sie gleichwohl noch erscheinen, ist der Anspruch in
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7. Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (Kontoauszüge)
der Drittschuldnererklärung als „unzulässig“ zurückzuweisen oder Erinnerung, § 766, gegen den Beschluss einzulegen. Eine Ausnahme hat das AG Wuppertal zugelassen für den (Sonder-)Fall, dass 569 der Drittschuldner die Drittschuldnererklärung nicht abgibt: Im Zuge der Drittschuldnerklage, kann der Drittschuldner dann auch zur Herausgabe von Kontoauszügen verpflichtet werden, wenn die Herausgabe zuvor im PfÜB angeordnet worden war. AG Wuppertal, Urt. v. 28.11.2012 – 36 C 256/12, JurBüro 2013, 105; Drittschuldner war hier allerdings kein Kreditinstitut, sondern die Tochter der Streitverkündeten, welche in ihrer Eidesstattlichen Versicherung angegeben hatte, dass ihre (Sozial-)Leistungen auf den Girokonten der Beklagten eingehen, woraufhin der Pfändungsgläubiger einen PfÜB gegen die beklagte Tochter erwirkte. Dadurch wurden alle Ansprüche der Streitverkündeten gegen die Beklagte aus der Vereinbarung über die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch die Beklagte für die Streitverkündete gepfändet. Nachdem die Beklagte die Drittschuldnererklärung nicht abgegeben hatte, erhob der Pfändungsgläubiger erfolgreich Drittschuldnerklage.
Der Gläubiger hat aber i. R. d. § 836 Abs. 3 Satz 1 die Möglichkeit die Heraus- 570 gabe von Kontoauszügen vom Schuldner zu verlangen. Unmissverständlich: BGH, Beschl. v. 23.2.2012 – VII ZB 59/09, ZIP 2012, 893, jedenfalls für den Regelfall, dass der Gläubiger Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut gepfändet hat, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits. A. A. LG Stuttgart, Beschl. v. 28.9.2007 – 10 T 302/07, ZIP 2008, 1321 = ZVI 2008, 386.
Der entsprechende Antrag kann zusammen mit dem Antrag auf Erlass des 571 PfÜBs gestellt werden. BGH, Beschl. v. 23.2.2012 – VII ZB 59/09, ZIP 2012, 893.
Einige Gerichte haben vor dieser BGH-Entscheidung verlangt, dass „zur 572 Vermeidung einer Ausforschungspfändung dem Schuldner nachzulassen ist, die in den Kopien der Kontoauszüge enthaltenen Angaben zu den einzelnen Buchungsvorgängen zu schwärzen“. LG Hannover Beschl. v. 5.12.2002 – 11 T 328/02, n. v.; LG Bremen, Beschl. v. 2.11.2009 – 2 T 749/09, n. v.; LG Verden, Beschl. v. 12.10.2009 – 6 T 151/09, BeckRS 2010, 02935; ebenso bereits das AG Verden, Zwischenverfügung v. 10.9.2009 – NZS 7a M 3808/09, n. v.
Auch dies hat der BGH verworfen.
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BGH, Beschl. v. 23.2.2012 – VII ZB 59/09, ZIP 2012, 893.
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
Das Vollstreckungsgericht darf danach auch nicht von Amts wegen Einschränkungen des Herausgabeanspruchs der vollständigen Kontoauszüge dadurch anordnen, dass dem Schuldner etwa gestattet wird, Schwärzungen in den Kontoauszügen vorzunehmen. Etwaige Verletzungen seiner Rechte auf Gemeinhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Kontoauszügen enthaltenen Informationen kann der Schuldner nur im Wege der Erinnerung (§ 766) geltend machen. Der Gerichtsvollzieher kann hierzu analog § 765a Abs. 2 die Herausgabe der Kontoauszüge bis höchstens eine Woche aufschieben. BGH, Beschl. v. 9.2.2012 í VII ZB 49/10, ZIP 2012, 890. Zur Kritik daran, vgl. Bitter, in: Bankrecht-Hdb., § 17 Rn. 58a. Das AG Gummersbach, Beschl. v. 18.8.2016 – 61 M 1387/16, BeckRS 2016, 113459, hat in einer Entscheidung klargestellt, dass der Schuldner darüber hinaus weder die sich aus den Kontoauszügen ergebenden Fakten zusätzlich im Wege der Auskunft zu erklären hat noch Auskunft darüber erteilen muss, von wem er eine Gutschrift erhalten hat und ob und welche Gutschriften er künftig erwartet.
574 Dass bei der Lohnpfändung flankierend die Herausgabe der letzten drei Lohnabrechnungen möglich ist, BGH, Beschl. v. 20.12.2006 – VII ZB 58/06, ZVI 2007, 63,
der Herausgabeanspruch auf Kontoauszüge aber erst ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zugestanden wird, vermag allerdings nicht zu überzeugen. Dass die Herausgabe nur die nach Wirksamwerden des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses angefallenen Auszüge, nicht dagegen die Kontoauszüge für den Zeitraum davor umfasst, hat der BGH allerdings ausdrücklich klargestellt, BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – VII ZB 99/10, BeckRS 2012, 07794329.
575 Insgesamt sind die Entscheidungen für die Praxis nicht ganz konsequent. Zwar darf das Vollstreckungsgericht die Herausgabeanordnung im BeschlussEntwurf nicht mehr streichen und die Schwärzung nicht mehr anordnen, aber im Wege der Erinnerung kann der Schuldner trotzdem seine Rechte auf Gemeinhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Kontoauszügen enthaltenen (weitergehenden) Informationen geltend machen. Dort kann dann, im Einzelfall, doch wieder eine Schwärzung erfolgen. 576 Gläubiger können allenfalls darauf hoffen, dass sich Schuldner kaum wehren werden und/oder sich die „Schwärzungen“ tatsächlich eng auf wenige Einzelfälle beschränken. Werden dem Schuldner auf Antrag vom drittschuldnerischen Kreditinstitut Duplikate zur Verfügung gestellt, muss dies nur gegen Kostenersatz erfolgen. Das OLG Frankfurt/M., Urt. v. 23.1.2013 – 17 U 54/12, ZIP 2013, 452, hat allerdings entschieden, dass die Höhe des Entgelts für die Nacherstellung von Konto-
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9. Konto-Karte (girocard) auszügen, zum einen angemessen und zum anderen (nur) an den tatsächlichen eigenen Kosten des Kreditinstitutes für das Erbringen der Information ausgerichtet sein darf. § 675d Abs. 3 Satz 2 BGB sei hier der Kontrollmaßstab.
8. Pfändung von prepaid-Konten Prepaid-Konten sind regelmäßig Konten, bei denen vom Kunden der später 577 mittels Kreditkarten verfügbare Betrag im Voraus auf dieses gesondertes (Kreditkarten-)prepaid-Konto eingezahlt werden muss. Auch diese werden als „Konto“ von einer Kontopfändung (Guthaben) erfasst.
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In der genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken werden die Kreditkartenkonten für vorausbezahlte Kreditkarten unabhängig von dem Girokonto des Kontoinhabers geführt. Diese Konten sind sogar Zahlungsverkehrskonten, auf die – je nach Ausgestaltung eine eigene Kontonummer vergeben wird mit der Möglichkeit, Überweisungen direkt auf dieses Kreditkartenkonto vorzunehmen. Ein solches prepaid-(Kreditkarten-)Konto ist daher ein vom Girokonto unabhängiges Konto. Das Guthaben auf dem prepaid-(Kreditkarten-)Konto wird daher auch nicht von Pfändungsschutz des Guthabens auf dem P-Konto erfasst.
Nach Zustellung der Kontopfändung darf die vorausbezahlte Kreditkarte nicht 579 mehr eingesetzt werden. Dafür hat das drittschuldnerische Kreditinstitut Sorge zu tragen. 9. Konto-Karte (girocard) Der BGH hat klargestellt, dass keine Verpflichtung des Schuldners besteht, bei 580 Pfändung seines Kontos die Konto-Karte an den Gläubiger oder den Drittschuldner herauszugeben. BGH, Beschl. v. 14.2.2003 – IXa ZB 53/03, ZIP 2003, 523 = NJW 2003, 1256.
Ein Gläubiger könne, so der BGH, die an ihn überwiesene Forderung auch durchsetzen, ohne im Besitz der Konto-Karte zu sein (vgl. aber Rn. 588). Konto-Karten seien keine „über die Forderung vorhandenen Urkunden“ i. S. d. § 836 Abs. 3 Satz 1. Auch handele es sich bei der Nutzung der KontoKarte um kein Neben- oder Vorzugsrecht i. S. d. § 401 BGB. Im Übrigen stellt dies für den Pfändungsgläubiger keinen Nachteil dar: Hat der 581 Gläubiger das sich „zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebenden Tagesguthabens“ gepfändet, kann seit Abschaffung der eurocheque-Zahlungsgarantie (seit 1.1.2002) eine Verfügung mittels Konto-Karte dem Gläubiger ohnehin nicht mehr entgegengehalten werden. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 52.
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
10. Pfändung des Geldkarten-Guthabens Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses seiner Geldkarte (Chipguthaben) sowie das Recht, den GeldKarten-Vertrag zu kündigen. Zugleich wird angeordnet, dass der Schuldner die Geldkarte, die einzig den nicht verbrauchten Vorschuss belegen kann und zur Entladung des Guthabens der Drittschuldnerin vorzulegen ist, an den Gläubiger herauszugeben hat.“ Wichtig: Dieser Anspruch ist in den ZVFV-Formularen (Anhang 5 und 6) NICHT in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ enthalten und muss daher weiterhin separat zusätzlich aufgenommen werden.
582 Auf den heutigen Bank-/Sparkassen-Cards (girocards) ist auch ein Chip vorhanden, der vorausbezahltes „aufgeladenes“ Guthaben speichert und mittels dessen man dann bargeldlos zahlen kann. Der Ladebetrag wird auf einem (bankinternen Sammel-)Verrechnungskonto des kartenausgebenden Kreditinstituts gutgeschrieben. Das Geld auf diesem sog. „Börsenverrechnungskonto“, Koch, in: Bankrechts-Hdb, § 43 Rn. 36,
steht somit – als Vorauszahlung – dem Kreditinstitut zu; i. H. d. vorausgezahlten Betrages gibt sie insoweit – i. R. eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses mit dem Geldkarteninhaber – eine Zahlungsgarantie gegenüber dem akzeptierenden Händler ab. Die Geldkarte ist dadurch eine (vorausbezahlte) „elektronische Geldbörse“. Zu sog. Debit-Karten (debitscards), einer Mischform aus girocard und Kreditkarte bzw. der Sparkassen-Card mit sog. DebitMastercard-Funktion, siehe Rn. 412.
583 Vollstreckungsrechtlich ist das Guthaben dieser elektronischen Geldbörse eine Forderung und damit pfändbar. 584 Die überwiegende Auffassung sieht in der Geldkarte eine „Forderung“ schon deshalb, weil die Pfändung der Karte allein noch nicht den Zugriff auf das Guthaben ermöglicht (PIN geschützt). Siehe dazu Koch, in: Bankrechts-Hdb., 5. Aufl., § 68 Rn. 54.
585 Eine Pfändung würde also mittels PfÜB erfolgen müssen. Konkret pfändbar ist der „Anspruch auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses.“ 586 Nach § 667 BGB ist nämlich das kartenausgebende Kreditinstitut als Geschäftsbesorger zur Herausgabe dessen verpflichtet, was es i. R. d. Auftragsausführung erhält; dazu gehört auch der (nicht verbrauchte) Vorschuss. BGH, Urt. v. 3.2.1988 – IVa ZR 196/86, NJW-RR 1988, 1264.
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11. Pfändung in Kreditzusagen
Mitgepfändet ist als Nebenrecht auch das Kündigungsrecht des Geldkarten- 587 vertrages. Nur durch die Kündigung kann der Gläubiger letztlich den nicht verbrauchten Vorschuss „einfrieren“, da der Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses erst dann entstehen kann, wenn weitere Geldkarten-Abbuchungen nicht mehr möglich sind. Koch, in: Bankrechts-Hdb., § 43 Rn. 69.
Demgemäß ist der Gläubiger – anders als bei der reinen Pfändung der Konto- 588 Karte – in diesem Fall auch berechtigt, die Herausgabe der Geldkarte vom Inhaber zu verlangen. Dies kann er im Wege der Hilfspfändung gem. § 836 Abs. 3 anordnen lassen. Nur die Geldkarte kann insofern die Höhe des nicht verbrauchten Vorschusses und damit des Rückzahlungsanspruches „beweisen“. Koch, in: Bankrechts-Hdb., § 43 Rn. 69, der zu Recht darauf hinweist, dass der Umstand, dass technisch auch ohne die Geldkarte der nicht verbrauchte Vorschuss entladen werden kann, den Herausgabeanspruch nicht in Frage stellt.
Für das Kreditinstitut ist die Haftungsfrage entscheidend. Da das kartenaus- 589 gebende Kreditinstitut bezüglich des Guthabens eine Zahlungsgarantie abgegeben hat, können ihm Abbuchungen, die vor Sperrung und Entladung der Geldkarte erfolgt sind, auch nach Pfändungseingang nicht entgegengehalten werden. Nach Eingang der Pfändung des Anspruchs des Schuldners auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses seiner Geldkarte (Chipguthaben) ist das Kreditinstitut aber selbstverständlich verpflichtet, zu verhindern, dass die Geldkarte nicht zu Lasten gepfändeten Guthabens erneut aufgeladen wird. 11. Pfändung in Kreditzusagen Alle Ansprüche rund um die Guthabensalden und die dazugehörigen „Hilfs- 590 pfändungen“ helfen aber dann nichts, wenn sich kein Guthaben auf dem Girokonto ergibt. Alle obigen Pfändungen gehen also zunächst ins Leere, wenn sich das Konto – trotz Gutschrift der laufenden Eingänge – (weiterhin) im Soll befindet (debitorisches Konto). Der EuBvKpf hat sich in diesem Falle erledigt. Sofern das Konto zu Zustellungszeitpunkt kein Guthaben oder gar ein Soll aufweist, ist eine Europäische Kontopfändung nicht möglich. Denn anders als regelmäßig der nationale PfÜB erfasst die Pfändung des Guthabens eines Kontos mittels EuBvKpf nicht auch künftiges Guthaben, Art. 4 Nr. 1 und 3 i. V. m. Art. 24 Abs. 6. Danach sind ausdrücklich nur vorhandene Tagesguthabensalden „zum Zeitpunkt der Ausführung des Beschlusses“ erfasst und nicht auch die Tagesguthabensalden der auf die Ausführung des EuBvKpf folgenden Phasen. Wegen dieser Formvorgaben der EuBvKpf kann dieser auch nicht auf künftiges Guthaben erweitert werden indem der Gläubiger beispielsweise den EuBvKpf entsprechend ergänzt, vgl. Rn. 347.
Die einzelnen Eingänge, die kontokorrentgebunden sind, sind ja – wie bereits 591 oben erwähnt – nach dem Wesen des Kontokorrents als reine Rechnungsposten
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
nicht pfändbar. Ob weitere Sollverfügungen möglich sind, ist nach wie vor umstritten. Vgl. Bitter, in: Bankrecht-Hdb., § 17 Rn. 54, der weitere Sollverfügungen für möglich hält, weil weitere Verfügungen im Debet durch nur eine Pfändung der Ansprüche aus dem Girovertrag nicht verboten sein können; dort auch m. w. N. zu den gegensätzlichen Meinungen; weitere Sollverfügungen unzulässig, insb. OLG Köln, Urt. v. 25.3.1983 – 20 U 257/82, ZIP 1983, 810.
592 Gläubiger versuchen sich deshalb über die Pfändung von Kreditansprüchen auch jenseits von Guthabensalden Ansprüche zu sichern. Dazu umfassend und sehr instruktiv Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 59 ff.
Haftungsfalle: 593 Auch diesbezüglich verschafft § 833a keine Erleichterung: diese Ansprüche müssen weiterhin separat und ausdrücklich mitgepfändet werden. a) Geduldete Überziehung und eingeräumte Überziehungsmöglichkeit – Definitionen 594 Den Begriff „Überziehungskredit“, aus dem alten § 493 BGB i. d. F. bis 10.6.2010,
der nicht unterschied zwischen dem vertraglich geschuldeten Dispositionskredit, auf dessen Ausnutzung der Schuldner grundsätzlich einen Anspruch hatte und der sog. geduldeten Kontoüberziehung/des geduldeten Überziehungskredits auf den der Kunde keinen Anspruch hatte, gibt es so nicht mehr. Mit der Einführung der §§ 504 und 505 BGB, eingeführt mit Wirkung vom 11.6.2010 durch Gesetz v. 29.7.2009 (BGBl I, 2355), der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (VKR) in deutsches Recht,
wird auch im BGB deutlich zwischen „eingeräumter Überziehungsmöglichkeit“ (§ 504 BGB) und „geduldeter Überziehung“ (§ 505 BGB) unterschieden. Bei der geduldeten Überziehung gibt es keine vertragliche Vereinbarung, sondern das Kreditinstitut lässt eine Kreditinanspruchnahme (eine „Überziehung“) – aufgrund Einzelentscheidung oder weil es einen „internen“ Kreditrahmen vergeben hat – zu, obwohl das Konto keine Deckung aufweist. b) Geduldete Überziehung, § 505 BGB 595 Dieser Anspruch ist nicht pfändbar, BGH, Urt. v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, ZIP 1985, 339 = NJW 1985, 1218,
da eine bloße „Chance“ (auf Zulassung der Überziehung) unpfändbar und dem Zugriff eines Pfändungsgläubiger entzogen ist. 166
11. Pfändung in Kreditzusagen BGH, Urt. v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435 = ZVI 2007, 379 = NZI 2007, 225. „Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung seitens der Bank gibt dem Kunden ihr gegenüber keinen pfändbaren Anspruch auf Kredit.“
Auch insolvenzrechtlich führt nach obigem Urteil des BGH die Befriedigung 596 eines Gläubigers mit Mitteln aus einer geduldeten Kontoüberziehung in der Regel nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung, es sei denn, dies geschähe „auf Veranlassung“ des Kreditinstituts. Vereinbart allerdings ein Kreditinstitut mit ihrem Kunden, ihn i. H. d. gepfändeten Betrages über das Konto verfügen zu lassen, ist dies keine geduldete Kontoüberziehung mehr, sondern begründet für den Kunden einen Kreditgewährungsanspruch. Dieser ist dann grundsätzlich pfändbar und eine daraus resultierende Verfügung in der nachfolgenden Insolvenz als gläubigerbenachteiligend anfechtbar. BGH, Urt. v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, ZIP 2008, 701 = FD-InsR 2008, 257466, m. Anm. de Bra.
Vorsicht: Eine „konkludente Vereinbarung einer (erhöhten) Kreditlinie“ kann 597 laut BGH, BGH, Urt. v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435 = ZVI 2007, 379 = NZI 2007, 225,
aber auch dann in Betracht kommen, wenn das Kreditinstitut eine an sich vertragswidrige, nur „geduldete“ Überziehung über einen längeren Zeitraum zulässt. Schon Duldungen über 60 Tage können diese Voraussetzungen ggf. erfüllen. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 81, der unter Verweis auf OLG Hamm, Urt. v. 10.12.2001 – 31 U 103/99, InVo 2003, 76, davon aber den Fall unterschieden wissen will, bei dem mehrfaches Dulden von Überziehungen jeweils im Zusammenhang mit der Einreichung von Schecks oder sonstigen Gutschriften auf dem Konto stehen. Hier handele es sich jeweils im Einzelfall um eine erneute Überziehung. Der Autor kann aus Vorsichtsgründen allerdings nur dazu raten, sich auf diese Sichtweise nicht zu verlassen, worauf Bitter auch selbst hinweist.
c) Eingeräumte Überziehungsmöglichkeit (Dispositionskredit) Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf … – … Auszahlung, Gutschrift und Überweisung an sich und Dritte von Kreditmitteln aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen … – … Auszahlung oder Gutschrift gewährter Kredite einschließlich eingeräumter Dispositions- und Überziehungskredite, nach Abruf des Kredites durch den Schuldner.“
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto) Im ZVFV-Formular (Anhang 5 und 6 ) allerdings ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten, und zwar wie folgt: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits („offene Kreditlinie“), soweit der Schuldner den Kredit in Anspruch nimmt …“
598 Bei einem Dispositionskredit (=„eingeräumte Überziehungsmöglichkeit“) besteht gem. BGH, BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 118 = NJW 2004, 1444,
vor dem Abruf durch den Darlehensnehmer noch kein Anspruch auf Auszahlung gegen das Kreditinstitut, den ein Pfandgläubiger ohne Mitwirkung des Kreditinhabers einziehen kann. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 74.
599 Denn beim Dispositionskredit/Kontokorrentkredit wird es in das Belieben des Darlehensnehmers gestellt, ob und in welchem Umfang er die ihm eingeräumte Kreditlinie in Anspruch nimmt. Dadurch kommt (zunächst) nur ein sog. „Krediteröffnungsvertrag“ zu Stande, BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 118 = NJW 2004, 1444,
der dem Darlehensnehmer das Recht einräumt, i. R. d. festgelegten Kreditlimits bestimmte Geldbeträge durch Barabhebung, Überweisung oder auf anderem Wege abzurufen. Da es also dem Darlehensnehmer überlassen bleibt, ob, wann und in welchem Umfang er sich des bereitgestellten Betrags bedient, wird ein „Anspruch auf Auszahlung“ erst durch den Abruf des Kunden begründet. BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937. Der BGH hat inzwischen auch klargestellt, dass auch bei schon bestehendem Pfandrecht am Konto, die Vornahme einer Überweisung eine (eigene anfechtbare) Rechtshandlung i. S. d. § 129 InsO sein kann. Der anfechtungsrelevante Zeitpunkt ist damit der Abruf der Kreditmittel durch den Überweisungsauftrag. Dementsprechend entsteht ein Pfandrecht daran auch erst mit dem Abruf der Kreditmittel als Rechtshandlung des Schuldners, BGH, Urt. v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324. Die Pfändung bezieht sich insofern auf eine künftige Forderung, bei der das Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet wird, BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513.
600 Im Ergebnis bedeutet das: Der Anspruch auf Auszahlung eines Dispositionskredites bzw. einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit ist zwar pfändbar, BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937,
168
11. Pfändung in Kreditzusagen
das Recht des Bankkunden auf Abruf des Kreditbetrags dagegen ist als einseitiges, höchstpersönliches Gestaltungsrecht nicht pfändbar. BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 118 = NJW 2004, 1444.
Nach Abruf des Kunden ist das Kreditinstitut dann aber zur Valutierung ver- 601 pflichtet; davon könnte es sich nur durch eine vorherige Kündigung befreien. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 60. Zu beachten ist, dass auch deshalb Bagatell-Überziehungen, die man trotz der Regelung in § 850k Abs. 1 Satz 3 und § 901 ggf. zulässt, die Gefahr bergen, dass das als Abruf gewertet werden kann und für den Fall, dass der Pfändungsgläubiger dies herausfindet, eine Nochmalzahlung an ihn auslöst. Drittschuldnerische Kreditinstitute sollten sich daher gut überlegen, ob sie, wenn der Anspruch auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits („offene Kreditlinie“) mitgepfändet ist, was zumeist der Fall ist, auch BagatellÜberziehungen noch zulassen.
Zweckgebundene Dispositionskredite bzw. eingeräumte Überziehungsmög- 602 lichkeiten sind ohnehin nicht pfändbar oder nur von einem Gläubiger, der die Pfändung wegen genau dieser zweckgebundenen Forderungen betreibt. OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.7.2006 – 8 U 330/05-98, ZIP 2006, 2029 = ZVI 2007, 309 = WM 2006, 2212.
Eine Zweckbindung wird z. B. bei einem Sanierungskredit angenommen.
603
BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937.
Dass jeder Dispositionskredit (konkludent) zweckgebunden ist, also quasi das 604 Kreditinstitut „dem Kunden das Geld im Zweifel nicht schlechthin, sondern nur unter der verständlichen Voraussetzung zur Verfügung stellen wolle, dass der Kunde seine wirtschaftliche Position durch Nutzung des Kredits stärke und damit zugleich die Chancen der Bank auf Rückerhalt des Kredits verbessere“, Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 52,
hat der BGH abgelehnt. BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937.
Der Gläubiger kann also nicht durch Pfändung das Abrufrecht des Schuldners 605 auf sich übertragen und ihn so zur Begründung einer (neuen) Verbindlichkeit zwingen. Solange der Schuldner daher keine Verfügung über den ihm eingeräumten Kredit vornimmt, hat die Pfändung für den Gläubiger keinen realisierbaren Wert. BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 118 = NJW 2004, 1444.
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II. Pfändung von Ansprüchen rund um das Girokonto (Kontokorrentkonto)
606 Faktisch ist (spätestens) mit der Pfändung des Anspruchs auf Dispositions-/ Kontokorrentkredit das Konto nun für den Kontoinhaber grundsätzlich total gesperrt. Zur Problematik der Bestimmung des gepfändeten Betrages, wenn ein Kreditinstitut ein erfasstes Tagesguthaben nicht vom Konto abgebucht und den Kunden weiter hat verfügen lassen, vgl. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 57 ff. Bitter ist der Ansicht, dass bei später ausgewiesenen, dann nur „scheinbaren“ Tagessalden in Höhe des Erstattungsanspruchs des Kreditinstitutes gegen den Kontoinhaber kein (neuerlicher) Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers mehr entsteht.
607 Um einen versehentlichen Abruf – z. B. durch Einreichung einer Überweisung – zu verhindern, der dazu führen würde, dass der Betrag dann an den Gläubiger abzuführen wäre, kann dem kontoführenden Drittschuldner-Kreditinstitut daher nur empfohlen werden, die Linie zu (teil)kündigen, sodass keine freie Linie mehr bleibt. Dann entfällt auch ein (weiterer), ggf. versehentlich geltend gemachter Auszahlungsanspruch des Schuldners. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 89, weist darauf hin, dass seiner Ansicht nach ansonsten wohl auch eine Aufklärungspflicht des Kreditinstitutes über die Folgen bestünde; siehe aber Rn. 2732.
608 In der Praxis ist festzustellen, dass eine Kontopfändung – ggf. mit maximal einem halben Tag Verzögerung, um zu klären, ob die Pfändung ggf. „durch Zahlung“ erledigt werden kann, nahezu ausnahmslos dazu führt, dass die Kreditlinien außerordentlich (teil-)gekündigt und damit gestrichen werden; vgl. aber Rn. 44 bezüglich der Besonderheit bei Betriebsmittelkreditlinien gewerblicher Schuldner. 12. Verfügungsbefugnis über ein Konto 609 „Trickreich“ war der Versuch eines Finanzamtes, die „Verfügungsbefugnis“ eines Pfändungsschuldners über ein Konto eines Dritten zu pfänden, weil der Pfändungsschuldner mittels der Verfügungsbefugnis angabegemäß vom Konto dieses Dritten ihm zustehende Gelder hätte abheben dürfen. 610 Das FG Kassel hat dem aber einen Riegel vorgeschoben und die Pfändung abgelehnt (gegen die sich ein Kreditinstitut als Drittschuldnerin gewehrt hatte). Leitsatz: „Die aufgrund einer Kontovollmacht bestehende Berechtigung, über ein Konto zu verfügen, ist als höchstpersönliches Recht nicht pfändbar.“ Hessisches FG v. 16.4.1996 – 4 K 1982/93, WM 1998, 2430 ff; ebenso Bach-Heuker, in: BuB, 125. Lfg. Rn. 2/1275.
611 Der Gläubiger kann aber ggf. den Auszahlungsanspruch des Verfügungsbefugten gegen den Kontoinhaber pfänden, vgl. Vortmann, NJW 1991, 1038, 1039.
170
III. Darlehensansprüche Dem Schuldner können aber nicht nur die Auszahlungsansprüche aus der 612 Zurverfügungstellung eines Dispositionskredites/Kontokorrentkredites zustehen, sondern auch aus der Zurverfügungstellung eines Darlehens. Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf … – … gegenwärtig und künftig zustehende Auszahlung, Gutschrift und Überweisung von Kreditmitteln an sich und Dritte aus bereits abgeschlossenen und künftigen Darlehensverträgen ohne besondere Zweckbindung … – … Auszahlung von Kreditmitteln aus zu seinen Gunsten bestehenden Kreditverträgen und Kreditzusagen … – … Auszahlung der bereitgestellten aber noch nicht ausbezahlten Darlehensvaluta aus zugesagten oder bereitgestellten Krediten, wenn es sich nicht um zweckgebundene Ansprüche handelt …“. Im neuen Formular (Anhang 5 und 6 ) allerdings ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten, und zwar wie folgt: – … auf Auszahlung der bereitgestellten, noch nicht abgerufenen Darlehensvaluta aus einem Kreditgeschäft, wenn es sich nicht um zweckgebundene Ansprüche handelt …
Grundsätzlich besteht dabei kein Unterschied, wer der Darlehensgeber ist: x
Banken/Sparkassen,
x
Bausparkassen,
x
Kreditkarten – Unternehmen.
613
Grundsätzlich ist der Anspruch auf Auszahlung eines vertraglich zugesagten 614 Darlehens pfändbar. BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937.
Dieser Anspruch nach § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich mit Abschluss des 615 Darlehensvertrages (und ggf. der Erfüllung der dort festgelegten Stellung von Sicherheiten und/oder sonstiger Auflagen). Aus den obigen Formulierungen aus der Praxis, ist aber bereits erkennbar, dass 616 zweckgebundene Darlehensauszahlungsansprüche grundsätzlich (zu den Ausnahmen siehe unten) nicht pfändbar sind. BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = NJW 2001, 1937.
Auch deshalb hat die Pfändung von Auszahlungsansprüchen aus Darlehenszusagen kaum wirklich praktische Bedeutung, vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. A.143,
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III. Darlehensansprüche
da Darlehen – anders als Dispositionskredite – zumeist zweckgebunden sein werden. 617 Die Zweckbindung muss aber von beiden – Darlehensnehmer und Darlehensgeber – vereinbart sein, und zwar im Darlehensvertrag selbst. 618 Durch die Vorschriften der Verbraucherkreditrichtlinie durch das Gesetz vom 29.7.2009 (BGBl I, 2355) werden aber die Zweckbindungen meist nur abstrakt angegeben, um die Gefahr eines verbundenen Geschäfts zu vermeiden. 619 Ließe man die Pfändung eines zweckgebundenen Darlehensauszahlungsanspruches zu, könnte diese inhaltliche Bindung, die Zweckerfüllung, nicht mehr erreicht werden. Damit verstieße die Pfändung eines zweckgebundenen Darlehensauszahlungsanspruches gegen § 851 Abs. 1, da nach § 399 Alt. 1 BGB solch ein Anspruch auch nicht abtretbar wäre. 620 Lediglich für denjenigen Gläubiger, die von der Zweckbindung hätten profitieren sollen, z. B. der Handwerker bei einem Bau(spar)darlehen, weil der Schuldner mit Teilen dieses Darlehens seine am Bau tätigen Handwerker hätte bezahlen wollen, könnten auch zweckgebundene Darlehensauszahlungsansprüche pfänden. Vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. A.115.
621 Die praktische Wirkung ist auch deshalb begrenzt, weil das Kreditinstitut als Darlehensgeber die Pfändung gem. § 490 Abs. 1 BGB bzw. aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (im Darlehensvertrag oder auch den Allgemeinen bzw. besonderen Geschäftsbedingungen) zum Anlass nehmen darf und wird, den Auszahlungsanspruch zu widerrufen bzw. zu kündigen. Damit entfällt der Anspruch des Schuldners. 622 Ist die Darlehensvaluta auf dem Girokonto des Schuldners bereits gutgeschrieben, ist der Darlehensauszahlungsanspruch erfüllt und damit weggefallen. Mit der Gutschrift wird die Darlehensvaluta ggf. „Kontoguthaben“ und unterläge dann den oben beschriebenen Kontopfändungsmöglichkeiten.
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IV. Pfändung in andere Konten(formen) 1. Sparkonto Der Anspruch auf Auszahlung einer Spareinlage ist nach § 829 pfändbar. Auch 623 dieser Anspruch ist eine Geldforderung. Die Sparkonto-Nummer muss für die Bestimmtheit der Forderung nicht angegeben werden und auch die Angabe einer falschen Kontonummer würde – wie bei der Girokonto-Nummer – nicht schaden. Sparkonten wären aber auch i. R. einer „Kontoguthaben“-Pfändung gem. § 833a bereits von der Pfändung erfasst. Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf … – … Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tage der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie die auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung der für den Schuldner geführten Sparguthaben … – … Auszahlung der Guthaben auf den bei Ihnen bestehenden Sparkonten sowie den Herausgabeanspruch bezüglich der Sparurkunden … – … Ansprüche auf die gegenwärtigen und künftigen Forderungen, die dem Schuldner aus Spareinlagen auf seinen Sparkonten, insbesondere die Forderungen auf Rückzahlung der Einlagen, Auszahlung von Zinsen und Prämienzahlungen samt Zinsen und Zinseszinsen zustehen. Zugleich wird angeordnet, dass der Schuldner das über das Sparguthaben ausgestellte Sparbuch an den Gläubiger herauszugeben hat…“. Im neuen Formular (Anhang 5 und 6) allerdings ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten, und zwar wie folgt: … gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tag der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung der für ihn geführten Sparguthaben, insbesondere aus Konto Nr. … Ebenfalls angeordnet wird im Formular die Herausgabe der Sparurkunden wie folgt: „Es wird angeordnet, dass der Schuldner das über das jeweilige Sparguthaben ausgestellte Sparbuch (bzw. die Sparurkunde) an den Gläubiger herauszugeben hat und dieser das Sparbuch (bzw. die Sparurkunde) unverzüglich dem Drittschuldner vorzulegen hat.“
a) Gläubigerschaft Grundsätzlich wird der Kontoinhaber/Konto-Errichter auch der Gläubiger 624 der Spareinlage sein. Geht eine Kontopfändung gegen ihn ein, wird dieses Konto von der Pfändung erfasst und gesperrt. In den Konteröffnungsanträgen erklärt der Kontoerrichter/Antragsteller zumeist ausdrücklich Gläubiger zu sein. Insbesondere aber dann, wenn ein Dritter (z. B Eltern für Ihre Kinder; Großeltern für die Enkel) ein Konto errichten und Gelder darauf einzahlen,
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IV. Pfändung in andere Konten(formen)
ist die Gläubigerschaft nicht immer zweifelfrei klar. Letztlich kommt es darauf an, wer gem. der Vereinbarung mit dem Kreditinstitut Kontoinhaber werden sollte. BGH, Urt. v. 18.1.2005 – X ZR 264/02, NJW 2005, 980 = WM 2005, 462.
625 Ein wesentliches Indiz kann dabei nach Ansicht des BGH sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Großvater die Sparbücher der Enkelkonten nie aus der Hand gegeben, aus seinem Vermögen Gelder auf die Konten der Enkelkinder eingezahlt, sich auf den Sparkonten der zu dieser Zeit noch minderjährigen Enkel, die von der Anlage außerdem nichts wussten und Vollmachten durch die Eltern einräumen lassen. Deshalb hatte der BGH entschieden, dass es sich dann „typischerweise“ um einen Fall handele, in dem der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tod vorbehalten will. 626 Das Kreditinstitut wird sich für die Frage, wer Gläubiger ist, zunächst auf die Erklärung des Kontoeröffnungsvertrages berufen können. Es wird auch praktisch kaum möglich sein, dass die pfändungsbearbeitende Stelle bei einer späteren Pfändung gegen den Kontoerrichter feststellen kann, dass dieser noch möglicher Inhaber einer Sparbuch-Forderung ist, die in der IT des Kreditinstitutes auf den Namen der Dritter angelegt sind. Bei jeder Pfändung aber auch noch die Sparbücher aller Angehörigen darauf hin zu prüfen, ob der Pfändungsschuldner hieran ggf. noch Rechte haben kann, dürfte kaum zu rechtfertigen sein. Andererseits dürfte weder die IT noch die Kontenwahrheit des § 154 AO es zulassen, dass sozusagen eine „Neben-Gläubigerschaft“ auch des Kontoerrichters „hinzugeschlüsselt“ wird. Das Kreditinstitut ist daher gut beraten, schon bei der Kontoanlage klar zu klären, wer Gläubiger sein soll und ggf. andere Konstrukte – wie den Vertrag zugunsten Dritter – zu wählen. b) Sparurkunde aa) Allgemeines 627 Es reicht nicht, das Sparbuch (die Urkunde) durch den Gerichtsvollzieher dem Schuldner wegzunehmen, da es als „qualifiziertes, hinkendes Legitimationspapier“, nicht selbstständig Träger des Rechts aus der Spareinlage ist. BGH, Urt. v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, NJW 1959, 622: nach § 808 BGB ist das Kreditinstitut zwar nicht verpflichtet, aber grundsätzlich befugt, an jeden, der sich durch den Besitz des Sparbuches ausweist, ohne Rücksicht auf dessen Gläubigerrecht, Verfügungsbefugnis oder Vollmacht mit befreiender Wirkung Zahlungen aus dem Sparkonto zu leisten.
628 Spareinlagen müssen daher mittels PfÜB beim Geldinstitut gepfändet werden. Allerdings wird das Kreditinstitut ohne Vorlage des Sparbuches keine Überweisung an den Pfändungsgläubiger vornehmen. Der Gläubiger kann und wird beantragen, dass ihm der Schuldner gem. §§ 836 Abs. 3, 883 Abs. 1 im Wege
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1. Sparkonto
der Hilfspfändung (§ 106 GVGA) durch den Gerichtsvollzieher hinsichtlich des Sparbuches Besitz verschafft, um eine Vereitelung des Vollstreckungszugriffs zu verhindern. Wird der Gerichtsvollzieher im Wege der Hilfspfändung mit der Wegnahme eines Sparkassenbuchs beauftragt, empfiehlt es sich, die Kontonummer anzugeben, obwohl dies zur Wirksamkeit der Pfändung des Sparguthabens nicht erforderlich ist (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 6.12.1973 – 81 T 510/73, Rpfleger 1974, 123). Nach Ansicht des AG Bernburg, Beschl. v. 5.1.2021 – 2 M 484/20, LSK 2021, 1219, müssen herauszugebende Sparbücher im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss genau bezeichnet sein. Dies kann ggf. im Wege der Ergänzung des Beschlusses erfolgen.
bb) Mehrfach-Pfändung bei Sparkonten Ist ein Sparguthaben nacheinander für mehrere Gläubiger gepfändet, so richtet 629 sich der Rang des Pfändungspfandrechts ganz normal nach dem Zeitpunkt der Zustellung des PfÜBs und nicht nach dem Zeitpunkt der später (für mehrere Gläubiger gleichzeitig) erfolgenden Wegnahme des Sparbuches. AG Berlin-Charlottenburg, Entsch. v. 11.10.1991 – 31 M 8052/91, DGVZ 1992, 62.
Beispiel: Gläubiger A hat eine Kontopfändung gegen S bei dessen Kreditinstitut K ausgebracht. Von der Pfändung erfasst ist auch ein Sparkonto, allerdings ist A nicht im Besitz des Sparbuches. Gläubiger B hatte zuvor in der Fahrnisvollstreckung das Sparbuch gepfändet und bringt nun ebenfalls, zeitlich nach A, eine Kontopfändung bei K aus. Wem steht das Sparkontoguthaben zu? Lösung: Es steht A zu: Ist ein nachrangiger Pfändungsgläubiger im Besitz des Sparbuches, der erstrangige aber nicht, hat der erstrangige gegen den nachrangigen Pfändungsgläubiger einen Herausgabeanspruch um die Auszahlung gegen K durchsetzen zu können. Wäre das Sparbuch nicht auffindbar, was der Schuldner grundsätzlich an Eides statt erklären muss, könnte A als Pfändungsgläubiger ein Aufgebotsverfahren durchführen, in dem das Sparbuch für kraftlos erklärt wird. Ein Aufgebotsverfahren käme in der Ausgangskonstellation im Übrigen nicht (mehr) in Betracht, wenn A weiß, wo sich das Sparbuch befindet (nämlich bei B). Praxistipp: Sofern der Gläubiger bei kleinen Sparguthaben das erforderliche Buch, die Sparurkunde, nicht vorlegen kann, ist zu erwägen, insbesondere bei umsatzlosen Sparkonten, das Sparkonto auch ohne Vorlage abzurechnen, aufzulösen und an den Gläubiger – vorbehaltlich eigener Forderungen – abzuführen. Den dafür „richtigen“ Schwellenwert mag jedes Kreditinstitut individuell für sich festlegen.
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IV. Pfändung in andere Konten(formen) Der Vorteil: einige Pfändungen können erledigt werden und Kontokosten erspart werden. Das Risiko, dass das Sparbuch später vorgelegt wird, dürfte gering sein. In diesem Fall müsste das Kreditinstitut (lediglich) nachweisen, dass es bereits ausgezahlt hat oder schlimmstenfalls noch mal zahlen. Bei kleinen Beträgen, kein großes Haftungsrisiko.
c) Kennwort/Sperrvermerke/Kündigungsfristen 630 Ein vom Schuldner mit dem Kreditinstitut vereinbartes Kennwort hindert die Pfändung nicht. Entsprechendes gilt für eine Sparkonto-Card, da beide Instrumente nur unberechtigte Abhebungen verhindern sollen. Vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. A.464.
631 Die Spar-Card ist insoweit nur ein Zugangsmedium, nicht aber eine Sparurkunde, die nach der Rechnungslegungsverordnung für Kreditinstitute (§ 21 Abs. 4 Nr. 1 RechKredV) bei jeder als „Spareinlage“ qualifizierten Einlage – auch im Zeitalter des Selbstbedienungs-Sparverkehrs – weiterhin zwingend erforderlich ist. 632 Ein Pfändungsgläubiger gilt aber hinsichtlich dieser „Zugangserschwernisse“ aufgrund der Pfändung stets als „berechtigt“, muss also weder Kennwort noch Spar-Card vorlegen. 633 Beim sog. „Loseblatt-Sparbuch“ muss nach der RechKredV im Zweifel jedes einzelne Blatt oder die einzelnen Sparkontoblätter nebst dem Sparbuchumschlag, in das die Blätter eingeheftet werden und auf dem sich die SparkontoNummer befindet, alle wesentlichen Merkmale einer Sparurkunde aufweisen. Sind alle wesentlichen Merkmale einer Sparurkunde auf dem einzelnen Blatt vorhanden, kommt dem Sparbuchhefter keine weitere Bedeutung zu. 634 Auch in diesen (beiden) Fällen muss der Pfändungsgläubiger die Sparurkunde also mit vorlegen. Ist eine Sparanlage mit einer Einzel-Urkunde wertpapierähnlich ausgestattet (z. B. Spar-Zertifikat oder Zuwachs-Sparen), bilden diese Urkunden die Sparurkunden nach RechKredV. Ausführlich Langner, in: Bankrechts-Hdb., § 46 Rn. 4 ff.
635 Sperrvermerke und Kündigungsfristen muss der Gläubiger grundsätzlich beachten. Auch ohne ausdrückliche Erwähnung des Kündigungsrechtes im PfÜB, wäre der Gläubiger im Übrigen zur Kündigung berechtigt, weil das Recht als unselbstständiges Nebenrecht zur Pfändung des Sparguthabens mitübergeht (§ 401 BGB). d) Prämienbegünstigte Sparverträge 636 Forderungen aus prämienbegünstigten Sparverträgen (vermögenswirksamen Leistungen etc.) sind einschließlich der gutgeschriebenen Sparprämien pfändbar. LG Bamberg, Urt. v. 29.1.1986 – 2 S 79/85, MDR 1987, 243.
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2. Ansprüche aus Festgeldkonten
Wenn keine Vereinbarung zwischen dem Schuldner/Sparkontoinhaber mit dem 637 Kreditinstitut besteht, wonach eine prämienschädliche vorzeitige Verfügung nicht möglich ist, kann der Schuldner seinen prämien- und/oder steuerbegünstigten Sparvertrag auch vorzeitig kündigen. Sonst nicht: AG Augsburg, Urt. v. 8.4.1976 – 2 C 2498/75, NJW 1977, 1827; ebenso AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Urt. v. 20.5.1987 – 3 C 528/86, WM 1988, 297.
Damit steht dieses Recht im Falle der Pfändung der Sparguthaben auch dem 638 Pfändungsgläubiger zu. LG Nürnberg-Fürth, Entsch. v. 9.10.1986 – 4 S 3147/86, WM 1987, 1047.
Lediglich bei einer prämienschädlichen Verfügung kurz vor Ablauf der Fest- 639 legungsfrist, könnte in dem Prämienverlust eine „unbillige Härte“ liegen. Dann könnte der Schuldner bei dem Vollstreckungsgericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung (nach § 765a) beantragen. Tut er das nicht und kündigt der Gläubiger den Vertrag prämienschädlich, ist 640 das verbleibende Guthaben durch das Kreditinstitut abzuführen, es sei denn es könnte ein – regelmäßig vorrangiges – AGB-Pfandrecht geltend machen. Bausparguthaben (Drittschuldner: Bausparkasse) unterliegen pfändungsrecht- 641 lich keinen Besonderheiten. Insbesondere sind sie nicht etwa zweckgebunden wie der Bauspar-Darlehensanspruch. LG Bremen, Beschl. v. 23.12.1952 – 4 T 819/52, NJW 1953, 1397.
2. Ansprüche aus Festgeldkonten Formulierungen aus der Praxis: … gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf … – … Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tage der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie die auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung der für den Schuldner geführten Festgeldguthaben … – … Ansprüche auf die gegenwärtigen und künftigen Forderungen, die dem Schuldner aus Festgeldeinlagen auf seinen Festgeldkonten, insbesondere die Forderungen auf Rückzahlung der Einlagen, Auszahlung von Zinsen und Zinseszinsen zustehen. Im neuen Formular (Anhang 5 und 6) allerdings ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten, und zwar wie folgt: … gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tag der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung der für ihn geführten Festgeldkonten, insbesondere aus Konto Nr. …
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IV. Pfändung in andere Konten(formen)
642 Auch sie unterliegen der Pfändung nach § 829. In der Vergangenheit war umstritten, ob von einer „Konto-Pfändung“ auch Festgeld-Konten erfasst sind, wenn sie nicht ausdrücklich genannt waren, dafür: OLG Köln, Urt. v. 1.3.1999 – 16 U 80/98, NJW-RR 1999, 1224; dagegen: OLG Karlsruhe, 22.1.1998 – 19 U 217/96, NJW-RR 1998, 990, 991.
643 Der § 833a regelt aber nun den „Umfang“ der Pfändung des Guthabens eines Kontos; unter „Konto“ sind nach der Gesetzesbegründung alle Arten von Konten bei Kreditinstituten zu verstehen. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes, BT-Drucks. 16/7615 v. 19.12.2007, B. BT, zu Art. 1 (Änderung der Zivilprozessordnung, zu Nr. 3 (§ 833a), S. 16, rechte Spalte, vorletzter Halbs.).
Damit hat sich die Streitfrage, ob Festgeld-Konten von einer Kontopfändung erfasst sind, erübrigt – sie sind es. 644 Handelt es sich im Übrigen in Wahrheit um ein „Festgeld-Sparkonto“, gilt das oben unter „Sparkonten“ Gesagte entsprechend. 3. Gemeinschaftskonten 645 Ein Gemeinschaftskonto ist – im Gegensatz zum Einzelkonto, das nur einen Kontoinhaber kennt – ein für mehrere Personen geführtes Konto. Dabei kommt es auf die Kontoart, Zahlungskonto (Girokonto), Sparkonto, Festgeldoder Termingeldkonto etc., zunächst nicht an, aber einer der häufigsten Fälle des Gemeinschaftskontos ist in der Praxis das gemeinschaftliche Zahlungskonto (Girokonto) von Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnerschaften und sonstigen Partnerschaften sowie unter Familienangehörigen anzutreffen. Sehr instruktiv zum Konstrukt des Gemeinschaftskontos: Knees, WM 2021, 664.
646 Der zwischen Kontoinhabern und Kreditinstitut geschlossene Giro-/Zahlungsdiensterahmenvertrag enthält immer auch Regelungen, wer wie über das Gemeinschaftskonto verfügungsbefugt ist. Ein Gemeinschaftskonto mit vereinbartem Einzelverfügungsrecht aller Mitkontoinhaber wird umgangssprachlich als „Oder“-Konto bezeichnet. Ein Gemeinschaftskonto dagegen mit einem nur gemeinschaftlichen Verfügungsrecht aller Gemeinschaftskontoinhaber zusammen wird als „Und“-Konto bezeichnet, wobei Letzteres eher selten vorkommt, während das „Oder“-Konto die Regelform des Gemeinschaftskontos darstellt. Knees, a. a. O., unter Verweis auf OLG Dresden WM 2001, 1148, dazu Wagner, WuB VI E. § 845 ZPO 1.01 E.
647 Im Rahmen der Kontopfändung macht es einen Unterschied, ob es sich um ein Oder- oder Und-Konto handelt.
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3. Gemeinschaftskonten
a) Oder-Konto Zwei (oder mehrere) Kontoinhaber eines sog. Oder-Kontos gelten als Gesamt- 648 gläubiger i. S. v. § 428 BGB. Zur Frage der Aufklärungspflichten des Kreditinstitutes bei Einrichtung von Gemeinschaftskonten: siehe Rn. 1390.
Jeder für sich kann also gegenüber dem Kreditinstitut aus eigenem Recht das 649 gesamte Guthaben selbstständig fordern. BGH, Urt. v. 8.7.1985 – II ZR 16/85, ZIP 1985, 1047 = NJW 1985, 2698. Zu beachten aber OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 27.2.2012 – 5 UF 51/12, NJW-RR 2012, 902: Wenn das Guthaben auf einem Oder-Konto von (getrennt lebenden) Ehegatten aus einer Steuererstattung resultiert, ist – anders als im Regelfall – nicht von hälftiger Berechtigung auszugehen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut braucht dies jedoch nicht zu beachten, da sich der Ausgleichsanspruch nicht gegen den Pfändungsgläubiger, sondern allein gegen den Schuldner, den anderen Kontomitinhaber, richtet. Durch den PfÜB erwirbt der Pfändungsgläubiger grundsätzlich den Auszahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut allein, unbelastet durch den ggf. im Innenverhältnis zwischen den Kontoinhabern bestehenden Ausgleichsanspruch, BGH, Beschl. v. 6.6.2002 – IX ZR 169/0, BeckRS 2002, 06284.
Gemeinschaftskonten sind grundsätzlich bei allen Kontoarten denkbar.
650
Auch Depots sind als Gemeinschaftsdepot möglich, ebenso Darlehenskonten oder Tagesgeldkonten. Siehe dazu auch Mueller-Christmann, Besprechung zu BGH, Urt. v.20.3.2018 – XI ZR 30/16, WuB 2018, 485.
Vollstreckt daher ein Gläubiger aus einem Titel, der sich nur gegen einen der 651 Kontoinhaber richtet, im Wege der Forderungspfändung mittels PfÜBs in ein Oder-Konto, ist das Konto auch gegen einen Zugriff des anderen Kontomitinhabers zu sperren. Ebenso Knees, WM 2021, 664. Zum Streitstand: Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 115.
652
Dies ist zwar nicht ganz unumstritten, für diese Auffassung mit richtigen Argumenten: Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 114/115 m. w. N., unter insbesondere Bezug auf BGH, Urt. v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, BGHZ 93, 315, 320 f. = WM 1985, 344 = NJW 1985, 1218 m. w. N.; BGH, Urt. v. 8.7.1987 – VIII ZR 274/86, WM 1988, 950, 952 = NJW 1988, 2543, 2545; ebenso LG Itzehoe, Urt. v. 30.3.2010 – 1 S 145/09, VuR 2010, 271 m. Anm. Kohte, VuR 2010, 257; OLG Dresden, Urt. v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148 (einschränkend für den Fall einer nur Vorpfändung).
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IV. Pfändung in andere Konten(formen)
weil die Überweisung zur Einziehung gem. § 836 Abs. 1 zunächst nur die Wirkung einer Rechtsübertragung hat. Aber dann, wenn auch ein Überweisungsbeschluss eingeht, geht die h. M., vgl. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 115 m. w. N.; zuletzt LG Itzehoe, Urt. v. 30.3.2010 – 1 S 145/09, VuR 2010, 271,
davon aus, dass darin eine Erklärung des Pfändungsgläubigers gesehen werden muss, den gepfändeten Betrag an ihn auszuzahlen. Ebenso Knees, WM 2021, 664, 666.
653 Anders ist es nur, wenn lediglich ein Pfändungsbeschluss (ohne Überweisungsbeschluss) eingeht, also z. B. auch bei der Vorpfändung, einem europ. Kontopfändungsbeschluss oder dem Arrest. Nach h. A., Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 114 m. w. N. unter insbes. Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 17.5.1979 – III ZR 176/77, NJW 1979, 2039,
ist der nicht schuldnerische Kontomitinhaber dann nicht gehindert, weiter über das Konto zu verfügen. Offen gelassen Knees, WM 2021, 664, 666.
Dazu das OLG Dresden: OLG Dresden, Urt. v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148. „Unterhält der Schuldner zusammen mit einem weiteren Berechtigten bei einer Bank ein Oder-Konto und erwirkt der Gläubiger gegen ihn eine Vorpfändung nach § 845, so ist die Bank bis zur Zustellung eines PfÜBs nicht gehindert, das Guthaben auf Verlangen des Weiteren Berechtigten mit befreiender Wirkung an diesen auszuzahlen.“ a. A. OLG Stuttgart, Urt. v. 20.12.1995 – 9 U 199/95, InVo 1999, 150, wonach auch bei einer Vorpfändung in ein Oder-Konto dies zur Folge habe, dass die Verfügungsbefugnis des anderen Kontoinhabers entfalle. Allerdings weist Bitter, a. a. O., § 17 Rn. 114 zu Recht darauf hin, dass sich das OLG Stuttgart InVo 1999, 150, 151, zu Unrecht auf Wagner, ZIP 1985, 849, 855 f. stützt, weil es die dort vorgenommene Differenzierung zwischen Pfändung und Überweisung übersieht.
654 Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass sich der BGH noch nicht explizit dazu geäußert hat, die Frage insofern höchstrichterlich noch offen ist, vgl. BGH, Urt. v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, NJW 1985, 1218,
ist seitens der Kreditinstitute Vorsicht geboten. Ob es im Hinblick darauf, dass dann, wenn das Kreditinstitut in einer solchen Situation den nicht gepfändeten Kontomitinhaber weiter verfügen lässt, unter SchadensbetrachtungsGesichtspunkten zu empfehlen ist, die Konten lieber doch auch für den Zugriff des nicht gepfändeten Kontomitinhabers zu sperren, muss im Einzelfall abgewogen werden.
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3. Gemeinschaftskonten Ebenso Knees, WM 2021, 664, 666, der das Kreditinstitut „unter Berücksichtigung möglicher Schadensersatzansprüche“ entscheiden lassen will, ob es Verfügungen des nicht gepfändeten Kontoinhabers noch zulässt oder nicht.
Dagegen stünden mögliche Schadensersatzansprüche des nicht schuldnerischen 655 Kontomitinhabers, dem man die Verfügung über Guthaben verweigert, was für ihn zu Schäden führen kann. Würde man dadurch als worst-case-Betrachtung eine Insolvenz auslösen, weil beispielsweise fällige Sozialversicherungsbeträge von dem Konto nicht mehr gezahlt würden, gilt es die verschiedenen Schadensersatzszenarien für das drittschuldnerische Kreditinstitut gut abzuwägen. Dass bei Verfügung des anderen Kontomitinhabers im Innenverhältnis wohl eine Ausgleichspflicht gegen über dem Pfändungsgläubiger besteht, so Stöber/Rellermeyer, Rn. A.469; ebenso im Insolvenzverfahren Wipperfürth, InsbürO 2014, 68, hat das drittschuldnerische Kreditinstitut allerdings nicht zu interessieren.
In der Praxis werden zumeist aber sowohl ein Pfändungs- als auch ein Über- 656 weisungsbeschluss eingehen, sodass sich das Problem auf wenige Ausnahmen beschränken wird. Bei einer der in der Praxis nicht selten vorkommenden Vorpfändung, vgl. Rn. 299 ff., kann das Problem aber virulent werden, wenn auch nur 1 Monat. Vorpfändungen kommen in der Praxis nicht selten vor; etwa in 10 – 12 % der Fälle gehen einer Kontopfändung vorläufige Zahlungsverbote voraus, vgl. Rn. 25. Pfändet nun ein Gläubiger nur gegen einen der Und-Kontoinhaber, stellt sich die Frage, ob das Kreditinstitut das Und-Konto insgesamt sperren muss oder nicht.
b) Und-Konto Bei Und-Konten können die Mitinhaber – im Gegensatz zum Oder-Konto – 657 nur zusammen über das Guthaben verfügen. In der Praxis werden nahezu ausschließlich Oder-Konten vorkommen, da das Kreditinstitut sonst stets darauf achten müsste, dass alle Und-Kontoinhaber der Verfügung zugestimmt haben, was aufwändig ist und Haftungsrisiken birgt. Aber durch gesetzliche oder vertragliche Umwandlung kommen immer wieder 658 auch Und-Konten vor. So werden die Konten eines Erblassers, die einer Erbengemeinschaft zustehen, ab diesem Zeitpunkt zu Und-Konten. Auch dann, wenn – zumeist in Auseinandersetzungen von Oder-Kontoinhabern wie Ehegatten in der Scheidung oder Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor deren Auseinandersetzung/Auflösung – einer der Mitkontoinhaber den vertraglich vereinbarten Umwandlungsanspruch in ein Und-Konto gegenüber dem Kreditinstitut geltend macht, entsteht ein Und-Konto. Ebenso kann der Insolvenzverwalter/Treuhänder, wenn der Gemeinschuldner einer der Oder-Kontomithaber ist, die Einzelverfügungsbefugnis für die Zukunft widerrufen, vgl. Rn. 2419. Der
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IV. Pfändung in andere Konten(formen) schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO, der (nur) zur Einziehung von Bankguthaben und sonstigen Forderungen des Schuldners ermächtigt ist, kann die für ein Gemeinschaftskonto vereinbarte Einzelverfügungsbefugnis allerdings nicht wirksam widerrufen, BGH, Urt. v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, NZI 2020, 1046.
659 Das hängt davon ab, ob es sich bei dem im Innenverhältnis der Kontoinhaber bestehenden Rechtsverhältnis um eine Gesamthandsgemeinschaft oder eine Gemeinschaft nach Bruchteilen i. S. v. §§ 741 ff. BGB handelt. Das aber wird das Kreditinstitut im Zweifel nicht abschließend beurteilen können. Auch der BGH, BGH, Urt. v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, ZIP 1990, 1538 = NJW 1991, 420,
hat dies offengelassen: „Die Inhaber eines Und-Kontos bilden demgegenüber, soweit keine Gesamthandsgemeinschaft vorliegt, eine Gemeinschaft nach Bruchteilen i. S. d. §§ 741 ff. BGB“.
Man wird also nicht sagen können, Konten einer GbR, die richtigerweise ohnehin auf den Namen der GbR selbst als Einzelkonto angelegt sein sollten, sind stets Gesamthands-Konten, während z. B. Ehegatten-Und-Konten stets eine Bruchteilsgemeinschaft bilden. 660 Für die Pfändung eines Und-Kontos ist grundsätzlich ein Titel gegen alle Kontomitinhaber erforderlich. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.3.2001 – 15 S 10945/00, NJW 2002, 973, 974. Davon geht auch der PKoFoG-Gesetzgeber aus: Bei „Und“-Konten [kann] das Guthaben dagegen nur dann wirksam gepfändet werden, wenn gegen alle Kontoinhaber ein Vollstreckungstitel vorliegt, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, S. 31. Daraus folgt, so der Gesetzgeber, dass bei „Und“-Konten, bei denen ein Vollstreckungstitel nicht gegen alle Kontoinhaber vorliegt, eine wirksame Pfändung nicht erfolgt ist und mithin die Regelung [gemeint ist die des § 850l] nicht greift.
661 Ein Gläubiger könnte aber bei vorliegender Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB den (einzelnen) Schuldneranteil an dieser Bruchteilsgemeinschaft (nicht aber den dem Beteiligungsverhältnis entsprechenden Teil der Forderung) nach § 857 pfänden. Für das Kreditinstitut wäre dann nicht klar, ob es ggf. Drittschuldner wäre (ansonsten der andere Kontoinhaber). 662 Sich als Kreditinstitut auf den Standpunkt zu stellen, der PfÜB sei zu unbestimmt und daher unwirksam und unbeachtlich, kann aus Haftungsgründen nicht empfohlen werden. Ggf. wäre das Und-Konto zu sperren und zur Klärung das Rechtsmittel der Erinnerung einzulegen. Ebenso Knees, WM 2021, 664, 667.
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3. Gemeinschaftskonten
Fazit: Selbst wenn daher ein Gläubiger den (einzelnen) Schuldneranteil an 663 dieser Konto-Bruchteilsgemeinschaft pfändet und eine solche auch vorläge, wäre es wegen der gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis immer noch so, dass das Kreditinstitut zur Überweisung an den Pfändungsgläubiger auf Zustimmung aller Kontoinhaber bestehen könnte. Insofern sollte auch bei einer Pfändung gegen nur einen Kontoinhaber eines Und-Kontos eine Sperrung erfolgen. c) GbR-Konto Ob, wann und ggf. wie ein GbR-Konto von einem PfÜB erfasst wird und zu 664 sperren ist, hängt im Zweifel auch von der Frage der erfolgten Kontoanlage ab und ist somit eine Einzelfallentscheidung. Auch im Hinblick auf § 24c KWG, § 154 AO und auf die zur Verfügung ge- 665 stellten Betriebsmittelkredite auf diesen Konten ist dies wichtig. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung die Rechtsfähigkeit der GbR grund- 666 sätzlich anerkannt. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056 ff. und BGH, Beschl. v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, ZIP 2001, 1713 = NJW 2001, 3121 ff.
Inzwischen wird die GbR allgemein als kontofähig angesehen, soweit sie als 667 sog. Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen auftritt. Langenbucher/Bliesener/Spindler-Servatius, 35. Kap. Rn. 34 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 347 = ZIP 2001, 330; ebenso Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 82; Nobbe/Menges, in: Bankrechts-Hdb., § 38 Rn. 50.
Bei Einrichtung eines Kontos liegt stets eine Außengesellschaft vor.
668
Roth/Stöhr, in: BuB, 105. Lfg., 2/529b.
Nicht abhängig ist dies davon, ob etwa ein schriftlicher GbR-Vertrag vorliegt. § 705 BGB verlangt keine Schriftform. Auch eine nur mündliche Vertragsgrundlage lässt daher eine GbR entstehen. Siehe aber dann zu den Möglichkeiten der Kreditinstitute, sich mittels des (Einzel-)Kontoeröffnungsantrages für die GbR bestätigen zu lassen, dass es sich um eine GbR mit Gesamthandsvermögen handelt, vgl. Rn. 678.
Grundsätzlich wäre damit richtigerweise bei einer Außen-GbR ein Konto direkt 669 lautend auf die GbR anzulegen, als Einzelkonto. Unter Berücksichtigung der insoweit immer noch nicht ganz konsequenten 670 Praxis sind aber nach wie vor folgende Kontoanlageformen bei der GbR vorzufinden und müssen für die Frage, ob, wann und ggf. wie ein GbR-Konto
183
IV. Pfändung in andere Konten(formen)
von einem PfÜB erfasst wird und zu sperren ist, sicherheitshalber unterschieden werden: x
Erstens Kontoanlage auf die einzelnen Gesellschafter als „Oder-Konto“ meist dann, wenn dem Kreditinstitut kein schriftlicher GbR-Vertrag vorliegt. Hier genügt ein PfÜB gegen einen Gesellschafter, um auf das Konto zugreifen zu können. Insoweit gibt es hier keine Unterschiede zum „normalen“ Oder-Konto. Siehe Rn. 648.
x
Zweitens Kontoanlage auf die einzelnen Gesellschafter als „Und-Konto“: Hier bedarf es eines PfÜBs, der sich gegen alle Kontoinhaber richtet. Auch hier kann insoweit auf die obigen Ausführungen zum „Und-Konto“ verwiesen werden. Siehe Rn. 657.
x
Drittens Kontoanlage auf die GbR selbst: Hier bedarf es eines PfÜBs, der sich entweder gegen alle Gesellschafter (§ 736) oder – nach der Rechtsprechung des BGH, BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 = DNotZ 2001, 234 –
gegen die GbR selbst als eigenes Rechtssubjekt richtet. 671 Eine Anlage des Kontos auf die Gesellschafter statt auf die GbR selbst (als Einzelkonto) dürfte aber regelmäßig keine Schadensersatzansprüche des kontoführenden Kreditinstituts auslösen. So hat das KG mit Urt. v. 3.12.2012 – 24 U 124/11, WM 2013, 1407, den vom Schuldner und Anderkontoinhaber im Wege der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch, wegen fehlerhafter Eröffnung der Anderkonten, weil diese nicht gegen den Zugriff eines Pfändungsgläubigers des Anderkontoinhabers geschützt waren, zu Recht verworfen, mit zustimmender Anm. Sudergat, WuB VI D. § 829 2.13.
672 Ein PfÜB, der sich nur gegen einen – jedenfalls aber nicht alle – Gesellschafter der GbR richten würde, würde daher nicht zu einer Sperrung (und gar Abführung von Guthaben) des GbR-Kontos führen dürfen, z. B. wenn bei der Kontoanlage das Konto als klar erkennbar zum GbR-Gesamthandsvermögen gehörend angelegt wurde. Der BGH hat in einem Urteil aus dem Jahre 1992, BGH, Urt. v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, NJW 1993, 735,
auch eindeutig entschieden, dass im Zweifel ein Kreditinstitut die Interessen des eigenen Kunden zu wahren hat. So auch zeitlich später OLG Brandenburg, Urt. v. 8.11.2006 – 4 U 59/06, WM 2007, 2239.
184
3. Gemeinschaftskonten
Zudem ist Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut 673 im Rahmen der AGB bei Sparkassen „durch die Besonderheiten des Bankgeschäfts und ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt“. Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 AGB-Sparkassen.
Problem ist bei der Gläubigerstellung das Innenverhältnis der Gesellschafter. 674 Bei einem GbR-Konto (als Und-Konto oder als GbR-Konto), wie auch bei Partnerschaftsgesellschaft oder Erbengemeinschaft, wird man regelmäßig eine Gesamthandsgemeinschaft unterstellen können. K. Schmidt, in: MünchKomm-BGB, Bd. V, § 741 Rn. 55.
Hat der Gläubiger nur einen Titel gegen einen GbR-Gesellschafter/Konto- 675 inhaber, könnte er daher gem. § 859 nur in die Rechte des Mit-Kontoinhabers und Schuldners an der GbR, dies sind z. B. die Rechte auf Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft und die Erlösliquidation (Teilung und Auszahlung des Kontoguthabens) sowie die Mitwirkung dazu gegenüber dem Kreditinstitut. Drittschuldner wäre dann aber nicht das Kreditinstitut, sondern die Gesamthand, also die GbR. An diese müsste dann der PfÜB zugestellt werden,
und gerade nicht in den Anteil des schuldnerischen Gesellschafters an den einzelnen zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen (hier das Kontoguthaben) vollstrecken. Selbstverständlich wären auch die auf den Gesellschafter selbst lautenden Konten und Ansprüche von einer solchen Pfändung erfasst.
Liegt dem „GbR-Konto“ dagegen im Innenverhältnis eine Bruchteilsgemein- 676 schaft nach §§ 741 ff. BGB zugrunde (z. B. weil das Konto auf die „Gesellschafter“ angelegt wurde), könnte der Gläubiger, der nur einen Titel gegen einen GbR-Gesellschafter/Kontoinhaber hat, dessen Anteil an der Bruchteilsgemeinschaft (nicht aber einen dem Beteiligungsverhältnis entsprechenden Teil des Kontoguthabens) pfänden. Dieser Anteil an der Bruchteilsgemeinschaft muss ausdrücklich gepfändet 677 werden und wäre von einer „normalen“ Kontopfändung nicht mitumfasst, da zwischen der Kontoforderung gegen das Kreditinstitut und dem Anteil an einer Bruchteilsgemeinschaft ein rechtlicher Unterschied besteht. Im Bank-Verlag Medien GmbH gibt es eigens einen Kontoeröffnungsantrag 678 für die GbR (Vordruck 40.235), in dem die Gesellschafter gegenüber der Bank bestätigen, sich zu einer GbR zusammengeschlossen zu haben, was gleichzeitig dazu führt, dass das Guthaben eines solchen Kontos eindeutig Gesamthandsvermögen darstellt. Vgl. Roth/Stöhr, in: BuB, 105. Lfg., Rn. 2/529b. die zur Vermeidung einer regelmäßigen Prüfung der Rechtsfähigkeit empfehlen Konten nur unter Verwendung dieses Formulars zu eröffnen.
185
IV. Pfändung in andere Konten(formen)
679 Zusammengefasst hieße das bei einer z. B. aus A, B, C und D bestehenden GbR: PfÜB lautet auf
GbR-Konten sperren
Gesellschafter-Konten sperren
A, B, C, D-GbR
Ja
Nein
A, B, C, D
Ja
Ja
B, C, D
Nein
Ja, aber nur B, C, D
A, B, C, D-GbR und A, B, C, D
Ja
Ja
A, B, C, D-GbR und B und C
Ja
Ja, aber nur B, C
680 Die GbR ist als Schuldner im PfÜB im Übrigen hinreichend bestimmt bezeichnet, wenn sich der PfÜB gegen die GbR richtet, „gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer“. Hinzuzufügen ist „gesetzlich vertreten“ i. S. eines „geschäftsführenden Gesellschafters“ oder „rechtsgeschäftlich vertreten“ bei Vertretung durch einen sog. Fremd-Geschäftsführer. Ist „gesetzlich vertreten“ hinzugefügt, reicht nach Ansicht des BGH die Angabe nur „Geschäftsführer“ statt „geschäftsführender Gesellschafter“ aus, da dies entsprechend auszulegen ist. BGH zuletzt mit Beschl. v. 16.7.2004 – IXa ZB 307/03, NJW-RR, 2005, 119.
681 Häufig wird der Vollstreckungsschuldner im PfÜB bezeichnet sein als z. B. wie folgt: „Firma Max Muster und Martha Meyer GbR“.
In diesen – meist bei Pfändungsverfügungen des Finanzamtes vorkommenden – Fällen wird man wohl davon ausgehen müssen, dass nur die auf die GbR selbst sowie die auf (beide) Gesellschafter lautenden Konten, die als klar erkennbar zum GbR-Gesamthandsvermögen gehörend angelegt wurden, von der Pfändung erfasst sind, nicht aber die auf die (einzelnen) Gesellschafter privat lautenden Konten. Hier also sowohl die privaten Konten der (einzelnen) Gesellschafter wie auch der Gesellschaft als von der Pfändung erfasst anzunehmen, kann problematisch sein. Es gilt aber – auch wegen der unterschiedlichen Kontoanlage – im Zweifel stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und die möglichen Risikopotentiale (Weiterverfügen lassen mit dem Risiko der Nochmal-Zahlung gegenüber möglichen Schadensersatzansprüchen des Kunden, der (unberechtigt) nicht mehr verfügen kann) gegeneinander abzuwägen. 4. Einzelkaufmann 682 Eine Pfändung gegen eine Einzelfirma ist dagegen unproblematisch. Es werden – sofern nicht ausnahmsweise nur ein bestimmtes Konto gepfändet wird – sowohl die privaten wie auch die Geschäftskonten des Kunden erfasst. Dies gilt auch dann, wenn die Konten der „Firma“ anders lauten, da rechtlich jedenfalls das Firmen- und Privatvermögen nicht getrennt sind. Der (auch vom
186
5. Treuhandkonto
Inhaber der Einzelfirma abweichende) Name des Kaufmanns (die „Firma“) ist insofern lediglich die Bezeichnung im kaufmännischen Verkehr. Haftungsfalle: Wird aber gegen „Max Muster“ eine Kontopfändung ausgebracht und gibt es 683 eine Einzelfirma (z. B „Firma Max Muster“), deren Inhaberin aber Martha Meyer ist, dürfen grundsätzlich nur die (Privat-)Konten des Max Muster gesperrt werden. Insoweit sind die Vollstreckungsschuldner „Max Muster“ und „Martha Meyer“ verschiedene Personen. Gibt der Pfändungsgläubiger aber nur den Namen der Firma an (z. B. „Firma 684 Max Muster“, statt „Firma Max Muster, Inhaberin Martha Meyer“) und können an Hand dieser Angaben die Privatkonten nicht identifiziert werden (was die Ausnahme sein dürfte!), geht eine mögliche Nicht-Sperrung der Konten zulasten des Pfändungsgläubigers und ist nicht von dem Kreditinstitut zu vertreten. 5. Treuhandkonto Treuhandkonten werden in der Zwangsvollstreckung grundsätzlich wie ein 685 Eigenkonto des Treuhänders behandelt. Dies liegt in der fiduziarischen Vollrechtsinhaberschaft des Treuhänders begründet, durch die allein der Treuhänder forderungsberechtigt gegenüber dem Kreditinstitut ist. Rechte des Treugebers bestehen lediglich im Innenverhältnis zum Treuhänder. KG, Urt. v. 22.6.1964 – 1 WKF 522/64, WM 1964, 1038, 1039; BGH, Beschl. v. 14.7.1958 – VII ZB 3/58, WM 1958, 1044, 1045; BGH, Urt. v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, NJW 1954, 190 f.
Eine Vollstreckung in das Treuhandkonto setzt daher einen gegen den Treu- 686 händer gerichteten Vollstreckungstitel/PfÜB voraus. Greifen Gläubiger des Treuhänders auf das Treuhandkonto zu, so ist dem Treu- 687 geber die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage gem. § 771 bezüglich des wirtschaftlich ihm gehörenden Vermögens eröffnet. Maßgebend für den Erfolg dieser Drittwiderspruchsklage wird die eindeutige Zuordnung der Vermögenswerte zum Treuhandgut sein. BVerfG, Beschl. v. 12.4.1983 – 2 BVR 678, 679, 680, 681, 683/81, NJW 1983, 2766, 2767,
WEG-Verwalterkonten werden in der Praxis nach wie vor noch als Treuhand- 688 konten geführt, Kontoinhaber: Verwalter, Zusatzbezeichnung: WEG … . Richtig wäre aber die Anlage eines Einzelkontos auf die WEG selbst. Nach § 9a WEG ist die WEG – bereits ab Eintragung in die Wohnungsgrundbücher – kontofähig, vgl. Burgmair, in: MünchKomm-BGB, WEG § 9a Rn. 14 unter Verweis auf OLG Hamburg, Beschl. v. 24.7.2006 – 2 W x 4/05, ZMR 2006, 791.
187
IV. Pfändung in andere Konten(formen)
689 Gläubiger des Treugebers können in das Treuhandkonto nicht vollstrecken, da das Kreditinstitut mit dem Treugeber hinsichtlich des Treuhandkontos nicht in Geschäftsbeziehung steht. Eine solche Pfändung wäre mithin gegenstandslos. Praxistipp: Falls der Treugeber keine anderen Konten besitzt, geht die Pfändung somit ins Leere und in der Drittschuldnererklärung wäre sinngemäß anzugeben: „Zu der als Schuldner bezeichneten Person/Personengemeinschaft besteht keine Geschäftsverbindung.“ Vorsicht: ein (ergänzender) Hinweis darauf, dass (aber) ein Treuhandverhältnis vorliegt, würde im Zweifel gegen das Bankgeheimnis verstoßen!
690 Gläubiger des Treugebers haben die Möglichkeit, den dem Treugeber (gegenwärtig oder später) gegen den Treuhänder zustehenden Rückgabeanspruch bezüglich des Treugutes zu pfänden. Drittschuldner dieses Anspruchs ist dann aber der Treuhänder. BGH, Urt. v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, ZIP 1994, 218 = NJW 1994, 726.
691 Pfändet ein Gläubiger des Treuhänders das Guthaben auf einem Treuhandkonto und lässt er sich den Anspruch überweisen, so steht dem Treugeber gegen das auszahlende Kreditinstitut kein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Treugeber die Vollstreckungsmaßnahme nicht durch Drittwiderspruchsklage oder durch Erwirkung der Freigabe durch den Gläubiger abwendet. LG Köln, Urt. v. 9.3.1987 – 21 O 545/86, WM 1987, 606.
692 Das Kreditinstitut muss auch leisten, wobei nicht darauf ankommt, ob es sich um ein offenes oder verdecktes Treuhandkonto handelt. BGH, Urt. v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, ZIP 1993, 1185 = NJW 1993, 2622.
693 Das Kreditinstitut sollte eine Pfändung des Treuhandvermögens jedoch dem Treugeber bekannt geben. Zwar besteht insoweit keine allgemeine Pflicht. Sind allerdings Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Treuhänder seiner Informationspflicht nicht nachkommt (diese besteht regelmäßig, wenn der Treugeber sich gegen die Zwangsvollstreckung nicht wehrt), muss das Kreditinstitut zum Schutze des Treugebers tätig werden. Ebenso Ehlenz/Diefenbach, Rn. 378.
Nur so erhält der Treugeber die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um Zugriffe von Pfändungsgläubigern auf das Treuhandvermögen abzuwehren. 694 Ein Hinterlegungsrecht steht dem Kreditinstitut in dem dargestellten Fall nicht zu, da eine Ungewissheit über die Person des Gläubigers i. S. v. § 372 BGB nicht vorliegt.
188
7. Insolvenz-Sonderkonto
6. Anderkonto Nahezu alle Kreditinstitute führen für bestimmte Berufsgruppen (z. B Rechts- 695 anwälte, Notare) sog. Anderkonten. Auch diese sind Treuhandkonten, sodass sich beim Anderkonto pfändungsrechtlich grundsätzlich keine Besonderheiten gegenüber einem normalen Treuhandkonto ergeben. Anders als früher bezieht sich der PfÜB bei einer „Kontopfändung“ aber nun- 696 mehr auch auf das Anderkonto, wenn dieses nicht ausdrücklich erwähnt ist (Änderung der Sonder-AGB für Notar-Anderkonten im Jahre 2000: Wegfall der Ziff. 14; neu jetzt Ziff. 9). Das Kreditinstitut ist in einem solchen Falle aber verpflichtet, in der Dritt- 697 schuldnererklärung auf die Eigenschaft als Anderkonto hinzuweisen. Wird der Auszahlungsanspruch des Mandanten gegen den Anderkontoinhaber 698 gepfändet, so ist Drittschuldner auch hier nicht das Kreditinstitut, sondern der Treuhänder. 7. Insolvenz-Sonderkonto Dieses vom BGH neu geforderte Kontomodell musste das zuvor von Insol- 699 venzverwaltern in Form offener (Vollrechts-)Treuhandkontos geführte, teilweise auch als Anderkonto benutzte Insolvenzverfahrenskonto, das bisher zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens und des Zahlungsverkehrs diente, ablösen. Der BGH hatte mit Urt. v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZInsO 2019, 845 das Führen dieser Verfahrenskonten (als Anderkonten) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig und pflichtwidrig verworfen, weil beim offenen Treuhandkonto nicht die nach Ansicht des BGH erforderliche Kundenbeziehung zwischen der „Insolvenzmasse“ und dem Kreditinstitut besteht und hat stattdessen ein sog. Insolvenz-Sonderkonten zur Verwendung vorgeschrieben.
Nach der Definition ist ein solches Insolvenzsonderkonto eines, bei dem das 700 „Guthaben vermögensrechtlich der Masse zuzuordnen ist“, während die Verfügungsbefugnis nur dem Verwalter als Ermächtigungstreuhänder (§§ 80, 148 InsO) zukommt, also die Verfügungsmacht einem anderen als dem Rechtsträger zusteht. Das Konto muss Bestandteil der Insolvenzmasse sein; es darf daher keine Kontobeziehung mit dem jeweiligen Insolvenzverwalter persönlich bestehen, sondern er kann allenfalls als Partei kraft Amtes für eine bestimmte Insolvenzmasse das Konto führen. Somit kann es nach Ansicht des BGH grundsätzlich zwei Formen des Insol- 701 venz-Sonderkontos geben: Als „Sonderkonto auf den Namen des Insolvenzschuldners“ (Variante 1) oder als „Sonderkonto auf den Namen des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes für die Masse“ (Variante 2). Die Guthabenforderung gegen die kontoführende Bank muss somit dabei Bestandteil der
189
IV. Pfändung in andere Konten(formen)
(späteren) Insolvenzmasse sein. Bei beiden Kontoformen ist ausschließlich der Insolvenzschuldner Rechtsträger. Hintergrund der BGH-Entscheidung war, das Konto bzw. die darauf befindliche Insolvenzmasse vor der Gefahr einer Veruntreuung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter zu schützen. Das wird aber auch durch dieses Insolvenz-Sonderkonto nicht erreicht. Die Gefahr geht vielmehr von der alleinigen Verwaltungsund Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters aus, an der auch ein Insolvenzsonderkonto nichts ändert. Zu weiteren Problemen des Insolvenzsonderkonto, vgl. Diskussionspapier des Bankenverbandes zum Urteil des BGH (v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18) v. 30.8.2019, abrufbar unter https:// bankenverband.de/media/files/2019_09_11_BdB_Diskussionspapier_BGH_Insolvenzverwalterkonto.pdf).
702 Bei der zweiten Variante ist der Insolvenzverwalter nun Kontoinhaber, materiell-rechtlich aber der insolvente Schuldner, was zumindest bisher anders war, da die Bezeichnung des Insolvenzanderkontos (der Kontoinhaber) mit dem Forderungsinhaber identisch war. 703 Auswirkungen hat das auch auf die Frage, ob und wie das Insolvenz-Sonderkonto gepfändet werden kann bzw. wie sich bestehende Pfändungen auswirken. Siehe insgesamt dazu sehr instruktiv, Büchel, ZInsO 2020, 1513.
704 Während das bisherige Vollrechtstreuhand-Insolvenzanderkonto vor ausgebrachten Pfändungen von Gläubigern des Schuldners sicher war, ist das beim Insolvenz-Sonderkonto nicht der Fall, weil es Bestandteil des Schuldnervermögens ist. 705 Auch wenn insolvenzrechtlich zwar eigentlich keine Pfändung mehr ausgebracht werden darf und kann bzw. sie, wenn, unwirksam ist, löst eine solch unzulässige Pfändung trotzdem die Verstrickung aus, vgl. auch Rn. 711. 706 Diese bleibt bis zur Aussetzung bestehen, vgl. Rn. 711. Nach Ansicht des IX. Senats des BGH kommt im Insolvenzverfahren nur eine Aussetzung der Verstrickung in Frage, nicht auch eine vollständige Aufhebung, BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607.
707 Dadurch ist das Konto für die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs des Schuldners zunächst nicht nutzbar, was es insbesondere für Betriebsfortführungen im vorläufigen Verfahren ungeeignet macht. So das Diskussionspapier des Bankenverbandes zum Urteil des BGH (v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18) v. 30.8.2019, abrufbar unter https://bankenverband.de/media/files/2019_09_11_BdB_ Diskussionspapier_BGH_Insolvenzverwalterkonto.pdf.
190
7. Insolvenz-Sonderkonto
a) Auswirkungen Pfändungen auf bestehende Insolvenz-Sonderkonten Nach den Vorgaben des BGH ist das Sonderkonto bzw. dessen Guthaben, 708 egal in welcher Variante, vermögensrechtlich der Masse zuzuordnen. Rechtsträger und damit Forderungsinhaber ist damit der Insolvenzschuldner, gegen den sich ein PfÜB richten müsste. Würde ein solcher ausgebracht werden, wäre auch das Insolvenz-Sonderkonto 709 daher von der üblichen, nicht auf bestimmte Konten beschränkten Kontopfändung erfasst. Das Insolvenz-Sonderkonto müsste im Pfändungsbeschluss daher nicht etwa ausdrücklich erwähnt sein. Ebenso Büchel, ZInsO 2020, 1513, zu Recht darauf hinweisend, dass ein drittschuldnerisches Kreditinstitut unabhängig von einer ggf. abweichenden Kontobezeichnung das Insolvenz-Sonderkonto auch dann sperren muss, wenn nach Auslegung des PfÜB zumindest nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass das konkrete Insolvenz-Sonderkonto erfasst sein soll.
Auch wenn Pfändungen eigentlich gar nicht mehr zulässig wären und nach § 91 710 InsO nicht zu einem Pfändungspfandrecht führen, lösen sie die Verstrickung aus. Im Eröffnungsverfahren scheitert ebenfalls nur das Pfändungspfandrecht an der Rückschlagsperre, nicht aber die Verstrickung, so zu Recht Cranshaw, NZI 2019, 609.
Sowohl im Eröffnungs- als auch im eröffneten Verfahren wird ein Insolvenz- 711 sonderkonto daher von der Verstrickung einer – auch unzulässigen – NeuPfändung erfasst. Es ist dann Aufgabe des (vorläufigen) Insolvenzverwalters (oder des Schuldners im Eröffnungsverfahren), sich um die Beseitigung zu bemühen. Der IX. Senats des BGH ist der Ansicht, dass im Insolvenzverfahren nur eine Aussetzung der Verstrickung, nicht auch eine vollständige Aufhebung möglich ist, BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607. Die durch die Pfändung wirksam entstandene Verstrickung wird also auch dann beseitigt, wenn das Vollstreckungsgericht die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben, so das AG Dortmund, Beschl. v. 24.9.2021 – 236 M 302/17, BeckRS 2021, 41470. Untergerichtlich ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch weiterhin Aufhebungen erfolgen werden.
b) Insolvenz-Sonderkonten als künftige Konten Entsteht ein Insolvenz-Sonderkonto erst nachdem eine Kontopfändung schon 712 gegen den Schuldner vorliegt, sind diese Konten als künftige Konten nicht von der Pfändung erfasst. A. A. Büchel, ZInsO 2020, 1513, der einer der „Zwangsvollstreckung innewohnende formalen Betrachtungsweise“ folgt und es (erst) an einer „Zäsur“ festmachen will, ob künftige Konten erfasst sind oder nicht. Gibt es danach ein Vertragsverhältnis zwischen Schuldner
191
IV. Pfändung in andere Konten(formen) und Drittschuldner (Kreditinstitut) im Zeitpunkt der Zustellung, würde jedes weitere neu eröffnete Konto von der Pfändung erfasst, weil so Büchel, hier gleichartige (künftige) Ansprüche mit ihrer Entstehung schon verstrickt sind. Dabei soll es keinen Unterschied machen, ob diese künftigen Ansprüche aus einem oder mehreren gleichartigen Verträgen stammen. Wäre dagegen das letzte Zahlungsverkehrskonto geschlossen, ohne dass noch ein auszukehrendes Restguthaben oder ein Sollsaldo vorhanden waren (Zäsur), erlöschen das Pfandrecht und die Verstrickung.
Gleichwohl vermag dies nicht (ganz) zu überzeugen, vgl. dazu ausführlich Rn. 470. 713 Das scheint auch das AG Hannover so zu sehen. AG Hannover, Beschl. v. 24.7.2020 – 904 IK 1132/19, SSK 2021, 117 (IWW-Abrufnr. 224420), das ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter eingerichtete Insolvenzsonderkonto als nicht von einer bestehenden Kontopfändung erfasst ansah. Das AG Hannover hat auch noch aus einem anderen Grund das Konto als nicht erfasst angesehen: Ein Insolvenzsonderkonto sei nicht mit einem herkömmlichen Girokonto, das zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs des Kontoinhabers dient, vergleichbar, so dass es nicht unter den im PfÜB verwendeten Begriff „Girokonto“ gefasst werden könne. Denn anders als dieses, sei ein Insolvenzsonderkonto ein Konto bei dem die Verfügungsmacht einem anderen als dem Rechtsträger zustehe und bei dem dem drittschuldnerischen Kreditinstitut spezielle Warnpflichten zukommen. Insofern unterscheide sich das Insolvenzsonderkonto in seiner rechtlichen Konstruktion erheblich von einem Girokonto. Ebenso wie bei der konkreten Verwendung des Begriffs „Girokonto“ etwaige Sparkonten von der Pfändung nicht erfasst wären, gilt Gleiches für das Insolvenzsonderkonto. Dieses Argument überzeugt allerdings nicht, denn auch ein Insolvenzsonderkonto dient dem Zahlungsverkehr. Und auch ein Notaroder Rechtsanwaltsanderkonto, dass sich von einem normalen Girokonto ebenfalls deutlich unterscheidet und sogar eigene AGB zur Grundlage hat, wäre aber von einem PfÜb, der „Girokonten“ pfändet erfasst. Allenfalls sagen kann, man dass ein Insolvenzsonderkonto wegen der alleinigen Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters jedenfalls nicht etwa ein sog. Fortsetzungsvermögen auf Basis der bestehenden, anderen Konten des Schuldners ist, wie etwa das nach einer Pfändung des Gemeinschaftskontos entstehende P-Konto im Rahmen des § 850l.
714 Von daher ist es weiterhin konsequenter und richtiger, den Anspruch auf künftige Konten grundsätzlich als zu unbestimmt abzulehnen, vgl. dazu ausführlich Rn. 465.
192
8. WEG-Konten
8. WEG-Konten Verwalter von Wohnungseigentümergesellschaften sind nach § 9b WEG zur 715 (umfassenden) gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gemeinschaft berechtigt. Ob die Vertretung der Gemeinschaft im Innenverhältnis von der Gemeinschaft legitimiert ist oder war, hat daher auf die Wirksamkeit der Vertretung im Außenverhältnis keinen Einfluss. Eine Überschreitung von der Gemeinschaft im Innenverhältnis erteilten Befugnisse im Außenverhältnis wird aber regelmäßig eine Schadenersatzpflicht auslösende Pflichtverletzung des Verwalters darstellen und/oder eine Kündigung des Verwaltervertrages aus wichtigem Grund rechtfertigen.
Lediglich der Abschluss von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen ist von 716 der umfassenden Vertretungsmacht nicht erfasst, § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG. Ohne weiteres können Verwalter aber Konten für die Gemeinschaft eröffnen.
717
Die ihnen von der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft anvertrauten Gelder 718 sind ordnungsgemäß zu „verwalten“. Nach § 27 Abs. 1 i. V. m. § 9a Abs. 3 WEG hat der Verwalter eingenommene Gelder von seinem Vermögen gesondert zu halten. BeckOK BGB/Hügel, WEG § 27 Rn. 17. Zu den Pflichten des Verwalters nach Änderung des WEG 2020, siehe Schultzky, ZWE 2021, 62.
Das verbietet daher die Führung eines reinen (Treuhand-)Eigenkontos, bei dem Kontoinhaber und Verfügungsberechtigter der Verwalter ist. Grundsätzlich können die Konten auch nicht mehr als Treuhandkonten auf den Namen des Verwalters geführt werden (= offenes Treuhandkonto genannt), sondern müssen auf den Namen der (gesamten) Wohnungseigentümer-Gemeinschaft selbst angelegt werden (= offenes Fremdkonto genannt). LG Saarbrücken, Urt. v. 4.5.2018 – 5 S 44/17, NZM 2018, 518.
Die Führung eines offenen Treuhandkontos mit dem Verwalter als Konto- 719 inhaber ist wegen der Pflicht zur Vermögenssonderung nicht mehr zulässig, da die WE-Gemeinschaft bei einer Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Verwalters erst Drittwiderspruchsklage gem. § 771 erheben müsste und bei Insolvenz des Verwalters nur dann ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO vorliegen würde, wenn auf dem Konto nachweislich nur Gelder der WE-Gemeinschaft eingezahlt worden seien, was im Einzelfall schwierig nachweisbar sein könnte. AG Strausberg, Urt. v. 11.3.2009 – 27 C 12/08, ZMR 2009, 563.
Die Anlage der Konten ist daher nur noch auf die WE-Gemeinschaft selbst 720 (als offenes Fremdkonto) möglich, was wegen der gesetzlich normierten Rechtsfähigkeit der WE-Gemeinschaft (§ 9a Abs. 1 WEG) auch kein Problem mehr sein sollte. Das sollte nach gesetzlicher Anerkennung der Rechtfähigkeit
193
IV. Pfändung in andere Konten(formen)
der WEG im Rahmen des § 9a WEG seit 1.12.2020, bereits ab dem Zeitpunkt, in dem die Wohnungsgrundbücher angelegt werden, auch die vom Kreditinstitut präferierte Kontoanlage sein. Es würde sich dann nicht um ein Gemeinschaftskonto, sondern um ein Einzelkonto lautend auf die WEG handeln. Damit schiede im Übrigen bei Pfändung des WEG-Kontos auch die Anwendung des § 850l aus, da es sich dann eben nicht um ein Gemeinschaftskonto handeln würde, vgl. Rn. 1353. In ein P-Konto umgewandelt werden könnte dieses Einzelkonto nicht, da die WEG in diesem Sinne dann keine natürliche Person wäre, was aber § 850k Abs. 1 Satz 1 verlangt, vgl. Rn. 1353.
721 Grundsätzlich wäre die Kontoanlage als offenes Treuhandkonto weiterhin nicht ausgeschlossen, wohl aber nur bei entsprechendem einstimmigen Beschluss der WEG. Es muss allerdings der Treuhandcharakter auch gegenüber Dritten klar erkennbar sein, also durch entsprechende Anlage und Kennzeichnung des Kontos zweifelfrei erkennbar sein, dass es sich um Fremdgelder der WE-Gemeinschaft handelt. a) Offenes Treuhandkonto des Verwalters 722 In diesem Fall, ergibt sich pfändungsrechtlich kein Unterschied zum „normalen“ Treuhandkonto (siehe oben). Kontoinhaber und Gläubiger der Einlage (im Verhältnis zum Kreditinstitut) ist der WEG-Verwalter. Richtet sich der PfÜB gegen ihn, sind die Konten von einer Kontopfändung erfasst und zu sperren. LG Köln, Urt. v. 9.3.1987 – 21 O 545/86, NJW-RR 1987, 1365.
b) Offenes Fremdkonto der WE-Gemeinschaft 723 Eine Kontopfändung gegen den WEG-Verwalter tangiert diese Konten nicht. Kontoinhaber und Gläubiger der Guthaben ist die WE-Gemeinschaft selbst. Dass der Verwalter ggf. Verfügungsberechtigung auf dem Konto hat, ändert daran nichts. 9. Konto mit Verfügungsbeschränkung für den Kontoinhaber („Sperrkonto“) 724 Sperrkonten sind Konten, bei denen eine besondere Einschränkung der Verfügungsmacht besteht. Die Beschränkung der Verfügungsmacht kann auf dem Gesetz beruhen oder, der wesentlich häufigere Fall, rechtsgeschäftlich vereinbart werden. Vgl. OLG München, Urt. v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317, 319 ff.
725 Für die Frage, wer zum Zeitpunkt der eingehenden Kontopfändung Gläubiger des Guthabens ist, ist – anders als beim Treuhand- bzw. Anderkonto – nicht allein entscheidend, wer Kontoinhaber ist, sondern wer berechtigt sein soll, die Forderung gegenüber dem Kreditinstitut geltend zu machen. Beginn und 194
9. Konto mit Verfügungsbeschränkung für den Kontoinhaber („Sperrkonto“)
Ende der Verfügungsbeschränkung sind dabei häufig an ein gewisses (Befristung) oder ein ungewisses (Bedingung) Ereignis gebunden, z. B. an den Eintritt der Volljährigkeit des Kontoinhabers. Praxistipp: Beispiel für eine Vereinbarung „auf den Todesfall“, bei dem z. B der Großvater möchte, dass nach seinem Tod ein konkretes Sparbuch nicht in seinen Nachlass fällt (für den er seinen Sohn als Erben eingesetzt hat), sondern direkt an seinen Enkel fällt: „Mit dem Zeitpunkt des Todes des Hans Meyer (= Großvater und ursprünglicher Gläubiger) gehen alle Rechte aus dem Konto 1234567 unmittelbar auf den Begünstigten Justus Meyer, Hauptstr. 2, 12345 Musterstadt, (= Enkel des Hans Meyer) über.“ Zur trotzdem bestehenden Erbfallmeldepflicht, weil dem (vormaligen) Kontoinhaber ungeachtet der Drittbegünstigung zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht über die auf den Begünstigten übergegangenen Vermögenswerte zustand, § 33 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, vgl. Platz/Zahrte, Kapitel 2.3.6.2, S. 422.
a) Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) Der aus einem Vertrag zugunsten eines Dritten [VzGD] Begünstigte (der 726 „Dritte“ also) erwirbt – ggf. aber erst mit Eintritt einer zuvor festgelegten Bedingung – unmittelbar ein eigenes Recht auf Leistung gegen das Kreditinstitut. Mit einem VzGD ist es – ohne Einhaltung erbrechtlicher Formvorschriften (§ 2301 BGB) – möglich, einem Dritten auch dann einen schuldrechtlichen Anspruch (z. B. Guthabenforderung aus einem Sparkonto oder Sparbrief) zuzuwenden, wenn es sich um eine unentgeltliche (schenkweise) Zuwendung handelt und der Erwerb erst mit dem Tode des Versprechensempfängers eintreten soll, Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 274 unter Bezug auf u. a. BGH, Urt. v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73, NJW 1975, 382, 383.
aa) Vor dem Rechtserwerb/vor Eintritt der Bedingung Erfreut sich in unserem obigen Beispiel der Großvater bester Gesundheit, ist die 727 Bedingung „Tod des Großvaters“ noch nicht eingetreten. Er ist dann weiterhin Kontoinhaber und Gläubiger der Einlage. Nur er kann gegenüber dem Kreditinstitut Auszahlung verlangen. Das Kontoguthaben kann daher zu diesem Zeitpunkt nur von Gläubigern des Großvaters gepfändet werden, weil das Guthaben (noch) zu dessen Vermögen gehört. Gläubiger des Enkelsohnes könnten daher nicht auf das Kontoguthaben zugreifen. bb) Nach dem Rechtserwerb/nach Eintritt der Bedingung Ist zum Zeitpunkt des Eingangs der Pfändung wirtschaftlich Berechtigter be- 728 reits der Begünstigte (im obigen Beispiel also der Enkel Justus), wäre bei einer
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IV. Pfändung in andere Konten(formen)
Pfändung durch Gläubiger des Enkels die Pfändung erfolgreich und das Konto zu sperren. 729 Ist daher der Rechtsübergang bereits erfolgt, können nur Gläubiger des Begünstigten erfolgreich pfänden. Ausführlich zu Gestaltung von VzGD und deren Fallstricken: Platz/Zahrte, a. a. O., Kapitel 2.2.2.11.
b) Mietkautions-Konten/Pfandrechtsbestellung 730 Konten bzw. die darauf befindlichen Guthaben können auch zugunsten Dritter verpfändet werden. So werden regelmäßig die von Mietern zu stellenden Mietkautionen (§ 551 Abs. 3 BGB) auf Konten des Mieters an den Vermieter als Sicherheit verpfändet. Hierfür ist jeweils eine Einigung über die Verpfändung erforderlich. Die Verpfändung erfolgt dadurch, dass der Kontoinhaber (bei Mietkautionskonten zumeist der Mieter) sich mit dem begünstigten Pfandnehmer (dem Vermieter) einigt (§§ 1274, 398 BGB) und dies dem kontoführenden Kreditinstitut anzeigt (§ 1280 BGB). 731 Im Zwangsvollstreckungsfalle nützt dem Begünstigten (dem Vermieter) nämlich nur eine „Kontosperre“ (ohne Verpfändung) insofern nichts, als er einer Pfändung durch Gläubiger des Kontoinhabers dann nicht Erfolg versprechend entgegentreten kann. Auch die (reine) Vereinbarung der Unabtretbarkeit der Einlagenforderung ist in der Zwangsvollstreckung nach § 851 Abs. 2 grundsätzlich unbeachtlich. Behält ein Vermieter nur das Sparbuch als „Pfand“ ein, kann die unwirksame Verpfändung des Sparguthabens zwar ggf. in die Vereinbarung eines vertraglichen Zurückbehaltungsrechts an dem Sparbuch umgedeutet werden. Damit erlangt der Vermieter nur das Recht gegenüber dem Mieter, die Buchherausgabe bis zur Begleichung der Mietforderungen zu verweigern, BGH, Urt. v. 2.5.1984 – VIII ZR 344/82, ZIP 1984, 1118, 1122. Vor der dann vorrangigen Pfändung des Guthabens durch einen Gläubiger des Mieters schützt ihn solch ein „Pfand“ nicht.
732 Daher muss mit der Sperrvereinbarung eine Zweckbindung vorgenommen werden (Verpfändung und Kennzeichnung als z. B. „Mietkautionskonto“), sodass das Konto für Pfändungs-Zugriffe von Gläubigern des Kontoinhabers (= Verpfänder und Mieter) solange die Zweckbestimmung besteht, geschützt ist. 733 Der Pfändungsgläubiger kann nicht mehr Rechte erwerben, als der Schuldner hat, sodass die Sperre auch für ihn gilt. Haftungsfalle: Zweckbindungsablauf 734 Fällt später die Zweckbindung weg (z. B. Vermieter gibt ein an ihn zu Mietkautionszwecken verpfändetes Sparguthaben wieder frei), wird das Guthaben von der (noch bestehenden) Pfändung gegen den Kontoinhaber zugunsten des Pfändungsgläubigers erfasst. Es ist also zu gewährleisten, dass die Konto196
10. Altersvorsorgeverträge
pfändung beim Kontovertrag (und in der IT) vermerkt wird, damit nicht versehentlich an den Pfändungsschuldner und Kontoinhaber (an den Mieter) ausgekehrt wird, solange die Pfändung noch besteht. 10. Altersvorsorgeverträge Altersvorsorge-Vermögenswerte sind grundsätzlich der Pfändung entzogen, 735 wenn sie zur Sicherung der Altersvorsorge dienen. Die gesetzliche Rente dient ebenfalls der Altersvorsorge, genießt als Sozial- 736 leistung aber Pfändungsschutz an der Quelle über § 54 Abs. 4 SGB I. Diese klassischen Rentenansprüche, zu den neben der Altersrente, §§ 35 ff. 737 SGB VI, auch die Rente wegen Erwerbsminderung, §§ 43 ff. SGB VI, und die Witwen-, Erziehungs- und Waisenrenten, §§ 46 ff. SGB VI, gehören, sind aber wie Arbeitseinkommen pfändbar. Nach der Entscheidung des LG Hannover, Urt. v. 19.3.2019 – 20 O 277/16, ZInsO 2019, 1850, ist eine außerhalb des Dreimonatszeitraums vor Stellung des Insolvenzantrags gepfändete Rente des Insolvenzschuldners insolvenzfest vom Gläubiger erworben worden. Mit Streichung des § 114 (Abs. 3) InsO hat der Gesetzgeber die insolvenzrechtliche Gleichbehandlung von Rentenzahlung und Arbeitsentgelt insoweit aufgehoben; für eine analoge Gleichbehandlung fehlt es an einer erkennbaren Regelungslücke. Da Rentenansprüche bereits entstanden sind, wenn der Rentenberechtigte das Rentenalter erreicht hat, stehen alle außerhalb des Dreimonatszeitraums der §§ 88, 131 InsO pfändbaren Rentenzahlungen während des Insolvenzverfahrens damit als anfechtungsfest dem Pfändungsgläubiger zu!
Betriebliche Altersversorgungen, wie Betriebsrenten und Vorruhestandsgelder oder Beamtenpensionen, sind dagegen über § 850 Abs. 2 oder in Fällen, bei denen solche Versicherungsrenten vom Arbeitnehmer selbst oder vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossen wurden, über § 850 Abs. 3 Buchst. b geschützt. Auch sie können aber wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Umfassender Überblick bei Cranshaw, ZInsO 2021, 469 (Teil 1) und ZInsO 2021, 525 (Teil 2). Bei einer Vereinbarung über eine Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktversicherung liegt in Höhe der Beiträge zu der Direktversicherung kein pfändbares Einkommen vor, BAG, Urt. v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20, ArbRAktuell 2021, 606. Das soll nach Ansicht des BAG sogar dann gelten, wenn die Entgeltumwandlung erst nach der Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses getroffen wird, jedenfalls soweit die Beiträge den in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehen Betrag nicht übersteigen, da ein Arbeitnehmer, der nur von seinem Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG Gebrauch mache und den dort vorgesehenen Betrag in Höhe von 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschreite, mit einer solchen Entgeltumwandlungsvereinbarung keine den Gläubiger benachteiligende Verfügung i. S. d. § 829 Abs. 2 Satz 2 treffe.
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IV. Pfändung in andere Konten(formen)
738 Auch bei steuerlich geförderten Altersversorgungen wie der „Riester-Rente“ oder „Rürup-Rente“ gilt zunächst auch der Grundsatz, dass sie wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können. Für sie gilt aber der Schutz des § 851d, bei Arbeitnehmern in der Regel zusätzlich § 850 Abs. 3 Buchst. b. Rentenansprüche gegen berufsständische Versorgungseinrichtungen sind ebenfalls wie Arbeitseinkommen pfändbar, vgl. MellerHannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 851c Rn. 6.
739 § 851c wiederum schützt die private Altersvorsorge Selbständiger. Anders aber bei einer Lebensversicherung als Versorgungszusage, vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 4.9.2019 – 11 U 116/18, VIA 2020, 5.
740 Auch sie sind grundsätzlich wie Arbeitseinkommen pfändbar, wenn die Leistungen tatsächlich regelmäßig und unwiderruflich bis zum Lebensende für die Altersversorgung zur Verfügung stehen. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 851c Rn. 7, die ergänzend darauf hinweist, dass zwar Kapitalauszahlungen möglicherweise über § 850i teilweise schützbar sind, aber zur Altersversorgung erworbene Immobilien und nicht lebenslange Renten grundsätzlich keinen Pfändungsschutz genießen. Der BGH, Beschl. v. 23.6.2021 – VII ZB 15/18, WM 2021, 1604, hat im Übrigen entschieden, dass die in einem Pensionsvertrag vorgesehenen Möglichkeit, ein etwaiges künftiges Angebot des Arbeitgebers anzunehmen, eine monatliche Rentenzahlung in eine Kapitalabfindung umzuwandeln (hier nach Ansicht des BGH im PfÜB ausreichend bestimmt genug bezeichnet als „Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § XY der Pensionszusage vom 23.3.XX“), nicht pfändbar ist. Das „Zustimmungsrecht“ sei weder als akzessorisches Nebenrecht der (künftigen) Zahlungsansprüche aus der Pensionszusage miterfasst, noch als sonstiges Recht gem. § 857 selbständig oder zusammen mit den Zahlungsansprüchen wirksam pfändbar. Denn eine solche Regelung, so der BGH, begründe kein einseitiges Gestaltungsrecht des Schuldners, so dass insoweit auch keine der Einräumung eines einseitigen Gestaltungsrechts vergleichbare Vereinbarung vorliege. Die in der Pensionszusage in Betracht kommende künftige Vertragsänderung kann nur durch übereinstimmende vertragsändernde Willenserklärungen beider Vertragsparteien zustande kommen und unterliegt damit in vollem Umfang der Privatautonomie. Das bezeichnete „Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung“ ist damit letztlich nur um das im Rahmen der Privatautonomie jedermann zustehende Recht, rechtsgeschäftlich tätig zu werden.
741 Andere Renten, z. B. wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder Berufsunfähigkeits-, Unfall- und Invaliditätsrenten oder Renten, Einkünfte und Bezüge Selbständiger sind im Rahmen des § 850b Abs. 1 Nr. 1 nur pfändbar, wenn es der Billigkeit entspricht. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 851c Rn. 8, die zum Verhältnis § 851c und 850b sagt: „Greift kein Pfändungsschutz
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10. Altersvorsorgeverträge nach § 851c, etwa weil die Berufsunfähigkeitsrente nicht lebenslang gezahlt wird, kann dennoch § 850b greifen. Ist die Berufsunfähigkeitsrente aber Teil einer lebenslangen Altersrente, richtet sich der Pfändungsschutz nach § 851c. Bei sich überschneidendem Pfändungsschutz ist ansonsten immer der für den Schuldner günstige anzuwenden.“ Zum Verhältnis von §§ 851c und 850i, der Pfändungsschutz für bestimmte „altersrentenähnliche“ Versicherungsleistungen gewährt, hat der BGH entschieden, dass § 851c dann lex specialis ist, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen von § 851c erfüllt sind, BGH, Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZB 25/20, WM 2021, 1336.
a) Riesterverträge Auf Konten befindliches Altersvorsorgevermögen, geförderte Altersvorsorge- 742 beiträge und der Anspruch auf Altersvorsorgezulage in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherter sind gem. § 97 EStG nicht übertragbar und damit gem. § 851 Abs. 1 auch nicht pfändbar. LG Dortmund, Urt. v. 21.4.2016 – 2 S 32/15, VuR 2017, 74.
Der vertragliche Ausschluss der Abtretbarkeit ist bei diesen sog. „Riester- 743 Verträgen“ oder „-Renten“ z. B. auch in Form eines Bank- oder Fondssparplans Die Bezeichnung „Riester“ geht auf den damaligen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester, zurück, der als „Vater“ der Förderung der freiwilligen Altersvorsorge durch eine Altersvorsorgezulage gilt. Möglich, dass die Riesterrente durch eine Aktienrente abgelöst wird, siehe https://www.faz.net/aktuell/ finanzen/altersvorsorge-der-ampel-koalition-die-aktienrentekommt-17652010.html.
in der Regel auch in Sonder-AGB „Altersvorsorgevertrag“ der Kreditinstitute enthalten. Beispielsweise bei den Sparkassen in Ziff. E 1 zu den S-VorsorgePlus-Verträgen.
Wie § 851 und § 851c im Hinblick auf die Riesterrente auszulegen ist, ist 744 strittig. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 851 Rn. 6, geht davon aus, durch die Einführung von § 851c am Pfändungsschutz des § 851 nichts geändert wurde, so dass die Unpfändbarkeit grundsätzlich nicht vom zusätzlichen Vorliegen der Voraussetzungen des § 851c abhängt, etwa der Unkündbarkeit. Der BGH, Versäumnisurt. v. 16.11.2017 – IX ZR 21/17, NJW 2018, 116, hat aber deutlich gemacht, dass die Unpfändbarkeit des angesparten Kapitals eines Altersvorsorgevertrags nur eintritt, wenn der Altersvorsorgevertrag im Zeitpunkt der Pfändung förderfähig war, ein Antrag auf eine Zulage für die entsprechenden Beitragsjahre bereits gestellt war und die Voraussetzungen für eine Zulage vorlagen oder eine Zulage bereits gewährt worden ist.
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IV. Pfändung in andere Konten(formen)
745 Geförderte Altersvorsorgebeiträge sind Beiträge, die ein Zulagenberechtigter i. R. d. in § 10a EStG genannten Grenzen zugunsten eines auf seinen Namen lautenden Altersvorsorgevertrag leistet. Beträge innerhalb dieser Förderhöchstgrenzen und das Altersvorsorgevermögen in der Ansparphase und in der Auszahlungsphase sind nicht pfändbar. Auch dies ist meist in den Sonder-AGB nochmals ausdrücklich geregelt. Riesterverträge, das ist der Grundsatz, sind daher nicht pfändbar. Aber: Werden über diese Förderhöchstgrenzen hinaus, Beträge auf den Riester-Vertrag geleistet (was grundsätzlich kontrolliert und vermieden werden sollte und meist in den Sonder-AGB auch ausgeschlossen wird), unterliegen diese Überzahlungen grundsätzlich der Pfändung. So auch Stöber/Rellermeyer, Rn. A.79 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 16.11.2017 – IX ZR 21/17, VuR 2018, 79.
Der Pfändungsschutz des § 97 EStG i. V. m. § 851 greift hier nicht. 746 Ebenso dann nicht mehr, wenn das angesammelte Kapital zwar innerhalb der Förderhöchstgrenzen liegt, aber die Stellung des Antrages auf Zulagengewährung (§§ 82 ff. EStG) bereits abgelaufen ist oder wenn eine förderschädliche Kündigung des Kapitals erfolgt. LG Stuttgart Urt. v. 21.12.2016 – 4 S 82/16, BeckRS 2016, 128961 hatte entscheiden, dass eine Riester-Rente, wenn sie nicht unkündbar ist, vom Insolvenzverwalter gekündigt werden kann. Begründung: „Denn solange, wegen der jederzeitigen Möglichkeit einer Kündigung und Kapitalauszahlung, es dem Versicherungsnehmer selbst noch frei steht, sich sein eingezahltes Kapital wieder auszahlen zu lassen, ist die Durchsetzung des gesetzgeberischen Ziels nicht gesichert, und es ist daher nicht gerechtfertigt, Pfändungsbzw. Insolvenzgläubigern den Zugriff auf dieses Vermögen zu verweigern. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem auch, dass dieser Zugriff sich ja auf das vom Schuldner angesparte Vermögen beschränkt und nicht auch die Altersvorsorgezulage betrifft. Diese ist, da die vorzeitige Kündigung ein Fall der ‚schädlichen Verwendung‘ im Sinne des § 93 EStG darstellt, vorab zurückzuerstatten und kommt nicht den Gläubigern zugute.“
747 Der BGH hat entschieden, dass § 851c Abs. 2 auch dann schützt wenn der Vertrag gekündigt werden kann. BGH, Versäumnisurt. v. 16.11.2017 – IX ZR 21/17, NJW 2018, 1166. Die Unpfändbarkeit des angesparten Kapitals eines Altersvorsorgevertrags tritt aber nur ein, soweit der Altersvorsorgevertrag im Zeitpunkt der Pfändung förderfähig war, ein Antrag auf eine Zulage (§ 89 EStG) für die entsprechenden Beitragsjahre (§ 88 EStG) bereits gestellt war und die Voraussetzungen für eine Zulage (§§ 83 ff. EStG) vorlagen oder eine Zulage bereits gewährt worden ist. Eine Riester-Rente kann aber, wenn sie nicht unkündbar ist, vom Insolvenzverwalter gekündigt werden, LG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2016 – 4 S 82/16, InsbürO 2017, 210.
748 Der BGH macht damit deutlich, dass nur auf die tatsächlich gewährte Förderung ankommt. Unpfändbar ist das Kapital aus einem Altersvorsorgevertrag gem. § 851 Abs. 1, § 97 Abs. 1 EStG also, soweit der Altersvorsorgevertrag 200
10. Altersvorsorgeverträge
im maßgeblichen Zeitpunkt der Pfändung förderfähig war, die Zulage für die entsprechenden Beitragsjahre bereits beantragt war und deren Voraussetzungen vorlagen. Bäuerle, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 16.11.2017 – IX ZR 21/17, FD-InsR 2018, 401982, die darauf verweist, dass wenn trotz Antrages auf Zulage keine Förderung gewährt oder eine gewährte Zulage vollständig zurückgefordert wurde, der Altersvorsorgevertrag ab diesem Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung unterliegt.
Greift der Pfändungsschutz nicht, hat Vorrang aber auch in diesen Fällen regelmäßig das AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes. Der Gläubiger wird einen Herausgabeanspruch – ggf. auch nur einer Kopie – 749 des Altersvorsorgevertrages gegenüber dem Schuldner haben, um die (Un-) Pfändbarkeit prüfen zu können. Die Rechtsprechung des BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, NJW-RR 2013, 766 dazu, Bescheide über öffentlich-rechtliche Leistungen und Rentenbescheide herausgeben zu müssen, wird sich auf Altersvorsorgeverträge übertragen lassen.
b) Haftungsfalle: Riester 1 Kreditinstitute sollten daher eine Kontopfändung, die auch einen Riestervertrag 750 umfasst, nicht schlicht als „unpfändbar“ behandeln, sondern die Kontosperre/ Pfändung ist auch in diesen Fällen (bei den Kontounterlagen und in der IT) zu hinterlegen. c) Haftungsfalle: Riester 2 „Arbeitseinkommen“ wird aber in einer Kontopfändung, also einer Pfändung 751 von Ansprüchen aus einer Geschäftsbeziehung zu einem Kreditinstitut, Anspruch D (Kreditinstitute) des Vordrucks, normalerweise nicht erfasst. Es ist aber nicht auszuschließen, dass dies der Fall ist. Die PfÜBs müssen daraufhin sorgfältig untersucht werden. Gläubigern wird empfohlen, diese Ansprüche mitaufzunehmen (siehe Anlage zu PfÜB, Anhang 1). d) Haftungsfalle: Riester 3 Möglicherweise ist ein Riestervertrag im Rahmen der Kontopfändung nicht 752 bestimmt genug bezeichnet. Von einer Pfändung erfasst ist der Anspruch nur, wenn er wie folgt korrekt bezeichnet wird: „der angebliche Anspruch aus staatlich geförderten Altersvorsorgeverträgen (insbesondere sog. „Riester“-Verträge, bei denen der Schuldner Zulagenberechtigter im Rahmen der in § 10a EStG genannten Grenzen ist und zu Gunsten eines auf seinen Namen lautenden Altersvorsorgevertrag Altersvorsorgebeiträge leistet).“
Das wird in der Praxis – zumal vor dem Hintergrund des § 833a – vielfach 753 nicht der Fall sein, sondern es werden lediglich Guthaben auf „Konten“ gepfändet, also auch Sparkonten. Das auf dem Sparkonto befindliche Riester201
IV. Pfändung in andere Konten(formen)
guthaben wäre demnach nicht von der Kontopfändung erfasst, da das Sparkonto insoweit nur ein rein technisches „Vehikel“ ist (es könnte theoretisch auch eine andere oder Kontosonderform sein). 754 Da allerdings bei Riesterverträgen im Laufe der Jahre erhebliche Summen zusammenkommen können und wegen der oben beschriebenen Unsicherheiten, scheint es sicherheitshalber angemessen, trotzdem eine entsprechende IT-Sperre zu hinterlegen und vor Auszahlung an den Kunden, Zweifel klären zu lassen (z. B. durch Teilhinterlegung). Denn wenn z. B. der Riestervertrag irgendwann zulagenschädlich gekündigt würde (oder nicht förderfähiges Guthaben enthielte), dann wäre das Guthaben normales Sparguthaben und wohl – entweder vom AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes- oder aber von der Pfändung erfasst (und ja auch nicht geschützt). Ebenso gilt das für Beträge, die über diese Förderhöchstgrenzen hinaus auf den Riester-Vertrag geleistet werden; diese Überzahlungen unterliegen grundsätzlich ebenfalls der Pfändung. 755 Vorsicht: Die Pfändung als „greifend“ zu betrachten und im Wege der Erinnerung, § 766, die Frage gleich gerichtlich klären lassen zu wollen, begegnet bei zu unbestimmter Bezeichnung zumindest Bedenken. Damit könnte ein Gläubiger möglicherweise erst aufmerksam werden, dass ein Riestervertrag vorhanden ist und eine korrekte Pfändung nachschieben. 11. Altersrentenverträge Selbstständiger (Rürup-Rente) 756 Auch Altersrentenverträge Selbstständiger sind u. a. bei Kreditinstituten seit dem 31.3.2007 durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge (BGBl I 2007, 368) über die §§ 851c und 851d besser bzw. erstmals geschützt. Geschützt werden aber auch private Rentenansprüche von Arbeitnehmern, die „zur Ergänzung ihrer gesetzlichen Rentenansprüche zusätzlich privat für ihr Alter vorsorgen sowie von nicht berufstätigen Personen“, vgl. Stöber, NJW 2007, 1242, 1244.
757 Laufende Leistungen aus diesen Verträgen können ebenfalls nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, § 851c Abs. 1. Auch das Deckungskapital, aus dem letztlich die Leistungen erwirtschaftet und ausgezahlt werden, ist nunmehr nach § 851c Abs. 2 bis zu einer bestimmten Höhe geschützt. Zur möglichen Rückwirkung des Pfändungsschutzes der Altersvorsorge bei Annahme einer „Vorwirkung des Gesetzes zum Pfändungsschutz“ vgl. AG Lemgo, Beschl. v. 17.1.2007 – 14 M 0916/06, m. Anm. Holzer, ZVI 2007, 183. Auch nicht geschützt sind nach Ansicht des BGH im Übrigen die erforderlichen Mittel, die zum Aufbau einer pfändungsgeschützten Altersvorsorge (z. B. einer Versicherung) dienen, BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 181/10, ZIP 2011, 1235. Dieser Entscheidung lag der Fall eines ehemaligen Selbstständigen zugrunde, der nach der Insolvenz seines Unternehmens anschließend abhängig beschäftigt war. Er begehrte eine Pfändungsfreistellung von zusätzlichen 600 € im Monat, um die monatlichen Beitragszahlungen zum Aufbau seiner privaten, pfändungsgeschützten Altersversicherung (weiter) aufbauen zu können. Der BGH hat die Zurückweisung
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11. Altersrentenverträge Selbstständiger (Rürup-Rente) des Antrages durch das Insolvenzgericht bestätigt, mit der Begründung, dass das Ansparen zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge nicht unter den Pfändungsschutz des § 851c Abs. 2 falle. Nach der Begründung zum Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge wollte der Gesetzgeber nur zwei Komponenten einen Pfändungsschutz zuerkennen, nämlich dem (angesammelten) Deckungskapital und den Auszahlungsbeträgen nach Eintritt des Versicherungsfalls. Eine Ungleichbehandlung im Vergleich zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge von abhängig Beschäftigten, sah der BGH ebenfalls nicht gegeben. Die unterschiedliche Herkunft der Mittel rechtfertige eine differenzierende Betrachtung, da dem abhängig Beschäftigten nur sein Gehalt für den Aufbau seiner Altersvorsorge zur Verfügung stünde, während ein Selbstständiger aus verschiedenen Einkunftsquellen schöpfen könne.
Voraussetzung ist aber – um Missbrauch zulasten der Gläubiger zu verhindern –, 758 dass das Kapital unwiderruflich der Altersvorsorge dient, also auch erst zur Versorgung im Alter als laufende Zahlungen (nicht als Einmalzahlung) zur Verfügung steht. Es hindert den Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 aber nicht, wenn dem Schuldner vertraglich zwar ein Kapitalisierungsrecht eingeräumt war, dieses Recht zum Zeitpunkt des Eingangs der Pfändung aber nicht mehr bestand, BGH, Beschl. v. 22.8.2012 – VII ZB 2/11, ZIP 2012, 1933. Zu möglichen Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit für Lebensversicherungsverträge einer Rürup-Rentenversicherung, vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2011 – IV ZR 255/10, BeckRS 2011, 27332.
Je nach Lebensalter erhöht sich das pfändungsgeschützte Vorsorgeguthaben 759 bis zu 340.000 € (Stand 1.1.2022), § 851c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. Änderung im Rahmen des GVSchuG, Drucks. 19/27636 v. 17.3.2021, da dieser Gesamtbetrag bis zur Vollendung seines 67. Lebensjahres (aktuelles Renteneintrittsalter) ansparen muss, um eine Rente in Höhe des pfändungsfreien Grundfreibetrages nach § 850c Abs. 1 Satz 1 zu erhalten (errechnet noch auf Basis des bis 30.6.2021 geltenden Betrages i. H. v. 1.178,59 €). Bei der Berechnung der Gesamtsumme von 340.000 € wurden darüber hinaus die aktuelle Sterbetafel (DAV 94 R) und der Garantiezins in Höhe von 0,9 Prozent berücksichtigt.
Auch diese Beträge sind dynamisch, werden also durch den Gesetzgeber unter 760 Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt, des Sterblichkeitsrisikos und der Höhe der Pfändungsfreigrenzen regelmäßig überprüft und angepasst. Dem Schuldner soll letztlich aus solch einem Vertrag die gleiche Leistung 761 verbleiben wie einem ehemals abhängig beschäftigten Rentner, der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, dessen Rente nur wie Arbeitseinkommen pfändbar ist. Auf dem P-Konto spielt die Herkunft der Mittel allerdings keine Rolle mehr. 762 Siehe dazu Rn. 1302.
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V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten 1. Depot-Ansprüche Diese Ansprüche werden nicht durch eine „Konto- und/oder Guthaben- 763 Pfändung“ erfasst. OLG Düsseldorf, v. 23.11.1989 – 8 U 35/89, VersR 1991, 424.
Sie sind auch nicht Bestandteil des Anspruch D (an Kreditinstitute) des Pfändungsvordrucks. Dort ist lediglich der Anspruch auf Zahlung aus dem zum Wertpapierkonto gehörenden Gegenkonto, auf dem die Zinsgutschriften für die festverzinslichen Wertpapiere gutgebracht sind gepfändet, aber weder die Ansprüche aus dem Depot selbst noch Herausgabeansprüche bzgl. Wertpapieren.
Die Ansprüche „aus Depot“ bzw. „aus Wertpapierverwahrung“ müssen daher 764 weiterhin separat zusätzlich aufgenommen werden, also ausdrücklich erwähnt sein. Vgl. Hadatsch/Wagner, Kap. 8.4, S. 46. Ob diese nur so bezeichneten Ansprüche „aus Depot“ bestimmt genug sind, ist offen. Der BGH hat jedenfalls die Bezeichnung „zustehenden Herausgabeanspruch aus dem Depotvertrag“ als ausreichend erachtet, BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, NJW 2004, 3340.
Daran hat im Übrigen auch der i. R. d. Kontopfändungsreform 2010 seinerzeit neu eingefügte § 833a (bis 31.12.2011 dessen Absatz 1) nichts geändert, da „Ansprüche aus Depot“ keine Ansprüche aus „Konten“ sind. Eine nähere Bezeichnung der Wertpapiere oder die Angabe der Depotnummer 765 ist zur Wirksamkeit der Pfändung nicht erforderlich. AG Pforzheim, Beschl. v. 24.6.1992 – 2 M 602/90, JurBüro 1992, 703. Formulierungen aus der Praxis: 1. „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Herausgabe der in Sonderverwahrung für den Schuldner befindlichen Wertpapiere sowie auf Zahlung, Gutschrift und Auskehr von Wertpapiererträgen. Zugleich wird angeordnet, dass die Wertpapiere samt eventuellen Dividenden-, Anteils- oder Erneuerungsscheinen an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind.“ 2. „… gepfändet wird der angebliche Miteigentumsanteil des Schuldners an dem bei der Drittschuldnerin verwahrten Sammelbestand mit dem daraus sich ergebenden Anspruch des Schuldners auf Auslieferung der ihm gebührenden Wertpapiermenge sowie auf Zahlung, Gutschrift und Auskehr von Wertpapiererträgen. Zugleich wird angeordnet, dass die auszuliefernden Wertpapiere samt eventuellen Dividenden-, Anteils- oder Erneuerungsscheinen an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind.“
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V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
766 Aus der im Pfändungsbeschluss verwendeten Formulierung „samt dem Miteigentumsanteil von Stücken im Sammelbestand” ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die Pfändung auf Miteigentumsanteile des Schuldners an sammelverwahrten Wertpapieren erstreckt. BGH, Beschl. v. 12.12.2007 – VII ZB 21/07, ZVI 2008, 51 = NJW-RR 2008, 495.
767 Wertpapiere, d. h. solche Papiere, bei denen die Geltendmachung des Rechtes von der Innehabung der Urkunde abhängig ist, werden einem Kreditinstitut regelmäßig zur sog. „Verwahrung“ anvertraut. Diese werden entweder in Sonderverwahrung (§ 2 DepotG) oder in Sammelverwahrung (§ 5 DepotG) genommen. Die für eine Verwahrung in Betracht kommenden Wertpapiere nennt § 1 Abs. 1 DepotG: „Wertpapiere i. S. dieses Gesetzes sind Aktien, Kuxe, Zwischenscheine, Reichsbankanteilscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen, ferner andere Wertpapiere, wenn diese vertretbar sind, mit Ausnahme von Banknoten und Geld.“
Haftungsfalle: 768 Werden von einem Gläubiger nur Wertpapiere in Sonderverwahrung gepfändet, werden die Wertpapiere aber in Sammelverwahrung verwahrt, geht die Pfändung ins Leere; in der Drittschuldnererklärung muss das drittschuldnerische Kreditinstitut dann erklären, dass es die Pfändung dieser Ansprüche nicht anerkennt, ohne darauf hinzuweisen, dass dies deswegen geschieht, weil die Wertpapiere nur in Sammelverwahrung verwahrt werden. a) Wertpapiere in Sonderverwahrung/Streifband-Verwahrung 769 Die Sonderverwahrung von Wertpapieren stellt im Vergleich zur Sammelverwahrung in der Praxis die Ausnahme dar. § 2 Abs. 1 Satz 1 DepotG schreibt dem Verwahrer vor, im Falle einer Sonderverwahrung „die Wertpapiere unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter aufzubewahren“. Der Hinterleger bleibt damit Eigentümer der Wertpapiere und hat deshalb einen Anspruch gegen sein Kreditinstitut, ihm auf Verlangen die Wertpapiere wieder auszuhändigen (Herausgabeanspruch). 770 In der Zwangsvollstreckung gegen den Hinterleger ist dieser Herausgabeanspruch (die Wertpapiere selbst sind eine bewegliche körperliche Sache i. S. v. § 847) durch einen Pfändungsbeschluss gem. den §§ 829, 846 pfändbar (Formulierungsbaustein 1, siehe Rn. 765). Die Wertpapiere selbst sind dann wie bewegliche Sachen durch den Gerichtsvollzieher nach § 809 (zusätzlich) zu pfänden. Zu berücksichtigen sind dabei die Besonderheiten der §§ 847, 849. LG Münster, Beschl. v. 8.6.2000 – 5 T 32/00, Rpfleger 2000, 506, 507, das die genaue Bezeichnung der in Sonderverwahrung befindlichen Wertpapiere verlangt; siehe aber Rn. 773 für sammelverwahrte Papiere.
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1. Depot-Ansprüche
Mit Herausgabe der Papiere an den Gerichtsvollzieher wandelt sich das am 771 Herausgabeanspruch begründete Pfandrecht um und zwar in ein Pfandrecht an den herausgegebenen Wertpapieren. Sind Wertpapiere an den Gerichtsvollzieher herausgegeben worden, so erfolgt 772 die Verwertung gem. §§ 847 Abs. 2, 821 durch freihändigen Verkauf oder Versteigerung. Auf Antrag des Gläubigers kann das Vollstreckungsgericht gem. § 844 eine andere Art der Verwertung anordnen (z. B. Übertragung an den Gläubiger zum jeweiligen Tageskurs). b) Wertpapiere in Sammelverwahrung Gem. § 5 DepotG darf der Verwahrer nach entsprechender Ermächtigung 773 vertretbare Wertpapiere derselben Art ungetrennt vom eigenen Bestand (oder dem Bestand Dritter) aufbewahren. Damit wird der Kunde Bruchteilsmiteigentümer (§ 6 Abs. 1 DepotG) zu einem ideellen Anteil (§§ 747, 751 BGB). Dieser Bruchteils-Miteigentumsanteil (inkl. Auslieferungsanspruch gem. § 7 774 Abs. 1 DepotG) kann als „anderes Vermögensrecht“ i. S. d. § 857 Abs. 1 gepfändet werden (Formulierungsbaustein 2, Rn. 765). Diese Pfändung erfolgt nach den Grundsätzen der Rechtspfändung (§§ 857, 829, 835 f.). Drittschuldner der Anteilspfändung ist das Kreditinstitut als Verwahrer, auch dann, wenn es – was der Regelfall sein dürfte – die Sammelverwahrung auf eine Wertpapiersammelbank überträgt. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 hat der BGH,
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BGH, Beschl. v. 12.12.2007 – VII ZB 21/07, ZVI 2008, 51 = NJW-RR 2008, 495,
nochmals klargestellt, dass an die Bezeichnung des gepfändeten Vermögensrechts keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen, weil der Gläubiger regelmäßig die Verhältnisse seines Schuldners nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind daher unschädlich, wenn eine sachgerechte Auslegung ergibt, was in Wahrheit gemeint ist, unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 8.5.2001 – IX ZR 9/99, NJW 2001, 2976, 2977; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544, jeweils m. w. N.
Aus einer im Pfändungsbeschluss verwendeten Formulierung „samt dem Miteigentumsanteil von Stücken im Sammelbestand“ ergibt sich daher zweifelsfrei, dass sich die Pfändung auf Miteigentumsanteile des Schuldners an sammelverwahrten Wertpapieren erstreckt. Zu beachten ist, dass (auch) dem Pfändungsgläubiger zwar nicht das Recht 776 zusteht, die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft zu verlangen, aber er kann erreichen, dass eine Auslieferung der Wertpapiere „in gleicher Art und Menge“ erfolgt.
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V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
777 Mitgepfändet sind regelmäßig auch die Erlöse aus der Sammelverwahrung (Erträge, Ausschüttungen und Rückzahlungsbeträge auf fällige Stücke). Bei der Sonderverwahrung ist die ausdrücklich Mitpfändung notwendig, da der Schuldner diese sonst – vor Eingang der Erträge beim verwahrenden Kreditinstitut – auf ein nicht gepfändetes Konto „umleiten“ könnte, vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.7.1991 – 17 U 225/89, NJW-RR 1993, 242.
Handelt es sich bei den Erlösen um eine Einzelforderung, so wird diese als Geldforderung gepfändet. Im Falle eines Kontokorrentverhältnisses können lediglich die Kontokorrentansprüche gepfändet werden. 778 Im Falle der Pfändung sammelverwahrter Wertpapiere erfolgt die Verwertung dadurch, dass die Papiere an den Gerichtsvollzieher herausgegeben werden oder – falls lediglich eine Sammelurkunde existiert – in der Regel durch direkte Veräußerung an der Börse, wobei diese Form der Verwertung durch das Vollstreckungsgericht nach § 844 angeordnet werden sollte. Alternativ möglich wäre, entweder auf ein Depot des Gerichtsvollziehers oder des pfändenden Gläubigers zu übertragen. Bei der Verwertung werden die Papiere zum Tageskurs vom Gerichtsvollzieher verkauft (§ 821). Dieser kann – und wird – sich dabei in der Regel des Kreditinstitutes bedienen (§ 155 GVGA) bei dem die Papiere verwahrt sind. 779 Sind Depotkonten als Gemeinschaftsdepots angelegt, gilt für die Pfändung von solchen Depots grundsätzlich das Gleiche wie bei der Unterscheidung von Oder- oder Und-Gemeinschaftskonten, vgl. Rn. 645 ff. Dabei kann das im Gemeinschaftsdepot verwahrte Wertpapier weiter im Alleineigentum eines Mitinhabers stehen; für die Zulässigkeit und Erfassung des Gemeinschaftsdepots durch die Pfändung spielt das zunächst keine Rolle.
Haftungsfalle: 780 Andere Verwertungsalternativen als die Herausgabe an den Gerichtsvollzieher sind gerichtlich (auf Antrag des Gläubigers) anzuordnen. Fehlt jegliche Anordnung oder ist die Verwertungsart nicht konkret angegeben, hat dies zwar keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Pfändungspfandrechtes, aber das Kreditinstitut kann – und darf – dann der „Einziehung“ nicht nachkommen. c) Wertrechte („Bucheffekten“) 781 Wertrechte sind unverbriefte Rechte in Sammelverwahrung (z. B. Bundesschatzbriefe), die sammelverwahrten verbrieften Wertpapieren gleichgestellt sind. Diese Wertrechte werden lediglich durch „Buchungen“ im Verwahrbuch des Verwahrers notiert. Ihre Übertragung erfolgt nach § 929 Abs. 1 BGB. Die „Übergabe“ des Papiers wird dabei durch die „Begründung des anteilmäßigen Bruchteilseigentums“ ersetzt. Im Verwahrbuch erfolgt dann eine Umbuchung (vgl. § 14 Abs. 1 DepotG). Damit wird der Wille der verwahrenden Depotbank
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2. Genossenschaftsanteile
dokumentiert, die übertragenen Wertpapiere nunmehr für den Erwerber zu verwahren. Vgl. BGH, Urt. v. 4.2.1999 – III ZR 56/98, ZIP 1999, 435, NJW 1999, 1393 – für Investmentanteile.
Wertrechte werden wie sammelverwahrte Wertpapiere gepfändet und verwertet.
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Praxistipp: Bei einer Auslandsaufbewahrung müsste ein Pfändungsgläubiger im Übrigen in die Auslieferungsansprüche des Schuldners gegen seine Depotbank vollstrecken (Forderungspfändung nach §§ 829 ff.). Der Kunde ist in diesen Fällen nämlich nur mittelbar Bruchteils-Miteigentümer; unmittelbare (Treuhand-) Eigentümerin an den Wertpapieren ist die Depotbank, die wiederum BruchteilsMiteigentum von der ausländischen Verwahrstelle erwirbt.
2. Genossenschaftsanteile Bei den Genossenschaftsbanken kann auch der Anspruch des Pfändungs- 783 schuldners (als Genosse) auf im Zusammenhang mit dem Genossenschaftsanteil stehenden Ansprüchen gepfändet werden. Genossenschaftsanteile sind der Pfändung auch nicht etwa grundsätzlich entzogen. Vollstreckungsschutz nach § 765a ist nicht zu gewähren, wenn Genossenschaftsanteile gepfändet werden, AG Warstein, Beschl. v. 25.6.2012 – 3 M 741-10 (rkr.), ZVI 2012, 384.
Allerdings muss dies auch ausdrücklich geschehen (die Konten-Pfändung er- 784 fasst die damit zusammenhängenden Ansprüche nicht). Formulierungen aus der Praxis: „… gepfändet werden, der … – … Auszahlungsanspruch des Schuldners bei Auseinandersetzung der Genossenschaft; – … Anspruch gegen die Genossenschaft; – … auf laufende Auszahlung der Gewinnanteile; – … auf Auszahlung des Anteils an der Ergebnisrücklage (§ 73 Abs. 3 GenG); – … auf Auszahlung des Anteils am Vermögen im Falle einer Liquidation.“ Gelegentlich wird auch noch der Anspruch auf Herausgabe der Genossenschaftssatzung gepfändet, ergänzt um die Anordnung, dass der Schuldner die Genossenschaftssatzung herauszugeben hat; Dieser Anspruch ist in den ZVFV-Formularen (Anhang 5 und 6) NICHT in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ enthalten und muss daher weiterhin separat zusätzlich aufgenommen werden.
Der Geschäftsanteil selbst ist nicht pfändbar; er ist lediglich „Rechengröße“, Mock, VE 2003, 66; ebenso Stöber/Rellermeyer, Rn. E.211; vgl. § 7 Nr. 1 GenG.
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785
V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
786 Eine solche Pfändung lässt sich aber in eine Pfändung des Auseinandersetzungsguthabens sowie der Ergebnisrücklage umdeuten. Vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. E.212.
787 Die Einziehung/Überweisung geschieht dadurch, dass der Gläubiger berechtigt ist, die Mitgliedschaft zu kündigen. Praxistipp: In der Praxis zeigt sich, dass Gläubiger zwar die – meist summenmäßig nicht großen – Genossenschaftsanteil-Guthaben pfänden, dann aber – des Aufwandes wegen – nicht kündigen, so dass die Abführung der jährlichen Dividende von manchmal nur wenigen Euro einen erheblichen Arbeitsaufwand bei der Genossenschaftsbank verursacht. Hier scheint es angemessen, auf eine solche (jährliche) Auskehrung zunächst zu verzichten und sie auf einem internen Konto des Kreditinstitutes zu sammeln oder aber diesen Umstand zum Anlass zu nehmen, seitens der Genossenschaftsbank den Schuldner nach § 68 GenG auszuschließen. In den Satzungen werden dazu regelmäßig die „Kataloggründe“ der „Zahlungsunfähigkeit“, „Überschuldung“ oder „Beantragung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen“ vorliegen oder aber der Generaltatbestand „sich sein Verhalten mit den Belangen der Genossenschaft nicht vereinbaren lässt, …“ bemüht werden können.
788 Würde das Guthaben eines oder mehrerer Geschäftsanteile bereits ausreichen, um die Forderung des Pfändungsgläubigers zu befriedigen, wäre dieser selbstverständlich gehindert alle Geschäftsanteile zu kündigen. Die Kündigungsfristen (mindestens drei Monate) sind meist satzungsmäßig geregelt und eine Kündigung ist gem. § 65 Abs. 2 Satz 1 GenG auch nur zum Schluss des Geschäftsjahrs der Genossenschaft möglich. 789 § 66 Abs. 1 GenG schreibt außerdem einige Voraussetzungen für die Kündigung vor, die es sowohl beim Gläubiger als auch beim Drittschuldner zu beachten gilt: x
Es muss innerhalb der letzten sechs Monate vor Erlass des PfÜBs fruchtlos gegen den Schuldner vollstreckt worden sein. Das muss das Vollstreckungsgericht allerdings nicht prüfen. So Stöber/Rellermeyer, Rn. E.215.
x
Der Kündigung muss eine beglaubigte Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels und der Bescheinigungen über den fruchtlosen Verlauf der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners beigefügt werden.
x
Der Vollstreckungstitel darf nicht nur vorläufig vollstreckbar sein.
790 Solange der Anteil gepfändet ist, hat der Drittschuldner natürlich auch sicher zu stellen, dass das Guthaben nicht mehr auf andere übertragen wird.
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3. (Bank-)Schließfach/Schrankfach
3. (Bank-)Schließfach/Schrankfach Formulierungen aus der Praxis: – „… gepfändet werden die angeblichen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Drittschuldnerin als Inhaberin eines Stahlkammerfaches oder anderer Stahlkammerfächer, insbesondere die Ansprüche auf Zutritt zum Fach und auf Mitwirkung der Drittschuldnerin bei dessen Öffnung, einschließlich Öffnung durch die Drittschuldnerin allein, wobei der Vollstreckungsgläubiger den Zutritt durch einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Pfändung des Inhalts nehmen lassen kann.“ – „… gepfändet wird der Zutritt zu dem vom Vollstreckungsschuldner bei Ihnen unterhaltenen Stahlkammerfach, Schließfach, Schrankfach oder Safe und auf Ihre Mitwirkung bei dessen Öffnung oder auf Öffnung durch Sie allein. Zugleich wird angeordnet, dass für die Pfändung des Inhalts ein von der Vollstreckungsbehörde beauftragter Vollziehungsbeamter den Zutritt zum Fach zu nehmen hat.“ Im neuen Formular (Anhang 5 und 6) allerdings ist dieser Anspruch in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“, dort unter Nr. 1, enthalten, und zwar wie folgt: „… auf Zutritt zu dem Bankschließfach Nr. und auf Mitwirkung des Drittschuldners bei der Öffnung des Bankschließfachs bzw. auf die Öffnung des Bankschließfachs allein durch den Drittschuldner zum Zweck der Entnahme des Inhalts.“
Der Inhalt eines Schließfachs steht zwar im Gewahrsam des Schuldners (Bank-/ 791 Sparkassenkunden), aber unter Umständen auch unter Mitverschluss des Kreditinstitutes. Der Mitverschluss dient allerdings selbst dann, wenn das Schließfach nur zusammen mit einem Mitarbeiter des Kreditinstitutes geöffnet werden kann, ausschließlich dem Sicherungsinteresse des Kunden. Der Zweitschlüssel bedeutet insofern keine Mitherrschaft des Kreditinstitutes am Inhalt. Er soll lediglich das Schließfach zusätzlich gegen unbefugtes Öffnen sichern. Bei elektronischen Schließfachanlagen mit Zugangskarte steht das Schrank- 792 fach unter alleinigem Verschluss des Mieters. Der Mieter erhält neben dem Schließfach-Schlüssel dann eine codierte Zugangskarte. Bei elektronischen Schließfachanlagen mit permanenter Zugangsmöglichkeit erfolgt der Zutritt ohne Mitwirkung des Kreditinstitutes. Das Kreditinstitut gewährt dann regelmäßig Zutritt zum Schrankfach, wenn der Kunde die Zugangskarte einführt und den Geheimcode am Kartenlesegerät eingibt. Das Öffnen des Faches erfolgt durch den Mieter allein. Die Vollstreckung in den Schließfachinhalt erfolgt durch einen Gerichtsvoll- 793 zieher nach den Regeln über die Pfändung beweglicher Sachen gem. den §§ 808 ff. Es bedarf aber der Mitwirkung des Kreditinstitutes bei der Öffnung des Schließfaches (Regelfall); daher wird eine derartige Pfändung nur Erfolg haben, wenn der Pfändungsschuldner in die Öffnung einwilligt. In Ermangelung einer solchen Einwilligung wird das Kreditinstitut nämlich seine nach § 809 erforderliche Zustimmung verweigern, um nicht die Interessen seines
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V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
Kunden zu verletzen, denn schließlich weiß es nicht, ob der Titel gegen seinen Kunden zu Recht besteht und ob aus diesem in das Schließfach vollstreckt werden darf. 794 Der Gläubiger kann aber – und wird in der Praxis regelmäßig – den Anspruch des Schuldners auf Zugang zum Schließfach und Mitwirkung des Kreditinstitutes bei dessen Öffnung gem. den §§ 857, 829, 835 mitpfänden und sich überweisen lassen. Es handelt sich dabei um eine Hilfspfändung, durch die noch kein Pfandrecht an der Sache selbst begründet wird. 795 Im Falle eines Schlüsselverlustes, wird ein Recht zur gewaltsamen Öffnung des Schließfaches gem. § 758 bejaht. Die Kosten für die gewaltsame Öffnung und Erneuerung des Schließfachschlosses hat der Pfändungsgläubiger dem Kreditinstitut zu erstatten. 796 Ob ein vorrangiges AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes am Schließfachinhalt (wegen eigener Forderungen z. B. aus Darlehen) möglich ist, ist nicht ganz unumstritten. Dieses Pfandrecht des Kreditinstitutes am Inhalt des Schließfaches gem. Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken (Nr. 21 AGB-Sparkassen) setzt nämlich Besitz am Pfandgegenstand voraus. Ein zumindest notwendiger Mit-Besitz scheitert aber daran, dass der Kunde regelmäßig ein alleiniges Zugriffsrecht besitzt. Zwar wäre eine Inbesitznahme im Moment der Öffnung des Schließfaches durch den Gerichtsvollzieher grundsätzlich möglich, aber in diesem Augenblick nimmt dieser unmittelbar den Inhalt in Besitz. Nur wenn mit dem Kunden zuvor ein vertragliches Pfandrecht vereinbart wurde, was zumeist der Fall ist, kann sich das Kreditinstitut ggf. vorrangig befriedigen. Zu Zweifeln, ob dies AGB-rechtlich wirksam vereinbart werden kann, vgl. Canaris, Bankvertragsrecht (= Staub, HGB, Bd. III/3), Rn. 2230.
797 Wegen Forderungen aus dem Schließfach-Mietverhältnis selbst (z. B. rückständige Schließfachentgelte; Kosten für das Nachmachen eines (verlorenen) Schlüssels etc.) steht dem Kreditinstitut ein (der Kontopfändung gegenüber vorrangiges) Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB zu. 798 Hat der Schuldner zusammen mit einer anderen Person das Schließfach gemietet, greift eine Pfändung dieses Anspruches dann, wenn jeder alleinige Gewahrsam hat. Steht das Schließfach dagegen unter Mitverschluss mehrerer anderer Schließfach-Inhaber, ist zur Wirksamkeit der Pfändung gegen nur einen Schließfachinhaber die Zustimmung der anderen notwendig. Wird diese verweigert, muss der Gläubiger den Herausgabeanspruch des Schuldners gegen seinen Schließfach-Mitinhaber nach § 846 ff. pfänden, LG Oldenburg, v. 11. 6. 82 – 5 T 23/82, DGVZ 1983, 58.
Haftungsfalle: 799 Das drittschuldnerische Kreditinstitut sollte sich stets die Zustimmung des Schließfach-Mitinhabers durch den Gerichtsvollzieher nachweisen lassen. 212
4. Rückgewähransprüche/Freigabeanspruch
4. Rückgewähransprüche/Freigabeanspruch Formulierungen aus der Praxis (siehe aber Erläuterungen, Rn. 803 ff.): – „… Rückübertragung des Eigentums von sicherungsübereigneten Wertpapieren, Warenlagern, Kraftfahrzeugen, Wertgegenständen, einschließlich des Anspruches eines bei der Verwertung des Sicherungsgutes verbleibenden Erlösüberschusses an die Drittschuldnerin (1); – … Anspruch auf Rückgewähr durch Abtretung, Verzicht oder Löschung der im Grundbuch von Musterstadt, Blatt 2, Flur 2 an in Abteilung III an laufender Nr. 1 eingetragenen Grundschuld über 100.000 € mit Brief (2); – … Ansprüche auf Rückübertragung und Rückgabe von Sicherheiten (3); – … Ansprüche auf Rückübertragung sicherungshalber abgetretener Forderungen (4); – … Ansprüche auf Rückübereignung des sicherungsübereigneten PKWs Porsche mit dem Kennzeichen F – S 999 (5).“ Rückgewähransprüche sind in den ZVFV- Formularen (Anhang 5 und 6) NICHT in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ enthalten und müssen daher weiterhin separat zusätzlich aufgenommen werden.
Wenn Sicherheiten nicht mehr benötigt werden, kann der Sicherungsgeber 800 von seinem Kreditinstitut aus dem Sicherungsvertrag bzw. aus § 812 BGB die Rückgabe der freigewordenen Sicherheiten verlangen. Es handelt sich um einen durch die Erfüllung der gesicherten Forderung aufschiebend bedingten Anspruch, der als solcher nach § 857 pfändbar ist. Die manchmal sprachliche Differenzierung zwischen Rückgewähranspruch (bei Grundschulden) und Freigabeanspruch (bei sonstigen Sicherheiten; z. B. ist vom Freigabeanspruch auch in den AGB der Banken und Sparkassen die Rede) wird zu Gunsten des in diesem Skript einheitlich verwendeten Begriffs Rückgewähranspruch nicht vorgenommen.
Der Rückgewähranspruch ist damit ein gegenwärtiger, nicht ein künftiger 801 Anspruch. Er kommt aber erst zum Tragen, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die sog. Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet, BGH, Beschl. v. 27.11.1997 – GSZ 1 u. 2/97, NJW 1998, 671. Die Deckungsgrenze wiederum errechnet sich durch Zusammenfassung aller (persönlichen) Forderungen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes gegen den Schuldner zzgl. Nebenkosten wie zum Beispiel Zinsen, Vorfälligkeitsentschädigungen etc. plus 10 % „Polster“ für Unvorhergesehenes wie Verwertungsoder Rechtsverfolgungskosten zzgl. etwaiger Umsatzsteuern. Erst wenn diese Deckungsgrenze – die quasi den Nettoerlös nach Gegenrechnung der realisierbaren (!) Sicherheiten-Werte darstellen würde – nicht nur vorübergehend überschritten wäre, würde der Rückgewähranspruch tatsächlich entstehen.
Die erfolgreiche Pfändung setzt allerdings voraus, dass der Rückgewähranspruch hinreichend präzisiert wird.
213
V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
802 Der gepfändete Anspruch wird bei Fälligkeit dadurch erfüllt, dass das Kreditinstitut die Sicherheit an den Schuldner (der dabei u. U. von einem Gerichtsvollzieher zu vertreten ist) – nicht direkt an den Gläubiger – herausgibt. Der Gläubiger erlangt dadurch gem. § 1287 BGB ein Pfändungspfandrecht an dem Sicherungsgegenstand. Im Einzelnen gilt dabei Folgendes: a) Bestimmtheit 803 Zu prüfen ist bei der Pfändung zunächst, ob die Rückgewähr-/Rückübertragungsansprüche bestimmt genug bezeichnet sind. 804 Eine lediglich pauschale Bezeichnung der Ansprüche („Ansprüche auf Rückübertragung und Rückgabe von Sicherheiten“ oder „Ansprüche auf Rückübertragung sicherungshalber abgetretener Forderungen“) wäre als „zu unbestimmt“ zurückzuweisen. AG Kerpen, Beschl. v. 26.1.1996 – 35 M 3049/95, WM 1996, 888.
805 Die obigen „Formulierungen aus der Praxis“ Nr. (1), (3) und (4) genügen demgemäß der erforderlichen Bestimmtheit nicht. Die Pfändung wäre insoweit nichtig und vom Kreditinstitut nicht zu beachten und in der Drittschuldnererklärung als „zu unbestimmt“ zurückzuweisen. b) Mehrere Rückgewährberechtigte 806 Wird eine Sicherheit von einer Bruchteilsgemeinschaft gestellt (z. B. eine Grundschuld von zwei Ehegatten, die zu je 1/2 Eigentümer einer Immobilie sind), so steht der Rückgewähranspruch den Bruchteilseigentümern in demselben Verhältnis zu, in dem ihnen die Sicherheit zustand. Die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs, aber auch die Wahl der Art der Rückgewähr (Rückabtretung, Löschung, Verzicht), kann von Bruchteilseigentümern grundsätzlich nur gemeinsam geltend gemacht werden. Auch die Pfändung des Rückgewähranspruchs ist daher nur möglich, wenn die Rechte aller Bruchteilseigentümer gepfändet werden. Ist nur ein Bruchteilseigentümer Pfändungsschuldner, kann deshalb eigentlich nur der Anspruch des Schuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft gegen den – von der Pfändung nicht betroffenen – Bruchteilseigentümer gepfändet werden. LG Düsseldorf, Urt. v. 23.9.1992 – 23 S 532/91, WM 1993, 1262.
807 Die (weitergehende) Auffassung des BGH, BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197,
wonach gleichwohl die Pfändung des einzelnen Anteils eines Bruchteilseigentümers erfolgen kann, ist deshalb nicht unumstritten. Gleichwohl ist dem in der Praxis dadurch Rechnung zu tragen, dass (auch) diese Pfändung ausgebracht und vom Kreditinstitut angenommen wird.
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4. Rückgewähransprüche/Freigabeanspruch
Steht der Anspruch mehreren Berechtigten einer Gesamthandsgemeinschaft 808 (z. B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Erbengemeinschaft) gesamthänderisch zu, so ist eine Pfändung der einzelnen Anteile eines Mitglieds der Gesamthandsgemeinschaft nicht möglich. c) Grundschuld Genügend bestimmt ist der Rückgewähranspruch einer Grundschuld, wenn 809 aus dem PfÜB durch die Anschrift oder grundbuchliche Angaben hervorgeht, welches Grundstück konkret betroffen ist. Die Angabe auch der Gemarkung ist regelmäßig nicht (mehr) notwendig.
810
BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197.
Die obige „Formulierung aus der Praxis“ Nr. (2) genügt daher der erforder- 811 lichen Bestimmtheit. Die Pfändung wäre insoweit wirksam und vom Kreditinstitut zu beachten. Der Grundschuldbrief braucht nicht mitgepfändet werden.
812
BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197.
Wird eine Grundschuld vom Kreditinstitut (teilweise) nicht mehr benötigt, 813 so kann diese die (nachrangige Teil-)Grundschuld in der Form des § 1154 BGB unter Bezugnahme auf den PfÜB zwar an den Schuldner und Sicherungsgeber abtreten. Das Verlangen des Pfändungsgläubigers nach ständiger Freigabe von kleinen Teilbeträgen dürfte aber rechtsmissbräuchlich sein.
Abtretungsurkunde und ggf. Grundschuldbrief händigt das Kreditinstitut aber 814 dann dem Pfändungsgläubiger aus, der dadurch ein Pfändungspfandrecht an der Grundschuld erwirbt. Die – sinnvollere – Abtretung direkt an den Pfändungsgläubiger bedarf aller- 815 dings der Zustimmung des Sicherungsgebers, weil der Gläubiger ja „nur“ ein Pfand- und kein Vollrecht erwirbt. Steht der Rückgewähranspruch nicht (mehr) dem Schuldner zu (sondern ist 816 er z. B. bereits an einen nachrangigen Grundpfandrechtsgläubiger abgetreten) geht die Pfändung ins Leere (und lebt auch dann nicht etwa wieder auf, wenn der abgetretene Anspruch zurückgewährt wird). Der Rückgewähranspruch wird erst fällig, wenn der Sicherungszweck (end- 817 gültig) entfallen ist. Bei einer weiten Zweckerklärung ist der Rückgewähranspruch in der Regel erst fällig, wenn auch keine neuen Verbindlichkeiten mehr entstehen können. BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 53/88, ZIP 1990, 857 = NJW-RR 1990, 455.
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V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
818 Die Kündigung der Sicherungsabrede ist durch den Pfändungsgläubiger im Übrigen nicht möglich. Stöber/Rellermeyer, Rn. F.118.
Sie ist nicht (Bestand-)Teil der gepfändeten „Ansprüche auf Rückgewähr“. Eine selbstständige Pfändung des Kündigungsrechts, um den Rückgewähranspruch vorzeitig auszulösen, ist, da es insoweit kein Vermögensrecht i. S. d. § 857 ist, ebenfalls nicht möglich. Verschiedentlich wird auch der „Anspruch auf Neuvalutierung“ einer Grundschuld gepfändet. Ein solcher Anspruch steht dem Sicherungsgeber i. R. d. Pfändung des Rückgewähranspruchs aber nicht zu, sodass eine solche Pfändung ins Leere geht. Hadatsch/Wagner, Kap. 16, S. 113.
819 Ebenso wenig kann der Gläubiger einen Anspruch auf Auskunft über die persönliche Forderung des Schuldners pfänden, es sein denn, es gäbe einen in der Sicherungsabrede vertraglich vereinbarten Auskunftsanspruch, was aber regelmäßig nicht der Fall ist,
und damit geltend machen. Stöber/Rellermeyer, Rn. F.114.
820 Nach Ansicht des LG Traunstein kann der Gläubiger allerdings die Herausgabe der Sicherungsabreden vom drittschuldnerische Kreditinstitut direkt verlangen. LG Traunstein, Urt. v. 26.6.2020 – 5 O 49/20, VE 2021, 58; diesem Anspruch kann der Drittschuldner nach Ansicht des LG Traunstein nicht entgegenhalten, dass er mit Herausgabe der Sicherungsabrede gegen das Bankgeheimnis und Datenschutzregelungen verstößt. Nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ist der Schuldner dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, die nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Soweit Rechte des Schuldners zur Geheimhaltung oder seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert sein können, muss der Schuldner zur Wahrung dieser Rechte mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766) gegen die Herausgabeanordnung vorgehen.
821 Die Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr von Grundpfandrechten erfasst im Übrigen nicht automatisch die Ansprüche auf Rückgewähr eines persönlichen Schuldanerkenntnisses mit Vollstreckungsunterwerfung, denn es handelt sich hierbei um ein eigenständiges Sicherungsrecht. Hadatsch/Wagner, Kap. 16, S. 114.
d) Bewegliche Sachen (Sicherungsübereignung) 822 Wurde Sicherungseigentum an einer beweglichen Sache bestellt, hat das Kreditinstitut die Sache an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben und sich mit diesem als Vertreter des Schuldners über den Eigentumsübergang auf den
216
4. Rückgewähransprüche/Freigabeanspruch
Schuldner zu einigen (§ 847). Der Gläubiger hat jetzt ein Pfändungspfandrecht an der Sache. Befand sich die Sache im Besitz des Schuldners, wie es bei der Sicherungsübereignung regelmäßig der Fall ist, dann muss die Sache zusätzlich nach § 808 gepfändet werden (zusätzliche Sach-Pfändung beim Schuldner selbst), da die Pfändung sonst nicht sichtbar ist. Das Kreditinstitut sollte daher auch den Kfz-Brief eines Fahrzeuges – es sei 823 denn, der Schuldner wäre damit einverstanden – grundsätzlich erst an den Pfändungsgläubiger aushändigen, wenn ihm die Pfändung des Fahrzeuges beim Pfändungsschuldner nachgewiesen wurde. Die obige „Formulierung aus der Praxis“ Nr. (5) genügt im Übrigen ebenfalls 824 der erforderlichen Bestimmtheit. Die Pfändung wäre insoweit wirksam und von der Sparkasse zu beachten. Befindet sich die Sache im Besitz des Kreditinstitutes (z. B. bei einer Verpfän- 825 dung einer Sicherheit) muss neben der Pfändung des Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums auch die Herausgabe dieses Gegenstandes an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher angeordnet werden. Fehlt diese Anordnung, ist die Herausgabe nicht möglich. Eine Aushändigung an den Kunden kann – wegen der wirksamen Pfändung – aber nicht erfolgen. e) Forderungen Werden Forderungen gepfändet, gilt das Bestimmtheitsgebot ebenfalls. Zumin- 826 dest ist in Umrissen anzugeben, um welche Forderungen es sich handeln soll. BGH, Urt. v. 28.2.1975 – V ZR 146/73, NJW 1975, 980. Praxistipp: Gegen Beschlüsse, die eine fast lückenlose Aufzählung nahezu aller denkbaren Sicherheitenrückgewähransprüche hinsichtlich „Forderungen“ enthalten, sollte Erinnerung eingelegt werden, da dies letztlich nur eine unzulässige und rechtsmissbräuchliche Umschreibung der unbestimmten Bezeichnung „Pfändung aller Sicherheiten“ wäre. Ansprüche auf Rückübertragung von Forderungen sind in den ZVFV-Formularen (Anhang 5 und 6) NICHT in der Standardformulierung unter „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ enthalten und müssen daher weiterhin separat zusätzlich aufgenommen werden.
Besteht Anspruch auf die Rückübertragung von Forderungen (z. B. Global- 827 zession, Lebensversicherungsansprüchen, Ansprüchen aus Bausparguthaben, Arbeitseinkünften etc.), dann tritt das Kreditinstitut diese Forderungen an den Schuldner ab und händigt dem Gläubiger die Abtretungsurkunde aus. Nach Hadatsch/Wagner, Kap. 16, S. 115, ist in der Abtretungsurkunde zu erwähnen, dass die Abtretung aufgrund der Pfändung und Überweisung des Rückgewähranspruchs erfolgt; das scheint dem Autor nicht zwingend.
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V. Pfändung in sonstige Vermögenswerte bei Kreditinstituten
828 Dieser hat jetzt ein Pfändungspfandrecht an der Forderung. Praxistipp: Interessant kann für einen Pfändungsgläubiger insbesondere sein, die Rückübertragungsansprüche aus abgetretenen „Lohn- und Gehaltsforderungen“ zu pfänden. In diesem Fall könnte er gegenüber anderen Gläubigern, die die Lohnund Gehaltsansprüche beim Arbeitgeber des Schuldners gepfändet haben, im Vorrang sein. Wichtig ist hier zu wissen, dass eine Pfändung dieser Ansprüche – anders als bei einer Einzelforderung – nicht unwirksam ist (weil durch die Abtretung der Schuldner nicht mehr Inhaber der Forderung ist). Lohnansprüche sind gem. § 832 insoweit „fortlaufende Bezüge“.
f) Übererlös 829 Ist das Sicherungsgut verwertet, so hat der Kunde einen Anspruch auf Auszahlung (Gutschrift) des Übererlöses. Dieser Anspruch ist grundsätzlich nach § 829 pfändbar. Er wird aber zumeist Kontokorrent gebunden sein, sodass eine selbstständige Pfändung unzulässig ist. Von einer Kontokorrent-Bindung ist regelmäßig auszugehen, wenn der Schuldner und Sicherungsgeber mit seinem Kreditinstitut und Grundschuldgläubigerin in einem Kontokorrentverhältnis steht. Der Übererlös wird dann nicht von der Pfändung erfasst, sondern ist dem Sicherungsgeber auf seinem Kontokorrentkonto gutzuschreiben. Nur wenn die Kontokorrentzugehörigkeit des Rückgewähranspruchs durch Vereinbarung ausgeschlossen wurde (was regelmäßig nicht der Fall ist) oder wenn im Zeitpunkt der Erlösverteilung das Kontokorrentverhältnis zum Schuldner insolvenz- und/ oder kündigungsbedingt erloschen sein sollte, greift die Pfändung.
830 Im Gegensatz zur Pfändung des Rückgewähranspruchs von Sicherheiten, reicht hier die pauschale Bezeichnung „Anspruch auf Auszahlung des Überschusses aus der Verwertung von Sicherheiten“ grundsätzlich aus. Der Anspruch auf den Übererlös, der neben dem (wirksam gepfändeten) Rückgewähranspruch im Übrigen nicht ausdrücklich mitgepfändet werden müsste, da sich die Pfändungswirkung ohnehin am Erlös fortsetzt, ist einem (künftigen) Anspruch auf Auszahlung von Guthaben vergleichbar und somit ein „Baranspruch“. Haftungsfalle: 831 Konkurriert ein Pfändungsgläubiger, der nur den Anspruch auf Auszahlung des Übererlöses gepfändet hat, mit einem, der – zeitlich später – den Anspruch auf Rückübertragung gepfändet hat, geht der zweite Gläubiger dem ersten vor, wenn die Verwertung noch nicht stattgefunden hat (was der Regelfall sein dürfte). Denn das zeitliche spätere Pfändungspfandrecht am Rückgewähranspruch entsteht mit Zustellung (zwar aufschiebend bedingt), nicht erst – wie der Übererlösanspruch – mit bzw. nach der Verwertung. Der Rückgewähranspruch, der sich dann am Anspruch auf Auszahlung des Übererlöses als Surrogat fortsetzt, verdrängt daher das Pfandpfandrecht (aus der ersten Pfändung) da dieses erst mit der Verwertung entsteht. Ebenso Bach-Heuker, in: BuB, 125. Lfg., Rn. 2/1234.
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5. Pfändung von Kryptowährungen
5. Pfändung von Kryptowährungen Zwar werden Kryptowerte wie z. B. Bitcoins im Wege der Forderungspfän- 832 dung mittels PfÜB gepfändet, aber Drittschuldner sind nicht Kreditinstitute, sondern sie sind drittschuldnerlose Rechte. Skauradszun, WM 2020, 1229 unter Verweis auf Smid, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl., § 857, Rn. 6. Ausnahmsweise ist die Pfändung eines drittschuldnerlosen Rechtes bereits mit der Zustellung beim Schuldner bewirkt, Skauradszun, WM 2020, 1229, 1234.
Daher wird die Pfändung dieser Vermögenswerte nicht in diesem RWS-Skript 833 behandelt, das sich mit der Pfändung von Ansprüchen gegenüber Kreditinstituten befasst. Wer sich – insbesondere als Gläubiger – damit beschäftigen will und muss, sei daher an dieser Stelle auf die instruktiven Aufsätze von Effer-Uhe, ZZP 131 (2018), 513 und Skauradszun, WM 2020, 1229 verwiesen.
219
VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes 1. Einführung Die erste große Reform des Kontopfändungsschutzes 2010 mit Einführung 834 des P-Kontos hat – wie der Name schon sagt – im Wesentlichen Bestimmungen im Bereich des (Konto)Pfändungsschutzes geändert. Auch die zweite große Reform, die Verabschiedung des Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetztes (PKoFoG) deren Rechtsstand seit Inkraftreten am 1.12.2021 diesem Skript ausschließlich zu Grunde liegt, hatte im Wesentlichen den Pfändungsschuldner schützende Veränderungen gebracht. Insofern ist es folgerichtig, die Reformen schwerpunktmäßig i. R. d. Kapitels „Pfändungsschutz“ zu behandeln und im Folgenden vor allem die praktischen Auswirkungen darzustellen. 2. Reformentwicklung Bis Mitte der 1970er Jahre war die Kontopfändung noch sehr selten. Man 835 schätzte die Zahl seinerzeit auf etwa jährlich (!) 350 Kontopfändungen bundesweit. Prof. Dr. Kohte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, auf dem 7. Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin, 17.19.3.2010, im Workshop II: „Das neue Pfändungsschutzkonto und § 850i ZPO“ an dem auch der Autor als Podiumsmitglied teilnahm.
Heute (Stand Sept. 2021) dagegen sind es schon fast 600.000 monatlich (vgl. 836 Rn. 20). Eine unvorstellbare Steigerung! Die Zunahme des bargeldlosen Zahlungsver- 837 kehrs war es, der den bestehenden Kontopfändungsschutz der §§ 850 ff. (i. d. F. bis zum 30.6.2010) als unzureichend herauskristallisierte. Denn dieser erfasste ursprünglich nicht die auf einem Konto des Schuldners bei einem Kreditinstitut entstehenden Guthaben. Anfang bis Mitte der 1970er Jahre wollte man erstmals einen Kontopfändungsschutz etablieren, der dem des bis 30.6.2010 für Sozialleistungen geltenden entsprach. Nach dem damals geplanten § 850k ZPO-E sollte das Guthaben auf dem Konto i. H. d. Lohn- und Gehaltsüberweisung für die Dauer von sieben Tagen unpfändbar sein, vgl. BundestagsDrucks. 16/7615 v. 19.12.2007, Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes, dort S. 9.
Die Einführung der neuen Regelung scheiterte letztlich am Widerstand des 838 Bundesrates, der einen so weitgehenden Pfändungsschutz für nicht vertretbar hielt. BR-Drucks. 663/07 S. 9.
221
VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes
839 Die Rechtsprechung hat diese Lücke – die zweifelsohne zu Härten führte – zu schließen versucht, indem sie sich mit der entsprechenden Anwendung der §§ 811 a. F., §§ 850 ff. a. F. oder über § 765a behalf. Erst am 1.4.1978 trat dann der bis zum 30.6.2010 geltende § 850k (bis 31.12.2011 der § 850l -2011) i. R. d. Vierten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen in Kraft. 840 Aber auch der 1978 in Kraft getretene Kontopfändungsschutz erwies sich – jedenfalls aus Sicht der Bundesregierung – als unzureichend. BR-Drucks. 663/07 S. 10.
841 Dieser Schutz setzt zunächst einen Antrag des Schuldners beim Vollstreckungsgericht voraus. Das Fehlen eines einheitlichen Verfahrens zur Erlangung des Kontopfändungsschutzes und dessen Kompliziertheit, insbesondere aber die durch eine Kontopfändung ausgelöste sog. „Kontoblockade“, die dem Schuldner die zum Lebensunterhalt benötigten Geldmittel aus Arbeitseinkommen bis zu einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts entzog, waren weiter ungelöst. Auch ein Pfändungsschutz für die Einkünfte von Selbstständigen und Freiberuflern existierte nur unzureichend. Dem Gläubigerschutz wurde aber seinerzeit noch mehr Gewicht beigemessen. Noch in der 15. Legislaturperiode ist ein vor diesem Hintergrund zwar ausgearbeiteter Vorschlag zur Neuregelung von § 850k vorgelegt, aber nicht weiter verfolgt worden. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze vom September 2004.
a) Die erste große Reform 2010 842 Ernsthaft angekündigt hat die Bundesregierung eine Reform des Kontopfändungsschutzes erst im vierten „Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann“ aus dem Jahre 2006. Aus den Beratungen des zuvor gescheiterten ersten Gesetzesentwurfs zur Neuregelung des § 850k a. F. aus dem Jahre 2004 wurde deshalb das Bundesministerium der Justiz mit einer Neuregelung befasst. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts“ hatte ihm aufgegeben, eine für die Pfändung von Kontoguthaben aus Arbeitseinkommen zeitgemäße Neuregelung vorzubereiten, die den Interessen und praktischen Bedürfnissen von Schuldnern und Gläubigern, von Banken und Justiz gleichermaßen entgegenkommen sollte. Dabei sollte auch bei Pfändungsmaßnahmen die „Funktionsfähigkeit des Kontos als Zahlungsinstrument für Rechtsgeschäfte der gewöhnlichen Lebensführung erhalten, aber auch die Fortführung der Bankverbindung auch aus Sicht des kontoführenden Kreditinstituts noch zumutbar bleiben“, so die Darstellung im Bericht. 843 Im Januar 2007 schließlich hatte das BMJ einen Referentenentwurf vorgelegt, der auf der Grundlage der Stellungnahmen der Landesjustizverwaltungen, der Fachkreise und Verbände überarbeitet worden ist. Am 5.9.2007 wurde von der Bundesregierung dann der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Konto222
2. Reformentwicklung
pfändungsschutzes beschlossen. Der Deutsche Bundestag hat sodann den Gesetzentwurf in der Drucksache 16/7615 in seiner 139. Sitzung am 24.1.2008 in erster Lesung beraten und an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen. Circa ein Jahr haben dann die Kreditwirtschaft einerseits und die Ministerialebene, Bundestags-Ausschüsse und Verbraucherschützer andererseits um „Feinheiten“, die je nach Interessenlage durchaus aber wesentliche Veränderungen betrafen, gerungen. Kaum Jemand rechnete mit der Verabschiedung eines Gesetzes noch vor dem Ende der 16. Legislaturperiode. Dann aber wurde am 22.4.2009 eine Beschlussempfehlung und der Bericht des Bundestagsrechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Kontopfändungsschutzes Grundlage für die – dann erstaunlich zügige – Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag (23.4.2009) wie auch des Bundesrates (15.5.2009). Wegen der Einzelheiten zum Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens wird auf den erschienenen Beitrag der bedauerlicherweise zu früh verstorbenen Ministerialrätin im Bundesministerium der Justiz Schumacher, Referatsleitung Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung, Berlin, in ZVI 2007, 455 verwiesen. Schumacher galt als „Mutter des P-Kontos“, Nolte, ZVI 2011, 19.
Mit diesem Gesetz wurde das Recht des Kontopfändungsschutzes umfassend 844 und grundlegend neu geregelt. Nachbesserungen erfolgten dann durch das „Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 22.12.2010, BGBl I 2010, Nr. 67 v. 27.12.2010, S. 2248,
und das „Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nicht ehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung“. BR-Drucks. 104/11, BGBl I 2011, Nr. 17 v. 15.4.2011, S. 615.
b) Zweite große Reform 2021, PKoFoG Über elf Jahre später trat dann die zweite große Reform in Kraft.
845
Siehe dazu Sudergat, FP 2021, 134.
Mit dieser Reform, der Verabschiedung des Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetzes (PKoFoG), das mit dem 1.12.2021 in Kraft getreten ist, sollen im Wesentlichen Praxisprobleme, die die erste Reform hinterlassen hat, gelöst werden. So heißt es im Gesetzentwurf: „Mit dem Gesetzentwurf sollen die … Problemstellungen, die in der Praxis aufträten, gelöst und der Kontopfändungsschutz zugleich transparenter gestaltet werden.“ vgl. BT-Drucks. 19/19850. Die §§ 850c und 850f waren bereits zum 8.5.2021 durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes GVSchuG v. 7.5.2021, BGBl I, 850, in Kraft getreten, was der Ge-
223
VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes setzgeber noch kurzfristig ändern musste, damit die durch die Bekanntmachung der Pfändungsfreigrenzen zum 1.7.2021 angepassten Pfändungsfreibeträge am 1.8.2021 nicht wieder auf die bis zum 30.6.2021 geltenden Pfändungsfreigrenzen zurückgefallen wären.
846 Diese zweite Reform war gewissermaßen schon im ersten Reformgesetz 2010 angelegt. Dort war bereits vorgesehen, dass die Bundesregierung in einer „durchzuführenden Praxisumfrage“ überprüfen lässt, „ob die beabsichtigten Wirkungen erreicht worden sind, die entstandenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen und welche Nebenwirkungen eingetreten sind“. BT-Drucks. 16/7615, S. v. 19.12.2007, S. 15 und S. 16 unter VII und BT-Drucks. 17/5411 v. 7.4.2011, S. 4.
847 Mit dieser „Praxisumfrage“ wurde das iff, institut für finanzdienstleistungen e. V. Hamburg, beauftragt, das am 1.2.2016 nach einer umfangreichen Studie in einen 303-seitigen Schlussbericht „Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009“ diverse Probleme aus der Praxis aufzeigte. Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009, Schlussbericht vom 1.2.2016 sowie 25-seitige Zusammenfassung „Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009, Kurzfassung und Empfehlungen“ vom 1.2.2016, jeweils des iff, institut für finanzdienstleistungen e. V. Rödingsmarkt 31/33, 20459 Hamburg zu finden https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Fachinformationen/Evaluierung_P-Konto.pdf;jsessionid= 4F00598CEA692FE0C5B27783BE59A300.2_cid334?__blob= publicationFile&v=5 (Schlussbericht) und https://www.bmjv.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Fachinformationen/Evaluierung_ P-Konto_Kurzfassung.html (Kurzfassung und Empfehlungen).
848 Der Reformbestrebungen mündeten dann im November 2018 in einem ersten „Diskussionsentwurf“, in dem ausdrücklich auf die im Schlussbericht angesprochenen Problemstellungen Bezug genommen wurde. Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (PfändungsschutzkontoFortentwicklungsgesetz – PKoFoG), veröffentlicht am 2.11.2018 unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/DiskuE_Pfaendungsschutzkonto_Fortentwicklungsgesetz.html im weiteren „DiskE“; dort heißt es, aus Sicht des Autors etwas euphemistisch: „Im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wurde eine rechtstatsächliche Untersuchung der Auswirkungen auf den Kontopfändungsschutz durchgeführt…Der im Jahr 2016 vorgelegte Schlussbericht hat ergeben, dass das P-Konto sich seit seiner Einführung in der Praxis bewährt hat, aber noch in einzelnen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht.“
224
2. Reformentwicklung
Der Diskussionsentwurf wurde von den Beteiligten offensichtlich auch so 849 verstanden, nämlich dass sich der Gesetzgeber auf eine „Diskussion“ über den Entwurf einlassen will, so dass es diverse Stellungnahme der Interessensgruppen und Verbände gab. Insgesamt waren es 18 Interessensgruppen und Verbände, die sich geäußert hatten, auffindbar unter: https://www.bmjv.de/ SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Pfaendungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz.html.
Der Diskussionsentwurf erfuhr erhebliche Kritik aus allen Lagern, insbesondere 850 aus der Praxis. Exemplarisch: Sudergat, WM 2019 1196 ff.; Grote, ZInsO 2019, 882 ff.; Saager, ZVI 2019, 125 f.; Busch, ZVI 2019, 127 ff.
Verbunden waren diese Stellungnahmen natürlich mit der Erwartung, dass der 851 Gesetzgeber sich auf diese konstruktive Kritik auch einlässt. Das war aber irritierenderweise nicht der Fall. Im September 2019 wurde vielmehr ein erster Referentenentwurf zum PKoFoG veröffentlicht, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dok umente/RefE_Pfaendungsschutzkonto_Fortentwicklungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=5
der die Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte im Wesentlichen ignorierte. So fasste beispielsweise die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB), die seit 1986 die Interessen der Schuldner- und Insolvenzberatung sowie der ver- und überschuldeten Haushalte in Deutschland vertritt, ihre Irritation darüber in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf so zusammen: „Das geplante Gesetz benachteiligt Schuldner und ist praktisch kaum noch umsetzbar.“ Die DK schrieb in ihrer Stellungnahme v. 14.11.2019: „Umso mehr überrascht es, dass der nunmehr vorliegende Referentenentwurf, trotz der sowohl von der Kreditwirtschaft als auch von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) vehement geäußerten Bedenken, gerade zu den kritischen Punkten, in weiten Teilen unverändert geblieben ist.“ Insgesamt äußerten sich dazu 20 Interessensgruppen und Verbände, aufrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/DE/Pfaendungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz.html.
Viele Beteiligte hatten den Eindruck, dass sich der Gesetzgeber ignorant bis 852 unbelehrbar zeigte, obwohl die Kritik – und die konstruktiven Verbesserungsvorschläge – interessensübergreifend waren, ein Novum bei solch einer von gegensätzlichen Interessen bestimmten Materie. Da drohte, dass der Gesetzgeber sehenden Auges ein für alle Interessens- 853 gruppen praxisuntaugliches, noch komplexeres und bürokratisches Gesetz vorschlagen und ggf. sogar in dieser Form verabschieden lassen wollte, Sudergat, WM 2019 1196 ff., spricht von einem „Bürokratie- und Kosten-Monster“,
225
VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes
hat sich eine – für den Gesetzgeber in dieser Zusammensetzung wohl überraschende – einmalige Allianz von Praktikern und Verbänden der Kreditwirtschaft, Verbraucherschützer und Vertretern aus Wissenschaft und Lehre, zusammengetan, um mit einem letzten Appell an den Gesetzgeber das Schlimmste abzuwenden. Die Prof. Bitter und Grote sowie der Autor hatten ein Aufruf initiiert: Bitter/Grote/Sudergat, ZIP 2019, 2283, dem sich am Ende fast 400 Unterstützter anschlossen, darunter solch prominente wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V, Berlin, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die Bundesverbände der Deutschen Banken, der Volks- und Raiffeisenbanken und der Öffentlichen Banken Deutschlands, aber auch Großbanken wie die Deutsche Bank AG, Frankfurt, Commerzbank AG, Frankfurt, und diverse Banken und Sparkassen sowie Schuldnerberatungen oder auch der Insolvenzrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins.
854 Müßig zu spekulieren, ob nun genau dieser Aufruf und dessen große Unterstützung am Ende irgendetwas beim Gesetzgeber bewirkt oder geholfen haben, das Schlimmste abzuwenden. Fakt ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber danach das Gespräch mit den maßgeblichen Verbänden gesucht und im März 2020 dann einen deutlich näher an den Vorschlägen der Praktiker orientierten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorlegt hatte. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/RegE_PKoFoG.html. Wenn im Übrigen bisweilen der „Einfluss von Lobbyisten“ gebrandmarkt, kritisiert oder hinterfragt wird, siehe BT-Drucks. „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Friedrich Straetmanns, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 19/20396“ 9/20951 v. 9.7.2020, dann ist die Einflussnahme von Praktikern im Rahmen des PKoFoG der beste Gegenbeweis dafür, dass es ohne diesen Einfluss nicht geht. Der Gesetzgeber, allein gelassen, würde Gesetze kreieren, die inhaltlich nicht funktionieren, die aber vor allem immer wieder „bürokratische Monster“ schaffen würden. Insofern MUSS es inzwischen Unterstützung aus der Praxis bei Gesetzesentwürfen geben, bis hin zur Vorlage von konkret formulierten Gesetzespassagen, wenn es nicht anders geht. Das muss man transparent machen, ja natürlich, aber wer fordert, auf den „Einfluss von Lobbyisten“ zu verzichten, der scheint offensichtlich selbst schon „der Basis entrückt“ oder, noch schlimmer, realitätsfern zu sein, weil er noch daran glaubt, dass der Gesetzgeber in der Lage ist, ohne fremde Hilfe gute Gesetze zu erlassen. Das kann er nicht!
855 Auch dieser Entwurf hatte noch Mängel, hat aber immerhin einige als völlig praxisuntauglich angesehene Regelungen aufgegeben. So sagt v. Oppen in seinem Beitrag, WM 2020, 2396 beispielsweise von der Regelung zum Kontowechsel, die noch im Referentenentwurf des PKoFoG enthalten war, es habe sich um eine „weitgehend praxisferne Regelung“ gehandelt; dem ist zuzustimmen.
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3. Die Eckpunkte der ersten Reform 2010
Nach Vorlage des Referentenentwurfes und nach Übermittlung an den Bundes- 856 rat im April 2020, wurde der Gesetzesentwurf nach erster Lesung im Juni 2020 im Bundestag an den Bundestags-Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) überwiesen. Dieser hat dann weitere hilfreiche Änderungen am Gesetz vorgeschlagen und am 7.10.2020 eine Beschlussempfehlung und einen Bericht erstellt, der dem Bundestag übermittelt wurde. BT-Drucks. 19/23171, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucks. 19/19850 – Entwurf.
Am 8.10.2020 hat der Bundestag dann in zweiter und dritter Lesung den Ge- 857 setzesentwurf in der Fassung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz angenommen. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/183, 23088.
Zustimmung erfolgt dann durch den Bundesrat am 6.11.2020; verkündet wurde 858 das Gesetz vom 22.11.2020 dann am 26.11.2020 mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Gesetz v. 22.11.2020, BGBl I 2020, 2466.
In Kraft getreten ist es dann am 1.12.2021; Artikel 1, Nr. 6 des Gesetzes, also 859 die Neufassung von § 850c der neuen Pfändungsfreigrenzen und deren künftiger Anpassungsrhythmus, trat bereits am 8.5.2021 in Kraft. 3. Die Eckpunkte der ersten Reform 2010 Zunächst einmal wollte man – so jedenfalls die offizielle Lesart – einen „mo- 860 dernen und einheitlichen, nicht von der Art der Einkünfte abhängigen Kontopfändungsschutz“ schaffen. Schumacher, ZVI 2009, 313, 314.
Das Schutzniveau, das den Schuldner bisher schützte, sollte mindestens gewahrt 861 werden. Wichtig war aber auch, den Selbstständigen deren (nicht wiederkehrende) Einkünfte ähnlich zu schützen, wie die Arbeitseinkünfte Unselbstständiger, weil eine Ungleichbehandlung nicht länger zu rechtfertigen sei. Graf-Schlicker/Linder, ZIP 2009, 989.
Und schließlich sollten sowohl die Justiz wie auch die Kreditwirtschaft (!) 862 entlastet werden, weil man einen von den Gerichten unabhängigen, automatischen Sockel-Kontopfändungsschutzes geschaffen hatte und sich dadurch den Wegfall der in der Praxis häufig notwendigen Vorab-Freigabeentscheidungen sparen könne. Schumacher, ZVI 2009, 313.
Zur Entlastung der Kreditinstitute wird vorgetragen, dass das „Instrument 863 der befristeten Unpfändbarkeitsanordnung“, BT-Drucks. 16/12714, S. 22,
227
VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes
dazu wesentlich beitrage. Auffällig ist schon hier, dass die Entlastung der Kreditinstitute immer wieder schlicht behauptet, nicht aber begründet wird oder gar belegt werden konnte. So auch Lücke, BKR 2009, 457, 461.
864 Hier macht sich auch die Kritik von Seiten der Kreditwirtschaft, maßgeblich repräsentiert von Bitter, Bitter, WM 2008, 141; ders., ZIP 2011, 149,
fest. Aber die Arbeitsbelastung wird auch als Kritik Seitens der Verbraucherschutzverbände geäußert, Jaquemoth/Zimmermann, ZVI 2010, 113,
weshalb man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass der Aspekt der „Justizentlastung zulasten Dritter“ eine nicht unwesentliche Rolle bei der Reform gespielt hat. So auch zur Recht Goebel, ZVI 2007, 294.
865 Die Eckpunkte waren: x
Es wurde ein Pfändungsschutzkonto eingeführt (P-Konto) auf dem ein für den Schuldner ohne weiteres Zutun erhältlicher, automatischer Basisschutz existiert, der in diesem Rahmen auch durch Pfändungen nicht mehr blockiert werden kann. Dabei spielt es keine Rolle mehr, wie sich das geschützte Kontoguthaben zusammensetzt und ist daher auch geeignet, Einkünfte Selbstständiger zu schützen;
x
einen, über den Basisschutz hinausgehenden, Kontoschutz gibt es über eine einfache Bescheinigung geeigneter Stellen;
x
darüber hinaus kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners noch weitergehenden Pfändungsschutz anordnen;
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flankierende Maßnahmen eines verbesserten Pfändungsschutzes wie verlängerte Schutzfristen und die Möglichkeit eine zeitlich befristete Unpfändbarkeit anzuordnen runden den neuen Kontopfändungsschutz ab.
4. Die Eckpunkte des PKoFoG 2021 866 Nach Ansicht des Gesetzgebers hat sich das P-Konto seit seiner Einführung bewährt, aber es bestand noch in einzelnen Bereichen Verbesserungsbedarf. Das PKoFoG sollte insbesondere die im Schlussbericht iff angesprochenen Problemstellungen lösen und den Kontopfändungsschutz zugleich transparenter gestalten. Überblicke liefern Sudergat, FP 2021, 134; Els, Rpfleger 2021, 326; Binner, InsbürO 2020, 275 (allerdings noch zum RegE ohne die späteren Änderungen durch den Rechtsausschuss), Neiseke, jurisPR-BKR 2/2021 Anm. 1, und mit familienrechtlichen Aspekten Giers, FamRZ 2021, 1098.
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4. Die Eckpunkte des PKoFoG 2021
Darüber hinaus sollten weitere vollstreckungsrechtliche Fragen, die vom Pe- 867 titionsausschuss des Deutschen Bundestages und aus der vollstreckungsrechtlichen Praxis an die Bundesregierung herangetragen worden, aufgegriffen werden, wie den Zeitraum für die Anpassung der Pfändungsfreigrenzen. Siehe Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, A. Problem und Ziel.
Zunächst wurde eine völlige Neustrukturierung der Vorschriften zum Konto- 868 pfändungsschutz vorgenommen. Die zentrale Norm der Reform 2010 war § 850k a. F. Diesen „zentralen“ 869 Charakter hat die Norm mit der Reform 2021 durch das PKoFoG verloren. Heute regelt der § 850k gem. Überschrift nur noch die „Einrichtung und Beendigung des Pfändungsschutzkontos“. Nur die Regelungen in den §§ 850k und die erstmalig geschaffenen Schutzvorschriften bei Pfändung eines Gemeinschaftskontos in 850l verbleiben am alten Standort in der ZPO, während die „Wirkungen“ des P-Kontos in einem eigenen Abschnitt des Achten Buches der ZPO verschoben wurden. In diesem Skript werden diese neuen Regelungen der §§ 899 – 910 der Übersichtlichkeit halber daher grundsätzlich auch entsprechend ihrer Ordnungsfolge in der ZPO abgehandelt.
Die Möglichkeit des Ansparens von nicht verbrauchtem Guthaben wurde 870 ebenfalls erweitert und das P-Konto bleibt nicht nur Pfändungsschutzkonto, sondern wird, soweit es debitorisch geführt ist, sogar zu einem umfassenden Aufrechnungs- und Verrechnungsschutzkonto. Geht es nach dem Gesetzgeber, gewährt das neue Gesetz dem Schuldner zudem 871 einen „erleichterten Zugang zu Nachweisen“ zur Erhöhung des Grundfreibetrages, auch dadurch, dass bestimmte ausstellende Stellen nun – bei Antrag des Schuldners – eine Pflicht zur Ausstellung einer Bescheinigung trifft, aber auch die Vollstreckungsgerichte oder die Vollstreckungsstellen öffentlicher Gläubiger bei der Sicherstellung des Kontopfändungsschutzes stärker in die Pflicht genommen werden. Die Verkürzung des Anpassungszeitraums für die Pfändungsfreigrenzen auf ein Jahr komplettieren aus Sicht des Gesetzgebers den besseren Pfändungsschutz. Siehe Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 2, B. Lösung.
Auch damit verbindet der Gesetzgeber die Hoffnung, den Schuldner zu ent- 872 lasten. Siehe Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 22/23, E. Erfüllungsaufwand, E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger. Der Gesetzgeber unterstellt, dass die neue einfachere Bescheinigungspraxis, die die Inhaber von P-Konten zuvor zeitlich – und emotional – stark belastet hat, auf Basis der nunmehr vereinfachten Grundlage deutlich Aufwand spart. Insbesondere im Hinblick auf die neu eingeführte Verpflichtung der Sozialleistungsträger, eine Bescheinigung auszustellen, soll dies gelingen.
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VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes
873 Überhaupt wird deutlich, dass der nochmals verbesserte und vereinfachte Schuldnerschutz auch beim PKoFoG wieder prägend ist. So führt Christian Lange, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz am 17.6.2020 in der Plenardebatte im Dt. Bundestag i. R. d. Ersten Beratung zum PKoFoG ein mit dem Satz: „Wir wollen den Schutz vor den Folgen von Pfändungen maßvoll ausweiten …“ und nennt dann – die dem Gesetzgeber offensichtlich wichtigsten – fünf Punkte: • „Wir stellen sicher, dass auch Guthaben auf Gemeinschaftskonten vor Pfändungen geschützt werden können. • Wir schaffen mehr Möglichkeiten, um Guthaben anzusparen. Pfändungsfreies Guthaben soll in Zukunft nicht nur einen Monat angespart werden können, wie bislang, sondern drei Monate. • Wir verbieten die Aufrechnung und Verrechnung bei Zahlungskonten mit negativem Saldo. • Wir erleichtern den Zugang zu den entsprechenden Bescheinigungen. • Wir verkürzen den Anpassungszeitraum für die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen. Aus zwei Jahren wird ein Jahr.“
874 Dagegen wird die Wirtschaft – wie bereits bei der Reform 2010 – belastet. Vom Gesetzgeber wird dagegen sogar eine Entlastung behauptet. Siehe Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 vom 10.6.2020, S. 23 – 25, E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, heißt es, dass die Verkürzung des Anpassungszeitraums für die Pfändungsfreigrenzen bei „einzelnen“ Arbeitgebern als Drittschuldnern zu Mehrkosten führt. Auch die erweiterten Informationspflichten für die Kreditinstitute bedeuten Mehraufwand und damit Mehrkosten. Der Gesetzgeber behauptet, belegt aber nicht, dass die „grundlegende Funktionsweise“ des P-Kontos nicht verändert wird, was im weiteren Verlauf des Skriptes widerlegt werden wird. Immerhin konzediert er, dass es sowohl einmaligen als auch laufenden Erfüllungsaufwand geben wird, behauptet dann aber, dass durch „erhebliche verfahrensrechtliche Erleichterungen“ am Ende eine Brutto-Entlastung stehen wird. Auch das wird im Weiteren widerlegt werden.
875 Die „erheblichen verfahrensrechtlichen Erleichterungen“ macht der Gesetzgeber daran fest, dass unter anderem die Rückrechnungspflicht bei Nachzahlungen von besonderen Leistungen i. R. d. § 904 entfiele. Nur traf diese Pflicht vorher die Kreditinstitute meist gar nicht, denn sie wurden durch die Vollstreckungsgerichte berechnet oder als Einmalleistung durch die geeigneten Stellen bescheinigt, weshalb sich hieraus auch kein Entlastungspotenzial ergeben kann. Auch die Veränderung des Prognosezeitraums bei der befristeten Unpfändbarkeit und somit der stärkeren Inanspruchnahmemöglichkeit von § 907 Abs. 1 soll für Entlastung sorgen. Dies wird – wie bereits in der ersten Reform 2010 – allerdings wieder nicht aufgehen, denn die Prognose selbst, mit der sich die
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4. Die Eckpunkte des PKoFoG 2021
Gerichte offensichtlich so unverständlich schwertun, ist geblieben. Den größten Einspar-Effekt für die Kreditwirtschaft wird aber darin gesehen, dass der „Beratungsbedarf“ durch Vereinfachung und die neuen Bescheinigungsregelungen abnähme. Auch das eine schlichte Behauptung; vermutlich wird auch sie sich als zu optimistisch herausstellen, denn künftig werden Kreditinstitute mit nicht einer, sondern in der Regel mehreren Teil-Bescheinigungen konfrontiert werden, siehe Ausführungen zu den §§ 902, 903, Rn. 1605 ff. und 1715 ff. Auch der neu hinzugekommene Beratungsbedarf im Bereich des nun pfändungsschützbaren Gemeinschaftskontos, verbunden mit einem Anspruch auf Guthaben-Teilung und -Übertragung sowie weiteren Kontoeröffnungen, wird als Aufwand der Kreditwirtschaft völlig unterschlagen; er alleine dürfte schon den Einspar-Effekt, der auch nicht ansatzweise so groß ist, wie unterstellt, bei Weitem übertreffen. Auch der erweiterte Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz des § 901 könnte in der Praxis Mehraufwand verursachen, einmal abgesehen davon, dass die Rechtsposition der Kreditinstitute spürbar schlechter geworden ist. Am Ende redet sich der Gesetzgeber ein, durch die „Effektivierung“ den Zu- 876 gang zum P-Konto zu erleichtern und die Anwendung in der Rechtspraxis zu vereinfachen. Siehe Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 26, F. Weitere Kosten.
Relativ unverhohlen wird auch klar, dass die Gemeinschaft der Vollstreckungs- 877 gläubiger der zweite große Verlierer sein wird, denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass der verbesserte Schuldnerschutz eine Entlastung der sozialen Sicherungssysteme nach sich ziehen dürfte, was umgekehrt natürlich bedeutet, dass für die Gläubiger deutlich weniger zu holen sein wird. Siehe Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 26, F. Weitere Kosten.
Zur Kritik der Gläubigergemeinschaft schreibt der Bundesverband Deutscher 878 Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf, dass alleine die künftig jährliche Anpassung der Pfändungsfreigrenzen (statt bislang alle zwei Jahre) „definitiv zu Einbußen bei den Gläubigern führen“ wird. Zur Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher InkassoUnternehmen e. V. (BDIU): https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2019/Downloads/ 111519_Stellungnahme_BDIU_RefE_PKoFoG.html.
Auch die nun mögliche Schützbarkeit von Guthaben auf Gemeinschaftskonten, 879 wird kritisch gesehen, da sie aus Sicht der Vollstreckungsgläubiger eine „erhebliche Entwertung“ des immerhin durch Beschluss eines Vollstreckungsgerichts eingeräumten Pfandrechts des Gläubigers ist. Zur Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher InkassoUnternehmen e. V. (BDIU): https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2019/Downloads/ 111519_Stellungnahme_BDIU_RefE_PKoFoG.html.
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VI. Die Reformen des Kontopfändungsschutzes
880 Ebenso wird das wohl gelten für die erweiterte Ansparübertragung auf nunmehr drei Monate (statt vormals einen Monat). 881 Ebenfalls stärker belastet wird wohl die Justiz, allen voran die Vollstreckungsgerichte, die allerdings bei der ersten Reform 2010 seinerzeit eine so große Entlastung erfahren haben, dass sich selbst der Gesetzgeber nun offensichtlich auf Basis der einhelligen Kritik aller andern Beteiligten im Schlussbericht dazu veranlasst sah, dieses Rad wieder etwas zurückzudrehen. Siehe Kurzfassung iff, S. 16 Empfehlung (15): „Während die Belastung der Vollstreckungsgerichte zurückgegangen ist, stieg gleichzeitig der Aufwand der Sozialen Schuldnerberatungsstellen im Hinblick auf die P-Konto-Bescheinigungen nach § 850k Abs. 5 Satz 2 deutlich.“
Und im Schlussbericht iff, S. 81 Ziff. 3.5.13 wird die bisherige restriktive, die Justiz damit entlastende Haltung der Vollstreckungsgerichte dargestellt: „Wie auch die Banken, bemängeln die interviewten Expertinnen und Experten der Schuldnerberatung, dass es aufgrund der alternativen Aufzählung der bescheinigenden Stellen in § 850k Abs. 5 und in Bezug auf die Vollstreckungsgerichte wegen der lediglich subsidiären Zuständigkeit zu einer ‚Odyssee‘ der Verbraucherinnen und Verbraucher von Stelle zu Stelle kommen könne. Dadurch sei der Zugang zum Pfändungsschutz erschwert. So erstellten in Hamburg die Vollstreckungsgerichte Grundfreibetragsbescheinigungen mit Verweis auf die anderen Stellen nicht, sondern würden sich nur für Beschlüsse (§ 850k Abs. 3, 4 a. F.) zuständig halten. Aus Nordrhein-Westfalen wird eine uneinheitliche Gerichtspraxis berichtet. Einige Gerichte verlangten (mündliche Auskunft in den Geschäftsstellen) ein vorheriges ‚Abklappern‘ der anderen Stellen, andere verweigerten generell zu bescheinigen. Die sehr restriktive Haltung einzelner Gerichte zeigt auch gut das im Anhang befindliche Schreiben einer Rechtspflegerin des Amtsgerichts Karlsruhe, die sich gegenüber einer Schuldnerberatungsstelle generell zur Zuständigkeit des Gerichts äußert.“
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) Die neue Struktur in der ZPO hat auch zur Folge, dass -anders noch als in der 882 Vorgängernorm, bei der die Entstehung des P-Kontos erst in den Absätzen 7 und 8 des § 850k a. F. geregelt war, die Entstehung (und Beendigung) nun als erstes geregelt ist. Das macht systematisch mehr Sinn und dieser Ordnungsfolge folgend, wird der Kontopfändungsschutz des PKoFoG nachfolgend grundsätzlich auch in dieser Reihenfolge dargestellt. Es ist dabei geblieben, dass eine natürliche Person jederzeit von seinem Kredit- 883 institut verlangen kann, dass ein von ihr dort unterhaltenes Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Das entspricht – erfreulicherweise deutlich weniger „geschwurbelt“ ausgedrückt – inhaltlich dem § 850k Abs. 7 Satz 1 und 2 a. F., der sich noch so las: „In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt.“
Der Unterscheid ist aber, dass der Kontopfändungsschutz jetzt nicht mehr vereinbart (Angebot und Annahme) werden muss, sondern der Kontoinhaber mittels einseitigem Gestaltungsrecht die Umwandlung erreichen kann. Er muss lediglich die Umwandlung beantragen/verlangen. 1. Anspruchsberechtigte Personen: Nur natürliche Personen Grundsätzlich können alle natürlichen Personen (und nicht etwa nur „Ver- 884 braucher“) ein P-Konto eröffnen oder ihr bestehendes Privat- oder Geschäftsgirokonto in ein P-Konto umwandeln. Damit wird verdeutlicht, dass auch ein Selbstständiger (Einzelfirma) oder Freiberufler, der unzweifelhaft eine natürliche Person ist, aber regelmäßig kein „Verbraucher“ (mehr) i. S. d. § 13 BGB sein wird, ebenfalls Zugang zum P-Konto hat. Der deutsche Verbraucherbegriff knüpft an die Privatheit ökonomischen Handelns an, so dass der rollenbezogene Ausgangspunkt auf eine strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers verweist, so Micklitz, in: MünchKomm-BGB, § 13 Rn. 4. Insofern schlösse der „engere“ Begriff „Verbraucher“ ansonsten den Selbstständigen und Freiberufler ggf. von einem Eröffnungs- oder Umwandlungsanspruch aus, was gesetzgeberisch gerade nicht gewollt ist.
Dies gilt auch für den „e. K.“, da (haftungs)rechtlich dahinter eine natürliche Person steht, selbst wenn über das Konto nur geschäftliche Umsätze getätigt werden. Schmidt, JuS 2017, 809, 811.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
2. Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreter als berechtigter Antragsteller 885 Neu ist, dass die Umwandlung oder – sofern ein Kreditinstitut dies außerhalb des ZKG zulassen sollte – auch die Neueröffnung eines P-Kontos (§ 850k Abs. 1 Satz 1) nicht mehr nur der Kontoinhaber selbst oder sein gesetzlicher Vertreter beantragen kann, sondern jeder rechtsgeschäftlich oder aufgrund anderer Vorschriften bevollmächtigte Vertreter. In der Gesetzesbegründung, siehe Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 30, hielt der Gesetzgeber eine positive Aufzählung der vertretungsberechtigten Personen nach der „Systematik des Vertretungsrechts“ für nicht erforderlich. Dem ist zuzustimmen, vgl. zum diesbzgl. inhaltsgleichen Diskussionsentwurf: Sudergat, WM 2019, 1196 (1197, Ziff. II 1.)
886 Die vormals in § 850k Abs. 7 Satz 2 a. F. auf den Kontoinhaber oder seinen gesetzlichen Vertreter beschränkte Antragsberechtigung ist im neuen § 850k Abs. 1 Satz 1 daher einfach nicht mehr enthalten. In der Gesetzesbegründung, siehe Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 30, sieht der Gesetzgeber die vormalige Beschränkung als „nicht mehr notwendig“, liefert dort aber keine Begründung für das „nicht mehr“. In der Gesetzesbegründung des Diskussionsentwurfes [DiskE] steht allerdings zu lesen, dass die Beschränkung „insbesondere im Hinblick auf einen barrierefreien Zugang zu einem P-Konto“ fallen gelassen wurde und um den Zugang in den Fällen zu vereinfachen, „in denen ein Vorsorgebevollmächtigter für den Kontoinhaber handelt“. In der Reform 2010 war ursprünglich für die Einschränkung als Grund genannt worden, durch die höchstpersönliche Beantragung dem Missbrauch entgegen zu wirken, da ansonsten möglicherweise leichter mehrere P-Konten für eine Person eröffnet werden könnten. Im Schlussbericht iff wurde dann aber ermittelt, dass ein Missbrauchsrisiko im Grunde nicht besteht: Nur in 0,05 % der Fälle bei 55 befragten Kreditinstituten, die zusammen 330.000 P-Konten anboten, kam es zu Missbräuchen durch eine mehrfache P-Kontoführung. Das bedeutet zwar, dass es Missbrauchsfälle gibt, aber die Zulassung auch rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung zur Errichtung/Umwandlung in/ein(es) P-Kontos würde vermutlich kaum dazu beitragen, dass sich dieser Anteil spürbar erhöht.
887 Diese ursprünglich beschränkende Regelung wurde vom Autor schon von Anfang kritisiert. Vgl. Sudergat, 1. Aufl., Rn. 427. Ebenso Ahrens, NJW 2010, 2001, 2002, der dies zu Recht als auch „verfassungsrechtlich bedenklich“ ansah.
Insofern ist die Aufhebung der Beschränkung richtig und wird vom Autor begrüßt, insbesondere im Hinblick auf einen barrierefreien Zugang zu einem P-Konto. 234
2. Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreter als berechtigter Antragsteller Der Kontobevollmächtigte ist zur Umwandlung allerdings nicht berechtigt, es sei denn er würde vom Kontoinhaber (zusätzlich) dazu rechtsgeschäftlich bevollmächtigt.
Gesetzliche Vertreter natürlicher Personen können regelmäßig nur die Eltern 888 Minderjähriger, Vormünder, Pfleger oder Betreuer sein. BeckOK BGB/Henrich, 1.2.2010, § 210 Rn. 5. Ein vom Insolvenzgericht bestellter Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder kann ebenfalls nicht beantragen, das Konto umzuwandeln. Trotz Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners gem. § 80 InsO steht dieses Recht weiterhin nur dem Schuldner (oder seinem gesetzlichen Vertreter zu), AG Kandel, Urt. v. 17.1.2011 – 1 C 531/10, mit zustimmender Anm. Schmittmann, VIA 2011, 93. Umgekehrt fehlt aber dem Gemeinschuldner im laufenden Insolvenzverfahren die Erinnerungsbefugnis gem. § 89 Abs. 3 InsO, § 766 gegen eine sein Pfändungsschutzkonto betreffende Kontopfändung, weil er einerseits – oberhalb der Freibeträge – nicht mehr verfügungsbefugt, andererseits durch das P-Konto – im Rahmen der Freibeträge – keines Schutzes bedarf, AG Hannover, Beschl. v. 2.10.2020 – 904 IK 481/19, ZInsO 2021, 336.
Auch wenn Vormünder, Pfleger und Betreuer erst durch einen Rechtsakt der 889 freiwilligen Gerichtsbarkeit zu Vertretern bestellt werden, sind sie ebenfalls als gesetzliche Vertreter anzusehen. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), 2. Aufl., Ziff. I.3 noch zur alten Rechtslage.
Auch jegliche rechtsgeschäftlich bestellten Bevollmächtigten, wie der Vorsorge- 890 bevollmächtigte, der mittels notarieller Beurkundung bestellte Generalbevollmächtigte oder der eigens ausdrücklich zur Umwandlung eines Girokontos in ein P-Konto mittels einer schriftlichen Einzelvollmacht Bevollmächtigte, sind nach dem gesetzlichen Willen nun berechtigt, einen Umwandlungsantrag zu stellen. Auch der mündlich Bevollmächtigte wäre dazu berechtigt; der Gesetzgeber verweist insoweit in der Gesetzesbegründung S. 31 auch die „Systematik des Vertretungsrechts“. Die Erteilung einer Vollmacht bedarf daher grundsätzlich keiner Form, das Kreditinstitut wird aber schon aus Beweisgründen und zur internen Kontrolle mindestens die schriftliche Erteilung verlangen. Im Ausnahmefall, beispielsweise wenn der Vollmachtsgeber nicht (mehr) in der Lage wäre, eine schriftliche Vollmacht zu erteilen, wäre aber die mündliche Erteilung zu akzeptieren. Das Kreditinstitut wird sich dann vom vollmachtsgebenden Willen des Vollmachtsgebers überzeugen. Die Verwendung nur des hauseigenen Formulars kann ein Kreditinstitut ohnehin nicht verlangen, vgl. Dauber/Henning, in: Bankrechts-Hdb., § 16 Rn. 3.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
891 Sollten hausinterne Vollmachtsformulare bereits vorliegen bzw. verwendet werden, ist allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob diese Vollmachtsformulare nicht einen Positivkatalog der Vertretungsfälle enthalten. Sollte dort die Vertretung zur Umwandlung in ein P-Konto nicht enthalten sein, was häufig der Fall sein dürfte, wäre dafür grundsätzlich eine neue separate Vollmacht notwendig. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vertretung zur Umwandlung in ein P-Konto unter den Positivkatalog zu subsumieren, dürfte nur im Ausnahmefall gelingen; zudem ist wegen der Auswirkungen, Pfändungsschutz der gegen den Pfändungsgläubiger schützen soll, zu bedenken, dass sich daraus erhebliche Konsequenzen ergeben können, wenn sich von ein P-Konto nachträglich herausstellt, dass es nicht ordnungsgemäß und damit nicht wirksam in ein P-Konto umgewandelt wurde. Vollmachtsformulare sollten daher für die Zukunft ggf. angepasst werden. Ob das zwingend auch für die sog. „Elternvollmachten“ notwendig ist, ist strittig, denn jedenfalls für einen beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen, § 106 BGB, dürfte die Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto auch durch ihn selbst möglich sein, da der P-Kontostatus ihm einen lediglich rechtlichen Vorteil – den Erwerb des Rechtes auf Pfändungsschutz – bringt, § 107 BGB, während sich der Kontovertrag ansonsten nicht verändert § 850k Abs. 2 Satz 2.
892 Das Problem, dass Kreditinstitute sich davon überzeugen können müssen, dass der Vollmachtsgeber – und nicht jemand anderes – die Vollmacht ausgestellt hat und er dabei im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, also nicht bereits geschäftsunfähig war, und dass selbst notariell beurkundete Vollmachten nicht immer eindeutig formuliert sind und deshalb ebenfalls nicht immer akzeptiert werden können, ist damit allerdings nicht gelöst. 3. Art des Kontos 893 „Zahlungskonto“ meint hier weiterhin nur ein „Girokonto“ entsprechend dem Wortlaut des bisherigen § 850k Abs. 7 a. F., also ein Konto in laufender Rechnung (Kontokorrentkonto). Ausweislich der Gesetzesbegründung wird statt des bislang verwandten Begriffs „Girokonto“ nunmehr zwar der Begriff „Zahlungskonto“ verwandt, damit ist aber keine sachliche Änderung verbunden, vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 21 unter 2.
894 Der Schuldner hat daher keinen Anspruch, etwa sein Sparkonto (oder sonstiges Einlage-Konto, wie Festgeld- oder Tagesgeldkonto) in ein P-Konto umzuwandeln. So auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.2; ebenso Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 850k Rn. 8.
895 Es muss also ein Konto sein, das dem Zahlungsverkehr dient und dafür auch benutzt werden kann (und darf). Ein Sparkonto bzw. die darauf befindlichen Spareinlagen sind gem. § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 RechKredV nicht für den
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3. Art des Kontos
Zahlungsverkehr bestimmt. Sparkonten sollen „der Ansammlung oder Anlage von Vermögen“ dienen. BT-Drucks. 12/4876, S. 7. Gewährt wurde aber Vollstreckungsschutz nach § 765a dann, wenn dem Schuldner nicht bekannt war, dass Pfändungsschutz nur für Giro-, nicht aber für Sparkonten besteht, AG Bielefeld, Beschl. v. 4.4.2012 – 185 M 2896/11, n. v., allerdings nicht mehr, wenn er es hätte wissen müssen, insoweit als Umkehrschluss aus der Entscheidung des AG Bielefeld, Beschl. v. 12.6.2012 – 185 M 0640/12, ZVI 2012, 315.
Das BAKred (heute BaFin) hat zwar schon in der 1960er Jahren zugelassen, 896 dass Gehalts-, Pensions-, Renten oder ähnliche laufende Zahlungen auch auf Sparkonten gutgeschrieben werden dürfen, aber mit der klaren Einschränkung „nur insoweit als sie nicht für den Lebensunterhalt benötigt werden, sondern der Ansammlung von Vermögen dienen“. Langner, in: Bankrechts-Hdb., § 46, Bedingungen für den Sparverkehr, Rn. 7. Ebenso Platz/Zahrte, Teil 1, S. 34, der von Spareinlagen als einem „Notgroschen für Alter, Krankheit und sonstigen Wechselfällen des Lebens“ spricht.
Aus diesem Grund sind gepfändete Guthaben auf Sparkonten grundsätzlich 897 auch nicht schützbar AG Bielefeld, Urt. v. 12.6.2012 – 185 M 0640/12, ZVI 2012, 315; ebenso AG Schwarzenbek, Beschl. v. 24.5.2012 – 5 M 962/12, ZVI 2012, 354 und AG Hannover, Beschl. v. 3.2.2011 í 711 M 116359/08, NJOZ 2011, 1024.
Dass ein Sparguthaben im Einzelfall der Pfändung entzogen werden kann, ist an sehr enge Voraussetzungen geknüpft und wäre nur im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung nach § 765a möglich. So hat das AG Bielefeld im Verfahren 185 M 2896/11 mit Beschl. v. 4.4.2012 einmalig einen Betrag gem. § 765a freigegeben, da der Schuldnerin glaubhaft vorgetragen hat, von den gesetzlichen Änderungen zum Pfändungsschutz bei Kontoguthaben keine Kenntnis zu haben. Bei der zweiten Pfändung, nachdem die Schuldnerin Zahlungseingänge trotzdem weiter auf das Sparkonto gutschreiben ließ, hat das AG Bielefeld dann zu Recht eine weitere Freigabe gem. § 765a verweigert, da der Schuldnerin spätestens nach dem ersten Freigabebeschluss hätte bewusst sein müssen, so das AG Bielefeld, dass Sparguthaben von Sparbüchern grundsätzlich keinen Pfändungsschutz genießen. Ebenso LG Kassel, Beschl. v. 5.4.2011 – 3 T 112/11, BeckRS 2011, 7484, das darauf hinweist, dass § 765a eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung ist, die dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn Vollstreckungsschutz wegen ein und derselben Problemstellung mehrfach beantragt wird. Ob man ab dem Jahre 2022 ff., also 12 Jahre nach Einführung des P-Kontopfändungsschutzes und entsprechender medialer Verbreitung, die Nicht-Kenntnis davon, dass Pfändungsschutz nur noch durch ein P-Konto erreichbar ist, überhaupt noch als Argument zulassen kann, scheint fraglich; jedenfalls werden die Maßstäbe an die Nicht-Kenntnis im Zweifel noch höher sein müssen.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
898 Ebenso wenig sind Tagesgeldkonten, reine Wertpapier-Abwicklungskonten – oder andere, der Vermögensanlage dienende Konten wie Festgeldkonten, als P-Konto führbar, weil auch sie nicht dem (allgemeinen) Zahlungsverkehr dienen (können). Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 850k Rn. 8; ebenso Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 100 für das Tagesgeldkonto.
899 Kreditkarten-Konten (prepaid-Kreditkarten-Konten) können regelmäßig ebenfalls nicht umgewandelt werden. Nach § 1 Abs. 3 ZAG und § 2 Abs. 8 ZKG wird der Begriff des Zahlungskontos als ein auf den Namen eines oder mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Konto, das für die Ausführung von Zahlungsvorgängen genutzt wird, definiert. Auch wenn in der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 8 ZKG grds. eine weitgehende Definition eines für die Ausführung von Zahlungsvorgängen geführten Kontos gewollt ist, sind Kreditkartenkonten, auf die Geldbeträge nur zur Tilgung von Kreditkartenforderungen überwiesen werden, nicht damit gemeint, so auch Findeisen, WM 2016, 1765.
4. Umwandlungsanspruch 900 Hat der Schuldner also ein Zahlungskonto, kann er gem. § 850k Abs. 1 Satz 2 jederzeit die Umwandlung verlangen. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass die Formulierung „kann jederzeit von dem Kreditinstitut verlangen“ als Klarstellung zu verstehen sei, dass der Kunde einen unbedingten Anspruch auf die Umwandlung hat, siehe Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, unter „Zu Nummer 8 (Änderung der §§ 850k und 850l ZPO), Zu Absatz 1“, S. 30.
901 Der Gesetzgeber geht daher – anders als noch im Rahmen des § 850k Abs. 7 Satz 1 a. F. – nicht mehr von einer Zusatz-Vereinbarung zum bestehenden Kontovertrag aus, auf die der Kontoinhaber einen Anspruch hat, sondern hat mit dem PKoFoG das Recht auf Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos als einseitiges Gestaltungsrecht des Kontoinhabers ausgestaltet. Gleiches gilt für das neuen Rückumwandlungsrecht des § 850k Abs. 5 Satz 1, der dem Kontoinhaber einen Anspruch auf Rückumwandlung des Pfändungsschutzkontos wieder in ein Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz verschafft. Unter welchen Bedingungen das kontoführende Kreditinstitut dem Kunden die Zusatzleistung „Pfändungsschutz“ nach den allgemeinen Kündigungsregeln entziehen darf, ist offen. Grundsätzlich wird man hieran sehr strenge Maßstäbe anzulegen haben; eine Kündigung der Zusatzleistung „Pfändungsschutz“ durch das Kreditinstitut wird daher wohl nur in Betracht kommen, wenn Gründe vorliegen, die auch die Kündigung der Geschäftsverbindung insgesamt oder wenigstens des P-Kontos rechtfertigen würden, vgl. dazu Rn. 2908 ff. Der Kunde jedenfalls kann die Zusatzleistung nicht kündigen (nur den künftigen Entfall verlangen); insoweit ist sein über
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5. Versicherung, kein anderes P-Konto zu führen § 850k Abs. 5 Satz 1 eingeräumtes Gestaltungsrecht lex specialis zu den allgemeinen Kündigungsregeln. Kündigt er es gleichwohl, wird man dies als Geltungsmachung des Gestaltungsrechtes umzudeuten haben, allerdings mit der Beachtung und Einhaltung der in § 850k Abs. 5 Satz 1 vorgegebenen Kündigungsfrist von mindestens vier Geschäftstagen zum Monatsende.
Mit dem PKoFoG gibt es einen nochmals deutlicher klargestellten Rechtsan- 902 spruch des Schuldners auf Umwandlung. Der Kunde hat somit mit Ausübung des Gestaltungsrechts einen (unbedingten) gesetzlichen Anspruch darauf, dass sein kontoführendes Kreditinstitut sein Zahlungskonto in ein P-Konto umwandelt. 5. Versicherung, kein anderes P-Konto zu führen Geblieben ist das Gebot, nun im § 850k Abs. 3 Satz 1, nur ein P-Konto unter- 903 halten zu dürfen und demgemäß auch die Verpflichtung des Kontoinhabers, nun im § 850k Abs. 3 Satz 2, zu versichern, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält. a) Versicherung des Kunden – Missbrauchsprävention Der Kunde – der nicht notwendigerweise schon Pfändungsschuldner sein muss, 904 vgl. § 901 Abs. 1 Satz 1 – muss beim Verlangen nach Umwandlung gegenüber seinem Kreditinstitut versichern, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält. Das wird er regelmäßig bei seinem Antrag auf Umwandlung durch Unter- 905 schrift auf der Zusatzerklärung versichern. Eine mündliche Versicherung würde zwar theoretisch ausreichen, weil das Gesetz insofern keine Formvorschriften macht, nur wird ein Kreditinstitut schon der leichteren Beweisführung und ggf. notwendigen Rechtfertigung dem Gläubiger gegenüber immer nur eine schriftliche Versicherung oder zumindest in Textform (E-Mail) akzeptieren und diese archivieren.
Weigert ein Kunde sich, diese Versicherung abzugeben, ist das Kreditinstitut 906 berechtigt, die Umwandlung abzulehnen. Es ist dann nicht etwa gezwungen, selbst eine Auskunft nach § 909 Abs. 1 einzuholen, um sich auf anderem Wege zu vergewissern, dass der Kunde kein weiteres P-Konto irgendwo anders unterhält und wenn das nicht der Fall ist, dann die Umwandlung vorzunehmen. Das scheitert schon daran, dass nicht alle Kreditinstitute einen Vertrag mit Auskunfteien unterhalten, die sie zu einer Anfrage berechtigen würden.
Weigert sich der Kunde nur, dies in der vom Kreditinstitut präferierten Form zu tun, also schriftlich oder in Textform, darf es die Umwandlung nicht ablehnen, da eine bestimmte Form gesetzlich nun mal nicht vorgeschrieben ist. Das Kreditinstitut sollte sich die mündliche Versicherung in diesem Fall notieren und aktenkundig machen. 239
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
907 Eine falsche Versicherung des Kunden, kein weiteres P-Konto zu unterhalten, stellt keine „falsche eidesstattliche Versicherung“ i. S. d. § 156 StGB dar. Auch eine falsche uneidliche Aussage, § 153 StGB, kommt nicht in Betracht, weil diese nur vor Gerichten oder anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stellen begangen werden kann; dazu gehört ein Kreditinstitut nicht.
908 Dass eine falsche Versicherung im Verhältnis zum Kreditinstitut einen ausreichenden Grund für eine fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung bietet, steht außer Frage. So auch Bunte/Artz, in: Bankrechts-Hdb., § 3 Rn. 42, wenn der Kunde „bewusst falsche Angaben“ gemacht hat und diese Angaben vertragserheblich sind, was entweder der Fall ist, wenn es sich auf die Sicherheit eines Kredites unmittelbar nachteilig auswirkt oder aber Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Kunden begründen; mindestens letzteres dürfte regelmäßig der Fall sein; dies stellt selbst eine „Katalog-Verfehlung“ nach der Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft zum „Girokonto für jedermann“ dar. In der Selbstverpflichtung der Sparkassen bzgl. eines Bürgerkonto ist es zwar keine Katalog-Verfehlung, aber zweifelsfrei ebenfalls ein Grund zur fristlosen Kündigung. In § 42 Abs. 4 Nr. 2 ZKG sind unzutreffende Angaben nur dann ein Grund für eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, wenn der Kontoinhaber diese gemacht hat, um den Basis-(P-)Kontovertrag abschließen zu können und zutreffenden Angaben kein solcher Vertrag mit ihm abgeschlossen worden wäre, was bei einer doppelten P-Kontoführung in jeden Fall gegeben wäre.
Ausgenommen werden muss von solch einer Kündigung wegen des § 850k Abs. 4 aber zunächst noch das schon bestehende, gepfändete P-Konto, vgl. Rn. 918. 909 Voraussetzung ist jedoch, dass die Tatsache, dass der Kunde mehrere P-Konten unterhält, zweifelsfrei feststeht. Auf (reinen) Vermutungen des Kreditinstitutes darf diese Tatsache nicht basieren. Das Kreditinstitut muss es positiv wissen. 910 Sollte es später die Vermutung geben, dass noch ein zweites P-Konto unterhalten wird, dürfte für das Kreditinstitut, um sicher zu gehen, eine erneute Anfrage bei der Auskunftei möglich sein. § 909 Abs. 1 Satz 1 lässt das zu, wenn sich ein Kreditinstitut zum Zwecke der Überprüfung der Richtigkeit der Versicherung nach § 850k Abs. 3 Satz 2 eine Anfrage stellt. 911 Wird ein zweites P-Konto unterhalten, liegt hierin ein wichtiger, zur fristlosen Kündigung berechtigender Grund nach Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Ziff. 26 Abs. 2c AGB-Sparkassen. Danach ist ein Kreditinstitut zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat. Wobei die AGB-Banken eine weitergehende Einschränkung vorsehen, dass diese Angaben, „für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundenen Geschäfte (z. B. Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren“.
240
5. Versicherung, kein anderes P-Konto zu führen
Der Umstand, bewusst fälschlicherweise angegeben zu haben, nur ein P-Konto 912 zu unterhalten, wird man ohne Zweifel dann als unrichtige Angabe über die Vermögensverhältnisse einordnen müssen, wenn der Kunde neben dem P-Konto noch weitere im Soll befindliche Konten bei diesem Kreditinstitut unterhält. Denn dann führt allein schon der (unberechtigt ausgelöste) Verrechnungsschutz auf einem P-Konto dazu, dass das Kreditinstitut sich nicht auf sein sonst bestehendes AGB-Pfandrecht nach Ziff. 14 AGB-Banken bzw. Ziff. 21 AGB-Sparkassen berufen kann, vgl. Rn. 426. Aber selbst dann, wenn der Kunde außer dem P-Konto bei diesem Kredit- 913 institut sonst nur kreditorische Konten unterhält und sich auch das P-Konto noch im Haben befindet, ist eine fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung – mit Ausnahme des gepfändeten P-Kontos selbst – begründbar. Dann allerdings nur über die Generalklausel „wichtiger Grund“ nach Ziff. 19 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken bzw. Ziff. 26 Abs. 2 Satz 1 AGB-Sparkassen.
Der Umstand, dass durch das Unterhalten mehrerer P-Konten Gläubiger ge- 914 schädigt werden könnten, muss ein seriöses Kreditinstitut nicht hinnehmen. Denn schon der Verdacht, dass ein Kunde durch das Unterhalten eines unberechtigten P-Kontos ggf. eine Straftat begehen könnte (§ 263 StGB = Betrug oder § 288 StGB = Vollstreckungsvereitelung), kann dem Ruf eines seriösen Kreditinstituts schaden und berechtigt deshalb zur Kündigung. So auch OLG München, Urt. v. 5.5.1995 – 14 U 875/94, NJW-RR 1996, 370.
Beim Unterhalten mehrerer P Konten wird man zweifellos die Vermutung 915 Gläubiger schädigenden Verhaltens anstellen dürfen egal, ob bereits Pfändungen vorliegen oder nicht. Zudem begründen falsche Angaben des Kunden gegenüber seinem Kreditinstitut Zweifel an dessen persönlicher Zuverlässigkeit, da die weitere Geschäftsverbindung dadurch belastet wird, dass ein Kreditinstitut solch einem Kunden nicht mehr vertrauen kann. Weiß ein Kreditinstitut schon bei Geltendmachung des Gestaltungsrechts auf 916 Umwandlung eines Girokontos in ein P-Konto, dass ein weiteres P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut existiert, darf es dies selbstverständlich zum Anlass nehmen, den Umwandlungsantrag zurückzuweisen und regelmäßig als Versuch werten, Gläubiger zu schädigen. Weiß das Kreditinstitut es aber nicht sicher, muss es im Zweifel dem gesetzlichen Anspruch auf Umwandlung entsprechen.
Auch in diesem Falle ist es berechtigt, die gesamte Geschäftsverbindung außerordentlich zu kündigen oder gar nicht erst zur Entstehung kommen lassen. Erfährt ein Kreditinstitut erst später, nach erfolgter Umwandlung in ein 917 P-Konto, dass der Kontoinhaber auch bei einem anderen Kreditinstitut ein weiteres P-Konto unterhält, reicht das als Anlass aus, die gesamte Geschäftsverbindung – mit Ausnahme eines schon bestehenden P-Kontos – zu kündigen. So auch Singer, ZAP 2010, Fach 14, S. 613, 615.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
918 Das schon bestehende, gepfändete P-Konto selbst muss zunächst von dieser Kündigung der gesamten Kündigung ausgenommen bleiben, weil der Gesetzgeber hierfür – um die Kontolosigkeit des Schuldners zu vermeiden – einzig das Verfahren des § 850k Abs. 4 vorgesehen hat. vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31.
919 Insofern ist einem betroffenen Kreditinstitut auch versagt, als mildere „Sanktion“ nur die „Zusatzerklärung P-Konto“ (fristlos) zu kündigen. Diese Einschränkung gilt allerdings nur dann, wenn es sich um ein P-Konto handelt, auf dem ein oder mehrere Pfändungen lasten. § 901 schützt den Schuldner nur gegen Verrechnung und Aufrechnung seines eigenen Kreditinstitutes. Diesen Schutz aber hat der Schuldner mit der Führung von zwei P-Konten verwirkt.
920 Gekündigt werden kann aber trotzdem dann, wenn noch andere außerordentliche Kündigungsgründe erfüllt wären. 921 Ist das P-Konto allerdings nicht gepfändet oder liegen andere Gründe vor, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würden, kann das Kreditinstitut das P-Konto sowohl unmittelbar in ein wieder herkömmliches Konto umwandeln oder es kündigen. Für ein Basis-P-Konto gelten trotzdem die entsprechenden Kündigungsbeschränkungen des § 42 ZKG. Sie haben den Zweck, eine (allzu einfache) Umgehung des Kontrahierungszwangs des § 31 Abs. 1 ZKG zu verhindern, so Linardatos, BeckOGK, ZKG § 42 Rn. 3, Stand: 1.2.2022.
b) Ablauf des Verfahrens, wenn ein Kunde mehrere P-Konten unterhält 922 Der Gläubiger alleine soll die „exklusive“ Wahlmöglichkeit haben, welches von mehreren P-Konten weiterhin als P-Konto unterhalten werden darf (und welches damit nicht). 923 Dazu muss der Gläubiger beim zuständigen Vollstreckungsgericht, also dem Wohnsitzgericht des Schuldners, (schriftlich) beantragen, dass nur das von ihm in seinem Antrag bezeichnete Zahlungskonto dem Schuldner als Pfändungsschutzkonto verbleibt. Das muss nicht das Konto sein, dass der Kunde als erstes in ein P-Konto umgewandelt hat. Der Gläubiger hat die freie Wahl, wird in der Regel aber vermutlich das Konto wählen, dass er nicht gepfändet hat, um das Guthaben auf dem von ihm – erstrangig – gepfändeten Konto vollständig der Pfändung unterwerfen zu können.
924 Der Schuldner – und das ist wichtig, um etwaige weitere Verfügungen oder zahlungslenkende Eingriffe des Schuldners möglichst zu unterbinden – ist zuvor nicht anzuhören, § 850k Abs. 4 Satz 3. Ein Gläubiger, hat auch dann einen Anspruch aus § 850k Abs. 4, wenn er nicht mindestens zwei P-Konten, sondern nur eines von mehreren P-Konten gepfändet hat.
242
5. Versicherung, kein anderes P-Konto zu führen Dass ihm dann aus mehreren P-Konten kein unmittelbarer Nachteil entstehen kann, weil er nur eines gepfändet hat, spielt keine Rolle. Alleine die Tatsache, dass der Schuldner mehrere P-Konten unterhält, muss sanktioniert werden, denn wenn er sich an die Maßgabe gehalten hätte, nur eines zu unterhalten, hätte er sich entscheiden müssen, welches er als P-Konto unterhält und hätte sich auch für das entscheiden können, das der Gläubiger nicht gepfändet hat. A. A aber offensichtlich Leítfaden Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4.
Das Gericht ordnet dann – ohne eigenes Ermessen zu haben – dies an, wenn 925 der Gläubiger glaubhaft gemacht hat, dass der Schuldner mehrere P-Konten unterhält. Zur Glaubhaftmachung sind nach § 850k Abs. 4 Satz 2 Erklärungen der 926 Drittschuldner vorgesehen. Für die Glaubhaftmachung regelt insoweit § 294 sowohl die besondere Art der Beweisführung als das insoweit geltende Beweismaß.
Dies sind nicht ausschließlich die Drittschuldnererklärungen i. S. d. § 840. Es 927 kann jede diesbezügliche Erklärung des Drittschuldners sein. Eine zusätzliche Erklärung kann das Kreditinstitut bepreisen, da es eine zusätzliche Leistung darstellt.
Das Kreditinstitut kann also auch schlicht bestätigen, dass der Schuldner bei 928 ihr ein P-Konto unterhält und ist erst dann und nur im Rahmen des Verfahrens nach § 850k Abs. 4 dafür vom Bankgeheimnis befreit. Eine Drittschuldnererklärung nach § 840 wird sogar in den seltensten Fällen geeignet sein, weil diese von den Kreditinstituten regelmäßig unmittelbar nach Pfändungszustellung abgegeben wird. Zu diesem Zeitpunkt aber hat der Schuldner in der Regel sein Zahlungskonto noch gar nicht umgewandelt, so dass das drittschuldnerische Kreditinstitut in der Drittschuldnererklärung die Existenz des P-Kontos für den Schuldner noch gar nicht angeben kann. Zudem verlangen inzwischen viele Gläubiger, zumeist InkassoUnternehmen, schon gar keine Drittschuldnererklärung mehr.
Diese Wahlmöglichkeit des Gläubigers hindert somit ein Kreditinstitut auch, 929 die „Zusatzerklärung P-Konto“ in dieser Phase zu kündigen. Das Kreditinstitut würde ansonsten auch ggf. sich selbst einen in dieser Phase unzulässigen Vorteil verschaffen, weil mit Beendigung des P-Kontos-Status’ auch der Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz wieder greifen würde.
Mit der Anordnung des Gerichts nach Auswahl des P-Kontos durch den 930 Gläubiger verlieren alle anderen Pfändungsschutzkonten ihre pfändungsschützende Wirkung, allerdings erst mit der Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner, § 850k Abs. 4 Satz 5. In Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31 „zu Absatz 5“ steht etwas irritierend im Kontext
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) zu Absatz 4 Satz 1, dass die Aufhebung nur zum Ablauf eines Kalendermonats erfolgen kann. Diese Aussage bezieht sich aber nur auf Abs. 5 der Beendigung des Kontos durch den Schuldner, während eindeutig ist, dass mit Zustellung des Anordnungsbeschlusses in Fällen mehrfacher Führung eines P-Kontos die Aufhebung des P-Konto-Status unverzüglich zu erfolgen hat.
931 Das Kreditinstitut muss also unverzüglich, nicht notwendigerweise noch am selben Tag, wenn das die Arbeitsabläufe nicht zulassen, aber sicherlich spätestens am nächsten Geschäftstag gewährleisten, dass das Konto nicht mehr als P-Konto geführt wird. 932 Da dann auch der Auf- und Verrechnungsschutz wieder endet, ist das Kreditinstitut nicht gehindert, ab dann auch eigene vorrangige Forderungen mit etwaigem Guthaben zu verrechnen. Etwaige i. R. d. AGB-Pfandrechtes verrechnete Guthaben wären allerdings dann zurückzuerstatten, wenn durch den gerichtlichen Beschluss das P-Konto (rückwirkend) lückenlos seine Eigenschaft zurückerhielte.
933 Sollte sich das Kreditinstitut trotz Kenntnis, dass der Kunde ein weiteres P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält, dazu entschließen, nicht zu handeln, ist es nicht mehr geschützt. Leistungen an den Kunden i. R. d. Freibetrags vor Zustellung der gerichtlichen Entscheidung nach § 850k Abs. 4 verlieren ihre befreiende Wirkung nur dann nicht, wenn das Kreditinstitut von der mehrfachen Kontoführung bis dahin nichts wusste. Weiß es aber positiv, dass der Kunde mehrere P-Konten unterhält, muss es die Verfügung darüber unterbinden. Maßstab ist eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) oder ein gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten (§ 138 BGB). Auch wenn ein Kreditinstitut positiv weiß, dass im Nachweis bescheinigten Sachverhalte, die Erhöhungsbeträge rechtfertigen, nicht mehr vorliegen, genießt es diesbezüglich keinen Gutglaubensschutz mehr.
934 Daran ändert auch Regelung in § 850k Abs. 4 Satz 5 nichts, dass erst mit der Zustellung der Anordnung an diejenigen Kreditinstitute, deren Zahlungskonten nicht zum Pfändungsschutzkonto bestimmt sind, die Wirkungen dieser Pfändungsschutzkonten entfallen. 935 Dies meint nur, dass dann – gerichtsentschieden und damit fallabschließend feststehend – der P-Konto-Charakter entfallen ist und nur dafür ist auf die Zustellung bei drittschuldnerische Kreditinstitut abzustellen. 936 Für die Frage, ob das drittschuldnerische Kreditinstitut noch auf den Charakter des P-Kontos vertrauen und Verfügung im Rahmen der Freibeträge zulassen darf, sagt Satz 5 nicht unmittelbar etwas.
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5. Versicherung, kein anderes P-Konto zu führen
Für den Autor steht aber außer Zweifel, dass das drittschuldnerische Kredit- 937 institut ab – zweifelsfreier – Kenntnis davon, dass der P-Kontoinhaber noch ein weiteres P-Konto unterhält, Verfügungen nicht mehr zulassen darf. Anders, wenn daran Zweifel bestehen; dann wäre erst die Zustellung der Anordnung im Rahmen des Satzes 5 abzuwarten, weil erst dann definitiv feststeht, dass der Schuldner mehrere P-Konten unterhalten hat.
So müssen Kreditinstitute auch bei einem offensichtlichen Vollmachtsmiss- 938 brauch einschreiten, BGH, Urt. v. 22.6.2004 – XI ZR 90/03, ZIP 2004, 1742 = NJW-RR 2004, 1637,
z. B. auch bei postmortalen Vollmachten BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, ZIP 1994, 1843 = NJW 1995, 250,
oder nach einer Scheidung, OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.1.2000 – 8 U 186/99, NJW-RR 2001, 909,
wenn die Vollmacht weiter ausgeübt wird oder in Fällen, in denen disparische Schecks missbräuchlich gebucht werden, BGH, Urt. v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, ZIP 1997, 1023 = NJW 1997, 1917.
Unterhält der Kontoinhaber daher zwei P-Konten und wird dies dem Kredit- 939 institut bekannt, kann es sich auf den Vertrauenstatbestand des § 850k Abs. 4 nicht mehr berufen. Hier liegen so massive Verdachtsmomente vor, erst recht wenn Kontopfändungen bestehen, dass eine „objektive Evidenz des Missbrauchs“ gegeben ist. Dieses Kriterium hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Fragen des Vollmachtsmissbrauchs bei der Abtretung einer Grundschuld zur Sicherung von Drittschulden aufgestellt, BGH, Urt. v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, NJW-RR 1992, 1135.
Unterbindet das Kreditinstitut diesen Missbrauch nicht, liegt grobe, zum 940 Schadenersatz verpflichtende, Fahrlässigkeit vor. Dies gilt auch deshalb, weil der Gläubiger über diesen Umstand regelmäßig 941 ein Informationsdefizit hat. Siehe dazu Rn. 2211 und 2236.
942
Dies wurde auch – zu Recht – von Jäger heftig kritisiert, Jäger, ZVI 2007, 544, 548.
denn der Gläubiger wird zumeist nichts oder erst später davon erfahren. Ähnliche Kritik äußert auch Singer, ZAP 2010, Fach 14, S. 613, 615, der darauf hinweist, dass dieses Informationsdefizit erst seit
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) dem 1.1.2013 durch das Gesetz zur „Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung“ vom 29.7.2009 (BGBl I, 2258 ff.) kompensiert wird, da Gerichtsvollzieher nach einer (teilweise) fruchtlosen Sachpfändung oder bei Weigerung die eidesstattliche Versicherung abzugeben, nun eine Zugriffsberechtigung auf die Dateien nach § 24c Abs. 1 KWG haben. Der Gerichtsvollzieher erhält dann beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Auskunft über das Bestehen eines Kontos oder Depots des Schuldners, vgl. § 802l Abs. 1 Nr. 2 zu den Auskunftsrechten des Gerichtsvollziehers.
943 Kreditinstituten kann daher nur empfohlen werden, obwohl das Konto formal noch den Status eines P-Kontos hat, gar keine Beträge mehr an den Schuldner auszuzahlen, bis die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorliegt. A. A. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.2., der meint, dass dies (zunächst) keine unmittelbare Auswirkung auf die Kontoführung habe. Das scheint dem Autor angesichts der Informationsdefizite der Gläubiger nicht vertretbar. Zudem: Was das wirtschaftliche Schädigungspotenzial betrifft, ist das mindestens vergleichbar damit, dass das Kreditinstitut positiv weiß, dass eine Bescheinigung für Erhöhungsbeträge nicht mehr zutrifft.
944 Kommt diese Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes nicht, weil der Schuldner sich nicht offenbart z. B., weil er die strafrechtlichen Folgen scheut und lieber auf das Guthaben verzichtet, empfiehlt sich eine Hinterlegung des Guthabens und Schließung des Kontos. Hat das Kreditinstitut eigene vorrangige Forderungen, gilt es abzuwägen, ob eine Hinterlegung nach § 372 BGB in dieser Phase einer Ver- oder Aufrechnung mit eigenen vorrangigen Forderungen oder einer Auskehrung von Beträgen an den Gläubiger vorgezogen werden sollte. c) Folgen der P-Konto-Bestimmung 945 Bestenfalls verfügt der Schuldner jetzt nur noch über ein P-Konto, allerdings möglicherweise nicht bei dem Kreditinstitut seiner Wahl. 946 Nicht geregelt hat der Gesetzgeber aber, die weiteren Konsequenzen nach erfolgter P-Kontowahl i. R. d. § 850k Abs. 4 durch den Gläubiger. Sicherlich wird, auf (zusätzlichen) Antrag des Gläubigers, für den Monat, in dem die Bestimmung des P-Kontos nach § 850k Abs. 4 erfolgt ist, eine Zusammenrechnung aller bereits auf den verschiedenen P-Konten getroffenen Verfügungen i. R. d. §§ 899 bis 903 i. V. m. § 850e zu erfolgen haben. Ähnlich Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 66, die eine Zahlung für den Fall, dass der Schuldner „mehrere P-Konten nacheinander durch sukzessive Umwandlung“ von normalen Girokonten unterhält, zusammenrechnen will.
947 Wie oben bereits ausgeführt, ist ein Kreditinstitut vorübergehend gehindert, aufgrund der Führung mehrerer P-Konten das P-Konto zu kündigen. Im Er-
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6. Ablehnung der Umwandlung
gebnis sollte der Schuldner dann nicht ohne ein funktionierendes P-Konto dastehen. Ansonsten könnte es passieren, dass der Vollstreckungsschuldner ganz ohne Konto dasteht. Zwar hätte er nach ZKG einen Anspruch auf Neu-Eröffnung eines Basiskontos, könnte das arretierte Guthaben, das jedenfalls zum Teil auch sein Existenzminimum umfassen wird, nicht mehr frei bekommen. Das stellt, da Pfändungsschutz nur noch über ein P-Konto erlangbar ist, ein Problem dar. Daher ist das Kündigungsrecht des Kreditinstitutes in dieser Phase eingeschränkt; zum (eingeschränkten) Pfändungsschutz über § 765a vgl. Rn. 1069. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass dem Kunden Sozialleistungen gänzlich entzogen werden können. Allerdings kann er zunächst sicherlich auf die Barauszahlung dieser Mittel verweisen werden.
6. Ablehnung der Umwandlung Im Hinblick auf den gesetzlichen verankerten Rechtsanspruch auf Umwand- 948 lung, kann das Kreditinstitut im Grunde daher nur in zwei Fällen der Ausübung des Gestaltungsrechts widersprechen: Zum Anspruch auf ein Basis-Konto siehe Rn. 957.
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wenn der Kunde bereits ein P-Konto unterhält, § 850k Abs. 3 Satz 1; Das Konto führende Kreditinstitut muss sich aber sicher sein, dass er bereits ein zweites P-Konto unterhält; bei Zweifeln ist dem Umwandlungsanspruch zu entsprechen. Ob es trotzdem vor der endgültigen Verweigerung der Umwandlung Kontakt zum Kunden aufnimmt, um ihm die Gelegenheit zur Äußerung zu geben, muss jedes Kreditinstitut unter Arbeitsaufwandsgesichtspunkten für sich entscheiden. Der Autor würde allerdings empfehlen, wenn das Vorhandensein eines anderen P-Kontos sicher ist, davon absehen und auch dem Kunden nicht noch vorher einmal mitteilen, unter Setzung einer finalen Frist zur Beibringung entlastender Nachweise, dass ansonsten die Umwandlung abgelehnt wird. Beides schuldet ein Kreditinstitut nicht und vor dem Hintergrund knapper Personalressourcen und der ohnehin defizitären Bearbeitung von Kontopfändungen, ist das nicht zu rechtfertigen.
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wenn das Kreditinstitut zum Zeitpunkt des Umwandlungsbegehrens zur außerordentlichen Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung oder des konkreten Kontos berechtigt wäre oder – erst recht – wenn schon gekündigt wurde. Eine Ausnahme wird allerdings dann davon zu machen sein, wenn der Kunde in der Phase der ausgesprochenen Kündigung bis zum Wirksamwerden der Kündigung ohne Umwandlung des Kontos in ein P-Konto nicht mehr über sein Existenzminimum verfügen könnte.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
Beispiel: Schuldner S unterhält ein Girokonto. Wegen wiederholter Beleidigung eines Mitarbeiters hat das Kreditinstitut K das Konto des S am 14.9. außerordentlich zu 30.9. gekündigt. § 314 BGB bzw. Nr. 19 AGB-Banken wurde eingehalten. Am 15.9. geht Arbeitslosengeld I auf das kreditorisch geführte Konto ein, am 16.9. eine Kontopfändung. S beantragt die Umwandlung in ein P-Konto, um über sein ALG I verfügen zu können. K verweigert dies im Hinblick auf die Kündigung, Zu Recht? Nein, denn S könnte ohne Umwandlung nicht über sein ALG I verfügen. Da das P-Konto seit dem 1.1.2012 grds. die einzige Pfändungsschutzmöglichkeit ist, hätte der Kunde sonst im Zweifel keine Möglichkeit, Pfändungsschutz zu erlangen. Insofern muss K trotz bereits erfolgter Kündigung die Umwandlung noch vornehmen. Den Kunden stattdessen an das Vollstreckungsgericht zu verweisen, um dort mittels eines Antrages nach § 765a Guthaben oder Sozialleistungen/Kindergeld wegen „sittenwidriger Härte“ schützen zu lassen, dürfte schon deshalb aussichtslos sein, weil erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Kontovertrag endet. Bis dahin unterhält der Kunde das Konto weiter und hat daher einen unbedingten Umwandlungsanspruch. Ein Kreditinstitut liefe daher Gefahr, wenn es zu diesem Zeitpunkt dem Umwandlungsbegehren nicht mehr entspräche, im Wege einer einstweiligen Verfügung erfolgreich und auf seine Kosten dazu gezwungen zu werden.
Mit Wirksamwerden der Kündigung am 30.9. kann es das P-Konto aber abrechnen und einen etwaigen dann noch vorhandenen Guthabensaldo mit eigenen vorrangigen Forderungen verrechnen oder an den Pfändungsgläubiger abführen, da der P-Kontoschutz mit Wirksamwerden der Kündigung entfällt (siehe Abschlusssaldo nach Wirksamwerden der Kündigung, vgl. Rn. 549 f). Die Kündigungsfrist läuft also weiter und mit Ablauf der Kündigungsfrist endet dann der P-Kontovertrag. 949 Der Kunde hat, da im obigen Beispielsfall auch die Gründe für die Kündigung nach § 42 Abs. 3 ZKG vorgelegen hätten, dann auch keinen Anspruch mehr auf sofortige (Wieder-)Eröffnung eines Girokontos als „Basiskonto“. Richtig daher: VG Regensburg, Beschl. v. 16.8.2017 – RO 3 E 17.1335, BeckRS 2017, 126549, allerdings bei einem Fall, bei dem der Antragsteller nicht im Geschäftsgebiet der Sparkasse wohnte.
950 Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip, z. B. in Bayern in § 2 Abs. 3 BaySpkO geregelt, kann den bundesgesetzlichen Anspruch auf ein Basiskonto nach ZKG im Übrigen nicht beeinträchtigen. So auch Biesok, WM 2020, 75, im Falle des § 2 Abs. 3 BaySpkO auch schon deshalb, weil es sich nur um eine Soll-Vorschrift handelt.
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6. Ablehnung der Umwandlung
Zwar steht in der Gesetzesbegründung zum PKoFoG: „Für die Kündigung 951 von als P-Konten geführten Zahlungskonten sind Regelungen nicht erforderlich, weil der Kontoinhaber bei Kündigung seines Kontos einen Anspruch auf Eröffnung eines neuen Basiskontos nachdem ZKG hat.“, siehe Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 20,
aber das gilt nur dann, wenn die Kündigung nicht auch nach dem ZKG zulässig gewesen wäre. Wäre sie auch nach dem ZKG zulässig gewesen, muss der Kunde seinen Basiskontoanspruch bei einem anderen Kreditinstitut geltend machen. Dabei spielt es keine Rolle, dass hier die zweimonatige Kündigungsfrist des § 42 Abs. 3 ZKG nicht eingehalten wurde, weil es sich ja nicht um ein Basiskonto handelte. Es ist ausreichend, dass ein Sachgrund des § 42 ZKG ebenfalls erfüllt war.
Allein der Umstand, dass es sich bei einer Sparkasse um – in der Regel – eine 952 Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, bei der ein Antragsteller bereits einmal ein Konto unterhielt, rechtfertigt nicht den Anspruch auf Wiedereröffnung eines Basiskontos, wenn die Sparkasse einen sachlichen Grund zur Kündigung auch nach dem ZKG hatte. Den Erhalt der bisherigen Kontonummer, der ein wichtiges Argument sein könnte, das Konto beim ursprünglichen Zahlungsdiensteanbieter zu behalten, würde ohnehin auch bei der NeuEröffnung eines Basiskontos nicht greifen, da auch dann eine neue Kontonummer vergeben würde.
Eine ordentliche Kündigung ist nach den AGB der Banken und Sparkassen 953 zwar grundsätzlich möglich, reduziert sich aber bei Lichte besehen auf Fälle, bei denen dem Kreditinstitut unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden die Fortführung der Geschäftsbeziehung, des konkreten Kontos oder zu den vereinbarten Bedingungen nicht mehr zumutbar wäre (siehe dazu ausführlich Kapitel XV ab Rn. 2908). Das ist definitiv nicht der Fall, wenn der Kunde nur seinen gesetzlich normierten Anspruch auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto geltend macht. Im Falle einer ordentlichen Kündigung ist zu beachten, dass eine relativ lange Kündigungsfrist greift: Nach Nr. 19 Abs. 1 AGB Banken bzw. Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen kann ein Zahlungsdiensterahmenvertrag, wozu auch der Girokonto-/P-Kontovertrag gehört, nur mit einer Frist von mindestens zwei Monaten ordentlich durch das Kreditinstitut gekündigt werden (siehe auch § 42 ZKG).
Variante: Beim Girokonto des Schuldner S handelt es sich um ein Basiskonto. Auch hier muss K die Umwandlung noch zulassen. Die Ablehnung der Umwandlung scheitert im Übrigen schon daran, dass die Kündigung unwirksam ist. Obwohl § 42 ZKG enge Grenzen bezüglich der Kündigungsgründe setzt, muss K zwar eine Beleidigung von Mitarbeiter nicht tolerieren. Und § 36 Abs. 1 Nr. 1
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
setzt nur für die Ablehnung der Eröffnung eine bereits (rechtskräftige) Verurteilung voraus; bei einer Kündigung reicht die Begehung der Straftat. Bülow/Artz-Bülow, ZKG, § 42 Rn. 28.
Aber eine außerordentliche Kündigung nach § 42 Abs. 3 Nr. 1 ZKG ist wegen einer vorsätzlichen begangenen Straftat zum Nachteil des kontoführenden Instituts oder dessen Mitarbeitern an eine zweimonatige Frist gebunden. Fristlos oder mit einer kürzeren Kündigungsfrist könnte K nur aus Gründen gem. § 42 Abs. 4 ZKG kündigen. Die Bewertung, ob der Basiskontoinhaber eine Straftat begangen hat, obliegt dem Kreditinstitut. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass der Verdacht unbegründet war, ist die Kündigung unwirksam. Die Beweislast trägt das Kreditinstitut, vgl. Bülow/ Artz-Bülow, ZKG, § 42 Rn. 29.
7. Kein Anspruch auf Neu-Eröffnung eines P-Kontos 954 Eine natürliche Person hat zwar nach § 850k Abs. 1 Satz 1 einen Anspruch auf die Umwandlung ihres bestehenden Girokontos, weiterhin aber keinen Anspruch auf Neu-Eröffnung eines P-Kontos. Zur Ausnahme im Rahmen des § 850l, siehe Ausführungen dort.
955 Den kann ein Verbraucher, also nicht jede natürliche Person, allerdings nach dem ZKG durchsetzen. Dort ist geregelt, dass es einen Anspruch auf ein Basiskonto gibt, das auf Antrag von vorne herein gleich als P-Konto eröffnet werden muss, §§ 31, 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG. Beispiel: Schuldner S hat ein Girokonto. Nach Zustellung einer Kontopfändung beantragt er die Umwandlung seines Girokontos in ein P-Konto. Diesem Umwandlungsanspruch muss das Kreditinstitut gem. § 850 Abs. 1 Satz 1 nachkommen und das Girokonto gem. Abs. 2 Satz 1 bis zum Beginn des vierten Geschäftstages umwandelt haben. Beispiel: Schuldner S hat kein Girokonto. Er möchte ein Basis-P-Konto eröffnen. Diesem Eröffnungsanspruch muss das Kreditinstitut gem. §§ 31, 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG nachkommen und das Girokonto eröffnen. Eine Frist, bis wann das Konto eröffnet werden muss, schreibt das ZKG nicht vor. Aus § 34 Abs. 2 ZKG ergibt sich aber, dass das Kreditinstitut sich im Zweifel maximal 10 Tage dafür Zeit lassen darf, denn im Falle der Ablehnung des Antrags auf Abschluss eines Basiskontovertrags hat dies das Kreditinstitut unverzüglich, spätestens jedoch zehn Geschäftstage nach Eingang des Antragsstellung dies dem S mitzuteilen.
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7. Kein Anspruch auf Neu-Eröffnung eines P-Kontos
Beispiels-Variante: Schuldner S hat ein Girokonto. Er möchte dieses in ein Basis-P-Konto umwandeln. Dem Umwandlungsanspruch in ein P-Konto muss das Kreditinstitut gem. § 850 Abs. 1 Satz 1 selbstverständlich nachkommen und das Girokonto gem. Abs. 2 Satz 1 bis zum Beginn des vierten Geschäftstages umwandelt haben. Dem Antrag auf Umwandlung des herkömmlichen Zahlungskonto in ein Basiskonto muss es allerdings nicht entsprechen. Denn das ZKG soll den Kunden nur vor der Kontolosigkeit schützen. Das S bereits ein Zahlungskonto unterhält, nun auch als P-Konto, bedarf er des Schutzes des ZKG nicht. Er hat daher K gegenüber keinen Anspruch auch auf Umwandlung in ein Basiskonto. In der Praxis werden Kreditinstitute diese Frist zumeist nicht ausschöpfen, 956 sondern regelmäßig spätestens innerhalb von 1 – 2 Geschäftstagen das Konto eröffnen können. Vielfach wird das bei Anwesenheit des Kunden auch sofort geschehen können, wenn nach der Auskunftsanfrage bei der SCHUFA oder Auskunftei, eine schnelle Rückmeldung, dass kein weiteres P-Konto unterhalten wird, erfolgt.
Bei online-Eröffnungen muss ggf. die Legitimation noch abgewartet werden (z. B. mit dem post-ident-Verfahren); soweit eine Videolegitimation erfolgt, sind ggf. „verstärkte Sorgfaltspflichten“ zu beachten. Die im Hinblick auf das Videoidentifizierungsverfahren geforderten „erhöhten Sorgfaltspflichten“ stehen nicht im Widerspruch zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie, auch wenn diese dort nicht mehr als gesetzlich festgelegter Fall eines erhöhten Risikos genannt werden, vgl. Herzog/Achtelik-Achtelik, GwG, § 15 Rn. 47.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG hat allerdings nur ein Verbraucher, d. h. nicht 957 jede natürliche Person i. S. d. § 1 BGB, einen Anspruch, bereits bei Stellung des Antrags auf Abschluss eines Basiskontovertrags verlangen zu können, dass das Basiskonto als Pfändungsschutzkonto nach § 850k geführt wird. Wäre S im obigen zweiten Beispiel also kein Verbraucher, würde das BasisKonto aber zu Zwecken nutzen, die überwiegend seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden müsste, vgl. § 13 BGB, bräuchte das Kreditinstitut dem Anspruch auf Eröffnung eines Basis-P-Kontos nicht entsprechen. Auch eine Ablehnungsmitteilung nach § 34 ZKG würde das Kreditinstitut dann nicht machen müssen, denn diesen Anspruch hat nur ein „Berechtigter“ im Sinne des ZKG, nicht aber ein Nicht-Berechtigter. Mit der ZKA-Empfehlung zum „Girokonto für jedermann“.
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Abrufbar auf der Homepage des Deutschen Kreditwirtschaft (DK) https://die-dk.de/kontofuehrung/konto-fuer-jedermann/
hatte sich die Deutschen Kreditwirtschaft (DK) im Übrigen schon 1995 freiwillig darauf verständigt, dass jede Person sich wenigstens ein Konto auf 251
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
Guthabenbasis einrichten kann, um eine Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. 959 Mit Einführung des seit dem 19.6.2016 geltenden ZKG gibt es für die Selbstverpflichtung grundsätzlich keine praktische Bedeutung mehr. Für einen Großteil der Sparkassen, in deren Bundesländern ein gesetzlicher Kontrahierungszwang besteht, hatte sich diese Selbst-Verpflichtung aber ohnehin schon vorher als quasi Rechtsverpflichtung erwiesen. Einige Bundesländer einen gesetzlich normierten Kontrahierungszwang vor, u. a. Bayern, NRW, Rh.-Pfalz, Hessen (modifiziert) sowie alle neuen Bundesländer.
960 Gleichwohl sind die deutschen Sparkassen Ende 2012 von sich aus noch vor der Verabschiedung des ZKG einen Schritt weitergegangen: Am 26.9.2012 haben sie sich öffentlich verpflichtet, ab dem 1.10.2012 für Bürger ein Guthabenkonto zu führen (Bürgerkonto). Diese Verpflichtung ging über die alte Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) zum Girokonto für jedermann hinaus, da nun für die Sparkassen daraus eine bindende Verpflichtung erwuchs, die sich im Grunde am ländergesetzlichen Kontrahierungszwang orientiert. Interessant ein Modell aus Österreich: Dort wurde 2006 die „Zweite Sparkasse“ gegründet, ein durch ausschließlich ehrenamtlich tätige Vorstände und Mitarbeiter betriebenes Kreditinstitut. Es gibt all Jenen die Möglichkeit, bei ihr ein nur im Guthaben zu führendes Konto zu unterhalten, die bei keinem anderen Kreditinstitut mehr eines erhalten, also in der Regel überschuldete, sich in Privatinsolvenz befindliche natürliche Personen. Die Kontoführungsentgelte werden – soweit sie nicht für Sonderleistungen benötigt werden – verzinslich zurückerstattet, wenn der Kunde zu einem herkömmlichen Kreditinstitut wechselt. Das war im Oktober 2016 bereits für 1.000 Kunden gelungen. Übertrüge man dieses Modell auf Deutschland, könnte am Ende auch hier ein (einziges) Kreditinstitut stehen, das bundesweit P-Konten führt. Zu überlegen wäre, auch zur Kostenentlastung der Kreditinstitute, dies z. B. der KfW als Förderaufgabe zu übertragen. Das würde im Übrigen auch der Empfehlung der EU-Kommission v. 18.7.2011 zum Basiskonto entsprechen (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 190/87 v. 21.7.2011). Dort heißt es: „Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass zumindest ein Zahlungsdienstleister in ihrem Hoheitsgebiet für das Angebot von Basiskonten zuständig ist.“ In der Art. 16 Abs. 1 europ. ZK-RL heißt es dagegen, dass durch die Mitgliedsstaaten sicherzustellen ist, dass „Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen von allen oder einer ausreichend großen Zahl von Kreditinstituten angeboten werden, damit alle Verbraucher garantierten Zugang zu einem solchen Konto haben und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden“. Hoffmann/Müller, VuR 2021, 323.
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8. Umwandlungsanspruch auch bei debitorischem Konto Das muss sich aber nicht widersprechen, wenn die KfW die Konten führte, aber der Zugang zu GAA und sonstigen Selbstbedienungseinrichtungen z. B. über die girocard dezentral bei allen Kreditinstituten möglich wäre.
8. Umwandlungsanspruch auch bei debitorischem Konto Klarstellend hat der Gesetzgeber nun auch in § 850k Abs. 1 Satz 2 geregelt, dass 961 der Umwandlungsanspruch auch für ein debitorisch geführtes Konto gilt, also für ein Zahlungskonto, das zum Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens einen negativen Saldo aufweist. Damit ist auch die vormalige Diskussion beendet, ob der Kunde, dessen Konto 962 nachhaltig – also auf längere Zeit – im Debet steht, überhaupt einen Anspruch auf Umwandlung in ein P-Konto hat, weil die Kontopfändungsschutzsystematik nur umfassend funktioniert, wenn ein P-Konto kreditorisch geführt wird. Zur Diskussion und damaligen Meinungsstand, vgl. Sudergat, 3. Aufl., Rn. 704.
Im Hinblick darauf, dass auch zuvor schon Kreditinstitute in der Praxis debi- 963 torische Zahlungskonten allenfalls in Einzelfällen von der Umwandlung ausgeschlossen haben, vgl. auch Schlussbericht iff, S. 39,
bedurfte es insoweit nur einer Klarstellung. Im Schlussbericht iff, Ziff. 3.5.4, wird berichtet, dass es offensichtlich in der Vergangenheit Kreditinstitute gab, die die Umwandlung von debitorischen P-Konten verweigerten/erschwerten, um dadurch den ungeliebten P-Kontoinhaber als Kunden möglicherweise ganz zu „verlieren“ und einige Kreditinstitute sogar die Geschäftsverbindung kündigen, um dem Umwandlungsanspruch zu entgehen, was beides schon unter der alten Rechtslage nicht zulässig gewesen wäre.
Die Klarstellung ist daher hilfreich, zumal durch weitere Änderungen durch 964 das PKoFoG dem Bedürfnis des Schuldners, ein P-Konto unterhalten zu können, eine noch größere Bedeutung zukommt. Vgl. Rn. 1526 ff. zum Verbot der Aufrechnung und Verrechnung nach § 901.
9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden Auch wenn der Kontoinhaber eines debitorischen Kontos einen unbedingten 965 Umwandlungsanspruch hat, schreibt das PKoFoG zugleich in § 850k Abs. 1 Satz 3 nun ausdrücklich vor, dass ein P-Konto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber dazu aus, dass deshalb bei Zahlungskonten mit einem negativen Saldo dieser nicht auf das P-Konto übertragen werden darf, sondern getrennt verbucht werden muss, vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 30.
253
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
966 Die Vorschrift richtet sich nicht nur an das kontoführende Kreditinstitut, das das gewährleisten, sondern auch an den Kontoinhaber, der dies unterstützen und bei seinen künftigen Dispositionen berücksichtigen muss. 967 Allerdings heißt es in § 850k Abs. 1 Satz 3, dass ein Pfändungsschutzkonto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. Da ein Kontoinhaber ein (P-)Konto unterhält, das Kreditinstitut aber das Konto führt, ist nicht ausgeschlossen, dass Gerichte dies in Zukunft dahingehend interpretieren werden, dass die Verpflichtung, das P-Konto auf Guthabenbasis zu führen, eine ausschließliche und gesetzliche (!) Verpflichtung der Kreditinstitute ist. Sie müssten dann gewährleisten, dass das P-Konto im Haben geführt wird, um dem Kontoinhaber einen reibungslosen Pfändungsschutz für das Existenzminimums zu ermöglichen. Ob das in der Konsequenz dann auch bedeutet, dass den Kontoinhaber keinerlei Mitwirkungs- und Unterstützungspflichten träfen, bleibt abzuwarten, ist aber schlecht vorstellbar.
a) Die Konsequenzen des § 850k Abs. 1 Satz 3 968 Dass ein Pfändungsschutzkonto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf, dürfte in der Praxis zu Anwendungsproblemen führen. 969 Was das in der Konsequenz bedeutet, mögen folgende Beispiele verdeutlichen: Beispiel Sollstand auf dem P-Konto: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein Girokonto mit 1.000 € im Soll (debitorisches Konto). Nach Zustellung einer Kontopfändung wird das Konto in ein P-Konto umgewandelt. K muss nun durch Umbuchung des Sollsaldos auf z. B. ein zweites Konto des S gewährleisten, damit das P-Konto ausschließlich im Guthaben verbleibt und künftige Eingänge dann auf dem P-Konto unproblematisch für S und K nach dem P-Kontoschutz-Mechanismus disponiert werden können. 970 Dass diese Regelung Fragen offen lässt, verdeutlicht folgendes Beispiel: Beispiel späterer erneuter Sollstand auf dem P-Konto: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein Girokonto mit 1.000 € im Soll (debitorisches Konto). Nach Zustellung einer Kontopfändung wird das Konto in ein P-Konto umgewandelt. K bucht den Sollsaldo auf ein zweites Konto des S um. 1 Woche später wird eine Zahlung i. H. v. 115 € abgebucht, deren Einlösung K garantiert hat (z. B. Kreditkartenbelastung). und die das P-Konto erneut in dieser Höhe ins Soll stellt. S verlangt, dass auch dieser Soll-Saldo i. H. v. 115 € auf das Zweitkonto umgebucht wird, damit das P-Konto weiterhin im Haben bleibt, da er keine Mittel aus seinem nächsten Zahlungseingang dafür zur Verfügung stellen kann, da das aus Zahlungseingängen resultierende Guthaben unterhalb seines individuellen Freibetrages liegt. Zu Recht?
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9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden
Wohl ja, denn das Gesetz lässt hier nach dem Wortlaut keinen Spielraum zu. Zwar wird K sofort nach Umwandlung und Umbuchung des Sollsaldos gewährleisten, dass das P-Konto nicht mehr ins Soll geraten kann (Überziehungssperre), aber es wird sich nicht vermeiden lassen, dass es in einer Karenzzeit von bis zu ca. 1 Monat (Kreditkartenabbuchung) nach der Übertragung des Sollsaldos noch zu Abbuchungen vom P-Kontos des S kommen wird, die dieses erneut ins Debet führen. Aber K muss dann (erneut) gewährleisten, dass das P-Konto im Guthaben bleibt und zur Not eine weitere Umbuchung vornehmen. Der Gesetzgeber hat § 850k Abs. 1 Satz 3 daher vermutlich nicht zu Ende 971 gedacht, jedenfalls nicht was den Erfüllungsaufwand diesbezüglich betrifft. Wenn es sich im obigen Beispiel bewahrheiten sollte, dass die künftigen Zahlungseingänge des S auf seinem P-Konto kein Guthaben mehr oberhalb des monatlichen Freibetrages produzieren, bleibt K nichts anderes übrig, als stets erneut umzubuchen und das P-Konto des S wieder kreditorisch zu stellen. In der Praxis wird dieser „Karenz-Zeitraum“ allerdings den obigen 1 Monat regelmäßig nicht überschreiten und auch nur dann zum Tragen kommen, wenn garantierte Zahlungen noch eingelöst werden müssen.
Aus dem pfändungsfreien Guthaben darf ein drittschuldnerisches Kredit- 972 institut – trotz grundsätzlich bestehendem AGB-Pfandrecht – nicht bedienen, um den Sollsaldo auf dem Zweitkonto abzutragen. Im DiskE und auch noch im Referentenentwurf [RefE] vgl. Referentenentwurf des BMJV v. 15.10.2019, S. 62, abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/ RefE_Pfaendungsschutzkonto_Fortentwicklungsgesetz.pdf; jsessionid=66BF9D48C0700593BA298B91146EB113.1_cid289? __blob=publicationFile&v=5 war vorgesehen – wohl als Ausgleich bzw. „Friedensangebot“ an die Kreditwirtschaft für das umfassende Aufrechnungs- und Verrechnungsverbot des § 901 – eine gesetzlich verankerte Rückzahlungspflicht mit vorgegebenen Rahmenbedingungen auch zur Höhe zu regeln. Diese ebenfalls höchst bürokratische Regelung ist dann letztlich aufgegeben worden, in erster Linie, weil sie wohl auf verfassungsrechtliche Bedenken stieß und die Verbraucherschutzverbände „ceter et mordio“ schrien („Eingriff in das garantierte Existenzminimum“).
Beispiel Kontoführungsentgelt (siehe aber Haftungsfalle, Rn. 979): Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein Girokonto mit 1.000 € im Soll (debitorisches Konto). Nach Zustellung einer Kontopfändung wird das Konto in ein P-Konto umgewandelt. K bucht den Sollsaldo auf ein neues mit Zustimmung des S eröffnetes Zweitkonto des S um. Am Monatsende wird die Kontoabrechnung des P-Kontos i. H. v. 4,75 € belastet, durch die das P-Konto erneut in dieser Höhe ins Soll gerät. S verlangt, dass auch dieser Soll-Saldo auf das Zweitkonto umgebucht wird, damit das P-Konto weiterhin im Haben bleibt, da er keine Mittel aus seinem Zahlungseingängen dafür zur Verfügung kann, da das daraus resultierende Guthaben unterhalb seines individuellen Freibetrages liegt. Zu Recht? 255
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
Nach dem Wortlaut des Gesetzes gäbe es auch hier eigentlich keinen Spielraum. Dafür spräche zunächst auch, dass die vormalige ausdrückliche Regelung des § 850k Abs. 6 Satz 3 a. F., wonach das Kreditinstitut das Entgelt für die Kontoführung auch mit grundsätzlich unpfändbaren Beträgen (nach den damaligen Absätzen 1 bis 4) verrechnen durfte, nun nicht mehr im Gesetz steht. Andererseits steht in der Gesetzesbegründung, dass das (weitergehende) Verbot der Aufrechnung und Verrechnung dem Schutz des Kontoinhabers dient, um zu vermeiden, dass Gutschriften nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen. Da das die (P-)Kontoführung voraussetzt und sich das Kontoführungsentgelt als vertraglicher Anspruch aus dem Girovertrag ergibt, sind angemessene Kontoführungsentgelte als Kosten des Lebensunterhaltes „Vertragserfüllung“ und nicht „Verrechnung“ in Sinne des § 901 und damit auch weiterhin verrechenbar, so dass S hier nicht die Umbuchung verlangen kann. Mit diesen Kosten der Kontoführung darf K daher auch mit unpfändbaren Guthaben verrechnen. Anders wäre es allerdings, wenn K nicht angemessene, sondern erhöhte Kontoführungsentgelte erheben würde, die den Maßstäben des BGH nicht standhalten würden. Die andere theoretische Möglichkeit, in Zukunft dem Konto zu belastende Kontoführungsentgelte schon „präventiv“ beim letzten Zahlungseingang für den kommenden Monat gleich zu Beginn des neuen Monats abzuziehen, also das aus dem Zahlungseingang entstehende Guthaben nicht vollständig zur Auskehrung zur Verfügung zu stellen, so dass bei der nachfolgenden Belastung des Kontoführungsentgeltes am Ende des Monats gar nicht erst ein Sollstand entsteht, sollten Kreditinstitute nicht in Erwägung ziehen. Erstens vertrüge sich diese eher nicht automatisierbare Verfahrensweise kaum mit dem Massengeschäft Kontopfändungsbearbeitung, zweitens dürfte das am Monats- oder Quartalsende zu belastende Kontoführungsentgelt zu Beginn des Abrechnungszeitraum in der Regel in der Höhe noch gar nicht feststehen, müsste also geschätzt und im Zweifel sicherheitshalber aufgerundet werden und drittens – und das ist entscheidend – wäre der Entgeltanspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig, könnte also den vollständigen Auszahlungsanspruch des Kunden gegen sein kontoführendes Kreditinstitut gem. § 908 Abs. 1 zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht schmälern.
Beispiel Überziehung durch Bevorschussung (siehe aber Haftungsfalle, Rn. 979): Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein Girokonto mit 1.000 € im Soll (debitorisches Konto). Nach Zustellung einer Kontopfändung wird das Konto in ein P-Konto umgewandelt. K bucht den Sollsaldo auf ein zweites Konto des S um. K lässt – auf dringende Bitte von S – trotzdem am Monatsende eine Überziehung i. H. v. 65 € zu, die aus einer Lastschrift einer Versicherung des S stammt, die S eingelöst wissen möchte. Nach dem nächsten Zahlungseingang verrechnet K den Sollstand mit dem Eingang. S verlangt am nächsten Tag, dass der Soll-Saldo vor Zahlungseingang i. H. v. 65 € auf das Zweitkonto umgebucht wird, damit er voll256
9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden
ständig über das aus dem Zahlungseingang resultierende Guthaben, das unterhalb seines individuellen Freibetrages liegt, verfügen kann. Zu Recht? Nein, denn hier wurde zwischen S und K vereinbart, dass der neuerliche, sehr kurzfristige Sollstand entstehen und mit dem nächsten Zahlungseingang, auch soweit dessen daraus entstehendes Kontoguthaben den pfändungsfreien Betrag nicht überschreitet, verrechnet werden darf. Die Überziehung hat K nur auf Bitten von S und nur deshalb zugelassen, weil sie mit dem nächsten Zahlungseingang zeitnah wieder ausgeglichen wird. Die Überziehung war somit lediglich eine Art (Teil-)Bevorschussung des nächsten Zahlungseingangs. Sich anschließend darauf zu berufen, dass das § 850k Abs. 1 Satz 3 widerspricht, verstieße gegen Treu und Glauben. Praxistipp: Es ist Kreditinstituten allerdings zu raten, solch eine Vereinbarung im Zweifel schriftlich oder mind. in Textform zu fixieren, ausdrücklich auch den Charakter einer „Bevorschussung auf Bitten des Schuldners“. Das gilt umso mehr für eine Bevorschussung von Sozialleistungen nach SGB, bei dem gem. § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I die Übertragbarkeit und Verpfändbarkeit der Ansprüche auf Geldleistungen nur für die Fälle der Bevorschussung von ‚fällig gewordenen Sozialleistungen‘ gestattet ist. Eine anerkennenswerte Bevorschussung, die dann zur späteren Verrechnung mit Zahlungseingängen berechtigt, setzt also im Zweifel neben der (schriftlichen oder mind. in Textform) vereinbarten Regelung voraus, dass die Bevorschussung nur wenige Tage umfassen kann, beispielsweise wenn sich der Zahlungseingang verzögert oder wenn die notwendige zu bevorschussende Abbuchung kurz vor dem Zahlungseingang liegt. Vgl. dazu auch Anm. Bitter, WuB VI E. § 850k ZPO 1.00 zu LG Heidelberg, Urt. v. 28.1.1997 – S 15/98, NZI 1999, 326, der eine Verrechnungsmöglichkeit bei Bevorschussung durch Einräumung eines Dispositionskredites das LG Freiburg, Urt. v. 17.12.1981 – 3 S 186/81, ZIP 1982, 431, kritisiert.
Beispiel Variante Bevorschussung (siehe aber Haftungsfalle, Rn. 979): Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein Girokonto mit 1.000 € im Soll (debitorisches Konto). Nach Zustellung einer Kontopfändung wird das Konto in ein P-Konto umgewandelt. K bucht den Sollsaldo auf ein zweites Konto des S um. K lässt trotzdem am Monatsende eine Überziehung i. H. v. 65 € zu, die aus einer Lastschrift einer für S wichtigen Haftpflichtversicherung des S stammt, in der Erwartung, dass diese Überziehung durch den nächsten Zahlungseingang wieder ausgeglichen wird. S verlangt am nächsten Tag und vor dem nächsten Zahlungseingang, dass auch dieser Soll-Saldo auf das Zweitkonto umgebucht wird, damit das P-Konto weiterhin im Haben bleibt, da er keine Mittel aus seinem nächsten Zahlungseingang dafür zur Verfügung stellen kann, da das aus diesem Zahlungseingang resultierende Guthaben unterhalb seines individuellen Freibetrages liegt. Zu Recht?
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
Zumindest besteht hier ein Risiko, dass S in einer gerichtlichen Auseinandersetzung Recht bekäme, denn hier ist K ein eigenes Risiko eingegangen. Die Erwartung, dass diese Überziehung durch den nächsten Zahlungseingang wieder ausgeglichen wird, ist aber keine Vereinbarung, sondern eine reine Hoffnung des K, die sich leider nicht bewahrheitet hat. Dieses Risiko muss K ggf. selbst tragen. Dass die Versicherungskosten möglicherweise auch „Kosten der Lebenshaltung“ und/oder deren Einlösung für S wichtig sein könnten, spielt keine Rolle. Dafür hat S mindestens sein gesetzliches Existenzminimum zur Verfügung und muss damit haushalten. Wenn es nicht ausreicht, kann er nicht erwarten, dass K ihm aushilft. Wenn K dies aber eigenverantwortlich und auf eigenes Risiko tut, muss K damit leben, dass sich dieses Risiko realisiert. Anders wohl LG Freiburg, Urt. v. 17.12.1981 – 3 S 186/81, ZIP 1982, 431, das annimmt, eine solche Bevorschussung könne „zwanglos in der Einräumung des Dispositionskredits gesehen werden“; zur Kritik siehe Bitter, WuB VI E. § 850k ZPO 1.00.
Da sich allerdings die gesetzliche Anordnung, das P-Konto nur noch im Guthaben zu führen, nach Überzeugung des Autors zumindest auch an S richtet, muss er bei seinen Dispositionen darauf achten, solche Lastschriften nicht zu veranlassen oder erst dann, wenn das Guthaben auf dem P-Konto ausreicht, sie einzulösen. Ob das allerdings als „Mitverschulden“ i. S. d. § 254 BGB zu qualifizieren wäre, scheint zweifelhaft. Daher ist wegen der Risiken Kreditinstituten anzuraten, eine strikte Disposition ausschließlich auf Guthabenbasis vorzunehmen. Stehen größere Abbuchungen an, muss S durch vorheriges Ansparen i. S. d. § 899 Abs. 2 dafür Sorge tragen, dass zum Abbuchungszeitpunkt ausreichend Guthaben auf seinem P-Konto vorhanden ist. 973 § 901 verbietet aber nicht jede Belastungsbuchung zu Gunsten des Kreditinstitutes. Wenn vertraglich vereinbarte Leistungen abgebucht werden, wie das Kontoführungs- oder auch andere Entgelte oder Tilgungsraten eines Darlehensvertrages, die der Schuldner weiter bedienen möchte, dann können diese Beträge auch dem P-Konto belastet werden, auch zu Lasten der pfändungsfreien Beträge. Das Aufrechnungs- und Verrechnungsverbot will dem Kontoinhaber „nur“ die Verfügung über das zur Existenzsicherung benötigtes Guthaben erhalten. Will der Kontoinhaber allerdings, z. B. bei Tilgungsraten aufgrund eines Darlehensvertrages, seinen vertraglichen Verpflichtungen im eigenen Interesse weiter erfüllen, dann sind das von ihm eigenverantwortlich zugelassene Verfügungen. Auch die Abbuchung der monatlich anfallenden Kosten z. B. für die Stromversorgung oder eines Mobilfunkvertrages will der Kontoinhaber weiter erfüllen und zu Lasten seines Freibetrages abbuchen lassen.
974 Insoweit liegt hier keine Verrechnung vor, sondern eine – vom Kontoinhaber weiterhin gewollte – Vertragserfüllung. Diese ist von dem Aufrechnungsund Verrechnungsverbot nicht erfasst. Unabhängig von § 901, siehe dazu die dortigen Ausführungen, ist aber – außer für das P-Kontoführungsentgelt und z. B. Rücklastschriften-Entgelte – das Gebot des § 850k Abs. 1 Satz 3 zu
258
9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden
beachten, dass nämlich ein Pfändungsschutzkonto nur noch ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. Um das Ganze für die Praxis, insbesondere auch für den P-Kontoinhaber auch 975 ansonsten handhabbar zu machen, dürften kurzfristige und kleinere Überziehungen (bis max. 100 €), etwa durch Abbuchung kleinerer Lastschriften, allerdings ebenfalls zulässig sein, wenn sie durch nachfolgende zeitnahe Gutschrifteingänge wieder ausgeglichen werden („Bagatellgrenze“). Als zeitnah dürfte maximal gelten, innerhalb desselben Monats in dem die „Überziehung“ entsteht. Schwierig dürfte aber werden, größere Sollstände, auch wenn sie nur wenige Tage bestehen, zuzulassen, beispielsweise um – auch im Interesse des Schuldners – die Miete zu Lasten seines Kontos einzulösen, selbst wenn klar ist, dass der Sollstand in wenigen Tagen durch den nächsten Zahlungseingang wieder ausgeglichen wird. Hier wird man abzuwarten haben, wie die Rechtsprechung dies beurteilt; aber der Autor ist der Ansicht, dass hier ein praktikabler Weg gefunden werden muss. Es wäre weder dem Schuldner noch dem drittschuldnerischen Kreditinstitut zuzumuten, nur wegen weniger Tage ein Zwei-Konto-Modell mit all dem verbundenen Aufwand und Kosten zu installieren, obwohl es schon wenige Tage später nicht mehr benötigt würde.
Diese Bagatellgrenze „bis 100 €“ orientiert sich an § 42 Abs. 3 Nr. 2 ZKG.
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Unklar ist, ob ein Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung zur Führung aus Guthabenbasis zu einer außerordentlichen Kündigung des Kontos durch das Kreditinstitut berechtigt. Abgesehen davon, dass evtl. schon der Wortlaut Konto „führen“ dagegen spricht (denn der Kontoinhaber führt das Konto nicht, sondern unterhält es, so dass die Gewährleistung alleine das das Konto führende Kreditinstitut treffen könnte), dürfte das nur im absoluten Ausnahmefall möglich sein, vgl. Rn. 972 und 1567.
Nach § 42 Abs. 3 Nr. 2 ZKG kann eine (außerordentliche) Kündigung eines 977 Basiskontovertrag – auch ohne Vereinbarung eines entsprechenden Kündigungsrechts – dann vom kontoführenden Kreditinstitut unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten erfolgen, wenn der Kontoinhaber mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der dem kontoführenden Institut geschuldeten Entgelte oder Kosten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten in Verzug ist und dieser Betrag 100 € übersteigt (und zu besorgen ist, dass aus der Führung des Basiskontos weitere Forderungen entstehen werden, deren Erfüllung nicht gesichert ist). Es handelt sich also nur um einen Bagatellbetrag, denn das Basiskonto selbst auslöst/„schuldet“, nicht sonstige Forderungen, die das Kreditinstitut noch gegen den Basiskontoinhaber hat; ebenso Linardatos, der davon spricht, dass nicht gezahlten Entgelte und Kosten „im Zusammenhang mit dem Basiskontovertrag“ stehen müssen, Linardatos, BeckOGK, ZKG § 42, Rn. 50, Stand: 1.2.2022.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
978 Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass bis 100 € eher von einem Bagatellbetrag – jedenfalls aus Sicht des Gesetzgebers – auszugehen ist. Gleichwohl bestehen Risiken, dass diese Rechtsansicht einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhielte, denn grundsätzlich lässt der Wortlaut des § 850k Abs. 1 Satz 3 selbst dafür keinen Spielraum. Ggf. ließe sich hier aber auch mit dem § 242 BGB-Grundsatz dolo facit qui petit quod statim redditurus est argumentieren, wonach mangels schutzwürdiger Interessen das Beanspruchen einer Leistung unzulässig ist, die sofort zurückgewährt werden müsste. Das dürfte sich aber im Zweifel nur für aus Vertragserfüllung geschuldete Kontoführungsentgelte des P-Kontos vertreten lassen.
Haftungsfalle: 979 Eine – auch die zwischen Kreditinstitut und Schuldner vereinbarte – Bevorschussung bei bestehender Kontopfändung birgt Haftungsgefahren, wenn – was der Regelfall ist – die Forderung auf Auszahlung aus Krediten mitgepfändet ist. Anders, wenn das P-Konto geführt wird, um den Aufrechnungsund Verrechnungsschutz nach Abs. 1 des § 901 – ohne Kontopfändung – zu erhalten.
980 Sowohl im ZVFV-Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen“ (Anhang 5) als auch im ZVFV-Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen“ (Anhang 6) ist folgender Passus enthalten: „…mitgepfändet wird die angebliche (gegenwärtige und künftige) Forderung des Schuldners an den Drittschuldner auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits (‚offene Kreditlinie‘), soweit der Schuldner den Kredit in Anspruch nimmt“. Auch die öffentlich-rechtlichen Gläubiger, wie Finanzamt, gesetzliche Krankenkassen oder Kommunen (Hauptzollämter) pfänden diesen Anspruch regelmäßig mit.
981 In diesen Fällen ist eine (vereinbarte) Bevorschussung grundsätzlich nicht haftungsfrei möglich, weil damit eine kurzfristig vereinbarte Überziehungsmöglichkeit entsteht, die durch die Bevorschussung auch in Anspruch genommen/abgerufen wird. Dessen müssen sich die Kreditinstitute bewusst sein. Der Pfändungsgläubiger hat dann einen Anspruch auf nochmalige Zahlung der Verfügungen des Schuldners durch das drittschuldnerische Kreditinstitut, siehe Rn. 607. Das würde grundsätzlich zwar auch für die durch die Belastung des Rechnungsabschlusses entstehende Bagatell-Überziehung gelten; hier mag ein drittschuldnerische Kreditinstitut jedoch in der Risikoabwägung zu einer ggf. pragmatischen Sicht der Dinge gelangen.
982 Ob daher ein Kreditinstitut gut beraten ist, z. B. überhaupt, zumal hohe Beträge, wie Mietzahlungen bevorschussend im gepfändeten Konto aufzunehmen, im Wissen, dass der Kontoinhaber und Vollstreckungsschuldner dieses Debet innerhalb eines Monats immer wieder ausgleicht, bleibt abzuwarten. 260
9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden
Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung wird das – wie in den meisten Fällen 983 – ein Haftungsrisiko ausschließlich der drittschuldnerischen Kreditinstitute bleiben, wenn sie so vorgehen sollten, was allerdings sicherlich im Schuldnerinteresse wäre. Zu hoffen ist, dass der BGH eine solche Konstellation dann im Sinne der damaligen Entscheidung zu Übertragung von Monatsend-Gutschriften löst: Auch da wurde argumentiert, dass dies eigentlich eine Konstellation ist, die den nächsten Monat betrifft. Übertragen auf die Bevorschussung von Zahlungen, die unmittelbar im neuen Monat wieder ausgeglichen werden, könnte man daher argumentieren, dass diese Bagatell-Überziehungen kein Verstoß gegen die Pflicht zur Führung des P-Kontos ausschließlich im Guthaben und damit auch kein pfändbarer Abruf eines Kreditanspruches sind, da ja absehbar ist, dass Bevorschussung und der anschließende sofortige Kontoausgleich nur durch vom Schuldner nicht zu beeinflussende abweichende Fristigkeiten von Zahlung und Gutschrift ausgelöst werden, die, würde man gleiche Fristigkeiten unterstellen, weder ein Verstoß gegen § 850k Abs. 1 Satz 3 wären noch den Abruf von Kreditmitteln auslösen würden. Allerdings wäre dem Schuldner sicherlich zuzumuten, die Zahlungsfristen auszunutzen, also nicht etwa vorfristige Zahlungen zu veranlassen, die nicht notwendig wären. Dies wäre sicherlich auch ein Beispiel dafür, dass sich das Gebot zur Führung eines P-Kontos ausschließlich auf Guthabenbasis, auch an den P-Kontoinhaber (und Vollstreckungsschuldner) und nicht nur an das kontoführende Kreditinstitut richtet.
b) Zweikonten-Modell – Lösungsmöglichkeiten bei debitorischen P-Konten Eines wird deutlich: Debitorische P-Konten sind kein vorübergehendes Pro- 984 blem. Von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bedrohte Schuldner werden eben vielfach nicht „in den nächsten Monaten“ ihr Debet ausgleichen können. Da hilft es auch nicht, gesetzlich anzuordnen, dass das P-Konto nur noch auf 985 Guthabenbasis geführt werden darf. Das löst jedenfalls nicht das Grundproblem. Was also tun, wenn der Schuldner ein Konto hat, das sich im Soll befindet, 986 das er aber in ein P-Konto umwandeln will? aa) Das „Zwei-Konten-Modell“- der Prototyp nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Beim nachfolgend beschriebenen „Zwei-Konten-Modell“, das der Gesetzgeber 987 offensichtlich als prototypische Konstellation vorsieht, wird das P-Konto – nicht ein Zweitkonto – neu eröffnet. Das wäre ein Umwandlungsanspruch der sich – zumindest technisch – als Neu-Eröffnungsanspruch entpuppt. Gegen einen auch rechtlichen Anspruch auf Neu-Eröffnung eines P-Kontos im Rahmen der ZPO spricht aber eindeutig, dass sowohl § 850k Abs. 1 Satz 1 und 2 als auch § 901 Abs. 1 Satz 1 davon ausgehen, dass es nur einen Anspruch auf Umwandlung eines – ggf. auch debitorischen – Zahlungskontos, nicht Neu-Eröffnung gibt.
261
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
988 Im Gesetzestext zum korrespondierenden § 901 heißt es Abs. 3 Satz 1 aber irritierenderweise: „Gutschriften auf dem Zahlungskonto, die nach Absatz 1 oder 2 dem Verbot der Aufrechnung und Verrechnung unterliegen, sind als Guthaben auf das Pfändungsschutzkonto zu übertragen.“ Dass indiziert, dass dem Gesetzgeber vorzuschweben scheint, dass vorzugsweise das P-Konto als Zweitkonto neu eröffnet werden soll. Wahrscheinlich ist aber, dass das nur eine eher technische, nicht rechtliche Weisung ist. In der Gesetzesbegründung schreibt der Gesetzgeber nicht vor, wie das kreditorische P-Konto technisch zu gewährleisten ist, nennt aber ausdrücklich als eine Möglichkeit der Umsetzung für Kreditinstitute das sog. „Zwei-Konten-Modell“, siehe Rn. 984 ff., dem er konzediert, dass von ihm „bereits jetzt umfangreich Gebrauch gemacht wird“, vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 30.
989 Das debitorische Zahlungskonto würde dann also belassen. Hinsichtlich des Sollsaldos würde dann im Zweifel eine Rückzahlungsvereinbarung getroffen. Daran wird auch der Kunde ein Interesse haben, da er sonst Gefahr läuft, dass ihm am Ende die Geschäftsverbindung insgesamt gekündigt wird, weil er fällige Forderungen des Kreditinstitutes nicht zurückführt. Der Schuldner kann Beträge aus seinem pfändungsfreien Einkommen zur Rückführung des Sollsaldos einsetzen. Dies ist ihm sogar im Falle der Insolvenz möglich, BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 93/09, ZIP 2010, 380, wonach der Befriedigung einzelner Insolvenzgläubiger aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners während des Insolvenzverfahrens, das ansonsten eine Gläubigergleichbehandlung vorsieht, grundsätzlich nichts entgegensteht.
990 Zudem wird ein weiteres, neues und „unbelastetes“ Girokonto (ggf. als Unterkonto) als P-Konto eröffnet, das ausschließlich im Guthaben geführt wird und damit den gewünschten P-Kontopfändungsschutz gewährt. 991 Abgesehen davon, dass dies das vom Gesetzgeber offensichtlich präferierte Vorgehen scheint, würde damit das Ziel erreicht: Das P-Konto ist kreditorisch, der Kunde hat sofort i. R. d. Pfändungsfreibeträge die Verfügungsmöglichkeit über eingehende Gutschriften, da diese ihm aufgrund des Verrechnungsschutzes nach § 901 vom debitorischen Konto auf sein P-Konto übertragen werden müssten, § 901 Abs. 3 Satz 1. Der lautet: „Gutschriften auf dem Zahlungskonto, die nach Absatz 1 oder 2 dem Verbot der Aufrechnung und Verrechnung unterliegen, sind als Guthaben auf das Pfändungsschutzkonto zu übertragen.“
bb) Das Zwei-Konten-Modell der Praxis 992 In der Praxis hat sich allerdings schon vor dieser neuen Regelung ein anderes Modell durchgesetzt und wird aller Voraussicht nach auch künftig das präferierte Modell bleiben. 993 Dabei wird das debitorische Konto in ein P-Konto umgewandelt und der Debetsaldo auf ein anderes zweites Zahlungskonto (oder Darlehen) umgebucht. 262
9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden
Das macht insbesondere aus Sicht des Schuldners mehr Sinn, weil der gesamte 994 Zahlungsverkehr, der auf das ursprüngliche Zahlungskonto ausgerichtet ist, dann nicht umfassend neu umgestellt werden müsste. Das wären insbesondere die Mitteilung einer neuen Kontonummer an Arbeitgeber, Sozialkassen und an Gläubiger, die mittels Lastschrift Beträge einziehen, wie Versorger, Telekommunikationsanbieter, Versicherungen und Finanzämter etc., verbunden mit dem Umstand, dass die Berücksichtigung der neuen Kontonummer erst verzögert erfolgen kann und Gutschriften noch auf das alte Konto erfolgen. Trotz der gesetzlichen Kontowechselhilfe nach §§ 20, 21 ZKG, die auch gilt, wenn der Kunde innerhalb seines Zahlungsdienstleister das Konto wechseln will, stellt dies für alle Beteiligte die einfachere Lösung dar.
Auch für das Kreditinstitut wird der Aufwand etwas geringer sein als bei dem 995 vom Gesetzgeber präferierten Modell. Selbstverständlich ist es auch möglich, das debitorische Konto in ein P-Konto 996 umzuwandeln und das Debet dort einfach zu belassen. Denkbar wäre demgemäß auch, das P-Konto technisch kreditorisch dadurch zu stellen, dass man den Sollsaldo auf eine Art Unterkonto des (P-)Stammkontos überträgt oder – wenn die IT das leisten kann – die Guthabenbasis auf demselben Konto technisch einfach separat „simuliert“, also einer einem Unterkonto vergleichbaren technischen Variante durch Bildung einer Konto-Teilmenge oder eines separaten „Topfes“ innerhalb des Kontos. Der Gesetzgeber hat hier bewusst keine technischen Vorgaben gemacht.
Im Ergebnis muss jedenfalls das P-Konto auf Guthabenbasis geführt werden 997 und dem Schuldner trotzdem korrekt und transparent die Informationen des § 908 zur Verfügung gestellt werden, damit er u. a. jederzeit weiß, was er noch verfügen kann. Und es muss gewährleistet werden, dass es nicht zur Verrechnung kommen kann. Solange der Kunde einen Sollsaldo hat, egal ob auf einem regulären Zweitkonto, Unterkonto oder in einer technisch eingerichteten Konto-Teilmenge, solange also Sollzinsen entstehen, ist auch die Beratungspflicht des § 504a BGB bei Inanspruchnahme der Überziehungsmöglichkeit durch das Konto führende Kreditinstitut trotzdem zu wahren.
cc) Entgelte und Sollzinsen bei Zwei-Konten-Modell Umstritten ist, ob der Kunde sich überhaupt auf ein Zweitkonto einlassen muss. 998 Dies wird man wohl dann bejahen können, wenn das Kreditinstitut die kredi- 999 torische Führung des P-Kontos technisch nur so herstellen kann. Dass der Gesetzgeber die technische Umsetzung der Einhaltung des § 850k Abs. 1 Satz 3 (Führen des P-Kontos ausschließlich auf Guthabenbasis) nicht vorgegeben hat, ist auch dem Umstand geschuldet, dass bei den deutschen Kreditinstituten ganz unterschiedliche IT-Systeme zum Einsatz kommen.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1000 Die Frage ist aber nun, ob möglich technische Restriktionen einzelner Kreditinstitute, den Kontoinhaber benachteiligen dürfen und was in diesem Zusammenhang überhaupt ein Nachteil ist. Zunächst muss man sich dabei vergegenwärtigen, was der Gesetzgeber wollte: Er wollte ein besser funktionierendes P-Konto schaffen, das von seiner Grundkonstruktion her, nur auf Guthabenbasis reibungslos funktioniert. Das war in der ursprünglichen Schaffung des P-Kontos und seiner Kontopfändungsschutznormen auch eines der größten Probleme, nämlich dass der Gesetzgeber den Umstand, dass Vollstreckungsschuldner nun mal häufig überschuldet sind und debitorische Konten führen, zunächst ausgeblendet hatte, vgl. dazu 1. Aufl., Rn. 560 ff. „Dilemma Debet“.
1001 Nunmehr hat man im Rahmen des PKoFoG den § 850k Abs. 1 Satz 3 geschaffen, der (auch) die Kreditinstitute verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das P-Konto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt wird. Eine Rechtspflicht auch des Kontoinhabers aus § 850k Abs. 1 Satz 3, das P-Konto ausschließlich im Guthaben zu unterhalten, herauszulesen, könnte schon daran scheitern, dass ein Kontoinhaber (und ggf. Vollstreckungsschuldner), der nur unpfändbare Beträge zur Verfügung hat, die der Gesetzgeber ja gerade (noch besser) schützen wollte, aus diesen Beträgen einen Sollsaldo gar nicht würde zurückführen können und müssen. Die unpfändbaren Guthaben dienen seiner Existenzsicherung.
1002 Auf vorhandenes Guthaben, also kreditorisch geführte P-Konten, waren und sind Kontopfändungsschutz-Vorschriften grundsätzlich auch abgestellt. 1003 Bei der Frage, welche Nachteile dem Kontoinhaber nun durch die neue Regelung bei einem Zweitkonto entstehen, wird man sich vergegenwärtigen müssen, dass beim PKoFoG eigentlich nur der bessere Schuldnerschutz im Vordergrund stand. 1004 Wenn es also technisch möglich ist, ein und dasselbe P-Konto sowohl debitorisch als auch kreditorisch im Hinblick auf die unpfändbaren Gutschriften/ Guthaben zu führen, dann würde der P-Kontoinhaber weiterhin nur Kontoführungsentgelt für ein Zahlungskonto schulden und sein Sollstand würde sich nur in Höhe des ursprünglich vereinbarten Zinses verzinsen. Zudem wäre gewährleistet, dass etwaige Zahlungseingänge den Sollsaldo zinsmäßig sofort entlasten, bis der Kontoinhaber – im Rahmen seiner Freibeträge – über diese daraus entstanden Guthaben wieder verfügt. Erst dann würde sich wieder ein höherer (verzinslicher) Sollstand ergeben. Dafür könnte auch sprechen, dass der Gesetzeswortlaut davon spricht, dass ein Pfändungsschutzkonto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. Führen richtet sich an das Kreditinstitut; der Kontoinhaber unterhält ein P-Konto. Andererseits führt der Verrechnungsschutz des § 901 dazu, dass die Zahlungseingänge bis zur Höhe des pfändungsfreien Betrages eigentlich gar nicht ins Kontokorrent eingestellt werden dürfen und damit keine sofortige, wenn auch nur vorübergehende Reduzierung des Sollsaldos herbeiführen.
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9. P-Konto darf nur im Guthaben geführt werden
Wäre das der Maßstab, dann würde das bedeuten, dass bei einem Kreditinstitut, 1005 das die – wohl gesetzlich geschuldete Führung auf Guthabenbasis – nur durch ein Zweitkonto technisch gewährleisten könnte, das Zweitkonto nur ein technisches Vehikel wäre, dass aber nicht zusätzlich mit einem Kontoführungsentgelt bepreist werden dürfte. So wohl auch Cranshaw, in: Cranshaw, DS-Komm., S 417 Rn. 39.
Insoweit wäre wohl die Zweit-Kontoeinrichtung lediglich ein unselbständiger 1006 Neben- oder Begleitaspekt der Gewährleistung der Führung auf Guthabenbasis als dem Hauptgeschäft. Für die Dispositionsmöglichkeit auf Guthabenbasis selbst, d. h. für die Bereitstellung eines kreditorischen P-Kontos, wird das Zweitkonto nicht zwingend benötigt. Insoweit dient es in erster Linie buchhalterischen Zwecken des drittschuldnerischen Kreditinstitutes, das durch seine interne Zweit-Kontoführung im Eigeninteresse die Dispositionsmöglichkeit auf Guthabenbasis des Kunden einfacher – oder technisch bedingt überhaupt nur so – darstellen kann. Vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2011 – XI ZR 388/10, VuR 2011, 421 für die vergleichbare Konstellation eines Darlehenskontos, das entgeltfrei zu führen ist.
Zudem dürfte der auf dieses Konto ausgebuchte Sollsaldo zwar – wie auf dem 1007 ursprünglichen Zahlungskonto, das nun zum (kreditorisch geführten) P-Konto wurde – verzinst werden, aber nur in Höhe und hinsichtlich der valutarischen Anrechnung von Gutschriften wie bei vormaligen debitorischen Zahlungskonto. Einen aus einem vormaligen Dispositions-Sollzins dürfte dann auch kein deutlich höherer Überziehungs-Zins werden, es sei denn, es wäre schon vor Umwandlung ein Überziehungszins berechnet worden, weil der Kunde das Konto schon vor Umwandlung überzogen hatte.
Das würde aber auch bedeuten, dass beide Konten, dass P-Konto und das 1008 debitorische Zweitkonto, eine Zinsgemeinschaft (Zinskompensation) bilden müssten, also zinslich so getan werden müsste, als gäbe es nur ein Konto. Ob das allerdings der alleinige Maßstab ist, daran bestehen zumindest Zweifel.
1009
Immerhin ist das Zweitkontomodell schon vor dem PKoFoG zum Nutzen 1010 des Schuldners von der Kreditwirtschaft entwickelt und erfolgreich praktiziert worden. Bis zum 30.11.2021 hatte sich keiner daran gestört, dass für beide Konten, die vollständige Zahlungskonten darstellen, Kontoführungsentgelte berechnet wurden. Man wird wohl konstatieren müssen, dass das Zweitkonto, auf das der negative 1011 Saldo ausgebucht wird, kein weiteres voll funktionsfähiges Zahlungsverkehrskonto sein muss, über das der Schuldner verfügungsbefugt ist. Es kann auch z. B. ein Darlehenskonto sein oder aber auch ein reiner Rechnungsposten innerhalb der Kontodisposition des Kreditinstitutes für den Kunden. Zwar legitimiert
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
der Gesetzgeber sogar das Zweikontenmodell, aber wohl eher als technische Option, weniger als rechtliche Legitimation für ein kostenpflichtiges zweites Zahlungskonto. Damit wäre die Regelung in § 850k Abs. 1 Satz 3 eine sich an das Kreditinstitut wendende gesetzliche Pflicht, die Guthabenbasis auf dem P-Konto zu gewährleisten; Leistungen, die gesetzlich geschuldet sind, dürfen aber nicht separat bepreist werden.
1012 Insofern bestehen (deutliche) Zweifel daran, dass es auch weiterhin möglich sein sollte, für beide Konten Kontoführungsentgelte zu berechnen; dann allerdings, wenn es sich um ein zweites vollständiges Zahlungsverkehrskonto handelt, gilt das natürlich nicht. 1013 Unzulässig dürfte es auch sein, aus dem Zwei-Konten-Modell seitens der Kreditinstitute höhere Sollzinsen zu generieren. Auch § 850k Abs. 2 Satz 2, der besagt, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut im Übrigen unberührt bleiben muss, könnte als Begründung dafür herhalten. Im engeren Sinne ist zwar nur das konkrete Girokontovertragsverhältnis gemeint, im weiteren Sinne meint das im Zweifel aber auch, dass durch das technisch ggf. erforderliche Zweitkonto sich insgesamt keine Veränderungen an der vertraglichen Position des Kontoinhabers zu seinen Lasten ergeben dürfen.
1014 Daher muss, wenn das Zwei-Kontenmodell die einzige technische Möglichkeit darstellt, das Kreditinstitut auch gewährleisten, dass dem Kunden durch dieses Modell keine höheren Entgelte und Sollzinsen in Rechnung gestellt werden. 1015 Der Autor befürchtet daher, dass die Rechtsprechung über kurz oder lang zum Ergebnis kommen wird, dass das Zweitkonto im Zweifel wohl entgeltfrei zur Verfügung gestellt werden muss, es sei denn, es ist ein vollwertiges zweites Zahlungskonto, mit dem der Kontoinhaber auch vollumfänglich am Zahlungsverkehr teilnehmen kann. Das aber würde wohl bedeuten, dass es nicht nur rein theoretisch dafür zur Verfügung stünde, sondern auch tatsächlich. Bei einem Zweitkonto, dass dem Kontoinhaber nur erlaubt, den dorthin ausgebuchten Sollsaldo zu reduzieren, also Zahlungsflüsse nur in eine Richtung zuließe (sog. „Einbahnstraßen-Zahlungskonto“), könnte ggf. diesen Anforderungen nicht entsprechen.
1016 Die Eröffnung des „technischen“ Zweitkontos und die Ausbuchung des Sollsaldos müssen daher so erfolgen, dass sowohl die Zinssatzhöhe unverändert bleibt als auch die valutarische Anrechnung von Gutschriften, aber auch Belastungen durch Wiederverfügungen der Guthaben. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass das Kreditinstitut dann, wenn der Sollsaldo abgebaut ist, das Zweitkonto auch wieder schließen kann. Nur wenn es sich um ein vollwertiges zweites Zahlungskonto, mit dem der Kontoinhaber auch vollumfänglich am Zahlungsverkehr teilnehmen konnte, bedarf es einer Kündigung bzw. einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages.
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10. Einrichtungsfristen
Insofern würde eine technische Möglichkeit, den Sollsaldo und die Guthaben- 1017 basis auf demselben Konto technisch jeweils separat darzustellen bzw. zu „simulieren“, diesen Ansprüchen am besten gerecht werden. Es hätte den Vorteil, dass unproblematisch eine Zinskompensation gelänge, die man beim Zwei-Konten-Modell im Zweifel erst wieder herstellen müsste. Zusätzliche Kontoentgelte fielen ebenfalls nicht an. 10. Einrichtungsfristen Vorgegeben ist weiterhin, in § 850k Abs. 2 Satz 1, dass dann, wenn Guthaben 1018 auf dem Zahlungskonto bereits gepfändet worden ist, der Schuldner die Führung dieses Kontos als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf sein Verlangen folgenden Geschäftstages fordern kann. Inhaltlich entspricht dies nahezu wortgleich dem § 850k Abs. 7 Satz 3 a. F.
Das Kreditinstitut muss daher gewährleisten, dass zum Beginn des vierten auf 1019 den Umwandlungsantrag folgenden Geschäftstag das P-Konto eingerichtet ist und die Schutzmechanismen greifen, § 850k Abs. 2 Satz 1 (sog. Vier-TagesFrist). Es wäre eigentlich richtiger von einer „Drei-Tages-Frist“ statt einer „Vier-Tages-Frist“ zu sprechen, weil zwar der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto erst zum „Beginn“ des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen kann, das Kreditinstitut aber deshalb faktisch maximal nur drei volle Tage Zeit hat, das Konto umzustellen, da es zu „Beginn“ des vierten (Bankarbeits-)Tages bereits zur Verfügung stehen muss. Da aber im Gesetz zu Beginn des vierten Tages steht, soll es hier bei der Begrifflichkeit Vier-Tages-Frist bleiben.
Kreditinstitute werden diese Frist regelmäßig nicht ausschöpfen, dürften es 1020 aber. Zur Verkürzung dieser Frist, wenn gleichzeitig mit dem Umwandlungsbegehren ein Nachweis für Erhöhungsbeträge eingereicht wird, siehe § 903 Abs. 4: Dann muss das drittschuldnerische Kreditinstitut die Umwandlung in ein P-Konto bereits ab dem zweiten auf die Vorlage der Bescheinigung folgenden Geschäftstag vollzogen haben. Dass beide Fristen kumulativ zur Verfügung stehen, also eine Vier-Tages-Frist zur Umwandlung des Zahlungskontos in ein P-Konto plus anschließend eine weitere Zwei-Tages-Frist bis zur Verfügungstellung der durch Bescheinigungen nachgewiesenen Erhöhungsbeträge, scheint dem Autor angesichts der schuldnerfreundlichen Grundausrichtung auch des PKoFoG eher ausgeschlossen.
Ist das Zahlungskonto dagegen nicht gepfändet, schreibt das Gesetz keine 1021 Frist vor. In diesem Fall gelten die üblichen Fristen. Auch das ZKG schreibt nicht vor, bis wann ein Basiskonto eröffnet werden muss. Aus § 34 Abs. 2 ZKG ergibt sich aber, dass das Kreditinstitut sich im Zweifel maximal 10 Tage dafür Zeit lassen
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) darf, denn im Falle der Ablehnung des Antrags auf Abschluss eines Basiskontovertrags hat dies das Kreditinstitut unverzüglich, spätestens jedoch zehn Geschäftstage nach Eingang des Antragsstellung dies dem Antragsteller mitzuteilen. Dies wird man als Obergrenze für die Frist zur Umwandlung in ein ungepfändetes P-Konto ebenfalls ansetzen können.
1022 Die Frist beginnt in dem Moment zu laufen, in dem die Erklärung des Kunden dem Kreditinstitut zugegangen ist. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein Girokonto. Am 16.3.2022 geht eine Kontopfändung ein. S beantragt die Umwandlung in ein P-Konto, versichert, dass er kein weiteres P-Konto unterhält und wirft diese Erklärung in den Briefkasten der K am Freitag, 18.3.2022, um 18:00 h ein. Als er am Dienstag, 22.3. über sein Guthaben verfügen will und dies noch nicht geht, beschwert sich S und verweist auf die Frist des § 850k Abs. 2 Satz 1. Zu Recht? Nein. Zugegangen ist der Antrag auf Umwandlung K erst am folgenden Montag, denn erst dann könnte es diesen zur Kenntnis nehmen und die Umwandlung einleiten. Es darf dann zunächst eine Auskunftei-Abfrage machen, um sich zu vergewissern, dass die Versicherung des S stimmt. Die Vier-Tages-Frist läuft somit erst am 23.3. ab, das heißt zu Beginn des 24.3., im Zweifel 0:00 h muss das Konto dann umgewandelt sein. Erst dann kann S im Rahmen seines Grundfreibetrages i. H. v. 1.260,00 € über sein Guthaben verfügen. 1023 Damit der Pfändungsschutz greift, muss das P-Konto bereits als Zahlungskonto mit Pfändungsschutz „geführt“ werden. Solange dies nicht der Fall ist, auch wenn die Vier-Tages-Frist überschritten wäre, besteht kein Schutz. 1024 Überschreitet das Kreditinstitut die Frist, hätte der Kontoinhaber aber im Zweifel einen Anspruch gegenüber dem Kreditinstitut, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die Umwandlung fristgerecht erfolgt wäre. Verzögerungen bei der Rückmeldung in der Sphäre der Auskunftei, bei der das Kreditinstitut zur Überprüfung, ob der Verlangende nicht bereits ein P-Konto unterhält, angefragt hat, gehen nicht zu Lasten des Kreditinstitutes. Man wird allerdings verlangen können, dass ein Kreditinstitut die Anfrage zeitnah – um nicht zu sagen unverzüglich – zu Beginn des Umwandlungsverlangens stellt, nicht erst am Ende des dritten Tages. Für Verzögerung der Auskunfteien wäre das drittschuldnerische Kreditinstitut zudem bedarfsweise beweispflichtig.
1025 Der Schuldner muss diese Bearbeitungszeit mit einkalkulieren. Geschäftstag ist jeder Tag, an dem der an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligte Zahlungsdienstleister den für die Ausführung von Zahlungsvorgängen erforderlichen Geschäftsbetrieb unterhält, § 675n BGB. Leistungen rund um die Umwandlung eines Zahlungskontos in ein P-Konto oder die erstmalige
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10. Einrichtungsfristen Bereitstellung von Erhöhungsbeträgen sind aber keine Zahlungsdienstleistungen in diesem Sinne, weshalb eine Orientierung an der gesetzlichen Definition des Geschäftstages nach § 675n BGB ausscheidet; hier wäre die Definition in den AGB der Kreditinstitute maßgeblich, die Samstage, Sonn-, Feier und Bankfeiertage (24.12. und 31.12) als Geschäftstage ausschließt.
Der Begriff „Geschäftstag“ statt „Bankarbeitstag“ geht auf die Terminologie 1026 der Zahlungsdiensterichtlinie 2008/48/EG zurück. Vgl. BT-Drucks. 16/12714, S. 21.
Beispiel: Das auf dem Konto des Schuldners S befindliche Guthaben i. H. v. 400 € bei einem Kreditinstitut mit Sitz in Niedersachsen wird am 30.9.2022 (Freitag) durch eine Kontopfändung seinem Zugriff entzogen. S stellt erst 28.10.2022, Freitag, einen Antrag auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Der Antrag geht an die zentrale Bearbeitung solcher Anträge. Dort wird wegen des Wochenendes und des Feiertages „Reformationstag“ am 31.10. (Montag) erst am 1.11. eine Auskunft bei einer Auskunftei eingeholt, um sicher zu gehen, dass S nicht bereits ein P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält. Alles in allem ist das Konto am Mittwoch, dem 2.11.2022 in ein P-Konto umgewandelt. Hat K die Vier-Tages-Frist eingehalten? Lösung: Ja, denn der vierte auf das Verlangen folgende 1350 beginnt in diesem Beispielsfall erst am 4.11., 0:00 h, da weder der 29.10. (Samstag), noch der 30.10. (Sonntag) noch der 31.10. (Feiertag „Reformationstag“ in Niedersachsen) Geschäftstage sind, so dass der nächste Geschäftstag erst der 1.11. ist. Zu Beginn des vierten auf den Umwandlungsantrags-Tag folgende Geschäftstag wäre daher erst der 4.11. Bei einem nicht bundeseinheitlichen Feiertag, wie z. B. dem Reformationstag 1027 in Niedersachsen am 31.10. oder Allerheiligen am 1.11. in Bayern oder Rheinland-Pfalz, ist der Erfüllungs- bzw. Leistungsort maßgeblich, also der Ort an dem die gesetzliche Pflicht der fristgerechten Umwandlung in ein P-Konto zu erfüllen ist. Diese Pflicht trifft das kontoführende Kreditinstitut, so dass dessen Sitz maßgeblich ist. Falls eine ausgelagerte Stelle des Kreditinstitutes für die Umwandlung zuständig 1028 wäre, die wiederum in einem (anderen) Bundesland arbeitet, in dem kein regionaler Feiertag gilt und die deshalb arbeitet, wäre dies der Erfüllungs- bzw. Leistungsort. Maßgeblich ist also, ob am Ort der für die Ausführung der Kontoeröffnung bzw. -umwandlung zuständigen Stelle der erforderliche Geschäftsbetrieb läuft oder nicht. Das setzt aber voraus, dass dort die Kontoeröffnung – oder -umwandlung fallabschließend bearbeitet werden kann, also die Abarbeitung der Kontoeröffnung oder -umwandlung ohne Hinzuziehung
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) anderer Einheiten des Kreditinstitutes, die möglicherweise keinen Geschäftsbetrieb an diesem Tag unterhalten, erfolgen kann. Wenn für die Kontoeröffnung mehrere Stellen zusammenwirken müssen, ist entscheidend, dass an allen Orten der Geschäftsbetrieb läuft.
1029 Soweit es nicht vertraglich anders geregelt ist, wären daher im Regelfall Samstage, Sonn- und Feiertage, Heiligabend, Silvester und regionale Feiertage keine Geschäftstage. Schroeter, JuS 2007, 29. Für Tage, die keine Feiertage sind, sondern z. B. nur sog. „Behörden- oder Bank-Feiertage“ (31.12, 24.12. etc.), gilt § 193 BGB nicht.
1030 Die Umwandlung wird zu „Beginn“ des vierten auf das Verlangen des Schuldners folgenden Geschäftstages geschuldet. Ein Geschäftstag beginnt zwar regelmäßig nicht um 0:00 h (sondern um 8:00 bzw. 9:00 h, je nach Öffnungszeit des Kreditinstitutes), wenn aber der Schuldner über das Guthaben auf seinem P-Konto auch über den GAA oder im Rahmen des online bankings verfügen kann, dann muss die Umwandlung ab 0:00 h erfolgt sein. Siehe insoweit BGH, Urt. v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292, wonach für Geldabhebungen am GAA des kontoführenden Kreditinstituts alle Tage, an denen der jeweilige GAA betrieben wird, Geschäftstage i. S. v. § BGB § 675n Abs. 1 Satz 4 BGB sind, also auch Samstage, Sonntage und Feiertage.
1031 Ein GAA ist regelmäßig 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche in Betrieb. Wenn ein Kreditinstitut daher nicht mittels ihrer IT zeitgesteuert automatisiert, ohne weiteres menschliches Zutun das P-Kontos zu seinen beginnenden Geschäftszeiten freischalten kann, muss es organisatorisch anders gewährleisten, dass das Konto ab diesem Zeitpunkt mit der Zusatzleistung „Kontopfändungsschutz“ zur Verfügung steht. Das kann bedeuten, dass die Umwandlung im obigen Beispielsfall dann schon am Vortag durch Mitarbeiter der K am 3.11. erfolgen muss. Kreditinstitute haben deshalb faktisch regelmäßig nur drei volle Tage Zeit, das Konto umzustellen und werden daher zumeist die Umwandlung zum „Ende“ des dritten Tages bewerkstelligen müssen, ungeachtet der Tatsache, dass sie in der Praxis zumeist maximal 1 – 2 Tage benötigen; das Kreditinstitut darf die Frist insoweit selbstverständlich auch unterschreiten.
1032 Der Bank-Arbeitstag beginnt ansonsten mit Beginn der gewöhnlichen Öffnungszeiten des Kreditinstitutes, nicht um 0:00 h mit dem Datumswechsel. Versäumt das Kreditinstitut die rechtzeitige Umstellung aufgrund eines ihm zuzurechnenden Organisationsverschuldens, kommen grundsätzlich Schadenersatzansprüche des Schuldners in Betracht, wenn ihm auf Grund mangelnder Verfügbarkeit über sein Guthaben Nachteile entstehen, so OLG Rostock, Urt. v. 17.1.2002 – 1 U 33/00, ZIP 2002, 429 in einem Fall, bei dem das drittschuldnerische Kreditinstitut das Konto zur Gänze sperrte und auch die Auszah-
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11. Keine Änderung des Girovertragsverhältnisses durch Umwandlung lung des den (geringen) arretierten Betrag (deutlich) übersteigenden Guthabens verweigerte; vgl. auch Rn. 369 und allgemein zum Bereicherungsausgleich Rn. 2817.
11. Keine Änderung des Girovertragsverhältnisses durch Umwandlung Ebenfalls klarstellend hat der Gesetzgeber in § 850k Abs. 2 Satz 2 geregelt, dass 1033 das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut im Übrigen unberührt bleibt. Das Zahlungskonto wird nach der Umstellung zwar zum P-Konto mit den entsprechenden Schutzmechanismen, aber sonst darf sich nichts am Girovertragsverhältnis ändern. Der Gesetzgeber wollte damit u. a. klar stellen, dass für das dann als P-Konto geführte Zahlungskonto – außer den nunmehr besonderen Vorschriften über das P-Konto – die ursprünglich zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut vereinbarten Bestimmungen weiter gelten. Bei dem durch die Regelungen zum P-Konto bewirkten Pfändungsschutz handelt es sich also lediglich um eine Zusatzfunktion eines Zahlungskontos. Das P-Konto ist dann ein mit der Pfändungsschutzfunktion versehenes Zahlungskonto. Vermeiden wollte er damit, dass Kreditinstitute die Umwandlung zum Anlass nehmen (könnten), andere Zusatzleistungen zu entziehen oder beispielsweise Kontoführungsentgelte anzuheben. Dafür müssen Kreditinstitute bedarfsweise auf ihre geltenden vertraglichen oder AGB-rechtlichen Möglichkeiten zurückgreifen, so aber bereits BGH, Urt. v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, ZVI 2015, 132.
Im Einzelfall bedeutet das, dass anlässlich der Umwandlung des Kontos keine 1034 Zusatzleistungen, wie z. B. die Nutzung der Kreditkarte oder ein Dispositionskredit automatisch entzogen werden oder Kontoführungsentgelte angehoben werden können. Das wird insbesondere auch für das online banking gelten. Das Umwandlungs- 1035 verlangen gibt dem Kreditinstitut kein Recht zur einseitigen Abänderung des gesondert abgeschlossenen online banking-Vertrags. BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, WM 2013, 1796 Rn. 44.
Allerdings besteht kein Anspruch des Kontoinhabers, dass diese vor Umwandlung in ein P-Konto bereits gewährten Leistungen, z. B. auch ein Konto ohne Kontoführungsentgelte, nach Umwandlung in ein P-Konto weiterhin gewährt werden. Denn diese Leistungen wurden unter anderen Voraussetzungen gewährt, die mit der Umwandlung entfallen sind. Insofern ist das Kreditinstitut berechtigt, solche Leistungen, die nun ein Kredit- 1036 risiko bergen oder eine nicht vertretbare Meistbegünstigung für den Kunden bedeuten würden, für die Zukunft zu entziehen. Besonders günstige Entgeltkonditionen, die Kreditinstitute für andere Kunden anbieten, auch für Inhaber von P-Konten anbieten zu müssen, kann nicht gewollt sein. Dann würden am Ende P-Konten sukzessive sogar günstiger werden als z. B. Basiskonten,
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) weil sich bei ihnen die jeweils günstigsten Teilbedingungen – und entgelte kumulieren würden. Das wäre nicht nur ein zu weitgehender Eingriff in die Gestaltungsmöglichkeiten der Kreditinstitute, sondern auch angesichts der umfassenden Leistungspflichten nach den §§ 850k, 899 ff. sowie den besonderen Informations- sowie Unterstützungspflichten, z. B. im Rahmen des § 908, unverhältnismäßig, wenn P-Konten zu den günstigen Preisen und Zusatzbedingungen angeboten werden müssten. Für Basiskonten, die auch als P-Konten geführt werden können, ergibt sich die nicht vorhandene Pflicht zur Meistbegünstigung aus der Gesetzesbegründung zu § 41 ZKG, vgl. BT-Drucks. 18/7204, S. 85. Nach § 41 Abs. 2 ZKG müssen Entgelte für die Erbringung von Diensten auf Grund des Basiskontovertrages nur angemessen sein.
1037 Es muss sich dafür aber der mit dem Kunden nach den (AGB-)vertraglichen Bedingungen vereinbarten Instrumente bedienen und kann sie nicht etwa einfach im Rahmen der Umwandlung entziehen. Solche gesondert zum Girovertrag abgeschlossene Zusatzleistungen oder Entgeltvereinbarungen können daher mit separatem Schreiben AGB-konform gekündigt werden, auch außerordentlich. Unzulässig sind aber Teilkündigungen einzelner Leistungselemente eines Girovertrages, die wie die Abbuchung von Lastschriften, die Ausführung von Daueraufträgen oder die Bearbeitung von in die Briefkästen des Kreditinstitutes eingeworfenen Überweisungen, da es sich dabei um nicht abtrennbare Geschäftsbeziehungen i. S. v. Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken/Nr. 26 Abs. 1 Satz 1 AGB-Sparkassen handelt; dies wäre ein unzulässiges, einseitig der Inhalt des Vertrages änderndes Verhalten, Bunte/Artz, in: Bankrechts-Hdb., § 3 Rn. 9 unter Bezug auf BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, NJW 2006, 430.
Der Kontoinhaber hat insofern keinen „ewigen“ Anspruch darauf, dass bereits vorher gewährte Leistungen (z. B. Dispositionskredit, Kreditkartennutzung) auch nach Umwandlung in ein P-Konto weiterhin gewährt werden; schon deshalb nicht, weil diese Zusatzleistungen die Gefahr bergen, das P-Konto in Soll zu führen, was aber nach § 850k Abs. 1 Satz 3 nicht mehr zulässig ist (P-Konto-Führung nur noch auf Guthabenbasis). Dies hat aber (auch) das Kreditinstitut zu gewährleisten, so dass ihm auch nicht verwehrt werden kann, die dafür erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Neben der Kündigung wäre es auch möglich, mittels separater Vereinbarung mit dem Kunden die Aufhebung zu regeln, allerdings wohl sicherheitshalber nicht „simultan“ mit dem Umwandlungsbegehren, sondern erst nachdem das Konto in ein P-Konto umgewandelt ist, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Aufhebung als Umgehung des § 850k Abs. 2 Satz 2 und damit auch der AGBVereinbarungen aufgefasst werden könnte.
1038 In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruches des Kunden auf Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto nicht von einer Kündigung oder dem Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung 272
12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
abhängig gemacht wird. Seinen gesetzlichen Anspruch auf Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto muss der Kunde unbedingt durchsetzen können. Daher wäre z. B. ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen befindlicher Passus, 1039 dass solche Zusatzleistungen nach Umwandlung des Zahlungskontos in ein Pfändungsschutzkonto automatisch entfallen, unzulässig. Dies würde den Kunden unangemessen benachteiligen. BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12.
Es bleibt einem Kreditinstitut daher unbenommen, auch nach Umwandlung 1040 des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto, Zusatzleistungen AGB-konform zu kündigen. Lediglich eine eigene AGB-Klausel, die den Verzicht auf solche Kündigungen und/oder der Kündigungsfrist bei der P-Kontoumwandlung regeln würde, wäre nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine unangemessene Benachteiligung. 12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto Nahezu alle Kreditinstitute verlangen eine „Zusatzerklärung Pfändungsschutz- 1041 konto“, zum bestehenden Girokontovertrag, um das Zahlungskonto in ein P-Konto umzuwandeln oder gleich ein neues P-Konto einzurichten. Damit wird zumeist das Verlangen des Kunden nach Umwandlung (oder Neu-Einrichtung) des P-Konto dokumentiert. Siehe Anhang 2 „Muster-Zusatzerklärung Pfändungsschutzkonto“; die Verlage der Bankenverbände bieten allesamt auch Vordruck-/ Formular-Muster an, Nr. 182 026.000 (Deutscher Sparkassenverlag), Nr. 340 340 (Deutscher Genossenschaftsverlag) und Nr. 40.217 (Bank-Verlag Medien GmbH). Ob man angesichts des Umstandes, dass der Pfändungsschutz nicht „vereinbart“ werden darf und muss, sondern mittels einseitigem Gestaltungsrecht des Kunden herbeigeführt werden kann („verlangen“), noch von einer Zusatz-„Vereinbarung“ sprechen sollte, kann in diesem Zusammenhang zumindest hinterfragt werden. Vgl. Rn. 1051.
Jedenfalls muss bei der Nutzung einer „Vereinbarung“ der Eindruck vermieden 1042 werden, die Durchsetzung des gesetzlichen Anspruches (Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto) sei – außer von der Versicherung, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält – von irgendeiner Bedingung oder der Annahme durch das Kreditinstitut abhängig. Die Zusatzerklärung sollte sich daher darauf beschränken, dass der Kunde 1043 lediglich versichert, dass er kein weiteres P-Konto – beim selben Kreditinstitut oder bei einem anderen – unterhält. Sprachlich unterhält der Kunde ein Konto, das Kreditinstitut führt es.
273
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1044 Diese Pflicht hat er nach § 850k Abs. 3 Satz 2, denn er darf gem. § 850k Abs. 3 Satz 1 immer nur ein P-Konto unterhalten. a) Versicherung, auch keinen weiteren Antrag auf Führung eines P-Kontos gestellt zu haben 1045 Schon die ggf. zusätzlich verlangte Versicherung, nicht nur kein weiteres P-Konto bereits aktiv zu unterhalten, sondern auch nicht parallel einen Antrag auf Eröffnungs- oder Umwandlung eines P-Kontos gestellt zu haben, könnte AGB-rechtlichen Bedenken begegnen. So spricht der Gesetzeswortlaut des § 850k Abs. 3 Satz 2 nur von der Versicherung, kein weiteres Pfändungsschutzkonto zu unterhalten.
1046 In der für den Kunden ungünstigsten Auslegung, könnte eine solche Versicherung die Umwandlung/Neu-Eröffnung eines P-Kontos unangemessen erschweren, weil der Kunde annehmen könnte, dass bereits ein (weiterer) Antrag auf Umwandlung oder Eröffnung verboten ist und er daher nicht mehrere Anträge stellt, um am Ende sicher zu sein, überhaupt ein und das möglichst für ihn kostengünstige P-Konto sichern zu können. Bei allen Anträgen könnte er von Anfang an vorgehabt haben, bis auf einen sie zurückzuziehen, denn der Gesetzgeber wollte letztendlich nur verhindern, dass der Schuldner nicht zwei funktionierende P-Konten unterhält. Allerdings hat er einen gesetzlichen Anspruch auf Umwandlung, so dass ein Kunde diese Unsicherheit oder Befürchtung eigentlich nicht zu haben braucht. Trotzdem sei angeraten, auch eine solch „harmlose“ Erweiterung der Zusatzerklärung zu unterlassen. Es ist auszuschließen, dass diese zusätzliche Versicherung einer derart engen AGB-rechtlichen Auslegung unterliegt und einer rechtlichen Prüfung nicht standhielte.
1047 Einen Hinweis zu machen in der Zusatzerklärung P-Konto, dass der Kontoinhaber nur ein Pfändungsschutzkonto unterhalten darf, wäre dagegen zulässig. 1048 Während der „Hinweis“ nicht zwingend wäre, ist die „Versicherung“, kein weiteres P-Konto zu unterhalten, nach § 850k Abs. 3 Satz 2 gesetzlich vorgeschrieben. 1049 Ein Kreditinstitut, das diese Versicherung nicht wenigstens durch eine Auskunftei-Abfrage überprüft, kann sich dem Gläubiger gegenüber nicht schadensersatzpflichtig machen. Das Kreditinstitut darf sich auf die Versicherung verlassen und muss sie grundsätzlich nicht weiter überprüfen. Dies schon deshalb nicht, weil es keine Auskunftei gibt, die exklusiv für Auskünfte und Meldungen zu P-Konten zuständig ist und damit selbst eine Abfrage bei nur einer Auskunftei, z. B. der SCHUFA, die den größten Verbreitungsgrad hat, kaum die Gewähr böte, eine verlässliche diesbezügliche Auskunft zu erhalten, vgl. Rn. 2211 f.
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12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
Das gilt auch dann, wenn das Konto bereits gepfändet ist.
1050
Grds. auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), 1.10.4, der aber empfiehlt, um den Pfändungsgläubiger vor Schaden zu bewahren, in diesen Fällen vor einer Umwandlung stets eine Abfrage bei einer Auskunftei durchführen.
Unschädlich dürfte es sein, in der Zusatzerklärung P-Konto weiterhin in der 1051 Überschrift umgangssprachlich von Antragstellung = Verlangen des Schuldners – zu sprechen; dass das Wort „Antrag“ in diesem Zusammenhang den Zugang zum P-Konto erschweren könnte, weil der Kunde die Vorstellung entwickelt, sein Antrag müsse erst noch vom Kreditinstitut angenommen werden, scheint vernachlässigbar, denn „verlangen“ muss er die Umwandlung auf jeden Fall. Will man trotzdem ganz sicher gehen, dann sollte man als Überschrift wählen „Verlangen nach Umwandlung (oder Errichtung) eines P-Kontos“ oder schlicht „Erklärung“; das entspräche dann insoweit dem Gesetzeswortlaut. Der Deutsche Genossenschaftsverlag hat seinen Vordruck- Nr. 340 340 umgestellt: Dort wurde vormals der P-Konto-Status „vereinbart“. Seit 1.12. heißt es dort: „Die Bank führt für den Kontoinhaber das vorstehend genannte Konto als Pfändungsschutzkonto (§ 850k). Der Kontoinhaber versichert hiermit gegenüber der Bank, dass er ein weiteres Pfändungsschutzkonto nicht führt.“ Unterschrieben wird es nur vom Kunden. Die Überschrift des Vordrucks lautet allerdings weiterhin: „Vereinbarung über die Führung eines Zahlungskontos als Pfändungsschutzkonto gem. § 850k ZPO“. Das scheint vor dem Hintergrund erfolgt zu sein, dass der Kunde die Umwandlung immer noch verlangen muss. Dieses Verlangen löst dann die Prüfung aus, soweit sie durchgeführt wird, ob die Versicherung, kein weiteres Pfändungsschutzkonto zu führen, richtig ist. Ist sie das, wird das Kreditinstitut das einseitige Gestaltungsrecht des Kunden durch auf Umwandlung des Zahlungskontos in ein P-Konto (unbedingt) umsetzen.
Auf die Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto müssen sich der Kunde 1052 und das Kreditinstitut aber nicht einigen; einer Zustimmung des Kreditinstitutes bedarf es nicht, da der Kunde einen gesetzlichen Anspruch darauf hat, dass das Kreditinstitut seinem Verlangen nachkommt. Das Verlangen alleine reicht zur Wirksamkeit des Begehrens auf Umwandlung aus und löst mit Eingang beim Kreditinstitut auch den Beginn der Vier-Tages-Frist aus. Vergleichbar dem Anspruch des Kunden auf Eröffnung eines Basiskontos nach § 33 ZKG, ist der Antrag auf Umwandlung lediglich als „Vorstufe“ im Prozess der Neugestaltung des Girovertrages (nun mit der Zusatzfunktion Pfändungsschutz) der Parteien zu sehen. Er dient lediglich dazu, den Umwandlungsanspruch des Antragenden zu beurteilen und dessen Anspruchsberechtigung aus § 850k Abs. 1 Satz 1 (Anspruch auf Umwandlung des Girokontos in ein P-Konto) prüfen zu können, vgl. RegE, BT-Drucks. 18/7204, S. 77 zum Basiskontoanspruch im ZKG; ebenso Bülow/Artz-Bülow, ZKG, § 33 Rn. 1.
275
VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1053 Für die Rückumwandlung nach § 850k Abs. 5 durch den Kunden würde hinsichtlich eines Vordruckes Entsprechendes gelten. Während der Genossenschaftsverlag dazu keinen Vordruck vorsehen wird, wird es im Dt. Sparkassenverlag einen Vordruck für die Rückumwandlung auf Verlangen des Kunden geben („Aufhebung der Zusatzvereinbarung über die Führung des Kontos als Pfändungsschutzkonto gem. § 850k ZPO“, Vordruck-Nr. 182 126.000).
b) Antragsdatum in der Zukunft 1054 Unbedenklich wäre es auch, in der Zusatzerklärung P-Konto vorzusehen, dass der Kunde entscheiden kann, ab wann er beantragt, dass das Konto als Pfändungsschutzkonto geführt werden soll. Grundsätzlich besteht hierfür aber keine praktische Relevanz. Stichtagsbezogene Bearbeitungsengpässe bei Kreditinstituten, die zu einer verzögerten Umwandlung führen, dürfte es in der Praxis kaum geben. Auch die mögliche Motivation für den Girokontoinhaber, ggf. möglichst lange höhere Kontoführungsentgelte zu vermeiden, ist durch die Regelung des § 850k Abs. 2 Satz 2, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut mit der Umwandlung unberührt bleibt, entfallen. Der BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZVI 2013, 14 (m. Anm. Sudergat) hatte bereits vorher entschieden, dass für P-Konten keine höheren Kontoführungsentgelte als für herkömmliche erhoben werden dürfen. Zur Ausnahme eines bisher entgeltfreien Zahlungskontos, siehe Rn. 2894.
1055 Das Ansinnen eines Kontoinhabers, bereits heute den Umwandlungsantrag zu stellen, aber zu bestimmen, dass das Konto erst ab einem festzulegenden Datum in ein P-Konto umgewandelt wird, sollte ein Kreditinstitut daher grundsätzlich nicht anbieten. Es führt lediglich zu ggf. Mehraufwand und Haftungsrisiken, jedenfalls dann, wenn die Aktivierung des P-Kontos manuell veranlasst und überwacht werden muss und nicht automatisiert erfolgen kann. Der Sparkassenverlag bietet diese vormalige Option in der neusten Auflage daher auch nicht mehr an. Einige Institute, z. B. die Postbank, sehen diese Option allerdings in ihren Zusatzvereinbarungen vor.
1056 Umgekehrt wäre eine Klausel, die etwa ein in der Zukunft liegendes Umwandlungsdatum seitens des Kreditinstitutes vorgibt, immer dann AGB-rechtlich nicht haltbar, wenn es von der gesetzlichen Vorgabe abweicht. Was der Fall wäre, wenn die Vier-Tages-Frist des § 850k Abs. 2 Satz 1 ZPO bei bereits vorliegender Pfändung des Kontos überschritten würde.
c) Hinweis auf Streitbeilegung 1057 Unproblematisch, aber nicht notwendig wäre ein Hinweis in der Zusatzvereinbarung P-Konto zur Streitbeilegung, also der Hinweis, ob das Kreditinstitut
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12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
am Streitbeilegungsverfahren (seiner Institutsgruppe) teilnimmt. Ebenso zulässig wäre ein Verweis (Link) auf die Verfahrensordnung. d) Besondere Vereinbarungen Auf weitere in der Zusatzerklärung P-Konto zu regelnde Punkte sollten Kredit- 1058 institute verzichten, da sie im Zweifel einer AGB-Kontrolle nicht standhalten würden. Selbst wenn in der Zusatzvereinbarung P-Konto ein Feld „Besondere Verein- 1059 barungen“ existieren sollte, in die die einzelnen Vereinbarungen separat eingetragen werden könnten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass auch die dort getroffenen Vereinbarungen unter die §§ 305 ff. BGB fallen, wenn sie vorformuliert und mehrfach gleich verwendet werden („Textbausteine“ oder vom Kreditinstitut vorgegebene Formulierungen). Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 1, Rn. 36; vgl. auch Rn. 2837.
„Individuell“ wäre nur eine mit dem Kunden tatsächlich gesondert vereinbarte, 1060 von den sonstigen vorformulierten Passagen abweichende oder nur einmalig verwendete Bedingung. Die Hürde einer individuellen Vereinbarung ist aber so hoch, dass es selten gelingen dürfte, individuell vereinbarte Klauseln den §§ 305 ff. BGB zur entziehen, vgl. Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 1, Rn. 3. Der individuelle Charakter wäre schon dann in Frage gestellt werden, wenn das Kreditinstitut in einer Vielzahl von Vereinbarungen stets das gleiche Entgelt mit den gleichen Formulierungen verwenden würde, OLG Hamm, Urt. v. 17.12.1998 – 5 U 123/98, WM 1999, 2065. Zudem ginge das mit dem Verlust des Rationalisierungseffektes und der notwendigen Standardisierung im Mengengeschäft einher, so dass ein individuelles Aushandeln regelmäßig ausscheiden wird, so Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 1, zu Recht.
Auch eine individuelle Klausel dürfte aber dem Kunden die Umwandlung seines 1061 Zahlungskontos in ein P-Konto weder erschweren noch Vereinbarungen enthalten, die ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar wären. Vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, ZVI 2015, 132.
Nachfolgende Vereinbarungen/Hinweise dürfen diesen Maßstäben nicht ge- 1062 nügen und sollten daher nicht in die Zusatzerklärung aufgenommen werden. aa) Hinweis „Kündigung bei mehrfacher P-Kontounterhaltung“ Jegliche Hinweise (ganz abgesehen von einer Vereinbarung), die die Kündi- 1063 gungsmöglichkeiten des Kreditinstitutes bzgl. der Zusatzerklärung P-Konto, bestimmter Zusatzleistungen oder gar des P-Konto-Girovertrages selbst, er-
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
leichtern, sind unzulässig. Das gilt umso mehr als der Gesetzgeber nun ausdrücklich geregelt hat, dass durch die „Zusatzerklärung P-Konto“ das Vertragsverhältnis ansonsten unberührt bleibt, § 850k Abs. 2 Satz 2. 1064 Für die Kündigung des Vertragsverhältnisses oder von Zusatzleistungen ist das Kreditinstitut daher auf die schon vorher mit dem Kunden vereinbarten einzelvertragliche oder AGB-Regelungen beschränkt. Zu den Kündigungsmöglichkeiten siehe Rn. 1083.
1065 Selbst diese sind nochmals beschränkt worden durch § 850k Abs. 4. 1066 Für die mehrfache P-Kontounterhaltung, jedenfalls dann, wenn das P-Konto mit einer Kontopfändung belegt ist, ist eine fristlose Kündigung des P-Kontos durch das Kreditinstitut ausgeschlossen, denn offensichtlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass in diesem Falle nur das Verfahren nach § 850k Abs. 4 zulässig ist. Die Kündigung der Geschäftsverbindung ansonsten, dürfte aber möglich sein, vgl. Rn. 911 ff.
1067 Danach wäre – auf Antrag des Gläubigers – ausschließlich das Vollstreckungsgericht zuständig zunächst zu entscheiden, welches Girokonto als P-Konto verbleibt. Tritt die mehrfache P-Konto-Unterhaltung erst im Insolvenzverfahren zutage, dürfte nach § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO statt des Vollstreckungsgerichtes dafür das Insolvenzgericht zuständig sein; dafür spricht der weit gefasste Wortlaut der Norm, so auch Breuer/ Flöther, in: MünchKomm-InsO, § 89 Rn. 62, da es hier letztlich um die Frage geht, welches Vermögen der Masse zufällt und welches Kontoguthaben nicht, was also ggf. der Masse entzogen wird, obwohl es ihr zustünde. Zudem würde es die Möglichkeit eröffnen, über die Aussetzung der Verstrickung ggf. gleich mitzuentscheiden.
Das setzt aber voraus, dass das Gericht eine Wahl bei der Festsetzung hat, also nicht eines der kontoführenden Kreditinstitute durch eine außerordentliche Kündigung bereits eines – oder sogar beide – der Konten aufgelöst hat. In der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31 hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass keine Situation eintreten sollte, in der eine Bürgerin oder ein Bürger gar kein P-Konto mehr hat. Würde man es daher dem Kreditinstitut bei der mehrfachen P-Kontounterhaltung, die ohne Zweifel AGBrechtlich eigentlich einen außerordentlichen Kündigungsgrund der gesamten Geschäftsverbindung darstellen würde, überlassen zu kündigen, könnte genau diese Situation eintreten. Zudem würde man das „Wahlrecht“ des Gläubigers beeinträchtigen, der exklusiv aussuchen dürfen soll, welches Konto, wenn es die Kontoschutzfunktion verliert, ihm mehr Vollstreckungsaussichten bietet. Aus diesem Grund ist es – jedenfalls in dieser Phase und bis zur Entscheidung des Gerichtes – auch dem Schuldner nicht erlaubt, sein Konto aufzulösen.
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12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
Beispiel: Schuldner S unterhält zwei P-Konten. Als Kreditinstitut K, bei dem das Konto gepfändet ist, davon erfährt, kündigt es zwar nicht außerordentlich, verweigert S aber jegliche Verfügung über seine auf dem Konto eingehenden Sozialleistungen. S wehrt mit dem Hinweis, dass eine Entscheidung darüber nur dem Vollstreckungsgericht im Rahmen des § 850k Abs. 4 zusteht. Zu Recht? Nein. Zwar kann K nicht kündigen, aber es muss sicherlich nicht das rechtwidrige, vermutlich sogar strafbare Verhalten von S dadurch unterstützen, dass es ihn weiter über die Guthaben verfügen lässt, zumal sie mutmaßlich der Pfändung unterliegen. Dadurch wird auch der Druck auf S auch größer, sich dem Gläubiger gegenüber zu offenbaren und eine Entscheidung nach § 850k Abs. 4 herbeizuführen. Ansonsten könnte es sein, dass der oder die Pfändungsgläubiger, z. B. wenn diese bei nicht alle bei beiden Kreditinstituten gepfändet hätten, dies erst sehr viel später oder im schlechtesten Fall gar nicht erführen. S kann die Situation auch nicht dadurch auflösen, dass er einfach ein P-Konto schließt. Selbst wenn eines der Kreditinstitute nichts von der mehrfachen P-Kontoführung wüsste und daher die Auflösung des P-Konto zuließe und S dann nur noch ein P-Konto unterhielte, wäre K (weiterhin) berechtigt, sämtliche Verfügungen über Guthaben zu unterbinden. Aus Sicht des Autors wäre das vergleichbar mit einer Situation, bei der das Kreditinstitut positiv wüsste, dass die in einer Bescheinigung ausgewiesenen Tatbestände, die die Erhöhungsbeträge auslösen, nicht mehr zuträfen. Auch dann dürfte das drittschuldnerische Kreditinstitut diese Erhöhungsbeträge nicht weiter gewähren. Es ginge sogar soweit, dass K den Gläubigern, die bei ihr gepfändet haben, aktiv mitteilen dürfte, dass S mehrere P-Konten unterhält bzw. unterhalten hat.
Erst nach Abschluss des Verfahrens nach § 850k Abs. 4, falls das Konto bei K als P-Konto bestimmt würde, wären dann wieder Verfügungen möglich. Im Übrigen müsste K selbst dann, wenn sich S mit all seinen Pfändungsgläubigern außergerichtlich einigen und das Konto des S bei K als P-Konto bestimmen würde, dies nicht akzeptieren, da Dritte nicht zu Lasten von K darüber bestimmen können, ob es ein Konto (für S) als P-Konto führt oder nicht. Einer solchen außergerichtlichen Einigung müssten daher alle Beteiligte zustimmen und K könnte diese Vereinbarung ohne Angabe von Gründen verweigern, da nun mal nur das Verfahren nach § 850k Abs. 4, also eine ausschließlich gerichtliche Entscheidung dafür vorgesehen ist. Ausgeschlossen dürfte auch sein, dass das Kreditinstitut die doppelte P-Konto- 1068 führung zum Anlass nimmt, unmittelbar nach Vollzug der Anordnung des Vollstreckungsgerichts dann das Konto zu kündigen. Die „Sanktion“ für dieses Verhalten des Kunden ist gesetzlich im § 850k Abs. 4 geregelt und mit der Anordnung des Gerichts ist auch dieses Fehlverhalten des Kunden als außerordentlichen Kündigungsgrund „verbraucht“.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1069 Das gilt erst recht, wenn das Konto als bestehenbleibendes P-Konto erwählt wird, weil es dann gerichtlich angeordnet ist, aber auch wenn das nicht der Fall ist, denn es würde dem Gläubiger, der ja bewusst dieses Konto als NichtP-Konto bestimmt hat, weil er sich davon am wahrscheinlichsten verspricht, (höhere) Auskehrungen aus seiner Pfändung für sich zu erhalten, diese Chance nehmen. Diese Möglichkeit darf ihm das Kreditinstitut zunächst nicht entziehen. Offen ist allerdings, wie lange die gerichtliche Entscheidung den Schuldner bindet. Ob er Schuldner beispielsweise ab dem nächsten Monat sein vom Gericht als P-Konto bestimmtes Zahlungskonto wieder gem. § 850k Abs. 5 als Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz und das andere Zahlungskonto wieder als P-Konto unterhalten darf, ist nirgends geregelt. Im Zweifel wird es aber wohl zulässig sein, denn dass Gläubigern, zumal dann, wenn sie nicht alle Konten bei allen Kreditinstituten gepfändet haben, dann wieder Gelder durch den P-Konto-Pfändungsschutz entzogen werden, ist ein Beitreibungsrisiko, dem sie auch sonst ausgesetzt sind. Das ist auch nach folgender Kontrollüberlegung richtig: Der Schuldner könnte zumindest im darauffolgenden Monat, nach der § 850k Abs. 4-Entscheidung, auch alle seine Konten kündigen oder auflösen und bei einem ganz anderen Kreditinstitut ein neues Girokonto eröffnen. Im Zweifel wird der Kunde ohnehin alsbald das Nicht-P-Konto selbst auflösen wollen, denn der rechtswidrige Vorteil, doppelte Freibeträge zu haben, ist ja entfallen und nun fallen nur noch (doppelte) Kontoführungsentgelte an. Ausscheiden dürfte aber, dass der Schuldner, dem durch die gerichtliche Festlegung, welches Zahlungskonto P-Konto ist und welches nicht, das Existenzminimum ggf. für einen Monat bzw. bis zur Wiederumstellung der Konten, Schutz nach § 765a gewährt werden kann. Den Entzug des Existenzminimums für diesen Zeitraum muss er hinnehmen. Sie ist Kompensation für die vorher zu Unrecht zu viel erhaltenen Beträge und hat außerdem damit generalpräventiven Charakter.
1070 „Zunächst“ bedeutet, solange das Kreditinstitut nicht einen neuen bzw. anderen Grund hat, das Konto zu kündigen. Der Kündigungsausschluss gilt also selbstverständlich nicht für die Ewigkeit und auch nicht, wenn es andere oder neue außerordentliche Anlässe geben sollte. Ab wann man ohne neue Anlässe ordentlich kündigen kann, ebenfalls ist nirgends geregelt. Der Autor würde einen Zeitraum von mindestens einem Monat für ausreichend halten. Zusammen mit der AGB-rechtlichen Kündigungsfrist von 2 Monaten bestünde dann ein ausreichend langer Zeitraum. Dass dann aber die (Abwägungs- und Unzumutbarkeits-)Voraussetzungen und für eine ordentliche Kündigung vorliegen müssen, versteht sich von selbst.
1071 Die außerordentliche Kündigung bleibt allerdings bei jedem neuen geeigneten Anlass zulässig; bei Basiskonto (zusätzlich) nur nach den Maßgaben des § 42 ZKG. 280
12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
bb) Vereinbarung über die „Kündigung der Pfändungsschutzfunktion durch den Kontoinhaber (Rückumwandlungsanspruch)“ Entfallen kann wegen der nunmehr in § 850k Abs. 5, vgl. Rn. 1125, ausdrück- 1072 lich gesetzlich geregelten Aufhebung der Pfändungsschutzfunktion eine Kündigungsregelung bzw. ein Rückumwandlungsrecht für den Kontoinhaber. Zur Kündigungsmöglichkeit des Kreditinstitutes siehe Rn. 908.
Im Hinblick auf die gesetzliche Reglung, kann auch nur davon abgeraten 1073 werden, ein Rückumwandlungsrecht zusätzlich oder ergänzend in der Zusatzerklärung P-Konto zu regeln. Es besteht die Gefahr, damit vom gesetzlichen Leitbild abzuweichen oder eine Regelung zu treffen, die der gesetzlichen widerspricht oder zur Unklarheit führt, welche anzuwenden ist. Ein reiner Hinweis auf § 850k Abs. 5 wäre zwar möglich, andererseits aber auch überflüssig. AGB-rechtliche Einschränkungen des Rückumwandlungsrechts bzw. der Kün- 1074 digung der Pfändungsschutzfunktion, etwa die nur einmalige Zulässigkeit o. ä., müssen unterbleiben, da sie die gesetzliche Regelung einschränken würden und damit nicht zulässig wären. cc) Vereinbarung über den Entzug der Nutzung von Kreditkarte, Dispositionskredit, geduldeter Überziehungsmöglichkeit, Scheckausstellung, Dauerauftragsausführung und Lastschrift-Kontingent Bestimmte Zusatzleistungen zum Girokonto stellt ein Kreditinstitut nur bo- 1075 nitätsmäßig einwandfreien Kunden zu Verfügung, da sie mit (Kredit-)Risiken für das Kreditinstitut verbunden sind. 1076
Hierzu gehören u. a.: x
der Dispositionskredit, also die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i S. d. § 504 BGB;
x
eine geduldete Überziehung i. S. d. § 505 BGB, wobei hier nicht wirklich von einer Leistung zu sprechen ist, weil der Kunde – im Gegensatz zur eingeräumte Überziehungsmöglichkeit – darauf keinen Anspruch hat
x
die Ausgabe und Nutzung einer oder mehrerer Kreditkarten oder Sparkassen-Card PLUS- (siehe dazu Rn. 1229);
x
Ausgabe von Scheckformularen;
x
Lastschrift-Kontingente, also eine Art Kreditlimit für die Lastschrift-Einzüge zu Gunsten des Kontos, über deren Gegenwert der Kontoinhaber trotz des Risikos, dass diese Lastschriften nicht eingelöst und seinem Konto wieder belastet werden, schon vorab verfügen kann. Davon zu unterscheiden sind Leistungen, die regelmäßig nicht gesondert zum Girovertrag abgeschlossene Zusatzleistungen darstellen, sondern Leistungselemente eines Girovertrages, die untrennbare Geschäftsbeziehungen i. S. v. Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) Banken/Nr. 26 Abs. 1 Satz 1 AGB-Sparkassen sind und damit ohnehin nicht einseitig verändert werden können, wie etwa Daueraufträge auszuführen und in Bankbriefkästen eingeworfene Überweisungen zu bearbeiten, so Bunte/Artz in: Bankrechts-Hdb., § 3 Rn. 9 unter Bezug auf BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, NJW 2006, 430.
1077 Wandelt nun ein Kontoinhaber sein Zahlungskonto in ein P-Konto um, zumal dann, wenn bereits eine Kontopfändung vorliegt, sind Zweifel an dessen Krediteignung angebracht. Das Kreditinstitut wird daher sicherheitshalber versuchen, diese Zusatzleistungen für die Zukunft nicht mehr zur Verfügung stellen zu müssen. 1078 Das Abhängigmachen der Umwandlung von der „einvernehmlichen“ Aufgabe von Zusatzleistungen ist aber nicht zulässig. BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, ZIP 2013, 1809; zuvor schon OLG Schleswig, Urt. v. 26.6.2012 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901; siehe dazu auch Ahrens, VIA 2012, 84, und ebenso wohl OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.6.2012 – 19 U 13/12, WM 2012, 1911.
1079 Eine Beendigung der Nutzung der Zusatzleistungen kann daher nicht anlässlich der Umwandlung „vereinbart“ werden, sondern muss auf dem bereits dafür vorgesehenen und vereinbarten Weg erfolgen. Das ist grds. (nur) die Kündigung (oder die sofortige Sperrung der Kreditkarte) nach den AGB des Kreditinstituts. Zu den Anforderungen einer Aufhebung, vgl. Rn. 1037. Bei der Kreditkarte gibt es regelmäßig drei Möglichkeiten, das Risiko weiterer Verfügungen zu unterbinden: Die Reduzierung des Kartenlimits (bis auf null), die aber mit dem Kunden vereinbart werden müsste, mit entsprechenden Vorlauffristen (1), die Sperre der Karte (2) und die Kündigung des Kartenvertrages (3), außerordentlich oder ordentlich. Eine Sperre setzt regelmäßig voraus, dass ein berechtigter Grund vorliegt, der natürlich bei einer Kontopfändung gegeben ist; dann besteht ein einseitiges Recht des Kreditinstitutes zur Sperre der Karte. Der Kunde muss über die Sperre und über den Sperrgrund aber informiert werden. Nicht ganz klar ist, ob es AGB-rechtlich zulässig ist, bei Verschlechterung der Vermögensverhältnisse die Sperre – statt der Kündigung des Kartenvertrages – dauerhaft einzusetzen. Die Sperre ist vom Gesetzgeber eigentlich nur als ein erstes schnelles Sicherungsmittel gedacht, bis die Kündigung wirksam erfolgt ist. Viele drittschuldnerische Kreditinstitute greifen aber – im Interesse des Kunden – zumeist zur Sperrung, weil die Kündigung des Kreditkartenvertrages ihn endgültig beendet und kein flexibles Wiederaufleben ermöglicht, wenn sich die Vermögensverhältnisse gebessert oder sich nie wirklich verschlechtert haben, z. B. wenn die Kontopfändung sich innerhalb weniger Tage durch Bezahlung etc. erledigt. In diesem Fall wären ansonsten ein aufwändiger Neuabschluss und Ausgabe einer neuen Kreditkarte erforderlich. Über die Kündigung muss der Kunde informiert werden.
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12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
Durch die gesetzliche Regelung, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem 1080 Kontoinhaber und dem Kreditinstitut nach der Umwandlung des Girokontos in ein P-Konto gem. § 850k Abs. 2 Satz 2 „im Übrigen unberührt“ bleibt, begegnen weitere Vereinbarungen – oder auch nur Hinweise – in der Zusatzvereinbarung P-Konto regelmäßig AGB-rechtlichen Bedenken. In der Konsequenz bedeutet das, dass die Umwandlung an den sonstigen Bedingungen nichts ändert, nichts ändern darf und entsprechend dem ursprünglichen Zahlungsdiensterahmenvertrag zunächst fortgelten. So schon BGH, Urt. v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, ZIP 2015, 624 noch zur alten Rechtslage, das verschiedene Zusatzvereinbarungen, als AGB-rechtlich intransparent und den Kontoinhaber benachteiligend hielt. Zur Thematik „Entgelte“ siehe Rn. 2824 (allgemein) und Rn. 2857 ff. (speziell Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto),
Den Entzug von Zusatzleistungen mittels Vereinbarungen anlässlich lediglich 1081 der Umwandlung in ein P-Konto sind daher AGB-rechtlich nicht (mehr) möglich. Der Entzug der Zusatzleistungen darf daher – wegen des unbedingten Umwandlungsanspruches – keine Bedingung seitens des Kreditinstitutes für die Annahme des Antrages auf Umwandlung sein; so schon BGH, Urt. v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, dort Ziffer [36] (1), ZIP 2015, 624 noch zur alten Rechtslage. In der Muster-Erklärung (Anhang 2), ist der Entzug solcher Vereinbarungen daher nicht mehr enthalten; eine Klausel, die ohne weitere Erläuterung anlässlich der Umwandlung den Dispositionskredit entzieht, war schon vor der gesetzlichen Regelung nach Ansicht des OLG Schleswig, Urt. v. 26.6.2012 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901, auch zugleich intransparent i. S. d. § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB, weil der Kunde im Zweifel nicht wüsste, ob er „nach der Umwandlung sofort den Kredit zurück zahlen muss (verbraucherfeindlichste Auslegung), ob er eine Kündigungserklärung der Bank abwarten darf oder ob er lediglich die erhöhten Zinsen für die bloß geduldete Überziehung zahlen muss“.
Selbst beim opt-in-Verfahren, bei dem der Kontoinhaber aktiv ankreuzen 1082 müsste, dass er den Entzug von Zusatzleistungen „wünscht“, bestehen AGBrechtliche Bedenken, da der BGH nur die AGB-rechtlich bereits – vorher – vereinbarte Möglichkeit, sich seitens des Kreditinstitutes von der Nutzung der Zusatzleistungen zu lösen, als unbedenklich einstuft: Die AGB-rechtliche Kündigung. Ansonsten würde das eine unangemessene Benachteiligung des Kontoinhabers/Antragstellers dadurch darstellen, dass das Kreditinstitut das Verlangen des Kontoinhabers nach § 850k Abs. 1 Satz 1 zum Anlass nehmen würde, sich selbst eine Befreiung vom (kredit-) vertraglichen Kündigungserfordernis zu verschaffen; ebenso schon OLG Schleswig, Urt. v. 26.6.2021 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901; Nobbe, WuB IV C, § 307 BGB 2.13. Ein Kreditinstitut würde damit einseitig zu ihren Gunsten in das Äquivalenz-
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) verhältnis der wechselseitigen (kredit-)vertraglichen Rechte und Pflichten von Kreditinstitut und Kunde eingreifen, ohne dass dieser Eingriff in den gesetzlichen Vorschriften über das Pfändungsschutzkonto eine Grundlage fände.
1083 Ob mit Kreditrisiken für die Kreditinstitute verbundenen Zusatzleistungen wie die Nutzung von Kreditkarte, Dispositionskredit, geduldeter Überziehungsmöglichkeit (die im engeren Sinne keine Leistung ist), Scheckausstellung (und Belassung) und Lastschrift-Kontingent anlässlich nur der Umwandlung in ein P-Konto gekündigt werden können, ist bislang zwar höchstrichterlich nicht entschieden, dürfte aber unproblematisch möglich sein. Offengelassen sowohl in BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, NJW 2013, 995 Rn. 56 als auch in BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12; dafür sprechen sich insbes. Nobbe, WuB IV C, § 307 BGB 2.13 aus und Herresthal, WM 2013, 773, 779; a. A. Ahrens, NJW 2010, 2001, 2003; ders., NJW 2013, 975, 977, der der Ansicht ist, ein Kreditinstitut benötige einen anderen Kündigungsgrund als die Umwandlung, weil das Recht des Kunden auf Umwandlung sonst unterlaufen werde. Dies verkennt, dass Zahlungsdiensterahmenverträge nach § 675h Abs. 2 BGB sogar ohne Angabe eines Kündigungsgrundes ordentlich gekündigt werden können. Auch der Gesetzgeber selbst geht weiter davon aus, dass das P-Konto gekündigt werden kann: „Für die Kündigung von als P-Konten geführten Zahlungskonten sind Regelungen nicht erforderlich, weil der Kontoinhaber bei Kündigung seines Kontos einen Anspruch auf Eröffnung eines neuen Basiskontos nach dem ZKG hat.“, vgl. Gesetzesbegründung zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 19.
1084 Recht zu geben ist dem OLG Schleswig allerdings darin, dass die Umwandlung an sich, die grundsätzlich auch präventiv erfolgen könnte (vgl. dazu Rn. 2929), nicht in jedem Fall eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse indizieren muss. Außer Frage steht aber, dass spätestens mit Eingang einer Kontopfändung, die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse feststeht und das Kreditinstitut dann zur Kündigung der mit Kreditrisiken verbundenen Zusatzleistungen berechtigt wäre. Das bestreitet auch das OLG Schleswig nicht und selbst Ahrens, VIA 2012, 84, konzediert, dass die Weiterzurverfügungstellung etwa eines Dispositionskredites im Anschluss an eine Kontoumwandlung für das Kreditinstitut unzumutbar ist, da in diesem Fall die entstehende Risikosituation des Kreditinstitutes (dann) in der Abwägung jedenfalls höher zu bewerten sei. Aber auch in diesem Falle bedarf es einer Kündigungserklärung; auch der (automatische) Entfall des Dispositionskredites im Rahmen des Umwandlungsbegehrens, sei intransparent, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, und benachteiligt den Kontoinhaber unangemessen. Zu den Zusatzvereinbarungen insgesamt: siehe Rn. 1041 f.
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12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto Auch eine Umwandlung im Hinblick auf die Herbeiführung „nur“ eines Verrechnungsverbotes gem. § 901, dürfte selbst ohne Kontopfändung ein Indiz für die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse sein, weil der Kontoinhaber damit grds. zum Ausdruck bringen wird, dass er mit seinen künftigen eingehenden Zahlungseingängen, Sollstände nicht mehr oder nur noch im Rahmen seiner seinen Freibetrag überschießenden Guthaben zurückführen kann.
Für die Zusatzleistung „Dauerauftrags-Einrichtung und -ausführung“ gilt das 1085 schon deshalb nicht, weil diese Leistungen, regelmäßig nicht gesondert zum Girovertrag abgeschlossene Zusatzleistungen sind, sondern Leistungselemente eines Girovertrages, die nicht abtrennbare Geschäftsbeziehungen i. S. v. Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken/Nr. 26 Abs. 1 Satz 1 AGB-Sparkassen sind und damit ohnehin nicht einseitig verändert werden können. Bunte/Artz, in: Bankrechts-Hdb., § 3 Rn. 9 unter Bezug auf BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, NJW 2006, 430.
Sie bergen regelmäßig auch kein Kreditrisiko, weil die IT fast aller Kreditinstitute vor einem auszuführenden Dauerauftrag (oder Einlösung eines ausgestellten Schecks) verlässlich abgleichen kann, ob ausreichendes und im Rahmen der Freibeträge des P-Kontos verfügbares Guthaben auf dem Konto vorhanden ist. Zudem ist die Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft) gem. § 38 Abs. 2b ZKG eine gesetzlich vorgeschriebene grundlegende Funktion beim Basis(-P-)Konto. Auch wenn das nach dem ZKG nur für Basis-P-Konten unmittelbar gilt, wird man das auf herkömmliche P-Konten übertragen können, weil die Weiterzurverfügungstellung der Zusatzleistung „Dauerauftrags-Einrichtung und -ausführung“ das Kreditinstitut nicht unzumutbar belastet.
Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (z. B. Girovertrag 1086 oder Kartenvertrag) durch eine Sparkasse beträgt die Kündigungsfrist nach Nr. 26 Abs. 1 Satz 3 AGB-Sparkassen mindestens zwei Monate, ebenso für Verbraucherdarlehensverträge (§ 499 Abs. 1 BGB; Nr. 19 Abs. 2 Satz 3 AGBBanken; Nr. 26 Abs. 3 AGB-Sparkassen) einzuhalten. Für die Kündigung eines Basiskontenvertrages (oder seiner Zusatzleistungen) sind die Kündigungsregelungen des § 42 ZKG einzuhalten.
Erst recht möglich ist eine ordentliche Kündigung, wenn Anlass der Um- 1087 wandlung eine bevorstehende oder bereits zugestellte Kontopfändung ist. So auch Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 12.13, für den unbefristeten Dispositionskredite und geduldete Überziehungskredite.
An der Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung ändert im Übrigen der Um- 1088 stand nichts, dass das Kreditinstitut nun gem. § 850k Abs. 1 Satz 3 gesetzlich angehalten ist, das Pfändungsschutzkonto nur noch auf Guthabenbasis zu führen; im Gegenteil ist damit manifestiert, dass es dafür Sorge zu tragen hat, dass das umgewandelte P-Konto stets auf Guthabenbasis zu führen ist, mithin
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
debitorische Salden durch Zurverfügungstellung von Zusatzleistungen, die diese Gefahr bergen, für die Zukunft vermieden werden müssen. Daraus eine gesetzliche Beendigung dieser Zusatzleistungen – ohne Kündigung – herauszulesen, wäre aber eine zu weitgehende Auslegung der Norm. Denn nicht in jedem Fall indiziert die Umwandlung in ein P-Konto eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse und macht die Belassung von kreditrisikobelastenden Zusatzleistungen für das Kreditinstitut in jedem Fall unzumutbar.
1089 Das Kreditinstitut hat in aller Regel bereits schon deshalb selbst ein anerkennenswertes Interesse daran, ein Pfändungsschutzkonto nur auf Guthabenbasis zu führen, weil regelmäßig der Pfändungsgläubiger den Anspruch auf Gewährung eines Dispositionskredites mitpfändet, dessen Erfüllung dem Interesse des Kreditinstitutes widersprechen würde. ebenso Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 12.13.
1090 Einer Kündigung durch das Kreditinstitut bedarf im Übrigen auch die Beendigung der Kreditgewährung in Form einer bloß geduldeten Kontoüberziehung i. S. d. § 505 BGB. BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, NZI 2013, 973.
1091 Völlig unproblematisch ist es, bei einem neu einzurichtenden P-Konto solche Zusatzleistungen von vorne herein zu verweigern. So auch BGH, Urt. v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, dort Ziff. [36] (1), ZIP 2015, 624; ebenso BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, NZI 2013, 973. Zu beachten ist allerdings, dass bei einem Basis-P-Konto nicht Zusatzleistungen vorenthalten werden können, die nach § 38 ZKG sog. grundlegende Funktionen sind.
1092 Dazu bedarf es auch keiner bevorstehenden oder bereits zugestellten Kontopfändung. 1093 Ansonsten sei daher angeraten, selbst einen nur erläuternden Hinweis (statt einer Vereinbarung) auf die Kündigungsregelungen in der Zusatzerklärung P-Konto zu unterlassen. Wegen der AGB-rechtlichen strengen Maßstäbe, besteht stets die Gefahr, dass der Kunde – und damit ein das beurteilende Gericht – es dahingehend interpretiert, dass es den Zugang – also den unbedingten Umwandlungsanspruch – zu einen P-Konto erschwert. dd) Exkurs: Beschränkung der ordentlichen Kündigung von Zusatzleistungen durch Sparkassen 1094 Während private Banken und Genossenschaftsbanken grds. nach wie vor uneingeschränkt einen unbefristeten Zahlungsdiensterahmenvertrag sowie damit verbundene Zusatzleistungen – ggf. unter Einhaltung entsprechender Fristen – im Rahmen (AGB-)vertraglicher Regelungen ordentlich kündigen können,
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12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto siehe dazu Hopt/Roth, in: Bankrechts-Hdb., § 1 Rn. 34, 35; es sei denn es handelt sich um ein Basiskonto, dann nur unter den Voraussetzungen des § 42 ZKG,
kann es für Sparkassen Einschränkungen geben. Sie können sich nicht auf die gem. Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit der Privat- und Genossenschaftsbanken berufen, sondern haben sich auch an den Sparkassengesetze/ -verordnungen der Bundesländer zu halten. Exemplarisch: § 5 Abs. 2 Bay. SpkO oder § 5 Abs. 2 SpkG NRW.
Dort enthalten ist jeweils eine Kontrahierungspflicht, für natürliche Personen 1095 aus dem Trägergebiet Girokonten auf Guthabenbasis zu führen. In diesem Fall besteht grundsätzlich kein Recht zur ordentlichen Kündigung von Zahlungsdiensterahmenverträgen. Bereits am 26.9.2012 hatten sich die Sparkassen zudem öffentlich verpflichtet, ab dem 1.10.2012 für Bürger ein Guthabenkonto zu führen (Bürgerkonto). Diese Verpflichtung ging über die alte Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) zum Girokonto für Jedermann hinaus, da nun für die Sparkassen daraus eine bindende Verpflichtung erwächst, die sich im Grunde am ländergesetzlichen Kontrahierungszwang orientiert. Dieser Anspruch ist auch – vor den Verwaltungsgerichten – rechtlich durchsetzbar, da sich aus der Erklärung der Sparkassen zum Bürgerkonto eine Selbstbindung in Verbindung mit der Grundrechtsbindung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitet, so zu recht auch Schmieder, in: Bankrechts-Hdb., § 26 Rn. 4.
Wegen dieser Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG, müssten Sparkassen einen sach- 1096 gerechten Kündigungsgrund angeben. BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, WM 2015, 1379.
Sparkassen können Zahlungsdiensterahmenverträge oder Zusatzleistungen 1097 daher nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB kündigen, und das auch nur außerordentlich. Durch das ZKG gilt das für Basis(-P-)Konten aber natürlich nun auch für private Banken und Genossenschaftsbanken.
ee) Nichtzulassung von Bevollmächtigungen Ob in einer Zusatzerklärung P-Konto anlässlich der Umwandlung in ein 1098 P-Konto die Bevollmächtigungen/Zeichnungsberechtigungen/Vollmachten für Dritte auf dem Konto des P-Kontoinhabers durch Kündigung entzogen werden können, ist gerichtlich nicht entschieden. Da sich aber anlässlich der Umwandlung zunächst einmal nichts ändern darf, 1099 § 850k Abs. 2 Satz 2, ist aber jedenfalls ein Entzug anlässlich der Umwandlung nicht möglich. Damit kann der Entzug auch nicht in die Zusatzerklärung P-Konto aufgenommen werden.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1100 Dass durch Einräumung von Bevollmächtigungen ein Missbrauch oder gar Vollstreckungsvereitelung theoretisch gefördert werden könnte, ist zunächst kein Grund, trifft auch eher für den umgekehrten Fall zu (der Vollstreckungsschuldner lässt seine Zahlungseingänge auch das nicht gepfändete Konto des Nicht-Schuldners eingehen). 1101 Weitere Risiken zu Lasten des Kreditinstitutes sind durch Einräumungen von Bevollmächtigungen/Zeichnungsberechtigungen/Vollmachten für Dritten nicht ersichtlich, weshalb auch kein (sachlicher) Grund gefunden werden könnte, diese Zusatzleistungen durch spätere Kündigung zu entziehen. Jedenfalls wird die Belassung ein Kreditinstitut nicht unzumutbar belasten. Missbraucht dagegen ein Bevollmächtigter das Konto des Schuldners, wäre das natürlich ein außerordentlicher Kündigungsgrund.
ff) Entzug des online banking-Nutzung 1102 Auch hier greift § 850k Abs. 2 Satz 2 ein, so dass sich die Vereinbarung des Entzuges in einer Zusatzerklärung P-Konto anlässlich der Umwandlung in ein P-Konto verbietet. Bei reinen online-Kreditinstituten wäre das ohnehin quasi mit einem Kontoentzug für den Kontoinhaber verbunden, jedenfalls aber mit unverhältnismäßig hohen Zusatzkosten für beleghafte Überweisungen, so dass schon deshalb ein Entzug per Vereinbarung ausscheiden würde.
1103 Zudem ist die Nutzung des online bankings § 38 Abs. 4 Satz 3 ZKG eine gesetzlich vorgeschriebene grundlegende Funktion beim Basis(-P-)Konto. Und spätestens im Rahmen der Pandemie dürfte klar geworden sein, dass online banking nicht mehr entbehrlich ist und auch im Interesse der drittschuldnerischen Kreditinstitute liegt. gg) Guthabenregelung 1104 Eine Vereinbarung in der Zusatzerklärung P-Konto, wonach der Kunde nach Umwandlung das P-Konto ausschließlich im Guthaben unterhalten darf, ist durch die entsprechende gesetzliche Normierung in § 850k Abs. 1 Satz 3, weder weiter notwendig noch sinnvoll. Zudem ist zunächst noch Vorsicht auch deswegen geboten, weil es in § 850k Abs. 1 Satz 3 heißt, dass ein Pfändungsschutzkonto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. Geführt wird das Konto aber nur durch das Kreditinstitut; der Kontoinhaber dagegen unterhält ein Zahlungskonto, so dass nicht klar ist, ob sich diese gesetzliche Pflicht möglicherweise nur an das Kreditinstitut richtet.
1105 Dass die gesetzgeberische Vorschrift, trotzdem Fehlvorstellungen bei den P-Kontoinhabern hervorrufen könnte, was sich aus debitorisch unterhaltenen Konten daraus als Konsequenz ergibt, ist sicherlich richtig und mag man kritisieren, aber an eine gesetzliche Vorschrift wird nun mal (leider) nicht der 288
12. Girovertragliche Zusatzerklärung P-Konto
gleiche strenge Maßstab angelegt, den der Gesetzgeber und die Rechtsprechung ansonsten an Klauselverwender im Rahmen des § 307 BGB anlegen. Daher wird es wieder einmal der Praxis und Rechtsprechung obliegen, die Auslegung von § 850k Abs. 1 Satz 3 vorzunehmen. Klar dürfte sein, dass der Gesetzgeber mit der Regelung, das Konto nur noch 1106 auf Guthabenbasis führen zu dürfen, insbesondere den Schutz des Kontoinhabers und Vollstreckungsschuldners im Blick hatte. In der Gesetzesbegründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31 heißt es dazu: „Bei Zahlungskonten mit einem negativen Saldo darf dieser also nicht auf das P-Konto übertragen, sondern muss getrennt verbucht werden. Die technische Umsetzung wird durch den Entwurf nicht vorgegeben; eine Möglichkeit der Umsetzung für Kreditinstitute dürfte aber das sog. ‚Zwei-Konten-Modell‘ sein, von dem bereits jetzt umfangreich Gebrauch gemacht wird.“
Der Gesetzgeber wollte dadurch den Kontoinhaber davor schützen, dass der 1107 P-Kontoschutz auf einem debitorischen Konto nicht funktioniert. Alles was den Schuldner in diesem Zusammenhang benachteiligt, unterläge einer AGBrechtlichen Kontrolle. Deshalb wird man bei der „Umbuchung“ debitorischer Salden im Zweifel als 1108 Kreditinstitut zu berücksichtigen haben, dass der Kontoinhaber und Vollstreckungsschuldner im Weiteren sein P-Konto auch nachhaltig auf Guthabenbasis unterhalten kann. Siehe dazu die Beispiele unter Rn. 971 ff.
Da das Thema heikel ist, kann daher nur davon abgeraten werden, andere als 1109 den reinen Hinweis auf den wortgenauen § 850 Abs. 1 Satz 3 in die Vereinbarung aufzunehmen. Noch besser ist es, gar keinen diesbezüglichen Hinweis aufzunehmen. Eine wie auch immer geartete, weitergehende, auch im besten Sinne nur er- 1110 läuternd gedachte Klausel in der Zusatzerklärung anlässlich der Umwandlung in ein P-Konto würde im Zweifel einer Inhaltskontrolle nicht standhalten. An vom Pfändungsfreibetrag geschützten Guthaben besteht kein AGB-Pfandrecht, da sie nicht der Pfändung unterworfen sind, so auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.13.
hh) Entzug des Karten- und Dokumentenservices Dass der automatische Entzug eines kostenlose Karten- und Dokumenten- 1111 service via Zusatzerklärung P-Konto anlässlich der Umwandlung in ein P-Konto nicht zulässig ist und nicht vereinbart werden kann, hat der BGH bereits zur alten Rechtslage entschieden. BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, WM 2013, 1796; der Kunde konnte danach Kopien von wichtigen Dokumenten wie Pässe oder Führerschein bei seinem Kreditinstitut hinterlegen und im Falle des Verlustes unter einer angegebenen Telefonnummer „schnelle Hilfe“ erhalten.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1112 Diese Nutzung kann ebenfalls nur durch Kündigung entzogen werden, da der Karten- und Dokumentenservice Inhalt des dem Pfändungsschutzkonto zugrunde Girovertrages war. Daran darf sich durch die Umwandlung nichts ändern, § 850k Abs. 1 Satz 2. Ansonsten wäre das eine unangemessene Benachteiligung des Kunden i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Zusatzerklärung P-Konto nur noch die im Muster (Anhang 2) aufgeführten Passagen beinhalten sollte. 13. Fremdwährungskonten 1113 Werden Zahlungskonten als Fremdwährungskonten geführt, können diese nicht in ein P-Konto umgewandelt werden. Die in Euro zu berechnenden und zu gewährenden Freibeträge können regelmäßig nicht auf einem in fremder Währung geführten Konto dargestellt werden. Dies könnte den Schuldner bei Währungs-Volatilitäten sonst gegenüber einem Pfändungsschuldner mit herkömmlichem P-Konto in Euro bevorzugen oder benachteiligen. Das kann nicht sein. Ebenso Leitfaden Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.7; auch wenn es eine IT-Lösung leisten könnte, den in Euro gewährten Freibetrag jeweils unmittelbar vor einer Verfügung daraufhin zu überprüfen, ob der Freibetrag überschritten ist, würde das dann Probleme bereiten, wenn durch Währungsschwankungen (nachträglich) Freibeträge überschritten würden. Insofern ist der (ganz) sichere Weg, diese Konten von der Umwandlung auszunehmen.
14. Prepaid-Kreditkarten-Konten 1114 Verschiedene Kreditinstitute bieten inzwischen – gerade auch im Hinblick auf Kunden mit problematischer Bonität –, sog. Prepaid-Kreditkarten an. So werben inzwischen diverse Kreditinstitute für Ihre PrepaidKreditkarten sogar mit dem Slogan „Prepaid Kreditkarte ohne SCHUFA-Abfrage“.
Dabei handelt es sich nicht (nur) um eine Kreditkarte im eigentlichen Sinne, sondern um eine Kreditkarte auf Guthabenbasis verbunden mit einen beim Karten ausgebenden Kreditinstitut geführten Guthabenkonto für elektronisches abrufbares Geld. 1115 Der Kunde zahlt vorab („prepaid“) einen Betrag auf sein Kreditkarten-Guthabenkonto ein und kann dann mittels Kreditkarte oder Überweisung über sein Guthaben verfügen. Zudem muss der Kunde sicherstellen, dass jeweils ein ausreichendes verfügbares Guthaben auf seinem Konto geladen ist, um alle von ihm mit seiner Karte getätigten Käufe, Zahlungen oder Bargeldabhebungen (sowie Bankenentgelte) abdecken zu können. Da es sich um ein Guthabenkonto handelt, über das auch Zahlungsverkehr (mittels Bar-Einzahlungen oder Kreditkartenverfügungen bzw. teilweise auch mittels Überweisungen) läuft, stellt sich die Frage, ob auch ein solches Karten-Konto als P-Konto ge-
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15. Paypal und Co.
führt werden kann. Soweit es sich bei dem System um eines mit „virtueller Kontoführung“, im Gegensatz dazu sog. „Abrechnungssysteme“, bei denen lediglich Zugriffe auf kostenpflichtige Inhalte protokolliert in monatlichen Intervallen einem „echten“ Konto des Nutzers belastet werden, vgl. dazu ausführlich Szodruch, MMR 2006, 519 ff.,
handelt, liegt ein als Kontokorrent geführter Girovertrag i. S. d. § 676f BGB vor. Szodruch, MMR 2006, 519, 521.
Da dieses Konto, wenn auch nicht umfassend – aber doch partiell – für den 1116 Zahlungsverkehr vorgesehen ist, handelt es sich auch um ein in ein P-Konto umwandelbares Konto. Zunächst ist es zwar nur Sammelstelle für die – mindestens unverzinslich – vorzuhaltenden Guthaben. Der Kunde kann sich aber bei einigen Kreditinstituten beispielsweise auch Sozialleistungen oder Gehälter auf dieses Konto überweisen lassen, und sodann – mittels Prepaid-Kreditkarte oder Überweisung – darüber verfügen. Wenn – was dem Regelfall entsprechen dürfte – allerdings in den AGB der 1117 kontoführenden Institute ausgeschlossen sein sollte, Sozialleistungen, Kindergeld, Gehälter, Zahlungen i. R. eines gewerblichen Betriebes oder sonstige aus gewerblicher oder beruflicher Aktivität erzielte Einnahmen auf das Konto zu überweisen, ist ein Umwandlungseinspruch ausgeschlossen. Richtig daher die Entscheidung des AG Mönchengladbach, Beschl. v. 5.12.2012 – 24 M 1675/12, n. v., dass eine Umwandlung eines solchen Kreditkartenkontos in ein P-Konto ablehnt. Die Tatsache, dass es geduldet wird, dürfte nach Auffassung des Autors ebenfalls nicht dazu führen, dass der Kunde einen Umwandlungsanspruch hat, um sein Guthaben auch auf solchen Konten zu schützen. Denn ansonsten müsste das Kreditinstitut die Konten auf solche unerlaubten Umsätze hin (stichprobenartig) prüfen, was aber unzumutbar ist. Wenn es das Kreditinstitut – im Einzelfall wissentlich – über längere Zeit duldet, könnte sich aber ein Umwandlungsanspruch ergeben.
15. Paypal und Co. Sog. online-Zahlungskonten oder E-Geldkonten (insb. PayPal, ClickandBuy 1118 etc.) sind dagegen keine Konten i. e. S., sondern Treuhandverhältnisse. Die Drittschuldner sind keine (deutschen) Banken. Drittschuldner von Paypal ist derzeit (Stand 3/2021) die PayPal (Europe) S.Ã r.l. & Cie, S.C.A., 22 – 24 Boulevard Royal, L-2449 Luxembourg. Paypal hat seit 2007 eine Vollbanklizenz in Luxemburg. Bei ClickandBuy ist als Drittschuldner anzugeben: ClickandBuy International Limited, Lincoln House, 6-9 Cynthia Street, London N1 9JF, United Kingdom.
Diese Konten können daher nicht in P-Konten umgewandelt werden.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1119 Paypal akzeptiert im Übrigen seit 2017 auch keine Kontopfändungen mehr nach deutschem Recht, sondern weist auf das Territorialitätsprinzip hin. Ein von einem deutschen Gericht ausgesprochenes Zahlungsverbot gegenüber Drittschuldnern im Ausland wirkt danach nicht, vgl. Damm, Zwangsvollstreckung, § 7 Rn. 309, siehe auch Rn. 230. Ein Gläubiger muss daher eine Pfändung nach luxemburgischem Recht veranlassen; einen etwaig vorhandenen, in Deutschland erwirkten Titel kann der Gläubiger als Europäischen Vollstreckungstitel gem. §§ 1079 ff. bestätigen lassen, vgl. Damm, a. a. O. Der EuBvKpf könnte wohl auch benutzt werden, da die PaypalKonten insoweit Konten im Sinne des EuKoPfVO sind. „Bankkonto“ oder „Konto“ ist danach ein Konto, das im Namen des Schuldners oder in fremdem Namen für den Schuldner bei einer Bank geführt wird, Art. 4 EuKoPfVO, Begriffsbestimmungen.
1120 Ein Pfändungszugriff ist daher nicht über eine herkömmliche nationale Kontopfändung möglich. Zu den Einzelheiten eines Pfändungszugriffs siehe Mock, VE 2011, 138. Für einen guten Überblick und die rechtliche Einordnung dieser Zahlungsdienste: Harman, BKR 2018, 457.
16. P-Konto als Nachlasskonto 1121 Die Eigenschaft als P-Konto ist höchstpersönlich an die Person des Kontoinhabers gebunden. Dies kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass nach dem gesetzgeberischen Willen gem. § 850k Abs. 1 Satz 1 nur der Kontoinhaber selbst (oder sein Vertreter) die Umwandlung beantragen kann. 1122 Verstirbt daher ein P-Kontoinhaber, endet mit dessen Tod auch die Eigenschaft als P-Konto. Auch wenn der Erbe Alleinerbe wird, gilt das ebenfalls. Der Alleinerbe, wenn er eine natürliche Person ist, kann aber jederzeit einen neuen Antrag auf Umwandlung des geerbten Zahlungskontos in ein P-Konto stellen.
1123 Dafür spricht auch, dass ein P-Gemeinschaftskonto nicht existieren kann, was aber kraft Gesetzes entstünde, wenn der Erblasser mehrere Erben hinterlässt. Durch den Verlust der Eigenschaft als P-Konto ist auch das Guthaben nicht mehr geschützt. Sowohl das AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes wie auch der Pfändungspfandrecht des Pfändungsgläubiger können wieder auf Guthaben zugreifen. Unbillige Härten für die Erben, etwa der Verlust früher pfändungsgeschützten Guthabens z. B. zu Beerdigungszwecken, müssen dann über einen Antrag nach § 765a gelöst werden. So auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft( DK), Ziff. 1.8.
1124 Für die Erbengemeinschaft des durch den Erbgang dann entstandenen Gemeinschaftskontos kommt aber § 850l in Betracht, vgl. Kapitel VII 2a, Rn. 658. 292
17. Rückumwandlung P-Konto durch den Kontoinhaber
17. Rückumwandlung P-Konto durch den Kontoinhaber Auch der P-Kontoinhaber kann die P-Kontoeigenschaft wieder beenden, 1125 § 850k Abs. 5 Satz 1. Bislang fehlte eine gesetzliche Regelung zur Aufhebung der Pfändungsschutzfunktion eines Zahlungskontos, wurde aber in der Praxis durch die Kreditinstitute weitestgehend schon so praktiziert. Spätestens seit der Rechtsprechung des OLG Schleswig, Urt. v. 26.6.2012 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901, war klar, dass der (völlige) Ausschluss der Rückumwandlung wohl AGB-rechtswidrig ist. Insofern hat die neue Regelung eher Klarstellungscharakter.
Diese Regelung zur Beendigung nach § 850k Abs. 5 steht ausschließlich dem 1126 Kontoinhaber zu, nicht auch dem Kreditinstitut. Zu den Kündigungsmöglichkeiten des Kreditinstitutes siehe Rn. 908.
Der Kunde muss die Rückumwandlung lediglich verlangen. Mit der Beendigung 1127 wandelt sich das P-Konto wieder in ein „normales“ Girokonto um. Durch § 850k Abs. 5 Satz 2, der festlegt, dass Abs. 2 Satz 2 entsprechend gilt, ist gewährleistet, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut auch nach der Rückumwandlung im Übrigen unberührt bleibt. Den Umstellungsaufwand kann ein Kreditinstitut nicht als Sonderaufwand bepreisen, da dies nun – ebenso wie die Umwandlung in ein P-Konto – gesetzliche Pflicht ist.
Die Aufhebung der Pfändungsschutzfunktion kann der Kontoinhaber jederzeit 1128 verlangen. Er kann das aber nur mit einer Frist von mindestens vier Geschäftstagen zum jeweiligen Monatsende vom Kreditinstitut verlangen, dass das dort geführte Pfändungsschutzkonto wieder als Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz geführt wird. Die Beendigung erst zum Monatsende dient dazu, den Kreditinstituten einen erleichterten Abschluss der Pfändungsschutzfunktion zu ermöglichen, aber auch dem Schutz vor missbräuchlicher PfändungsschutzOptimierung (Konto-Hopping). So hat es auch der BGH, Urt. v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, NJW-RR 2015, 885 unter Bezugnahme auf Sudergat, 3. Aufl., Rn. 534, 540, 633 gesehen. Bemerkenswert ist, dass in der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31 dieses Motiv nicht wieder als Begründung auftaucht: Da scheint politische (Über-)Korrektheit sogar nicht davor zurückzuschrecken, nicht ganz bei der Wahrheit zu bleiben, denn Kreditinstituten ist es grds. aufwands- und abrechnungstechnisch völlig egal, wann die Pfändungsschutzfunktion beendet wird.
Beispiel: S unterhält ein P-Konto. Anfang August geht ein Geldeingang i. H. v. 1.300 € ein, der seinen Freibetrag entspricht. S hebt die 1.300 € ab, so dass der Kontostand wieder 0,00 € beträgt. Am 6.8. kündigt S die Zusatzerklärung P-Konto und
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
wandelt darauf sein anderes, in den letzten Wochen nicht genutztes Girokonto in ein P-Konto um. Am 16.8. geht der Erlös aus einem eBay-Verkauf i. H. v. 400 € auf dem P-Konto ein. S verlangt am 16.8. die Auszahlung der 400 €. Zu Recht? Formal ja, erhält also im Ergebnis in einem Monat mehr als den Grundfreibetrag plus Erhöhungsbeträge. Insofern ist es richtig, dass diese offensichtliche Missbrauchsmöglichkeit gesetzlich ausgeschlossen wurde und die Aufhebung nur noch zum Monatsende möglich ist. 1129 Damit wird auch verhindert, dass P-Konten nicht beim selben Kreditinstitut gewechselt werden, um den Kontopfändungsschutz zu optimieren. Das gilt auch beim Wechsel des Kreditinstitutes. Beispiel: Schuldner S hat am 9.9. noch 500 € Guthaben auf seinem P-Konto und einen monatlichen Freibetrag i. H. v. 1.300 €. Er hat bereits 800 € verfügt. Er hebt den Betrag ab und löst sein P-Konto auf. Das Kreditinstitut meldet an die Auskunftei, dass das P-Konto erloschen ist. S geht am 15.9. zu einem anderen Kreditinstitut, wo er ein normales Girokonto unterhält. Dort befinden sich noch 900 € Guthaben. Am 20.9. ist dort eine Kontopfändung eingegangen. S wandelt dieses Konto in ein P-Konto um. S hebt die 900 € anschließend am 25.9. am Geldausgabeautomaten (GAA) ab, so dass er im September insgesamt über 2.200 € verfügt. 1130 Auch das Vollstreckungsrisiko, dass diverse P-Konten auf den Namen verschiedener Familienangehöriger eröffnet und Zahlungseingänge dann geschickt „gesteuert“ werden, wird auch durch das PKoFoG nicht verhindert, ist allerdings auch ein nicht erst durch die Reform 2010 entstandenes Risiko. Graf-Schlicker/Linder, ZIP 2009, 989; a. A. Bitter, in: BankrechtsHdb. 5. Aufl., § 33 Rn. 38g, der dies seinerzeit ursächlich darauf zurückführte.
1131 Hier bietet nur das Anfechtungsgesetz – zugegebenermaßen kostenintensiv, umständlich und daher zumeist wenig erfolgversprechend – oder ggf. die Zusammenrechnungsnorm nach § 850e eine Handhabe. 1132 Die Frist von mindestens vier Geschäftstagen zum Monatsende ist einzuhalten. Beispiel: S unterhält ein P-Konto. Am 28.1.2022 verlangt er von seinem Kreditinstitut K, dass das P-Konto ab 1. Februar wieder als normales P-Konto geführt wird. K lehnt das ab und weist darauf hin, dass das frühestens zum 1. März möglich ist. Zu Recht? Ja, denn S hat die Frist des § 850k Abs. 5 Satz 1 nicht beachtet. S muss sein Verlangen mindestens vier Tage „zum Monatesende“, also vier Tage vor Monatsende gegenüber K äußern. Diese Frist hat er hier unterschritten, denn er hätte es bereits am 25.1. verlangen müssen. Geschäftstage meint insoweit Bankarbeitstage der K, weshalb der Samstag und Sonntag wegfallen.
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17. Rückumwandlung P-Konto durch den Kontoinhaber
Die Frist ist aber grundsätzlich eine Schutzfrist zu Gunsten des Kreditinstitutes. 1133 Insofern kann es auf diesen Schutz verzichten und die Auflösung zum nächsten Monat auch zulassen, wenn die Vier-Tages-Frist bereits abgelaufen wäre. Auch eine untermonatliche Rückumwandlung – also nicht erst zum Ende des Monats – wäre daher möglich. Da die Rückumwandlung immer aber auch noch einen gläubigerschützenden, allerdings das Kreditinstitut diesbezüglich nicht verpflichtenden Charakter hat, sollte ein Kreditinstitut, das um die Absichten des Schuldners weiß, die dieser allerdings nicht offenlegen muss, wonach das Kreditinstitut aber nicht gehindert ist, zu fragen, auf Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen. Auch wenn es über die Motive des Schuldners nichts weiß, sollte es bei einem noch gepfändeten Konto auf Einhaltung der Kündigungsfrist und der Beendigung nur zum Monatsende bestehen.
Zudem unterläge ab Rückumwandlung natürlich sämtliches auf dem Konto 1134 befindliches Guthaben, also nicht nur solches oberhalb des individuellen Pfändungsfreibetrages, sondern sämtliches, auch solches, das erst bis zur Auflösung des Kontos – künftig entsteht, (wieder) der Pfändung. Für dieses künftige Guthaben gilt dann zwar wieder das Moratorium des § 835 Abs. 3 Satz 2, wenn es sich nicht mehr um ein P-Konto oder das des § 900 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, solange es sich noch um ein P-Konto handelt, aber das rettet das Guthaben nicht vor der AGB-Pfandrechts-Verrechnung oder der Pfändung, sondern nur vor der sofortigen Auskehrung (Auszahlungssperre). Zu beachten ist, dass entstandenes Guthaben als das Zahlungskonto noch P-Konto-Status hatte, also etwaige ursprünglich noch von der Auszahlungssperre nach § 900 erfasste Guthaben und künftige Guthaben, die erst nach der Rückumwandlung entstehen, dann unterschiedliche Auskehrungszeitpunkte haben werden. Teilweise sehen die neuen Formulare der Kreditinstitute trotzdem vor, dass eine untermonatliche Rückumwandlung möglich ist. Das dürfte in der Praxis regelmäßig unproblematisch sein, da in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Rückumwandlung nur dann vom Kunden verlangt werden wird, wenn keine Pfändungen mehr auf dem P-Konto lasten. Ist es aber noch gepfändet, sollte das wegen der Haftungsgefahren unterschiedlicher Auskehrungszeitpunkte gepfändeten Guthabens nicht erfolgen. Ein entsprechender Bearbeitungshinweis für die Kreditinstituts-Mitarbeiter dürfte sich diesbezüglich zudem auf dem Formular empfehlen.
Der Kontoinhaber kann jederzeit die Aufhebung nicht nur für den laufenden 1135 Kalendermonat, sondern auch für spätere Kalendermonate verlangen. Ob ein Kreditinstitut eine Wiederaufhebung für spätere Kalendermonate zulassen will, gilt es wegen des Mehraufwandes und damit verbundener höherer Haftungsrisiken gut abzuwägen. Der Kunde jedenfalls hat zwar einen Anspruch auf sofortige bzw. die im Rahmen des § 850k Abs. 5 Satz 1 vorgesehene fristgebundene Rückumwandlung zum Monatsende, aber keinen Anspruch auf eine aufschiebend bedingte Rückumwandlung über die Frist des § 850k Abs. 5 Satz 1 hinaus. Auch weitere Bedingungen kann der
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) Kontoinhaber nicht geltend machen (z. B. „wenn keine Pfändungen mehr eingehen“ etc.).
1136 Der Anspruch auf Umwandlung als auch auf Wiederaufhebung der Pfändungsschutzfunktion kann aber mehrfach geltend gemacht werden. Ein ständiges Hin- und Herwechseln ohne Anlass zwischen P-Konto und Konto ohne Pfändungsschutz ist dem kontoführenden Kreditinstitut dagegen nicht zumutbar (Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB), so auch im Ergebnis OLG Schleswig, Urt. v. 26.6.2012 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901, allerdings noch zur Rechtslage ohne gesetzlich verankerten Rückumwandlungsanspruch; selbst vor dem Hintergrund teilweiser Einschränkungen in der Nutzbarkeit des Kontos durch Nichtgewährung von Zusatzleistungen, wie Dispositionskrediten (= „eingeräumte Überziehungsmöglichkeit“, § 504 BGB) oder Vorenthaltung einer Kreditkarte, muss dies vom Kontoinhaber in diesen Fällen hingenommen werden.
1137 Insofern hat der P-Kontoinhaber zwar ein Rückumwandlungsrecht im Rahmen des § 850k Abs. 5 Satz 1; macht er es entsprechend geltend, hat das Kreditinstitut ihm unbedingt Folge zu leisten. Es darf ihn aber davon überzeugen, dass die Geltendmachung nur dann einen Sinn macht, wenn nach Erledigung aller Kontopfändungen über einen angemessenen Zeitraum keine neuen Kontopfändungen mehr eingegangen sind und/oder kein erneuter Eingang droht. Was ein angemessener Zeitraum ist, ist nicht geregelt. Mindestens drei Monate sollten dafür notwendig, aber auch ausreichend sein. Ähnlich auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.12.1, der vor einer Rückumwandlung bei bestehender Pfändung warnt, da dann sämtliches Guthaben von der Pfändung erfasst wird und nicht mehr nur dasjenige, das oberhalb des individuellen Pfändungsfreibetrags liegt. Gleichwohl kann das für einen Schuldner Sinn machen, der durch einen P-Kontenwechsel zu einem anderen Kreditinstitut seine Pfändungen „abschütteln“ will und der auf dem P-Konto nach Ausschöpfung des Freibetrages kein oder nur noch ein sehr geringes Guthaben auf dem P-Konto hat.
1138 Und ebenso wie bei dem Verlangen nach Umwandlung eines Zahlungskontos in ein P-Konto ist auch beim Verlangen nach Beendigung ein kraft Rechtsgeschäfts oder aufgrund anderer Vorschriften bevollmächtigter Vertreter dazu berechtigt. 1139 Das Verlangen nach Rückumwandlung sollte schriftlich oder mindestens in Textform dokumentiert werden; darauf bestehen könnte ein Kreditinstitut aber nicht, da eine bestimmte Form gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Das Kreditinstitut sollte sich das mündliche Verlangen dann in diesem Fall notieren und aktenkundig machen. Ein mündliches Verlangen würde zwar daher theoretisch ausreichen, weil das Gesetz insofern eben keine Formvorschriften macht, nur wird ein Kreditinstitut schon der leichteren Beweisführung wegen und ggf. der späteren notwendigen Rechtfertigung dem Schuldner
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17. Rückumwandlung P-Konto durch den Kontoinhaber gegenüber immer nur ein schriftliches Verlangen oder zumindest in Textform (E-Mail) versuchen durchzusetzen und dieses archivieren.
Die Sparkassenorganisation hat dazu eigens einen eigenen Vordruck aufgelegt; 1140 der Genossenschaftsverlag verzichtet darauf (siehe aber Muster einer „Erklärung zur Fortführung des Kontos ohne Pfändungsschutz gemäß § 850k Abs. 5 ZPO“, Anhang 2a). Eine Rückumwandlung, ohne dass der Kunde diese verlangt, also eine Zwangs-Rückumwandlung, ist nicht zulässig. Der Kunde alleine kann und darf darüber entscheiden, ob und wann der den Kontopfändungsschutz aufgeben will. Dies gilt zumal deshalb, weil ihn ein P-Konto im Rahmen des § 901 ggf. auch gegen Aufrechnungen und Verrechnungen durch sein kontoführendes Kreditinstitut schützt. Diesen Vorteil darf sich das Kreditinstitut nicht dadurch verschaffen, dass es das P-Konto ohne Zustimmung wieder in eine herkömmliches Zahlungskonto ohne Pfändungs- und Aufrechnung- und Verrechnungsschutz zurückumwandelt. Gleichwohl macht es aus Sicht der Kreditinstitute Sinn, künftig darauf zu achten, Kunden die Rückumwandlung nahezulegen, wenn das P-Konto nicht mehr benötigt wird, vgl. Rn. 1597.
Haftungsfalle: Deaktiviertes P-Konto Zu unterscheiden ist, ob ein P-Konto nur „deaktiviert“ wird (weil keine Konto- 1141 pfändungen vorliegen) oder aber in ein normales Girokonto ohne Pfändungsschutz zurückgewandelt wird. Im letzteren Fall würde Pfändungsschutz bei Eingang einer neuen Kontopfändung nur erreichbar sein, wenn das Konto erneut in ein P-Konto umgewandelt werden würde (der Kunde muss erneut die Umwandlung verlangen). Das Kreditinstitut darf vorher nicht einfach den Grundfreibetrag wieder gewähren. Ist das P-Konto nur deaktiviert, würde allein der Eingang einer neuen Kontopfändung mindestens den Grundfreibetrag wieder auslösen. Damit wird das kontoführende Kreditinstitut im Übrigen auch einen rückumwandlungswilligen Kunden überzeugen können, die Rückumwandlung wieder in ein herkömmliches Girokonto ohne Pfändungsschutz erst dann vorzunehmen, wenn weitere Pfändungen nachhaltig nicht mehr zu erwarten sind, siehe auch Rn. 1597.
Im Hinblick auf den § 901 Abs. 1 ist aber zu beachten, dass ein inaktives 1142 P-Konto trotzdem die Schutzwirkungen des Aufrechnungs- und Verrechnungsverbots sofort dann wieder auslöst, wenn es in Soll geraten sollte. Das allerdings sollte wegen der gesetzlichen Regelung, dass das P-Konto nur im Guthaben geführt werden darf, § 850k Abs. 1 Satz 3, zumindest bei Beendigung der P-Kontofunktion eigentlich nicht vorkommen, da das Konto dann ja bereits zuvor (längere Zeit) als P-Konto bestanden hat (und sich deshalb im Haben befinden sollte). Anders wenn sich ein herkömmliches Zahlungskonto schon im Debet befindet und erst dann das Konto in ein P-Konto umgewandelt wird, vgl. dazu die Ausführungen zu § 901, Rn. 1526 ff.
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
1143 Offen ist in einem solchen Fall auch weiterhin, ob vorliegende, unbefristete Bescheinigungen nach § 903 hinsichtlich der darin bescheinigten Erhöhungsbeträge dann weiter Gültigkeit entfalten können. Ob dies nur dann der Fall ist, wenn die Drei-Monats-Frist, siehe dazu Rn. 1833,
für das Alter der Bescheinigung noch nicht abgelaufen ist, ist nicht entschieden bzw. auch durch das nicht PKoFoG klargestellt worden. Man wird es wohl dem Ermessen des einzelnen Kreditinstitutes überlassen dürfen, denn der Gesetzgeber hat auch mit der Regelung in § 903 Abs. 2 Satz 2 keine zwingende Befristung der Geltungsdauer vorgesehen (Kann-Bestimmung), sodass ein Weiternutzen der Erhöhungsbeträge möglich ist. Hier erscheint, insbesondere auch im Hinblick auf eine Arbeitsaufwandsersparnis der drittschuldnerischen Kreditinstitute eine großzügige Auslegung angeraten; zu den diesbezüglichen Empfehlungen, vgl. Rn. 1836.
1144 Wollen Kreditinstitute ganz sicher gehen, dürften sie wohl auf Vorlage einer neuen, nicht älter als drei Monate alten Bescheinigung bestehen. Nicht ganz ausgeschlossen ist aber, dass künftig die Rechtsprechung einen solchen Anspruch auf Vorlage einer nur drei Monate alten Bescheinigung vor dem Hintergrund der mindestens zweijährigen Geltungsdauer nicht mehr anerkennt. Daher sollte seitens des drittschuldnerischen Kreditinstitutes gut abgewogen werden, ob das wirklich sinnvoll und notwendig ist. Denn, wenn eine unbefristete Bescheinigung mind. zwei Jahre Gültigkeit haben kann, dann hat das zwar nicht unmittelbar etwas mit dem Alter der Bescheinigung zum Vorlagezeitpunkt zu tun, kann aber Indiz dafür sein, auch deutlich ältere Bescheinigungen zu akzeptieren bzw. akzeptieren zu müssen, vgl. Rn. 1836. Möglicherweise wird daher ein drittschuldnerisches Kreditinstitut die Forderung nach einer neuen Bescheinigung, zumindest ohne tatsächliche Anhaltspunkte, dass die alte inhaltlich nicht mehr zutrifft, gar nicht mehr durchsetzen können.
1145 Der Wortlaut des § 903 Abs. 2 Satz 2 gibt zunächst allerdings nur her, dass eine unbefristete Bescheinigung, wenn sie bei Vorlage neu ausgestellt wurde, mindestens zwei Jahre lang zu beachten ist („…hat das Kreditinstitut für die Dauer von zwei Jahren zu beachten.“). Das gilt natürlich nur, wenn es später keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen.
1146 Diese Wortwahl führt wie in § 905 Satz 1 letzter Teilsatz „ hat … festzusetzen … und …zu bestimmen…“ dazu, dass dem Verpflichteten kein Ermessensspielraum für sein Tätigwerden zukommt, vgl. Gesetzesbegründung, S. 42. Ausweislich der Gesetzesbegründung S. 39 muss das Kreditinstitut aber nach Ablauf der zwei Jahre nicht zwingend eine neue Bescheinigung verlangen, sondern kann sie weiter zu Grunde legen: „Satz 3 sieht vor, dass das Kreditinstitut, dem der Kontoinhaber eine Beschei-
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18. Einrichtung P-Konto in Abwesenheit des Kunden nigung nach Absatz 1 vorgelegt hat, eine erneute Bescheinigung verlangen kann, wenn seit Ausstellung der dem Kreditinstitut vorliegenden Bescheinigung zwei Jahre vergangen sind. Das Kreditinstitut muss sich allerdings keine erneute Bescheinigung vorlegen lassen“.
Kreditinstituten sollten daher erwägen, künftig großzügiger zu sein und un- 1147 befristete Bescheinigungen auch dann zu akzeptieren, wenn sie bei Vorlage älter sind als 3 Monate, sie innerhalb der zwei Jahre auch nochmals einzusetzen und weiter zu akzeptieren, wenn nach einer erledigten Pfändung eine neue Pfändung zugestellt wird, auch über einen Zweitraum von zwei Jahren hinaus. Das reduziert den Aufwand, ohne höhere Risiken einzugehen. Würden im Übrigen seriöse Gläubiger oder auch ein Insolvenzverwalter/Treuhänder bzw. andere vertrauenswürdige Personen das drittschuldnerische Kreditinstitut informieren, dass der Schuldner tatsächlich nicht in der bescheinigten Form z. B. Unterhalt gewährt, müsste das das drittschuldnerische Kreditinstitut zum Anlass nehmen, eine neue Bescheinigung vom Schuldner einzufordern. Dann lägen aus Sicht des drittschuldnerischen Kreditinstitut (ausreichend) tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass die Bescheinigung nicht mehr zutrifft, vgl. Rn. 1779 (auch zur Frage wer insoweit als vertrauenswürdig angesehen werden kann).
18. Einrichtung P-Konto in Abwesenheit des Kunden Die vertragliche Zusatzerklärung P-Konto unterliegt keiner Formvorschrift. 1148 Will der Kontoinhaber bzw. sein Vertreter das schon bestehende Zahlungskonto umwandeln, wäre er nicht verpflichtet, die vertragliche „Zusatzerklärung P-Konto“ im Kreditinstitut abzugeben bzw. vor den Augen von Mitarbeitern des drittschuldnerischen Kreditinstitutes zu unterschreiben. a) Abwesenheit des Kunden Damit wäre es grundsätzlich auch möglich, die vertragliche Zusatzerklärung 1149 P-Konto mündlich zu schließen. Der Kunde muss aber auch dann die gesetzlich geforderte Versicherung abgeben, dass er kein weiteres P-Konto unterhält (§ 850k Abs. 3 Satz 2). Wenn daher für die Umwandlung z. B. Eile geboten sein sollte, kann im Ausnahmefall, die Umwandlung nach entsprechender (fern-)mündlicher Versicherung des Kunden erfolgen. Bei allen Erklärungen, die nicht in Anwesenheit des Kunden abgegeben werden, muss allerdings die Möglichkeit für das Kreditinstitut bestehen, den Kontoinhaber sicher identifizieren zu können; ansonsten würde die Erklärung als nicht abgegeben bewertet werden können.
Aus Gründen der Nachweisbarkeit wird das Kreditinstitut daher stets die 1150 Schrift- oder mindestens Textform wählen und eine (zunächst) mündliche Versicherung nur in absoluten Ausnahmefällen akzeptieren, z. B. wenn dem Kontoinhaber das Aufsuchen des Kreditinstitutes wegen eines körperlichen
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VII. Das Pfändungsschutz-Konto (P-Konto)
Gebrechens vorübergehend nicht möglich ist. Die schriftliche „Zusatzerklärung P-Konto“ wird das Kreditinstitut dann nachfordern. Die Erklärung in die Schrift- oder mindestens Textform sollte aber jedenfalls vor Inanspruchnahme von Verfügungen auf dem P-Konto vorliegen.
Beispiel: Schuldnerin S, der Altersarmut anheimgefallene 85-jährige, gehbehinderte Rentnerin, wird das Konto gepfändet. Ein Hausbesuch durch einen Mitarbeiter des Kreditinstitutes wird in der Regel ausscheiden, auch wenn sich gerade regional tätige Institute hier vielfach aus Mitmenschlichkeit anders verhalten; ein Postversand dagegen ist möglich, auch wenn das Risiko besteht, dass das Kreditinstitut dann nicht verlässlich prüfen kann, dass S selbst unterschrieben hat und/oder auch noch geschäftsfähig war. 1151 Das PKoFoG hat nun aber immerhin eine umfassende Vertretung zugelassen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 30: „Nach § 850k Absatz 7 Satz 1 ZPO [a. F] ist – neben dem Kunden – bislang nur der gesetzliche Vertreter berechtigt, die Umwandlung eines Zahlungskontos in ein P-Konto zu verlangen. Auf diese Einschränkung verzichtet § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO-E, weil die bislang vorgesehene Beschränkung auf den gesetzlichen Vertreter nicht mehr als notwendig angesehen wird. Auch der kraft Rechtsgeschäfts oder aufgrund anderer Vorschriften bevollmächtigte Vertreter ist nunmehr zu der Abgabe der Erklärung befugt. Eine Aufzählung der vertretungsberechtigten Personen ist nach der Systematik des Vertretungsrechts nicht erforderlich. Die Regelung ist insbesondere im Hinblick auf einen barrierefreien Zugang zu einem P-Konto von Bedeutung und vereinfacht den Zugang etwa in den Fällen, in denen ein Vorsorgebevollmächtigter für den Kontoinhaber handelt.“
1152 Weigert sich ein Kunde final, diese Erklärung in Schrift- oder mindestens Textform abzugeben, sollte ein Kreditinstitut dies dokumentieren, müsste aber trotzdem das P-Konto umwandeln. Das Kreditinstitut könnte natürlich auch ohne diese Erklärung in Schriftform bei der Auskunftei anfragen, um sich zu versichern, schuldet das aber nicht.
Sich auf den Standpunkt zu stellen, ohne Erklärung in Schrift- oder mindestens Textform, keine Umwandlung in ein P-Konto vorzunehmen, könnte – mangels vorgeschriebener Form – ein Risiko darstellen, wenn der Kunde gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. 1153 Ohne jegliche Erklärung, kein weiteres P-Konto zu unterhalten, also auch keine mündliche oder telefonische, darf das Kreditinstitut die Umwandlung eines P-Kontos aber definitiv ablehnen. Lediglich auf Abgabe in einer bestimmten Form darf das Kreditinstitut nicht bestehen.
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18. Einrichtung P-Konto in Abwesenheit des Kunden
b) Fernabsatzrecht Bei der Umwandlung eines bestehenden Kontos in ein P-Konto, spielt das 1154 Fernabsatzgesetz keine Rolle. Eine Kontoeröffnung aber ist ein Fernabsatzvertrag, wenn er zwischen dem Kreditinstitut und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wurde, § 312b BGB.
Wird dagegen bei einem Gemeinschaftskonto für beide bzw. alle Gemein- 1155 schafts-Kontoinhaber ein jeweils neues P-Einzel-Konto, vgl. die Möglichkeit nach § 850l Abs. 2 Satz 1, im Rahmen des „Zwei-Konten-Modells“, vgl. Rn. 984 oder im Rahmen des § 31 ZKG als Basiskonto ein P-Konto neu eröffnet, sind bei Verbrauchern die Bestimmungen des Fernabsatzes einzuhalten. Beispiel: Der Kunde schließt im online banking ein neues Basis-P-Konto ab und legitimiert sich mittels Post-Ident-Verfahren. Das Kreditinstitut legt daraufhin das Konto an. Werden diese Bestimmungen nicht eingehalten, wird also insbesondere der 1156 Kunde i. S. d. § 312c BGB nicht ordnungsgemäß belehrt, kann der Vertrag widerrufen werden. Bei einer zwischenzeitlich eingegangenen Kontopfändung würde die Rückabwicklung erhebliche Haftungsrisiken zulasten des Kreditinstitutes auslösen. Es wird daher gut beraten sein, die Neu-Eröffnung eines P-Kontos – die überhaupt nur im Rahmen des § 31 ZKG als Basiskonto durch einen Verbraucher durchsetzbar wäre – nur im Präsenzgeschäft oder mit anerkannten digitalen Identifikationsverfahren zuzulassen. Auch wenn zunächst das Girokonto, das später in ein P-Konto umgewandelt werden soll, im Wege des Fernabsatzes eröffnet worden sein sollte, besteht die Gefahr, wenn die Bestimmungen des Fernabsatzes nicht ordnungsgemäß eingehalten wurden, die Rückabwicklung auch des später umgewandelten P-Kontos. Die Vereinbarung der Zusatzerklärung P-Konto – dann unter Anwesenden – heilt i. S. d. überholenden Kausalität nicht die nicht ordnungsgemäße ursprüngliche Eröffnung. Eine allgemeine Widerrufsbelehrungspflicht bei der Zusatzerklärung P-Konto und damit ein allgemeines Rücktrittsrecht besteht dagegen nicht.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Mit dem PKoFoG hat der Gesetzgeber auch eine Neustrukturierung der 1157 Pfändungsschutznormen innerhalb der ZPO vorgenommen. Die „Wirkungen“ des P-Kontos sind nunmehr in einem eigenen Abschnitt (Nr. 4) des Achten Buches der ZPO geregelt, in den §§ 899 ff. Nach der Gesetzesbegründung des PKoFoG, BT-Drucks. 9/19850 v. 10.6.2020, S. 20 unten, soll durch die Neustrukturierung der Vorschriften die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Regelungen zum Kontopfändungsschutz verbessert werden. Während daher in § 850k die Einrichtung und Beendigung des P-Kontos geregelt ist und § 850l Vorschriften zur Pfändung des Gemeinschaftskontos enthält, sind die weiteren Vorschriften zum Kontopfändungsschutz in den §§ 899 – 910 geregelt, in einem neuen Abschnitt 4 des Buches 8 der ZPO.
§ 850k a. F., der vormals mit seinen neun Absätzen umfangreichste Paragraf 1158 der ZPO, hat damit nicht nur seinen Status als „Mammutparagraf der ZPO“, sondern auch den der „zentralen“ Norm des Kontopfändungsschutzes verloren. Das ist an sich zu begrüßen, doch dass die Neustrukturierung die Verständlichkeit der Regelungen überall verbessert, muss leider in die Kategorie „Wunschdenken“ abgelegt werden. Es wird in der Tat einiges entfrachtet, z. B. beim § 850c, und sprachlich ist es teilweise gelungen, aber allgemein klarer, einfachere Regelungen i. R. v. Fortentwicklungsgesetzen, wird dem Gesetzgeber wohl niemals wirklich gelingen. Im Rahmen der Diskussion um das PKoFoG gab es mehrere, teils verzweifelte Versuche, den Gesetzgeber für konstruktive Vorschläge aus der Praxis zu erwärmen. So fanden sich in den – hier exemplarisch genannten – Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) oder der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), alle abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/ Pfaendungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz.html konstruktive Vereinfachungsvorschläge bis hin zu konkreten Formulierungen der Normen.
Leider war das nur an wenigen Stellen von Erfolg gekrönt. Nachfolgend wird das Kontopfändungsschutzrecht nun in der Reihenfolge der Ordnungsziffern der neuen Paragrafen kommentiert (§§ 899 – 910; weitere Kommentierungen zu Änderungen beispielsweise der AO, InsO oder zu den Moratorien oder der Drittschuldnererklärung sind in den entsprechenden eigenen Kapiteln und Abschnitten zu finden). 1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899 In dem neuen § 899 werden die allgemeinen Wirkungen des P-Kontos be- 1159 schrieben. Abs. 1 entspricht dabei im Wesentlichem dem § 850k Abs. 1 303
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Satz 1, 2 und 4 a. F., der den Grundfreibetrag, die sog. Stufe 1 des Kontopfändungsschutzes, regelt. Ebenso wird der rückwirkende Schutz geregelt. Neu eingeführt wird allerdings die Bestimmung, dass der Grundfreibetrag aufzurunden ist, und zwar auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag. Abs. 2 Satz 1 nimmt – sogar weitgehend wortgleich – die bisherige Regelung in § 850k Abs. 1 Satz 3 a. F. auf, wonach nicht verbrauchtes Guthaben übertragen werden kann, nun aber drei Monate. Neu eingeführt werden in Absatz 3 Regelungen über die Zulässigkeit von Einwendungen des Schuldners gegen die Berechnung der pfändungsfreien Beträge. a) Der Grundfreibetrag – der Basisschutz oder die sogenannte Stufe 1 des Kontopfändungsschutzes 1160 § 899 Abs. 1 Satz 1, der inhaltlich dem § 850k Abs. 1 Satz 1 a. F. entspricht, gewährt mit dem Grundfreibetrag den durch das PKoFoG reformierten Basisschutz. § 899 Abs. 1 Satz 1 lautet: „(1) 1Wird Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gepfändet, kann der Schuldner jeweils bis zum Ende des Kalendermonats aus dem Guthaben über einen Betrag verfügen, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrages nach § 850c Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 4 auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag ergibt; insoweit wird das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst.“
1161 Der Gesetzgeber bezeichnet diesen Schutz als sog. Stufe 1 des Kontopfändungsschutzes. Dieser Grundfreibetrag oder Basisschutz auf dem P-Konto betrug seit 1.7.2021 bis einschließlich 30.11.2021 1.252,64 €. 1162 Neu ist, dass der Grundfreibetrag – und nur dieser – auf dem P-Konto seit 1.12.2021 gerundet wird, auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag, § 899 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1. In der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41 begründet der Gesetzgeber die Aufrundung damit, dass eine Angleichung des Grundfreibetrages an den sich aus der Berechnung nach § 850c Abs. 3 Satz 1 ergebenden, abzurundenden Betrag erfolgt.
Aufgerundet werden aber nur Beträge des § 850c Abs. 1, nicht jedoch Erhöhungsbeträge nach § 902 Satz 1 Nr. 1 a, b und c sowie Nr. 2 bis 6. Mit Ausnahme der Beträge in Satz 1 Nr. 1a sind dies ohnehin meist staatliche Sozialoder Stiftungsleistungen, die nur so wie festgesetzt zur Verfügung gestellt werden. 1163 Der Grundfreibetrag i. H. v. 1.252,64 € beträgt daher seit 1.12.2021 bis zunächst zum 30.6.2022 gerundet 1.260,00 €. 1164 Dieser Freibetrag ist dann nicht von der Pfändung erfasst, § 899 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Beispiel: Schuldner S ist verheiratet. Ihm steht daher der Grundfreibetrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 850c Abs. 1 und Abs. 4 i. H. v. gerundet 1.260,00 € sowie für seine Ehefrau gem. § 850c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ein Betrag i. H. v. 471,44 € monatlich zu. Kreditinstitut K räumt ihm einen Gesamt-Freibetrag i. H. v. 1.731,44 € ein, während S der Ansicht ist, ihm stünde ein gerundeter Betrag i. H. v. 1.740 € zu. Zu Recht? Nein, K hat den richtigen Gesamt-Freibetrag eingeräumt. Gerundet werden darf seit 1.12.2021 nur der Grundfreibetrag, nicht aber auch die Erhöhungsbeträge oder der sich erst aus den Summen von Grundfreibetrag (gerundet oder nicht) und Erhöhungsbeträgen ergebende Betrag. § 899 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 regelt ausdrücklich, dass nur der Betrag gerundet werden darf, der sich aus § 850c Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 ergibt, nicht aber aus Abs. 2 i. V. m. Abs. 4. Daraus wird auch klar, dass erst und nur der Grundfreibetrag gerundet und dann der exakte Erhöhungsbetrag hinzuaddiert werden muss. Daraus ergibt sich ein aus 1.252,64 € seit 1.12.2021 gerundeter Betrag i. H. v. 1.260 € plus der sich aus § 850c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ergebende ungerundete Betrag i. H. v. 471,44 € für die erste Person, mithin 1.731,44 €; auch andere Erhöhungsbeträge dürfen nicht gerundet werden. Diese Erhöhungsfreibeträge sind dann ebenfalls nicht von der Pfändung erfasst. Spricht das Gesetz von „nicht erfasst“ bedeutet das, dass immer dann, wenn der Sachverhalt für die Gewährung eines Grundfreibetrag (oder der Erhöhungsbeträge) gegeben ist, sie bereits dann nicht von der Pfändung erfasst sind. Weiß ein Kreditinstitut also, dass der Schuldner einer weiteren Person gesetzlichen Unterhalt gewährt (Vorsicht: nicht nur schuldet!), könnte es z. B. den Erhöhungsbetrag i. H. v. 471,44 € (für die erste Person) auch ohne den dies nur deklaratorisch bescheinigenden Nachweis gewähren.
Nur der gerundete Grundfreibetrag allerdings ist an die Beträge der Pfändungstabelle angeglichen. Erhält der Schuldner auch Erhöhungsbeträge, kann er auch bei einer Doppelpfändung von Lohn/Gehalt und Kontopfändung einen abweichenden Betrag nur durch einen Antrag nach § 906 Abs. 2 schützen. Beispiel: Gläubiger G pfändet gegen Schuldner S sowohl bei dessen Arbeitgeber A als auch bei dessen Kreditinstitut K. S verdient 1.400 €, so dass 103,15 € bei A („an der Quelle“) pfändbar sind. A überweist daher die unpfändbaren 1.296,85 € auf das P-Konto des S bei K. Dort sind aber zunächst lediglich 1.260 € geschützt. S verlangt von K die Auszahlung des vollen, eigentlich ja unpfändbaren Betrages i. H. v. 1.296,85 €. Zu Recht? Nein, da der Freibetrag auf dem P-Konto nun mal nur 1.260 € beträgt. Für die Differenz i. H. v. 36,85 € muss S erst einen Antrag beim Vollstreckungsgericht stellen, ihm nach § 906 Abs. 2 einen Freibetrag i. H. v. 1.296,85 € festzusetzen. Erst dann wäre K verpflichtet, den höheren Freibetrag zu gewähren.
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1165
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1166 Die im Grundfreibetrag enthaltenen Anteile für z. B. Miet- und Nebenkosten können aber auch dazu führen, dass der gesetzliche Grundfreibetrag durch gerichtliche Festsetzung unterschritten werden kann. So hat das AG Bamberg entschieden, dass dann, wenn der Schuldner keine Miete zahlt, der Pfändungsfreibetrag des P-Kontos entsprechend der Mietkostenersparnis (im konkreten Fall: 423 €/Monat) zu reduzieren ist, AG Bamberg, Beschl. v. 18.3.2021 – 610 M 9003/20, JurBüro 2021, 331. Ebenso das AG Nordenham, Beschl. v. 15.2.2021 – 6 M 712/20, JurBüro 2021, 331, das zudem eine Reduzierung vorgenommen hatte für ein Kind, dessen teilweise Nichtberücksichtigung die Gläubigerin beantragt hatte, weil die Schuldnerin nur einen Kinderfreibetrag von 0,5 angegeben hatte und der Vater des Kindes Naturalunterhalt leistete, welches wiederum als Einkommen (der Schuldnerin) zu bewerten sei.
1167 Der Grundfreibetrag oder Basisschutz auf einem P-Konto wird alleine durch den Eingang einer Kontopfändung beim kontoführenden Kreditinstitut ausgelöst (Zustellung dort), also neben dem Pfändungsbeschluss auch durch Zustellung einer Vorpfändung oder einer Arrestpfändung. Eines Überweisungsbeschlusses bedarf es nicht: allein die Pfändung löst die Aktivierung des P-Kontoschutzes auf einen bestehenden P-Konto aus. Handelt es sich beim Zahlungskonto noch nicht um ein P-Konto, muss dieses allerdings erst in ein P-Konto umgewandelt werden, da sonst gar kein Pfändungsschutz in Anspruch genommen werden kann.
1168 Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der P-Kontoinhaber, solange seinem Kreditinstitut kein Pfändungsbeschluss zugestellt wurde, grundsätzlich ohne Einschränkungen über sein kreditorisches P-Konto verfügen kann. Daran hat sich durch das PKoFoG im Übrigen nichts geändert. Drittschuldnerische Kreditinstitute, die hier Einschränkungen hinsichtlich des Verfügungsumfangs behaupten und vornehmen, verstoßen gegen § 908 Abs. 1. Nach § 850k Abs. 1 Satz 3 darf ein P-Konto allerdings nur noch im Guthaben geführt werden.
Ob damit gleichzeitig – sozusagen gesetzlich vorgeschrieben – mit der Umwandlung – der Entfall eines Dispositionskredites und der Einsatz einer Kreditkarte verbunden ist, die ja bei Nutzung das Konto – für das drittschuldnerische Kreditinstitut vertraglich unverhinderbar – zwangsläufig ins Debet stellen könnten, ist offen. 1169 Dafür spricht, dass ansonsten ein vertraglicher Anspruch auf Nutzung bzw. Einsatz dieser Zusatzfunktionen einer immerhin gesetzlichen Anordnung, das P-Konto auf Guthabenbasis zu führen, entgegenstehen würde.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Dagegen spricht, dass dieser vertragliche Anspruch durch den Kontoinhaber 1170 nicht auch zwingend geltend gemacht werden muss, denn § 850k Abs. 1 Satz 3 richtet sich – zumindest auch – an ihn, vgl. auch Rn. 996, 1004 und 1172. Der Umstand das von Kontoführung die Rede ist, spricht allerdings vom Wortlaut her dafür, dass sich das Gewährleisten der Kontoführung (der Kunde unterhält ein Konto) auf Guthabenbasis sich vordringlich – ggf. sogar ausschließlich – an das drittschuldnerische Kreditinstitut wendet. Ebenso spricht dafür, dass in erster Linie das Kreditinstitut die Führung auf Guthabenbasis gewährleisten muss, da es in den Gesetzesmaterialien heißt: „Die technische Umsetzung wird durch den Entwurf nicht vorgegeben; eine Möglichkeit der Umsetzung für Kreditinstitute dürfte aber das sog. ‚Zwei-Konten-Modell‘ sein, von dem bereits jetzt umfangreich Gebrauch gemacht wird“, vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 30. Der Passus „Möglichkeit der Umsetzung für Kreditinstitute“ deutet an, dass es (nur) Aufgabe der Kreditinstitute sein könnte, dass das P-Konto im Guthaben funktioniert.
Es besteht also keine zwingende Gefahr, dass der P-Kontoinhaber diese Zusatz- 1171 leistungen auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Insofern darf ab dem 1.12.2021 ein P-Konto auch grds. weiterhin mit einer Kreditkarte verknüpft sein. P-Konten dürfen zwar nur noch auf Guthabenbasis geführt werden; das bedeutet aber nicht zwingend, dass sie auch ohne Kreditkarte geführt werden müssen. Ggf. muss aber das Kartenlimit auf 0,00 € gesetzt werden oder die bestehende Kreditkarte wird – einvernehmlich mit Zustimmung des Kunden – in eine prepaid-Kreditkarte umgewandelt.
Trotzdem besteht eine Gefahr, dass durch Weiternutzung das P-Konto ins Soll 1172 gerät; daher wird eine außerordentliche Kündigung einer normalen DebitKreditkarte durch das drittschuldnerische Kreditinstitut möglich sein. Auch könnte die Inanspruchnahme des Dispositionskredites als höchstpersönlicher Anspruch nicht gepfändet und von einem Pfändungsgläubiger geltend gemacht werden, vgl. Rn. 598. Es ist daher relativ sicher davon auszugehen, dass sich die Rechtsprechung in Weiterentwicklung des BGH-Urteils, v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, WM 2013, 1796, Rn. 32 ff.,
auf den Standpunkt stellen wird, dass eine Nutzung der Kreditkarte oder der eingeräumte Dispositionskredit – trotz der gesetzgeberischen Forderung, das P-Konto nur noch auf Guthabenbasis führen zu dürfen, weiterhin gekündigt werden müssen und nicht anlässlich der Umwandlung automatisch entfallen können, auch wenn § 850 Abs. 1 Satz 3 zum Zeitpunkt dieses BGH-Urteil noch nicht existierte. Bei Neu-Eröffnung eines P-Kontos ist die Nicht-Zurverfügungstellung der Zusatzleistung einer eingeräumte Überziehungsmöglichkeit gem. § 504 BGB (= Dispositionskredit) selbstverständlich zulässig, selbst dann, wenn ein vergleichbares Nicht-P-Kontomodell des Kreditinstitutes das standardmäßig vorsehen würde, was ohnehin eher die Ausnahme darstellen dürfte.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Da zudem das P-Konto nur noch auf Guthabenbasis geführt werden darf, § 850k Abs. 1 Satz 3, werden Kreditinstitute auch dazu übergehen, solche Zusatzleistungen aus der teil-automatisierten Vergabe von eingeräumten Überziehungen („Aktivlinie“) herausnehmen, damit nicht versehentlich unbemerkt, weil automatisiert eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt wird. Dass Kreditinstitute dazu übergehen werden, unterhalb pfändungsfreier Einkünfte generell keine Dispositionskredite mehr zur Verfügung zu stellen, dürfte allerdings nicht eintreten, denn zu einem wäre es ein unzulässiger – und auch nicht zutreffender – „Generalverdacht“, zum anderen würde es sie auch der Möglichkeit berauben, weiterhin Erträge durch Sollzinsen zu generieren.
1173 Durch die Regelungen des § 901, der umfassende Verbote der Aufrechnung und Verrechnung von eingehenden Leistungen bei debitorischen P-Konten vorsieht, macht es für einen Kunden seit 1.12.2021 unter Umständen durchaus Sinn, ein P-Konto präventiv einzurichten, also auch für den Fall, dass das Zahlungskonto noch gar nicht gepfändet ist, vgl. Rn. 2930 (dass sich ein präventives Umwandeln aber auch gegen den Schuldner wenden kann, vgl. dazu Beispiel unter Rn. 1365). Nach § 850k Abs. 1 Satz 2, den der Gesetzgeber klarstellend eingefügt hat, hat der Kontoinhaber auch einen Anspruch auf jederzeitige Umwandlung seines Zahlungskontos in ein P-Konto, wenn dieses (zunächst noch) debitorisch geführt wird, also im Soll steht.
1174 Das P-Konto wird zumeist ohne die mit Kreditrisiken verbundenen Zusatzleistungen (wie Kreditkarte, Lastschrift-Kontingent oder Möglichkeit einer „eingeräumte Überziehungsmöglichkeit“ = Dispositionskredit) zur Verfügung gestellt, siehe dazu Rn. 1075 ff.,
und die Tatsache der Einrichtung führt zumeist zu einer Auskunftei-Meldung des P-Kontos. Die Datenweitergabe, aber auch die Löschungspflichten für das P-Konto sind nun in einem eigenen Paragrafen, dem § 909 geregelt, vgl. dazu Rn. 2206.
1175 Der Regelfall in Praxis dürfte trotzdem weiterhin sein, dass eine Umwandlung des Girokontos nur dann erfolgt, wenn das Konto bereits mit einer Kontopfändung belegt ist, erstmals eine zugestellt wird oder unmittelbar bevorsteht. Ebenso, wenn ein Insolvenzverfahren droht. Zu den Auswirkungen eines sog. inaktiven oder deaktivierten P-Kontos, also eines Kontos, das zwar bereits P-Konto, aber nicht mit Kontopfändungen belegt ist, vgl. Rn. 1141.
1176 An sich besteht daher keine Notwendigkeit für den Schuldner, ein kreditorisches Konto „auf Vorrat“ in ein P-Konto umzuwandeln. Anders mag das sein, wenn das Konto debitorisch geführt wird, da dann ein Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz greift, siehe § 901, auch für ein Konto, das noch nicht gepfändet ist, siehe dazu Rn. 1542.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
b) Schutz von Guthaben „Guthaben“ im Sinne des Kontopfändungsschutzrechtes ist nicht nur die po- 1177 sitive Saldoforderung im engeren Sinne, sondern umfasst zum Teil auch Zahlungseingänge auf dem P-Konto. aa) Definition „Guthaben“ „Guthaben“ i. S. d. § 899 ist zunächst einmal nur das reine Konto-Guthaben, 1178 also die eventuelle Saldoforderung des Kontoinhabers gegen sein Kreditinstitut. Lt. BGH, Urt. v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, NJW 1981, 1611 erfasst die Pfändung des Guthabens aus einem Kontokorrentverhältnis nur die Saldoforderung, nicht auch die kontokorrentgebundenen Einzelforderungen.
Beispiel: Gegen das Konto des Schuldners S geht ein PfÜB ein. S wandelt sein Konto in ein P-Konto um. Er hat einen Freibetrag i. H. v. 1.600 €, den er mittels Bescheinigung nach §§ 902, 903 belegt. Bei Eingang des PfÜBs steht das Konto mit 400 € im Haben. Nach Eingang des unpfändbaren Teils seines Gehalts i. H. v. 1.300 € sowie einer Steuererstattung i. H. v. 300 € steht das Konto mit 2.000 € im Haben. Was ist nun das (geschützte) „Guthaben“? 1) das tatsächliche Kontoguthaben i. H. v. 2.000 € oder 2) 1.600 € (1.300 € + 300 €) die Gutschriften, die nach Umwandlung eingegangen sind? Lösung: Grundsätzlich ist es der positive Kontosaldo zu Gunsten des S, hier in Höhe von 2.000 €, das als Guthaben i. S. d. § 899 Abs. 1 hinsichtlich der Unpfändbarkeit geprüft wird. Dass er nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur Gutschriften in Höhe von 1.600 €, also in Höhe seines Freibetrages erhalten hat, führt nicht etwa dazu, dass sowohl die 1.600 € als auch die 400 €, die vorher schon auf dem Konto als Guthaben vorhanden waren, nicht der Pfändung unterliegen. Daher: Nicht die Gutschrift (der Mittelzufluss) ist geschützt, sondern nur der tatsächliche Guthabenbetrag. Beachte aber nachfolgendes Schaubild unter Rn. 1180; zu den Ausnahmen im Rahmen des § 901, Verrechnungs- und Aufrechnungsschutz, siehe Rn. 1526.
Nach § 833a umfasst die Pfändung des Guthabens eines Kontos bei einem 1179 Kreditinstitut das am Tag der Zustellung des Pfändungsbeschlusses bei dem Kreditinstitut bestehende Guthaben sowie die Tagesguthaben der auf die Pfändung folgenden Tage. § 833a gilt auch bei Vollstreckungen im öffentlichen Recht, insbesondere nach § 309 Abs. 3 Satz 1 AO, vgl. Büchel, ZInsO 2020, 1513.
309
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Zu beachten ist aber die Ausnahme Art. 4 Nr. 1 und 3 i. V. m. Art. 24 Abs. 6 EuKoPfVO die eine zu § 833a abweichende Regelung trifft; dort sind ausdrücklich nur vorhandene Tagesguthabensalden „zum Zeitpunkt der Ausführung des Beschlusses“ erfasst und nicht auch die Tagesguthabensalden der auf die Ausführung des EuBvKpf folgenden Phasen, vgl. Rn. 368.
1180 Andererseits führen verschiedene Zahlungseingänge im selben Monat trotz zwischenzeitlicher Verfügung (auch) zu einer Zusammenrechnung, wie nachfolgendes Schaubild verdeutlicht:
Disposition auf dem P-Konto 300 €
PfÜb-Eingang
Kontoguthaben vor PfÜb-Eingang
250,00 €
für Kreditinstitut (AGB-Pfandrecht) oder Gläubiger
Guthaben 1.000,00 € durch 1. ZE
Guthaben 1.250,00 € durch 2. ZE Guthaben 400,00 €
gesamte Gutschriften im Monat nach Eingang PfÜb: 1.600,00 € daher Freibetrag um 300 € überschritten
1.300Euro-Linie
Guthaben nach Verfügung Null-Euro-Linie
Freibetrag i. H. v. 1.300 €; Kontoguthaben vor Pfändungseingang: 250 € Zahlungseingang i. H. v. 750,00 €, Barauszahlung i. H. v. 600,00 € und anschließend nochmals Zahlungseingang i. H. v. 850,00 €
1181 In obigem Bespiel übersteigt das Guthaben auf dem Konto zwar nie den Freibetrag, hier i. H. v. 1.300,00 € (höchstes Guthaben 1.250 €), aber die kumulierten Zahlungseingänge i. H. v. zusammen 750,00 € + 850,00 € = 1.600 € schon; da dem Schuldner, nach der gesetzgeberischen Intention, grundsätzlich (nur) das notwendige Existenzminimum belassen werden soll, was sich in dem an den Bedürfnissen des konkreten Schuldners orientierten individuellen Freibetrag bemisst, darf er monatlich auch nur darüber verfügen. BT-Drucks. 16/12714, S. 17 (rechte Spalte, Abs. 1, Satz 2).
1182 Erhält der Schuldner in der Summe mehr Zahlungseingänge als sein Freibetrag ausmacht, stehen ihm diese Beträge (im obigen Fall 300 €) im Eingangsmonat nicht mehr zur Verfügung (vgl. aber die Beispiele zu den Moratorien unter Rn. 1518 ff.). bb) Kein Herkunftsprinzip im Rahmen des Guthabenschutzes 1183 § 899 Abs. 1 schützt somit nur (Konto-)Guthaben, wobei der Gesetzgeber hier einen „erweiterten Guthabenbegriff“, Schumacher, ZVI 2009, 313, 319,
310
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
geschaffen hat. Geschützt ist daher das Guthaben abstrakt, also unabhängig davon, ob es aus „wiederkehrenden“ oder anderen Einkünften stammt. So auch Schumacher, ZVI 2009, 313 Fn. 32 unter Verweis auf die BT-Drucks. 8/693, S. 49 zu § 850k a. F: „Das Schuldnerguthaben genießt Schutz nach § 850k [der heute den §§ 899 ff. entspräche; Anm. des Verfassers] ohne Rücksicht darauf, auf welcher Überweisung das Guthaben beruht.“ Es ist damit grds. unerheblich, aus welcher Quelle das Guthaben stammt und auch ob dies durch regelmäßig oder einmalig Gutschriften entsteht, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 13.
Beispiel: Schuldner S verfügt über ein P-Konto. Er erhält monatlich „Hartz IV“ i. H. v. 446 €. Seine Eltern überweisen ihm zum Geburtstag in diesem Monat 500 € und er erhält eine Kostenerstattung i. H. v. 300 € von seinem privaten Vermieter. Nach § 899 Abs. 1 (und schon der Vorgängernorm des 850k Abs. 1 a. F.) werden diese das Kontoguthaben bildenden Zahlungseingänge monatlich zusammengerechnet. Bleibt das sich aus diesen addierten Zahlungseingängen ergebende Kontoguthaben in der Summe (hier 1.246,00 €) unter dem Grundfreibetrag, was hier der Fall ist, weil der zumindest bis 30.6.2022 geltende Grundfreibetrag schon 1.260 € beträgt, geht der Pfändungsgläubiger leer aus. Auch die Herkunft der das Konto-Guthaben ergebenden Einkünfte spielt 1184 innerhalb des Pfändungsschutzes auf dem P-Konto grundsätzlich keine Rolle. Auch versehentlich auf dem P-Konto eingehende Gutschriften, Rücklastschriften, dazu Rn. 1214, oder Gutschriften, die dem P-Kontoinhaber materiellrechtlich möglicherweise gar nicht zustehen, können Guthaben im Sinne des Kontopfändungsschutzrechtes bilden. AG Wuppertal, Beschl. v. 5.2.2016 – 44 M 5789/03 – 44 M 3168/06, BeckRS 2016, 19687 für Guthaben, dass aus einer versehentlichen Überweisung entstanden ist; der möglicherweise tatsächlich Berechtigte der Gutschrift (hier der Bruder der P-Kontoinhaberin) muss sich gegen die Vereinnahmung ggf. im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 wehren, siehe dazu auch Rn. 687; ebenso AG Kassel, Beschl. v. 13.10.2015 – 620 M 365/14, BeckRS 2016, 3214 für eine versehentlich überwiesene Gutschrift einer Gemeinde i. H. v. 3.000 €; LG Köln, Beschl. v. 30.12.2017 – 39 T 205/17, ZVI 2018, 60 für den Fall, dass der Arbeitgeber der Schuldnerin irrtümlich doppelt gezahlt hat und die Schuldnerin beabsichtigt, den überzahlten Betrag an ihren Arbeitgeber zurückzuzahlen.
Das hat auch das PKoFoG grundsätzlich nicht verändert; es bleibt – auch vor 1185 dem Hintergrund des § 850i, durch den Selbstständige, wie Arbeitnehmer auch, ihre Existenzgrundlage sichern können – eine Vereinfachung in der Handhabung. Die nicht ganz unberechtigte Kritik – etwa des Bundesrates im Rahmen des ersten Reform 2010 – dass die Pfändungsfreibeträge
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto des § 850c Abs. 1 Satz 1 auch einen Anteil für berufsbedingte Mehraufwendungen enthalten, die nun auch für „sonstige Einkünfte“ gelten, dort aber nicht anfallen, muss im Interesse einer Pauschalisierung hingenommen werden.
1186 Damit entfällt grundsätzlich eine Prüfung, ob das Guthaben aus (anderweitig) geschützten Einkünften stammt. Vor allem aber trägt es dem Umstand Rechnung, dass ein Schuldner auch andere Einkünfte aus anderen Quellen haben kann, die er zur Existenzsicherung benötigt. Nur i. R. dieser Existenzsicherung ist es deshalb auch gerechtfertigt, diese Einkünfte der Vollstreckung – zugunsten der Allgemeinheit – zu entziehen, damit diese nicht mit Sozialtransfers einspringen muss. 1187 Der Grundsatz, dass die Herkunft der das Konto-Guthaben ergebenden Einkünfte im Rahmen des Pfändungsschutzes auf dem P-Konto keine Rolle spielt, hat aber – abgesehen von zu Beginn der ersten Reform 2010 bestehenden Ausnahme bzgl. Sozialleistungen und Kindergeld – inzwischen (weitere) Ausnahmen erfahren. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 í VII ZB 64/10, VuR 2012, 111.
1188 Insbesondere dieser Beschluss des BGH, führt dazu, dass dann, wenn ein Vollstreckungsgericht den Freibetrag gem. § 906 durch Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber monatlich überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen festsetzt, ein Kreditinstitut prüfen muss, woher die Zahlungseingänge stammen. Stammen sie nämlich vom im Beschluss des Vollstreckungsgerichts genannten Arbeitgeber, muss das Kreditinstitut diese Eingänge als den Freibetrag definierende und damit pfändungsfreie Beträge freigeben. Die mit der seinerzeitigen Reform verbundenen Vorteile werden damit deutlich aufgeweicht, vgl. Rn. 860 ff. Dass das Herkunftsprinzip keine Rolle spielt, wurde auch durch das PKoFoG noch weiter aufgeweicht, z. B. indem weitere Leistungen im Rahmen des § 902 hinzugekommen sind; siehe dazu Rn. 1605.
cc) Jährliche Anpassung der Pfändungsfreibeträge 1189 Die Pfändungsfreibeträge sind weiterhin dynamisch, werden also regelmäßig angepasst, künftig aber nicht alle erst zwei Jahre, sondern jeweils zum 1.7. eines jeden Jahres, § 850c Abs. 4 Satz 2. In der Gesetzesbegründung des PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 29 führt der Gesetzgeber dazu aus: „Diese Regelung [gemeint ist der bisherige Anpassungsrhythmus, Anm. des Autors] führt dazu, dass sich Erhöhungen des steuerlichen Grundfreibetrages unter Umständen erst mit einer Verzögerung von zweieinhalb Jahren auf die Pfändungsfreigrenzen auswirken. Mit dem bisherigen Anpassungsrhythmus wird der Gleichklang der Entwicklung von steuerlichem Grundfreibetrag und Pfändungsfreigrenzen somit zeitlich erheblich verzögert umgesetzt. Ein schnellerer Anpassungsrhythmus ist aber gerade für Personen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, von besonderer Bedeutung.“
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Dies geschieht, wenn sich die prozentuale Entwicklung des Grundfreibetrags 1190 gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verändert hat, § 850c Abs. 4 Satz 2. Alle Anpassungen werden künftig gem. § 850c Abs. 4 Satz im Rahmen einer 1191 „Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung„“ im Bundesgesetzblatt als „Bekanntmachung zu § 850c“ konkret wie folgt veröffentlicht: 1. die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach § 850c Abs. 1, 2. die Höhe der Erhöhungsbeträge nach § 850c Abs. 2, 3. die Höhe der in § 850c Abs. 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge. Vorsicht: Der Grundfreibetrag wird – nicht bereits gerundet – in der „Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, denn bei der Berechnung von Arbeitseinkommen bei Pfändungen an der Quelle wird keine Rundung vorgenommen, vgl. Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 vom 10.5.2021, BGBl I, 1099. Die Rundung der Pfändungsfreibeträge auf dem P-Konto muss jedes (drittschuldnerische) Kreditinstitut also selbst vornehmen und in seinen IT-Systemen/Software administrieren.
§ 850c beschreibt daher nur noch die Berechnung der Erhöhungsbeträge; die 1192 konkreten – nicht gerundeten – Beträge werden mittels Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung bekannt gegeben. U. a. wegen des Termins der jährlichen Anpassung am 1.7., der mit der Rentenanpassung zum 1.7. eines jeden Jahres zusammentrifft, muss § 850c ebenfalls zum 1.7. in Kraft treten und damit abweichend zum Rest des PKoFoG. Vorgesehen war unverständlicherweise zuvor ein Inkrafttreten zum 1. August des auf die Verkündung folgenden Kalenderjahres (wäre 2021 gewesen). Auf diesen „Stockfehler“ wurde der Gesetzgeber aber aufmerksam gemacht und hat im Rahmen des GVSchuG das Inkraftsetzen auf den 1.7.2021 vorgezogen, um dadurch zu verhindern, dass die durch die Bekanntmachung der Pfändungsfreigrenzen zum 1.7.2021 angepassten Pfändungsfreibeträge am 1.8.2021 wieder auf die bis zum 30.6.2021 geltenden Pfändungsfreigrenzen zurückgefallen wären. Gleichzeitig trat zu diesem Datum auch die „Bekanntmachung zu den Pfändungsfreigrenzen 2021 nach § 850c der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021)“ in Kraft mit der sich die neuen Beträge ab 1.7.2021 erhöhten, vgl. Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 vom 10.5.2021, BGBl I, 1099. Damit sollte lt. Gesetzgeber sichergestellt werden, dass zur Vorbereitung der Berechnung und der Neubekanntmachung der Pfändungsfreigrenzen ausreichend Zeit zur Verfügung steht und sich die große Zahl von Anwendern der Pfändungsfreigrenzen angemessen auf die Anpassung vorbereiten können, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 48.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1193 Die Freibeträge betragen seit 1.7.2021 bis zum 30.6.2022 in § 850c Abs. 1 Nr. 1 (Grundfreibetrag): 1.252,64 €, seit 1.12.2021 monatlich gerundet 1.260 €. Die Rundungsregel allerdings galt erst seit 1.12.2021: Gerundet wird nach § 899 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 der Betrag i. H. v. 1.252,64 € auf die nächsten vollen 10 €, also dann bis zum 30.6.2022 auf 1.260 € monatlich. Hinweis: Gerundet wird nur der Grundfrei- nicht auch die Erhöhungsbeträge, vgl. Rn. 1162. Der frühere Unterschied zum niedrigsten unpfändbaren Betrag in der (nichtamtlichen) Tabelle zu § 850c ist damit ebenfalls aufgehoben, vgl. 3. Aufl., Rn. 645. Auch diese beginnt nun (vom 1.7.2021 bis 30.6.2022) mit einem pfändungsfreien Betrag i. H. v. 1.259,99 €, so dass bei Arbeitseinkommen ab 1.260 € aber schon ein mtl. pfändbarer Betrag i. H. v. 5,15 € entsteht. Trotzdem bleibt die Entscheidung des AG Charlottenburg, Beschl. v. 18.8.2011 – 32 M 4077/11, n. v., im Ergebnis für einen Freibetrag auf dem P-Konto weiterhin falsch: das (noch zu den Pfändungsfreibeträgen, die bis 30.6.2013 galten) im Rahmen eines (zurückgewiesenen) Antrages nach § 850k Abs. 5 Satz 4 i. V. m. § 850k Abs. 2 a. F., das drittschuldnerische Kreditinstitut anwies, „Beträge, welche in Summe unter 1.029,99 € liegen – unabhängig von ihrer Herkunft- der Schuldnerin pfandfrei auszuzahlen bzw. ihr in anderer Weise verfügen zu lassen.“ Diese Beträge, welche „in Summe unter 1.029,99 € liegen“, bezeichnet das AG Charlottenburg im weiteren Verlauf dann irritierenderweise als „Grundfreibetrag“.
In § 850c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (für die erste Person): 471,44 € monatlich. In § 850c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (für die 2. bis 5. Person): 262,65 € monatlich. Hinweis: Im Folgenden wird die zeitliche Begrenzung des Grundfrei- und der Erhöhungsbeträge „bis 30.6.2022“ aber nicht mehr jeweils erwähnt; die Anwender mögen beachten, dass sich diese Beträge nunmehr jährlich zum 1.7. eines jeden Jahres anpassen, wenn die Dynamisierungsvoraussetzungen gegeben sind (prozentuale Entwicklung des Grundfreibetrags gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat sich verändert).
Haftungsfalle: gerichtlich festgesetzte Beträge 1194 Die Dynamisierung erfasst zwar grundsätzlich die durch Bescheinigungen nach § 902 Satz 1 nachgewiesenen Erhöhungsbeträge, z. B. wenn der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt oder für Dritte Sozialleistungen entgegennimmt, nicht aber die durch gerichtliche Beschlüsse im Rahmen der § 906 konkret festgelegten Freibeträge. Das gilt eigentlich auch für Festsetzung im Rahmen des § 905; ein gerichtlicher Beschluss nach § 905 kann aber durch eine nachfolgende aktuellere Bescheinigung immerhin ersetzt werden, § 905 Satz 3, vgl. Rn. 1947.
Solche individuell festgesetzten Freibeträge im Rahmen des § 906 müssen mittels – regelmäßig vom Schuldner beantragter – Beschlüsse neu vom Voll314
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
streckungsgericht festgesetzt werden. Kreditinstitute dürfen daher diese Freibeträge nicht eigenmächtig erhöhen, im Glauben, die Dynamisierung wirke sich auch hier aus (Rn. 158). Zu prüfen ist aber – sicherheitshalber auch im Rahmen des § 905 – wie der konkrete Gerichtsbeschluss abgefasst ist; ggf. enthält er eine echte Festsetzung auch im Rahmen des § 905 und/oder Dynamisierung indem er auf die Freibeträge der §§ 899 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, 850c Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 als „Untergrenze“ Bezug nimmt.
§ 899 Abs. 1 gewährt dem Schuldner auf seinem P-Konto also einen monat- 1195 lichen, pauschalen, automatischen Kontopfändungsschutz, ohne dass der Schuldner überhaupt noch tätig werden müsste. c) Keine Anrechnung von Vorverfügungen Die vor Aktivierung des Freibetrages verfügten Beträge werden auf diesen 1196 nicht angerechnet: Siehe dazu auch das Beispiel (Rn. 1204), wenn Verfügung und Kontobelastung voneinander abweichen, wie bei Abhebungen an nicht institutseigenen Geldausgabeautomaten, Rn. 1201.
Beispiel: S, ledig, verfügt vom 1.–19.4.2022 über sein Konto Beträge i. H. v. 1.200 €. Am 20.4. geht ein PfÜB ein. Auf seinem P-Konto befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch 300 € Guthaben. Obwohl er bereits im Monat April 1.200 € verfügt hat, kann er auch die restlichen 300 € noch abheben. Sein Grundfreibetrag i. H. v. 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet = 1.260,00 €, der erst ab dem 20.4. aktiviert wird, aber stets schon für diesen ganzen Kalendermonat gilt, ist durch die – nicht anrechenbaren – Vorverfügungen noch nicht ausgeschöpft. Selbst wenn im April noch weitere Zahlungseingänge eingingen, könnte er davon i. H. der Differenz 1.260 € – 300 € = 960 € noch bis zu maximal dieser Höhe über Guthaben im April verfügen. Hätte S dagegen in der Zeit vom 1.–19.4. über sein Konto Beträge i. H. v. nur 200 € verfügt und befänden sich am 20.4 auf seinem P-Konto noch 1.300 € Guthaben, würde der Grundfreibetrag (auch nur) Guthaben i. H. v. 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet = 1.260,00 € schützen. Somit würden, wenn S keinen höheren Freibetrag erhält, 40 € (1.300 € –1.260,00 €) vom AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes oder für den Gläubiger erfasst. Diese könnte das Kreditinstitut aber ggf. Ablauf der Sperrfrist des § 900 Abs. 1 mit eigenen fälligen Forderungen verrechnen oder an den Pfändungsgläubiger abführen. Dass Vor-Verfügungen nicht angerechnet werden,
1197
so auch Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 13; a. A. Goebel, Rn. 367,
und daran hat sich durch das PKoFoG nichts geändert, wurde bei der ersten Reform 2010 damit begründet, dass das Gesetz keine An- bzw. Zusammen315
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
rechnung mit vor der Pfändung erfolgten Verfügungen über Kontoguthaben vorsieht und es schon deswegen auch keine Billigkeitsentscheidungen zugunsten von Pfändungsgläubigern geben könne. Schumacher, ZVI 2009, 313, 319.
1198 Das mag man auf aus Gläubigersicht bedauern, ist aber dem – in diesem Fall höher anzusetzenden – Interesse nach einem einfachen und sicheren Kontopfändungsschutz geschuldet. Auch für die drittschuldnerischen Kreditinstitute hätte eine andere Verfahrensweise zu erheblichem Mehraufwand geführt. Zur deutlichen Kritik an solchen Abwägungskriterien: Jäger, ZVI 2007, 544, 546,
1199 Auch entstehen keine zusätzlichen Haftungsrisiken, weil dadurch die Disposition gepfändeter Konten nicht zusätzlich erschwert wird.
Disposition bei „Vorverfügungen“ auf dem P-Konto
PfÜb-Eingang
gesamte Verfügungen im Monat:
1.260Euro-Linie
1.400,00 € 100,00 € Monatsbeginn
950,00 €
300,00 € 50,00 €
Trotzdem sind 950,00 € noch geschützt, da Vorverfügungen nicht angerechnet werden
Monatsende
Null-Euro-Linie
Verfügungen vor Pfändungseingang
Verfügungen nach Pfändungseingang Sockelbetrag i. H. v. 1.252,64 € (gerundet 1.260 €); Zahlungseingang i. H. v. 950,00 € + Barverfügung dieser 950,00 € nach Pfändungseingang
d) Berücksichtigung von Verfügungen in Sonderfällen 1200 Im heutigen Zahlungsverkehr werden Verfügungen über das Konto fast ausschließlich über Bank- und SparkassenCards, online banking oder auch Kreditkarten getroffen. Durch deren manchmal verzögerte Abbuchung vom Konto, wenige Stunden/Tage oder aber auch Wochen (Kreditkarten-Abrechnung) ergeben sich bei einem P-Konto zusätzliche Probleme für die Frage, wie und ab wann solche Verfügungen beim Freibetrag zu berücksichtigen sind. Kreditinstitute werden ein damit entstehendes Haftungsrisiko nicht eingehen und auch Kredit-Kartenverfügungen nicht mehr zulassen. Siehe dazu auch Rn. 1075 und Rn. 1211.
316
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Verfügungen mit institutseigenen Karten, auch am fremden Geldausgabeautomaten (GAA) und im online banking, sind durch eine vorherige Autorisierung des Umsatzes grundsätzlich kein Problem mehr. aa) Verfügung an Geldautomaten Bei Verfügungen am GAA, muss sich der Kunde zunächst durch den Einschub 1201 der Karte in den GAA und die Eingabe seiner PIN, den Ziffern, aus denen die Geheimzahl besteht, legitimieren. Der GAA liest dann die auf dem Chip codierten Daten und gleicht sie mit dem Autorisierungsrechner des kartenausgebenden Kreditinstituts online ab. Dazu im Detail: Maihold, in: Bankrechts-Hdb., § 32 Rn. 79 f.
Stimmen sie überein, reicht also das Kontoguthaben (oder das vorher verein- 1202 barte Kreditlimit) aus und ist auch der Verfügungsrahmen der Kreditkarte eingehalten, erhält der Kunde den gewünschten Betrag an jedem dafür vorgesehenen, nicht nur institutseigenen, GAA ausgezahlt. Der Verfügungsrahmen, über den der Kunde von seinem Kreditinstitut informiert wird, ist eine zum Schutz des Kunden Zeitraum bezogene sog. Transaktionssperre. Bei jeder Transaktion wird geprüft, ob der meist aus versicherungsrechtlichen Gründen institutsstandardisierte Verfügungsrahmen durch bereits vorausgegangene Verfügungen schon ausgeschöpft ist. Ist das der Fall, werden weitere Verfügungswünsche zurückgewiesen. Anders als die bonitätsabhängige finanzielle Nutzungsgrenze führt der ausgeschöpfte Verfügungsrahmens (nur) zu einer vorübergehenden Sperre um Missbrauch vorzubeugen, vgl. dazu Maihold, in: Bankrechts-Hdb., § 32 Rn. 36.
Diese Verfügung an fremden GAA werden erst ein paar Tage später (in der 1203 Regel maximal zwei), dem Konto des Kunden bei seinem Kreditinstitut belastet. Für die Frage der Anrechnung auf den Pfändungsfreibetrag, ist zunächst fest- 1204 zustellen, dass es zwei Salden gibt: den Kapitalsaldo und den Dispositionssaldo. Beispiel: S aus Hamburg hebt am 29.9. an einem GAA in München 200 € ab. Die 200 € sind das Restguthaben aus übertragenem nicht verbrauchtem Guthaben, das aus einem Zahlungseingang aus Juni entstanden, über das er wegen seines ArbeitsAuslandsaufenthaltes keine Verfügungen mehr von seinem gepfändeten P-Konto getroffen hatte. Im Oktober unterliegt es wieder der Pfändung, weil das nicht verbrauchte Guthaben dann nicht mehr weiter übertragen werden kann. Sein P-Kontoguthaben reduziert sich durch die GAA-Abhebung von 200 € auf 0 €. Der Dispositionssaldo beträgt nun 0 €, während der Kapitalsaldo noch 200 € beträgt, da der Betrag tatsächlich noch nicht seinem Konto belastet wurde. Die Belastung des P-Kontos mit dem am GAA verfügten Betrag erfolgt erst im Oktober, am 1.10.2021. Gläubiger G besteht auf Abführung der 200 €. Zu Recht?
317
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Lösung: Nein. Bei einer Verfügung an einem fremden GAA wird aufgrund der sog. Autorisierungsabfrage (siehe oben) der Dispositionssaldo augenblicklich im Zeitpunkt der Verfügung am GAA um den Auszahlungsbetrag reduziert. Als Dispositionssaldo wird derjenige Saldo bezeichnet, der sich unter Berücksichtigung solcher Verfügungen ergibt, die vom Kontoinhaber bereits getätigt worden und für das Kreditinstitut auch als solche schon erkennbar sind, die aber noch nicht gebucht wurden. Für die Anrechnung ist daher auf diesen Dispositionssaldo abzustellen, denn nur dieser spiegelt verlässlich und in zeitlicher Hinsicht für das P-Konto verfügungsgenau wider, welche Verfügungen der Schuldner in welchem Monat getroffen hat. S hat also gem. § 899 Abs. 2 Satz 1 noch rechtzeitig vor Ablauf des „Dritt-Folgemonat“ September das übertragene, nicht verbrauchte Guthaben des Zahlungseingangsmonats Juni verbraucht. G geht leer aus. Zu beachten auch die Entscheidung des BGH, Urt. v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292: Für Geldabhebungen am GAA des kontoführenden Kreditinstituts sind alle Tage, an denen der jeweilige GAA betrieben wird, Geschäftstage i. S. v. § BGB § 675n I 4 BGB, auch Samstage, Sonntage und Feiertage. Bei Verfügungen an fremden GAAs ist der sog. Dispositionssaldo entscheidend. Wenn die Verfügung autorisiert ist und der Kunde sein Geld am Fremdautomaten erhält, ist der Betrag noch rechtzeitig im alten Monat verfügt. Diese Autorisierung erfolgt unmittelbar zu dem Zeitpunkt, in dem der Karteninhaber sich über seine Karte und Geheimzahl an dem fremden GAA identifiziert und den gewünschten Betrag eingibt. Beim kontoführenden Kreditinstitut wird dann geprüft, ob ausreichend – verfügbares – Kontoguthaben zur Verfügung steht. Insofern ist der Kapitalsaldo, der erst durch die tatsächliche Belastung des Kontos um den Verfügungsbetrag im nächsten Monat (in der Regel zwei Tage später nach der Verfügung) erfolgt, unerheblich. Der dagegen maßgebliche Dispositionssaldo wurde insoweit bereits durch die sog. Autorisierungsabfrage im Zeitpunkt der Verfügung reduziert. Soweit dies technisch so gehandhabt wird, ist daher die obige BGH-Rechtsprechung auch bei Verfügungen an fremden Geldausgabeautomaten übertragbar. Nur wenn es nicht auch zu einer taggenauen Reduzierung des Dispositionssaldos kommt (dürfte allerdings kaum noch vorkommen), wäre in diesen Fällen die Voraussetzung der obigen BGH-Rechtsprechung, dass ein Geschäftstag nur ein Tag ist, an dem der an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligte Zahlungsdienstleister den für die Ausführung von Zahlungsvorgängen erforderlichen Geschäftsbetrieb unterhält, nicht erfüllt. Ein fremder GAA ist (dann) keine Einrichtung des kontoführenden, sondern eines anderen Instituts; nur ein eigener GAA würde insoweit als Einrichtung des kontoführenden Instituts gelten, dass dieses als „erforderlichen Geschäftsbetrieb zur Ausführung von Zahlungsvorgängen“ bereitstellt.
1205 Gleiches gilt, wenn der PfÜB in der Zeit zwischen der Verfügung am GAA und der Abbuchung vom Konto eingeht. Die autorisierten Verfügungen am 318
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
GAA vor Zustellung des PfÜBs gelten als den Pfändungsfreibetrag nicht reduzierende Vorverfügungen. Siehe zu den Vorverfügungen im Detail Rn. 1196.
Hebt der Schuldner im Ausland ab, ist zudem bei Zeitverschiebungen die 1206 deutsche, nicht die ausländische Zeitzone maßgeblich. Beispiel: S hebt im obigen Beispiel am 1.10. um 7:00 Uhr Ortszeit an einem GAA in Canberra, Australien, ab, wo sich wegen eines Arbeits-Auslandsaufenthaltes aufhält. Nach deutscher Zeitzone liegt die Verfügung noch im September, nämlich acht Stunden früher (wegen der Sommerzeit nicht neun Stunden) um 23:00 Uhr MESZ. S hat damit noch rechtzeitig verfügt. Ein anderes Ergebnis wäre deshalb auch nicht vertretbar, da auch die ggf. 1207 durchgeführte Autorisierungsabfrage des in Deutschland stationierten Autorisierungsrechners nur auf die deutsche Zeitzone abstellen kann. Anders dagegen bei einem Unterschied zwischen Wertstellungsund Buchungstag, siehe Rn. 1278.
Verfügungen an GAA der eigenen oder institutsverbundenen Institute sind 1208 zumeist für den Kunden entgeltfrei. Ebenso gilt dies für Verfügungen an GAA eines Geldautomatenverbundes. Die meisten deutschen Kreditinstitute haben sich zu verschiedenen GAA-Verbünden zusammen geschlossen, um ihren Kunden möglichst bundesweit eine – zumeist kostenlose – Bargeldversorgung anbieten zu können. Den größten Verbund bilden die Sparkassen und Landesbanken mit ca. 23.200 Geldautomaten, gefolgt von den Volks-, Raiffeisen- und PSD-Banken (BankCard ServiceNetz) mit knapp 17.610 und dem Verbund „Cash Group“ der großen Privatbanken wie z. B. Deutsche Bank, HypoVereinsbank, Commerzbank, Postbank, mit ca. 9.000 GAAs. Im Cashpool sind insgesamt 2.800 Automaten von derzeit 35 Banken vereint, darunter die Sparda-Banken sowie Santander, Targo-Bank, Degussa und BBBank, während die ING etwa 1.100 eigene Geldausgabeautomaten betreibt. siehe https://www.test.de/Geldautomaten-Wo-Bankkundenkostenlos-Geld-ziehen-4699732-0/, per 26.7.2021.
Hebt eine Kunde jedoch institutsfremd ab, dann werden in der Regel Entgelte 1209 berechnet. Seit 15.1.2011 werden bei Verfügungen an GAA fremder Institute etwaige 1210 Entgelte direkt dem Kunden mitbelastet. Da das Entgelt seitdem auch bei der Autorisierungsanfrage mitberücksichtigt wird, wird der abzuhebenden Betrag incl. dem zu entrichtenden Entgelt bei der Überprüfung, ob ein ausreichender Pfändungsfreibetrag zur Verfügung steht, berücksichtigt. An den obigen Zahlen zu der Anzahl der Automaten, deren Anzahl den Zenit im Jahre 2018 mit rund 77.000 inzwischen überschritten hat und weiter zurückgehen wird, wird klar, dass Kreditinstitute
319
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto mit einer hohen Anzahl von GAAs ungern Kreditinstitute „subventionieren“, die ihren Kunden zumeist kostengünstigere Girokonten anbieten, aber nicht in die Aufstellung von teuren GAAs investieren, sondern ihre Kunden an fremden GAAs abheben lassen; zu „Auslagen Dritter“ Rn. 2906.
bb) Verfügungen mittels Kreditkarten 1211 Sollte ein P-Kontoinhaber – aus der Zeit vor Umwandlung und vor Pfändungszustellung – auch noch über eine Kreditkarte verfügt haben, dann ergibt sich bei Kreditkarten-Verfügungen ebenfalls das Problem, dass Verfügungen vor Zustellung einer Kontopfändung und Aktivierung des Pfändungsfreibetrages vorgenommen worden sein können, sie aber erst danach belastet werden. In der Regel wird die Zusatzleistung „Kreditkarte“ bei einem P-Konto nicht gewährt (Ausnahme: prepaid-Kreditkarten, vgl. Rn. 1114). Kredit bedeutet „Vertrauen“. Dieses kann ein Kreditinstitut nicht (mehr) jemandem gegenüber aufbringen, der durch Einrichtung eines P-Kontos zu erkennen gibt, sich gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder vor Verrechnung des eigenen Kreditinstitutes, vgl. § 901, schützen zu müssen. Erst recht dann nicht, wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bereits eingeleitet wurden, also die Kontopfändung dem Kreditinstitut bereits zugestellt wurde.
Beispiel: Schuldner S arbeitet viel im Ausland und verfügt über eine Kreditkarte seines P-Konto-Kreditinstitutes K. Er verfügt insgesamt 560 € bis zum 4.9. Am 5.9. wird seinem kontoführenden Kreditinstitut ein PfÜB zugestellt. Der aktivierte Grundfreibetrag beträgt 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet = 1.260,00 €. S hebt – vor der Sperrung der Kreditkarte durch K – am 5.9. weitere 900 € ab. Am 8.9. wird mit der monatlichen Kreditkartenabrechnung der Betrag i. H. v. 1.460 € dem P-Konto des S belastet. Lösung: Der Freibetrag wäre um 200 € (1.460 € ./. 1.260,00 €) „überzogen“. Selbst bei sofortiger Sperrung der Kreditkarte, besteht – bei institutseigenen Kreditkarten eine Einlösegarantie für die Kreditkarten-Abbuchungen. Bei institutsfremden Kreditkarten (der Schuldner hat eine Kreditkarte einer anderen Institution, lässt aber die Kreditkartenabrechnung über das P-Konto abbuchen), entsteht das Problem nicht, weil hier keine Einlösegarantie bestünde; die Abrechnung würde wie eine gewöhnliche Lastschrift behandelt, die bei Überschreitung des Freibetrages nicht eingelöst werden müsste. Die Lastschrift würde mangels Masse zurückgegeben. Gibt das Kreditinstitut eigene Kreditkarten (oder einem Zentralinstitut derselben Institutsgruppe, z. B. Landesbank bei Sparkassen) aus, werden die Zahlungen durch das kartenausgebende Kreditinstitut dem Händler gegenüber garantiert, d. h., das Kreditinstitut steht dem akzeptierenden Unternehmen für die Erstattung des jeweiligen mit der Kreditkarte verfügten Betrag ein.
320
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Das Kreditinstitut kann solche späteren Belastungen daher nicht verhindern. Das P-Konto muss also mit dem in der Kreditkartenabrechnung geltend gemachten Betrag belastet werden. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch das P-Konto in das Soll geriete. Wegen der neuen Maßgabe des § 850k Abs. 1 Satz 3 „Ein Pfändungsschutzkonto darf jedoch ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden.“ muss das Kreditinstitut ggf. dann sogar dafür Sorge tragen, dass der daraus entstehende Sollsaldo auf ein Zweitkonto ausgebucht wird, vgl. Rn. 1563. Hier liegt ein weiteres Risiko für das Kreditinstitut. Gehen danach keine Zahlungseingänge oder nur noch durch das Verrechnungsverbot des § 901 geschützte Leistungen ein, führt das dazu, dass das Kreditinstitut auf seinem Sollsaldo (zunächst) sitzenbleibt (zu den dann bestehenden Möglichkeiten, siehe Rn. 1568).
Das gilt auch, wenn zwar das Guthaben, nicht aber der Pfändungsfreibetrag 1212 ausreicht. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Anrechnung der Verfügung auf den Pfändungsfreibetrag ist die Abbuchung der Kreditkartenabrechnung. Vorher werden regelmäßig keine verlässlichen, jedenfalls automatisiert i. R. d. Kontodisposition verarbeitbare Information über bevorstehende Kreditkartenverfügungen zur Verfügung stehen,
Diese Abbuchungsbeträge können gleichwohl als garantierte Zahlungen,
1213
siehe dazu Rn. 411 f.,
aufgrund des dem Kreditinstitut zustehenden und der Pfändung vorgehenden AGB-Pfandrechts, siehe dazu Rn. 421,
aus diesem Guthaben zu begleichen. Ein Pfändungsgläubiger ginge daher leer aus. Der Verrechnungsschutz des § 901 gilt naturgemäß nur für debitorische Konten und nur für Beträge bis zur Grenze des Pfändungsfreibetrages. Oberhalb des Pfändungsfreibetrages unterliegen Guthaben grundsätzlich dem AGB-Pfandrecht.
cc) Rücklastschriften Wenn das P-Konto durch eine Lastschrift belastet wird, das Guthaben oder 1214 der Grundfreibetrag aber nicht mehr ausreichen, um sie vollständig einzulösen, wird diese Lastschrift zurückgegeben. Gleiches gilt, wenn der Kontoinhaber selbst der Lastschrift widerspricht. Der Belastung kann der Kunde regelmäßig acht Wochen nach Belastungsbuchung (autorisierte Lastschrift, § 675x BGB) bzw. sogar bzw. innerhalb von dreizehn Monaten (!) bei nicht autorisierten Lastschriften (§ 676b Abs. 2 BGB) widersprechen und eine Wiedergutschrift verlangen.
321
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1215 In gleicher Höhe erfolgt dann – zumeist nach ca. 1 bis 2 Tagen – eine Wiedergutschrift des Betrages. 1216 Wird die Lastschrift dem Konto belastet, also eingelöst, ist dies eine Verfügung, die selbstverständlich auf den Pfändungsfreibetrag – wie eine Barabhebung – angerechnet wird. Beispiel: S hat einen Freibetrag i. H. v. 1.300 €. Durch verschiedene Verfügungen in diesem Monat hat er davon 1.100 € bereits verfügt. Am 30.9. wird eine Lastschrift von Giropay i. H. v. 80 € abgebucht. Der verbleibende Grundfreibetrag für diesen Monat beträgt danach nur noch 120,00 € (1.300 € ./. 1.100 € ./. 80 €). 1217 Reicht der noch verbleibende Freibetrag für den Lastschriftbetrag allerdings nicht mehr aus, gibt das kontoführende Kreditinstitut diese zurück. Wegen der Möglichkeit, der Lastschrift zu widersprechen, erfolgt die Belastung – und damit auch die Anrechnung auf den Freibetrag – insoweit also nur „vorläufig“. 1218 Wenn mit der Rücklastschrift der Betrag wieder gutgeschrieben wird, muss daher auch die Anrechnung wieder rückgängig gemacht werden. Beispiel: S hat einen Freibetrag i. H. v. 1.300,00 €. Durch verschiedene Verfügungen in diesem Monat hat er davon 1.100 € bereits verfügt. Am 30.9. wird eine Lastschrift i. H. v. 80 € von Giropay abgebucht. Dieser Belastung widerspricht S am 6.10. Der verbleibende Grundfreibetrag für diesen Monat September von zunächst nur noch 320 € (1.300 € ./. 900 € ./. 80 €) erhöht sich dadurch um 80 € auf 400 €. Soweit dieser Betrag nicht verbrauchtem Guthaben entspricht, wird dieses in den Folgemonat übertragen. 1219 Die Lastschrift muss das Kreditinstitut unabhängig davon rückgängig machen, ob es zwischenzeitlich Beträge an den Pfändungsgläubiger ausgekehrt hat. Das Kreditinstitut muss bei Lastschrift-Rückgaben den Freibetrag bis zum Monat der ursprünglichen Belastung ggf. aufwändig zurückstaffeln. Bei unautorisierten Lastschriften nach 13 Monaten ein erheblicher Aufwand, der alleine schon dafür spräche, P-Kontoinhaber aus dem Lastschriftverfahren auszuschließen. Zwar wird durch das Prinzip first-in-first-out, siehe dazu Rn. 1282,
dies in den ganz überwiegenden Fällen dazu führen, dass zumeist der rückwirkend erhöhte Freibetrag durch jeweils Übertragung nicht verbrauchten Guthabens in den Folgemonat dann auch noch aktuell zur Verfügung steht, aber blind darauf verlassen darf sich das Kreditinstitut nicht, z. B. wenn ausnahmsweise einmal in einem der Monate zwischen Belastung und Rückgabe keine (oder zu geringe) Verfügungen erfolgt sein sollten. Möglicherweise kann diese Problematik auch entstehen, wenn eine Vielzahl von Rückgaben in einem bestimmten Monat und/oder sehr hohe Rücklastschriften zu buchen sind.
322
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Beispiel: S hat einen Freibetrag i. H. v. 1.300 €. Wegen eines längeren Arbeits-Auslandsaufenthalts hat er davon im April erst 100 € verfügt. Am 30.4. wird eine Lastschrift von i. H. v. 900 € Giropay abgebucht. Dieser Belastung widerspricht S am 6.8. nach Rückkehr aus dem Ausland und Kenntnisnahme des Rechnungsabschlusses und der Kontoauszüge. Der Betrag wird dem Konto am 7.8. wieder gutgeschrieben. S, der im Ausland freie Kost und Logis seines Arbeitgebers genießt, verbrauchte bis dahin nichts. Die nachträgliche Anrechnung beim Freibetrag führt dazu, dass im April 900 € nicht verbrauchtes Guthaben entsteht, das in den 3 Folgemonaten (Mai bis Juli) übertragen wird. Im August muss dieses Guthaben dann aber an den Gläubiger abgeführt werden, da der nicht genutzte Freibetrag vom April nicht in den vierten Monat (August) übertragen werden kann. Haftungsfalle: Möglicherweise ist es bei regelmäßigen Zahlungsein- und -ausgängen nach 1220 Wiedergutschrift des Lastschriftbetrages ganz überwiegend zutreffend, aber nicht in jedem Fall (siehe Beispiel oben) zu empfehlen, statt einer aufwändigen Rückstaffelung der Einfachheit halber, den Freibetrag nur des Monats, in dem die Rücklastschrift erfolgt ist, um diesen Betrag der Rücklastschrift zu erhöhen. So Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.12.1.
Aus dem obigen Beispiel wird aber auch deutlich, dass das nicht immer ohne 1221 Haftungsrisiken funktioniert. dd) Anrechnung von Darlehenstilgungen Lässt ein P-Kontoinhaber von seinem gepfändeten P-Konto Tilgungen für 1222 Darlehen abbuchen, etwa mittels Lastschrift oder Dauerauftrag, ist fraglich ob das zulässig ist, wenn dies zu Lasten der pfändungsfreien Beträge erfolgt. Weigert sich der Kunde das zuzulassen, kann das Konto führende Kreditinstitut 1223 dies nicht zwangsweise durchsetzen. Dagegen spricht bei einem debitorischen P-Konto § 901 i. V. m. § 850k Abs. 1 Satz 3, bei einem kreditorischen P-Konto die §§ 899, 902 i. V. m. § 903. Die geschützten Gutschriften bzw. Guthaben sind der Pfändung und damit auch, § 394 BGB, der Aufrechnung durch das AGB-Pfandrecht entzogen. Gegen eine Forderung, die nicht der Pfändung unterworfen ist, kann nach § 394 Satz 1 BGB keine Aufrechnung stattfinden. Dies gilt sowohl für nicht der Pfändung unterworfene Guthaben nach § 899 wie auch nach § 902.
323
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1224 Aus pfändbaren Beträgen ist eine Tilgung selbstverständlich weiterhin möglich: Beispiel: Der Gläubiger pfändet durch Kontenpfändung die Ansprüche des Schuldners S bei dessen Kreditinstitut K. Das P-Konto, auf dem S einen Freibetrag i. H. v. 1300 € hat, weist nach seinem Gehaltseingang ein Guthaben i. H. v. 1.400 € auf. K hat eigene, vorrangige Forderungen aus einem Darlehen i. H. v. noch 3.000 €, das S mit 150 € monatlich von seinem P-Konto per Lastschrift-Einzug tilgt. 100 € mtl. (1.400 € ./. 1.300 €) wären nicht vom Freibetrag geschützt. Hiermit könnte K vorbehaltlich der Moratorien mit seinen Forderungen jeweils bei Fälligkeit aufrechnen und zwar aufgrund des AGB-Pfandrechtes vorrangig gegenüber der Kontopfändung. 1225 Das AGB-Pfandrecht der Kreditinstitute, siehe dazu Rn. 421,
wird daher eingeschränkt. Der Kontopfändung gehen aufgrund des AGB-Pfandrechtes eigene vorrangige Forderungen des Kreditinstitutes aber regelmäßig vor; dazu gehören auch fällige Darlehenstilgungen.
1226 Der Kunde ist aber nicht gehindert, über sein unpfändbares Guthaben frei zu verfügen. Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 280/13, NZI 2014, 863, wonach auch keine Anfechtung erfolgen kann, wenn der Schuldner einen Insolvenzgläubiger aus dem unpfändbaren Vermögen Zahlungen leistet.
1227 Will er daraus fällige Forderungen seines Kreditinstitutes weiter bedienen, ist das natürlich zulässig. Dies kann auch aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Kreditinstitut geschehen, auch einer Vereinbarung, die der Schuldner mit seinem Kreditinstitut schon getroffen hat, bevor das P-Konto gepfändet wurde. 1228 So kann der Schuldner mit seinem Kreditinstitut auch ohne Weiteres vereinbaren, dass Darlehenstilgungen zu Lasten seiner Freibeträge auf seinem P-Konto belastet werden. Beispiel: Der Gläubiger pfändet durch Kontenpfändung die Ansprüche des Schuldners S bei dessen Kreditinstitut K. Das P-Konto, auf dem S einen Freibetrag i. H. v. 1300 € hat, weist nach seinem Gehaltseingang ein Guthaben i. H. v. 1.400 € auf. K hat eigene, vorrangige Forderungen aus einem Darlehen i. H. v. noch 3.000 €, das S mit 150 € monatlich von seinem P-Konto per Lastschrift-Einzug tilgt. 100 € mtl. (1.400 € ./. 1.300 €) wären nicht vom Freibetrag geschützt. Hiermit könnte K vorbehaltlich der Moratorien mit seinen Forderungen jeweils bei Fälligkeit aufrechnen und zwar aufgrund des AGB-Pfandrechtes vorrangig gegenüber der Kontopfändung. 324
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
50 € (150 € ./. 100 €) dagegen zahlt S aus geschütztem Guthaben; diesen Betrag braucht er sich auf den Freibetrag nur anrechnen lassen, wenn er sein Einverständnis erteilt. Ein Einverständnis wird man in der – schon vorher gegebenen – Zustimmung 1229 im Darlehensvertrag, Darlehensraten vom inzwischen zum P-Konto gewordenen Zahlungskonto des Schuldners abzubuchen, sehen können. Bei Sparkassen ist teilweise eine sog. Sparkassen-Card PLUSVariante im Einsatz. Dabei handelt es sich um einen an einer Karte hinterlegten Kreditrahmen, über den der Karteninhaber im Rahmen von Kartenzahlungen verfügen kann (ähnlich einer Kreditkarte). Bei Vertragsschluss wird sowohl der Kreditrahmen als auch eine Rückführungsrate (meist prozentual bemessen in Abhängigkeit von der Höhe des Kreditrahmens) sowie auch eine Mindestrate vereinbart. Eine Inanspruchnahme wird laufend über die Rate zurückgeführt und der Karteninhaber kann wiederkehrend über den eingeräumten Kreditrahmen verfügen. Wenn die Rückzahlungsrate auch dem (später in ein P-Konto umgewandelten) Zahlungskonto belastet wird, gilt diese Vereinbarung ebenfalls weiter, so dass auch zu Lasten der pfändungsfreien Beträge belastet werden kann. Sollte allerdings die abzubuchende Rate als „garantierte Zahlung“ behandelt werden, also nicht rückgabefähig sein und zu einem unzulässigen Sollsaldo auf dem P-Konto führen, muss die Vereinbarung durch das Kreditinstitut gekündigt werden, die Sparkassen-Card PLUS (analog einer Kreditkarte) gesperrt werden (mit Kundeninformation, siehe dazu Rn. 1079) und der möglicherweise schon entstandene Sollsaldo zu Lasten des Zweitkontos ausgebucht werden (zu den andere Möglichkeiten, das P-Konto im Guthaben zu führen, vgl. Rn. 996). Das Kreditinstitut wird dann auch eine Rückzahlungsvereinbarung hinsichtlich des durch die Nutzung der Sparkassen-Card-PLUS entstandenen Sollsaldos treffen und das Sparkassen-Card-PLUS-Korrespondenz-Konto schließen.
Ob diese Zustimmung auch dann weiter gilt, wenn sie bereits gegeben wurde, 1230 bevor das Abbuchungskonto den P-Kontostatus erhielt oder ob es dann einer ausdrücklichen Erneuerung dieser Zustimmung bedarf, scheint angesichts verbraucherfreundlicher Rechtsprechung nicht gänzlich ausgeschlossen. Kreditinstitute könnten daher, wenn sie ganz sicher gehen wollten, dies durch eine neue Vereinbarung bekräftigen. Nötig scheint dem Autor das allerdings nach derzeitigem Stand der Dinge nicht. Zudem birgt eine solche erneuernde Bekräftigung innerhalb der Zusatzerklärung P-Konto die Gefahr, am Maßstab des § 307 BGB gemessen zu werden; BGH, Urt. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZVI 2013, 14;
dann könnte das Ergebnis sein, dass eine solche Klausel den Zugang zum P-Konto erschwert, weil der Zahlungskonto-Inhaber davon ausgeht, dass er die Umwandlung in ein P-Konto, die ihm ohne Bedingungen = unbedingt zusteht, nur erhält, wenn er dieser Klausel zustimmt. Eine solche Klausel dürfte ihn daher unangemessen benachteiligen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Praxistipp: Ob es daher noch zulässig wäre, solch eine Klausel in der „Zusatzerklärung P-Konto“ aufzunehmen, allerdings wenn überhaupt nur als opt-in-Klausel mit besonderer Hervorhebung, also mit einem eigens dafür vorgesehenen ankreuzbaren Kästchen zur positiven Abgabe der Einwilligungserklärung, scheint nicht sicher. Denn der Schuldner darf keinesfalls dadurch den Eindruck gewinnen, dass sein P-Konto-Umwandlungsanspruch nicht unbedingt ist. Sicherer wäre es daher, nach erfolgter Umwandlung dann eine separate bestätigende Vereinbarung zu treffen. Will man die die opti-in-Bestätigung nutzen, könnte sie wie folgt formuliert werden: „Soweit das P-Konto als Abbuchungskonto für Darlehenstilgungen dient, besteht Einverständnis, dies beizubehalten. F ja F nein Wichtiger Hinweis: Die Umwandlung ist nicht davon abhängig, dass der Kunde die Bestätigung abgibt oder ablehnt.“ Oder: „Soweit das Pfändungsschutzkonto als Abbuchungskonto für Darlehenstilgungen dient, wird das Kreditinstitut angewiesen, die fälligen Darlehensleistungen weiterhin dem Konto zu belasten. F ja F nein Wichtiger Hinweis: Die Umwandlung ist nicht davon abhängig, dass der Kunde die Bestätigung abgibt oder ablehnt.“ Wegen der Rechtsrisiken wird aber empfohlen, dies wenn, nach erfolgter Umwandlung in einer separaten Erklärung zu regeln.
1231 Dass die weitere Tilgung eines Kredites bei dem Kreditinstitut, bei dem der Schuldner auch das (gepfändete) P-Konto unterhält, möglich ist, zeigt auch ein Vergleich: Der Schuldner könnte auch einen Kredit bei einem anderen Kreditinstitut aufgenommen haben oder bei einem Händler, bei dem er z. B. einen neuen Kühlschrank gegen Ratenzahlung gekauft hat und diese monatlich fälligen Raten weiter vom P-Konto mittels Lastschrift einziehen lassen. Solange das P-Konto entsprechendes, verfügbares Guthaben aufweist, ist das Kreditinstitut ohnehin gehalten, ihn über das Guthaben frei verfügen zu lassen, § 908 Abs. 1. Insofern grds. besteht kein Unterschied zum eigenen Kreditinstitut, wenn er die Zahlung freiwillig aus seinem unpfändbaren Guthaben leistet und leisten will. 1232 Das gilt auch, wenn er mit seinem Kreditinstitut eine Rückzahlungsvereinbarung trifft oder getroffen hat, um einen Debetsaldo, auch den, der aus der Umbuchung im Rahmen des § 901 auf ein Zweitkonto umgebucht wurde, vgl. dazu Rn. 987 ff., zu tilgen. Insofern liegt diesbezüglich keine unzulässige Verrechnung i. S. d. § 901 vor, sondern die Erfüllung einer vertraglichen Vereinbarung, von der der Schuldner entschieden hat, dass er sie – aus unpfändbarem Guthaben – weiter erfüllen will. Die Entschuldung ist ja auch im Interesse des Schuldners, um ggf. ein Insolvenzverfahren oder weitere Zwangsvollstreckungen zu vermeiden. Auch will er im Zweifel den neuen Kühlschrank aus
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899 dem obigen Beispiel, den er ratenweise abzahlt und den er deshalb unter Eigentumsvorbehalt gekauft haben wird, behalten wollen und daher auch solche Raten weiter zahlen.
Dass eine solche Vereinbarung nicht auf Druck des Kreditinstitutes zustande 1233 kommen darf, versteht sich von selbst. Eine solche Vereinbarung würde, wenn sich nicht schon am Verrechnungsverbot des § 901 und dem damit bzgl. der pfändungsfreien Beträge eingeschränkten AGB-Pfandrecht scheitert, sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB sein.
In der Regel werden solche Vereinbarung auch nur moderat belastende, vom 1234 Schuldner der Höhe nach möglichst nachhaltig tragbare Rückzahlungsraten enthalten. Maßstab für solch moderate Rückzahlungsraten könnte die noch im DiskE vorgesehene Größenordnung von „mindestens einem Betrag von monatlich drei vom Hundert des geschützten Betrags“ sein, vgl. § 901 Abs. 1 Satz 4 E im DiskE S. 12. Zur Höhe dieses Vorschlages hatte der Gesetzgeber Folgendes ausgeführt: „In Satz 4 wird vorgesehen, dass das Zahlungsinstitut und der Schuldner eine Vereinbarung zur Rückführung der Verschuldungssituation treffen müssen. Mit dem vorgegebenen Rückzahlungsrahmen soll erreicht werden, dass der Schuldner den Kredit in einem für die Beteiligten zumutbaren Zeitraum zurückzahlt. Dadurch wird das Zahlungsinstitut nicht zu einer zeitlich unbegrenzten Kreditvergabe verpflichtet; zugleich wird der Schuldner nicht über seine Leistungsmöglichkeiten hinaus in Anspruch genommen.“ Diese gesetzlich verankerte Rückzahlungsverpflichtung aus pfändungsfreien Beträgen wurde nach heftiger Kritik insbesondere der Verbraucherschutzverbände am Ende wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zwar zurückgezogen. Es ist sicherlich auch ein wenig merkwürdig, einerseits unpfändbare Guthaben zu definieren und andererseits – gesetzlich verankert – zugleich zu bestimmen, dass dieses unpfändbare Existenzminimum weitere Kürzung hinzunehmen hat. Auf nicht gesetzlich verordneter, sondern freiwilliger Basis kann das aber als Maßstab herhalten.
Würde man diesem Maßstab folgen, dann sollten vereinbarte Rückzahlungs- 1235 raten diese 3 % des monatlich pfändungsfreien Betrages sicherlich nicht überschreiten. Der Autor würde hier aber noch weiter gehen: Da der pfändungsfreie Betrag 1236 deutlich höher ausfallen kann als die tatsächlich auf dem P-Konto verfügbaren monatlichen Einkünfte, sollten sich die 3 % nur an den tatsächlich monatlich verfügbaren, unpfändbaren Einkünften orientieren. Beispiel: Der Gläubiger pfändet durch Kontenpfändung die Ansprüche des Schuldners S bei dessen Kreditinstitut K. Das Konto steht mit 3.000 € im Soll. Dieses Debet 327
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
wird auf ein Zweitkonto umgebucht, damit das P-Konto, auf dem S, der eine 5-köpfige Familie unterhalten muss, einen Freibetrag i. H. v. 2.363,52 € hat, kreditorisch geführt werden kann. S hat ein monatliches Einkommen i. H. v. 2.100 €. S und K treffen eine Vereinbarung, dass S mit 60 € monatlich sein ehemaligen Sollstand i. H. v. noch 3.000 € aufweist, monatlich von seinem P-Konto per Einzug tilgt. Die 60 € stammen somit gänzlich aus den unpfändbaren Einkünften des S und betragen 2,53 % seiner monatlich verfügbaren Einkünfte. Solange S diese Vereinbarung ein- und an ihr festhält, darf K daher die Beträge vereinnahmen. 1237 Würden dagegen Rückzahlungsraten vereinbart, die den Schuldner übermäßig belasten, wäre das sicherlich ein Indiz für eine vorliegende Sittenwidrigkeit. Ein Schuldner, der solch eine Vereinbarung unterschreibt oder vorher unterschrieben hat und sie bestehen lässt, ohne sie der Höhe der Rückzahlungsraten nach dann an den obigen Maßstab angepasst zu haben, befindet oder befand sich vermutlich in einer Drucksituation, die § 138 BGB nicht zulassen würde. Deshalb sollte ein Kreditinstitut auch zustimmen, wenn der Schuldner eine Rückzahlungsvereinbarung, die schon früher, bei Gewährung des Darlehens, vereinbart wurde und diesen Maßstäben nicht mehr genügt, zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung und der Umwandlung des Zahlungskontos in ein P-Konto an diesen Maßstab anpassen will.
1238 Abzugrenzen ist davon die einseitige Auf- bzw. Verrechnung des Kreditinstitutes. Diese wäre bezüglich des unpfändbaren Guthabens nicht zulässig. Das bedeutet auch, dass dann, wenn der Schuldner in den obigen Beispielen nicht freiwillig (weiter) bereit wäre, diese moderaten Rückzahlungen aus seinen unpfändbaren Beträgen zu leisten, das Kreditinstitut diese fälligen Forderungen dann nicht durch Auf- bzw. Verrechnung mit diesen unpfändbaren Guthaben auf dem P-Konto tilgen könnte. Hier setzen die Pfändungsschutznormen klare Grenzen. Dass der Schuldner damit dann einen außerordentlichen Kündigungsgrund für das Kreditinstitut liefert, wenn er Verbindlichkeiten nicht mehr bedient, liegt auf der Hand, ist aber davon losgelöst zu betrachten.
ee) Keine Überschreitung des Freibetrages 1239 Im Rahmen des Grundfreibetrages bzw. eines individuellen Freibetrages muss das Kreditinstitut auf Guthabenbasis grundsätzlich alle Verfügungen des Schuldners ausführen, § 908 Abs. 1. Würde der Freibetrag durch Verfügungen darüber hinaus allerdings überschritten, darf es keine Verfügungen mehr zulassen.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Beispiel: Schuldner S ein gepfändetes P-Konto mit einem individuellen Freibetrag i. H. v. 1.300,00 €. Das Konto wird durchgängig im Haben unterhalten. Überziehungen lässt das Kreditinstitut nicht zu. 900 € hat S schon in diesem Monat verfügt. Nun geht eine Lastschrift über 500 € ein, die als Guthaben auf dem Konto noch vorhanden wären. Hier darf das Kreditinstitut die Lastschrift nicht mehr einlösen. Eine teilweise Einlösung wird zumeist an den AGB-rechtlichen Vereinbarungen von Kreditinstitut und Kontoinhaber scheitern, da diese eine Teileinlösung regelmäßig nicht vorsehen.
Ansonsten würde der Freibetrag überschritten (hier um 100,00 €). Diese 1240 Differenz steht aber ggf. nach Ablauf der Wartefrist des § 900 und ggf. vorbehaltlich eigener Forderungen des Kreditinstitutes – dem Pfändungsgläubiger zu. ff) Kalendermonat als geschützter Zeitraum Mit der Formulierung in § 899 Abs. 1 „jeweils bis zum Ende des Kalendermonats“ 1241 hat es der Gesetzgeber vermieden, dass der Pfändungsschutz weiterhin abhängig vom Zeitpunkt der Gutschrift oder der Zustellung der Pfändung innerhalb eines Monats erfolgt. So die alte Regelung des § 850k i. d. F. bis 30.6.2010: Hatte der Schuldner von einem Arbeitseinkommen i. H. v. 1.200 € bei Kontopfändung am 25. des Monats noch 400 € auf dem Konto, waren davon dann lediglich noch 6/30 der 1.200 € pfändungsfrei, da dies dem anteiligen Rest-Unterhaltsbedarf für den laufenden Monat entsprach. Von den 400 € erhielt der Gläubiger immerhin noch 160 € (400 € abzgl. [1.200 €:30u6]).
Das war bereits seit der ersten Reform 2010 insbesondere für die Gerichte 1242 eine deutlich entlastende Regelung. Den Gläubiger allerdings belastet gerade diese Regelung erheblich, wodurch Jäger – sehr deutlich hinweisend – dem Gesetzgeber eine fehlende, mindestens aber „grob fehlerhafte“ Abwägung der beteiligten Interessen in der Reform 2010 unterstellt. Jäger, ZVI 2007, 544, 546 der in diesem Zusammenhang von einem „elementar in das verfassungsmäßig garantierte Recht der Gläubiger auf staatliche Gewähr einer effektiven Zwangsvollstreckung“ eingreifenden Ergebnis spricht.
Mit der zweiten Reform 2021 durch das PKoFoG hat sich daran nichts geän- 1243 dert. Die Bedenken wurden allerdings nicht wiederholt; der Fachverband der Kommunalkassenverwalter e. V. hat in seiner Stellungnahme v. 18.12.18 zum DiskE lediglich davon gesprochen, „das Pfändungsschutz für die Vollstreckung kommunaler Forderungen immer auch mit Schwierigkeiten bei der Forderungsrealisierung und einem höheren Aufwand in den Vollstreckungsverfahren verbunden ist“; ähnlich argumentiert auch der Dt. Städtetag in seiner Stellungnahme v. 17.12.2018.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Zur durch das PKoFoG geschaffenen Möglichkeit der erweiterten Ansparübertragung für nun 3 Monate statt wie bisher 1 Monat, siehe Rn. 1261. e) Rückwirkender Schutz durch Umwandlung 1244 § 899 Abs. 1 Satz 2, der dem § 850k Abs. 1 Satz 4 a. F. entspricht, regelt den Fall des nachträglich rückwirkenden Schutzes. Satz 2 lautet: „Satz 1 gilt entsprechend, wenn Guthaben auf einem Zahlungskonto des Schuldners gepfändet ist, das vor Ablauf von einem Monat seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt wird.“
1245 Das spiegelt im Wesentlichen die bisherige Regelung wider. Lediglich die vormalige Frist von vier Wochen wurde durch eine Frist von einem Monat ersetzt. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35, die als Begründung dafür anführt, dass eine Vereinheitlichung der Fristen vorgenommen werden soll und „vor dem Hintergrund, dass der Kontopfändungsschutz sich jeweils auf den Monat bezieht“.
1246 Wandelt der Schuldner sein Konto innerhalb von 1 Monat nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses (nicht des Pfändungsbeschlusses) in ein P-Konto um, kann er noch nachträglich Pfändungsschutz nach §§ 899 ff. erlangen (rückwirkender Pfändungsschutz). Damit wollte der Gesetzgeber einen lückenlosen Pfändungsschutz (ab Eingang der Kontopfändung) gewährleisten. Wichtig ist dies insbesondere deshalb, weil seit dem 1.1.2012 Pfändungsschutz bei Kontopfändungen grundsätzlich nur noch mittels P-Konten möglich ist.
1247 Das Konto muss aber dann innerhalb dieses einen Monats umgewandelt sein, genauer vor Ablauf des Monats seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses. 1248 Es reicht dagegen nicht aus, dass der Schuldner die Umwandlung innerhalb dieses eines Monats verlangt hat. Das Gesetz spricht insoweit von „vor Ablauf … umgewandelt wird“, was voraussetzt, dass das P-Konto vor Ablauf dieser Monatsfrist umgewandelt sein muss. Wichtig: Anders dagegen in § 901 Abs. 1 der das Aufrechnungsund Verrechnungsverbot bereits ab dem Verlangen auslöst. Ebenso reicht es im Rahmen des § 850l Abs. 2 Satz 2 bereits das Verlangen nach Umwandlung in ein P-Konto innerhalb der Monatsfrist aus, um das übertragene Guthaben zu schützen.
1249 Stellt der Schuldner den Antrag daher auf den letzten Drücker, kann es wegen der notwendigen Prüfungspflichten des Kreditinstitutes zu Problemen kommen.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Beispiel: Das auf dem Konto des Schuldners S befindliche Guthaben i. H. v. 300 € wird am Dienstag, 27.9.2022 durch einen PfÜB seinem Zugriff entzogen. S stellt erst am Donnerstag, den 27.10. den Antrag auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Das Konto wird aber noch am selben Tag umgewandelt. Hat S damit die Rückwirkung erreicht? Ja! Es handelt sich um eine Monatsfrist, nicht mehr um eine Vier-Wochen-Frist (Änderung durch das PKoFoG). Die Umwandlung ist vor Ablauf der MonatsFrist erfolgt, also am Donnerstag, 27.10.2022 und damit rechtzeitig erfolgt. Bei einer Vier-Wochen-Frist hätte es nur gereicht, wenn es vor Ablauf des 25.10, dem Dienstag vier Wochen später, umgewandelt worden wäre. VOR Ablauf bedeutet konkret, dass das Konto – wie geschehen – bereits am Donnerstag, den 27.10. umgewandelt sein muss, weil die Frist zwar erst um 24:00 h endet, aber wenn die institutseigene IT die (automatische) Freischaltung z. B. für GAA-Verfügungen ab 0:00 h nicht zum 28.10., 0:00 h gewährleisten kann, dann muss die Umstellung bereits vorher Beginn des Geschäftstages 28.10, also am 27.10. erfolgen, siehe Rn. 1019. S hat also Glück gehabt und dies nur dem Umstand zu verdanken, dass sein 1250 Kreditinstitut noch am selben Tag, also weit schneller als innerhalb der VierTages-Frist des § 850k Abs. 2 Satz 1 vorgeschrieben, das Konto umgewandelt hat. Weiterhin – auch durch das PKoFoG – nicht klargestellt bzw. geregelt wurde 1251 allerdings, was gilt, wenn es an einem Überweisungsbeschluss (zunächst) fehlt. Zur Erinnerung: Die Monatsfrist beginnt mit Zustellung des Überweisungsbeschlusses, nicht bereits mit Zustellung des Pfändungsbeschlusses. Da die Beschlüsse auseinanderfallen können, stellt sich die Frage, ob die Frist trotzdem zu laufen beginnt. Beispiel: Das auf dem Konto des Schuldners S befindliche Guthaben i. H. v. 300 € wird am 27.9.2022 durch eine Vorpfändung, § 845, seinem Zugriff entzogen. Am 30.9. geht auch sein Gehalt für Oktober ein. S stellt erst am 4.10.2022 den Antrag auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Das Konto wird am 7.10.2022, nachdem sein Kreditinstitut K die Auskunft erhalten hat, dass S bei keinem anderen Kreditinstitut bereits ein P-Konto unterhält, umgewandelt. Da es an einem Überweisungsbeschluss fehlt, verweigert K aber die Rückwirkung in den September. Zu Recht? Lösung: Nein. Grundsätzlich setzt die Berechnung des Zeitraumes von einem Monat seit Zustellung, die Zustellung eines Überweisungsbeschlusses voraus, weil es eben im Gesetz so geregelt wurde § 899 Abs. 2 Satz 1. Bei der Vorpfändung (siehe Rn. 299 ff.), Arrestpfändung (siehe Rn. 295 ff.), der Sicherungspfändung nach
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
§ 720a oder wenn eben zunächst nur ein Pfändungsbeschluss zugestellt wird, fehlt es aber an einem solchen Überweisungsbeschluss. Deshalb darf zwar der Pfändungsgläubiger die Forderung (noch) nicht einziehen, also das drittschuldnerische Kreditinstitut wegen der Auszahlungssperre auch nicht an den Gläubiger abführen oder hinterlegen, doch für den Schuldner löst schon der Pfändungsbeschluss eine Blockade seines Guthabens auf seinem (herkömmlichen) Girokonto aus. Deshalb ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber, wenn die Folgen für den Vollstreckungsschuldners die gleichen sind, nämlich dass ihm ansonsten das Existenzminimum vorenthalten würde, er dann auch den gleichen Schutzmechanismus greifen lassen wollen würde. Da also der Schuldner nicht schlechter gestellt sein soll als bei einem PfÜB (die Vorpfändung, Arrest-, Sicherungspfändung und ein Pfändungsbeschluss dienen regelmäßig zunächst sogar nur der Sicherung der nachfolgenden weiteren Zwangsvollstreckung), muss auch hier eine Rückwirkung möglich sein. Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Ein-Monats-Frist ist dann der frühestmögliche Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch das drittschuldnerische Kreditinstitut, also im Falle der Vorpfändung, der Arrest-, Sicherungs- oder eines Pfändungsbeschlusses der jeweilige Zustelltag. Ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.2.3. Man könnte allerdings nach der zweiten großen Reform 2021 durch das PKoFoG, nachdem dem Gesetzgeber dieses Versäumnis ja nun ein Jahrzehnt lang bekannt war, auch auf den Gedanken kommen, dass die Tatsache, dass er es nun immer noch nicht geregelt hat, keine Versäumnis mehr sein kann, sondern eine bewusste Entscheidung. Solche rechtsteleologischen Erwägungen gehören aber leider der Vergangenheit an, denn heute regelt der Gesetzgeber offensichtlich nur noch das Nötigste und überlässt den Rest der Auslegung der Gerichte. Oder er regelt es deshalb nicht, weil die Praxis bereits einen pragmatischen Weg gesucht und gefunden hat, der den Intentionen des Gesetzgebers jedenfalls nicht widerspricht. Das ist allerdings wie so oft und zumeist ausschließlich mit Haftungsgefahren für die Kreditinstitute verbunden, die ganz überwiegend trotzdem um eine schuldnerfreundliche Auslegung bemüht sind.
1252 Im Hinblick darauf, dass das Kreditinstitut zur Umwandlung eines Girokontos in ein P-Konto bei bereits vorliegender Pfändung drei Geschäftstage Zeit hat, muss der Schuldner daher rechtzeitig vorher den Umwandlungsantrag stellen. Geschäftstag ist jeder Tag, an dem der an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligte Zahlungsdienstleister den für die Ausführung von Zahlungsvorgängen erforderlichen Geschäftsbetrieb unterhält, § 675n BGB.
Beispiel: Das auf dem Konto des Schuldners S befindliche Guthaben i. H. v. 400 € bei einem Kreditinstitut mit Sitz in Niedersachsen wird am 30.9.2022 (Freitag) durch eine Kontopfändung (PfÜB) seinem Zugriff entzogen. S stellt erst 28.10.2022, Freitag, einen Antrag auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Der Antrag geht
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
an die zentrale Bearbeitung solcher Anträge. Dort wird wegen des Wochenendes und des Feiertages am 31.10. (Montag) erst am 1.11. eine Auskunft bei einer Auskunftei eingeholt, um sicher zu gehen, dass S nicht bereits ein P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält. Alles in allem ist das Konto erst am Mittwoch, dem 2.11.2022, also drei Geschäftstage später in ein P-Konto umgewandelt. Lösung: Das Guthaben muss – ggf. unter Berücksichtigung von Moratorien – an den Gläubiger abgeführt werden. Der Grundfreibetrag steht S erst für den Monat November zu, weil das Konto wegen der zu späten Antragstellung durch S eben nicht „vor Ablauf von einem Monat seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses“ umgewandelt worden ist (und es daher auch gar keine Rückwirkung mehr auslöst, also auch nicht für den Oktober). Da das Ende der Umwandlungsfrist auf einen Sonntag fällt, 30.10.2022, verschiebt sie sich damit gem. § 193 BGB auf den nächsten Werktag, Dienstag den 1.11.2022 (im BGB ist außer bei den Zahlungsdiensten der §§ 675n ff. noch von Werktag nicht Geschäftstag die Rede). Mit Ablauf des 1.11., 24:00 h hätte daher das Konto umgewandelt sein müssen. K hat aber – unter Einhaltung der ihm vorgegebenen Vier-Tages-Frist – die Umwandlung wegen des späten Umwandlungsantrages des S erst am 2.11. umsetzen können. Zu diesem Zeitpunkt war aber die 1-monatige Frist für die Rückwirkung bereits abgelaufen. Wenn S nicht in Niedersachsen, sondern in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen oder Bremen, Hamburg oder Schleswig-Holstein leben würde, hätte sich in wegen des dort ebenfalls bestehenden Feiertages (Reformationstag), die Frist auch dort nur auf den 1.11. verschoben. Würde er in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder im Saarland leben, wäre nicht der 31.10., sondern der 1.11. Feiertag (Allerheiligen). Dann wäre die Frist bereits am 31.10., 24:00 h abgelaufen. Da in keinem Bundesland beide Feiertage bestehen, hätte S in keiner Konstellation die Rückwirkung noch fristgerecht erreichen können. Nach § 193 BGB verschiebt sich die Frist, wenn das Fristende auf einen Sonntag, einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Samstag fällt, auf den nächsten Werktag. Hier fällt das Fristende (30.10.) auf einen Sonntag, der nächste Werktag wäre der Montag; wenn aber auch der ein Feiertag wie in Niedersachsen ist, dann würde sich das Fristende auf Dienstag, den 1.11.2022 als „nächsten Geschäftstag“ verschieben und um 24:00 h ablaufen. Es kann also – anders als im obigen Beispielsfall – im Einzelfall davon abhängen, wo S mit seinem umzuwandelnden Konto Kunde ist, wo K also seinen Sitz hat. Bei einem nicht bundeseinheitlichen Feiertag ist der Erfüllungs- bzw. Leistungs- 1253 ort maßgeblich, also der Ort an dem die gesetzliche Pflicht der fristgerechten Umwandlung in ein P-Konto zu erfüllen ist. Diese Pflicht trifft das kontoführende Kreditinstitut, so dass dessen Sitz maßgeblich ist bzw. falls eine
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
ausgelagerte Stelle des Kreditinstitutes für die Umwandlung zuständig wäre, die in einem Bundesland arbeitet, an den kein regionalen Feiertag gilt und die deshalb arbeitet, wäre der dies der Erfüllungs- bzw. Leistungsort. Maßgeblich ist also, ob am Ort der für die Ausführung der Kontoeröffnung zuständigen Stelle der erforderliche Geschäftsbetrieb läuft oder nicht. Das setzt voraus, dass dort die Kontoeröffnung fallabschließend bearbeitet werden kann, also die Möglichkeit sachlicher Bearbeitung. Wenn für die Kontoeröffnung mehrere Stellen zusammenwirken müssen, ist entscheidend, dass an allen Orten der Geschäftsbetrieb läuft. Soweit es nicht vertraglich anders geregelt ist, wären daher im Regelfall Samstage, Sonn- und Feiertage, Heiligabend, Silvester und regionale Feiertage keine Geschäftstage.
1254 Im Übrigen: Für Tage, die keine Feiertage sind, sondern z. B. nur sog. „Behörden- oder Bank-Feiertage“ (31.12, 24.12. etc.), gilt § 193 nicht. Schroeter, JuS 2007, 29.
1255 Eigentlich wird die Umwandlung erst zu „Beginn“ des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages geschuldet. Der Begriff „Geschäftstag“ statt „Bankarbeitstag“ geht auf die Terminologie der Zahlungsdiensterichtlinie 2008/48/EG (vgl. BT-Drucks. 16/12714, S. 21) zurück. Ein Geschäftstag beginnt bereits – z. B. hinsichtlich Verfügungen am GAA – um 0:00 h morgens, sodass der Schuldner theoretisch dann bereits über geschützte Guthaben verfügen können muss (z. B. durch eine Abhebung am Geldausgabeautomaten um 6:00 h). Kreditinstitute werden daher in der Praxis die Umwandlung zum „Ende“ des dritten Tages bewerkstelligen müssen, es sei denn, ITSysteme könnten es leisten, dass die Aktivierung des P-Kontostatus genau mit der Datumsumschaltung erfolgt (siehe aber Beispiel oben Rn. 753). Der Bank-Arbeitstag beginnt mit Beginn der gewöhnlichen Öffnungszeiten des Kreditinstitutes, nicht um 0:00 h mit dem Datumswechsel, siehe aber BGH, Urt. v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292, wonach für Geldabhebungen am GAA des kontoführenden Kreditinstituts alle Tage, an denen der jeweilige GAA betrieben wird, Geschäftstage i. S. v. § 675n I 4 BGB sind, also auch Samstage, Sonntage und Feiertage.
1256 Versäumt das Kreditinstitut die rechtzeitige Umstellung aufgrund eines ihm zuzurechnenden Organisationsverschuldens, kommen grundsätzlich Schadenersatzansprüche des Schuldners in Betracht, wenn ihm auf Grund mangelnder Verfügbarkeit über sein Guthaben Nachteile entstehen. So OLG Rostock, Urt. v. 17.1.2002 – 1 U 33/00, ZIP 2002, 429 in einem Fall, bei dem das drittschuldnerische Kreditinstitut das Konto zur Gänze sperrte und auch die Auszahlung des den (geringen) arretierten Betrag (deutlich) übersteigenden Guthabens verweigerte; vgl. auch Rn. 369 und allgemein zum Bereicherungsausgleich Rn. 2817.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Erfolgt die Umwandlung eines Girokontos in ein P-Konto daher zu spät, 1257 wirkt der Schutz nur in die Zukunft (bzw. nur ab dem laufenden Monat). AG Hannover, Beschl. v. 9.3.2011 – 705 M 56075/10, BeckRS 2011, 05448.
Der rückwirkende Schutz gilt aber auch über Kalendermonate hinweg.
1258
Beispiel: Das auf dem Konto des Schuldners S befindliche Guthaben i. H. v. 400 € wird am 27.9.2021 durch eine Kontopfändung (PfÜB) seinem Zugriff entzogen. S stellt erst am 1.10.2021 den Antrag auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Das Konto wird am 4.10.2021 umgewandelt. Lösung: Das Guthaben ist vor dem Zugriff rückwirkend gerettet. Der Freibetrag gilt bereits für den gesamten Monat September. Im Grunde wird also simuliert, dass das Girokonto bereits im Zeitpunkt der 1259 Zustellung des Überweisungsbeschlusses als P-Konto geführt wurde. Die Praxis hat gezeigt, dass Kreditinstitute mit dieser Vier-Tages-Frist, die insoweit auch nur eine Maximalfrist darstellt, insbesondere in für den Schuldner „dringenden Fällen“ sehr verantwortungsvoll umgehen und zumeist am selben, spätestens aber darauf folgenden Tag bereits das Konto umgewandelt haben. Ein Kreditinstitut wird diese Vier-Tages-Frist daher zumeist nicht auszunutzen brauchen, sondern insbesondere dann, wenn Guthaben bereits durch eine Kontopfändung arretiert ist, die Umwandlung kurzfristig bewerkstelligen, denn selbstverständlich handelt es sich um eine Maximalfrist. Das gilt zumal seit dem 1.1.2012 Kontopfändungsschutz grundsätzlich nur noch über ein P-Konto möglich ist, siehe aber Rn. 1819.
Die Rückwirkung hat aber nicht zur Folge, dass ein erst ab dem Umwand- 1260 lungsmonat geltender höherer Freibetrag ebenfalls zurückwirkt. Beispiel: Das auf dem Konto des Schuldners S befindliche Guthaben i. H. v. 300 € wird am 27.9.2021 durch eine Kontopfändung seinem Zugriff entzogen. S stellt erst am 1.10. den Antrag auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Das Konto wird am 4.10. umgewandelt. Im September lag der Freibetrag niedriger als im Oktober, da S zweites Kind am 1.10. geboren wurde. Lösung: Zwar gilt der Freibetrag bereits für den gesamten Monat September, da die Monatsfrist eingehalten wurde, aber eben nur der niedrigere, da der höhere erst ab Oktober angewendet werden kann (erst ab 1.10. liegen die neuen Erhöhungstatbestände vor). Hätte S bereits im September, im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses, ein P-Konto unterhalten, hätte ihm ebenfalls nur der niedrigere Freibetrag zur Verfügung gestanden. 335
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
f) Übertragung nicht verbrauchten Guthabens 1261 § 899 Abs. 2 Satz 1 lässt es zu, dass nicht verbrauchtes, vom Pfändungsfreibetrag geschütztes Guthaben in die nächsten bis zu maximal drei Folgemonate übertragen wird. Satz 1 lautet: „Hat der Schuldner in dem jeweiligen Kalendermonat nicht über Guthaben in Höhe des gesamten nach Absatz 1 pfändungsfreien Betrages verfügt, wird dieses nicht verbrauchte Guthaben in den drei nachfolgenden Kalendermonaten zusätzlich zu dem nach Absatz 1 geschützten Guthaben nicht von der Pfändung erfasst.“
1262 Satz 1 übernimmt – weitgehend wortgleich – die bisherige Regelung in § 850k Abs. 1 Satz 3 a. F. Durch das PKoFoG wurde dieser Zeitraum allerdings von 1 Monat auf 3 Monate verlängert. In der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35 heißt es zur Begründung: „Der Schuldner soll – der sozialpolitischen Zwecksetzung des P-Kontos entsprechend – durch einen längeren Ansparzeitraum in die Lage versetzt werden, einen Teil des unpfändbaren Guthabens für größere Anschaffungen und höhere Forderungsbeträge anzusparen.“
1263 Der Gesetzgeber wollte mit Einführung der Ansparübertragung durch die erste Reform 2010 seinerzeit dem Umstand Rechnung tragen, dass insbesondere Zahlungen der Daseinsvorsorge (Strom, Gas), die häufig nicht monatlich, sondern in größeren Zeitabständen fällig werden, beglichen werden können. BT-Drucks. 16/7615, S. 13.
1264 In der Praxis wurde Übertragungszeitraum als nicht ausreichend bemängelt. Siehe Schlussbericht iff, S. 60; schon hier wurde eine Verlängerung auf zwei Monate angeregt.
Zudem wurde die Übertragungsregelung als „zu kompliziert“ und „nicht nachvollziehbar“ kritisiert. Selbst der BGH war offensichtlich mit der richtigen Anwendung durch die selbst geschaffene Ausdehnung der Übertragbarkeit im Rahmen des Monatsendproblems überfordert, siehe dazu auch Homann, ZVI 2015, 242. So musste er die seine Ursprungsentscheidung dazu zur alten Rechtslage in seinem Urt. v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14 (ZIP 2015, 163) mit einem nachfolgenden Urteil klarstellen, Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, WM 2017, 2303.
1265 Der Schuldner kann daher aus seinem geschützten Guthaben die entsprechenden Beträge durch Übertrag quasi „ansparen“. 1266 Wichtig ist hieran zunächst, dass nur nicht verbrauchtes Guthaben, nicht etwa ein nicht verbrauchter Pfändungsfreibetrag übertragen werden kann. Beispiel: Schuldner S unterhält ein Girokonto bei Kreditinstitut K. Am 25. des Monats wird durch einen Gläubiger des S der K eine Kontopfändung zugestellt. S wandelt 336
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
noch am selben Tag sein Konto in ein P-Konto um und legt einen Nachweis zur Erhöhung des Freibetrages auf 1.300 € vor. Dieser Freibetrag schützt bis zum Monatsende etwaiges vorhandenes Guthaben in dieser Höhe vor dem Zugriff des Pfändungsgläubigers. S hebt ein Rest-Guthaben i. H. v. 100 € nicht mehr ab. S kann nun nur die 100 € nicht verbrauchtes Guthaben in die nächsten drei Folgemonate übertragen, sodass ihm dann für diese Folgemonate ein Freibetrag i. H. v. 1400 € (1.300 € + 100 €) zur Verfügung steht. Den nicht verbrauchten abstrakten Freibetrag i. H. v. 1.300 € (S hat nach dem Pfändungseingang nichts mehr verfügt, so dass der Freibetrag nicht reduziert wurde) dagegen kann er nicht übertragen. Dies hat der Gesetzgeber gegenüber der anfangs insoweit missverständlichen Formulierung ausdrücklich klargestellt, vgl. Schumacher, ZVI 2009, 313, 319. Auch in der Gesetzesbegründung des PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35 wird dies nochmals ausdrücklich bestätigt: „Übertragen werden kann nach dieser Regelung nur der Teil des pfändungsfreien Guthabens, der nicht verbraucht wurde.“
Ihm stehen also im nächsten Monat nicht etwa 2.600 € (1.300 € + 1.300 €), sondern nur 1.400 € zur Verfügung. Übertragen werden kann nicht verbrauchtes Guthaben durch das PKoFoG 1267 nun in die nächsten drei Folgemonate. Beispiel: Schuldner S verfügt über ein P-Konto mit einem Freibetrag i. H. v. 1.300 € auf dem eine Pfändung lastet. Im September sind 1.300 eingegangen. Er verfügt im September über das durch diesen Zahlungseingang entstandene Guthaben i. H. v. 1.300 € nur i. H. v. 1.200 €, überträgt also 100 € nicht verbrauchtes Guthaben. In den nachfolgenden Monaten November, Dezember und Januar verfügt er – weil er in dieser Zeit durch seine neue vermögende Freundin unterhalten wird – dieses restliche Guthaben nicht. Am 31.1., bis 24:00 h könnte S das nicht verbrauchte, jeweils in die drei nächsten Folgemonate übertragene Guthaben noch abheben; mit Ablauf des dritten Monats, des Januars, aber, werden die nicht verbrauchten 100 € mit Forderungen des Kreditinstitutes verrechnet oder an den Pfändungsgläubiger abgeführt, weil nun selbst der – durch das PKoFoG großzügig – verlängerte AnsparübertragungsSchutz abgelaufen ist. Diese Verlängerung gleich um zwei weitere auf drei Monate ist auf vielfache 1268 Kritik gestoßen. Es wurde von verschiedener Seite, u. a. durch den Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. (IDOVerband e. V.), siehe Stellungnahme v. 11.12.2018, S. 1/2 zum PKoFoG-Diskussionsentwurf, einsehbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2019/Downloads/12182018_Stellungnahme_IDO_ Diskussionsteilentwurf_Pf%C3%A4ndungsschutzkonto.pdf;
337
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto jsessionid=392F135B88937DAF155F997E0756B9B5.2_cid289? __blob=publicationFile&v=2 seinerzeit z. B. angeregt, dass auch eine Verlängerung von einem Monat auf zwei Monate (statt drei) ausreichend gewesen wäre; ebenso Bundesverband Deutscher InkassoUnternehmen e. V. (BDIU), siehe Stellungnahme v. 11.12.2018, S. 4 a. E. zum PKoFoG-Diskussionsentwurf, einsehbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2019/Downloads/12112018_Stellungnahme_BDIU_ Diskussionsteilentwurf_Pf%C3%A4ndungsschutzkonto.pdf; jsessionid=392F135B88937DAF155F997E0756B9B5.2_cid289? __blob=publicationFile&v=2 und der Bundesverbandes für Inkasso und Forderungsmanagement e. V., Bfi&F. e. V., in seiner Stellungnahme v. 18.12.2018, S. 4 a. E. zum PKoFoG-Diskussionsentwurf, einsehbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2019/Downloads/ 12182018_Stellungnahme_BFIF_Diskussionsteilentwurf_ Pf%C3%A4ndungsschutzkonto.pdf;jsessionid=392F135B88937 DAF155F997E0756B9B5.2_cid289?__blob=publicationFile&v=2; der Deutsche Städtetag spricht angesichts der Verlängerung auf drei Monate von einer „weitere[n] Schwächung der kommunalen Vollstreckung“, siehe Stellungnahme 17.12.2018, S. 3, einsehbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ Stellungnahmen/2019/Downloads/12172018_Stellungnahme_DtStaedtetag_Diskussionsteilentwurf_Pf%C3%A4ndungsschutzkonto.pdf;jsessionid=392F135B88937DAF155F997E0756B9B5.2 _cid289?__blob=publicationFile&v=2.
1269 Zu konzedieren ist, dass diese zwar gläubiger-unfreundliche, aber sozialpolitisch gewollte Verlängerung der Ansparmöglichkeit einige Probleme der Praxis löst, weil die Frist nun zwar verlängert wurde, aber durch Klarstellungen – allerdings zum Teil nur in der Gesetzesbegründung, nicht auch im Gesetzestext – einige Auslegungsprobleme beseitigt. 1270 Beispielsweise wurde zuvor in der Rechtsprechung und Teilen der Literatur diese klare gesetzliche Folge, dass nach Ablauf des bzw. der Übertragungsmonate das Geld wieder der Verpfändung (oder dem AGB-Pfandrecht des drittschuldnerischen Kreditinstituts) unterliegt, immer wieder mal in Zweifel gezogen, insbesondere auch dann, wenn Guthaben im übernächsten Monat nicht mehr zur Verfügung standen, obwohl Guthaben bzw. Zahlungseingänge die monatlichen Pfändungsfreibeträge nie überschritten. AG Neumünster, Urt. v. 15.11.2011 – 32 C 746/11; Ahrens, NJW 2010, 2001; vgl. dazu ausführlich Sudergat, 3. Aufl., Rn. 741.
1271 Der Gesetzgeber hat nun angesichts der Verlängerung aber in der Gesetzesbegründung des PKoFoG zum einen klar zum Ausdruck gebracht, dass nach Ablauf der Drei-Monats-Frist (also mit Beginn des vierten Kalendermonats) der Pfändungsschutz auch in den Fällen entfällt, in denen die Gutschriften auf dem P-Konto stets den pfändungsfreien Grundfreibetrag unterschritten haben. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35.
338
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Zum anderen führen auch die Moratorien nicht (mehr) zu einer Verlängerung 1272 der Fristen des § 899 Abs. 2, so ausdrücklich geregelt in § 900 Abs. 1 Satz 1 zweiter Teilsatz. So aber der BGH zur alten Rechtslage in seinem Urt. v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14 (ZIP 2015, 163) und dem dieses Urteil klarstellende Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17 (WM 2017, 2303). Diese Rechtsprechung ist nun obsolet geworden.
In der Gesetzesbegründung wird darauf ausdrücklich eingegangen.
1273
Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 36: „Satz 1 zweiter Teilsatz greift die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. das Urteil v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14; ferner das Urteil vom 19.10.2017 – IX ZR 3/17) auf, … Die Regelung bringt zum Ausdruck, dass durch das in § 900 Abs. 1 Satz 1 erster Teilsatz ZPO-E normierte Moratorium keine Verlängerung des in § 899 Abs. 2 ZPO-E benannten Übertragungszeitraums (von drei Kalendermonaten) erfolgen kann. Vielmehr ist der Übertragungszeitraum unabhängig von der Auszahlungssperre zu bestimmen. Beispielsweise also in Fällen, bei denen dem Schuldner Zahlungseingänge, wie es insbesondere bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes üblich ist, bereits am Ende des Vormonats gewährt werden, endet die Frist nach § 899 Absatz 2 ZPO-E mit Ablauf des dritten Monats, der auf den Monat der Auszahlung folgt. Die Frist nach § 900 Abs. 1 ZPO-E hingegen endet mit Ablauf des auf die Auszahlung folgenden Monats.“
Beispiel: S erhält nach Ausschöpfung seines Freibetrages im September noch eine Gutschrift i. H. v. 1.300 € vorfristig für den Oktober am 29.9. Obwohl der Betrag eigentlich für Oktober bestimmt ist, gilt der September nun definitiv als Zahlungseingangs-Monat. Damit endet die Drei-Monats-Frist mit Ablauf des Dezembers (September + 3 Monate) und nicht erst mit Ablauf des Januars (Oktober + 3 Monate). So aber noch der BGH zur alten Rechtslage in seinem Urt. v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14 (ZIP 2015, 163) und dem dieses Urteil klarstellende Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17 (WM 2017, 2303), wonach in solch einer Konstellation im Ergebnis der Oktober als Zahlungseingangs-Monat betrachtet wurde, so dass aus Sicht des Zahlungseingang daraus nicht verbrauchtes Guthaben nicht nur in den nächsten, sondern in den übernächsten Monat übertragen werden konnte.
Flankiert wird die verbesserte Ansparmöglichkeit durch das – nun auch ge- 1274 setzlich normierte – „first in – first out“-Prinzip, § 899 Abs. 2 Satz 2: Der Gesetzgeber formuliert es so: „Verfügungen sind jeweils mit dem Guthaben zu verrechnen, das zuerst dem Pfändungsschutzkonto gutgeschrieben wurde.“
339
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1275 Das Prinzip hatte sich in der Praxis bereits schon seit Langem etabliert. Siehe bereits die Beschreibung des Autors in der 1. Aufl., 2010, Rn. 588; ebenso vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35, das von einem „in der Praxis bereits vielfach praktiziertem Prinzip“ spricht.
1276 Der BGH hatte es dann bestätigt, BGH, Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, NJW-RR 2018, 315,
und Ahrens, Ahrens, NZI 2021, 801,
spricht über die im bisherigen Recht angewendete first-in-first-out-Regel von einem inzwischen allgemeinen bankrechtlichen Grundsatz. 1277 Zu Beginn der ersten Reform 2010 gab es daran vereinzelt Zweifel. Nun ist das Prinzip gesetzlich verankert. Die Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35: „Die Vorschrift stellt damit das in der Praxis bereits vielfach praktizierte Prinzip des ‚First In – First Out‘ auf eine gesicherte Grundlage.“
Beispiel: Schuldner S verfügt über ein P-Konto mit einem Freibetrag i. H. v. 1.300 € auf dem eine Pfändung lastet. Im September sind 1.300 eingegangen. Er verfügt im September über das durch diesen Zahlungseingang entstandene Guthaben i. H. v. 1.300 € nur i. H. v. 1.200 €, überträgt also 100 € nicht verbrauchtes Guthaben. In den nachfolgenden Monaten November, Dezember und Januar benötigt er keine Mittel, da er in dieser Zeit durch seine neue vermögende Freundin unterhalten wird. Am 31.1. erhält er eine Gutschrift i. H. v. 100 € und verfügt am selben Tag noch 100 €. Obwohl nach wie vor 100 € Guthaben auf dem Konto stehen, hat S das übertragene Guthaben aus September noch rechtzeitig vor Ablauf des dritten Monats Januar – am 31.1., 24:00 h – verfügt. Das ursprüngliche aus dem Zahlungseingang im September stammende und dann als nicht verbrauchtes Guthaben in die nächsten drei Monate jeweils übertragene Guthaben i. H. v. 100 € ist deutlich älter („first in“) als das 100 €-Guthaben, das aus dem Zahlungseingang vom 31.1. entstanden ist („last in“). Die Verfügung wird also auf das älteste, das „zuerst“ dem Pfändungskonto gutgeschriebene Guthaben angerechnet. Damit wurde sämtliches nicht verbrauchtes Guthaben nun noch rechtzeitig durch S verfügt. Das neu entstandene Guthaben i. H. v. 100 € aus dem Zahlungseingang vom 31.1. kann nun wiederum in die nächsten drei Monate übertragen werden. Erst am Falls 1.5. würde es dem AGB-Pfandrecht und/oder der Pfändung wieder unterliegen. 1278 Für die Frage, wann Beträge verbraucht werden, kommt es im Übrigen auf das Buchungsdatum, nicht etwa auf die Wertstellung an. 340
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Beispiel: S will von den seit September übertragenen 100 € im obigen Beispiel nur 91,50 € rechtzeitig abheben und noch 8,50 € stehen lassen damit das Kontoführungsentgelt i. H. v. 8,50 € für Januar davon noch abgebucht werden kann. Das Kreditinstitut K belastet das Kontoführungsentgelt aber erst am 2.2. mit Valuta 30.1. und führt daher 8,50 € an den Pfändungsgläubiger ab. Zu Recht? Ja. Maßgeblich wann das Guthaben verbraucht wurde ist das Abbuchungsdatum, nicht die Wertstellung. Falsch daher: AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 15.8.2012 – 2 C 1006/12, n. v. (n. r.).
Der Wertstellungstag ist nur für die Verzinsung maßgeblich, nicht hingegen 1279 für die Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift oder des Auszahlungsanspruchs aus dem Tagessaldo. Ständige Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, NJW 1982, 2192; BGH, Urt. v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, NJW 1982, 2193; OLG Celle, Urt. v. 16.6.2004 – 3 U 38/04, ZIP 2004, 1843; ebenso schon BGH, Urt. v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, NJW 1978, 758.
Maßgeblich ist, wie im gesamten Pfändungsschutzkontenrecht, also immer 1280 der Zeitpunkt der Buchung durch das Kreditinstitut. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35 a. E.
1281
Anders dagegen das Verhältnis zwischen Dispositions- und Kapitalsaldo. siehe Rn. 1204.
Das Prinzip „first-in-first-out“ unterstützt den Schuldner dabei, seine monat- 1282 lichen Pfändungsfreibeträge i. H. v. maximal drei weiteren Pfändungsfreibeträgen anzusparen. Beispiel: Der Schuldner S, der einen Freibetrag i. H. v. 1.300 € hat, verbraucht aus seinen Zahlungseingängen i. H. v. monatlich 1.300 € ab September nur je 500 € monatlich, um etwas anzusparen. Das Konto steht vor dem Zahlungseingang im September auf null. Er verbraucht dann im Zahlungseingangsmonat September von seinem Guthaben i. H. v. 1.300 € nur 500 €, und überträgt 800 € nicht verbrauchtes Guthaben in den Oktober. Im Oktober hat er also einen Freibetrag von 2.100 € (1.300 € plus übertragenes Guthaben i. H. v. 800 €). Im Oktober verbraucht er dann vom Zahlungseingang im Oktober wiederum nur 500 € (Guthabenstand Ende Oktober 1.600 €; von den zuerst übertragenen 800 € sind durch die Verfügung i. H. v. 500 € damit nach dem Prinzip first-in-first-out nur noch 300 € übrig). Das setzt
341
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
sich bis Dezember so fort. Kurz vor Weihnachten kauft er sich einen gebrauchten Elektroroller, um künftig schneller zur Arbeit zu gelangen. Er hebt am 20.12. 3.000 € für den Roller ab. Möglich? Ja, das nicht verbrauchte Guthaben erhöht jeweils den Freibetrag. S hat im Dezember nach dem Dez.-Zahlungseingang ein Guthaben von 3.700 € auf seinem P-Konto und einen kumulierten Freibetrag i. H. v. ebenfalls 3.700 €. Die Abhebung i. H. v. 3.000 € ist insofern sowohl vom Kontoguthaben als auch vom Verfügungsbetrag gedeckt. Wenn er nun – wie immer noch 500 € abhebt, verbleiben ihm noch 200 €, die er wieder drei Monate lang übertragen könnte (denn nach dem Prinzip „first-in-first-out“ sind durch die Abhebungen i. H. v. 3.500 € alle aus früheren Zahlungseingängen entstandene Guthaben insoweit verbraucht worden). 1283 Dem Schuldner soll dieses aus den Vormonaten nicht verbrauchte Guthaben möglichst sicher und umfassend in den jeweils drei Folgemonate zur Verfügung stehen können. 1284 Zur Verdeutlichung dazu noch eine Tabelle: Monat
Zahlungseingang
KontoGuthaben nach ZE
Verfügung
nicht verbrauchtes Guthaben
September
1.300,00 €
1.300,00 €
0,00 €
1.300,00 €
Oktober
1.300,00 €
2.600,00 €
0,00 €
2.600,00 €
Bis wann geschützt
geschützter
(first-in-first-out)
Freibetrag
1300 € (1) bis 31.12. 1300 € (1) bis 31.12. 1300 € (2) bis 31.1.
1.300,00 € 2.600,00 €
1300 € (1) bis 31.12. November
1.300,00 €
3.900,00 €
0,00 €
3.900,00 €
1300 € (2) bis 31.1.
5.200,00 €
0,00 €
5.200,00 €
1300 € (2) bis 31.1. 1300 € (3) bis 28.2.
0,00 €
5.200,00 €
1300 € (3) bis 28.2.
0 (2) 0 (3)
1300 € (1)
1300 € (2) bis 31.1. 5.200,00 €
0 (2)
0 (4)
0 € (1) bis 31.12. 1.300,00 €
0 (2)
0 (1) 5.200,00 €
1300 € (4) bis 31.3.
Januar
0 (1)
0 (3)
1300 € (1) bis 31.12. 1.300,00 €
0 (1)
0 (1) 3.900,00 €
1300 € (3) bis 28.2.
Dezember
Pfändbar
0 (2) 5.200,00 €
0 (3)
1300 € (4) bis 31.3.
0 (4)
1300 € (5) bis 30.4.
0 (5)
Haftungsfalle: 1285 Mit Ablauf des dritten Folgemonats (hier Dezember) muss das aus dem Zahlungseingangsmonat September entstandene, jeweils in die drei Folgemonate übertragene Guthaben vollständig durch Verfügungen verbraucht sein. Das Kreditinstitut darf den Schuldner daher über etwaige dann noch vorhandenen Übertragungsguthaben aus dem Zahlungseingangsmonat September nicht mehr verfügen lassen. Dieses Guthaben darf sofort mit fälligen eigenen vorrangigen Forderungen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes verrechnet werden oder
342
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
wäre unverzüglich an den Pfändungsgläubiger abzuführen. Darauf hat ein Kreditinstitut zu achten Zu Einschränkungen bzgl. des AGB-Pfandrechts siehe Rn. 421 ff.
g) Einwendungen gegen die Höhe eines pfändungsfreien Betrages Neu eingeführt hat der Gesetzgeber auch die Regelung des § 899 Abs. 3, wo- 1286 nach der Schuldner Einwendungen gegen die Höhe eines pfändungsfreien Betrages mitteilen kann. Es geht dabei in erster Linie um die Höhe der sich monatlich ständig ändernden restlichen pfändungsfreien Beträge, über die der Schuldner noch verfügen kann, erst in zweiter Linie auch um den zur Verfügung gestellten Pfändungsfreibetrag, innerhalb dessen der Schuldner monatlich verfügen kann und der innerhalb eines Monats, meist aber sogar über mehrere Monate unverändert bleibt. Das ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31: „Absatz 3 trifft Regelungen über die Zulässigkeit von Einwendungen gegen die Berechnung der pfändungsfreien Beträge.“ Der Plural ist Beleg dafür, dass nicht primär der singuläre Pfändungsfreibetrag gemeint ist, da dieser pro Konto nur ein einziger Freibetrag ist. Er wird zudem nicht berechnet, sondern ist entweder der Grundfreibetrag oder ergibt sich aus der Bescheinigung bzw. wird vom Gericht festgesetzt. Den sich aus Blankettbeschlüssen ergebenden, ebenfalls in der Höhe wechselnden Pfändungsfreibetrag hatte der Gesetzgeber dabei wohl nicht vor Augen. Sollte aber der sich aus der Bescheinigung oder mehreren Bescheinigungen ergebende oder vom Gericht festgesetzte monatliche Pfändungsfreibetrag irrtümlicherweise einmal falsch berechnet und/oder falsch in das System der IT des drittschuldnerische Kreditinstitut übertragen worden sein, wäre im Ergebnis natürlich auch dieser Pfändungsfreibetrag von den Einwendungen gegen die Höhe eines pfändungsfreien Betrages erfasst.
Der Kontoinhaber muss diese Einwendungen spätestens bis zum Ablauf des 1287 sechsten auf die Berechnung des eigentlich jeweiligen pfändungsfreien Betrages folgenden Kalendermonats seinem Kreditinstitut mitteilen. Siehe aber Rn. 1298.
Ist diese Frist verstrichen, kann der Schuldner Einwendungen dann nur noch 1288 geltend machen, wenn er deren verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat. Der Gesetzgeber sah sich veranlasst, die Anforderungen an die Darlegungslast 1289 des Kontoinhabers bei einer behaupteten fehlerhaften Berechnung der Höhe eines pfändungsfreien Betrages zu präzisieren. Vgl. Referentenentwurf des BMJV v. 15.10.2019, S. 49, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/RefE_Pfaendungsschutzkonto_Fortentwicklungsgesetz.pdf;jsessionid=66BF9D48C0700593BA298B91146EB113.1 _cid289?__blob=publicationFile&v=5.
343
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1290 Im DiskE war ein solches Recht des Schuldners noch gar nicht verankert. Erst im RefE gab es dann eine zunächst noch weitreichendere Regelung, die dem Schuldner nur vorgab, soweit ihm dies möglich ist, unverzüglich die Richtigkeit der Kontoführung zu prüfen und Gründe, die die Annahme einer fehlerhaften Kontoführung rechtfertigen sollen, darzulegen. 1291 Dieser umfassende und zunächst noch auf eine eher pauschale Geltendmachung ausgerichteter Anspruch auf Überprüfung der gesamten Kontoführung, ist zu Recht auf Kritik der Kreditwirtschaft gestoßen, die insbesondere bemängelte, dass es den Schuldnern die Möglichkeit eröffne, ohne weiteren Sachvortrag eine umfassende Kontrolle zu erhalten und dass, obwohl meist nur Kleinstbeträge streitig sind. Vgl. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) v. 11.6.2020, S. 6. Die AGSVB dagegen wollte eine Abschaffung des Absatzes 3, da es für den Kontoinhaber nochmals eine deutlich verschlechterte Möglichkeit sei, eine Überprüfung der Kontoführung und Pfändungsbearbeitung zu erreichen, vgl. Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) zum Referentenentwurf v. 19.11.2019, S. 4.
1292 Die letztlich zum Gesetz gewordene Norm stellt nun wohl den klassischen Kompromiss dar. 1293 Zu beachten ist insoweit, dass nach dieser Norm nur Einwendungen gegen die (Berechnung der) Höhe des pfändungsfreien Betrages erhoben werden können und nicht beispielsweise auch über die Höhe des P-Kontoführungsentgeltes. Anders noch der Wortlaut im Referentenentwurf, bei dem die Richtigkeit der Kontoführung bzw. eine fehlerhafte Kontoführung überprüft werden können sollte, was deutlich weitgehender gewesen wäre.
1294 Eine pauschale Behauptung des Schuldners, die Kontoführung sei unrichtig, soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht ausreichend sein, um bereits eine umfassende Erläuterung oder gar Nachberechnung durch das Kreditinstitut herbeizuführen. Vielmehr muss der Schuldner konkrete Einwendungen vorbringen und auch sagen, gegen welchen konkreten berechneten pfändungsfreien Betrag er Einwendungen erhebt, wobei es ausreichen würde, z. B. zu sagen „gegen alle im März 2022 berechneten pfändungsfreien Beträge, weil …“. Es steht allerdings für die Kreditwirtschaft zu befürchten, da das Kontopfändungsschutzrecht höchst komplex und schwerlich zu verstehen ist, zumal für Laien, dass Kreditinstitute vielfach im Weg der sekundären Darlegungslast Behauptungen eines Kontoinhabers, die Berechnung des pfändungsfreien Betrages sei nicht richtig erfolgt, widerlegen müssen. Zu den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast, vgl. Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, § 138, Rn. 24.
344
1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Es ist aber – auch vom Gesetzgeber – nicht gewollt, dass eine rein pauschale 1295 Behauptung ausreicht. Dafür spricht auch, dass anders als noch im Referentenentwurf sich die Formulierung soweit ihm dies möglich ist im endgültigen § 899 Abs. 3 nicht mehr wiederfindet. Während dazu in der Gesetzesbegründung des Referentenentwurfes noch gesagt wurde, dass – angesichts dieses Wortlautes – die Anforderung an die Darlegungslast jedoch nicht überspannt werden dürften, also schon da die reine pauschale Behauptung nicht ausgereicht hätte, wird jedenfalls ohne diesen entsprechenden Wortlaut an die Darlegungslast des Kontoinhabers ein höherer Maßstab anzulegen sein.
Gerichte müssen daher bei der Auslegung berücksichtigen, dass der Gesetz- 1296 geber hier nicht von einer rein pauschalen Behauptungsgüte des Kontoinhabers ausgegangen ist. Der Schuldner muss zumindest Anhaltspunkte dafür liefern, warum die zumeist ja zertifizierte und für eine Vielzahl von Kreditinstituten geltende IT falsch rechnen soll. Etwas anderes mag gelten, wenn Mitarbeiter des drittschuldnerischen Kreditinstitutes manuell eingegriffen haben.
Das wird zumal dann gelten, wenn der Kontoinhaber dieselbe Berechnung 1297 schon über mehrere Monate klaglos akzeptiert hat. Ein klagloses Hinnehmen verwirkt innerhalb der 6 Monate aber natürlich nicht den Anspruch aus § 899 Abs. 3; es kann aber die Darlegungslast erhöhen.
Beginn der sechsmonatigen Frist ist dann der Tag der Berechnung des jewei- 1298 ligen pfändungsfreien Betrages. Beispiel: Schuldner S unterhält ein P-Konto bei Kreditinstitut K. Mit einem neuen Zahlungseingang und nach einer Verfügung über das Guthaben per Überweisung hebt S am 24.3.2022 400 € am GAA ab. K berechnet daraufhin den verbleibenden pfändungsfreien Betrag für den März an diesem Tag neu. Fristbeginn ist damit der 24.3., Fristablauf 6 Monate später, also am 24.9., 24:00 h. Das dies ein Samstag ist, würde sich die Frist auf Montag, 26.9, 24:00 h verlängern. S könnte K bis dahin Einwendungen gegen die Höhe des von K am 24.3.2022 berechneten pfändungsfreien Betrages mitteilen. Zum Vorteil des Schuldners und der Vereinfachung für das Kreditinstitut dürfte es aber auch dahingehend auszulegen sein, dass die Frist erst mit Rechnungsabschluss am Ende des Monats für alle berechneten Pfändungsfreibeträge dieses abzurechnenden Monats beginnt. Das würde die Frist für den Schuldner etwas erweitern, hätte aber für das Kreditinstitut den Vorteil, nicht eine Berechnungslogik für jeden einzelnen Betrag, der sich bei häufigen Umsätzen auf dem Konto ja täglich ändern könnte, machen zu müssen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1299 Der Gesetzgeber verspricht sich von dieser Ausschlussfrist Rechtssicherheit. Das bleibt abzuwarten, wobei nicht zu erwarten ist, dass dies Recht oft beansprucht wird, zumal zumeist nur Schuldnerberatungsstellen oder Spezialisten die komplexe Berechnung der Höhe des pfändungsfreien Betrages eines P-Kontos werden durchdringen können. Hilfreich wäre sicherlich, wenn z. B. auf der Homepage des BMJ ein autorisiertes und kostenlos nutzbares Berechnungsmodul zur Verfügung stünde, um P-Konto-Dispositionen nachrechnen zu können. Da das aber zu kompliziert ist, hat das das damalige BMJV abgelehnt, was wohl schon alles über die Komplexität der P-KontoDisposition aussagt. Homann, in: Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5, Ziff. 4.9.2.3. a. E. fordert stattdessen, dass ein solches Gesetzgeberrechnungsmodul von allen P-Konto-Programmanbietern zur Verfügung gestellt wird. Solch ein Berechnungsmodul würde sicherlich helfen; aber es müsste zwingend von einer vertrauenswürdigen Stelle zur Verfügung gestellt werden, was aus Sicht des Autors nur eine staatliche oder vom Staat beauftragte und entsprechend zertifizierte Stelle sein kann. Auch deshalb, weil die Neigung, in so etwas privat zu investieren nach dem Fiasko beim Vergleichsportal für Girokonten, begrenzt sein dürfte, vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/check24beendet-girokontenvergleich-101.html.
1300 Mit der Einschränkung in Abs. 3 Satz 2, der dem Schuldner auch dann noch Einwendungen erlaubt, wenn die bereits Frist verstrichen ist, wollte der Gesetzgeber noch eine ausnahmsweise Geltendmachung eröffnen, wenn der Schuldner eine verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat. Der Maßstab des nicht zu vertreten wird hier vergleichbar der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sein, etwa orientiert an § 233, bei der die Partei „ohne ihr Verschulden“ verhindert gewesen sein muss, die Frist einzuhalten, Stackmann, in: MünchKommZPO, § 233 Rn. 31.
Außerdem muss der Kontoinhaber dem Kreditinstitut die Einwendungen mitteilen. Da eine Schriftform nicht vorgeben ist, dürfte hier selbst ein mündliches Vorbringen, in Textform, z. B. per E-Mail, aber in jedem Falle ausreichen. h) Kontoleihe 1301 Gelangen Zahlungseingänge Dritter auf ein P-Konto, sind auch sie nur im Rahmen der Freibeträge des P-Kontoinhabers geschützt. Das gilt auch für irrtümlich dort gutgeschriebene Beträge; siehe Rn. 1184. Auch (möglicherweise) versehentliche Bareinzahlungen, können nicht durch (einmalige) Erhöhung des Freibetrages (über § 906) geschützt werden, so richtig das AG Ludwigshafen, Beschl. v. 29.6.2012 – 3 b p M 1396/06, 1335/07, 181/10, ZVI 2012, 428.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899
Beispiel: Schuldner S unterhält ein gepfändetes P-Konto bei seinem Kreditinstitut K. Seine Ehefrau SF ist bevollmächtigt und lässt auch ihr Gehalt auf das Konto des S gehen. SF kann über das Konto im Rahmen des Freibetrages des S verfügen. Das System des P-Kontos beruht darauf, dass die Herkunft des Guthabens 1302 keine Rolle spielt oder anders gesagt: Die Pfändungsfreiheit des P-Kontos ist von dem Eingang unpfändbaren Einkommens abgekoppelt, vgl. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., 5. Aufl., § 33 Rn. 38b. Zur Ausnahme im Rahmen von sog. Blankettbeschlüssen siehe Rn. 1998.
Wird zunächst die Möglichkeit der Umwandlung (bewusst) nicht genutzt, scheidet ein Schutz über § 765a aus. § 765a ist nicht einschlägig, wenn der Schuldner nicht wenigstens sein Konto in ein P-Konto umwandelt, LG Heilbronn, Beschl. v. 27.8.2012 – 1 T 209/12 Hn, BeckRS 2012, 20053; ebenso VG Göttingen, Beschl. v. 8.10.2012 – 1 B 240/12, BeckRS 2012, 58133, vgl. auch Rn. 1819; ebenso AG Mönchengladbach, Beschl. v. 5.12.2012 – 24 M 1675/12, n. v.
Strittig ist, ob solche Zahlungseingänge Dritter auf dem P-Konto des Vollstre- 1303 ckungsschuldners ansonsten schützbar sind. Grundsätzlich geht das nicht. Zu Recht zurückhaltend mit der Anwendung des § 765a bei Eingang von Leistungen für Dritte auf einen P-Konto, AG Aschaffenburg, Beschl. v. 5.7.2012 – 11 M 13521/03, 11 M 13927/02, ZVI 2012, 469: Die Schuldnerin hatte beantragt, ihr einen erhöhten einmaligen Freibetrag zuzubilligen, weil versehentlich Leistungen für ihren Sohn auf ihrem P-Konto eingegangen waren, weil die Rentenstelle die Bankverbindungen des Sohnes der Schuldnerin falsch angegeben hatte, so dass dessen Bezüge zusammen mit den eigenen Einkünften der Schuldnerin, auf dem gepfändeten P-Konto eingingen und höher waren als der Freibetrag. Da der notwendige Selbstbehalt der Schuldnerin nicht gefährdet war, als das Gericht den Antrag versagt, da das Versehen der Rentenstelle nicht der Gläubigerin zur Last gelegt werden könne. Ebenso: AG Schwarzenbek, Beschl. v. 24.5.2012 – 5 M 962/12, ZVI 2012, 354. Vgl. auch Bitter, a. a. O. der als Beispiel für eine gebotene fortdauernde Kontenleihe etwa die Alkohol- oder Drogenabhängigkeit des Schuldners anführt. Pfändungsschutz nach § 765a kann auch nicht für ein weiteres Konto neben dem Pfändungsschutzkonto gewährt werden, AG Neu-Ulm, Beschl. v. 23.3.2015 – 12 M 618/15, JurBüro 2015, 384.
Werden die Freibeträge dauerhaft durch die z. B. Gehaltseingänge des Dritten 1304 auf dem P-Konto des Schuldners überschritten, wird der Dritte wohl gut beraten sein, auf seinen Namen ein Einzelkonto zu eröffnen und künftig sein Gehalt auf dieses Konto laufen zu lassen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1305 Wenn dagegen umgekehrt der Vollstreckungsschuldner das Girokonto des Dritten wesentlich mitbenutzt oder gar ausschließlich für seine Zahlungsverkehr nutzt, alleine dann spricht man von einer sog. Kontoleihe. Beispiel: Schuldner S unterhält nur eine Darlehenskonto bei seinem Kreditinstitut K. Gegen ihn liegt eine Kontopfändung vor. Seine Ehefrau SF dagegen hat zwei Zahlungskonten; auf beiden ist S bevollmächtigt; eines der Konten nutzt ausschließlich S für seinen Zahlungsverkehr. Auf dieses Konto geht auch sein Gehalt. Zum Thema Kontoleihe insgesamt, siehe auch Bitter, in: BankrechtsHdb., 5. Aufl., § 33 Rn. 38 – 38e.
1306 Die Kontoleihe wird heute auch durch insbesondere das online banking erleichtert, so dass es noch schwerer festzustellen ist, ob eine solche Kontoleihe vorliegt, denn der Vollstreckungsschuldner braucht nicht einmal offiziell bevollmächtigt zu sein. Wenn er – allerdings unzulässigerweise – vom Kontoinhaber dessen Konto-Karte nebst PIN erhält und/oder ihm dessen online banking Zugangsdaten und PINs (und TANs) überlasst, wird ein Kreditinstitut – geschweige denn ein Gläubiger – ihm die Kontenleihe kaum nachweisen können, da er „seinen“ Zahlungsverkehr quasi anonym ausführen kann, sowohl bar als auch unbar. Das Umsatz-Screening im Rahmen der Geldwäsche-Prävention, könnte im Einzelfall helfen, hat aber natürlich zunächst einen anderen Fokus als den Gläubigerschutz und schlägt grds. wohl auch nicht an, wenn Ehegatten sich zur Verfügung über die jeweiligen Konten (gegenseitig) bevollmächtigen.
1307 Solange der Dritte nicht ebenfalls eine Kontopfändung erhält, kann auch der Schuldner über das gesamte Guthaben auf dem Konto des Dritten natürlich frei verfügen. 1308 Bei der Kontoleihe liegt die Benachteiligung des Gläubigers auf der Hand. Haunhorst, DStR 2014, 1451; siehe auch Stolte, DStR 2019, 1044 zu Anfechtungsmöglichkeiten für Gläubiger und zu der These, die der Autor unterstreicht, dass das Argument des Schuldners für die Kontenleihe, ansonsten nicht mehr am bargeldlosen Geldverkehr teilnehmen zu können, seit Einführung des Pfändungsschutzkontos und des Anspruchs auf Eröffnung eines Basis-P-Kontos nach dem ZKG nicht mehr akzeptiert werden kann.
1309 Gläubigern von Schuldnern, die Kontoleihe betreiben, sind in solchen Fällen oftmals die Hände gebunden.
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1. Der Grundfreibetrag und die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens, § 899 Praxistipp: In der Praxis behelfen sich Gläubiger dann damit, dass sie eine Pfändung gegen den Dritten, der sein Konto „verleiht“, ausbringen. Dies ist aber keine den Pfändungsschutzmechanismus des § 899 ZPO auslösende Kontopfändung, sondern eine Pfändung des dem Schuldner gem. § 667 BGB zustehenden Auszahlungsanspruch gegen den Dritten wegen der auf ein Konto des Dritten eingehenden, dem Vollstreckungsschuldner zustehenden Leistungen/Beträgen. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.5.2015(2. Kammer des Ersten Senats) (1 BvR 163/15), WM 2015, 1376 mit Bespr. Bitter, WuB 2015 Heft 11, 601. Hiergegen kann der Vollstreckungsschuldner (nicht der Dritte) zwar Vollstreckungsschutz beanspruchen, allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 765a ZPO. Problem: Nicht alle Gerichte gewähren die Auskunft über die Inhaberschaft des geliehenen Kontos, die der Gläubiger zunächst nicht kennen wird, vgl. AG Kiel, Beschl. v. 28.9.2016 – 21 M 1787/16, DGVZ 2016, 238. Die „wohl herrschende Meinung“, so bemerkenswerterweise das die Auskunft ablehnende AG Kiel a. a. O. selbst einräumend, steht dem Gläubiger aber das Recht zu, auch die Inhaber von Konten zu erfragen, über die dem Schuldner die Verfügungsbefugnis eingeräumt ist, vgl. LG München I, Beschl. v. 27.4.2021 – 16 T 5272/21, VE 2022, 46; LG Rostock, Beschl. v. 7.5.2019 – 3 T 66/19, DGVZ 2019, 184; LG Ravensburg, DGVZ 2013, 214; ebenso Musielak/Voit-Voit, ZPO, § 802l Rn. 6 m. w. N.).
Eine Kontoleihe muss das Kreditinstitut, wenn es denn davon Kenntnis erlangt, 1310 unterbinden. Stellt sich heraus, dass die Angabe des Kontoinhabers für eigene Rechnung zu handeln, später als unzutreffend heraus, muss das Kreditinstitut wegen Zweifeln an den Angaben zur Identität des wirtschaftlich Berechtigten den – wahren – wirtschaftlich Berechtigten feststellen und ggf. identifizieren oder nach Maßgabe des GwG und aus eigenem geschäftspolitischem Interesse die Geschäftsverbindung beenden, Allgayer, in: Bankrechts-Hdb., § 11 Rn. 381.
Das gilt nicht nur wegen des GWG, sondern auch weil damit ggf. Vollstre- 1311 ckungsvereitelung betrieben wird, die das Kreditinstitut nicht dulden sollte. Bei der Nutzung eines gemeinsamen Kontos stellt sich die Frage nicht, weil beide Kontoinhaber sind. Bei der Nutzung des Kontos des Ehepartners durch den Schuldner, ist sicherlich ein Grenzbereich tangiert, denn wenn eine Familie von geringen Einkünften lebt, mögen die Kontoführungsentgelte für ein zweites Zahlungskonto das Haushaltsbudget bereits „strapazieren“, so dass die gemeinsame Nutzung eines Kontos per se nicht missbräuchlich sein dürfte. Hier wird man aber verlangen können, dass das Konto dann zumindest als Gemeinschaftskonto geführt wird, um dem sonst durch missbräuchliche Kontoleihe deutlich erschwerten Zugriff auf Einkünfte des Schuldners nicht noch Vorschub zu leisten. Einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Umwandlung des Einzelkontos in ein Gemeinschaftskonto hat das Kreditinstitut aber nicht.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1312 Vor dem Hintergrund des § 850l, der bei Pfändung eines Gemeinschaftskontos den Schutz des dem Schuldner zustehenden Teils des GemeinschaftskontoGuthabens nur ermöglicht, wenn er ein eigenes P-Konto eröffnet, wird sich solch eine Kontoleihe bzw. gemeinsame Kontoführung eines Schuldners mit einem Nicht-Schuldner aber künftig kaum noch rechtfertigen lassen. 1313 Damit ordnet der Gesetzgeber gewissermaßen eine gesetzliche Einzelkontounterhaltungspflicht des Schuldners an. Der Schuldner hat selbst für den Schutz seines Gehalts Sorge zu tragen, indem er alles dahingehend veranlasst, dass seine Zahlungen auf einem eigenen Pfändungsschutzkonto statt auf dem Konto eines Dritten eingehen. So schon BVerfG, Beschl. v. 29.5.2015 – 1 BvR 163/15, WM 2015, 1376. Auch das LG Lüneburg, Urt. v. 4.5.2017 – 4 O 180/16 JurBüro 2017, 49 hat dann einen Pfändungsschutz (gänzlich) abgelehnt. Anders das AG Norden, in Verkennung der Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 29.5.2015 – 1 BVR 163/15, das in einen Fall der Kontoleihe (Schuldner nutzt das Konto der Ehefrau) solchen Schutz nach § 765a zwar noch gewährt hat, allerdings mit der Maßgabe, dass der Schuldner sich alsbald (= binnen eines Monats nach Zustellung des 765a-Beschlusses) ein eigenes P-Konto zulegen und seine Bezüge dorthin leiten muss, vgl. AG Norden, Beschl. v. 12.3.2021 – 6 M 4625/20, Rpfleger 2021, 529.
1314 Immerhin wäre der Schuldner auch nach Ansicht des AG Kiel in seiner Vermögensauskunft verpflichtet, Angaben zur Kontoleihe zu machen. Da Gerichtsvollzieher sich immer mal wieder weigern, diese Fragen zu stellen, dann sollte man als Gläubiger auf die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 20.11.2008 – I ZB 20/06, DGVZ 2009, 131 verweisen.
1315 Nach Ansicht des Autors umfasst das auch die Auskunft, ob er – ohne formal eingeräumte Verfügungsbefugnis oder Bevollmächtigung – trotzdem über das Konto eines Dritten tatsächlich verfügen kann und verfügt. Gläubiger sollten daher im Rahmen der e. V. stets nach Drittkonten und tatsächlichen Verfügungsbefugnissen fragen. Mit dem obigen Beschluss des BGH kann man auch dem Argument der Gerichtsvollzieher begegnen, dass das amtliche Formular angeblich alle bedeutenden Fragen enthalten. Dagegen würde nur eine Kontoauskunft gem. § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 beim Bundeszentralamt für Steuern keinen Erfolg bringen, da das Konto ja gerade nicht auf den Vollstreckungsschuldner lautet und ggf. auch keine Verfügungsbefugnis aufweist.
1316 Der Schuldner ist verpflichtet, Auskunft über die Nutzung eines fremden Kontos zu geben. Der dem Schuldner nach § 667 BGB gegen den Dritten zustehende Auszahlungsanspruch ist insofern ein pfändbarer Vermögenswert. Vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2007 – VII ZB 15/07, VuR 2008, 28.
350
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Das unvollständige Vermögensverzeichnisses muss der Gläubiger aber zunächst 1317 nachbessern lassen; wenn der Gerichtsvollzieher diesen Antrag ablehnt, kann Erinnerung nach § 766 eingelegt werden, BGH, Beschl. v. 4.10.2007 – I ZB 11/07, DGVZ 2008, 124.
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten P-Konten kann man nur als P-Einzel-, nicht aber als P-Gemeinschaftskonten 1318 unterhalten. BT-Drucks. 16/7615, S. 12.
Als Begründung wird dazu angeführt, dass die Gewährung von automatischem 1319 Pfändungsschutz, die Freibeträge sind insoweit personenbezogen, bei Gemeinschaftskonten zu kompliziert und nicht leicht zu handhaben wäre. Schumacher, ZVI 2007, 455, 457; ebenso Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31: „Da das Recht auf Pfändungsschutz ein individuelles Recht ist, für dessen Bemessung auch die persönlichen Umstände des betroffenen Schuldners zu berücksichtigen sind, kann der Pfändungsschutz des P-Kontos nicht für ein Gemeinschaftskonto gewährt werden. Somit scheidet auch ein gemeinsames P-Konto aus (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/7615, S. 20); bei diesem das P-Konto-Recht prägenden Grundsatz soll es auch künftig verbleiben.“
Ganz zwingend scheint das nicht (mehr), denn auch auf einem P-Einzelkonto 1320 werden Freibeträge gewährt, die zwar für den „Schuldner“ gelten, aber mittels dessen er ggf. mehrere Personen unterhalten muss. Insoweit wäre denkbar auch gewesen, ein P-Gemeinschaftskonto zu erlauben, in dem sich der StandardGrundfreibetrag am Grundfreibetrag für eine Person plus für die erste unterhaltsverpflichtete Person orientiert. Zumal ja im Rahmen des § 850l auch pauschaliert wird, denn die Standard-Übertragung von Guthaben des Gemeinschaftskonto wird nach Köpfen vorgenommen. Diese Pauschalisierung wäre auch im Rahmen eines Grundfreibetrages für ein P-Gemeinschaftskonto denkbar gewesen, wobei dann höhere Freibeträge stets das Vollstreckungsgericht hätte festlegen müssen.
Die Führung des P-Kontos als gemeinschaftliches „Oder-Konto“ oder als 1321 „Und-Konto“ ist aber weiterhin ausgeschlossen. Was natürlich nicht bedeutet, dass Dritten (z. B. dem Ehegatten) keine Kontovollmacht auf dem P-Einzel-Konto eingeräumt werden darf, auch wenn das ebenfalls Manipulationen ermöglicht. Einige Kreditinstitute lassen dies deshalb bei P-Konten nicht mehr zu. Bei der Neuerrichtung ist das zulässig, bei der Umwandlung nicht, da hier zu Gunsten des Kontoinhabers nun § 850k Abs. 2 Satz 2 vorschreibt, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut „im Übrigen unberührt“ bleibt. Eine Veränderung wäre nur durch im AGB-rechtlicher oder
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto vertraglicher Vereinbarungen durch Kündigung möglich. Anlässlich der Umwandlung in ein P-Konto automatisiert Veränderungen herbeizuführen, ist nicht mehr zulässig. Beim nachträglichen Entzug schon bestehender Vollmachten anlässlich der Umwandlung, siehe Rn. 1101.
1322 Durch den § 850l ist es nunmehr aber möglich, Guthaben auf gemeinschaftlich geführten Zahlungskonten vor der Pfändung zu schützen. Gewährleistet wird dies dadurch, dass Gemeinschaftskontoinhaber zunächst einen Anspruch haben, ein Einzelkonto zu errichten und sich sodann auf dieses Einzelkonto einen kopfteilig aufgeteilten Teil des Guthabens des Gemeinschaftskontos übertragen zu lassen, wobei dies nur natürliche Personen von ihren Kreditinstituten verlangen können. Die Übertragung darf nur auf Verlangen geschehen. Ein Hinweis darauf, dass die Übertragung nur auf Verlangen erfolgt, auch bei den Mitkontoinhabern, kann des Kreditinstitut geben.
1323 Die von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) und der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) herausgegebene gemeinsame Kundeninformation (Anhang 3) enthält diesen Hinweis. Ist allerdings der Vollstreckungsschuldner nur eine nicht-natürliche Person, also zum Beispiel eine GmbH, UG, oHG, KG, Partnerschaftsgesellschaft oder GbR etc., kann der Schutz weder für diese Person noch für eine als Mitkontoinhaber fungierende natürliche Person beansprucht werden. Der Wortlaut des § 850l Abs. 1 Satz 1 spricht ausdrücklich davon, dass jedenfalls der Schuldner – und nicht irgendein Mitkontoinhaber – eine natürliche Person sein muss. Ist der Schuldner eine natürliche Person und unterhält er mit einer anderen natürlichen oder mit einer juristischen Person oder mit einer Mehrheit von Personen ein Gemeinschaftskonto, dann bietet – allerdings auch nur zu Gunsten der natürlichen Personen – § 850l Anspruch auf Schutz. Bei der GbR ist dabei nicht danach zu differenzieren, ob sie etwa kreditrechtlich trotzdem als „Verbraucher“ angesehen wird, denn der Schutzumfang der dann hinter der GbR stehenden Verbraucher, nämlich sie als natürliche Personen als Haftungsträger für Kredite der GbR zu schützen, hat einen anderen Schutzzweck als der Guthaben-Pfändungsschutz des § 850l.
Beispiel: Schuldner S GmbH und Schuldner S, Geschäftsführer der S GmbH sind beide Vollstreckungsschuldner von Steuerschulden. Eines der Konten, die die S GmbH und S unterhalten, ist ein gemeinschaftliches Zahlungskonto. Als die Kontopfändung des Finanzamtes eingeht, die sich gegen beide Kontoinhaber richtet, macht S den Anspruch nach § 850l geltend, da sich zum Zustell-Zeitpunkt auf dem Gemeinschaftskonto gerade ein Guthaben i. H. v. 3.000 € befindet. Kreditinstitut K verweigert diesen, da die S GmbH als Vollstreckungsschuldner keine natürliche Person ist. Zu Recht?
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Nein. Denn in diesem Fall ist auch S Vollstreckungsschuldner. Damit ist die Bedingung des § 850l Abs. 1 Satz „Unterhält der Schuldner, der eine natürliche Person ist, mit einer anderen natürlichen oder mit einer juristischen Person oder mit einer Mehrheit von Personen ein Gemeinschaftskonto …“ erfüllt. S kann den Anspruch nach § 850l für sich geltend machen. K muss den Anspruch nachkommen. Die S GmbH dagegen kann keinen Schutz nach § 850l beanspruchen. Auch eine Auszahlungssperre im Rahmen des § 835 für das Kontoguthaben eines Schuldners, der nicht natürliche Person ist, ist nicht möglich; Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 835 Rn. 32.
a) Anspruch auf Einzelkonten Nach § 850l hat bei Pfändung des Gemeinschaftskontos, jeder der Schuldner 1324 der eine natürliche Person ist, einen Anspruch auf ein eigenes Einzelkonto, auf Verlangen auch als Pfändungsschutzkonto. Dem Wortlaut der Norm selbst, ist allerdings nicht zu entnehmen, dass es auch 1325 im Rahmen des § 850l einen Anspruch auf Neu-Eröffnung eines P-Einzelkontos gibt, im Gegenteil: „Ist der Schuldner eine natürliche Person, kann er innerhalb des Zeitraums nach Abs. 1 Satz 1 von dem Kreditinstitut verlangen, bestehendes oder künftiges Guthaben von dem Gemeinschaftskonto auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto zu übertragen.“ Daraus könnte man entnehmen, dass das Zahlungskonto bereits bestehen muss. Auch im Rahmen des § 850k gibt es keinen Anspruch auf NeuEröffnung eines P-Kontos, nur einen Umwandlungsanspruch. Den Neueröffnungsanspruch kann nur ein Verbraucher über §§ 31, 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG durchsetzen.
Ansonsten ist nur vom Guthaben die Rede, dass nur auf ein Einzelkonto über- 1326 tragen werden kann. Die Konsequenz wäre, dass dann, wenn der Schuldner kein allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto hätte, die Übertragung nicht möglich wäre. Auch aus der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 32 ergibt sich zunächst nur ein Umwandlungs-, kein Neueröffnungsanspruch: „Für den Fall, dass ein Kontoinhaber bereits bei demselben Kreditinstitut ein Einzelkonto unterhält, hat er einen Anspruch, dass dieses als P-Konto geführt wird.“ In der Fassung des § 850l des Referentenentwurfes des BMJV v. 15.10.2019, S. 9, war im Übrigen im Wortlaut der Norm noch explizit vorgesehen, dass der Schuldner auch einen Anspruch auf Neu-Eröffnung hat: „Ist einer der Kontoinhaber eine natürliche Person, kann dieser während des Zeitraums nach Absatz 1 von dem Kreditinstitut verlangen, dass Guthaben von dem gemeinsamen Zahlungskonto auf ein bei dem Kreditinstitut auf seinen Namen allein geführtes oder während dieses Zeitraums auf seinen Namen neu errichtetes Zahlungskonto übertragen wird, das auf Verlangen des Kontoinhabers als Pfändungsschutzkonto geführt wird.“ Dieser Passus
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto ist in der endgültigen Fassung des § 850l nicht mehr enthalten, was ein Argument mehr dafür sein könnte, dass es im Rahmen des § 850l keinen Anspruch auf eine Neu-Einrichtung eines P-Kontos geben soll.
1327 Allerdings: Zumindest im Intro der Gesetzesbegründung zur Erläuterung des neuen § 850l, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31,
ist aber zu lesen: „Die Vorschrift des § 850l ZPO-E trifft erstmals Regelungen für die Pfändung von Guthaben auf einem Gemeinschaftskonto. Geregelt wird dabei der Anspruch auf Einrichtung von Einzelkonten und der Schutz der unpfändbaren Teile des Guthabens auf diesen Einzelkonten, wenn Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto gepfändet ist.“ Es ist aber nicht auszuschließen, dass dieses „Intro“ im Zuge der Veränderungen vom DiskE über den RegE bis zum finalen Gesetzesentwurf nicht mehr angepasst wurde.
1328 Aus diesem Satz im Intro zu § 850l in der Gesetzesbegründung ist zu folgern, dass eine natürliche Person, die Vollstreckungsschuldner ist, auch einen Anspruch auch auf Neu-Errichtung eines P-Kontos hat, wenn er Mit-Inhaber eines gepfändeten Gemeinschaftskontos ist. Aber auch ohne das Intro muss nach Sinn und Zweck ein Anspruch auf Neu-Errichtung eines P-Kontos bestehen, da ansonsten der Anspruch aus § 850l leer liefe, aber ausdrücklich vorgeschrieben ist, um einen Drittschuldnerwechsel auszuschließen, dass der Schuldner für die Übertragung des Guthabens vom Gemeinschaftskonto ein Einzel-Zahlungskonto bei dem Kreditinstitut unterhalten muss, bei dem die Kontopfändung zugestellt wurde. 1329 Dieser Anspruch, sowie der Anspruch auf Übertragung von Guthaben besteht aber nur dann, wenn das Gemeinschaftskonto mit einer Kontopfändung belegt wird. Dagegen würde die Anzeige einer Abtretung von Guthaben (z. B. eines Inkasso-Büro) den Anspruch nicht auslösen. Auch das würde dafür sprechen, solche Abtretungen, sollten sie das Gemeinschaftskonto-Guthaben umfassen, als unzulässig zurückzuweisen.
Einer Überweisung oder Einziehung bedarf es nicht. In § 850l Abs. 1 Satz 1 heißt es insoweit ganz klar: „Unterhält der Schuldner, der eine natürliche Person ist, mit einer anderen natürlichen oder mit einer juristischen Person oder mit einer Mehrheit von Personen ein Gemeinschaftskonto und wird Guthaben auf diesem Konto gepfändet, …“. Dagegen ist das Verbot der Verrechnungs- und Aufrechnung des § 901 für ein Einzel-Zahlungskonto auch erreichbar, wenn (noch) keine Pfändung besteht. Hier reicht schon das Verlangen, das debitorische Einzel-Konto in ein P-Konto umzuwandeln aus, um
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten den Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz zu aktivieren, vgl. § 901 Abs. 1. Siehe dazu Rn. 1526.
Der Anspruch auf ein P-Einzelkonto besteht auch dann noch, wenn das Ge- 1330 meinschaftskonto bereits (rechtswirksam) gekündigt war. Siehe Rn. 948 (Beispiel). Hintergrund ist, dass anders als durch ein P-Konto sonst gar kein Pfändungsschutz, auch nicht für das Existenzminimum, mehr für den Schuldner erreichbar wäre; dieser Schutz darf dem Schuldner nicht entzogen werden.
Bevollmächtigte eines Gemeinschaftskontos sind keine Kontomitinhaber des 1331 Gemeinschaftskonto. Sie sind daher auch nicht berechtigt Ansprüche nach § 850l geltend zu machen. Beispiel: Schuldner S und Schuldnerin SF führen zusammen ein Oder-Konto. Die erwachsene Tochter T ist auf dem Konto bevollmächtigt und nutzt das Konto aus Kostengründen für ihren – noch bescheidenen – Zahlungsverkehr mit. Auch ihre Azubi-Vergütung geht auf das Konto ein. Das Konto beim Kreditinstitut K wird durch Gläubiger G des S gepfändet. S, SF und T beantragen unter Bezugnahme auf § 850l, dass jeder ein Einzelkonto erhält und das Guthaben i. H. v. 4.500,00 € kopfteilig auf die Einzelkonten aller drei aufgeteilt wird. Zu Recht? Nein. Nur S und SF als Kontomitinhaber des Gemeinschaftskontos haben einen Anspruch auf je ein Einzelkonto. T als nur „Bevollmächtigte“ kann keinen Anspruch auf ein Einzelkonto nach § 850l geltend machen. T könnte aber natürlich einen ganz normalen Antrag auf Eröffnung eines Einzelkontos bei K stellen; wenn K das aber nicht will, kann T K nicht dazu zwingen (außer T macht den Anspruch auf ein Basiskonto geltend und erfüllt die Bedingungen des ZKG).
Das Guthaben wird aber selbst dann, wenn T einen eigenen Anspruch auf Eröffnung eines Basiskontos geltend machen würde, nicht auf drei Kontoinhaber (3 * 1.500,00 €) verteilt, sondern nur auf zwei Kontoinhaber, S und SF (2 * 2.250,00 €). Familie S/SF/T kann also nur die 2.250 € (für SF), statt 3.000,00 € (für SF und T je 1.500,00 €) der Pfändung entziehen. Nach Pfändungseingang kann die Anzahl der Mit-Kontoinhaber des Gemein- 1332 schaftskonto nicht mehr erhöht werden. Variante: Schuldner S und Schuldnerin SF führen zusammen ein Oder-Konto. Die erwachsene Tochter T ist auf dem Konto bevollmächtigt und nutzt das Konto aus Kostengründen für ihren – noch bescheidenen – Zahlungsverkehr mit. Auch ihre Azubi-Vergütung geht auf das Konto ein. Das Konto beim Kreditinstitut K wird durch Gläubiger G des S gepfändet. Daraufhin machen S und SF die T zur Kontomitinhabern ihres Gemeinschaftskonto und beantragen unter Bezugnahme 355
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
auf § 850l, dass jeder ein Einzelkonto erhält und das Guthaben i. H. v. 4.500,00 € kopfteilig auf die Einzelkonten aller drei aufgeteilt wird. Zu Recht? Nein. Nur S und SF als Kontomitinhaber des Gemeinschaftskontos haben einen Anspruch auf je ein Einzelkonto nach § 850l und Übertragung anteiligen Guthabens. T kann zwar zur Mitkontoinhaberin gemacht werden, aber nach Zustellung der Pfändung führt dies nicht dazu, dass T im Rahmen des § 850l als dritte Mitkontoinhaberin berücksichtigt werden darf. 1333 § 850l Abs. 1 Satz 1 spricht davon, dass das Gemeinschaftskonto bereits zum Zeitpunkt der Pfändung unterhalten sein muss; es heißt wörtlich: „Unterhält der Schuldner, der eine natürliche Person ist, mit einer anderen natürlichen oder mit einer juristischen Person oder mit einer Mehrheit von Personen ein Gemeinschaftskonto und wird Guthaben auf diesem Konto gepfändet…“. 1334 Das aber bedeutet, dass das Gemeinschaftskonto nur so, wie es sich zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung darstellt, also auch mit der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Anzahl an Mitkontoinhabern, unter dem Schutz des § 850l steht. Eine nachträgliche Erhöhung der Mitkontoinhaber ist dann nicht mehr möglich. Trotzdem schützt das den Gläubiger nicht gänzlich vor „grenzwertiger“ Ausnutzung der Möglichkeiten des § 850l. Denn einer Kontopfändung gehen diverse „Vorankündigungen“ der bevorstehenden Zwangsvollstreckung voraus, und sei es nur die Titulierung der Forderung, so dass ein Schuldner im Vorfeld der Zustellung der Pfändung ggf. die Anzahl der Mitkontoinhaber erhöhen kann. Weiß das Kreditinstitut davon nichts, wird es sich einer sachlich nachvollziehbaren Mitaufnahme weiterer Mitkontoinhaber meist nicht verweigern. Ob ein Gläubiger die Erhöhung der Anzahl der Mitkontoinhaber kurz vor Pfändungszustellung im Nachhinein beanstanden/ anfechten kann, scheint nicht ausgeschlossen, wird aber eine Einzelfallentscheidung sein und von der Einzelabwägung der zu diesem Zeitpunkt bestehenden konkreten Interessenslagen abhängig sein.
1335 Wenn Gemeinschaftskonten nicht nur von Eheleuten, sondern mehreren verschiedenen natürlichen Personen unterhalten werden, etwa Konten für Personengemeinschaften, können alle Kontomitinhaber des Gemeinschaftskontos daraus einen Umwandlungsanspruch herleiten. 1336 Der Umstand, dass in § 850l nur allgemein von „Gemeinschaftskonten“ die Rede ist, nicht von gemeinschaftlich unterhaltenen Zahlungskonten, ist allerdings nicht so zu verstehen, dass auch bei Pfändung eines z. B. gemeinschaftlichen Sparkontos ein Anspruch auf Eröffnung eines P-Einzelkontos und Übertragung von Guthaben daraus besteht. Die Regelung ist nur entstanden, weil ein gemeinschaftliches Zahlungskonto nicht zum P-Konto werden kann. vgl. Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 34 (dort war der § 850l noch der Absatz 3 des § 850k-E): „Voraussetzung … ist dabei, dass mindestens eine natürliche Person gemeinsam mit anderen Personen oder Personengemeinschaften ein Zahlungskonto führt, das gepfändet ist.“
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Insofern ist klar, dass der Gesetzgeber mit der neuen Regelung auch nur 1337 Guthaben gemeinschaftlicher Zahlungs-, nicht sonstiger Gemeinschaftskonten schützen wollte. Ebenso Knees, WM 2021, 664 mit dem berechtigten Hinweis, dass wenn mit Einführung des § 850l eine Erweiterung auf sämtliche Arten von Gemeinschaftskonten beabsichtigt gewesen wäre, hierauf in der Begründung des Gesetzentwurfes mit Sicherheit eingegangen worden wäre. Auch im Schlussbericht iff ging es immer auch nur um gemeinschaftliche Zahlungskonten, siehe z. B. S. 39 oder 71.
Gemeinschaftskonten kommen in der Praxis aber nicht nur als gemeinschaft- 1338 liches Zahlungskonto von Ehegatten oder Lebenspartnern vor, sondern in sehr verschiedenen Zusammensetzungen: Gemeinschaftskonten von Erbengemeinschaften, (gewerblichen) Konten von Mitgesellschaftern, GbR-(Gesellschafter-) Konten und auch – allerdings sehr selten – zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen oder Personengesellschaften. Grundsatz ist dann, dass diejenigen Kontomitinhaber, die natürliche Personen 1339 sind, im Fall der Pfändung des Gemeinschaftskontos bestehend aus natürlichen Personen einen Anspruch auf Errichtung eines Einzelkontos und Übertragung „ihres“ Guthabens haben. Zur Einschränkung wenn der Vollstreckungsschuldner nur eine nicht-natürliche Person ist, siehe Rn. 1323/1340.
Beispiel: Schuldernin S verstirbt. Das Konto beim Kreditinstitut K wird auf die Erbengemeinschaft der Erben der S, deren Kinder A, B und C, umgeschrieben. Nach Umschreibung des Titels auf diese, pfändet Gläubiger G das Erbengemeinschaftskonto von A, B, C, auch dem sich 3.000,00 € befinden. A, B und C verlangen von K jedem ein neues P-Einzelkonto einzurichten und den Kopfteil i. H. v. je 1.000,00 € auf diese Einzelkonten zu überweisen. K weigert sich mit dem Hinweis, das Erbengemeinschaftskonto sei kein Gemeinschaftskonto natürlicher Personen, sondern ein Konto, dass auf den Personenzusammenschluss „Erben-Gemeinschaft ABC“ laute. Diese Gemeinschaft sei aber keine natürliche Person(en), sondern als Personenzusammenschluss eine Rechtsgemeinschaft. Zu Recht? Lösung: Nein. Kontoinhaber sind bei der Erbengemeinschaft die einzelnen natürlichen Personen, da die Erbengemeinschaft keine rechtsfähige Personengemeinschaft ist. Vgl. Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 370.
Alle Kontomitinhaber sind als natürliche Personen Gesamtgläubiger der Einlage. Hätte K Recht, müsste das Konto als Einzelkonto geführt werden, da die Gemeinschaft dann selbst Rechtssubjekt und alleiniger Vertragspartner der K wäre; tatsächlich wird es aber – zu Recht – als Gemeinschaftskonto geführt in Form eines
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Und-Kontos, da alle Kontoinhaber nur gemeinschaftlich zusammen verfügen können. K muss dem berechtigten Verlangen von A, B und C daher wie gewünscht nachkommen. 1340 Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sind Ehegatten insoweit gleichgestellt. Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 393.
Sind, was in der Praxis allerdings äußerst selten vorkommt, die Mitkontoinhaber eines Gemeinschaftskonto eine natürliche Person und eine juristische Person und richtet sich die die Pfändung nur gegen die juristische Person, dann gibt es folgende Einschränkung. Beispiel: Nichtschuldner SF unterhält zusammen mit der S GmbH ein Gemeinschaftskonto, das durch einen PfÜB gegen die S GmbH des Gläubigers G am 1.3.2022 gepfändet wird. Als SF nun ihre Ansprüche nach § 850l geltend machen will, verweigert das kontoführende Kreditinstitut K dies mit der Begründung, SF könne diese Rechte nur geltend machen, wenn auch der Vollstreckungsschuldner und andere Mitkontoinhaber eine natürliche Person wäre. Da das bei der S GmbH nicht der Fall sei, die S GmbH ist eine juristische Person, könne auch SF das Guthaben bzw. ihren kopfteiligen Anteil daran nicht vor der Pfändung schützen. Zu Recht? Ja, weil auf Basis der Änderungen aus der Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz § 850l Abs. 1 Satz 1 dies ausschließen soll. So auch Knees, WM 2021, 664 [668], der am Gesetzeswortlaut orientiert argumentiert, durch die sprachliche Änderung in „Unterhält der Schuldner, der eine natürliche Person ist, … ein Gemeinschaftskonto“, sei dann § 850l nicht anwendbar.
1341 Auch wenn diese Regelung auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sein mag, weil auch der Nicht-Schuldner eines Gemeinschaftskonto geschützt werden sollte, teilt der Autor diese Auffassung. An sich wäre ein Mitkontoinhaber, der eine natürliche Person ist, wenn er mit einem Pfändungsschuldner, der eine juristische Person ist, grundsätzlich genauso schutzwürdig. Da ein Missbrauchsrisiko durch Errichtung eines Gemeinschaftskontos bzw. Aufnahme weiterer Mitkontoinhaber aber ohnehin schon besteht, soll dieses bei gewerblichen Schuldnern nicht noch ausgedehnt werden. Insofern kann § 850l nicht auf solche Konstellationen angewendet werden, in denen der Pfändungsschuldner eine juristische Person ist; ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.3 unter Hinweis darauf, dass auch der „klare Wortlaut des § 850l Abs. 2 Satz 1 ZPO“ dafür spreche. Für diese Auslegung spricht nach Ansicht des Autors auch die Begründung des Rechtsausschusses, der diese sprachliche „Schärfung“ erst nachträglich ausdrücklich eingefügt hat: „Darüber hinaus wird deutlicher herausgestellt, dass sowohl das Moratorium für bestehendes und künftiges Guthaben als auch der Pfändungsschutz
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten nach Abs. 2 nur dann gelten, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist.“, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), Drucks. 19/23171 v. 7.10.2020, S. 30.
Der Gesetzgeber – auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages – 1342 wollte in der Tat wohl mit diesem Wortlaut sicherstellen, unlautere Vermögensverschiebung von Gesellschaftsvermögen zu verhindern. Beispiel: Die G GmbH hat Steuerschulden. Die Ankündigung des Finanzamtes, demnächst pfänden zu müssen, nimmt Geschäftsführer G zum Anlass, das GmbH-EinzelKonto durch Aufnahme seiner Frau und seines gerade volljährigen Sohnes in den Kontovertrag nun als Gemeinschaftskonto zu führen. Als die Kontopfändung eingeht, befinden sich durch einen unmittelbar vorher eingegangenen Zahlungseingang aus einer Rechnung 24.000 € Guthaben auf dem GmbH-Gemeinschaftskonto. Seine Ehefrau und sein Sohn machen die Ansprüche aus § 850l geltend und verlangen, dass kopfteilig jedem daraus je 8.000 € auf ihre im Hause schon bestehenden Einzelkonten überwiesen werden. Zu Recht? Nein. Es liegt auf der Hand, dass das mit dem erweiterten Guthabenschutz im Rahmen des PKoFoG ursprünglich nicht gewollt sein kann. Ähnliche Konstellationen wären denkbar bei (freiberuflich tätigen) Gesellschaftern. Zwar wäre diese Vermögensverschiebung möglicherweise auch durch eine Anfechtung wieder zu „reparieren“, aber dieser Weg wäre ungleich umständlicher, langwieriger, kostenintensiver und nicht immer erfolgreich.
Ist also der Vollstreckungsschuldner keine natürliche Person, dann scheidet die Anwendung des § 850l von vornherein aus, auch für die nicht-schuldnerischen natürlichen Personen, die Mitkontoinhaber dieses Gemeinschaftskonto sind. Das ist vor dem Hintergrund, dass die Übertragungsmöglichkeiten in § 850l 1343 den Grundsatz der Verstrickung durchbrechen und insoweit ein Novum darstellen, auch gerechtfertigt. Zur Kritik am Schutz von Guthaben auf gepfändeten Gemeinschaftskonten siehe schon Stellungnahme des Interessenverbandes für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V., v. 18.12.2018 zum DiskE, S. 3.
Da die obigen Anwendungsfälle – vermutlich schon aus steuerlichen Gründen – 1344 eher sehr selten sein werden, ist es gerechtfertigt den Anwendungsbereich des § 850l hier ganz eng auf die für natürliche Personen beschränkten und normalen P-Konto-Sachverhalte zu begrenzen. Ob diese Interpretation in der Begründung des Rechtsausschusses aber wirklich 1345 so eindeutig ist, ist nicht ganz sicher. Denkbar wäre, dass einzelne Gerichte diese Änderung des Rechtsausschusses dahingehend auslegen, dass nur noch
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
deutlicher herausgestellt werden sollte, dass sowohl das Moratorium für bestehendes und künftiges Guthaben als auch der Pfändungsschutz nach Absatz 2 nur für natürliche Personen gelten sollen. Vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 30.
1346 Immerhin hat der Rechtsausschuss in seiner Begründung zu den Änderungen in § 850l auch schuldnerschützende Ausführungen zu Gunsten des Nichtschuldnerischen Mitkontoinhabers gemacht. So heißt es zur Regelung in Abs. 3, in dem der Rechtsausschuss für den Nicht-Schuldner die Voraussetzungen, unter denen der Nichtschuldner verlangen kann, dass Guthaben auf ein allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto übertragen wird: „Es sollen mit Ausnahme des Satzes 2 sämtliche Sätze des Absatzes 2 Anwendung finden, wenn nicht der Schuldner, sondern eine weitere natürliche Person, mit der der Schuldner das Gemeinschaftskonto unterhält, die Übertragung des Guthabens verlangt.“ Dort zumindest wird also nicht der Passus wiederholt, dass der „Schuldner, der eine natürliche Person ist/sein muss“, sondern im Gegenteil, durch den weiteren Wortlaut „eine weitere natürliche Person, mit der der Schuldner das Gemeinschaftskonto unterhält …“ könnte auch zum Ausdruck kommen, dass der Schutz des Absatzes 2, wenn sie eine natürliche Person in Anspruch nimmt und nehmen kann, sie dann auch für eine weitere natürliche Person in Anspruch genommen werden kann.
1347 Insofern ist der gesetzgeberische Willen an dieser Stelle nicht ganz eindeutig. Ziel des § 850l ZPO-E war auch, nicht nur das Gemeinschaftsguthaben für den Schuldner (wenn er eine natürliche Person ist), sondern auch und insbesondere für den Nicht-Schuldner (wenn er eine natürliche Person ist) zu schützen, der ja vielfach durch das Gemeinschaftskonto Leidtragender war, wenn ein Kontopfändung gegen seinen Mitkontoinhaber einging. Ob der Rechtsausschuss das wirklich einschränken wollte, wenn der Vollstreckungsschuldner keine natürliche Person ist, ist daher eher wahrscheinlich. Vor dem Hintergrund des schuldnerfreundlichen Gesamtduktus des PKoFoG wäre auch eine andere Auslegung nicht völlig abwegig.
1348 Die besseren Argumente sprechen allerdings für eine einschränkende Interpretation des § 850l an dieser Stelle, um Missbrauch Vorschub zu leisten. Ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.3.
1349 Ist dagegen eine natürliche Person, nicht notwendigerweise ein Verbraucher, Vollstreckungsschuldner, dann kann sowohl diese als auch natürliche Personen, die Mitkontoinhaber sind, die Rechte aus § 850l beanspruchen. 1350 Neue Missbrauchsgestaltungen könnten aber durch den § 850l auch dadurch gefördert werden, dass Einzel-Kontoinhaber kurz vor der Pfändung oder der Insolvenz, weitere Mit-Kontoinhaber in den Kontovertrag mit aufnehmen. Dadurch wird es zum Gemeinschaftskonto, um zumindest Teile des Guthabens
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
durch Übertragung auf die Einzelkonten der nicht-schuldnerischen Mit-Inhaber gänzlich der Pfändung zu entziehen. Zur Anfechtung der Einrichtung eines Gemeinschaftskontos gegenüber dem anderen Kontoinhaber aber OLG Koblenz, v. 25.2.2015 – 2 U 510/14, ZInsO 2015, 959.
Soweit ein Kreditinstitut das nicht bereits ablehnt, was es kann, wäre dieser Gestaltungsmissbrauch sicherlich ebenfalls anfechtungsrelevant. Differenziert betrachten muss man die Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1351 (GbR) und die Wohnungseigentümergemeinschaft [WEG] i. S. d. § 9a Abs. 1 WEG. Während die WEG nun bereits gem. § 9a Abs. 1 WEG mit Anlegung der 1352 Wohnungsgrundbücher gesetzlich als eigene Rechtspersönlichkeit anerkannt ist, gilt dies für die GbR so eindeutig nicht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist seit dem 1.12.2020, mit Einführung des § 9a WEG, bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher nicht nur im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums rechtsfähig, sondern uneingeschränkt rechtsfähig. Damit ist sie auch uneingeschränkt kontofähig. Wenn sie Rechtsgeschäfte vornimmt, die keinen Bezug zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums haben, gilt eine Beschränkung nur im Innenverhältnis zu den Wohnungseigentümern. Im Außenverhältnis bleiben Rechtsgeschäfte auch wirksam, die mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nichts mehr zu tun hätten, vgl. Schmidt-Räntsch, ZWE 2021, 1.
Auf die WEG selbst kann daher ein Konto lauten, nur wäre es dann kein 1353 Gemeinschaftskonto, sondern ein Einzelkonto, vgl. Rn. 720. Dieses wäre im Übrigen auch nicht umwandelbar in ein P-Konto, da dies nur natürlichen Personen vorbehalten ist, vgl. Rn. 884.
Damit käme § 850l für die evtl. nur verfügungsberechtigten Mitglieder der WEG nicht in Betracht. Allerdings werden in der Praxis vereinzelt vermutlich Konten auch weiterhin auf alle bzw. ausgesuchte Mitglieder der WEG angelegt sein und ggf. auch weiterhin angelegt werden; dann wiederum wäre es ein Gemeinschaftskonto, deren natürliche Personen bei Pfändung des Gemeinschaftskontos die Ansprüche aus § 850l geltend machen könnten. Bei der GbR ist es vergleichbar. Auch der GbR hat der BGH eine eigene 1354 Rechtsfähigkeit attestiert, wenn es sich um eine sog. Außen-GbR handelt. BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056. Unternehmerisch tätige Außen-GbRs können z. B. Arbeitsgemeinschaften (ARGE) im Baugewerbe, Bankenkonsortien oder Sozietäten von Rechtsanwälten oder Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern sein, vgl. Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 347.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1355 In diesem Fall wird das Konto als Einzelkonto auf die GbR angelegt sein, so dass die nur verfügungsberechtigten natürlichen Personen im Fall der Pfändung dieses Kontos die Ansprüche aus § 850l nicht geltend machen könnten. Wird daher für die GbR als solche ein Konto eröffnet, ist nur sie Inhaberin des Kontos (Einzelkonto); es handelt sich nicht um ein Gemeinschaftskonto der Gesellschafter, auch nicht in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, Hadding/Häuser, in: BankrechtsHdb., § 19 Rn. 21. Für die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), das europäische Pendant der deutschen GbR, gilt das gleiche, Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 347.
1356 Handelt es dagegen um eine nicht kontofähige Innen-GbR wird es sich ggf. um ein Gemeinschaftskonto, lautend auf alle Mitglieder der GbR, handeln; deren natürlichen Personen könnten bei Pfändung des Gemeinschaftskontos die Ansprüche aus § 850l geltend machen. 1357 Ob die GbR den Anspruch aus § 850l geltend machen kann, ist allerdings umstritten; nach der gesetzlichen Intention, sollten nur natürliche Personen als Vollstreckungsschuldner in den Schutzbereich des § 850l gelangen. Ist das der (alleinige) Maßstab, wäre zu fragen, wer Vollstreckungsschuldner ist. Ist das die GbR – und nicht (auch) die Gesellschafter –, wäre der Schutz des § 850l auch dann zu versagen, wenn das GbR-Konto auf die Gesellschafter lautend angelegt ist. Die Falsch-Anlage des Kontos und der Umstand, dass das dort befindliche Vermögen der GbR zusteht, würde daran nichts ändern. Mit der Reform des Personengesellschaftsrechts auf Basis des sog. „Mauracher Entwurfs“ wird ab 1.1.2024 eine Klarstellung im BGB vorgenommen werden: „Die Gesellschaft kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft).“ § 705 Abs. 2 BGB-E. Dann wird ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 705 BGB-E nicht mehr die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sondern die GbR selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten sein, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), BT-Drucks. 19/27635 v. 17.3.2021, S. 125. Dann spätestens wird bei einer GbR die Anlage eines Kontos durchgängig auf die GbR selbst erfolgen (müssen), so dass § 850l nicht mehr zum Tragen käme. Das gilt jedenfalls für rechtsfähige, eingetragene (Außen-)GbRs. Damit dürften fast alle GbRs betroffen sein, denn die meisten GbRs werden entweder umfangreich am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen, Grundstücke erwerben oder Anteile an einer GmbH halten. Diese GbRs müssen sich zukünftig in das neue Gesellschaftsregister eingetragen lassen, sonst sind diese Geschäfte nicht mehr möglich. Es ist zu erwarten, dass
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten Kreditinstitute und Geschäftspartner von GbRs dann häufig auf Eintragung bestehen werden. Dieses Register wird elektronisch geführt, § 707d BGB-E sieht eine Verordnungsermächtigung für die Landesgesetzgeber vor, die bis Redaktionsschluss noch nicht vorlag. Ausführlich zu den Neuerungen siehe Hermanns, DNotZ 2022, 3.
Haftungsfalle: Drittschuldnerische Kreditinstitute müssen also im Zweifel darauf achten, 1358 auf wen insbesondere bei GbRs und WEGs das Konto angelegt wurde und ob dies so zu Recht geschah. Denn nur wenn es sich um ein Gemeinschaftskonto natürlicher Personen handelt, kommt bei einer Kontopfändung der § 850l grds. zum Tragen. Mit der Konto-Falsch-Anlage, der dann das Konto bzw. deren Mit-Inhaber unzulässigerweise in den Schutzbereich des § 850l einbeziehen würde, können dem Kreditinstitut Haftungsansprüche drohen. Denn es kann bedeuten, wenn trotz eigentlich falscher Kontoanlage, z. B. ein GbR-Konto auf die einzelnen Gesellschafter angelegt wurde, durch die diese die Ansprüche nach § 850l geltend machen können, dass ein Pfändungsgläubiger geschädigt wird. Kreditinstitute sollten das zum Anlass nehmen, die Kontoanlagen stets auf die richtige Anlage zu prüfen. Denn hier könnten Schadensersatzansprüche der Pfändungsgläubiger drohen, wenn Ursache des Pfändungsentzugs von gepfändetem Guthaben nur die falsche, der Kontowahr- und Klarheit widersprechende Kontoanlage war. Für den Anspruch natürlicher Personen nach § 850l spielt es im Übrigen keine 1359 Rolle, ob es sich um ein gemeinschaftliches Und- oder ein gemeinschaftliches Oder-Zahlungskonto handelt. Voraussetzung ist lediglich, dass das Guthaben auf dem gemeinschaftlichen Zahlungskonto wirksam gepfändet wurde. In der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 31 heißt es zur wirksamen Pfändung: „Dies ist bei sog. ‚Oder‘-Konten bereits dann der Fall, wenn gegen einen der Kontoinhaber ein Vollstreckungstitel vorliegt. Bei ‚Und‘-Konten kann das Guthaben dagegen nur dann wirksam gepfändet werden, wenn gegen alle Kontoinhaber ein Vollstreckungstitel vorliegt“.
Daraus folgt, dass bei „Und“-Konten, bei denen ein Vollstreckungstitel (und 1360 eine Kontopfändung) nicht gegen alle Kontoinhaber vorliegt, eine wirksame Pfändung nicht erfolgt ist und mithin die Regelung nicht greift. Zu beachten ist aber, dass trotzdem eine Drittschuldnererklärung abzugeben ist, § 840 Abs. 1 Nr. 5, vgl. Rn. 2678.
Da in der Praxis noch viele andere Konstellationen gemeinschaftlicher Zah- 1361 lungskonten vorkommen, stellt § 850l – insoweit flexibel – am Ende nur darauf ab, dass es sich – wenn der Vollstreckungsschuldner eine natürliche Person ist – um eine (weitere) natürliche Person als Kontomitinhaber des gepfändeten Gemeinschaftskonto handeln muss, um auch für diese natürliche Person die Ansprüche gem. § 850l geltend machen zu können. 363
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1362 Grundsätzlich ist die Umsetzung des Anspruchs auf ein Einzelkonto in drei Konstellationen denkbar. b) Anspruch auf neue Einzelkonten 1363 Die Grundkonstellation, die der Gesetzgeber wohl vor Augen hatte ist, dass jede natürliche Person ein neues Einzelkonto erhält, der Schuldner auf Verlangen in Form eines P-Kontos (Konstellation 1). Nachfolgende Konstellation 1a, 1b und 1c wären nur insoweit abweichend, als in diesem Fall der Schuldner – neben dem Gemeinschaftskonto – bereits ein P-Einzelkonto unterhält, also keine neues benötigt, sondern nur noch ein Einzelkonto auf den NichtSchuldner eröffnet werden muss (1a). Umgekehrt, wenn der NichtSchuldner bereits – neben dem Gemeinschaftskonto – ein Einzelkonto unterhält (unerheblich ob ein herkömmliches oder P-Einzelkonto) und auf den Schuldner lediglich noch ein P-Einzelkonto eröffnet werden muss (1b) und wenn beide Kontomitinhaber schon – neben dem Gemeinschaftskonto – die für sie notwendigen Einzelkonten führen, also beide kein neues Einzelkonto benötigen (1c). 1a-c sind also Konstellationen, die sich nur darin zu Konstellation 1 unterscheiden, dass nicht alle (P-)Einzelkonten noch eröffnet werden müssen, weil bereits für den einen oder alle anderen Mitkontoinhaber (P-)Einzelkonten bestehen.
Beispiel: Schuldner S und Nicht-Schuldnerin SF führen zusammen ein Oder-Konto. Das Konto beim Kreditinstitut K wird durch Gläubiger G gepfändet. Konstellation1: Sowohl S als auch SF haben jeweils einen Anspruch auf Eröffnung eines Einzelkontos. Sie müssen es aber von K verlangen, also den Anspruch geltend machen. Wenn sie das wollen und verlangen, muss das Einzelkonto auch als P-Konto eröffnet werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Nicht-Schuldner – hier SF – ebenfalls einen Anspruch auf ein P-Einzelkonto nach § 850l hat; in Abs. 2 ist ein Anspruch auf ein P-Einzelkonto nur für den Schuldner geregelt; selbst wenn man die Verweisung in Abs. 3 für den Nicht-Schuldner, „Absatz 2 Satz 1 und 3 bis 5 ist auf natürliche Personen, mit denen der Schuldner das Gemeinschaftskonto unterhält, entsprechend anzuwenden“ eng auslegen würde weil nicht auch auf den Satz 2 des Absatzes 2 (sondern nur auf Satz 1, 3, 4 und 5) verwiesen wird, so dass der der Nicht-Schuldner nur einen Anspruch auf ein Einzelkonto, nicht aber auf eine P-Einzelkonto hätte, könnte er den Anspruch gegenüber K aber natürlich gem. § 850k Abs. 1 Satz 1 im Wege der Umwandlung geltend machen.
Konstellation1a: Wenn S bereits ein P-Konto unterhält, braucht nur noch SF von K verlangen, ihr ein Einzelkonto zu eröffnen. Wenn sie das will und verlangt, muss K das Einzelkonto der SF auch als P-Konto eröffnen (ggf. nach § 850k Abs. 1 Satz 1 im Weg der Umwandlung). Sollte S zwar bereits ein Einzelkonto führen, aber noch nicht als P-Konto, kann er verlangen, dass sein Einzelkonto in ein P-Konto umgewandelt wird. 364
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Konstellation1b: Wenn SF bereits ein Einzelkonto unterhält, braucht nur noch S von K verlangen, ihm ein Einzelkonto zu eröffnen. Wenn er das will und verlangt, was der Regelfall sein wird, weil er sonst sein Guthaben nicht schützen kann, muss K das Einzelkonto des S auch als P-Konto eröffnen. Sollte SF zwar bereits ein Einzelkonto unterhalten, aber noch nicht als P-Konto, kann auch sie verlangen, dass ihr Einzelkonto in ein P-Konto umgewandelt wird (dann ggf. nach § 850k Abs. 1 Satz 1), wenn es bei K geführt wird. Konstellation1c: Wenn S und SF bereits je ein Einzelkonto bei K unterhalten, können beide nur noch von K verlangen, diese – falls noch nicht geschehen – in ein P-Konto umzuwandeln (SF dann ggf. nicht nach § 850l, sondern nach § 850k Abs. 1 Satz 1 im Weg der Umwandlung). Eine weitere Konstellation hat der Gesetzgeber allerdings für den Schuldner 1364 nicht zugelassen: Das Guthaben auf ein bei einem anderen Kreditinstitut bereits bestehendes P-Einzelkonto zu übertragen. Bestünde also bereits ein P-Einzelkonto für den Schuldner bei einem anderen Kreditinstitut, kann das kopfteilige Guthaben nicht auf dieses P-Konto/Einzelkonto übertragen werden. Das folgt aus § 850l Abs. 2 Satz 1 in dem es heißt: „Ist der Schuldner eine natürliche Person, kann er … von dem Kreditinstitut verlangen, bestehendes oder künftiges Guthaben von dem Gemeinschaftskonto auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto zu übertragen.“
In diesem Fall könnte der Schuldner seinen Kopfteil nicht schützen, da er ja bei 1365 seinem Kreditinstitut – weil er schon ein P-Konto unterhält – kein weiteres P-Konto eröffnen darf. Ihm bliebe allenfalls übrig, den P-Kontostatus bei dem anderen Kreditinstitut aufzuheben. Da allerdings die Aufhebung des P-Kontostatus‘ nur zum Monatsende möglich ist, könnte in dieser Konstellation für den Schuldner ein Problem entstehen. Beispiel: Pfändung des Gemeinschaftskontos durch PfÜB am 31.1.2022; Eröffnung eines Einzelkontos für den Schuldner S am selben Tag. Übertragung des Kopfteils auf dieses neu eröffnete Einzelkonto am 2.2.; Schuldner S kündigt dann am 2.2. den P-Kontos-Status bei seinem anderen Kreditinstitut zum Monatsende Februar und will ab 1.3. das Einzelkoto bei seinem drittschuldnerischen Kreditinstitut K dann in ein P-Konto umwandeln, um sein aus dem Gemeinschaftskonto übertragenes kopfteiliges Guthaben zu schützen. Geht das? Die Umwandlung ja, der Schutz des Zustellungsguthabens aber im Ergebnis nicht: Die Moratoriumsfrist des § 850l endet mit Ablauf des 28.2. 24:00 h („nach Ablauf von einem Monat“). Obwohl der Jan. 31 Tage hat, endet die Frist im nachfolgenden Februar mit nur 28 Tagen trotzdem mit Ablauf des Februars, also mit Ablauf des 28.2. 24:00 h. Bei einer Monatsfrist endet die Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des nächsten Monats, welcher durch seine Benennung oder
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto seine Zahl dem Tage entspricht, also mit Ablauf des „entsprechenden“ Monatstag des nächsten Monats, § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB. Fehlt der entsprechende Monatstag im nächsten Monat, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Monatstages, § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 3 BGB: Zustellung PfÜB am 31.1.2022: Fristende ist dann der 28.2.2022, da es im Februar keinen 31. Tag gibt. Zustellung PfÜB am 28.2.2022: Fristende ist dann der 28.3.2022, da der 28.3. der entsprechende Tag ist, vgl. dazu auch schon BGH, Beschl. v. 23.11.1983 – IV a ZB 13/83, NJW 1984, 1358.
Ab 1.3. ist das Guthaben nicht mehr zu schützen. S kann den P-Kontostatus bei dem anderen Kreditinstitut auch nicht früher aufheben, da § 850k Abs. 5 das nur mit einer Frist von mindestens vier Geschäftstagen zum Monatsende zulässt. Für Januar hätte S die Aufhebung wegen der Kündigungsfrist von 4 Tagen nicht mehr verlangen können. S kann diese Folge auch nicht dadurch vermeiden, dass er das P-Konto ganz auflöst. Auch das geht nur zum Monatsende. Das Kreditinstitut kann die Aufhebung der P-Konto-Eigenschaft, trotzdem früher zulassen, sollte das im Falle einer Pfändung aber nicht tun.
1366 Stimmt ein Kreditinstitut der vorzeitigen Aufhebung der P-Konto-Eigenschaft nicht zu, ist die Rechtsfolge für den Schuldner nicht unbillig und führt daher auch nicht dazu, dass der Schuldner in dem obigen Beispiel etwa Abhilfe über § 765a erhalten könnte: Der Umstand, dass er bei einem anderen Kreditinstitut schon ein P-Konto hat, bedeutet ja, dass er sich dort gegen Pfändungsgläubiger oder die Verrechnung/Aufrechnung schützen musste/wollte. Einen doppelten Schutz soll es ja bewusst nicht geben; sein Existenzminimum sollte schon durch das P-Konto bei dem anderen Kreditinstitut gesichert sein. Hat der Schuldner, ohne Kontopfändungen zu haben und ohne, dass dieses Konto debitorisch unterhalten wird, das P-Konto trotzdem rein präventiv bzw. vorsichtshalber als P-Konto unterhalten, dann hat er nun einfach Pech bzw. der Gläubiger Glück gehabt, weil er beim richtigen Kreditinstitut gepfändet hat. Diese präventive Einrichtung wäre zwingend nicht notwendig gewesen; zumal eine Kontopfändung nicht vom Himmel fällt, sondern im Zweifel eine lange Vorgeschichte hat.
S könnte allenfalls darauf hoffen, dass das P-Konto führende Kreditinstitut den P-Kontostatus früher noch innerhalb des Februars aufhebt; das scheint – wenn das Konto nicht gepfändet ist – nicht unwahrscheinlich, denn jedes P-Konto, das Kreditinstitute nicht mehr führen müssen, reduziert die damit verbundenen Kosten; Kreditinstitute werden es im Zweifel daher jederzeit zulassen. 1367 Ob auch das Guthaben des Nicht-Schuldners nur auf ein beim drittschuldnerischen Kreditinstitut bestehendes oder zu eröffnendes Einzelkonto übertragen werden kann, ist unklar. Aus dem Wortlaut des § 850l Abs. 2 wird das nur für den Schuldner klar. Dieser wendet sich direkt zunächst nur an den Schuldner. Abs. 3, in dem die Rechte und Pflichten des Nicht-Schuldners geregelt werden, 366
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
schreibt nur die „entsprechende“ Anwendung des Satzes 1 in Abs. 2 ausdrücklich vor. Auch in der Gesetzesbegründung wird nur auf den Schuldner und auf ein P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut abgestellt. Aus der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 32 heißt es dazu: „Für den Fall, dass ein Kontoinhaber bereits bei demselben Kreditinstitut ein Einzelkonto unterhält, hat er einen Anspruch, dass dieses als P-Konto geführt wird. Soweit er bei einem anderen Kreditinstitut ein P-Konto unterhält, ist Pfändungsschutz für das anteilige Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto auf diesem P-Konto nicht zu erlangen, weil ansonsten ein unzulässiger Austausch des Drittschuldners erfolgen würde.“
Ein Drittschuldnerwechsel beim Nicht-Schuldner würde aber nicht stattfinden, 1368 weil der Nicht-Schuldner nicht Vollstreckungsschuldner ist. Auch wenn der Wortlaut von § 850l Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 daher davon spricht, dass Guthaben nur auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto übertragen werden darf, ist der Autor im Sinne einer teleologischen Reduktion der Gesetzesnorm der Ansicht, dass dies zuzulassen werden kann. Aus Sicht des Autors sprechen folgende Gründe deutlich dafür, dass beim Nicht-Schuldner dessen Guthaben auch auf ein Einzelkonto bei einem anderen Kreditinstitut übertragen werden kann:
Für den Nichtschuldner sprechen – wegen der nur entsprechenden Verweisung – weder explizit der Wortlaut noch die Erläuterung in der Gesetzesbegründung zwingend dagegen.
Es muss außerdem berücksichtigt werden, dass erst der Rechtsausschuss vgl. Ausschussdrucksache 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 30, 31 die Regelungsstruktur des § 850l im Vergleich zum Gesetzentwurf der Bundesregierung geändert hat. Erst aufgrund dieser Änderung setzen sich die Wirkungen von Pfändung und Überweisung von Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto nicht an dem Übertragungsguthaben fort, das der Nichtschuldner auf sein Einzelkonto übertragen hat. Diese Änderung ist daher in der dann nicht mehr geänderten Gesetzesbegründung der BT-Drucks. 19/ 19850 vom 10.6.2020, evtl. nicht mehr berücksichtigt worden.
In der Ausschussdrucksache 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 31 wird als Grund für die Änderung eine „Verfahrensvereinfachung“ genannt, so dass insbesondere (was immer „nicht nur“ bedeutet) der Nichtschuldner danach kein P-Konto einrichten muss, um Pfändungsschutz zu erlangen. Eine solche deutliche Verfahrensvereinfachung stellt es auch dar, wenn das Konto auf ein schon bestehendes Einzelkonto des Nicht-Schuldners bei einem anderen Kreditinstitut übertragen werden könnte, denn auch dann müsste der Nicht-Schuldner nicht erst noch ein Einzelkonto errichten, ggf. nur für wenige Tage oder sogar Stunden/Minuten. Das hatte der Gesetzgeber sicherlich nicht vor Augen.
Es wäre auch kaum zu erklären, dass der Nicht-Schuldner nur für diese möglicherweise eine einzige Übertragung oder maximal für den Zeitraum 367
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
von einem Monat (nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses) extra ein neues Einzelkonto beim drittschuldnerischen Kreditinstitut eröffnen müsste, dass er nach Verfügung oder Weiterüberweisung auf sein Einzelkonto beim anderen Kreditinstitut wieder schließen würde. 1369 Für den Autor ist daher gut vertretbar, dass Guthaben des Nicht-Schuldners, soweit er eine natürliche Person ist, auch auf ein für ihn schon bestehendes Einzelkonto bei einem anderen Kreditinstitut übertragen werden kann. Da durch die Änderung des Rechtsausschusses, vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 30, 31 das kopfteilige Guthaben des Nicht-Schuldners auch den Wirkungen von Pfändung und Überweisung entzogen wird, ist es für den Autor in Ergänzung dieser teleologischen Reduktion des Wortlautes sogar auch möglich, dass das Guthaben dem Nicht-Schuldner direkt bar ausgezahlt wird oder auch auf ein schon bestehendes Gemeinschaftskonto oder sogar Konto eines Dritten bei einem anderen Kreditinstitut überwiesen wird. Der Nicht-Schuldner kann über seinen Guthabenanteil frei verfügen. Da der Guthabenanteil des Nicht-Schuldners keinerlei Beschränkungen unterliegt, wenn der Nicht-Schuldner dessen Übertragung verlangt, der Nicht-Schuldner also umfassend über diese Guthaben verfügen kann, ist auch nicht einzusehen, warum man den NichtSchuldner zwingen sollte, dass das Guthaben erst den Umweg der Übertragung auf ein Einzelkonto gehen muss.
1370 Einen Anspruch auf Barauszahlung oder Überweisung auf ein Konto bei einem anderen Kreditinstitut hat der nicht-schuldnerische Mitkontoinhaber aber wohl nicht, auch wenn der Wortlaut des § 850l Abs. 2 Satz 1 sich direkt nur auf den Schuldner bezieht: „Ist der Schuldner eine natürliche Person, kann er innerhalb des Zeitraums nach Absatz 1 Satz 1 von dem Kreditinstitut verlangen, bestehendes oder künftiges Guthaben von dem Gemeinschaftskonto auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto zu übertragen.“ Das drittschuldnerische Kreditinstitut wird eine Überweisung auf ein Konto des Nicht-Schuldners bei einem anderen Kreditinstitut natürlich dann nicht zulassen, wenn dadurch ein evtl. entstehendes AGB-Pfandrecht am Guthaben für andere Forderungen des Kreditinstitutes „vereitelt“ würde, mit dem das Kreditinstitut sonst aufrechnen könnte, vgl. auch Rn. 421 für die von der kopfteilig abweichenden Guthaben-Verteilung zu Lasten des Kreditinstitutes.
Wird das Guthaben des Nicht-Schuldners aber auf eine schon bestehendes Konto bei einem anderen Kreditinstitut übertragen und spricht aus den im obigen Absatz aufgeführten Gründen auch nichts dagegen, erspart das nicht nur dem Nicht-Schuldner Aufwand und Kosten (Kontoführungsentgelt), sondern auch dem drittschuldnerischen Kreditinstitut, für das die Eröffnung von Konten Aufwand und (IT-)Kosten produziert, zumal dies dann unverhältnismäßig wäre, wenn doch schon absehbar ist, dass das Konto nur für eine quasi „logische Sekunde“ bestehen und unmittelbar nach Eingang und Abhebung des Übertragungsbetrages wieder aufgelöst werden würde. 368
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Im Übrigen: Ein solches Verhalten wird auch Niemand beanstanden: Der 1371 Nichtschuldner nicht, weil seinem Willen entsprochen wird und alle anderen Beteiligten deshalb nicht, weil sie dadurch nicht in ihren Rechten betroffen sind, weil dieses Guthaben ab „Lösung“ vom Gemeinschaftskonto nicht mehr der Pfändung unterliegt. Selbst wettbewerbsrechtlich dürfte – zumal die obige Auslegung des Gesetzes nicht unzulässig ist – kein Unterlassungsanspruch oder eine Sanktion drohen, weil kein anderes Kreditinstitut ernsthaft behaupten würde, dass es durch diese vereinfachte Verfahrensweise beim Buhlen um Kunden benachteiligt ist, denn man wird sich im Zweifel um diese Klientel nicht reißen. Allerdings: Im am 17.8.2021 verkündeten „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ wurde nun ein individueller Schadensersatzanspruch für Verbraucher in § 9 Abs. 2 UWG n. F. aufgenommen. Das ist insoweit bemerkenswert, als bislang der einzelne Verbraucher keinen eigenen Anspruch aus einem Verstoß gegen das UWG herleiten konnte. Die UWG- Schadensersatzansprüche für Verbraucher gelten ab 28.5.2022 (Inkraftreten) und greifen, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Sie unterliegen einer einjährigen Verjährungsfrist, vgl. § 11 Abs. 1, 2. Alt. UWG n. F. Weitere Verbraucherinteressen schützende Normen gibt es § 19 Abs. 1 UWG n. F., und § 5c Abs. 1 UWG n. F. Wohl nicht zur Anwendung kommt der Anspruch aber bei § 3a UWG, unter den Verstöße gegen das AGB-Recht fallen. Für den obigen Fall findet das keine Anwendung, aber abzuwarten bleibt wie sich diese Anspruchsgrundlage in der Praxis entwickelt und in das bisherige System von Verbraucherschutzrechten einfügt.
Sind es mehr als zwei natürliche Personen Gemeinschaftskontoinhaber, haben 1372 alle einen Anspruch auf ein Einzelkonto. Wichtig aber: Jeder einzelne muss diesen Anspruch für sich gegenüber dem 1373 Kreditinstitut – oder durch einen Bevollmächtigten – geltend machen. Wer nichts verlangt, erhält auch nichts! Alle natürlichen Personen, die außerdem Kontopfändungsschuldner sind, haben 1374 auf Antrag zusätzlich gem. § 850l einen Anspruch nicht nur auf ein Einzelkonto, sondern auch darauf, dass es als P-Einzelkonto errichtet oder umgewandelt wird. Auch hier gilt: Es handelt sich um zwei Ansprüche, die im Zweifel beide geltend 1375 gemacht werden müssen. Wird nur beantragt, das Guthaben zu übertragen und hat der Kunde noch kein Einzelkonto, kann man das nicht gleichzeitig als inzidenten Antrag, auch ein Einzel-Konto zu eröffnen, werten können. Denn diese Entscheidung muss alleine der Schuldner
369
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto treffen und er mag im Einzelfall, z. B. wenn es nur sehr geringe Guthabenbeträge geht, gute Gründe haben, auf die (P-)Kontoeröffnung zu verzichten.
1376 Nur auf diesem (P-)Einzelkonto kann das übertragene kopfteilige – oder in einem anderen Verhältnis mit Zustimmung der Gläubiger aufgeteilte – Guthaben geschützt werden. Diesen Anspruch müssen Schuldner aber aktiv geltend machen. Beispiel: Schuldner S und Schuldnerin SF führen zusammen ein Oder-Konto. Das Konto beim Kreditinstitut K wird durch Gläubiger G mittels PfÜBs gepfändet, gegen S und SF als Gesamtschuldner. Auf dem Oder-Konto befinden sich zum Zustellungszeitpunkt noch 50 €. S, der auch noch ein Einzelkonto unterhält, verlangt die Übertragung seines Kopfteils i. H. v. 25 € auf dieses Konto, SF, die bislang kein weiteres Einzelkonto auf ihren Namen unterhält, verlangt zunächst die Eröffnung eines neuen P-Einzelkontos auf ihren Namen und die Übertragung ihres Kopfteils i. H. v. ebenfalls 25 € auf dieses neu eröffnete P-Konto. Nach Ablauf des Moratoriumsmonats überweist die K die 25 € vom Einzelkonto des S an G. Dieser protestiert und meint, dass K gegen § 850l verstieße. Zu Recht? Lösung: Nein. Den Antrag auf Übertragung kann man nicht auch als inzidenten Antrag auf Eröffnung eines Pfändungsschutz-Einzelkontos werten, da dies eine höchstpersönliches und zudem ein Pfändungsschutz auslösendes Recht ist. Ob der Schuldner das – und bei welchem Kreditinstitut – wahrnimmt oder nicht und innerhalb der der dafür vorgesehenen Fristen, muss und kann nur der Schuldner entscheiden. Das ist insofern auch keine spitzfindiger, dem Anspruch des Gesetzgebers und des Kunden nicht gerecht werdender Formalismus. K kann nicht wissen, ob S ggf. schon ein anderes P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält. Insofern bedürfte es ohnehin vor Umwandlung der Versicherung des S, kein anderes P-Konto zu unterhalten. K darf dem Schuldner diese Entscheidung aber auch nicht abnehmen. Selbst wenn S noch kein Einzelkonto bei K führen sollte, gilt das. S muss sich klar äußern, wenn er im Rahmen des § 850l ein P-Einzelkonto neu errichten oder sein bestehendes in eines umwandeln will. S hat hier also schlicht vergessen, einen Antrag auf Umwandlung seines Einzelkontos, auf das das Guthaben vom Gemeinschaftskonto übertragen wurde, in ein P-Konto zu beantragen. Verlangt er dies nicht innerhalb des Moratoriums von einem Monat ab Zustellung (des Überweisungsbeschlusses), so ist auf das übertragene Guthaben § 899 Abs. 1 Satz 1 und 3 eben NICHT entsprechend anzuwenden (Umkehrschluss aus § 850l Abs. 2 Satz 2). K trifft insoweit auch keine Hinweis-, Aufklärungs- oder Warnpflicht. Siehe dazu Rn. 1390.
370
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Der Antrag auf Neu-Eröffnung eines P-Einzelkontos bzw. die Umwandlung 1377 eines schon bestehenden Einzelkontos in ein P-Einzelkonto muss also aktiv verlangt werden und zwar innerhalb des Moratoriums. Dafür hat der Schuldner eine Frist von einem Monat ab Zustellung des Überweisungsbeschlusses, § 850l Abs. 2 Satz 2. Anders als in § 850k Abs. 2 Satz 1 reicht es im § 850l aber aus, dass der Schuldner die Umwandlung innerhalb des Moratoriums nur verlangt. Nicht notwendig ist, dass das Konto auch innerhalb des Moratoriums schon in ein P-Konto umgewandelt ist. In § 850k Abs. 2 Satz 1 heißt es: „Ist Guthaben auf dem Zahlungskonto bereits gepfändet worden, kann der Schuldner die Führung dieses Kontos als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf sein Verlangen folgenden Geschäftstages fordern.“ In § 850l Abs. 2 Satz 2 dagegen heißt es: „Wird Guthaben nach Satz 1 übertragen und verlangt der Schuldner innerhalb des Zeitraums nach Absatz 1 Satz 1, dass das Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird, so ist auf das übertragene Guthaben § 899 Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.“
Beispiel: Das Gemeinschaftskonto von S und SF wird am Donnerstag, 3.3.2022 gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). Am 1.4.2022 beantragt S die Eröffnung eines P-Einzelkontos und Übertragung seines Kopfteils, was sein Kreditinstitut K erst am 5.4. durchführt. War das rechtzeitig genug? Ja. S muss nur innerhalb eines Monats verlangen, dass das Einzelkonto als P-Konto geführt wird, § 850l Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1. Die Frist endet also eigentlich am 3.4., 24:00 h. Da der 3.4.2022 aber der letzte Tag der Frist und im Jahr 2022 ein Sonntag ist, verschiebt sich der Fristablauf um einen Tag auf den 4.4. 24:00h. Da S die P-Kontoeröffnung (und Übertragung) bereits am 1.4. also vor Ablauf der Monatsfrist verlangt hat, spielt es keine Rolle, dass K die tatsächliche Umstellung in ein P-Konto dann erst am 5.4. vorgenommen hat. S hat sein vom Gemeinschaftskonto übertragenes kopfteiliges Guthaben noch rechtzeitig geschützt. Es unterliegt in Rahmen seines Freibetrages nicht der Pfändung. Dieser Umstand wird besondere, vermutlich schwerlich umzusetzende Herausforderung an die Programmierung der IT der drittschuldnerischen Kreditinstitute stellen. Denn wenn die Umwandlung und Übertragung noch rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist erfolgt ist, möglicherweise am letzten Tag der Frist, dann wird die Übertragung des Guthabens und Einrichtung des P-Kontos ggf. erst außerhalb der Monatsfrist geschehen können. Drittschuldnerische Kreditinstitut dürfen dann trotzdem nicht Gelder abführen oder mit eigenen vorrangigen Forderungen verrechnen, obwohl die IT wegen des dann mittlerweile eingetretenen Fristablaufs das ggf. vorsehen wird.
371
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
c) Anspruch auf Umschreibung des vormaligen Gemeinschaftskontos in ein Einzelkonto 1378 Umstritten ist auch, ob Schuldner und Nicht-Schuldner im Rahmen des § 850l auch verlangen können, dass das Gemeinschaftskonto auf sie (auf einen von beiden) als Einzelkonto umgeschrieben wird. Im Giroverkehr sind Kontenumschreibungen wegen § 675r BGB problematisch, da danach z. B. Gutschriften nur anhand der IBAN gutgeschrieben werden dürfen. Zahlungen, die für den einen der Mitkontoinhaber bestimmt sind, erreichen nach Umschreibung dann diesen nicht mehr, wenn das Konto auf den anderen Mitkontoinhaber umgeschrieben wurde, sondern werden dem ggf. nicht berechtigten neuen Kontoinhaber gutgeschrieben. In diesem Fall haben Gerichte eine Haftung der kontoführenden Stelle angenommen, so Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 411 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 13.6.1983 – II ZR 226/82, WM 1983, 834, 835 und OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.6.1988 – 11 U 112/87, WM 1988, 1330.
1379 In der Praxis wird dies von Kreditinstituten als entgegenkommender Service meist daher nur dann gemacht, wenn zahlreiche Lastschrifteinzüge und Daueraufträge bestehen, deren Umleitung bzw. Neueinrichtung auf einem neuen Konto sonst erheblichen Aufwand für den Kontoinhaber bedeuten würde. Das daraus resultierende Risiko und der Umstand, hier ggf. Gläubiger für die Zukunft pfändbares Guthaben entziehen zu können, wird insbesondere bei einer Kontopfändung daher dazu führen, dass Kreditinstitute hier zurückhaltend agieren werden. Ausdrücklich verboten ist diese Kontoumschreibung aber nicht, weshalb es z. B. dann erwogen werden kann, wenn das Gemeinschaftskonto von Ehegatten oder Lebenspartnern unterhalten wird. Zu den Sorgfaltspflichten, die dann entstehen, vgl. Rn. 487.
1380 Wenn man als drittschuldnerisches Kreditinstitut aber allen Haftungsgefahren aus dem Weg gehen will, wird man zur Konstellation 1 greifen (siehe oben Rn. 1363) verbunden mit der anschließenden Auflösung des Gemeinschaftskontos. Für die Gemeinschaftskontoinhaber mag das im Einzelfall Mehraufwand bedeuten, aber kann auch Vorteile haben, da Gutschriften für das Gemeinschaftskonto zunächst zurückgewiesen werden, also nach Ablauf des Moratoriums von 1 Monat nicht der Kontopfändung unterfallen. Allerdings hat ein Verbraucher nach § 13 BGB einen Anspruch auf Kontenwechselhilfe nach § 21 ZKG; das entsprechende Formular ist beim BaFin abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Formular/dl_fo_kontowechsel_ermaechtigung. html;jsessionid=81C11794A1EE3BE8070DFEC514773D46.1 _cid501?nn=8248678 und gilt auch bei einem Wechsel des Kontos innerhalb desselben Kreditinstitutes, vgl. Rn. 994.
372
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Natürlich kann das Gemeinschaftskonto dann nur auf einen der Mitkonto- 1381 inhaber umgeschrieben werden. Den Umwandlungsantrag müssen aber alle Gemeinschaftskontoinhaber stellen, wenn das vormalige Gemeinschaftskonto in ein Einzelkonto umgewandelt wird, so auch Singer, ZAP 2010, Fach 14, S. 613, 615; a. A. Ahrens, NJW 2010, 2001, 2003. Die anschließende Umwandlung des Einzelkontos in ein P-Konto kann der Einzelkontoinhaber dann aber alleine beantragen.
Auf wen umgeschrieben wird, darüber müssen sich die Gemeinschaftskonto- 1382 inhaber selbst einigen. Lässt man als Kreditinstitut diese Umschreibung zu, dann würde die Übertragung des kopfteiligen Guthabens des vormaligen Kontomitinhabers dadurch erfolgen, dass sein Teil dann einfach auf dem vormaligen Gemeinschafts-, nun als Einzelkonto fortgeführten Konto verbliebe. Das wäre dann zwar keine Übertragung im engeren Sinne, aber eine ebenfalls rechtskonforme „Zurverfügungstellung“ des Übertragungsguthabens.
Die Kontoumschreibung auf einen Kontomitinhaber wird rechtlich als Lö- 1383 schung des alten Gemeinschaftskontos und Eröffnung eines neuen Einzelkontos auf den Namen neuen Kontoinhabers gewertet. Vgl. Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 381 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 13.6.1983 – II ZR 226/82, WM 1983, 834, 835 und OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.6.1988 – 11 U 11 2/87, WM 1988, 1330.
Haftungsfalle: Gemeinschaftskonto 1 Lässt es ein Kreditinstitut gleichwohl zu, dass alle Inhaber eines Gemeinschafts- 1384 kontos Einzel-P-Konten erhalten, ist darauf zu achten, dass sich das Kreditinstitut nicht – unbewusst – der gesamtschuldnerischen Haftung der Gemeinschaftskontoinhaber für eventuelle Debetsalden begibt. Neben einem bestehenden Sollsaldo kann auch noch nachträglich ein Debet 1385 durch spätere Belastungen aus garantierten Zahlungen, wie Kreditkarteneinlösungen entstehen. Siehe dazu Rn. 411 ff.
Aus haftungsrechtlicher Sicht des Kreditinstitutes sollte daher das Gemein- 1386 schaftskonto regelmäßig so lange bestehen bleiben, bis alle garantierten Belastungen abgewickelt sind und ein etwaiger Debetsaldo getilgt wurde oder es sollte sicherheitshalber eine ausdrückliche Vereinbarung geschlossen werden, dass trotz Kontoumschreibung die Mitkontoinhaber weiterhin gesamtschuldnerisch für ein Debet aus dem ehemaligen Gemeinschaftskonto weiter haften. Haftungsfalle: Gemeinschaftskonto 2 Wandelt ein Kreditinstitut ein vormaliges Gemeinschaftskonto, dessen Gut- 1387 haben bereits gepfändet ist, in ein P-Einzelkonto eines der Gemeinschafts373
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
kontoinhaber um, besteht ein weiteres Haftungsrisiko. Zukünftig wird dann zwar Pfändungsschutz i. R. eines P-Einzelkontos auf diesem vormaligen Gemeinschafts- Konto gewährt. Ein etwaiges Kontoguthaben, das auf dem (vormaligen Gemeinschafts-)Konto aber bereits der Pfändung unterlag, kann nachträglich nicht mehr – über den § 850l hinaus – dem Pfändungszugriff entzogen werden. 1388 Der auf einem P-Einzel-Konto nach der Umwandlung rückwirkende Pfändungsschutz des § 899 Abs. 1 Satz 2, siehe dazu Rn. 1246,
greift in diesem Ausnahmefall daher nicht. Ansonsten würde man Guthaben über den § 850l hinaus der Pfändung entziehen können. Auch das ist ein Grund mehr, ein Gemeinschaftskonto nicht in ein P-Einzelkonto umzuwandeln.
1389 Auch das Zahlungsmoratorium, siehe dazu Rn. 2289,
die Auszahlungssperre des § 835 Abs. 3 Satz 2 gilt nur für Nicht-P-Konten; für das gemeinschaftlich Zahlungskonto gilt – als lex specialis – das in § 850l implementierte Moratorium in Abs. 1 Satz 1; für das neu entstandene P-Konto, gilt dann für neue Gutschriften das Moratorium des § 900. 1390 In Literatur und Rechtsprechung ist weiterhin umstritten, siehe dazu ausführlich Vortmann, Rn. 177,
ob das Kreditinstitut über die besonderen Gefahren, Vortmann, Rn. 178,
die die Errichtung von Gemeinschaftskonten, insbesondere Oder-Konten nach sich zieht, aufklären muss. Es geht um Aufklärungs- oder Warnpflichten gegenüber den Kontoinhabern über den Unterschied zwischen einem Oder-Konto und einem Einzelkonto mit Vollmachten bei Einrichtung eines Oder-Kontos. Vgl. Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 374/375, auch zum Streitstand.
1391 Der Autor sieht diesbezüglich keine Pflichten der Kreditinstitute. So auch OLG Oldenburg, Urt. v. 6.2.1987 – 6 U 127/86, WM 1987, 554, 555; ebenso Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 374/375 unter Verweis auf weitere Entscheidungen des OLG Köln, Urt. v. 1.7.1980 – 15 U 245/79, ZIP 1980, 979, 980 f; OLG Nürnberg, Urt. v. 24.11.1960 – 2 U 158/60, NJW 1961, 510, 511 und OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.11.1995 – 16 U 19/95, WM 1996, 949, 951.
1392 Der Umstand, dass ein Gemeinschaftskonto zwar nicht (direkt) zum P-Gemeinschaftskonto werden kann, ändert daran nichts.
374
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Es ist nicht das Gemeinschaftskonto an sich, das eine (abstrakte) Gefahr dar- 1393 stellt, sondern allenfalls das gestörte Vertrauensverhältnis der GemeinschaftsKontoinhaber untereinander. Der andere Kontomitinhaber wird nur dann Nachteile erleiden, wenn sein Kontomitinhaber ihm Informationen über gegen ihn bevorstehende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vorenthält. Vor Gefahren die ihren Ursprung in diesem gestörten Vertrauensverhältnis der Kontoinhaber haben, muss ein Kreditinstitut nicht warnen. So auch Vortmann, Rn. 158.
Dies gilt umso mehr, wenn mehrere Personen, die zumeist damit einen gemein- 1394 samen, meist wirtschaftlichen Zweck verfolgen, sich zu einer Kontogemeinschaft zusammenschließen. Es mag daher aus kundenpflegerischer Sicht vielleicht im Einzelfall sinnvoll sein, darüber aufzuklären, dass ein Gemeinschaftskonto später nicht direkt zu einem P-Gemeinschaftskonto werden kann; eine Rechtspflicht dazu gibt es aber nicht, zumal die Möglichkeit, über § 850l nun selbst Guthaben auf gemeinschaftlichen Zahlungskonten vor dem Pfändungszugriff (teilweise) schützen zu können, inzwischen als Argument hinzukommt, dass eine diesbezügliche Aufklärungs- und Warnpflicht nicht mehr besteht und auch nicht mehr notwendig ist. Das gilt umso mehr als noch im RefE in § 908 Abs. 3 ZPO-E vorgesehen war, dass dann, wenn Guthaben auf einem gemeinsamen Zahlungskonto i. S. v. § 850k Abs. 3 (im RefE war der § 850l noch der Abs. 3 im § 850k-E) gepfändet wird, das kontoführende Kreditinstitut alle Gemeinschaftskontoinhaber auf die Wirkungen der Pfändung hinweisen musste und auch auf die Möglichkeit „abweichende Anordnungen zu erwirken“. Diese Pflicht war aber dann im RegE und in der endgültigen Fassung des PKoFoG nicht mehr enthalten (weder im § 850l noch im § 908). Da es somit eine bewusste Herausnahme einer Pflicht war, besteht sie nicht und kann daher auch nicht durch etwa die Rechtsprechung später wieder eingeführt werden.
Über die Pfändung des Gemeinschaftskonto muss das Kreditinstitut auch nicht 1395 den Nicht-Schuldner informieren. Das ist Aufgabe des Vollstreckungsschuldners und Mitkontoinhabers. Zu beachten sind aber ggf. die Kündigungs- bzw. Informationspflichten im Fall des Entzugs von Zusatzleistungen, wie Dispositionskredit oder Kreditkartennutzung, vgl. Rn. 2728.
Kommt der nicht-schuldnerische Mitkontoinhaber auf das drittschuldnerische Kreditinstitut trotzdem zuerst mit der Frage zu, warum keine Verfügungen mehr möglich sind, schuldet das Kreditinstitut aber zumindest die Antwort, dass das Konto durch eine Kontopfändung gesperrt wurde, sollte aber wegen weiterer Details an den Vollstreckungsschuldner und Mitkontoinhaber verweisen, weil darüber hinausgehende Informationen grundsätzlich dem Bankgeheimnis unterliegen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
d) Schutz des Guthabens auf dem Gemeinschaftskonto 1396 Basis des nun möglichen Schutzes des Guthabens auf einem Gemeinschaftskonto ist also zunächst die oben beschriebene Möglichkeit, aus dem gepfändeten Gemeinschaftskonto heraus, für alle natürlichen Personen der Anspruch auf ein Einzelkonto, auch in Form eines P-Kontos. 1397 Auf diese Einzelkonten kann dann das Guthaben des Gemeinschaftskontos aufgeteilt übertragen werden. Die Übertragung muss verlangt werden. Verlangt keiner oder nur einer von mehreren Mit-Kontoinhabern die Übertragung, so muss das nicht zur Übertragung verlangte Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto verbleiben. Es kann nach Ablauf des Moratoriums mit eigenen Forderungen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes verrechnet oder muss an den Gläubiger ausgekehrt werden.
1398 Handelt es sich bei dem Einzelkonto um ein P-Konto, dessen Einrichtung fristgerecht verlangt wurde, unterliegt das darauf übertragene Guthaben – wenn auch die Übertragung fristgerecht verlangt wurde – des oder der Schuldner gem. § 850l Abs. 2 Satz 2 dem Pfändungsschutz nach den „Regelungen des Buches 8 Abschnitt 4“. Verkündet wurde das PKoFoG im Nov. 2020 zunächst noch mit dem Verweis in § 850l Abs. 2 Satz 2 „Wird Guthaben nach Satz 1 übertragen und verlangt der Schuldner innerhalb des Zeitraums nach Abs. 1 Satz 1, dass das Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird, so ist auf das übertragene Guthaben § 899 Abs. 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden“. Am 4.5.2021 hat aber in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), Drucks. 19/29246 v. 4.5.2021 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks. 19/27636 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG), das am 8.5.2021 in Kraft getreten ist, siehe BGBl I, 850, in § 850l Abs. 2 Satz 2 die Wörter „so ist auf das übertragene Guthaben § 899 Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden“ durch die Wörter „so gelten für die Einrichtung des Pfändungsschutzkontos § 850k und für das übertragene Guthaben die Regelungen des Buches 8 Abschnitt 4“ ersetzt. Hintergrund war, dass insbesondere die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) darauf hingewiesen hatte, dass ansonsten Zweifel bestanden hätten, ob auch Erhöhungsbeträge vom Schutz erfasst sind.
e) Übertragung des Guthabens im Rahmen des § 850l 1399 Ausgangspunkt für die Übertragung ist § 850l Abs. 2 Satz 1, wonach ein Schuldner, der eine natürliche Person ist, von dem Kreditinstitut verlangen kann, bestehendes oder künftiges Guthaben von dem gepfändeten Gemeinschaftskonto auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto zu übertragen. 376
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Dieser Übertragung müssen – mit Ausnahme beim Und-Konto, siehe dazu 1400 Rn. 657 ff. und 1420 – weder die weiteren Gemeinschaftskonto-Mitinhaber noch die Kontopfändungsgläubiger zustimmen, wenn der Übertragungsbetrag sich auf den Kopfteil des Schuldners an dem Guthaben beläuft, § 850l Abs. 2 Satz 3 und Satz 4: Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird wirksam gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 90 € Guthaben. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt das als P-Konto zu eröffnen und SF beantragt, das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig zu teilen und ihr ihren Anteil auf ihr Einzelkonto zu übertragen. S ist gegen die kopfteilige Übertragung und beantragt eine abweichende Übertragung von 60 € für sich und nur 30 € für SF. Was muss K veranlassen? Dann würden zunächst nur auf das neue Einzelkonto der SF 45 € übertragen werden. Da S und SF zwei „Köpfe“ sind und die von Gesetz als Standard vorgesehene kopfteilige Aufteilung in diesem Fall hälftig wäre und dafür die Zustimmung des anderen Mitkontoinhabers nicht erforderlich ist, muss K dem Antrag der SF nach kopfteiliger Aufteilung trotz der Weigerung des S und Forderung nach einer abweichenden Aufteilung nachkommen. Würde das Gemeinschaftskonto von drei Gemeinschaftskonto-Mitinhabern unterhalten, S, SF und D, wären dies drei Köpfe; in diesem Fall wäre das Guthaben also zu dritteln, so dass – wenn S sich auch dagegen stellen würde – zunächst nur je 30 € an SF und D übertragen würden. Die Weigerung des S, der kopfteiligen Übertragung zuzustimmen und eine andere Aufteilung zu verlangen, darf und muss K daher ignorieren. In der Praxis wird K vielleicht vermitteln und S erklären, dass sie dem Verlangen von SF (und D) nachkommen muss und sie sich auch anschließend noch – durch wechselseitige Überweisungen von Ausgleichsbeträgen – die Aufteilung im Ergebnis anders gestalten können, aber erforderlich ist das nicht. Haftungsfalle: Ein Kreditinstitut darf daher, wenn das Verlangen eines Mitkontoinhaber 1401 nach kopfteiliger Übertragung eindeutig ist, diese nicht mit dem Argument verweigern, dass sich erst alle einigen müssen (weil es ja sein kann, dass sich die Gemeinschaftskonto-Inhaber doch noch auf eine abweichende Aufteilung einigen). Bleibt der Mitkontoinhaber bei seinem Verlangen nach kopfteiliger Übertragung, muss das Kreditinstitut dem Folge leisten. Tut es das nicht und unterfällt im Falle der Nicht-Einigung das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto nach Ablauf der Monatsfrist der Pfändung, muss es das Guthaben im Zweifel sogar an den Pfändungsgläubiger abführen, weil es nun der Pfändung unterliegt, muss aber auf Verlangen auch an den seinerzeit die kopfteilige Übertragung verlangenden Mitkontoinhaber dessen Anteil nochmal zahlen, 377
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
ohne sich den Anteil dann vom Pfändungsgläubiger bereicherungsrechtlich zurückholen zu können. BGH Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158; zu bereicherungsrechtlichen Fragen siehe Rn. 2817.
1402 Liegt das Verlangen nach Übertragung vor, sollten drittschuldnerische Kreditinstitute dieses regelmäßig als Verlangen werten, auch künftiges innerhalb des Moratoriums noch entstehendes Guthaben zu übertragen. Die Gemeinschaftskontoinhaber müssen daher nicht für jedes neue Guthaben, das innerhalb des Moratoriums entsteht, erneut die Übertragung verlangen. Das einmalige Verlangen nach kopfteiliger Übertragung sollte daher ausreichen, auch das künftige Guthaben zu übertragen. Praxistipp: Drittschuldnerische Kreditinstitute könnten – auch zu Beweiszwecken – ein Formular auflegen, in dem die Gemeinschaftskontoinhaber beide sowohl die Einrichtung/Umwandlung von Einzelkonten/in P-Konten als auch die anteilige Übertragung – auch von zukünftigem Guthaben – verlangen. Damit haben alle eine klare Grundlage und es kann keine Missverständnisse geben. Zwingend – und gegenüber den Gemeinschaftskontoinhaber durchsetzbar – ist das aber nicht, da das Verlangen nicht an eine Form gebunden ist. Der Dt. Sparkassenverlag (DSV) hat einen Vordruck aufgelegt, der den „Auftrag des Mitkontoinhabers zur Aufteilung des bestehenden und in der Frist des § 850l Abs. 1 ZPO künftig noch entstehenden Guthabens gepfändeter Gemeinschaftskonten“ enthält, siehe DSV-Vordruck 182 030.000 – Fassung Dez. 2021, Anhang 2b. Zur Frist bis wann Guthaben nach dem Verlangen durch das Kreditinstitut übertragen sein muss, vgl. unter Rn. 1441.
1403 Für eine von der kopfteiligen Aufteilung nachträglich abweichende, interne Aufteilung unter den Mitkontoinhabern, ist die Zustimmung der Pfändungsgläubiger allerdings nicht notwendig. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird wirksam gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 90 € Guthaben. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt das als P-Konto zu eröffnen und SF beantragt, das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig zu teilen und ihr ihren Anteil auf ihr Einzelkonto zu übertragen. S ist gegen die kopfteilige Übertragung und beantragt eine abweichende Übertragung von 60 € für sich und nur 30 € für SF. Nachdem K zunächst nur auf das neue Einzelkonto der SF 45 € übertragen hat, beantragt auch S die Übertragung seiner 45 €. Anschließend einigen sich S und SF doch noch auf eine andere Aufteilung. SF überweist S von ihrem Einzelkonto daher 15 € auf dessen P-Konto. 378
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Auch ein Pfändungsgläubiger, obwohl er möglicherweise sogar Kenntnis über 1404 die eigentliche von der Kopfteiligkeit abweichende Zugehörigkeit des Gemeinschaftskontoguthabens hat, kann er sich – jedenfalls im Rahmen des § 850l – gegen eine kopfteilige Übertragung nicht wehren. Auch dem drittschuldnerischen Kreditinstitut sind hier die Hände gebunden. Gegen den Entzug von Mitteln, die der Pfändung unterliegen müssten oder gar einer evtl. Vollstreckungsvereitelung, muss sich der Gläubiger mit den gängigen, zugegebenermaßen bescheidenen Mitteln wehren.
Lässt sich das Guthaben nicht gleichmäßig (auf-)teilen, sind unterschiedliche 1405 Anteile nach dem Zufallsprinzip bzw. die „Logik“ der programmierten IT des drittschuldnerischen Kreditinstitutes zu übertragen. Beispiel: Betrüge im obigen Fall das Guthaben 1.000 € bei drei GemeinschaftskontoMitinhabern, S, SF und D, könnte die Aufteilung – je nachdem, nach welcher Logik die (haus-)eigene IT des drittschuldnerischen Kreditinstitutes programmiert wurde, wie folgt erfolgen: S erhält 333,34 €, SF 333,33 € und D ebenfalls 333,33 €. Möglich wäre aber genauso, das SF oder D 333,34 erhielten. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz; klar ist nur, dass bei ausschließlich 1406 natürlichen Personen das gesamte Guthaben auf Antrag zu übertragen ist. Nun könnte man vielleicht sogar argumentieren, dass der minimal größere Teil wegen des schuldnerschützenden Gesamt-Duktus‘ des PKoFoG, immer an den Schuldner zu übertragen wäre. Das wäre aber IT-technisch viel zu aufwändig und außerdem stünde man, wenn mehr als einer oder alle Schuldner sind, wieder vor derselben Herausforderung. Angesichts dessen, dass es immer nur um wenige Cent gehen wird, ist das daher vernachlässigbar und Kreditinstitut können, wenn sie die Aufteilung – was zu erwarten ist – für die Standardverteilung nach Kopfteilen automatisiert vornehmen, verteilen wie es für sie am kostengünstigsten programmierbar ist. Werden später weitere Guthaben kopfteilig aufgeteilt, führt das allerdings nicht dazu, dass dann ein „Ausgleich“ dergestalt vorgenommen werden müsste, dass dann die anderen Mitkontoinhaber dieses Mal mehr erhalten. Auch das wäre in der IT eines Kreditinstitutes nur sehr aufwändig programmierbar und selbst wenn es nicht so häufig vorkommen sollte, nicht opportun.
379
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1407 In einem solchen Fall gilt das Zufallsprinzip bzw. die automatisierte und programmierte Aufteilungslogik der IT. Kreditinstitute müssen bzw. dürfen dann ihre IT so programmieren, wie es für sie am einfachsten bzw. kostengünstigsten ist. Trotzdem sind einige Voraussetzungen zu beachten: Anzahl der Gemeinschaftskontoinhaber (nur natürliche Personen, egal ob Schuldner oder Nicht-Schuldner)
Standard-Verteilschlüssel nach „Köpfen“ gem. § 850l Abs. 2 Satz 4
2
Hälftig, also 50 %:50 %, es sei denn, das Guthaben kann NICHT exakt durch zwei geteilt werden, dann erhält den größeren Anteil derjenige, den das Zufallsprinzip oder die „Logik“ der programmierten IT des drittschuldnerischen Kreditinstitutes dafür „ausgewählt“ hat. Das bedeutet z. B.: 200 € zu verteilenden Guthaben: 100 € für jeden. 7,07 € zu verteilendes Guthaben: Es entscheidet der Zufall bzw. die Logik (der IT) des Kreditinstitutes, wer den minimal größeren oder kleineren Anteil i. H. v. 3,54 € (statt 3,53 €) erhält.
3
Je ein Drittel, wobei der Zufall bzw. die Logik (der IT) des Kreditinstitutes entscheidet, wer den minimal größeren oder die kleineren Anteile (33,34 % gegenüber 33,33 %:33,33 %) erhält, es sei denn, das Guthaben KANN EXAKT durch drei geteilt werden, dann erhält jeder den exakten gleichen Anteil. Das bedeutet z. B.: 100 € zu verteilendes Guthaben: Es entscheidet der Zufall bzw. die Logik (der IT) des Kreditinstitutes, wer den minimal größeren Anteil i. H. v. 33,34 € (statt 33,33 €) erhält. 90 € zu verteilendes Guthaben: jeder der drei erhält exakt 30 € übertragen.
4
Je ein Viertel, also 25 %:25 %:25:25 %, (für den Schuldner), es sei denn, das Guthaben kann NICHT exakt durch vier geteilt werden, dann erhalten die größeren bzw. die kleineren Anteile diejenigen, die das Zufallsprinzip oder die „Logik“ der programmierten IT des drittschuldnerischen Kreditinstitutes dafür „ausgewählt“ hat. Das bedeutet z. B.: 100 € zu verteilendes Guthaben: 25 € für jeden. 75,75 € zu verteilendes Guthaben: Es entscheidet der Zufall bzw. die Logik (der IT) des Kreditinstitutes, wer den minimal KLEINEREN Anteil i. H. v. 18,93 € (statt 18,94 €) erhält. Zulässig wäre aber auch, wenn die Beträge in der Logik der IT immer abgerundet werden müssen, dass drei jeweils 18,93 € erhalten, einer 18,96 €.
380
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten Anzahl der Gemeinschaftskontoinhaber (nur natürliche Personen, egal ob Schuldner oder Nicht-Schuldner)
Standard-Verteilschlüssel nach „Köpfen“ gem. § 850l Abs. 2 Satz 4
Und so weiter …
Es muss also immer, wenn das möglich ist, gleichmäßig aufgeteilt werden; ansonsten darf das Kreditinstitut nach dem Zufallsprinzip oder einer festgelegten Logik der IT oder einer entsprechenden Handlungsanweisung für Mitarbeiter, falls die Verteilung manuell erfolgt, verteilt werden (z. B. immer die ersten Übertragungen erhalten die minimal höheren Beträge o. ä.). Die „Logik“ muss nur immer stringent sein, also von vorne herein festgelegt und für alle vergleichbaren Konstellationen gleichförmig erfolgen, wobei „gleichförmig“ auch das dann stets anzuwendende „Zufallsprinzip“ sein kann. Bei manueller Verteilung durch Mitarbeiter, sollte in der Arbeitsanweisung geregelt sein, wem der größere/kleinere Teil zu übertragen ist, damit alle Mitarbeiter gleichförmig verfahren.
Haftungsfalle 1: Ist das auf dem Gemeinschaftskonto vorhandene Guthaben nicht vollständig gepfändet, ist fraglich auf welches Guthaben sich der Übertragungsanspruch bezieht. Beispiel: Schuldner S und seine nichtschuldnerische Ehefrau SF unterhalten bei Kreditinstitut K ein Oder-Gemeinschaftskonto. Als das Finanzamt eine Kontopfändung gegen S i. H. v. 1.000 € ausbringt (PfEV), befinden sich auf dem Konto 2.600 € Guthaben. SF beantragt die Übertragung des ihr zustehenden Anteils im Rahmen des § 850l auf Ihr Einzelkonto zu übertragen. Was muss K übertragen? Wohl 1.300 €, die Hälfte des auf dem Gemeinschaftskonto vorhandenen gesamten Guthabens und nicht lediglich 500 €, die Hälfte des gepfändeten Guthabens. Zwar spricht § 850l Abs. 1 Satz 1 in diesem Zusammenhang davon, dass (nur) dann, wenn Guthaben auf diesem Konto gepfändet wird, die Rechte aus § 850 Abs. 1 bestehen. In Absatz 2 Satz 1 dagegen, in dem es konkret um die Übertragung geht, ist nur noch die Rede von bestehendem oder künftigem Guthaben und nicht mehr von gepfändetem Guthaben. Und auch § 850l Abs. 2 Satz 4 stellt wegen des Übertragungsbetrages nur auf den „Kopfteil des Schuldners an dem Guthaben“ nicht an dem „gepfändeten“ Guthaben ab. Insofern muss zwar Guthaben ganz allgemein auf einem Zahlungskonto gepfändet werden und wirksam gepfändet sein, um die Schutzrechte des § 850l überhaupt auszulösen, dann aber wird die Verfahrensweise bezogen auf das gesamte auf dem Gemeinschaftskonto befindlichen Guthaben beschrieben (inkl. künftigem, dass noch innerhalb der Moratoriumsfrist durch weitere Zahlungseingänge entsteht).
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
K muss daher auf den Antrag der SF zunächst 1.300 € auf das Einzelkonto von SF übertragen. S und SF dürfen – obwohl die Forderungspfändung nur über 1.000 € lautet – nicht über den restlichen Betrag i. H. v. 1.600 € auf dem Gemeinschaftskonto weiter verfügen. Der Gesetzgeber wollte, weil es kein gemeinschaftliches P-Konto geben kann, dass zunächst die Kopfteile des Guthabens der nichtschuldnerischen Mitkontoinhaber der Pfändung entzogen werden und der Anteil des Guthabens des Schuldners dem Schutz (nur) seiner Freibeträge auf seinem P-Einzelkontos unterworfen wird. Nur dann, so wohl die Vorstellung des Gesetzgebers, ist die gewollte Gleichbehandlung bei Eingang einer Kontopfändung des Schuldners als Mitkontoinhaber eines Gemeinschaftskonto gegenüber einem Schuldner, der (bereits) ein Einzel-Konto unterhält, das unmittelbar in ein P-Konto umgewandelt werden könnte, gewährleistet. Dem widerspricht zwar der Grundsatz, dass nur die GuthabenBeträge, die zur Abdeckung des Pfändungsbetrages benötigt werden, dem Schuldner entzogen werden dürfen, vgl. Rn. 367, aber im Rahmen des § 850l wollte der Gesetzgeber wohl erreichen, dass das Guthaben des Schuldners der P-Einzelkonto-SchutzSystematik, also (nur) dem individuellen kalendermonatlichen Freibetrag unterworfen und auch das (fiktiv anteilige) kopfteilige Guthaben der nichtschuldnerischen Mitkontoinhaber geschützt wird. Das ergibt sich auch durch eine andere Kontrollüberlegung: Die Pfändung am Gemeinschaftskonto bliebe ja auch nach Übertragung bestehen; im Ergebnis würde das ansonsten bedeuten, dass die Kontopfändung dann – nach Ablauf des Moratoriums – aus dem verbleibenden Guthaben vom Gemeinschaftskonto bedient werden müsste. Dann würde dem nichtschuldnerischen Mitkontoinhaber am Ende doch noch Guthaben entzogen werden, was der Gesetzgeber aber gerade (für ihn) schützen wollte.
1408 Auch wenn diese Gesetzesauslegung möglicherweise nicht ganz zwingend ist, weil es in Abs. 4 Satz 1 heißt, dass sich die Wirkungen des PfÜb an dem übertragenen Guthaben fortsetzen (also im obigen Beispielsfall an 1.300 €, obwohl nur 1.000 € gepfändet sind), stünde dem Schuldner mindestens der Grundfreibetrag (seit 1.12.2021 i. H. v. gerundet 1.260 €) zu, würden ihm im obigen Beispielsfall nur 40 € entzogen. Das würde auch der Konstellation entsprechen, wenn der Schuldner ein Einzelkonto mit einem Guthaben i. H. v. 1.300 € bei Eingang der Pfändung unterhalten hätte; denn dann stünde das – nur durch fiktive hälftige Zuordnung des Guthabens auf dem Gemeinschaftskonto im Rahmen des § 850l – der SF gehörende Guthaben i. H. v. 1.300 € auch nicht zur Befriedigung des Gläubigers zur Verfügung. Dass diese fiktive Zuordnung nicht immer zutrifft und den Gläubiger benachteiligen kann, hat der Gesetzgeber wohl in Kauf genommen. Ebenso das „missbräuchliche Gestaltungsrisiko“, vgl. Rn. 1350.
1409 Ob die Rechtsprechung das am Ende auch so entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Grundüberlegung war aber, das Guthaben des nichtschuldnerischen
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Mitkontoinhabers (anteilig) zu schützen und das des Schuldners nur insoweit, wie der Kontopfändungsschutz auch auf einem P-Einzelkonto reichen würde. Im Übrigen: Der Schuldner kann in einem solchen Fall auch nicht mehr alleine entscheiden, die Pfändung aus dem Guthaben des Gemeinschaftskontos zu bezahlen. Wenn das gemeinschaftliche Zahlungskonto erst einmal gepfändet ist, schützt der § 850l auch den Mitkontoinhaber vor dem Zugriff auf sein kopfteiliges Guthaben. Denn der Schuldner – obwohl er auf einem nicht gepfändeten Oder-Gemeinschaftskonto als Einzelverfügungsbefugter auch über das gesamte Guthaben und sogar über Kreditlinien verfügen könnte – kann nicht mehr ohne Zustimmung der Mitkontoinhaber (und wegen des Arrestatoriums natürlich auch nicht ohne Zustimmung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes) den Gläubiger befriedigen. Zudem schützt die Auszahlungssperre, die sich nur an das drittschuldnerische Kreditinstitut richtet, auch die Mitkontoinhaber vor einem Zugriff; ab Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses haben daher alle Mitkontoinhaber nur noch einen kopfteiligen (fiktiven) Zugriff nur auf ihre anteiligen Guthabenbeträge, um sie auf die Einzelkonten übertragen zu lassen. Um darüber verfügen zu können, müsste der Schuldner daher seine Mitkontoinhaber (und das drittschuldnerische Kreditinstitut) um Zustimmung bitten. Wird diese erteilt wäre eine Bezahlung des Pfändungsgläubigers aus dem Guthaben des Gemeinschaftskontos auch vor Ablauf des Moratoriums möglich und sicherlich sinnvoll.
f) Abweichende Verteilung des Guthabens Der Standard-Verteilungsschlüssel nach „Kopfteilen“ bedeutet, dass je nach 1410 Anzahl der natürlichen Personen, die Mitkontoinhaber des Gemeinschaftskontos sind, das vorhandene Guthaben nach der Anzahl dieser Köpfe verteilt wird, siehe obige Tabelle. § 850l Abs. 2 Satz 5 lässt es aber auch zu, dass ein davon abweichender Verteil- 1411 schlüssel vereinbart werden kann, der das drittschuldnerische Kreditinstitut bindet. Das Kreditinstitut selbst hat hier erstaunlicherweise keinen Anspruch auf Inter- 1412 vention, obwohl eine abweichende Vereinbarung ggf. auch seine Rechte am AGB-Pfandrecht tangiert. Führt eine abweichende Aufteilung z. G. des Nicht-Schuldners dazu, dass der Schuldner weniger Guthaben übertragen erhält und damit ggf. unterhalb eines pfändbaren Betrages bleibt, wäre das Kreditinstitut dadurch auch gehindert mit eigenen vorrangigen Forderungen aufzurechnen. Das gilt zumal dann, wenn der Gläubiger einer abweichenden einmaligen abweichenden Verteilung für eine größeres Guthaben deshalb zustimmt, um eine Vereinbarung über eine (spätere) Ratenzahlung auch aus unpfändbarem Guthaben gegen den Schuldner durchzusetzen. Werden sich Gläubiger und Schuldner/Nicht-Schuldner also einig, können sie das der Pfändung vorrangige AGB-Pfandrecht daher ggf. aushebeln. Das gelänge insbesondere dann, wenn das Kreditinstitut eigene vorrangige Forderungen aus anderen Konten als dem Gemeinschaftskonto gegen den Schuldner hätte, gegen den Nicht-Schuldner aber nicht.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Hier muss das drittschuldnerische Kreditinstitut seine Rechte ggf. durch Anrufung des Prozessgerichtes geltend machen oder die abweichende Aufteilung mit diesem Argument verweigern und sich verklagen lassen. Das sollte ein drittschuldnerisches Kreditinstitut allerdings nur erwägen, wenn es sich der Sache sicher ist.
1413 Allerdings müssen sich dazu sämtliche Gemeinschaftskontoinhaber und der Pfändungsgläubiger des Kontos auf eine abweichende Aufteilung des Übertragungsbetrages einigen. Außerdem ist diese Vereinbarung dem Kreditinstitut in Textform mitzuteilen. Textform meint i. S. d. § 126b BGB, also dass dies nicht zwingend schriftlich erfolgen muss, sondern auch elektronisch erfolgen kann, vgl. Rn. 1426. Der Dt. Sparkassenverlag (DSV) hat einen Vordruck aufgelegt, der den „Auftrag des Mitkontoinhabers zur Aufteilung des bestehenden und in der Frist des § 850l Abs. 1 ZPO künftig noch entstehenden Guthabens gepfändeter Gemeinschaftskonten“ enthält, siehe DSV-Vordruck 182 030.000 – Fassung Dez. 2021, Anhang 2b. Im Vordruck findet sich auch die Möglichkeit, eine abweichende Verteilung zu verlangen (Ankreuzvariante „Verteilung aufgrund individueller Vereinbarung aller Kontoinhaber und Gläubiger gemäß Anlage 2“, wobei als Bearbeitungshinweis vermerkt ist, dass „Textform bei der individuellen Vereinbarung erforderlich gemäß § 850l Abs. 2 Satz 4 ZPO“ ist und die Vereinbarung zwischen den Kontoinhabern und den Gläubigern vom Auftraggeber als Anlage beizufügen ist.
1414 Da das drittschuldnerische Kreditinstitut ggf. durch eine abweichende Verteilung im Zugriff auf das Guthaben zur Verrechnung nach seinem AGB-Pfandrecht, das der Forderungspfändung zumeist vorgehen wird, tangiert sein kann, muss es auch im Eigeninteresse darauf achten, dass die Monatsfrist zur Übertragung eingehalten wird. Beispiel: Das Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und SF beim Kreditinstitut K wird mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von Gläubiger G am 1.3. gepfändet. Das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto beträgt 3.000 €. S, der bereits ein P-Konto bei K unterhält, und sein Gläubiger G einigen sich auf einen abweichenden Verteilschlüssel von 30 % (für S) und 70 % (für SF). Bei einer Verteilung 50:50 %, könnte K wegen Überschreitung des Pfändungsfreibetrages auf dem P-Konto des S mit einem Betrag i. H. v. 100 € mit eigenen vorrangigen Forderungen gegen S verrechnen. Die schriftliche Zustimmung des G legen S und SF der K erst am 4.4. vor. Dort stimmt G auch einer Verlängerung der Übertragungsfrist von einem Monat um 1 Woche zu. Muss K die Übertragung durchführen? Nein, da Monatsfrist des § 850l Abs. 2 Satz 1 ab 2.4. abgelaufen war. Zwar dürfte eine einvernehmliche Verlängerung der Frist zur Übertragung der Guthaben zwischen S, SF und G möglich sein, aber nicht zu Lasten der K, die
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
nun von ihrem AGB-Pfandrecht (wieder) Gebrauch machen kann und ggf. mit Guthaben des Gemeinschaftskontos gegen Forderungen von S aufrechnen darf. Obwohl die Monatsfrist daher eine Schutzfrist für den Schuldner ist, ist die zeitlich begrenzte Frist gleichzeitig auch zu Gunsten des Pfändungsgläubigers und des drittschuldnerischen Kreditinstitutes einzuhalten. Es mag zwar möglicherweise nicht zuvorderste Intention des Gesetzgebers gewesen sein, durch die begrenzte Frist dem drittschuldnerischen Kreditinstitut das AGB-Pfandrecht und die daraus resultierende Verrechnungsmöglichkeit wieder zu eröffnen; in jedem Fall wollte aber der Gesetzgeber aber, dass der Schutz des Guthabens nur zeitlich befristet möglich ist und die Phase der Rechtsunsicherheit, ob das Guthaben nun geschützt werden kann oder nicht, auch zu Gunsten des drittschuldnerischen Kreditinstitutes und des Pfändungsgläubigers zeitlich begrenzen. Insoweit wäre auch fraglich, ob die einvernehmliche Verlängerung der Frist zumindest dann möglich wäre, wenn K nicht in seinen Verrechnungsrechten betroffen wäre, denn die Rechtssicherheit an sich, nach Ablauf von einem Monat zu wissen, was das drittschuldnerische Kreditinstitut machen muss (Guthaben an S oder G auskehren), hat einen eigenen Interessenwert. Es liegt auf der Hand, dass mit der abweichenden Verteilung für die Praxis 1415 mannigfache Probleme und Auslegungsfragen entstehen werden. Klar ist, dass bei einer abweichenden Verteilung sämtliche Gemeinschafts- 1416 kontoinhaber zustimmen müssen. Beispiel: Das Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und SF beim Kreditinstitut K wird mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von Gläubiger G am 1.3. gepfändet. Das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto beträgt 3.000 €. S, der bereits ein P-Konto bei K unterhält, und sein Gläubiger G einigen sich auf einen abweichenden Verteilschlüssel von 30 % (für S) und 70 % (für SF), da SF deutlich mehr Gehalt bezieht als S und sich das Guthaben im Wesentlichen aus Gehaltseingängen zusammengesetzt hat. Die schriftliche Vereinbarung legen sie K vor, das darauf besteht, dass auch SF der abweichenden Verteilung zustimmt. Zu Recht? Ja, es müssen alle Beteiligten zustimmen. Auch wenn die Verteilung gegenüber der Kopfverteilung hier zu Gunsten der SF ausginge, ist nicht klar, ob SF damit einverstanden ist (und vielleicht noch mehr beansprucht). K darf diesem Verlangen auf abweichende Verteilung daher nicht nachkommen. K kann auch nicht zunächst zumindest 50 % des Guthabens an S auf dessen P-Konto überweisen, weil K das Verlangen von S nicht zumindest als Verlangen nach der StandardVerteilung werten darf. Denn damit würde K ggf. schon endgültig in die Freibetragsverwendung des S eingreifen. Wenn S durch die Standard-Verteilung seinen Freibetrag überschreiten würde, wäre das vermutlich nicht in seinem Sinne. Hier wird aber als argumentum a maiore ad minus auch vertreten, dass jedes Verlangen nach Übertragung mindestens als Verlangen
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto nach der Standardverteilung für den Verlangenden (nicht aber für den Nicht-Verlangenden) zu werten ist. Nach diesem Grundsatz müsste ein Kreditinstitut daher in diesen Fällen zumindest den Kopfteil an den Verlangenden übertragen. Der Autor hat wegen der obigen Bedenken Zweifel, dass das hineinzuinterpretieren ist, zumal damit ein Präjudiz zu Lasten des Nicht-Verlangenden geschaffen würde. Es geht hier immerhin um die Entziehung von eigentlich der Pfändung unterworfenen Guthaben in dem es mindestens drei betroffene mit ggf. divergierenden Interessen gibt. Hier drohen schon deshalb für das drittschuldnerische Kreditinstitut Haftungsgefahren, weshalb es sich hier zumindest an den Wortlaut der Norm halten sollte.
Insofern muss K nachgewiesen werden, dass alle mit der abweichenden Verteilung einverstanden sind. Solange das nicht der Fall ist, ist das Verlangen insgesamt nicht ausgeübt und darf auch nicht in ein Verlangen zumindest nach der StandardVerteilung umgedeutet werden. SF bräuchte die schriftliche Vereinbarung von S und G aber nur noch gegen zu zeichnen oder K separat die Zustimmung dazu – ebenfalls mindestens in Textform – zukommen lassen. Haftungsfalle: 1417 Die Regelung, dass der andere Kontoinhaber bei der Übertragung nach Kopfteilen, also der Standard-Aufteilung, nicht mitwirken muss, gilt ausschließlich für diese Standardverteilung und nur bei sog. „Oder“-Konten. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 32.
1418 Bei Und-Konten, bei denen eine gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis vereinbart ist oder kraft Gesetzes eintritt, wie bei der Erbengemeinschaft, müssen – und können nur – immer alle Kontoinhaber gemeinschaftlich über Kontoguthaben verfügen und können auch ihre sonstigen Rechte, wie Kündigungen oder Vertragsänderungen nur gemeinschaftlich ausüben. Vgl. Platz/Zahrte, Passivgeschäft Teil 1, S. 408.
1419 Ein Kreditinstitut kann daher auch nur an alle gemeinschaftlich mit befreiender Wirkung leisten und müsste ansonsten die Kontobelastung rückgängig machen, § 675u Satz 2 BGB. 1420 Im Rahmen des § 850l müssen daher bei einem Und-Konto stets alle Kontomitinhaber der Übertragung zustimmen, einerlei ob es sich um die Standardverteilung nach Kopfteilen oder um eine abweichende Aufteilung handelt, bei der dann auch noch der/die Pfändungsgläubiger zustimmen müssen. 1421 Auslegungsbedürftig ist der weitere Wortlaut; er spricht von „der“ Gläubiger. Hier stellt sich die Frage, ob wirklich nur ein Gläubiger, vielleicht der bestrangige, zustimmen muss. Auch aus der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 32 lässt sich nichts dazu entnehmen. Da Parteien
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aber in der Regel der oder die Schuldner (ggf. als Gesamtschuldner) und der Gläubiger (mehrere ggf. als Gesamtgläubiger) sind, muss der Wortlaut dahingehend gemeint und ausgelegt werden, dass der jeweilige Gläubiger des konkreten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemeint ist. Liegen dann mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vor, gibt es natürlich auch mehrere einzelne Gläubiger.
Gemeint und erforderlich dürfte daher sein, dass ebenfalls sämtliche Pfändungs- 1422 gläubiger zustimmen müssen, aber nur diejenigen, die das Gemeinschaftskonto auch gepfändet haben. Beispiel: Das Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und SF beim Kreditinstitut K wird mittels zweier Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse von Gläubiger G1 i. H. v. 170,30 € am 1.3. und Gläubiger G2 i. H. v. 3.500 € am 3.3.2022 gepfändet. S, SF und G1 einigen sich auf einen abweichenden Verteilschlüssel von 30 % (für S) und 70 % (für SF), da SF deutlich mehr Gehalt bezieht als S und dieses noch am 5.3. auf das Gemeinschaftskonto eingehen wird, da die Änderung der Kontonummer nicht mehr rechtzeitig erfolgen könnte. Die schriftliche Vereinbarung legen sie K vor, das darauf besteht, dass auch G2 der abweichenden Verteilung zustimmt. Zu Recht? Ja, denn durch die abweichende Verteilung ist auch G2 in seinen Pfändungsrechten betroffen. Im Zweifel würde er ggf. erst später an auszukehrendem, der Pfändung unterliegendem Guthaben partizipieren, als wenn das Guthaben 50 %:50 % aufgeteilt worden wäre. Insofern reicht die Möglichkeit der Betroffenheit. Es spielt also keine Rolle, ob etwa der erstrangige Gläubiger nur eine geringe Forderung oder eine sehr hohe Forderung mit seinem PfÜB geltend macht, so dass es in letzterem Fall unerheblich ist, dass G2 vermutlich nie an Auskehrungen partizipieren würde (Guthaben kann nur einen Monat nach Zustellung der Pfändung übertragen werden). Es spielt auch keine Rolle, ob ein Kontopfändungsgläubiger nur mittels 1423 Pfändungsbeschluss oder aber mittels PfÜB oder Pfändungs- und Einziehungsverfügung vorgegangen ist. Beispiel: Das Gemeinschaftskonto von Schuldner S und SF beim Kreditinstitut K wird mittels einer Vorpfändung gem. § 845 von Gläubiger G1 i. H. v. 170,30 € am 1.3. und mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von Gläubiger G2 i. H. v. 3.500 € am 3.3.2022 gepfändet. S, SF und G2 einigen sich auf einen abweichenden Verteilschlüssel von 30 % (für S) und 70 % (für SF), da SF deutlich mehr Gehalt bezieht als S und dieses noch am 5.3. auf das Gemeinschaftskonto eingehen wird, da die Änderung der Kontonummer nicht mehr rechtzeitig erfolgen könnte. Die schriftliche Vereinbarung legen sie K vor, das darauf besteht, dass auch G1 der abweichenden Verteilung zustimmt. S, SF und G2 sind dagegen der Meinung, da G1 nur gepfändet hat, die Forderung aber nicht zur Überweisung 387
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
eingefordert hat, müsse er nicht beteiligt werden, da an ihn ja zunächst gar ausgekehrt werden dürfe. Zu Recht? Nein, denn G1 ist auch bei der Nur-Pfändung betroffen, da sein möglicherweise der Pfändung unterliegendes Guthaben, gleich ob er später rechtzeitig einen PfÜB zustellen lässt, durch eine abweichende Verteilung geringer werden könnte. 1424 Es müssen daher – insoweit den Wortlaut des § 850l Abs. 2 Satz 5 sinnstiftend ausgelegt – stets sämtliche Kontopfändungs-Gläubiger einer Vereinbarung zur abweichenden Verteilung zustimmen. 1425 Weder das drittschuldnerische Kreditinstitut noch irgendjemand anderes muss dabei eine Art Rechts-Prognose aufstellen, ob ein Gläubiger am Ende in seinen Rechten wirklich betroffen sein wird oder nicht. Die Zustimmung eines Gläubigers, der das Gemeinschaftskonto nicht gepfändet hat, sondern nur andere Ansprüche des Schuldners, wäre allerdings entbehrlich. Pfändet beispielsweise das Finanzamt nur den Rückgewähranspruch einer Grundschuld des Schuldners, nicht aber auch das Gemeinschaftskonto, dann bedarf es zur abweichenden Aufteilung nicht der Zustimmung des Finanzamtes. Der Pfändungsgläubiger muss also auch das Gemeinschaftskonto gepfändet haben.
1426 Die abweichende Vereinbarung muss dem Kreditinstitut in Textform mitgeteilt werden. Die Formulierung ermöglicht, die abweichende Vereinbarung auch in digitaler Form zu übermitteln, beispielsweise per E-Mail. Ein Kreditinstitut wird das aber nur dann akzeptieren, wenn keine Zweifel daran bestehen, dass die Zustimmungserfordernisse alle vorliegen, woran wegen der Manipulationsmöglichkeiten einer E-Mail und/oder seiner Anhänge bei der Übermittlung per E-Mail durch den Schuldner – anders: durch ein der Gläubiger – Zweifel bestehen können. Bestehen solche Zweifel, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut die Erklärung nicht akzeptieren.
1427 Der Gesetzgeber will damit erreichen, dass das Kreditinstitut informiert wird, um die abweichende Vereinbarung bei der Aufteilung des Guthabens zugrunde legen zu können. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.000 € Guthaben, die ausschließlich aus dem Gehalt der SF stammen. Gläubiger G stimmt daher nach langen Diskussionen einer abweichenden Aufteilung von 20 % (für S) und 80 % (für SF) zu. Sie übermitteln die schriftliche Vereinbarung im Original mit der Post. K hat dann ab Zugang dieses Guthaben und innerhalb des Moratoriums entstehendes künftiges Guthaben in diesem Verhältnis auf die Einzelkonten von S und SF zu übertragen. 388
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Die Vereinbarung, alle, falls mehrere vorgelegt werden, wird ein drittschuld- 1428 nerische Kreditinstitut – schon zu Beweiszwecken – in Form der Originalvereinbarung archivieren. Einer Zustimmung aller Gläubiger bedarf es auch dann, wenn die abweichende Verteilung zu Gunsten des/der Gläubiger ausfiele; ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.11.
Ungeklärt ist, ob die abweichende Vereinbarung auch rückwirkend gilt.
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Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.200 € Guthaben, die ausschließlich aus dem Gehalt der SF stammen. S und SF verlangen zunächst, um das Guthaben der Pfändung zu entziehen und wieder über Gelder verfügen zu können, eine Aufteilung des Guthabens nach Köpfen und teilen dies K mit, das je 600 € auf die Einzelkonten von S und SF überträgt. Da SF aber nicht einsieht, von ihren Gehalt 50 % zu „verlieren“, verhandeln sie mit Gläubiger G, der nach langen Diskussionen einer abweichenden Aufteilung von 20 % (für S) und 80 % (für SF) zustimmt. Sie übermitteln die schriftliche Vereinbarung im Original mit der Post und verlangen nun rückwirkend von K, aus dem Guthaben von S, das noch vollständig auf seinem P-Einzelkonto vorhanden ist, 300 € an SFs Einzelkonto zu übertragen. Zu Recht? Nein, denn eine Rückwirkung sieht das Gesetz nicht vor. Erst mit Zugang der Vereinbarung bei K muss K diese abweichende Verteilung berücksichtigen, also nur für Guthaben, das ab dann und nur bis zum Auflauf des Moratoriums noch entsteht. S kann aber die 300 € an SF überweisen. Allerdings verbraucht er damit in dieser Höhe auch seinen Freibetrag. Sollte der bereits ausgeschöpft sein, hat SF Pech. Offen ist auch, ob für jedes einzelne Guthaben abweichende Aufteilungen 1430 verlangt werden können, auch wenn das in der Praxis vermutlich kaum vorkommen dürfte: Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.000 € Guthaben, die ausschließlich aus dem Gehalt der SF stammen. S und SF wissen aber, dass noch weitere Geldeingänge im März kommen und legen, nach Zustimmung des Gläubigers G, K eine Liste vor in der die Verteilung der bestehenden und künftigen Guthaben wie folgt verlangt wird: 1.000 € (20 % für S, 80 % für SF) 300 € (50 %:50 %) 500 € (60 % für S, 40 % für SF). Muss K dem entsprechen?
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Nein, denn dieser Aufwand und die daraus entstehenden Haftungsgefahren sind K nicht zuzumuten. Man stelle sich vor, eine Anwaltssozietät das ein Gemeinschaftskonto der beiden Rechtsanwälte unterhält oder ein kleiner online-Einzelhändler, der seinen Zahlungsverkehr über das zusammen mit seiner Frau unterhaltene Gemeinschaftskonto laufen lässt, kämen mit einer Liste und 30 Einzelguthaben und jeweils abweichenden Verteilverhältnis bei K an. Hier ist es zumutbar, dass S und SF (und G) selbst einen – im Zweifel auch auf zwei Kommastellen exakten – Mittelwert als Verteilschlüssel ermitteln und K dieses Verhältnis aufgeben, damit K einen festen Wert in die IT zur automatisierten Verarbeitung eingeben kann. Dann kann K sich darauf verlassen, dass dieser Verteilschlüssel für alle Guthaben, die noch zur Verteilung anstehen werden gelten, auch diejenigen die dann ggf. nicht exakt der angegebenen Höhe der Einzelguthaben entsprechen oder auf der Liste nicht aufgeführtes künftigen Guthaben. Dieser Durchschnitts-Verteilschlüssel würde hier 36,11 % für S und 63,89 % für SF betragen, so dass mit Ablauf des Moratoriums im Ergebnis dem S die gewollten ca. 650 € (exakt wären es 649,98 €) und SF die gewollten ca. 1.150 € (exakt wären es 1.150,02 €) übertragen würden. Dass S bzw. SF aus den Übertragungen dann ggf. etwas früher oder später, geringere oder höhere Guthabenteile zu Verfügung haben, müssen sie hinnehmen. 1431 Trotzdem wird sich ein drittschuldnerische Kreditinstitut nicht dagegen wehren können, dass eine Vereinbarung – für die Zukunft – aus sachlichen Gründen geändert wird. Das Gesetz sieht insoweit keine Einschränkungen vor. Grenze muss aber auch hier das Willkürverbot sein. Eine Änderung, vielleicht auch ein zweite, sind sicherlich hinzunehmen, im Ausnahmefall auch weitere, aber darüber hinaus sind angesichts des mit der Einreichung und Umsetzung verbundenen Arbeitsaufwandes für die drittschuldnerischen Kreditinstitute, häufigere Veränderungen nicht mehr zumutbar. Immerhin dauert das Moratorium innerhalb dessen Guthaben übertragen werden können, nur einen Monat, ein Zeitraum, in dem sich so viel nicht ändern sollte. Zudem können die Mit-Kontoinhaber einen späteren Ausgleich immer noch bilateral durch gegenseitige Überweisungen hereinführen. Dass der Schuldner durch seine Freibeträge auf dem P-Konto dann ggf. beschränkt ist, ist hinzunehmen.
1432 Ob und was das Kreditinstitut im Rahmen der abweichenden Verteilung zu prüfen hat, regelt das Gesetz ebenfalls nicht. Hier wird es nur darauf ankommen, zu prüfen, dass alle Beteiligten der abweichenden Übertragung zugestimmt haben. Eine Schlüssigkeitsprüfung nur anhand der übermittelten Vereinbarung dürfte dabei ausreichen, also der Abgleich der Namen in der Vereinbarung mit den Namen der Kontoinhaber und den Pfändungsgläubigern, die übereinstimmen müssen. Eigene Ermittlungen zur (Wiederlegung der) inhaltlichen Richtigkeit, schuldet das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht. Nur wenn es positiv weiß oder sich tatsächliche Anhaltspunkte geradezu aufdrängen, dass die Vereinbarung unrichtig ist, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut diese zurückweisen.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Die Frage was ist, wenn sich die in § 850l Abs. 2 Satz 5 genannte Beteiligten 1433 nicht einigen können, bleibt ebenfalls offen. Der Gesetzgeber hat sich am Ende des Gesetzgebungsprozesses, anders als noch im DiskE, dort noch in § 850k Abs. 3 Satz 4 ZPO-E, dagegen entschieden, eine Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht für die Fälle zu regeln, bei denen die kopfteilige Aufteilung vermeintlich nicht die wirtschaftliche Realität der Kontoinhaber widerspiegelt und sich die Beteiligten nicht auf eine abweichende Vereinbarung einigen können. In der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 32/33 rechtfertigt der er dies damit, dass innerhalb der Moratoriumsfrist, die dort sogar noch mit zwei Monaten vorgesehen war und erst durch den Rechtsausschuss auf einen Monat verkürzt wurde, „eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts regelmäßig nicht zu erlangen sein dürfte“. Und weiter sagt der Gesetzgeber: „Auf der einen Seite würde eine Verzögerung insoweit nicht unerhebliche Folgeschwierigkeiten mit sich bringen etwa hinsichtlich der Frage, wie sich die Rechtslage für die Beteiligten nach Ablauf des Moratoriums darstellt. Auf der anderen Seite erscheint der Mehrwert der Möglichkeit eines Rechtsschutzes für die Beteiligten gering zu sein, da insbesondere in Fällen eines gemeinsamen Kontos beispielsweise von zwei Personen den Kontoinhabern zweimal Pfändungsschutz nach § 850c ZPO-E zustünde, obwohl ihnen wirtschaftlich lediglich ein pfändungsfreier Betrag nach § 850c ZPO-E zukäme.“
Trotzdem wird und muss eine fehlende oder verweigerte Zustimmung, egal ob 1434 durch einen Gläubiger oder einen Mitkontoinhaber, im Einzelfall durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden können, z. B. dann, wenn anderenfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten eine grobe Unbilligkeit vorliegen würde. Zu denken wäre z. B. an in Scheidung befindliche Ehegatten, bei denen das Gehalt des Nicht-Schuldners noch auf das Gemeinschaftskonto gezahlt wurde und dieser Zahlungseingang (nahezu) ausschließlich das gepfändete Guthaben ausmacht, der andere Kontomitinhaber aber die hälftige Verteilung fordert. Hier muss der nicht-schuldnerische Mit-Kontoinhaber – auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können.
Ob für die Zustimmungsersetzung dann das Vollstreckungsgericht zuständig 1435 wäre, da Gegenstand die Zustimmung zu einer vollstreckungsrechtlichen Vereinbarung ist, ist allerdings offen. Es spricht allerdings mehr für die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichtes als des normalen Prozessgerichtes. Diese Zuständigkeit war auch im DiskE so vorgesehen, mit der Begründung, dass z. B. insbesondere das Vorliegen einer groben Unbilligkeit einer umfassenden Prüfung unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten bedürfe und am Ende auch entschieden werden müsste, welcher Anteil an dem gepfändeten Guthaben jedem Kontoinhaber tatsächlich zusteht, während sich eine solche Zuständigkeit nicht dazu eigne, eine streitige oder gar abschließende Entscheidung über die materielle Berechtigung zu treffen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Diese Argumente sollte auch weiter gelten, obwohl eine Zuständigkeit nicht mehr explizit in § 850l geregelt ist.
1436 Im Insolvenzfalle wäre dann für eine solche Entscheidung das Insolvenzgericht zuständig. BGH, Beschl. v. 13.2.2014 í IX ZB 91/12, NZI 2014, 414 Rn. 8.
1437 Ein Vollstreckungs- oder Insolvenzgericht trifft dann aufgrund der Kürze des Moratoriums eine besondere Verantwortung. Zu hoffen ist, dass sich die Vollstreckungsgerichte dieser Verantwortung bewusst sind und sie auch wahrnehmen. Berechtigte Zweifel wird man nach den Erfahrungen nach der ersten Reform 2010 allerdings haben dürfen, vgl. Schlussbericht, u. a. S. 49, 81 und 92.
1438 Im Zweifel müsste es also mittels vorläufiger Anordnungen, z. B. eine VorabVerteilung von zumindest Teilen des Gesamt-Guthabens verfügen, damit die Existenzsicherung des Schuldners und Nichtschuldners innerhalb des Moratoriumsmonats nicht gefährdet wäre. Auch die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder die Anordnung der Verlängerung der Moratorien, müssen die Gerichte ggf. erwägen.
1439 Träfe das Vollstreckungsgericht keine andere, direkt das drittschuldnerische Kreditinstitut betreffende und ihm auch zugestellte Anordnungen, wäre dieses nach Ablauf des Moratoriums trotzdem berechtigt, das Guthaben mit eigenen vorrangigen Forderungen zu verrechnen, an den Gläubiger auszukehren oder das Guthaben zu hinterlegen. Ggf. wäre nach einer abschließenden vollstreckungsrechtlichen Entscheidung über die materielle Berechtigung des Guthabens dann allerdings nachträglich noch eine Korrektur vorzunehmen.
g) Künftiges Guthaben 1440 Übertragen werden kann nicht nur das Guthaben, das zum Zeitpunkt der Zustellung der Kontopfändung auf dem Gemeinschaftskonto steht (bestehendes Guthaben oder Zustellungssaldo), sondern auch Guthaben, das durch Zahlungseingänge erst in Zukunft – aber nur innerhalb des Moratoriumsmonats – entsteht (künftiges Guthaben). Beispiel: Schuldner S und seine Ehefrau SF, die gemeinsam einen kleinen online-Handel betreiben, aber es mit der Steuerpflicht nicht so genau genommen haben, unterhalten zusammen ein Oder-Gemeinschaftskonto beim Kreditinstitut K. Das Konto wird mittels einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes i. H. v. 6.800 € am 1.3. gepfändet. Der Saldo weist am Zustellungstag ein Guthaben i. H. v. 1.500 € auf. Dieses wird nach Köpfen auf die P-Einzelkonten von S und SF verteilt, so dass das Konto wieder auf null steht. Es gehen dann noch folgende
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
weitere Zahlungseingänge ein: am 7.3. 500 €, am 18.3. 1.200 € und am 30.3. nochmals 800 €. Was und wie ist zu verteilen? Auch Guthaben, das aus weiteren Zahlungseingängen entsteht, erfolgt Verteilung. Entweder in einer Summe (z. B. nach Eingang des letzten Zahlungseingangs) oder fortlaufend nach neu entstandenem Guthaben. K könnte also einmalig einen Betrag i. H. v. je 1.250 € auf S und SFs P-Einzelkonten übertragen oder aber zunächst je 250 €, dann je 600 € und am Schluss nochmals je 400 €. Das Gesetz gibt insoweit keinen Übertragungsmodus bzw. -rhythmus vor. Im 1441 Hinblick darauf aber, dass ein Schuldner – und auch der Nicht-Schuldner – im Zweifel nur von diesen Geldern seinen Lebensunterhalt finanzieren muss, scheint es aber erforderlich, die Verteilung mindestens zweimal im Monat, in jedem Fall aber den Zustellungssaldo unverzüglich zu übertragen. Unverzüglich bedeutet im Zweifelsfall so schnell wie möglich. Es dürfte noch ausreichend sein, wenn dies in Anlehnung an § 850k Abs. 2 Satz 1 bis zum Beginn des vierten auf das Verlangen folgenden Geschäftstages geschieht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen des § 901, bei dem der Verrechnungsschutz von ebenfalls einem Verlangen abhängig ist, dieser Schutz sofort „ab dem Verlangen“ eintritt, § 901 Abs. 1. Wird eine Bescheinigung über Erhöhungsbeträge vorgelegt, muss diese ab dem zweiten auf die Vorlage der Bescheinigung folgenden Geschäftstag, also innerhalb eines Tages beachtet werden, § 903 Abs. 4. Insofern scheint ein Kreditinstitut gut beraten, eine Übertragung zumindest des Zustellungsguthaben unverzüglich vorzunehmen.
Dem Schuldner wäre es sicherlich nicht zumutbar, durch Übertragung erst 1442 am Ende des Moratoriums das gesamte Guthaben zur Verfügung zu haben. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen und wäre auch nachvollziehbar, dass die Rechtsprechung, sollte sich hier in der Praxis – z. B. aus Kostengründen – ein „zurückhaltender Übertragungsrhythmus“ etablieren, Kreditinstitute dazu verpflichten könnten, jedes neue Guthaben unverzüglich zu übertragen. Insoweit kann den Kreditinstituten nur empfohlen werden, das zu antizipieren und von vorne herein die IT so zu programmieren, dass idealerweise eine fortlaufende Übertragung jedes neuen Guthabens gewährleistet ist.
Zu berücksichtigen ist aber auch, dass bei Gemeinschaftskonten – zumal, wenn 1443 mehr als zwei Kontoinhaber existieren – im Zweifel mit einigen Gutschriften zu rechnen ist. Für das drittschuldnerische Kreditinstitut muss eine Bearbeitung dann auch mit zumutbaren Mitteln in einem wirtschaftlich noch erträglichen Maße möglich sein. Eine Übertragung künftigen Guthabens kann daher nicht fortlaufend, also unverzüglich jeweils nach Entstehung jeden neuen Guthabens verlangt werden. Dann dürfte es ausreichen, wenn allenfalls wöchentlich oder einmal innerhalb des Moratoriumsmonats noch einmal übertragen wird. Das gilt umso mehr, wenn eine automatisierte IT-unterstütze Bearbeitung bzw. Übertragung bei Pfändungsschutzkonten nicht möglich ist.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1444 Auch Arbeitseinkommen, wenn es in Tranchen gezahlt wird, z. B. mit einem ersten Abschlag und nach endgültiger Abrechnung in einem zweiten Betrag, erfolgt nur zweimal monatlich. Praxistipp: Wenn eine automatisierte Übertragung möglich ist, sollten Kreditinstitute ihre IT trotzdem möglichst so programmieren, dass mindestens eine wöchentliche, besser noch fortlaufende Übertragung erfolgt. Man muss sich vergegenwärtigen, dass es sich um Guthaben handeln kann, die einer Familie im Zweifelsfall als einzige Quelle für die Bestreitung des Lebensunterhaltes dienen.
1445 Die Übertragungsmöglichkeit bestehenden und künftigen Guthabens besteht aber nur innerhalb des Zeitraums nach Abs. 1 Satz 1, endet also gem. § 850l Abs. 2 Satz 1 nach Ablauf von einem Monat nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses. Danach unterliegen dann noch eingehende Gutschriften auf dem Gemeinschaftskonto die zu einem Guthaben führen, der Pfändung oder der Auf- und Verrechnung mit eigenen vorrangigen Forderungen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes. Hat das Kreditinstitut keine eigenen vorrangigen Forderungen, muss das Guthaben unverzüglich an den Pfändungsgläubiger abgeführt werden. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam gepfändet Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 90 € Guthaben. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt, das als P-Konto zu eröffnen und beide beantragen das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. Nach Übertragung geht am 4.4. noch das Gehalt der SF i. H. v. 875,14 € ein, da sie vergessen hat, ihre neue Kontonummer bei ihrem Arbeitgeber zu hinterlegen. Da K keine Sollumsätze auf dem Gemeinschaftskonto mehr zugelassen hat und nach der ersten Übertragung das Konto auf 0,00 € stand, steht es nun mit 875,14 € im Guthaben. Hier würde aus dem Zustellungssaldo vom 1.3. (90 €) auf das neue P Einzelkonto des S 45 € übertragen und auf das Einzelkonto der SF ebenfalls 45 €, da S und SF zwei „Köpfe“ sind und die von Gesetz als Standard vorgesehene kopfteilige Aufteilung in diesem Fall hälftig wäre. Aus dem Zahlungseingang vom 4.4. wäre keine Übertragung mehr zulässig, da die Monatsfrist nach dem 1.4. 24:00 h abgelaufen ist. 1446 Dass Gerichte diese Härte im Einzelfall über den § 765a abmildern, ist eigentlich ausgeschlossen. SF hatte einen Monat Zeit, zu veranlassen, dass ihr Gehalt auf ihr neues Zahlungskonto fließt. Allerdings ist zuzugeben, dass ein Monat ab Zustellung des Überweisungsbeschlusses kein allzu langer Zeitraum ist. § 765a wird man allenfalls bemühen können, wenn die Gemeinschaftskontoinhaber sehr zügig die Kontoänderung mitgeteilt haben, die Zahlungspflichtigen aber diese Änderungen auch nach 1 Monat noch nicht umgesetzt haben, vgl. Rn. 1474.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Haftungsfalle: Vorsicht ist bei der Übertragung geboten, wenn nicht alle Mitkontoinhaber 1447 die Übertragung (gleichzeitig) beantragen. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 500 € Guthaben. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt, das als P-Konto zu eröffnen. Nur SF beantragt aber zunächst ihr kopfteiliges Guthaben des Gemeinschaftskontos auf ihr Einzelkonto zu übertragen. Nach dieser ersten Übertragung gehen am 15.3. nochmals 500 € ein. Nun beantragt auch S, die Übertragung seiner Kopfteile. Wie hat die Übertragung zu erfolgen? Übertragen werden darf nur auf Verlangen der Mitkontoinhaber. Zunächst hat nur SF die Übertragung ihres Kopfteiles verlangt. Damit sind vom Ursprungsguthaben 250 € auf ihr Einzelkonto überwiesen worden. 250 €, der Anteil des S, blieben auf dem Gemeinschaftskonto zunächst stehen. Mit dem Zahlungseingang der weiteren 500 € ist das Guthaben dann auf 750 € angestiegen. Die Verteilung – nach Kopfteilen – darf nun nur wie folgt geschehen: SF erhält weitere 250 €, somit insgesamt 500 €, S dagegen erhält 250 € + 250 € = 500 € aus sein P Einzelkonto übertragen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut darf hier also nicht den Fehler begehen, das Guthaben i. H. v. 750 € einfach wieder kopfteilig aufzuteilen, so dass S und SF daraus je 375 € erhielten. Das wären im Ergebnis bei SF dann 250 + 375 € = 625 €, also im Ergebnis 125 € mehr als ihr zustünde und der Pfändung entzogen werden dürfte. Denn im Gegensatz zum Übertragungsguthaben der SF, unterliegt das Übertragungsguthaben des S auf seinem Einzelkonto weiterhin der Pfändung. Sie setzt sich an diesem weiteren eingehenden Übertragungsguthaben (bis zum Ablauf des Moratoriums am 1.4. 24:00 h) fort. Noch größer wird das Haftungsrisiko unter Umständen, wenn auch noch ein abweichender Verteilschlüssel zwischen S, SF und einem Gläubiger vereinbart ist. Hier muss K also aufpassen. Ebenfalls haftungsanfällig ist eine Konstellation, bei dem von einem Guthaben- 1448 betrag der Mitkontoinhaber zunächst nur ein Teilbetrag abfordert. Fraglich ist, ob ein Teilabruf überhaupt zulässig ist. Das dürfte aber wohl möglich sein, weil § 850l Abs. 2 Satz 1 insoweit keine Einschränkung hinsichtlich des Verlangens auf Übertragung macht und andererseits nur auf Verlangen übertragen werden darf. Eine Teilabruf dürfte zwar der Ausnahmefall sein und Kreditinstitute sollten dann auch darauf hinwirken, dass stets alles übertragbare Guthaben auch unverzüglich zur Übertragung verlangt wird, aber wenn die Kontoinhaber zunächst nur einen Teilbetrag verlangen, muss das Kreditinstitut dem wohl entsprechen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 500 € Guthaben. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt, das als P-Konto zu eröffnen. Nur SF beantragt, ihr kopfteiliges Guthaben des Gemeinschaftskontos auf ihr Einzelkonto zu übertragen und zwar zunächst nur i. H. v. 125 €, nicht in Höhe der möglichen 250 €. Nach dieser ersten Übertragung gehen am 15.3. nochmals 500 € ein. Nun beantragt auch S die Übertragung seiner Kopfteile und SF „den Rest“ des ihr zustehenden Guthabens. Wie hat die Übertragung zu erfolgen? Übertragen werden darf nur auf Verlangen der Mitkontoinhaber. Zunächst hat nur SF die Übertragung ihres Kopfteiles verlangt, davon aber nur einen Teilbetrag i. H. v. 125 €. Damit sind vom Ursprungsguthaben i. H. v. 250 € zunächst nur 125 € auf ihr Einzelkonto überwiesen worden. 250 €, der Anteil des S, und 125 €, der Restanteil der SF blieben auf dem Gemeinschaftskonto zunächst stehen. Mit dem Zahlungseingang der weiteren 500 € ist das Guthaben dann auf 875 € angestiegen. Die Verteilung – nach Kopfteilen – darf nun nur wie folgt geschehen: SF erhält weitere 125 € und weitere 250 €, somit insgesamt 500 €, S dagegen erhält 250 € + 250 € = 500 € aus sein P Einzelkonto übertragen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut darf hier also nicht den Fehler begehen, das Guthaben i. H. v. 875 € einfach wieder kopfteilig aufzuteilen, so dass S und SF daraus je 437,50 € erhielten. Das wären im Ergebnis bei SF dann 125 + 437,50 € = 562,50 €, also im Ergebnis 62,50 € mehr als ihr zustünde und der Pfändung entzogen werden dürfte. Denn im Gegensatz zum Übertragungsguthaben der SF, unterliegt das Übertragungsguthaben des S auf seinem Einzelkonto weiterhin der Pfändung. Sie setzt sich an diesem weiteren eingehenden Übertragungsguthaben (bis zum Ablauf des Moratoriums am 1.4. 24:00 h) fort. 1449 Und auch hier gilt: Noch größer wird das Haftungsrisiko unter Umständen, wenn auch noch ein abweichender Verteilschlüssel zwischen S, SF und einem Gläubiger vereinbart ist. Hier muss K also aufpassen. Grenze der Abforderungen von Übertragungsguthaben bildet der Grundsatz nach Treu und Glauben. Diese Grenze dürfte dann überschritten sein, wenn die Abforderungen in mehr als zwei Teilbeträgen erfolgt. Denn der Kontoinhaber muss berücksichtigen, dass der mit der Abforderungn von Teilbeträgen verbundene Arbeitsaufwand für die drittschuldnerischen Kreditinstituten erheblich steigt, von den zusätzlichen Haftungsgefahren ganz zu schweigen, denn diese oben geschilderten Konstellationen machen deutlich, welche neuen Haftungsgefahren auf die Kreditinstitute zukommen.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Selbst wenn die verwendeten IT- und Software-Anwendungen dies künftig 1450 werden automatisiert überwachen können, wird klar wie komplex die NeuProgrammierung nun wird. Zu Recht weist Knees, WM 2021, 664, darauf hin, dass diese Prüfung mit den bisherigen IT-Systemen der Kreditinstitute nicht leistbar sein wird. Damit wird auch klar, warum eine lange Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des PKoFoG unerlässlich war. Trotzdem wir bis zum 1.12.2021, dem Inkrafttreten des PKoFoG die IT sicherlich noch nicht flächendeckend alle neuen Dispositionsanforderungen abdecken können.
Ein Schuldner kann mit einem verzögerten Übertragungsantrag ggf. auch seine Pfändungsfreibeträge „optimieren“. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 25.3.2022 wirksam gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 500 € Guthaben. SF beantragt, für sie ein Einzelkonto zu eröffnen, S hat bereits ein gepfändetes P-Konto mit einem Freibetrag i. H. v. 1.600 €, den er für den März schon ausgeschöpft hat. Daher beantragt er die Übertragung seiner 250 € erst im April. Im April wird der Freibetrag trotz der Übertragung des Guthabens i. H. v. 250 € nicht überschritten. Hier hat S durch ein verzögertes Übertragungsverlangen die 250 € vor der Erfassung durch Pfändung im März entzogen. Sicherlich ist das eine Ausnahme-Konstellation und über den Umweg des § 900 1451 wäre eine vergleichbare Verfügungsmöglichkeit (bei einem P-Einzelkonto) im April ebenso erzeugt worden, aber sicherer ist es für den Schuldner, wenn er nie den monatlichen Pfändungsfreibetrag übersteigt, zumal dann, wenn er nicht verlässlich sagen kann, wann welche Gutschriften sein P-Konto erreichen. h) Pfändungsschutz für übertragenes Guthaben Mit der Übertragung des Guthabens vom Gemeinschaftskonto auf das Einzel- 1452 konto des Schuldners alleine, ist das Guthaben noch nicht vor dem Pfändungszugriff geschützt. Wenn Guthaben übertragen ist, muss der Schuldner – ebenfalls innerhalb der Frist des § 850l Abs. 1 Satz 1 – verlangen, dass das Zahlungskonto, auf das das Guthaben übertragen werden soll/worden ist, als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Erst dann ist das übertragene Guthaben des Schuldners – soweit die Freibeträge das abdecken – vor dem Pfändungszugriff geschützt. Wandelt er also das Konto rechtzeitig in ein P-Konto um und verlangt er 1453 rechtzeitig die Übertragung, erfährt das übertragene unpfändbare Guthaben
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
den gleichen Pfändungsschutz wie Guthaben auf einem gepfändeten P-Konto, also so wie „die Regelungen des Buches 8 Abschnitt 4“ das vorsehen. Beispiel: Schuldner S und seine Ehefrau SF unterhalten zusammen ein Oder-Gemeinschaftskonto beim Kreditinstitut K. Das Konto wird mittels einer Pfändungsund Einziehungsverfügung des Finanzamtes gegen S i. H. v. 6.800 € am 1.3. gepfändet. Der Saldo weist am Zustellungstag ein Guthaben i. H. v. 2.800 € auf. S und SF beantragen je ein P-Konto für sie zu eröffnen und das Guthaben kopfteilig auf diese P-Einzelkonten zu übertragen. Beide haben einen Freibetrag i. H. v. 1.300 €. Über welche Beträge können S und SF nach Übertragung verfügen? SF, die ja Nicht-Schuldnerin ist, kann über den gesamten Kopfteil i. H. v. 1.400 € sofort vollständig verfügen. Obwohl es sich daher um ein P-Konto handelt, ist die nicht-schuldnerische Kontoinhaberin SF nicht gehindert, über sämtliches Guthaben auf ihrem P-Konto zu verfügen, weil dieses nicht der Pfändung des Finanzamtes unterliegt, weder das übertragene Guthaben noch das Konto an sich, § 850l Abs. 4. S, muss sich dagegen als Schuldner an seinen Freibeträgen orientieren, das heißt er darf zunächst nur über 1.300 € innerhalb des Monats März verfügen. Variante: Schuldner S und seine Ehefrau SF unterhalten zusammen ein Oder-Gemeinschaftskonto beim Kreditinstitut K. Das Konto wird mittels eines dinglichen Arrestes nach § 917 der Staatsanwaltschaft (StA) gegen S i. H. v. 6.800 € am 1.3. gepfändet. Der Saldo weist am Zustellungstag ein Guthaben i. H. v. 2.800 € auf. S und SF, die beide bereits auch ein Einzelkonto führen, beantragen das Guthaben kopfteilig auf diese Einzelkonten zu übertragen. Am 4.4. verlangt S sein Einzelkonto noch in ein P-Konto umzuwandeln. K kommt dem nach, lässt S aber nicht mehr über das übertragene Guthaben 1.400 € verfügen. Zu Recht? Ja, denn nach dem Wortlaut des § 850l Abs. 1 Satz 1 löst zwar erst der Überweisungsbeschluss bzw. die Einziehungsverfügung den Beginn/Lauf der Frist aus. Im Fall einer Vorpfändung wird regelmäßig nach einem Monat der PfÜB nachfolgen. Wird ein dinglicher Arrest, vgl. Rn. 295 oder ein europ. Beschluss zur vorläufigen Kontopfändung, vgl. Rn. 315 ff., zugestellt, die beide überhaupt nur als Pfändung ohne Überweisung zulässig sind, fehlt es am den Fristlauf auslösenden Überweisungsbeschluss. Da aber das Moratorium nur an den Pfändungsbeschluss gebunden ist, fällt dieser Schutz nach Ablauf eines Monats nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses weg, so dass K dann zwar nicht an den Pfändungsgläubiger auskehren darf (es fehlt ja die Überweisung oder Einziehung), aber auch für S gibt es keinen Zugriff mehr auf das Guthaben. Im Rahmen des § 720a-Pfändung (Sicherungsvollstreckung) hat es der Gläubiger, ebenso wie bei der Vorpfändung grds. selbst in der Hand, die Befriedigung durch Überweisung zu erhalten.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Selbst wenn das abgelaufene Moratorium nicht vor dem Zugriff des Schuldners 1454 schützen würde, spräche für die einschränkende Auslegung des Schuldneranspruchs auch, dass der Rechtsausschuss, der die vormaligen zwei Monate aus dem RegE auf einen Monat verkürzt hat, dies damit begründet hat, dass mit einem Monat ein Gleichlauf sowohl im Hinblick auf die ausschließliche Anwendbarkeit auf natürliche Personen als auch auf die Frist des Moratoriums zu § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO-E hergestellt werden soll. Vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 30. § 835 Abs. 4 a. F. wiederum knüpft aber an die Zustellung der Pfändung, nicht auch der Überweisung an. Ein weiteres Argument ist, dass auch im § 900, der ebenfalls ein Moratorium regelt, deutlich zwischen Übertragungszeitraum einerseits und Auszahlungssperre andererseits unterscheiden wird, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 36.
Ebenso spräche aus Sicht des Autors dafür, dass im DiskE bei der Begründung 1455 der Monatsfrist der Monatszeitraum nur als Zeitraum betrachtet wurde. So heißt es dort: „Der Monatszeitraum ist wesentlich, um Kontoinhabern Gelegenheit zu geben, die Einrichtung von Einzelkonten zu beantragen und den Pfändungsschutz sicherzustellen. Außerdem muss entschieden werden, ob das bisherige Gemeinschaftskonto fortgeführt werden soll. Schließlich müssen die Kontoinhaber Vorkehrungen treffen, wenn und soweit künftiges Guthaben einem oder mehreren Einzelkonten und nicht dem Gemeinschaftskonto gutgeschrieben werden soll. Zudem können während des Moratoriums Vereinbarungen mit dem Gläubiger getroffen werden.“ Vgl. Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 34 (dort war der § 850l noch der Abs. 3 des § 850k-E).
All das deutet eher darauf hin, dass der Schuldner ab Blockade des Gemein- 1456 schaftskontos nur einen Monat Zeit haben sollte; zumindest dann, wenn ein Überweisungsbeschluss rechtlich nicht möglich ist, muss sich der Schuldner ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses um die Freigabe des Gemeinschaftskonto-Guthabens bemühen. Siehe aber das nachfolgende Beispiel:
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Beispiel: Schuldner S und seine Ehefrau SF unterhalten zusammen ein Oder-Gemeinschaftskonto beim Kreditinstitut K. Das Konto wird zunächst am 1.3.2022 mittels einer Vorpfändung nach § 845 eines Gläubigers des S i. H. v. 6.800 € gepfändet. Der Saldo weist am Zustellungstag ein Guthaben i. H. v. 2.800 € auf. S und SF beantragen je ein P-Konto für sie zu eröffnen und das Guthaben kopfteilig auf diese P Einzelkonten zu übertragen. Am 30.3. wird der Pfüb zugestellt. Als am 1.4. nochmals 1.500 € auf das Gemeinschaftskonto gutgeschrieben werden, beantragen S und SF am 5.4.2022 auch dieses Guthaben jeweils kopfteilig auf die beiden P-Einzelkonten zu übertragen. K weigert sich, da die 1-Monatsfrist zur Übertragung abgelaufen ist. Zu Recht?
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Nein, denn die Monatsfrist beginnt dann tatsächlich erst mit Eingang des Überweisungsbeschlusses also ab 30.3. und endet damit erst mit Ablauf des 30.4.2022, wegen des Wochenendes erst mit Ablauf des 2.5.2022, 24:00 h. 1458 Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung diese Ausdehnung des Übertragungszeitraumes auch nur um diesen geringen Zeitraum mitmacht; denn mutmaßlich handelt es sich um eine Regelungslücke, die sich im Rahmen des § 850l deutlicher zu Lasten des Gläubigers auswirkt als vermutlich vorgesehen. 1459 Ein Schuldner sollte daher stets innerhalb eines Monats nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses verlangt haben, dass seine Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto übertragen werden. Das ist auch für das Verlangen nach Umwandlung in ein P-Konto zu empfehlen. Anders als in § 850k Abs. 2 Satz 1 reicht es im § 850l allerdings aus, dass der Schuldner nur die Umwandlung innerhalb des Moratoriums verlangt. Nicht notwendig ist, dass das Konto auch innerhalb des Moratoriums schon in ein P-Konto umgewandelt ist.
1460 Für den Nicht-Schuldner gilt das gleichermaßen aufgrund des Verweises auf Abs. 2 Satz 1 und 3 – 5 in § 850l Abs. 3. Auch nicht-schuldnerische Gemeinschaftskontoinhaber, soweit sie natürliche Personen sind, sollten daher innerhalb eines Monats nach Zustellung eines dinglichen Arrestes oder eines europ. Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung ein auf ihren Namen zu errichtendes oder schon bestehendes Einzelkonto verlangen und innerhalb dieses einen Monats auch verlangt haben, Guthaben darauf zu übertragen. 1461 Verpassen Schuldner oder Nicht-Schuldner diese Fristen, unterliegt das Guthaben vollständig – egal ob es sich aus Sozialleistungen oder unpfändbaren Arbeitsentgelt ergeben hat – entweder dem zumeist der Pfändung vorrangigem AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes und/oder der Pfändung. Nicht ausgeschlossen ist, dass Gerichte – sich eng am Wortlaut orientierend – dieser Auslegung nicht folgen. Es wird abzuwarten bleiben, was letztlich de BGH entscheidet. Da zumeist Pfändungsund Überweisungsbeschluss zeitgleich zugestellt werden, wird sich das Problem in der Praxis allerdings auf wenige Ausnahmefälle beschränken.
1462 Wird das Guthaben des Schuldners durch sein rechtzeitiges Verlangen auf Übertragung auf sein Einzelkonto und des rechtzeitigen Verlangens nach Umwandlung in ein P-Konto zunächst vor dem Pfändungszugriff auf dem Gemeinschaftskonto bewahrt, unterfällt es dann dem Kontopfändungsschutz nach den Regelungen des Buches 8 Abschnitt 4, § 850l Abs. 2 Satz 2. Der Gesetzgeber musste den § 850l Abs. 2 Satz 2 allerdings dazu noch einmal nachbessern, denn im am Nov. 2020 verabschiedeten PKoFoG fehlte es an einem Verweis auf die Erhöhungsbeträge des § 902, so dass die nicht unberechtigte Befürchtung bestanden hätte, dass die dann nicht geschützt wären. Daher wurde im Rahmen des Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucks. 19/27636 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG) v. 4.5.2021, BT-Drucks. 19/29246, § 850l Abs. 2 Satz 2 dann noch einmal in die jetzige Formulierung geändert, um sicherstellen, dass für die Übertragungsguthaben grundsätzlich die gleichen Kontopfändungsschutzvorschriften greifen. Eine Einzelverweisung nur noch zusätzlich auf den § 902 war dem Gesetzgeber wohl zu heikel, denn das hätte die Gefahr geborgen, dann doch noch etwas zu vergessen. Diese allerdings nun sehr weitegehende Verweisung im § 850l Abs. 2 Satz 2 auf „die Regelungen des Buches 8 Abschnitt 4“ ist ungewöhnlich und wird ggf. in Zukunft auch noch einmal an anderen Stellen Fragen aufwerfen. Mit der Verkündung des GVSchuG am 7.5.2021 und seinem Inkrafttreten am 8.5., siehe Rn. 1474, ist das Problem beseitigt. Knees, a. a. O., hatte allerdings schon vor dieser Änderung ein Anwendung auch auf die Erhöhungsbeträge richtigerweise damit begründet, dass § 850l Abs. 2 Satz 2 primär der Klarstellung dient, dass auch das Guthaben, das durch die Übertragung des gepfändeten Gemeinschaftskontoguthabens auf das P-Konto entsteht dem Pfändungsschutz des P-Kontos unterfällt, weshalb davon auszugehen sei, dass mit der in § 850l Abs. 2 Satz 2 bestimmten entsprechenden Anwendbarkeit (damals noch nur) des § 899 Abs. 1 Satz 1 und 3 auf das übertragene Gemeinschaftskontoguthaben nicht die Absicht verfolgt wurde, dem Schuldner für das vom Gemeinschaftskonto übertragene Guthaben Pfändungsschutz ausschließlich in Höhe des Grundfreibetrages des § 899 Abs. 1 Satz 1 zu gewähren. Dass der Gesetzgeber es ursprünglich nur nicht für nötig hielt, diese „Selbstverständlichkeit“ durch einen Verweis auf § 902 zu regeln, so offensichtlich Knees, a. a. O., ist aber durch die dann doch erfolgte Änderung widerlegt: Es war schlicht eine – von mehreren – Nachlässigkeiten des Gesetzgebers, die er in diesem Fall noch korrigiert hatte.
Damit findet auch § 902 ebenfalls auf das vom Gemeinschaftskonto auf das 1463 Einzelkonto transferierte Übertragungsguthaben Anwendung. i) Debitorisches Gemeinschaftskonto Bei einem debitorisch geführten Gemeinschaftskonto dagegen gibt es (zu- 1464 nächst) kein Guthaben, das übertragen werden kann. Da das aber im Laufe des Moratoriums noch geschehen kann, haben die Gemeinschaftskontoinhaber, soweit sie natürliche Personen sind, in jedem Fall innerhalb des Moratoriumszeitraumes einen Anspruch auf Eröffnung von Einzelkonten. Beispiel: Schuldner S und seine Ehefrau SF unterhalten zusammen ein Oder-Gemeinschaftskonto beim Kreditinstitut K. Das Konto wird mittels einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes gegen S i. H. v. 6.800 € am 1.3. gepfändet. Der Saldo weist am Zustellungstag einen Sollstand i. H. v. 2.800 € auf. S und SF beantragen je ein P-Konto für sie zu eröffnen. K lehnt das ab mit dem Hinweis, 401
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
dass der Anspruch auf Einzelkonten nur dann besteht, wenn auch Guthaben übertragen werden kann. Richtig? Nein. Trotz des Wortlautes des § 850l Abs. 1 Satz 1, wonach Guthaben auf diesem Gemeinschaftskonto gepfändet sein muss, besteht der Anspruch auf je ein Einzelkonto bereits, wenn ein Gemeinschaftskonto gepfändet wurde. Guthaben braucht dann noch nicht entstanden zu sein. Insoweit setzt zwar das Greifen der Auszahlungssperre (natürlich) ein Guthaben voraus. Dass aber der Anspruch auf Errichtung von Einzelkonten auch dann besteht, wenn das Gemeinschaftskonto bei Zustellung des PfÜb (noch) im Soll steht, dafür spricht auch, dass in Absatz 2, in dem es um die Übertragung geht, ausdrücklich auch vorgesehen ist, dass der Schuldner von seinem Kreditinstitut verlangen kann, auch künftiges Guthaben von dem Gemeinschaftskonto auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto zu übertragen. Dazu muss aber das Zahlungseinzelkonto schon bestehen. Wird das Gemeinschaftskonto innerhalb des Moratoriums von einem Monat nach Zustellung des PfÜb kreditorisch, wird dann dieses Guthaben auf Verlangen entsprechend der Vereinbarung oder kopfteilig übertragen. Im Übrigen: Das P-Konto erst dann zu eröffnen, wenn auch ein Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto entstanden ist, könnte u. U. zeitlich problematisch werden. Auch wenn es ausreicht, nur die Umwandlung und Übertragung innerhalb des Moratoriums verlangt zuhaben, kann das trotzdem Probleme auslösen, wenn das Guthaben beispielsweise erst am letzten Tag des Moratoriums entsteht.
1465 Zwar ergibt sich der Anspruch auf Neu-Einrichtung eines P-Einzelkontos nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 850l, siehe dazu Rn. 1325, aber es ist völlig klar, dass der Gesetzgeber einen solchen im § 850l vorgesehen hat und dieser auch unbedingt besteht, um Gemeinschaftskonto-Guthaben schützen zu können. Nach dem Wortlaut des § 850l Abs. 2 Satz 1 besteht der Anspruch dann, wenn der Schuldner, der eine natürliche Person ist, mit einer anderen natürlichen oder mit einer juristischen Person oder mit einer Mehrheit von Personen ein Gemeinschaftskonto unterhält und Guthaben auf diesem Konto gepfändet wird, nicht Guthaben auch vorhanden ist. Dafür spricht auch das Wort „auch“ im Satz 2 des § 850l Abs. 1.
1466 Dass Guthaben des Gemeinschaftskontos gepfändet sein muss, bedeutet aber auch, dass dann, wenn das Guthaben des Gemeinschaftskonto nicht gepfändet ist, § 850l nicht zur Anwendung kommt. 1467 Das wäre dann der Fall, wenn das Gemeinschaftskonto explizit von der Pfändung ausgenommen wäre (was ein seltener Ausnahmefall sein dürfte) oder beispielweise nur Ansprüche des Schuldners gepfändet werden, die das Gemeinschaftskonto nicht betreffen, wie Ansprüche auf Rückgewähr von (Kredit-)Sicherheiten, der Anspruch auf Zutritt zum Bankschließfach oder Genossenschaftsanteile. 402
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
j) Zeitpunkt der Übertragung des Guthabens Verlangt ein Kontoinhaber die Übertragung des Guthabens des Gemeinschafts- 1468 kontos auf sein Einzelkonto, so stellt sich die Frage, bis wann diese Übertragung vorzunehmen ist. Hier macht das Gesetz keine strikten Vorgaben, sondern belässt der Praxis eine gewisse Flexibilität. Das drittschuldnerische Kreditinstitut wird sich aber wohl an der Vier-Tages- 1469 Frist des § 850k Abs. 2 Satz 1 zu orientieren haben. Es handelt sich meist um Guthaben, das den Lebensunterhalt des Schuldners (und ggf. des nicht-schuldnerischen Mitkontoinhabers) sichert. Insofern ist die Übertragung grds. unverzüglich durchzuführen, vgl. aber die 1470 Einzelheiten unter Rn. 1441. k) Moratorium im Rahmen des § 850l und weitere Wirkungen Um das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto zur Übertragung auf das bzw. 1471 die Einzelkonten schützen zu können, schreibt § 850l auch ein zeitliches befristetes Moratorium, eine Auszahlungssperre, vor. Es dient dazu, das Guthaben auf dem gepfändeten Gemeinschaftskonto einen Monat lang zu schützen, damit alle innerhalb dieses Monats entstehenden Guthaben auf die Einzelkonten übertragen werden können. Dort sind sie dann – soweit es den Schuldner betrifft – im Weiteren durch den P-Kontoschutz im Rahmen der individuellen Freibeträge geschützt. Das Moratorium, also die zeitliche befristete Auszahlungssperre, innerhalb 1472 derer das Kreditinstitut gehindert ist, aus dem (Übertragungs-)Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto an den Pfändungsgläubiger zu leisten oder den Betrag zu hinterlegen, gilt sowohl für das Guthaben, das sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Überweisungsbeschlusses auf dem Gemeinschaftskonto befindet als auch für künftiges Guthaben, das innerhalb dieser Monatsfrist auf dem Gemeinschaftskonto noch entsteht. Die Sperrfrist beträgt gem. § 850l Abs. 1 Satz 1 einen Monat nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses. Ebenso wie § 899 Abs. 1 Satz 2, der die Rückwirkung regelt, knüpft die Frist an die Zustellung eines Überweisungsbeschlusses, nicht eines Pfändungsbeschlusses an. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam mittels Vorpfändung gem. § 845 gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung dieser Vorpfändung 90 € Guthaben. Als am 1.4. der PfÜB zugestellt wird, will K am 2.5. die 90 € an dem Pfändungsgläubiger G überweisen. Zu Recht? Nein, denn die Monatsfrist der Auszahlungssperre beginnt für das drittschuldnerische Kreditinstitut erst mit Zustellung des Überweisungsbeschlusses am 1.4. und endet folglich erst am 1.5.2022, 24:00h. Da der letzte Tag der Frist somit ein
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Sonntag ist, ist erst der nächste Geschäftstag maßgeblich und das ist dann Montag, der 2.5.2022 24:00 h. K dürfte also frühestens am 3.5. – nach Ablauf der Monatsfrist – an G überweisen oder den Betrag hinterlegen. 1473 Das Moratorium des § 850l ist ein spezielles nur für den neuen Schutz des Gemeinschaftskontoguthabens. Ob das Moratorium des § 900 Abs. 1 Satz 1 in diesem Fall zusätzlich anzuwenden ist, ist strittig. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch Gläubiger G gepfändet. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt das als P-Konto zu eröffnen und beide beantragen, etwaige Guthaben des Gemeinschaftskontos jeweils kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. Im Laufe des März werden auf das P-Konto des S 1.500 € übertragen, davon 300 € am 30.3. Zusätzlich geht am selben Tag noch eine Gutschrift i. H. v. 2.000 € auf dem P-Einzelkonto des S ein. S hat einen Freibetrag i. H. v. 1.200 €. Am 4.4. kehrt K an G 300 € aus. S beschwert sich und meint, dass K erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die jeweilige Gutschrift folgt, also 3.5. etwas an G hätte überweisen werden dürfen Zu Recht? Wohl eher nein. Für alle Guthaben, die von Gemeinschaftskonto auf das P-Konto übertragen werden (Übertragungsguthaben), gilt nur die Moratoriumsfrist des § 850l Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1. Beginnend mit dem 1.3. läuft diese Frist – für alle Übertragungen die innerhalb des Moratoriums, also im Zeitraum 1.3. bis einschließlich 1.4.2022, übertragen wurden – mit Ablauf des 1.4. 24:00 h ab. Haben sich aus diesen Übertragungsguthaben dann auf dem P-Einzelkonto pfändbare Beträge ergeben, hier 300 €, sind diese nach Ablauf der Frist unmittelbar an den Gläubiger abzuführen oder können mit eigenen vorrangigen Forderungen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes verrechnet werden. Dass Übertragungsguthaben gem. § 850l, das auf das P-Konto übertragen wird, ist also nicht gleichzeitig eine Gutschrift i. S. d. § 900 Abs. 1 Satz 1, für das – nochmals zusätzlich – ein Moratorium gelten würde, dass erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf diese Gutschrift folgt, abgelaufen wäre (für die 300 € mit Eingang am 30.3. auf dem P-Konto wäre der Ablauf dann der 30.4.2022, so dass wegen des Wochenendes erst am 3.5.2022 abgeführt hätte werden dürfen). Denn die Übertragungsguthaben gem. § 850l sollen nur – wie grundsätzlich andere Gutschriften auch – von einem – nicht mehreren – Moratorium profitieren. Dadurch das der Gesetzgeber erstmalig Guthaben auf Gemeinschaftskonten schützen wollte, wollte er nicht zugleich eine weitere Bevorzugung dieser Guthaben bewirken, sondern nur erreichen, dass es der Pfändung entzogen werden kann, wenn es die Freibeträge nicht überschreitet. Überschreitet das Übertragungsguthaben den Freibetrag nicht, profitiert es – wie anderes Guthaben auch – von den Schutzmechanismen des § 899 Abs. 1 Satz 1 und 3. 404
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Für die Gutschrift i. H. v. 2.000 € dagegen, die nicht aus Übertragungen vom Gemeinschaftskonto im Rahmen des § 850l stammen, sondern direkt auf das P-Einzelkonto eingegangen sind, gilt das normale Moratorium des § 900 Abs. 1 Satz 1. Dieses beginnt mit Gutschrift am 30.3., endet damit kann frühestens mit Ablauf des Folgemonats April, so dass daraus pfändbares Guthaben frühestens am 3.5. an G abgeführt werden dürfte. Könnte S daher im Monat April seinen Freibetrag anheben, könnte er aus dem Guthaben i. H. v. 2.000 € ggf. noch etwa vor der Pfändung schützen, während ihm eine Anhebung des Freibetrages für April für das Übertragungsguthaben i. H. v. 300 € nichts bringt, weil es über den 1.4.2022 hinaus nicht zu retten ist. Diese Rechtsansicht ist aber sehr umstritten, denn mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG v. 7.5.2021, BGBI I, 850) wurde im § 850l Abs. 2 Satz 2 noch eine Änderung eingefügt, deren sehr weitgehende Verweisung auf „die Regelungen des Buches 8 Abschnitt 4“ auch indizieren könnte, dass der § 900 auch für das Übertragungsguthaben nochmals zur Anwendung kommt. Auch der Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.2.9 hegt die Befürchtung, dass mit der Übertragung des Kopfanteils auf ein Pfändungsschutzkonto des Schuldners, das Moratorium des § 900 Abs. 1 erneut zu laufen beginnt. Das scheint, antizipiert man die Schuldnerfreundlichkeit des Kontopfändungsschutzrechtes und der Rechtsprechung dazu, daher sogar eher wahrscheinlich, dass Vollstreckungsgerichte das in diesem Sinne auslegen. Richtig scheint es dem Autor nicht (ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.2.9.). Das Übertragungsguthaben würde ansonsten von zwei Auszahlungssperren profitieren. Es wird abzuwarten bleiben, was die Rechtsprechung dazu sagt.
Konsequenterweise bedeutet das dann auch, dass auch ein Vollstreckungsge- 1474 richt auf Antrag des Gläubigers keine abweichende Anordnung, also eine Verkürzung des Moratoriums festsetzen darf, weil das voraussetzt, dass es sich um ein Moratorium nach § 900 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 handeln würde, siehe § 900 Abs. 1 Satz 2, was hier aber nicht zutrifft, weil es eben das Moratorium des § 850l Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 handelt. Das würde selbst dann gelten, wenn für den Gläubiger eine unzumutbare Härte entstünde. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass ein Vollstreckungsgericht in diesem Fall eine analoge Anwendung von § 900 zu Grunde legt und die Frist trotzdem bedarfsweise verkürzt. Auch das wird abzuwarten bleiben. Auch nicht ausgeschlossen ist, dass Vollstreckungsgerichte sich des § 765a bedienen (müssen), wenn der Schuldner eine Kontonummer-Änderung veranlasst hat, aber der Zahlungspflichtige nicht binnen eines Monats in der Lage ist, diese Änderungen zu verarbeiten und Gutschriften weiter auf das Gemeinschaftskonto überweist, vgl. Rn. 1594 zu Hinweisen des Bundesverwaltungsamtes.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1475 Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass mit der neuen Regelung des § 850l nur ein Schutz für vormals nicht schützbares Guthaben auf Gemeinschaftskonten geschaffen werden sollte. In diesem Gesamtkontext müssen Auslegungsfragen gelöst werden; es war daher grundsätzlich weder eine Bevorteilung, noch eine Benachteiligung gegenüber dem Inhaber eines schon bestehenden P-Kontos vorgesehen, sondern nur der erstmals mögliche Schutz des Gemeinschaftskontoguthabens. Das erfordert auch, dass die Phase, bis dieses Guthaben in den Regelschutzmechanismus des P-Einzelkontos übergeht, sich an der Schutzfrist für die Umwandlung eines Zahlungskontos in ein P-Einzelkonto orientiert. Daher gibt es ein lex specialis-Moratorium im § 850l, das nur für das Übertragungsguthaben gilt, um den Gemeinschaftskontoinhabern einen Monat zu gestatten, innerhalb dessen sie alles regeln müssen, inklusive der Information der Zahlungsleister, wie dem Arbeitgeber oder den Sozialleistungsträgern, künftig nicht mehr auf diese Gemeinschaftskonto zu überweisen. Mehr Zeit hat ein Zahlungs-Einzelkontoinhaber für die Umwandlung in ein P-Konto auch nicht. 1476 Die Frage, ob der nicht-schuldnerische Mitkontoinhaber – bei der Nur-Pfändung. also wenn nicht gleichzeitig auch ein Überweisungsbeschluss vorliegt – während der Moratoriumsphase weiterhin über das Guthaben des Gemeinschaftskontos verfügen darf, ist im Rahmen des § 850l umstritten. Dagegen spricht, dass dann der § 850l im Grunde keine praktische Bedeutung mehr hätte, quasi ausgehöhlt werden könnte. Der Wortlaut gibt das zwar nicht her, aber des Ablaufes der Frist im Rahmen des § 850l bedürfte es nicht, wenn GemeinschaftskontoGuthaben auch so der Pfändung entzogen werden könnte; ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.10.
1477 Allerdings muss man berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit dem Übertragungsverfahren nur einen zusätzlichen Schutz implementieren wollte, wenn es – wie beim Regelfall des Eingangs eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – keine Möglichkeit mehr gibt, das Guthaben der Pfändung zu entziehen, dann auch nicht für den nicht-schuldnerischen Mitkontoinhaber. So auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 2.1.6, der zu Recht beschreibt, dass dies in der Vergangenheit insbesondere gegenüber dem Nichtpfändungsschuldner als ungerecht angesehen wurde, da er dem Gläubiger nichts schuldete und oftmals mindestens den gleichen Beitrag zum Gemeinschaftskontoguthaben leistete.
1478 Insofern dürfte sich nach Auffassung des Autors kein Unterschied zu der Situation ergeben, dass bei einer Nur-Pfändung noch über das Guthaben des Gemeinschaftskonto verfügt werden kann, vgl. Rn. 653. Dass ein Gläubiger nur eine Pfändung ausbringt oder ausbringen kann, nicht aber auch eine Überweisungs- bzw. Einziehungsverfügung, birgt eben für ihn bei einem OderGemeinschaftskonto Risiken, die sich auch nach Geltung und Einführung des § 850l realisieren können. Denn bei Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat § 850l seine Daseinsberechtigung durchaus. 406
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten Aus dem Wortlaut des § 850k Abs. 1 Satz 1 dagegen „wird Guthaben auf diesem Konto gepfändet“, ist nicht herzuleiten, dass nur die Pfändung, ohne Einziehung/Überweisung, ausreichen sollte, da hier zunächst einmal nur das Verhältnis Schuldner/Gläubiger betroffen und nur die Auszahlungssperre für das Guthaben geregelt ist, das das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht vor Ablauf abführen darf. Dass möglicherweise die Auszahlungssperre, die sich eigentlich nur an das drittschuldnerische Kreditinstitut richtet, auch die Mitkontoinhaber vor einem Zugriff schützt, vgl. Rn. 1409, widerspricht dem nicht. Zwar sollen ab Eingang des PfÜB/PfEV alle nichtschuldnerischen Gemeinschafts-Mitkontoinhaber ihren kopfteiligen (fiktiven) Zugriff auf ihre anteiligen Guthabenbeträge geschützt sehen, um sie auf die Einzelkonten übertragen lassen zu können, aber das kann dann nicht gelten, wenn nur eine Pfändung, aber keine Überweisung/Einziehung vorliegt.
Aber auch bei diesem Zweifelsfall wird man abwarten müssen, wie die Rechtsprechung dies sieht. l) Fortsetzung der Pfändungswirkungen Die Wirkungen von Pfändung und Überweisung von Guthaben auf dem Ge- 1479 meinschaftskonto setzen sich an dem auf dieses P-Einzelkonto des Schuldners übertragenen Guthaben fort, § 850l Abs. 4. Gem. § 850l Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz entspricht der Pfändungsschutz 1480 für auf dieses P-Einzelkonto übertragenes Guthaben dann den Regelungen des § 899 Abs. 1 Satz 1 und 3. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Oder-Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 1.3.2022 wirksam per Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gepfändet. Auf dem Konto stehen bei Zustellung der Pfändung 2.800 € Guthaben. S und SF beantragen, für sie je ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt das als P-Konto zu eröffnen und beide beantragen das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. S hat einen Freibetrag i. H. v. 1.300 €. Wie kann er darüber verfügen? S kann im März über 1.300 € aus dem übertragenen Guthaben i. H. v. 1.400 € verfügen. Eine Rückwirkung kommt nicht in Betracht, weil der Verweis auf § 899 Abs. 1 nicht für Satz 2 gilt, in dem die Rückwirkung geregelt ist. Da auf das Konto aber ja frühestens im März Guthaben vom Gemeinschaftskonto übertragen werden und damit entstehen kann, ist eine Rückwirkung auch nicht notwendig. Der Verweis auf § 899 Abs. 1 Satz 3 stellt klar, dass dieses unpfändbare Guthaben ebenfalls Teil des geschützten Betrages ist.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1481 Bei der Konstellation, bei der der Schuldner sowohl Inhaber eines Gemeinschaftskontos als auch eines Einzel-Zahlungskontos ist, bedarf es zum Schutz des Übertragungsguthaben separater Normen. Beispiel: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF und das Einzelkonto des S werden am 1.3.2022 wirksam per PfÜB gepfändet. Auf dem Gemeinschaftskonto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.000 € Guthaben, auf dem Einzelkonto 500 € Guthaben. SF beantragt, für sie ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt sein bestehendes Einzelkonto in ein P-Konto umzuwandeln und beide beantragen das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. Zunächst sind beide Konten des S von der Pfändung erfasst. Das Guthaben des S i. H. v. 500 € vom Gemeinschaftskonto wird auf sein P-Konto übertragen („Übertragungsguthaben“). Dieses muss und kann nur bis zum 1.4.2022, 24:00 h geschehen. Mit Umwandlung des Einzel-Zahlungskontos in ein P-Konto wird das dort bei Zustellung der Pfändung schon befindliche Guthaben i. H. v. 500 € ganz „normal“ durch die §§ 899 ff. geschützt. Das gilt auch für künftige Guthaben auf dem P-Konto, die durch direkte Gutschriften auf dem P-Konto entstehen. Für das Übertragungsguthaben i. H. v. 500 €, bei dem es sich ja nicht um ein „auf dem P-Konto des Schuldners“ gepfändetes Guthaben nach § 899 Abs. 1 Satz 1, sondern um ein auf dem Gemeinschaftskonto gepfändetes Guthaben handelt, braucht es dagegen einen entsprechend normierten Schutz. Diesen enthält die Vorschrift des § 850l Abs. 2 Satz 2. Darin wird geregelt, dass für das gepfändete Übertragungsguthaben des Gemeinschaftskontos, das auf dem P-Konto (ggf. weiteres) Guthaben entstehen lässt, § 899 Abs. 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden sind. Erst dadurch ist auch das Übertragungsguthaben auf dem P-Konto geschützt. Ebenso Knees, WM 201, 664, 669.
1482 Die Wirkungen von Pfändung und Überweisung von Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto setzen sich an dem auf dieses Einzelkonto des NichtSchuldners übertragenen Guthaben allerdings nicht fort; das stellt § 850l Abs. 4 Halbs. 2 klar, so dass Nicht-Schuldner unmittelbar nach Übertragung des Guthabens darüber frei verfügen können. Diese Regelung wurde erst durch den Rechtsausschuss ganz am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt, vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 31 „zu Absatz 4“.
1483 Auf dem Gemeinschaftskonto werden nach Zustellung des PfÜB vorhandene wie auch künftige Kontoguthaben von der Pfändungswirkung erfasst, § 833a. 1484 Errichtet der Kontoinhaber dann im Rahmen des § 850l ein neues P-Einzelkonto, also ein „künftiges“ Konto, so ist unbestritten, dass jedenfalls das Übertragungsguthaben ebenfalls von der Pfändungswirkung erfasst wird. Ebenso Knees, a. a. O.
408
2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Strittig scheint aber zu sein, ob das auch zukünftige Guthaben auf dem neu 1485 errichteten P-Konto von der Pfändung erfasst wird, weil es ja bei Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses noch gar nicht bestand. Knees, a. a. O., will das nur annehmen, für den Fall, dass künftige Konten ausdrücklichen mitgepfändet wurden,
Der Autor ist hier anderer Ansicht. Ein künftiges Konto kann nur unter sehr 1486 engen Voraussetzungen überhaupt bestimmt genug gepfändet werden. Vgl. Rn. 465; Knees (a. a. O.) sieht diese allerdings bei einem im Rahmen des § 850l zu errichtenden P-Einzelkontos als erfüllt an, da die Einrichtung des Einzel-Zahlungskontos seine Ursache in der Pfändung des Guthabens des Gemeinschaftskontos hat.
In Fall des im Rahmen des § 850l neu errichteten P-Einzel-Kontos erstreckt 1487 sich allerdings die Pfändung auch ohne ausdrückliche Erwähnung im PfÜB auf dessen (künftiges) Kontoguthaben, das auf ihm erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entsteht. Ebenso Binner, InsbürO 2020, 275, 277.
Denn dieses im Rahmen des § 850l neu errichtete P-Konto ist lediglich ein 1488 technisch und rechtlich bedingtes „Fortsetzungsvermögen“ des Gemeinschaftskontos. Denn es muss nur errichtet werden, da Pfändungsschutz ein individuelles, sich nach der Bemessung der persönlichen Umstände des betroffenen Schuldners richtendes Recht ist, das auf Gemeinschaftskonten technisch und rechtlich nicht direkt gewährt werden kann. Nur deshalb musste und ist der Gesetzgeber den „Umweg“ über die Errichtung eines P-Einzelkontos gegangen. Insofern ist das neu zu errichtende P-Einzelkonto verstrickungstechnisch kein zukünftiges Konto, das mitgepfändet werden muss und kann, sondern ein sozusagen von der Ursprungspfändung bezüglich des Gemeinschaftskontos miterfasstes „Fortsetzungsvermögen“, das automatisch miterfasst ist. Dagegen spricht nicht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die Fortwirkung für das Übertragungsguthaben angeordnet hat oder glaubte anordnen zu müssen; denn wie beim Nicht-Schuldner auch, ging es darum, zu regeln, ob die Fortwirkung bezogen auf das Übertragungsguthaben wirkt oder nicht, nicht aber darum, welchen Umfang die Fortwirkung, wenn sie denn wie geschehen geregelt ist, erreicht. Nicht thematisiert und damit offen gelassen bei Giers, FamRZ 2021, 1098.
Für diesen gesetzgeberischen Willen spricht aus Sicht des Autors auch die 1489 Gesetzesbegründung zum Diskussionsentwurf. Dort hat der Gesetzgeber Ausführungen gemacht, die nach Ansicht des Autors eindeutig darauf hindeuten, dass das P-Einzelkonto des Schuldners – nicht aber das des NichtSchuldners – von der Pfändung des Gemeinschaftskonto ebenfalls weiter erfasst bleibt, also auch künftige Guthaben erfasst. So heißt es dort: „Dagegen stehen
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
künftige Zahlungseingänge auf dem Einzelkonto des Nichtschuldners diesem unbeschränkt zur Verfügung, weil diese nicht von der Kontopfändung erfasst sind.“ Vgl. Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 35 (dort war der § 850l noch der Abs. 3 des § 850k-E): Das Argument, dass die Gesetzesbegründungen im DiskE nur für den dann nicht zum Gesetz gewordenen DiskE Geltung haben, trifft hier nicht zu. Der Gesetzgeber hat sich die Begründungen des DiskE für die endgültigen Gesetzesentwurf nach Ansicht des Autors an dieser Stelle zu eigen gemacht.
1490 Im Umkehrschluss bedeutet das aber, das künftige Guthaben auf dem Konto des Vollstreckungsschuldners von der Pfändung weiter erfasst bleiben sollten. Praxistipp: Im Hinblick darauf, dass dies aber (noch) umstritten ist, wird Pfändungsgläubigern bis zu einer gerichtlichen Klärung sicherheitshalber trotzdem empfohlen, die Pfändung auch auf Zahlung der zu Gunsten des Schuldners bestehenden Guthaben aus seinem künftigen im Rahmen des § 850l ZPO zu errichtenden P-Einzelkonto ausdrücklich mitzupfänden Den drittschuldnerischen Kreditinstituten wird bis zu dieser Klärung empfohlen, die Pfändung dieser künftigen P-Einzel-Konten – auch dann, wenn der Zusatz im Rahmen des § 850l ZPO zu errichtenden P-Einzelkonto nicht ausdrücklich erwähnt sein sollte – ausnahmsweise und nur für diesen Fall anzuerkennen, weil es sich hier nach dem Verständnis des Autors eben nicht um die unbestimmte und damit grundsätzlich abzulehnende Pfändung von „künftigen“ Konten handelt. Auch wenn der Zusatz künftigen im Rahmen des § 850l ZPO zu errichtenden P-Einzelkonto im PfÜb fehlt, kann bei der Erfassung eines Gemeinschaftskonto von der Kontopfändung insoweit unterstellt werden, dass damit das im Rahmen des § 850l ZPO zu errichtenden P-Einzelkonto mit von der Pfändung erfasst ist; die umfassende, unbestimmte generelle Pfändung künftiger Konten sollte in der Drittschuldnererklärung aber weiterhin abgelehnt werden, vgl. Rn. 465 ff.
m) Kontoführungsentgelte im Rahmen des § 850l 1491 Mit dem Verlangen nach Einzelkonten zur Übertragung von Guthaben, kann das drittschuldnerische Kreditinstitut für diese neuen Einzelkonten das institutsübliche Kontoführungsentgelt für diese Kontoart verlangen. Die Gemeinschaftskontoinhaber erhalten ja ein neues vollständig nutzbares Zahlungsverkehrskonto. Diese zusätzliche Belastung kann dadurch wieder abgemildert werden, dass die Gemeinschaftskontoinhaber zumindest das Gemeinschaftskonto auflösen/kündigen. Das macht für die Gemeinschaftskontoinhaber auch deshalb in der Regel Sinn, weil so vermeiden wird, dass ungewollt nach Ablauf des Moratoriums noch Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto eingeht. Auch das drittschuldnerische Kreditinstitut wird an der Schließung des Gemeinschaftskontos Interesse haben, da es sonst ggf. weiterhin entstehende Guthaben nach Ablauf des Moratoriums an den Gläubiger abführen muss.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
n) Übergangsrecht Die neuen Regelungen des § 850l sind erst seit Inkrafttreten am 1.12.2021 1492 anwendbar. Trotzdem stellt sich die Frage, ob seit 1.12.2021 § 850l auch anwendbar ist, wenn die Pfändung des gemeinschaftlichen Zahlungskontos bereits davor ausgebracht und zugestellt wurde. Beispiel 1: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 30.11.2021 wirksam per PfÜB gepfändet. Auf dem Gemeinschaftskonto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.000 € Guthaben. SF beantragt am 1.12.2021, für sie ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt am selben Tag sein bestehendes Einzelkonto in ein P-Konto umzuwandeln und beide beantragen ebenfalls am 1.12.2021 das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. Muss K dem entsprechen? Das ist nicht klar, da für solche Übergangsszenarien keine expliziten Regelungen geschaffen wurden. Nach dem Wortlaut des § 850l Abs. 1 Satz 1, der davon spricht, dass das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto gepfändet wird, nicht ist, wäre eine Anwendung ausgeschlossen, weil die Pfändung schon vor Inkrafttreten ausgebracht und K zugestellt war und nicht erst unter der Geltung des neuen Rechts gepfändet wurde. Auch das Moratorium nach § 850l Abs. 1 und die Frist des § 850l Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie für SF nach Abs. 3 wären dann nicht anwendbar, weil die Fristen so am 30.11.2021 gesetzlich noch nicht in Kraft getreten und damit anwendbar sind. Daher dürften die besseren Gründe dafür sprechen, dass für die Anwendung 1493 des neuen § 850l alle Voraussetzungen auch bereits unter Geltung des neuen § 850l eingetreten bzw. vorliegen müssen. Dafür spricht auch, dass der BGH die Anwendbarkeit neuer Prozessgesetze 1494 auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nur dann zulässt, soweit es nicht um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht oder sich aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts etwas Abweichendes ergibt. BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 64/06, NJW 2007, 519 m. w. N.
Das ist aber im Beispielsfall der Fall, weil die Kontopfändung mit Zustellung abgeschlossen war. In einer anderen Entscheidung,
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BGH, Beschl. v. 28.7.2011 í VII ZB 92/10, NZI 2011, 717,
hat der BGH für den Fall, dass das Änderungsgesetz keine Überleitungsvorschriften enthält, eine Anwendung nur dann zugelassen, wenn sich aus den Gesetzesmaterialien mit hinreichender Klarheit entnehmen lässt, dass der 411
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Gesetzgeber die Neuregelung auch auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte angewendet wissen wollte. 1496 Das ist aber beim PKoFoG nicht der Fall; man könnte schon darüber streiten, ob es ein Fortentwicklungsgesetz angesichts der völligen Neustrukturierung und der Schaffung ganz neuer Vorschriften, wie dem § 850l, noch ein „Änderungsgesetz“ ist, aber selbst wenn man dies verträte, dürfte es – nach den bisherigen Maßgaben des BGH – daran scheitern, dass es – jedenfalls bezüglich § 850l als völlig neuer Vorschrift – nach dem Willen des Gesetzgebers nicht lediglich der Klarstellung der bisherigen bestehenden Rechtslage diente. § 850l ist insoweit eine neue Regelung, die nichts klarstellt, sondern es erstmals ermöglicht, gepfändetes Guthaben auf gemeinschaftlichen Zahlungskonten der Kontopfändung (teilweise) zu entziehen. Zwar soll durch die Änderungen der Regelungen zum Pfändungsschutzkonto sichergestellt werden, dass es nicht zur Auskehrung von – nach neuer Rechtslage – nicht pfändbaren Beträgen kommt, die dem Gemeinschaftskonto des Schuldners gutgeschrieben werden und die als Existenzminimum für den Lebensunterhalt bestimmt sind, aber im Gegensatz zur damaligen Entscheidung des BGH ist jedenfalls bezogen auch § 850l dies keine klarstellende Änderung mehr, sondern eine erst seit 1.12.2021 geltende neue Vorschrift, die eine ganz neue Möglichkeit schafft, Guthaben vor der Pfändung zu schützen. Der Autor kann sich aber vorstellen, dass der BGH in einer Fortentwicklung seiner Rechtsprechung den obigen Fall im Sinne einer schuldnerfreundlichen Auslegung zu Gunsten der Anwendbarkeit des § 850l lösen wird. Angesichts der langen Frist von der Verkündung des Gesetzes im Nov. 2020 bis zum Inkrafttreten des PKoFoG am 1.12.2021, dürfte auch der allgemeine rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes der Einräumung eines Vollstreckungsschutzes über den neuen § 850l nicht entgegenstehen. Denn Gläubiger dürften kein Vertrauen mehr darauf entwickeln, dass sie auf Grund des Kontopfändungsschutzrechtes auch nach dem 1.12.2021 noch in die Lage versetzt werden sollten, dem Schuldner Beträge von einem Gemeinschaftskonto als Lebensgrundlage zu entziehen. Das ergibt sich ohne Weiteres aus dem vom Gesetzgeber mit dem PKoFoG weiterentwickelten und schon mit der Reform 2010 verfolgten Zweck.
1497 Bis zu einer Entscheidung des BGH, ist es daher nicht ausgeschlossen, dass Vollstreckungsgerichte dem Schuldner und Nicht-Schuldner im obigen Beispiels- und ähnlichen Fällen – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – möglicherweise Vollstreckungsschutz über § 765a gewähren. Über die Fortentwicklung der Rechtsprechung, die der BGH finden wird, kann nur spekuliert werden: Man könnte das PKoFoG als „Gesamt-Klarstellung“ der bisherigen Regelungen auslegen und dann zu einer Anwendung kommen; möglich aber könnte auch sein, dass der BGH eng bezogen auf den neuen § 850l eine restriktive Auslegung wählt.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Zu differenzieren wäre im obigen Beispielsfall allerdings nach Auffassung des 1498 Autors dann, wenn künftiges Guthaben auf einem vor dem 1.12.2021 gepfändeten Gemeinschaftskonto nach dem 1.12.2021 entsteht. Beispiel 2 (Variante): Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF wird am 30.11.2021 wirksam per PfÜB gepfändet. Auf dem Gemeinschaftskonto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.000 € Guthaben. SF beantragt am 1.12.2021, für sie ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt am selben Tag sein bestehendes Einzelkonto in ein P-Konto umzuwandeln und beide beantragen ebenfalls am 1.12.2021 das Guthaben des Gemeinschaftskontos kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. Am 2.12. gehen nochmals 500 € auf das Gemeinschaftskonto ein, so dass der Guthaben stand nun 1.500 € beträgt. Muss K dem entsprechen, ggf. nur für das zukünftige Guthaben i. H. v. 500 €? Hier würde man bezüglich der 500 € S und SF den Schutz des § 850l zukommen lassen müssen. Denn bei der Pfändung künftiger Forderungen entsteht das Pfändungspfandrecht nicht bereits mit der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner, sondern erst mit der (späteren) Entstehung der Forderung. Das Pfändungspfandrecht als Sicherung ist daher erst dann erlangt, wenn die Forderung entsteht (vgl. dazu Rn. 2506), hier am 2.12.2021. Damit liegen alle Voraussetzungen zur Anwendung des neuen § 850l am 2.12. vor, da auch die Anwendungsvoraussetzung „dass das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto gepfändet wird“ erfüllt ist. Kommt man in den obigen Beispielsfällen zur Anwendung der Vorschriften, 1499 dann stellen sich allerdings auch Folgefragen. Beispielsweise ist dann auch unklar, wann die in § 850l normierten Fristen zu laufen beginnen. Im Beispielsfall 1 könnte der Beginn der Moratoriumsfrist dann ebenfalls der 1500 Zeitpunkt der Zustellung am 30.11.2021 sein. Dann hätten Schuldner und Nichtschuldner Zeit bis zum Ablauf des 30.12.2021 Zeit, um die Einrichtung/ Umwandlung von (P-)Einzel-Konten und die Übertragung zu verlangen. Das würde auch für den zweiten Beispielsfall gelten, so dass künftiges, schützbares Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto nur noch bis max. 30.12.2021, 24:00 h entstehen könnte. Da Schuldner und Nicht-Schuldner aber auch die Übertragung innerhalb dieser Frist verlangt haben müssten, ist das noch zu berücksichtigen.
Dagegen spräche nur, dass der Beginn der Monatsfrist in einem Monat beginnen würde (November 2021), zu dem die Frist rechtlich noch gar nicht existierte. Fraglich ist daher ob es dann vertretbar und begründbar ist, die Fristenlauf 1501 erst generell am 1.12.2021, also mit Beginn des Inkrafttretens des PKoFoG beginnen zu lassen. 413
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Beispiel 3: Das bei Kreditinstitut K unterhaltene Gemeinschaftskonto von Schuldner S und seiner nicht-schuldnerischen Ehefrau SF und das Einzelkonto des S werden am 29.10.2021 wirksam per Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gepfändet. Auf dem Gemeinschaftskonto stehen bei Zustellung der Pfändung 1.000 € Guthaben. SF beantragt am 1.12.2021, für sie ein Einzelkonto zu eröffnen, S beantragt am selben Tag sein bestehendes Einzelkonto in ein P-Konto umzuwandeln und beide beantragen ebenfalls am 1.12.2021 das Guthaben des Gemeinschaftskontos, das sich noch auf dem Konto befindet, kopfteilig auf die jeweiligen Einzelkonten zu übertragen. Muss K dem entsprechen? Das wäre umstritten. Selbst wenn man davon ausginge, dass § 850l überhaupt auf diesen Sachverhalt anwendbar wäre (siehe Beispiel 1), wären die – eigentlich noch nicht anwendbaren – Monatsfristen des § 850l eigentlich verstrichen. Eine Auslegung des Gesetzes nach dem Prinzip der Meistbegünstigung, also einer Verpflichtung des kontoführenden Kreditinstitutes, die jeweils günstigsten Aspekte verschiedener Gesetzeslagen für den Schuldner und Nicht-Schuldner zu kombinieren, gibt es nicht und sie wäre auch nicht vertretbar. Der Gesetzgeber hat selbst im Fall der eindeutigen Anwendung des § 850l Schuldner und Nicht-Schuldner nur einen Monat Zeit gegeben, um Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto zu schützen. Dieser zeitlich begrenzt mögliche Schutz, kann dann nicht im Rahmen einer Übergangsrechtslage zu Gunsten des Schuldners und Nicht-Schuldners überdehnt werden. 1502 Ein weiteres Übergangsproblem kann entstehen, wenn Guthaben nach der alten Rechtlage übertragen würde in den Dezember. Das können Guthaben sein, die im November 2021 nicht verbraucht wurden und in den Dezember – wenn die neue Rechtlage gilt – übertragen werden. Es kann sich aber auch um Guthaben handeln, das bereits im Laufe des Monats September auf dem Konto eingegangen/entstanden ist und für den Oktober bestimmt ist (Monatsendproblem), über den der P-Kontoinhaber aber im September z. B. wegen seines im September schon ausgeschöpften Freibetrages nicht mehr verfügen konnte und dessen Übertragung der BGH im Rahmen des §§ 835 Abs. 4 i. V. m. 850k Abs. 2 Satz 2 a. F. auch noch in den übernächsten Monat (hier November) zugelassen hatte, BGH, Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158.
Beispiel 4: S überträgt nicht verbrauchtes Guthaben i. H. v. 100 €, das er im November 2021 nicht verbraucht hat, in den Dezember 2021. Ab 1.12.201 gilt nun § 899, der in Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass nicht verbrauchtes Guthaben in den drei nachfolgenden Kalendermonaten (zusätzlich zu dem nach § 899 Abs. 1 geschützten Guthaben) nicht von der Pfändung erfasst ist, während der bis 30.11.2021 geltende § 850k Abs. 1 Satz 3 a. F. das Guthaben nur einen Monat schützte.
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2. Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten
Die Frage ist nun, wie lange diese 100 € von der Pfändung in dieser Übergangsphase geschützt werden. Zum übertragenen Guthaben wird das Guthaben erst „mit Ablauf“ des November 2021, denn bis 30.11.2021, 24:00 h könnte es noch verfügt werden. Erst am 1.12. ist es daher „übertragenes Guthaben“, dann auch schon i. S. d. § 899 Abs. 2 Satz 1. Somit kann dieses Guthaben auch nun drei Monate übertragen werden, wobei der Dezember dann der erste Übertragungsmonat wäre. Das würde auch für nach der Rechtsprechung des BGH Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158 im Rahmen des §§ 835 Abs. 4 i. V. m. 850k Abs. 2 Satz 2 a. F. übertragenes Guthaben gelten.
Hier – aus dispositions- und/oder softwareprogrammiertechnischer Vereinfachung – davon auszugehen, dass mit dem 1.12.2021 quasi alles „auf null gestellt“ wird, geben weder das PKoFoG, noch die allgemeinen Übergangsregelungen her. Geschützt wäre das Guthaben daher vor der Pfändung bis einschließlich 28.2.2022, 24:00 h. Ist es bis dahin nicht verbraucht, kann es vom drittschuldnerischen Kreditinstitut mit eigenen vorrangigen Forderungen verrechnet oder muss an den Pfändungsgläubiger abgeführt werden. Diese – einmalige – Besserstellung gegenüber dem Kontoinhaber, bei dem sich eine identische Situation nur einen Monat vorher ergibt (Ausdehnung des Übertragungszeitraums um zwei Monate), ist hinzunehmen. Der Gesetzgeber wollte diesen Schutz ab 1.12.2021 ausdehnen.
Variante: S überträgt nicht verbrauchtes Guthaben i. H. v. 100 €, das er im Oktober 2021 nicht verbraucht hat, in den November 2021. Ende November hat er es nicht verbraucht, so dass sein Kreditinstitut K das Guthaben am 1.12.2021 an den Pfändungsgläubiger abführen will. Zu Recht? Ja. Zum „der Pfändung unterliegenden Guthaben“ wird das Guthaben auch erst „mit Ablauf“ des November 2021, denn bis 30.11.2021, 24:00 h könnte es noch verfügt werden. Erst am 1.12.21, 0:00 h ist es zwar daher „der Pfändung unterliegendes Guthaben“, aber im Gegensatz zum obigen Fall führt dann der neue Rechtsstand nicht dazu, dass es Guthaben, dass am 1.12. schon dem Schutz entzogen worden war (mit „Ablauf des Novembers“), erneut bzw. weitergehend geschützt werden kann. Hier bildet also der 30.11. eine echte Zäsur. Das würde auch für nach der Rechtsprechung des BGH, Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158 im Rahmen des §§ 835 Abs. 4 i. V. m. 850k Abs. 2 Satz 2 a. F. übertragenes Guthaben gelten.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Praxistipp: Sollte im Rahmen dieser Übergangsphase drittschuldnerische Kreditinstitut Zweifel haben oder davon ausgehen, dass Vollstreckungsgerichte das ggf. (trotzdem) anders beurteilen könnten, wäre eine Möglichkeit sich der Problematik zu entziehen, Guthaben weder auf die Einzelkonten von Schuldner/NichtSchuldner zu übertragen noch an den Gläubiger auszukehren (oder nach AGBPfandrecht mit eigenen Forderungen zu verrechnen), sondern solche Guthaben zu hinterlegen. Vorsicht: Bei einer außergerichtlichen Einigung der Beteiligten über das Guthaben sollten drittschuldnerische Kreditinstitute darauf bestehen, dass alle Pfändungsgläubiger und auch alle Gemeinschaftskontoinhaber einer solchen Einigung zustimmen.
3. Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900 1503 § 900 entspricht grundsätzlich den Regelungen in den bisherigen §§ 835 Abs. 4, 850k Abs. 1 Satz 2 a. F. und sieht als Moratorium eine befristete Auszahlungssperre für künftiges Guthaben auf einem P-Konto vor. § 835 Abs. 4 a. F. wurde – da grundsätzlich sämtliche Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nun im 8. Buch unter Abschnitt 4, in den §§ 899 ff. geregelt wurden – nunmehr in § 900 Abs. 1 übertragen. 1504 Erhält der Schuldner daher Gutschriften, die künftiges Guthaben auf seinen P-Konto entstehen lassen, dann regelt § 900 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 im Verhältnis von Drittschuldner und Gläubiger, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut erst dann an den Gläubiger pfändbares Guthaben auskehren kann, wenn der Monat nach dem Zahlungseingangs-Monat abgelaufen ist. Beispiel: Schuldner S unterhält ein durch Gläubiger G im Feb 2022 gepfändetes P-Konto bei Kreditinstitut K. Am 29.4.2022 erhält K, dessen Grundfreibetrag i. H. v. 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet = 1.260,00 € für den Monat April bereits ausgeschöpft ist und dessen P-Konto zu diesem Zeitpunkt auf null steht, sein Arbeitsentgelt i. H. v. 1.500 € für Mai 2022. Der April ist somit der Zahlungseingangsmonat. Obwohl das Guthaben i. H. v. 1.500 € damit im April vollständig der Pfändung unterliegt und von S im April nicht mehr verfügt werden kann, ist K durch § 900 Abs. 1 Satz 1 trotzdem gehindert, dieses Guthaben an G auszukehren. Dies dürfte K erst mit Ablauf des Monats Mai, also erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die jeweilige Gutschrift folgt, tun, mithin frühestens am 1.6.2022. 1505 Mit dem zweiten Teilsatz des Satzes 1 „eine Verlängerung des in § 899 Abs. 2 bezeichneten Zeitraums erfolgt dadurch nicht.“ nimmt der Gesetzgeber Bezug auf die bisherige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14 sowie das BGH, Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17,
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3. Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900
und macht klar, dass diese mit der neuen Regelung ihre Bedeutung verlieren wird. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 36. In der Begründung zum RefE hat der Gesetzgeber dazu noch ergänzend ausgeführt, dass im Hinblick auf die (mit Blick auf den derzeitigen Rechtszustand großzügigere) Übertragung in § 899 Abs. 2 auf die nachfolgenden drei Kalendermonate, dieser in der Rechtsprechung angesprochenen Problematik angemessen begegnet werde, vgl. Referentenentwurf des BMJV v. 15.10.2019, S. 49.
Diese klarstellende Regelung soll deutlich machen, dass in § 900 Abs. 1 Satz 1 1506 erster Teilsatz normierte Auszahlungssperre keine Verlängerung mehr des in § 899 Abs. 2 benannten Übertragungszeitraums (von drei Kalendermonaten) bedeutet. In der obigen Rechtsprechung war die Übertragungszeitraum von einem Monat um einen weiteren Monat verlängert worden, was auch die Transparenz nicht besser machte und die Disposition erheblich erschwerte. Die seinerzeit aufwändige IT-Umprogrammierung, noch dazu in kürzester Zeit, kann nun diesbezüglich wieder rückgängig gemacht werden! Einmal mehr ein Beispiel, wie ignorant – oder schlimmer noch, unwissend – der Gesetzgeber mit den Ressourcen der Wirtschaft umgeht.
Beispiel: Schuldner S unterhält ein durch Gläubiger G im Feb 2022 gepfändetes P-Konto bei Kreditinstitut K. Am 29.4.2022 erhält K, dessen Freibetrag i. H. v. 1.300 € für den Monat April bereits ausgeschöpft ist und dessen P-Konto zu diesem Zeitpunkt auf null steht, sein Arbeitsentgelt i. H. v. 1.500 € für Mai 2022. Der April ist somit der Zahlungseingangsmonat. Einerseits gilt dafür die Auszahlungssperre des § 900 Abs. 1 bis zum Ablauf des 31.5.2022 24:00 h, siehe obige Ausführungen. Die Frist des § 899 Abs. 2 Satz 1 dagegen, die nicht das Verhältnis von Drittschuldner und Gläubiger, sondern von Schuldner und Drittschuldner betrifft, endet erst mit Ablauf des dritten Monats, der auf den Monat der Gutschrift (hier April) folgt. Die 200 € Differenz zwischen Freibetrag und Guthaben aus dem Zahlungseingang i. H. v. 1.500 € vom 29.4.2022 darf K also erst am 1.6. an G abführen. Verbraucht S nun im Mai von den 1.300 €, eingegangen im April, nur 1.100 € und überträgt er diese 200 € in die Folgemonate, wird die Übertragungsfrist des § 899 Abs. 2 Satz 1 nicht deshalb um einen Monat verlängert, weil S über das Guthaben erst im Mai verfügen kann. Dieses nicht verbrauchte Guthaben i. H. v. 200 € kann S deshalb auch nur 3 Monate lang übertragen, ohne es zu verlieren, aber ausgehend vom April – dem Gutschriftsmonat – plus drei Monate, nicht vom Mai – dem Monat für den der Zahlungseingang vom 29.4.2022 eigentlich bestimmt ist – plus drei Monate. S muss das nicht verbrauchte Guthaben i. H. v. 200 € also spätestens vor Ablauf des Juli 2022 verbraucht haben.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1507 Aus Sicht mindestens der Kreditwirtschaft ist die Klarstellung, dass die Auszahlungssperre nicht (mehr) den Übertragungszeitraum verlängert, zu begrüßen, ist es doch einige der wenigen Regelungen, die die Kompliziertheit der Disposition des P-Kontos wenigstens ein bisschen zurücknimmt. 1508 Komplizierter wird die Disposition durch die Verlängerung auf 3 Monate natürlich trotzdem und noch unübersichtlicher; die Chance einer wirklichen Vereinfachung hat der Gesetzgeber – trotz entsprechender Hinweise und konstruktiver Vorschläge – mit der zweiten großen Reform des PKoFoG leider (wieder) nicht genutzt. Auch Homann, ZVI 2012, 37 [46, unter 4.] plädiert z. B. dafür, dass unpfändbares Guthaben auf einem P-Konto für immer geschützt bleibt.
1509 Das ist umso unverständlicher als der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass durch die neuen Vorschriften der Schuldnerschutz nochmals verbessert wird. So führt Christian Lange, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz am 17.6.2020 in der Plenardebatte im Dt. Bundestag i. R. d. Ersten Beratung zum PKoFoG ein mit dem Satz: „Wir wollen den Schutz vor den Folgen von Pfändungen maßvoll ausweiten …“. Und faktisch ist es so, dass durch die neuen Regelungen, insbesondere durch die Ausdehnung auf dreimonatigen Übertragungszeitraum, den Guthabenschutz im Rahmen des § 850l für Gemeinschaftskonten und den neuen umfassenden Verrechnungs- und Aufrechnungsschutz des § 901 ohnehin fast keine Guthaben mehr der Pfändung unterliegen werden, die früher ggf. aus Nachlässigkeit oder im Rahmen von Bagatellbeträgen vielleicht noch der Pfändung unterlagen. Der Gesetzgeber konzediert im Rahmen der Gesetzesmaterialien zum DiskE, S. 44 zum neuen § 901 selbst: „Eine betragsmäßige Begrenzung ist – anders als im Absatz 1 – wie bisher nicht vorgesehen, zumal die genannten Leistungen ohnehin regelmäßig unter den Pfändungsfreigrenzen liegen dürften.“
1510 Der Übertragungszeitraum ist stets unabhängig von der Auszahlungssperre zu betrachten. 1511 Nicht geholfen werden kann dem Schuldner, wenn er nach Ausschöpfung seines Freibetrages für diesen Monat noch Gelder benötigt. Durch das Moratorium wird also nur eine Auszahlungssperre für das drittschuldnerische Kreditinstitut normiert, nicht aber etwa das monatlich verfügbare Guthaben im Zahlungseingangsmonat erhöht. Beispiel: S erhält zum Monatsende April 2022 seinen Arbeitslohn i. H. v. 1.500 € auf sein herkömmliches Girokonto überwiesen. Als Anfang Mai eine Kontopfändung eingeht, weist das Konto noch ein Guthaben i. H. v. 1.500 € auf. S wandelt das Konto 3 Tage nach der Kontopfändung in ein P-Konto um, sodass ihm der P-Kontoschutz rückwirkend, § 899 Abs. 1 Satz 2, ab Mai zusteht. S kann also über 418
3. Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900
seinen Lohn i. R. seines vorhandenen Freibetrages i. H. v. 1.300 € frei verfügen. Als im Ende Mai nun aber bereits der Arbeitslohn i. H. v. 1.500 € für Juni überwiesen wird, hat er seinen Freibetrag für Mai bereits voll ausgeschöpft, sodass 1.700 € (1.500 € ./. 1.300 € + 1.500 €) nicht mehr zur Verfügung stünden. S benötigt aber für Lebensmittel dringend noch im September 50 €, die er als Vorschuss auf die Oktoberzahlung haben will. Möglich? Lösung: Nein. § 900 Abs. 1 führt nur dazu, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut künftiges Kontoguthaben nicht mehr sofort an den Gläubiger abführen darf. § 900 Abs. 1 führt also zwar dazu, dass der Gläubiger das im Mai für Juni eingegangene Arbeitseinkommen – trotz Ausschöpfung des Freibetrages im Mai – nicht verliert, aber auch nicht (sofort) erhält. Es löst also nicht das Problem des Schuldners, noch im Mai weitere Mittel zu benötigen. Ihm soll daher durch das Moratorium monatlich nicht mehr zustehen als der Freibetrag, sondern es soll lediglich gesichert werden, dass vorzeitig eingehende Gutschriften, die zu künftigem Kontoguthaben führen, auch noch im dafür bestimmten Monat (hier Juni) zur Verfügung stehen, allerdings auch nur in Höhe seines (dann im Juni geltenden) individuellen Freibetrages. Der BGH hatte durch eine missverständliche Passage in seinem Beschluss zur alten Monatsanfangsproblematik, Beschl. v. 14.7.2011 – VII ZB 85/10, Rn. 14, WM 2011, 1565 seinerzeit kurzzeitig für Irritationen gesorgt. Dort heißt es: „Damit kann der Schuldner über den auf dem Pfändungsschutzkonto eingegangenen Lohn, der zum Bestreiten des Lebensunterhalts im Folgemonat bestimmt ist, auch dann verfügen, wenn der monatliche Freibetrag des Kalendermonats gem. § 850k Abs. 1 zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschöpft ist, soweit der eingegangene Lohn unterhalb des Freibetrags des Folgemonats liegt, § 835 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 850k Abs. 1 Satz 2.“ Diese Aussage wurde – zumeist von Verbraucherschützern – dahingehend interpretiert, als könne der Schuldner nicht erst im Folgemonat, sondern doch sofort verfügen. Dies gab aber schon der Wortlaut des § 835 Abs. 4 ZPO a. F. definitiv nicht her. Auch in Gesetzesbegründung, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) BT-Drucks. 17/4776 v. 14.2.2011, S. 8 re. Spalte, ist nur davon die Rede, dass im „Folgemonat“ über die Beträge verfügt werden darf. Insoweit dürfte die Passage des BGH in dieser Entscheidung lediglich missverständlich sein. Dafür spricht auch, dass der BGH in zwei weiteren Entscheidungen, Beschl. v. 28.7.2011 – VII ZB 92/10, NZI 2011, 717 und v. 28.7.2011 – VII ZB 96/10, BeckRS 2011, 21475 dies klargestellt hat. Einem Antrag einer Drittschuldnerin, dass (künftige) Schuldner-Guthaben auf dem Konto, das über dem monatlichen Freibetrag liegt, sofort und nicht erst nach Ablauf des Folgemonats an den Gläubiger auszahlen zu können, hat der BGH in diesen Entscheidungen eine Absage erteilt, „denn dadurch würde der Regelungszweck des § 835 Abs. 4 Satz 1 ZPO i. V. m. § 850k Abs. 1 ZPO vereitelt“, bestätigt durch die gleichlautende Entscheidung des BGH, Beschl. v. 28.7.2011 – VII ZB 96/10, BeckRS 2011, 21475.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1512 Daran hat das PKoFoG nichts geändert. Aber das belegt, dass die korrekte Disposition des P-Kontos zu verstehen, nichts für schwache Gemüter ist. Sie ist höchst kompliziert. Zu dieser Erkenntnis kommt natürlich auch der Schlussbericht iff, S. 91.
1513 Der Forderung u. a. des Autors, aber auch z. B. der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), gesetzlich zu regeln, dass einmal unpfändbare Guthaben nicht wieder pfändbar werden können, hat der Gesetzgeber nicht auf genommen. Zur Forderung siehe Schlussbericht iff, S. 94. Der Gesetzgeber sagt dazu: „Vorschläge dahin gehend, dass ein einmal unpfändbares Guthaben nicht wieder pfändbar werden könne, werden nicht aufgegriffen. Deren Umsetzung könnte vielmehr zur Konsequenz haben, dass ein hoher, im Hinblick auf die Interessen des Gläubigers – auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – nicht zu rechtfertigender Ansparbetrag entstehen würde.“ vgl. Referentenentwurf des BMJV v. 15.10.2019, S. 6248/49. Daraus kann man nur eines ableiten: Der Gesetzgeber will es nicht; begründen ließe es sich nämlich schon, denn auch der Gesetzgeber selbst hat mit der Ausdehnung von einem auf drei Monate selbst die Ansparbeträge verdreifacht. Ein verheirateter Schuldner mit vier Kindern kann daher seit 1.12.2021 (theoretisch) z. B. einen Freibetrag i. H. v. 2.782,04 € * 4 = 11.128,16 € ansparen. Selbst beim Grundfreibetrag kommen hier schon 5.040 € zusammen (= 1.260 € nicht ausgeschöpfter Grundfreibetrag zzgl. jeweils 1.260 € neue Grundfreibeträge für den ersten bis dritten Folgemonat). Diese werden nur aus nicht pfändbarem Guthaben „gespeist“, insofern können ernsthafte Verfassungsbedenken doch gar nicht entstehen, wenn man diese Beträge der Pfändung dauerhaft entzieht. Es geht – auch dem Autor – auch bei den Vorschlägen „nur“ um die Kontoguthaben, nicht um die Verhinderung des Vollstreckungszugriffs insgesamt. Wandeln sich daher – wider Erwarten und jeglicher Praxisrelevanz – solche Ansparbeträge tatsächlich ausnahmsweise mal in maßgebliche Sach-Vermögenswerte, dann wäre eine Fahrnispfändung trotzdem noch möglich.
1514 § 900 Abs. 2 entspricht dem bisherigen § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F. und betrifft das Verhältnis von Drittschuldner und Schuldner. Guthaben, das wegen des Moratoriums nicht ausgekehrt werden darf, ist Teil des geschützten Betrages. 1515 Eigentlich sollte damit nur erreicht werden, schon in der Vorgängernorm, dass das im Vormonat eingegangene, durch die Auszahlungssperre des § 900 Abs. 1 zunächst nur gegen (frühzeitige) Auskehrung oder Verrechnung geschützte Guthaben, für den Folgemonat nur i. H. d. Freibetrages verfügbar bleibt. Denn mehr braucht der Schuldner nicht. Tatsächlich führt aber die Regelung des § 900 Abs. 2 dazu, dass die Abführung pfändbaren Guthaben an den Gläubiger sich deutlich verzögern kann.
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3. Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900 So auch Homann, ZVI 2012, 37 [42, re Spalte], der konzediert, dass dem Schuldner bei einem den Freibetrag nur mäßig übersteigenden Geldeingang lange Zeit mehr Verfügungsmasse bereitstellt wird, als ihm sein Freibetrag eigentlich gewährleistet.
Denn anders als (nur) benötigt, stellt zwar die Auszahlungssperre des § 900 1516 Abs. 1 sicher, dass ein Guthaben, das schon am Ende des Vormonats für den Folgemonat auf einem P-Konto gebucht wird und auf das der Schuldner wegen des bereits ausgeschöpften Pfändungsfreibetrages im Vormonat keinen Zugriff mehr hat, in den Folgemonat übernommen wird, aber Abs. 2 (schon in der Vorgängernorm des § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F.) erfasst jegliches, also nicht nur das am Vormonatsende gebuchte Guthaben, dass den Freibetrag übersteigt. Und es erfasst dies jeden Monat neu, ist also kein einmaliger Vorgang, sondern gilt davon unabhängig für alle zukünftigen Guthaben. Beispiel: Schuldner S hat auf seinem von Gläubiger G gepfändeten P-Konto einen Freibetrag i. H. v. 1.200 €, den er bereits am 5. des Monats 1 ausgeschöpft hat. Als am 15., 25. und 30. des Monats 1 nochmals jeweils 200 € eingehen, über die er wegen des ausgeschöpften Freibetrages für Monat 1 in Monat 1 nicht mehr verfügen kann, werden die 600 € mittels § 900 Abs. 1 vor der Auskehrung an G bis zum Ablauf des Monats 2 geschützt. Wenn nun im Monat 2 weitere 800 € eingehen, so dass 1.400 € Guthaben bei einem Freibetrag i. H. v. 1.200 € im Monat 2 zur Verfügung stünden, kann S über 1.200 € in Monat 2 verfügen. Die 200 € aus dem Zahlungseingang in Monat 2 (aus den 800 €) sind nun aber Zahlungseingänge, die wiederum neu über § 900 Abs. 1 bis zum Ablauf des Monats 3 geschützt werden und als neuer „Moratoriumsübertrag“ in den Monat 3 transferiert werden. Dort stehen sie S als Guthaben gem. § 900 Abs. 2 zur Verfügung. Im Ergebnis wird in jedem (Vor)Monat das eingehende Guthaben aufgrund 1517 des jeweils neu wirkenden Auszahlungsschutzes in den Folgemonat übertragen, für den die Zahlungen bestimmt sind. Ebenso Busch, VuR 2011, 196.
Beispiel: Schuldner S hat auf seinem von Gläubiger G gepfändeten P-Konto einen Freibetrag i. H. v. 1.200 €, den er im März 2022 bereits ausgeschöpft hat. Ende März gehen 1.300 € Gehalt für April ein. Wann erhält der Gläubiger G die 100 € ausgekehrt? Würden nun nach dem ersten Gehaltseingang des S keine weiteren Bewegungen auf dem P-Konto mehr stattfinden, würde K mit Ablauf des auf den Gehaltseingang (März) folgenden Monats (April), also ab 1.5.2022 (und weil das ein Sonn- und Feiertag ist, ab 2.5.) die 100 € an G auskehren.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Variante: Schuldner S hat auf seinem von Gläubiger G gepfändeten P-Konto einen Freibetrag i. H. v. 1.200 €. Monatlich gehen 1.300 € Gehalt ein; S verfügt monatlich immer nur 1.200 €. Erhält der Gläubiger G mtl. 100 € ausgekehrt? Nein, zunächst nicht. Eigentlich müsste der Gläubiger mit Ablauf des Folgemonats den Freibetrag überschießenden Betrag erhalten. Jeder neue mtl. Zahlungseingang führt, abzüglich der mtl. Verfügungen von diesem Zahlungseingang, zu einem wieder durch § 900 Abs. 1, Abs. 2 für den Folgemonat geschützten neuen „Moratoriumsübertrag“ und – das ist das Problem – unterliegt der first-in-first-out Regelung. Dieser Betrag, der jeden Monat neu und in diesem Beispielsfall um jeweils 100 € ansteigend entsteht und damit neu geschützt wird, darf wegen § 900 Abs. 2 zunächst nicht an den Gläubiger abgeführt werden. Durch den Verweis in § 900 Abs. 2 auf § 899 Abs. 1 Satz 1, der das Guthaben aus dem bis zum Ablauf der Frist des § 900 Abs. 1 nicht an den Gläubiger geleistet werden darf, im auf die Gutschrift folgenden Kalendermonat zu „normal geschütztem“ Guthaben i. S. d. § 899 Abs. 1 Satz 1 macht, unterliegt es im Folgemonat dem ganz normalen Pfändungsschutzregime. Das bedeutet, dass es, § 899 Abs. 2 Satz 2, zuerst durch Verfügungen verbraucht wird. Somit werden die eigentlich dem G zustehenden 100 € aus dem Monat März, im April geschützt, durch (erste) Verfügungen im April verbraucht. Aus dem neuen Zahlungseingang im April (für Mai) übersteigen dann zwar bereits 200 € den Freibetrag i. H. v. 1.200 €, aber dieser Betrag wird dann wieder als neuer Moratoriumsübertrag (aus April für Mai) geschützt und durch (erste) Verfügungen im Mai verbraucht usw. G. erhält somit eine erste Auskehrung i. H. v. 100 € erst dann, wenn der Moratoriumsübertrag einen Betrag i. H. v. 1.200 € übersteigt, was im Beispielsfall erst im April 2023 der Fall wäre. Hier sei verweisen auf die instruktive Darstellung eines Beispielsfalles bei Homann, ZVI 2012, 37, der die komplizierten Moratoriums- und Ansparübertragung detailliert darstellt.
Verbraucht S von den 1.200 € monatlich z. B. 100 € nicht, wird dieses Guthaben als Ansparübertrag übertragen; durch die Einschränkung des § 900 Abs. 1 Satz1 Halbs. 2, wird dadurch die Übertragungsfrist des § 899 Abs. 2 aber nicht verlängert. In der Gesetzesbegründung hebt der Gesetzgeber nochmals hervor, dass auch in diesem Zusammenhang mit der Auszahlungssperre keine weitere Verlängerung des Übertragungszeitraums einhergeht, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 36.
1518 Von Gläubigern wurde die Regelung des § 900 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz i. V. m. Abs. 2 und § 899 Abs. 1 Satz 1 schon zu Zeiten der Vorgängerregelung des § 835 Abs. 4 i. V. m. § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F. auch deshalb kritisiert, weil sie dazu führt, dass Gläubiger nicht nur später, sondern auch in Einzelfällen weniger oder gar keine Auskehrungen mehr erhalten, obwohl dem Schuldner eigentlich nicht mehr als bisher zukommen sollte.
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3. Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900
Beispiel: Schuldner S hat den (seit 1.12.2021 gerundeten) Grundfreibetrag i. H. v. 1.260 €. Den Freibetrag für Februar 2022 hat er bereits ausgeschöpft. Zum Monatsende Feb. erhält er aus einem eBay-Verkauf einmalig 350 €, woraus ein KontoGuthaben in gleicher Höhe resultiert. Anfang März geht der Arbeitslohn i. H. v. 950 € ein. Was erhält der Gläubiger? Lösung: Ohne bzw. bevor diese Regelung des § 835 Abs. 4 i. V. m. § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F., § 900 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz i. V. m. Abs. 2 und § 899 Abs. 1 Satz 1 zur Lösung des Monatsanfangsproblems eingeführt wurde, hätte der Gläubiger einen Betrag i. H. v. 350 € erhalten und zwar unmittelbar nach Zahlungseingang aus dem eBay-Verkaufserlös. Durch die Regelung aber ist dieses Guthaben i. H. v. 350,00 € zunächst bis nach Ablauf des nächsten auf die Gutschrift folgenden Kalendermonats – hier dem 31.3., 24:00 h – geblockt. Hinzukommt aber, dass das Guthaben in den MärzFreibetrag „übertragen“ und mit dem dann neuerlichen Grundfreibetrag des Monats März saldiert wird. Folge ist, dass nunmehr von den 350,00 € nur noch 40 € (350,00 € + 950 € – 1.260,00 €) über dem Freibetrag liegen. Diese Konstellation kann nicht nur eintreten, wenn die üblichen Zahlungs- 1519 eingänge unterhalb des individuellen Freibetrages liegen, sondern auch dann, wenn aus welchen Gründen auch immer, ein üblicher Zahlungseingang durch einen anderen, vormals der Pfändung unterliegendem Zahlungseingang ersetzt wird. Beispiel: Schuldner S hat den (gerundeten) Grundfreibetrag i. H. v. 1.260,00 €. Den Freibetrag für Feb. hat er bereits ausgeschöpft. Zum Monatsende Feb. erhält er aus einem eBay-Verkauf einmalig 1.000 €, woraus ein Konto-Guthaben in gleicher Höhe resultiert. Im März, S ist mittlerweile arbeitslos geworden, geht kein Arbeitslohn ein. Was erhält der Gläubiger? Lösung: Nichts! Ohne bzw. bevor diese Regelung des § 835 Abs. 4 i. V. m. § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F., § 900 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz i. V. m. Abs. 2 und § 899 Abs. 1 Satz 1 zur Lösung des Monatsanfangsproblems eingeführt wurde, hätte der Gläubiger einen Betrag i. H. v. 1.000,00 € erhalten und zwar unmittelbar nach Zahlungseingang aus dem eBay-Verkaufserlös. Nunmehr ist dieses Guthaben i. H. v. 1.000,00 € zunächst bis nach Ablauf des nächsten auf die Gutschrift folgenden Kalendermonats – hier dem 31.3. – geblockt. Hinzukommt aber, dass das Guthaben in den März-Freibetrag „übertragen“
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
und mit dem dann neuerlichen Grundfreibetrag des Monats März saldiert wird. Folge ist, dass nunmehr statt vormals 1.000,00 € nichts mehr an den Gläubiger abzuführen ist, da die Gutschrift Ende Feb. i. H. v. 1.000 € bzw. das daraus resultierende Guthaben i. H. v. 1.000,00 € unterhalb des Freibetrages für den Monat März liegt in den das Guthaben Dank des Moratoriums und der Regelung des § 900 Abs. 2 „übertragen“ und geschützt wird, und zwar in voller Höhe, da der (gerundete) Grundfreibetrag i. H. v. 1.260,00 € darüber liegt. 1520 Und schließlich kann sich durch die Auszahlungssperre auch noch eine Schlechterstellung des Gläubigers dann ergeben, wenn der Freibetrag erst im Folgemonat angehoben wird. Beispiel: Schuldner S hat den (gerundeten) Grundfreibetrag i. H. v. 1.260,00 €. Den Freibetrag für Feb. hat er bereits ausgeschöpft. Zum Monatsende Feb. erhält er aus einem eBay-Verkauf einmalig 400 €, woraus ein Konto-Guthaben in gleicher Höhe resultiert. Anfang März geht der Arbeitslohn i. H. v. 1.000,00 € ein. Durch Heirat mit der SF, die kein eigenes Einkommen hat und der er gesetzlichen Unterhalt gewährt, lässt sich S ab März mittels Bescheinigung nach § 902, 903 einen Freibetrag i. H. v. 1.741,44 € bescheinigen (gerundeter Grundfreibetrag i. H. v. 1.260 € und 471,44 € für die erste Person, der er Unterhalt gewährt). Was erhält der Gläubiger? Lösung: Nichts! Ohne bzw. bevor diese Regelung des § 835 Abs. 4 i. V. m. § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F., § 900 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz i. V. m. Abs. 2 und § 899 Abs. 1 Satz 1 zur Lösung des Monatsanfangsproblems eingeführt wurde, hätte der Gläubiger einen Betrag i. H. v. 400,00 € erhalten und zwar unmittelbar nach Zahlungseingang aus dem eBay-Verkaufserlös. Nunmehr ist dieses Guthaben i. H. v. 400,00 € zunächst bis nach Ablauf des nächsten auf die Gutschrift folgenden Kalendermonats – hier dem 31.3. – geblockt. Hinzukommt aber, dass das Guthaben in den März-Freibetrag „übertragen“ wird und mit dem dann neuerlichen, höheren Grundfreibetrag des Monats März saldiert wird. da die Gutschrift Ende Feb. i. H. v. 400 € bzw. das daraus resultierende Guthaben i. H. v. 400,00 € zusammen mit dem Arbeitslohn i. H. v. 1.000 € unterhalb des neuen erhöhten Freibetrages für den Monat März liegt in den das Guthaben i. H. v. 400 € Dank des Moratoriums und der Regelung des § 900 Abs. 2 „übertragen“ und geschützt wird, und zwar in voller Höhe, da der neue, erhöhte Freibetrag i. H. v. 1.741,44 € darüber liegt. 1521 Aus Gläubigersicht ist durch das PKoFoG in der Regelung des § 900 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz i. V. m. Abs. 2 und § 899 Abs. 1 Satz 1 aber keine weitere Verschlechterung ihrer Rechtsposition hinzugetreten; sie bleibt aber natürlich eine Verschlechterung gegenüber der Regelung vor der Normierung von § 835
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3. Das Moratorium bei Überweisung an den Gläubiger, § 900
Abs. 4 i. V. m. § 850k Abs. 1 Satz 2 a. F., der jetzt durch die Regelung des § 900 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz i. V. m. Abs. 2 und § 899 Abs. 1 Satz 1 übernommen wurde. Erhalten geblieben ist immerhin – zu Gunsten der Gläubiger – die nun in § 900 1522 Abs. 1 Satz 2, vormals in § 835 Abs. 4 Satz 2 a. F. enthaltende Regelung, wonach das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers abweichende Regelungen treffen kann. Richtiger wäre es, das Moratoriumsguthaben nur der Auszahlungssperre zu unterwerfen, nicht auch über en Freibetrag hinaus dem Schutz des § 900 Abs. 2 i. V. m. § 899 Abs. 1 Satz 1. Dann könnte der Schuldner über seinen Freibetrag nach wie vor verfügen, aber der Gläubiger erhielte über dem Freibetrag liegende Beträge bereits mit Ablauf des Folgemonats nach Zahlungseingang.
§ 900 Abs. 1 Satz 2 lässt zu, dass auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungs- 1523 gericht einen abweichenden kürzeren Zeitraum für die Auszahlungssperre festlegen kann. Dafür muss der Gläubiger vortragen, dass – unter Würdigung des Schutzbedürfnisses des Schuldners – für ihn ansonsten eine unzumutbare Härte entstünde. Insbesondere Gläubigern von Unterhalts-Forderungen, die auf regelmäßig abgeführte Beträge existenziell angewiesen sind, bleiben damit unzumutbare Härten erspart.
Dass abweichende Regelungen nur „unter voller Würdigung des Schutzbedürf- 1524 nisses des Schuldners“ getroffen werden können, dürfte dem nicht entgegenstehen, auch wenn der Gesetzgeber klargestellt wissen will, dass die „vorzeitige Auszahlung des Betrages an den Gläubiger den Ausnahmefall darstellt“ und „im Zweifel den Interessen des Schuldners der Vorrang“ zukommt. vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) BT-Drucks. 17/4776 v. 14.2.2011, S. 8 re. Spalte zur alten Regelung, die ja inhaltsgleich – und daher mit dieser weiter bestehenden Intention – nun in § 900 Abs. 1 Satz 2 geregelt ist.
Eine solche gerichtliche Anordnung hätte zur Folge, dass eigentlich unpfänd- 1525 bares Guthaben (früher) pfändbar wird, allerdings nur für denjenigen Gläubiger, dessen Interessen diejenigen des Schuldners überwiegen. BeckOK ZPO/Riedel, § 835 ZPO, Rn. 31 weist darauf hin, dass eine solche gerichtliche Anordnung die sich aus § 804 Abs. 3 ergebende Pfändungsrangfolge nicht verändern kann. Daher so Riedel, könne bei mehreren Gläubigern einem nachrangigen Gläubiger nur dann der vorzeitige Zugriff erlaubt werden, wenn die Ansprüche der vorrangigen Gläubiger zumindest rechnerisch gedeckt sind. Dem ist zu widersprechen, denn zumindest in Höhe desjenigen Betrages, den ein Unterhaltsgläubiger oder Gläubiger einer Forderung aus unerlaubter Handlung oder Zwangsgeldes, eines Bußgeldes, eines Ordnungsgeldes oder wegen einer Forderung aufgrund
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto der für die Einweisung in eine Unterkunft wegen Obdachlosigkeit, wie z. B. im § 55 des niedersächsischen VwVG, einem herkömmlichen Gläubiger gegenüber bzgl. des pfandfrei zu belassenden monatlichen Betrages hat, wäre ein vorzeitiger Zugriff möglich. Riedel ist aber wohl für den Fall des BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – VII ZB 53/14 NJW 2018, 555, Recht zu geben, wenn zwei gleichrangige Unterhaltsgläubiger pfänden, vgl. Rn. 2050.
4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901 1526 Diese inhaltlich nicht unbekannte, aber durch das PKoFoG vom Schutzumfang deutlich erweiterte Norm, führt erstmals einen umfassenden Aufrechnungsund Verrechnungsschutz für das debitorische geführte Konto ein. Verrechnet werden im Kontokorrent gem. § 355 HGB gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten auf dem Zahlungskonto, woraus sich dann entweder ein Saldo zu Gunsten des Kontoinhabers oder des Kreditinstitutes ergibt. Von einer Aufrechnung spricht man, wenn das Kreditinstitut Forderungen z. B. eine fällige Darlehensforderung gegen den Kunden und dieser ein Guthaben auf einem anderen, z. B. dem Zahlungskonto hat. Nach dem AGB-Pfandrecht darf das Kreditinstitut diese Forderungen aufrechnen.
1527 Der Gesetzgeber ist beim PKoFoG im Rahmen des § 901 der langjährigen Forderung der Verbraucherschutzverbänden nachgekommen, die durch das Urteil des BGH, BGH, Urt. v. 22.3.2005 – XI ZR 286/04, ZIP 2005, 941 = ZVI 2005, 257 = NJW 2005, 1863,
entstandenen „Härte“ z. B. bei der Verrechnung von Arbeitseinkommen zu beenden. Seinerzeit hatte der BGH zum § 850k a. F. (noch vor der ersten Reform 2010) geurteilt, dass das kontoführende Kreditinstitut nicht an der kontokorrentmäßigen Verrechnung des auf das Girokonto ihres Kunden überwiesenen pfändungsfreien Arbeitseinkommens gehindert sei. Das war aus Sicht der Kreditinstitute sicherlich positiv, wenn nicht gar als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes selbstverständlich, i. S. eines verbesserten und das Existenzminimum lückenlos schützenden Pfändungsschutzes aber zu kritisieren.
1528 Mit dem neuen § 901 geht ein Systemwechsel einher. Statt des bislang bereits bestehenden, zeitlich befristeten Verrechnungsschutzes für Sozialleistungen und Kindergeld wird nun ein zeitlich unbefristeter Pfändungsschutz für alle Gutschriften, also auch Arbeitseinkommen, eingeführt und zwar unabhängig davon, ob eine Kontopfändung vorliegt oder nicht. Damit wird das Zahlungskonto mit dem Verlangen nach Umwandlung nicht nur ein Pfändungsschutz-, sondern auch ein Aufrechnungsschutzkonto. Vgl. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zum DiskE v. 17.1.2019, S. 9.
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
Beispiel: Gegen das Konto des Schuldners S bei seinem Kreditinstitut K geht ein PfÜB ein. S wandelt sein Konto in ein P-Konto um. Er hat einen Freibetrag i. H. v. 1.600 €, den er mittels Bescheinigung nach §§ 902, 903 belegt. Bei Eingang des PfÜBs ist das Konto mit 2.200 € im Soll. Nach Eingang des unpfändbaren Teils seines Gehalts i. H. v. 1.800 € sowie einer Steuererstattung i. H. v. 300 € steht das Konto weiterhin mit 100 € im Soll. Über welchen Betrag kann S verfügen? Lösung: Über 1.600 €! Obwohl das Konto weiterhin einen Sollstand i. H. v. 100 € aufweist, besteht für die Gutschriften in Höhe des Freibetrages gem. § 901 Abs. 1 ein Verrechnungsverbot des K mit dem zu Gunsten des K bestehenden Sollsaldos i. H. v. 2.200 €. In Höhe von 500 € (1.800 € + 300 € – 1.600 €) allerdings kann K unter Beachtung von Moratoriumsfristen verrechnen, da § 901 Abs. 1 letzter Halbs. bestimmt, dass das Verrechnungsverbot nur insoweit besteht, soweit die Gutschrift auf dem Zahlungskonto als Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto nicht von der Pfändung erfasst sein würde. Hier muss man also vergleichen, was S verfügen könnte, wenn das P-Konto ausschließlich im Haben geführt würde: Stünde das Konto vor dem Zahlungseingängen also auf null und danach durch die kumulierten Zahlungseingänge auf +2.100,00 €, könnte S auch max. nur diese 1.600 €, die seinem Freibetrag entsprechen, verfügen. Auch wenn es in der Vergangenheit einzelne (!) Kreditinstitute gegeben haben mag, die – bereits an der Quelle gepfändete – Gehaltseingänge voll mit dem Sollsaldo verrechnet haben, so dass der Schuldner in einem Monat nichts verfügen konnte, war doch in der Praxis der Regelfall, dass Kreditinstitut und Schuldner eine für den Schuldner moderate, nachhaltig tragbare Rückzahlungsvereinbarung geschlossen hatten, die es ihm ermöglichte im obigen Beispielsfall z. B. 1.500 € zu verfügen und gleichzeitig seinen Sollsaldo sukzessive zu reduzieren.
Im obigen Beispiel kann daher wegen des Verrechnungsverbotes der Schuldner 1529 über seine Zahlungseingänge verfügen (und nicht nur über das Konto-Guthaben), allerdings nur in Höhe seines Freibetrages. Das neue umfassendere Auf- und Verrechnungsverbot führt aber auch dazu, dass Zahlungseingänge auf demselben Zahlungskonto nicht mehr auf den Sollsaldo angerechnet werden dürfen, dieser sich also nicht -zumindest tageweise – reduziert. Damit verbunden wäre für den Schuldner eine höhere Zinsbelastung. Dies dürfte aber im Ergebnis nicht zulässig sein, d. h. es muss (weiterhin) eine Zinskompensation erfolgen, vgl. Rn. 1008.
Auch das AGB-Pfandrecht ist daher insoweit eingeschränkt. Oberhalb der 1530 Freibeträge kann allerdings – immer unter Beachtung von Moratoriumsfristen – weiterhin verrechnet werden.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1531 Die Nicht-Verrechnung führt grundsätzlich dazu, dass die Gutschrift nicht ins Kontokorrent eingestellt werden darf. Beispiel: Im obigen Beispiel verzinst sich der Sollstand i. H. v. 2.200 € trotz der Zahlungseingänge in voller Höhe weiter. Vor der Regelung des neuen § 901 dagegen führten die Zahlungseingänge dazu, dass sich nur ein um die Zahlungseingänge reduzierter Sollsaldo verzinste. Nun verhindert das Verrechnungsverbot dies zunächst. Im Ergebnis wird das Kreditinstitut den debitorischen Kontoinhaber aber so zu stellen haben, dass er keine erhöhte Zinsbelastung hat, vgl. Rn. 1008. 1532 Liest man der Gesetzesbegründung, dann hat der Gesetzgeber auf der Grundlage der im Schlussbericht iff gemachten Empfehlungen (trotzdem) Handlungsbedarf gesehen. Er wollte zwar nur eine Präzisierung der rechtlichen Regelungen von im Soll befindlichen P-Konten, der über den schon bisher bei debitorischen Konten bestehenden Sozialleistungsschutz hinaus, nun – aus Sicht des Gesetzgebers – eine Weiterentwicklung erfahren hat. Vgl. Referentenentwurf des BMJV v. 15.10.2019, S. 50.
1533 Der Autor hat schon seit der ersten Reform 2010 bemängelt, dass ein Kontopfändungsschutzrecht an einem schweren Mangel leidet, wenn er diesen Schutz nur unzureichend bei debitorischen Konten regelt. Vgl. „Dilemma Debet“, Rn. 560 der 1. Aufl.
1534 Insofern ist eine Regelung längst überfällig gewesen; mit diesen Regelungen schießt der Gesetzgeber aber einerseits über das Ziel hinaus, schafft andererseits – wieder durch unterlassene, unzureichende oder unklare Regelungen – neue Auslegungs- und Anwendungsprobleme. 1535 Im Übrigen muss man § 901 auch im Zusammenhang mit § 850k Abs. 1 Satz 2 und 3 sehen, nach dem auch Inhaber debitorischer Zahlungskonten die Umwandlung in ein P-Konto verlangen können (Satz 2), vor allem aber der vorschreibt, dass P-Konten lediglich auf Guthabenbasis geführt werden dürfen (Satz 3). Das dürfte im Übrigen vermutlich dazu führen, dass das Aufrechnungsverbot nur einmalig zum Tragen kommt, nämlich dann, wenn ein Konto debitorisch ist und dann in ein P-Konto umgewandelt wird. Danach muss das P-Konto auf Guthabenbasis geführt werden, so dass eine Verrechnungssituation – zumindest auf dem P-Konto – gar nicht mehr vorkommen dürfte.
1536 § 901 hat in der Entstehung über des DiskE und RefE bis hin zur endgültig verabschiedeten Norm eine hitzige und kontroverse Diskussion ausgelöst. Exemplarisch: Sudergat, WM 2019 1196 ff.; Grote, ZInsO 2019, 882 ff.; Saager, ZVI 2019, 125 f.; Busch, ZVI 2019, 127 ff.
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
Als der Gesetzgeber den interessensübergreifenden konstruktiven Forderungen 1537 der Praxis nach Änderung auch des § 901 keinerlei Beachtung geschenkt und noch im RefE dafür eine nahezu unveränderte, komplizierte bürokratische Regelung vorlegt hatte, hat sich eine einmalige Koalition aus Bankern, Verbraucherschützern und Wissenschaftlern in fast einhelliger Kritik zusammengefunden. Bitter/Grote/Sudergat, ZIP 2019, 2283, das am Ende fast 400 Unterstützter fand, darunter solch prominente wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, Berlin, fast alle in der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zusammengeschlossenen Bankenverbände, universale Großbanken wie die die Deutsche Bank AG, Frankfurt, die Commerzbank AG, Frankfurt und diverse Banken und Sparkassen sowie Schuldnerberatungen oder auch der Insolvenzrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins.
Ob u. a. diese Empörung den Gesetzgeber am Ende bewogen hat, auch den 1538 § 901 deutlich zu entbürokratisieren, mag dahingestellt sein. Fakt ist, dass der Gesetzgeber danach das Gespräch mit den maßgeblichen Verbänden gesucht und im März 2020 dann einen deutlich näher an den Vorschlägen der Praktiker orientierten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorlegt hatte, der auch einen neuen § 901 hervorbrachte. Alle Anregungen aus der Praxis freilich hat Gesetzgeber nicht aufgenommen, 1539 weshalb die Regelung nun zunächst so genommen werden muss, wie sie ist. Der Autor wird versuchen, nachfolgend Auslegungsvorschläge zu machen, 1540 denn es werden sich viele Fragen der Anwendung stellen. Der Aufwand der IT-Programmierung der Kreditinstitute ist insbesondere für 1541 diese Regelung, ebenso wie für § 850l, enorm, da völlig neue, sehr komplexe Anforderungen umgesetzt werden müssen. a) Verbot der Aufrechnung und Verrechnung auch ohne Kontopfändung In Abs. 1 des § 901 steckt die eigentliche Neuerung und damit – wie so oft – 1542 auch einige neue Auslegungs- und Anwendungsprobleme. Eine natürliche Person kann danach von seinem Kreditinstitut verlangen, dass 1543 ihr debitorisches Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto i. S. v. § 850k Abs. 1 geführt wird. Voraussetzung für den Anspruch auf Umwandlung ist nur, dass es sich um 1544 ein Zahlungskonto handelt. Voraussetzung ist nicht, dass sich das Konto auch im Soll befindet, denn selbstverständlich besteht auch ein Umwandlungsanspruch für ein kreditorisch geführtes Zahlungskonto, dann nach § 850k Abs. 1. Dass sich das Konto im Soll befinden muss, ist nur Voraussetzung für den 1545 Verrechnungs- und Aufrechnungsschutz. Dieser Schutz besteht dann bereits ab dem Umwandlungsverlangen, nicht erst wenn das Konto tatsächlich in ein P-Konto umgewandelt ist. 429
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1546 Das führt zu der absurden Situation, dass das Verbot der Aufrechnung und Verrechnung auch dann zu beachten wäre, wenn der Kontoinhaber schon bei einem anderen Kreditinstitut ein P-Konto führt. Denn solange das mit dem Umwandlungsanspruch konfrontierte Kreditinstitut das nicht sicher weiß, dürfte es nach dem Wortlaut, anders als beim Umwandlungsanspruch nach § 850k, das sofortige Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot nicht bis zu einer positiven Auskunft verweigern. 1547 Hier tut sich ein Missbrauchsrisiko auf, das aber so nicht akzeptiert werden muss. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches Konto, das mit 1.800 € im Soll steht. Als am 1.12.2021 das PKoFoG vollständig in Kraft tritt, erscheint S bei K und beansprucht die Umwandlung in ein P-Konto, dem K nachkommt. Wegen § 850k Abs. 1 Satz 3 bucht es den Sollsaldo auf ein Zweitkonto um, damit das P-Konto ab diesem Tag im Guthaben geführt wird. Am nächsten Tag geht auf dem P-Konto das Gehalt des S ein, dass knapp unterhalb des Grundfreibetrag liegt. Das daraus entstehende Guthaben hebt S sofort vollständig ab. Als K einen Tag später durch eine Anfrage bei der SCHUFA erfährt, dass S bereits ein P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält, macht es zwar die Umwandlung und Umbuchung unverzüglich rückgängig, kann aber die eigentliche mögliche Verrechnung mit dem Debet nicht mehr nachholen, da S das Geld schon vollständig verfügt hat. K bleibt im Zweifel auf dem Debet sitzen. Dass K gegen S dann einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung hat und sich S im Zweifel auch strafbar gemacht hat, hilft K wirtschaftlich aber zunächst nicht weiter. Hierin besteht der Unterschied zum Kontopfändungsschutz bei einem kreditorischen Konto, der dort erst greift, wenn das Konto umgewandelt und gepfändet ist. Für die Umwandlung hat das Kreditinstitut eine Vier-Tages-Frist, also 3 volle Tage Zeit und kann sich innerhalb dieser Zeit auch zuvor davon überzeugen, dass die Versicherung des Kunden, keine weiteres P-Konto zu unterhalten, richtig ist. Dass keine Auskunft alle P-Konten verlässlich beauskunften kann, weil es nicht das eine zentrale Register (bei einer Auskunftei) gibt, ist zwar richtig, so dass keine 100 %ige Verlässlichkeit gegeben ist; die SCHUFA aber immerhin deckt wohl durchschnittlich über 90 % der Kreditinstitute ab (laut Stand 30.6.2021 waren nach eigenen SCHUFA-Angaben ca. 85 % aller Sparkassen und jeweils mehr als 90 % der Genossenschaftsbanken und der Groß- und Privatbanken der SCHUFA angeschlossen). Die Schufa selbst hält von knapp 68 Mio. Personen Daten gespeichert (Stand Ende 2019) vgl. https:// www.schufa.de/ueber-uns/unternehmen/schufa-zahlen/.
1548 Der Passus in § 901 Abs. 1 „soweit die Gutschrift auf dem Zahlungskonto als Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto nicht von der Pfändung erfasst sein würde.“ ist daher eng zu interpretieren. Nicht abstrakt im Sinne von „auf irgendeinem P-Konto“, sondern konkret im Sinne von „auf einem P-Konto 430
4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
beim selben Kreditinstitut“. Denn ersteres würde bedeuten, dass nur die Schutzlogik und Disposition des P-Kontos gemeint wäre, losgelöst davon, ob es im konkreten Fall tatsächlich errichtet werden kann. Gemeint sein kann aber nur, dass der Verrechnungsschutz nur insoweit in Anspruch genommen werden darf, wie wenn ein rechtmäßig errichtetes bzw. errichtbares P-Konto beim selben Kreditinstitut existieren würde. § 901 kann für den Schuldner deshalb nur dann zum Tragen kommen, wenn er ganz konkret ein P-Konto bei seinem Kreditinstitut, bei dem er den Anspruch nach § 901 geltend macht, errichten oder umwandeln könnte. Ist ein kreditorisches P-Konto nicht mit einer Pfändung belegt, dann greift allerdings – bis zur Höhe der individuellen Freibeträge – trotzdem ein Aufrechnungsschutz mit anderen Forderungen des Kreditinstitutes. Im Gegensatz zum Aufrechnungsschutz kann das Verrechnungsverbot nur bei einem debitorischen Zahlungskonto zum Zuge kommen.
Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein kreditorisches P-Konto (ausschließlich im Guthaben), dass derzeit gerade auch nicht gepfändet ist (sog. inaktives P-Konto), hat aber ein Rest-Darlehen, bei dem zwei Raten i. H. v. zusammen 800 € Konto bereits rückständig sind, weil die Deckung auf dem P-Konto zum jeweiligen Abbuchungszeitpunkt nicht mehr ausreichte. Als der nächste Gehaltseingang des S i. H. v. 1.200 € auf seinem P-Konto eingeht, verrechnet K die fälligen 800 € mit dem durch den Zahlungseingang i. H. v. 1.200 € entstandenen Guthaben auf dem P-Konto, so dass S in diesem Monat nur noch 400 € verbleiben. Zu Recht? Zunächst würde man vermuten „Ja“, aber das ist sehr strittig und wahrscheinlich wird es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zulässig sein. Nach dem Wortlaut soll das Aufrechnungsverbot des § 901 S nur vor dem Verlust der Verfügung über sein Existenzminimum auf seinem debitorischen Zahlungskonto schützen. Nach dem Wortlaut des § 901 in Abs. 1 Satz 1 heißt es: „Verlangt eine natür- 1549 liche Person von dem Kreditinstitut, dass ein von ihr dort geführtes Zahlungskonto, das einen negativen Saldo aufweist…“. Das wäre eigentlich relativ eindeutig nur dahingehend zu interpretieren, dass 1550 nur dann, wenn das Zahlungskonto selbst debitorisch ist, § 901 überhaupt zur Anwendung gelangt. Das dürfte aber, ist aus Sicht der Kreditinstitute zu befürchten, eine zu enge 1551 Auslegung sein, denn wie das obige Beispiel zeigt, wäre der Schuldner, der sein P-Konto – im Übrigen entsprechend der gesetzlichen Vorschrift des § 850k Abs. 1 Satz 3 – ordnungsgemäß im Guthaben (kreditorisch) unterhält, benachteiligt gegenüber einem P-Kontoinhaber, dessen Konto sich im Soll befindet. Denn im Ergebnis könnte der kreditorische P-Kontoinhaber nicht über sein Existenzminimum auf seinem P-Konto verfügen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1552 Das dürfte daher wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, der dem P-Kontoinhaber die dort auf seinem Konto eingehenden Zahlungen – bis zur Höhe seiner Freibeträge – auch vor dem Zugriff des Kreditinstitutes insgesamt schützen will. Das Kreditinstitut soll daher bisherigen Pfändungsgläubigern mindestens gleichgestellt werden und nicht mehr von seinem AGB-Pfandrecht (vorrangig) Gebrauch machen können. Die Grenze zwischen Verrechnung und Erfüllung vereinbarter vertraglicher Verpflichtung, die auch zu Lasten der Freibeträge möglich ist, verschwimmt aber hier. Denn eine vereinbarte vertragliche Verpflichtung darf das Kreditinstitut auch zu Lasten der Freibeträge des Schuldners einlösen, vgl. Rn. 974, es sei denn der Kontoinhaber widerspricht nachträglich.
1553 Man wird sich daher am gesetzgeberischen Willen orientieren müssen: Gegen den Willen des Kunden darf sich das Kreditinstitut wegen eigener Forderungen im Rahmen des § 901 nicht an den pfändungsfreien, das Existenzminimum sichernde Guthaben auf dem P-Konto bedienen. 1554 Der Gesetzgeber wollte mit der neuen umfassenderen Regelung des § 901 laut Gesetzesbegründung zum PKoFoG den debitorischen Zahlungskontoinhaber (besser) schützen. So heißt es in den Gesetzesmaterialien zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 37: „Es soll vermieden werden, dass Gutschriften, die in der Zeit zwischen seinem Verlangen, sein Zahlungskonto als P-Konto zu führen, und der tatsächlichen Ausführung dieses Verlangens erfolgen, verrechnet werden und damit nicht als Guthaben auf dem P-Konto zur Verfügung stehen. Denn solche Gutschriften würden ansonsten den negativen Saldo verringern und dieser geringere negative Saldo würde seitens des Kreditinstituts – entsprechend dem in der Praxis bislang weitgehend verfolgten ‚ZweiKonten-Modell‘ – ‚ausgebucht‘ werden. Solche Gutschriften sollen aber zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Inhaber eines P-Kontos innerhalb der Pfändungsfreigrenzen zur Verfügung stehen.“ Auch hier ist zwar immer nur vom Zahlungskonto die Rede, aber der letzte Satz spricht auch für ein Aufrechnungsverbot in der obigen Beispielskonstellation.
1555 Man wird trotzdem angesichts dieses – vom Gesetzgeber wohl nicht erkannten – Missbrauchsrisikos den § 901 dahingehend einschränkend auslegen müssen, dass das Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot zwar unverzüglich nach dem Verlangen zu beachten und anzuwenden ist, sich ein Kreditinstitut aber – bevor es dann Verfügungen über dieses solchermaßen geschützte Guthaben zulässt – zunächst vergewissern darf, ob der Kunde nicht bereits bei einem anderen Kreditinstitut ein P-Konto unterhalten. Solange darf es Verfügungen verweigern; da der Gesetzgeber hier eine gewisse Eile postuliert hat („ab dem Verlangen“), wird man dem Kreditinstitut – ähnlich wie bei § 903 Abs. 4 – daher nur eine kurze Zwei-Tages-Frist, also von max. einem vollen Geschäftstag gewähren, um sich darüber zu vergewissern. Verzögerungen bei der Rückmeldung der Auskunftei sind allerdings nicht dem Kreditinstitut anzulasten und würden die Frist
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901 entsprechend verlängern. Das gilt auch, wenn der Kontoinhaber so knapp vor einem Feiertag oder Wochenende den Umwandlungsantrag stellt, dass eine Rück-Antwort der Schufa/Auskunftei das Kreditinstitut nicht mehr rechtzeitig an diesem Tag erreicht; dann muss der Kunde ggf. 1 – 2 Tage, ohne dass er über die durch das Verrechnungsverbot geschützten Gutschriften verfügen kann, auskommen.
Der Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz gilt aber nur insoweit, regelt 1556 § 901 Abs. letzter Teilsatz, soweit die Gutschrift auf dem Zahlungskonto als Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto nicht von der Pfändung erfasst sein würde, also nur im Rahmen des individuellen Freibetrages. Nicht vor Aufrechnung weiterhin geschützt sind Konstellationen, bei denen 1557 z. B. eine Sozialleistung nicht auf das P-Konto des Berechtigten, sondern – versehentlich oder aus welchem Grund auch immer – auf das Zahlungskonto eines Dritten, z. B. des Ehepartners überwiesen werden. Hat das Kreditinstitut fällige Forderungen gegen diesen Dritten, greift der Verrechnungsschutz des Berechtigen nach § 901 für das dorthin überwiesene Guthaben nicht, BGH, Urt. v. 12.10.1987 – II ZR 98/87, NJW 1988, 709. Allerdings kann natürlich der Dritte, soweit er natürliche Person ist, seinerseits dann sein Zahlungskonto in ein P-Konto umwandeln und genießt dann ggf. im Rahmen seiner Freibeträge Pfändungsschutz.
Das birgt weitere Auslegungsprobleme. Ein Kreditinstitut kann nicht „simu- 1558 lieren“ was wäre, wenn: Was wäre, wenn sich das P-Konto im Haben befände und was wäre dann unpfändbar. Das gelingt nur für den Grundfreibetrag, nicht aber auch für zusätzliche Erhöhungsbeträge. Dafür ist es abhängig von der Vorlage einer Bescheinigung, jedenfalls wenn die Gewährung über den Grundfreibetrag hinaus gewünscht ist (der Grundfreibetrag steht grundsätzlich jedem P-Kontoinhaber zu). Auf die Verrechnungsmöglichkeit kann ein debitorischer Kontoinhaber im Übrigen freiwillig verzichten, durch Erklärung gegenüber dem Kreditinstitut, so dass eine Auf- und Verrechnung möglich wäre; dies wäre aber nicht im Rahmen von AGB-Klauseln möglich. Es bedürfte einer individuellen Vereinbarung. Deren Anforderungen, eine wirklich individuelle Vereinbarung zu sein und nicht als AGB-Klausel qualifiziert zu werden, dürften aber sehr hoch und in der Praxis des Massengeschäftes kaum zu erfüllen sein. Zu Recht weist Bunte/Zahrte-Bunte, Teil 1, Rn. 3, darauf hin, dass „wegen des Verlusts des Rationalisierungseffektes, aber auch wegen der Notwendigkeit der Standardisierung gerade im Mengengeschäft“ das individuelle Aushandeln regelmäßig ausscheiden wird. Zudem würde der individuelle Charakter schon dann in Frage gestellt werden, wenn das Kreditinstitut in einer Vielzahl von Vereinbarungen stets die gleichen Formulierungen verwenden würde.
Stünden ihm aber auch (mehrere) Erhöhungsbeträge des § 902 zu, fragt sich, 1559 wie ein Kreditinstitut ohne Bescheinigung, die nach § 903 nur für die Erhöhungsbeträge nach § 902 vorgeschrieben ist, wenn das Konto gepfändet wurde,
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
wissen soll, welchen Freibetrag es für den Verrechnungs- und Aufrechnungsschutz zugrunde legen muss? 1560 Das wird man in der Praxis nur so lösen können, dass auch in diesem Fall der Kontoinhaber eine Bescheinigung vorzulegen hat. Tut er oder kann er das nicht, gilt ein Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot nur bis zur Höhe des Grundfreibetrages. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches Konto, das mit 1.800 € im Soll steht. Als am 1.12.2021 das PKoFoG vollständig in Kraft tritt, erscheint S bei K und beansprucht die Umwandlung in ein P-Konto, dem K nachkommt. Wegen § 850k Abs. 1 Satz 3 bucht es den Sollsaldo auf ein Zweitkonto um, damit das P-Konto ab diesem Tag im Guthaben geführt wird. S weigert sich, das auf das Zweitkonto umgebuchte Debit weiter zurückzuführen. Als S sein nächstes Gehalt i. H. v. 1.400 € erhält, behält K davon die Differenz zum Grundfreibetrag ein. S behauptet, einem Kinde zum Unterhalt verpflichtet zu sein und fordert, dass K ihm mehr Geld zur Verfügung stellt. Zu Recht? Nein, K handelt rechtskonform. Solange S K nicht durch eine Bescheinigung i. S. d. § 903 oder durch gerichtlichen Beschluss nach § 905 nachweist, dass ihm ein erhöhter Freibetrag zusteht, darf K unterstellen, dass bei S die Gutschrift seines Gehaltes als Guthaben auf seinem Pfändungsschutzkonto nur in Höhe des Grundfreibetrages nicht von der Pfändung erfasst sein würde. 1561 Der Vollstreckungsschuldner soll im Rahmen des § 901 also nicht besser als ein P-Kontoinhaber mit Pfändung gestellt werden. 1562 Das Kreditinstitut wird durch die neue Regelung im Grunde wie ein Kontopfändungsgläubiger gestellt (nur, dass es gar keiner Pfändung bedarf). Auch der hätte erst Zugriff, wenn Guthaben oberhalb des individuellen Freibetrages entstünde. Ohne Nachweis von Erhöhungsbeträgen wäre dies nur der Grundfreibetrag. Beispiel: Der alleinstehende Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein kreditorisches P-Konto (ausschließlich im Guthaben), dass derzeit gerade auch nicht gepfändet ist. Durch eine Belastung des Kontoführungsentgeltes gerät das Konto mit 5,60 € ins Soll. Der Verrechnungsschutz wird ausgelöst. Als am selben Tag ein Zahlungseingang i. H. v. 1.400 € auf dem Konto eingeht, möchte S 1.350 € abheben, K will aber gem. § 901 Abs. 1 nur eine Verfügung im Rahmen des Grundfreibetrages i. H. v. 1.260 € zulassen. Zu Recht? Nein. Zwar gilt zunächst der Verrechnungsschutz des § 901 nur im Rahmen des Grundfreibetrages (S kann als Alleinstehender keine Erhöhungsbeträge geltend machen), aber mit dem Zahlungseingang gerät das Konto wieder ins Haben. Da keine Pfändung auf dem dann wieder kreditorischen P-Konto lastet, könnte S
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
sogar über einen Betrag i. H. v. 1.394,40 € (1.400 € ./. 5,60 €) verfügen. K muss das in dieser Höhe zulassen, die Abhebung i. H. v. nur 1.350 € sowieso. Bei einem inaktiven kreditorischen P-Konto gibt es keine Verfügungsbeschränkungen über das Guthaben! Die 5,60 € für das Kontoführungsentgelt darf K verrechnen, auch im Soll zu Lasten eines Freibetragsguthabens, da dies keine Verrechnung darstellt, sondern Erfüllung vertraglicher Verpflichtung. Ansonsten wäre ein drittschuldnerisches Kreditinstitut im Ergebnis gesetzlich gezwungen, ein P-Konto kostenlos zu führen. Das kann nicht gesetzgeberischer Wille gewesen sein. Beispiel-Variante: Der alleinstehende Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches Zahlungskonto, dass derzeit gerade auch nicht gepfändet ist und mit 800 € im Soll steht. Als S verlangt, dass das Konto künftig als P-Konto geführt wird, wird der Verrechnungsschutz ist aktiviert. Als am selben Tag ein Zahlungseingang i. H. v. 1.400 € auf dem Konto eingeht, möchte S 1.260 € abheben. K will aber nur eine Verfügung über das nach Zahlungseingang noch vorhandene Guthaben i. H. v. 600 € (= –800+1.400 €) zulassen, mit dem Argument, dass der Verrechnungsschutz ja nur für ein debitorisches P-Konto gilt. Zu Recht? Nein. Zwar gilt der Verrechnungsschutz des § 901 grds. nur für ein debitorisches P-Konto, aber hier muss gedanklich die Verfügung über den Grundfreibetrag mitberücksichtigt werden. Da § 901 den Schutz über den Zahlungseingang i. H. v. 1.260 garantiert, muss S auch darüber verfügen können. K muss also nach Zahlungseingang den S über 1.260 € verfügen lassen, auch wenn das P-Konto dann rechnerisch wieder in Soll geriete (–800 € + 1.400 ./. 1.260 € = –660 €). Die 660 € muss K dann ggf. auf ein Zweitkonto umbuchen, da § 850k Abs. 1 S. 3 vorschreibt, dass P-Konten nur noch im Guthaben zu führen sind. Solange wie dieser Sollstand besteht (egal ob als Teile(unter)menge auf dem P-Konto selbst oder auf einem Zweitkonto), solange besteht auch der Verrechnungsschutz im Rahmen des § 901. Stünden S darüber hinaus auch Erhöhungsbeträge zu, einmalige oder fortlaufende, muss er auch darüber verfügen können. Aber: Beispiel: Das Zahlungskonto des Schuldners S steht mit 3.000 € im Soll. Als ein PfÜB eingeht, wandelt S sein Konto mit einem Freibetrag i. H. v. 1.600 € in ein P-Konto um. Die Erhöhungsbeträge weist S durch eine ordnungsgemäße Bescheinigung nach. Anschließend gehen 1.800 € als Gehaltseingang ein. K bucht den Sollsaldo i. H. v. 2.800 € (= –3.000 € + 1.800 € ./. 1.600 €) auf das Zweitkonto um. Das P-Konto steht nun mit 1.600 € im Haben. Hat K den richtigen Sollsaldo umgebucht? Wenn man Moratoriumsfristen einmal außen vor lässt (vgl. dazu das Beispiel in Rn. 1590), ja. Im Rahmen der Erhöhungsbeträge i. H. v. 340 € (1.600 € – 1.260 € Grundfreibetrag) muss K den S zusätzlich zum Grundfreibetrag wegen des Verrechnungsschutzes des § 901 Abs. 2 auch über die Erhöhungsbeträge verfügen lassen. 435
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
K darf sich daher nicht auf dem Standpunkt stellen, mit dem Zahlungseingang betrage der Sollsaldo nur noch 1.200 € (–3.000 € + 1.800 €), sondern wegen des § 901 Abs. 2 ist durch K zu gewährleisten, dass S über den durch seinen Freibetrag i. H. v. 1.600 € geschützten Teil aus dem Gehaltseingang (1.800 €) verfügen kann. Steht der Gehaltseingang bei Umbuchung des Sollsaldos allerdings noch nicht fest, darf K aber nicht „vorsorglich“ auch schon einen Betrag i. H. v. 1.600 € zusätzlich zum Sollsaldo auf das Zweitkonto umzubuchen, weil der Freibetrag nicht abstrakt besteht. Haftungsfalle: Erhält daher S dann nur eine Gehaltsgutschrift i. H. v. beispielsweise 1.100 €, dann kann er auch nur darüber verfügen, da nur diese Guthaben (und nicht der Freibetrag abstrakt i. H. v. 1.600 €) geschützt ist. K muss/darf also immer so viel umbuchen, dass S auf seinem P-Konto über das eingehende Guthaben – allerdings höchstens bis zur Grenze des individuellen Freibetrages – verfügen kann. 1563 Die gesetzgeberische Intention im Rahmen des § 901 ist grundsätzlich nachvollziehbar, aber durch die Regelung, dass es keiner Pfändung bedarf, wird ein Kreditinstitut den anderen Pfändungsgläubigern gegenüber in gewisser Weise benachteiligt. Denn anders als bei den anderen Gläubigern, vor denen der Schuldner mit dem P-Kontoschutz erst geschützt ist, wenn sie eine Pfändung ausgebracht haben, wird hier der Schutz vorverlagert. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches Konto, das mit 1.200 € im Soll steht. S führt sein Debit seit ein paar Monaten mit monatlich 75 € zurück. Am 1.12.2021, also sofort als das PKoFoG vollständig in Kraft tritt, erscheint S bei K und beansprucht die Umwandlung in ein P-Konto, dem K nachkommt. Wegen § 850k Abs. 1 Satz 3 bucht es den Sollsaldo auf ein Zweitkonto um, damit das P-Konto ab diesem Tag im Guthaben geführt wird. S weigert sich, das auf das Zweitkonto umgebuchte Debit weiter zurückzuführen. Zu Recht? Zunächst ja, denn solange der Sollsaldo des P-Kontos, der lediglich „technisch“ deshalb auf das Zweitkonto umgebucht wurde, weil ansonsten das P-Konto, wie aber gesetzlich im § 850k Abs. 1 Satz 3 vorgeschrieben, nicht im Haben geführt werden könnte. K darf etwaiges unpfändbares Guthaben im Rahmen des Freibetrages auf dem P-Konto nicht mit diesem Sollsaldo verrechnen. Und zwar zeitlich unbefristet. S kann damit K gewissermaßen zwingen, den Sollsaldo zu akzeptieren und ihn nur insoweit zurückzuführen, wie es pfändbare Beträge zulassen. Hat S nur unpfändbare Einkünfte, also z. B. max. 1.260 € monatlich, dann kann K davon nichts zur Verrechnung einbehalten.
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
Das bedeutet, dass der Schuldner sich seiner Schulden bei einem Kreditinstitut 1564 also schon entledigen kann, obwohl er noch keine durch Pfändungen manifestierte Zahlungsschwierigkeiten hat. Mehr noch: Er kann willkürlich den Sollsaldo jederzeit „abschütteln“. Und anders als ein Pfändungsgläubiger, der dann die Möglichkeit der Quellen- oder Pfändung anderer Vermögenswerte des Schuldners hat, sind diese dem Kreditinstitut zunächst verwehrt. Es müsste sich erst den Titel besorgen. Es liegt auf der Hand, dass sich Kreditinstitut mit Händen und Füßen dagegen wehren werden, dass der Kunde diese Regelung missbräuchlich nutzt, um seinen Sollsaldo abzuschütteln. Ein Instrumentarium dagegen könnte dann sein, häufiger auf die Vorlage einer aktuellen Bescheinigung zu bestehen. Im Rahmen des Grundfreibetrages aber, wird das nicht möglich sein. Es wird abzuwarten bleiben, wie sich die Praxis mit diesem Teil der Norm arrangiert. Die Hoffnung ist allerdings, dass sich auch dieses Missbrauchsrisiko auf einem ähnlich niedrigen Niveau bewegt, wie das auch bei der doppelten Führung von P-Konten bisher der Fall war, vgl. Rn. 2233. Ob § 901 ein größeres Missbrauchs-Potenzial hat, bleibt abzuwarten.
Es ist deshalb sogar wahrscheinlich, dass Gerichte entscheiden, dass ein Kredit- 1565 institut den umgebuchten Sollsaldo nicht unmittelbar zum Anlass nehmen kann, alleine deswegen zu kündigen. Denn ist es ja auch gehindert, den Umwandlungsanspruch von einer Rückführungsvereinbarung abhängig zu machen. Eine gesetzlich verankerte Rückführungsvereinbarung war im DiskE noch im Abs. 1 des § 901 ZPO-E vorgesehen, um diesen Nachteil der Kreditinstitute auszugleichen, vgl. Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 12 und 42. Abgesehen davon, dass er viel zu bürokratisch konzipiert war, fiel er aber am Ende den nicht ganz unberechtigten Proteststürmen der Verbraucherschutzverbände zum Opfer, die hier auch nachvollziehbare verfassungsrechtliche Bedenken sahen, vgl. Rn. 972.
Der Umwandlungsanspruch besteht unbedingt und auch die Regelung, dass das 1566 P-Konto ausschließlich auf Guthaben-Basis geführt werden muss, ist grundsätzlich bedingungslos zu erfüllen. Den Kontoinhaber also aufzufordern, das Konto auszugleichen, bevor es in 1567 ein P-Konto umgewandelt wird und wenn er das nicht leisten kann, eine Umbuchung auf ein Zweitkonto nur vorzunehmen, wenn er eine Rückführungsvereinbarung bzgl. des Debets mit dem Kreditinstitut abschließt, dürfte daher nicht zulässig sein. Ein Kreditinstitut wird beiden Verlangen daher zunächst – da gesetzliche Pflicht – nachkommen müssen und ist bzgl. der Rückführung darauf angewiesen, dass auf dem P-Konto des Kontoinhabers pfändungsfreies Guthaben entsteht, das es dann verrechnen kann. § 850k Abs. 1 Satz 3 richtet sich wohl auch an den Kontoinhaber; das Zweikontenmodell ist sogar explizit als Modell in der Gesetzesbegründung erwähnt, so dass auch den Kontoinhaber mindestens
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto eine Mitwirkungspflicht, jedenfalls aber eine Pflicht trifft, nicht destruktiv zu sein, erst recht das Kreditinstitut nicht über das im Rahmen des § 901 hinzunehmende, hinausgehende Maß zu schädigen. Das bedeutet zumindest, dass er bei einem Kreditinstitut, das das vom Gesetzgeber vorgesehene Zwei-Konten-Modell anbietet, an der Errichtung des Zweitkontos mitwirken muss. Aber das ist strittig, vgl. auch Rn. 996, 1004 und 1172.
1568 Wirkt der Schuldner nicht mit, jedenfalls aber verweigert er nachhaltig die Rückführung des Debets, dann liefert er aber am Ende natürlich einen außerordentlichen Kündigungsgrund, jedenfalls für die offene Forderung, wohl aber nicht für die Kündigung seines P-Kontos, da er insoweit nur seinen gesetzlichen Anspruch wahrnimmt. Gegen einen nur destruktiven Schuldner, der sich z. B. weigert, eine Unterschrift unter den Eröffnungsantrag eines Zweitkonto zu setzen oder der sich zunächst weigert, einer Rückführung des Debetsaldos zuzustimmen, helfen zunächst wohl keine Mittel. Erst wenn die Rückführung nachhaltig verweigert wird, wird das Kreditinstitut nicht umhin kommen, und dies auch dürfen, die Forderung – wenn nicht bereits fällig – durch Kündigung fällig zu stellen, sie – um eine Verjährung zu verhindern – zu titulieren und dann auf dem üblichen Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben.
Haftungsfalle: Zwangseröffnung Zweitkonto 1569 Ob dann eine Zwangseröffnung eines neuen Zahlungs-Zweitkontos ohne Unterschrift des Kunden möglich ist, ist strittig. 1570 Wenn dem Kreditinstitut allerdings technisch nichts anderes übrig bleibt als die „Positivstellung des P-Kontos“ durch Umbuchung des Sollsaldos auf dem (künftigen) P-Konto zu gewährleisten, der Kunde aber die Mitwirkung verweigert, muss es zulässig sein. Dann kann das Zweitkonto aber nicht für den (normalen) Zahlungsverkehr des Kunden zugelassen werden, sondern nur als reines Abwicklungskonto fungieren (= Rückführung des Sollsaldos plus Belastung der Sollzinsen). 1571 Bei einem selbstständigen Unterkonto, die bei einem sog. Stammnummernsystem gebildet werden können, z. B. für weitere Zahlungs- oder Spar-, Tagesgeld- oder Festgeldkonten, gilt grundsätzlich nichts anderes. Eine Ausnahme vom Mitwirkungserfordernis des Kunden gilt lediglich für unselbstständigen Unterkonten, wenn sichergestellt ist, dass das Geld wieder auf das ursprüngliche Konto zurückfließt und keine direkte Verfügungsmöglichkeit über das Unterkonto besteht, vgl. Herzog/Achtelik-Figura, GwG, § 10 Rn. 16. Falls technisch machbar, wäre es ebenso möglich, wenn es innerhalb eines Zahlungskontos, unterschiedliche „Kontotöpfe“ (Teilmengen) geführt werden, z. B. der Topf I für die Zahlungsverkehr des kreditorischen P-Kontos und der Topf II für den „ausgebuchten“ Sollsaldo, um den Topf I kreditorisch führen und korrekt disponieren zu können. Die Informationspflichten des § 908 Abs. 2 wären allerdings vom drittschuldnerische Kreditinstitut auch dann einzuhalten.
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901 Problematisch könnte aber sein, dass dann der Kunde wohl stets einen „unrichtigen“ Kontostand auf seinen Kontoauszügen angezeigt bekäme, nämlich einen debitorischen, obwohl er im Rahmen seiner Freibeträge über noch vorhandenes Guthaben, dass sich durch den Verrechnungsschutz ergäbe, verfügen könnte. Diese „Irreführung“ könnte trotz der gem. § 908 Abs. 2 Nr. 1 notwendigen Anzeige über das im laufenden Kalendermonat noch verfügbare, von der Pfändung nicht erfasste Guthaben ggf. dazu führen, dass bei dem P-Kontoinhaber der irrtümliche Eindruck entsteht, derzeit keine Verfügungen vornehmen zu können. Insofern dürfte – wenn die „richtige“ Anzeige nicht anders lösbar wäre – das ZweiKonten-Modell die unproblematischere und vorzugswürdigere Variante sein.
Für ein echtes Zahlungs- oder selbstständiges Unterkonto gilt das nicht, 1572 denn auch bei diesen muss der der wirtschaftlich Berechtigte nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 Nr. 2 GwG bei der Eröffnung von Unterkonten abgeklärt und im Zweifel durch Unterschrift bestätigt werden. Zudem wird das Zweitkonto im Zweifel auch Kontoführungsentgelte auslösen. Das ist nicht ohne Mitwirkung des Kunden möglich. Selbstverständlich muss ein Kreditinstitut – wie jeder andere Gläubiger auch – 1573 es nicht hinnehmen, dass für seine schon erbrachte Leistung – hier die Zurverfügungstellung eines Kredites – die Gegenleistung – hier die Tilgung des Kredites inkl. Zinsen – auf Dauer nicht erbracht wird. Das umfasst aber dann zumeist nicht notwendigerweise zugleich auch die Kündigung des P-Kontos, sondern nur die fällige Forderung oder den Rest der Geschäftsverbindung, vgl. zu Kündigungsmöglichkeiten Kapitel XV Rn. 2908 ff. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein Kreditinstitut nicht zu einer zeitlich unbegrenzten Kreditvergabe verpflichtet werden kann, vgl. so jedenfalls noch die Argumentation im DiskE, S. 43; dass eine gekündigte und dann titulierte Forderung trotzdem ggf. über Jahre hinweg nicht beigetrieben werden kann, weil der Schuldner nur von unpfändbaren Bezügen lebt, kann keinesfalls die Rechtfertigung dafür sein, eine zeitlich unbegrenzte Kreditvergabe dulden zu müssen.
Kann sich der Schuldner nicht nachhaltig entschulden, dann ist nur das Verbraucherinsolvenzverfahren mit geregelten Pflichten und Rechten für alle Beteiligten das richtige Instrumentarium. Das kann natürlich auch das Kreditinstitut auslösen; die geübte Praxis, das eher nicht zu tun, sondern anderen zu überlassen, mag nun vielleicht überdacht werden.
Neben der Frage, ob die ausstellenden Stellen auch für diese Konstellation eine 1574 Bescheinigung für Erhöhungsbetrage ausstellen müssen – der Anspruch auf Ausstellung gilt eigentlich nur im Rahmen des § 903 bei einer Pfändung – stellt sich auch die Frage, ob dann, wenn der Schuldner eine Bescheinigung nicht erhalten kann, die Vollstreckungsgerichte dafür ersatzweise Beschlüsse i. S. d. § 905 fassen oder für erhöhte Freibeträge i. S. d. § 906 aufgrund höheren Einkommens. 439
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1575 Eine analoge Zuständigkeit, eine Bescheinigung auch im Rahmen des § 901 auszustellen, wird man für die ausstellenden Stellen eindeutiger bejahen können. Die Situation – drohender Entzug des Existenzminimums – ist für den Schuldner vergleichbar. 1576 Ob allerdings Vollstreckungsgerichte sich berufen fühlen, ersatzweise tätig zu werden, wenn keine Bescheinigung zu erhalten ist, darf bezweifelt werden. 1577 Denn auch hier setzen die Regelungen eigentlich voraus, dass eine Pfändung vorliegt. Die Gerichte heißen nicht ohne Grund „Vollstreckungs-Gerichte“, nicht etwa „Aufrechnungsverbots-Durchsetzungs-Gerichte“. Da keine Vollstreckung vorliegt, werden sich die Vollstreckungsgerichte zunächst im Zweifel für nicht zuständig erklären und die Prognose „was wäre, wenn“ auf andere verlagern wollen. 1578 Dem ist zu widersprechen. Daher muss es hier eine analoge Anwendung der §§ 902 ff. geben; ob die Vollstreckungs- oder Prozessgerichte, kann hier offen bleiben; mindestens aber die Prozessgerichte müssen – diese ohne Ermessen wie bei einer vorliegenden Pfändung auch – tätig werden, da der P-Kontoinhaber eine Bescheinigung braucht auch wenn er diese nicht für alle Erhöhungsbeträge erhalten kann. Dann muss das ersatzweise im Rahmen einer gerichtlichen Festsetzung geschehen. Nach Ansicht des Autors müssen dafür aber die Vollstreckungsgerichte „analog“, nicht die Prozessgerichte zuständig sein, zumal es um die Anwendung der Regelungen des Buches 8, Abschnitt 4, der ZPO geht. Im 8. Buch geht es um die „Zwangsvollstreckung“ (§§ 704 – 959). Es wird aber zwangsläufig abzuwarten sein, wie die Praxis das löst; nicht ausgeschlossen ist, sollte sich ein Problem ergeben, dass auch der Gesetzgeber nochmals nachbessern muss.
Auch hinter dem § 901 steht der gesetzgeberische Wille, dem P-Kontoinhaber das individuell notwendige Existenzminimum zu erhalten. Eine ersatzweise Festsetzung eines niedrigeren Betrages für einen Unterhaltsgläubiger gem. § 850d kann allerdings in diesem Zusammenhang (noch) nicht in Betracht kommen. Das wäre tatsächlich der Vollstreckungssituation vorbehalten. Auch weil natürlich ein Kreditinstitut in der Regel nicht den privilegierten Zugriff auf Guthaben für sich beanspruchen könnte, allenfalls bei der Zusammenrechnung nach §§ 906 i. V. m. 850e oder auch wenn es Inhaberin einer titulierten Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung, z. B. resultierend aus einem Kreditbetrug, wäre, § 850f Abs. 2. Ob solche Konstellationen tatsächlich nicht zu berücksichtigen wären, ist aber auch unklar; immerhin sollte eigentlich ein Kreditinstitut nur einem pfändenden Gläubiger gleich, nicht aber schlechter gestellt werden.
1579 Dass die Erhöhungsbeträge zum Tragen kommen, dürfte dagegen klar sein, weil für die Prognose, „soweit die Gutschrift auf dem Zahlungskonto als Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto nicht von der Pfändung erfasst sein würde“ auf jeden Fall diese Beträge umfassen. 440
4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
Dass auch niedrigere Freibeträge festgesetzt werden müssten, dürfte aber 1580 zunächst daran scheitern, dass es eines entsprechenden titulierten Anspruches, der durch Pfändung vollstreckt wird, bedarf, der die unerlaubte Handlung durch ein Gericht festgestellt hat, nicht nur durch die reine Behauptung des Gläubigers. Vollstreckungsgerichte werden sicherlich allerdings dann, wenn der Schuldner 1581 vorträgt, von einer Familienkasse, einem Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung keine Bescheinigung erhalten zu haben, um den Verrechnungsschutz nach § 901 Abs. 1 in der richtigen Höhe zu erhalten, den Schuldner zunächst abweisen. Argument der Vollstreckungsgerichte wird sein, dass diese Stellen nach § 903 Abs. 3 gesetzlich verpflichtet sind, (ihre) Erhöhungsbeträge zu bescheinigen. Diese Erwartung besteht natürlich nicht ganz zu Unrecht, denn grundsätzlich 1582 darf man von öffentlichen Trägern ein rechtskonformes Verhalten erwarten. Das Problem ist nur, dass im § 901 nicht explizit geregelt ist, dass dann die §§ 902, 903 anzuwenden sind. Woran aber nach Ansicht des Autors kein Zweifel bestehen kann, denn wenn es eines Nachweises für Erhöhungsbeträge bedarf, ist das – mit Ausnahme des § 23 EGZPO im Rahmen des AufbauHilfeG 2021 für staatliche Fluthilfen – nur durch eine Bescheinigung oder eben (ersatzweise) einen gerichtlichen Beschluss möglich. Dass das Recht auf eine Bescheinigung von einem Antrag des Kontoinhabers und Leistungsbeziehers abhängig ist, ist allerdings natürlich kein Grund, ersatzweise Vollstreckungsgerichte zu bemühen. Auch wenn anfänglich die Neuregelungen nicht jedem Kontoinhaber geläufig sein werden, muss er diese dadurch entstehende Verzögerung hinnehmen, wenn er keinen Antrag gestellt hat und die gewährenden Stellen deshalb zunächst keine Bescheinigung ausgestellt haben.
Im Übrigen ist zu befürchten, dass dies als Argument auch im Rahmen des 1583 § 905 von den Vollstreckungsgerichten angeführt wird. Im Rahmen des § 904 Abs. 3 dagegen ist ein Verweis auf die bescheinigenden Stellen unzulässig, weil es dort um Nachzahlungen geht, die einen Betrag i. H. v. 500 € übersteigen. Diese Festsetzung ist explizit und ausschließlich den Vollstreckungsgerichten zugewiesen. Entsprechende Versuche trotzdem nicht tätig werden zu müssen, gibt es aber offensichtlich – zumindest zu Beginn der PKoFoG-Reform – immer mal wieder.
Diesen gesetzlichen Anspruch durchzusetzen, werden die Vollstreckungsgerichte daher dem Schuldner „nahelegen“ und zunächst nicht tätig werden. Hier werden die Verantwortlich- bzw. Zuständigkeiten wieder gegenseitig hin und her geschoben werden. Das Problem wird von der Dimension her zwar nicht mit dem „Dilemma Debet“, siehe Rn. 1533, vergleichbar sein, weil es hoffentlich nicht annähernd so viele Fälle geben wird. Dass es aber solche Fälle geben wird,
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto insbesondere da Arbeitgeber und Schuldnerberatungsstellen (diese meist aus Überlastung) nicht immer Bescheinigungen ausstellen können und werden, auch weil sie weiterhin nach dem Gesetz dazu nicht verpflichtet sind, ist offensichtlich.
1584 Nach Überzeugung des Autors müssen die Vollstreckungsgerichte aber auch in diesen Fällen tätig werden und einen Freibetrag festsetzen. 1585 Ansonsten liefe der vom Gesetzgeber gewollte Schutz des § 901 unter Umständen leer bzw. wäre immer nur auf den Grundfreibetrag beschränkt. 1586 Hier werden in der Praxis daher Probleme auftauchen, wenn es wieder zu einer Verweigerungshaltung der bescheinigenden Stellen, insbesondere aber der Vollstreckungsgerichte kommt. Auch – bzw. insbesondere – drittschuldnerische Kreditinstitute wird man daher versuchen, in die Pflicht zu nehmen; dann müssen sich diese wehren. Drittschuldnerische Kreditinstitute können nicht – und müssen auch nicht, auch nicht im Rahmen des § 901 – selbst den Freibetrag errechnen und festsetzen. Dazu sind sie weder in der Lage noch hätten sie Einblick in die Einkommensverhältnisse des Kunden; sie könnten auch gar nicht durchsetzen, dass der Schuldner bzw. debitorische Kontoinhaber dies offenlegt. Dazu haben drittschuldnerische Kreditinstitute keine gesetzliche Handhabe. Daher dürfen sie sie – über den Grundfreibetrag hinaus – keinen Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz für Erhöhungsbeträge gewähren und müssen damit möglichst zügig obergerichtliche Entscheidungen herbeiführen; von den unterinstanzlichen Gerichten bzw. Rechtspfleger:innen, befürchtet der Autor, dürfte dagegen zunächst nur in wenigen Fällen Hilfe zu erwarten sein. Man wird daher die weiteren Instanzen bemühen müssen. 1587 Es bestehen aber auch noch weitere Fragestellungen zur Verrechnung. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein kreditorisches P-Konto (ausschließlich im Guthaben), dass derzeit gerade auch nicht gepfändet ist (sog. inaktives P-Konto). Durch eine Belastung des Kontoführungsentgeltes gerät das Konto mit 5,60 € ins Soll. Der Verrechnungsschutz wird ausgelöst. Als drei Tage später ein Zahlungseingang i. H. v. 1.400 € auf dem Konto eingeht, möchte S die gesamten 1.400 € abheben. Zu Recht? Nein, denn das Kontoführungsentgelt darf K verrechnen, das S insoweit nur vertragliche Verpflichtungen erfüllt. K darf S aber selbstverständlich nicht nur über den Grundfreibetrag, also einen Betrag i. H. v. 1.260 €, sondern muss ihn über 1.394,40 € (1.400 ./. 5,60 €) verfügen lassen. Denn nach dem Ausgleich des Betrages i. H. v. 5,60 €, auch wenn das erst drei Tage später geschehen ist und es des Verrechnungsschutzes nicht bedurfte hätte, ist das P-Konto wieder kreditorisch geführt und ohne Pfändung, so dass der Verrechnungsschutz nicht mehr notwendig ist und auch nicht mehr zu Lasten des Schuldners (Verfügungen nur im Rahmen der Freibeträge) angewendet werden darf. Auch bei ein stets kreditorisch geführtem
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
P-Konto, das nicht gepfändet ist (sog. inaktives P-Konto) darf der Kontoinhaber über sämtliche Guthaben verfügen. Im Übrigen ist zwar der Anspruch aus einer Gutschrift nach § 675t BGB 1588 grundsätzlich „unverzüglich“ dem Kontoinhaber verfügbar zu machen, da es sich um ein abstraktes Schuldversprechen i. S. v. §§ 780, 781 BGB handelt, aber bei einem Pfändungsschutzkonto gilt das nur unter Vorbehalt, also nicht unbedingt, vgl. Rn. 2031. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein kreditorisches P-Konto (ausschließlich im Guthaben), dass derzeit gerade auch nicht gepfändet ist (sog. inaktives P-Konto). Durch eine Belastung gerät das Konto mit 500 € ins Soll. a) Im weiteren Tagesverlauf gehen Habeneingänge ein, die den Sollsaldo ausgleichen. b) Variante: Im weiteren Tagesverlauf gehen keine oder für den Ausgleich des Sollsaldo nicht ausreichende Habeneingänge ein (Sollsaldo besteht über den Buchungstag hinaus weiterhin). Wird der Verrechnungsschutz ausgelöst? In der Variante a) nicht, da die Aktivierung des Verrechnungsschutzes Buchungstag bezogen erfolgen darf. Einem P-Konto-Inhaber steht ein Anspruch gegen sein Kreditinstitut, dass Gutschriften, die auf den ihm ausgehändigten Kontoauszügen unter einem bestimmten Datum gebucht sind, nicht stets am selben Tag (unverzüglich) zu. In diesem Fall darf und muss das Kreditinstitut IT-gestützt – auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten (Nachtverarbeitung) – nur einmal am Tag für alle Pfändungsschutzkonten prüfen, ob dieses Guthaben die Pfändungsfreigrenzen des Kunden nicht überschreitet und wem demgemäß dieser Guthabenbetrag zur Verfügung zu stellen ist (AG Nienburg, Urt. v. 17.10.2012 – 6 C 458/12, BeckRS 2012, 214818). Das bedeutet aber auch, dass der Saldostand „debitorisch“ i. S. d. § 901 erst erreicht ist, wenn alle Buchungen desselben Buchungstages saldiert worden sind. Ansonsten würde auch ein untertägiges ständiges „Hin- und Herwechseln“ zwischen aktiviertem und deaktiviertem Verrechnungsschutzes die Folge sein, was dem Schuldner nicht dienlich wäre, einmal abgesehen vom Aufwand für das drittschuldnerische Kreditinstitut. Bei der Variante b) ist der Saldostand „debitorisch“ i. S. d. § 901 aber erreicht, so dass das Konto als debitorisch i. S. d. § 901 gilt und der Verrechnungsschutz ausgelöst wird. Problematisch ist es auch, den Verrechnungsschutz im Rahmen der Freibeträge 1589 nur im Rahmen des § 901 zu betrachten, also stets anzunehmen, dass oberhalb der Freibeträge immer eine Verrechnung zulässig wäre.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches P-Konto, dass nicht gepfändet ist (sog. inaktives P-Konto). Als K die Insolvenzeröffnung zugestellt wird, „sperrt“ es das Konto und lässt S nur noch im Rahmen seines Grundfreibetrages i. H. v. 1.260 € verfügen. Als 1.400 € Gehalt eingehen, will es den Restbetrag i. H. v. 140 € mit den eigenen Forderungen verrechnen. Zu Recht? Nein, denn das ginge zwar nach den Vorschriften der ZPO, hier des § 901, aber nicht nach der InsO. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt das bestehende Kontokorrentverhältnis und die Kontokorrentabrede endet wegen der Sperrwirkung des § 91 InsO (vgl. Obermüller, Rn. 2.105). K darf daher das Restguthaben nicht mehr mit eigenen Forderungen verrechnen, sondern muss es in diesem Fall an die Insolvenzmasse abführen. 1590 Und schließlich ist noch unklar, ob Guthaben oberhalb der Freibeträge sofort verrechnet werden dürfen oder auch hier die Moratorien zu beachten sind. § 901 Abs. 1 regelt das nicht. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches Zahlungskonto, dass nicht gepfändet ist. Es steht mit 2.000 € im Soll. Als am 15.12. 1.400 € Gehalt eingehen, verlangt S die Umwandlung in ein P-Konto. K kommt den nach und löst den Verrechnungsschutz i. H. d. Grundfreibetrages von 1.260 € aus. K will den Restbetrag i. H. v. 140 € unverzüglich mit seinen eigenen Forderungen verrechnen. Zu Recht? Nein, denn auch hier wäre das Moratorium des § 835 Abs. 3 (bei einem Nichtoder Noch-Nicht-P-Konto) bzw. § 900 Abs. 1 Satz 1 (bei einem P-Konto) von einem Monat zu beachten. Erst nach Ablauf wäre eine Verrechnung möglich. Denn der Kontoinhaber soll gegenüber seinem Kreditinstitut denselben Schutz genießen, den er gegenüber einem Pfändungsgläubiger hätte. Die Verrechnung wäre daher erst ab 16.1.2022 möglich. Diese analoge Anwendung ist auch deshalb richtig, weil S innerhalb des einen Monats z. B. auch noch die Möglichkeit haben muss, eine Bescheinigung über Erhöhungsbeträge vorlegen zu können. Für künftige Zahlungseingänge würde dann das Moratorium des § 900 anzuwenden sein, da es sich nun um ein P-Konto handelt. b) Verbot der Aufrechnung und Verrechnung ab Kenntnis der Kontopfändung 1591 Nach Abs. 2 des § 901 gilt das Verbot der Aufrechnung und Verrechnung nach Abs. 1 natürlich auch, wenn das debitorische Zahlungskonto gepfändet ist. Auch hier aber ist zu beachten, dass das Verbot bereits ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Kreditinstituts von der Pfändung gilt, also ab Zustellung, nicht erst ab dem Zeitpunkt zu dem das Zahlungskonto dann tatsächlich in ein P-Konto umgewandelt ist.
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4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901 Auch hier kann es zu der eigentlich nicht gewollten Situation, siehe oben Rn. 1547, kommen, dass zumindest für eine kurze Zeit das Verbot der Aufrechnung und Verrechnung zu beachten wäre, obwohl der Kunde bei einem anderen Kreditinstitut möglicherweise schon ein P-Konto unterhält. Insoweit ist aber auch § 901 Abs. 2 teleologisch reduziert auszulegen; es ist dem Kreditinstitut erlaubt, sich vor Verfügungen des Schuldners über die verrechnungsgeschützten Beträge zu vergewissern, dass der Kontoinhaber nicht bereits bei einem anderen Kreditinstitut ein P-Konto unterhält.
Das gilt umso mehr, als nach Satz 2 geregelt ist, dass das Verbot der Aufrech- 1592 nung oder Verrechnung dann wieder endet, wenn der Schuldner nicht vor Ablauf von einem Monat seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner verlangt, dass das Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Auch hier besteht wieder das Verweisungsproblem auf die Frist „nicht vor Ablauf von einem Monat“ oder „nicht vor Ablauf von einem Monat seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses“, vgl. Rn. 1251.
c) Pfändungsschutz von Guthaben des § 901 § 901 Abs. 3 regelt schließlich den Pfändungsschutz für Guthaben, das dem 1593 Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot unterliegt. Es heißt dort, dass Gutschriften auf dem Zahlungskonto, die nach Abs. 1 oder 2 dem Verbot der Aufrechnung und Verrechnung unterliegen, als Guthaben auf das Pfändungsschutzkonto zu übertragen sind. Offensichtlich hatte der Gesetzgeber die Vorstellung, dass auf dem gepfändetem debitorischen Zahlungskonto das Debet belassen wird und ein neues kreditorisches P-Konto eingerichtet wird, auf das dann die noch auf dem debitorischen Zahlungskonto eingehenden Gutschriften zu übertragen wären, vgl. Rn. 988. In der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 37 ist einerseits zu lesen, dass im Falle des Absatzes 1 Gutschriften als Guthaben auf das P-Konto, dessen Einrichtung der Inhaber des Zahlungskontos bereits verlangt hat, zu übertragen sind, während in Abs. 1 Satz 1 die Rede von Umwandlung ist („Verlangt eine natürliche Person von dem Kreditinstitut, dass ein von ihr dort geführtes Zahlungskonto, das einen negativen Saldo aufweist, als Pfändungsschutzkonto geführt wird, …“).
Der Regelfall in der Praxis des Zweikontenmodells ist aber das genau umge- 1594 kehrte, den Interessen des Kontoinhabers eher entgegenkommende, pragmatischere Modell: Das Debet wird auf das zu eröffnende Zweitkonto übertragen, während das ursprünglich debitorische, durch den Übertrag auf das Zweitkonto nun kreditorische Zahlungskonto in ein P-Konto umgewandelt wird. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass der Kontoinhaber keine Änderung seiner Daueraufträge und Zahlungseinzüge veranlassen und den Zahlungspflichtigen, wie dem Arbeitgeber oder Sozialleistungsträgern, keine neue Kontonummer mitteilen muss, so dass sein Zahlungsverkehr keine Beeinträch445
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
tigung erfährt. Und es verursacht auch für das Kreditinstitut deutlich weniger Aufwand. Den großen, zusätzlichen Erfüllungsaufwand bei der Kontoneuanlage und der Debet-Übertragung im Rahmen des § 901 hat der Gesetzgeber im Übrigen völlig unterschlagen. Bisweilen benötigen insbesondere öffentliche Stellen auch mehr als einen Monat Vorlauf, um Zahlungsflüsse zu verändern, z. B. weist das Bundesverwaltungsamt auf seiner Homepage zum Vordruck „Änderungsmitteilung“ selbst auf Folgendes hin: „Bitte beachten Sie, dass auf Grund abrechnungstechnischer Besonderheiten (bzw. systembedingter Voreinstellungen) für ein Wirksamwerden Ihrer Änderung bis zu zwei Zahlungsmonate vergehen können. Dies sollten Sie insbesondere bei der Änderung Ihrer Bankverbindung berücksichtigen und die alte Bankverbindung erst dann auflösen, wenn Ihre Bezüge erstmalig auf dem neuen Konto eingegangen sind.“
1595 Insofern müssen die Gutschriften gar nicht im engeren Sinne übertragen werden. Der Begriff übertragen ist daher nicht im Wortsinne gemeint, sondern meint, dass im Ergebnis dem Kontoinhaber die Gutschriften, auch die im Falle der Konstellation des Absatzes 2 (und nur im Rahmen seines Freibetrages) auf dem P-Konto zur Verfügung gestellt werden müssen. Nochmals wird dann klargestellt, dass diese Übertragung im Fall des Absatzes 2 nur erfolgen muss, wenn der Schuldner gem. § 899 Abs. 1 Satz 2 verlangt, dass das Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Auch hier bleibt unklar, ob die Verweisung auf die Frist in Abs. 1 „nicht vor Ablauf von einem Monat“ oder „nicht vor Ablauf von einem Monat seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses“ gemeint ist.
Das alles ist also gesetzestechnisch etwas holprig formuliert. 1596 Zusammenfassend kann man daher sagen, dass § 901, wenn der Kontoinhaber ein debitorisches Zahlungskonto führt, ein Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot anordnet, ab dem Zeitpunkt ab dem er verlangt, dass sein debitorisches Zahlungskonto als P-Konto geführt (oder eine Pfändung zugestellt wird). In diesem Falle sind dem Kontoinhaber die Gutschriften bis zur Höhe seines individuellen Freibetrages, den er bzgl. der Erhöhungsbeträge seinem Kreditinstitut gegenüber ebenfalls mit einer Bescheinigung i. S. d. § 903 nachweisen muss, zu belassen und auf dem P-Konto spätestens dann auch zur Verfügung zu stellen, wenn feststeht, dass der Kontoinhaber zulässigerweise – also ohne bereits bei einem anderen Kreditinstitut ein P Konto zu unterhalten – es verlangen dürfte. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein debitorisches Konto, das mit 1.200 € im Soll steht. Als am 1.12.2021 das PKoFoG vollständig in Kraft tritt erscheint S bei K und beansprucht die Umwandlung in ein P-Konto, dem K nachkommt. Wegen § 850k Abs. 1 Satz 3 bucht es den Sollsaldo auf ein Zweitkonto um, damit das P-Konto ab diesem Tag im Guthaben geführt wird. 446
4. Verbot der Aufrechnung und Verrechnung, § 901
d) Sonderfragen/Übergangsrecht Wenn nach dem 1.12.2021 ein P-Konto – auch ohne Pfändung (sog. inaktive 1597 P-Konten) – vorhanden ist und dieses entgegen § 850k Abs. 1 Satz 3 ins Soll gerät, greift mit dieser (ersten) Sollbuchung der Verrechnungsschutz automatisch. Deshalb ist den Kreditinstituten und Kunden zu empfehlen, inaktive P-Konten, die nicht mit einer Pfändung oder Insolvenz belegt sind und bei denen diese auch nicht (mehr) drohen, wieder in ein herkömmliches Zahlungskonto umzuwandeln, um sich die volle Dispositionsfreiheit zu erhalten, also auch einmal kurzfristige (Bagatell-) Überziehungen zulassen zu können. Auf die Einhaltung der Umwandlungsfrist von mindestens vier Geschäftstagen zum Monatsende, § 850k Abs. 5 Satz 1 wird das Kreditinstitut dann zumeist verzichten und die Rückumwandlung untermonatlich zulassen, da hier mangels vorliegender Pfändung/Insolvenz auch keine schützenswerten Gläubigerinteressen tangiert sind. Einen Anspruch auf Verzicht der Einhaltung dieser Frist im Falle eines inaktiven Kontos hat der Kontoinhaber aber gegen sein Kreditinstitut nicht.
Ist ein P-Konto durch einen Beschluss nach § 850l a. F./§ 907 zum Zeitpunkt 1598 des Inkrafttretens des PKoFoG am 1.12.2021 als befristet unpfändbar gestellt worden, gilt die Befristung bis zum vom Vollstreckungsgericht festgesetzten Ablauf fort. Die befristete Unpfändbarkeit berührt insoweit auch nicht einen etwaigen Verrechnungsschutz nach § 901 oder die mit dem Kreditinstitut vereinbarte Rückführung des Sollsaldos. Beide Schutzmechanismen haben unterschiedliche, sich aber nicht ausschließende Zielrichtungen. Während die befristete Unpfändbarkeit vor unnützen, weil nicht Erfolg versprechenden, weiteren Pfändungen das Konto schützen soll, schützt § 901 ganz konkret die unpfändbaren Zahlungseingänge auf einem P-Konto vor Aufrechnung oder Verrechnung. Eine gleichwohl getroffene Rückführungsvereinbarung zwischen dem konto- 1599 führenden Kreditinstitut und dem Kontoinhaber, auch zu Lasten dieser unpfändbaren Beträge, stellt insoweit aber keine „Verrechnung“ i. S. d. § 901 dar, sondern die Ausführung eines Auftrags bzw. Erfüllung einer vertraglichen Pflicht, die zulässig wäre. Die könnte der Kunde aber kündigen, wenn er nicht mehr damit einverstanden wäre, so dass dann der Verrechnungsschutz auf dem P-Konto wieder zu gewähren wäre. Dieser Verrechnungsschutz gilt auch nicht nur für den – ggf. auf ein Zweit- 1600 konto ausgebuchten – Sollsaldo aus dem ursprünglich debitorischen P-Konto, sondern auch für andere „Forderungen des Kreditinstituts“. Und er besteht so lange, wie der ausgebuchte Sollsaldo und/oder andere Forderungen des Kreditinstituts, die grundsätzlich zur Verrechnung geeignet wären, nicht zurückgeführt sind. Für den Verrechnungsschutz spielt es dabei auch keine Rolle, ob das P-Konto gepfändet ist oder nicht oder ob später eine Pfändung hinzukommt oder sich (wieder) – aus welchen Gründen auch immer – erledigt.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1601 Wenn ein P-Konto – mangels Pfändung – vor dem 1.12. wieder in ein herkömmliches Girokonto umgewandelt wurde, muss der Kunde, um den Verrechnungsschutz dann ab 1.12.2021 genießen zu können, wieder eine Umwandlung seines Zahlungskontos in ein P-Konto verlangen. Diesen Anspruch auf Umwandlung kann er gem. § 850k Abs. 1 Satz „jederzeit“ – auch erneut – geltend machen. 1602 Ist das Konto dann wieder P-Konto, greift sowohl § 850k Abs. 1 Satz 3 (ausschließlich auf Guthabenbasis zu führen) als auch der Verrechnungsschutz des § 901, wenn das P-Konto debitorisch ist oder andere (fällige und damit sofort aufrechnungsfähige) Forderungen – z. B. aus einem rückständigen oder vollständig fälligen Darlehen – bestehen. 1603 Unklar ist, wie zu verfahren ist, wenn eine Lastschrift den Verrechnungsschutz auslöst, die anschließende Rücklastschrift dann aber als neue Gutschrift gilt. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein kreditorisches P-Konto, das auf null steht. Durch die Belastung mit einer Lastschrift i. H. v. 100 € gerät das Konto kurzzeitig ins Soll und der Verrechnungsschutz wird ausgelöst. Durch die erst einen Tag spätere Nicht-Einlösung der Lastschrift mangels Kontodeckung („mangels Masse“) und der Wiedergutschrift des Betrages steht das Konto wieder auf null. S verlangt von K nun die Auszahlung der wieder gutgeschriebenen 100 €, da diese ja durch den Schutz des § 901 Abs. 1 vor Verrechnung im Rahmen des Freibetrages, denn S noch nicht ausgeschöpft hat, geschützt sind. K verweigert dies mit dem Hinweis, dass es sich lediglich um eine Rückgängigmachung der Lastschriftbelastung handelt. Zu Recht? Ja. Bei nicht ausreichendem Guthaben bzw. zur Verfügung stehender Kreditlinie wird die Lastschrift regelmäßig aus technischen Gründen zunächst dem Konto des Zahlers belastet. Als eingelöst gilt die Lastschrift im Verhältnis zwischen Zahlstelle (hier K) und Zahler ( hier S) aber erst, wenn die Belastungsbuchung nicht rückgängig gemacht wurde. Nach den Bedingungen für den Lastschriftverkehr, Nr. 2.4.1 der SEPA-Lastschriftbedingungen, heißt es dazu: „Eine Kontobelastung erfolgt nicht oder wird spätestens am dritten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht, wenn … der Kunde über kein für die Einlösung der Lastschrift ausreichendes Guthaben auf seinem Konto oder über keinen ausreichenden Kredit verfügt (fehlende Kontodeckung); Teileinlösungen nimmt die Bank nicht vor.“ 1604 Insofern ist jedenfalls die Rückgängigmachung einer Lastschrift (Wiedergutschrift) mangels Kontodeckung keine dem Verrechnungsschutz unterliegende Gutschrift i. S. d. § 901.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 Der Grundfreibetrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 auf dem P-Konto besteht mit 1605 Eingang einer Kontopfändung automatisch, ohne weiteres Zutun des P-Kontoinhabers. Wie gesehen, greift der Grundfreibetrag auch im Rahmen des Verrechnungs- und Ausrechnungsschutzes des § 901, wenn der Kontoinhaber verlangt, dass sein debitorisches Konto künftig als P-Konto geführt wird.
Gewährt der Schuldner jedoch z. B. Personen Unterhalt, zu dem er „gesetzlich 1606 verpflichtet“ ist, kann er gem. § 902 durch entsprechende, in § 903 normierte Nachweise (sog. Bescheinigung, siehe dazu Musterbescheinigung Anhang 4), eine Erhöhung des Grundfreibetrages erreichen, um den Unterhalt der vom ihm abhängigen Personen sicherzustellen. In § 902 hat der Gesetzgeber die (bescheinigbaren) Tatbestände zur Erhöhung 1607 des Grundfreibetrages zusammengefasst. Das Gesetz spricht nun von Erhöhungsbeträgen. Die Erhöhungen des automatisch geschützten Grundfreibetrages bilden die sog. Stufe 2 des Kontopfändungsschutzes. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 37.
§ 902 übernimmt dabei die Grundkonzeption des bisherigen § 850k Abs. 2 1608 a. F., zählt aber weitere und auch bisher noch nicht pfändungsgeschützte Geldleistungen auf, die nun durch eine Bescheinigung geschützt werden können. Neu sind z. B. Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die der Schuldner für sich erhält, § 902 Nr. 4, oder für Dritte, § 902 Nr. 1c entgegennimmt. Durch die Formulierung nicht erfasst in § 902 Satz 1, wird deutlich, dass neben 1609 dem pfändungsfreien Betrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 auch die dort nachfolgend aufgeführten Erhöhungsbeträge bereits alleine aufgrund ihrer Eigenschaft i. S. d. § 902, nicht von der Pfändung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto umfasst sind. Ein Kreditinstitut könnte also theoretisch, wenn sie von diesem Charakter bzw. der Eignung der Leistung positiv und sicher weiß, diese Erhöhungsbeträge auch ohne Nachweis einer Bescheinigung gewähren, weil alleine der Umstand, dass sie eine Leistung nach § 902 sind, sie vor der Pfändung schützt. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 903 Abs. 1 Satz 1, in dem nur von nachgewiesen die Rede ist. § 903 geht also grundsätzlich davon aus, dass der Betrag in den Fällen des § 902 pfändungsfrei ist und zwar unabhängig von der Vorlage von Bescheinigungen; diese sollen lediglich dem Nachweis dienen, wirken aber insoweit nur deklaratorisch, ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.3.3.
Da die Eignung der Leistung aber vom Kreditinstitut ohne Nachweis in den 1610 wenigsten Fällen sicher identifiziert werden kann und das Kreditinstitut ohnehin keine Umsatzdatenanalyse oder -kontrolle schuldet, ist ein Kreditinstitut 449
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
gut beraten, ohne einen solchen Nachweis keine Erhöhungsbeträge zu gewähren. Sonst läuft es Gefahr, vom Pfändungsgläubiger nochmal auf Zahlung an ihn in Anspruch genommen zu werden. 1611 Ein Kreditinstitut wir daher die Erhöhungsbeträge grds. nur in dem Umfang berücksichtigen, wie der Schuldner hierüber geeignete Nachweise erbringt. 1612 Erhöhungsbeträge muss sich der Schuldner „bescheinigen“ lassen, § 903 Abs. 1 Satz 1. Dort ist geregelt, wann und wie und in welcher „Qualität“ (inhaltliche Vorgaben) die vom Schuldner zu erbringenden Nachweisen geeignet sind, um die Erhöhungsbeträge zu aktivieren.
1613 Der Schutz dieser Leistungen soll in aller Regel ohne die Einschaltung des Vollstreckungsgerichts oder der Vollstreckungsbehörde bewirkt werden. Aus Gründen der Vereinfachung hat der Gesetzgeber die verschiedenen Erhöhungsbeträge durchnummeriert. Verständlicher wird es dadurch trotzdem nicht. Der Rechtsausschuss hat insbesondere die Nr. 1b und 1c (wieder) unter die Klammer der Nr. 1 gezogen, damit nicht der konkret auf das Konto ausgezahlte Betrag, sondern der pauschalierte Pfändungsfreibetrag für gesetzlichen Unterhalt nach § 850c Abs. 2 angesetzt werden kann. Diese Änderung, die bereits im DiskE und RefE enthalten war, vereinfacht die Ausstellung der Bescheinigungen insbesondere durch die Sozialleistungsträger und die Handhabung durch die Kreditinstitute. An dieser grundsätzlichen Differenzierung zwischen Erhöhungen durch Gewährung von Pauschalen und der Erhöhung durch „Freistellung“ bestimmter auf das P-Konto eingehender Leistungen hat das PKoFoG nichts geändert, vgl. Rn. 1626.
a) Erhöhungen wegen Unterhaltspflichten, § 902 Nr. 1a 1614 Nummer 1a bestimmt pfändungsfreie Beträge nach § 850c Abs. 2 i. V. m. § 850c Abs. 4 als Erhöhungsbeträge, wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt. Dieser Erhöhungsbetrag ist deckungsgleich mit demjenigen aus § 850k Abs. 2 Nr. 1a a. F. 1615 Für jede Person, der der Schuldner zum Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist und ihn gewährt, wird der Grundfreibetrag des § 902 Abs. 1 Nr. 1a erhöht. Dies sind in erster Linie Ehepartner, früheren Ehepartner, Lebenspartner, frühere Lebenspartner, Adoptivkinder (§ 1754 BGB) oder Verwandte oder Eltern nach den §§ 1615l und 1615n BGB.
1616 Gewährt bedeutet, dass der Unterhalt auch, natural oder in Geld, tatsächlich erbracht/gezahlt werden muss. In § 850f Abs. 1 lit. a) a. F. fand sich folgender Wortlaut: „… Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat“ während es im neuen § 850f Abs. 1 Nr. 1 heißt: „Personen, denen er gesetzlich zum Unter-
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 halt verpflichtet ist“. Rein nach den Buchstaben des Gesetzes ging und geht es immer nicht um das tatsächliche Gewähren, sondern nur um das „Zu-Gewähren-Haben“ des Unterhalts. In der neuen Fassung dient die Wortwahl „verpflichtet sein“ daher wohl nur der Klarstellung. In der Kommentierung der Vorgänger-Norm ging man wohl auch überwiegend davon aus, dass es im Rahmen des § 850f nicht darauf ankommt, ob die Unterhaltspflicht erfüllt wird oder nicht, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850f Rn. 8.
Seiner Unterhaltsverpflichtung kann ein Unterhaltspflichtiger durch die Ge- 1617 währung von „Kost und Logis“ nachkommen, also wenn – was noch immer der Regelfall sein dürfte – Partner und leibliche Kinder im selben Haushalt wohnen. Nach einem Urteil des BAG, Urt. v. 28.8.2013 – 10 AZR 323/12, NZI 2013, 991 darf bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie sich Unterhalt gewähren. Dass gilt dann auch für im Haushalt des Kontoinhabers lebende (eigene) Kinder.
Ein Schuldner, der zwar auf Grund gesetzlicher Verpflichtung zum Unterhalt 1618 verpflichtet ist, ihn aber nicht erfüllt, kann die Erhöhungsbeträge für diejenige Person, für die er den Unterhalt nicht leistet, auch nicht beanspruchen. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – VII ZB 14/16, DGVZ 2018, 42. Ebenso AG Brake Beschl. v. 19.3.2021 – 6 M 13/21, BeckRS 2021, 21495, dass unter Bezug auf BGH, a. a. O., einen klarstellenden Beschluss auf Antrag des Gläubigers erlassen hat.
Dass der Schuldner Unterhalt tatsächlich gewährt, muss auch bescheinigt werden. Leistet der Schuldner nur teilweise Unterhalt, sind allerdings bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhaltsbetrags zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet, BGH, Beschl. v. 5.8.2010 – VII ZB 101/09, NJOZ 2011, 719. Der BGH begründet es zu Recht damit, dass der Schuldner, auch wenn er tatsächlich nur weniger Unterhalt leistet, den weiteren Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit erhalten bleiben muss, ihren Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Das wäre aber nicht möglich, wenn nur der tatsächlich geleistete Unterhalt bei der Bemessung des pfandfreien Betrags angesetzt würde. Denn dann wäre, so der BGH, der Differenzbetrag zwischen dem geschuldeten und dem geleisteten Unterhalt der Pfändung unterworfen. Dadurch könnte Unterhaltsgläubiger, der diesen zwangsweise beitreibt, bevorzugt werden, obwohl § 850d Abs. 1 Satz 2 eine gleichmäßige Befriedigung aller gleichberechtigten Unterhaltsgläubiger gewährleisten soll. Auch hier reicht es also nicht aus, lediglich zu bescheinigen, dass der Schuldner gesetzliche Unterhaltspflichten hat. Das dürfte es
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto für Arbeitgeber im Einzelfall auch schwierig machen, eine entsprechende Bescheinigung dieser Qualität auszustellen, denn in der Regel wird er allenfalls wissen, dass sein Arbeitnehmer Unterhaltspflichten hat; ob diese gesetzliche sind und wenn, ob er sie auch erbringt, wird sich zumeist seiner Kenntnis entziehen.
1619 Für das Kreditinstitut ist es allerdings grundsätzlich unerheblich, ob der Kontoinhaber die (bescheinigte) gesetzliche Unterhaltspflicht auch tatsächlich erfüllt. Dies muss es nicht prüfen. So auch Ehlenz Diefenbach, Rn. 84b. Aber auch hier gilt: Weiß ein Kreditinstitut positiv, dass die Bescheinigung unrichtig ist, dass der Schuldner tatsächlich (inzwischen) keinen Unterhalt mehr gewährt, darf es diese Erhöhungsbeträge nicht (mehr) gewähren.
1620 Zwar stehen einem Schuldner, der z. B. seinem unterhaltsberechtigten Kind tatsächlich keinen Unterhalt leistet, die für dieses Kind zu gewährenden Erhöhungsbeiträge gem. § 902 Abs. 1 Nr. 1a nicht zu. BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – VII ZB 14/16, DGVZ 2018, 42.
Der Gesetzgeber hat aber hier bewusst auf eine Überprüfungs- oder gar Nachforschungspflicht durch die Kreditinstitute verzichtet. BT-Drucks. 16/7615, S. 20. Kreditinstitute werden den damit verbundenen Aufwand auch nicht betreiben. Gleichwohl könnte auch der Drittschuldner nach § 906 Abs. 1 Satz 2 beantragen, den Freibetrag abzusenken.
1621 Zum einen sollen Kreditinstitute danach nicht mit aufwändigen Prüfungen belastet werden. Es hat daher keine aktive Nachforschungspflicht. Zum anderen stünden wohl datenschutzrechtliche Bedenken dagegen und schließlich wäre es höchst fragwürdig und mit dem Schutz der Privatsphäre des Kontoinhabers kaum zu vereinbaren, wenn ein Kreditinstitut in vielleicht heiklen unterhaltrechtlichen Fragen seine Kunden befragen müsste. Insofern können und müssen Kreditinstitute nicht prüfen, ob Unterhalt auch tatsächlich gewährt wird. 1622 Der Gläubiger dagegen kann – und sollte und wird – bei entsprechenden Anhaltspunkten die Gewährung von erhöhten Freibeträgen überprüfen lassen. Helfen herauszufinden, ob Freibeträge ggf. zu hoch sind, dürfte dabei die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, ZIP 2013, 902, wonach der Gläubiger im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss anordnen lassen darf, dass der Schuldner (nicht aber der Drittschuldner) i. R. d. § 836 Abs. 3 Satz 1 zur Herausgabe der Bescheinigungen nach § 903 i. V. m. § 902 (vormals 850k Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 a. F.) verpflichtet ist.
Er kann dann nach § 906 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. den §§ 850f Abs. 2 auf Antrag beim Vollstreckungsgericht eine Absenkung des Freibetrages erreichen, wenn feststeht, dass dieser mangels tatsächlicher Unterhaltsgewährung nicht berechtigt ist.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
Die Erhöhungsbeträge sind in § 850c Abs. 2 geregelt und unterliegen einer 1623 jährlichen Dynamisierung, § 850c Abs. 4. Alle Anpassungen des 850c, also auch die des § 850c Abs. 2 für die Unterhaltsberechtigten, werden künftig gem. § 850c Abs. 4 Satz 1 im Rahmen einer „Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung“ im Bundesgesetzblatt als „Bekanntmachung zu § 850c ZPO“ konkret veröffentlicht, vgl. Rn. 1191.
Die Beträge für die erste und zweite bis fünfte unterhaltspflichtige Person 1624 ergibt sich aus § 850c Abs. 2. Beispiel: Schuldner S ist verheiratet und hat ein Kind. Er weist die gesetzlichen Unterhaltspflichten durch eine geeignete Bescheinigung i. S. d. § 903 nach. Der Freibetrag beträgt daher (Stand: 12/2021 bis 6/2022): Grundfreibetrag i. H. v. 1.260,00 € (= gerundet auf die nächsten vollen 10 € aus dem in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 vom 10. Mai 2021, BGBl I, 1099 bekannt gemachten Betrag i. H. v. 1.252,64 €) für S + 471,44 € für seine Frau + 262,65 € für das Kind =1.994,09 €. Hinzu käme – bei entsprechendem Nachweis – noch das Kindergeld i. H. v. 219 € für das 1. und 2. Kind, für das 3. Kind 225 € und für das 4. Kind und jedes weitere Kind 235 € (Stand: 1.2.2022).
Hat der Schuldner mehr als fünf unterhaltspflichtige Personen, kann und darf 1625 der Mehrbedarf nicht mehr „bescheinigt“ werden, sondern muss gem. § 906 i. V. m. § 850f Abs. 1c vom Vollstreckungsgericht festgesetzt werden. Auch ein höherer Unterhaltsanspruch wegen erhöhtem Bedarf (Behinderung, Krankheit u. a.), kommt in Betracht, allerdings nur bei gesetzlicher – nicht freiwilliger – Unterhaltspflicht und daher auch nicht, wenn der Schuldner mit diesen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II zusammenlebt und insoweit eine sog. „faktische Unterhaltsverpflichtung“ berücksichtigt werden soll, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850f Rn. 8. A. A. AG Dorsten, Beschl. v. 18.1.2018 – 6 M 0457-17, juris, das zwar selbst sagt, dass „Personen, denen der Schuldner Unterhalt gewährt“ grds. nur Personen sein können, denen gegenüber gesetzliche, nicht aber faktische Unterhaltspflichten bestehen, das aber eine analoge Anwendung des § 850f ausnahmsweise für geboten hält, wenn der notwendige Lebensunterhalt des Schuldners und der mit ihm in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (hier: minderjährige Kinder der Lebensgefährtin des Schuldners) anders nicht sichergestellt werden kann. Dies sei der Fall, so das AG Dorsten, wenn von dem Kindesvater kein Unterhalt gezahlt wird und eine mögliche Unterhaltsvollstreckung keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat. Diese Entscheidung ist abzulehnen und darf nicht verallgemeinert werden, siehe auch Rn. 1677. Zum Pfändungsschutz bei Bedarfsgemeinschaften siehe Grote, InsbürO 2019, 73.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Haftungsfalle: 1626 Welchen Unterhalt ein Schuldner tatsächlich leistet, ist für die Erhöhungsbeträge unerheblich. Die Erhöhungsbeträge sind Pauschalen. Eine Erhöhung darf nur in Höhe der in § 850c Abs. 2 genannten Pauschalen gem. der vom Bundesministerium der Justiz in der im Bundesgesetzblatt aktuell bekanntgemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung erfolgen. Tatsächlich höherer oder niedriger gewährter gesetzlicher Unterhalt wirkt sich nicht auf die Erhöhungsbetrags-Pauschalen aus. Gewährt der Schuldner Unterhalt aufgrund gesetzlicher Verpflichtung und ist das bescheinigt, ist der Freibetrag um diese gesetzlich vorgesehenen Pauschal-Beträge zu erhöhen, wenn nicht (oder wenn nicht mittels Bescheinigung nachgewiesen), dann nicht. Ebenso spielt die Höhe des Einkommens des Schuldners keine Rolle. Eine mögliche weitere Erhöhung nach § 850c Abs. 3 kann nur durch das Vollstreckungsgericht im Rahmen des § 906 festgesetzt werden, vgl. Rn. 1968 ff. Beispiel: Die Schuldner SM und SF, Eltern eines gemeinsamen Kindes, lassen sich scheiden. Beide sind Inhaber eines P-Kontos. Das gemeinsame Kind ist auf dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung „geteilt“ (halber Kinderfreibetrags). Beide Eltern erhalten von der örtlichen Schuldnerberatung eine Bescheinigung, in der neben dem Grundfreibetrag auch noch ein halber Unterhaltsbetrag „für eine erste Person“, § 850c Abs. 2 Nr. 1 als individueller Freibetrag ausgewiesen ist. Das kontoführende Kreditinstitut weigert sich, die Bescheinigung zu akzeptieren und räumt zunächst lediglich den Grundfreibetrag ein. Zu Recht? Lösung: Ja. Es ist weder der Schuldnerberatung noch gar dem drittschuldnerischen Kreditinstitut erlaubt, die gesetzlich vorgegebenen pauschalen Erhöhungsbeträge eigenmächtig anteilig zu reduzieren bzw. anders aufzuteilen. Wenn die gesetzlich normierten Beträge nicht „zur Situation passen“, obliegt es ausschließlich dem Vollstreckungsgericht, abweichende Beträge, durch Beschluss festzulegen, § 906. Zu unterscheiden ist aber, dass zwar das Kreditinstitut nicht selbst den Freibetrag festlegen kann, von der Pflicht, nicht nachgewiesene Erhöhungsbeträge – schon im eigenen Interesse – nicht gewähren zu dürfen. Insofern darf das Kreditinstitut entscheiden, nur den Grundfreibetrag einzuräumen (das ist noch keine Entscheidung über die Höhe des „richtigen“ Freibetrages insgesamt), wenn die Erhöhungsbeträge eben (noch) nicht nachgewiesen sind, die Schuldner SM und SF aber wegen einer Erhöhung ihres individuellen Freibetrages an das Vollstreckungsgericht zu verweisen. Dieses – nicht aber die bescheinigende Stelle – ist dann nicht gehindert, den Unterhaltserhöhungsbetrag jeweils zu halbieren und einen entsprechenden Betrag als individuellen Freibetrag festzusetzen. Der bescheinigenden Stelle ist die „Halbierung“ der Pauschalen aber nicht erlaubt. 1627 Legen beide Elternteile für ihre jeweiligen Pfändungsschutzkonten Bescheinigungen vor, in denen die Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber gemeinsamen Kindern oder die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung 454
5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
der Ehegatten untereinander attestiert werden, müssen sowohl auf dem P-Konto des einen Elternteils wie auch auf dem P-Konto des anderen zunächst die jeweils vollen Erhöhungsbeträge eingeräumt werden. Das wäre kein Grund, für das Kreditinstitut zu entscheiden, nur die Grundfreibeträge zu gewähren. Zwar bestehen auch hier Zweifel an der korrekten Höhe der Freibeträge, aber Zweifel sind anders als positives Wissen (z. B. wie im obigen Fall, dass die Erhöhungsbeträge nicht den gesetzlichen Pauschalen entsprechen) eben nur Zweifel.
Für die Pfändung von Arbeitslohn beim Arbeitgeber hat das OLG Brandenburg 1628 auch noch einmal ausdrücklich festgestellt, dass der Ehepartnerin auch dann bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrags zu berücksichtigen ist, wenn sie über eigenes Einkommen verfügt, da es nicht Sache des Drittschuldners ist, das Einkommen von Angehörigen zu ermitteln. Vielmehr kann dann der Gläubiger einen Antrag stellen, damit der Ehepartner unberücksichtigt bleibt. OLG Brandenburg, Urt. v. 14.4.2021 – 7 U 79/20, LSK 2021, 10754.
Reine Zweifel sind daher auch nicht geeignet, eine neue Bescheinigung zu 1629 verlangen. Sie müssen sich an tatsächlichen Anhaltspunkten festmachen lassen. Treten diese (später) auf, kann ein Kreditinstitut hier im Rahmen des § 903 Abs. 2 Satz 4 auch dann eine neue Bescheinigung verlangen, wenn diese unbefristet ausgestellt wäre: Tatsächliche Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen, vgl. § 903 Abs. 2 Satz 4. Dass möglicherweise unberechtigter, doppelter Pfändungsschutz in Anspruch 1630 genommen wird, darum muss sich aber regelmäßig der Gläubiger kümmern. OLG Brandenburg, Urt. v. 14.4.2021 – 7 U 79/20, LSK 2021, 10754. Der Gläubiger könnte gem. § 906 Abs. 1 Satz 2 die Herabsetzung des Pfändungsfreibetrages beantragen; ebenso könnte die auch eine Zusammenrechnung nach §§ 906 i. V. m. 850e erfolgen, falls im obigen Beispiel S und SF beide eigene Einkünfte haben sollten.
Das Kreditinstitut ist grundsätzlich weder verpflichtet, eine Erhöhung abzu- 1631 lehnen (welche auch: die des SM oder die der SF?) noch kann ihm daraus ein Schadensersatzanspruch (des Gläubigers) drohen, denn grundsätzlich obliegt die gesetzliche Unterhaltpflicht gegenüber ihren Kindern beiden Elternteilen, § 1601 BGB. Ein nicht erwerbstätiger Elternteil kann ihn auch durch Naturalunterhalt erbringen. Das Kreditinstitut genießt hier den Gutglaubensschutz. Gegen über der hinsichtlich der Zielsetzung vergleichbaren Vorgängernorm des § 850k Abs. 5 Satz 3 a. F., ist der Gutglaubensschutz nicht etwa entfallen. Er ist nur „umgekehrt“ formuliert, nimmt aber die „die Zielsetzung des bisherigen § 850k Abs. 5 Satz 3 ZPO auf“, so die Gesetzesbegründung im DiskE, S. 47 zu Abs. 4 des § 903. Das bedeutet, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut weiter auf eine Bescheinigung vertrauen darf, auch wenn der Nachweis – ohne positives Wissen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes – inhaltlich unzutreffend wäre und mit befreiender Wirkung gegenüber dem Gläubiger zahlt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Nachweis in der von § 903 vorgesehenen Weise erbracht und von einer berechtigten Stelle erteilt worden ist.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1632 Im Übrigen kann auch bei dieser Konstellation nicht (zwingend) angenommen werden, dass eine (inhaltliche) Unrichtigkeit vorliegt, geschweige denn dem Kreditinstitut positiv bekannt wäre. 1633 Ehegatten – oder auch Lebenspartner nach dem LPartG – sind sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. 1634 Ist ein Teil nicht oder nur teilweise erwerbstätig, kann er trotzdem den Erhöhungsbetrag aufgrund Gewährung gesetzlichen Unterhaltes für sich in Anspruch nehmen, da er beispielsweise seinen Unterhalt durch Naturalunterhalt (Haushaltsführung) erbringen kann. So auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.12.
1635 Insofern muss es einem Antrag des Gläubigers und der Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes vorbehalten bleiben, ob Erhöhungsbeträge für den einzelnen Ehegatten/Lebenspartner ggf. zu kürzen sind. So etwa dann, wenn sich der Schuldner nicht äußerte und Kinder, die im Haushalt der Mutter leben und Mutter und Kinder Unterhalt des Kindsvaters erhalten, ist eine entsprechende Kürzung gegeben, vgl. LG Oldenburg (6. Zivilkammer), Beschl. v. 6.5.2021 – 6 T 20/21, BeckRS 2021, 25987 = JurBüro 2021, 439. Ähnlich auch das AG Baden-Baden, Beschl. v. 31.3.2021 – 11 IK 36/21, VIA 2021, 93, das ein Kind, das im Haushalt des Schuldners lebt und als unterhaltsberechtigte Person ein eigenes Lohneinkommen hat, nur teilweise – in diesem Fall mit nur 8,7 % – bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens des Schuldners berücksichtigt hat, mit kritischer Anm. Butenob. Das Mindestelterngeld nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG ist aber aufgrund seiner besonderen Zweckbindung nicht den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten i. S. v. § 850c Abs. 6 ZPO zuzurechnen, BGH. Beschl. v. 23.2.2022 – VII ZB 41/21, BeckRS 2022, 4748.
1636 Gegenüber den Beträgen des § 850c a. F. gibt es nun bei den Eingangsbeträgen keine Diskrepanz mehr zwischen den Pfändungsfreibeträgen bei Pfändung von Arbeitslohn und den Freibeträgen des P-Kontos. Die Freibeträge für das P-Konto zeigt die nachfolgende Tabelle in einer Übersicht. Freibeträge ab 1.12.2021. bis 30.6.2022 Schuldner Familienstand Schuldner 1. Person gerundet
2. Person 3. Person 4. Person 5. Person
Freibetrag
ledig
1.252,64 € 1.260,00 €
1.260,00 €
verheiratet
1.252,64 € 1.260,00 € 471,44 €
1.731,44 €
verheiratet/ 1 1.252,64 € 1.260,00 € 471,44 € Kind
262,65 €
verheiratet/ 2 1.252,64 € 1.260,00 € 471,44 € Kinder
262,65 €
262,65 €
verheiratet/ 3 1.252,64 € 1.260,00 € 471,44 € Kinder
262,65 €
262,65 €
262,65 €
verheiratet/ 4 1.252,64 € 1.260,00 € 471,44 € Kinder
262,65 €
262,65 €
262,65 €
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1.994,09 € 2.256,74 € 2.519,39 € 262,65 €
2.782,04 €
5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
b) Erhöhungen bei Entgegennahme von Leistungen i. R. einer Gemeinschaft, § 902 Satz 1 Nr. 1b § 902 Satz 1 Nr. 1b regelt Erhöhungsbeträge, die der Schuldner für Dritte 1637 entgegennimmt. Damit sollen Personen, die mit dem Schuldner in einer Bedarfsgemeinschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder in einer Gemeinschaft nach den §§ 19, 20, 27, 39 Satz 1 oder § 43 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch leben und denen er nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist, insoweit gleich behandelt werden wie Personen, für die gesetzliche Unterhaltspflichten bestehen. Die sog. „Bedarfsgemeinschaft“ ist 2005 im Zuge der „Hartz IV“Gesetze „entstanden“. „Hartz IV“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für das Arbeitslosengeld II (ALG II). Es ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit, die ihre rechtliche Grundlage im SGB II hat und der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Anspruch besteht, wenn der Leistungsempfänger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland mindestens 3 Stunden täglich arbeiten kann, mindestens 15 Jahre alt ist (und das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht hat) und seinen Lebensunterhalt (und den seiner Familie) nicht oder nicht ausreichend selbst sichern kann oder mit einer erwerbsfähigen, leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Mit diesem Gesetzespaket wurden somit u. a. eine Grundsicherung für Arbeitssuchende und Arbeitsfähige eingeführt und die Leistungen für nicht Erwerbsfähige im SGB XII zusammengefasst. Die dort neu definierte Bedarfsgemeinschaft, zu den möglichen Mitgliedern siehe § 7 Abs. 3 SGB II, führte zu Einsparungen insbesondere der Haushaltsführungskosten, weil durch das Zusammenleben in einer Bedarfsgemeinschaft, 2006 ausgedehnt auf das Zusammenleben auch von nicht-ehelichen Partnerschaften und Kinder bis zum 25. Lebensjahr, unterstellt wurde, dass Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, ihren Lebensunterhaltsbedarf durch gegenseitige Unterstützung gemeinsam decken. Angehörige einer solchen Bedarfsgemeinschaft erhalten daher weniger Sozialleistungen als Personen, die nicht in einer solchen Bedarfsgemeinschaft zusammenleben.
Der Rechtsausschuss hatte beim § 902 Satz 1 Nr. 1b noch eine Änderung 1638 vorgenommen, damit nicht der konkret auf das Konto ausgezahlte Betrag, sondern der pauschalierte Pfändungsfreibetrag für gesetzlichen Unterhalt nach § 850c Abs. 2 angesetzt werden kann. Vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 31, da der RegE im Unterschied zu § 850k Abs. 2 Nr. 1b a. F. dagegen vorsah, die betragsmäßige Beschränkung auf die pfändungsfreien Beträge nach § 850c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 850c Abs. 2a Satz 1 a. F. aufzuheben. Der Rechtsausschuss hatte damit die Fassung, die bereits im DiskE und RefE vorgeschlagen waren, wiederhergestellt.
Ist daher die konkrete gewährte Leistung höher als die Pauschalen, so darf das drittschuldnerische Kreditinstitut trotzdem nur die pauschalen Erhöhungsbeträge des § 850c Abs. 2 gewähren; eine Freistellung der darüberhinausge-
457
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
henden Beträge kann der Schuldner auf Antrag nur durch die Festsetzung des Vollstreckungsgerichtes gem. § 906 Abs. 2 erwirken. 1639 Im Wesentlichen entspricht § 902 Satz 1 Nr. 1b damit dem § 850k Abs. 2 Nr. 1b a. F. Die Legaldefinition der Bedarfsgemeinschaft findet sich in § 7 Abs. 3 SGB II, die der (Einsatz-)Gemeinschaft in den §§ 19, 20, 27, 43 SGB XII und die einer Haushaltsgemeinschaft in § 39 SGB XII. § 27 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wurde erst durch das PKoFoG ergänzt.
1640 Auch in diesen Fällen, wenn der Schuldner durch geeignete Bescheinigungen i. S. d. § 903 nachweist, dass solche Leistungen auf seinem P-Konto eingehen, er also für mit ihm in Gemeinschaft lebende Personen Sozialleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält, sollen diese Leistungen der Pfändung entzogen sein, um die Existenzsicherung der mit dem Schuldner in Gemeinschaft lebenden Personen sicherzustellen. BT-Drucks. 16/7615, S. 19 zu Reform 2010; Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 37.
Eine Erhöhung ist aber dann nicht zulässig, wenn der P-Kontoinhaber Sozialleistungen für eine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Person entgegennimmt, der er gleichzeitig aufgrund gesetzlicher Verpflichtung zum Unterhalt verpflichtet ist. Eine solche Sozialleistung wird ja bewilligt, damit der Kontoinhaber seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nachkommen kann. Ansonsten würde sein Freibetrag gewissermaßen doppelt erhöht werden. ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.4.3. Arbeitslosengeld wird im Gegensatz zum ALG II („Hartz IV“) aus der Arbeitslosenversicherung finanziert und ist somit eigentlich keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung. Rechtliche Grundlagen für das Arbeitslosengeld sind die §§ 136 – 164 sowie 323, 327, 337 und andere im Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da es sich wie auch das Krankengeld, Elterngeld/Mutterschaftsgeld oder Alters- und Unfallrenten um laufende Sozialleistungen mit sog. Lohnersatzfunktion handelt. Zur Höhe des Schutzes vgl. Rn. 1638.
c) Erhöhungen bei Entgegennahme von Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, § 902 Satz 1 Nr. 1c 1641 Dieser Erhöhungsbetrag wurde durch das PKoFoG neu eingeführt. Da diese Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs sowie für Bildung und Teilhabe, den Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vergleichbar sind, hat der Gesetzgeber die berechtigte Gleichbehandlung dieser Leistungen geregelt. 458
5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41; der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat auch diesen Tatbestand unter die Klammer der Nr. 1 gezogen. Die Änderung führte auch zu mehr Übersichtlichkeit und einer stringenteren Reihenfolge, denn in § 902 Satz 1 Nr. 1 sind nun grundsätzlich diejenigen Tatbestände zusammengefasst, bei denen der der Schuldner Leistungen auch für andere, mit denen er zusammenlebt, entgegennimmt, vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 16 und 31.
d) Erhöhungen einmalige Sozialleistungen und Geldleistungen zum Ausgleich des durch einen Körper oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwandes, § 902 Satz 1 Nr. 2 § 902 Satz 1 Nr. 2 entspricht dem bisherigen § 850k Abs. 2 Nr. 2 a. F. und 1642 regelt z. B., dass Erhöhungsbeträge stammend aus einmaligen Sozialleistungen i. S. v. § 54 Abs. 2 SGB I nicht von der Pfändung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto erfasst sind. Einmalige Sozialleistungen sind nur solche Geldleistungen, bei denen sich der einmalige Charakter aus der jeweiligen Anspruchsnorm ergibt, also nicht daraus, dass Leistungen ggf. einmalig gezahlt werden, so auch Kohte/Klocke, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, 3. Zwangsvollstreckung in Ansprüche auf Sozialleistungen, Rn. 22. Eine Zusammenstellung unpfändbarer laufender Sozialleistungen ist zu finden bei Riedel, Lohnpfändung, XI Sozialleistungen Rn. 422 ff.
Dass das Wort „einmalige“ Geldleistung im Gesetzestext nicht mehr vor- 1643 kommt, hat keine Bedeutung. Einmalige Sozialleistungen sind daher regelmäßig keine Leistungen, die ledig- 1644 lich als laufende Leistungen für mehrere Monate in einem Zahlbetrag zusammengefasst werden. BGH, Beschl. v. 25.10.2012 í VII ZB 31/12 (LG Kassel), NZI 2013, 194. Zu der Behandlung von Nachzahlungen laufender Leistungen siehe § 904.
Einmalige Sozialleistungen sind gem. § 31 Abs. 1 SGB XII z. B. Erstausstattung 1645 für eine Wohnung oder bei Schwangerschaft und Geburt oder Zuschüsse zu Klassenfahrten, siehe Jaquemoth/Zimmermann, ZVI 2010, 113.
Des Weiteren hat der Gesetzgeber, durch Verweis auf § 54 Abs. 3, auch Leis- 1646 tungen von der Pfändung ausgenommen wie Elterngeld z. B. aber nur bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge. Oder dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder, Mutterschaftsgeld nach § 19 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit es in § 54 Abs. 3 Nr. 2 normierte Voraussetzungen erfüllt oder Wohngeld, es sei denn, die
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Pfändung erfolgt genau wegen solcher Ansprüche, die durch das Wohngeld gesichert werden sollen. 1647 Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen (vormals § 850k Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative a. F.) sind ebenfalls davon ausgenommen. Wie z. B. Pflege- oder Schwerbehindertenzulagen.
1648 Kann der Schuldner durch Bescheinigungen i. S. d. § 903 nachweisen, dass solche Beträge auf seinem P-Konto eingehen, zahlt das Kreditinstitut diese Erhöhungsbeträge schuldbefreiend an den Schuldner; der Grundfreibetrag erhöht sich um diese Beträge, und zwar ab dem Monat, ab dem sie gewährt werden. Graf-Schlicker/Linder, ZIP 2009, 989, 990.
1649 Eine Umsatzanalyse, ob der Betrag tatsächlich eingegangen ist, schuldet das Kreditinstitut aber nicht. Speist sich daher in diesem Monat das Guthaben des erhöhten Freibetrages aufgrund anderer Zahlungseingänge, darf das drittschuldnerische Kreditinstitut den Schuldner trotzdem darüber verfügen lassen. Anders aber, wenn durch einen gerichtlichen sog. Blankettbeschluss der pfändungsfreie Betrag dergestalt festgelegt wird, dass das Vollstreckungs- (oder Insolvenz-)gericht den Betrag festsetzt, „der dem unpfändbaren Arbeitseinkommen entspricht, das dem Schuldner von seinem Arbeitgeber [ist genau zu bezeichnen] monatlich überwiesen wird“. Denn in diesen Fall muss das drittschuldnerische Kreditinstitut überprüfen, ob der auf dem P-Konto eingehende Betrag tatsächlich von diesem Arbeitgeber – und nicht wie im entschiedenen Fall von einem neuen Arbeitgeber – kommt, vgl. OLG Dresden Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809, siehe auch Rn. 1663. Anders noch das vorinstanzliche LG Leipzig (4. Zivilkammer), Endurt. v. 3.3.2021 – 4 O 2268/20, NZI 2021, 546, das bei einem „im Massengeschäft tätigen“ drittschuldnerischen Kreditinstitut keine grobe Fahrlässigkeit sieht, wenn dieses generell nicht proaktiv laufend prüft, ob der Ursprung der eingehenden Zahlungen die Freigabe der Guthaben im Rahmen der Freibeträge des P-Konto rechtfertigt.
1650 Es wird Aufgabe der Sozialträger sein, zu gewährleisten, dass die Gutschrift auf dem Pfändungsschutzkonto auch in dem Monat erfolgt, für den die Bescheinigung ausgestellt ist. Andernfalls ist nicht sicher, dass die Sozialleistung auch tatsächlich von dem Freibetrag geschützt wird.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 Praxistipp (aus Leitfaden Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.6, dem sich der Autor anschließt): „Es spricht nichts dagegen, dass ein Kreditinstitut einem Kontoinhaber die Erhöhung seines Freibetrags für eine einmalige Sozialleistung auch für den Folgemonat noch einmal gewährt, wenn der Kontoinhaber nachweist, dass er die Sozialleistung in dem Monat, für den er die Bescheinigung zur Erhöhung des Pfändungsfreibetrags vorgelegt hat, nicht erhalten hat und auch nicht den erhöhten Pfändungsfreibetrag mangels ausreichenden Guthabens auf dem Konto in Anspruch nehmen konnte. Stand dem erhöhten Freibetrag kein Kontoguthaben gegenüber, so ist er mit Ablauf des Kalendermonats verfallen. Daher kann das Kreditinstitut zur Vermeidung von Härten auf Seiten des Kontoinhabers beitragen, ohne in die Rechte des Pfändungsgläubigers einzugreifen.“ Eine Einschränkung wird zu machen sein, wenn sich das Guthaben in diesem Monat des erhöhten Freibetrages zufällig aufgrund anderer Zahlungseingänge ergeben hat, also schon einmal die erhöhten Freibeträge gewährt wurden, vgl. Rn. 1649. Dann darf das drittschuldnerische Kreditinstitut den Schuldner nicht nochmals über die einmalige Sozialleistung verfügen lassen, wenn sie tatsächlich eingeht. Hier muss der Schuldner ggf. das Vollstreckungsgericht anrufen.
Nach § 902 Nr. 2 Var. 2 sind ebenfalls z. B. Pflegegelder für Pflegehilfen 1651 nach § 37 SGB XI von der Pfändung nicht erfasst. e) Erhöhung aufgrund von Geldleistungen, die nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ gewährt werden, § 902 Satz 1 Nr. 3 Ebenfalls neu hinzugekommen ist der Schutz für Geldleistungen gem. § 5 1652 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“, STIFGMUKI. Der einfachere Schutz der Geldleistungen aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ war eine Empfehlung des Schlussberichts iff, vgl. Langfassung S. 163,
aber ausweislich der Gesetzesbegründung sollte auch entsprechend der Koalitionsvereinbarung für die 18. Legislaturperiode bei der Untersuchung ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, wie bei der Pfändung des Guthabens auf dem P-Konto der Schutz von Mitteln der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ vor dem Hintergrund der besonderen Problemlagen der betroffenen Frauen vereinfacht werden kann. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 19. Die Evaluation hatte dann darauf hingewiesen, dass diese Mittel eigentlich schon auf Basis der bisherigen Gesetzeslage gesetzlich geschützt seien, da in § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ ausdrücklich auf die entsprechende Anwendung von § 850k Abs. 6 ZPO a. F. verwiesen wurden, vgl. Langfassung iff, S. 147. Das ist richtig, aber § 850k Abs. 6 a. F. bezog sich nur auf den Verrechnungsschutz bei einem debitorischen Konto; zudem galt die Gesetzesänderung bei § 5 erst ab 1.1.2012. Zur Freistellung bedurfte es damals daher einer vollstreckungsgerichtlichen Entscheidung.
461
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1653 Folgerichtig wurden nun aber in § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ die Wörter „gilt bei fehlender Deckung des Kontos § 850k Abs. 6 der Zivilprozessordnung entsprechend“ durch die Wörter „gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Pfändungsschutzkonto“ ersetzt. Die Muster-Bescheinigung der Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ ist als Anhang 4b beigefügt. Die Geschäftsführung der Bundesstiftung macht allerdings darauf aufmerksam, dass dieses Muster im Zweifel von den zentralen Einrichtungen der Bundesstiftung Mutter und Kind in den Bundesländern auch entsprechend deren Bedürfnisse noch angepasst werden kann. Diese „Reinform“ (Anhang 4b) wird daher wohl in keinem Bewilligungsschreiben für Hilfeleistungen der Bundesstiftung Mutter und Kind zu finden sein. Ein Infoblatt für Schwangere bzw. Hilfeempfängerinnen ist auf der Webseite https://www.bundesstiftung-mutter-und-kind.de/ materialien zu finden.
f) Erhöhungen aufgrund von Geldleistungen nach SGB II und XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz, § 902 Satz 1 Nr. 4 1654 Auch dieser Erhöhungstatbestand wurde durch das PKoFoG neu eingeführt. § 850k Abs. 2 Nr. 1b a. F. hatte bisher nur Leistungen erfasst sind, die der Schuldner für bestimmte Dritte entgegennimmt (jetzige Nr. 1b und 1c). Leistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 2 sind dagegen Leistungen, die der Schuldner nicht für Dritte entgegennimmt, wie Leistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 1 b) und c), sondern die ihm direkt gewährt werden. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entsprechen ihrem Zweck nach den Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, so dass insoweit durch den Gesetzgeber eine Gleichbehandlung erfolgt ist.
1655 Der Schutz dieser Leistungen ist daher aber auch nur in dem Umfang notwendig, wie sie den Grundfreibetrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 übersteigen. Der Gesetzgeber wollte damit einerseits sicherstellen, dass diese Leistungen in vollem Umfang geschützt sind, aber keine unangemessene Mehrfach-Berücksichtigung bei der Erhöhung erfolgt. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41.
Beispiel: Die Schuldner S erhält Leistungen nach SGB II und XII i. H. v. 1.400 € auf sein P-Konto. Ihm steht dort nur der Grundfreibetrag zu. Unter Verweis auf § 902 Satz 1 Nr. 4 besteht S auf Auszahlung der vollen durch Bescheinigung nachgewiesenen Leistung. Zu Recht?
462
5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
Lösung: Ja. In § 902 Satz 1 Nr. 4 heißt es eindeutig, dass Geldleistungen, die dem Schuldner selbst nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gewährt werden, in dem Umfang, in dem diese den pfändungsfreien Betrag § 899 Abs. 1 Satz 1 ÜBERSTEIGEN nicht von der Pfändung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto erfasst werden. S hat also Recht. Die Regelung bedeutet insofern nur, dass er nicht NEBEN dem Grundfreibetrag auch noch die Geldleistungen nach SGB II und XII i. H. v. 1.400 € ZUSÄTZLICH erhält, sondern nur insoweit, wie sie den Grundfreibetrag übersteigen, also i. H. v. 140 € (1.400 € ./. 1.260 € Grundfreibetrag). Drittschuldnerische Kreditinstitute müssen aber keine Befürchtung haben, 1656 solche Leistungen nicht erkennen bzw. übersehen zu können. § 903 Abs. 3 Satz 2 schreibt den bescheinigenden Stellen vor, dass der Nachweis, den der Schuldner dem Kreditinstitut vorlegen muss, als Pflichtangabe auch die Angabe enthalten muss, in welcher Höhe die Leistung zu welcher der in § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c sowie Nr. 2 – 6 genannten Leistungsarten gehört. Diese Ausrechnung und Bescheinigung einer Differenz müsste also die bescheinigende Stelle, nicht das drittschuldnerische Kreditinstitut vornehmen, § 903 Abs. 1 Satz 2.
Haftungsfalle: Da gem. § 903 Abs. 3 Nr. 1 nur die Höhe der Leistung, nicht aber die Differenz zum Grundfreibetrag bescheinigt werden, wird das Kreditinstitut trotzdem darauf zu achten haben, dass es nicht zu viel gewährt. Da ohne diesen – mindestens die Pflichtangaben enthaltenden – Nachweis das 1657 Kreditinstitut berechtigt ist, mit befreiender Wirkung gegenüber dem Schuldner an den Gläubiger zu leisten, ist es geschützt. Bringt der Schuldner den Nachweis, dass es sich um Guthaben handelt, das nach § 902 nicht von der Pfändung erfasst wird, kann (bzw. muss vgl. § 908 Abs. 1) das drittschuldnerische Kreditinstitut die Erhöhungsbeträge dem Schuldner auszahlen und ist dann gegenüber dem Pfändungsgläubiger geschützt. g) Erhöhung durch Kindergeld und andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder, § 902 Satz 1 Nr. 5 In § 902 Satz 1 Nr. 5 schließlich erhöht den Grundfreibetrag um Kindergeld- 1658 beträge, wenn sie auf das P-Konto des Schuldners eingehen und entspricht dem bisherigen § 850k Abs. 2 Nr. 3 a. F. Mit dem Dritten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes CoronaSteuerhilfegesetz) vom 10.3.2021 (BGBl I. 330)(1) wurde das Kindergeld für 2021 einmalig um 150 € erhöht (Kinderbonus 2021). Ein Anspruch auf dieses Kindergeld besteht für jedes Kind, das mindestens für einen Monat im Kalenderjahr 2021 ein Anspruch auf Kindergeld hat. Der Anspruch auf Kinderbonus unterliegt dem Pfändungsverbot nach § 76 EStG.
463
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Familien mit kleinen Einkommen können zudem bis einschließlich 31.3.2022 einen monatlichen Kinderzuschlag (KiZ) von bis zu 205 € pro Kind erhalten. Wer den Kinderzuschlag erhält, kann zusätzliche Leistungen für Bildung und Teilhabe erhalten. Auch diese Beträge sind mittels Bescheinigung schützbar.
1659 Es wird in § 902 Satz 1 Nr. 5 von gesetzlichen Leistungen gesprochen, die nicht von der Pfändung erfasst sein sollen. Eine Einschränkung gegenüber § 850k Abs. 2 Nr. 3 a. F. ist damit aber nicht verbunden. Hintergrund für die Einfügung des Wortes „gesetzlich“ in § 902 Satz 1 Nr. 5 ist nur die Klarstellungen, dass nicht Geldleistungen als Erhöhungsbetrag geschützt werden sollen, die nicht auf einer gesetzlichen Grundlage gewährt werden. Auch wenn das in der Gesetzesbegründung nicht klar zu Ausdruck kommt, soll damit lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass der Schutz im Rahmen des § 902 sich nicht auf z. B. private Geldleistungen, etwa Schenkungen, z. B. der Großeltern an die Enkel etc. bezieht. § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 902 Satz 1 Nr. 5 nehmen insoweit die Regelung des § 54 Abs. 5 SGB I auf.
1660 Ebenso wie durch § 850k Abs. 2 Nr. 3 a. F. sind damit sämtliche gesetzlichen Geldleistungen für Kinder vom Tatbestand des § 902 Satz 1 Nr. 5 erfasst. Das gilt auch für den obigen Kindergeldbonus 2021, den Kinderzuschlag 2022 oder zusätzliche Leistungen für Bildung und Teilhabe. Grundsätzlich darf der Betrag nur dann um das Kindergeld erhöht werden, wenn es auch tatsächlich auf dem P-Konto eingeht (a. A. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.10, allerdings dann doch mit dem einschränkenden Hinweis, wenn in der Bescheinigung ein anderes Konto als Empfängerkonto angegeben sei, eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags nicht vorgenommen werden dürfe).
1661 Andererseits schützt die Bescheinigung das Kreditinstitut davor, wenn der Schuldner das Kindergeld später umlenkt. Das Kreditinstitut schuldet keine Kontoumsatzanalyse oder -kontrolle (die aber nötig wäre, um den Kindergeldeingang festzustellen); ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.10.
1662 Das Kreditinstitut muss daher nicht monatlich prüfen, ob das Kindergeld tatsächlich eingegangen ist. Ist der Schuldner Angestellter im öffentlichen Dienst, bei der das Kindergeld zusammen mit dem Gehalt ausgezahlt wird, wäre das auch objektiv nicht möglich.
1663 Das gilt auch weiterhin. Der Fall, den das OLG Dresden entschieden hat, ist hierauf nicht anwendbar. Zunächst hatte das LG Leipzig es anders gesehen, das bei einem „im Massengeschäft tätigen“ drittschuldnerischen Kreditinstitut generell keine grobe Fahrlässigkeit sehen wollte, wenn dieses nicht proaktiv laufend prüft, ob der Ursprung der eingehenden Zahlungen die Freigabe der Guthaben im Rahmen der Freibeträge des P-Konto rechtfertigt. LG Leipzig (4. Zivilkammer), Endurt. v. 3.3.2021 – 04 O 2268/20, NZI 2021, 546.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 Allerdings hielt im konkreten Fall diese Rechtsansicht des LG Leipzig der Berufung beim OLG Dresden nicht stand. Das OLG Dresden Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809, hob das Urteil des LG Leipzig auf, da hier – in einem Insolvenzverfahren – auf Basis eines gerichtlichen Blankettbeschlusses die unpfändbaren Zahlungseingänge nur eines bestimmten Arbeitgebers, die auf dem P-Konto eingingen, freigegeben waren. Nachdem der Schuldner – ohne Wissen des drittschuldnerischen Kreditinstitutes – den Arbeitgeber gewechselt hatte und nun dessen – naturgemäß nicht vom Gerichtbeschluss umfassten – unpfändbaren Beträge des neuen, eben nicht im Tenor bezeichneten Arbeitgebers eine Zeit lang auf das P-Konto eingingen und durch den Schuldner verfügt wurden, verlangte der Gläubiger – hier ein Insolvenzverwalter – die Nochmalzahlung der Beträge vom drittschuldnerischen Kreditinstitut. Dies hatte das LG Leipzig abgelehnt mit der Begründung, dass dem drittschuldnerischen Kreditinstitut weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen sei, weil unter Berücksichtigung des Massengeschäftes es nicht permanent im Detail überprüfen müsse, von wem die Zahlungen geleistet werden. Veranlassung zu einer genaueren Kontrolle hätte das drittschuldnerische Kreditinstitut lediglich dann gehabt, wenn ihm der Arbeitgeberwechsel mitgeteilt worden wäre oder wenn ihm anderweitig Umstände bekannt geworden wären, welche zu einer detaillierten Prüfung Anlass gegeben hätten. Dieser Argumentation ist das OLG Dresden nicht gefolgt; vielmehr werde ein solcher sog. Blankettbeschluss im Umfang der Pfandfreistellung durch die gerichtliche Anordnung konkretisiert. Nach dem vorliegenden Beschluss war daher nicht generell Arbeitseinkommen, das ein Arbeitgeber auf das Pfändungsschutzkonto des Schuldners überweist, über den Grundfreibetrag hinaus pfändungsfrei, sondern nur solche Guthaben, die auf Überweisungen der im Tenor bezeichneten Firma beruhen. Eine andere Auslegung sei nach Ansicht des OLG Dresden „angesichts des klaren Wortlauts des Beschlusses“ nicht möglich.
Das Ergebnis überzeugt allenfalls rechtsdogmatisch, überzieht aber die Anfor- 1664 derungen im Massengeschäft. Im Ergebnis wäre der Gläubiger auch nicht geschädigt, weil der Einzug der pfändungsfreien Beträge des Arbeitseinkommens des Schuldners vom neuen Arbeitgeber oder des Kindergeldes im Zweifel auch unzulässig gewesen wäre, weil es sich bei diesen Beträgen meist ebenfalls um pfändungsfreies Arbeitseinkommen, Sozialleistungen oder eben Kindergeld handeln dürfte. Durch die Entscheidung des OLG Dresden fließen der Masse Beträge zu, die sie eigentlich nicht zu beanspruchen gehabt hätte. Das Ergebnis trotzdem deutlich ablehnend, Wazlawik, NZI 2021, 527, vgl. dazu Rn. 2021, dem man zugestehen muss, dass Kontopfändungsschutz ganz generell nur besteht, wenn man den Schutz auch ergreift. Stellt der Kunde daher keinen Schutzantrag oder wandelt er das Zahlungskonto nicht in ein P-Konto um, unterliegen sämtliche Guthaben der Pfändung (oder dem Verrechnungsschutz des drittschuldnerischen Kreditinstitutes im Rahmen des AGBPfandrechtes.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Haftungsfalle: 1665 Ein drittschuldnerische Kreditinstitut wird aufgrund der Entscheidung des OLG Dresden künftig mindestens zu prüfen haben, ob es sich um einen gerichtlichen festgelegten Freibetrag im Rahmen eines Blankettbeschlusses oder um pfandfreie Beträge handelt, die – wie z. B. Kindergeld – auf dem P-Konto des Leistungsempfängers eingehen bzw. nicht eingehen. Mindestens im Fall der gerichtlichen Festsetzung im Rahmen eines Blankettbeschlusses muss es dann kontrollieren, ob Beträge von exakt diesem – im Tenor des Beschlusses konkret zu benennenden – Arbeitgeber stammen, um sie dem P-Kontoinhaber als pfandfreie Guthaben zur Verfügung stellen zu können. Siehe aber zu den sehr strengen Anforderungen an die Tenorierung eines Blankettbeschluss Rn. 2044.
Stammen sie nicht (mehr) von diesem Arbeitgeber, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut unverzüglich den Freibetrag zunächst aussetzen, um den Schuldner zu veranlassen, einen neuen Gerichtsbeschluss oder eine neue Bescheinigung vorzulegen. Einen Beschluss des Vollstreckungs- oder Insolvenzgerichtes zu akzeptieren (oder die Freigabe des Insolvenzverwalters), mit dem sehr allgemeinen Verwendungszweck „Lohn/Gehalt“, ohne dass zumindest der konkrete Arbeitgeber genannt wird, wäre nach den Kriterien des BGH zwar unzulässig, vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, WM 2011, 2367, könnte aber vor diesen Haftungsgefahren schützen. Gleichwohl ist das nicht zu empfehlen, da sich angesichts einer zu allgemeinen Formulierung später wieder andere Probleme ergeben könnten, z. B. zur Frage, ob bestimmte Eingänge dem AGB-Pfandrecht unterliegen oder nicht. Präziser zu tenorieren ist erstens nach BGH notwendig und vermeidet später Auslegungsprobleme.
1666 Der Autor ist nach wie vor der Meinung, dass diese Kontrollpflicht aber nicht gilt, wenn es sich nicht um einen gerichtlich festgesetzten Freibetrag im Rahmen eines Blankettbeschlusses handelt, sondern sich der (Erhöhungs-) Betrag aufgrund von Beträgen wie dem Kindergeld ergibt. Es ist aber nicht gänzlich auszuschließen, dass die Entscheidung des OLG Dresden auch darauf ausgedehnt werden wird. Insofern sollten drittschuldnerische Kreditinstitute abwägen, zumindest stichprobenweise kontrollieren, ob die Erhöhungsbeträge aufgrund z. B. des Kindergeldes weiterhin gewährt werden dürfen, weil sie auf dem P-Konto auch tatsächlich eingehen. 1667 Die Entscheidung des OLG Dresden erging zudem für einen in einem Insolvenzverfahren ergangenen Blankettbeschluss; man wird das trotzdem vorsichtigerweise auch auf Blankettbeschlüsse im Rahmen eines Einzelvollstreckungsverfahrens übertragen müssen. 1668 In der Bescheinigung muss das P-Konto als Empfängerkonto angegeben sein, für das ein Erhöhungsbetrag geltend gemacht wird. Eine Erhöhung des Pfän-
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
dungsfreibetrages darf deshalb selbstverständlich nicht vorgenommen werden, wenn ein anderes Gutschriftskonto aus der Bescheinigung hervorgeht. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 32 unter Verweis darauf, dass die – durch das PKoFoG grundsätzlich unveränderte – Regelung, ursprünglich den Wegfall von § 76a EStG ersetzen soll, der ebenfalls auf das Konto des Kindergeldberechtigten Bezug nahm.
Andere Geld(sozial-)leistungen für Kinder sind ebenfalls geeignet, den Frei- 1669 betrag zu erhöhen. Eine Ausnahme zur Erhöhung des diesbezüglichen Freibetrages sieht § 902 Satz 1 Nr. 5 zweiter Teilsatz vor: Der Pfändungsfreibetrag darf nicht um das Kindergeld oder andere Geldleistungen für Kinder erhöht werden, wenn eine Kontopfändung wegen einer Unterhaltsforderung dieses Kindes eingeht, für das diese Leistungen gewährt werden oder bei dem es berücksichtigt wird. So auch Singer, ZAP 2010, Fach 14, S. 613, 616 schon zur inhaltlich nahezu unveränderten § 850k Abs. 2 Nr. 3 a. F.; vgl. auch Rn. 1897.
Kindergeldbezug wird von den Familienkassen bescheinigt. Kindergeld wird 1670 immer nur einem Elternteil gewährt. Eine Erhöhung des Freibetrages wegen Kindergeldes kann daher immer nur bei dem Elternteil eintreten, der in der Bescheinigung der – zumeist- Familienkasse als Empfänger des Kindergeldes ausgewiesen ist (vgl. aber Rn. 1626 bei Erhöhung aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflichten bei beiden Elternteilen). Haftungsfalle: Die Bescheinigung über z. B. Kindergeldbezug stellt im Übrigen nicht gleich- 1671 zeitig eine Bescheinigung zur Erhöhung des Freibetrages wegen gesetzlicher Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind dar. Der Freibetrag darf deshalb aufgrund einer isolierten Kindergeld-Bescheinigung nur um die Kindergeldzahlung erhöht werden. Zu befürchten ist, dass trotz der neuen Regelungen, die auch bewirken sollen, dass möglichst alle Erhöhungstatbestände in einer Bescheinigung durch eine auszustellende Stelle nachgewiesen werden, in der Praxis leerläuft, da alle die zur Ausstellung einer Bescheinigung verpflichteten Stellen jeweils nur „ihre“ Leistungen bescheinigen werden.
Das Kindergeld beträgt derzeit (Stand: 1.12.2021). für das erste und zweite 1672 Kind 219 €, für das 3. Kind 225 € und für jedes weitere Kind 250 €. Werden diese Beträge durch gesetzliche Änderungen angehoben, erhöht sich auch der Freibetrag entsprechend. Nach der neuen engeren Bestimmung des § 902 Satz 1 Nr. 5, der nur noch Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz freistellen will, würde daher nicht mehr für Kindergelder gelten, die von ausländischen Staaten auf das P-Konto überwiesen werden. Da die Norm den Tatbestand für eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nur auf Kindergeld eingrenzt, das nach dem (deutschen)
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Einkommenssteuergesetz gezahlt wird, dürfte der Freibetrag dann nicht i. H. d. Betrages erhöht werden, der dem ausländischen Kindergeld entspricht; a. A. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.10.1, vielleicht aber in der Annahme, dass Kindergeld von ausländischen Staaten nun unter den Begriff „andere gesetzliche Geldleistungen“ fällt, denn eine „Verengung“ ist laut Gesetzesbegründung eigentlich nicht gewollt, eher im Gegenteil. Es bleibt aber abzuwarten, wie die Rechtsprechung dies interpretieren wird. Bis dahin ist drittschuldnerischen Kreditinstituten zu raten, Erhöhungsbeträge nur für bescheinigtes Kindergeld zu gewähren, das nach dem Einkommensteuergesetz gewährt wird. Der Schuldner muss sich dann an das Vollstreckungsgericht wenden. Ist die Herkunft des Kindergeldes auf der Bescheinigung allerdings für das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht erkennbar, darf es die Bescheinigung zugrunde legen.
1673 „Andere Geldleistungen für Kinder“, wie z. B. Kinderzuschläge, Unterhaltsvorschüsse oder vergleichbare Rentenbestandteile für Kinder, führen ebenfalls – i. H. dieser bescheinigten Beträge – zur Erhöhung des Freibetrages. Haftungsfalle: 1674 Nach wie vor nur Geldleistungen für Kinder, bei denen also ein Elternteil (nicht das Kind selbst) Anspruchsinhaber ist, führen zur Erhöhung. Geldleistungen an Kinder dagegen, bei denen das Kind selbst Berechtigter ist, also einen eigenen Anspruch auf die Geldleistungen hat, können nicht zur Erhöhung des Freibetrages auf dem P-Konto der Eltern führen. Ruch, ZVI 2011, 288; ebenso vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/ Meller-Hannich, § 850k Rn. 32. A. A. Homann, in: Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5, Ziff. 4.9.2.4. der davon ausgeht, dass die neue Formulierung des Gesetzes mit der Einfügung des Wortes „gesetzliche“ weitergeht und als Auffangformulierung für alle gesetzlichen, d. h. nicht nur sozialrechtlichen Geldleistungen verstanden werden kann. Das „für“ wäre insoweit nun weitergehend als „zugunsten einer Person“ zu interpretieren, so dass es nun zu einer Gleichstellung von gesetzlichen Geldleistungen „an“ und „für“ Kinder kommt. Das wäre eine Ausweitung, die zumindest nicht völlig ausgeschlossen scheint, da diese Dualität auch schon nach alter Rechtslage nicht ganz konsequent durchgehalten wurde. Allerdings wollte der Gesetzgeber sie trotz der Einfügung des Wortes „gesetzliche“ wohl nicht aufgeben. Hintergrund für die Einfügung des Wortes „gesetzliche“ in § 902 Satz 1 Nr. 5 war nach Auskunft des BMJV vielmehr nur, dass nicht Geldleistungen als Erhöhungsbetrag geschützt werden sollen, die nicht auf einer gesetzlichen Grundlage gewährt werden. Damit soll der Schutz im Rahmen des § 902 nicht auf Geldleistungen anwendbar sein, die z. B. als Schenkung gewährt werden. Insoweit soll die Neuregelung mit der Einfügung des Wortes „gesetzliche“ nur eine Klarstellung bewirken, auch wenn, das ist Homann zuzugestehen, die Begründung im Regierungsentwurf diesen Aspekt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Ob das auch die (weitergehende) Interpretation im Sinne Homanns zuließe, wird die künftige Rechtsprechung zeigen müssen.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
Haftungsfalle: Halb-Waisenrente Eine Halb-Waisenrente ist keine „andere Geldleistung für Kinder“ gem. § 902 1675 Satz 1 Nr. 5. A. A. Homann, a. a. O., der mit der obigen Begründung daher künftig auch über diese Vorschrift mittels Bescheinigung Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG, (Halb-)Waisenrenten nach § 48 SGB VI und für Leistungen für den persönlichen Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II sowie die tatsächlichen Aufwendungen für die Beförderung nach § 28 Abs. 4 SGB II für schützenswert hält. Homann führt für seine Argumente auch § 904 ins Feld, weil dieser es zuließe, Nachzahlungen von Unterhaltsvorschüssen auf einem P-Konto eines Elternteils zu schützen. Wenn daher Nachzahlungen geschützt werden können, wieso sollten dann nicht auch laufende Leistungen für Kinder nicht vom Pfändungsschutz umfasst sein? Dieses Argument verfängt aus Sicht des Autors aber nicht, weil nach § 904 auch andere nachgezahlte Leistungen – auf unterschiedliche Weise – freigestellt werden können, in § 902 Satz 1 Nr. 5 aber nun mal eine Einschränkung vorhanden ist.
Unter Geldleistungen für Kinder, die nach § 902 Satz 1 Nr. 5 eine Erhöhung des monatlichen Grundfreibetrages für den Schuldner mit sich bringen, sind nur Kindergeld, Kinderzuschläge und vergleichbare Rentenbestandteile zu verstehen, § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB I. Dies sind eigene Ansprüche eines Elternteils für ein Kind (z. B. auch in den Fällen des § 33 BVG). Die Halb-Waisenrente dagegen ist – ebenso wie Unterhaltsvorschussleistungen, Leistungen für den persönlichen Schulbedarf oder die tatsächlichen Aufwendungen für die Beförderung – ein Anspruch des Kindes selbst (an ein Kind), der aber an den unterhaltspflichtigen Kontoinhaber erfüllt wird. Sie sind eher vergleichbar einem Kindesunterhalt. Diese Leistungen sind daher nur i. R. der Freibeträge, aber nicht „zusätzlich“ auf dem P-Konto des Elternteils, etwa über einen gerichtlichen Beschluss nach § 906 schützbar. Da es auch eine Geldleistung nicht für sondern an Kinder ist, kann sie auch nicht „bescheinigt“ werden. Allenfalls kann im Wege des § 765a versucht werden Schutz zu erhalten, wenn es auf ein P-Konto eines Elternteils eingeht. Künftige Waisenrenten und vergleichbare Eingänge sind daher nur durch Gutschrift auf das Kinderkonto zu schützen. Dieses Problem löst auch nicht der neue Tatbestand des § 902 Satz 1 Nr. 6, der Erhöhungsbeträge vor der Pfändung schützt, wenn diese dem Schuldner nach landesrechtlichen oder anderen als in den Nummern 1 bis 5 genannten bundesrechtlichen Rechtsvorschriften gewährt werden, in welchen die Unpfändbarkeit der Geldleistung festgelegt wird. Eine (Halb-)Waisenrente wird zwar nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 als „unpfändbar“ bezeichnet, ist aber nach Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen bedingt pfändbar.
Haftungsfalle: Stiefkind Ein Stiefkind ist gegenüber einem Stiefelternteil nicht gesetzlich unterhalts- 1676 berechtigt, sondern es besteht allenfalls eine faktische Unterhaltpflicht für 469
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
den Schuldner, wenn das Stiefkind mit ihm zusammen in einer Haushaltsgemeinschaft lebt. Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 850f Rn. 2b. Zur nicht ganz unberechtigten Kritik daran und dem Hinweis, dass § 115, die Berücksichtigung einer faktischen Unterhaltsverpflichtung durchaus kennt, Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) zum Referentenentwurf des PKoFoG v. 19.11.2019, S. 6.
1677 Eine Erhöhung wegen einer solchen Unterhaltspflicht kann daher nicht bescheinigt werden. Abzulehnen daher auch: AG Cloppenburg, Beschl. v. 2.1.2019 – 23 M 3984/18, VuR 2020, 275 (unter Bezug auf LG Limburg, Beschl. v. 18.9.2002 – 7 T 154/02, NJW-RR 2003, 365), das einem Schuldner, der mit seiner Ehefrau und deren minderjährigem Kind zusammenlebte, auch dessen freiwilligen Unterhalt gegenüber diesem Kind, für das keine gesetzliche Unterhaltspflicht des Schuldners bestand, zu einer Erhöhung des Pfändungsfreibetrags auf dem Pfändungsschutzkonto führen ließ.
Nur wenn der P-Kontoinhaber Leistungen nach dem SGB für das Stiefkind entgegennehmen würde, wäre dies bescheinigbar. 1678 Allerdings: Das durch die konkreten Vorgaben an den Inhalt der Bescheinigung, vgl. § 903 Abs. 3 zu den erforderlichen Angaben, die die bescheinigende Stelle machen muss, ist das Kreditinstitut weitestgehend geschützt. Die Konstellation, dass das Kreditinstitut positiv weiß – was die absolute Ausnahme sein dürfte – dass eine Leistung an ein Kind trotzdem für einen Elternteil bescheinigt worden ist, dürfte daher nicht mehr vorkommen. Weiß das Kreditinstitut es aber, dürfte es allerdings diese Erhöhung nicht gewähren. Der Gutglaubensschutz bezüglich des Inhaltes der Bescheinigung findet immer dort seine Grenzen, wo das Kreditinstitut positiv weiß, dass die Bescheinigung inhaltlich unrichtig ist, vgl. Rn. 1877 und 2201 ff. Auch wenn die Bescheinigung nicht alle (Pflicht-)Angaben aus § 903 Abs. 3 Satz 2 enthält, ist der Nachweis für diese Erhöhungstatbestände nicht geführt. Fehlen allerdings nur die Kann-Angaben, § 903 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2, wird das drittschuldnerische Kreditinstitut die Bescheinigung nicht deswegen zurückweisen können. Ob eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn es sicher weiß, dass die ausstellende und leistungsgewährende Stelle hiervon Kenntnis hat, ist offen. Da Zweck der Vorschrift aber die Verfahrensvereinfachung ist (es soll ermöglicht werden, dass der Schuldner wegen etwaiger Erhöhungsbeträge nach § 902 Satz 1 Nr. 1 nicht eine weitere Stelle aufsuchen muss), also eher schuldnerschützenden Charakter hat, dürfte das abzulehnen sein. Ein drittschuldnerische Kreditinstitut muss eine Bescheinigung auch dann ohne die Kann-Angaben akzeptieren.
470
5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
h) Erhöhung durch Geldleistungen, die dem Schuldner nach landesrechtlichen oder (anderen) bundesrechtlichen Rechtsvorschriften gewährt werden, in welchen die Unpfändbarkeit der Geldleistung festgelegt wird, § 902 Satz 1 Nr. 6 § 902 Satz 1 Nr. 6 ist eine – ebenfalls neu durch das PKoFoG eingeführte – Art 1679 Auffangnorm, um alle diejenigen Leistungen in den Kontopfändungsschutz aufzunehmen, die in landes- oder bundesrechtlichen Vorschriften als unpfändbar bezeichnet werden. aa) Allgemeines § 902 Satz 1 Nr. 6 wird helfen, künftig auch Leistungen in den Kontopfän- 1680 dungsschutz aufzunehmen, die in § 902 nicht explizit aufgeführt sind, bei der aber eine Unpfändbarkeit der Leistung schon nach dem entsprechenden Leistungsgesetz gewollt ist. Eine Einzelaufzählung kann hier nicht erfolgen, aber der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41 etwa das Pflegegeld des Freistaats Bayern nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG) genannt. Auch der Rechtsausschuss hat wohl geahnt, dass ein Überblick über solche Leistungen schwierig sein würde und mit seiner Änderung des § 906 Abs. 2 in der dann finalen zum Gesetz gewordenen Version sichergestellt, dass das Vollstreckungsgericht auf Antrag nicht nur dann einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen kann, wenn dies vorgesehen ist, sondern immer auch dann, wenn sich aus einer bundes- oder landesrechtlichen Vorschrift eine solche Abweichung ergibt.
Der Vorbehalt in anderen „als in den Nummern 1 bis 5 genannten bundesrecht- 1681 lichen Rechtsvorschriften“, dient lediglich der Klarstellung, dass nur solche Leistungen davon erfasst sind, die nicht schon durch andere Regelungen des § 902 geschützt werden. Ein Beispiel sind Leistungen nach § 13 Abs. 1 des Conterganstiftungsgesetzes, die nach § 13 Abs. 5 Satz 1 ContStifG weder übertragen, verpfändet noch gepfändet werden können. Zur Pfändbarkeit von Taschengeld eines Heimbewohners, vgl. BGH, Beschl. v. 30.4.2020 – VII ZB 82/17, NJW-RR 2020, 820.
Um als Erhöhungsbeträge nicht von der Pfändung des Guthabens auf einem 1682 Pfändungsschutzkonto erfasst zu werden, muss das betreffende Leistungsgesetz aber sowohl die Voraussetzungen für die Gewährung der Geldleistung als auch dessen Unpfändbarkeit regeln. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41. Nicht unter die Nr. 6 des § 902 Satz 1 fällt z. B. daher das sog. Wohngeld, da die Voraussetzungen für die Gewährung des Wohngeldes im Wohngeldgesetz (WogG) geregelt sind, die Voraussetzungen für die Unpfändbarkeit sich aber aus
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I ergeben, also nicht beides im selben Leistungsgesetz – hier WogG – geregelt ist.
1683 Mit einem Antrag auf Erhöhung des Freibetrages nach § 906 kann sich der Schuldner aber auch diese Beträge sichern. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 38; ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.11.
bb) Exkurs: Corona-Soforthilfen/staatliche Corona-Geldleistungen 1684 Um die finanziellen Folgen der Sars-CoV-2-Pandemie („Corona-Krise“) abzumildern, haben Bund und Länder Soforthilfen in Form von Kredithilfen, direkten Zuschüssen oder teilweise rückzahlbaren Vorschüssen aufgelegt. Zu Details zur NRW-Soforthilfe 2020 siehe z. B. Jungmann, WuB 2020, 457; zu den anderen Staatshilfen wie Corona-Prämien, Kinderbonus oder steuerfreien Arbeitgeberzuschüssen siehe Saager, ZVI 2020, 286. Eine Übersicht, was wie pfändbar und schützbar ist, gibt auch Mock, VE 2021, 94. Durch das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (AbzStEntModG; BGBl I 2021, 1259) hat der Gesetzgeber die Frist zur Zahlung von steuerbefreiten Corona-Sonderzahlungen und den sog. Pflegebonus nach § 150a SGB XI für Beschäftigte im Pflegebereich, nochmals bis zum 31.3.2022 verlängert, § 3 Nr. 11a EStG.
1685 Ein großes Problem während der Corona-Pandemie war, dass die Geldhilfen zumeist nur an der Quelle unpfändbar waren. Ausgangspunkt war § 851 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 399 Fall 1 BGB, wonach zweckgebundene Forderungen unpfändbar sind, soweit die Zweckbindung auf einem schutzwürdigen Interesse beruht, BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20, WM 2021, 742; ebenso BFH, Beschl. v. 9.7.2020 – VII S 23/20 (hier im Rahmen einer einstweiligen Aussetzung der Vollziehung), NJW 2020, 2749. Grundsätzlich war man sich daher einig, dass Corona-Soforthilfen an der Quelle unpfändbar sind. Nur durch sog. Anlassgläubiger, deren Anspruch durch die Hilfen (auch) gedeckt werden sollten, waren die Gelder pfändbar, vgl. für die Corona-Soforthilfe LG Köln, Beschl. v. 23.4.2020 – 39 T 57/20, NZI 2020, 494. Ebenso Jungmann, Anm. zu BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20, WuB 2021, 322. Altgläubiger aus der Zeit vor der Corona-Pandemie sind nach Ansicht des LG Köln, a. a. O., richtigerweise allerdings keine sog. Anlassgläubiger, die auf die Corona-Soforthilfe im Wege der Forderungspfändung zugreifen können.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
Der Gesetzgeber wurden von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) im Vorfeld 1686 darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Problem besteht. Er konnte sich allerdings offensichtlich nicht dazu durchringen, auch für diese Konstellation eine gesetzliche Lösung zu implementieren, weil natürlich auch Anlassgläubiger, die ggf. ebenso auf Gelder angewiesen waren, dann leer ausgegangen wären. Diese Vorweg-Entscheidung zu Gunsten einer der beiden Parteien wollte der Gesetzgeber wohl nicht treffen, sondern es der (gerichtlichen) Einzelfallentscheidung und -Interessenabwägung überlassen. Dass allerdings nicht alle Corona-Hilfen, -Boni bzw. -Sonderzahlungen z. B. 1687 an Arbeitnehmer unpfändbar sind, zeigt die Entscheidung des LG Dresden. Ein angestellter Paketfahrer übernahm in der Zeit des Lockdowns zusätzliche Touren und lieferte häufig über den normalen zeitlichen Rahmen seiner Arbeitszeit hinaus Pakete aus, die der Arbeitgeber mit einer als „Corona Bonus St/SV-frei“ bezeichneten Sonderzahlung von 300 € für zusätzlich durchgeführte Tätigkeiten und für die Bereitschaft des Schuldners, während der Corona-Pandemie zusätzlich angefallene Aufgaben zu erledigen, honorierte. Das LG Dresden, Beschl. v. 9.2.2021 – 5 T 11/21, NZI 2021, 547 hatte in diesem Fall die begehrte, vom AG Dresden noch ausgesprochene Unpfändbarkeit, abgelehnt. § 150a SGB XI sollte nur „Sonderleistungen während der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie“ als unpfändbar anerkennen für Arbeitnehmer von z. B. Pflegeeinrichtungen deren Beruf mit erhöhten gesundheitlichen Risiken während der Pandemie verbunden war (z. B. auch Krankenhaus- und Arztpraxen-Personal oder auch Polizisten). Dies war hier nach Ansicht des LG Dresden nicht gegeben. Eine nur zusätzliche Arbeitsbelastung sei dazu nicht geeignet. Auch das ArbG Bautzen, Urt. v. 17.3.2021 – 3 Ca 3145/20, VE 2021, 141 (IWW-Abrufnr. 223493) hat die Vergütungszahlung eines Arbeitgebers (Dachdeckerbetrieb) für seine Angestellten in Höhe von 1.500 € nicht als unpfändbare Corona-Sonderzahlung im Rahmen einer Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 anerkannt. Die Rechtsprechung zu den Nachtarbeitszuschlägen und den Zulagen für Sonntags- und Feiertagsarbeit sei nicht einschlägig. § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB IX sei nicht entsprechend anwendbar. Somit liege keine planwidrige Regelungslücke für die durch § 3 Nr. 11a EStG steuerfrei gestellte Corona-Sonderzahlung vor, da § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB IX nur die besonderen physischen und psychischen Belastungen sowie das erhöhte Risiko, an COVID-19 zu erkranken, honorieren wolle. Steuerfreie Sonderzahlung nach § 3 Nr. 11a EStG dagegen können dann gewährt werden, wenn erhöhte sonstige – auch durch COVID-19-Pandemie verursachte – Aufwendungen ersetzt werden müssten. Das war aber hier nicht der Fall, siehe aber Meller-Hannich, MDR 2020, 1025. A. A. AG Cottbus, Beschl. v. 23.3.2021 – 63 IN 127/18, ZInsO 2021, 796, das der Meinung ist, dass der Zweck der Zahlung der Prämie verfehlt würde, wenn die Corona-Sonderzahlung Gläubigern und nicht den Beschäftigten zugutekäme, neigt das LG München I, Beschl. v. 18.11.2021 – 20 T 12771/21 BeckRS 2021, 38568 offensichtlich dazu, auf die tatsächlichen (coronabedingten) Belastungen
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto des Arbeitsnehmers abzustellen. Auch wenn das ggf. dem Regelungsziel des § 850a Nr. 3 am besten gerecht würde, erschwerte es das für die Praxis, wenn keine einheitliche Linie festzustellen ist. A. A. auch das AG Zeitz, Beschl. v. 24.1.2022 – 5 M 195/06, BeckRS 2022, 1610, das eine Corona-Sonderzahlung eines Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer über § 765a freigestellt hatte. Der Schuldner und Arbeitnehmer arbeitete während der CoronaPandemie bei der X-AG , welche den Betrieb trotz der pandemiebedingten Einschränkungen und unter erhöhten Sicherheitsbestimmungen und Hygieneauflagen aufrechterhalten hat. Da eine Freigabe der Corona-Sonderzahlungen direkt über § 906 nicht möglich war, da sich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie des Arbeitgebers weder aus bundes- noch aus landesrechtlichen Vorschriften herleiten lässt, hat das AG Zeitz § 765a bemüht. Ausführlich dazu, Risse, NJW-Spezial 2021, 754. Ebenso instruktiv Ahrens, NZA 2022, 152, der zu Recht darauf hinweist, dass die Zahlungen zwar als Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise gem. § 3 Nr. 11a EStG qualifiziert wurden und zwischen dem 1.3.2020 und dem 31.3.2022 bis 1.500 € steuerfrei und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 SvEV auch die nicht sozialversicherungsbeitragspflichtig sind, aber eben im Gesetz nicht als unpfändbar qualifiziert wurden. Ahrens mahnt daher gesetzliche Abhilfe an, etwa wie beim zeitlich befristeten Kontopfändungsschutz für die Flutopferhilfen in § 23 EGZPO, vgl. dazu Rn. 1696.
1688 Gewährt ein Kreditinstitut unbürokratisch Vorschuss im Hinblick auf die zu erwartende staatliche Soforthilfe und gerät das Konto dadurch ins Soll, gilt das Kreditinstitut insoweit auch als Anlassgläubigerin und muss die Möglichkeit haben, durch Verrechnung mit der Soforthilfe, den Sollsaldo wieder auszugleichen, auch gegen den (späteren) Willen des P-Kontoinhabers und trotz des Verrechnungsverbotes des § 901, das insoweit einvernehmlich abbedungen worden ist und für diesen Fall auch abbedungen werden kann (Schutzzweck nicht gefährdet, da bereits vorher erfüllt). Praxistipp: Auch in diesen Fall ist Kreditinstituten zu raten, die Bevorschussung der staatlichen Hilfen im Zweifel schriftlich und den Charakter einer „Bevorschussung auf Bitten des Schuldners“ ausdrücklich zu fixieren, vgl. Rn. 972. Eine anerkennenswerte Bevorschussung, die dann zur späteren Verrechnung mit Zahlungseingängen berechtigt, setzt zudem neben der (schriftlichen) Vereinbarung voraus, dass die Bevorschussung „alsbald“ zu erwarten ist, also meist schon positiv beschieden ist. Dass Kreditinstitute trotzdem unbürokratisch helfen und solche Leistungen bevorschussen, weit bevor die leistungsgewährenden Stellen positive Bescheide herausgeben können, in Erwartung, dass solche staatlichen Hilfen „schon fließen werden“, ist löblich und wird auch praktiziert, ist aber dann ein (normales) Kreditrisiko, dessen sich die Kreditinstitute bewusst sein müssen.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902
(1) Staatliche Hilfen bei Gutschrift auf ein P-Konto In der Regel reichten dann selbst auf einem P-Konto die Freibeträge nicht aus, 1689 um die staatlichen Corona-Hilfen vor einer Auskehrung an den Gläubiger zu schützen. Die gewollte Zweckbindung war damit nicht mehr in jedem Fall erreichbar. In diversen untergerichtlichen Entscheidungen, wurde das Problem unter- 1690 schiedlich zu lösen versucht. Zur steuerrechtlichen Parallelvorschrift des § 258 AO siehe u. a. FG Münster (1. Senat), Beschl. v. 13.5.2020 – 1 V 1286/20, DStRK 2020, 277 mit Anm. Holzner, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des LG Köln, a. a. O. Ebenso BFH, Beschl. v. 9.7.2020 – VII S 23/20, DStR 2020, 1734.
Denn in § 850k Abs. 4 a. F. war der schützende § 851, nach dem das Voll- 1691 streckungsgericht auf Antrag einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen konnte, nicht erwähnt. Zumeist wurde das gewollte Ergebnis, nämlich dass die CoronaSoforthilfe auf einem P-Konto einem Pfändungsschutz unterliegen muss, dann über § 765a ZPO gelöst, u. a. LG Köln, Beschl. v. 23.4.2020 – 39 T 57/20, NZI 2020, 494. Dagegen hatte für eine unmittelbare Anwendung von § 850k Abs. 4 ZPO a. F. plädierte Ahrens, NZI 2020, 494, 495. Im Wege einer teleologischen Extension des § 850k Abs. 4 ZPO a. F. wollte u. a. das AG Passau, Beschl. v. 7.5.2020 – 4 M 1551/20, ZInsO 2020, 2273, die Problematik lösen. Einen Überblick gibt Ahrens, ZInsO 2021, 1189.
Der BGH hat dann aber den Knoten für auf P-Konten eingegangene Hilfen 1692 durchgeschlagen und entschieden, dass der Schutz dieser Guthaben über eine entsprechende Anwendung des § 850k Abs. 4 a. F. zu erfolgen hat. BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20, ZIP 2021, 814; ebenso schon: Meller-Hannich, MDR 2020, 1025.
Zu Recht weist Jungmann darauf hin, dass die Maßgaben des BGH aus dem 1693 Beschluss vom 10.3.2021 wohl auch von der Finanzgerichtsbarkeit zu beachten sein werden. Jungmann, Anm. zu BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20, WuB 2021, 322.
Auf das Vorliegen und die Prüfung von Billigkeitsmomenten wird es daher 1694 nicht mehr ankommen. Ebenso Ahrens, ZInsO 2021, 1189, 1191.
Man wird das auch auf die staatlichen zweckgebundenen Hilfen übertragen 1695 können, z. B. auch auf die Fluthilfen anlässlich des Hochwassers am 14./15. Juli 2021. So zu Recht das seinerzeit selbst vom Hochwasser schwer betroffene AG Euskirchen, Beschl. v. 2.8.2021 – 11 M 1030/11; 11 M 3132/11; 11 M 1262/17, BeckRS 2021, 21303.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1696 Der Gesetzgeber hat allerdings für die Fluthilfen – teilweise nur übergangsweise bis zum 1.12.2021 – einen alternativen Weg eingeschlagen. Nach dem Aufbauhilfegesetz 2021 wurde – mit Geltung ab 15.9.2021 – in § 23 EGZPO eine Pfändungsschutzregelung eingeführt, wenn die gewährte Soforthilfe auf ein gepfändetes Pfändungsschutzkonto (P-Konto) gutgeschrieben wird. Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021 – AufbhG 2021) v. 10.9.2021, BGBl I Nr. 63, S. 4147 – 4154.
1697 Diese staatlichen Soforthilfen, die als sog. „Billigkeitsleistungen zur Überbrückung von Notlagen von Bürgern oder zur Milderung von Schäden der Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft sowie der Angehörigen freier Berufe und Selbstständigen, in den von den Starkregenund Hochwasserereignissen im Juli 2021 betroffenen Gebieten gewährt werden“ werden den in § 850k Abs. 2 Satz 1 genannten Beträgen und Geldleistungen gleichgestellt. Sie sind somit nicht von der Pfändung erfasst. Das entspricht den Vorgaben des seit 1.12.2021 geltenden neuen § 902 Satz 1 Nr. 6, wonach künftig solche staatlichen Leistungen durch einfache Bescheinigung nach § 903 freigestellt werden (und dann im Rahmen des § 899 drei Monate übertragen werden können), wenn solche Hilfen im Leistungsgesetz selbst als unpfändbar bezeichnet sind.
1698 Neu ist dabei, dass in § 23 Abs. 2 des EGZPO (Art. 5) ein drittschuldnerisches Kreditinstitut ermächtigt wird, einem Schuldner, der solche staatlichen Hilfen erhält, diese auch dann auf dem P-Konto freizugeben, wenn er diese nicht von der Pfändung erfassten Soforthilfen nicht nur durch Vorlage einer Bescheinigung nachweist, sondern auch durch den Bewilligungsbescheid oder sogar nur eines Kontoauszuges, aus dem die Zahlung zweifelsfrei als Soforthilfe nach diesen Leistungsgesetz hervorgeht. Das ist als unbürokratische Lösung zu begrüßen, macht aber auch deutlich, dass das, was Verbände und Interessenvertretungen im Rahmen des PKoFoG gefordert haben, nämlich einen unbürokratischen Nachweis durch bescheinigbare Leistungen, der Gesetzgeber aber weitestgehend ignoriert hat, nun doch eingeführt werden kann. Wenn man so will, das späte Eingeständnis des Gesetzgebers, dass unbürokratisch vielleicht doch besser ist. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, dass vor Verabschiedung die Bundestagswahlen 2021 bevorstanden.
1699 Der Gesetzgeber selbst macht aber in seiner Begründung klar, dass er sich nicht geirrt hat und dieses unbürokratische Verfahren wohl auch kein Zukunftsmodell sein wird: So heißt es dort zu Absatz 1: „Der Schuldner kann den Pfändungsschutz zwar auch nach dem bislang geltenden Recht erreichen. Allerdings muss er dazu einen Antrag nach § 850k Absatz 4 beim Vollstreckungsgericht auf Erhöhung des Frei-
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 betrages stellen. Die Gerichte waren von den Unwettern zum Teil selbst betroffen und konnten wegen der zerstörten Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur den vollen Dienstbetrieb noch nicht wieder aufnehmen. Zudem sind sie für Schuldner teilweise schlecht erreichbar. Angesichts des Umfangs der Zerstörungen ist auch davon auszugehen, dass die Schuldnerberatungsstellen schlecht erreichbar sind. Soweit den Gläubigern in dem gerichtlichen Verfahren rechtliches Gehör zu gewähren ist und diese ebenfalls von den Folgen des Starkregens und des Hochwassers betroffen und deshalb nicht gut erreichbar sind, würde dies zu einer weiteren Verzögerung führen. Deshalb ist es notwendig, in dieser außergewöhnlichen Situation ein möglichst einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen.“
Der Gesetzgeber beabsichtigt das also nur in dieser außergewöhnlichen Situa- 1700 tion, nicht generell zuzulassen. Insofern ist Ahrens wohl zu widersprechen, der in diesem Zusammenhang von „lessons learned“ – Lektion gelernt – spricht. Ahrens, NZI 2021, 801. Aber immerhin ist der Gesetzgeber in der Lage in solch außergewöhnlichen Situationen unbürokratischer vorzugehen.
Soweit der Kunde nur einen Kontoauszug vorlegt, muss der Verwendungs- 1701 zweck aber hinreichend aufschlussreich sein, also für das drittschuldnerische Kreditinstitut schnell und unzweifelhaft erkennbar sein, dass es sich um solch eine Hochwasser-Soforthilfe handelt. Hier sind daher die leistungsgewährenden Stellen gefragt, bei der Überweisung mindestens den Begriff „Hochwasser-Soforthilfe nach Aufbauhilfe 2021“ im Verwendungszweck mit anzugeben, damit ein drittschuldnerische Kreditinstitut diesen Betrag freigeben kann.
Zudem hat der der Gesetzgeber, in § 23 Abs. 3, geregelt, dass das aus diesen 1702 Hochwasser-Soforthilfen entstehende Guthaben bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat der Gutschrift folgt, nicht von der Pfändung erfasst ist. Das war im September 2021 ein Vorgriff auf den § 899 Abs. 2 Satz 1, die verlängerte Übertragungszeit von drei Monaten. Aus Schuldnersicht war das zu begrüßen und natürlich sinnvoll. Der Gesetzgeber weist in der Begründung zu Absatz 3 zu Recht darauf hin, dass die Soforthilfen, die für die Sicherung des erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwands der Soforthilfeberechtigten notwendig sind, auch längere Zeit auf dem Konto verbleiben können müssen, ohne einer Pfändung ausgesetzt zu sein. „Zugleich hat der Schuldner dadurch – auch im Hinblick auf die noch gestörte Telekommunikations- und Verkehrsinfrastruktur in den betroffenen Gebieten – ausreichend Zeit, dem Kreditinstitut nachzuweisen, dass es sich um eine Soforthilfe handelt.“ Reichen die drei Monate nicht aus, ist aber wiederum das Vollstreckungsgericht zu bemühen, siehe aber Rn. 1707.
Für die drittschuldnerischen Kreditinstitute war das übergangsweise eine 1703 Herausforderung, es umzusetzen, denn es passte nicht zu der P-KontoSystematik, wonach keine konkrete Kontogutschrift – ein spezieller Betrag – pfändungsgeschützt, sondern lediglich ein monatlicher Freibetrag erhöht
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
werden kann, bei dem die Herkunft des Guthabens auf dem P-Konto keine Rolle spielt. Das Vorziehen der Übertragungszeit für drei Monate anlässlich der Umstellung der IT ab 1.12.2021 konnte nicht „mal eben so“ vorgezogen werden. Es war schon eine Herausforderung sie ab 1.12.2021 umzusetzen. Hier blieb nur, mittels manueller Einräumung den Freibetrag um den Betrag der Hochwasser-Soforthilfen zu erhöhen, jedenfalls wenn sie nicht im Eingangs- oder Folgemonat vollständig verbraucht wurde, in weiteren zwei Folgemonaten – ggf. reduziert um den Verbrauch des Betrages – erneut einzuräumen. Aber was ist schon dieser Mehraufwand gegenüber dem erlittenen unfassbaren Leid der Menschen in den Flutgebieten – nichts!
1704 § 899 Abs. 2 Satz 2, also das seit 1.12.2021 gesetzlich normierte first in-first out-Prinzip, ist ebenfalls anzuwenden. Für den Übergangszeitraum bis 30.11.2021 galt das ebenso, BGH, Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, NJW-RR 2018, 315.
(2) Abhilfe durch den § 902 Satz 1 Nr. 6 1705 Im Rahmen des P-Konto-Pfändungsschutzes bedarf es seit 1.12.2021 nicht mehr dieser Umwege. Der BGH hat in seiner obigen Entscheidung zur analogen Anwendung des § 850k Abs. 4 a. F., BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20, ZIP 2021, 814,
diese Analogie ausdrücklich auch deshalb zugelassen, weil sich seiner Meinung nach die Planwidrigkeit der Regelungslücke insbesondere daran festmacht, dass der Gesetzgeber im PKoFoG diese Regelungslücke erkannt und mit dem § 902 Satz Nr. 6 gelöst hat. Dadurch gibt es nun eine Regelung für staatliche Hilfeleistungen, die auf ein P-Konto überwiesen werden. 1706 Im neuen § 902 Satz 1 Nr. 6 würden dann künftig solche staatlichen Leistungen durch einfache Bescheinigung nach § 903 freigestellt werden und im Rahmen des § 899 drei Monate übertragen werden können. Es muss aber – wie gesagt – der Gesetzgeber künftig darauf achten, dass die Unpfändbarkeit im jeweiligen Leistungsgesetz selbst angeordnet ist. Ebenso Jungmann, WuB 2021, 322.
1707 Die Vollstreckungsgerichte müssen dann grundsätzlich nicht mehr bemüht werden. Ob und wie eine Ausnahme dann zu machen wäre, wenn die Leistungen nicht im Leistungsgesetz selbst als unpfändbar bezeichnet sind, ist streitig; dann könnte die Freistellung der Beträge im Rahmen der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 durch das Vollstreckungsgericht erfolgen, so Ahrens, ZInsO 2021, 1189; a. A. Jungmann, WuB 2021, 322, der einen Pfändungsschutz durch analoge Anwendung dieser Norm „mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke rechtsmethodisch nicht mehr herleiten lassen“ will.
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5. Die Erhöhungsbeträge des Grundfreibetrages, § 902 Jungmann ist wohl – allerding nur grds. – zuzustimmen, denn in der Tat, sollte es zumindest bei nach dem 1.12. erlassenen Gesetzen keine Regelungslücke mehr geben. Der Gesetzgeber wollte nur solche Leistungen schützen, die er – durch die Unpfändbarkeitsregelung im Leistungsgesetz selbst – als schützenswert qualifiziert. Eine analoge Anwendung kann daher allenfalls dann erfolgen, wenn der Gesetzgeber im Einzelfall „vergessen“ haben sollte, die als unpfändbare gewollten Leistungen im Leistungsgesetz selbst nicht als unpfändbar zu bezeichnen. Angesichts der heutigen Schnelllebigkeit und Verfallszeiten deutscher Gesetzgebung, die leider auch immer häufiger Auswirkungen auf die Qualität der Normen bzw. „Gesetzeskompositionen“ hat, ist das nicht ausgeschlossen. Insofern wird man Jungmann auch nicht uneingeschränkt zustimmen können, wenn er davon ausgeht, dass eine Nichtregelung immer eine bewusste Entscheidung ist, die stets keine planwidrige Regelungslücke mehr ist.
Über § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, der auch auf § 902 verweist, sind auch im In- 1708 solvenzverfahren Guthaben aus staatlichen Soforthilfen (und vergleichbaren Leistungen) entsprechend schützbar. Ebenso Jungmann, WuB 2021, 322.
(3) Hilfen bei Gutschrift auf ein Nicht-P-Konto Wenn der Schuldner die Soforthilfen allerdings auf ein Konto gutgeschrieben 1709 erhält, dass kein P-Konto ist und auch nicht in eines umgewandelt werden kann, ist grundsätzlich weiterhin nur ein Schutz über § 765a möglich. Ebenso Herberger, NJW 2021, 1322. Auch in den Anwendungsbereich des § 23 des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ fallen ausschließlich natürliche Personen. Auf Personengesellschaften und juristische Personen sind die Vorschriften des P-Kontos nicht anwendbar.
Ist die Umwandlung in ein P-Konto allerdings (noch) möglich, muss der 1710 Schuldner dies vorrangig zu § 765a nutzen. Ebenso BeckOK ZPO/Riedel, § 850k Rn. 27a.
Der vom BGH festgelegte Maßstab, dass § 765a eng auszulegen ist und nur 1711 in Betracht kommt, der Schuldner auf die Hilfe existenziell angewiesen ist, gilt auch dann. BGH, Beschl. v. 27.3.2008 – VII ZB 32/07, WM 2008, 930.
Ist der Maßstab erfüllt, hat der Schuldner – auf Antrag – Anspruch auf Voll- 1712 streckungsschutz. BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 8.8.2019 – 2 BvR 305/19, WM 2019, 1694.
Der neue § 902 Satz Nr. 6 hilft also künftig nur dann weiter, wenn das Zah- 1713 lungskonto ein P-Konto ist oder noch in eines umgewandelt werden kann.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
i) Übertragung Guthaben aus Erhöhungsbeträgen 1714 Durch § 902 Satz 2 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch nicht verbrauchtes Guthaben, das sich aus solchen Erhöhungsbeträgen ergibt, in die drei Folgemonate übertragen werden kann. Gleichzeitig wird damit klar, dass auch für Erhöhungsbeträge nur ein zeitlich unbefristeter Pfändungsschutz besteht. Beispiel: Schuldner S weist durch eine Bescheinigung nach, dass er im September 2022 eine einmalige Sozialleistung i. H. v. 250 € erhält. Sein Grundfreibetrag ist 250 € höher als sonst. Da das therapeutische Gerät, das er davon kaufen will, erst im Dezember lieferbar ist, verbraucht S von seinem Kontoguthaben nur den Grundfreibetrag. Die 250 € nicht verbrauchtes Guthaben kann er dann bis in den Dezember (dritter Folgemonat) übertragen. Erst mit Ablauf des 31.12.2022, 24:00 h würde die 250 € Guthaben von der Pfändung erfasst. 6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 1715 Während der pauschale Grundfreibetrag automatisch gewährt wird, muss der Schuldner zur Erlangung der Erhöhungsbeträge eigeninitiativ werden. Er muss sich diese „bescheinigen“ lassen, § 903 Abs. 1 Satz 1 und 2. Bemüht sich der Schuldner nicht einmal um eine solche Bescheinigung (anders, wenn eine Bescheinigung vom Kreditinstitut nicht anerkannt würde), kann er die Erhöhungsbeträge nicht über einen Antrag nach § 765a bei Gericht durchsetzen, LG Wuppertal, Beschl. v. 12.8.2010 – 6 T 420-422/10, n. v.; zur zu späten Umwandlung vgl. Rn. 1819. Auch wenn es der Schuldner unterlässt, ein P-Konto einzurichten, kann ihm nicht ersatzweise Schutz nach § 765a gewährt werden, BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 29.5.2015 – 1 BvR 163/15, NJW 2015, 3083. Anders das AG Norden, das in Verkennung der Entscheidung des BVerfG, a. a. O., und trotz des bestehenden Basiskontoanspruches nach § 33 ZKG einen Schutz nach § 765a zwar noch gewährt hat, allerdings mit der Maßgabe, dass der Schuldner sich alsbald (= von innerhalb von einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses des AG Norden) ein eigenes P-Konto zulegen und seine Bezüge dorthin leiten muss, vgl. AG Norden, Beschl. v. 12.3.2021 – 6 M 4625/20, Rpfleger 2021, 529. Diese Entscheidung scheint nicht tragfähig und darf nicht verallgemeinert werden, denn ein passives Verhalten des Schuldners führt stets dazu, dass – sogar eigentlich unpfändbare Sozialleistungen – der Kontopfändung unterliegen. Der Schuldner muss sich aktiv um den P-Kontoschutz bemühen, sonst gibt es keinen Schutz.
1716 Nur dann wird ein Kreditinstitut dem Schuldner Erhöhungsbeträge zubilligen und nur dann ist es auch verpflichtet, dem Schuldner diese erhöhten Freibeträge zu gewähren und vorhandenes Guthaben entsprechend auszuzahlen. Die Verpflichtung ergibt sich dann aus § 908, einem ebenfalls neuem durch das PKoFoG eingeführten Paragrafen, in dem die Aufgaben des Kreditinstituts im Rahmen des Kontopfändungs-
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 schutzes zusammengefasst sind. Nach Abs. 1 ist das Kreditinstitut dem Schuldner zur Leistung aus dem nicht von der Pfändung erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten verpflichtet.
Damit wird der Regelungsgehalt des bisherigen § 850k Abs. 5 Satz 1 a. F. über- 1717 nommen. Der Gesetzgeber war wichtig, deutlich zu machen, dass mit der Formulierung klargestellt wird, dass die Verpflichtung alle Guthaben betrifft, die nach den Vorschriften dieses Abschnitts nicht von der Pfändung erfasst werden, vgl. vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 49.
Der Schuldner muss also, wenn er Erhöhungsbeträge nach § 902 erlangen will, 1718 nicht das Vollstreckungsgericht oder die Vollstreckungsbehörde bemühen, sondern muss sich nur eine Bescheinigung i. S. d. § 903 ausstellen lassen und diese dem Kreditinstitut vorlegen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 40.
Die Bescheinigung wirkt kontobezogen, gilt also für das P-Konto und nicht 1719 nur für eine einzelne Kontopfändung. Das gilt auch für Entscheidung nach § 905 Satz 1, wenn ein Vollstreckungsgericht ersatzweise tätig wird, weil der Schuldner glaubhaft gemacht hat, dass er eine Bescheinigung, um deren Erteilung er nachgesucht hat, sie aber nicht in zumutbarer Weise von diesen Stellen erlangen konnte, nicht aber für gerichtliche Beschlüsse nach § 906, vgl. auch Köppen, ZVI 2010, 339, 341 noch zur alten Rechtslage, an der sich aber diesbezüglich nichts Grundsätzliches geändert hat.
Es wird weiterhin keinen Formularzwang geben. Die neue Musterbescheini- 1720 gung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), Anhang 4, enthält alle Möglichkeiten der bescheinigbaren Leistungen und Tatbestände des § 902. Diese musste im Übrigen gegenüber der ersten Version 12/2021 nochmals angepasst werden, weil die Verweise unter V. auf die Absätze des § 904 nicht korrekt waren. Der Anhang 4 ist die korrigierte Fassung.
Der Gesetzgeber hat sich auch im Rahmen des PKoFoG weiterhin geweigert, 1721 einen Formularzwang verbunden mit einer mit Gesetzesrang versehenen Musterbescheinigung einzuführen. Dabei wurde dies auch im Schlussbericht iff, S. 50, bereits gefordert.
Das wird – jenseits der Regelung einer Bescheinigung mit Pflichtangaben im 1722 Rahmen des § 903 Abs. 3 Satz 2 – in der Praxis die Akzeptanz von Bescheinigungen durch Kreditinstitute weiterhin erschweren. BT-Drucks. 16/7615, S. 20 – vermutlich hatte der Gesetzgeber bei der Weigerung, einen Formularzwang verbunden mit einer mit Gesetzesrang versehenen Musterbescheinigung einzuführen, ein ähnliches Fiasko vor Augen, als es ihm nicht gelang, eine in der Praxis funktionierende und durch die Rechtsprechung akzeptierte
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Muster-Widerrufsbelehrung für Verbraucher in der BGB-Informationspflichten-Verordnung zu schaffen; siehe dazu stellvertretend: Masuch, NJW 2008, 1700 ff.
1723 Korrespondierend dazu, hat der Gesetzgeber auch keine allgemeine Pflicht zur Ausstellung von Bescheinigungen für alle Stellen gem. § 903 Abs. 1 eingeführt. BT-Drucks. 16/7615, S. 20; auch in § 903 Abs. 3 müssen nur Familienkassen, Sozialleistungsträger und mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befasste Einrichtungen auf Antrag des Schuldners eine Bescheinigung ausstellen, allerdings auch keine einheitlich aussehende, sondern nur eine, die bestimmte Angaben enthält, manche als Pflicht-, manche nur als freiwillige sog. Kann-Angaben. Das eröffnet insbesondere privaten Arbeitgeber, sich der Pflicht zu entziehen (was aber der Qualität der Bescheinigung nicht schaden muss). Damit hat der Schuldner umgekehrt aber bei diesen Ausstellern auch keinen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf die Ausstellung einer Bescheinigung. Somberg, ZVI 2010, 169, wies zur Reform 2010 richtigerweise ergänzend schon darauf hin, dass sich ein solcher Anspruch gegen die weiteren ausstellenden Stellen „auch nicht aus den allgemeinen Grundsätzen über den Kontrahierungszwang“ herleiten ließe. Für öffentliche Anbieter lebenswichtiger Güter – unter die Somberg die Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 offenbar subsumiert – gäbe es zwar einen Kontrahierungszwang (dem die Anbieter sich auch nur aus „sachlichen Gründen“ entziehen können), aber für einen Kontrahierungszwang zur Ausstellung einer Bescheinigung fehle es an einer hierfür „erforderlichen Monopolstellung“ der ausstellenden Stellen. Das gilt nun umso mehr, als der Gesetzgeber mit dem PKoFoG 2021 jetzt ganz bewusst nur geregelt hat, dass bestimmte Aussteller auf Antrag eine Bescheinigung ausstellen müssen.
1724 Der Autor wiederholt daher – auch in dieser Auflage – seinen Appell an den Gesetzgeber, einen Formularzwang verbunden mit einer mit Gesetzesrang versehenen Musterbescheinigung einzuführen. Zum PKoFoG hatte verschiedene Interessensgruppen darunter die Deutschen Kreditwirtschaft (DK) erneut ein gesetzliche Musterbescheinigung gefordert.
1725 Ein Argument des Gesetzgebers, keine amtliche Bescheinigung einzuführen, ist, dass es mit der von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) in Absprache mit der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) entwickelten Musterbescheinigung bereits eine – in der Praxis bewährte – gibt (Anhang 4). Die Musterbescheinigung wurde von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (AG SBV) entwickelt und 2010 mit dem Bundesjustizministerium (BMJ) und der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) abgestimmt. Die neue sich daran orientierende, aber natürlich das PKoFoG berücksichtigende Musterbescheinigung wurde dann mit der Version „1.12.2021“ neu aufgelegt, siehe Muster-Bescheinigung, Anhang 4. Der Gesetzgeber geht im Rahmen des § 903 davon aus, dass eine Bescheinigung auch befristet erteilt werden kann; die Muster-
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 bescheinigung enthält keine Möglichkeit eine Befristung anzugeben; dass dies eine Vollstreckungsvereitelung durch den Schuldner fördern könnte, war auch bisher nur eine theoretische Gefahr. Der Schuldner hat zudem Pflichten, die Veränderung seiner Vermögensverhältnisse anzugeben. Es gibt „Ausfüllhinweise zur Muster-Bescheinigung“ der AG SBV, siehe Anhang 4a.
Schon deshalb wäre es ein Leichtes gewesen, zumal bewährt, diese als Vorlage 1726 für einen amtlichen Vordruck zu nutzen. Der Gesetzgeber sagt selbst, dass die (alte) Musterbescheinigung in einem hohen Maße akzeptiert ist, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42.
Auch in der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangs- 1727 vollstreckungsformular-Verordnung – ZVFV) vom 23.8.2012 (BGBl I 2012, 1822) ist ein Argument zum Einsatzzwang (freilich hier nur für „private“ Gläubigern), dass damit ein Effizienzgewinn und eine Entlastung (der Vollstreckungsgerichte) einhergehen. Der BGH, Beschl. v. 15.6.2016 – VII ZB 58/15, NJW 2016, 2810 hat richtigerweise unter Bezugnahme u. a. auf die Gesetzesmaterialien der ZVFV (BT-Drucks. 13/341, S. 11; BR-Drucks. 326/12, S. 1) den Formularzwang (grds. ohne eine Forderungsaufstellung als Anlage) damit begründet, dass die durch den Formularzwang geforderten Effizienz und die Entlastung der Vollstreckungsgerichte ansonsten quasi konterkariert würden. „Die einheitliche Darstellung der zu vollstreckenden Forderungen in einer Forderungsaufstellung dient der Übersichtlichkeit und vermeidet, dass der zuständige Rechtspfleger bei der Antragsbearbeitung zwischen zwei Forderungsaufstellungen ‚hin- und herwechseln‘ muss“.
Damit wird ein großer Vorteil einer Musterbescheinigung deutlich: Alles steht 1728 immer an der gleichen Stelle, in der gleichen Reihenfolge und führt dazu, da ein drittschuldnerische Kreditinstitut sehr schnell und effizient die bescheinigten Erhöhungsbeträge erkennen kann. Die Verbraucherzentrale NRW im Mai/Juni 2011 hat in 40 nordrhein-westfälischen Städten per Fragebogen bei 53 Gerichten, 139 Banken und Sparkassen, 101 Sozialleistungsträgern, 232 Arbeitgebern und bei 87 Schuldnerberatungen vor Ort ermittelt, ob eine Vereinfachung durch die Pfändungsschutzreform gelungen sei oder welche Hürden Schuldner an ihrem Wohnort für das Ausstellen der notwendigen Bescheinigung nehmen müssen. Das Ergebnis war, dass als größtes Manko ausgemacht wurde, dass die Handhabung hinsichtlich Ausstellung und Akzeptanz der Bescheinigung so uneinheitlich war, „dass Betroffene nicht wissen, welches Testat bei Banken und Sparkassen als verbindlich anerkannt wird und wo man es am jeweiligen Wohnort bekommt“, vgl. http://www.infodienst-schuldnerberatung.de/schuldnerberatung/rubriken/ praxisthema/2011.
Warum der Gesetzgeber diesen Vorteil, den es der Justiz zukommen lässt, nicht 1729 auch der den bescheinigenden Stellen und der (Kredit-)Wirtschaft zugutekommen lassen will, ist unverständlich und nicht nachvollziehbar. 483
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1730 Umso mehr war und ist es zu begrüßen, dass wenigstens die Schuldnerberatungsstellen – und Teile der kommunalen öffentlichen Verwaltung – sich der einheitlichen Musterbescheinigung oder einer stark an ihr orientierten bedienen. Die Bundesagentur für Arbeit hatte ihren nachgeordneten Stellen erst 2011 die Verwendung der Musterbescheinigung (Anhang 4) empfohlen (Verfahrensinformation SGB II vom 27.10.2011), allerdings leider nicht verbindlich vorgeschrieben. Das hat sich durch die §§ 902, 903, die nun diese Leistungsträger – auf Antrag des Schuldners – zur Ausstellung einer qualifizierten Bescheinigung gesetzlich verpflichtet, überholt. Arbeitgeber, die an die Bescheinigungspflicht weiterhin nicht gebunden sind, zumindest größere, sind vielfach auf eine ITBescheinigung, die ihre Lohnbuchhaltungs-Software erstellt, ausgewichen.
1731 Kreditinstituten kann weiterhin aber nur empfohlen werden, nicht reflexartig solche der Musterbescheinigung nur angenäherte Bescheinigungen abzuweisen, nur weil diese nicht (exakt) der Musterbescheinigung entsprechen. Es ist sogar zu erwarten, dass die Musterbescheinigungen der Sozialleistungsträger, insbesondere der Kommunen, sich an der neuen Musterbescheinigung (Anhang 4) orientieren werden, ggf. allerdings dann nur mit den bescheinigbaren Geldleistungen, die der Träger konkret gewährt.
1732 Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber nun in § 903 Abs. 3 zumindest den Familienkassen, Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung inhaltliche Vorgaben gemacht hat. Sind diese enthalten, wird ein Kreditinstitut eine solche Bescheinigung grundsätzlich nicht zurückweisen können. Einen Anspruch auf Vorlage nur in Form der Musterbescheinigung besteht nicht. So schon sehr früh nach der ersten Reform: LG Essen, Beschl. v. 9.11.2010 – 7 T 568/10, ZVI 2011, 64; Köppen, ZVI 2010, 339 ff.; siehe aber Rn. 1921.
1733 Soweit die nun – auf Antrag – zur Ausstellung verpflichteten Stellen einen Nachweis kreieren, der alle vom Gesetz vorgeschriebenen Angaben enthält, sind diese von den drittschuldnerischen Kreditinstituten zu akzeptieren, mögen sie auch noch so unübersichtlich und unterschiedlich sein. Übergangsweise auch nicht zu formal sollten drittschuldnerische Kreditinstitute auch darauf reagieren, wenn nach dem 1.12.2021 noch eine alte Musterbescheinigung vorgelegt wird, die aber die Pflichtangaben nach § 903 Abs. 3 Satz 2 enthält, ggf. handschriftlich unter Streichung der alten Paragrafen hinzugefügt. Jedenfalls dann, wenn nur der Grundfreibetrag und die Erhöhungsbeträge wegen gesetzlicher Unterhaltsgewährung bescheinigt sind, sollten die drittschuldnerischen Kreditinstitute hier für eine Übergangszeit großzügig sein.
1734 Das wird drittschuldnerische Kreditinstitute vor besondere Herausforderungen stellen, solle es dazu kommen, dass die „amtlichen“ Bescheinigungen alle 484
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
gänzlich unterschiedlich aussehen. Insbesondere wird sich der Prüfaufwand spürbar erhöhen, mindestens anfänglich. Gut täten die Stellen daran, wenn sie sich – im Aufbau – an der Musterbescheinigung (siehe Anhang 4) orientierten, so dass die drittschuldnerischen Kreditinstitute relativ schnell und einfach den Erhöhungsbetrag identifizieren könnten.
Sind die Bescheinigungen allerdings nicht plausibel und/oder nicht zu verstehen, 1735 können die drittschuldnerischen Kreditinstitute die Anerkennung der Bescheinigung verweigern und die Kunden ggf. an das Vollstreckungsgericht verweisen. Solch unverständliche Bescheinigungen können daher zurückgewiesen werden. Das würde beispielsweise dann gelten, wenn die inhaltlich notwendigen Angaben widersprüchlich, unzureichend oder derart unübersichtlich wären, dass der Prüfungsaufwand den einer Musterbescheinigung spürbar überschreitet.
Hier müssen, weil der Gesetzgeber die Musterbescheinigung im Grunde für 1736 den Praxiseinsatz akzeptiert hat, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42,
ohne dass es „amtliches Formular“ wurde, trotzdem grundsätzlich die gleichen Maßstäbe gelten wie für ein amtliches Formular, z. B. bei den Anträgen auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Hier hatte der BGH, Beschl. v. 15.6.2016 – VII ZB 58/15, NJW 2016, 2810 richtigerweise unter Bezugnahme u. a. auf die Gesetzesmaterialien der ZVFV (BT-Drucks. 13/341, S. 11; BR-Drucks. 326/12, S. 1) den Formularzwang begründet, dass die durch den Formularzwang geforderten Effizienz und die Entlastung der Vollstreckungsgerichte ansonsten gefährde würde. „Die einheitliche Darstellung der zu vollstreckenden Forderungen in einer Forderungsaufstellung dient der Übersichtlichkeit …“.
Das Argument zur Übersichtlichkeit muss daher auch hier gelten, denn die 1737 Drittschuldnerbearbeitung darf bei drittschuldnerischen Kreditinstituten grundsätzlich nur zu einer „geringstmöglicher Belastung“ führen. BGH, Urt. v. 25.9.1986 – IX ZR 46/86, ZIP 1986, 1422 = NJW 1987, 64.
Mit der gegenüber § 850k Abs. 5 Satz 1 a. F. modifizierten Vorschrift des 1738 § 903 hat der Gesetzgeber auch einige, leider aber nicht alle für den Schuldner belastenden Regelungen beseitigt. Damit – und das gilt es zunächst einmal anzuerkennen – versucht der Gesetzgeber, dem Schuldner die unwürdige „Odyssee“ bei der Erlangung der Bescheinigung zumindest etwas zu erleichtern. Dies zu Recht beklagend, Langfassung iff S. 81 und 154. Denn nach der alten Rechtslage hatten Schuldner im Rahmen des engen Zeitfensters nicht selten Probleme, eine geeignete Stelle zu finden, die die Erhöhungstatbestände/-beträge bescheinigte. Schuldner mussten daher teilweise mehrmals und unterschiedliche Stellen aufsuchen, um eine Bescheinigung zu erhalten. Da sich das regel-
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto mäßig über einen längeren Zeitraum erstreckte, gab es mangels ausreichendem bzw. nicht erreichbarem Pfändungsschutzes sogar Fälle, bei denen Guthaben an den Gläubiger ausgekehrt werden musste, weil es der Schuldner nicht rechtzeitig schaffte, die Bescheinigung vorzulegen.
1739 Ob es mit den jetzigen Änderungen nachhaltig gelingt, das zu verhindern, muss sich allerdings erst noch zeigen. Immerhin muss der Schuldner immer noch bei mindestens zwei Stellen um eine Bescheinigung ersucht und sie nicht erhalten haben, bevor er dann das zuständige Vollstreckungsgericht bemühen kann. 1740 Es wird auch erst die Praxis zeigen, ob die Qualität der Bescheinigungen den neuen gesetzlichen Anforderungen entspricht und damit auch, ob und in welchem Maße Kreditinstitute Bescheinigungen nach § 903 akzeptieren können. 1741 Eine wesentliche Rolle wird spielen, ob aus der Akzeptanz Haftungsrisiken resultieren, ob eine aufwändigere Prüfung notwendig wird oder trotzdem eine effiziente Bearbeitung gewährleistet ist. Sollte die Prüfung nicht schnell und eindeutig aus der Bescheinigung hervorgehen, werden Kreditinstitute diese Bescheinigungen auch deshalb ggf. nicht akzeptieren. Selbst der BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, ZIP 2013, 902 hat postuliert, dass die Kreditwirtschaft die üblichen Bescheinigungen (nur) dann akzeptiert, wenn sie auf deren Grundlage in die Lage versetzt wird, die notwendigen Berechnungen schnell und zutreffend vorzunehmen. Ist es auf Basis einer Bescheinigung aber nicht möglich, ähnlich schnell wie aus der (neuen) Muster-Bescheinigung die Erhöhungsbeträge zu ersehen bzw. zusammen zu addieren, darf ein Kreditinstitut die Bescheinigung zurückweisen. Dass allerdings die Addition von Beträgen aus mehreren TeilBescheinigungen zu einem Gesamt-Freibetrag mehr Zeit erfordert, kann drittschuldnerische Kreditinstitut ausdrücklich nicht dazu berechtigen, ansonsten den Anforderungen des § 903 entsprechende Bescheinigungen zurückzuweisen. In der anfänglichen Praxis manchmal vorzufindende Verfahrensweise von Sozialleistungsträgern, den Schuldner auch nach dem 1.12.2021 nur mit dem Sozialleistungsbescheid ausgestattet zum drittschuldnerischen Kreditinstitut zu schicken, in der Hoffnung, dass diese auf Basis nur dieses Leistungsbescheides Erhöhungsbeträge gewähren, sollten drittschuldnerische Kreditinstitut nun im Keim ersticken. Zwar schulden u. a. die Sozialleistungsträger die Ausstellung einer qualifizierten Bescheinigung nur auf Antrag des Leistungsbeziehers und Schuldners. Schuldner werden aber – zumindest anfänglich – vielleicht noch gar wissen werden, dass ihnen dieses Recht zusteht und es deshalb nicht geltend machen. Den Sozialleistungsträgern sollte klar sein, dass die drittschuldnerischen Kreditinstitute schon aus Haftungsgründen künftig auf einer qualifizierten Bescheinigung i. S. d. §§ 903, 902 bestehen werden und dies auch dürfen. Insofern ist zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis in der Praxis schnell durchsetzt und Sozialleistungsträger ihre Klientel idealerweise auf das Antragsrecht hinweisen.
Nachfolgend werden die Einzelheiten des § 903 absatzweise erläutert. 486
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
a) Gutglaubensschutz § 903 Abs. 1 Satz 1 soll Kreditinstitute – weiterhin – vor Nochmalzahlung 1742 schützen. Das PKoFoG hat diesen Gutglaubensschutz „umgekehrt“. § 850k Abs. 5 Satz 3 a. F. hatte den Gutglaubensschutz noch wie folgt formuliert: „Die Leistung des Kreditinstituts an den Schuldner hat befreiende Wirkung, wenn ihm die Unrichtigkeit einer Bescheinigung nach Satz 2 weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist.“
Nun ist Kreditinstitut vor Ansprüchen des Schuldners geschützt, wenn das 1743 Kreditinstitut an den Gläubiger zahlt. Das Kreditinstitut zahlt nur dann schuldbefreiend an den Gläubiger, wenn der Schuldner für die Erhöhungsbeträge keinen Nachweis nach Satz 2 erbringt. Der Gutglaubensschutz des § 850k Abs. 5 Satz 3 a. F. existiert daher so nicht mehr; § 903 Abs. 1 Satz 1 schützt das Zahlungsinstitut nun vor Ansprüchen des Schuldners. In der Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 47 dort noch zu Abs. 4 des § 903, wurde ausgeführt, dass Abs. 4 „die Zielsetzung des bisherigen § 850k Abs. 5 Satz 3 aufnimmt“. Zwar hatte die Regelung im DiskE noch folgenden Wortlaut: „Das Zahlungsinstitut hat bei Leistungen aus einem Guthaben, über das der Schuldner einen Nachweis nach Abs. 1 Satz 2 erbracht hat, die darin enthaltenen Angaben zu Grunde zu legen.“ gleichwohl war der Reglungscharakter, nämlich das Kreditinstitut durch eine Bescheinigung gem. Abs. 1 Satz 2 vor Ansprüchen des Schuldners zu schützen, vergleichbar.
Es bedeutet, dass ein Kreditinstitut auf eine Bescheinigung vertrauen darf 1744 und mit befreiender Wirkung gegenüber dem Schuldner zahlen kann, auch wenn der Nachweis inhaltlich unzutreffend wäre. Beispiel: Schuldner S erhält einen Nachweis in dem – für Kreditinstitut K nicht erkennbar – fälschlicherweise ein Erhöhungsbetrag bescheinigt wird. Kreditinstitut K räumt auf Basis dieser gem. § 903 erstellten Bescheinigung den Erhöhungsbetrag ein, S verfügt darüber. Als Gläubiger G später davon erfährt, macht er gegenüber K die Nochmalzahlung an ihm zu viel an den S ausgezahlter Beträge geltend. Zu Recht? Lösung: Nein. K ist zwar in diesen Fall nicht direkt durch § 903 Abs. 1 Satz 1 geschützt, da diese Norm ihn vor Ansprüchen des SCHULDNERS schützen soll. Da K aber in Unkenntnis der inhaltlichen falschen Bescheinigung zu viel an S leistete, kann K sich auf § 407 BGB berufen. Denn insoweit hat K in Unkenntnis (des Umfangs) des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu viel an S gezahlt. Dass die Bescheinigung inhaltlich falsch war, hätte K positiv wissen müssen, um diesen Schutz zu verlieren. Das war hier nicht der Fall. So auch Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 835 Rn. 13.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1745 Das Kreditinstitut zahlt nur dann schuldbefreiend an den Gläubiger, wenn der Schuldner für die Erhöhungsbeträge keinen Nachweis nach Satz 2 erbringt. Die schuldbefreiende Zahlung setzt nur voraus, dass der Nachweis in der von dem Gesetz vorgesehenen Weise und von einer berechtigten Stelle erteilt worden ist. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43.
b) Aussteller der Bescheinigungen 1746 § 903 Abs. 1 Satz 2 legt zunächst fest, wer überhaupt berechtigt ist, diese Nachweise als Bescheinigungen auszustellen: x
die Familienkasse, der Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung,
x
der Arbeitgeber,
x
oder eine geeignete Person oder Stelle i. S. v. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
1747 Diese Regelungen in Satz 2 Nr. 1 – 3 entsprechen im Wesentlichen denen im bisherigen § 850k Abs. 5 Satz 2 a. F. 1748 Als zur Ausstellung von Bescheinigungen berechtigte Stellen hinzugekommen sind lediglich Einrichtungen, die die in § 902 Satz 1 erwähnten, durch das PKoFoG im Umfang deutlich erweiterten Geldleistungen gewähren. Dazu gehören beispielsweise die mit der Gewährung von Geldleistungen aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ befassten zuständigen Einrichtungen, aber auch der Stiftungsvorstand der nach dem Conterganstiftungsgesetz zuständig ist für die Gewährung dieser Mittel oder die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Leistungsträger.
1749 Mit dieser neuen Vielfalt der ausstellenden Stellen steigen aber die Anforderungen der Kreditinstitute, genau diese Stellen als berechtigt zu identifizieren. Grundsätzlich muss sich der Schuldner um einen geeigneten Nachweis bemühen. So auch Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 46.
Beispiel: Schuldner S legt seinem Kreditinstitut K eine ansonsten § 903 entsprechende Bescheinigung auf einen Briefkopf einer K unbekannten Stelle vor, um einen einmaligen Erhöhungsbetrag zu erhalten. K kann mangels Angaben auf dem Briefkopf anhand der Bescheinigung nicht erkennen, ob die Stelle wirklich eine mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befasste Einrichtung ist und verweigert zunächst die Gewährung des Erhöhungsbetrages. Zu Recht?
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Lösung: Ja. K ist in der Zwickmühle. K könnte an den Gläubiger gegenüber S nur schuldbefreiend zahlen, wenn S keinen Nachweis i. S. d. § 903 erbringt. Nun hat er aber eine Bescheinigung vorgelegt und K wäre – wäre die Bescheinigung in Ordnung – nach § 903 Abs. 4 gehalten, die Angaben in der Bescheinigung ab dem zweiten auf die Vorlage der Bescheinigung folgenden Geschäftstag zu beachten. K hat also im Grunde nur einen Tag Zeit, sich nachweisen zu lassen, dass die ausstellende Stelle eine mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befasste Einrichtung ist. Diesen Nachweis muss bei berechtigten Zweifeln S erbringen. Das sollte grundsätzlich auch kein Problem sein, denn die Stelle wird ihre entsprechende Legitimation nachweisen können, aber ohne Prüfung läuft K Gefahr, vom Pfändungsgläubiger, falls dieser davon erfährt und die Stelle am Ende tatsächlich keine berechtigte Stelle i. S. d. § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 gewesen ist, auf Nochmalzahlung in Anspruch genommen zu werden. Reicht die Zwei-Tages-Frist des § 903 Abs. 4 nicht aus, weil so schnell nicht zu klären ist, ob die Bescheinigung von einer geeigneten Stelle stammt, geht diese Fristüberschreitung nicht zu Lasten der K; jedenfalls dann nicht, wenn wie hier berechtigte Zweifel an der Geeignetheit der ausstellenden Stelle bestehen. Kreditinstitute dürfen und sollten aber keine überzogenen Anforderungen 1750 stellen. So auch LG Essen, Beschl. v. 9.11.2010 – 7 T 568/10, ZVI 2011, 64.
In der Regel werden die ausstellenden Stellen dem Kreditinstitut auch be- 1751 kannt sein. Das Kreditinstitut kann einen qualifizierten Nachweis i. S. d. § 903 nur dann ablehnen, wenn es aufgrund des Ausstellers, Inhalts oder der Form der vom Schuldner vorgelegten Bescheinigung oder der sonstigen, ihm bekannten Begleitumstände große Zweifel hat oder bereits erkennt, dass die Bescheinigung unrichtig ist oder wenn sich ihm die Unrichtigkeit aufgrund der vorgenannten Umstände geradezu aufdrängen muss, vgl. Remmert, NZI 2008, 70, 72.
Trotzdem steckt hierin eine gewisse Unsicherheit, wobei sich ein Kreditinstitut 1752 klar machen sollte, dass es grundsätzlich gut geschützt ist, wenn sich Zweifel an der Bescheinigung nicht geradezu aufdrängen. Zu beachten ist auch, dass die Pfändungsbearbeitung für drittschuldnerische Kreditinstitut ein Massengeschäft ist, die nicht allzu aufwändige Anforderungen an die Prüfung der Bescheinigung stellen kann. Zu den bescheinigenden Stellen im Einzelnen im Folgenden.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
aa) Familienkassen, Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen 1753 Stellen nach § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 sind zunächst die Familienkassen und Sozialleistungsträger, aber eben auch Einrichtungen, die mit der Gewährung von Leistungen nach § 902 Satz 1 befasst sind. 1754 Familienkasse ist die für das Kindergeld örtlich zuständige Familienkasse; keine Stelle in diesem Sinne sind Standesämter, ein pensionierter Rechtspfleger, ein Pfarrer oder ein sog. „Sozialanwalt“, soweit er nicht Rechtsanwalt oder anerkannte Schuldberatungsstelle i. S. d. § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ist. Bzgl. „Sozialanwalt“ vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 9.9.2012 – 20 K 1112/12, VIA 2012, 87. Die Ausführungsgesetz zu § 305 Insolvenzordnung sehen regelmäßig nur eine Anerkennung von Stellen zur Schuldnerberatung vor, so auch das AGInsO-NW, nicht aber von natürlichen Einzelpersonen, OVG Bautzen, Beschl. v. 31.3.2011 – 5 A 193/09, BeckRS 2011, 49857. Die Ausführungsgesetze, hier §§ 1 und 3 SächsInsOAG, ermöglichen insoweit auch keinen Entscheidungsspielraum, um eine einzelne natürliche Person als geeignete Stelle anzuerkennen.
bb) Arbeitgeber 1755 Nach § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sind auch die Arbeitgeber in der Lage, als Nachweis für den Schuldner Bescheinigung auszustellen. Arbeitgeber meint in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber auch Arbeitgeber eben dieses Schuldners sein muss; es kann also nicht irgendein Arbeitgeber die Bescheinigung für nicht bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer ausstellen.
1756 Naturgemäß ist das Missbrauchsrisiko bei Arbeitgebern, ohne sie unter Generalverdacht zu stellen, anders als bei den Behörden oder Einrichtungen nach § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, die im Zweifel staatlich überprüft und/oder überwacht sind, größer, dass hier eine unrichtige Bescheinigung erteilt wird. Das wird auch damit zusammenhängen, dass es ggf. eine eigene Betroffenheit gibt, die bei den anderen Austellern kaum vorkommen wird. Beispiel: Der Schuldner war ursprünglich selbstständig, ist aber mit seinem Unternehmen insolvent geworden. Seine Ehefrau gründet ein neues Unternehmen, stellt als StrohGeschäftsführerin den Schuldner – vermutlich sogar zu unpfändbaren Beträgen – ein und bescheinigt ihm die gesetzliche Unterhaltsgewährung für drei Personen und mit den nach § 903 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 notwendigen Angaben auf einem privatschriftlich erstellten Briefkopf „ihres“ Unternehmens. Es liegt auf der Hand, dass solche Bescheinigungen Argwohn hervorrufen, aber zunächst einmal ist es eine geeignete Bescheinigung.
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Ein Kreditinstitut ist gut beraten, hier keine gläubigerschützende Position zu 1757 beziehen. Es kann auch schwerlich, wenn die Voraussetzungen des § 903 erfüllt sind, die Bescheinigung zurückweisen. Im Zweifel ist es Aufgabe des Gläubigers, sich gegen eine materiell unrichtige Bescheinigung zu wehren. Daher sind zwar möglicherweise Zweifel an der „Qualifikation Arbeitgeber“ 1758 angezeigt, wenn ein Selbstständiger oder Freiberufler sich selbst eine Bescheinigung ausstellt, aber anknüpfend an die (arbeitsrechtliche) Definition des BAG ist ein Arbeitgeber jemand, der mindestens einen anderen in einem Arbeitsverhältnis als Arbeitnehmer beschäftigt und dafür eine Vergütung schuldet. Pasche, in: MünchKomm-FamFG, § 236 Rn. 9.
Ein Selbstständiger, der keinen Angestellten beschäftigt, kann sich daher nichts 1759 bescheinigen. Das Kreditinstitut muss das aber nicht prüfen, es sei denn, es weiß es positiv, sondern wäre bei Vorlage einer ansonsten ordnungsgemäßen Bescheinigung geschützt. Soweit es sich um einen dem Kreditinstitut bekannten Arbeitgeber handelt, 1760 der mehrere Arbeitnehmer beschäftigt und Bescheinigungen mittels professioneller IT erstellt, dürften Zweifel an der Qualität ohnehin nicht angebracht sein. Gibt diese Bescheinigung über die – zumeist aus dem „Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung“ übernommenen – Angaben wie Steuerklasse und Kinderfreibetrag hinaus Auskunft über die gewährten (!) gesetzlichen Unterhaltspflichten des Kontoinhabers (vgl. Rn. 1875), wird das Kreditinstitut diese Bescheinigung zu akzeptieren haben. Eine normale Gehaltsabrechnung dürfte diese Anforderungen nicht erfüllen.
Die gesetzlichen Anforderungen an die inhaltlichen Bestandteile einer Beschei- 1761 nigung gelten nach § 903 Abs. 3 nur für Familienkassen, Sozialleistungsträger oder mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen, nicht aber z. B. für Arbeitgeber. Der „Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung“ alleine ist insoweit keine taugliche Bescheinigung. Zunächst scheitert es schon daran, dass das Finanzamt keine „geeignete Person oder Stelle“ i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist, vgl. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 4.3.4. a. E. Die Lohnsteuerklasse ist nicht einmal ein Indiz für gesetzliche, geschweige denn für gewährte gesetzliche Unterhaltspflichten. Aus den gleichen Gründen (keine Berechtigung zur Ausstellung; kein Nachweis über die gesetzliche Unterhaltsgewährung) sind auch Heirats- oder Geburtsurkunden keine geeigneten Nachweise i. S. d. § 903.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
cc) Geeignete Person oder Stelle 1762 Die Bescheinigung kann nach § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 auch von einer geeigneten Person oder Stelle gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgestellt werden. Nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 letzter Halbsatz InsO können sie als geeignet ansehen. Alle Bundesländer haben von der Ermächtigung Gebrauch gemacht.
1763 Mitglieder von Rechtsanwaltskammern, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüferinnen, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüferinnen und vereidigte Buchprüfer sowie Personengesellschaften und juristische Personen des privaten Rechts, in denen sich ausschließlich solche Personen zur Ausübung ihrer Berufe zusammengeschlossen haben, so die Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Nds. AGInsO,
gelten schon Kraft ihres Berufes und weil das jeweiliges Berufsrecht eine verantwortungsbewusste Tätigkeit garantiert, als geeignet. Nerlich/Römermann-Römermann, InsO, § 305 Rn. 16.
1764 Nach den Ausführungsgesetzen der Länder, exemplarisch: § 2 Abs. 1 Nr. 1 Nds. AGInsO,
sind als geeignete Stellen regelmäßig auch die Schuldnerberatungsstellen, gleich ob in kommunaler, kirchlicher oder Trägerschaft von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege. Die Gewähr für die Qualität der Schuldner beratenden Tätigkeit wird in den AGInsO zumeist weitergehend definiert, insbesondere durch genau vorgegebene Anforderungen an die Person, die die Schuldnerberatung leitet. In Niedersachsen gelten z. B. folgende Voraussetzungen, § 3 Abs. 1 Nds. AGInsO: Zuverlässigkeit, keine einschlägigen Vorstrafen, darf nicht in ungeordneten Vermögensverhältnissen leben, muss über eine abgeschlossene Ausbildung entweder in den Studiengängen Sozialwesen, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik, als Bankkauffrau oder Bankkaufmann, in der Betriebswirtschaft, im gehobenen Verwaltungs- oder Justizdienst oder über eine vergleichbare Ausbildung verfügen, muss mindestens eine Person mit ausreichender praktischer Erfahrung in der Schuldnerberatung von in der Regel mit drei Jahren Tätigkeit sein, die erforderliche Rechtsberatung sicherstellen können und die Tätigkeit der Stelle muss auf Dauer angelegt sein. Nach § 3 InsOAG M-V ist die Zuverlässigkeit dann nicht gegeben, wenn in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung eine rechtskräftige Verurteilung der in der Beratungsstelle tätigen Personen wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Betrugs, Untreue, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers, Vorteilsannahme, Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung, Bestechung oder einer Insolvenz- oder Konkursstraftat erfolgt ist oder sich der Leiter – oder Leiterin – der Einrichtung im Vermögensverfall befindet. Außerdem ist vorgeschrieben, dass weder die
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 Einrichtung noch die dort tätigen Mitarbeiter der Schuldnerberatung Kredit-, Finanzvermittlung oder ähnliche Dienste haupt- oder nebenberuflich betreiben dürfen.
Die jeweiligen Landesbehörden, die für die Zulassung der „geeigneten Personen 1765 oder Stellen“ zuständig sind, führen Listen, aus denen diese Personen und Stellen hervorgehen. Sie können von den Kreditinstituten angefordert werden. Zu finden sind Schuldnerberatungsstellen aber auch unter folgenden Adressen im Internet: http://www.meine-schulden.de/beratungsstellen_in_ihrer_naehe und http://www.forum-schuldnerberatung.de/.
Ob ein Kreditinstitut, das eine bescheinigende Stelle dort nicht aufgelistet sieht, 1766 durch Nachfrage bei der Zulassungsbehörde klärt, ob diese Stelle zugelassen ist oder die Bescheinigung ohne weitere Prüfung verweigert und den Schuldner an das Vollstreckungsgericht verweist, wird es wohl von der Häufigkeit und dem damit verbundenen Mehraufwand abhängig machen. Schon einem Verweis auf die veröffentlichten Listen muss ein Kreditinstitut nicht nachkommen, siehe Rn. 1872 f. Soweit eine geeignete Stelle in § 903 genannt ist, kann sie grundsätzlich auch 1767 alle in § 902 genannten Erhöhungsbeträge bestätigen. Beispiel: Schuldner S geht zu seiner örtlich zuständigen i. S. d. § 305 InsO Abs. 1 Nr. 1 anerkannten Schuldnerberatungsstelle SB und legt ihr neben seiner Gehaltsabrechnung auch die Bescheinigungen der Familienkasse für das Kindergeld und zweier Sozialleistungsträger vor. SB erstellt eine gem. § 903 i. V. m. § 902 Bescheinigung über alle Leistungen aus, vergisst aber versehentlich die Befristung einer Leistung eines Sozialleistungsträger zu übernehmen. Kreditinstitut K weigert sich, die Bescheinigung bzgl. der Erhöhungsbeträge nach § 54 SGB I anzuerkennen, weil diese Leistungen nicht von der ausstellenden Stelle bescheinigt wurden und erkennt die nach § 54 SGB I bescheinigten Leistungen auch deshalb nicht an, weil diese gewöhnlicherweise befristet sind, hier aber unbefristet bescheinigt werden. Zu Recht? Lösung: K dürfte die Bescheinigung grds. nicht zurückweisen, weil SB sie – für alle Leistungen – ausgestellt hat. SB ist eine geeignete Stelle i. S. d. § 903 und somit zur Ausstellung einer Bescheinigung ermächtigt. Dass in § 903 Abs. 3 Satz 1 geregelt ist, dass nur die in Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stellen, die Leistungen i. S. d. § 902 Satz 1 Nr. 1b und 1c sowie Nr. 2 bis 6 erbringen, verpflichtet sind, auf Antrag des Schuldners eine Bescheinigung mit bestimmten Inhaltsanforderungen abzugeben, bedeutet nur, dass diese Stelle, wenn sie denn auf Antrag eine Bescheinigung solcher Leistungen ausstellen, an diese inhaltlichen Anforderungen gebunden sind. Es bedeutet aber nicht, dass nur diese Stellen solche Leistungen bestätigen dürfen. K hatte ja offensichtlich auch keine Probleme, die Erhöhungsbeträge auf Basis des Kindergeldes zu gewähren. 493
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Ob K die Erhöhungsbeträge verweigern darf, nur weil Sozialleistungen in aller Regel nur befristet gewährt werden, ist dagegen unklar. In der Tat dürfte es der Regelfall sein, dass Sozialleistungen nur befristet gewährt werden. Aber es gibt eben auch Ausnahmen. K muss das daher die Bescheinigung nicht hinterfragen, sondern darf sich auf die inhaltliche Richtigkeit verlassen; etwas anderes würde nur gelten, wenn sich um geradezu aufdrängende inhaltliche Fehler handelt. Den Weg zu wählen, die Erhöhungsbeträge vorerst zumindest für einen Monat anzuerkennen und dem Schuldner aufzugeben, vor Ablauf dieses Monates eine diesbezüglich neue Bescheinigung zu bringen, wäre eine Möglichkeit für K, ganz sicher zu gehen. Sinnvoller dürfte es aber sein, die Bescheinigung sofort korrigieren zu lassen; da diese an keine Formvorschrift gebunden ist, wäre auch eine E-Mail oder besser ein Fax der SB an K möglich, die S – nicht K – veranlassen sollte, wonach SB unter Bezugnahme auf die Bescheinigung gegenüber K erklärt, dass z. B. die Leistung XY nach § 54 Abs. 3 ab dem Vorlagemonat für sechs Monate befristet ist. Diese Mitteilung müsste K dann lediglich zusätzlich zur Bescheinigung archivieren. c) Befristete und unbefristete Bescheinigungen 1768 Neu in § 903, dort im Absatz 2, sind auch Regelungen zur Geltungsdauer von Bescheinigungen. Bislang war beispielsweise offen, wie lange eine unbefristete Bescheinigung Wirkung entfalten kann. Ganz wurden die Probleme rund um die Geltungsdauer damit allerdings nicht gelöst; es wurden lediglich ein paar Zweifelfälle geregelt bzw. klargestellt. 1769 Zunächst bestimmt Satz 1 nun ausdrücklich, dass das Kreditinstitut befristete Bescheinigungen nach Absatz 1 Satz 2 für die Dauer (dieser Befristung) zu beachten hat, für die sie ausgestellt sind. Das ist insoweit lediglich eine Klarstellung, mit deren ausdrücklicher Reglung der Gesetzgeber nach seiner Ansicht nun Rechtssicherheit hinsichtlich der Geltungsdauer befristeter Bescheinigungen geschaffen hat. Weshalb der Gesetzgeber meinte, dass es dieser Klarstellung bedurfte, erschließt sich dem Autor nicht, da das schon bisher geübte Praxis war, denn kein Kreditinstitut hat eine Bescheinigung mit einer befristeten Geltungsdauer kürzer oder gar länger akzeptiert. Allerdings ist mit der gesetzlichen Regelung nun auch klar, dass die drittschuldnerischen Kreditinstitute selbstständig prüfen müssen, dass die Erhöhungsbeträge nach Ablauf der Frist nicht mehr berücksichtigt werden.
1770 Für unbefristet ausgestellte Bescheinigungen, zu denen in der Praxis insbesondere Unsicherheit bestand und nach wie vor besteht, wie lange sie gelten (dürfen), legt Satz 2 legt neu fest, dass das Kreditinstitut unbefristete Bescheinigungen grundsätzlich für die Dauer von zwei Jahren zu beachten hat. Das würde auch bedeuten, dass ein drittschuldnerisches Kreditinstitut berechtigt wäre, eine Bescheinigung innerhalb der zwei Jahre auch dann weiter zu Grunde zu legen, wenn sich die ursprüngliche Pfändung, die Anlass war, die unbefristete Bescheinigung vorzu-
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 legen, zwischenzeitlich erledigt hätte und eine neue Pfändung – auch Monate später – zugestellt wurde.
Die 2 Jahre sind also als Mindestdauer und als Vorgabe für die Kreditinstitute 1771 vorgegeben. Das bedeutet aber auch, dass eine unbefristete Bescheinigung deutlich länger – nämlich tatsächlich „unbefristet“ – akzeptiert werden kann und nicht, dass ein Kreditinstitut nach Ablauf der zwei Jahre zwingend dazu verpflichtet wäre, die Bescheinigung nicht mehr zu akzeptieren. Immer dann, wenn in der Bescheinigung selbst keine Befristung auftaucht, handelt es sich um eine „unbefristete“ Bescheinigung.
Eine unbefristete Bescheinigung daher ohne irgendeinen Anhaltspunkt, dass 1772 sie nicht mehr zutrifft, nach zwei Jahren nicht mehr beachten zu wollen, so als wäre sie befristet, dürfte daher nicht möglich sein. Haftungsfalle: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in derselben Bescheinigung Tat- 1773 bestände und/oder bezogenen Leistungen befristet und andere unbefristet bescheinigt werden. Ist das der Fall, würde die Befristung für diese Tatbestände/Leistungen zu beachten sein, während für die anderen von einer unbefristeten Bescheinigung ausgegangen werden darf. Dass unbefristete Bescheinigungen auch unbefristet anerkannt werden dürfen, 1774 dafür sprechen auch die beiden weiteren Sätze 3 und 4. Nach Satz 3 kann – nicht muss – das Kreditinstitut nach Ablauf der zwei Jahre 1775 vom Kontoinhaber die Vorlage einer neuen Bescheinigung verlangen. Nach Satz 4 kann es vor Ablauf der zwei Jahre eine neue Bescheinigung aber nur verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen. Es wäre wünschenswert gewesen, im Gesetz klar(er) zu regeln, dass unbefristete 1776 Bescheinigungen auch unbefristet gelten. Der Gesetzgeber hat aber den Weg gewählt, „nur“ zu formulieren, dass eine unbefristete Bescheinigung grundsätzlich zumindest 2 Jahre zu beachten ist. Beispiel: Der Schuldner legt eine unbefristete, i. S. d. § 903 auch ansonsten ordnungsgemäß erstellte Bescheinigung für Erhöhungsbeträge vor. Nach einem Jahr verlangt Kreditinstitut K eine neue Bescheinigung, weil es bei unbefristeten Bescheinigungen nach einem Jahr Geltungsdauer aus „Sicherheitsgründen“ stets neue Bescheinigungen anfordert. S weigert sich, worauf hin K die Erhöhungsbeträge nicht mehr gewährt. Zu Recht? Lösung: Nein, natürlich nicht. Ein klarer Verstoß gegen § 908 Abs. 1, denn K wäre auf Grund des § 903 Abs. 2 Satz 2 verpflichtet, die Bescheinigung für 2 Jahre anzu495
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
erkennen und daher S im Rahmen der Erhöhungsbeträge aus dem nicht von der Pfändung erfassten Guthaben verfügen zu lassen. Aber ein Kreditinstitut kann unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem auch vor Ablauf der zwei Jahre eine neue Bescheinigung verlangen. Variante: Der Schuldner legt eine unbefristete, i. S. d. § 903 auch ansonsten ordnungsgemäß erstellte Bescheinigung für Erhöhungsbeträge vor. Nach einem Jahr verlangt Kreditinstitut K eine neue Bescheinigung, weil es weiß, dass eines der Kinder volljährig ist und meint, gehört zu haben, dass dieses Kind inzwischen einen Ausbildungsplatz hat. S weigert sich, da er behauptet, das Kind sei noch Schüler, worauf hin K die Erhöhungsbeträge nicht mehr gewährt. Zu Recht? Lösung: Ja, da K hier tatsächliche Anhaltspunkte hat, die aus ihrer Sicht die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung nicht mehr zutreffen. Ob die Anhaltspunkte dann tatsächlich zutreffen oder nicht, ist für das berechtigte von Satz 4 gedeckte Verlangen der K irrelevant. S muss – auch auf seine Kosten – eine neue Bescheinigung vorlegen, auch wenn die neue Bescheinigung am Ende genau dieselben Tatbestände bzw. Erhöhungsbeträge bescheinigt wie die vorherige, S also recht hatte und K offensichtlich einer Falsch-Information aufgesessen ist. 1777 Hieran wird aber auch deutlich, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte natürlich in der Praxis Auslegungsprobleme bereiten werden. Die Wesentlichkeit der Veränderung, die etwa Maßstab im Rahmen des § 802d für die Frage ist, wann ein Gläubiger eine erneute Abgabe der Vermögensauskunft verlangen kann, spielt nach dem Wortlaut § 903 Abs. 2 Satz 4 hier keine Rolle. Das drittschuldnerische Kreditinstitut könnte daher auch eine ihr bekannt gewordene Lohnerhöhung des Schuldners um nur wenige Euro zum Anlass nehmen, eine neue Bescheinigung zu verlangen, denn genau diese Erhöhung könnte dazu führen, dass der Freibetrag sich ändert. Kreditinstitute müssen nicht – und könnten es im Zweifel auch nicht 100 % verlässlich – prüfen, ob ein Schwellenwert überschritten wird.
1778 Ein Kreditinstitut wird diese kann-Bestimmung aber nicht (stets) zu Lasten des Schuldners interpretieren. Es ist auch gut beraten, den nicht durch Entgelte ersatzfähigen Aufwand der Pfändungsbearbeitung möglichst gering zu halten, weshalb eine unbefristete Bescheinigung auch grundsätzlich weiterhin als unbefristet anerkannt werden sollte, auch über mehr als 2 Jahre. Keinesfalls sollte ein Kreditinstitut daher eine Kontoumsatzanalyse vornehmen, um Anhaltspunkte erst zu finden. Etwas anderes kann dann gelten, wenn das Kreditinstitut ein eigenes Interesse hat, etwa wenn es die über das AGB-Pfandrecht zu verrechnenden pfändbaren Beträge dadurch erhalten oder anheben lassen kann.
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Für die Kreditinstitute dürfte es schwierig sein, im Einzelfall einzuschätzen, 1779 wann tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen. Unklar ist auch, ob ein Pfändungsgläubiger ein drittschuldnerisches Kreditinstitut dazu auffordern kann, eine neue Bescheinigung beim Schuldner einzufordern (und die bisherige nicht mehr zugrunde zu legen), z. B. weil der Pfändungsgläubiger gegenüber dem drittschuldnerischen Kreditinstitut tatsächliche Anhaltspunkte vorträgt. Das wird man zwar zunächst abstrakt verneinen können, denn § 903 Abs. 2 Satz 4 schützt zunächst einmal das drittschuldnerische Kreditinstitut. Sind die vom Pfändungsgläubiger dargelegten tatsächlichen Anhaltspunkte allerdings durch Mitglieder von Rechtsanwaltskammern, Insolvenzverwalter, Treuhänder, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer sowie Personengesellschaften und juristische Personen des privaten Rechts, in denen sich ausschließlich solche Personen zur Ausübung ihrer Berufe zusammengeschlossen haben (siehe auch Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Nds. AGInsO), die schon Kraft ihres Berufes und weil das jeweiliges Berufsrecht eine verantwortungsbewusste Tätigkeit garantiert und die daher als besonders vertrauenswürdig gelten, vorgetragen, dann wird das auch beim drittschuldnerischen Kreditinstitut so große Zweifel daran auslösen, dass die Angaben in der Bescheinigung noch zutreffen, dass es eine neue Bescheinigung verlangen und die Angaben der bisherigen nicht mehr zugrunde legen wird. Bei anderen Pfändungsgläubigern, die nicht zu diesen Berufsgruppen gehören, wird sich das drittschuldnerische Kreditinstitut die tatsächlichen Anhaltspunkte im Zweifel durch beigefügte Beweismittel belegen lassen.
Das Wort tatsächliche indiziert dabei, dass die Anhaltspunkte wenigstens auf Tatsachen beruhen müssen, nicht auf Behauptungen, die „ins Blaue“, „aufs Geratewohl“, „auf gut Glück“, „ohne jede Unterlage“ oder „willkürlich“ aufgestellt werden oder „aus der Luft gegriffen“ sind. Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, zu § 138 Rn. 8; insofern kann § 138 Abs. 1 auf dafür Maßstab sein. Bloße Mutmaßungen, die nicht auf Tatsachen basieren, reichen daher nicht aus.
Nur wenn sich solche Anhaltspunkte aufgrund von Tatsachen geradezu auf- 1780 drängen, wird das Kreditinstitut eine neue Bescheinigung anfordern müssen, um sich nicht schadensersatzpflichtig gegenüber dem Gläubiger zu machen. Dabei gilt die Grundregel, dass diejenige Partei die Beweislast trägt für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen, die von der Rechtsnorm begünstigt wird. So Bischoff, JA 2010, 532.
Nach diesem Maßstab ist das das drittschuldnerische Kreditinstitut, weil ihm 1781 § 903 Abs. 2 Satz 4 einen Anspruch gewährt, auch wenn Zielrichtung der
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Vorschrift ist, zu verhindern, dass Zahlungseingänge auf einem P-Konto zu Unrecht als Erhöhungsbeträge behandelt und damit zu Unrecht nicht von einer Pfändung erfasst werden. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 39.
1782 Ein Kreditinstitut darf daher (natürlich) nicht ohne Anhaltspunkte eine neue Bescheinigung verlangen und wenn streitig ist, ob überhaupt Anhaltspunkte vorliegen (anders, wenn wie im obigen Fall welche vorliegen, nur streitig ist, ob sie zutreffen), dann muss das Kreditinstitut im Zweifel darlegen und notfalls beweisen, dass es tatsächliche Anhaltspunkte gab. Damit wird aber auch das Abgrenzungsproblem offenbar, denn die Differenzierung zwischen „Anhaltspunkte liegen vor, treffen aber ggf. nicht zu“ und „es gibt von Anfang an gar keine tatsächlichen Anhaltspunkte“, wird im Einzelfall schwierig sein und erhöht die Haftungsrisiken des drittschuldnerischen Kreditinstitutes.
1783 Die Bewertung, ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, obliegt also zunächst dem Kreditinstitut. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass der sich auf Tatsachen ergebende Verdacht unbegründet war, war das Verlangen nach einer neuen Bescheinigung unwirksam. Die Beweislasttragung ist also der im § 42 ZKG vergleichbar, vgl. Rn. 953 unter Verweis auf Bülow/Artz-Bülow, ZKG, § 42 Rn. 29.
1784 Wie lange ein Kreditinstitut auf die Bescheinigung vertrauen kann, bleibt eine im Einzelfall also weiterhin schwierige Abwägung. Berücksichtigt es (unbefristete) Bescheinigungen auch über deutlich längere Zeiträume (z. B. über Jahre), ist offen, ab wann daraus Haftungsrisiken für das Kreditinstitut entstehen können. Sollte es keine Anhaltspunkte geben, dass die Bescheinigung nicht mehr zutrifft, dann dürften Haftungsrisiken aber nicht bestehen.
1785 Verlangt es dagegen alle zwei Jahre von allen Schuldnern aktuelle Bescheinigungen, führt dies zu einem Verwaltungsaufwand, der nicht zu rechtfertigen sein wird. Der Gesetzgeber hat den Weg gescheut, (ganz) klar zu regeln, dass sich ein Kreditinstitut auf eine unbefristet ausgestellte Bescheinigung auch unbefristet berufen kann. Zwar stand in der Gesetzesbegründung des DiskE und auch noch im RefE „Bescheinigungen … sind im Grundsatz unbefristet anzuerkennen, soweit nicht die Bescheinigung selbst eine Befristung enthält, was zu einer Entlastung der zur Erteilung von Bescheinigungen berechtigten Stellen sowie der Schuldner führt.“ Dies wurde in der Gesetzesbegründung des RegE des PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 39 grundsätzlich bestätigt, denn dort heißt es: „Das Kreditinstitut muss sich allerdings keine erneute Bescheinigung vorlegen lassen; es kann auch auf Grundlage der vorliegenden Bescheinigung weiterhin die Kontoführung betreiben.“
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Es bleibt zwar abwarten, ob Kreditinstitute Haftungsrisiken treffen können, 1786 beispielsweise wenn die Bescheinigungen z. B. im Kontext mit anderen Befristungen stehen. Zu denken wäre hier beispielsweise an Befristungen von Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung nach dem Ausländergesetz, die das drittschuldnerische Kreditinstitut aber natürlich kennen müsste, was regelmäßig nicht der Fall sein dürfte.
Zunächst einmal bringt diese gesetzgeberische Aussage in den Gesetzesmate- 1787 rialien aber zum Ausdruck, dass ein Kreditinstitut nicht gezwungen ist, eine unbefristete Bescheinigung zeitlich einzuschränken. Keinesfalls ist alleine die Angabe des Geburtsdatums eines minderjährigen Kindes gem. § 903 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 auf der Bescheinigung, ein „Anhaltspunkt“ um mit Eintritt der Volljährigkeit dieses Kindes automatisch eine neue Bescheinigung verlangen zu müssen. Schon deshalb nicht, weil oftmals mit 18 Jahren die gesetzliche Unterhaltspflicht noch nicht endet. Ein Kreditinstitut kann daher seinen Aufwand deutlich reduzieren, wenn es dies nicht stets zum Anlass nimmt, eine neue Bescheinigung zu verlangen. Ab welchem Alter des Kindes das Kreditinstitut, wenn in einer unbefristeten Bescheinigung durch Angabe des Geburtsdatums das Alter errechnen, es zum Anlass nehmen sollte, eine neue Bescheinigung zu verlangen, ist daher völlig offen, weil die Unterhaltspflicht der Eltern von vielen, individuell unterschiedlichen Bedingungen abhängig ist. Letztlich muss diese Risikoabwägung jedes Kreditinstitut selbst treffen, aber vor Ablauf des 25. Lebensjahres sieht der Autor grds. kein Haftungsrisiko.
Dem Autor scheint es sogar bis auf Weiteres vertretbar, bei einer unbefristet 1788 ausgestellten Bescheinigung, sie trotzdem ohne Risiken auch tatsächlich unbefristet anzuerkennen. Dies gilt umso mehr, als der BGH für die Führung und Verwaltung von P-Konten endgültig höhere Kontoführungsentgelte untersagt hat, BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZVI 2013, 14 (m. Anm. Sudergat,), und XI ZR 145/12, ZVI 2013, 21, so dass jeglicher Mehraufwand vermieden werden sollte; siehe dazu ausführlich Rn. 2865 ff. Kreditinstitute sind vor dem Hintergrund des niedrigen Zinsniveaus, der zunehmenden Digitalisierung und den zunehmend aufsichtsrechtlichen Anforderungen, die die finanziellen Erträge der Kreditinstitute extrem belasten, gezwungen, den Verwaltungsaufwand auch hier auf das geringstmögliche Maß zu reduziert.
Gibt es tatsächliche Anhaltspunkte für eine Veränderung, muss das drittschuld- 1789 nerische Kreditinstitut die Vorlage einer neuen Bescheinigung verlangen und darf die in der alten Bescheinigung nachgewiesenen Erhöhungsbeträge nicht weiter berücksichtigen. Das wird in der Praxis zu Härten führen, denn der Schuldner wird dann ggf. ohne lange Vorankündigung evtl. sogar auf den Grundfreibetrag zurückgeworfen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass er zwei Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Seinem Kreditinstitut K teilt er nun mit, dass er den Arbeitgeber gewechselt hat und mehr verdient. K teilt ihm daraufhin mit, dass es die Erhöhungsbeträge aus der Bescheinigung seines alten Arbeitgebers nicht mehr anerkennen wird und verlangt eine neue Bescheinigung. Als S diese nicht rechtzeitig vorgelegt, überweist K – unter Einhaltung der Moratorien – die nun pfändbaren Beträge an den Pfändungsgläubiger. Zu Recht? Lösung: Ja. K verlangt zu Recht eine neue Bescheinigung und darf dann ab diesem Zeitpunkt den alten Nachweis für die Zukunft auch nicht mehr als erbracht ansehen und der Berechnung des künftigen pfändungsfreien Guthabens nicht mehr zugrunde zu legen, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 vom 10.6.2020, S. 39. Ohne den Hinweis des Schuldners, ist das aber kein Fall, bei dem das drittschuldnerische Kreditinstitut eigenverantwortlich durch eine Umsatzanalyse prüfen müsste, ob der Schuldner den Arbeitgeber gewechselt hat, vgl. dagegen Entscheidung des OLG Dresden für den Fall, dass das Vollstreckungsgericht den Freibetrag im Wege eines Blankettbeschlusses von einem bestimmten Arbeitgeber festgesetzt hat, vgl. Rn. 1649.
1790 Auch wenn bei einer unbefristeten Bescheinigung der zu Grunde liegende Sachverhalt aber evident befristet ist, dürfte eine Überprüfung der Bescheinigung ab diesem Zeitpunkt für das Kreditinstitut angeraten sein. Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass er zwei Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Der Sohn des S, inzwischen 22 Jahre, wohnt zwar noch zu Hause bei S und seiner Frau, wird aber nach sechs Monaten seine Ausbildung abschließen und dann eigenes Geld verdienen. Das Kreditinstitut weiß dies und auch der Abteilung „Pfändungsbearbeitung“, die S betreut, ist das bekannt. Lösung: Hier wird man eine positive Kenntnis, dass der Sohn nicht mehr unterhaltsberechtigt ist, zwar nicht als zweifelsfrei bekannt voraussetzen können, aber die Frage ist, ob die Kenntnis vom Alter bzw. dass der Sohn kurz vor dem Ausbildungsende mit anschließend eigenen Verdienstmöglichkeiten steht, als grob fahrlässiges Unterlassen der Streichung der erhöhten Grundfreibeträge für zwei Unterhaltsberechtigte (jedenfalls nach sechs Monaten) angesehen werden kann. Zwar regelt § 903 keine gesetzlich verankerte Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der Bescheinigungen und ggf. der Anpassung der Freibeträge durch die Kreditinstitute. Der damit verbundene Aufwand wäre auch unverhältnismäßig. Dem Autor scheint es aber nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung in diesen Fällen eine „Evidenz“ annimmt und damit eine Pflicht zu einer gewissen Prüfung bzw. dem 500
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Verlangen an S, eine neue Bescheinigung in sechs Monaten vorzulegen, weil sie das mindestens als „tatsächliche Anhaltspunkte“ i. S. d. § 903 ansieht. In der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 39 ist obiges Beispiel auch als prototypische Konstellation einer nachträglich eingetretenen Unrichtigkeit der Bescheinigung beschrieben. Es heißt dort: „Letzteres ist etwa gegeben, wenn der Bescheinigung zu einem weiteren unpfändbaren Betrag wegen der Leistung von Unterhalt zu entnehmen ist, dass ein unterhaltsberechtigtes Kind volljährig wird oder zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Ausbildung abschließt.“ Dass die Tatsache, dass das aus der Bescheinigung selbst entnommen werden können muss, anders zu bewerten ist als ein tatsächlicher Anhaltspunkt außerhalb der Bescheinigung, ist eher nicht zu erwarten.
Die Evidenzprüfung dürfte sich nach Überzeugung des Autors dann aber auch 1791 zunächst auf ein einfaches Nachfragen beschränken. Aktive Nachforschungspflichten hat das Kreditinstitut jedenfalls nicht. BGH, Urt. v. 7.4.1992 – XI ZR 200/91, NJW 1992, 1820.
Während die Beachtung von Befristungen in Bescheinigungen dabei selbst- 1792 verständlich ist, wird also die Frage, wann etwas bei unbefristeten Bescheinigungen „evident“ ist, im Einzelfall schwieriger zu beantworten sein. Wird – wie im obigen Fall – ein Unterhalts-Kind bescheinigt, das bereits 22 Jahre alt ist und vor dem Ausbildungsende steht, dürfte ein Nachfragen oder das Verlangen nach einer neuen Bescheinigung angeraten sein. § 903 lässt sogar zu, ohne vorheriges Nachfragen eine neue Bescheinigung zu verlangen, da dies als tatsächlicher Anhaltspunkt i. S. d. § 903 ausreichend wäre. Vor dem Hintergrund der restriktiven Rechtsprechung des BGH zu P-Konto- 1793 führungsentgelten, siehe dazu Rn. 2865, kann einem Kreditinstitut eigentlich nicht mehr empfohlen werden, hier Arbeitsaufwand zu produzieren. Im Zweifel, also bei nicht evidenter Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, durch die sich die Unrichtigkeit der bisherigen Bescheinigung nicht geradezu aufdrängt, sollte sich ein Kreditinstitut für die Weitergewährung der erhöhten Freibeträge auf Basis einer Bescheinigung ohne Befristung entscheiden. Hier und in (noch) weniger offensichtlichen Fällen muss der Schutz des 1794 § 407 BGB analog zugunsten der Kreditinstitute greifen. § 903 Abs. 2 Satz 4, so die Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 39, zielt aber darauf ab, zu verhindern, dass Zahlungseingänge auf einem P-Konto zu Unrecht als Erhöhungsbeträge behandelt und damit zu Unrecht nicht von einer Pfändung erfasst werden.
Bescheinigungen von Sozialleistungsträgers und Kindergeldkassen werden ganz 1795 überwiegend befristet sein. Hierdurch entstehen für Kreditinstitute weitere
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Haftungsrisiken. Die Erhöhungsbeträge dürfen – vorbehaltlich der Vorlage einer neuen Anschluss-Bescheinigung – nicht über den Monat der Befristung hinaus gewährt werden und dies muss das Kreditinstitut sicherstellen. 1796 Zu Härten für den Schuldner zu vermeiden, muss ein Kreditinstitut wohl auch differenzieren, ob alle bescheinigten Erhöhungsbeträge im Zweifel stehen oder nur Bestimmte. Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass er zwei Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Seinem Kreditinstitut K teilt er nun Ende Mai 2022 mit, dass er ab Juni 2022 für das erwachsene Kind nicht mehr unterhaltspflichtig ist. K teilt ihm daraufhin mit, dass es die Erhöhungsbeträge aus der Bescheinigung seines alten Arbeitgebers dann leider nicht mehr anerkennen wird und verlangt eine neue Bescheinigung. Da S diese erst Ende Juni vorlegt, lässt K ihn bis dahin auch nicht über die Erhöhungsbeträge für die erste Person (für die Ehefrau des S) verfügen. Zu Recht? Lösung: Wohl nein. Zwar ist die alte Bescheinigung aufgrund des Wegfalls des unterhaltspflichtigen Kindes offensichtlich nicht mehr zutreffend, aber nur bzgl. des Erhöhungsbetrages für das Kind (und ggf. das Kindergeld und/oder sonstige für genau dieses Kind gewährte Erhöhungsbeträge), nicht aber bzgl. des Umstandes, dass S seiner Frau gegenüber nach wie vor gesetzlichem Unterhalt gewährt. Jedenfalls gibt es für den Entfall dieses Erhöhungstatbestandes keine tatsächlichen Anhaltspunkte. K muss daher zwar den Erhöhungsbetrag für das Kind (und das Kindergeld etc.) streichen, den für die erste Person aber kann und sollte es belassen. 1797 Die Gefahr, dass im obigen Beispiel der Gläubiger dann argumentieren kann, dass die alte Bescheinigung doch insgesamt nicht mehr gültig war und daraus Nochmalzahlungsansprüche stellen kann, ist nicht gegeben. Erstens ist die Bescheinigung weiterhin bzgl. des Erhöhungsbetrages für eine Person richtig und zweitens bedürfte es grundsätzlich ja gar keiner Bescheinigung, da die Tatsache, dass der Schuldner einer Person gesetzlichen Unterhalt gewährt bereits dazu führt, dass der Erhöhungsbetrag nicht von der Pfändung erfasst ist. 1798 Kreditinstitute sollten hier daher nicht zu kleinlich sein. Das würde wohl auch gelten, wenn der Schuldner im obigen Fall die Folge-Bescheinigung erst im Juli vorgelegt hätte. Dann davon auszugehen, dass für den Juni die Erhöhungsbeträge für die erste Person der Pfändung (oder Verrechnung) unterliegen, birgt erhebliche Risiken, dass an den Schuldner nochmal gezahlt werden müsste, wenn das drittschuldnerische Kreditinstitut die Beträge dann tatsächlich an den Gläubiger abführen oder mit eigenen Forderungen verrechnen würde. Die bereicherungsrechtliche Rückforderung vom Pfändungsgläubiger dürfte dann, wenn das Institut die Bescheinigung nicht mehr
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 anerkennt im Übrigen wohl nicht mehr möglich sein, weil die Auskehrung an den Pfändungsgläubiger im Verhältnis zu ihm dann zu Recht geschähe, vgl. Rn. 2167.
Verlangt ein Kreditinstitut zu Recht eine neue Bescheinigung, dann allerdings 1799 darf es ab diesem Zeitpunkt den alten Nachweis für die Zukunft bzgl. derjenigen Erhöhungsbeträge, die im Zweifel stehen, auch nicht mehr als erbracht ansehen und der Berechnung des künftigen pfändungsfreien Guthabens nicht mehr zugrunde zu legen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 39.
Das gilt im Übrigen für jede Bescheinigung, egal ob sie befristet oder unbe- 1800 fristet ausgestellt wurde. Das kann und wird zu Härten führen, wenn ein Verlangen auf Basis von An- 1801 haltspunkten erfolgt, die dem Kreditinstitut z. B. erst kurz vor Monatsende auffallen bzw. zur Kenntnis gelangen und daher die Erhöhungsbeträge für den bereits lfd. Monat evtl. sofort entfallen. Diese Härten können auch nicht durch einen Antrag nach § 765a abgefedert werden, denn der Schuldner selbst weiß am besten und im Zweifel zuerst, wenn sich an seinen Verhältnissen oder bezogenen Geldleistungen etwas ändert. Bevor ein Kreditinstitut allerdings – ohne tatsächliche Anhaltspunkte zu haben, 1802 dass eine Bescheinigung nicht mehr zutrifft – eine unbefristete Bescheinigung über die zwei Jahre hinaus nicht anerkennen will, muss es den Schuldner auf Basis der Informationspflichten eines Kreditinstituts nach § 908 Abs. 3, mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem es die ihm vorliegende Bescheinigung nicht mehr berücksichtigen will, darüber informieren, vgl. Rn. 2199. d) Verpflichtung zur Ausstellung von Bescheinigungen § 903 Abs. 3 Satz 1 regelt nunmehr eine Pflicht zur Ausstellung einer Beschei- 1803 nigung, wenn der Schuldner diese beantragt. Ausdrücklich nicht zusätzlich beantragen braucht er, dass die Bescheinigung dann auch die Angaben nach Abs. 3 Satz 2 und 3 enthalten. Diese Klarstellung hat der Rechtsausschuss noch eingefügt, da deutlicher zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass es zwar eines Antrages des Schuldners zur Ausstellung einer Bescheinigung zur Erhöhung des Grundfreibetrages durch die verpflichteten Stellen bedarf, dass aber dann, wenn er einen solchen Antrag gestellt hat, die Bescheinigung die im Gesetz aufgeführten Angaben enthalten muss und es diesbezüglich keines weiteren Antrags des Schuldners bedarf, vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 31.
Die Pflicht zu Ausstellung trifft aber nicht alle Aussteller, sondern nur jede 1804 der in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stellen, also Familienkassen, Sozialleistungsträger und Einrichtungen, die Leistungen i. S. d. § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b)
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
und c sowie Nr. 2 – 6 durch Überweisung auf ein Zahlungskonto des Schuldners erbringen, nicht dagegen Arbeitgeber und auch nicht die geeigneten Stellen, also zumeist Schuldnerberatungsstellen oder Rechtsanwälte. Die Differenzierung ist insofern gerechtfertigt, als sich nur Behörden und Einrichtungen in der Vergangenheit oftmals geweigert haben, eine Bescheinigung auszustellen, so dass der Schuldner erst mehrere Stellen aufsuchen musste, bevor er eine Bescheinigung erhielt, siehe S. 154 des Schlussberichtes.
1805 Ob diese Verpflichtung zur Ausstellung einer Bescheinigung eine deutliche Verbesserung für den Schuldner darstellen wird, wird abzuwarten bleiben. Denn immer wieder haben sich zwar die ausstellenden Behörden der Ausstellung einer Bescheinigung entzogen und den Kunden auf eine Odyssee geschickt, vgl. Rn. 881, aber auch jetzt schulden sie gem. § 903 Abs. 3 Satz 1 nur einen Nachweis über ihre Leistungen, nicht auch über Leistungen, die der Schuldner von anderen (öffentlichen) Leistungsträgern bezieht. Hier werden daher in Zukunft wohl in der Praxis vermehrt Teil-Bescheinigungen und zumeist befristete Teil-Bescheinigungen ausgestellt werden, die die drittschuldnerischen Kreditinstitute vor spürbare Herausforderungen stellen wird, vgl. Rn. 2878. Die Verletzung der Ausstellungspflicht einer Bescheinigung oder auch nur der erschwerte Zugang zu dieser durch z. B. unangemessene Verzögerung der Ausstellung, führt bei Eintritt eines finanziellen Schadens zum Schadenersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 bzw. § 823 BGB und im Fall der vollständigen Untätigkeit von Sozialleistungsträgern und anderen staatlichen Stellen zum Staatshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, vgl. Homann, in: Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5 Ziff. 4.9.2.5.2. c).
e) Inhaltliche Vorgaben für Bescheinigungen 1806 Ebenfalls positiv ist, dass in § 903 Abs. 3 Satz 2 nunmehr Vorgaben gemacht werden, welchen Angaben die Bescheinigungen enthalten müssen: 1. die Höhe der Leistung, 2. in welcher Höhe die Leistung zu welcher der in § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c sowie Nr. 2 – 6 genannten Leistungsarten gehört und 3. für welchen Zeitraum die Leistung gewährt wird. Dies sind also sog. Pflichtangaben, die immer, wenn der Schuldner einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung stellt, in dieser enthalten sein müssen. Satz 3 führt dann zwei weitere Angaben auf, die in der Bescheinigung aber nur dann – zusätzlich – enthalten sein müssen, soweit die bescheinigende Stelle Kenntnis von diesen Angaben hat: 4. die Anzahl der Personen, denen der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, und 504
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
5. die Geburtsdaten der minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen. Nach vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 40 wurden diese beiden weiteren Angaben zur „Verfahrensvereinfachung“ aufgenommen, um dem Schuldner zu ermöglichen, wegen etwaiger Erhöhungsbeträge nach § 902 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht eine weitere Stelle aufsuchen muss. Der Rechtsausschuss, vgl. Ausschussdrucksache 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 31, hat den Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 noch dahingehend geändert, dass statt wie im Gesetzentwurf der Bundesregierung das Alter der minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen anzugeben, nunmehr das Geburtsdatum anzugeben ist, weil „die Datenverarbeitungsprozesse bei den Kreditinstituten“ erleichtern soll, was in der Tat hilfreich ist.
Kenntnis soll die ausstellende Stelle nicht nur dann haben, wenn diese aus In- 1807 formationen aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich sind, sondern auch dann, wenn sie sich aus Unterlagen ergeben, die der Schuldner beibringt. Es wird sich zeigen müssen, wie Familienkassen und Sozialleistungsträger dies leben: Restriktiv indem sie die Angaben immer nur dann machen, wenn sie ohne weitere Prüfung die Angaben hinzufügen können oder wohlwollend zu Gunsten der Schuldner, indem ein wenig Prüfungs- und Rechercheaufwand betrieben wird. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. Jobcenter geben nach ersten Erfahrungen die Geburtsdaten minderjähriger Kinder und die Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen wohl überwiegend an.
Hinsichtlich der Art und Weise der Erklärung macht der Gesetzgeber keine 1808 Vorgaben, so dass diese Angaben sowohl in einem gesonderten Teil des Leistungsbescheides oder in einer Anlage zu dem Leistungsbescheid erfolgen können. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 40. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. Jobcenter orientieren sich wohl vom Aufbau her sehr nah an der neuen Musterbescheinigung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV; siehe, Anhang 4).
Aber auch hier gilt: Diese inhaltlichen Vorgaben zu den Pflichtangaben und 1809 der Angaben zur Anzahl der Personen, denen der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt und die Angabe der Geburtsdaten der minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen treffen nur Sozialleistungsträger und Familienkassen sowie die Einrichtungen, die andere Leistungen i. S. d. § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c sowie Nr. 2 – 6 durch Überweisung auf ein Zahlungskonto des Schuldners erbringen, also nicht die Arbeitgeber und auch nicht die geeigneten Stellen. Beispiel: S erhält Leistungen von einem Sozialleistungsträger, der ihm, ohne dass er das beantragt, eine Bescheinigung über die Erhöhungsbeträge ausstellt, allerdings ohne, dass alle Pflichtangaben enthalten wären. Auf Nachfrage, erhält S die Auskunft, dass die Erstellung der Bescheinigung ja freiwillig erfolgt seien und für diesen Fall daher nicht dem Pflichtangaben-Zwang des § 903 Abs. 3 unterlägen. Richtig? 505
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Lösung: Nur formal, ja, denn ohne Antrag schuldet der Sozialleistungsträger eigentlich gar keine Bescheinigung, aber im Ergebnis könnte S ja jederzeit durch einen Antrag erreichen, dass eine Bescheinigung mit mindestens den Pflichtangaben erstellt werden müsste. Das muss er hier also nur tun, und der Sozialleistungsträger müsste dann nochmals eine qualifizierte Bescheinigung MIT den Pflichtangaben ausstellen. Daher gilt es für den Sozialleistungsträger abzuwägen, ob es Sinn macht, zwei Prozessabläufe – auch in der IT – zu schaffen und zu administrieren. Vielleicht ist es sinnvoll(er), stets eine Bescheinigung mit mindestens den Pflichtangaben auszustellen, weil z. B. die Kreditinstitute immer auf solch eine Bescheinigung aus Haftungsgründen bestehen werden. 1810 Für den Antrag sind vom Gesetz her keine Ausschlussfristen gesetzt, weshalb ein Schuldner den Antrag jederzeit und auch noch nach Gewährung einer ersten Teil-Leistung einer laufenden Sozialleistung wird stellen können. Auch für die Form gibt es keine gesetzliche Vorschrift, so dass er formungebunden, also auch mündlich oder in Textform, z. B. per E-Mail gestellt werden kann. 1811 Die Vorgaben der Pflichtangaben sind einzuhalten. Beispiel: S erhält verschiedene Leistungen von einem Sozialleistungsträger, der ihm auf seinen Antrag hin, folgende Bescheinigung ausstellt: „Herr S erhält Leistungen nach den §§ 10 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 28, 29 SGB II und 64c SGB XII und Kindergeld in Höhe von zusammen 1.859,00 € für 6 Monate.“ Entspricht die Bescheinigung § 903 Abs. 3 Satz 2? Lösung: Nein. Zwar ist die bescheinigende Stelle offensichtlich zuständig, aber weder die Pflichtangabe nach Abs. 3 Satz Nr. 2 (in welcher Höhe die Leistung zu welcher der in § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c) sowie Nr. 2 – 6 genannten Leistungsarten gehört) noch die Pflichtangabe zu Nr. 3 (für welchen Zeitraum die Leistung gewährt wird) ist korrekt angeben. Es muss also angegeben werden, welcher Betrag in welcher Höhe jeweils welcher Nr. der in § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c) sowie Nr. 2 – 6 ausgeführten Leistungsarten gehört und über welchen Zeitraum, also ab wann konkret (z. B. ab 1.7.2021) und bis wann (z. B. bis 30.11.2021) die Leistungen gewährt werden. 1812 Da das Kreditinstitut genau wissen und einhalten muss, für welche Monate es die Erhöhungsbeträge nur gewähren darf, muss es diese Angaben nach Nr. 3 kennen und darauf bestehen, dass sie in der Bescheinigung enthalten sind. Andererseits muss es nur darauf bestehen, wenn es für das drittschuldnerische Kreditinstitut von Bedeutung ist. Im obigen Beispiel scheinen alle Leistungen für 6 Monate befristet zu sein, so dass
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 eine Differenzierung ohne Belang wäre. Das drittschuldnerische Kreditinstitut darf dann auf die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung (für welchen Zeitraum die Leistung gewährt wird) vertrauen.
Und da einige Erhöhungsbeträge bedingt pfändbar sind oder dann nicht gewährt werden dürfen, wenn Gläubiger pfänden, für die diese Leistungen gerade gewährt werden (Vermieter bzgl. des Wohngeldes), sind auch die Angaben zu Art der Leistung wichtig. Haftungsfalle: Ein Kreditinstitut muss genau darauf achten, ob verschiedene Leistungen und 1813 damit sich daraus ergebende Erhöhungsbeträge möglicherweise unterschiedlich lang befristet oder z. B. nur einmalig gewährt werden. Unterschiedliche Befristungen von Leistungen und damit die sich daraus ergebende Erhöhungsbeträge darf es daher nur entsprechend berücksichtigen. f) Fristbeginn zur Beachtung der bescheinigten Erhöhungsbeträge In § 903 Abs. 4 regelt der Gesetzgeber auch, ab wann das Kreditinstitut die 1814 Angaben in der Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 2 zu beachten hat: Ab dem zweiten auf die Vorlage der Bescheinigung folgenden Geschäftstag. In der Gesetzesbegründung des PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 40 heißt es: „Absatz 4 sieht vor, dass dem Kreditinstitut in zeitlicher Hinsicht eine hinreichende Umstellungsmöglichkeit einzuräumen ist, wobei hierfür eine Frist von zwei Geschäftstagen nach Vorlage des Nachweises vorgesehen wird.“
Diese Zwei-Tages-Frist ist im Gegensatz zur Vier-Tages-Frist, die ein Kredit- 1815 institut für die Umwandlung eines Zahlungskontos in ein P-Konto hat, nicht nur deutlich kürzer, sondern nach Meinung des Rechtsausschusses auch eine Frist, die es möglichst sogar noch zu unterbieten gilt. Im Rechtausschuss, der den Gesetzesentwurf der Bundesregierung in Teilen dann noch einmal überarbeitet hat, vgl. Ausschussdrucksache, 19(6)185 des Bundestags-Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 5.10.2020, zu § 903 auf S. 31 (zur Begründung der Änderungen zu § 903), wurde Angabe gem. genau über die Dauer der Frist „ausführlich“ diskutiert, denn im RefE war noch eine Frist von nur einem Geschäftstag vorgesehen, allerdings merkwürdigerweise mit einer Begründung, die auf eine Zwei-Tages-Frist schließen ließ („wobei hierfür eine Frist von zwei Geschäftstagen nach Vorlage des Nachweises vorgesehen wird“). Der Ausschuss hat sich dann dafür entscheiden, die ZweiTages-Frist zu belassen, allerdings zum Ausdruck gebracht, dass es sich „nach dem Verständnis des Ausschusses“ bei der ZweiTages-Frist um eine „Obergrenze für die Kreditinstitute“ handelt. Das ist und darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass ein drittschuldnerische Kreditinstitut etwa in jedem Fall, in dem es die Zwei-Tages-Frist ausnutzt, sich dafür rechtfertigen müsste, warum es nicht schneller ging, definitiv nicht!
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1816 Die kürzere Zwei-Tages-Frist für die Beachtung der gem. § 903 ordnungsgemäß nachgewiesenen Erhöhungsbeträge ist sicherlich dem Umstand geschuldet, dass sich Erhöhungsbeträge jederzeit ändern können, während der Grundfreibetrag in der Regel mindestens einen Monat lang unverändert zur Verfügung steht. 1817 Kreditinstitute sind also gut beraten, die Berücksichtigung von ordnungsgemäß bescheinigten Erhöhungsbeträgen möglichst unverzüglich, also idealerweise noch am Tag der Vorlage, umzusetzen und auch die dafür organisatorischen Vorkehrungen zu treffen. Beispiel: Schuldner S unterhält ein P-Konto. Als kurz vor Weihnachten 2021 ein weiteres Kind geboren wird, beansprucht er mittels qualifizierter Bescheinigung einen höheren Freibetrag. Er legt seinem P-Konto führenden Kreditinstitut K am 29.12.2021, 9:00 h morgens den qualifizierten Nachweis vor. K kann wegen der umfangreichen Jahresabschlussarbeiten den Erhöhungsbetrag erst ab Januar 2022 zur Verfügung stellen. Zu Recht? Lösung: Nein, K muss den Freibetrag bereits für den Dezember 2021 zur Verfügung stellen. „Ab dem zweiten auf die Vorlage folgenden Geschäftstag“ wäre der 31.12.2021. Ab 31.12.2021, 0:00 h müsste K also über den höheren Freibetrag verfügen dürfen. Nun ist zwar der 31.12. Silvester, aber kein Feiertag, sondern nur ein sog. BankFeiertag. Da K am 31.12 geschlossen ist, aber S z. B. am GAA Geld abheben könnte, muss es also gewährleisten, dass es bereits am 30.12. den erhöhten Freibetrag einrichtet oder die (hauseigene) IT so administriert (ist), dass eine automatische Erhöhung des Freibetrages zum Datumswechsel 30./31.12. 0:00 h aktiviert wird. Wenn S daher nach Ausschöpfung seines bisherigen Dez.-Freibetrages anlässlich der Geburt des Kindes von seinen Eltern im Dezember noch Geld auf das P-Konto überwiesen wird, kann S noch im Dezember, z. B. am GAA, der am 31.12. funktioniert, noch Geld abheben, soweit es vom dann vom nachträglich für Dezember erhöhten -Freibetrag noch gedeckt ist. 1818 Nun kann man sich fragen, warum die verschiedenen Tagesfristen im Kontopfändungsschutzrecht nicht einheitlich geregelt wurden, denn für die Umwandlung eines Zahlungskontos in ein P-Konto gibt es gar keine gesetzlich geregelte Frist, während es eine Vier-Tages-Frist für die Umwandlung gibt, wenn das Konto bereits gepfändet ist, § 850k Abs. 2 Satz. Das führt natürlich zu Fragestellungen, nämlich ob dann, wenn die Umwandlung und die Erhöhungsbeträge gleichzeitig nachgewiesen und beantragt bzw. beansprucht werden, dann die kürzere Frist gilt. Beispiel: Schuldner S unterhält ein Girokonto. Als seinem Konto führenden Kreditinstitut K am 30. März 2021 eine Kontopfändung zugestellt wird, beantragt er erst am 508
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
28. April die Umwandlung in ein P-Konto und legt gleichzeitig eine qualifizierte Bescheinigung für einen erhöhten Freibetrag vor. Der Antrag auf Umwandlung geht an die zentrale Bearbeitung solcher Anträge. Dort wird dann noch eine Auskunft bei einer Auskunftei eingeholt, um sicher zu gehen, dass S nicht bereits ein P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält. K wandelt das Konto, fristkonform gem. § 850k Abs. 2 Satz 1 erst am 3. Mai in ein P-Konto um, so dass die Rückwirkung nicht mehr greift. S moniert, dass K die Frist des § 903 Abs. 4 nicht eingehalten hat. Zu Recht? Lösung: Ja. Man wird hier wohl eine schuldnerschützende Rechtsansicht vertreten müssen. Der Gesetzgeber hat – in Kenntnis der längeren Vier-Tages-Frist des § 850k Abs. 2 Satz 1 – für den Fall, dass es um die Einräumung von erhöhten Freibeträgen geht, bewusst eine kürzere Frist geregelt. Eine Ausnahme zu Gunsten von K wird man nur machen und K dann einen bis zur Maximalfrist des § 850k Abs. 2 Satz 1 reichenden Zeitraum zubilligen können, wenn K die notwendigen Informationen, ob S bereits ein P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut unterhält, aus von K nicht zu vertretenden Gründen nicht früher erlangt, z. B. wegen technischer Probleme bei der Auskunftei. K muss also im obigen Beispiel das Konto innerhalb der Zwei-Tages-Frist in ein P-Konto umwandeln (bis spätestens zum 30.4.) und auch innerhalb dieser Frist den erhöhten Betrag zur Verfügung stellen rückwirkend ab März. Kann der Schuldner allerdings aus von ihm zu vertretenden Gründen die Vier- 1819 Tages-Frist nicht einhalten, dürfte er für den Zeitraum bis zur Umwandlung nur im Ausnahmefall eine Freistellung von gepfändeten Guthaben im Wege des § 765a (sittenwidrige Härte) verlangen können. AG Hannover, Beschl. v. 9.3.2011 – 705 M 56075/10, BeckRS 2011, 05448. Die Anwendung von § 765a (unbillige Härte) scheidet als Ersatz-Kontopfändungsschutznorm grundsätzlich aus, da die § 899 ff. diesen Sachverhalt insoweit abschließend regeln, siehe zur Frage (parallelen) Anwendung von § 765a auch weitere Entscheidungen unter Rn. 1303.
War der Schuldner tatsächlich ohne eigenes Verschulden gehindert, den Um- 1820 wandlungsantrag rechtzeitig zu stellen, kann § 765a zum Einsatz kommen. Die Behauptung alleine, dass der Schuldner nicht gewusst habe, dass Kontopfändungsschutz nur über ein P-Konto möglich ist, wird so nicht (mehr) ausreichen. Daran sind zwischenzeitlich sicherlich strenge(re) Maßstäbe anzulegen, bedenkt man, dass der Schuldner einen Monat Zeit hat, Vollstreckungsschutz zu beantragen. Das Kreditinstitut muss kontrollieren, ob die Frist eingehalten ist. Ist sie es nicht, muss es die von der Kontopfändung erfassten Guthaben, ggf. nach Ablauf der Wartefristen, an den Gläubiger abführen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Denn immerhin ist es inzwischen bereits seit 1.1.2012 so, dass Pfändungsschutz auf einem Zahlungskonto nur ausschließlich über ein P-Konto zu erlangen ist. Das dürfte eigentlich inzwischen als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Gleichwohl wird man immer noch eine Einzelfallbetrachtung anstellen müssen, denn allgemein bekannt kann trotzdem bedeuten, dass ein konkreter Schuldner im Ausnahmefall davon nichts weiß, weil er zuvor nie Berührung mit Kontopfändungen hatte. Ein Vollstreckungsgericht wird das aber kritisch zu hinterfragen haben und Schuldner bzw. sein Prozessbevollmächtigter sollte entsprechend vortragen.
g) Zeitpunkt der Berücksichtigung vorgelegter Bescheinigungen 1821 Der Kontoinhaber muss die Bescheinigungen so rechtzeitig vorlegen, dass das Kreditinstitut die erhöhten Freibeträge auch rechtzeitig berücksichtigen kann. Beispiel: S legt am 30.9. einen Sozialhilfebescheid über eine Einmalleistung vor, die ihm bereits für August gewährt wurde. Das Kreditinstitut schafft es aufgrund erhöhten Arbeitsanfalls an diesem Tag und der notwendigen Prüfung der Bescheinigung nicht mehr, den Erhöhungsbetrag auf Basis dieser Bescheinigung noch rechtzeitig am 30.9. für Sept. einzugeben. 1822 Hier hilft auch die verkürzte Zwei-Tages-Frist nichts. Auch wenn die Frist eine Obergrenze darstellt, ist K nur dann gezwungen, die Zwei-Tages-Frist zu unterschreiten, wenn ihm das objektiv möglich ist. Bankarbeitstage sind nach der Definition in der Fußnote zu Nr. 9 Abs. 2 der AGB-Banken und der AGB-Sparkassen alle Werktage außer Samstage und der 24. und 31.12. (in den AGB wird zumeist noch die Begrifflichkeit Werktag statt Geschäftstag verwendet). Daran ändert auch die Entscheidung des BGH, Urt. v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292, nichts, denn dass auch Samstage, Sonntage und Feiertage Geschäftstage i. S. d. § 675n Abs. Satz 4 BGB sind, gilt nur für Geldabhebungen am GAA des kontoführenden Kreditinstituts, soweit an diesen Tagen der jeweilige GAA auch betrieben wird.
Beispiel: Wird eine Bescheinigung am Dienstag vorgelegt, sind die Erhöhungsbeträge spätestens ab Donnerstag, 0:00 h zu gewähren. Wird die Bescheinigung dagegen erst am Freitag, 16:00 h vorgelegt, sind die Erhöhungsbeträge erst spätestens ab Dienstag. 0:00 h danach zu gewähren, da als erster Bankarbeitstag/Werktag nach dem Einreichungstag (Freitag) erst der Montag zur Bearbeitung zur Verfügung steht. Wird die Bescheinigung hingegen donnerstags am Vormittag vorgelegt, sollten Kreditinstitute sich bemühen, die Erhöhungsbeträge schon am Freitag eingegeben zu haben, damit der Kunde ab Samstag über das Wochenende darüber verfügen kann. Denn GAAs funktionieren auch an Samstagen und Sonntagen, so dass der Kunde dann bereits an diesem Wochenende bedarfsweise über die Erhöhungsbeträge verfügen könnte. 510
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Zu differenzieren ist aber nach den Tätigkeiten: Für die Umwandlung in ein P-Konto oder die Zurverfügungstellung von Erhöhungsbeträgen gelten die in den AGB des Kreditinstitutes definierten Bankarbeitstage, vgl. Rn. 1024; für die Frage der (rechtzeitigen) Abhebung von Bargeld am GAA gelten dagegen alle Tage als Bankarbeitstage, vgl. Rn. 1204. Soweit das Kreditinstitut daher ohne schuldhaftes Zögern die Bescheinigung 1823 bearbeitet hat, wird ihm kein Vorwurf zu machen sein. Der Schuldner muss sich eben darum kümmern, die Bescheinigung rechtzeitig vorher vorzulegen. Das gilt umso mehr, als mit dem PKoFoG es mehr Teil-Bescheinigungen geben wird und drittschuldnerische Kreditinstitut damit – und mit der Erfassung des richtigen Gesamt-Freibetrages – wohl einen höheren Prüfungsaufwand haben werden.
Hat er ihn selbst beispielsweise im obigen Fall erst am 30.9. erhalten und gleich eingereicht, wird er vielleicht im Einzelfall einmal über § 765a eine Freistellung für vorherigen Monat erhalten können (falls er nicht auch bei der bescheinigenden Stelle aus von ihm zu vertretenden Gründen zu spät erschienen ist). Allerdings dürfte dies ein (theoretischer) Ausnahmefall sein, denn durch § 900 Abs. 1 Satz 1 bleibt regelmäßig ausreichend Zeit, die Nachweise zu erbringen, und auch das Guthaben wird regelmäßig noch vorhanden sein. h) Geltungsdauer einer Bescheinigung Bescheinigungen, die nur für eine gewisse Dauer gelten, dürfen nach der 1824 nunmehr auch erfolgten gesetzlichen Klarstellung in § 903 Abs. 2 Satz 1 nur für diese Dauer beachtet werden. Beispiel: Schuldner S legt seinem Kreditinstitut K für sein P-Konto Anfang Mai 2022 eine Bescheinigung der Schuldnerberatung SB vor, die bestätigt, dass die Erhöhungsbeträge für 6 Monate, beginnend ab Mai 2022, gelten. Als S vor Ablauf des Monats Oktober 2022 keine neue Bescheinigung über Erhöhungsbeträge vorlegt, gewährt S ohne weitere Vorankündigung ab November nur noch den Grundfreibetrag. S beschwert sich, dass ihm weiter die Erhöhungsbeträge zustünden und K ihn nicht rechtzeitig vor Ablauf der Bescheinigung über deren Ablauf informiert hat. Zu Recht? Nein. Dass die Erhöhungsbeträge nicht über den Oktober 2022 (= 6 Monate beginnend ab Mai 2022) hinaus gewährt werden dürfen, schreibt § 903 Abs. 2 Satz 1 so vor. S hätte sich rechtzeitig vorher um eine Anschluss-Bescheinigung kümmern müssen. Dagegen ist keine Informationspflicht des drittschuldnerischen Kreditinstituts geregelt, die K verpflichten würde, den S vor Ablauf der Geltungsdauer einer befristeten Bescheinigung informieren zu müssen, damit er sich rechtzeitig um eine Anschlussvereinbarung hätte kümmern können. Die in § 908 Abs. 3 geregelte Informationspflicht, die vorsieht, dass ein Kreditinstitut dem Kontoinhaber die Absicht, eine neue Bescheinigung zu verlangen, mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem es die ihm vorliegende Bescheinigung nicht mehr be511
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
rücksichtigen will, mitzuteilen hat, gilt nur für die unbefristete Bescheinigung des § 903 Abs. 2 Satz 3, nicht aber für die befristete. Das gilt umso mehr als noch im RefE in § 908 Abs. 5 Satz 1 ZPO-E vorgesehen war, dass immer, wenn das Kreditinstitut die Absicht hatte, einen erneuten Nachweis zu verlangen, es dem Kunden mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem es die Bescheinigung nicht mehr berücksichtigen wird, dies mitteilen musste. Im RegE und dem letztlich verabschiedeten § 908 ist dann nur noch die Informationspflicht für die unbefristete Bescheinigung übrig geblieben. Das ist auch nachvollziehbar, da diese Bescheinigungen ggf. über einen deutlichen längeren Zeitraum als 6 oder bis zu 12 Monate gelten und der Schuldner sich zunächst einmal auf die Unbefristetheit verlassen kann, während er bei einer befristeten Bescheinigung deren (kurze) Geltungsdauer ja von Anfang an kennt und sich darauf einstellen kann.
1825 Auch wie lange eine vorgelegte, unbefristete Bescheinigung gilt, war bislang offen. Das wurde auch durch das PKoFoG nicht klargestellt. Der Wunsch sowohl von Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) wäre gewesen, dass der Gesetzgeber klar regelt, dass unbefristete Bescheinigungen auch unbefristet anerkennt werden dürfen. Diese Klarheit hat der Gesetzgeber leider nicht geschaffen.
1826 Die neue Regelung des § 903 Abs. 2 Satz 2 legt nur fest, ab wann ein Kreditinstitut bei einer unbefristeten Bescheinigung berechtigt ist, eine neue Bescheinigung zu verlangen, auch ohne tatsächliche Anhaltspunkte, dass sie nicht mehr zutrifft. Die Regelung bietet aber auch keine Hilfestellung für die Frage, welches Höchst-Alter eine Bescheinigung zum Zeitpunkt der Vorlage haben darf, vgl. Rn. 1831 ff. 1827 Verlässlich wird man daraus noch nicht einmal ableiten können, dass Bescheinigungen, die bei Vorlage älter als 2 Jahre sind, definitiv nicht mehr akzeptiert werden können. Denn die Geltungsdauer ist nur eingeschränkt, und das auch nicht zwingend (Kann-Bestimmung), wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen. 1828 Helfen würde hier sicherlich, wenn die bescheinigenden Stellen eine klare Befristung bis z. B. zur Volljährigkeit des ersten Kindes vermerken. 1829 Klar ist andererseits, dass dann, wenn beispielsweise eine einmalige Sozialleistung bescheinigt ist, die im Zeitpunkt der Vorlage der Bescheinigung bereits ausgezahlt sein müsste, selbstverständlich selbst eine junge Bescheinigung nicht ausreicht. Siehe dazu auch Rn. 1649 ff.
1830 Gleichfalls darf das Fristende für eine bescheinigte Leistung bei Vorlage nicht bereits abgelaufen sein. Eine solche ältere Bescheinigung scheidet nicht von vorne herein als „ungeeignet“ aus, wird aber sicherlich kritischer zu prüfen sein.
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
i) Alter vorgelegter Bescheinigungen Durch § 903 hat der Gesetzgeber zwar einige Probleme gelöst und Klarstel- 1831 lungen vorgenommen, die die Praxis in der Vergangenheit immer wieder beschäftigt haben. Aber es sind – wie gesehen – auch neue Zweifelsfragen und Auslegungsprobleme hinzugekommen, alte aber auch ungelöst geblieben. Insbesondere auch die Frage, wie alt eine Bescheinigung bei Vorlage höchstens 1832 sein darf, auf die ein Kreditinstitut vertrauen darf, ist weiter offen. Das Problem ist aber in der Praxis nicht all zu groß, denn in der Regel hat ein Schuldner ein eigenes Interesse daran, dass ihm Erhöhungsbeträge möglichst unverzüglich zur Verfügung gestellt werden, so dass er eine erhaltene Bescheinigung auch zeitnah seinem Kreditinstitut vorlegen wird.
Die Praxis hat das ansonsten bisher mehrheitlich dadurch gelöst, dass Kredit- 1833 institute Bescheinigungen akzeptiert haben, die auch bis zu drei Monate alt sein können. Der Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 5.3.1, spricht davon, dass Bescheinigungen die nicht älter als drei Monate sind, von Kreditinstituten regelmäßig akzeptiert werden können. Es gibt aber auch Kreditinstitute, die ältere Bescheinigungen akzeptieren, meist allerdings weniger, um dem Schuldner entgegen zu kommen, sondern aus der Not zunehmend knappster Ressourcen heraus, denn die Diskussion mit dem Schuldner und die Tatsache, einen Vorgang später ein zweites Mal bearbeiten zu müssen, kostet einfach bei den Kreditinstituten nicht vorhandene Zeit und Mitarbeiterressourcen und damit Geld.
Da das Höchstalter einer Bescheinigung zum Zeitpunkt der Vorlage gesetzlich 1834 nach wie vor nicht geregelt ist, gibt es immer wieder Forderungen an die Kreditinstitute, grundsätzlich JEDE Bescheinigung zu akzeptieren. Dem kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden, denn die Prüfungspflichten und damit der Aufwand und die Haftungsrisiken steigen im Zweifel dann für Kreditinstitute. Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass er vier Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Die Geburtsdaten der minderjährigen Kinder sind vermerkt; eine Befristung weist die Bescheinigung nicht auf. Als 18 Monate später eine Kontopfändung auf dem Konto des S eingeht, legt er diese Bescheinigung seinem Kreditinstitut K vor. Zwei der Kinder sind mittlerweile volljährig geworden, eines davon gerade vor einer Woche. Lösung: Diese Bescheinigung wird K ablehnen, denn die manuelle Einzel-Prüfung, ob die Kinder inzwischen volljährig sind, hätte es sich im Zweifel bei einer aktuellen Bescheinigung erspart (dort wären die aktuellen Geburtsdaten nur in der IT hinterlegt und bei unmittelbar vor Eintritt der Volljährigkeit automatisiert ange-
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
zeigt worden). Hier hätte vor Eingabe der Daten in die IT schon manuell geprüft werden müssen, ob das 18. Lebensjahr schon überschritten worden ist. Das verursacht Mehraufwand und zusätzliche Haftungsrisiken. Zudem dürfte der Umstand der Volljährigkeit ein sog. tatsächlicher Anhaltspunkt i. S. d. § 903 Abs. 2 Satz 4 sein, der K ohnehin berechtigen würde, eine aktuelle Bescheinigung zu verlangen, weil die Tatsache, dass zwei der vier Kinder volljährig sind, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung nicht mehr zutreffen. 1835 Angesichts der neuen Regelung, die zwar nur die Geltungsdauer unbefristeter Bescheinigungen neu klarstellt, scheint es dem Autor aber trotzdem möglich, nunmehr risikolos Bescheinigungen zu akzeptieren, die deutlich älter als 3 Monate sind. Je älter die Bescheinigung ist, desto eher werden aber auch Zweifel daran möglich sein, Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 850k Rn. 79.
1836 Ob man als drittschuldnerisches Kreditinstitut so weit gehen will, bis zu zwei Jahre alte Bescheinigungen bei Vorlage zu akzeptieren, muss jedes Kreditinstitut für sich abwägen. Durch die Wertung des Gesetzgebers, dass bei unbefristeten Bescheinigungen diese eine Gültigkeit von zwei Jahren haben können, scheint es folgerichtig auch vertretbar, eine deutlich ältere als drei Monate alte Bescheinigung zu akzeptieren. Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 850k Rn. 79, allerdings noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des PKoFoG, plädiert in Anlehnung an den Gedanken aus § 25 Abs. 1 Satz 1 WoGG für eine Jahresfrist.
Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass er vier Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Die Geburtsdaten der minderjährigen Kinder, alle unter 10 Jahre, sind vermerkt; eine Befristung weist die Bescheinigung nicht auf. S hat die Bescheinigung eine Woche nach der ersten Pfändung Anfang Mai 2022 seinem Kreditinstitut K vorgelegt. Als die erste Pfändung im November vollständig erledigt ist, geht Anfang Januar 2023 erneut eine Kontopfändung auf dem Konto des S ein. K berücksichtigt die Bescheinigung vom Mai 2022 weiter und aktiviert die entsprechenden Freibeträge. Zu Recht? Ja. Zunächst einmal gibt es – wie gesagt – keine Vorschrift, die das Höchstalter der Bescheinigung bei Vorlage regelt. K hat auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte, dass sich zwischen Mai 2022 und Januar 2023 etwas an der Situation des S geändert hätte und die Bescheinigung nicht mehr zutreffen könnte. Es spricht also nichts dagegen, die zum Zeitpunkt des Eingangs der zweiten Pfändung dann 8 Monate alte Bescheinigung zu akzeptieren. 1837 Macht man sich das klar, dann wäre es auch zulässig, diese obige Bescheinigung auch dann zu akzeptieren, wenn der Schuldner das erste Mal eine z. B. 8 Monate alte Bescheinigung vorlegt. Vor allen Dingen: Wenn ein Kreditinstitut eine jüngere Bescheinigung verlangt, dann müsste es einen Grund haben oder eine
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 Rechtsnorm vorweisen können, dass ihm diesen Anspruch verleiht. Wenn bzw. da es an beidem fehlt, dürfte diese vor Gericht ausgetragene Streitfrage, ob eine 8 Monate alte Bescheinigung noch tauglich ist, im Zweifel zu Lasten des Kreditinstitutes ausgehen.
Grenzen, weniger aus Rechts- oder Haftungsgründen, sondern eher aus öko- 1838 nomischer Vernunft, wird man ggf. da ziehen, wo die Bescheinigung bei Vorlage schon über 22 Monate alt ist, weil dann die 2 Jahre bald abgelaufen sind und das Kreditinstitut dann auch ohne tatsächlich Anhaltspunkte eine neue Bescheinigung verlangen könnte (allerdings nicht muss). Dann macht es sicherlich Sinn, auch für den Schuldner, eine ganz neue Bescheinigung vorzulegen, die dann wieder länger akzeptiert werden wird. Aber auch das wäre nicht zwingend. Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass er vier Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Die Geburtsdaten der minderjährigen Kinder, alle unter 10 Jahre, sind vermerkt; eine Befristung weist die Bescheinigung nicht auf. Als die erste Pfändung auf dem bei Kreditinstitut K unterhaltenen P-Konto des S eingeht, ist die Bescheinigung 20 Monate alt. K akzeptiert sie trotzdem und lässt sie auch weiterhin gelten, bis das erste Kind 16 Jahre alt wird. Birgt das ein Haftungsproblem für K? Nein. Zunächst einmal gibt es – wie gesagt – keine Vorschrift, die das Höchstalter der Bescheinigung bei Vorlage regelt. K hat auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die Bescheinigung nicht mehr zutreffen könnte. Es spricht also nichts dagegen, die zum Zeitpunkt des Eingangs der Pfändung 20 Monate alte Bescheinigung zu akzeptieren und dann auch weit über die 2 Jahre hinaus gelten zu lassen. Eine Bescheinigung, die älter als 2 Jahre ist zu erneuern, ist keine Muss-Bestimmung. Praxistipp: Der Autor regt daher an, dass Kreditinstitute künftig eher großzügiger mit der Akzeptanz solch älterer Bescheinigungen umzugehen, schon im eigenen Interesse.
Ein Haftungsrisiko kann den Kreditinstituten daraus nicht erwachsen, wohl 1839 aber ein geringerer Aufwand, auch weil man sich Diskussionen mit den Schuldnern erspart, die Zeit und Nerven (auf beiden Seiten) kosten. Dass Kreditinstitute einen strengeren Maßstab deshalb anlegen, um potenzielle P-Kontoinhaber abzuschrecken bzw. es ihnen nicht „zu bequem“ zu machen, wird in der Praxis vorkommen, ist aber in erster Linie der defizitären Pfändungsbearbeitung geschuldet, bei der es legitim ist, zu versuchen, davon möglichst wenig zu haben.
Trotzdem sollten sich Kreditinstitute auch auf dem Feld der Begleitung der 1840 Ärmsten ihrer gesamt-gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein und diese – völlig berechtigte – Kostendiskussion nicht auf dem Rücken der Schwächsten austragen. Und mit der Akzeptanz auch älterer Bescheinigungen und deren längerer Akzeptanz, kann man dieser Verantwortung gerecht werden und sogar selbst ein Beitrag zu weniger Aufwand in der Pfändungsbearbeitung leisten. 515
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1841 Auch ein gewisser Pragmatismus kann hier helfen; wenn z. B. eine Schuldnerberatungsstelle auf einer (über 2 Jahre) alten Bescheinigung – ggf. nur deren Kopie – einen neuen Stempel mit aktuellem Datum und Unterschrift anbringt, dass die bescheinigten Sachverhalte weiter (unbefristet) Gültigkeit haben, sollte sich ein Kreditinstitut auch damit zufrieden geben. Sie muss nur den Anforderungen des § 903 entsprechen. 1842 Oder wenn eine (unbefristete) Bescheinigung dadurch „aktualisiert“ wird, dass sich das drittschuldnerische Kreditinstitut anhand einer vorgelegten, aktuellen Semesterbescheinigung des studierenden, schon erwachsenen Kindes davon überzeugt (und diese als Kopie zu den Unterlagen nimmt), dass die gesetzliche Unterhaltpflicht des Schuldners für dieses Kindes weiter gegeben und diese Erhöhungsbeträge (für eine weitere Person und ggf. Kindergeld) weiterhin berechtigt sind. Wenn es die erste Semesterbescheinigung oder die Immatrikulationsbescheinigung ist, dann würde diese ggf. sogar alleine schon als Nachweis der gesetzlichen Unterhaltspflicht auch für die weiteren 3 Jahre ausreichen, denn ein Studium wird bis zum Bachelor regelmäßig mindestens 6 Semester dauern. Jedes Semester eine neue Studienbescheinigung anzufordern, wäre dann entbehrlich. Wenn eine Kontopfändung erledigt ist, aber das P-Konto weiter besteht und aus irgendwelchen Gründen ins Soll gerät, dann könnte auch die alte Bescheinigung ausreichen, um die im Rahmen des § 901 Abs. 1 notwendigen Erhöhungsbeträge zu bestimmen. Aber: Kreditinstitut werden, weil sich das Aufrechnungs- und Verrechnungsverbot gegen sie selbst richtet, dann vermutlich zwar in der Regel auf eine neue Bescheinigung bestehen. Sollte der Schuldner diese aber nicht erhalten können, ist es nicht ausgeschlossen, dass dann die Vollstreckungsgerichte einen Beschluss nach § 905 verweigern, mit dem Hinweis auf die noch heranziehbare Bescheinigung. So lange diese – unbefristete Bescheinigung – nicht bereits zwei Jahre alt ist, ist das jedenfalls nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung des Vollstreckungsgerichtes, eine Beschluss nach § 905 zu erlassen, wäre im Übrigen trotzdem nicht gleichbedeutend damit, dass dann das drittschuldnerische Kreditinstitut diese Bescheinigung akzeptieren muss. Das wäre erst dann der Fall, wenn eine Gericht das drittschuldnerische Kreditinstitut dazu verpflichten würde, nicht aber inzident durch die Ablehnung eines Beschlusses nach § 905. Gleichwohl dürfte es ohne Haftungsrisiken dann für das drittschuldnerische Kreditinstitut möglich sein, die Bescheinigung zu akzeptieren.
j) Rückwirkung bei Bescheinigungen 1843 Nicht geregelt hat der Gesetzgeber auch die Frage, ob in einer Bescheinigung nachgewiesene Erhöhungsbeträge eine Rückwirkung entfalten. Obwohl auch das angemahnt war, beispielsweise durch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) in ihrer Stellungnahme zum DiskE, siehe dort S. 11.
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
In der Praxis wir eine Rückwirkung von den Kreditinstituten teilweise akzep- 1844 tiert, als analoge Anwendung des § 899 Abs. 1 Satz 2 (rückwirkender Schutz – siehe Rn. 1246), der dem § 850k Abs. 1 Satz 3 a. F. entspricht. Lediglich die vorher geltende Frist von vier Wochen wurde – zum Zwecke der Vereinheitlichung der Fristen und vor dem Hintergrund, dass der Kontopfändungsschutz sich jeweils auf den Monat bezieht – in eine Frist von einem Monat geändert, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 35.
Mag sein, dass diese Akzeptanz den Gesetzgeber veranlasste, das Problem als 1845 gelöst anzusehen und es deshalb nicht zu regeln, mag aber auch sein, dass es eine bewusste Nicht-Regelung war, was bedeuten würde, dass eine Rückwirkung nicht gewollt war. Die Rückwirkung der Bescheinigung auf den Zeitpunkt der Zustellung des Überweisungsbeschlusses wäre eine analoge Anwendung der 1-Monatsfrist in § 899 Abs. 1 Satz 2. Auch bei den Erhöhungsbeträgen, die durch die Bescheinigung nachgewiesen werden, soll dem Schuldner ermöglicht werden, diese vor einer Auskehrung an den Pfändungsgläubiger zu schützen. Für die Berechnung der Frist kommt es auf den Zeitpunkt an, ab dem das drittschuldnerische Kreditinstitut die Bescheinigung berücksichtigt (also nicht auf den Tag der Vorlage), was sie es spätestens „zum Beginn des zweiten auf die Vorlage der Bescheinigung folgenden Geschäftstages“ tun muss, § 903 Abs. 4. Eine Rolle spielt das aber nur wenn zwischen der Zustellung des Überweisungsbeschlusses und der Berücksichtigung der Bescheinigung der Kalendermonat wechselt.
Die Bescheinigung kann in den Vormonat aber nur dann zurückwirken, wenn 1846 sie ebenfalls innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses (§ 899 Abs. 1 Satz 2) vorgelegt wird (zur Rückwirkung der Einrichtung eines P-Kontos siehe Rn. 1246). Eine weitergehende Rückwirkung der Erhöhungsbeträge ist nicht möglich, 1847 selbst wenn sich aus der Bescheinigung ergibt, dass dem P-Kontoinhaber die Erhöhungsbeträge z. B. schon im Vormonat zugestanden haben, was in der Praxis bislang meist nur bei Nachweisen der Sozialhilfe- oder Kindergeldstellen der Fall ist. Werden solche Beträge nachgezahlt, lässt sich das über § 904 lösen. Die Rückwirkung bescheinigter Erhöhungsbeträge geht also nur bei der erstmaligen Vorlage einer solchen Bescheinigung nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses, § 899 Abs. 1 Satz 2 analog. Daran ändert auch der Wortlaut nichts, dass gem. § 903 Abs. 4 die Bescheini- 1848 gung ab dem zweiten auf die Vorlage folgenden Geschäftstag zu beachten ist. Eine Interpretation, dass mit der Begrifflichkeit „beachten“ auch eine generelle 1849 Rückwirkung verbunden ist, also z. B. die in der am 31.1.2022 vorgelegten Bescheinigung ausgewiesenen Erhöhungsbeträge „ab Jan. 2022“ auch bereits im Januar 2022 zu gewähren, obwohl das drittschuldnerische Kreditinstitut für die Umsetzung der Erhöhungsbeträge 1 Tag Zeit hat und sie daher in diesem 517
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Beispielsfall erst ab 1.2.2022 Februar in der IT eingegeben hat und eingeben muss, kann daraus nicht hergeleitet werden. Die drittschuldnerischen Kreditinstituten zugebilligte und notwendige Bearbeitungszeit bis zum Folgetag (hier 1.2.2022) führt dazu, dass der Schuldner darauf hinwirken muss, die Bescheinigung ausreichend vorher vorzulegen bzw. vorlegen zu können. Tut er das nicht, auch wenn er es nicht zu verschulden hat, können ihm die Erhöhungsbeträge in diesem Beispielsfall (trotzdem) erst ab Februar 2022 gewährt werden. Eine generelle Rückwirkung einer Bescheinigung, auf der die Rückwirkung angegeben ist, für den Fall, dass das entsprechende Guthaben noch auf dem P-Konto vorhanden ist, ist abzulehnen. Das ist auch insoweit konsequent als auch die Rückwirkung des Kontopfändungsschutzes bei der Erst-Umwandlung in ein P-Konto dann nicht mehr greift, wenn die 1-Monatsfrist des § 899 Abs. 1 Satz 2 verstrichen ist. Kommt der Kontoinhaber erst nach Ablauf der Frist, dann gilt der Kontopfändungsschutz auch nur für den Monat, in dem das Konto umgewandelt wurde, nicht aber mehr rückwirkend in den Vormonat. Genau so muss das auch für die Erhöhungsbeträge gelten.
k) Prüfungspflichten der Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Bescheinigung 1850 Die Prüfungspflichten sind nicht unerheblich und haben sich durch das PKoFoG noch erweitert. Das liegt im Wesentlichen daran, dass der Umfang der zu bescheinigenden Leistungen deutlich ausgeweitet wurde und dass es vermehrt Teil-Bescheinigungen geben wird, deren einzelne Beträge die drittschuldnerischen Kreditinstitute zum richtigen GesamtFreibetrag zusammenaddieren müssen.
1851 Zudem wurde durch die inhaltliche Mindest-Pflichtangabe des § 903 Abs. 3 Nr. 2, in welcher Höhe die Leistung zu welcher der in § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c sowie Nr. 2 – 6 genannten Leistungsarten gehört, und der diesbezüglichen Differenzierung im Rahmen des § 904 die Prüfungsanforderungen nochmals erhöht. 1852 Zwar gilt nach wie vor der Grundsatz, dass sich ein Kreditinstitut auf die inhaltliche Richtigkeit verlassen darf, aber durch die umfassende Erweiterung der Tatbestände und Leistungen, die bescheinigt werden können, bestehen natürlich auch mehr Möglichkeiten für sich aufdrängende Zweifel. 1853 Die Bescheinigung selbst darf zunächst einmal nur von einer in § 903 Abs. 1 Satz 1 genannten Stelle ausgestellt werden. Sollten sich aus der Bescheinigung selbst Zweifel an der Befugnis einer ausstellenden Stelle ergeben, also deren Eignung i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1, darf das Kreditinstitut die Erhöhungsbeträge nicht gewähren. Um den Nachweis bei berechtigten Zweifeln muss sich dann der Schuldner im Zweifel zusammen mit der bescheinigenden Stelle
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 selbst kümmern. Das Kreditinstitut wird nur darzulegen haben, dass es Zweifel hat und haben darf und in – zumindest groben Zügen – woraus sich diese aufdrängenden Zweifel ergeben, damit der Schuldner diese zielgenau und zügig beseitigen kann.
Kreditinstitute müssen auch prüfen, dass die Bescheinigung echt ist.
1854
Ist die Fälschung für ein Kreditinstitut allerdings nicht auf den ersten Blick 1855 zu erkennen, ergibt sich auch keine Haftung, sondern der Gutglaubensschutz schützt das Kreditinstitut. Ob es durch das Recht auf eine Bescheinigung und die damit korrespondie- 1856 rende Pflicht zur Ausstellung von Bescheinigungen durch Familienkassen, Sozialleistungsträger und mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen sowie die für diese Stellen geltenden inhaltlichen Anforderungen an die Bescheinigung künftig für drittschuldnerische Kreditinstitute wirklich einfacher wird, bleibt allerdings abzuwarten. Erste Erfahrungen widerlegen das leider eindrucksvoll, wie nachfolgendes Praxis-Beispiel zeigt: Beispiel: Die Agentur für Arbeit in Musterstadt erstellt für die Nachzahlung einer Geldleistung folgende Bescheinigung: Bescheinigung über die Nachzahlung von laufenden Geldleistungen bis 500 € Sehr geehrter Herr Muster, auf Ihren Antrag vom 25. November 2021 bescheinigen wir Ihnen zur Vorlage bei Ihrem Kreditinstitut die Nachzahlung von laufenden Geldleistungen bis 500 €: Leistungsart: Arbeitslosengeld Leistungszeit: 25.11.2021 – 31.12.2021 Leistungshöhe in Euro: 3.021,48 Dies ist eine Bescheinigung gemäß § 904 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO, § 903 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO. Musterstadt, 11.1.2022
Unterschrift der Ausstellerin/des Ausstellers Agentur für Arbeit Musterstadt
Herr Muster legt diese Bescheinigung seinen Kreditinstitut K vor, das die Bescheinigung als Grundlage für die die Freistellung der Nachzahlung nicht akzeptiert. Zu Recht? Ja. Über 500 € dürfen nur Leistungen per Bescheinigung freigestellt werden, die Leistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c sind oder Nr. 4 bis Nr. 6 sind. Ob das eine solche Leistung ist, muss aus der Bescheinigung selbst hervorgehen, tut es aber nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Agentur für Arbeit Musterstadt hier – weil sie ja einen Formular-Baustein benutzt, der nur für nachgezahlte Leistung bis einschließlich 500 € vorgesehen ist – eine Nachzahlung einer laufenden Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch, die nicht in § 904 Abs. 1 genannt
519
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
ist, bescheinigen will. Aber das ist nicht sicher. Es kann sich auch um eine Nachzahlung einer Geldleistung handeln, die tatsächlich eine Leistung nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c oder Nr. 4 bis Nr. 6 ist, aber es wurde der falsche Formularbaustein verwendet. Wenn die Nachzahlung eine Nachzahlung nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c oder Nr. 4 bis Nr. 6 wäre, die dann auch für nachgezahlte Beträge über 500 € bescheinigt werden könnte, dann müsste das aber aus der Bescheinigung selbst hervorgehen, § 903 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2. Da es das nicht tut, sondern man sogar eher davon ausgehen müsste, dass es sich um eine Nachzahlung handelt, die eine Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch ist, die nicht in § 902 Satz 1 Nr. 1b und c oder Nr. 4 bis Nr. 6 genannt ist (und damit nicht unter § 904 Abs. 1 fiele), wäre diese nur bescheinigbar, wenn sie sich auf einen Betrag bis max. 500 € beliefen. K darf diese Bescheinigung daher als Grundlage für eine Freistellung der Nachzahlungen nicht akzeptieren, im Übrigen auch nicht bis zur Höhe von 500 €! Herr Muster muss um eine nachgebesserte Bescheinigung bitten, die angibt, in welche Kategorie des § 902 (und damit des § 904) die nachgezahlte Leistung fällt. Fällt sie in die Kategorie des § 902 Satz 1 Nr. 1b und c sind oder Nr. 4 bis Nr. 6, dann wäre sie bescheinigbar durch die Arbeitsagentur. Wenn nicht dann muss nach § 904 Abs. 3 das Vollstreckungsgericht auf Antrag prüfen, ob die gesamte Nachzahlung freigestellt werden darf. 1857 Denn alleine durch die deutlich ausgeweiteten Varianten der bescheinigbaren Leistungen und Nachzahlungen im Rahmen des § 904, wird es künftig häufiger vorkommen, das drittschuldnerische Kreditinstitute mit mehreren oder kompliziert zu prüfenden Bescheinigungen konfrontiert sein werden. Dann sind ggf. Einzel-Beträge erst zu einem korrekten Gesamt-Betrag zusammenzufassen, um den richtigen Freibetrag zu gewähren. Schon dies birgt Mehraufwand, vor allem aber natürlich Haftungsrisiken. Beispiel: Schuldner S legt seinen Kreditinstitut K im Dez. 2021 folgende Bescheinigungen gem. § 903 vor: Eine unbefristet gültige seines Arbeitgebers, dass er vier Personen gesetzlichen Unterhalt gewährt (weitere Angaben enthält diese Bescheinigung nicht); eine der Familienkasse über mtl. 913 € Kindergeld, gewährt nach § 902 Satz 1 Nr. 5 für 6 Monate (weitere Angaben enthält diese Bescheinigung nicht); eine eines Sozialträgers, über 150 € zur Reparatur eines therapeutischen Gerätes, das eines der Kinder benötigt, gewährt nach § 902 Satz 1 Nr. 2 für den nächsten Monat und eine eines weiteren Sozialträgers über mtl. 70 €, gewährt nach § 902 Satz 1 Nr. 2 für den Zeitraum Feb. 2021-Mai 2022. K muss dann einen Freibetrag i. H. v. 2.519,39 € (gesetzlichen Unterhalt für vier Personen = Grundfreibetrag i. H. v. 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet= 1.260,00 € + 471,44 € + 262,65 € +262,65 € + 262,65 €) beginnend ab Dez. 2021 + 913 € für 6 Monate beginnend ab Dez. 2021 + 150 € einmalig für den Monat Jan. 2022 + 70 € für die Monate Feb. 2022 bis einschließlich Mai 2022.
520
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Daraus ergeben sich in den folgenden Monaten – sollte sich zwischendrin an den Bescheinigungen bis Mai 2022 nichts ändern – folgende Freibeträge: Dez 21
Jan 22
2.519,39 €
2.519,39 €
2.519,39 €
Feb.
2.519,39 €
März
2.519,39 €
April
2.519,39 €
Mai
913,00 €
913,00 €
913,00 €
913,00 €
913,00 €
913,00 €
0,00 €
150,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
70,00 €
70,00 €
70,00 €
70,00 €
3.432,39 €
3.582,39 €
3.502,39 €
3.502,39 €
3.502,39 €
3.502,39 €
Auf die drittschuldnerischen Kreditinstitute werden daher ab 1.12.2021 mehr 1858 Aufwand zukommen und mehr Verwaltung und Archivierung für die Bescheinigungen. Auch die Haftungsrisiken steigen, denn mehr Bescheinigungen zu verwalten und die sich daraus ergebenden Einzelfrei-Beträge manuell herauszufinden, sie korrekt zu verarbeiten und einen richtigen Gesamt-Freibetrag zu errechnen und mtl. auszuweisen, wird im Zweifelsfall deutlich herausfordernder als bisher. Der Gesetzgeber hat diesen Erfüllungs(mehr)aufwand- schlicht nicht ausgewiesen. Im Gegenteil: Er geht davon aus, dass ein Zeit-/ Aufwandsersparnis der Kreditinstitute „durch Entfallen von Beratungsbedarf/verbesserte Nachweismöglichkeiten“ (u. a. im Rahmen des § 903) eine Entlastung von 130.000 Stunden/Jahr erbringt. Das ist eine groteske Verkennung dessen, was in der Praxis die obigen Änderungen tatsächlich auslösen: Aufwand, bestenfalls im Bereich des § 903 eine Kompensation, keine Kompensation durch § 907 und damit unterm Strich einen spürbaren Mehr-Erfüllungsaufwand allein schon aufgrund der neuen Herausforderungen im Rahmen der §§ 899 Abs. 1 Satz 3, 850l und 901.
Nach den ersten Praxiserfahrungen zeigt sich, dass insbesondere die Bescheinigung für nachgezahlte Leistungen im Rahmen des § 904 ein Problem zu sein scheint und drittschuldnerische Kreditinstitute hier besonders kritisch prüfen sollten, siehe auch das Beispiel unter Rn. 1856. Aber auch die eigenen Bescheinigungen von Familienkassen, Sozialleistungsträgern oder mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befasste Einrichtungen, bergen erhebliche Haftungsrisiken und müssen sehr kritisch geprüft werden. Beispiel: Das Jobcenter in Musterstadt erteilt in einer der Musterbescheinigung des Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) nachempfundenen Bescheinigung folgende Bescheinigung: Gesamtbetrag der bewilligten Geldleistungen nach dem SGB II (§ 903 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 902 Satz 1 ZPO): 1.288,58 €
Als Schuldner S seinem Kreditinstitut K diese Bescheinigung am 1.2.2022 vorlegt, räumt K nur den Grundfreibetrag i. H. v. 1.260 € ein. Zu Recht? Ja. Einmal abgesehen davon, dass der Verweis auf „§ 902 Satz 1 ZPO“ viel zu unspezifisch ist (es muss genau angegeben werden, welcher Kategorie in Satz 1 521
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
des § 902 die Geldleistung zuzuordnen ist), ist der Grundfreibetrag i. H. v. 1.260 € eine Pauschale und kann nicht von der bescheinigenden Stelle abgeändert werden. Wenn es dagegen i. H. v. 28,58 € (=1.288,58 € – 1.260 €) ein Erhöhungsbetrag sein sollte, der bescheinigt werden sollte, was aber nicht klar ist, dann ist nur dieser zu bescheinigen, dann aber unter einem eigenen Punkt, so wie in der Musterbescheinigung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) erscheinenden Rubrik V, erstes Kästchen. (Nur) dort sind sog. „weitere laufende monatliche Geldleistungen“ bescheinigbar, „die dem Schuldner selbst gemäß SGB II, XII oder AsylbLG gewährt werden und den Grundfreibetrag übersteigen (§ 902 Satz 1 Nr. 4 ZPO)“. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, wenn Familienkassen, Sozialleistungsträgers oder mit der Gewährung von Geldleistungen im Sinne des § 902 Satz 1 befasste Einrichtung nicht die Musterbescheinigung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) verwenden, sondern nur daran grob orientierte eigene Bescheinigungen erstellen, die dann aber nicht die gleiche Übersichtlichkeit und damit Verlässlichkeit und Qualität haben. Hier sollten die Kreditinstitute bei jedem Zweifel die Bescheinigung zurückweisen und grds. zunächst nur den Grundfreibetrag gewähren, um ihre Haftungsrisiken zu minimieren und die Familienkassen, Sozialleistungsträger oder mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen zu animieren, entweder die Musterbescheinigung zu verwenden oder aber eigene, die die gleiche Übersichtlichkeit und damit Verlässlichkeit und Qualität haben wie die Musterbescheinigung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV, siehe Anhang 4). Hinzu kommt, dass die Befristung, die die Musterbescheinigung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) nicht aufweist, bei den eigenen Bescheinigungen der Familienkassen, Sozialleistungsträger oder mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen relativ versteckt im Formular, jedenfalls aber nicht auffällig (Fettdruck) hervorgehoben steht. Es heißt im Formular der Jobcenter „©Zentrale der Bundesagentur für Arbeit/ GR 1/1.12.2021“ unter III am Ende relativ unscheinbar „Die Geldleistungen werden monatlich (§ 42 Abs. 1 SGB II) gewährt für den Zeitraum: vom … bis“. 1859 Grundsätzlich wird sich das Kreditinstitut stets das Original der Bescheinigung vorlegen lassen. 1860 Überzogene Anforderungen an die Prüfung, ob es sich um ein Original handelt, wird man den Kreditinstituten allerdings nicht auferlegen können. Nur ganz offensichtliche Zweifel sind daher geeignet, z. B. wenn bei einer ansonsten maschinell erstellten Bescheinigung handschriftliche Änderungen/Ergänzungen angebracht werden (Änderung Beträge; Änderung Gutschriftskonto; Änderung Befristungszeiträume etc.). Die Haftungserleichterung nach § 903 Abs. 1 Satz 1 deckt allerdings nur die Richtigkeitsgewähr der Inhalte einer echten Bescheinigung ab. Das Fälschungsrisiko einer total gefälschten unechten Bescheinigung als Ganzes dürfte nicht – wie im Falle von gefälschten
522
6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 Überweisungen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11.10.1994 – XI ZR 238/93, ZIP 1994, 1761), Schecks oder sonstigen Urkunden – das Kreditinstitut tragen; dies allenfalls dann, wenn diese als Fälschung offensichtlich erkennbar wäre. Ist sie das nicht, haftet das Kreditinstitut nicht, da eine Bescheinigung nicht geeignet ist, Unterschriften vergleichen zu können (und auch gar nicht zu müssen) und – anders als bei Schecks – die drittschuldnerischen Kreditinstitute diese auch regelmäßig nur einmal eingereicht erhalten und sehen und von Ausstellern, die die Kreditinstitute u. U. gar nicht als Kunden kennen.
Durch die bei Antrag des Schuldners bestehende Pflicht zur Ausstellung einer 1861 Bescheinigung von Familienkassen, Sozialleistungsträgern und mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen, darf das drittschuldnerische Kreditinstitut auch darauf bestehen, die nun eigens für sie ausgestellten Originale einzubehalten. Ebenso Ehlenz/Diefenbach, Rn. 84d. Sollte der Schuldner im Ausnahmefall das Original weiter benötigen, wird das Kreditinstitut eine – grundsätzlich vom Kontoinhaber zu liefernde – Kopie hereinnehmen und auf ihr vermerken: „Original hat vorgelegen.“
Dies auch deshalb, um einem etwaigen Missbrauch Vorschub zu leisten.
1862
Die Missbrauchsgefahr ist aber schon deshalb nicht all zu groß, weil solche Leistungen zumeist nur zeitlich befristet gewährt werden.
Der Gläubiger dürfte weiterhin einen Anspruch auf Herausgabe von Beschei- 1863 nigungen – ggf. durch Herausgabe von Kopien – gegenüber dem Schuldner haben. BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, NJW-RR 2013, 766.
Solange das Original nicht vorgelegt wird, ist zunächst weiterhin nur der 1864 Grundfreibetrag zu gewähren. Auch die Zwei-Tages-Frist des § 903 Abs. 4 zur Einräumung des erhöhten Freibetrages beginnt erst zu laufen, wenn das Original der Bescheinigung vorliegt. Ebenso gilt das für eine etwaige, nur in engen Grenzen mögliche Rückwirkung. Grundsätzlich darf die Drittschuldnerbearbeitung nur zu „geringstmöglicher 1865 Belastung des Drittschuldners“ führen. BGH, Urt. v. 25.9.1986 – IX ZR 46/86, ZIP 1986, 1422 = NJW 1987, 64.
Damit sollten auch die Prüfungspflichten bzgl. der Bescheinigung auf ein 1866 Minimum beschränkt bleiben. Erlischt der P-Kontostatus, hat der Kunde – auf Verlangen – grundsätzlich 1867 einen nebenvertraglichen Anspruch aus dem Girovertrag auf Rückgabe der Original-Bescheinigung, da er sie ggf. bei einem anderen Kreditinstitut erneut im Original vorlegen muss. Die Rückgabe der Original-Bescheinigung davon abhängig zu machen, dass die Bescheinigung nicht älter als drei Monate ist
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto und obwohl sie vermutlich deshalb in der Praxis wegen ihres Alters nicht mehr als geeignete Bescheinigung anerkannt würde, empfiehlt sich allerdings nicht. Hier sollten die Kreditinstitute auch keine – unnötigen – Grabenkämpfe führen, sondern die OriginalBescheinigung, wenn es sie noch hat, einfach aushändigen.
1868 Hat der Kunde daher eine nachvollziehbare Begründung für die Wiederaushändigung des Originals, wird sich das Kreditinstitut – auf seine Kosten – in diesen Fällen eine Kopie vom Original-Bescheid anfertigen und auf ihr vermerken, dass das „Original vorgelegen“ hat. Sicherheitshalber sollte es zusätzlich vermerken, über welchen Zeitraum das Original vorgelegen hat. Dies dient dazu, um ggf. gegenüber Gläubigern auch später noch nachweisen zu können, welcher Freibetrag in diesem Zeitraum Geltung hatte. 1869 Sollten Kreditinstitute – wie zunehmend öfter – die Originalbescheinigungen einscannen/digitalisieren, nur noch elektronisch archivieren und anschließend vernichten, kann selbstverständlich das Original nicht mehr ausgehändigt werden. Insofern gibt es unter Beachtung des § 257 Abs. 3 HGB aber auch keine Vorhaltepflichten hinsichtlich der Original-Bescheinigungen. Auf elektronisch archivierte Unterlagen hat der Kunde im Zweifel gem. Art. 15 DSGVO einen Anspruch auf Rückgabe oder Herausgabe einer ausgedruckten Kopie der Datei, OLG München, Urt. v. 4.10.2021 – 3 U 2906/20, VuR 2021, 478. Zur umstrittenen Frage, in welchem Umfang Abschriften und Kopien verlangt werden können, hat das OLG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen, wobei dann die Frage ist, wenn Revision einlegt wird, ob dann eine EuGH-Vorlage des BGH angezeigt ist; zum datenschutzrechtlichen Anspruch auf Auskunft über Kontobewegungen nach Art. 15 DSGVO: AG Bonn, Urt. v. 30.7.2020 – 118 C 315/19, VuR 2020, 464 m. Anm. Meier.
1870 Schließlich muss das Kreditinstitut auch prüfen, dass die bescheinigte Leistung laut Bescheid auch tatsächlich auf das bei ihr geführte P-Konto des Empfängers der Geldleistung überwiesen wird. Ist das nämlich nicht der Fall, darf eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages aufgrund dieser vorgelegten Bescheinigung auf diesem P-Konto nicht vorgenommen werden. Fehlt die Angabe der Kontonummer, gilt das ebenfalls. In der Musterbescheinigung ist unter Ziff. II. „Angaben zum Kontoinhaber und Pfändungsschutzkonto“ die Angabe vorgesehen. Drittschuldnerische Kreditinstitute könnten aber, wenn sie sich davon überzeugen wollen und könnten, was sie nicht müssen, dass die Leistungen auf das bei Ihnen geführte P-Konto des Leistungsempfängers eingehen, die Erhöhungsbeträge dann trotzdem gewähren.
1871 Dagegen muss das Kreditinstitut (später) nicht mehr kontrollieren, ob die Erhöhungstatbestände eventuell deshalb nicht mehr vorliegen, weil die Leistungen nicht mehr auf das P-Konto eingehen, vgl. Rn. 1616. Siehe aber zu den Pflichten im Rahmen eines Blankettbeschlusses bei dem das Vollstreckungsgericht den Freibetrag nur von einem bestimmten Arbeitgeber festgesetzt hat, vgl. Rn. 1649.
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903
Aus der Bescheinigung muss zudem der erkennbare Aussteller als wahrer – 1872 und nach § 903 Abs. 1 Satz2 berechtigter – Aussteller hervorgehen. Stellt aber eine der in § 903 Abs. 1 Satz 2 genannten Stellen eine Bescheinigung mit Inhalten aus, dies es eigentlich gar nicht abschließend und sicher beurteilen kann (z. B. eine Familienkasse bescheinigt nicht nur Kindergeld, sondern auch Unterhaltspflichten), darf – und sollte – das Kreditinstitut grundsätzlich auch darauf vertrauen.
Kreditinstitute haben über die Rechtsscheinwirkung hinaus, aber keine Pflicht 1873 zu prüfen, ob beispielsweise ein Anwalt oder Steuerberater wirklich Mitglied der Anwalts- oder Steuerberaterkammer ist oder ein vereidigter Buchprüfer tatsächlich diese Qualifikation besitzt. Auch hier gilt die Grundregel, dass aber dann, wenn sich diesbezügliche Zweifel geradezu – aus der Bescheinigung direkt – aufdrängen, dass das Kreditinstitut diese Zweifel von der ausstellenden Stelle beseitigen lassen muss. Auch positives Wissen führt immer dazu, dass ein Kreditinstitut nicht weiter auf die Bescheinigung vertrauen und die Erhöhungsbeträge nicht weiter in dieser Höhe gewähren darf. Weiß das Kreditinstitut daher beispielsweise aus anderer Quelle sicher, dass der Anwalt wegen Vermögenslosigkeit seine Anwaltszulassung längst verloren hat, aber trotzdem weiter Bescheinigungen ausstellt, darf sie diese natürlich nicht als Basis für die Gewährung von Erhöhungsbeträgen zu Grunde legen.
Anders mag es bei den geeigneten Stellen sein (vgl. dazu Rn. 1762 ff.): Ein 1874 „privater“ Schuldnerberater muss seinen Nachweis als geeignete Stelle der Bescheinigung beifügen, sonst ist das Kreditinstitut berechtigt, die Bescheinigung abzulehnen. Insbesondere kann das Kreditinstitut nicht darauf verwiesen werden, bei der zuständigen Aufsichtsbehörde (zumeist ein Landesministerium) in die durch diese – im Internet – veröffentlichten und einsehbaren Listen nachzusehen (Rn. 1765). Zur Anerkennung geeigneter Stelle allgemein, siehe Hergenröder, ZVI 2007, 448.
Des Weiteren muss die Bescheinigung inhaltlich die im Gesetz geregelten 1875 Voraussetzungen/Tatbestände wiedergeben, also bescheinigen, dass die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen für eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages vorliegen. Beispiel: Hiermit bescheinige ich als Arbeitgeber (1) des bei mir beschäftigten S (2), dass dieser für zwei Personen (3) aufgrund Gesetzes (4) Unterhalt gewährt (5). Fehlt eines dieser fünf Bestandteile bei einer Arbeitgeber-Bescheinigung, 1876 wird das Kreditinstitut die Bescheinigung nicht akzeptieren, da es dann nicht Schuld befreiend die erhöhten Beträge an den Schuldner auskehren kann. Ist daher ein Arbeitgeber nicht in der Lage oder willens eine korrekte Bescheini525
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
gung zu erteilen, muss der Schuldner an das Vollstreckungsgericht verwiesen werden. Anders als Familienkassen, Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung, sind Arbeitgeber und die geeigneten Stellen nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nach wie vor nicht verpflichtet, überhaupt eine Bescheinigung zu erstellen. Auch sind sie, wenn sie eine erstellen, nicht an die inhaltlichen Anforderungen nach Abs. 3 gebunden. Zumindest die geeigneten Stellen, zumeist Schuldnerberatungsstellen werden sicherlich trotzdem versuchen, sich an diesen Angaben – Pflicht- und freiwillige – zu orientieren, in aller Regel sogar die Musterbescheinigung verwenden.
1877 Das Kreditinstitut muss die inhaltliche Richtigkeit der fünf Bestandteile allerdings nicht prüfen. Ob S daher bei diesem Arbeitgeber tatsächlich beschäftigt ist, ob er tatsächlich zwei Personen (und nicht nur einer) Unterhalt gewährt (oder eben nicht gewährt) und ob er diesen Unterhalt aufgrund gesetzlicher Verpflichtung leistet (und nicht aufgrund vertraglicher oder sonstiger), muss das Kreditinstitut nicht hinterfragen. Die Grenze zieht das Gesetz wieder da, wo das Kreditinstitut positiv weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass die Bescheinigung unrichtig ist. Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt S, dass dieser für zwei Personen aufgrund Gesetzes Unterhalt gewährt. Bei einem Verkehrsunfall kommt seine Ehefrau auf tragische Weise ums Leben. S reicht die Sterbeurkunde in der Abteilung „Pfändungsbearbeitung“ ein. 1878 Arbeitgeber werden oftmals aber nicht sicher wissen können, ob ihr Arbeitnehmer tatsächlich Unterhalt gewährt. Sie werden vielleicht noch wissen, dass er zwei Kinder hat; ob er ihnen aber erstens gesetzlichen Unterhalt schuldet und zweitens ihnen diesen auch tatsächlich gewährt, wird sich zumeist aber seiner sicheren Kenntnis entziehen. Das würde er nur durch eine aufwändige Sichtung von umfangreichen Unterlagen beurteilen können; dass er dazu ggf. nicht die Zeit aufbringen will, ist nachvollziehbar. Und selbst wenn: Auch der Arbeitnehmer wird vielleicht all das nicht seinem Arbeitgeber, sondern eher einer neutralen Schuldnerberatungsstelle anvertrauen wollen. 1879 Auf die drittschuldnerische Kreditinstitut kommen neue Prüfungspflichten auch deshalb zu, weil sie bei Bescheinigungen der Familienkassen, Sozialleistungsträger oder den mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen nun – schon im eigenen Interesse – prüfen müssen, ob die inhaltlichen Anforderungen erfüllt sind. Die freiwilligen Angaben (Kann-Angaben) nach § 903 Abs. 3 Satz 3, vgl. auch Rn. 1678, die nur angeben werden müssen, soweit diese Stellen darüber Kenntnis haben, weicht die Pflicht allerdings für die ausstellenden Stellen auf. Grundsätzlich müssten den meisten Leistungsträgern diese Angaben vorliegen; nach den Erfahrungen
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6. Bescheinigung als Nachweis für Erhöhungsbeträge, § 903 mit der Bescheinigungs(un)willigkeit der Sozialleistungsträger in der Vergangenheit, vgl. Schlussbericht iff, S. 79 und S. 154 bleibt abzuwarten, ob immer alle Angaben gemacht werden.
Familienkassen, Sozialleistungsträger und mit der Gewährung von Geldleis- 1880 tungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen müssen sich an diese inhaltlichen Vorgaben halten. Das müssen die drittschuldnerischen Kreditinstitute prüfen. Beispiel: Schuldner S legt eine Bescheinigung des Sozialleistungsträger über eine Leistung nach § 54 Abs. 3 SGB I vor. Es fehlt die gem. § 903 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 als Pflichtangabe notwendige Information, für welchen Zeitraum die Leistung gewährt wird. Kreditinstitut K weist die Bescheinigung zurück und gewährt keine Erhöhungsbeträge. Zu Recht? Ja, denn die Vorgaben für den Sozialleistungsträger sind klar im § 903 geregelt. Diese Anforderungen müssen die Bescheinigung erfüllen. Den Weg zu wählen, die Erhöhungsbeträge trotzdem zumindest für einen Monat anzuerkennen und dem Schuldner aufzugeben, vor Ablauf dieses Monates eine diesbezüglich neue Bescheinigung zu bringen, wäre eine Möglichkeit für K. Sinnvoller dürfte es aber sein, die Bescheinigung sofort korrigieren zu lassen; da diese an keine Formvorschrift gebunden ist, wäre auch eine E-Mail oder ein Fax des Sozialträgers an K möglich, die aber regelmäßig S – nicht K – veranlassen sollte, wonach der Sozialträger unter Bezugnahme auf die Bescheinigung gegenüber K erklärt, dass z. B. die Leistung nach § 54 Abs. 3 inkl. dem Vorlagemonat für sechs Monate befristet ist. Diese Mitteilung müsste K dann lediglich zusätzlich zur Bescheinigung archivieren. Nur dann ist die Bescheinigung ein tauglicher Nachweis i. S. d. § 903. Der 1881 Arbeitsaufwand dürfte daher zunehmen, sollte aber – schon der Rechtsprechung des BGH zu den niedrigen, nicht ursachengerechten P-Kontoführungsentgelten wegen –, siehe dazu Rn. 2865,
auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Das Kreditinstitut muss also nur das Vorliegen der drei Pflichtangaben prüfen. Liegen sie nicht vor, darf es Bescheinigung zurückweisen. Allerdings ist zu konzedieren, dass die Pflichtangabe Höhe der Leistung alleine wenig aussagekräftig ist. Das Kreditinstitut darf sich wegen der Pauschalen im Rahmen des § 850c nicht auf diese „Höhe der Leistung“ beziehen.
Beispiel: Schuldner S nimmt Leistungen nach SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts für seine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft i. H. v. insgesamt 1.200 € entgegen, die auf seinem P-Konto eingehen. Der Sozialleistungsträger SLT stellt dafür eine § 903 entsprechende Bescheinigung aus, die auch ausweist, für welche Personen die
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
jeweilige Sozialleistung in welcher Höhe gewährt wird. Kreditinstitut K gewährt hier einen Freibetrag i. H. v. 2.117,81 €. Gläubiger G reklamiert und meint, dass der Gesamtfreibetrag auf 1.200 € gem. Bescheinigung begrenzt ist. Zu Recht? Nein. Die in der Bescheinigung des SLT gewährten Leistungen weisen nicht die zu gewährenden Erhöhungsbeträge aus, sondern gem. § 903 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 nur die Höhe der vom SLT gewährten Leistungen. Diese konkret bewilligten Beträge des Leistungsbescheides bzw. der Bescheinigung sind aber insoweit irrelevant. Der Freibetrag muss vielmehr um die sich aus dem Gesetz ergebenden pauschalen Erhöhungsbeträge angehoben werden. § 902 Satz 1 Nr. 1b sagt insoweit klar, dass dann, wenn Sozialleistungen für mit dem Schuldner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Person entgegengenommen werden, dann (nur) die pfändungsfreien Beträge nach § 850c Abs. 2 i. V. m. § 850c Abs. 4 nicht von der Pfändung erfasst sind. Also nur um genau diese pauschalen Erhöhungsbeträge ist der Grundfreibetrag zu erhöhen. Nimmt der P-Kontoinhaber auf seinem P-Konto daher für mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Personen eine geringere Sozialleistung als den pfändungsfreien Pauschalbetrag entgegen, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut erkennen, dass es den Freibetrag trotzdem um die Pauschale erhöhen darf und muss. Sonst macht sie sich dem Pfändungsschuldner gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn diesem dadurch pfändungsfreie Beträge vorenthalten werden. Haftungsfalle: 1882 Der Gutglaubensschutz des § 903 Abs. 1 Satz 1 zur inhaltlichen Richtigkeit der Bescheinigung schützt das Kreditinstitut dann nicht, wenn es die (inhaltlich) richtige Bescheinigung falsch interpretiert und daraus einen falschen Freibetrag errechnet bzw. gewährt. Darüber hinausgehende Erhöhungen dürfte das Kreditinstitut nur aufgrund einer „nachgebesserten“ Bescheinigung oder eines gerichtlichen Beschlusses nach §§ 905, 906 berücksichtigten. l) Übergangsrecht 1883 Wenn am 1.12.2021 dem drittschuldnerische Kreditinstitut eine unbefristete Bescheinigung bereits vorliegt, stellt sich die Frage, ab wann die 2 Jahre zu rechnen sind. 1884 § 903 Abs. 2 Satz 2 und 3 sprechen von der (unbefristeten) Bescheinigung, die zwei Jahre alt sein darf. Es geht also immer um das Alter der Bescheinigung selbst, nicht um den Zeitpunkt der Vorlage (oder den Beginn der Geltung des § 903). Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sich die in der Bescheinigung bestätigten Sachverhalte und Erhöhungstatbestände nach zwei Jahren auch ändern können. Beispiel: Gegen Schuldner S wurde Kreditinstitut K im Juni 2021 eine Kontopfändung zugestellt. S weist durch eine am 15.6.2021 ausgestellte unbefristete Bescheinigung
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7. Nachzahlung von Leistungen, § 904
der örtlichen Schuldnerberatung seine Erhöhungsbeträge nach und legt sie K noch am 15. Juni vor. Am 10.5.2023 erhält S von K die Information in sein elektronisches Postfach, das er bei K unterhält, die Information, dass K ab 16. Juni eine neue Bescheinigung haben will. K widerspricht und meint, da das Gesetz erst am 1.12.2021 in Kraft getreten ist, dass K erst ab Dezember 2023 eine neue Bescheinigung verlangen darf. Zu Recht? Nein, denn es kommt nur auf das Alter der Bescheinigung an. Dies wurde am 15.6.2021 ausgestellt, so dass die Bescheinigung und ihre darin attestierten, die Erhöhungsbeträge legitimierenden Sachverhalte bereits am 15.6.2023 zwei Jahre alt sind. Insofern ist das Verlangen von K zulässig. Drittschuldnerische Kreditinstitute müssen aber nicht, wenn sie nicht wissen, 1885 seit wann die unbefristete Bescheinigung ausgestellt wurde oder dies nur durch eine aufwändige interne Recherche ermittelt werden kann, jede unbefristete Bescheinigung etwa einzeln dahingehend überprüfen, ob bzw. wann die zwei Jahre überschritten sind. Wenn drittschuldnerische Kreditinstitute nicht auf eine Neuanforderung verzichten wollen, wozu der aber Autor rät, sollte es ausreichen, dass die Kreditinstitute ab dem 30.9.2023, also zwei Monate bevor die Änderungen des PKoFoG 2 Jahre alt sind, sich überlegen, ob sie im Einzelfall neue Bescheinigungen anfordern wollen, § 908 Abs. 3. Liegen dann keine (sich aufdrängenden) tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen, besteht auch dann kein Handlungsbedarf. 7. Nachzahlung von Leistungen, § 904 Neu geregelt hat der Gesetzgeber die Nachzahlungen von Leistungen, die in 1886 der Praxis ebenfalls ein großes Problem darstellten. So waren zwar einmalige Sozialleistungen bescheinigbar, nicht aber die in der Praxis häufig vorkommenden Nachzahlungen laufender Sozialleistungen, die lediglich in einem Einmal-Betrag gezahlt wurden, vgl. auch Schlussbericht iff, S. 92, der auch aufzeigt, dass auch in diesen Fällen Vollstreckungsgerichte sich teilweise weigerten, ersatzweise Freibetrags-Beschlüsse zu fassen, vgl. auch Schlussbericht iff, S. 51.
§ 904 regelt nun den Pfändungsschutz für diese praktisch wichtigen und nicht 1887 seltenen Fälle, in denen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – aber auch Arbeitseinkommen inkl. Beamtenpensionen oder Betriebsrenten – ganz oder teilweise nicht für die Zeiträume, für die der Leistungsanspruch besteht, ausbezahlt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgezahlt werden. Vgl. DiskE. S. 48 zur obigen Begründung. Der Rechtsausschuss wiederum hat durch eine Änderung in Abs. 2 nachgezahlte Arbeitseinkommen i. S. d. § 850 Abs. 2 und 3 ZPO, zu denen auch Beamtenpensionen und Betriebsrenten gehören, in den Anwendungsbereich der Vorschrift mit aufgenommen, vgl. Ausschussdrucks. 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 32.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1888 Wenn Nachzahlungen von laufenden Geldleistungen, die meist mehrere Monate umfassen, in einem Betrag auf das Zahlungskonto des Schuldners überwiesen werden, führt das in der Regel dazu, dass in dem Monat, in dem die entsprechende Gutschrift auf dem P-Konto des Schuldners eingeht, die Pfändungsfreigrenzen überschritten werden. Wären die Leistungen pünktlich und sukzessive gezahlt worden, also jeweils in dem Monat überwiesen worden, für den die Geldleistungen bestimmt waren, wäre zumeist kein pfändbares Guthaben in den jeweiligen Monaten entstanden. Der Schuldner hatte also einen Nachteil bis hin zum Verlust von Teilen der Nachzahlung, obwohl er in der Regel keinen Einfluss auf die Auszahlung durch den Leistungsträger nehmen kann. Um solche Nachzahlungen laufender Sozialleistungen zu schützen, hatte ein Schuldner auch früher nur die Möglichkeit, durch Antrag beim Vollstreckungsgericht einen für den Eingangsmonat nach § 850k Abs. 4 a. F. (einmalig) erhöhten Pfändungsfreibetrages festsetzen zu lassen. Ein Antrag nach § 850k Abs. 5 Satz 4 a. F., heute § 905, schied aber aus, da dieser nur ersatzweise für eine Bescheinigung galt. Nachzahlungen laufender Sozialleistungen waren aber nicht bescheinigbar. Zudem war bis zu den Entscheidungen des BGH, Beschl. v. 24.1.2018 – VII ZB 21/17, VuR 2019, 191, und BGH, Beschl. v. 24.1.2018 – VII ZB 27/17, NJW-RR 2018, 504 lange Zeit streitig, ob ein Gericht einen solchen Beschluss für nachgezahlte laufende Sozialleistungen überhaupt machen kann und wie die Verteilung zu bestimmen ist.
1889 Durch den neuen § 904, der im Grunde den Maßgaben der BGH-Entscheidungen, BGH, Beschl. v. 24.1.2018 – VII ZB 21/17, VuR 2019, 191 und BGH, Beschl. v. 24.1.2018 – VII ZB 27/17, NJW-RR 2018, 504,
aufgenommen hat, wird aber der Charakter der Geldleistung an sich nicht verändert. Laufende Geldleistung werden daher dadurch nicht etwa zu einer einmaligen Geldleistung i. S. v. § 902 Satz 1 Nr. 2. 1890 Leider hat auch bei dieser Norm der Gesetzgeber nicht den pragmatischsten Weg einer Lösung gewählt. Angeregt war, sowohl von der Deutsche Kreditwirtschaft (DK), vgl. deren Stellungnahme zum DiskE, S. 12, aber auch von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), vgl. deren Stellungnahme zum DiskE, S. 20, (zumindest bestimmte) Nachzahlung bescheinigen und den Pfändungsfreibetrag des Monats um diese Nachzahlung einfach erhöhen zu können, unabhängig davon, für welchen Zeitraum oder für welchen Monat die Nachzahlung gewährt wurde. Für Sozialleistungen, die regelmäßig nicht pfändbar sind, wäre eine solche schlanke Lösung auch den Pfändungsgläubigern zumutbar gewesen. Dazu hätte in Musterbescheinigung nur eine entsprechende Kategorie aufgenommen werden müssen. Nur für die Nachzahlung etwa von Renten oder Arbeitseinkommen etc. wäre noch eine Festsetzung durch das Vollstreckungsgericht notwendig gewesen.
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7. Nachzahlung von Leistungen, § 904
1891
Unkompliziert kann der Gesetzgeber offenbar inzwischen nicht (mehr). Konzedieren muss man aber, dass die Sprache gegenüber den Regelungen des § 850k a. F. deutlich verständlicher geworden ist. § 80a der Bundestags-Geschäftsordnung sieht vor, dass Gesetzentwürfe auf Verständlichkeit geprüft werden müssen; diese Aufgaben nimmt der beim Bundestag eingerichtete Redaktionsstab wahr. Dass auch der Inhalt einer verständlichen Norm oder eines Gesetzes dadurch weniger kompliziert wird, kann aber leider auch der Redaktionsstab nicht gewährleisten.
§ 904 Abs. 4 nimmt auch nicht Bezug auf § 903 Abs. 3 Satz 2, wodurch eine 1892 einfachere Zuordnung zum Charakter der nachgezahlten Beträge gem. § 902 Satz 1 Nr. 1 lit. b) und c) und Nr. 2 – 6 ermöglicht worden wäre, was wiederum die Abgrenzung von § 904 Abs. 1 zu Abs. 2 vereinfacht hätte. Auch hier hat der Gesetzgeber wiederum eine Regelung geschaffen, die den 1893 Anforderungen der Praxis und an eine unbürokratische Lösung nicht gerecht wird. Aber auch hier gilt: Vergleicht man die ersten Regelungen aus dem DiskE oder RefE mit der nun Gesetzesnorm gewordenen Bestimmung, dann muss man sagen: Es hätte auch noch viel schlimmer kommen können!, vgl. Sudergat, FP 2021, 134.
Wichtig: Ein Schutz nach § 904 kommt für eine rückwirkende Nachzahlung 1894 nur dann in Betracht, wenn auch für den gesamten rückwirkenden Zeitraum Pfändungsschutz auf dem P-Konto bestand. Beispiel: Gläubiger G bringt gegen Schuldner S im Dezember 2021 eine Kontopfändung bei dessen Kreditinstitut K aus. Dieser wandelt sein Girokonto, da er dort kaum Zahlungsverkehr abwickelt, erst im Februar in ein P-Konto um. Im April 2022 erhält er eine Nachzahlung über Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 3.000 € für den Zeitraum vom 1.12. bis 30.4.2021 und beantragt eine Freistellung der gesamten Nachzahlung. Zu Recht? Nein, denn eine Freigabe kann nur für den Zeitraum erfolgen kann, in dem das P-Konto Pfändungsschutz gewährt hat, also erst ab Februar. Nur für die Monate März und April kann daher ein anteiliger Betrag freigestellt werden. Hätte S eine Nachzahlung für den Zeitraum Oktober 2021 bis 30.4.2021 erhal- 1895 ten, wäre ihm für die Monate vor Pfändungszustellung, die Monate Oktober und November ebenfalls der jeweils anteilige Freibetrag zu belassen, da zu diesem Zeitpunkt kein Pfändungszugriff des Gläubigers bestand.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
a) Nachgezahlte Geldleistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 1b oder 1c oder Nr. 4 bis 6, § 904 Abs. 1 1896 In § 904 wird bei der Frage, wie mit den Nachzahlungen umgegangen wird, differenziert, nach welcher konkreten Norm (des § 902 oder anderer Regelungen) die Leistung erfolgt. 1897 In Abs. 1 des § 904 sind zunächst Regelungen für nachgezahlte Geldleistungen geschaffen worden, die der Schuldner nach SGB II oder XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz für sich selbst erhält oder die er für Personen entgegennimmt, mit denen er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 902 Satz 1 Nr. 1b, 1c und 4), Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz und andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder (§ 902 Satz 1 Nr. 5, wobei natürlich auch hier die Einschränkung gilt, dass diese Beträge nicht pfändungsfrei sind, wenn wegen einer Unterhaltsforderung eines Kindes, für das die Leistungen gewährt werden oder bei dem es berücksichtigt wird, gepfändet wird) und um Geldleistungen, die dem Schuldner gewährt werden, nach sonstigem bundes- und landesrechtlichen Vorschriften unpfändbar sind (§ 902 Satz 1 Nr. 6). 1898 Schon das alleine ist kompliziert und alles andere als verständlich. Schon vor fast einem halben Jahrhundert beklagte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Regierungserklärung am 16.12.1976 die mangelnde „Verständlichkeit“: „Verteidigung der privaten Sphäre, der eigenen Sphäre der Person, bedeutet auch, daß die Person nicht abhängig gemacht wird von einer für sie völlig undurchsichtigen, anonymen Bürokratie und Großorganisation, ob nun im staatlichen Bereich, im wirtschaftlichen oder im privaten Bereich. Ich möchte Ihnen gern, weil ich auch selbst zu denen gehöre, die manchmal das Gefühl haben, undurchsichtigen Formularen [Hervorhebung durch den Autor] ausgeliefert zu sein, folgendes Beispiel geben: Wenn Sie Ihre Wasserrechnung, die Darlegungen Ihres Vermieters für die erneute Mieterhöhung, die Sie in diesem Jahr erlebt haben, ihre Gehaltsabrechnung, Ihre Bundestagsabrechnung wirklich genau verstehen, die der Computer Ihnen ausgedruckt hat, dann sind Sie klüger als die meisten links oder rechts auf den beiden Flügeln dieses Hauses.“, vgl. Stenographischer Bericht der 5. Sitzung des Dt. Bundestages, am 16. Dezember 1976, Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung durch Schmidt, Bundeskanzler, S. 43 linke Spalte.
1899 Die in § 904 Abs. 1 aufgeführten Geldleistungen sind regelmäßig solche, die bei monatlicher Auszahlung zumindest ganz überwiegend durch den Grundfreibetrag und/oder die Erhöhungsbeträge nach § 902 vollständig geschützt wären. Zumeist handelte es sich um Leistungen nach dem SGB II und XII z. B. Leistungen der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten- oder Unfallversicherung, aber auch z. B. Krankengeld nach SGB V. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass diese monatlichen Geldleistungen im Fall der Nachzahlung zu einem pfändbaren Betrag in dem Monat, für den sie gezahlt werden, führen können.
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7. Nachzahlung von Leistungen, § 904
Hier hat sich der Gesetzgeber aber zumindest getraut, wenigstens diese Nach- 1900 zahlungen gewissermaßen pauschal durch eine entsprechende Bescheinigung freizustellen, weil er der Ansicht ist, dass diese Leistungen auch bei einer Nachzahlung in der Regel nicht zu einem pfändbaren Betrag führen würden. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41.
Beispiel: Schuldner S erhält Leistungen nach SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts für sich und dreiköpfige Bedarfsgemeinschaft i. H. v. insgesamt 1.200 €. Zwischen Antragstellung und Gewährung der Leistung vergehen drei Monate, so dass S – nachdem er einige Abschlagszahlungen erhalten hat – im Mai 2022 neben dem Betrag i. H. v. 1.200 € für Mai 2022 auch eine Nachzahlung für den Zeitraum Februar bis April 2022 i. H. v. nochmal 1.200 € erhält. Sein Freibetrag i. H. v. 2.117,81 € wird damit im Mai 2022 zwar überschritten; soweit aber die Nachzahlung als (nachgezahlte) Leistung gem. § 902 Satz 1 Nr. 1b ordnungsgemäß bescheinigt ist, ist sie vor der Pfändung geschützt. Das drittschuldnerische Kreditinstitut muss daher den Freibetrag für den Monat Mai auf 3.317,81 € (2.117,81 € + 1.200 €) erhöhen. Soweit z. B. Arbeitslosengeld nachgezahlt wird, bedürfte es der Regelung des § 904 Abs. 1 theoretisch eigentlich nicht, da diese auch durch „normale“ Bescheinigung – ohne Rückgriff auf § 904 – freigestellt werden könnten. Als Nachzahlung muss sie aber ordnungsgemäß nach § 904 bescheinigt werden. Die 500 €-Beschränkung des § 904 Abs. 2 gilt also nicht für Geldleistungen gem. § 902 Satz 1 Nr. 1b oder c oder Nr. 4 – 6. Diese sind unbeschränkt bescheinigbar, weil es die Nachzahlung besonders geschützter Sozialleistungen betrifft. Solche Nachzahlungen sind damit sogar besser gestellt als die entsprechenden laufenden monatlichen Zahlungen, da § 902 Satz 1 Nr. 1 nicht auf die tatsächlichen Leistungen abstellt, sondern nur Pauschalen freistellt, die, wenn sie überschritten werden, ggf. noch einer gerichtlichen Freistellung nach § 906 bedürfen, siehe Homann, in: Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5 Ziff. 4.9.4.1.
Nur Nachzahlungen von laufenden Geldleistungen nach dem SGB, die nicht in § 904 Abs. 1 genannt oder Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 und 3 sind, haben die 500 €-Beschränkung. Ein Problem in der Praxis ist das bei der Bescheinigung von Leistungen zum Ausgleich von Körper- und Gesundheitsschäden. Denn in § 904 Abs. 1 sind Geldleistungen i. S. d. § 54 Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 3 des SGB I (also die Leistungen, die in Nr. 2 des § 902 stehen) nicht aufgeführt. Diese Nachzahlungen können daher nur bis zu einem Zahlbetrag von 500 € bescheinigt werden. In der Praxis sind insbesondere darunter fallende nachgezahlte Pflegegelder sehr häufig vorkommend. Statt diese Leistungen daher unbürokratisch bescheinigen zu können, muss sich der Schuldner – weil die Nachzahlungen meist die 500 € überschreiten – an die Vollstreckungsgerichte wenden. Hinzu kommt, dass diese offensichtlich ein Tätigwerden immer wieder ab-
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto lehnen, vgl. Rn. 1911, da die Vollstreckungsgerichte der irrigen Meinung sind, die auszahlenden Stellen könnten die Bescheinigung über diese Nachzahlungen ausstellen. Das ist aber nicht korrekt, da es sich eben um Nachzahlungen i. S. d. § 904 handelt.
In der neuen Musterbescheinigung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV, Anhang 4) kommt dies dadurch gut zum Ausdruck, dass im Fall des Vorliegens einer Leistung nach § 904 Abs. 1 das Kreuz unter V. in der dritten Zeile/Kästchen zu setzen ist und dort auch ein Betrag eingetragen werden kann, der den Betrag i. H. v. 500 € übersteigt (siehe nachfolgender Ausschnitt der Musterbescheinigung):
Haftungsfalle: Ist dagegen ein Kreuz unter V. in der vierten Zeile/Kästchen gesetzt, darf dort maximal ein Betrag i. H. v. 500 € stehen; steht dort ein höherer Betrag, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut erkennen, dass es die Bescheinigung bezüglich dieses Betrages nicht anerkennen darf, sondern den Schuldner zur Freistellung eines Betrages im Rahmen des § 904 Abs. 2 und Abs. 3 an das Vollstreckungsgericht verweisen muss. Es kann aber die Bescheinigung als Grundlage für andere in der Bescheinigung ordnungsgemäß attestierte Erhöhungsbeträge zugrunde legen. Beispiel: Folgende Bescheinigung einer Arbeitsagentur wäre nicht korrekt und müsste zurückgewiesen werden:
Über 500 € dürfen nur Leistungen per Bescheinigungen freigestellt werden, die Leistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c sind oder Nr. 4 bis Nr. 6.
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7. Nachzahlung von Leistungen, § 904
Ob das eine solche Leistung ist, muss aus der Bescheinigung selbst hervorgehen, tut es aber in diesem Fall nicht. Im Gegenteil, wird hier sogar bescheinigt, dass es sich um eine Bescheinigung „nach § 904 Abs. 2 und Abs. 4“ handelt, die auf 500 € beschränkt wäre. Wahrscheinlicher ist, weil das die Agentur für Arbeit hier – weil sie ja einen Formular-Baustein benutzt, der nur für nachgezahlte Leistung bis einschließlich 500 € vorgesehen ist – eine laufende Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch, die nicht in § 904 Abs. 1 genannt ist, bescheinigen will. Aber das ist nicht sicher. Es kann sich auch um eine Nachzahlung einer Geldleistung handeln, die tatsächlich eine Leistung nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c oder Nr. 4 bis Nr. 6 ist, aber es wurde dann der falsche Formularbaustein verwendet. Wenn die Nachzahlung eine Nachzahlung nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c sind oder Nr. 4 bis Nr. 6 wäre, die dann auch für Beträge über 500 € bescheinigt werden könnte, dann müsste das aber aus der Bescheinigung hervorgehen. Da es das nicht tut, sondern man sogar eher davon ausgehen müsste, dass es sich um eine Nachzahlung handelt, die eine Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch ist, die nicht in § 904 Abs. 1 genannt ist, wäre diese nur bescheinigbar, wenn sie sich auf einen Betrag bis max. 500 € beliefen. Die Bescheinigung darf als Freistellung daher nicht akzeptiert werden. Man muss klären in welche Kategorie des § 902 (und damit des § 904) die nachgezahlte Leistung fällt. Ist es eine Leistung nach § 902 Satz 1 Nr. 1b und c oder Nr. 4 bis Nr. 6, muss die Bescheinigung „nachgebessert“ werden; ist es eine andere Leistung, muss das Vollstreckungsgericht entscheiden, § 904 Abs. 3 und 5 Satz 1. b) Andere laufende Geldleistungen SGB sowie Arbeitseinkommen, § 904 Abs. 2 Durch die Regelungen in § 904 Abs. 2 werden weitere, nicht bereits in Abs. 1 1901 aufgeführte laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch geschützt, wenn der nachgezahlte Betrag 500 € nicht übersteigt. Die Bundesagentur für Arbeit hat dazu „Fachliche Weisungen“ zu „§ 54 SGB I – Pfändung“ im Umfang von 20 Seiten herausgegeben. Zu finden auf der Homepage der AA unter https://www.arbeitsagentur.de/veroeffentlichungen/gesetze-und-weisungen.
Sie wird Nachzahlungen zu laufenden Geldleistungen bis 500 € i. S. d. § 904 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 wohl mittels separater Textbausteine in den Bescheiden „zur Vorlage bei Ihrem Kreditinstitut“ bescheinigen. Siehe aber zu den Problemen, den richtigen Textbaustein zu verwenden, Rn. 1858.
Die Regelung betrifft insbesondere Zahlungen aus der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten- oder Unfallversicherung, aber auch Krankengeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Differenzierung zu Leistungen in § 904 Abs. 1 ergibt sich aus Sicht des Gesetzgebers daraus, dass die Leistungen in Abs. 2 nicht immer pfändungsfrei sind. Trotzdem hat er mit dem – allerdings
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto von der Praxis deutlich zu gering beklagten – Betrag eine pauschale Regelung versucht, die ebenfalls eine einfachere Handhabung von Nachzahlungstatbeständen bewirkt. In der Höhe dieses Betrages, so der Gesetzgeber werden die in Abs. 2 aufgeführten Leistungen auch bei Nachzahlung in der Regel nicht zu einem pfändbaren Betrag führen, vgl. RefE, S. 57.
Beispiel: Schuldner S bezieht monatliches Arbeitseinkommen i. H. v. 1.800 €. Nach drei Monaten erhält er im Mai 2022 neben dem Betrag i. H. v. 1.800 € für Mai 2022 auch eine Nachzahlung für den Zeitraum Februar bis April 2022 i. H. v. nochmal 500 € als Geldleistung für den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand. Sein Freibetrag i. H. v. 2.117,81 € wird damit im Mai 2022 zwar überschritten; soweit aber die Nachzahlung als (nachgezahlte) Leistung gem. § 902 Satz 1 Nr. 2 ordnungsgemäß bescheinigt ist, ist sie vor der Pfändung geschützt. Das drittschuldnerische Kreditinstitut muss daher den Freibetrag – allerdings nur für den Monat Mai – auf 2.617,81 € (2.117,81 € + 500 €) erhöhen. 1902 Also auch eine nachgezahlte Geldleistung nach § 904 Abs. 2, die 500 € nicht überschreitet, muss als solch eine Geldleistung nach § 902 Satz 1 Nr. 2, und zwar in der Form einer Nachzahlung, als Erhöhungsbetrag bescheinigt werden. Auch das ergibt sich aus eindeutig aus § 904 Abs. 4. Variante: Schuldner S bezieht monatliches Arbeitseinkommen i. H. v. 1.800 €. Nach drei Monaten erhält er im Mai 2022 neben dem Betrag i. H. v. 1.800 € für Mai 2022 auch eine Nachzahlung für den Zeitraum Februar bis April 2022 i. H. v. 900 € als Geldleistung für den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand, § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I. Sein Freibetrag i. H. v. 2.117,81 € wird damit im Mai 2022 überschritten; da die Nachzahlung den Betrag von 500 € überschreitet, darf das drittschuldnerische Kreditinstitut K nicht einfach den Freibetrag für den Monat Mai auf 3.017,81 € (2.117,81 € + 900 €) erhöhen. gem. 904 Abs. 5 muss in diesem Fall das Vollstreckungsgericht den Freibetrag festlegen. Dort muss S einen entsprechenden Antrag stellen. 1903 Dies kann dazu führen, dass Schuldner in Absprache mit ihrem Arbeitgeber durch „geschickte Steuerung“ den Freibetrag erhöhen und dem Gläubiger Beträge vorenthalten können: Beispiel: Schuldner S erhält monatlich 1.300 € Arbeitseinkommen auf sein P-Konto überwiesen. Sein Arbeitgeber A will ihm wegen besonderer Leistungen im Dezember 2021 noch eine Sonder(netto)zahlung i. H. v. 500 € zukommen lassen. S bittet A, ihm diese erst im Januar 2022 auszuzahlen. A kommt der Bitte nach und bescheinigt dem S im Januar 2022 500 € als „Nachzahlung für den Dezember 2021“. Was ist pfändbar?
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7. Nachzahlung von Leistungen, § 904
Der Freibetrag für den Schuldner beträgt seit dem 1.12.2021 gerundet monatlich 1.260 €, § 899 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 850c Abs. 1, 4. Schon durch das normale Arbeitseinkommen wird der mtl. Freibetrag überschritten; durch die Nachzahlung i. H. v. 500 € beträgt die Überschreitung im Januar 2022 zusammen 540 € (= 1.300 € + 500 € abzgl. 1.260 €). Diese 540 € wären normalerweise – unter Berücksichtigung des Moratoriums – pfändbar gewesen. Dadurch, dass es aber als Nachzahlung erst im Januar 2022 gezahlt wird, ist gem. § 904 Abs. 2 i. V. m. § 850 Abs. 2 diese Nachzahlung von 500 € eine unpfändbare Leistung. Das Kreditinstitut des S muss diese daher zusätzlich zum Freibetrag von 1.260 € als „erhöhten“ Freibetrag für Januar gewähren, Der Freibetrag beträgt somit insgesamt 1.760 € im Januar. Pfändbar sind dann nur noch die üblichen 40 € (= 1.800 € abzgl. 1.760 €). Insofern ist vielleicht auch besser nachvollziehbar, warum der bescheinigbare Betrag im Rahmen des § 904 Abs. 2 i. H. v. 500 € vielleicht relativ bescheiden ausgefallen ist oder sollte.
Es wird Aufgabe des Gläubigers sein, sich gegen Gestaltungsmissbräuche zu 1904 wehren. Abzuwarten bleibt, wie die Vollstreckungsgerichte diese Konstellation beurteilen würden. c) Die Berechnung der Verteilung eines Nachzahlungsbetrages, der 500 € überschreitet, § 904 Abs. 3 Festgelegt hat der Gesetzgeber auch, wie die Verteilungsberechnung für eine 1905 Nachzahlung, die den Betrag von 500 € überschreitet, zu erfolgen hat. Diese Beträge müssen auf die Monate verteilt werden, für die sie gewährt 1906 werden. Dies hat dann, wenn die Nachzahlungsbeträge einem zurückliegenden Monat genau zuzuordnen sind, so zu erfolgen, dass berechnet werden muss ob sich in dem konkreten zurückliegenden Monat, auf den sich der Nachzahlungsbetrag bezieht, dadurch dann ein pfändbarer Betrag ergeben hätte oder nicht. Beispiel: Schuldner S bezieht monatliches Arbeitseinkommen i. H. v. 1.800 € und hat einen monatlichen Freibetrag i. H. v. 2.000 €. Nach drei Monaten erhält er im Mai 2022 neben dem Betrag i. H. v. 1.800 € für Mai 2022 auch eine Nachzahlung für den Zeitraum Februar bis April 2022 i. H. v. 900 €. Der Nachzahlungsbetrag setzt sich zusammen aus einer Nachzahlung für Februar i. H. v. 500 €, und zwei Nachzahlungsbeträgen für die Monate März und April i. H. v. jeweils 200 €. S stellt beim Vollstreckungsgericht einen Antrag, ihm die Nachzahlung i. H. v. 900 € vollständig freizustellen. Zu Recht? Nein. Zwar kann und muss S einen Antrag beim Vollstreckungsgericht stellen, damit dieses tätig zu werden hat, aber es darf in diesem Fall nicht den vollständigen Betrag freigeben.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Für den Monat Februar z. B. beträgt die Nachzahlung konkret 500 €. Der Freibetrag beträgt 2.000 €, so dass im Monat Februar – wenn die Geldleistung i. H. v. 500 € im Februar pünktlich eingegangen wäre – 2.300 € zur Verfügung gestanden hätten. S hätte also im Februar 300 € über dem Freibetrag i. H. v. 2.000 € erhalten. Dieser Summe hätte dann zu einen pfändbaren Betrag geführt. In den Monaten März und April dagegen, wäre der Pfändungsfreibetrag i. H. v. 2.000 € nicht überschritten worden (1.800 Arbeitseinkommen plus 200 € Nachzahlung = 2.000 €). Das Vollstreckungsgericht darf daher für den Mai von der Nachzahlung nur 600 € (900 € abzgl. 300 €) freistellen und den Freibetrag für Mai nur auf 2.600 € (2.000 € plus 600 €) festsetzen. Der restliche Betrag der Nachzahlung i. H. v. 300 € unterliegt der Pfändung oder der Auf-/Verrechnung des drittschuldnerische Kreditinstitut nach dem AGB-Pfandrecht. 1907 Falls die Nachzahlungen nicht konkret in der Höhe für die jeweiligen zurückliegenden Monate ersichtlich sind oder durch den auszahlenden Träger pauschal gewährt werden, hat der Gesetzgeber auch dafür eine Verteilungsberechnung vorgegeben. In diesem Fall ist die Nachzahlungssumme zu gleichen Teilen auf die Zahl der betroffenen Monate aufzuteilen, § 904 Abs. 3 Satz 2. Variante: Schuldner S bezieht monatliches Arbeitseinkommen i. H. v. 1.800 € und hat einen monatlichen Freibetrag i. H. v. 2.000 €. Nach drei Monaten erhält er im Mai 2022 neben dem Betrag i. H. v. 1.800 € für Mai 2022 auch eine Nachzahlung für den Zeitraum Februar bis April 2022 i. H. v. 900 € als Geldleistung. Der Nachzahlungsbetrag wird pauschal gezahlt, also nicht für Februar, März und April separat ausgewiesen. S stellt beim Vollstreckungsgericht einen Antrag, ihm die Nachzahlung i. H. v. 900 € vollständig freizustellen. Zu Recht? Nein. Zwar kann und muss S einen Antrag beim Vollstreckungsgericht stellen, damit dieses tätig zu werden hat, aber es darf auch in diesem Fall nicht den vollständigen Betrag freigeben. Für die betroffenen Monat Februar bis April wären dann – gem. § 904 Abs. 3 Satz 2 gleichmäßig verteilt – jeweils 300 € Nachzahlung anzusetzen. Der Freibetrag beträgt 2.000 €, so dass sich in den drei Monaten – wenn die Geldleistung i. H. v. 300 € jeweils pünktlich von Februar bis April eingegangen wäre – jeweils 2.100 € zur Verfügung gestanden hätten. S hätte also im Februar bis April jeweils 100 € über dem Freibetrag i. H. v. 2.000 € erhalten. Dieser Summe hätte dann zu einem jeweils pfändbaren Betrag i. H. v. 100 € geführt. Das Vollstreckungsgericht darf daher für den Mai von der Nachzahlung nur 600 € (900 € abzgl. 3 mal 100 € = 300 €) freistellen und den Freibetrag für Mai nur auf 2.600 € (2.000 € plus 600 €) festsetzen. Der restliche Betrag der Nachzahlung i. H. v. 3 mal 100 € = insgesamt 300 € unterliegt der Pfändung oder der Auf-/ Verrechnung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes nach dem AGB-Pfandrecht. Der Gläubiger wäre in dieser Konstellation also nicht benachteiligt. 538
7. Nachzahlung von Leistungen, § 904
Variante 2: Schuldner S bezieht monatliches Arbeitseinkommen i. H. v. 1.800 € und hat einen monatlichen Freibetrag i. H. v. 2.000 €. Nach drei Monaten erhält er im Mai 2022 neben dem Betrag i. H. v. 1.800 € für Mai 2022 auch eine Nachzahlung für den Zeitraum Februar bis April 2022 i. H. v. 600 € als Geldleistung. Der Nachzahlungsbetrag setzt sich zusammen aus einer Nachzahlung für Februar i. H. v. 500 €, und zwei Nachzahlungsbeträgen für die Monate März und April i. H. v. jeweils 50 €. S stellt beim Vollstreckungsgericht einen Antrag, ihm die Nachzahlung i. H. v. 900 € vollständig freizustellen. Zu Recht? Nein. Zwar kann und muss S einen Antrag beim Vollstreckungsgericht stellen, damit dieses tätig zu werden hat, aber es darf in diesem Fall nicht den vollständigen Betrag freigeben. Für den Monat Februar z. B. beträgt die Nachzahlung konkret 500 €. Der Freibetrag beträgt 2.000 €, so dass im Monat Februar – wenn die Geldleistung i. H. v. 500 € im Februar pünktlich eingegangen wäre – 2.300 € zur Verfügung gestanden hätten. S hätte also im Februar 300 € über dem Freibetrag i. H. v. 2.000 € erhalten. Dieser Summe hätte dann zu einen pfändbaren Betrag geführt. In den Monaten März und April dagegen, wäre der Pfändungsfreibetrag i. H. v. 2.000 € dagegen nicht überschritten worden (1.800 Arbeitseinkommen plus 50 € Nachzahlung = 1.850 €). Das Vollstreckungsgericht darf daher für den Mai von der Nachzahlung nur 300 € (600 € abzgl. 300 €) freistellen und den Freibetrag für Mai nur auf 2.300 € (2.000 € plus 300 €) festsetzen. Der restliche Betrag der Nachzahlung i. H. v. 300 € unterliegt der Pfändung oder der Auf-/Verrechnung des drittschuldnerische Kreditinstitut nach dem AGB-Pfandrecht. Hier würde sich eine pauschale Nachzahlung aber zu Lasten des Gläubigers auswirken, wenn die 600 € nicht konkret mit Einzelbeträgen den zurückliegenden Monaten zugeordnet worden wären. Bei einer pauschalen Zahlung, wären die 600 € Nachzahlung auf die drei Monate Februar bis April zu gleichen Teilen auf die Zahl der betroffenen Monate (drei) aufgeteilt worden, so dass nur jeweils 200 € den jeweiligen Monaten zugeschlagen würden. Das würde aber dazu führen, dass nur 2.000 € (1.800 € plus 200 €) monatlich auf das P-Konto des S eingegangen wären. Damit wäre der Freibetrag i. H. v. 2.000 € in den Monaten Februar bis April nie überschritten worden, so dass das Vollstreckungsgericht in diesem Fall die volle Nachzahlung i. H. v. 600 € im Mai 2022 hätte freistellen und den Freibetrag für Mai auf 2.600 € erhöhen dürfen. Diese – vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommenen – Benachteiligung 1908 des Pfändungsgläubigers wäre dann der gewollten Pauschalierung geschuldet.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
d) Zuständigkeiten für die Verteilungsberechnung 1909 Die Zuständigkeiten hat der Gesetzgeber klar geregelt. Für die Verteilungsberechnung nach Abs. 3, wenn also eine laufende Geldleistungen nach Absatz 2 nachgezahlt wird und der nachgezahlte Betrag 500 € übersteigt, ist nach Abs. 5 ausschließlich das Vollstreckungsgericht zuständig. Der Gesetzgeber war im DiskE wieder der schon fast als Reflex zu bezeichnenden Versuchung erlegen, immer wenn es aufwändige Dienstleistungen im Zusammenhang mit Gesetzesvorhaben geht, sich dieser dadurch zu entledigen, dass man sich einfach der Inanspruchnahme Dritter bedient; geht es dabei um die Kreditwirtschaft, kennt dieser Reflex offensichtlich im BMJV fast keine Grenzen. Gottseidank hat sich der Gesetzgeber wenigstens an dieser Stelle noch überzeugen lassen, dass diese komplexe Berechnung nur Vollstreckungsgerichte vornehmen können.
1910 Auf die Vollstreckungsgerichte kommen hier künftig erhebliche Herausforderungen zu, was unweigerlich erfahrungsgemäß immer dazu führt, dass die Vollstreckungsgerichte zunächst versuchen werden, diese Zuständigkeit zu verneinen. Zur Verteilungsberechnung wird eine nachträgliche Betrachtung der in den jeweiligen Monaten erfolgten Kontobewegungen erforderlich sein, weil sich nur so ermitteln lassen wird, ob die Nachzahlung zu einem pfändbaren Guthaben geführt hätte, so auch die Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41.
1911 Sie müssen die Verteilungsberechnung durchführen, die je nach dem, über welchen Zeitraum die Rückrechnung zu erfolgen hat, aufwändig und langwierig sein kann. Der Gesetzgeber selbst spricht von einer Komplexität der Berechnung, die deshalb das Ausstellen einer Bescheinigung durch das Vollstreckungsgericht erforderlich macht.
In der Praxis zeigen erste Tendenzen, dass Vollstreckungsgerichte versuchen, an die Familienkassen, Sozialleistungsträger oder mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen zu verweisen, um von dort Nachzahlungen bescheinigen zu lassen und zwar im Rahmen deren Bescheinigungsmöglichkeiten für laufende oder einmalige Leistungen gem. §§ 902, 903. Das aber ist nicht zulässig, weil für Nachzahlungen nach § 904 Abs. 2, die höher als 500 € ausfallen, eben nun mal nach § 904 Abs. 5 einschlägig ist und die Vollstreckungsgerichte zuständig sind. 1912 In § 904 Abs. 5 Satz 3 stellt der Gesetzgeber klar, dass diesem Beschluss des Vollstreckungsgerichts dieselbe Wirkung zukommt wie einer Bescheinigung i. S. d. § 903 Abs. 1 Satz 2. Das heißt insbesondere, dass die in Beschlussform ergangene Bescheinigung durch eine spätere Bescheinigung ersetzt werden kann, auch wenn diese nicht in Beschlussform ergeht, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42.
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7. Nachzahlung von Leistungen, § 904 Die allgemeinen Verfahrensgrundsätze für die Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts bleiben dabei grundsätzlich unberührt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Beschlussform und den Amtsermittlungsgrundsatz. Das bedeutet aber auch, dass es auch einer Anhörung des Pfändungsgläubigers bedarf.
Die Erleichterung des § 904 Abs. 3 Satz 2, dass der nachgezahlte Betrag bei 1913 einer pauschalen Nachzahlung gleichmäßig auf die Zahl der Monate aufzuteilen ist, wird da nur wenig helfen. Denn diese pauschale Umlegung befreit das Vollstreckungsgericht nicht davon, aufgrund der von dem Schuldner vorzulegenden Unterlagen für den jeweiligen Monat im Nachzahlungszeitraum den pfändungsfreien Betrag zu ermitteln. Beibringen muss diese Kontobewegungen der antragsstellende Schuldner. Es 1914 werden dazu in der Regel die Kontoauszüge ausreichen. Im Zeitalter der Digitalisierung wird schon das möglicherweise eine Herausforderung und ein zusätzlicher Kostenaufwand für den Schuldner sein, da er solche Kontobewegungen im Zweifel bei den nach wie vor nicht durchgängig digitalen Vollstreckungsgerichten sicherlich körperlich wird vorlegen müssen.
Es ist zu hoffen, dass in der Praxis dieser Beibringungsgrundsatz nicht wieder 1915 dazu führen wird, dass Vollstreckungsgerichte durch überzogene Anforderungen solche Verteilungsberechnungen unterlaufen. Dagegen müssen in den anderen Fällen, also in denen des Absatzes 1 und des 1916 Absatz 2, wenn eine laufende Geldleistung nicht bereits unter Abs. 1 fällt und den nachgezahlten Betrag i. H. v. 500 € nicht übersteigt, die bescheinigenden Stellen des § 903 dem Schuldner keine Verteilungsberechnung erstellen, sondern ihm darüber nur eine Bescheinigung für das drittschuldnerische Kreditinstitut ausstellen. Zu § 904 Abs. 1 gehören Nachzahlungen von Geldleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, die der Schuldner für Personen entgegennimmt, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 SGB II oder in einer Gemeinschaft nach den §§ SGB XII § 19, SGB XII § 20, SGB XII § 27, SGB XII § 39 Satz 1 oder § SGB XII § 43 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch leben und denen er nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist (§ 902 Satz 1 Nr. 1b), Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die der Schuldner für Personen entgegennimmt, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt und denen er nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist (§ 902 Satz 1 Nr. 1c), Geldleistungen, die dem Schuldner selbst nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden, in dem Umfang, in dem diese den pfändungsfreien Betrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 übersteigen (§ 902 Satz 1 Nr. 4), Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz und andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder, es sei denn, dass wegen einer Unterhaltsforderung des Kindes, für das die Leistungen gewährt oder bei dem sie berücksichtigt werden, gepfändet wird (§ 902 Satz 1 Nr. 5) und Geldleistungen, die dem Schuldner nach landesrechtlichen oder anderen als in den Nrn. 1
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto bis 5 genannten bundesrechtlichen Rechtsvorschriften gewährt werden, in welchen die Unpfändbarkeit der Geldleistung festgelegt wird (§ 902 Satz 1 Nr. 6). Zu Absatz 2 gehören laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, die nicht in Absatz 1 genannt sind, sowie Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 und Abs. 3, wenn der nachgezahlte Betrag 500 € nicht übersteigt.
1917 Der Schuldner muss gegenüber seinem Kreditinstitut einen Nachweis entsprechend § 903 erbringen. 1918 Aus Absatz 4 ergibt sich die Zuständigkeit der bescheinigenden Stellen. Durch den Verweis in Absatz 4 auf den § 903 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 und deren entsprechender Geltung wird klargestellt, dass diese Pflicht nur die bescheinigenden Stellen trifft, die auf Antrag des Schuldners gesetzlich auch zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 903 verpflichtet sind. Die anderen Stellen sind zur Bescheinigung von nachgezahlten Leistungen aber natürlich berechtigt.
Der Nachweis muss sich auf die Eigenschaft als nachgezahlte Geldleistung auf die jeweilige Norm beziehen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41.
1919 Kann der Schuldner keine entsprechende Bescheinigung beibringen, kann – und muss – das Kreditinstitut nur mit befreiender Wirkung an den Gläubiger leisten oder darf mit eigenen vorrangigen Forderungen verrechnen. Der Schuldner hat aber, da § 904 Abs. 4 auf § 903 Abs. 1 verweist, auch die Möglichkeit, dass Vollstreckungsgericht gem. § 905 Satz 1 um einen Beschluss zu ersuchen, wenn er keine Bescheinigung erhalten kann. Er hat dann die Voraussetzungen des § 905 zu erfüllen, siehe dazu Rn. 1920.
8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905 1920 Kann der Schuldner eine Bescheinigung nach § 903 (oder § 904) nicht erhalten, muss das Vollstreckungsgericht auf Antrag ersatzweise tätig werden und dem Schuldner mittels Beschlusses die Erhöhungsbeträge bestimmen. § 905 Satz 1 entspricht insoweit im Grundsatz dem Regelungsinhalt des bisherigen § 850k Abs. 5 Satz 4 a. F. 1921 Fraglich wird sein, wann (bereits) davon gesprochen werden kann, dass der Schuldner die Bescheinigung gem. § 905 Satz 1 „nicht in zumutbarer Weise von diesen Stellen erlangen“ konnte. Während die (untergerichtlichen) Vollstreckungsgerichte zu der Vorgängernorm § 850k Abs. 5 Satz 4 a. F. – im Zweifel auch zur eigenen Entlastung – dazu neigten, die diesbezüglichen Anforderungen relativ hoch anzusetzen, wird der neue § 905 hoffentlich dazu führen, dass diese Anforderungen geringer werden. Der Gesetzgeber macht die Frage der Zumutbarkeit eher am Zeithorizont des einmonatige Moratorium nach § 900 fest. Zu
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8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905 Recht weist aber Homann darauf hin, dass dem Schuldner kaum zuzumuten sein wird, bis wenige Tage vor Ablauf des Moratoriums zu warten, da dann ggf. die Zeit für das Vollstreckungsgericht zu knapp bemessen sein kann, zumal die Entscheidung auch dem drittschuldnerische Kreditinstitut auch noch zur Kenntnis gebracht werden und dieses die Erhöhungsbeträge noch in die eigene IT einpflegen muss, vgl. Homann, in: Praxishandbuch Schuldnerberatung, Teil 5 Ziff. 4.9.2.5.4.
Ob diese Hoffnung berechtigt ist, darf allerdings bezweifelt werden. Der Wort- 1922 laut des § 850k Abs. 5 Satz 4 a. F. lautete: „Kann der Schuldner den Nachweis nach Satz 2 nicht führen, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Beträge nach Absatz 2 zu bestimmen.“ Der Wortlaut des inhaltvergleichbaren neuen § 905 spricht von: „Macht der Schuldner glaubhaft, dass er eine Bescheinigung … um deren Erteilung er 1. zunächst bei einer in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stelle, von der er eine Leistung bezieht, und nachfolgend 2. bei einer weiteren Stelle, die zur Erteilung der Bescheinigung berechtigt ist, nachgesucht hat, nicht in zumutbarer Weise von diesen Stellen erlangen konnte, hat das Vollstreckungsgericht in dem Beschluss auf Antrag die Erhöhungsbeträge … festzusetzen…“. Hier ist zunächst vom Wortlaut her kein maßgeblicher Unterschied festzustellen. Trotzdem soll durch Normierung bestimmter Voraussetzungen, dazu gleich 1923 nachfolgend, erreicht werden, dass dem Schuldner, wenn er den Nachweis nicht führen kann, im Zweifel schneller geholfen wird als bisher. Daher müssen Vollstreckungsgerichte „im Zweifel“ künftig häufiger und schneller tätig werden und dürfen Beschlüsse nach § 905 nur noch unter engen, dort normierten Ausnahmen, verweigern. Die bisherige Praxis einiger Vollstreckungsgerichte, als Nachweis für ihr Tätigwerden zu verlangen, dass mehrere geeignete Stellen sich geweigert haben, eine Bescheinigung auszustellen, ist künftig unzulässig. Auch ein – gar schriftliches – Negativtestat von den bescheinigenden Stellen, dass sie keine Bescheinigung für den Schuldner ausstellen können oder wollen, zu verlangen, widerspräche der Glaubhaftmachung, die der Schuldner bei seinem Antrag nur erfüllen muss. Denn einen (schriftlichen) Nachweis der Ablehnung zu verlangen, den der Schuldner vielfach gar nicht erlangen kann, weil die geeigneten Stellen auch diesen Aufwand scheuen, ist schon deshalb unzulässig. Auch Kreditinstitute werden ihre Ablehnung der Akzeptanz einer Bescheinigung regelmäßig kaum schriftlich begründen.
Dazu muss es ausreichen, wenn der Schuldner glaubhaft darlegt, dass eine 1924 Bescheinigung nicht fristgerecht zu erhalten ist oder seine Bescheinigung nicht akzeptiert wird. Wie hier noch zu § 850k Abs. 5 Satz 4 a. F.: Musielak/ Voit-Flockenhaus, ZPO, § 850k Rn. 6; Ehlenz/Diefenbach, Rn. 84j; LG Stade, Beschl. v. 9.9.2011 – 9 T 94/11, n. v. unter Verweis auf Zöller-Stöber, ZPO, 28. Aufl., 2010, Anh § 850k Rn. 14; so auch im Ergebnis zu Recht Langenbahn/Zimmermann/Zipf, ZVI 2010, 440 ff., die von einer „Auffang-Zuständigkeit“ der
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Vollstreckungsgerichte sprechen, dies am „Justizgewährleistungsanspruch“ aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG festmachen und eine strenge Subsidiarität der vollstreckungsgerichtlichen Zuständigkeit nach § 850k Abs. 5 Satz 4 ablehnen. Dies widerspreche dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, einen „möglichst unkompliziert und effektiv ausgestalteten Schuldnerschutz zu gewährleisten“. Im Beitrag Langenbahn/Zimmermann/Zipf, ZVI 2010, 440 ff. ist auch ein Musterantrag enthalten. Der Autor hatte zuletzt in Sudergat, 3. Aufl., Rn. 860, gefordert, dass der Gesetzgeber diese Praxis der Vollstreckungsgerichte ändern muss und vorgeschlagen, den § 850k Abs. 5 Satz 4 ZPO a. F. stringenter zu fassen: „4Sofern der Schuldner glaubhaft macht, den Nachweis nach Satz 2 nicht führen zu können, hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Beträge nach Absatz 2 zu bestimmen.“ Leider ist auch das im PKoFoG nicht vollständig umgesetzt worden.
1925 Der Gläubiger muss im Übrigen vor der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nicht angehört werden. § 905 ersetzt lediglich eine Bescheinigung nach § 903. Da auch die dort genannten Stellen nicht verpflichtet sind, Gläubiger anzuhören, gilt das Gleiche für das Vollstreckungsgericht, wenn es ersatzweise den pfändungsfreien Betrag festsetzt. LG Stade, Beschl. v. 9.9.2011 – 9 T 94/11, n. v.
1926 Neu ist, dass mit dem PKoFoG eine Konkretisierung der Voraussetzungen für das Tätigwerden des Vollstreckungsgerichts erfolgte. In der bisherigen Praxis fiel auf, dass sich Schuldner manchmal schwer taten, eine Bescheinigung zu erhalten, die attestierte, dass der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt leistet. Dies war leider auch festzustellen für die nach § 850k Abs. 5 Satz 4 ZPO a. F., nun § 905 ZPO, dann ersatzweise zu erlassenden gerichtlichen Beschlüsse (die zu erlassen sind, wenn der Schuldner, aus nicht von ihm zu verantwortenden Umständen, keine Bescheinigung erlangen kann), weil Gerichte teilweise Anforderungen stellten, die im Gesetz keine Grundlage fanden, vgl. Schlussbericht iff, S. 54.
1927 Dem Vollstreckungsgericht soll, wenn der Schuldner die Voraussetzungen des § 905 erfüllt, aber keine Bescheinigung erlangt hat, kein Ermessensspielraum mehr für das Tätigwerden zukommen. Der Gesetzgeber hat sich hier ausdrücklich auf die Erkenntnisse des Schlussberichtes iff bezogen, weil die Evaluierung ergeben hat, dass die Gerichte häufig nicht tätig werden, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 41.
1928 Ob damit die unsägliche „Odyssee“ der Vollstreckungsschuldner eine oder mehrerer Bescheinigungen zu erlangen, beendet ist, scheint trotzdem zweifelhaft. Der Schlussbericht iff spricht dabei von einem „ZuständigkeitsPing-Pong“, siehe dort S. 81, da die Vollstreckungsgerichte wegen der lediglich subsidiären Zuständigkeit den Schuldner zu einer „Odyssee“ zwangen. Verbraucherinnen und Verbraucher mussten von Stelle zu Stelle gehen, um am Ende nachweisen zu können,
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8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905 dass sie keine Bescheinigung erlangen konnten. Einige Gerichte verlangten ein vorheriges „Abklappern“ mehrerer anderer Stellen, andere verweigerten generell zu bescheinigen. Die teilweise sehr restriktive Haltung der Gerichte hat den Zugang zum Pfändungsschutz sehr und unnötig erschwert.
Alleine die vorher zu erfüllenden Anforderungen, die der Schuldner erbringen 1929 muss, das zeigt die bisherige Erfahrung, werden dazu führen, dass Vollstreckungsgerichte wiederum versuchen werden, um diese Beschlüsse herumzukommen. Hier hat es der Gesetzgeber wieder verpasst, eine unmissverständlichere Rege- 1930 lung für das Tätigwerden der Vollstreckungsgerichte zu schaffen. Im DiskE waren noch verschiedene Optionen dieser Voraussetzungen vorgesehen, die sich im Wesentlichen dadurch unterschieden, ob bzw. bei wie vielen Stellen der Schuldner sich vor Einschaltung des Vollstreckungsgerichts um eine Bescheinigung bemühen musste (eine Stelle oder zwei Stellen). Eine Option, wonach es ausreicht hätte, wenn der Schuldner nur glaubhaft macht, dass er bereits bei einer zur Erteilung des Nachweises berechtigten Stellen, und zwar egal bei welcher, erfolglos versucht hat, einen Nachweis zu erhalten, gab es nur als Option im DiskE (§ 905 Variante 1a), die aber in den nachfolgenden Gesetzesentwürfen nicht weiterverfolgt wurde.
Zu hoffen bleibt, dass durch die Verpflichtung bestimmter Stellen zur Abgabe 1931 von Bescheinigungen gem. § 903 das Problem zumindest deutlich kleiner wird. Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, gleichwohl zeigen allererste Praxiserfahrungen zum PKoFoG, dass die bescheinigenden Stellen teilweise Bescheinigungen ausstellen, die zwar den Anforderungen der §§ 903, 904 entsprechen, aber mindestens Verwirrung stiften und Haftungsgefahren bergen.
Beispiel: Wird einem drittschuldnerischen Kreditinstitut solch eine Bescheinigung vorgelegt (Ausschnitt) gilt es aufzupassen:
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Denn hier wird zwar die Höhe der gewährten Geldleistung bescheinigt (im Übrigen ohne Kindergeld, dass ggf. mittels separater Teil-Bescheinigung noch hinzukäme), nicht aber die korrekte Summe der Freibetragspauschalen. Der zu gewährende Freibetrag beträgt hier also nicht 2.058,00 €, sondern 2.519,39 € (Pauschalen für den Schuldner selbst plus Unterhalt für die erste bis vierte Person), siehe Tabelle unter Rn. 1636. An die „Glaubhaftmachung“ ist aber (nur) der Maßstab des § 294 Abs. 1 anzulegen. Es genügt also eine nur überwiegende Wahrscheinlichkeit als Beweismaß, vergleichbar der Prognose i. R. d. § 907 (siehe dazu Rn. 2111). Die Glaubhaftmachung ist also ein Beweismaß, bei dem der Schuldner dem Gericht nur vermitteln muss, dass dieses die Nicht-Erlangung und das ernsthafte Bemühen darum, für überwiegend wahrscheinlich hält. Dem Schuldner wäre es daher auch möglich, notfalls beispielsweise eine eigene Versicherung an Eides statt oder die schriftliche Erklärung eines Zeugen (§ 377 Abs. 3), die auch durch Angehörige möglich wäre, vorzuweisen. Selbstverständlich wären auch alle üblichen Beweismittel der ZPO (§§ 371 – 455) zulässig. a) Voraussetzungen für die Anrufung des Vollstreckungsgerichts 1932 In § 905 Satz 1 werden zunächst Voraussetzungen festgelegt, die der Schuldner erfüllen muss, bevor der das Vollstreckungsgericht bemühen darf. 1933 Der Schuldner muss glaubhaft machen, dass er eine Bescheinigung nicht in zumutbarer Weise erlangen konnte. Dazu muss er aber zunächst, wenn er eine Leistung von der Familienkasse, eines Sozialleistungsträgers oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung erhält, um die Erteilung einer Bescheinigung bei diesen Stellen ersucht haben. Hat er dort keine Bescheinigung erhalten, muss der dann nachfolgend bei einer weiteren Stelle, die zur Erteilung der Bescheinigung berechtigt ist, erfolglos um eine Bescheinigung nachgesucht haben. 1934 Erst wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Schuldner einen Antrag beim Vollstreckungsgericht stellen. Dann hat das Vollstreckungsgericht – ohne Ermessensspielräume – in dem Beschluss die Erhöhungsbeträge nach § 902 festzusetzen und die Pflichtangaben nach § 903 Abs. 3 Satz 2 zu machen. Der Beschluss soll den gleichen praktischen Nutzen für das drittschuldnerische Kreditinstitut haben, weshalb diese Pflichtangaben im Beschluss aufführen sind, ebenso wie dies bei den nach § 903 Abs. 3 Satz 2 von zur Abgabe von Erklärungen verpflichteten Stellen der Fall ist, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, S. 42.
1935 Klingt zunächst alles klar, birgt aber einige neue und nach wie vor alte Auslegungsprobleme. 1936 Bezieht der Schuldner Leistungen von einer Familienkasse, einem Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung, muss er sich zwingend erst an diese Stelle wenden. 546
8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905
Er darf sich also nicht erst an zwei Schuldnerberatungsstellen wenden und dann, wenn diese beispielsweise wegen Überlastung die Bescheinigung nicht ausstellen können, sich dann an das Gericht wenden. Da schon jetzt abzusehen ist, dass zumindest Familienkassen, der eine oder 1937 andere Sozialleistungsträger und mutmaßlich auch die mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung, nur jeweils ihre gewährten Leistungen bescheinigen werden, stellt sich die Frage, ob die Vollstreckungsgerichte dann nicht argumentieren werden, dass sie nicht mehr zuständig sind. Denn die erste Voraussetzung wäre dann eigentlich nie erfüllt, weil der Schuldner nur dann das Vollstreckungsgericht anrufen dürfte, wenn er bei beiden Stellen erfolglos um eine Bescheinigung nachgesucht hat. Da die Familienkassen, Sozialleistungsträger und die mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung aber – auf Antrag des Schuldners – stets eine Bescheinigung auszustellen haben, kann die Voraussetzung nicht erfüllt werden. Man wird daher die Voraussetzungen des § 905 Satz 1 zu Gunsten des Schuld- 1938 ners dahingehend auszulegen haben, dass er bei zwei Stellen erfolglos um eine oder mehrere Bescheinigungen ersucht hat, die seine Erhöhungsbeträge insgesamt ausweisen müssen. Beispiel: Schuldner S legt seinen Kreditinstitut K im Mai 2022 folgende Bescheinigungen gem. § 903 vor: Eine der Familienkasse über mtl. 913 € Kindergeld, gewährt nach § 902 Satz 1 Nr. 5 für 6 Monate; eine eines Sozialträgers, über 150 € zur Reparatur eines therapeutischen Gerätes, gewährt nach § 902 Satz 1 Nr. 2 für den nächsten Monat und eine eines weiteren Sozialträgers über mtl. 70 €, gewährt nach § 902 Satz 1 Nr. 2 für den Zeitraum Juli-Dezember 2022. Dagegen weigert sich sein Arbeitgeber, ihm eine Bescheinigung auszustellen, dass er vier Personen gesetzlichen Unterhalt gewährt. S beantragt unter Vorlage einer Bestätigung seines Arbeitgebers, dass dieser sich aus Haftungsgründen nicht in der Lage sieht, ohne unverhältnismäßigem Aufwand, die gewünschte Bescheinigung zu erstellen gem. § 905 beim Vollstreckungsgericht, ihm eine Bescheinigung wenigstens für die Tatbestand des gesetzlichen Unterhaltsgewährung auszustellen. Das Vollstreckungsgericht weigert sich mit dem Hinweis, dass K doch zumindest Bescheinigungen der in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stelle erhalten hat, er also erfolgreich und nicht erfolglos um diese Bescheinigungen ersucht hat und fordert ihn zunächst auf, es erst noch zu einer weiteren Stelle zu versuchen. Zu Recht? Nein. Genau das wollte der Gesetzgeber mit den Änderungen vermeiden. Insofern ist § 905 Satz 1 dahingehend auszulegen, dass es ausreicht, wenn S bei zwei Stellen nicht alle Bescheinigungen oder einen Gesamt-Nachweis erhält, der als umfassender Nachweis alle für den Schuldner i. S. v. § 902 Satz 1 maßgeblichen Umstände erfasst, nachweisen zu können. 547
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto So auch die Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 50. Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts tritt auch dann ein, wenn die nach § 903 zur Abgabe einer Erklärung verpflichteten Stellen zwar die von ihnen gewährten Geldleistungen bescheinigen, im Übrigen aber die Abgabe einer Erklärung z. B. über die Unterhaltsverpflichtungen ablehnen. Der Schuldner muss in einem solchen Fall nicht noch weitere Stellen – möglicherweise wiederum erfolglos – aufsuchen, vgl. DiskE, S. 49.
Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, hat das Vollstreckungsgericht keinen Ermessensspielraum für sein ersatzweises Tätigwerden. Es muss tätig werden und dem S per Beschluss die Erhöhungsbeträge für die gesetzliche Unterhaltsgewährung für vier Personen festsetzen. Ebenso wie der Arbeitgeber, der dazu nicht verpflichtet ist, muss das Vollstreckungsgericht bei einer nur die Arbeitgeberbescheinigung ersetzendem Beschluss nicht die Pflichtangaben nach § 903 Abs. 3 Satz 2 angeben, weil diese nur für Leistungen anzugeben sind, die Familienkassen, Sozialleistungsträger oder mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befasste Einrichtungen gewähren.
1939 Auch dass der Schuldner glaubhaft zu machen hat, dass er sich darum bemüht hat, zunächst bei der die Leistung gewährenden Stelle und dann bei einer weiteren Stelle die erforderliche Bescheinigung zu erlangen, birgt Potenzial für die Vollstreckungsgerichte, Anträge nach § 905 Satz 1 abzulehnen. Glaubhaft machen bedeutet im Rahmen des ZPO, dass der Nachweis einer Tatsache bereits dann erbracht ist, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Es muss also etwas mehr für das Vorliegen der Tatsache sprechen als dagegen, Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 294 Rn. 24.
1940 Wenn das Gericht die Glaubhaftmachung nicht akzeptiert, dann hat der Gläubiger (weiterhin) das alte Problem. Für die Glaubhaftmachung macht der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung immerhin die Aussage, dass es in der Regel nicht erforderlich sei, dass der Schuldner die zur Abgabe einer Erklärung verpflichtete Stelle persönlich aufsucht. Erforderlich sei stets nur, dass der Versuch zur Erlangung der Bescheinigung ernsthaft unternommen wurde, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42. Trotzdem lässt das noch zu viel Spielraum für die Vollstreckungsgerichte, den man hätte einengen müssen.
1941 Hinzu kommt, dass der Schuldner nicht nur glaubhaft machen muss, dass er die Bescheinigung von den beiden genannten Stellen nicht erhalten hat, sondern er muss auch glaubhaft machen, dass er sie nicht in zumutbarer Weise erlangen konnte. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42.
1942 Auch das wird eine weitere Hürde sein, wobei der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung bereits die unter Umständen knappe Zeit für solch einen Antrag
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8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905
antizipiert hat, weil ihm wohl bereits schwante, wohin das Ganze laufen kann: Denn hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit hat der Gesetzgeber den Vollstreckungsgerichten quasi ins Stammbuch geschrieben, dass gerade auch der (kurze) Zeitraum zwischen dem Nachsuchen des Schuldners um die Bescheinigung und dem Zeitpunkt, in dem er bei einem geordneten Verwaltungsablauf mit der Ausstellung rechnen kann, maßgeblich sei. Will heißen: Da für den Schuldner im Vollstreckungsverfahren auch Fristen bedeutsam sind, der Gesetzgeber nennt hier beispielhaft die Monatsfrist des Moratoriums nach § 900 Abs. 1 Satz 1, muss der Schuldner den Nachweis für Erhöhungsbeträge auch innerhalb kurzer Zeiträume vorlegen. Diese zeitlichen Kriterien, so der Gesetzgeber, dürften auch für die Vollstreckungsgerichte bei der Ausfüllung des Begriffs der Zumutbarkeit in den Blick zu nehmen sein. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42. Beträfe solch eine Gesetzesbegründung die Kreditwirtschaft, wären die Vollstreckungsgericht schnell dabei, sie schuldnerschützend auszulegen. Man darf gespannt sein, ob Vollstreckungsgerichte, wenn sie zum Thema Arbeitsbelastung auslösen oder nicht, quasi in eigener Sache entscheiden, den gleichen strengen Maßstab anlegen.
Den Vollstreckungsgerichten sollte dadurch aber klar sein, dass mit den neuen 1943 Regelungen des § 905 das subsidiäre Tätigwerden eine konkretisierende Änderung zum Tätigwerden erfahren hat. Der Schuldner soll künftig zügig, ohne überzogene Anforderungen an die Glaubhaftmachung und ohne zu formalistische Interpretation der Anforderungen an das erfolglose Nachsuchen um eine Bescheinigung seine Erhöhungsbeträge bescheinigt erhalten. Diesen gesetzgeberischen Willen zu einem besseren Schuldnerschutz, zum Beenden der „Odyssee“ für den Schuldner, müssen Vollstreckungsgerichte künftig im Rahmen des § 905 berücksichtigen. Das Vollstreckungsgericht hat die Beträge festzusetzen, das heißt im Beschluss 1944 muss der Erhöhungsbetrag genannt sein. Das drittschuldnerische Kreditinstitut erhält daher entweder von der bescheinigenden Stelle oder vom Vollstreckungsgericht konkrete Beträge. In der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 40 heißt es insoweit zumindest zu § 904 eindeutig: „Insbesondere soll für die Kreditinstitute ohne weiteres erkennbar sein, welche Nachzahlungsbeträge pfändungsgeschützt sind.“
Dieser bescheinigte oder vom Gericht festgesetzte Betrag ist dann ab dem 1945 Gutschriftsmonat pfändungsgeschützt. Auch deswegen muss das Vollstreckungsgericht auf entsprechenden Antrag des Schuldners hin, zügig tätig werden. Dem Schuldner oder Schuldnervertreter kann nur empfohlen werden, unverzüglich auch einen solchen Antrag zu stellen und alles, was zur Glaubhaftmachung notwendig ist, gleich beizubringen.
Das Guthaben ist dann durch die Bescheinigung eines entsprechenden Erhö- 1946 hungsbetrages von der Pfändung nicht erfasst. Wird hieraus Guthaben im 549
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Gutschriftsmonat nicht verbraucht, kann es – wie sonstiges nicht verbrauchtes Guthaben auch – 3 Monate lang übertragen werden und muss erst vor Ablauf des dritten dem Gutschriftsmonat nachfolgenden Kalendermonats verbraucht worden sein. Das gilt, obwohl dies nicht – wie etwa in § 902 Satz 2 – nochmals ausdrücklich in § 904 geregelt ist. Da aber diese Erhöhungsbeträge von der Pfändung des Guthabens auf dem Pfändungsschutzkonto nicht erfasst werden kann nichts anderes für diesen Erhöhungsbetrag gelten.
1947 In § 905 Satz 3 hat der Gesetzgeber – ebenso § 904 Abs. 5 Satz 3 – noch klargestellt, dass der Beschluss des Vollstreckungsgerichts nach Satz 1 als Bescheinigung gem. § 903 Abs. 1 Satz 2 gilt. Der Beschluss kann daher jederzeit durch eine nachfolgende, neue Bescheinigung ersetzt werden, vgl. Rn. 1912. Obwohl der Beschluss nur den Stellenwert einer Bescheinigung hat und bei der Erstellung der Bescheinigung der Gläubiger nicht gehört wird, ist der Gesetzgeber offensichtlich trotzdem der Ansicht, dass der Gläubiger anzuhören ist; in der Gesetzesbegründung des DiskE, S. 50 ist zu lesen: „Die allgemeinen Verfahrensgrundsätze für die Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts bleiben dabei unberührt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Beschlussform, den Amtsermittlungsgrundsatz, die Anhörung des Gläubigers etc.“ In der Gesetzesbegründung des RegE zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42, fehlt der letzte Passus, aber durch das beibehaltene Wort „insbesondere“ ist denkbar, dass alle weiteren Verfahrensgrundsätze weiterhin auch anzuwenden sind. Dann wäre der Pfändungsgläubiger anzuhören. A. A. zwar noch zu § 850k Abs. 5 Satz 4 ZPO. a. F. das LG Stade, Beschl. v. 9.9.2011 – 9 T 94/11, n. v., bei dem der § 850k Abs. 5 Satz 4 ZPO tatsächlich noch nur eine Bestimmungsbefugnis enthielt, während nunmehr im Rahmen des § 905 Satz 1 die Erhöhungsbeträge nach § 902 vom Gericht festzusetzen und nur die Pflichtangaben nach § 903 Abs. 3 Satz 2 ggf. zu bestimmen sind. In der Gesetzesbegründung des RegE zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 42, heißt es aber nur noch „Die allgemeinen Verfahrensgrundsätze für die Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts bleiben dabei grundsätzlich unberührt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Beschlussform und den Amtsermittlungsgrundsatz.“ Zwar könnte das beibehaltene Wort „insbesondere“ indizieren, dass alle weiteren Verfahrensgrundsätze anzuwenden sind, aber das Weglassen des Wortes „Anhörung“ spricht eher dafür, dass diese unterbleiben kann.
1948 Den Gläubiger trotz des gerichtlichen „Verfahrens“ anzuhören, scheint im Ergebnis auch nicht angemessen. Sowohl das Fehlen des Wortes „Anhörung“ in den Gesetzesmaterialien, insbesondere aber der Gesetzestext, der nun ausdrücklich davon spricht, dass der Beschluss jederzeit durch eine nachfolgende, neue Bescheinigung ersetzt werden kann, also im
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8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905 Ergebnis selbst nur eine Ersatz-Bescheinigung darstellt sowie der Umstand, dass die besondere Fachkunde des Gerichtes nicht im Hinblick auf die Komplexität, sondern „nur“ als berufenes Gericht für die Vollstreckung gefordert ist, spricht deutlich gegen eine Anhörung.
Daher dürfte es weiterhin so sein, dass eine Anhörung des Gläubigers im 1949 Rahmen des § 905 – anders im Rahmen des § 904 und § 906 – im Regelfall unterbleiben kann. Dafür spricht zunächst auch, dass die durch den gerichtlichen Beschluss er- 1950 zeugte „Ersatz-Bescheinigung“ auch gegen künftige Pfändungsgläubiger wirkt. Diese könnten zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht angehört werden. Zudem würde die Anhörung verschiedener Gläubiger im Zweifel nichts am Inhalt der Bescheinigung ändern, denn die Freibeträge würden am Ende nicht aufgrund von Unterschieden differieren, die vom jeweiligen – angehörten – Gläubiger abhängig wären. Die Anhörung würde also – im Rahmen des § 905 – nichts ändern. Daher müssen sie auch nicht angehört werden. Ein Unterhaltsgläubiger müsste und könnte seinen abweichenden Freibetrag ohnehin nur im Rahmen des § 906 geltend machen; dort würde er natürlich auch angehört.
Und schließlich spricht dafür auch, dass für die Ausstellung der Ersatz-Beschei- 1951 nigung durch das Gericht eine gewisse Eilbedürftigkeit gegeben sein dürfte, zumal bis dahin – der Schuldner kann sich erst zuletzt an das Vollstreckungsgericht wenden – schon eine Zeit vergangen sein dürfte. Daher nach wie vor und umso mehr richtig, dass eine Anhörung unterbleiben kann. Die Tatsache, dass beim § 850k Abs. 5 Satz 4 a. F. der Freibetrag bestimmt wurde, während nunmehr im Rahmen des § 905 Satz 1 die Erhöhungsbeträge nach § 902 vom Gericht festzusetzen und nur die Pflichtangaben nach § 903 Abs. 3 Satz 2 zu bestimmen sind, ist nur eine sprachliche Differenzierung und spielt keine Rolle. Die Verwendung des Begriffes „festgesetzt“ entspricht nur -der nunmehr eingeführten einheitlichen Terminologie hinsichtlich der Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts, vgl. Gesetzesbegründung zum DiskE, S. 31.
Der Gläubiger ist daher vor der Entscheidung der Festsetzung des Erhöhungs- 1952 betrages regelmäßig weiterhin nicht anzuhören. Will das Vollstreckungsgericht den Gläubiger anhören, was es bei entsprechender Notwendigkeit natürlich kann, muss es im Sinne des Schuldners ggf. einstweilige Anordnungen treffen, damit der Schuldner zumindest nicht längere Zeit völlig ohne Mittel dasteht.
Anders im Rahmen der §§ 904 Abs. 5 und 906. Dies unterscheidet Beschlüsse nach §§ 904, 905 von Beschlüssen nach § 906; 1953 Beschlüsse nach §§ 904, 905 können durch eine nachfolgende, aktuellere Be-
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
scheinigung ersetzt werden, während dies für Beschlüsse nach § 906 nicht gilt: Hier müsste die Abänderung/Aufhebung grundsätzlich ebenfalls durch eine erneute gerichtliche Entscheidung erfolgen. Zum Ausnahmefall, dass neben dem Beschluss nach § 906 noch ergänzende Bescheinigungen möglich sind, siehe Rn. 1980.
Haftungsfalle: 1954 Dass eine nachfolgende Bescheinigung einen immerhin gerichtlichen Beschluss nach § 905 ersetzen kann, dürfte in der Praxis – vor allem bei den Kreditinstituten – im Einzelfall immer wieder mal auf Skepsis stoßen, zumal dann, wenn die Freibeträge zu Gunsten des Schuldners abweichen. 1955 Hier kann man nur an die drittschuldnerischen Kreditinstitute appellieren, sich grundsätzlich auch dann an den Vorgaben für eine Bescheinigung zu orientieren. Erfüllt eine nachfolgende Bescheinigung alle Voraussetzungen und war der vorhergehende Gerichtsbeschluss zweifelsfrei einer nach § 905, dann ist die neue nachfolgende Bescheinigung anzuerkennen. Daran ändert auch nichts, dass der die gerichtliche ErsatzBescheinigung als Beschluss förmlich zugestellt wurde.
1956 Sollten allerdings Zweifel am Erlass des Beschlusses nach der Vorschrift des § 905 bestehen (weil es auch einer nach § 906 sein könnte, der nicht durch eine nachfolgende Bescheinigung ersetzt werden kann), darf dieser Beschluss nach § 905 – und nicht die neue Bescheinigung – zunächst weiter zugrunde gelegt werden. Zumindest dann, wenn die nachfolgende Bescheinigung höhere Freibeträge ausweist, ist das haftungstechnisch für das Kreditinstitut unproblematisch. Liegen der bescheinigte Freibetrag der neuen nachfolgenden Bescheinigung unterhalb des gerichtlich festgesetzten Freibetrages, sind das tatsächliche Anhaltspunkte i. S. d. § 903 Abs. 2 Satz 4 (der eigentlich nur für unbefristete Bescheinigung gilt), die dazu führen sollten, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut die Freibeträge mindestens entsprechend reduziert.
1957 Ggf. muss der Schuldner – oder Gläubiger – im Nachgang einen Klarstellungsbeschluss bei Vollstreckungsgericht erwirken, der sämtliche Zweifel beseitigt und/oder einen anderen Freibetrag festsetzt. Im Übrigen sind Vollstreckungsgerichte daher gut beraten, an der Rechtsgrundlage ihres Beschlusses keine Zweifel aufkommen zu lassen, so dass zumindest ein drittschuldnerisches Kreditinstitut verlässlich feststellen kann, ob es sich um einen Beschluss nach § 905 oder § 906 handelt. Sonst muss es ggf. noch einen Klarstellungsbeschluss fassen, BGH, Beschl. v. 24.1.2006 – VII ZB 93/05, NJW 2006, 777, was zusätzlichen Aufwand für alle Beteiligte bedeuten würde.
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8. Festsetzung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht, § 905
b) Hinweis auf die Festsetzung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben Eine inhaltlich neue Norm, stellt § 905 Satz 2 dar. Darin wird das Vollstre- 1958 ckungsgericht verpflichtet, den Schuldner von Amts wegen auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 907 hinzuweisen, jedenfalls dann, wenn nach dem Vorbringen des Schuldners unter Beachtung der von ihm vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für die Festsetzung der Unpfändbarkeit des Guthabens vorliegen könnten. Beispiel: Schuldner S kann weder von seinem Arbeitgeber noch von der überlasteten örtlichen Schuldnerberatung eine Bescheinigung erhalten, die ihm bestätigt, dass er vier Personen gesetzlichen Unterhalt gewährt. S beantragt unter Vorlage einer Bestätigung seines Arbeitgebers und der Schuldnerberatung, dass diese sich nicht bzw. nicht kurzfristig in der Lage sehen, die gewünschte Bescheinigung zu erstellen gem. § 905 beim Vollstreckungsgericht, ihm eine Bescheinigung auszustellen und legt dazu seine Kontoauszüge der letzten 6 Monate vor; er trägt vor, dass nur diese dort sichtbaren Einkünften erhält, die alle nicht zu einem pfändbaren Guthaben führen, auch in den nächsten Monaten nicht. Nach Prüfung durch die Rechtspflegerin weist diese S zwei Tage später in einer Zwischenverfügung darauf hin, dass eine Bescheinigung nicht notwendig ist, sondern er einen Antrag nach § 907 auf Festsetzung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben stellen kann. S der damit nichts anfangen kann, meldet sich zunächst nicht. Hat das Vollstreckungsgericht richtig gehandelt? Nein. Unabhängig davon, dass die Zwischenverfügung möglicherweise nicht verständlich genug also nicht adressatengerecht war, um dem S klar zu machen, was das bedeutet und was er nun zu tun hat, muss das Vollstreckungsgericht trotzdem in diesem Fall zunächst einen Beschluss fassen und dort als Ersatz für die nicht erlangte Bescheinigung über den Erhöhungsbetrag diesen für S zur Vorlage bei seinem Kreditinstitut festsetzen. Dies gilt schon deshalb, weil vor einer Festsetzung der Unpfändbarkeit gem. § 907, siehe dazu die Ausführungen unter Rn. 2142, der Gläubiger angehört werden müsste, was sicherlich alleine schon einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Die von S beantragte Festsetzung des Erhöhungsbetrags muss daher zunächst erfolgen; in einem weiteren Verfahren, wenn S dann einen Antrag stellt, könnte dann entschieden werden, ob die Festsetzung der Unpfändbarkeit des Kontoguthabens nach § 907 erfolgen kann. Wird statt des Vollstreckungsgerichts allerdings das Insolvenzgericht tätig, weil 1959 der Schuldner sich im Insolvenzverfahren befindet, hat das Insolvenzgericht den Schuldner nicht auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 907 Abs. 1 Satz 1 hinzuweisen. § 905 Satz 2 findet im Insolvenzverfahren keine Anwendung, so der Gesetzgeber, „weil die generelle Festsetzung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben auf dem Pfändungsschutzkonto nicht mit der Systematik des Insolvenzverfahrens in Einklang steht.“ Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), Drucks. 19/23171
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto v. 7.10.2020, S. 32. Das zumindest ist eine hilfreiche Klarstellung im Rahmen des PKoFoG, das es bisher nicht klar war, vgl. Ahrens, NJW-Spezial 2017, 85. Offengelassen die Wiederzuständigkeit des Vollstreckungsgerichtes nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, BGH, Beschl. v. 2.12.2021 – IX ZB 10/21, WM 2022, 475.
9. Auslegungsfragen zu den gerichtlichen Beschlüssen nach § 904 und § 905 1960 Auch die §§ 904, 905 bedürfen aber bzgl. einiger Fragen der auslegenden Konkretisierung. a) Kontobezogenheit: 1961 Zunächst wirkt ein Beschluss nach § 905 (und auch nach § 904 Satz Abs. 3 i. V. m. Abs. 5), anders als ein Beschluss nach § 906, kontobezogen. Er entfaltet nicht nur in Bezug auf die konkrete Pfändungsmaßnahme eines bestimmten Gläubigers Wirkung (pfändungsbezogen), sondern wirkt für und gegen alle Gläubiger, da die Beschlüsse insoweit eine Bescheinigung ersetzen bzw. wie diese wirken. b) Das Bemühen beim Ersuchen um Erteilung einer Bescheinigung im Rahmen des § 905 1962 § 905 Satz 1 normiert in Nr. 1 und 2 eine Kaskade der Stellen, bei denen der Schuldner um eine Bescheinigung nachsuchen muss. Zunächst bei einer in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stelle, von der er eine Leistung bezieht, und dann nachfolgend bei einer weiteren Stelle, die zur Erteilung der Bescheinigung berechtigt ist. 1963 Klar ist, dass wenn gar keine der in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stellen eingebunden ist, weil der Schuldner von dort keine Leistungen, sondern beispielsweise nur Arbeitseinkommen bezieht, der Schuldner die Voraussetzungen der Schuldner nach § 905 Satz1 Nr. 1 gar nicht erfüllen kann und muss. In diesem Fall reicht es aus, wenn der Schuldner z. B. bei zwei Schuldnerberatungsstellen erfolglos um einen Nachweis nachsucht hat. Bei nur einer Schuldnerberatungsstelle nachzusuchen, würde dagegen nicht ausreichen. 1964 Nicht ausreichend dagegen wäre es wohl auch, wenn der Schuldner bei zwei in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Stellen um einen Gesamt-Nachweis, nachsucht, wenn er von diesen Stellen gar keine Leistungen bezieht. Das wäre zwar im Ergebnis ein erfolgloses Bemühen um eine Bescheinigung, aber keines, dass § 905 Satz 1 Nr. 1 entspräche, denn der Schuldner darf nach dem Wortlaut nur dann bei einer solche Stelle um eine Bescheinigung nachsuchen, wenn er von dieser Stelle eine Leistung bezieht. Es muss also immer bei der nachsuchenden Stelle, also z. B. bei von einer Familienkasse, einem Sozialleistungsträgern oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung auch eine Leistung bezogen werden. Nicht ausreichend
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
ist es daher auch, wenn der Schuldner diese Stellen wechselseitig um einen Nachweis für Leistungen ersucht, die diese nicht gewährt haben. Die Familienkasse, die das Kindergeld bescheinigt, um einen Nachweis zu ersucht, dass das Wohngeld betrifft, wäre unzulässig und umgekehrt ebenfalls. Das mag dem Schuldner nicht bewusst sein, obwohl der zuständige Träger auf seinem Leistungsbescheid steht. Schon Helmut Schmidt hat in seiner Regierungserklärung im Dez. 1976 beklagt, vgl. Plenarprotokoll 8/5, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 5. Sitzung, v. 16.12.1976, S. 43, dass er auch selbst zu denen gehöre, die manchmal das Gefühl haben, undurchsichtigen Formularen ausgeliefert zu sein und sprach in dem Zusammenhang von einer Überforderung des Bürgers, der die von Computern ausgedruckten Rechnungen, Abrechnungen und Darlegungen ohne die Hilfe eines Fachmannes nicht verstehen kann. Und das bereits1976!
Aber der Gesetzgeber hat durch die Anforderung an die Glaubhaftmachung 1965 normiert, dass sich der Schuldner um eine Bescheinigung in zumutbarer Weise bemühen muss. Wenn er daher die Auskunft erhält, dass diese Stelle solche Bescheinigungen (gar) nicht erteilt, ist das nicht schon i. S. d. § 905 Satz 1 als ein erstes erfolgloses, sondern als ein gänzlich untaugliches Ersuchen zu werten. Der Schuldner muss sich bemühen, bei den richtigen Stellen nachzusuchen. 1966 Er hat im Rahmen dessen eine proaktive und vernünftige Mitwirkungspflicht. Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts tritt dann ein, wenn die nach 1967 § 903 zur Abgabe einer Erklärung verpflichteten Stellen zwar die von ihnen gewährten Geldleistungen bescheinigen, im Übrigen aber die Abgabe einer Erklärung z. B. über die gesetzliche Unterhaltsgewährung ablehnen und der Schuldner auch von einer weiteren Stelle diese dann nicht erlangt. Der Schuldner muss in einem solchen Fall dann nicht noch eine weitere Stelle – möglicherweise wiederum erfolglos – aufsuchen, vgl. DiskE, S. 49. 10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages durch das Vollstreckungsgericht, § 906 Immer wenn ein Pfändungsfreibetrag – außerhalb des § 904 – individuell er- 1968 rechnet werden muss, weil der Schuldner weniger oder mehr von seinen Einkünften behalten darf oder z. B. in Fällen, in denen er mehr als fünf Personen gesetzlichen Unterhalt gewährt, hat das Vollstreckungsgericht diesen Betrag festzusetzen. Das regelt § 906 auf der sog. dritten Stufe des Kontopfändungsschutzes.
1969
§ 906 übernimmt in Abs. 1 und 2 den Inhalt der bisherigen §§ 850k Abs. 3 und 1970 4 a. F., bezieht aber weitere Forderungen mit ein. Zudem enthält er Vorgaben für das Vollstreckungsgericht, u. a. auch hier die Hinweispflicht auf die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags nach § 907.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
a) Die Regelung des § 906 Abs. 1 1971 Die Grundfrei- oder durch Erhöhungsbeträge angehobene Freibeträge der §§ 899 Abs. 1 und 902 Satz 1 können auch unterschritten werden. Wenn Gläubiger wegen Unterhaltsforderungen, § 850d, oder wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, § 850f Abs. 2, eine Kontopfändung ausbringen, tritt anstelle des Grundfreibetrages – ggf. zuzüglich Erhöhungsbeträge – der vom Vollstreckungsgericht im Pfändungsbeschluss festgesetzte Betrag, § 906 Abs. 1. § 906 Satz 1 übernimmt damit den Inhalt des bisherigen § 850k Abs. 3 a. F. unverändert und ergänzt diesen dahingehend, dass nunmehr auch Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen (§ 850f Abs. 2) explizit mit einbezogen werden, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43. Zur Unterhaltspfändung siehe Benner, NZFam 2019, 845.
1972 Die gesetzliche Privilegierung von Forderungen der §§ 850d und § 850f Abs. 2 ist daher beim P-Konto-Pfändungsschutz nun umfassend gewährleistet. Eine unerlaubte Handlung muss – wie der Wortlaut wiedergibt – vorsätzlich begangen sein; eine bewusste Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Die Forderungen können also Ansprüche gegen Straftäter sein, wie Schmerzensgeldansprüche, aber auch eine vorsätzliche Dienstpflichtverletzungen z. B. eines Beamten kann den Tatbestand einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erfüllen. Vollstreckungs- und Verfahrenskosten sowie Verzugszinsen unterfallen, wenn diese aus einem Prozess/Verfahren um begünstigte Forderungen stammen, ebenfalls dem Privileg, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850f Rn. 14.
1973 Den Nachweis der Forderung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung kann ein Gläubiger auch durch den vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle erbringen. BGH, Beschl. v, 4.9.2019 – VII ZB 91/17, NZI 2019, 897, wenn die Forderung zur Tabelle festgestellt und vom Schuldner nicht bestritten ist.
1974 Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, kann das Vollstreckungsgericht – auf Antrag des Gläubigers – einen Freibetrag festsetzen, der dem Schuldner nur noch so viel belässt, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten benötigt, § 850f Abs. 2. Das Vollstreckungsgericht ist dann nicht mehr an die Vorgaben des § 850c gebunden.
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Haftungsfalle: Hat das Vollstreckungsgericht den Freibetrag (= der zu belassende Selbst- 1975 behalt) im Rahmen eines PfÜB festgesetzt, dort in Seite 9 des amtlich Vordruckes nach § 2 Satz 1 Nr. 1 ZVFV, dann gilt dieser Freibetrag nicht zugleich für ein gepfändetes Pfändungsschutzkonto bei Pfändung auch des Anspruches D (für Kreditinstitute). AG Kaufbeuren, Urt. v. 23.9.15 – 2 C 1277/14, juris, denn § 850f Abs. 2, der sich diesbezüglich durch das PKoFoG NICHT geändert hat, bezieht sich nach seinem Wortlaut ausdrücklich nur auf „Arbeitseinkommen“ und gerade nicht auf P-Konten.
Dieser Freibetrag für das P-Konto muss separat – ebenfalls auf gesonderten 1976 Antrag des Gläubigers – nach § 906 Abs. 1 Satz 1 festgesetzt werden. Das kann auf Seite 9 unter sonstige Anordnungen passieren (am besten zusammen mit dem Antrag auf Erlass des PfÜb; nicht erst dann, wenn es sicher weiß, dass ein P-Konto vom Schuldner unterhalten wird):
Das Vollstreckungsgericht muss die Erstreckung desselben – oder auch ab- 1977 weichenden – pfandfreien Betrages auch auf ein P-Konto dann anordnen. Dies kann geschehen auf S. 9 im grünen Feld unter „Sonstige Anordnungen“, im Kasten darunter oder auf S. 10 zweiter Kasten (jeweils Freitext).
Ebenso darunter fallen Forderungen die im Wege der Verwaltungsvollstreckung 1978 nach Bundes- oder Landesrecht beigetrieben werden wie Zwangsgeld, ein Bußoder Ordnungsgeld oder eine Nutzungsentschädigung wegen Obdachlosenunterbringung, vgl. § 55 NVwVG. Sie sind § 850f nachgebildet und haben strafenden Charakter, welcher nicht durch bestehende Pfändungsschutzvorschriften gegenstandslos werden soll. Vgl. Heuser, NVwVG, § 55 Rn. 2.
Für die Festsetzung eines niedrigeren Betrages in der Verwaltungsvollstreckung ist die Vollstreckungsbehörde zuständig, § 910, vgl. Rn. 2258. Trifft eine Pfändung wegen einer Unterhaltsforderung oder einer Forderung 1979 aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung mit einer „normalen“ Kontopfändung zusammen, entstehen besondere Haftungsrisiken für das Kreditinstitut.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Beispiel: Der normaler PfÜB über eine Forderung i. H. v. 1.000 € wird am 10.3.2022 zugestellt. Der PfÜB über 5.000 € rückständigen Unterhalt wird am 22.3., also zeitlich später zugestellt. Das Gericht setzt den Freibetrag hierfür auf 1.000 € fest. Unterstellt es befände sich ein jenseits des Grundfreibetrages auskehrbares Guthaben i. H. v. 1.500 € auf dem Konto, ergäbe sich nachfolgende AuskehrungsReihenfolge. Abführung Verfügungen +
1.000,00 € 260,00 € 1.260,00 €
+ 240,00 € 1.500,00 €
für Schuldner (nicht auskehrbar kann der Schuldner verfügen) für PfÜB 2 (obwohl zeitlich später gepfändet und unter dem Grundfreibetrag liegend) Grundfreibetrag i. H. v. 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet = 1.260,00 € für PfÜB 1
Obwohl also der PfÜB wegen rückständigen Unterhalts zeitlich später zugestellt wurde, erhält er vor dem ersten Pfändungsgläubiger den Differenzbetrag der beiden Freibeträge. Das Guthaben i. H. v. 260 € ist nämlich nur für den UnterhaltsPfänder von der Pfändung erfasst, nicht aber für den ersten Pfänder. Hier sind nach wie vor 1.260 € von der Pfändung nicht erfasst. Privilegierte Gläubiger werden in der Regel bereits beim Antrag auf Erlass eines PfÜBs unter Verweis auf die § 906 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 850d und/oder 850f Abs. 2 die Festsetzung eines abgesenkten Pfändungsfreibetrages beantragen. Für Unterhaltsansprüche vgl. Formular Unterhaltspfändung, Anhang 6.
1980 Ein solchermaßen vom Gericht bereits im Pfändungsbeschluss festgesetzter Freibetrag ersetzt die Freibeträge nach §§ 899 Abs. 1 und 902 Satz 1. Daneben können – mittels Bescheinigungen nachgewiesen – kumulativ einmalige Geldleistungen und Geldleistungen zum Ausgleich eines Mehraufwandes sowie Kindergeld oder andere Leistungen für Kinder hinzutreten. Zu beachten ist, dass dies aber dann ausgeschlossen ist, wenn das Kind, für das diese Leistungen entgegen genommen werden, selbst wegen seiner Unterhaltsforderungen pfändet, § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 3.
Haftungsfalle Vordruck Unterhaltspfändung 1981 Das Formular (Anhang 6) enthält nach wie vor nicht die zwingend notwendige Anordnung, dass die Pfändung wegen der künftigen Unterhaltsbeträge erst mit dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Werktag wirksam wird. 1982 Das Vollstreckungsgericht hat dies zwar von Amts wegen zu ergänzen, vergisst es das aber, ist der PfÜB wegen der künftigen – nicht aber wegen er ggf. mit558
10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
gepfändeten rückständigen – Unterhaltsansprüche unwirksam und darf vom drittschuldnerische Kreditinstitut nicht beachtet werden. Wegen der sachlichen Nähe zu dem Regelungsinhalt in Satz 1 wird in Satz 2 1983 des § 906 Abs. 1 auch die Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages durch das Vollstreckungsgericht im Falle des § 850d Abs. 1 und 2 geregelt. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43. Dies war bislang in § 850k Abs. 4 a. F geregelt und betrifft den Fall, dass im Rahmen der Pfändung von Guthaben wegen einer Unterhaltsforderung das Vollstreckungsgericht bereits einen pfändungsfreien Betrag festgesetzt hat, anschließend aber der Gläubiger – oder auch der Schuldner – beim Vollstreckungsgericht beantragen, einen davon abweichenden, neuen pfändungsfreien Betrag festzusetzen.
b) Die Regelung des § 906 Abs. 2 Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag (des Schuldners oder Gläubigers, 1984 theoretisch sogar des Drittschuldners) auch in weiteren, in § 906 Abs. 2 nur ganz allgemein geregelten Fällen einen von §§ 899 Abs. 1 und 902 Satz 1 abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Dies war auch bisher schon in § 850k Abs. 4 a. F. der Fall.
Der Rechtsausschuss hat die Positivliste der Aufzählung der betroffenen Para- 1985 grafen im Regierungsentwurf kassiert und durch die jetzige, ganz allgemein formulierte Regelung ersetzt. Mit der Änderung in § 906 Abs. 2 wollte der Rechtausschuss sicherstellen, dass das Vollstreckungsgericht auf Antrag nicht nur dann einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen kann, wenn eine der im Regierungsentwurf genannten Vorschriften betroffen ist. Mit der allgemeinen Formulierung „wenn sich aus einer bundesoder landesrechtlichen Vorschrift eine solche Abweichung ergibt“ haben die Vollstreckungsgerichte die Freiheit in allen Fällen, einen von § 899 Abs. 1 und § 902 Satz 1 abweichenden pfändungsfreien Betrag festzusetzen, wenn sich eine Abweichung aus einer bundes- oder landesrechtlichen Vorschrift ergibt.
Inhaltlich entspricht § 906 Abs. 2 damit § 850k Abs. 4 a. F. (mit Ausnahme der 1986 Festsetzung im Falle des § 850d Abs. 1 und 2 die nunmehr in Abs. 1 des § 906 geregelt sind), stellt aber eine umfassende Berücksichtigung aller Normen sicher, die eine Abweichung zulassen. Corona-Soforthilfen oder ähnliche staatliche Unterstützungsleistungen, die nicht im Leistungsgesetz selbst (sondern an anderer Stelle oder nur wegen der Zweckbindung) als unpfändbar gelten, können bei Gutschrift auf ein P-Konto dann im Rahmen des § 906 Abs. 2 freigestellt werden.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
1987 Die sog. dritte Stufe des Kontopfändungsschutzes ist damit pauschal geregelt. Positiv, aber nicht abschließend formuliert zählen dazu die §§ 850a – 850c, §§ 850e – 850g, § 850i, §§ 851a – 851d sowie des § 54 Abs. 2, 3 Nr. 1, 2 und 3 sowie Abs. 4 und 5 des SGB I oder des § 76 des EkStG, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, S. 43. Somit sind auch Zahlungen z. B. einer privaten Krankenversicherung gem. § 850b freistellbar, LG Berlin, Beschl. v. 13.4.2016 – 51 T 236/16, VuR 2018, 118. Dies sind aber immer Einzelfall-Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes.
1988 Eigentlich setzt die die Anwendung des § 906 voraus, dass eine Kontopfändung bereits vorliegt. Präventiv, z. B. für ein „deaktives“ P-Konto (vgl. dazu Rn. 1141), kann ein Freibetrag danach nicht festgesetzt werden. Richtig insofern AG Plön, Beschl. v. 16.6.11 – 19 M 63/11, VE 2011, 170 = IWW, Abruf-Nr. 113108; a. A. Sauer, ZVI 2012, 365 zur Vorgängernorm unter Verweis auf LG Offenburg, Beschl. v. 11.5.2012 – 4 T 107/12, juris.
1989 Ausnahme: Im Fall des § 901 Abs. 1, bei dem der Kunde – ohne dass das Konto mit einer Pfändung belegt ist – den Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz auslösen kann, ist das Guthaben vor Aufrechnungs- und Verrechnung aber nur im Rahmen seiner Freibeträge geschützt. Den Grundfreibetrag muss sich der Kunde nicht bescheinigen lassen, da dieser auf einem P-Konto stets und unbedingt zur Verfügung steht; darüber hinausgehenden Erhöhungsbeträge aber, muss er mittels Bescheinigung nachweisen. Wenn er diese nicht erlangen kann und die Voraussetzungen für ein Festsetzen durch das Vollstreckungsgericht vorliegen, muss das Vollstreckungsgericht auch dann ausnahmsweise im Rahmen des § 905 tätig werden. Das ist aber nicht geregelt und damit strittig. Es wird abzuwarten bleiben, ob die Vollstreckungsgerichte hier tatsächlich tätig werden, da eigentlich keine Vollstreckungs-Situation vorliegt, sondern der P-Kontoinhaber lediglich sein Existenzminimum vor der Verrechnung/Aufrechnung des Kreditinstituts schützen will. Da der Schutz dieses sozialstaatlichen Minimums aber auch Ziel des Gesetzgebers im Rahmen des § 901 ist, muss nach Ansicht des Autors auch der eine Bescheinigung erstellt werden oder aber, wenn diese nicht erlangbar ist, auf Antrag ersatzweise das Vollstreckungsgericht tätig werden, jedenfalls im Rahmen des § 905.
Haftungsfalle: 1990 Sind Erhöhungstatbestände erkennbar in den Beschluss nach § 906 einbezogen, darf das Kreditinstitut daneben bereits vorliegende oder nachträglich eingereichte Bescheinigungen (oder Sozialleistungsbescheide) wegen gesetzlichem Unterhalt oder Leistungen für eine Bedarfsgemeinschaft als Nachweis nicht mehr (weiter) akzeptieren. Anders als Gerichtsbeschlüsse nach § 905 oder § 904 gilt der Beschluss des Vollstreckungsgerichts nach § 906 nicht als Bescheinigung i. S. d. § 903 Abs. 1 Satz 2. 560
10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Dagegen können Erhöhungstatbestände nach § 902 Satz 1 Nr. 2, 3 5 und 6 1991 wegen einmaliger Sozialleistungen, Geldleistungen zum Ausgleich eines Körperoder Gesundheitsschadens oder Kindergeld weiter bescheinigt und müssen dann vom Kreditinstitut auch kumulativ zu den gerichtlichen Freistellungsbeträgen gewährt werden. Beispiel: S wurde im Wege eines gerichtlichen Beschlusses für sich und seine gesetzlich Unterhaltsberechtigten zusammen 1.800 € freigestellt. Er legt danach eine Bescheinigung der Familienkasse vor, wonach für zwei Kinder Kindergeld auf sein P-Konto überwiesen wird. Das kontoführende Kreditinstitut muss nun (Stand: 2/2022 bezüglich. des Kindergeldes) einen Freibetrag i. H. v. 2.238 € (= 1.800 € + 219 € + 219 €) gewähren. Beschränkt sich der Gerichtsbeschluss – allerdings nur wenn für das Kredit- 1992 institut erkennbar – auf einen bestimmten Erhöhungstatbestand, muss das kontoführende Kreditinstitut ordnungsgemäße Bescheinigungen, die andere Erhöhungstatbestände attestieren, akzeptieren und den gerichtlich festgesetzten Freibetrag um diese Pauschalen zusätzlich erhöhen. Beispiel: S erhält aufgrund höheren Einkommens für sich statt des Grundfreibetrages i. H. v. 1.252,64 €, seit 1.12.21 gerundet = 1.260,00 €, im Wege eines gerichtlichen Beschlusses ab Dezember 2021 einen Freibetrag i. H. v. 1.400 €. Er legt danach noch im Dezember eine Bescheinigung der Schuldnerberatung vor, wonach er drei Personen gesetzlichen Unterhalt gewährt und für zwei Kinder Kindergeld auf sein P-Konto überwiesen wird. Das kontoführende Kreditinstitut muss nun einen Freibetrag ab Dez. 2021 i. H. v. 2834,74 € (= 1.400 € + 471,44 € + 262,65 € + 262,65 € + 219 + 219 €) gewähren, solange bis sich die Erhöhungsbeträge ggf. dynamisieren (künftig jährlich ab. 1.7. jeden Jahres), sich Kindergeldbeträge verändern oder das Vollstreckungsgericht – z. B. auf Antrag des Gläubigers – einen neuen abweichenden Freibetrag nur für das Arbeitseinkommen des S oder insgesamt festlegt. Kreditinstitute müssen also bei der Überprüfung gerichtlicher Beschlüsse be- 1993 sondere Sorgfalt walten lassen. Im Zweifel werden nur besonders qualifizierte bzw. erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu in der Lage sein. Vollstreckt eine Behörde mit eigener Vollstreckungshoheit (Finanzamt, Kom- 1994 mune, Krankenkasse, Hauptzollamt etc.), muss diese – und nicht das Vollstreckungsgericht – auf Antrag auch den Beschluss nach § 906 fassen, siehe § 910. Ebenso (für die alte Rechtslage, an der sich diesbzgl. aber nichts geändert hat), Somberg, ZVI 2010, 169, 170.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
c) Die Vorgaben für das Vollstreckungsgericht, § 906 Abs. 3 1995 In § 906 macht der Gesetzgeber einige Vorgaben, die das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Beschlussfassung nach § 906 beachten muss. aa) Grundsatz, einen konkret bezifferten Betrag festzusetzen, § 906 Abs. 3 Nr. 1 1996 Umstritten war bisher, ob das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Entscheidungen nach § 906 gehalten ist, einen konkret bezifferten Betrag festzusetzen. 1997 § 906 Abs. 3 Nr. 1 legt nun fest, dass in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 der Betrag in der Regel zu beziffern ist. 1998 Der BGH hatte schon zur alten Rechtslage ab 2011 eine – in den Auswirkungen für die Dispositionspraxis der Kreditinstitute fatale – allerdings enge Ausnahme zugelassen: Bei einer Doppelpfändung von Arbeitseinkommen und Kontopfändung muss kein konkret bezifferter Freibetrag mehr für das P-Konto festgelegt werden, wenn das auf das P-Konto überwiesene unpfändbare Arbeitseinkommen ständig in unterschiedlichem Maße schwankt, sog. Blankettbeschluss. Das Vollstreckungsgericht darf dann den Freibetrag gem. § 906 [entspricht dem § 850k Abs. 4 a. F.] durch Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber monatlich überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen festsetzen. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZVI 2011, 450 = WM 2011, 2367, dazu WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat); inhaltsgleich BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 74/10, BeckRS 2011, 27892.
1999 Nur wenn diese enge Ausnahmekonstellation vorliegt, darf das Vollstreckungsgericht von einer Bezifferung des Freibetrages abweichen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43, in der auf die BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10 (Tz. 8), ZVI 2011, 450 = WM 2011, 2367, dazu WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat) Bezug genommen wird: „Der Entwurf greift diese Rechtsprechung auf. Eine Ausdehnung der nicht bezifferten Festsetzung über die dargestellte Rechtsprechung hinaus ist allerdings nicht vorgesehen.“
2000 Deutlich wird – aus der Gesetzesbegründung – nun durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH, dass Vollstreckungsgerichte künftig eng an dieser Rechtsprechung orientiert von der Bezifferung nur in diesem Ausnahmefall absehen dürfen, wenn also das Arbeitseinkommen bei dem Arbeitgeber gepfändet ist, zusätzlich eine Kontopfändung auf dem P-Konto besteht, auf das dieses bereits an der Quelle gepfändete Arbeitseinkommen überwiesen wird und dieses Arbeitseinkommen ständig und ständig in unterschiedlichem Maße vom Grundfreibetrag abweicht.
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906 Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43: „Voraussetzung hierfür ist, dass das Arbeitseinkommen bei dem Arbeitgeber gepfändet ist und ständig in unterschiedlichem Maße von den Sockelbeträgen … abweicht.“ Dadurch dass der Gesetzgeber hier die Rechtsprechung des BGH in dieser Weise wiedergibt, wird klar, dass ein sog. Blankettbeschluss sehr engen Grenzen unterliegt.
„Ständig“ bedeutet laut Duden: „sehr häufig, regelmäßig oder [fast] ununter- 2001 brochen wiederkehrend, andauernd“ und in ständig unterschiedlichem Maße bedeutet, dass die Abweichung bzw. Schwankung ständig unterschiedlich ausfallen muss. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein P-Konto, das mit einer Kontopfändung belegt ist. Auch sein Arbeitseinkommen ist gepfändet, so dass er nur unpfändbares Einkommen auf sein P-Konto überwiesen erhält. Das Arbeitseinkommen weicht zwei Mal im Jahr von den sonstigen Monaten ab, nämlich im Juni, wenn das Urlaubsgeld i. H. v. 300 € und im Dezember, wenn das Weihnachtsgeld in derselben Höhe zusätzlich gezahlt wird. Das Vollstreckungsgericht V legt im Rahmen eines Blankettbeschlusses gem. § 906 fest, dass der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens nicht der Pfändung erfasst ist. Muss K diesen Beschluss akzeptieren? Nein. In der Gesetzesbegründung, die ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10 Bezug nimmt, ist dies nur dann zulässig, wenn das Arbeitskommen ständig, also nicht nur zwei Mal im Jahr wechselt und ständig in unterschiedlichem Maße abweicht. Hier weicht es nur zwei Mal im Jahr ab und auch nicht im unterschiedlichen, sondern im selben Maße (300 €). K sollte sich gegen den Beschluss im Weg der Erinnerung nach § 766 wehren und das Vollstreckungsgericht davon zu überzeugen versuchen, dass es einen Beschluss erlassen muss, der den Freibetrag konkret beziffert, etwa wie folgt (Tenorierungsvariante 1): „Auf Antrag des Schuldners wird der monatliche Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners bei K mit der Nummer 123456789 wie folgt festgesetzt: Für alle Monate im Jahr, mit Ausnahme des Junis und des Dezembers, in Höhe von 1.500 €, in den Monaten Juni und Dezember dagegen i. H. v. 1.800,00 €.“ Im Grunde könnte und sollte V aber bei einer derart klaren Konstellation besser tenorieren (Tenorierungsvariante 2): „Auf Antrag des Schuldners wird der monatliche Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners S bei K mit der Nummer 123456789 auf 1.550,00 € (10 * 1.500 € + 2 * 1.800 € = 18.600 € geteilt durch 12 Monate = 1.550 € im Schnitt) festgesetzt:“ Damit erhielte S im Jahresverlauf trotzdem genau das gleiche wie bei Tenorierungsvariante 1; er könnte in den davorliegenden Monaten je 50 € monatlich 563
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
ansparen, so dass ihm rechtzeitig zu den Monaten Juni und Dezember auch die Mehrbeträge zur Verfügung stünden; der Gläubiger hätte keinen Nachteil, weil im Jahresmittel der Freibetrag genau der Tenorierungsvariante 1 entspräche, er also in weniger erhalten würde; das Vollstreckungsgericht müsste nicht mehrere Freibeträge berechnen und tenorieren und hätte (etwas) weniger Aufwand und K einen festen, bezifferten in der IT hinterlegbaren Freibetrag, der ihm jeglichen Überwachungs- und Kontrollaufwand erspart. Allen wäre gedient, eine win-winwin-win-Situation. Wenn das Vollstreckungsgericht unsicher ist, ob die Summen in den Monaten Juni und Dezember der Höhe weiterhin so nach gezahlt werden, dann bestünde natürlich auch die Möglichkeit, in diesen Monaten neue Einzelbeschlüsse zu treffen und nun erst einmal den Freibetrag für die anderen Monate i. H. v. 1.500 € festzusetzen. Zur Möglichkeit der Freistellung von Weihnachtsgeld im Rahmen des § 850a Nr. 4 vgl. AG Zeitz Beschl. v. 29.12.2020 – 5 M 195/06, BeckRS 2020, 38504 = Rpfleger 2021, 372.
2002 Seit 1.1.2022 ist nach dem geänderten § 850a Nr. 4 eine Weihnachtsvergütung sogar bis zu der Hälfte des Betrages, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag ergibt, möglich. Variante: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein P-Konto, das mit einer Kontopfändung belegt ist. Auch sein Arbeitseinkommen ist gepfändet, so dass er nur unpfändbares Einkommen auf sein P-Konto überwiesen erhält. Das Arbeitseinkommen weicht drei Mal im Jahr von den sonstigen Monaten ab, nämlich im Juni, wenn das Urlaubsgeld i. H. v. 300 € und im Dezember, wenn das Weihnachtsgeld in derselben Höhe zusätzlich gezahlt wird und im September, wenn eine erfolgsabhängige jedes Jahr unterschiedliche hohe Tantieme ausgezahlt wird, die auch einmal nicht gezahlt werden kann. Das Vollstreckungsgericht V legt im Rahmen eines Blankettbeschlusses gem. § 906 fest, dass der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens nicht der Pfändung erfasst ist. Muss K diesen Beschluss akzeptieren? Nein. Auch hier reichen die Schwankungen nicht aus, um das Kriterium „ständig in unterschiedlichem Maße“ zu erfüllen. V könnte tenorieren wie der Tenorierungsvariante 1 mit der (zusätzlichen) Ausnahme des Septembers und müsste dann im September, falls S das beantragt, einen separaten Beschluss nur für den September fassen. 2003 Ggf. kann das Vollstreckungsgericht solche Beschlüsse, wenn es sich damit nicht auf Dauer wohlfühlt, zunächst zeitlich befristen, z. B. auf ein Jahr. Vgl. Sudergat in der Urteilsbesprechung zu BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZVI 2011, 450, WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12.
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Das kann sich auch empfehlen, wenn die Forderung, wegen derer die Quellen- 2004 pfändung beim Arbeitgeber veranlasst wurde, nicht allzu hoch ist und sich in absehbarer Zeit erledigen dürfte. Der Schuldner muss die Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse aber proaktiv anzeigen.
Wichtig ist auch, dass die Grundsätze des Urteiles nur für die Überweisung 2005 von Arbeitseinkommen gelten und nur, wenn dieses Arbeitseinkommen bereits beim Arbeitgeber gepfändet worden ist. So auch richtigerweise das AG Norderstedt, Beschl. v. 11.10.2021 – 68 M 2057/18, BeckRS 2021, 34723. Dort war nur das P-Konto gepfändet, auf das ständig schwankendes Arbeitseinkommen einging. Das AG war der Auffassung, dass dann ein „praktikabler Weg gefunden werden muss“, da es allen Verfahrensbeteiligten „nicht zuzumuten ist, sich jeden Monat aufs Neue … mit Freigabeanträgen, Anhörungen, einstweiligen Einstellungen …endgültigen (zu begründenden) Beschlüssen, Rechtskraftmitteilungen und vorliegend wegen der Beteiligung von mindestens zwei Vollstreckungsgerichten zusätzlich auch noch mit der ‚Gefahr‘ unterschiedlicher Beschlussfassungen auseinandersetzen zu müssen.“ Daher hatte es tenoriert, dass für bestimmte Monate der pfandfreie Betrag auf monatlich 1.835,28 €, für den Monat, in dem der Schuldner Urlaubsgeld erhält, auf 1.899,08 € festgesetzt wurde. Das ließe sich ohne Weiteres, wenn keine ständigen Schwankungen vorliegen, auch auf die Konstellation übertragen, bei der eine parallele Lohnpfändung vorliegt, mithin bereits durch den Arbeitgeber alle pfändbaren Anteile abgeführt werden und entsprechend lediglich noch unpfändbare Anteile auf das Pfändungsschutzkonto eingehen.
Für andere Einkünfte des Schuldners kann sich diese besondere Konstellation daher nicht ergeben. Dem wollte und hat der Gesetzgeber mit der neuen Regelung in § 906 Abs. 3 Nr. 1 Rechnung tragen: In der Regel muss daher eine Festsetzung mit Bezifferung des Betrages erfolgen. Sollte es ausnahmsweise doch noch einen seltenen Fall geben, bei dem ein 2006 Blankettbeschluss wirklich unerlässlich ist, hat das Vollstreckungsgericht bei der Tenorierung eine weitere Vorgabe des BGH zu beachten: „Es wird jedoch in Zukunft und in vergleichbaren Fällen darauf zu achten sein, dass der Beschluss die genaue Formulierung auf dem Überweisungsträger übernimmt, weil ansonsten die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte.“ BGH VII ZB 74/10 und VII ZB 64/10 v. 10.11.2011 (in der Entscheidung VII ZB 64/10 in Tz. 14). Bestätigt durch OLG Dresden (13. Zivilsenat), Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809, Rn. 14.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
2007 Nach Einschätzung des BGH soll es aber möglich sein, die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist. 2008 Dass könnte man – eng interpretiert – dahingehend auslegen, dass der BGH davon ausgeht, dass Voraussetzung für einen derartigen Beschluss ist, dass der Arbeitgeber bei der Überweisung vom drittschuldnerischen Kreditinstitut lesbare Textschlüssel verwenden muss. Nur dann kann die eingehende Gutschrift als Lohn- oder Gehaltszahlung von der IT verwechselungsfrei erkannt werden, was der BGH ja unterstellt. Die Verwendung von Textschlüsseln erfordert aber bestimmte technische Voraussetzungen, die regelmäßig nur bei größeren Arbeitgebern vorhanden sein werden. Das würde die Interpretation des BGH-Beschlusses daher wohl überreizen; hier hätte eine gesetzliche Regelung geholfen.
2009 Sollte die Verwendung von Textschlüsseln daher nicht möglich sein, muss aber vom Vollstreckungsgericht zunächst verbindlich geklärt und dann im Beschluss tenoriert werden, mit welchem ganz konkreten, dann monatliche unverwechselbarem wiederkehrendem Verwendungszweck der Arbeitgeber des Schuldners den „Lohn“ oder das „Gehalt“ überweist. Beispiel: Das Vollstreckungsgericht tenoriert wie folgt: „das monatlich überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen der Firma Beispiel GmbH“. Entspricht das ausreichend den Vorgaben des BGH? Nein, in mehrfacher Hinsicht nicht. Zunächst hat sich das Vollstreckungsgericht die Worte „pfändungsfreie“ und das Wort „Arbeits-“ im Wort „Arbeitseinkommen“ sparen. Ob der vom Arbeitgeber überwiesene Betrag diese Qualifikationen erfüllt, nämlich „unpfändbar“ und „Arbeitseinkommen“ (und nicht etwa eine Auslagenerstattung) zu sein, könnte das drittschuldnerische Kreditinstitut ohnehin nicht überprüfen und muss es auch nicht. Wird aber so tenoriert, indiziert das, dass sich das drittschuldnerische Kreditinstitut erst davon überzeugen muss, ob dies gegeben ist, bevor es den Freibetrag auf diesen Betrag festlegen darf. Zweitens reicht die Tenorierung so nicht zur sicheren verwechselungsfreien Identifikation nach den Maßgaben des BGH aus. Dazu muss das vom Arbeitgeber berechnete pfändungsfreie Arbeitseinkommen so konkret wie möglich bezeichnet sein. Dazu muss sich das Vollstreckungsgericht vom Schuldner dessen Kontoauszüge zeigen lassen (mehrere!) und sichten, mit welchem immer wiederkehrenden Verwendungszweck ganz genau das Arbeitseinkommen auf das P-Konto des Schuldners überwiesen wird und diejenigen Teile, die jeden Monat (teil-)identisch sind, im Tenor mit festsetzen, damit es für das drittschuldnerische Kreditinstitut möglich ist, diesen Zahlungseingang unter vielen verwechselungsfrei mittels IT zu identifizieren. Eine akzeptable Tenorierung wäre daher etwa: „der monatlich von der Firma Beispiel GmbH überwiesene Betrag mit dem Verwendungszweck Lohn/Gehalt 123456XXY, Schuldnername S [vor- und Zuname)“. 566
10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Auch diesen strengen Maßstab muss das Vollstreckungsgericht erfüllen, sonst sollte sich das Kreditinstitut dagegen mittels Erinnerung nach § 766 wehren. Die Entscheidungen des BGH müssen auf diese engen Ausnahmetatbestände 2010 beschränkt bleiben. Ansonsten wäre das gleichbedeutend mit der Aufgabe des sog. „Herkunftsprinzips“, vgl. Graf-Schlicker/Linder, ZIP 2009, 989; vgl. dazu auch Rn. 1183,
also der Pauschalierungssystematik des P-Kontoschutzes. Diese Erleichterung war (und ist) aber ein für die Akzeptanz der Kontopfändungsreform durch die Kreditwirtschaft ganz wesentlicher Aspekt und wurde durch das PKoFoG auch nicht aufgeben. Die Abwägung der Interessen zwischen dem – grundsätzlich anzuerkennenden – effektiven Pfändungsschutz einerseits und auf Seiten der Kreditwirtschaft, diese im Rahmen der Pfändungsbearbeitung geringstmöglich zu belasten andererseits, wäre ansonsten unzureichend erfolgt. Der BGH geht ungeachtet dessen von falschen Voraussetzungen aus, wenn 2011 er ausführt: „Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass es nach der Einschätzung des Senats möglich ist, die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist.“
Das ist zwar nur die Einschätzung eines Nicht-IT-Spezialisten, auch wenn er 2012 BGH heißt, aber trotzdem ist es leider so einfach eben nicht. Die Umsetzung solch unbezifferter Beschlüsse ohne Textschlüssel führt bei den Kreditinstituten dazu, dass sie solche P-Konten, wenn der Verwendungszweck nicht eindeutig und klar im Beschlusstenor festgelegt und damit identifizierbar ist, nicht mehr automatisiert, sondern aufwändig manuell disponieren müssen. WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat); siehe auch nachfolgende Haftungsfallen. Einfacher wäre es gewesen, gesetzlich vorzuschreiben, dass Arbeitgeber in diesen Fällen das unpfändbare Arbeitseinkommen mit einen eigens dafür entworfenen Textschlüssel überweisen müssen. Dann wäre die Erkennbarkeit für die IT kein Problem gewesen. Datenschutzrechtlich wäre das für den Schuldner kein Problem, weil das drittschuldnerische Kreditinstitut ohne hin – spätestens durch den Beschluss des Vollstreckungsgerichts – erfahren hätte, dass auch eine Quellenpfändung vorliegt. Eine Stigmatisierung durch einen eigenen Textschüssel „unpfändbares Arbeitseinkommen“ würde daher nicht eintreten.
Daher ist zu begrüßen, dass § 906 Abs. 3 Nr. 1 nun zumindest den Grundsatz 2013 festschreibt, dass das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag konkret zu beziffern hat. Es wird trotzdem weiterhin Versuche der Vollstreckungsgerichte geben, den Anwendungsbereich auszudehnen. Denn die Vollstreckungsgerichte sind hier nicht neutral im weiteren Sinne: Es ist
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto menschlich allzu verständlich, dass es an der gebotenen Objektivität der Gerichtsbarkeit mangelt, wenn die eigene Betroffenheit tangiert ist (immer weniger Geld für die Justiz mit deutlich reduziertem Personal) und Entscheidungen dann die Chance eröffnen, durch die Indienstnahme der Privatwirtschaft für eigentlich öffentliche Aufgaben die eigene Not zu mildern.
2014 Die Kreditinstitute sollten sich das aber nicht gefallen lassen und sich gegen eine zu starke Ausdehnung des Anwendungsbereiches der BGH-Entscheidung wehren. § 906 Abs. 3 Nr. 1 zusammen mit der Gesetzesbegründung bietet dazu nun größere Chancen. Das LG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2012 – 2 T 215/12, IWW-Abrufnummer 12142, VE 2012, 92 kommt zudem zu der richtigen Entscheidung, dass kein Rechtschutzbedürfnis für einen Blankettbeschluss besteht, wenn der Grundfreibetrag (plus in diesem Fall Erhöhungsbetrag für ein Kind) für den konkreten Schuldner auch so ausreicht, um ihm den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zukommen zu lassen. Denn dadurch stünde er nicht besser als bei Berücksichtigung der gesetzlichen Pfändungsfreibeträge.
2015 Zudem wird ein Vollstreckungsgericht künftig zunächst zu prüfen haben, ob in diesem Fall nicht sogar die Festsetzung der unbefristeten Unpfändbarkeit nach § 907 vorrangig ist. Das dürfte dann sogar der Regelfall sein. Das Rechtsschutzbedürfnis dafür entfällt dann nicht deshalb, weil der Schuldner auch so über seine Freibeträge verfügen kann; § 907 hat darüberhinausgehend einen eigenen, weitergehenden Schutz, nämlich das Konto insgesamt vor weiteren Pfändungen zu schützen und damit die drittschuldnerischen Kreditinstitute zu entlasten. Dieser immerhin kontobezogene Schutz schützt den Schuldner auch davor, sich für jeden PfÜB ggf. einen neuen Beschluss des Vollstreckungsgerichts einholen zu müssen. Jedenfalls dann, wenn er Freibeträge über den Grundfreibetrag hinaus beanspruchen kann.
2016 Die Rechtsauffassung des AG Biberach, AG Biberach, Beschl. v. 5.4.2011 – 1 M 2605/10, n. v.,
das dem Drittschuldner auferlegen will, bei einem eventuellen Arbeitgeberwechsel des Schuldners Zahlungseingänge auf ihre Qualität als „Arbeitseinkommen“ hin zu untersuchen, findet im Übrigen durch das Urteil des OLG Dresden keine Bestätigung. OLG Dresden, Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809, vgl. Rn. 1663; das OLG hat lediglich geurteilt, dass bei einem Arbeitgeberwechsel das drittschuldnerische Kreditinstitut kontrollieren muss, ob die eingehenden Beträge auch wirklich von diesem Arbeitgeber, den das Vollstreckungsgericht namentlich bestimmt hatte, stammen, nicht aber ob es sich um (unpfändbares) Arbeitseinkommen handelt. Dazu wäre das drittschuldnerische Kreditinstitut im Zweifel gar nicht in der Lage, vgl. Rn. 2009.
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Es widerspricht zwar dem Prinzip, dass es auf die Herkunft der Mittel nicht 2017 mehr ankommt, aber das OLG Dresden hat unter – allerdings diesbezüglich unter überinterpretatorischer Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH, BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, WM 2011, 2367,
entschieden, dass dieses Prinzip beim zulässigen Blankettbeschluss „nicht vollständig“ umgesetzt werden kann. Das OLG Dresden hat den BGH insoweit überinterpretiert, als es behauptet, dass dieser in seinem Beschluss v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10 festgelegt habe, dass „die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen hat, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist“. Das hat der BGH nicht. Der genaue Wortlaut des BGH zu dieser Stelle lautet nur: „Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass es nach der Einschätzung des Senats möglich ist, die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist.“ Dass der BGH das – irrigerweise, vgl. Rn. 2011 – nur als möglich einschätzt, nicht aber vorschreibt, macht einen Unterschied. Im Falle des OLG Dresden war aber die Frage, ob die ursprüngliche Tenorierung des Vollstreckungsgerichtes so überhaupt zulässig war und den strengen Maßstäben des BGH entsprach, offensichtlich kein Thema. In der Entscheidung des OLG wird der Tenor des Blankettbeschlusses wiedergegeben, so dass an der korrekten Tenorierung Zweifel bestehen, die es dem drittschuldnerische Kreditinstitut eher schwerlich gemacht hätten, die Beträge verwechselungsfrei zu identifizieren. Da aber der Arbeitgeber zumindest genannt war, dürfte das im vorliegenden Fall ggf. aber keine Rolle gespielt haben.
Das AG Biberach hat im selben Beschluss dem Drittschuldner eine eigene, wohl an der – seinerzeitigen – (nichtamtlichen) Tabelle als Anhang zu § 850c orientierten, nicht auf bestimmte Monate bezogene „Staffelung“ vorgegeben, was an den Schuldner ausgezahlt werden kann. Nach heutigen Maßstäben kommt das zwar einer Bezifferung näher, wäre aber IT-technisch nicht mehr abbildbar und abzulehnen. Richtiger dürfte die Ansicht sein, dass im Massengeschäft ein drittschuldne- 2018 risches Kreditinstitut grundsätzlich weiterhin keinerlei Prüfungspflicht trifft, ob tatsächlich der Betrag auf dem P-Konto eingeht. LG Leipzig (4. Zivilkammer), Endurt. v. 3.3.2021 – 4 O 2268/20, NZI 2021, 546. Einschränkend allerdings gilt dies dann nicht, wenn in einem gerichtlichen Blankettbeschluss nicht der dort konkret genannte Arbeitgeber zahlt, sondern ein neuer Arbeitgeber des Schuldners, der diesen Arbeitgeberwechsel dem drittschuldnerischen Kreditinstitut nicht angezeigt hatte, vgl. OLG Dresden, Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809, Rn. 1649.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Bei einem Arbeitgeberwechsel muss das drittschuldnerische Kreditinstitut daher kontrollieren, ob die eingehenden Beträge auch wirklich von diesem Arbeitgeber stammen, OLG Dresden, Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809. Das vorinstanzliche LG Leipzig (4. Zivilkammer) hatte noch entschieden, dass es einem „im Massengeschäft tätigen“ drittschuldnerischen Kreditinstitut generell nicht im Sinne einer groben Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, wenn es nicht „proaktiv laufend die Identität des Zahlenden auf ein P-Konto überprüft“, LG Leipzig (4. Zivilkammer), Endurt. v. 3.3.2021 – 4 O 2268/20, NZI 2021, 546.
2019 Problematisch für die Kreditwirtschaft wird bleiben, und das wird § 906 Abs. 3 Nr. 1 durch die Einschränkung „in der Regel“ auch nicht verhindern, dass aus der Formulierung „und in vergleichbaren Fällen“ (Tz. 14 der Entscheidung des BGH VII ZB 64/10) Vollstreckungsgerichte im Zweifel schließen werden, auf einen konkret bezifferten Betrag nicht nur dann verzichten zu dürfen, wenn eine Doppelpfändung von Arbeitseinkommen und Kontopfändung vorliegt, sondern auch dann, wenn die Kontopfändung mit wechselnden sonstigen Einkünften zusammentrifft. 2020 Dem ist aber deutlich dadurch zu widersprechen, dass sich das „in der Regel“ nach der Gesetzesbegründung des PKoFoG nur auf die enge Ausnahme im entschiedenen Fall mit ständigen in unterschiedlicher Höhe schwankenden Arbeitseinkommen bezieht. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43.
2021 Auch der Bund Deutscher Rechtspfleger hegte in seiner Stellungnahme zum DiskE, bei dem der Satz „Dabei ist der Betrag in der Regel zu beziffern.“ wortgleich im § 906 Abs. 2 Satz2 ZPO-E enthalten war, die Befürchtung (und hat deshalb für eine Klarstellung plädiert, die aber nicht erfolgte), dass die Formulierung des Satzes als Einschränkung des bisherigen Zustandes aufgefasst werden könnte. Vgl. Stellungnahme des Bund Deutscher Rechtspfleger v. 16.12.2018 zum DiskE, S. 4, Nr. 14. Diese Befürchtung ist – wie gesehen – völlig berechtigt!
2022 Kreditinstitute sollten sich bis dahin auf den Standpunkt stellen, dass die Rechtsprechung des BGH, durch Bezugnahme auf das überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen den pfändungsfreien Betrag abstrakt festzusetzen, nur zulässig ist, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: 1. Das pfändungsfreie Arbeitsentgelt tatsächlich mindestens in wenigstens 9 von 12 Malen im Jahr monatlich schwankt und nicht nur beispielsweise zwei- bis dreimal im Jahr, wenn Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld gezahlt werden. Ähnlich Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 5.5.2., S. 48).
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Schwankt das Einkommen nicht stets in diesem Sinne, sollte das Kreditinstitut sich durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen einen solchen Beschluss zur Wehr setzen. In diesem Fall muss das Vollstreckungsgericht gem. Vorgaben des BGH den Pfändungsfreibetrag weiterhin konkret beziffern und ihn ggf. in den Monaten, in denen es Abweichungen gibt, auf Antrag neu bestimmen. 2. Das pfändungsfreie Arbeitsentgelt tatsächlich mindestens in wenigstens 9 von 12 Malen auch in unterschiedlicher Weise monatlich schwankt, also die Schwankungen nicht immer gleichförmig wären, weil dann wiederum eine Regelmäßigkeit auszumachen wäre, die das Vollstreckungsgericht im Tenor abbilden kann. Zum Beispiel: „Freibetrag in den ungeraden Monaten i. H. v. 1.500 €, in den geraden i. H. v. 1.450 € …“ oder „monatlich abwechselnd“ etc. 3. Der Beschlusstenor so eindeutig ist, dass hieraus verwechselungsfrei das unpfändbare Arbeitseinkommen durch die IT automatisiert – und nicht durch manuelle Prüfung – identifiziert werden kann. BGH, a. a. O.: „Eine solche ohne Weiteres mögliche Erkennbarkeit ist allerdings Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Die Kreditinstitute dürfen nicht mit dem Risiko belastet werden, dass sie bei zweifelhaften Überweisungen eine Fehleinschätzung vornehmen.“ Bestätigt, aber dann überinterpretiert wird das durch die Entscheidung des OLG Dresden, Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809, Rn. 16. Das OLG verkennt, dass der BGH zwar eine sehr konkrete Tenorierung vorschreibt, nicht aber zwingend eine datentechnische Erfassung, die eine automatisierte Bearbeitung ermöglicht, vgl. Rn. 2011. Durch das Urteil des OLG Dresden wird aber nochmals klarer, dass im Tenor die unpfändbaren Lohn- und Gehaltanteile, die auf dem P-Konto freigestellt werden sollen, so präzise wie möglich bezeichnet werden müssen, damit auch bei einem Arbeitgeberwechsel sofort automatisiert auffällt, dass diese Beträge (die dann ggf. von einem anderen Zahlungspflichtigen) nicht mehr freigestellt werden dürfen.
Man wird vielleicht nicht so weit gehen können, generell als Voraussetzung für einen derartigen Beschluss zu fordern, dass im Tenor ein vom Arbeitgeber bei der Überweisung verwendeter Textschlüssel anzugeben ist. Im DiskE des PKoFoG war ursprünglich mal eine – für die Praxis allerdings untaugliche – Codierung von Umsätzen für Sozialleistungen im § 903 ZPO-E vorgesehen worden.
Das Vollstreckungsgericht muss aber im Tenor (positiv) formulieren, welche Lohn- und Gehaltszahlungen – besser neutral „Beträge“ – konkret gemeint sind, damit sie für die IT der Kreditinstitute „ohne weiteres erkennbar“ sind. Das kann auch eine im Verwendungszweck verwendete eindeutige Zahlenfolge sein, z. B. die Personalnummer o. ä. Das Vollstreckungsgericht wird sich daher die bisherigen Lohn- und Gehaltsabrech571
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
nungen daraufhin anzusehen haben, ob ein solcher Verwendungszweck stets (teilweise) identisch angegeben ist. Das Kreditinstitut muss sich ansonsten – im eigenen Interesse – mittels Erinnerung dagegen wehren und ggf. um einen Klarstellungsbeschluss bemühen. 4. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag muss gegeben sein. Daran fehlt es, wenn die gesetzlichen Freibeträge ausreichen. LG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2012 – 2 T 215/12, juris, fehlt es am Rechtschutzbedürfnis für eine Entscheidung nach § 850k Abs. 4 a. F., dem im Grunde inhaltsgleichen Vorläufer des § 906, wenn der Schuldner den Nachweis seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten durch eine Bescheinigung ausreichend erbringen kann.
Wichtig: Werden die (bescheinigten) Freibeträge durch Gehalts- oder Sozialleistungseingänge regelmäßig nicht überschritten, dann dürfte nun der Regelfall sein, dass eine befristete Unpfändbarkeit des Guthabens auf dem P-Konto für die Dauer von bis zu zwölf Monaten gem. § 907 festgesetzt werden kann, vgl. Rn. 2078. Auf die Möglichkeit eines Antrags des Schuldners muss das Vollstreckungsgericht ihn hinweisen. Praxistipp: Hier kann nur dringend an die Schuldnerberatungsstellen (zur Empfehlung für ihre Klientel, da die befristete Unpfändbarkeit antragsgebunden ist) und auch die Justiz appelliert werden, sich dieses Instrumentariums weitaus häufiger zu bedienen.
Haftungsfalle 1: 2023 Zunächst wird ein Kreditinstitut keinen fixen Freibetrag mehr in die IT zur Disposition eingeben können. Pfändungsfrei gestellt wird nämlich durch die Beschlüsse nur sämtliches „Entgelt“ eines bestimmten Arbeitgebers. Der gerichtliche Beschluss ersetzt den gesetzlichen Freibetrag. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 36.
2024 Damit weiß das Kreditinstitut nicht mehr, wie hoch der in einem Monat zu gewährende Pfändungsfreibetrag ist. Erst mit dem Eingang des gesamten Arbeitsentgeltes, steht dies – im Zweifel erst am Ende des Monats – fest. Selbst das ist aber nicht gesichert, wenn Arbeitnehmer mehrmals im Monat oder monatsübergreifend Gelder vom Arbeitgeber erhalten: einen (ersten) Abschlag, die endgültige Gehaltsrestzahlung und ggf. noch Auslagenerstattungen, z. B. bei Kraftfahrern, Benzinauslagen oder Erstattungen für Übernachtungskosten etc. (wobei je nach Tenorierung darauf zu achten ist, was genau alles freigestellt ist; das muss nicht jede Zahlung des Arbeitgebers sein; ggf. muss das drittschuldnerische Kreditinstitut Erinnerung einlegen, um das korrigieren bzw. verwechselungsfrei präzisieren zu lassen).
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Beispiel: S erhält vom Arbeitgeber in der Regel mtl. so um die 1.500 €, zumeist in zwei Teilzahlungen zur Mitte und zum Ende des Monats. Dies ist nach Abzug der Lohnpfändung das verbliebene pfändungsfreie Entgelt, das auf sein P-Konto überwiesen wird. Sein Konto führendes Kreditinstitut K hat zur einfacheren (nur dann nur überhaupt automatisierbaren) Disposition den Grundfreibetrag i. H. v. 1.260,00 € hinterlegt, so dass S stets zumindest über diese Summe verfügen kann. Am Ende des Monats, mit Eingang der zweiten Teilzahlung, stockt K den Grundfreibetrag dann soweit auf, dass es dem gesamten pfändungsfreien Arbeitsentgelt für diesen Monat entspricht. Im Mai 2022 erhält S aber nur 1.000 € pfändungsfreies Arbeitsentgelt. Im selben Monat gehen aus einen ebay-Verkauf weitere 300 € auf seinem P-Konto ein. Hier kann S unberechtigterweise auch über einen Teil des ebay-Erlöses i. H. v. 260,00 € (1.260 € – 1.000 €) verfügen, obwohl pfändungsfrei nur das Arbeitsentgelt seines Arbeitgebers i. H. v. 1.000 € ist. K darf also keinesfalls, wenn das nicht so tenoriert ist, „wenigstens den Grundfreibetrag“ eingeben (S könnte auch arbeitslos geworden sein, so dass gar kein Arbeitsentgelt mehr kommt). Es muss zwingend immer manuell den Freibetrag nach Eingang von Arbeitsentgelt anpassen, ggf. monatlich mehrmals nach jedem Zahlungseingang vom Arbeitgeber. Haftungsfalle 2: Der Gesamtfreibetrag steht immer erst mit Ablauf des Kalendermonats für 2025 diesen (abgelaufenen) Kalendermonat fest. Erst mit Ablauf des Kalendermonats kann nämlich das Kreditinstitut sicher davon ausgehen, dass kein pfändungsfreies Arbeitsentgelt mehr vom Arbeitgeber kommt, das den Freibetrag in diesem Monat verändern könnte. Es wird den Schuldner allerdings über jeden Teilbetrag des pfändungsfreien Arbeitsentgeltes, falls das gutgeschriebene Arbeitsentgelt zweifelfrei vom Beschluss des Vollstreckungsgerichts gedeckt ist und von diesem Arbeitgeber kommt, verfügen lassen. Keinesfalls zulässig wäre es daher, dem Schuldner diese Beträge so lange zu verweigern, bis der Gesamt-Freibetrag am Ende des Monats feststünde. Geht das nicht automatisiert, ist das im Zweifel manuell zu gewährleisten. Hier geschäftspolitisch „auf Risiko“ zu setzen, um den manuellen Aufwand einzusparen, kann schnell viel Geld kosten, vgl. OLG Dresden, Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809.
Pauschal zu Verfügung gestellte Freibeträge, ggf. auf Basis von „Erfahrungs- 2026 werten“ der Vormonate, verbieten sich damit eigentlich. Ungeachtet dessen, mag ein Kreditinstitut nach einer eigenen Risikoanalyse sich natürlich trotzdem zu diesem Schritt entschließen, um den Prüfungs- und Arbeitsaufwand in vertretbaren Grenzen zu halten.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
2027 Ebenso darf nicht der Grundfreibetrag eingegeben werden, da der gerichtliche Beschluss die gesetzlichen Freibeträge und damit auch den Grundfreibetrag ersetzt. Ebenso offensichtlich der Dt. Richterbund, ist der mit fast 17.000 Mitgliedern in 25 Landes- und Fachverbänden (bei bundesweit 25.000 Richtern und Staatsanwälten insgesamt) der mit Abstand größte Berufsverband der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland ist, in seiner Stellungnahme zum DiskE des PKoFoG vom Dezember 2018, S. 4, der dort deshalb fordert, im Gesetz eine Klarstellung zu treffen, dass dem Schuldner in jedem Fall, mindestens der Betrag nach § 902 i. V. m. § 899 Abs. 1 Satz 1 zu belassen ist, wenn der Schuldner das mittels Bescheinigung nachweist. Da das nicht geschehen ist, muss das Vollstreckungsgericht ggf. daran denken.
2028 Daneben ist dann kein Raum für „wenigstens den Grundfreibetrag“, es sei denn, das Vollstreckungsgericht fasst den Beschluss so ab. Ohne eine solche klarstellende Beschlussfassung wäre das vergleichbar mit dem Unterhaltsschuldner, dessen verfügbarer Betrag regelmäßig auch unter dem Grundfreibetrag liegen wird. Dieser soll auch bewusst nur den vom Vollstreckungsgericht festgesetzten Betrag erhalten. Wenn der Schuldner mehrmals im Jahr – was er durch entsprechende Abschlags- bzw. Vorschusszahlungen mit seinem Arbeitgeber im Zweifel sogar beeinflussen könnte – in einem Monat einen hohen „Vorschuss“ erhält, dafür aber im Folgemonat nur unterhalb des Grundfreibetrages liegende Bezüge, dann muss dies zusammen betrachtet werden. Ansonsten wäre einem Gestaltungsmissbrauch auch Tür und Tor geöffnet (man denke nur an Ehegattenbeschäftigungsverhältnisse bei dem Arbeitgeber und Arbeitsnehmer kollusiv zusammenwirken können). Dem widerspricht auch nicht der Umstand, dass die Freibeträge kalendermonatsbezogen sind (vgl. Rn. 1241); da der BGH bewusst nicht auf die „Mittelwert“Rechtsprechung rekurriert hat, ist diesbezüglich künftig jedenfalls eine Zusammenbetrachtung monatsübergreifend vonnöten.
Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein P-Konto, das mit einer Kontopfändung belegt ist. Auch sein Arbeitseinkommen ist gepfändet, so dass er nur unpfändbares Einkommen auf sein P-Konto überwiesen erhält. Das Gericht stellt daher das vom Arbeitgeber auf das P-Konto des S überwiesene Gehalt frei und tenoriert noch Folgendes im Beschluss: „Diese Entscheidung wird wirksam mit Rechtskraft. Bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses wird die Zwangsvollstreckung aus dem oben genannten Beschluss einstweilen eingestellt. Der übliche pfandfreie Betrag ist dem Schuldner zu belassen. Nach Rechtskraft sind evtl. einbehaltene Beträge nach Maßgabe dieses Beschlusses auszuzahlen.“
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Das drittschuldnerische Kreditinstitut K legt Erinnerung gegen den Beschluss ein, weil es die Festsetzungen in Satz 3 und 4 für zu unpräzise und nicht umsetzbar hält. Zu Recht? Ja! Es gibt keinen „üblichen“ pfandfreien Betrag. Welcher sollte das sein? Es ist zwar so, dass es einen Grundfreibetrag gibt und in ca. 60 % der Fälle der Grundfreibetrag auch offensichtlich ausreicht, vgl. Rn. 51, aber deshalb ist das nicht der „übliche“ Freibetrag. Für K besteht also die Unsicherheit bis zur Rechtskraft nicht zu wissen, welchen Freibetrag sie S einräumen kann. Das Vollstreckungsgericht muss daher klar festlegen, welchen Freibetrag es bis zur Rechtskraft festsetzen will, etwa auch in der Form, dass es festsetzt „in Höhe des derzeit geltenden Grundfreibetrag von 1.260 €“. Insofern ist dann auch der Satz 4 der Tenorierung natürlich unzureichend. Wenn K nicht weiß, was es dem S belassen kann, kann es auch nicht wissen, welche Beträge sie nicht belassen darf, also welche Beträge K bis zum Eintritt der Rechtskraft einbehalten muss. Das Vollstreckungsgericht muss hier nachbessern und den bis zum Eintritt der Rechtskraft geltenden Freibetrag konkret beziffern. Sollte daher ein gerichtlicher Beschluss (unbeziffert) das unpfändbare Arbeits- 2029 einkommen freistellen und zugleich „mindestens aber den Grundfreibetrag i. H. v. zurzeit (gerundet) 1.260,00 €“ oder allgemeiner tenoriert, „mindestens aber den Grundfreibetrag gem. §§ 899 Abs. 1, 850c Abs. 1 i. V. m. § 850c Abs- 4“, dann wäre auch dies vom drittschuldnerischen Kreditinstitut zu beachten. Die Frage ist, wenn ein Vollstreckungsgericht nach dem 30.11.2021 nun den bezifferten, aber ungerundeten Grundfreibetrag i. H. v. 1.252,64 € festsetzt, ob dann trotzdem 1.260 € als Mindestfreibetrag hinterlegt werden darf? Das wird man in dem Fall wohl für regelmäßig vertretbar erachten, denn es scheint dann offensichtlich, dass sich das Gericht am Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 orientieren wollte und lediglich die Rundungsregelung im § 899 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 übersehen hat. Anders nur, wenn das Vollstreckungsgericht durch eine nachvollziehbare Berechnung dazu käme, die dann zufällig mit diesem Betrag aus der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung exakt übereinstimmen sollte, was aber sehr unwahrscheinlich sein dürfte. Will ein Kreditinstitut – oder der Vollstreckungsschuldner – sicher gehen, kann ein Erinnerung nach § 766 eingelegt werden.
Nicht ausreichend wäre eine solche Tenorierung „mindestens aber den Grund- 2030 freibetrag gem. §§ 899 Abs. 1, 850c Abs. 1 i. V. m. § 850c Abs. 4 sowie § 902“, wenn der Schuldner Erhöhungsbeträge beanspruchen kann. Hier muss das Vollstreckungsgericht zusätzlich angeben, welche Erhöhungsbeträge konkret nach § 902 mindestens freigestellt sind, damit das drittschuldnerische Kreditinstitut dies beachten und automatisiert hinterlegen kann. Unzulässig im Rahmen eines Blankettbeschlusses ist auch, zusätzlich zu tenorieren „Der danach festgestellte Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto muss jedoch mindestens den gesetzlichen Sockelfrei- und Mehrbeträgen nach §§ 899, 902 ZPO entsprechen.“
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Abgesehen davon, dass schon nicht klar wäre, welche Mindestfreibeträge dem Schuldner durch Erhöhungsbeträge nach § 902 zustünden: Diese Tenorierung könnte einerseits eine FehlAnnahme beim drittschuldnerischen Kreditinstitut auslösen, dass – egal woher das Arbeitseinkommen kommt – immer auch Erhöhungsbeträge mindestens freizugeben sind. Dieser Fehleinschätzung darf das drittschuldnerische Kreditinstitut aber nicht unterliegen, denn wenn ein Arbeitgeberwechsel stattfindet, hat das drittschuldnerische Kreditinstitut stets den gerichtlich festgesetzten Freibetrag auszusetzen. Eine solche zusätzliche Tenorierung kann sich nur auf den Freibetrag des konkreten Arbeitgebers beziehen, da nicht unterstellt werden kann, dass der Schuldner auch bei dem neuen Arbeitgeber wieder ständig und ständig in unterschiedlicher Höhe schwankendes Arbeitseinkommen bezieht. Gegen einen solchen Beschluss sollte sich das drittschuldnerische Kreditinstitut mittels Erinnerung wehren. Denn ein solcher Tenor ist bezüglich der Erhöhungsbeträge auf jeden Fall zu unbestimmt. Diese müssen sich – anders als der Grundfreibetrag – an der individuellen Situation des Schuldners orientieren, die das Gericht dann in Bezug auf die Mindest-Erhöhungsbeträge auch konkret festsetzen muss. Ohne diese Konkretisierung weiß das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht, welche MindestErhöhungsbeträge es zu gewähren hat.
2031 Da es jeweils einer individuellen Prüfung bedarf, wird es insbesondere in diesen Fällen dazu kommen, das der Schuldner dann nicht mehr am selben Tag darüber verfügen kann, da das Kreditinstitut dann meist noch (mindestens) einen Geschäftstag benötigen wird, bis es den tenorierten Freibetrag intensiv geprüft hat. Das AG Nienburg, Urt. v. 17.10.2012 – 6 C 458/12, BeckRS 2012, 214818 hat schon für den Normalfall entscheiden, dass ein P-KontoInhaber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere auch nicht aus § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch gegen sein Kreditinstitut hat, dass Gutschriften, die auf den ihm ausgehändigten Kontoauszügen unter einem bestimmten Datum gebucht sind, stets am selben Tag für ihn verfügbar sein müssen. Umso mehr gilt das für einen Gutschriftbetrag, der selbst erst den Freibetrag definiert, also im Zweifelsfall sogar noch größere Risiken birgt. Zwar ist der Anspruch aus der Gutschrift nach § 675t BGB grundsätzlich „unverzüglich“ verfügbar zu machen, da es ein abstraktes Schuldversprechen i. S. v. §§ 780, 781 BGB ist. Dies gilt aber, so das AG Nienburg zu Recht – beim Pfändungsschutzkonto nur bedingt. In diesem Fall darf und muss das Kreditinstitut IT-gestützt außerhalb der üblichen Geschäftszeiten nur einmal am Tag für alle Pfändungsschutzkonten prüfen, ob dieses Guthaben die Pfändungsfreigrenzen des Kunden nicht überschreitet und wem demgemäß dieser Guthabenbetrag zur Verfügung zu stellen ist.
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906 Beim unpfändbar gestellten Arbeitseinkommen oder Teilzahlungen darauf, darf sich ein drittschuldnerisches Kreditinstitut auch noch Zeit dafür nehmen, wenn es – stichprobenweise – prüfen will, ob der von der IT freigegebene Betrag den Vorgaben des Vollstreckungsgerichtes entspricht, also tatsächlich freibetragserhöhend wirkt, was dann einen manuellen Abgleich zwischen Beschluss und Verwendungszweck der Gutschrift umfassen wird. Insoweit steht das abstrakte Schuldversprechen bei Gutschriften für ein P-Konto erkennbar unter dem Vorbehalt dieser Prüfung.
Durch das Moratorium des § 900 und dessen Absatz 2 sowie die nun beste- 2032 hende Möglichkeit, nicht verbrauchtes Guthaben drei Monate lang übertragen zu können, werden dem Schuldner daraus aber keine weiteren Nachteile entstehen, wenn er ggf. nicht sofort noch im Eingangsmonat über das daraus entstandene Guthaben verfügen kann. Fällt der letzte Tag des Monats auf einen Freitag, ist der nächste Geschäftstag 2033 erst der Montag. Kommen Feiertage und/oder Bankfeiertage hinzu (wie Sylvester), kann es aber sogar sein, dass der Schuldner nach solch einer Gutschrift mehrere Tage lang nicht über sein Guthaben verfügen kann. Das ist grundsätzlich von ihm hinzunehmen, auch wenn sich Kreditinstitute dann in der Praxis regelmäßig bemühen werden, die Prüfung sehr zügig und in dem meisten Fällen auch taggleich abzuschließen. Einen Anspruch darauf hat der P-Kontoinhaber allerdings nicht. Das AG Nienburg, Urt. v. 17.10.2012 – 6 C 458/12, BeckRS 2012, 214818.
Ein Problem ist auch, dass der unbezifferte Freibetrag – im Zweifel sogar jeden 2034 Monat – wechselt. Das bedeutet, dass zu Beginn des neuen Monats, dann wenn z. B. der Gehaltseingang erst am jeweils 15 d. Monats erfolgt, zunächst gar kein Freibetrag zur Verfügung steht (es sei denn das Gericht hat den Grundfreibetrag als Untergrenze festgesetzt). Praxistipp: Um eine vollständige Sperrung des Kontos zu Beginn des neuen Kalendermonats zu vermeiden, könnte das drittschuldnerische Kreditinstitut den Grundfreibetrag bis zum Zahlungseingang gewähren. Risikolos ist das aber nicht, denn der neue Freibetrag könnte in diesen Monat möglicherweise sogar niedriger sein als der Grundfreibetrag! Ggf. wäre es daher zunächst sinnvoll, nur einen Teil des Grundfreibetrages, z. B. 800 €, einzuräumen, bis der erste Teil des Arbeitseinkommens eingegangen ist. Sollte dieser höher sein, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut eine Anpassung vornehmen. Einer Sperrung nicht verbrauchten Guthabens aus dem Vormonat bedarf es aber nicht, weil der Schuldner darüber – auch ohne einen neuen Freibetrag für diesen Monat – in jedem Fall verfügen kann und können muss.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Haftungsfalle 3: 2035 Problematisch ist auch, dass diese gerichtlichen Beschlüsse nach § 906 (anders die nach §§ 905, 904 und 907) grundsätzlich nur in Bezug auf die konkrete Pfändungsmaßnahme eines bestimmten Gläubigers Wirkung entfalten, also pfändungsbezogen und nicht kontobezogen sind. 2036 Pfänden daher mehrere Gläubiger, müssen die Anordnungen nach § 906 für jeden einzelnen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt und getroffen werden, vgl. unten Rn. 2035 ff., im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung durch die zuständige Vollstreckungsbehörde, § 910. 2037 Sind Gerichtsbeschlüsse oder Beschlüsse der Vollstreckungsbehörden zu unbestimmt formuliert und bleibt unklar, ob z. B. Kindergeld, das bei öffentlichrechtlichen Arbeitgebern zusammen mit dem Gehalt in einer Summe überwiesen wird, bei einem solchen Freistellungsbeschluss wegen Doppelpfändung zusätzlich gewährt werden kann (vgl. Rn1968 ff.), entsteht ein zusätzliches Haftungsrisiko bzw. ein Mehraufwand für das drittschuldnerische Kreditinstitut, das sich um einen Klarstellungsbeschluss bemühen muss. Ist nun in einem unpfändbaren Arbeitsentgelt das Kindergeld bereits enthalten, was ein Kreditinstitut weder wissen noch prüfen kann, legt der Schuldner dann aber noch eine weitere Bescheinigung wegen Erhöhung des Kindergeldes vor (beispielsweise von der Familienkasse), was das Kreditinstitut ebenfalls nicht hinterfragen muss, kann er monatlich ggf. über zu hohe Beträge verfügen. 2038 Fall über § 903 Abs. 1 Satz 1 (Gutglaubensschutz) geschützt; Haftungsrisiken können sich aber durch unklare Gerichtsbeschlüsse ergeben, aus denen nicht eindeutig ersichtlich wird, ob der weitere Erhöhungstatbestand des § 902 Satz 1 nun bereits enthalten oder noch zulässig sind. 2039 Hier kommen auf das drittschuldnerische Kreditinstitut erhöhte Anforderungen bei der Prüfung der Bestimmtheit der Beschlüsse zu. Ggf. muss das Kreditinstitut im Wege der Erinnerung solche Beschlüsse nachbessern und eindeutig formulieren lassen (Klarstellungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts). 2040 Unzulässig dürfte es beispielsweise sein, einen Blankettbeschluss wie folgt zu fassen: „Auf Antrag des Schuldners wird der monatliche Freibetrag auf 850 € zzgl. 2/3 des Gehaltes, welches von der Firma XY GmbH in Musterstadt auf das Pfändungsschutzkonto des Schuldners beim Musterkreditinstitut mit der Nummer 123456789 überwiesen wird, festgesetzt.“
2041 Aus Sicht des Autors widerspricht dies – aus mehreren Gründen – der BGHRechtsprechung. Der BGH hat in seinen Entscheidungen VII ZB 74/10 und VII ZB 64/10 vom 10.11.2011 ausgeführt: „Es wird jedoch in Zukunft und in vergleichbaren Fällen darauf zu achten sein, dass der Beschluss die genaue Formulierung auf dem Überweisungsträger übernimmt, weil ansonsten die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte.“
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906
Es muss also zunächst verbindlich geklärt und dann im Beschluss tenoriert 2042 werden, mit welchem ganz konkreten Verwendungszweck die Firma XY das „Gehalt“ überweist. Dass es sich um „Gehalt“ handelt, sollte das Vollstreckungsgericht ebenfalls nicht tenorieren, sondern neutral von „Betrag“ sprechen, da das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht prüfen kann, ob es sich wirklich um Gehalt handelt. Wenn, wäre die Tenorierung allenfalls wie folgt richtig: „des im Verwendungszweck als ‚Gehalt für Herrn S, Personalnummer 123678‘ bezeichneten Betrages…“. Der Drittschuldner ist aber bei dieser Art des Blankettbeschlusses auch in 2043 zweifacher Hinsicht über das vom BGH festgelegte Maß belastet. Denn anders als in den BGH-Entscheidungen, die immerhin sagen, alles (!) was vom Arbeitgeber kommt, ist frei, wird hier der Drittschuldner gezwungen den 2/3-DrittelAnteil erst auszurechnen. Das aber wollte der BGH gerade nicht. Der BGH hat dazu ausgeführt: „Dem ist mit dem Beschwerdegericht dadurch Rechnung zu tragen, dass in dem Beschluss nach § 850k Abs. 4 ZPO [a. F.] der monatliche Freibetrag nicht beziffert, sondern durch die Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber des Schuldners überwiesene Arbeitseinkommen festgesetzt wird (vgl. auch Musielak/ Becker, ZPO, 8. Aufl., § 850k Rn. 5). Der Freibetrag ist auf diese Weise ausreichend bestimmbar. Dass der auf dem Pfändungsschutzkonto eingehende Betrag dem unpfändbaren Arbeitseinkommen entspricht [Hervorhebung durch den Autor], wurde durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem das Arbeitseinkommen des Schuldners bei seinem Arbeitgeber gepfändet wurde, festgestellt.“
In der Beispiels-Tenorierung kommt also gerade nicht nur (gänzlich) unpfänd- 2044 bares Gehalt vom Arbeitgeber (das aber war Voraussetzung der BGH-Entscheidungen). A. A. offensichtlich LG Verden, Beschl. v. 20.6.2013 – 6 T 54/13, n. v.
Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein P-Konto, das mit einer Kontopfändung belegt ist. Auch sein Arbeitseinkommen ist gepfändet, so dass er nur unpfändbares Einkommen auf sein P-Konto überwiesen erhält. Das Gericht fasst daher einen Beschluss mit folgendem Tenor: „Auf Antrag des Schuldners wird der PfÜB dahingehend geändert, dass das (bisher) vom Arbeitgeber gezahlte Einkommen, welches von der Firma XYZ GmbH und Co. KG auf das gepfändete Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin (IBAN DE00 000 0000 0000 0000 00) überwiesen wurde, dem Schuldner pfandfrei belassen wird.“ Das drittschuldnerische Kreditinstitut K legt Erinnerung ein, weil die Tenorierung nicht den Vorgaben des BGH entspricht. Zu Recht? Ja. Der BGH hat ausdrücklich festgelegt, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut bei diesen sog. Blankettbeschlüssen nur aus dem Verwendungszweck der Über579
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
weisung, die sich dann möglichst wortgenau im Tenor des Beschlusses des Vollstreckungsgerichtes wiederfinden muss, identifizieren können muss, welcher Betrag freizugeben ist. Es heißt dort in der Entscheidung: „Es wird jedoch in Zukunft und in vergleichbaren Fällen darauf zu achten sein, dass der Beschluss die genaue Formulierung auf dem Überweisungsträger übernimmt, weil ansonsten die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte.“ Vgl. BGH, Beschluss vom 10.11.2011, VII ZB 64/10, WM 2011, 2367.
Das ist hier nicht klar genug formuliert. Nach diesen Maßstäben müsste der Beschluss etwa wie folgt lauten: „Auf Antrag des Schuldners wird der PfÜB dahingehend geändert, dass das (bisher) vom Arbeitgeber gezahlte Betrag, welcher von der Firma XYZ GmbH und Co. KG mit dem Verwendungszweck ‚Lohn/Gehalt, Herrn V. S., Personalnummer 123678‘ [oder eine andere leicht zu identifizierende Bezeichnung] auf das gepfändete Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin (IBAN DE65 4005 0150 0135 8501 05) überwiesen wurde, dem Schuldner pfandfrei belassen wird.“ 2045 Deutlich wird dieses Erfordernis auch dadurch, dass der BGH in derselben Entscheidung davon ausgeht, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut solche Beschlüsse automatisiert bearbeiten kann. Er drückt das wie folgt aus: „Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass es nach der Einschätzung des Senats möglich ist, die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist.“ 2046 Eine automatisierte Bearbeitung macht es dann aber erforderlich, dass die IT anhand des eindeutigen Verwendungszweckes, den das Vollstreckungsgericht sehr leicht aus den vorangegangenen Überweisungsgutschriften, z. B. anhand des vom Schuldner vorzulegenden Kontoauszuges ersehen und im Tenor so festhalten kann. 2047 Sicherheitshalber muss das Vollstreckungsgericht prüfen, ob der Verwendungszweck immer identisch angegeben ist, damit das drittschuldnerische Kreditinstitut den freizugebenden Betrag mittels IT einfach und vor allem verlässlich = verwechselungsfrei identifizieren kann. Das ist mit der zu allgemeinen Tenorierung des Ursprungsbeschlusses im obigen Beispiel nicht gewährleistet, weil theoretisch auch andere Zahlungen vom Arbeitgeber, die eben nicht „Lohn/Gehalt“ darstellen, gezahlt werden könnten (Auslagenerstattungen etc.). 2048 Auch ein „Berechnen“ durch den Drittschuldner hat der BGH nicht beabsichtigt. Der BGH sagt z. B. in seiner Entscheidung dazu: „Das Vollstreckungsgericht hat im Rahmen seines Beschlusses den pfändungsfreien Betrag grundsätzlich zu beziffern. Das gebietet das gesetzgeberische Ziel, den mit dem Pfändungsschutzkonto verbundenen Aufwand für die Banken und Sparkassen in einem vertretbaren Rahmen zu halten (vgl. BT-Drucks. 16/7615, S. 1). Der Schuldner und die Vollstreckungsgerichte werden hierdurch nicht unzumutbar belastet.“
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Nun mag man die BGH-Rechtsprechung kritisieren, aber jedenfalls eine Be- 2049 rechnung wollte der BGH dem Drittschuldner nicht auferlegen. Gegen eine solche Tenorierung sollte sich das drittschuldnerische Kreditinstitut daher wehren. Beispiel: Schuldner S unterhält bei Kreditinstitut K ein P-Konto, das mit einer Kontopfändung belegt ist. Auch sein Arbeitseinkommen ist gepfändet, so dass er nur unpfändbares Einkommen auf sein P-Konto überwiesen erhält. Das Gericht stellt daher das vom Arbeitgeber auf das P-Konto des S überwiesene Gehalt frei. Zudem tenoriert es aber im Beschluss noch Folgendes: „Auf Antrag des Schuldners wird der PfÜB dahingehend geändert, dass künftig von der Firma XYZ GmbH und Co. KG auf das Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin (IBAN DE00 000 0000 0000 0000 00) eingehendes Arbeitseinkommen dem Schuldner unter der Auflage, dass der Drittschuldnerin die jeweilige Einkommensbescheinigung vorgelegt wird, pfandfrei belassen wird. Aus der Einkommensbescheinigung muss sich hierbei ergeben, dass jeweils nur der pfändungsfreie Einkommensteil überwiesen wurde.“ Das drittschuldnerische Kreditinstitut K legt Erinnerung ein, weil die Tenorierung nicht den Vorgaben des BGH entspricht. Zu Recht? Ja, eindeutig. Abgesehen von der wieder zu beanstandenden nicht ausreichenden Präzisierung des unpfändbaren Betrages, der auf das P-Konto eingeht (siehe Beispiele oben) darf das Vollstreckungsgericht dem drittschuldnerische Kreditinstitut solche Pflichten nicht auferlegen. Wie bereits oben ausgeführt, geht der BGH davon aus, dass der Tenor so gefasst ist und sein muss, dass eine automatisierte Bearbeitung nur anhand des im Tenor vorgegebenen Verwendungszweckes der Überweisung erfolgen kann. Damit vertragen sich zusätzliche Prüfungspflichten, wie sie das Vollstreckungsgericht her vorgeben will, nicht. Auch dagegen muss sich jedes drittschuldnerische Kreditinstitut mittels Erinnerung wehren. Allerdings macht der BGH selbst davon eine (weitere) Ausnahme bei Unter- 2050 haltsgläubigern: Wenn dies erforderlich ist, um eine gleichmäßige Befriedigung eines Unterhaltsgläubigers und gleichrangiger weiterer Unterhaltsgläubiger zu erreichen. BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – VII ZB 53/14 NJW 2018, 555.
Wenn der Vollstreckungsgläubiger mit seiner Unterhaltsforderung mit anderen 2051 gleichrangigen Unterhaltsgläubigern konkurriert, darf durch einen Pfändungsbeschluss nach §§ 906 Abs. 1, 850d Abs. 1 Satz 2 – und trotz des § 906 Abs. 3 Nr. 1 der grundsätzlich die Bezifferung vorsieht – nur so viel von dem geschützten Kontoguthaben gepfändet werden, dass das über den zum notwendigen Unterhalt des Schuldners selbst hinausgehende Guthaben dann gleichmäßig dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger und den gleichrangigen weiteren Unterhaltsgläubigern zur Verfügung steht. Walker, WuB 2018, 203.
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2052 In einem solchen Fall hat der BGH daher ausnahmsweise folgende Tenorierung zugelassen: „auf dem Pfändungsschutzkonto ein pfändungsfreier Betrag von monatlich 866,42 €, zzgl. 2/3 des diesen Betrag übersteigenden monatlichen Guthabens” zu belassen sei“.
2053 Der BGH hat dies damit begründet, dass in diesem Fall (ein von drei minderjährigen Kindern des Schuldners macht den Unterhalt geltend), der den Betrag i. H. v. 866,42 € übersteigende Betrag im Pfändungsbeschluss noch nicht beziffert werden kann, da bei dessen Erlass die Höhe der dem Schuldner zur Verfügung stehenden Gutschriften noch nicht feststeht. Diese wichtige Einschränkung kann ein drittschuldnerische Kreditinstitut ggf. überprüfen im Rahmen einer Kontoumsatzanalyse; sollte nämlich der Schuldner monatlich keine oder nur in wenigen Ausnahmefällen schwankenden Beträge erhalten, stünde vor vorne herein fest, welche Beträge zum gleichrangigen Ausgleich der anderen Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stünden und müssten dann auch vom Vollstreckungsgericht festgesetzt werden, vgl. § 906 Abs. 3 Nr. 1.
2054 Liegt allerdings solch ein Fall wie vom BGH entschieden vor, dann darf die Bezifferung des unpfändbaren Betrags ausnahmsweise unterbleiben. Ärgerlich ist wiederum die schlichte Behauptung des BGH mittels „elektronischer Datenverarbeitung ist es möglich, die dem Schuldner über seinen notwendigen Unterhalt hinaus zur Verfügung stehenden Gutschriften und den sich daraus ergebenden pfändungsfreien Betrag jederzeit automatisiert zu berechnen.“ Selbst wenn das nach umfangreicher Neu-Programmierung möglich wäre, wird so etwas mindestens Monate dauern, so dass drittschuldnerische Kreditinstitute dann über diesen Zeitraum erheblichen manuellen Aufwand betreiben müssen, denn anders als das PKoFoG, das erst mit einer auch deswegen vorgesehenen Frist von über einem Jahr nach Verkündung in Kraft getreten ist, führt eine Entscheidung des BGH dazu, dass sie dann ohne Übergangsphase sofort umzusetzen ist. Hier dürfte aber die Neu-Programmierung schon deshalb besonderen Herausforderungen begegnen, weil die im Monat zur Verfügung stehenden Gutschriften über den festgesetzten Teil hinaus erst am Ende des Monats feststehen. Zumeist wird die IT aber solche Fälle nicht automatisiert verarbeiten können, weil das geringe Aufkommen solcher sog. Dauer-Pfändungen die Programmierungsbesonderheiten kostenmäßig kaum rechtfertigen werden.
2055 Dadurch werden die ohnehin schon nicht unbeträchtlichen Belastungen für den Drittschuldner, der ohne eigenes Zutun in ein fremdes Vollstreckungsverfahren hineingezogen wird weiter verschärft. Walker, WuB 2018, 203.
2056 Der VII. Zivilsenat hat dieses Problem dann schlicht als „nicht unzumutbare Herausforderung“ bezeichnet. Die verwendete Software zur Bearbeitung von Kontopfändungen könne mit vertretbarem Aufwand so erweitert werden,
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dass auch unbezifferte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zur Vollstreckung wegen einer Unterhaltsforderung in das Kontoguthaben auf einem P-Konto erfasst werden. Die Frage ist, ob das im Umkehrschluss bedeutet, das drittschuldnerische Kreditinstitute, die keine Software für die Pfändungsbearbeitung einsetzen, dann an diese Rechtsprechung nicht gebunden sind? Lieder wohl nicht!
Dass einem drittschuldnerischen Kreditinstitut, das zudem für seinen Bearbei- 2057 tungsaufwand keine Erstattung erhält, damit „schon einiges zugemutet wird“, so Walker, a. a. O., zu Recht,
ignoriert der BGH leider immer wieder. Vielleicht auch nicht wirklich verwunderlich, wenn man in gewissermaßen „eigener Sache“ darüber entscheidet, ob die Justiz entlastet wird oder nicht. Praxistipp: Deswegen kann drittschuldnerischen Kreditinstitut nur angeraten werden, die vom BGH zugelassenen Ausnahmen, streng daran zu messen, ob die postulierten Voraussetzungen zutreffen, die eine Nicht-Bezifferung und Berechnung des Pfändungsfreibetrages zulassen. Ist das nicht der Fall, sollte man Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen.
Haftungsfalle 4: Ein Problem könnte sich auch dann ergeben, wenn die Quellenpfändung des 2058 Arbeitseinkommens erledigt ist und ab dann das gesamte Arbeitsentgelt auf das P-Konto überwiesen wird. Die Frage ist ungeklärt, ob dann der Beschluss noch fortwirkt, da die bestehende Doppelpfändung quasi „Geschäftsgrundlage“ des Beschlusses ist. Jedenfalls im Verhältnis zum Drittschuldner wird man die Fortwirkung wohl 2059 schon im Hinblick auf § 836 Abs. 2 annehmen können (vgl. Wirkung anfechtbarer Beschlüsse, Rn. 456 ff.). Weiß das Kreditinstitut allerdings davon, dass sich die Quellenpfändung erledigt hat, wird es den Freibetrag auf den Grundfreibetrag zu senken haben, weil dann der Grundsatz, dass der gerichtliche festgelegte Beschluss den gesetzlichen Freibetrag ersetzt, ersichtlich nicht mehr gilt. Um einen Schutz für etwaige Erhöhungsbeträge muss sich dann aber der Schuldner wieder bemühen.
Bei einem Arbeitgeberwechsel hat das OLG Dresden allerdings entschieden, 2060 dass ein drittschuldnerisches Kreditinstitut dies bei einem Blankettbeschluss prüfen muss und daher den gerichtlich beschlossenen Freibetrag nicht einfach weiter gewähren darf. OLG Dresden, Urt. v. 13.10.2021 – 13 U 560/21, BeckRS 2021, 30809.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
2061 Damit bleibt diese Haftungsgefahr bestehen, jedenfalls wenn Beträge von einem bestimmten Arbeitgeber gerichtlich freigestellt werden (anders bei z. B. Kindergeld). Zwar würde eine „Kontrollüberlegung“ aufzeigen, dass der im Fall des OLG Dresden (Gemein-)Schuldner einen neuerlichen Freistellungsbeschluss erhielte, und der Insolvenzverwalter dann weiterhin nichts zur Masse ziehen könnte, aber diesen Schutz muss der Schuldner aktiv beantragen. Insoweit ist Wazlawik, NZI 2021, 527, der das noch anders lautende Urteil des LG Leipzig vehement kritisierte, zuzugestehen, dass Kontopfändungsschutz ganz generell nur besteht, wenn man den Schutz auch ergreift. Sogar Sozialleistungen unterliegen ja in voller Höhe der Pfändung und müssen an den Gläubiger ausgekehrt werden, wenn der Schuldner sein Konto nicht in ein P-Konto umwandelt und/oder Erhöhungsbeträge durch Bescheinigung nachweist. Das Urteil des LG Leipzig hat in der Berufung beim OLG Dresden, 13 U 560/21, a. a. O., auch nicht standgehalten. Grds. bestätigt aber auch das OLG Dresden, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut gem. § 407 BGB so lange an den bisherigen Gläubiger zahlen darf, bis es positive Kenntnis vom Gläubigerwechsel hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes geht § 407 BGB von der Kenntnis des Drittschuldners aus und nicht von einem „kennen müssen", vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 29.9.2011 – IX ZR 74/09, WM 2011, 2293. Hinzukommt aber im vorliegenden Fall, dass der InsO-Verwalter Kenntnis vom Gläubigerwechsel hatte.
2062 Die Folgen dieser Blankett-Rechtsprechung des BGH bleiben für die Praxis der drittschuldnerischen Kreditinstitute daher misslich. 2063 Durch die Klarstellung in § 906 Abs. 3 Nr. 1 sollten die Anwendungsfälle aber geringer werden und die Gefahr, dass diese Rechtsprechung auf weitere Fälle ausgedehnt wird, kleiner geworden sein. Der (richtige) Grundgedanke der Kontopfändungsschutzreform, nämlich die Pauschalierungssystematik des P-Kontoschutzes, ist dadurch gestärkt worden. Siehe zur Pauschalierungssystematik ausführlich Rn. 1302; zutreffend daher auch LG Limburg, Beschl. v. 17.1.2011 – 7 T 229/10, n. v.: „Die Schutzwürdigkeit von Einkünften wird aus ihrer Zweckbestimmung zur Sicherung des Existenzminimums abgeleitet.“.
2064 Um aber allen wieder die notwendige Entlastung zu verschaffen, sollte man die „Mittelwert-Rechtsprechung“ (siehe Rn. 170 und Rn. 176) wiederbeleben. Einen ersten begrüßenswerten Schritt in diese Richtung scheint das AG Norderstedt, Beschl. v. 11.10.2021 – 68 M 2057/18, BeckRS 2021, 34723 gegangen zu sein. Zunächst stellt es richtigerweise fest, dass ein Blankettbeschluss dann nicht zulässig ist, wenn zwar in der Höhe ständige schwankende Lohnzahlungen auf das (gepfändete) Pfändungsschutzkonto eingehen, aber gar keine (gleichzeitige) Lohnpfändung beim Arbeitgeber ausgebracht wurde. In diesem Fall kommt stattdessen in Betracht, einen auf Dauer angelegten pfändungsfreien, bezifferten Betrag zu bestimmen, der sich an den höheren oder auch höchsten Lohnzahlungen an den Schuldner orientiert.
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906 Eine Orientierung an den „höheren oder auch höchsten“ Lohnzahlungen, scheint dem Autor allerdings unzulässig; auf Basis der letzten Lohnabrechnungen aber einen Durchschnittsbetrag zu ermitteln und festzusetzen, wäre zulässig und der richtige Weg.
Goebel hat im Übrigen die einzelnen Tatbestände, die zur Abänderung des 2065 Pfändungsfreibetrages nach § 906 führen können, sehr instruktiv tabellarisch zusammengestellt, Goebel, Rn. 423, noch zum inhaltsgleichen § 850k Abs. 1 und 2 a. F.
Haftungsfalle: Freibetragserhöhung Die Festsetzung des Betrages im Rahmen des § 906 erfolgt – anders als bei 2066 Beschlüssen nach §§ 904, 905 – pfändungsbezogen, vgl. Rn. 2035. Gleiches gilt im Übrigen auch dann, wenn unterschiedliche PfÜBs zugestellt wurden und bestehen und der P-Kontoinhaber beispielsweise mit seinem Grundfreibetrag zunächst auskommt. Erhält er dann – ggf. Monate später – einen weiteren PfÜB zugestellt und verdient inzwischen mehr, so dass er eine Erhöhung nach § 906 für den letzten PfÜB beantragt, gelten bzgl. der früheren PfÜBs die (ggf. jeweils) ursprünglichen Freibeträge weiter. Hier ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kreditinstitute Fehlverfügungen zulassen oder Fehl-Auskehrungen an den falschen Gläubiger vornehmen, besonders groß. Beispiel: S wandelt am 5.7.2022 sein Konto in ein P-Konto um. Aufgrund einer Kontopfändung (1) – wegen einer Forderung eines Einzelhändlers – wurde vom Gericht gem. § 906 ein Betrag i. H. v. 1.500 € pfändungsfrei gestellt. Anschließend geht eine weitere (wegen eines „normalen“ Anspruchs betriebene) Kontopfändung (2) ein. Da S hier zunächst keine Erhöhung des Grundfreibetrages beim Vollstreckungsgericht beantragt, gilt für diese Kontopfändung der herkömmliche (gerundete) Grundfreibetrag i. H. v. 1.260,00 €. Und schließlich hat S durch eine weitere Kontopfändung (3) wegen Unterhalts nur einen Freibetrag vom Gericht i. H. v. nur 1.000 € erhalten. Als sich ein grundsätzlich auskehrbares Guthaben i. H. v. 1.600 € ergibt, stellt sich die Frage, an wen ist welcher Betrag abzuführen? Dreifach-Freibetrag bei P-Konto Abführung Verfügungen 1.000,00 € + 260,00 € 1.260,00 € + 240,00 € 1.500,00 € + 100,00 € 1.600,00 €
für Schuldner für PfÜB 3 für PfÜB 2 für PfÜB 1
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Lösung: Pfänder 3 – obwohl letztrangig, aber mit der geringsten Freigrenze versehen – erhält den Differenzbetrag zwischen 1.000 € („seiner“ Freibetragsgrenze) und 1.260 €. Pfänder 2 erhält, obwohl ebenfalls nachrangig, aber mit der zweitniedrigsten Freigrenze- dem Grundfreibetrag – versehen – die Differenz zwischen 1.260 € und 1.500 € (der Freibetragsgrenze von Pfänder 2). Erst dann wird der eigentlich erstrangige Pfänder bedient. Eine Hinterlegung des über 1.000 € liegenden Guthabens i. H. v. 600 € (260 € + 240 € + 100 €) dürfte regelmäßig ausscheiden, weil das Kreditinstitut in der Lage sein sollte und muss, eine korrekte Berechnung und Auskehrung vorzunehmen. Gleichwohl kann es, wenn es ausnahmsweise sich nicht sicher ist, wem welche Beträge zustehen, versuchen, den gesamten auszukehrenden Betrag i. H. v. 600 € bei Gericht nach § 853 zu hinterlegen. Dass der Schuldner damit ggf. die eigentliche Rangfolge der zu bedienenden Gläubiger beeinflussen kann, weil er es beispielsweise bei dem nachrangigen Gläubiger 2 unterlässt, auch hier den Freibetrag für diese Pfändung auf das gleiche Niveau des erstrangigen Pfänders (Pfänder/Gläubiger 1) i. H. v. 1.500 € anzupassen, dürfte nur für Pfänder/Gläubiger 3 im Rahmen des § 850f justiziabel sein. Dieser erhielte ansonsten ggf. den gesamten Differenzbetrag zwischen „seinem“ Freibetrag i. H. v. 1.000 € und dem herkömmlichen i. H. v. 1.500 €. Insofern könnte Pfänder/Gläubiger 3 den Antrag nach § 850f stellen und bezüglich der Festsetzung des Freibetrages für Pfänder/Gläubiger 2 ebenfalls die erhöhte Festsetzung dessen Freibetrages beantragen. Hat er nur laufenden Unterhalt gepfändet, der sich auf weniger als 500 € beläuft, hat der nur insoweit einen Anspruch. Währenddessen dürfte Pfänder/Gläubiger 1 keinen Anspruch auf gleiche Festsetzung des Pfändungsfreibetrages haben. Denn dann dürfte der Schuldner lediglich mehr von seinem Guthaben behalten; den Pfänder/Gläubiger 1 würde dadurch nicht mehr bekommen, sondern nur Pfänder/Gläubiger 2 würde „seine“ 240 € nicht bekommen, das aber zu Recht, weil der Bedarf des Vollstreckungsschuldners eben höher ist (1.500 €). Das fiele in die Kategorie, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem unpfändbaren Guthaben machen kann, was er will. Er kann damit auch sogar nicht pfändende Gläubiger (vorrangig) bedienen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut hat nach h. M. keinen Anspruch auf Festsetzung eines einheitlichen Freibetrages, Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 850f Rn. 2. Die Verwaltung von in diesem Fall drei verschiedenen Freibeträgen, die es erheblich mehr in seine Rechten tangiert und mehr Haftungsrisiken birgt, als wenn es nur zwei Freibeträge berücksichtigen müsste, ist im Rahmen des §§ 850f, 850g offensichtlich kein ausreichender Antragsgrund, um die Verletzung von eigenen Rechten geltend zu machen, die – zumindest mittelbar – auch das drittschuldnerische Kreditinstitut selbst schützen sollen, vgl. AG Wuppertal,
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10. Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages, § 906 Beschl. v. 7.5.2007 – 44 M 1295/06, BeckRS 2007, 17365; ebenso LG Essen, Beschl. v. 30.8.1968 – 11 T 239/68, NJW 1969, 668 allerdings für eine Quellenpfändung Lohn; a. A. LAG Frankfurt/M., v. 23.6.1989 – 13 Sa 52/89, DB 1990, 639. Ggf. bleibt hier die Erinnerung nach § 766.
Auch das PKoFoG hat keine gesetzgeberische Änderung gebracht, weshalb 2067 weiterhin von der Einzelwirkung der Beschlüsse des Vollstreckungsgerichtes auszugehen ist. Es dürfte sich für den Schuldner – und falls der nicht tätig wird, notfalls auch 2068 für drittschuldnerische Kreditinstitute aus Haftungsgründen – empfehlen, Erinnerung einzulegen, um einen für alle PfÜBs einen einheitlichen Freibetrag zu erhalten. Bei Konkurrenz mehrerer Freibeträge bei Zusammentreffen von Unterhaltspfändungen oder Pfändungen wegen Forderungen aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen und Pfändung wegen anderer gewöhnlicher Forderungen wird es sich allerdings nicht vermeiden lassen, dass es weiterhin – zur Wahrung der Interessen dieser bevorrechtigten Gläubiger – verschiedene Freibeträge gibt.
Jedenfalls bei Zusammentreffen mehrerer Pfändungen wegen gewöhnlicher 2069 Forderungen wäre die gesetzgeberische Änderung einer kontenbezogenen (statt pfändungsbezogenen) Freistellung nach § 906 hilfreich gewesen. bb) Weitere Vorgaben für das Vollstreckungsgericht Weitere Vorgaben macht § 906 in Abs. 3 Nr. 2.
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Um einen effektiven einstweiligen Rechtsschutz für den Vollstreckungs- 2071 schuldner zu garantieren, regelt Nr. 2, dass das Vollstreckungsgericht nach einem Antrag des Schuldners verpflichtet ist zu prüfen, ob es erforderlich ist, eine Anordnung nach § 732 Abs. 2 zu erlassen. Gleichzeitig wir es damit ermächtigt und beauftragt, solche Anordnungen zu treffen, wenn sie erforderlich sind. Als Maßstab, wann solche Anordnungen zu treffen sind, hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung z. B. angeführt, dass der sich auf einen erhöhten pfändungsfreien Betrag beziehende Pfändungsschutz, soweit er nach einer vorläufigen Prüfung dem Schuldner zusteht, nicht etwa wegen Zeitablaufs tatsächlich ins Leere gehen sollte; dies droht insbesondere dann, wenn der Zeitraum, in dem das Kreditinstitut Guthaben nicht an den Gläubiger auskehren darf, vor einer endgültigen Entscheidung enden würde, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 43.
Das ist im Wesentlichen die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, 2072 da die Erinnerung keine aufschiebende Wirkung hat. Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen ist dagegen nicht zulässig. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 732 Rn. 13.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
2073 Und schließlich ist eine weitere Vorgabe in § 906, dort unter Nr. 3 als Hinweis, dass § 905 Satz 2 entsprechend gilt, die Verpflichtung des Vollstreckungsgerichts, den Schuldner auf die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags nach § 907 hinzuweisen, mittels dessen er eine – dann konto-, nicht nur pfändungsbezogene – befristete Unpfändbarkeit seines P-Kontos erreichen kann, vgl. Rn. 2078 ff. 2074 Diese in § 905 Satz 2 inhaltlich neue Norm verpflichtet das Vollstreckungsgericht, den Schuldner von Amts wegen auf diese hinzuweisen, jedenfalls dann, wenn nach dem Vorbringen des Schuldners unter Beachtung der von ihm vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für die Festsetzung der Unpfändbarkeit des Guthabens vorliegen könnten. Im § 906 gelten daher aufgrund der Verweisung die gleichen Maßstäbe wie in § 905 Satz 2 (siehe dortiges Beispiel). Praxistipp: Immer dann, wenn eine Dauerpfändung wegen Unterhalts von minderjährigen Kindern sowohl als Quellenpfändung beim Arbeitgeber wie auch als Kontopfändung vorliegt, dürfte der Hinweis nach § 907 zwingend und bei entsprechendem Antrag des Schuldners ein anschließender Beschluss des Vollstreckungsgerichtes indiziert sein (jedenfalls spätestens nach sechs Monaten, falls vorher die Bedingung, dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind, noch nicht erfüllt sein sollte). Dabei dürfte es sinnvoll sein, wenn sich das Vollstreckungsgericht von dieser Konstellation überzeugt und in Betracht zieht, dass sich eine Quellenpfändung wegen Unterhalts von minderjährigen Kindern – zumal bei bestehenden Unterhaltsrückständen – meist nicht kurzfristig erledigen wird, so dass die Prognose, dass auch die nächsten sechs Monate nur unpfändbares Guthaben auf dem P-Konto entstehen dürfte, mehr als sehr wahrscheinlich sein wird.
d) Übertragbarkeit der durch das Vollstreckungsgericht freigestellten Beträge, § 906 Abs. 4: 2075 Ebenso wie in § 902 Satz 2 wird auch hier in § 906 Abs. 4 klargestellt, dass für Beträge, die nach den Absätzen 1 oder 2 vom Vollstreckungsgericht festgesetzt und damit nicht von der Pfändung erfasst sind, § 899 Abs. 2 entsprechend gilt. Somit können auch Guthaben aus solchen festgesetzten Beträgen in die drei Folgemonate übertragen werden, wenn sie im Gutschriftmonat nicht verbraucht wurden. 2076 Damit ist aber auch deutlich gemacht, dass auch diese Beträge auf der sog. Stufe 3 des Kontopfändungsschutzes, nur einen zeitlich – allerdings mit drei Monate nunmehr großzügigen – befristeten Pfändungsschutz genießen.
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11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907
Haftungsfalle: Beispiel: Schuldner S hat einen Freibetrag i. H. v. 1.260 €. Als ein Zahlungseingang i. H. v. 3.000 € auf sein P-Konto eingeht, stellt er einen Antrag nach § 906 auf Freistellung i. H. v. 2.500 €. Das Vollstreckungsgericht setzt zunächst fest, dass S „nur 1.260 € nicht von der Pfändung erfasst sind“; erst 8 Wochen später kommt die endgültige Festsetzung i. H. v. 2.500 €. Worüber kann das kontoführende Kreditinstitut K den S seit Zahlungseingang verfügen lassen? Das ist aufgrund der unklaren ersten Beschlussfassung nicht ganz eindeutig, weshalb K hier unbedingt Erinnerung einlegen muss, um das zu klären. Der erste Beschluss könnte nämlich dahingehend auszulegen sein, dass nur einmalig 1.260 € freigegeben wurden, so dass K nicht etwa im nächsten Monat erneut den Grundfreibetrag i. H. v. 1.260 € freigeben durfte. Wahrscheinlicher ist zwar, dass das Vollstreckungsgericht gemeint hat, das bis zu einer endgültigen Entscheidung „monatlich 1.260 € nicht von der Pfändung erfasst sind“, aber sicher ist das aufgrund der unklaren Formulierung im ersten Beschluss nicht. Hier sei daher nochmals daran erinnert, Beschlüsse des Vollstreckungs- 2077 gerichtes stets genau zu prüfen, was nun der Pfändung nicht unterliegt. Ist das nicht glasklar formuliert und festgesetzt, sollte ein drittschuldnerische Kreditinstitut dies mittels Erinnerung rügen und unmissverständlich festsetzen lassen, um Haftungsgefahren durch Nochmalzahlungen zu vermeiden. 11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907 Wohl ursprünglich als Konzession an die Kreditinstitute bei der Reform 2010, 2078 Schumacher sprach seinerzeit davon, dass man damit zur „Verminderung des Verwaltungsaufwandes der Kreditinstitute“ habe beitragen wollen, ZVI 2009, 313, 322,
hat man in § 850l a. F. (bis zum 31.12.2011: § 833a Abs. 2 ZPO-2011) die Möglichkeit eingeführt, Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto für die Dauer von bis zu zwölf Monaten der Pfändung gänzlich zu entziehen, jetzt § 907. Zuständig für die Festsetzung der Unpfändbarkeit ist ausschließlich das Vollstreckungsgericht, § 910 Satz 2. Eine Behörde mit eigener Vollstreckungshoheit, also beispielsweise die Vollstreckungsstelle des Finanzamtes, kann eine befristete Unpfändbarkeit nicht aussprechen, vgl. auch § 309 Abs. 3 AO.
Der Nutzen für die Kreditinstitut wurde allerdings schon seinerzeit über- 2079 zeichnet. Denn während der Zeit der befristeten Unpfändbarkeit sind neue PfÜB weiterhin zulässig und drittschuldnerische Kreditinstitute müssen dann auch eine Drittschuldnererklärung abgeben und die
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Pfändung in der IT vermerken, da sie nach Ablauf der maximal 12-monatigen Unpfändbarkeit wieder auf das Guthaben zugreifen. Eine Ersparnis ergibt sich allenfalls in der nicht notwendigen Überwachung der Disposition des P-Kontos, die aber überwiegend ITtechnisch unterstützt erfolgt (zu den Ausnahmen bei Blankettbeschlüssen, siehe Rn. 2046.
2080 Allerdings ist Homann zu widersprechen, wenn er meint, dass es keinen Anspruch eines Drittschuldners darauf gibt, dass das Vollstreckungsverfahren nach der für ihn möglichst ressourcenschonend abgewickelt werden muss. Homann, ZVI 2013, 6, 7.
2081 Doch gibt es, hat der BGH entschieden! BGH, Urt. v. 25.9.1986 – IX ZR 46/86, ZIP 1986, 1422 = NJW 1987, 64. Danach darf die Drittschuldnerbearbeitung nur zu „geringstmöglicher Belastung des Drittschuldners“ führen.
2082 In der Praxis hat dieses Instrument unter Arbeitsersparnis-Gesichtspunkten für Kreditinstitute allerdings auch deshalb nahezu völlig versagt, weil entweder keine Anträge von Schuldnern gestellt wurden oder aber Gerichte für die dort normierten Voraussetzungen die Hürden (zu) hoch gelegt haben. 2083 Das soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers nun durch den neuen § 907 ändern. 2084 Die beiden Voraussetzungen sind, dass der Schuldner nachweisen muss, dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind (§ 907 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und er glaubhaft machen muss, dass auch innerhalb der nächsten sechs Monate ganz überwiegend nur die Gutschrift unpfändbarer Beträge zu erwarten ist (§ 907 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2). Vor dem 1.1.2012 war die befristete Unpfändbarkeit in § 833a Abs. 2 ZPO-2011 geregelt und bezog sich noch auf jede Art von Konto, während der § 850l a. F. und der jetzige § 907 nur P-Konten erfasst, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850l Rn. 1.
2085 Gegenüber dem § 850l a. F. neu ist damit bei § 907 lediglich, dass der Prognosezeitraum in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verkürzt wurde – von vormals zwölf auf nunmehr nur noch sechs Monate. Die Verkürzung des Prognosezeitraums soll, so der Gesetzgeber, eine Empfehlung des Schlussberichts iff aufnehmen, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44. In der Tat gibt es diese Empfehlung im Schlussbericht iff, S. 162.
2086 An mehreren Stellen im Kontopfändungsrecht der §§ 899 ff. sind außerdem die Vollstreckungsgerichte nun verpflichtet, auf die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags nach § 907 von Amts wegen hinzuweisen. So ist sowohl in § 905, wenn die Vollstreckungsgerichte ersatzweise für nicht zu erlangendes Bescheinigungen einspringen müssen als
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11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907 auch in § 906 bei der Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages in Abs. 2 Nr. 3 Hinweispflichten auf den § 907 implementiert.
a) Voraussetzungen für die Festsetzung einer befristeten Unpfändbarkeit Zunächst muss der Schuldner belegen, dass seinem P-Konto in den letzten 2087 sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind. Für diesen Nachweis sind nur die vollständigen Kontoauszüge geeignet.
2088
Schumacher, ZVI 2009, 313, 322.
Diese muss der Schuldner dem Gericht vorlegen. Dies ist in der Praxis grundsätzlich unproblematisch (aber ggf. aufwändig), insbesondere wenn der Schuldner durch zusätzliche Vorlage von Sozialleistungs- oder Kindergeldbescheiden bzw. deren Bescheinigungen nach §§ 902, 903 leicht wird belegen können, dass es sich um unpfändbare Beträge gehandelt hat. Beispiel: Bei Schuldner S geht Anfang Oktober 2022 auf seinem herkömmlichen Konto eine Kontopfändung ein. Zuvor hat S so viel verdient, dass monatlich 200 € pfändbar gewesen wären. S wurde im September 2022 arbeitslos und bezieht ab Oktober 2022 Arbeitslosengeld, dass vollständig nicht mehr pfändbar ist. Er stellt bezüglich seines inzwischen in ein P-Konto umgewandelten Girokontos einen Antrag nach § 907. Das Gericht lehnt ab, weil S nicht auch sechs Monate vor der Pfändung nur überwiegend unpfändbare Einkünfte hatte. Formal richtig, wird daraus aber deutlich, dass in diesem Zusammenhang zu 2089 hinterfragen ist, ob bei einer in die Zukunft gerichteten Anordnung nach § 907, das Erfordernis auch sechs Monate vorher nur über „überwiegend unpfändbare Einkünfte“ verfügt zu haben, tatsächlich sachgerecht ist. Das AG Wennigsen/Deister, Beschl. v. 11.3.2011 – 18 M 616/10, n. v., hat als Nachweis einen Bewilligungsbescheid ausreichen lassen, der vom 30.12.2010 datierte, also zum Zeitpunkt der Entscheidung allenfalls hätte nachweisen können, dass dem Konto nur in den letzten zweieinhalb (statt sechs) Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind.
Hier wäre nach Ansicht des Autors eine gesetzliche Klarstellung erforderlich 2090 gewesen, die es allerdings im Rahmen des PKoFoG nicht gab. Ob vor diesem Hintergrund eine teleologische Reduktion der Norm noch 2091 möglich wäre, scheint fraglich, denn immerhin könnte man argumentieren, dass der Umstand, dass dies – in Kenntnis der Problemlage – nicht geschehen ist, nun eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war. Trotzdem: Gesetzgeberische Intention war und ist es, dem Schuldner Erleich- 2092 terungen in der Zukunft, begrenzt auf einen Zeitraum von max. zwölf Monaten,
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
zu verschaffen, wenn er nachweist, dass seinem Konto ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben werden. Wenn nun jemand zwar in der Vergangenheit (in den sechs Monaten vor Antragstellung) pfändbare Leistungen erhalten hat, aber völlig klar oder nachgewiesen ist, dass er sie zum Zeitpunkt der Antragstellung und zukünftig nicht mehr erhalten wird, dann würde eine strikte Anwendung des Gesetzes dazu führen, dass jemand die Erleichterungen trotzdem erst in sechs Monaten in Anspruch nehmen kann. Man denke hier beispielsweise an Schuldner, die in die gesetzliche Mindestrente eintreten und bei denen sich das Problem der steigenden Altersarmut realisiert. Gläubigerinteressen sind hier nicht tangiert (es ist nichts pfändbar), sodass eine teleologisch reduzierte Normanwendung, die der Gesetzesintention genügt, der Sachlage besser Rechnung tragen würde. Eine retrospektive Betrachtung würde damit keine Erhellung bringen, denn selbst wenn in der Vergangenheit (gerade) noch pfändbare Beträge bestanden haben sollten, spielt das keine Rolle mehr. Letztlich dient es auch der Justizentlastung, da weitere Freigabeanträge an Vollstreckungsgerichte bzw. Vollstreckungsstellen öffentlicher Gläubiger überflüssig wären. Und auch den drittschuldnerischen Kreditinstituten, die durch die sehr komplex gewordenen Dispositionsregeln und Freibetragsgrenzen des P-Kontos ohnehin schon sehr belastet und mit Haftungsrisiken beschwert sind, würde zumindest für die Dauer der Anordnung diesbzgl. Entlastung zuteil. Praxistipp: Schuldnerberatungen und drittschuldnerische Kreditinstitute sollten versuchen, immer auf einen Antrag des Schuldners hinzuwirken, wenn eine Doppelpfändung (beim Arbeitgeber und eine Kontopfändung beim kontoführenden Kreditinstitut) wegen Unterhaltes erfolgt. Dann gehen auf das Konto, zumal bei deutlich minderjährigen Kindern und bestehenden Unterhaltsrückständen, lange Zeit im Zweifel nur noch unpfändbare Beträge auf das P-Konto ein. Im Rahmen des § 907 kommt es nämlich nur darauf an, dass überwiegend unpfändbare Beträge auf dem P-Konto vor und nach Antragstellung gutgeschrieben worden sind, nicht auch, dass der Schuldner nur unpfändbare Bezüge hat!
2093 Dem Schuldner wird aber bei solch einer Konstellation derzeit wohl nichts anderes übrig bleiben, als nach sechs Monaten einen erneuten Antrag zu stellen. Unzulässig wäre nur ein erneuter Antrag über den nahezu selben Zeitraum; so wäre ein erneuter Antrag des Schuldners, wenn sein erster Antrag abgelehnt worden ist, nach 1 Woche unzulässig, jedoch dann, wenn sich Zeitraum um einen Monat unterscheidet wieder möglich, zumal dann, wenn dadurch ein Vormonat der sechs Monate mit noch pfändbaren Kontobeträgen entfiele und dann die Voraussetzung „dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind“ erfüllt wäre.
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11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907
Noch besser wäre gewesen: Eine gesetzliche Beschränkung, Kleinstbeträgen 2094 nicht mehr mittels Kontopfändung vollstrecken zu können. Der im Rahmen der Evaluation gemachte Vorschlag des Autors, Bagatellbeträge bis 50 € zwar noch vollstrecken, aber nicht mehr mittels Kontopfändung vollstrecken zu dürfen, wurde auch im Schlussbericht iff, S. 165 (siehe auch S. 36 und 182) aufgenommen.
Er würde eine deutliche Entlastung für alle Beteiligten, auch der Kreditwirt- 2095 schaft erbringen. Hierdurch könnten sicherlich eine halbe Million Pfändungen im Jahr bundesweit eingespart werden, vgl. Sudergat, 3. Aufl., Rn. 960.
Da aber rund 60 % der Kontopfändungen durch die öffentliche Hand ausge- 2096 bracht werden und dort überproportional viele Kleinstforderungen mittels Kontopfändung beigetrieben werden, wäre allerdings auch die öffentliche Hand am stärksten betroffen. Läge man allerdings die Berechnungsgrundlagen des Gesetzgebers zugrunde, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 vom 10.6.2020, S. 24, dann ergäbe sich unterm Strich für die öffentliche Hand sicherlich ein Gewinn. Denn eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu erlassen, kostet Zeit und Geld. Wenn das alleine 300.000 mal für Beträge i. H. v. max. 10 € im Jahr nicht erfolgen würde (max. Ausfall 3 Mio. €) und man einmal nur den Minutenaufwand nehmen würde, die der Gesetzgeber für eine Entlastungen für die Kreditinstitute zugrunde gelegt hat (20 min), dann würde die öffentliche Hand 100.000 Stunden jährlich einsparen. Wenn eine Stunde Arbeitszeit 50 € kostet, wären das 5.000.000 € reine Personalkosten im Jahr; nähme man bei Vollkosten an, dass noch 1/3 Sachkosten eingespart würden, wären das ca. 6,67 Mio. € jährlich. Entspräche einer Netto-Kostenreduzierung i. H. v. fast 3,7 Mio. € jedes Jahr!
Der Gesetzgeber hatte sich mit dieser Empfehlung des Schlussberichtes iff 2097 auseinandergesetzt, sie aber nicht umgesetzt. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 20: „Die in dem Schlussbericht empfohlene Anordnung der Unpfändbarkeit von Kleinbeträgen unter 50 Euro in der Verwaltungsvollstreckung würde dem Grundgedanken der Zwangsvollstreckung, der auch für kleinere Beträge die Möglichkeit einer zwangsweisen Beitreibung vorsieht, widersprechen; die Einführung einer solchen Untergrenze könnte zudem eine – nicht intendierte – Schwächung der Zahlungsmoral bei Kleinbeträgen nach sich ziehen.“
Grundsätzlich wäre das nachvollziehbar, nur war das gar nicht der Vorschlag 2098 und auch nicht die Empfehlung im Schlussbericht iff. Vorgeschlagen und empfohlen wurde nur, KONTOPFÄNDUNGEN wegen Kleinstbeträgen zu untersagen, nicht die Zwangsvollstreckung an sich. Ansonsten wäre dem Gesetzgeber Recht zu geben, wie auch die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.8.2006 – 9 L 27.06, juris, zeigt, bei der 0,18 € (!) als „ermessensfehlerfreie“ Vollstreckung von Kleinbeträgen angesehen wurden.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
2099 Andererseits kann sich der Gesetzgeber aber offensichtlich vorstellen und hat das umgesetzt, dass Bargeld in ganz anderen Dimensionen unpfändbar ist. Durch das GvSchuG in der seit 1.1.2022 geltenden Fassung des § 811 Abs. 1 Nr. 3 unterliegt Bargeld unterhalb von 1/5 des täglichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 für jeden Kalendertag ab dem Zeitpunkt der Pfändung bis zu dem Ende des Monats, in dem die Pfändung bewirkt wird, nicht der Pfändung. Hier kommen deutlich höhere unpfändbare Beträge zusammen als 50 – 100 €, zumal für jede weitere Person, mit der der Schuldner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, noch jeweils ein Zehntel hinzukommt.
2100 Trotzdem ist es nach Ansicht des Autors eher unwahrscheinlich, dass die Gerichte – jedenfalls der unteren Instanzen – zu dieser dem Schuldner günstigen, teleologisch reduzierten Auslegung der Norm gelangen werden. Untergerichtlich ist Fakt, dass dort – insbesondere in den Zwangsvollstreckungs-Abteilungen – eine deutliche Arbeitsverdichtung und -belastung zu verzeichnen ist. Man mag prüfen, zu welcher Auslegung der Norm man vor einem solchen Hintergrund wohl selbst käme, wäre man in dieser Situation an der Stelle eines Rechtspflegers oder einer Rechtspflegerin.
2101 Dass mindestens mittelfristig auch Vollstreckungsgerichte mit einer befristeten Unpfändbarkeit besser fahren würde, wird offensichtlich verkannt. Vgl. Schlussbericht iff, S. 162. In dem berichtet wird, dass offensichtlich die Nützlichkeit der Vorschrift (für Schuldner und Drittschuldner und Gericht) den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern nicht immer klar war.
2102 Zweite Voraussetzung ist, dass der Schuldner glaubhaft machen muss, dass auch innerhalb der nächsten sechs Monate nur der Eingang von ganz überwiegend nicht pfändbaren Beträgen zu erwarten ist, § 907 Abs. 1 Satz1 Nr. 2. 2103 Das darin liegende Prognoseelement stellte die Praxis bislang offensichtlich unlösbare Probleme. Schon die Gesetzesbegründung 2010 deutete dies an. Dort heißt einerseits: „Vor dem Hintergrund, dass ein angemessener Ausgleich der Interessen von Gläubiger und Schuldner gefunden werden muss, sind nicht zu geringe Anforderungen an die Prognose zu stellen“ und andererseits: „Allerdings dürfen die Anforderungen auch nicht überspannt werden.“, vgl. BT-Drucks. 16/7615, S. 17.
2104 Auch dass die materielle Voraussetzung „ganz überwiegend unpfändbare Beträge“ Stoff für Diskussionen bieten würde, schien seinerzeit auch dem Gesetzgeber schon bewusst gewesen zu sein, der zusätzlich auf § 765a verwies, zu dem § 907 (§ 850l a. F.) lex specialis ist. Vgl. BT-Drucks. 16/7615, S. 17. Auch Homann, ZVI 2013, 6, konstatiert „eine eher restriktive Handhabung der beiden vorstehend zitierten Voraussetzungen der Anordnung in der Judikatur der Vollstreckungsgerichte“, hat aber offensichtlich Verständnis
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11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907 dafür, dass unbestimmte Rechtsbegriffe erst einige Zeit benötigen würden, um durch die Gerichte „zu praktischem Leben erweckt“ werden zu können. Nach über 11 Jahren darf man aber nun konstatieren, dass das nicht funktioniert hat.
Ganz überwiegend unpfändbar sind Beträge nicht nur dann, wenn sie voll- 2105 ständig unpfändbar sind bzw. ausschließlich unpfändbare Beträge eingehen. 2106
Indes eine starre Grenze aufzugeben, ist kritisch zu sehen. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850l Rn. 10 etwa hatte in der 1. Aufl., 2010 zu § 833a eine Grenze von 90 % angenommen, ab der von einer „ganz überwiegenden“ Unpfändbarkeit gesprochen werden kann.
Einig ist man sich aber, dass kleinere einmalige Zahlungen oder regelmäßig 2107 eingehenden Beträge, die nur in sehr geringem Umfang über der Unpfändbarkeitsgrenze liegen, eine Festsetzung der Unpfändbarkeit nicht hindern. So auch Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 10.
Eine Argumentation, dass etwa ein berufstätiger Schuldner „Steuererstattungen“ 2108 zu erwarten habe, reicht deshalb alleine nicht aus, den Eingang nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge anzuzweifeln. „Ganz überwiegend“ bedeutet auf die 12 Monate gesehen, dass durchaus pfändbare Beträge entstehen können. Auch Weber/Wellmann/Zimmermann, ZVI 2011, 241, beklagen diese Praxis der Gerichte, sprechen aber euphemistisch nur von einer „allgemein festzustellenden Zurückhaltung bei der Anwendung“ und plädieren für eine stärkere Nutzung dieser „Schuldnerschutz-Variante“. Dass für einen Antrag nach § 907 (§ 850l. a. F.) keine Kostenbestimmung existiert und das Verfahren daher gerichtsgebührenfrei ist, mag ein weiterer Grund sein, den Aufwand nicht betreiben zu wollen. Siehe auch Rn. 2089.
Der Gesetzgeber hat wegen der unzureichenden Nutzung des § 907 zwar 2109 reagiert und im Rahmen des PKoFoG den Prognosezeitraum von zwölf auf sechs Monate verkürzt, auf die Umsetzung weiterer Empfehlungen aber verzichtet. Damit ist auch die Ungereimtheit beseitigt, dass das Gesetz die Prognose des zwölfmonatigen Eingangs unpfändbarer Bezüge schon tatbestandlich forderte. Denn wenn die Prognose zwölf Monate trug und tragen musste, machten Anordnungen für weniger als zwölf Monate eigentlich keinen Sinn, so zu Recht Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850 Rn. 24.
Dass allerdings alleine die Verkürzung des Prognosezeitraums zur Renaissance, 2110 besser Naissance, denn es wäre ja keine Wiedergeburt, sondern die erste Geburt, der befristeten Unpfändbarkeit im Rahmen des § 907 führt, scheint eher zweifelhaft. Laut Schlussbericht iff, S. 162, tun sich Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger mit der Zukunftsprognose (nur deshalb) schwer,
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto weil es den Schuldnern nicht gelinge, entsprechende Prognosen zu belegen, etwa weil zum Beispiel Hartz-IV-Bescheide lediglich eine Gültigkeit von sechs Monaten aufwiesen.
2111 Sollte das der alleinige bisherige Hinderungsgrund sein, dass müsste sich die Hoffnung von Homann (siehe oben) nun erfüllen: § 907 wird mit Leben erfüllt. Vielleicht hilft diese Verkürzung tatsächlich, die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger davon zu überzeugen, dass der Gesetzgeber nicht erwartet, dass sie hellsehen können, sondern nur eine Prognose machen müssen. Eine Prognose ist laut Duden eben nur eine auf Fakten begründete Voraussage eines voraussichtlichen [nicht aber sicheren!] Verlaufs. 2112 Der Autor hat aber Zweifel, dass die Verkürzung des Prognosezeitraums alleine wirklich etwas bringt. 2113 Aber auch weil die Norm als nur „kann“-Vorschrift ausgestaltet war, wurde sie nicht so genutzt wie sinnvoll und erhofft. Das aber hat der Gesetzgeber nicht geändert. 2114 Ebenfalls nicht aufgegriffen hat der Gesetzgeber eine weitere Anregung aus dem Schlussbericht iff. Der Schlussbericht iff hatte, um den heutigen § 907 aufzuwerten, angeregt zu diskutieren, ob die Möglichkeit der Aufhebung einzelner fruchtloser und unverhältnismäßiger Pfändungen wieder hinzugenommen werden sollte, vgl. Schlussbericht iff, S. 162. Das hat der Gesetzgeber nicht aufgenommen.
2115 Und schließlich ebenfalls nicht aufgegriffen wurde der Vorschlag des Autors, ein Ranking der Beschlüsse vorzusehen: Zunächst solle § 907 „von Amts wegen“ berücksichtigt werden, dann erst alternativ die anderen möglichen Beschlüsse geprüft werden. Vgl. Schlussbericht iff, S. 57, Nr. 3.4.17.4 noch zum § 850l a. F.
2116 Auch eine unbedingte Hinweispflicht der Vollstreckungsgerichte hätte besser geholfen, dem § 907 Geltung zu verschaffen. So muss es nur auf die Möglichkeit des § 907 hinweisen, wenn nach Einschätzung des Vollstreckungsgerichts, nach dem Vorbringen des Schuldners unter Beachtung der von ihm vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für die Festsetzung der Unpfändbarkeit des Guthabens vorliegen könnten. Das eröffnet den Vollstreckungsgerichten zu früh bzw. einfach das Unterlassen des Hinweises auf § 907. Insofern ist es nur die halbe Wahrheit, wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44 schreibt: „Weitergehende Problemstellungen sind demgegenüber nicht erkennbar geworden.“, denn die Ursachen der Nichtnutzung des § 850l a. F. sind – wie beschrieben – vielfältig.
2117 Aus alle diesen Gründen, hat die Norm daher nur ein Schattendasein geführt. So hat das AG Hannover, Beschl. v. 6.5.2011 – 714 M 145345/11, n. v. – nach Ansicht des Autors allerdings in diesem Fall zu Recht –
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11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907 einen Beschluss nach § 833a Abs. 2 ZPO-2011 (§ 850l a. F.) abgelehnt, weil es die Anforderungen an die zukunftsbezogene Prognose eng auslegt und „pauschale Aussagen, dass innerhalb der nächsten zwölf Monate nicht mit dem Eingang pfändbarer Beträge auf dem Konto zu rechnen ist“ weder als „Darlegung“ noch als „Glaubhaftmachung“ anerkannt hat. Hier sind auch die Schuldner und deren Vertreter gefordert, ausreichend umfassend vorzutragen.
Die Vermutung des Gesetzgebers zum Thema „Entlastung“ ist deshalb nicht annähernd aufgegangen. Siehe BT-Drucks. 16/7615, S. 14. Diese Fehlvorstellung fußt aber – wie überhaupt 2010 das gesamte Reformwerk – stets bezüglich Be- und Entlastung auf Unterstellungen, Annahmen und Prognosen auf Basis unzureichender Daten, ohne über „eindeutiges und aussagekräftiges Zahlenmaterial“ zu verfügen, wie auch Lücke, BKR 2009, 457, 461 zu Recht bemängelt. Das hat sich beim PKoFoG nicht wesentlich geändert, schaut man sich den dort für die Umsetzung nur prognostizierten Erfüllungsaufwand für insbesondere die Kreditwirtschaft an, der sogar von einer Netto-Entlastung ausgeht, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 23 – 25. Auch hier basiert ein Teil der Entlastung wieder auf der Annahme, dass nun § 907 häufiger genutzt wird. Anderseits werden aber Teile, die den Erfüllungsaufwand ausmachen und erhöhen, vgl. Rn. 901 und Rn. 1594, einfach gar nicht gesehen bzw. erwähnt.
Abgesehen davon, dass ein Kreditinstitut den Antrag nicht selbst stellen kann, 2118 was im Übrigen die Nutzung des § 907 deutlich erhöht hätte, haben sich die in den Vorauflagen geäußerten Zweifel des Autors in der Praxis leider bewahrheitet, dass der Schuldner davon nahezu keinen Gebrauch macht. Bekannt sind dem Autor insoweit bundesweit nur wenige Entscheidungen:
2119
AG Pankow-Weißensee, Beschl. v. 26.7.2010 – 32 M 4454/10, juris; AG Wennigsen/Deister, Beschl. v. 26.8.2010 – 18 M 202/10; AG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.2.2011 – 82 M 19519/10, ZVI 2011, 262; AG Wennigsen/Deister, Beschl. v. 11.3.201118 M 616/10, n. v.; AG Heidelberg, Beschl. v. 25.3.2011 – 61 M 20556/07, ZVI 2011, 261; AG Heilbronn, Beschl. v. 4.4.2011 – 5 M 861/10, ZVI 2011, 260; AG Hannover, Beschl. v. 6.5.2011 – 714 M 145345/11, n. v.; AG Brackenheim, Beschl. v. 12.5.2011 – M 984/09, ZVI 2011, 260; AG Heilbronn, Beschl. v. 5.1.2012 – 10 M 151/12; AG Bochum, Beschl. v. 4.5.2012 – 53 M 3439/07, VuR 2012, 413; AG Cloppenburg, Beschl. v. 20.12.2016 – 23 M 5708/12, juris.
Dabei haben das AG Brackenheim und das AG Frankfurt/M. – obwohl Auf- 2120 hebungen zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wären – „nur“ befristete Unpfändbarkeiten (allerdings für die maximal mögliche Zeit von zwölf Monaten) angeordnet, weil sich die Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrages nach § 850c bewegten. Da § 907 als (sogar maßgeblichen) Zweck auch die Entlastung der drittschuldnerische Kreditinstitut zum Ziel hat, ist bei Vor-
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto liegen der Voraussetzungen ein solcher Beschluss auch dann zu erlassen, wenn sich die Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrages bewegen, also der Nutzen für den Schuldner selbst gar nicht im Vordergrund steht.
2121 Das AG Wennigsen/Deister (Beschl. v. 11.3.2011 – 18 M 616/10, n. v.) hat eine sehr „hemdsärmelige“ Entscheidung gefällt, AG Wennigsen/Deister, Beschl. v. 11.3.2011 – 18 M 616/10, n. v.,
weil es als Nachweis einen Bewilligungsbescheid ausreichen ließ, der vom 30.12.2010 datierte, also zum Zeitpunkt der Entscheidung allenfalls hätte nachweisen können, dass dem Konto nur in den letzten zweieinhalb (statt sechs) Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind. Quasi „zum Ausgleich“ hat es dann aber auch nur eine „Aussetzung“ für ca. drei Monate (11.3. – 30.6.2011) ausgesprochen. 2122 Bemerkenswert die weitere Entscheidung des AG Wennigsen/Deister, Beschl. v. 26.8.2010, bei dem immerhin zwar eine Aussetzung der Vollstreckung für knapp zwölf Monate ausgesprochen wurde (26.8.2010 – 1.9.2011), aber der Schuldnerin auferlegt wurde, nach zehn Monaten „nachzuweisen, wie sich ihre wirtschaftliche Lage entwickelt hat“. Als Nachweis für die Glaubhaftmachung, dass innerhalb der nächsten zwölf Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sind, hat die Schuldnerin, die einen Friseursalon betrieb, Bilanzen und Kontoauszüge vorgelegt. Diese hat das Gericht als ausreichend anerkannt mit dem „Argument“, dass die Schuldnerin den Friseursalon, in dem sie allein tätig sei, in einem Dorf betreibe und der Salon fast ausschließlich von Stammkunden aufgesucht werde, sodass „kein Umstand ersichtlich“ sei, dass sich „die Zahl der Stammkunden in nächster Zeit rapide steigert“ und deshalb keine pfändbaren Beträge zu erwarten wären. Nun ja.
2123 Das AG Heilbronn hatte nur eine sechs Monate dauernde befristete Unpfändbarkeit angeordnet, da die Schuldnerin nur für diese Zeit unpfändbare Sozialleistungen erhielt. 2124 Auch das AG Heidelberg konnte sich nur zu einer befristeten Unpfändbarkeit durchringen, weil es für § 833a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO-2011 (die noch bis 31.12.2011 dort gesetzlich mögliche Aufhebung der Guthabenpfändung, die im Übrigen von der Schuldnerin beantragt war) keinen Raum sah. Das AG Heidelberg sah es als nicht „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ gegeben an, dass künftig ein Pfändungserfolg ausgeschlossen sei. Argument: Es könne durchaus sein, „dass dem Konto irgendwann pfändbare Beträge (zum Beispiel durch Erzielung von Arbeitseinkommen nach Wegfall der Unterhaltspflichten) gutgeschrieben werden“. Diese Möglichkeit, die eigentlich theoretisch immer besteht und damit eine Pfändungsaufhebung nahezu unmöglich macht, zeigt, wie restriktiv Gerichte damit umgehen und wie falsch sie die Anforderung „Prognose“ interpretieren. Im Grunde, so auch das AG Heidelberg, käme dann eine Aufhebung nur bei Rentnern in Be-
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11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907 tracht, so AG Bochum, Beschl. v. 4.5.2012 – 53 M 3439/07, VuR 2012, 413; ebenso AG Cloppenburg, Beschl. v. 20.12.2016 – 23 M 5708/12, juris.
Die Anforderungen an den Schuldner bezüglich des Nachweises der Voraus- 2125 setzungen werden offensichtlich durch die meisten Gerichte zu hoch angesetzt, was dazu geführt hat, dass es nahezu keine Anträge gibt, noch weniger welche, die erfolgreich sind. So auch unter Verkennung der tatsächlichen Lage das AG Marbach Beschl. v. 8.12.2015 – 2 M 243/15, BeckRS 2016, 2194, dass trotz einer vorliegenden Pfändung an der Quelle (gleichzeitige Lohnpfändung beim Arbeitgeber), es als „nicht glaubhaft“ gemacht ansah, dass der Schuldner auch innerhalb der nächsten zwölf Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten hat.
Immerhin hat das AG Heilbronn erkannt, dass dann, wenn bei einer Doppel- 2126 pfändung des Arbeitseinkommens und des Kontoguthabens durch einen Gläubiger, deren Erledigung innerhalb des nächsten Jahres nicht zu erwarten ist, eine Anordnung der Unpfändbarkeit nach § 850l geboten ist, wenn mit weiteren pfändbaren Einkünften auf dem Konto nicht zu rechnen ist. Das sollte auch der prototypische Fall des § 907 sein. Beschl. v. 5.1.2012 – 10 M 151/12, VuR 2012, 113; ebenso argumentierend: AG Cloppenburg, Beschl. v. 20.12.2016 – 23 M 5708/12, juris. Auch dann, wenn ein nur sehr geringer pfändbare mtl. Betrag nicht geeignet ist, binnen 12 Monaten die Schuld des Gläubigers aus der Lohnpfändung zu begleichen, wären die Anforderungen, dass der Schuldner innerhalb der nächsten zwölf Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge auf dem P-Konto zu erwarten hat, erfüllt.
Das soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers nun durch den neuen § 907 2127 und die implementierten Hinweispflichten der Vollstreckungsgerichte auf § 907 in den Paragrafen 905 und 906 ändern. Ausweislich der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, S. 44 dient die Regelung, vorübergehend die Unpfändbarkeit des Kontoguthabens festzusetzen, zunächst vorrangig den Interessen des Schuldners. Aber sie bewirkt eben auch eine Entlastung der Gerichte, da der Aufwand zur Sichtung der Nachweise entfällt und vor allen Dingen weitere zu bearbeitende Kontopfändungen verhindern hilft, wenn das Vollstreckungsgericht darauf hinweist oder es gar selbst prüft, vgl. Rn. 2135. Zudem wäre die Nichtanzeige der Änderung der Vermögensverhältnisse durch den Schuldner, deren Anzeige an den Gläubiger in § 907 Abs. 2 Satz 2 dem Schuldner auferlegt ist, dann, wenn dadurch Gläubiger geschädigt würden, im Zweifel eine Straftat (§ 263 StGB = Betrug oder § 288 StGB = Vollstreckungsvereitelung).
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
b) Weitere Pflichten, Auswirkungen und Haftungsfallen 2128 In § 907 Abs. 2 Satz 2 hat der Gesetzgeber noch eine Obliegenheit normiert, die den Schuldner verpflichtet, die Gläubiger unverzüglich auf eine wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse hinzuweisen. Diese Pflicht wurde erst im Referentenentwurf eingefügt. Damit soll den Gläubigern ermöglicht werden, eine Abänderung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts in solchen Fällen herbeizuführen, in denen die Voraussetzungen einer Festsetzung nach Absatz 1 ganz oder teilweise entfallen, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44.
2129 Damit ist es aber keine gesetzlich verankerte, ganz allgemeine, sondern eine den Schuldner nur im Rahmen des § 907 treffende Pflicht normiert worden. Sie soll wohl – wegen der Besonderheit, Guthaben zeitlich befristet gänzlich nicht der Pfändung unterwerfen zu können – dem Schuldner noch einmal explizit darauf hinweisen, dass er den Kontopfändungsgläubigern gegenüber (nur diesen) damit auch eine besondere Sorgfaltspflicht hat. § 907 stellt damit – ebenso wie § 850k Abs. 4 mit der Pflicht, kein doppeltes P-Konto führen zu dürfen (vgl. dazu Rn. 903) ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Die befristete Unpfändbarkeit wirkt kontobezogen. Ganz h. M. u. a. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850l Rn. 23; Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 850l Rn. 11. Definitiv falsch wäre es daher, wenn ein Vollstreckungsgericht die befristete Unpfändbarkeit nur auf eine konkrete Kontopfändung beziehen würde. Einmal abgesehen davon, dass eine einmal ausgesprochene Pfändung nicht nachträglich – jedenfalls nicht durch einen § 907-Beschluss aufgehoben werden könnte – macht die befristete Unpfändbarkeit nur Sinn und wurde dafür konzipiert, dass das P-Konto insgesamt – weil auf ihm nur der Eingang von ganz überwiegend nicht pfändbaren Beträgen erfolgt und auch in den nächsten Monaten zu erwarten ist – schützenswert vor weiteren Pfändungen ist. Zur Ausnahme bei Unterhaltsgläubigern, siehe Rn. 2148.
2130 Damit ist das gesamte künftige Kontoguthaben den bestehenden und künftigen Pfändungen entzogen, auch wenn einzelne Zahlungseingänge zu einem höheren Guthaben als dem Freibetrag führen. Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 850l Rn. 26.
2131 Setzt daher ein Vollstreckungsgericht die befristete Unpfändbarkeit fest, sind für die Dauer der Unpfändbarkeit zwar leider wohl weitere Kontopfändungen gegen das P-Konto möglich. Sie lösen aber keinen Beschlag der Guthaben mehr aus solange die Unpfändbarkeit nach § 907 ausgesprochen ist. Würde trotz einer solchen gerichtlichen Anordnung ein PfÜB erlassen und zugestellt werden, ist dieser nicht nichtig, vgl. Rn. 436 ff., sondern geht nur „ins Leere“, Schumacher, ZVI 2009, 313, 322 (und würde auch die Pflicht zur Drittschuldnererklärung auslösen).
600
11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907
Bestehende Pfändungen werden damit auch nicht etwa aufgehoben.
2132
Zöller-Herget, ZPO, § 850l Rn. 7.
Das ist wohl auch richtig, denn systematisch sah die Vorgängervorschrift des § 850l a. F., der § 833a Abs. 2-2011 nicht nur eine Unpfändbarkeitsanordnung, sondern auch die Aufhebung einzelner Pfändungen vor. Diese Aufhebungsvariante wurde aber in der Vorgängernorm des § 907, dem § 850l a. F., abgeschafft. Damit kann sie nun nicht im inhaltlich unveränderten § 907 wieder gelten. Vgl. so auch Homann, ZVI 2013, 6, 9.
Der eigentliche Nutzen der befristeten Unpfändbarkeit ergibt sich damit für 2133 den Schuldner, der eine „zeitlich befristete Unterbrechung der Vollstreckung in das Guthaben auf seinem P-Konto“ erfährt. Homann, ZVI 2013, 6, 7.
Fraglich ist, ob das Gericht das Bestehen der befristeten Unpfändbarkeit vor 2134 Erlass eines weiteren PfÜB prüfen muss. Wohl ja, Goebel, Rn. 120; a. A. Schumacher, ZVI 2009, 313.
Dass das Vollstreckungsgericht das prüfen sollte, dafür sprächen insbesondere 2135 arbeitsökonomische Gründe für nahezu alle (anderen) Beteiligten. Ein Vollstreckungsgericht könnte dies bei entsprechender vorhandener IT auch leisten, aber das scheint vielfach – trotz eines Corona-Digitalisierungsschubs 2021 ansonsten – in der Justiz noch immer ein Problem zu sein.
Nach h. M. aber können Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse weiterhin erlassen werden, was keine Prüfungspflicht der Vollstreckungsgerichte erfordert. Sie gehen aber „ins Leere“. Schumacher, ZVI 2009, 313, 322.
Haftungsfalle: Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sind also bei festgesetzter befristeter 2136 Unpfändbarkeit nicht gänzlich unzulässig und lösen insbesondere nach Ablauf der befristeten Unpfändbarkeit auch wieder ein (ggf. nachrangiges) Pfändungspfandrecht aus. Dass neue Pfändungen noch zulässig sind, ergibt sich auch aus § 840 Abs. 1 Nr. 4, wonach in der Drittschuldnererklärung anzugeben ist, ob innerhalb der letzten zwölf Monate im Hinblick auf das Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, nach § 907 die Unpfändbarkeit des Guthabens festgesetzt worden ist. Das bedeutet, dass nach festgesetzter befristeter Unpfändbarkeit noch Kontopfändungen ausgebracht werden dürfen.
Bestehende Kontopfändungen verlieren durch die Anordnung zwar nicht 2137 bereits verstricktes Guthaben. Ebenso Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850l Rn. 23, die auch betont, dass die befristete Unpfändbarkeit nicht rückwirkt.
601
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Im Hinblick auf künftiges Guthaben können sie aber ebenfalls für die Dauer der Unpfändbarkeit keine Wirkung mehr entfalten. Ihre Pfändungen ruhen. 2138 Die Dauer der Unpfändbarkeitsanordnung ist auf längstens zwölf Monate begrenzt („bis zu“). In der Praxis hat sich gezeigt, dass die befristete Unpfändbarkeit für zwölf Monate – sofern sie überhaupt angeordnet wird – nicht der Regelfall ist, sondern Gerichte eher zu kürzeren Zeiträumen neigen (vgl. Rn. 2119 ff.). Vermutlich nur dann, wenn – wie bei Rentenbezügen – nahezu sicher feststeht, dass der Schuldner keine höheren Einkünfte mehr erzielen wird, wird die maximal mögliche Frist ausgenutzt, so AG Bochum, Beschl. v. 4.5.2012 – 53 M 3439/07, VuR 2012, 413; ebenso AG Cloppenburg, Beschl. v. 20.12.2016 – 23 M 5708/12, juris.
Haftungsfalle: 2139 Das Kreditinstitut muss den Ablauf der Frist, die auch deutlich kürzer als zwölf Monate sein kann, beachten. Die Unpfändbarkeitserklärung wird nicht aufgehoben, sondern bei Ablauf der Frist setzt die Pfändungswirkung wieder ein. Der Schuldner kann aber – wenn die Voraussetzungen weiter vorliegen – auch schon vor Ablauf der Unpfändbarkeitsfrist einen erneuten Antrag stellen, ebenso Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850l Rn. 25.
2140 Guthaben auf dem P-Konto jenseits der Freibeträge ist – vorbehaltlich der von Sperrfristen – dann grundsätzlich unverzüglich an den Gläubiger abzuführen oder kann vom drittschuldnerischen Kreditinstitut mit eigenen Forderungen verrechnet werden. Eine Hinweispflicht auf den Ablauf der Unpfändbarkeitsfrist hat das Kreditinstitut nicht. Dies war zwar eine Empfehlung im Schlussbericht iff, S. 162 und auch im RefE war im § 908 Abs. 6 zunächst vorgesehen, dass das Kreditinstitut dem Schuldner den Ablauf eines nach § 907 Abs. 1 bestimmten Zeitraums einen Monat vor dessen Ende mitzuteilen hat, aber dies wurde dann in der endgültigen Version des PKoFoG nicht mehr weiter verfolgt.
2141 Die Festsetzung ist vom Vollstreckungsgericht abzulehnen, wenn ihr überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen, § 907 Abs. 1 Satz 2. 2142 Da die Festsetzung gegen alle Gläubiger wirkt, die das Konto zum Zeitpunkt des Schuldnerantrags pfänden, müssen diese auch vor Festsetzung angehört werden. Entgegenstehende Belange werden zumeist Unterhaltsgläubiger oder Gläubiger mit Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen haben. Denn diese Gläubiger vollstrecken privilegiert, so dass sich ggf. schon deshalb nicht nur ganz überwiegend unpfändbare Beträge für diese Pfändungsgläubiger ergeben. Wenn daher solchermaßen privilegierte Gläubiger weiterhin pfändbare Beträge erhalten können, verbietet sich die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit, auch wenn bezogen auf Gläubiger mit ge602
11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907
wöhnlichen Forderungen sich ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge ergeben würden. Die Gläubiger müssen im Rahmen der Anhörung auch keinen Aufhebungsantrag nach § 907 Abs. 2 stellen, sondern ihre zu berücksichtigenden Belange führen dazu, dass die Festsetzung gleich unterbleibt, so richtigerweise auch vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850l Rn. 20.
Gläubiger, die später pfänden, haben aber die Möglichkeit, auf Basis des Abs. 2 2143 ihre Belange einzubringen. Nach § 907 Abs. 2 Satz 1 ist auf Antrag jeden Gläubigers die Festsetzung der Unpfändbarkeit aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die Festsetzung den überwiegenden Belangen des den Antrag stellenden Gläubigers entgegensteht. Dazu wiederum ist dem Schuldner rechtliches Gehör zu gewähren, Art. 103 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf erst später pfändende Gläubiger kann eine andere Bewertung des Vollstreckungsgerichts geboten sein, etwa weil andere soziale Gesichtspunkte als bei dem ersten Gläubiger eine Rolle spielen, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44.
Der Schuldner kann einen Folgeantrag nach Ablauf der Frist stellen.
2144
Ob er sich dann bei der Interessenabwägung fragen lassen muss, ob er inzwischen Anstrengungen unternommen hat, pfändbare Einkünfte zu erzielen, scheint fraglich, denn im Rahmen des § 907 geht es eigentlich nur um die Frage, ob pfändbare Beträge auf dem P-Konto eingehen oder nicht, nicht warum evtl. noch keine pfändbaren Einkünfte erzielt werden.
Die stets vorzunehmende Interessenabwägung mag aber bei Folgeanträgen 2145 eher zu Gunsten eines Gläubigers ausschlagen als bei einem Erstantrag. Wenn das Vollstreckungsgericht, wie im Falle der Entscheidung des AG Wennigsen/Deister, Beschl. v. 26.8.2010 (vgl. Rn. 2119 ff.), in der der Schuldnerin auferlegt wurde, nach zehn Monaten „nachzuweisen, wie sich ihre wirtschaftliche Lage entwickelt hat“, dann ist das möglich – ob sinnvoll, bedarf einer Einzelabwägung – um zu klären, ob ggf. die Schwelle der überwiegend unpfändbaren Beträge mittlerweile überschritten wurde.
In § 907 Abs. 2 Satz schließlich wird der Schuldner verpflichtet, seine Gläu- 2146 biger – nicht das Vollstreckungsgericht – auf eine wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse unverzüglich hinzuweisen. Es ist dann am Gläubiger, nach § 907 Abs. 2 Satz 1 eine Abänderung der Ent- 2147 scheidung des Vollstreckungsgerichts durch das Vollstreckungsgericht herbeizuführen. Informiert der Schuldner gleichwohl statt des Gläubigers das Vollstreckungsgericht, bedarf es trotzdem eines Antrages des Gläubigers; von Amts wegen wird das Vollstreckungsgericht nicht tätig, § 907 Abs. 2 Satz 1.
603
VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto Gleiches gilt, wenn der Schuldner statt des Gläubigers das drittschuldnerische Kreditinstitut über wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse informiert. Dieses darf dann bis zu einer gerichtlichen Entscheidung weiterhin den Schuldner über die Beträge verfügen lassen, weil es ihm nicht zuzumuten ist, anhand der Informationen selbst zu beurteilen und entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 907 ggf. weiter gegeben sind oder nicht.
Haftungsfalle: Unterschiedliche Gläubiger 2148 Hier ist zu beachten, dass im Falle eines stattgebenden Bescheides es auch möglich ist, dass nur die Belange eines bestimmten Gläubigers, z. B. eines privilegierten Unterhaltsgläubigers, entgegenstehen. Siehe auch Rn. 2066 zu den Folgen unterschiedlicher Freibeträge für unterschiedliche Gläubiger.
2149 In diesem Fall darf eine befristete Unpfändbarkeit nicht festgesetzt werden, vgl. Rn. 2142. Handelt es sich um einen erst später pfändenden Gläubiger, hat er einen Antrag nach § 907 Abs. 2 Satz 1 zu stellen, wenn seine Belange der befristeten Unpfändbarkeit entgegenstehen. Tun sie das, endet die unbefristete Unpfändbarkeit mit der neuerlichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, ggf. nach erst nach Rechtskrafteintritt. 2150 Wenn also Belange nur eines betroffenen Gläubigers überwiegen, etwa eines unterhaltsberechtigten Kindes, darf dem Antrag des Schuldners auf befristete Unpfändbarkeit nicht dergestalt stattgegeben werden, dass die befristete Unpfändbarkeit nur gegenüber den Gläubigern mit herkömmlichen Forderungen angeordnet wird. Die Anordnung kann nur einheitlich ergehen. So BeckOK ZPO/Riedel, § 850l Rn. 6; a. A. Goebel, Rn. 116 f.
2151 Fraglich ist, ob der Schuldner aus einer nebenvertraglichen Pflicht des Girovertrages heraus verpflichtet ist, mögliche Anträge nach § 907 zu stellen, wenn deren Voraussetzungen eindeutig vorliegen, um den Aufwand der Kontoführung für das Kreditinstitut in einem geringen, zumutbaren Rahmen zu halten. 2152 Der Autor hat dies in der Vorauflage noch uneingeschränkt bejaht und vertreten, dass ein Verstoß des Schuldners dagegen – allerdings nur nach entsprechender Mahnung und Kündigungsandrohung – zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen würde. A. A. Weber/Wellmann/Zimmermann, ZVI 2011, 241, die eine solchermaßen auferlegte Antragsobliegenheit des Kontoinhabers als „einseitig auf die Interessenlage der Drittschuldnerseite“ abstellend bewerten, was insofern etwas verwundert, weil es sich auch nach Ansicht von Weber/Wellmann/Zimmermann bei § 850l um eine „schuldnerschützende Regelung“ handelt. Auch Homann, ZVI 2013, 6, lehnt eine Antragsobliegenheit des Kontoinhabers ab, da dieser nur antragsberechtigt sei.
604
11. Die Festsetzung der befristeten Unpfändbarkeit von Kontoguthaben, § 907
Im Hinblick auf das inzwischen bestehende ZKG mit dem Anspruch auf ein 2153 Basis-P-Konto ist das bei einem Basis-P-Konto wegen der exklusiv dort geregelten Kündigungsgründe natürlich so umfassend nicht mehr vertretbar. Bei einem herkömmlichen Zahlungskonto, das in ein P-Konto umgewandelt 2154 wird, ist die Kündigung aus wichtigem Grund weiterhin grds. nicht beeinträchtigt. Zu den Erfolgsaussichten einer außerordentlichen Kündigung alleine auf Basis einer Kontopfändung, siehe aber Rn. 2909.
Zudem ist durch die nun auch implementierten Hinweispflichten der Voll- 2155 streckungsgerichte auf die Möglichkeit einer Antragsstellung nach § 907 dokumentiert, wie viel wichtiger § 907 nun als der alte § 850l a. F. und dem Gesetzgeber ist. Ihn daher nicht zu nutzen und einem Kreditinstitut weitere Kosten bei der ohnehin defizitären Pfändungsbearbeitung zu verursachen, ist daher weiterhin – und im Hinblick auf die neue gesetzliche Stringenz des § 907 umso mehr – ein Kündigungsanlass aus wichtigem Grunde. Der Gesetzgeber sagt selbst, dass die Regelung des § 907 zunächst vorrangig den Interessen des Schuldners dient, aber die Vorschrift ebenfalls eine Entlastung der Gerichte sowie der Kreditinstitute bewirken soll, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 48 „zu § 907; zu Absatz 1“.
Der Kontoinhaber hat die nebenvertragliche Pflicht, seinen Vertragspartner 2156 nicht unnötig zu schaden. Das wäre aber der Fall, wenn er seine Antragsberechtigung nach § 907 – jedenfalls in klaren Fällen – nicht nutzt. Ein klarer Fall wäre wohl die Konstellation seit mind. 6 Monate bestehenden Doppelpfändung von Lohn/Gehalt und Kontopfändung von Unterhaltsgläubigern wegen rückständigen und laufenden Unterhaltes, weil dann ersichtlich keine pfändbaren Beträge mehr auf das P-Konto eingehen. Zum Anwendungsbereich des § 907 im Vergleich zum Schutz im Rahmen des § 850k a. F. als genereller Kontopfändungsschutznorm, vgl. Homann, ZVI 2013, 6.
Auf die Konsequenz „Kündigung“ müsste der Kunde bei Vorliegen der Voraus- 2157 setzungen vor einer Kontokündigung aber zuvor hingewiesen werden. Dass Gerichte diese Einschätzung teilen, ist allerdings nicht garantiert, sogar eher unwahrscheinlich, weshalb es der geschäftspolitischen Risikoabwägung eines jeden Kreditinstitutes obliegt, sich der hier geäußerten Rechtsansicht anzuschließen.
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VIII. Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto
Haftungsfalle: Mitgepfändete weitere Ansprüche neben dem Kontoguthaben 2158 Die befristete Unpfändbarkeit betrifft nur „Kontoguthaben“ also positive Kontosalden. Nur diesbezüglich können Pfändungen für befristet unpfändbar erklärt werden. Sämtliche anderen i. R. einer Kontopfändung zumeist mitgepfändeten Ansprüche, gegen ein Kreditinstitut, können nach dieser Vorschrift nicht für befristet unpfändbar erklärt werden. So z. B. Ansprüche aus einer offenen Kreditlinie, Rn. 590; Darlehensauszahlungsansprüche, Rn. 612; Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, Rn. 561; Rückgewähransprüche, Rn. 803; Depotverwahransprüche, Rn. 763; Zutritt zum Schließfach, Rn. 791; Genossenschaftsanteile, Rn. 783.
2159 Werden diese – wie üblich – mitgepfändet, bleibt die Pfändungswirkung diesbezüglich erhalten und muss beachtet werden, es sei denn das Gericht erließe einen entsprechenden zusätzlichen Beschluss, der aber nicht auf § 907 beruhen könnte.
606
IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908 In § 908 hat der Gesetzgeber die (weiteren) Aufgaben der kontoführenden 2160 P-Konto-Kreditinstituts zusammengefasst geregelt. Es sind Pflichten, die sich auf die Auszahlung beziehen, Abs. 1, aber auch neu hinzukommende Mitteilungspflichten Abs. 2 und 3. Trotzdem deckt die „Bündelung von Aufgaben“ in § 908 natürlich nicht ansatzweise alle Pflichten der Kreditinstitute im Zusammenhang mit dem Kontopfändungsschutzrecht ab. Nahezu in jedem anderen Paragrafen des Kontopfändungsschutzrechts stecken weitere Pflichten. Ob es nun die Pflichten, auf Antrag ein Zahlungskonto in ein P-Konto umzuwandeln oder neue einzurichten oder die Pflichten zur Einhaltung der Moratorien der §§ 835 Abs. 3 und 4, 850l und 900 sind: Kontopfändungsschutz bedeutet eben zumeist, dass der Schuldner Rechte hat, die dann spiegelbildlich mit Pflichten für die kontoführenden und drittschuldnerischen Kreditinstitute verbunden sind.
1. Auszahlungspflicht Absatz 1 entspricht inhaltlich dem Regelungsgehalt des bisherigen § 850k 2161 Abs. 5 Satz 1 a. F. Das Kreditinstitut muss also das gesamte, nicht von der Pfändung erfasste 2162 Guthaben an den P-Kontoinhaber auszahlen. Dass jeweils das gesamte Guthaben, das nach §§ 850k und 850l sowie dem neuen Abschnitt 4 des Buches 8 der ZPO nicht von der Pfändung erfasst wird, gemeint ist, hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44, nochmals ausdrücklich klargestellt. Natürlich gilt das nur, wenn der Kontoinhaber auch eine Verfügung über das Guthaben verlangt.
Beispiel: Schuldner S erhält nach Pfändung seines debitorischen P-Kontos eine bescheinigte Geldleistung i. S. d. § 902 Satz 1 Nr. 6 i. H. v. 1.500,00 € gutgeschrieben. Darüber kann er – neben dem Grundfreibetrag – in voller Höhe verfügen, da dann auch dieser Erhöhungsbetrag gem. § 902 Satz 1 nicht von der Pfändung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto erfasst ist. Diese Auszahlungspflicht ist insoweit nur eine Klarstellung der girovertrag- 2163 lichen Pflichten des Kreditinstituts, dem Kontoinhaber die ihm zustehende Guthaben bzw. Gutschriftsbeträge auszuzahlen, denn selbstverständlich werden diese vertraglichen Pflichten durch eine Pfändung nur insoweit eingeschränkt, als Guthaben bzw. Gutschriftsbeträge der Pfändung unterliegen. Siehe dazu auch Rn. 367.
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IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908
2164 Unterliegen sie – wie im obigen Falle – der Pfändung nicht, muss das Kreditinstitut ihn darüber verfügen lassen. Eine Bindung an Arrestatorium und Inhibitorium besteht insoweit nicht. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 44.
2165 Das Kreditinstitut ist dem Schuldner daher gegenüber zur Leistung verpflichtet, egal ob der Kontoinhaber nicht erfasste Guthaben bzw. Gutschriftsbeträge nun bar abheben oder darüber z. B. mittels Überweisung oder durch Lastschriften auf Grund erteilter Einzugsermächtigung verfügen will. Kommt das Kreditinstitut dieser Pflicht nicht nach, muss sich der Schuldner an das Prozess-, nicht das Vollstreckungsgericht wenden, denn es handelt sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers, sondern um das von der Vollstreckungsmaßnahme unabhängige Verhalten des drittschuldnerischen Kreditinstitutes, das seinen vertraglichen/gesetzlichen Verpflichtungen aus §§ 908 Abs. 1 i. V. m. 899 ff. i. V. m. dem Girovertrag nicht nachkommt. LG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2011 – 25 T 155/11, BeckRS 2012, 2543; AG Charlottenburg, Beschl. v. 18.8.2011 – 32 M 4077/11, n. v.; LG Detmold, Beschl. v. 9.9.2010 – 3 T 220/10, BeckRS 2011, 1709.
2166 Verweigert ein Kreditinstitut zu Unrecht die Auszahlung, kommt eine gerichtliche Auszahlungsanordnung auch per einstweiliger Verfügung in Betracht. LG Münster, Beschl. v. 23.9.2010 – 5 T 577/10, BeckRS 2011, 60; AG Bremen, Urt. v. 24.8.2010 – 4C 412/10, ZVI 2010, 353;
2167 Die unangenehmen Folgen einer zu Unrecht verweigerten Auszahlung für ein Kreditinstitut hat der BGH eindrücklich dargelegt. BGH Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158; zu bereicherungsrechtlichen Fragen siehe Rn. 2817.
2. Mitteilungspflichten 2168 Die Mitteilungspflichten in Abs. 2 und Abs. 3 sind neu bzw. nun verbindlich gesetzlich geregelt. Die drittschuldnerischen Kreditinstitute haben technisch bzw. organisatorisch zu gewährleisten, dass den Schuldner die Informationen (rechtzeitig) erreichen können. 2169 Zu einen muss das Kreditinstitut den Schuldner über das im laufenden Kalendermonat noch verfügbare von der Pfändung nicht erfasste Guthaben informieren (Abs. 2 Nr. 1) und den Betrag, der mit Ablauf des laufenden Kalendermonats nicht mehr pfändungsfrei ist (Abs. 2 Nr. 2). Die Mitteilungspflichten in Abs. 2 Nr. 2 wurden als „Erleichterung für die Kreditinstitute“ durch den Rechtsausschuss in letzter Minute nochmals reduziert. Vgl. Ausschussdrucksache 19(6)185 v. 5.10.2020 zum PKoFoG, S. 32.
608
2. Mitteilungspflichten
Ein Kreditinstitut ist zudem nach § 908 Abs. 3 verpflichtet, bei unbefristeten 2170 Bescheinigungen, bei denen es nach Ablauf von 2 Jahren eine neue Bescheinigung verlangen will, den Schuldner mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem es die ihm vorliegende Bescheinigung nicht mehr berücksichtigen will, darüber zu informieren. Die Pflichten in § 908 zielen darauf ab, dem Schuldner – in Umsetzung der 2171 Empfehlungen des Schlussberichts iff – mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Zusammenhang mit den Ansparmöglichkeiten auf dem P-Konto zu verschaffen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44.
Wirklich neu sind im Grunde nur die Mitteilungspflichten in Abs. 2 Nr. 2 2172 und die Hinweispflicht in Abs. 3. Im DiskE waren im Übrigen statt drei noch acht sowie zwei optionale, also insgesamt zehn Mitteilungs- und Hinweispflichten vorgesehen, vgl. dort S. 17 und 52. Macht man sich klar, welcher Kelch damit an der Kreditwirtschaft vorbeigegangen ist, sollte sie diese neuen Pflichten im Wesentlichen klaglos hinnehmen (was auch so zu sein scheint).
Die Pflicht des Abs. 2 Nr. 1, den Schuldner über das im laufenden Kalender- 2173 monat noch verfügbare, von der Pfändung nicht erfasste Guthaben zu informieren, wurde durch die Kreditinstitute bereits vorher schon praktiziert. Sicherlich im Einzelfall hilfreich für den Schuldner ist die neue Mitteilungs- 2174 pflicht des Abs. 2 Nr. 2, ihn über den Betrag zu informieren, der mit Ablauf des laufenden Kalendermonats nicht mehr pfändungsfrei ist. Der RegE sah noch vor, dass ein Kreditinstitut den Schuldner über „einen aus vorangegangenen Monaten stammenden zusätzlichen pfändungsfreien Betrag i. S. v. § 899 Abs. 2 und den jeweiligen Zeitpunkt des Ablaufs des Schutzes“ informieren muss. Der Rechtsausschuss hat dies geändert und auch weniger Informationen für ausreichend gehalten, weil sich dadurch keine wesentlichen Nachteile zu Lasten des Schuldners ergeben.
Diese Pflicht zielt darauf ab, den Schuldner rechtzeitig davor zu warnen, dass 2175 vormals unpfändbare Beträge zu Beginn des nächsten Monats wieder der Pfändung unterliegen. Nicht warnen muss das drittschuldnerische Kreditinstitut den Schuldner davor, wenn die Monatsfristen des § 850l ablaufen und Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto dann droht der Pfändung zu unterliegen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Hinweispflichten des Abs. 2 dem Schuldner lediglich Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Zusammenhang mit den Ansparmöglichkeiten und Ansparbeträgen auf dem P-Konto verschaffen sowie über einen aus vorangegangenen Monaten stammenden zusätzlichen pfändungsfreien Betrag i. S. v. § 899 Abs. 2 und den jeweiligen Zeitpunkt des Ablaufs des Schutzes, vgl. RegE, S. 49.
609
IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908
2176 Wie üblich geht der Gesetzgeber einfach davon aus, dass diese zusätzlichen Mitteilungspflichten die Kreditinstitute nicht in unzumutbarer Weise belasten. In der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44, behauptet der Gesetzgeber wieder mal unbelegt, dass die „hierfür erforderlichen Informationen in den Datenbeständen der Kreditinstitute bereits hinterlegt sind oder ohne erheblichen Aufwand dort hinterlegt werden können“. Das mag für die Mitteilungspflicht des § 908 Abs. 1 Nr. 1 gelten; für die anderen neuen Mitteilungspflichten müssen die IT-Systeme neu programmiert werden, damit eine automatisierte und sichere Erfüllung der Pflichten gewährleistet ist. Dass dann kein über die Softwareumstellung hinausgehender dauerhafter Aufwand entsteht, ist schlicht falsch, denn soweit sich Kreditinstitut wie die Sparkassen und Geno-Banken oder Sparkassen zentraler IT-Dienstleister bedienen, entsteht den Kreditinstituten für jede Information, die abgerufen und dem Kontoinhaber zur Verfügung gestellt wird, dauerhaft Kosten.
2177 Ein Kreditinstitut muss den Guthabenbetrag sowohl nach Abs. 2 Nr. 1 als auch nach Nr. 2 mit dem konkret bezifferten Euro-Betrag angeben. Fremdwährungs-Zahlungskonten kommen als P-Konten nicht in Betracht, vgl. Rn. 1113.
2178 Wenn das Kreditinstitut daher den Schuldner ordnungsgemäß i. S. d. § 908 Abs. 2 Nr. 2 darüber informiert hat, dass mit Ablauf des Monats ein bestimmter beziffert angegebener Euro-Betrag wieder der Pfändung (oder Verrechnung nach dem AGB-Pfandrecht) unterliegt, kann der Kontoinhaber ab dem folgenden Monatsersten über den dann noch nicht verfügten Betrag nicht mehr verfügen. 3. Wie müssen die Mitteilungspflichten erfüllt werden? 2179 Das Kreditinstitut muss nach § 908 Abs. 2 den Schuldner „in einer für diesen geeigneten und zumutbaren Weise“ informieren. In der Gesetzesbegründung zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44 heißt es: „Die Mitteilungspflichten gegenüber dem Kontoinhaber belasten die Kreditinstitute nicht in unzumutbarer Weise, weil die hierfür erforderlichen Informationen in den Datenbeständen der Kreditinstitute bereits hinterlegt sind oder ohne erheblichen Aufwand dort hinterlegt werden können.“ Dass das nicht stimmt und wieder mal die IT-Gläubigkeit des Gesetzgebers belegt, mittels IT alles ohne Aufwand lösen zu können, zeigt sich auch hier wieder.
2180 Am Wortlaut der Gesetzesnorm orientiert, wendet sich die Forderung, dass die Information „zumutbar“ sein muss an das Kreditinstitut. Es heißt dort: „Das Kreditinstitut informiert den Schuldner in einer für diesen geeigneten und zumutbaren Weise“. Die Informationen sind zur Verfügung zu stellen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 45: Dort heißt es: „Dabei ist erforderlich, dass das Kreditinstitut dem Schuldner die genannten Informationen in für ihn zumutbarer und geeigneter Weise zur Verfügung stellt.“
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3. Wie müssen die Mitteilungspflichten erfüllt werden?
Was zur Verfügung stellen konkret bedeutet bleibt offen; hier kann man sich 2181 an ähnlichen zivilrechtlichen Informationspflichten orientieren, z. B. i. S. d. § 675d BGB. Grundsätzlich gibt es nach § 675a Abs. 1 Satz 1 zwei Möglichkeiten der Unterrichtung im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten. BeckOK BGB/Schmalenbach, § 675d Rn. 5, bezeichnet sie als strengere und weniger strengere Varianten die sich durch Formulierungen wie „mitzuteilen“ oder zu „übermitteln“ (strengere Variante) oder durch „zur Verfügung zu stellen“ oder „zugänglich zu machen“ (weniger strenge Variante) ausdrücken. Die Differenzierung, so Schmalenbach unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum RegE, BT-Drucks. 16/11643, S. 100, soll den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen der Kunden, aber auch technischen Aspekten und der Kosteneffizienz der Kreditinstitute Rechnung tragen.
Die Unterrichtungspflichten gem. § 675d BGB und die des § 908 stehen parallel 2182 nebeneinander. Ähnlich wie die Informationspflichten des § 675d BGB und die bei der Erbringung von Zahlungsdienstleistungen gem. §§ 5 ff. ZKG, so BeckOK BGB/Schmalenbach, § 675d Rn. 15. Auch dort war dem Gesetzgeber des ZKG klar, dass die fortbestehende Unterrichtungspflicht des § 675d BGB zu Doppelungen führen kann. Das hat er aber bewusst in Kauf genommen, vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7204, S. 59. Das dürfte grds. auch für die Informationspflichten des § 908 gelten.
Ob § 675d aber insgesamt für alle Informationspflichten des § 908 gleicher- 2183 maßen als Maßstab herangezogen werden, ist unklar. So wäre sicherlich vertretbar für den vergleichbaren Informationsgehalt des § 908 Abs. 2 Nr. 1, den Schuldner über das im laufenden Kalendermonat noch verfügbare von der Pfändung nicht erfasste Guthaben zu informieren. Dafür kann die weniger strenge Variante zum Tragen kommen. Erforderlich ist daher nur, dass das Kreditinstitut die Information bereit stellt, für den Abruf aber der Zahlungsdienstnutzer verantwortlich ist. Beispiel: K stellt S ab 15.1. die Information im Kontoauszugsdrucker zum Abruf durch S zur Verfügung, dass er diesen Monat noch über 100 € seines Guthabens auf dem P-Konto verfügen kann. S ruft den Kontoauszug erst am 1. Feb. ab und beschwert sich bei K, dass wenn er es rechtzeitig gewusst hätte, die 100 €, die er dringend im Januar gebraucht hätte und wofür er sich daher ein Privatdarlehen bei seiner Mutter gegen 10 % Zinsen hat aufnehmen müssen, abheben und das Darlehen hätte vermeiden können und verlangt den Zinsaufwand erstattet. Zu Recht? Nein, denn K hat die Information ordnungsgemäß ab 15.1. zur Verfügung gestellt. Es war insoweit eine für S geeignete und zumutbare Information. S hätte die Chance gehabt, die Information rechtzeitig abzurufen. Tut er das nicht, liegt es in seiner Verantwortung. Im Ergebnis so auch BeckOK BGB/Schmalenbach, § 675d Rn. 15.
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IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908
2184 Ob die Informationspflicht auch nach § 908 Abs. 2 Nr. 2 so erfüllt werden kann, ist dagegen nicht sicher. Dafür spricht zunächst derselbe Wortlaut. Dagegen spricht allerdings, dass § 908 einen eigenen, für den Schuldner im Zweifel bedeutsameren Informationsregelungsgehalt hat. Denn die Information über den Betrag, der mit Ablauf des laufenden Kalendermonats nicht mehr pfändungsfrei ist, also dann der Pfändung unterfällt und für den Kunden endgültig nicht mehr verfügbar gemacht werden kann, ist für den Kunden ungleich größerer Bedeutung als die Information, welcher Betrag noch verfügbar ist. Anders als im Falle des Abs. 2 Nr. 1, bei dem die nicht rechtzeitige Kenntnisnahme im Zweifel nur dazu führt, dass der Betrag nicht verfügt, aber als nicht verbrauchtes Guthaben in den nächsten Monat übertragen wird, gehen im Fall des Abs. 2 Nr. 2 ohne die rechtzeitig zugegangene Information für den Schuldner nach Ablauf des Monats Guthabenbeträge unwiederbringlich verloren. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung in diesem Fall künftig vom kontoführenden Kreditinstitut verlangt, zu gewährleisten, dass dem Kontoinhaber die Information auch tatsächlich rechtzeitig zugeht. Nur dann wird der Schuldner in einer für ihn geeigneten und zumutbaren Weise informiert. Beispiel: K stellt S ab 15.1. die Information im Kontoauszugsdrucker zum Abruf durch S zur Verfügung, dass mit Ablauf des laufenden Kalendermonats Januar 100 € nicht mehr pfändungsfrei sind. S ruft den Kontoauszug erst am 1. Februar ab und verlangt von K, ihm die 100 € im Feb. zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Zu Recht? Wohl ja, da S von K nicht rechtzeitig in einer für S geeigneten und zumutbaren Weise darüber informiert wurde, dass die 100 € ab Feb. der Pfändung unterliegen. S hätte zwar theoretisch die Chance gehabt, die Information rechtzeitig abzurufen, wenn er es aber aus irgendwelchen Gründen ausnahmsweise nicht tut, dann muss K durch einen rechtzeitig ausgelösten Zwangsausdruck, also die Erstellung eines dem S dann im Zweifel postalisch zugehenden Kontoauszuges gewährleisten, dass S diese Information auch tatsächlich rechtzeitig zugeht. K muss den Zwangsausdruck und postalischen Versand in der IT so administrieren, dass dieser Zwangsausdruck so rechtzeitig nach Zurverfügungstellung der Information dem S zur Verfügung gestellt wird, dass dieser die Information sicher vor Ende Ablauf des Monats Januar zur Kenntnis nehmen kann. Dazu sollten 5 Geschäftstage ausreichen, so dass zusammen mit der üblichen Postlaufzeit von max. 3 Tagen der Zwangs-Kontoauszug mit der entsprechenden Information nach § 908 Abs. 2 Nr. 2 mind. 8 Geschäftstage vorher ausgelöst werden muss. Ansonsten muss K den S so stellen, wie er stünde, wenn ihn die Information rechtzeitig erreicht hätte. Auch der Pfändungsgläubiger hätte im Übrigen ab. 1.2. einen Anspruch auf Auskehrung der 100 € an sich, da mit Ablauf des Monats Januar der Betrag wirksam der Pfändung unterliegt. So BGH Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158; zu bereicherungsrechtlichen Fragen siehe Rn. 2817.
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3. Wie müssen die Mitteilungspflichten erfüllt werden?
Dass K den Betrag nochmals auch dem S zur Verfügung stellen muss, ändert daran nichts. Zwar hat K dann gegen S dann einen bereichungsrechtlichen Ausgleichsanspruch (K hat schließlich zweimal gezahlt und S davon profitiert); dieser Anspruch geht aber dem Anspruch des Pfändungsgläubiger trotz des AGB-Pfandrechtes rangmäßig nach, weil K diesen Anspruch erst nach Eingang der Kontopfändung gegen S erworben hat. Gegen S kann K den Anspruch daher erst durch Auf-/Verrechnung befriedigen, wenn der vorrangige Pfändungsgläubiger voll befriedigt ist und sich anschließend pfändbare Beträge auf dem P-Konto oder sonstigen Konten ergeben. Wird die Information nach § 908 Abs. 2 Nr. 2 im elektronischen Postfach 2185 (elPo) zur Verfügung gestellt, ist nicht ausgeschlossen, dass Gerichte es erforderlich halten, auch noch eine Ankündigungs-E-Mail an die hinterlegte E-MailAdresse des Kunden zu senden, das im elPo neuen Informationen zur Verfügung stehen. Beispiel: K stellt S am 15.1. die Information ins elektronische Postfach (elPo) des S, dass 100 € seines Guthabens auf dem P-Konto nur noch bis einschließlich 31.1. pfändungsfrei sind. K informiert S zudem zeitgleich per Mail darüber, dass er eine neue Nachricht ins elPo eingestellt hat. S sieht sich den elektronischen Kontoauszug mit der Information erst am 1. Feb. an. Dass wäre wiederum eine für S geeignete und zumutbare Information. S, der eine Widmung seines elektronischen Postfachs als Empfangseinrichtung von Mitteilungen seines Kreditinstitutes durch eine Vereinbarung eines entsprechenden elektronischen Kommunikationswegs zwischen K und S geschlossen hat, beinhaltet die Zustimmung des Kunden zur elektronischen Zustellung von Dokumenten in das Postfach. Zu den Anforderungen siehe Placzek, in: Rotter/Placzek, § 3 Rn. 21 – 24.
Zweifel könnten allenfalls dann bestehen, wenn einem Kontoinhaber nicht 2186 zumutbar wäre, solche Informationen unverzüglich oder zeitnah abzurufen und die 14 Tage insofern zu kurz bemessen wären. So Thalmair, NJW 2011, 14, der der Ansicht ist, dass – anders als beim E-Mail-Posteingangs-Ordner – bei einem elektronischen Postfach nicht erwartet werden kann, dass der Kunde – ohne besonderen Anlass – diese täglich abruft. Dem ist zuzustimmen. Ein solcher Anlass wäre aber – wie im obigen Beispiel erfolgt –, wenn K den S auch noch per E-Mail informiert hat, dass es eine neue Nachricht ins elPo eingestellt hat, so auch Thalmair, a. a. O. Dann darf erwartet werden, dass S im obigen Beispielsfall das elPo zeitnah abruft.
In den AGB für die Nutzung des Elektronischen Postfachs ist dem Kunden 2187 üblicherweise eine regelmäßige Kontrolle des Elektronischen Postfachs auferlegt.
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IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908 So sehen die „Bedingungen für die Nutzung des Elektronischen Postfachs“ der Sparkassen in Ziff. 2.5 beispielsweise vor, dass der Kunden sein Elektronischen Postfach „regelmäßig, mindestens alle 14 Tage sowie unverzüglich nach Erhalt einer E-Mail-Benachrichtigung“ zu überprüfen hat.
2188 Erhält der Kunde daher eine E-Mail-Benachrichtigung, dass in seinem elPo eine neue Nachricht vorliegt, gilt sie ihm als zugegangen; jedenfalls spätestens einen Tag später, denn man wird dem Kunden zubilligen müssen, ggf. erst am nächsten Tag reagieren zu können. So auch Thalmair, NJW 2011, 14, der das für einen Verbraucher für ausreichend hält.
2189 Die Information nach § 908 Abs. 3, also die mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem das Kreditinstitut die ihm vorliegende unbefristete Bescheinigung nicht mehr berücksichtigen will, Mitteilung der Absicht des Kreditinstituts, eine neue Bescheinigung nach § 903 Abs. 2 Satz 3 zu verlangen, muss ebenfalls in Textform mitgeteilt werden und zwar auch dann wohl eher in der Art und Weise wie die Information zu § 908 Abs. 2 Nr. 2. Das Kreditinstitut muss gewährleisten, dass der Kunde die Mitteilung auch tatsächlich erhält. Denn auch hier sind ansonsten die Konsequenzen für den Schuldner drastisch: Die Erhöhungsbeträge unterliegen ab dem Zeitpunkt ab dem das Kreditinstitut die ihm vorliegende Bescheinigung nicht mehr berücksichtigt (wieder) der Pfändung und stehen ihm nicht (mehr) zur Existenzsicherung zur Verfügung. Insofern bezieht sich die Art und Weise der Information „in einer für den Schuldner geeigneten und zumutbaren Weise“ nur auf Abs. 2 des § 908; für Abs. 3 ist „Mitteilung“ als Begrifflichkeit gewählt, was schon deshalb in Gegensatz zu Abs. 2 einen strengere Informationsregelungsgehalt bedeutet.
4. Wie häufig müssen die Mitteilungspflichten erfolgen? 2190 Aus dem Wortlaut des Gesetzes selbst lässt sich diesbezüglich nichts Wesentliches entnehmen. Man wird lediglich sagen können, dass die Informationspflicht nach § 908 Abs. 2 Nr. 1 sicherlich monatlich zu erfolgen hat, weil das im laufenden Kalendermonat noch verfügbare, von der Pfändung nicht erfasste Guthaben sich natürlich monatlich ändern wird. 2191 Bezogen auf Abs. 2 Nr. 2 muss aber nur dann eine Information erfolgen, wenn überhaupt in diesem Monat ein Betrag gefährdet ist, mit Ablauf des laufenden Kalendermonats nicht mehr pfändungsfrei zu sein. Ist das nicht der Fall, gibt es auch keine Informationspflicht. Beispiel: S überträgt nicht verbrauchtes, aus Zahlungseingängen im Januar entstandenes Guthaben in den Februar und dann auch in den März. S erhält im Februar und März keine weiteren Gutschriften. K erteilt ihm Ende Februar und März nur
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4. Wie häufig müssen die Mitteilungspflichten erfolgen?
einmalig jeweils eine ordnungsgemäße Information nach § 908 Abs. 2 Nr. 1, nicht aber nach Nr. 2. Zu Recht? Ja. Die Information nach Abs. 2 Nr. 2 ist entbehrlich, weil mit Ablauf auch des Monats März, also im April, das übertragene Guthaben weiterhin pfändungsfrei ist. Gem. § 899 Abs. 2 Satz 1 wird nicht verbrauchte Guthaben in den drei nachfolgenden Kalendermonaten zusätzlich zu dem nach § 899 Abs. 1 geschützten Guthaben nicht von der Pfändung erfasst. Erst mit Ablauf des Monats April würde daher das übertragene bis dahin nicht verbrauchte Guthaben aus Januar wieder von der Pfändung erfasst, so dass K erst im Monat April S eine Information auch nach § 908 Abs. 2 Nr. 2 schuldet. Da die Pflicht so besteht, ist es müßig darüber zu lamentieren, ob diese Informationspflicht vor dem Hintergrund der deutlich verlängerten Übertragungsmöglichkeiten von jetzt drei Monaten (zuvor war es nur möglich, nicht verbrauchtes Guthaben in den nächsten, also einen Monat zu übertragen) wirklich notwendig gewesen wäre und noch Praxisrelevanz hat. Für den Schuldner hilfreich wird es in den wenigen Anwendungsfällen gleichwohl sein.
Wie häufig die Meldung ansonsten zu erbringen ist, ist unklar. Die Gesetzes- 2192 begründung liefert diesbezüglich ebenfalls keinen klaren Aufschluss. Die in der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 45 heißt es nur: „Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die entsprechende Mitteilung durch das Kreditinstitut zumindest einmal im Monat erfolgt, ansonsten jedoch jeweils auf Nach- bzw. Abfrage durch den Schuldner.“
In der Begründung zum RefE, der allerdings noch deutlich mehr Pflichten 2193 enthielt, hieß es dazu noch: „Die Mitteilung der erforderlichen Informationen soll in regelmäßiger Weise erfolgen. Dabei bietet es sich an, bei Abfragen des Kontostandes die – ohnehin bei dem Kreditinstitut vorhandenen – Informationen dem Kontoinhaber zur Kenntnis zu bringen.“, vgl. Referentenentwurf des BMJV v. 15.10.2019, S. 62, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/RefE_Pfaendungsschutzkonto_Fortentwicklungsgesetz.pdf;jsessionid=66BF9D48C0700593BA298B91146EB113.1 _cid289?__blob=publicationFile&v=5.
Die Informationen zu Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 könnten sicherlich – soweit die 2194 IT entsprechend administriert ist – grundsätzlich jeweils im Kontoauszug bzw. einer Kontostandabfrage regelmäßig, im Zweifel bezüglich. der Nr. 1 auch nach jedem Tag, an dem sich der Kontosaldo verändert zur Verfügung gestellt werden. Zu den Anforderungen an den Zugang, siehe oben. Die Mitteilung nach § 908 Abs. 2 Nr. 2 müsste eigentlich nur anlassbezogen erfolgen; Verbraucherschutzverbände wünschen sich, damit der Schuldner und Kontoinhaber noch besser sensibilisiert wird, dass die Information trotzdem monatlich erfolgt, auch wenn dann an der Stelle kein Betrag stünde, wenn mit Ablauf des Monats
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IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908 keine Guthaben zu verfallen droht. Diesem Wunsch zu entsprechen können drittschuldnerische Kreditinstitute natürlich, gesetzlich vorgeschrieben ist es nicht.
2195 Die Frage ist, ob es ausreicht, dass die Information einmal im Monat in Textform zur Verfügung gestellt wird oder mehrmals erforderlich ist. Dass es dieser Textform aber nicht zwingend bedarf, hat die Bundesregierung klargestellt. Der Bundesrat hatte in seiner 989. Sitzung am 15.5.2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gem. Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen und hat das auch bzgl. § 908 wie folgt getan: „Wie noch im Referentenentwurf in § 908 Absatz 8 Satz 1 ZPO-E vorgesehen, sollte für die in § 908 Absatz 2 ZPO-E genannten Informationen die Textform verlangt werden. Dies führt nicht nur zu Rechtsklarheit, sondern verhindert bereits im Ansatz etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betroffenen. … Um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollten die Mitteilungen i. S. d. § 908 Abs. 2 ZPO-E in Textform erfolgen.“, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, S. 55, „Stellungnahme des Bundesrates“. Die Bundesregierung hat darauf ablehnend Stellung genommen: „§ 908 Absatz 2 ZPO-E lässt es bewusst ausreichen, dass das Kreditinstitut dem Inhabenden des Pfändungsschutzkontos die Informationen über das zur Verfügung stehende, nicht der Pfändung unterworfene Guthaben in einer für die Schuldnerin oder den Schuldner geeigneten und zumutbaren Weise erteilt. Die Formulierung soll dem Kreditinstitut ermöglichen, Informationen auch in digitaler Form zur Verfügung zur stellen (beispielsweise per ‚App‘). Eine Information per ‚App‘ genügt der ‚Textform‘ jedoch nicht, wenn sie nicht dauerhaft auf dem Medium – Smartphone oder Tablet – gespeichert wird. Da in jedem Falle die Interessen der Schuldnerin bzw. des Schuldners berücksichtigt werden müssen, besteht kein Bedarf, die Regelung einzuengen.“
2196 In Textform reicht es daher auf jeden Fall aus und es reicht auch aus, wenn dies einmal im Monat geschieht. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 45.
2197 Ob der Kontoinhaber daneben jeweils stets auf Nach- bzw. Abfrage einen Anspruch hat, eine nochmalige Information zu erhalten, ist strittig. Der Gesetzgeber deutet an, dass die Pflicht nicht mündlich erfolgen kann. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 45: „Dabei ist erforderlich, dass das Kreditinstitut dem Schuldner die genannten Informationen in für ihn zumutbarer und geeigneter Weise zur Verfügung stellt. Daraus folgt, dass eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben wird, jedoch eine bloß mündliche Information als nicht ausreichend angesehen wird.“
2198 Nach Überzeugung des Autors bezieht sich das aber nur auf die Mindestanforderung der monatlichen Auskunft. Fragt der Kunde später nochmals nach, muss auch eine mündliche Auskunft genügen. Zudem wird es eine Missbrauchsbegrenzung geben müssen.
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5. Ankündigungspflicht des § 908 Abs. 3
Beispiel: S hat einmalig jeweils eine ordnungsgemäße Information nach § 908 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 erhalten. Er ruft nun mehrmals in der Woche bei seinem Kreditinstitut K an, um zu hören, wie hoch das im laufenden Kalendermonat noch verfügbare, von der Pfändung nicht erfasste Guthaben und welcher Betrag mit Ablauf des laufenden Kalendermonats nicht mehr pfändungsfrei ist. K erteilt ihm noch zweimal Auskunft, weigert sich aber dann, dies weiter zu tun. Zu Recht? Ja. S kann sich die Informationen nach einmaliger ordnungsgemäßer Information (in digitaler oder Textform) nun auch selbst erschließen. Denn er muss jetzt lediglich von den im Rahmen der Informationspflicht genannten Beträgen die zwischenzeitlichen Verfügungen abziehen. Diese Verfügungen sind ihm aus seinen jederzeit einsehbaren Kontoauszügen oder dem Kontostand im Rahmen des online bankings ersichtlich. 5. Ankündigungspflicht des § 908 Abs. 3 Die Mitteilung nach § 908 Abs. 3 hat ebenfalls nur anlassbezogen zu erfolgen, 2199 also nur dann, wenn das Kreditinstitut die Absicht hat, eine neue Bescheinigung nach § 903 Abs. 2 Satz 3 zu verlangen, weil die bisherige unbefristete Bescheinigung inzwischen mindestens 2 Jahre alt ist. Beispiel: S hat am 30.11.2019 seinem Kreditinstitut K eine Bescheinigung mit unbefristeter Geltungsdauer der Schuldnerberatungsstelle über Erhöhungsbeträge vorgelegt. Mit Inkrafttreten des PKoFoG verlangt K am 1.12.2021 eine neue Bescheinigung von S und teilt ihm dies zwei Monate vorher unter Bezugnahme auf den neuen § 908 mit. Darf bzw. muss K ab 1.12. die Erhöhungsbeträge nicht mehr berücksichtigen? Nein. Es muss sie weiter berücksichtigen. Erst mit Inkrafttreten kann sich K auf § 908 berufen. Das bedeutet, dass eine dann zwei Jahre alte Bescheinigung zwar mit der Vorankündigungsfrist von 2 Monaten neu verlangt werden kann, aber eben nicht vorher (jedenfalls nicht unter Bezugnahme auf § 908). Da K sich bei der Anforderung einer neuen Bescheinigung explizit auf § 908 bezogen hat, der zum Zeitpunkt der Mitteilung noch gar nicht in Kraft getreten ist, ist die Mitteilung insgesamt unwirksam. Sie kann auch nicht „geheilt“ werden. K kann also ab frühestens 1.12.2021 eine neue Mitteilung an S schicken und ihm mitteilen, dass es zwei Monate nach dem Zugang des Schreibens die ihm vorliegende Bescheinigung aus 2019 nicht mehr berücksichtigen wird. Die Fristberechnung erfolgt Tag genau. Will das Kreditinstitut die bisherige unbefristete Bescheinigung ab dem 15.3. nicht mehr berücksichtigen, muss die Mitteilung dem Schuldner spätestens am 15.1. zugegangen sein (Postlaufzeit geht zu Lasten des Versenders also des Kreditinstituts). Spätestens am 15.3. muss die Bescheinigung dann 2 Jahre alt sein, nicht bereits am 15.1., da es auf den Zeitpunkt ankommt, ab dem das Kreditinstitut die Bescheinigung nicht mehr berücksichtigen will.
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IX. Die Pflichten des Kreditinstitutes nach § 908
2200 § 908 Abs. 3 gilt nur für unbefristete Bescheinigungen. Beispiel: S hat am 30.11.2019 seinem Kreditinstitut K eine Bescheinigung mit Geltungsdauer „bis 31.8.2022“ der Schuldnerberatungsstelle über Erhöhungsbeträge vorgelegt. Mit Inkrafttreten des PKoFoG teilt K dem S am 1.12.2021 unter Bezugnahme auf den neuen § 908 mit, dass es bereits ab 1.3.2022 eine neue Bescheinigung von S haben will, weil seine Bescheinigung schon über 2 Jahre alt ist Darf K ab 1.4. die Erhöhungsbeträge nicht mehr berücksichtigen? Nein. Es muss sie weiter berücksichtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 903 Abs. 2 Satz 1 muss ein Kreditinstitut befristete Bescheinigungen für die Dauer beachten, für die sie ausgestellt sind. Nur bei unbefristeten Bescheinigungen hat das Kreditinstitut nach 2 Jahren das Recht von dem Kontoinhaber die Vorlage einer neuen Bescheinigung zu verlangen, muss es aber nicht (Kann-Bestimmung). 2201 Wenn ein Kreditinstitut positiv weiß, dass eine Bescheinigung nicht mehr zutrifft, darf es die auf Basis dieser mittlerweile unzutreffenden Bescheinigung gewährten Erhöhungsbeträge nicht mehr zugestehen. Beispiel: S hat am 30.11.2019 seinem Kreditinstitut K eine Bescheinigung mit Geltungsdauer „bis 31.8.2022“ der Schuldnerberatungsstelle über Erhöhungsbeträge vorgelegt. Durch einen Verkehrsunfall kommt eines der drei minderjährigen Kinder von S tragisch ums Leben, was eine Mitarbeiterin der K mitbekommt, weil sie durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verein die Familie des S sehr gut kennt. Sie teilt dies dem Kollegen in der Abteilung Pfändungsbearbeitung der K mit. K kürzt daraufhin – schweren Herzens – ab dem nächsten Monat die Erhöhungsbeträge für das Kind. Zu Recht? Ja. Zwar handelt es sich um eine befristete Bescheinigung, so dass § 903 Abs. 2 Satz 3 und 4 eigentlich nicht anwendbar wären, denn das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte bezieht sich auch nur auf die unbefristete Bescheinigung. Hier greift aber der Grundsatz ein, dass K dann nicht mehr schuldbefreiend an S die (vollständigen) Erhöhungsbeträge zahlen darf, wenn es positiv weiß, dass die Bescheinigung inhaltlich nicht mehr zutreffend ist. Die Bescheinigung kann aber weiter Grundlage für die restlichen Erhöhungsbeträge (der Ehefrau und der zwei weiteren Kinder) sein. S muss daher keine gänzlich neue Bescheinigung vorlegen. 2202 Hat ein Kreditinstitut tatsächliche Anhaltspunkte, dass die Angaben in der unbefristeten Bescheinigung unrichtig sind oder nicht mehr zutreffen, kann es eine neue Bescheinigung jederzeit verlangen, also auch ohne die Ankündigungsfrist des § 903 Abs. 3 einhalten zu müssen. Gleiches gilt, siehe obiger Fall, wenn es sich um eine befristete Bescheinigung handelt, denn nach § 903 Abs. 1 Satz 1 darf das Kreditinstitut aus Guthaben, soweit es als Erhöhungsbetrag unpfändbar ist, mit befreiender Wirkung gegenüber dem Schuldner an den Gläubiger leisten, bis der Schuldner dem Kreditinstitut nachweist, dass
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5. Ankündigungspflicht des § 908 Abs. 3
es sich um Guthaben handelt, das nach § 902 nicht von der Pfändung erfasst wird. Eine aus Sicht des Kreditinstitutes unrichtige oder nicht mehr zutreffende Bescheinigung erfüllt diese Bedingung natürlich nicht. Beispiel: S hat seinem Kreditinstitut K eine Bescheinigung über Erhöhungsbeträge mit Geltungsdauer „bis 31.8.2022“ der Schuldnerberatungsstelle vorgelegt. Eine Mitarbeiterin der K, die S Familie durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verein sehr gut kennt, erfährt dass der älteste Sohn inzwischen volljährig, seine Ausbildung abgeschlossen hat und nun angestellt ist, zuhause ausgezogen ist und mit seiner Freundin zusammen einen eigenen Haushalt führt. Sie teilt dies dem Kollegen in der Abteilung Pfändungsbearbeitung der K mit. K kürzt daraufhin noch für den laufenden Monat die Erhöhungsbeträge für diesen Sohn inkl. Kindergeld. Zu Recht? Ja. Die nicht mehr zutreffende Bescheinigung, von der K weiß, dass sie nicht mehr zutrifft, kann nicht länger Grundlage für die Gewährung der bisherigen Erhöhungsbeträge sein. Dass S damit unvermittelt – ohne Vor-Ankündigung – seine Erhöhungsbeträge teilweise verliert, hat er sich selbst zuzuschreiben. Erledigt sich eine Pfändung, muss ein Kreditinstitut allerdings dann nicht 2203 darauf hinweisen, dass sie die Bescheinigung nach Ablauf von zwei Jahren nicht weiter berücksichtigen will. Die Pflicht nach § 908 Abs. 3 gilt nur solange eine Pfändung besteht oder im Rahmen des § 901, solange das Aufrechnungsund Verrechnungsverbot greift. Die nach § 907 bestehende Verpflichtung des Schuldners, den Gläubiger auf 2204 eine wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse unverzüglich hinzuweisen, gilt nicht im Rahmen des § 903. Mit der in § 907 normierten Pflicht soll ausweislich der Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 44 lediglich den Gläubigern ermöglicht werden, eine Abänderung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts in solchen Fällen herbeizuführen, in denen die Voraussetzungen einer Festsetzung nach § 907 Abs. 1 ganz oder teilweise entfallen.
Ein Vollstreckungsschuldner hat aber die in § 836 Abs. 3 Satz 1 normierte, ganz 2205 allgemeine Pflicht, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 836 Rn. 12 mit dem Hinweis, dass dies auch Umstände erfasst, die sich erst nach Überweisung ergeben haben.
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X. Datenweitergabe und Löschungspflichten, § 909 ZPO § 850k Abs. 8 Satz 3 bis 5 a. F. enthielt bereits Vorschriften zur Weitergabe 2206 von Daten an Auskunfteien und zum Abruf dieser Daten im Zusammenhang mit dem P-Konto. § 909 greift die bereits bestehenden Vorschriften auf und ändert sie inhaltlich 2207 nicht. Lediglich bei Beendigung der Führung eines Kontos als P-Konto durch den Schuldner ist nunmehr eine Unterrichtungspflicht des Kreditinstituts gegenüber der Auskunftei neu eingeführt worden; auch die Auskunftei ist dann gesetzlich zur Löschung verpflichtet. 1. Auskunfteien-Meldeverfahren Bevor der Schuldner ein P-Konto eröffnen oder sein schon bestehendes Zah- 2208 lungskonto in ein P-Konto umwandeln kann, muss er versichern, dass er nicht bereits ein P-Konto unterhält. Um die Richtigkeit der Versicherung überprüfen zu können, hat der Gesetzgeber das mit diesem Verlangen konfrontierte Kreditinstitut ermächtigt, bei einer Auskunftei nachzufragen. Der Gesetzgeber hat in § 909 Abs. 1 die Regelung, die der Missbrauchsprävention dienen soll, inhaltlich unverändert gelassen. Die Regelung in § 909 Abs. 1 sieht vor, dass Kreditinstitute eingerichtete 2209 P-Konten an Auskunfteien melden und diese Auskunfteien auf Anfrage den Kreditinstituten mitteilen dürfen, ob schon ein P-Konto besteht. Auch die Klarstellung in § 909 Abs. 1 Satz 3, dass Verarbeitung nur zum 2210 Zwecke der Überprüfung der Richtigkeit der Versicherung nach § 850k Abs. 3 Satz 2 zulässig und zu anderen Zwecken auch mit Einwilligung des Kontoinhabers unzulässig ist, blieb so bestehen. Satz 3 wurde vor dem Hintergrund der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) eingesetzt. Der Begriff „Verarbeitung“ umfasst die damaligen Begriffe „Erhebung, Verarbeitung und Nutzung“, siehe Gesetzesbegründung zum Diskussionsentwurf des PKoFoG, S. 55, „Zu Absatz 1“.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers wurde mit der Vorgängernorm des 2211 § 909 ein Instrumentarium geschaffen, das geeignet ist, „der missbräuchlichen Einrichtung mehrerer Pfändungsschutzkonten desselben Kunden effektiv entgegenzuwirken“. BT-Drucks. 16/12714, S. 21, allerdings noch zur Vorversion des Gesetzes, das die SCHUFA als alleinige Auskunftei vorsah. Diese Exklusivität der SCHUFA als alleinige Auskunftei hat man später wegen verfassungs- und europarechtlicher Bedenken wieder aus dem Gesetz gestrichen, vgl. Sudergat, 2. Aufl., Rn. 571 ff.
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X. Datenweitergabe und Löschungspflichten, § 909 ZPO Die Entwicklung der bei der SCHUFA geführten P-Konten ist im Übrigen rasant: waren es Stand: 5.10.2011 noch 448.555 waren es Stand: 17.2.2013 schon 1.344.600 und per 30.6.2021 waren es bereits 2.750.603 P-Konten die im SCHUFA-Datenbestand gespeichert sind.
2. Mitteilungsbefugnis 2212 Die Kreditinstitute sind gem. § 909 Abs. 1 Satz 1 berechtigt, zum Zwecke der Überprüfung der Richtigkeit der Versicherung nach § 850k Abs. 3 Satz 2 die Tatsache der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos den Auskunfteien mitzuteilen. Damit lässt sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers die missbräuchliche Einrichtung mehrerer P-Konten bereits „im Vorfeld nahezu flächendeckend“ verhindern. BT-Drucks. 16/12714, S. 21, allerdings noch zur Konstellation als die SCHUFA alleinige Auskunftei war. Die Möglichkeit zur Meldung ist seit 28.12.2010 nicht auf die SCHUFA beschränkt; aufgrund der höchsten Marktabdeckung ist aber anzunehmen, dass die weitaus meisten Meldungen an die SCHUFA erfolgen, schon deshalb, weil sich das bereits aus den vertraglichen Beziehungen der Kreditinstitute mit der SCHUFA ergibt. Laut Stand 30.6.2021 sind nach eigenen SCHUFA-Angaben ca. 85 % aller Sparkassen, und jeweils über 90 % aller Genossenschaftsbanken und Groß- und Privatbanken der SCHUFA angeschlossen.
2213 Es gibt weiterhin keine gesetzliche Pflicht, die Einrichtung eines P-Kontos zu melden. Da es sich nur um eine Befugnis zu melden handelt („Das Kreditinstitut darf zum Zwecke der Überprüfung der Richtigkeit der Versicherung nach § 850k Abs. 3 Satz 2 Auskunfteien mitteilen …“), ist auch dadurch eine flächendeckende Meldung aller P-Konten nicht gewährleistet. Eine Melde-Pflicht wurde wohl schon 2010 deshalb vermieden, um insbesondere kleinere Kreditinstitute, die keinen Vertrag mit der SCHUFA abgeschlossen haben, nicht mittelbar zum Abschluss eines solchen Vertrages zu zwingen, so Leitfaden Deutschen Kreditwirtschaft (DK) 2. Aufl., Ziff. I, 10.3. Die SCHUFA ermöglicht es aber, mit ihr nur einen Vertrag ausschließlich zur Meldung und Abfrage von P-Konten zu schließen (siehe unten).
2214 Damit wird die Akzeptanz der Mitteilungsbefugnis durch die Kreditwirtschaft immer davon abhängen, dass bereits mit der Anlage eines P-Kontos eine weitestgehend automatische Meldung aus den IT-Systemen heraus erzeugt werden kann. Manuellen, weil dadurch teuren Aufwand, werden Kreditinstitute gerade in der kostenintensiven Pfändungsbearbeitung vermeiden. Siehe zu den Kosten Rn. 60; zum Aufwand speziell bei P-Konten siehe Rn. 2876.
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2. Mitteilungsbefugnis
Die SCHUFA, deren konstante Anteilseigner die Kreditbanken (34,7 %), 2215 Sparkassen (26,4 %), Privatbanken (17,9 %), Handel und andere (13,1 %) sowie die Genossenschaftsbanken (7,9 %) sind (Stand 2019), kann die größte Marktabdeckung unter den Auskunfteien vorweisen. Zur Diskussion über den Verkauf des zehnprozentigen Anteils der französischen Großbank Société Générale an den schwedische Finanzinvestor EQT Private Equity und dessen Absichten, die Anteile an der SCHUFA vollständig zu erwerben, siehe den Beitrag in der Süddeutschen Zeitung v. 27.1.22 unter https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schufa-verkauf-datenschutz-eqt-1.5515737.
Vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 sind angabegemäß alleine bei der SCHUFA 145.016 Anfragen zum Pfändungsschutzkonto gemacht worden. Sie bietet neben der sog. A-Vertrags-Variante dafür eigens für die nicht der 2216 SCHUFA angeschlossenen Kreditinstitute einen weiteren „Vertrag zum Bezug der Pfändungsschutzauskunft“ an. Dort allerdings ist in Ziff. 1.3 eine vertragliche Meldepflicht vorgesehen, ebenso wie in der A-Vertrags-Variante in den aktualisierten AGB.
Das Kreditinstitut meldet der SCHUFA unter dem Meldemerkmal „GP“, 2217 wenn eine Person ein P-Konto errichtet oder ein Girokonto in ein P-Konto umgewandelt hat. Gemeldet wird also – neben den Stammdaten Name, Vorname, Geschlecht, private Anschrift und – zur sichereren Identifizierung – ggf. Voranschrift und möglichst Geburtsdatum und Geburtsort – lediglich, dass der Kunde bei dem meldenden Kreditinstitut ein P-Konto unterhält. Nicht gemeldet wird, dass der Kunde kein P-Konto unterhält. Dadurch, dass nicht alle Kreditinstitute der SCHUFA angeschlossen sind 2218 und von diesen auch nicht alle den von der SCHUFA angebotenen „Vertrag zum Bezug der Pfändungsschutzauskunft“ abschließen werden, ist die Missbrauchsprävention nicht lückenlos. Dem Autor sind verschiedene Kreditinstitute bekannt, die es (zunächst) bei der Versicherung des Kunden belassen haben. Nicht klar ist, ob Kreditinstitute ihren vertraglichen Verpflichtungen, Daten zu den P-Konten zu melden, immer verlässlich nachkommen.
Da es keine gesetzliche Mitteilungspflicht gibt, kann dem Kreditinstitut aus 2219 einer unterlassenen Meldung auch keine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Pfändungsgläubigern entstehen. Die ggf. vertragliche Meldepflicht gegenüber der Schufa hat dagegen keinen drittschützenden Charakter, sondern dient der Datenlieferung für die Schufa, so dass der Pfändungsgläubiger aus dem Verstoß dagegen gegenüber dem drittschuldnerischen Kreditinstitut keinen Anspruch herleiten könnte.
Für den Pfändungsgläubiger entsteht ein Nachteil aus dem Unterhalten 2220 mehrerer Pfändungsschutzkonten ohnehin nur dann, wenn er auch genau bei
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X. Datenweitergabe und Löschungspflichten, § 909 ZPO
diesen Kreditinstituten, bei denen die P-Konten geführt werden, Kontopfändungen ausgebracht hat. Es dürfte davon auszugehen sein, dass das Unterhalten mehrerer P-Konten, wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, dazu führt, dass jeder weitere Vertrag über ein P-Konto nach § 134 BGB nichtig ist, vgl. BT-Drucks. 17/3356, S. 18 re. Spalte. Der mit einer evtl. Rückabwicklung solcher nichtigen Verträge verbundene Aufwand, dürfte wenig Freude bereiten.
2221 Zwar wird dem Gläubiger regelmäßig das Unterhalten mehrerer P-Konten des Schuldners nicht verlässlich aus den Drittschuldnererklärungen ersichtlich sein, da diese meist unmittelbar nach Pfändungseingang und damit meist vor der Umwandlung des gepfändeten Zahlungskontos in ein Pfändungsschutzkonto erstellt und abgegeben werden, aber das ändert nichts daran, dass das Kreditinstitut keine Schadensersatzpflichten treffen, weil es gesetzlich nicht zu einer Meldung verpflichtet ist. Das ist das vom Gesetzgeber (erneut) in Kauf genommene Risiko jedes Pfändungsgläubigers, das mit dem PKoFoG hätte anders geregelt werden können, aber nicht wurde.
2222 Insofern ist zwar möglich nach der Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto eine ergänzende Drittschuldnererklärung abzugeben, in der nun die Existenz des Pfändungsschutzkontos mitgeteilt wird. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4.
2223 Dies ist aber abzulehnen und wäre unter Aufwandsgesichtspunkten völlig unvertretbar, denn es würde für einen Großteil der Kontopfändungen zutreffen. Zudem dürfen – und tun das auch – die Kontopfändungsgläubiger davon ausgehen, dass spätestens nach der ersten Kontopfändung gegen eine natürliche Person das Zahlungskonto stets unmittelbar danach in ein P-Konto umgewandelt wird, da ansonsten grds. gar kein Kontopfändungsschutz bestünde. 3. Anfrage- und Auskunftsbefugnis 2224 Über § 909 Abs. 1 Satz 2 erhalten die Auskunfteien außerdem die Befugnis, auf Anfrage (anderer) Kreditinstitute zum Zweck der Überprüfung der Versicherung des Schuldners nach § 850k Abs. 3 Satz 2 Auskunft über ein bestehendes Pfändungsschutzkonto des Kunden zu erteilen. 2225 Diese enge Zweckbindung bedingt, dass die Auskunfteien nur mitteilen dürfen, ob der Kunde bereits ein P-Konto unterhält. BT-Drucks. 16/12714, S. 21.
2226 Nach einem Informationsblatt der SCHUFA, „SCHUFA-PfändungsschutzAuskunft“, dürfen die Stammdaten des Pfändungsschutzkontos (KontoNummer, Vertragsdatum und Kreditinstitut) nur mitgeteilt werden, wenn das P-Konto beim anfragenden Institut unterhalten wird.
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3. Anfrage- und Auskunftsbefugnis
Nach dem Willen des Gesetzgebers darf die Auskunft nach Satz 2 nur diesem 2227 Zwecke dienen, selbst wenn der Kunde einer anderen Verarbeitung seiner Daten zustimmen würde, § 909 Abs. 1 Satz 3. Das war schon in der Vorgängernorm so geregelt und ging auf die Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zurück, BGBl I 2009, 2254, die bereits am 1.4.2010 in Kraft getreten sind, vgl. BT-Drucks. 17/3356 v. 21.10.2010, S. 18/19.
Nach wie vor ist keine Anfrageverpflichtung der Kreditinstitute im Gesetz 2228 verankert. Zudem verlangen wohl alle Auskunfteien für die Auskunft Entgelte. Diese Kosten sparen sich einige Kreditinstitute nach wie vor; sie „vertrauen“ rein auf die Versicherung des Kunden. Hier hat sich auch eine gewisse „Gelassenheit“ der Kreditwirtschaft eingestellt; da das P-Konto regelmäßig ausschließlich auf Guthabenbasis geführt wird und seit 1.12.2021 wegen des § 850k Abs. 1 Satz 3 sogar ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden muss, besteht grundsätzlich kein großes Risiko. Allerdings könnte durch die deutliche Ausweitung des Aufrechnungs- und Verrechnungsschutzes im Rahmen des § 901 sich an dieser Einstellung etwas ändern, da Kreditinstitute ein Interesse daran haben werden, dass dieser Schutz nicht unberechtigt besteht und damit das AGB-Pfandrecht beschränkt.
Denn bei großen Kreditinstituten mit mehreren hunderttausend Pfändungen 2229 jährlich, und davon gibt es inzwischen einige, dürfte das einen mittleren fünfstelligen Betrag an Anfragekosten jährlich auslösen. Viel schlimmer aber wiegt der mit einer Anfrage verbundene und der mit der Änderung ggf. effizienter Arbeitsabläufe entstehenden Aufwand, der ein Vielfaches der Anfragekosten betragen dürfte. Erst mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung der Abläufe dürfte sich das relativieren.
Angesichts der extrem defizitären Pfändungsbearbeitung wenden manche Kreditinstitute hier weitere Kosten nicht auf. Das Kreditinstitut darf sich nur auf die Versicherung des Kunden, kein weiteres P-Konto zu führen, verlassen. Die Berücksichtigung der Ergebnisse einer Auskunftei-Auskunft dürfte für Kreditinstitute zwar von grundsätzlichem Interesse sein, so die Argumentation im Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4, „weil bei einem bereits bestehenden Pfändungsschutzkonto kein Anspruch des Kunden auf Führung eines Girokontos als Pfändungsschutzkonto besteht. Das würde den Aufwand bei Kontopfändungen erheblich verringern, da jegliches Guthaben nach Ablauf der Zahlungssperre an den Gläubiger ausgekehrt werden kann, sofern sich aus dem Insolvenzrecht nichts anderes ergibt.“,
aber Aufwand und Kosten werden in einigen Fällen bei der Abwägung trotzdem dazu führen, dass Kreditinstitute darauf verzichten.
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X. Datenweitergabe und Löschungspflichten, § 909 ZPO
2230 Unter Aufwandsgesichtspunkten ebenfalls kritisch zu sehen ist daher die weitere Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4,
eine Abfrage bei einer Auskunftei zumindest in den Fällen vorzunehmen, in denen eine Umwandlung eines Zahlungskontos zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem bereits das Guthaben dieses Kontos gepfändet ist. Auch das wird in sehr vielen Fällen zutreffen, da eine Umwandlung eines Zahlungskontos regelmäßig erst nach Eingang eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfolgt. 2231 Der P-Kontobestand eines Kreditinstitutes im Vergleich zum Gesamt-Kontobestand wird ohnehin eher marginal sein (was allerdings keinen Widerspruch zu der oben gemachten Aussage darstellt, dass jeder Cent Mehraufwand in der Pfändungsbearbeitung durch Kreditinstitute vermieden werden wird). Im Bestand der Schufa sind per 30.6.2021 2.750.603 P-Konten gespeichert.
2232 Durch die i. R. einer Auskunftei-Anfrage erhaltene Rückmeldung, dass der Kunde bereits über ein P-Konto verfügt, kann das Kreditinstitut zwar dann den Umwandlungsanspruch des Kunden ablehnen, aber diese Erkenntnis für den Ausnahmefall steht nicht in angemessenem Verhältnis zum Aufwand für alle Konten. 2233 In der Praxis hat sich zudem gezeigt, dass es nur in wenigen Fällen tatsächlich zu einer Mehrfach-Unterhaltung von Konten kommt. Der Schlussbericht iff, S. 44 kommt zu der Erkenntnis, dass nur in 0,05 % der Fälle eine doppelte P-Kontoführung festgestellt wurde; allerdings ist das der Durchschnittswert (der höchste Einzelwert lag bei über 12 %). Informationen der SCHUFA zu Missbrauchsfällen wurden vom iff seinerzeit angefragt, werden dort aber anscheinend nicht erfasst oder konnten nicht weitergegeben werden.
2234 Der Aufwand bei Kontopfändungen durch abgelehnte P-Konten wird sich daher „mangels Masse“ nicht deshalb erheblich verringern, weil ohne Dispositionsaufwand „jegliches Guthaben nach Ablauf der Zahlungssperre an den Gläubiger ausgekehrt werden kann“. So aber die Vermutung im Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4.
2235 Eine andere Bedeutung könnte die Anfrage nur dann erhalten, wenn das Unterlassen einer Anfrage für die Kreditinstitute nachteilige Folgen hätte. 2236 Nimmt das Kreditinstitut eine Auskunftei-Abfrage nicht vor, bevor es ein bestehendes Girokonto in ein P-Konto umwandelt, kann dem Pfändungsgläubiger aus der Führung mehrerer P-Konten theoretisch ein Schaden entstehen. Dadurch es aber keine Abfragepflicht gibt und P-Kontodaten möglicherweise nicht nur bei der SCHUFA verarbeitet werden, kann die Kausalität eines Schadens dem Kreditinstitut nicht angelastet werden. Denn selbst eine negativ beschiedene Anfrage bei
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3. Anfrage- und Auskunftsbefugnis einer Auskunftei, verhindert theoretisch nicht, dass doch mehrere P-Konten unterhalten werden, weil die P-Konten bei unterschiedlichen Auskunfteien gemeldet worden sind (auch wenn das selten der Fall sein dürfte, siehe Rn. 2211). Dass dem Pfändungsgläubiger aus der Führung mehrerer Pfändungsschutzkonten nur dann ein unmittelbarer Schaden entstehen kann, wenn er Guthaben auch tatsächlich auf mehreren Pfändungsschutzkonten gepfändet hat, scheint umstritten. Dafür spricht sich der Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4. aus; der Autor sieht das enger und meint, dass dem Pfändungsgläubiger auch dann ein Schaden entsteht, wenn er Guthaben nur auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet hat, weil der Schuldner trotzdem zu Unrecht Guthaben der Pfändung vorenthalten hat. Auf welchem Konto das dann der Fall ist, entscheidet sich erst im Nachhinein, wenn sich der Gläubiger im Rahmen des § 850k Abs. 4 für eines der Konten als weiter zu führendes P-Konto entscheidet.
Eine solche nachteilige Folge ist aber für ein drittschuldnerisches Kreditinstitut 2237 nicht zu erwarten. Denn wenn der Drittschuldner die Drittschuldnererklärungspflichten nach 2238 § 840 erfüllt hat und damit seinen Auskunftspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, hat er keine weiteren Pflichten dem Pfändungsgläubiger gegenüber. Eine ergänzende Drittschuldnererklärung ist dann nicht erforderlich, BGH, Urt. v. 1.12.1982 – VIII ZR 279/81, ZIP 1983, 34 = NJW 1983, 687. Die Drittschuldnerauskunft ist zudem eine reine Wissenserklärung über die Zustände im Zeitpunkt der Abgabe der Drittschuldnererklärung. Theoretisch könnte der Drittschuldner die Erklärung auch direkt sofort dem zustellenden Gerichtsvollzieher gegenüber abgeben, § 840 Abs. 3 Satz 1.
Dass Kreditinstitute gleichwohl diese ergänzende Mitteilung abgeben, kommt 2239 deshalb in der Praxis im Grunde nicht vor. Diesbezügliche Nachfragen durch Gläubiger gibt es zwar, aber (inzwischen) ebenfalls eher selten. Angesichts des Umstandes, dass Pfändungsschutz seit 1.1.2012 überhaupt nur noch über das P-Konto erlangbar ist, hat sich dieses Wissensdefizit auch relativiert. Der Pfändungsgläubiger wird bei natürlichen Personen unterstellen dürfen und tut das im Zweifel auch, dass spätestens nach der Kontopfändung jeder (natürliche) Schuldner sein Konto in ein P-Konto umwandelt. Denn anders ist ein Pfändungsschutz zu erhalten. Über 90 % der Pfändungen richten sich gegen Privatkunden, vgl. Rn. 36.
Der Pfändungsgläubiger, wenn er bei allen Kreditinstituten, bei denen der 2240 Schuldner ein P-Konto unterhält, eine Kontopfändung ausgebracht hat, einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schuldner und Mehrfach-P-Kontoinhaber hat, ist offensichtlich. Die Abgabe einer falschen Versicherung des Schuldners stellt eine Pflichtverletzung im Vollstreckungsverhältnis dar. BGH, Urt. v. 30.10.1984 – VI ZR 25/83, NJW 1985, 3080, 3081 = ZIP 1985, 121.
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X. Datenweitergabe und Löschungspflichten, § 909 ZPO
2241 § 850k Abs. 3 Satz 1 stellt außerdem ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Der Gläubiger könnte damit diesen Schadensersatzanspruch auch in einem späteren Restschuldbefreiungsverfahren des Schuldners als Forderung aus „vorsätzlich unerlaubter Handlung“ gerichtlich feststellen lassen, sodass diese Forderung nicht von der Restschuldbefreiung umfasst wäre, § 302 Nr. 1 InsO, und ihm die weitere Vollstreckung ermöglicht. Flankiert wird dies durch die in § 907 Abs. 2 Satz 2 normierte allerdings insoweit nur für § 907 geltende Pflicht des Schuldners, die Gläubiger unverzüglich auf eine wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse hinzuweisen, siehe dazu Rn. 2128.
4. Löschungspflichten 2242 Wird das Pfändungsschutzkonto für den Kontoinhaber nicht mehr geführt, hat das Kreditinstitut die Auskunfteien, die nach § 909 Abs. 1 Satz 1 von ihm eine Mitteilung erhalten haben, unverzüglich über die Löschung zu unterrichten, § 909 Abs. 2 Satz 1. 2243 Unverzüglich bedeutet zwar nicht sofort, aber ohne schuldhaftes Zögern. Im Zeitalter automatisierter und digitalisierter Meldungen, sollte das kein Problem sein, aber Kreditinstitute sind gehalten, das Erlöschen des P-Kontos bzw. der P-Konto-Eigenschaft taggleich, mindestens aber am nächsten Bankarbeitstag/ Werktag an die Auskunftei zu melden und darf diese Meldungen – ggf. aus Kosten- und/oder Aufwandsgründen – nicht erst monatlich oder gar vierteljährlich an die Auskunfteien melden. 2244 Gleiches gilt für die Auskunfteien nach Erhalt der Löschmeldung durch die Kreditinstitute. Auch die Auskunfteien müssen die Angabe über die Führung des Pfändungsschutzkontos unverzüglich löschen, § 909 Die SCHUFA jedenfalls löscht dies nach Meldung durch seinen Vertragspartner ebenfalls in der Regel tagesaktuell, spätestens jedoch am nächsten Werktag aus ihrem SCHUFA-Datenbestand. Das genügt den gesetzlichen Anforderungen.
2245 Hintergrund ist, dass der Schuldner/Kontoinhaber nicht an einem P-Kontowechsel/-Neueröffnung gehindert dadurch werden soll, dass im Datenbestand bei der Auskunftei noch ein P-Konto für ihn geführt wird, obwohl das nicht mehr zutrifft. Denn ohne unverzügliche Löschung würde eine Anfrage des neuen Kreditinstitutes ergeben, dass der Kontobeantragende noch ein P-Konto unterhält, was wiederum das anfragende Kreditinstitut berechtigen würde, eine Umwandlung in ein P-Konto abzulehnen. Ob ein Verstoß gegen Datenschutzpflichten nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern sogar Schmerzensgeldansprüche auslösen kann, ist allerdings strittig. Bejahend LG Lüneburg, Urt. v. 14.7.2020 – 9 O 145/19, mit ablehnender Stellungnahme Feller/Britz, BKR 2021, 306. Bejahend auch LG Mainz, Urt. v. 12.11.20213 – O 12/20, GRUR-RS 2021, 34695.
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XI. Verwaltungsvollstreckung, § 910 Vollstreckt die öffentliche Verwaltung, also insbesondere die Finanzämter, 2246 Kommunen, gesetzliche Krankenkassen oder der Zoll, in Kontoguthaben wegen Forderungen, die im Wege der Verwaltungsvollstreckung nach Bundesrecht beigetrieben werden, dann galt es zu regeln, dass auch dafür die in den §§ 850k und 850l sowie in Abschnitt 4 enthaltenen Regelungen gelten. Dies findet sich im neuen § 910. Zunächst ist aber festzustellen, dass wegen Forderungen, die im Wege der 2247 Verwaltungsvollstreckung nach Landesrecht beigetrieben werden, hier keine Regelung getroffen wurde. Diese Landesgesetzregelungskompetenz hat der Bundesgesetzgeber nicht, weshalb das unterbleiben musste. Für solche Kontopfändungen muss aber der Pfändungsschutz ebenfalls gelten; das geschieht bisher und auch künftig durch Verweise in den entsprechenden Landesvorschriften auf die Vorschriften der ZPO (oder AO). Diese Gesetzgebungskompetenz wird daher durch § 910 Satz 1 nicht berührt. Der Bundesgesetzgeber macht in der Gesetzesbegründung nur klar, dass es „in der Sache auch weiterhin geboten [ist], den Kontenpfändungsschutz im Ergebnis in der Verwaltungsvollstreckung nach Landesrecht gleichermaßen zu gewähren.“
In § 910 Satz 1 wird dann klargestellt, dass die in den §§ 850k und 850l sowie 2248 in Abschnitt 4 des 8. Buches der ZPO enthaltenen Regelungen auch in der bundesrechtlichen Verwaltungsvollstreckung gelten. Hier hat sich im Vergleich zur geltenden Rechtslage keine inhaltliche Änderung ergeben. Große Kritik gab es in der Vergangenheit am Verhalten der Vollstreckungs- 2249 behörden. Hier wird eine Interessenkollision als Grund vermutet, denn eine Behörde (also z. B. die Vollstreckungsstelle des Finanzamtes) die eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung selbst erlassen kann, aber auch dafür zuständig ist, die Pfändungsschutzentscheidungen zu treffen, die in anderen Fällen von den neutralen Vollstreckungsgerichten getroffen werden. Vgl. Schlussbericht iff, S. 149.
Die Behörden haben dann aber teilweise diesen Pfändungsschutz nicht gewährt.
2250
Exemplarisch dafür ein Beschluss des LG Mönchengladbach, Beschluss v. 30.3.2012 – 5 T 65/12, VuR 2014, 271: Dort hatte das ein Finanzamt einen Antrag auf Festsetzung des erhöhten Pfändungsbetrags mangels Zuständigkeit abgelehnt, woraufhin erst das vom Schuldner angerufene Vollstreckungsgericht die Zuständigkeit des Finanzamts diesem „erklären“ musste.
Sie haben aber in der Praxis oftmals auch zu niedrige Freibeträge festgesetzt 2251 und sich damit unzulässigerweise selbst zu „quasi-privilegierten“ Pfändungsgläubigern gemacht.
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XI. Verwaltungsvollstreckung, § 910
Beispiel: Während der Freibetrag für gewöhnliche Gläubiger möglichweise 1.500 € betrug, haben Vollstreckungsbehörden in solchen Fällen, obwohl sie nicht wegen privilegierter Forderungen vollstreckt haben, den Freibetrag auf 1.400 € festgesetzt, so dass sie möglicherweise häufiger oder überhaupt nur, pfändbare Beträge erzielen konnten. Der Schuldner, zumal wenn er mit der respekteinflößenden Vollstreckungsstelle eines Finanzamtes zu tun hatte, hat sich in diesen Fällen oftmals nicht gewehrt. 2252 Der Gesetzgeber hat hierzu in der Gesetzesbegründung des PKoFoG selbst ausgeführt: „Trotz ihres überwiegenden Anteils an den Kontopfändungen sind die Vollstreckungsbehörden weit weniger im Bereich des Vollstreckungsschutzes tätig als die Amtsgerichte, woraus der Bericht (gemeint ist der Schlussbericht iff) schlussfolgert, dass den betroffenen Verwaltungen ihre Rolle und ihre Befugnisse im Gefüge der Regelungen zum P-Konto nicht hinreichend bewusst seien (vgl. Schlussbericht, S. 164).“
2253 Vor diesem Hintergrund sah sich der Gesetzgeber veranlasst, im Satz 1 klarzustellen, dass und welche Aufgaben den Verwaltungsbehörden bei der Kontopfändung zukommen. 2254 Ob dem Schuldner, wie der Gesetzgeber glaubt, damit Transparenz bezüglich seiner Rechtsstellung vermittelt wird, sofern ihm der Pfändungsschutz verwehrt wird, sei dahingestellt; indes dem Autor fehlt der Glaube. 2255 Satz 2 regelt, wann die Vollstreckungsbehörde an die Stelle des Vollstreckungsgerichts tritt. 2256 Hier hat der Gesetzgeber einige Änderungen in den Zuständigkeiten vorgenommen, es aber gescheut, diese noch weiter zu Lasten der hinsichtlich des Pfändungsschutzes „schwerfälligen“ Vollstreckungsbehörden einzuschränken. 2257 Inhaltlich sind die Vollstreckungsgerichte zuständig für folgende Entscheidungen: x
§ 850k Abs. 4 Satz 1 [= Schuldner unterhält mehrere P-Konten]; das ist eine Zuständigkeit, die den Vollstreckungsgerichten schon bisher zugeordnet war;
x
§ 904 Abs. 5 [= Rückrechnung im Zusammenhang mit laufenden Geldleistungen]; das ist eine Zuständigkeit, die den Vollstreckungsgerichten neu zugeordnet wurde;
x
§ 907 [= befristete Anordnung der Unpfändbarkeit]; diese Zuständigkeit hatten die Vollstreckungsgerichte schon bislang.
2258 Die Vollstreckungsbehörden bleiben zuständig bei x
§ 900 Abs. 1 Satz 2 [Festsetzen abweichende Auszahlungssperre];
x
§ 905 [Ersatzbescheinigung, falls Schuldner keine erlangen kann];
x
§ 906 [Festsetzen eines abweichenden Pfändungsfreibetrag (bei Mehrverdienst; Unterhaltsgläubiger).
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XI. Verwaltungsvollstreckung, § 910
In diesen Fällen tritt die Vollstreckungsbehörde an die Stelle des Voll- 2259 streckungsgerichts, unabhängig von der Qualifizierung der durch die Vollstreckungsbehörden beizutreibenden Forderung als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich. Dass die vorgesehenen Zuständigkeiten dafür bei den Vollstreckungsbehörden 2260 verbleiben, dient nach Aussage des Gesetzgebers der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung; eine Übertragung der Zuständigkeit auf das Vollstreckungsgericht sei in diesen Fällen nicht erforderlich, weil sie einzelfallbezogene Fragestellungen betreffen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 46.
Gerade diese Fälle aber waren es, die Vollstreckungsbehörden immer wieder 2261 unzureichend entscheiden haben. Der Gesetzgeber hat damit – wie so oft – den effizienten Schuldnerschutz der Justizentlastung geopfert. Ernst kann man den Gesetzgeber dann manchmal nicht mehr nehmen: Wenn Schuldnerschutz durch Indienstnahme Privater gewährleistet werden muss, dann hat er einen hohen Stellenwert, wenn Schuldnerschutz aber auf Mehrbelastung oder mangelnde Entlastung der Justiz trifft, ist er nicht mehr ganz so wichtig. Dann werden euphemistisch mittels leerer Worthülsen andere, wichtigere Begründungen gesucht (Transparenz und Vereinfachung und Beschleunigung etc.), die aber lediglich vorgeschoben sind. In den Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht (neu) zuständig ist, also im 2262 Rahmen des § 904 Abs. 5, ist dem Gesetzgeber die Einheitlichkeit des Vollstreckungsschutzes wichtig. Das sind Konstellationen – wie schon bei der Zuständigkeit im Rahmen des § 850k Abs. 4 Satz 1, wenn der Schuldner mehrere Pfändungsschutzkonten unterhält und auf Antrag des Gläubigers anzuordnen ist, dass nur das von dem Gläubiger ausgesuchte Zahlungskonto dem Schuldner als Pfändungsschutzkonto verbleibt – bei denen regelmäßig mehr oder alle Kontopfändungsgläubiger betroffen sind und daher Interessen der betroffenen Gläubiger zu berücksichtigen sind. Im Falle der Zuständigkeit gem. § 904 Abs. 5, also die Verteilungsberechnung 2263 von Nachzahlungen, erscheint dem Gesetzgeber eine Entscheidung der Vollstreckungsgerichte ebenfalls besser geeignet, da „bei der Rückrechnung im Zusammenhang mit laufenden Geldleistungen nicht unerhebliche rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten auftreten können, zumal die Rückrechnung sich in der Regel auf eine Nachzahlung aus einem für die zuständige Behörde fachfremden Bereich beziehen würde.“ Man kann sich des Eindrucks manchmal nicht ganz erwehren, dass die Argumente bedarfsweise so aufgerufen und bemüht werden, wie es gerade hilfreich ist. Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für Anträge nach § 907, Fest- 2264 setzung einer befristeten Unpfändbarkeit, vormals § 850l a. F. bestand bereits nach alter Rechtslage und wird beibehalten. 631
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen 1. Ende/Beendigung einer Kontopfändung Das Ende bzw. die Beendigung einer Kontopfändung kann auf unterschiedliche 2265 Weise geschehen. Neben dem Pfändungsgläubiger, der die Pfändung aufhebt, kann dies auch durch gerichtliche Anordnung geschehen oder schlicht dadurch, dass die Pfändung durch Zahlung erledigt wird. a) Der Verzicht auf die Pfändung und Überweisung durch den Pfändungsgläubiger, § 843 Eine Kontopfändung kann dadurch entfallen und seine Wirkungen vollständig 2266 verlieren, dass der Pfändungsgläubiger auf die Pfändung verzichtet, § 843 Satz 1. Damit verzichtet der Gläubiger sowohl auf die Rechte aus der Pfändung als auch der Überweisung. Isoliert – ohne Zustimmung des Drittschuldners – nur auf die Überweisung zu verzichten, geht nicht; schon deshalb nicht, weil der BGH einen (auch nur einstweiligen) Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen hat, vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, NJW-RR 2016, 319.
Der Pfändungsgläubiger verliert durch den Verzicht auf Pfändung und Über- 2267 weisung aber nicht seinen titulierten Anspruch. Vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 843 Rn. 1.
Nachrangige Kontopfändungsgläubiger rücken dann entsprechend auf. Einen solchen Verzicht wird der Gläubiger nur dann erklären, wenn er ohnehin 2268 mit der Aufhebung rechnen muss, etwa um einer Drittwiderspruchsklage zuvorzukommen, z. B. wenn es sich um ein Treuhandkonto handelt, das gepfändet wurde, oder, noch seltener, wenn er sich mit dem Schuldner darauf geeinigt hat. Die Vorschrift ist nur bei Pfändung und Überweisung zur Einziehung anwendbar, weil der Gläubiger bei der Überweisung an Zahlungs statt, § 835 Abs. 2, vgl. dazu Rn. 247, bereits durch den Forderungsübergang befriedigt wurde, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich§ 843 Rn. 2. Nach Befriedigung ist aber die Kontopfändung erledigt; gepfändete Forderung, das Pfandrecht und die zu vollstreckende Forderung sind damit erloschen.
Nach § 843 Satz 2 muss die Verzichtserklärung dem Schuldner zugestellt 2269 werden. Erst mit dieser Zustellung an den Schuldner erlöschen Verstrickung und Pfandrecht. Auch dem drittschuldnerischen Kreditinstitut ist diese Erklärung des Pfändungsgläubigers zuzustellen, auch wenn dies eine bloße Mitteilung ist; die Wirkung löst die Zustellung des Verzichts an den Schuldner aus,
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
der sie dem drittschuldnerische Kreditinstitut vorlegen könnte, um das Erlöschen der Kontopfändung nachzuweisen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut ist durch § 836 Abs. 2 solange geschützt, bis es selbst Kenntnis vom Verzicht erlangt.
2270 In der Praxis wird diese formale Anforderung (Zustellung) meist nicht eingehalten, sondern der Gläubiger teilt dem Schuldner und dem drittschuldnerischen Kreditinstitut mittels einfacher schriftlicher Erklärung den Verzicht mit. Das ist möglich und zulässig BGH, Urt. v. 26.1.1983 – VIII ZR 258/81, NJW 1983, 886 (887).
2271 Auf Antrag eines der Beteiligten muss das Vollstreckungsgericht den ergangenen Beschluss aber aus Klarstellungsgründen aufheben. BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 293/00, NJW 2002, 1788 (1789); dies dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Die Beteiligten haben ein berechtigtes Interesse, entsprechende Rechtsklarheit herbeizuführen.
2272 Auch eine Erklärung des Gläubigers, seinen gestellten Antrag auf Erlass eines PfÜBs zurückzunehmen, wäre als Verzicht auf die Rechte aus dem PfÜB gem. § 843 zu werten. Auch dann hat das Vollstreckungsgericht den PfÜB zur Klarstellung auf Antrag aufzuheben, OLG Köln, Beschl. v. 3.3.1995 – 2 W 25/95, JurBüro 1995, 387.
2273 In beiden Fällen müsste dann aber im Zweifel der Gläubiger die Kosten tragen, falls er nicht nachweist, dass auch der Verzicht (die Rücknahme) notwendig war. Das wird z B. der Fall sein, wenn der Gläubiger von Bestand und Durchsetzbarkeit der gepfändeten Forderung ausgehen durfte und sich erst später herausstellt, dass ein Verzicht unerlässlich ist, vgl. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 843 Rn. 9.
2274 Hat der Gläubiger verzichtet, kann er dies nicht mehr rückgängig machen, auch dann nicht, wen der klarstellende Beschluss des Vollstreckungsgerichts noch nicht gefasst wäre. Er wäre aber natürlich berechtigt, eine erneute Pfändung derselben Forderung beim selben drittschuldnerische Kreditinstitut zustellen zu lassen. b) Gerichtliche Aufhebung der Pfändung 2275 Neben den oben geschilderten klarstellenden Beschlüssen eines Vollstreckungsgerichts, kann das Gericht auch nach anderen Vorschriften einen PfÜB aufheben. Die Möglichkeit nach § 833a Abs. 2 Nr. 1 2011 als eine mögliche Schutzvariante die vollständige Aufhebung einer fruchtlosen und unverhältnismäßigen Pfändung vornehmen zu lassen, allerdings besteht nicht mehr. Diese war vom Gesetz her nur zeitlich befristet (ausführlich dazu Sudergat, 2. Aufl., Rn. 702 – 704) möglich. Seit
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1. Ende/Beendigung einer Kontopfändung dem 1.1.2012 ist eine Aufhebung im Nachfolge-Paragraph § 850l-2012, und der entsprechenden Verweisungsnorm in der AO, § 309 Abs. 3 AO-2012, nicht mehr vorgesehen. Nachdem seit dem Kontopfändungsschutz nur noch über ein P-Konto erlangt werden kann, sah der Gesetzgeber durch den dann ausreichend gewährleisteten Schutz über § 850k offensichtlich keine Notwendigkeit mehr für eine Pfändungsaufhebung, BT-Drucks. 16/12714, S. 22. Im Schlussbericht iff, S. war zwar angeregt worden, S. 162, dies wieder einzuführen; der Gesetzgeber hat das aber im PKoFoG nicht aufgenommen.
Die Aufhebung ist nach anderen Vorschriften möglich, so §§ 775 Nr. 1 und 776 2276 oder auch i. R. d. § 765a. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme wird regelmäßig sofort 2277 wirksam. BGHZ 66, 394 = NJW 1976, 1453. Die Aufhebung eines Pfändungsbeschlusses wird jedoch erst mit Bekanntgabe der Entscheidung wirksam, nicht rückwirkend, BGH, Urt. v. 22.6.1977 – VIII ZR 5/76, NJW 1977, 1881. Das Pfändungspfandrecht und die Folgen der Überweisung entfallen dann mit der aufhebenden Entscheidung. Instruktiv, Aufhebung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Auszahlung vom Notaranderkonto an den Pfändungsgläubiger, Aus der Gutachtenpraxis des DNotI, DNotI-Report 2004, 9.
Will der Gläubiger dann erneut pfänden, muss er einen neuen PfÜB beantragen. 2278 Die aufgehobene Pfändung kann nicht wieder aufleben. Siehe oben; ebenso Kindl, in: Kindl/Meller-Hannich, § 829 Rn. 169. Ein einmal aufgehobener Beschluss kann auch nicht im Rechtsmittelverfahren wieder hergestellt werden, BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 9/11, WM 2013, 614.
Haftungsfalle: Beispiel: Gläubiger G hat durch das Vollstreckungsgericht eine Kontopfändung gegen Schuldner S bei dessen Kreditinstitut K ausgebracht („Anspruch D“). Das Arbeitsgericht stellt die Zwangsvollstreckung einstweilen ein. S legt K den Beschluss vor. K gibt das Konto wieder frei. Zu Recht? Nein. Zwar kann – und muss ggf. – das Arbeitsgericht im arbeitsgerichtlichen Verfahren die einstweilige Einstellung der Vollstreckung beschließen, § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i. V. m. §§ 707 Abs. 1 und 719 Abs. 1. Für die Umsetzung solcher Entscheidungen – hier die einstweilige Einstellung der Vollstreckung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – im Vollstreckungsverfahren aber, ist nur das Vollstreckungsgericht zuständig, § 775 Nr. 1 – 3 und § 776. Die Einstellung der Vollstreckung (§ 775) und ggf. die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen (§ 776), darf daher nur das Vollstreckungsorgan vornehmen. BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, NZI 2008, 737.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
Die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung darf durch das Vollstreckungsorgan auch nur erfolgen, wenn die in § 775 geregelten Voraussetzungen vorliegen, nach § 775 Nr. 2 also „wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf“. Das ist hier der Fall. S muss daher erst mit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung zum Vollstreckungsgericht gehen; die dann notwendige konkrete sog. Ausführungsentscheidung zur einstweiligen Einstellung des konkreten PfÜB wird dann vom Vollstreckungsgericht getroffen, das den PfÜB erlassen hatte. Praxistipp: Auf eine Auskehrung an den Gläubiger sollte das drittschuldnerische Kreditinstitut in dieser Phase trotzdem verzichten, auch wenn die Auskehrungsreife durch Ablauf von Moratorien etc. bereits gegeben wäre. Die Ausführungsentscheidung des Vollstreckungsgerichts steht im Zweifel ja unmittelbar bevor; der Gläubiger wird im Hinblick auf die Entscheidung des Prozessgerichts, das ja bereits die Vollstreckung einstweilen eingestellt hat, sicher auch keine Auskehrung an sich beanspruchen.
2279 Im Rahmen des § 732 Abs. 2 sind auch weitere Maßnahmen der einstweiligen Einstellung möglich, § 906 Abs. 3 Nr. 2. Wegen des Rechts zur Abhilfe des Vollstreckungsgerichts kann es auch den Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 766 Abs, 1 Satz 2, § 732 Abs. 2 verfügen, LG Frankenthal, Beschl. v. 17.9.1984 – 1 T 270/84, Rpfleger 1984, 424. Der Rechtspfleger kann z. B. die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen (auch gegen Sicherheitsleistung) oder verfügen, dass die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf. Dagegen wiederum ist eine befristete Rechtspflegererinnerung möglich, über die dann aber der Richter des Amtsgerichts abschließend entscheidet, § 11 Abs. 2 RPflG.
Diese sollen hier nicht weiter im Detail besprochen werden. Für Details zu den Rechtsbehelfen, vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.378 ff.
2280 Für das drittschuldnerische Kreditinstitut bestehen diesbezüglich aber regelmäßig keine Probleme, da es lediglich den Anordnungen der Beschlüsse folgen muss. Haftungsfalle Rechtskraft: 2281 Wenn der Rechtspfleger einer Erinnerung, weil er sie für begründet hält, abhilft und den PfÜB aufhebt, kann die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses bis zur Rechtskraft hinausgeschoben werden. BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 9/11, NJW-RR 2013, 765.
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1. Ende/Beendigung einer Kontopfändung
Damit erlischt das Pfändungspfandrecht und der Rang der aufgehobenen 2282 Pfändung ist damit unwiderruflich verloren. Stöber/Rellermeyer, Rn. B. 408.
Die Konsequenz sollte dadurch vermieden werden, dass die Wirksamkeit der 2283 Aufhebung zu ihrer Rechtskraft hinausgeschoben wird. Da diese Anordnung im Ermessen des Vollstreckungsgerichts steht, sollte der Gläubiger sie bedarfsweise anregen, wenn dieser Schutz des Gläubigers zur Anwendung eines möglichen Rechtsverlustes angezeigt ist. Stöber/Rellermeyer, Rn. B. 409.
Der Drittschuldner darf bei Vollstreckungsschutz nach § 765a zwischen der 2284 Aufhebung des PfÜBs und Rechtskraft noch nicht an den Schuldner zahlen. Ein solcher Aufhebungsbeschluss wird gem. § 765a Abs. 5 erst mit Rechtskraft wirksam. Auch wenn der aufhebende Beschluss nicht ausdrücklich anordnet, dass die Aufhebung erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut darauf achten. Der Drittschuldner, der von einer Aufhebung allerdings nichts weiß, ist bei 2285 Zahlung an den Gläubiger durch § 836 Abs. 2 geschützt. Der Schuldner muss das gegen sich gelten lassen. BGH, Urt. v. 9.6.1976 – VIII ZR 197/75, NJW 1976, 1453.
c) Beendigung durch vollständige Begleichung der Pfändungsforderung Wird die gepfändete Forderung, ggf. nebst Zinsen und Kosten des Pfändungs- 2286 und Überweisungsbeschlusses, vollständig durch das drittschuldnerische Kreditinstitut bezahlt, erlöschen das Pfandrecht und die Verstrickung ohne weiteres Zutun. Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, § 835 Rn. 20. Zur Berücksichtigung der richtigen Kosten des Beschlusses, siehe Rn. 252.
Mit Eingang des Betrages beim Pfändungsgläubiger gilt der Pfändungsgläubiger 2287 im Verhältnis zum drittschuldnerischen Kreditinstitut bezüglich der gepfändeten Forderung, und das alleine ist für das drittschuldnerische Kreditinstitut maßgeblich, als vollständig befriedigt. Es mag sein, dass der Pfändungsgläubiger (inzwischen) noch weitere Forderungen gegen den Schuldner erworben hat, z. B. durch weitere Kosten der Vollstreckung bei der Vollstreckung in andere, weitere Vermögenswerte, aber wenn die Forderungen aus dem PfÜB vollständig bezahlt wurden, ist jedenfalls der PfÜB erledigt. Beachte die „Haftungsfalle: Forderungshöhe“, Rn. 252.
Soweit keine nachrangigen Pfändungsgläubiger mehr vorhanden sind, sind 2288 die gepfändeten Ansprüche des Schuldners damit wieder pfändungsfrei. Dass damit nicht zwingend auch gleich wieder der Rückgriff auf das AGB-Pfandrecht und die Verrechnung und Aufrechnung des
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen Kreditinstitutes möglich ist, verhindert ggf. § 901, vgl. Rn. 1526 ff. Das muss das Kreditinstitut weiterhin beachten.
Nachrangige Kontopfändungsgläubiger rücken dann entsprechend auf. 2. Die Zahlungsmoratorien des § 835 2289 Die Verwertung einer Forderung erfolgt durch deren Überweisung „an Zahlungs statt“ oder „zur Einziehung“, § 835 Abs. 1 (siehe dazu Rn. 245 ff.; zu beachten auch die Haftungsfallen durch die amtlichen ZVFV-Vordrucke). Daran haben beide Reformen nichts geändert. Ebenso blieb Absatz 2 unverändert. 2290 In § 835 Abs. 3 Satz 2 und in Abs. 4, der der ehemalige Abs. 5 a. F. ist, wurde lediglich durch das PKoFoG die Sperrfrist von vier Wochen in einen Monat geändert. Damit wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 27, weil der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen und für das Guthaben auf dem P-Konto jeweils monatsbezogen erfolgen, vereinheitlichen mit den Fristen im Zusammenhang mit der Pfändung von Konten und meint damit eine Vereinfachung der Rechtsanwendung herbeizuführen.
Beispiel: Das Zahlungskonto des Schuldner S bei Kreditinstitut K wird am 14.9. mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gepfändet, die 200 € pfändbares Guthaben erfasst. Das Kreditinstitut ist nun gehindert das Guthaben vor Ablauf eines Monats (= 14.10. 24:00 h) nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an K dieses Guthaben an den G auszukehren oder den Betrag zu hinterlegen. 2291 Die Frist (Einmal-Moratorium) soll gewährleisten, dass der Schuldner ausreichend Zeit hat, sich Rechtsschutz zu verschaffen. 2292 Der Beginn der Frist setzt allerdings einen Überweisungsbeschluss voraus; ein Pfändungsbeschluss, Arrest, europ. Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung oder eine Vorpfändung reicht nicht aus. Variante: Das Zahlungskonto der Schuldnerin S GmbH bei Kreditinstitut K wird am 14.9. mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gepfändet, die 200 € pfändbares Guthaben erfasst. Wann darf K an den Gläubiger dieses Guthaben an den G auszukehren? Unverzüglich! § 835 Abs. 3 schützt nur Schuldner, die natürliche Personen sind. Die S GmbH ist nicht geschützt. Ein Freiberufler oder auch ein Selbstständiger (Einzelfirma, e. K.) soweit sie natürliche Personen sind, sind auch mit einem Ge-
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2. Die Zahlungsmoratorien des § 835 schäftskonto oder gewerblichen P-Konto, geschützt weil auch dahinter eine natürliche Person, nicht notwendigerweise aber auch ein „Verbraucher“ steht, vgl. zur Abgrenzung Rn. 884. Praxistipp: Fristberechnung § 835 Abs. 3 Satz 2 = Ein-Monats-Frist Fristberechnung erfolgt gem. § 222 i. V. m. §§ 187 ff. BGB: Ablauf der Frist ist nach 1 Monat, d. h. mit Ablauf des Tages, der seiner Bezeichnung nach demjenigen vor 1 Monat entspricht, § 188 Abs. 2 BGB. Pfändungseingang (Zustellung) am:
14.9.2022 (= Mittwoch)
Ablauf der Frist am:
14.10. (= Freitag, 24:00 Uhr)
Abführung an den Gläubiger daher frühestens am:
15.10. (= Samstag).
Wäre der 14.10. (= Freitag) ein – ggf. auch regionaler – Feiertag, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag, § 222 Abs. 2 (in der ZPO wird zumeist noch die Begrifflichkeit Werktag statt Geschäftstag verwendet). Ablauf der Frist dann am:
17.10. (= Montag, 24:00 h)
denn der 15./und 16.10.2022 sind Samstag und Sonntag und somit nach § 222 Abs. 2 auch keine Werktage. Abführung an den Gläubiger daher frühestens am:
18.10. (= Dienstag)
Wichtig: Für eine Verschiebung kommt es nur darauf an, dass der letzte Tag der Frist ein Nicht-Werktag ist; läuft daher die Frist an einem Freitag ab, der ein Werktag ist, spielt es keine Rolle, dass die Auskehrung wegen des Wochenendes erst am kommenden Montag erfolgen kann. Der Silvestertag, der letzte Tag des Jahres ist im Übrigen kein Feiertag. Vgl. §§ 1, 3 des Gesetzes über die Sonntage und Feiertage. Nur weil ein Kreditinstitut am 31.12. regelmäßig geschlossen hat („Bankfeiertag“), bleibt der Tag doch ein Werktag; das Gesetz spricht von „allgemeinen Feiertagen“, nicht aber von „dienstfreien Tagen“, VGH Mannheim, Urt. v. 24.11.1986 – 1 S 1106/86, NJW 1987, 1353; anders aber der BGH allerdings zu Zahlungsfristen, die sich auf einen Tag beziehen, an denen Kreditinstitute geschlossen haben (Samstag), BGH, Urt. v. 13.7.2010 – VIII ZR 291/09, BeckRS 2010, 18044 und zu den Geschäftstagen bei Abhebungen an Geldausgabeautomaten, vgl. Entscheidung des BGH, Urt. v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292, wonach auch Samstage, Sonntage und Feiertage Geschäftstage i. S. d. § 675n Abs. Satz 4 BGB sind.
Die Sperrfrist wirkt nur zugunsten des Schuldners. Verfügungen i. R. bestehen- 2293 der Freibeträge auf einem P-Konto kann der Schuldner selbstverständlich auch während der 1-monatigen Zahlungssperre vornehmen. Hat der Schuldner allerdings noch kein P-Konto, ist das Konto zunächst blockiert. Der Schuldner als Inhaber eines normalen Zahlungskontos kann daher nicht, auch nicht innerhalb der Auszahlungssperre, über Guthaben verfügen. Die Auszahlungssperre soll den Schuldner, während er um Pfändungsschutz bemüht ist, z. B. indem er das Konto in ein P-Konto umwandelt, sich eine
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen Bescheinigung über Erhöhungsbeträge besorgt oder im Rahmen der §§ 850i und 907 gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, nur davor schützen, dass das Guthaben nicht bereits an den Gläubiger abgeführt wird. Um also in dieser Phase verfügen zu können, muss das Zahlungskonto erst in ein P-Konto umgewandelt sein (der Antrag auf Umwandlung reicht nicht aus).
2294 Weiterhin hat der Gesetzgeber angeordnet, dass eine einmonatige Sperrfrist auch für künftig entstehendes Guthaben angeordnet werden kann, § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2, allerdings nur auf Antrag des Schuldners (AntragsMoratorium). 2295 Nach wie vor nicht ganz eindeutig ist allerdings, ob künftiges Guthaben, das innerhalb der 1-monatigen Sperrfrist durch weitere Zahlungseingänge entsteht, nicht auch bereits durch das Einmal-Moratorium des § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 geschützt ist. § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 bezieht sich eigentlich nur auf den Zustellungssaldo. Jedenfalls legt das der Umkehrschluss des Wortlautes in § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 nahe, da dort explizit von „künftigem“ Guthaben die Rede ist. Die nach Zustellung, aber innerhalb der einmonatigen Frist entstehenden (Tages-)Salden wären somit bereits „künftiges“ Guthaben und damit vor einer Abführung an den Pfändungsgläubiger nicht ohne Weiteres automatisch geschützt (über § 833a wird künftiges Guthaben auch von der Pfändung erfasst).
2296 Das könnte sich wohl auch aus dem Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zur ersten Reform ergeben. Drucks. 16/12714, v. 22.4.2009.
Dort, S. 18, wurde § 835 Abs. 3 Satz 2 a. F. seinerzeit nochmals angepasst, denn zuvor war es nach dem Gesetzentwurf zur Einführung des Pfändungsschutzkontos (BT-Drucks. 16/7615) so, dass die Auszahlungssperre auch hinsichtlich künftiger Gutschriften kraft Gesetzes gelten und dabei jeweils mit dem Zeitpunkt der Gutschrift beginnen sollte. Damit sollte erreicht werden, dass sich der Fristbeginn für die Leistungssperre bei der Pfändung künftiger Guthaben nach dem Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift und nicht nach dem Datum der ggf. weit zurückliegenden Zustellung des Überweisungsbeschlusses richtet. BT-Drucks. 16/7615, S. 17.
2297 Der Rechtsausschuss empfahl dann aber, die Leistungssperre hinsichtlich künftiger Guthaben von einer gerichtlichen Anordnung abhängig zu machen. Es heißt dann dort u. a.: „Andererseits verbleibt es im Regelfall bei dem geltenden Rechtszustand, dass die Auszahlungssperre nur einmalig für bei Zustellung des Überweisungsbeschlusses vorhandenes Guthaben gilt.“ 2298 Das wäre dann in der Tat nur der sog. Zustellungssaldo, also das Guthaben am Tag der Zustellung, während alle weiteren Guthaben „künftige“ Guthaben wären und nach dieser Logik nur auf Antrag des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht geschützt werden könnten. 640
2. Die Zahlungsmoratorien des § 835
Allerdings spricht auch der Rechtsausschuss selbst davon, dass damit dem 2299 „Schutzbedürfnis von Schuldnern mit unregelmäßigen oder saisonalen Zahlungseingängen Rechnung getragen“ wird. Das indiziert nach Auffassung des Autors, dass damit eher weit in der Zukunft liegende, künftig entstehende Guthaben gemeint waren. Ebenso Stein/Jonas-Würdinger, ZPO, § 835 Rn. 49, der davon spricht, dass § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 „in den Fällen der Überweisung künftiger Kontoguthaben, die unter Umständen lange Zeit nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses entstehen, maßgebend sein kann“.
Daher scheint es richtiger, Guthaben, das zwar nach Zustellung des Über- 2300 weisungsbeschlusses, aber innerhalb der Monatsfrist entsteht, noch von der Leistungssperre des § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 als geschützt anzusehen. So auch: Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 835 Rn. 15; Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 835 Rn. 33; noch weitergehend, aber abzulehnen: BeckOK ZPO/Riedel, § 835 Rn. 30a, der davon ausgeht, dass bei der Pfändung künftiger auf einem nicht als Pfändungsschutzkonto geführten Konto sich ergebender Gutschriften eine automatische Leistungssperre gilt, die mit der jeweiligen Gutschrift beginnt.
Bei schuldnerfreundlicher Auslegung der Norm ist aber auch dieses Guthaben 2301 bereits durch die Zahlungssperre des § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 geschützt, da es sich bereits bzw. noch im nach Eingang eines Überweisungsbeschlusses entstehenden Schutzzeitraum befindet. Das ist aber nicht unumstritten, denn es gibt ebenso Meinungen, die der 2302 Ansicht sind, dass künftiges Guthaben jegliches Guthaben ist, das nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses entsteht. Aus Sicht des Autors sprechen aber die besseren Argumente für eine schuldner- 2303 freundliche Auslegung, denn innerhalb der einmonatigen Auszahlungssperre eingehende Gutschriften die zu (höherem) Guthaben führen, bedürfen keines eigenen weiteren Schutzes; da kommt auch Kreditinstituten entgegen, die dann weniger Überwachungsaufwand haben, als wenn für jedes künftige Guthaben eine neue Frist, die ja dann erst mit Eingang der Gutschrift zu laufen beginnt, zu hinterlegen wäre. Genau dieses Argument hat seinerzeit auch der Rechtsausschuss bemüht: „Damit wird unverhältnismäßig hoher Aufwand bei den Kreditinstituten vermieden.“, vgl. Drucks. 16/12714, v. 22.4.2009, S. 18.
Ebenso wäre dann eine Synchronisierung mit dem ebenfalls einmonatigen 2304 Moratorium des § 850l Abs. 1 gegeben. Dort ist zwar, anders als in § 835 Abs. 3 in § 850l Abs. 1 Satz 2 explizit das künftige Guthaben mit umfasst, aber das ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es überhaupt nur einen Monat lang Schutz für Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto gibt und daher
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen für eine (den Schutz verlängernde) Regelung entsprechend dem § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 kein Bedarf gesehen wurde. Danach muss sich sämtlich Guthaben des Gemeinschaftskontos, um weiteren Schutz zu genießen, schon auf dem P-Konto bzw. dem Konto des Nicht-Schuldners befinden. Gleichwohl ist das ein Argument für die Ansicht des Autors, denn auch hier wird für künftiges Guthaben, das innerhalb des einen Monats entsteht, die Schutzfrist von 1 Monat für ausreichend erachtet.
2305 Zudem wird der Schuldner effektiver geschützt und hat weniger Aufwand. 2306 § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 wird daher nur benötigt für „echtes“ künftiges Guthaben, das nach Ablauf der Sperrfrist entsteht und unregelmäßig, aber absehbar immer wieder eingeht. Siehe auch „Fachbeitrag P-Konto“ v. 11.2.2020, VE 2020, 51. Praxistipp: Solange diese Rechtsansicht streitig ist, muss aus Vorsichtsgründen drittschuldnerischen Kreditinstituten allerdings empfohlen werden, der restriktiveren Rechtsansicht zu folgen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut sollte daher – wenn der Schuldner keine gerichtlichen Beschluss nach § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 herbeiführen kann, solches Guthaben, dass zwar nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses, aber innerhalb der Monatsfrist auf dem Konto eingeht, ggf. hinterlegen, wenn der Monat abgelaufen ist und das Konto nicht rechtzeitig in ein P-Konto umgewandelt wurde. In der Praxis sollte die Konstellation allerdings selten vorkommen, da in der Regel der Schuldner, zumindest soweit er eine natürliche Person ist, zügig nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses sein Zahlungskonto in ein P-Konto umwandeln wird, so dass dort dann jegliches künftiges Guthaben zunächst einmal über § 900 geschützt ist. Eine wünschenswerte gesetzliche Klarstellung im Rahmen des PKoFoG ist leider auch hier unterblieben.
Haftungsfalle: 2307 Wird das Konto aber durch mehrere Gläubiger gepfändet, ist darauf zu achten, welche Auszahlungssperre greift. 2308 § 835 Abs. 3 Satz 2 schützt zunächst nur den sog. Zustellungssaldo, also das pfändbare Guthaben, das im Zeitpunkt der Zustellung des Überweisungsbeschlusses auf dem Konto vorhanden ist, sowie nach Ansicht des Autors auch Guthaben, die innerhalb des Monats noch entstehen. 2309 § 900 Abs. 1 Halbs. 1, der dem § 835 Abs. 4 Satz 1 a. F. entspricht, dagegen schützt nur zukünftiges Guthaben und nur auf P-Konten, also solches Guthaben, das erst nach Ablauf des Auszahlungssperre-Monats seit Zustellung des ersten Überweisungsbeschlusses als Gutschrift zu einem Guthaben führt.
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2. Die Zahlungsmoratorien des § 835
Wird nun ein Konto mehrfach gepfändet, ist zu unterscheiden, welches Gut- 2310 haben zum Zeitpunkt der Zustellung des zweiten Überweisungsbeschlusses vorhanden ist. Beispiel: Der erste PfÜB des Gläubigers G 1 über 500 € wird am 15.3.2022 zugestellt. Es sind 2.500 € Guthaben vorhanden. Schuldner S wandelt sein Konto in ein P-Konto um. Der Freibetrag beträgt 1.500 €, so dass 500 € der Pfändung unterliegen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut K darf diese 500 € gem. § 835 Abs. 3 Satz 2 erst einen Monat nach Zustellung des (ersten Pfändungs- und) Überweisungsbeschlusses an den Pfändungsgläubiger G 1 zahlen. Wenn nun am 19.3.2022 ein zweiter PfÜB des Gläubigers G 2 über 1.500 € zugestellt wird, steht als pfändbares Guthaben für G2 ein Betrag i. H. v. in Höhe von 500 € zur Verfügung (2.500 € Zustellungssaldo bei der ersten Pfändung abzüglich des Freibetrages i. H. v. 1.500 € und abzüglich 500 € für G1 gepfändetes Guthaben). Nur wegen dieses pfändbaren Betrags i. H. v. 500 € gilt das schon durch die Pfändung von G1 ausgelöste einmonatige Moratorium des § 835 Abs. 3 Satz 2. Denn auch dieses Guthaben ist Teil des Zustellungssaldos. Entstünde nun nach Ablauf der Monatsfrist des Moratoriums, also nach dem 15.4.2022, durch weitere Zahlungseingänge weiteres Guthaben, wäre es als künftiges Guthaben nun durch § 900 Abs. 1 Halbs. 1 geschützt. Würde sich hieraus pfändbares Guthaben ergeben, dürfte es erst nach Ablauf des auf die jeweilige Gutschrift folgenden Kalendermonats an den Pfändungsgläubiger ausgekehrt werden. Diese Leistungssperre des § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 wird ihre Bedeutung 2311 weiterhin nicht verlieren. Sie wird aus Sicht des Schuldners insbesondere so lange wichtig bleiben, solange 2312 dieser kein P-Konto unterhält und daher Zeit benötigt, sein herkömmliches Konto in ein P-Konto umzuwandeln, vgl. Rn. 1008 f. Aber auch für andere als Zahlungsverkehrskonten, z. B. Sparkonten, bedarf es im Ausnahmefall ggf. einer Schutzfrist.
Beispiel (nicht anwendbar auf P-Konten): Das Konto (kein P-Konto) des S wird am 20.9.2022 mittels PfÜBs gepfändet. Erst sechs Wochen später, am 2.11., geht erstmals ein Zahlungseingang ein. Das dadurch entstehende Kontoguthaben i. H. v. 250 € unterliegt nun der Pfändung. Das Kreditinstitut führt den Betrag zwei Tage später, am 4.11.20, an den Gläubiger ab. S trägt vor, dass das Kreditinstitut 1 Monat ab Zahlungseingang hätte warten müssen.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
Lösung: Aus Rückschlüssen der Gesetzesbegründung der Kontopfändungsschutzreform 2010 wird aber deutlich, dass die Sperre im Zusammenhang mit § 834 zu sehen ist. Da der Schuldner vor Erlass des PfÜBs nicht gehört wird, soll ihm die Sperrfrist auch ermöglichen, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. BT-Drucks. 16/7615 S. 10.
Und weiter heißt es dort: „Der Lauf der Frist beginnt mit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner.“ An weiterer Stelle, BT-Drucks. 16/7615 S. 13,
gegründet der Gesetzgeber die Hinzufügung des 2. Halbsatzes in § 835 Abs. 3 Satz 2 damit, dass klar gestellt werden sollte, dass „das Moratorium auch bei künftigen Zahlungseingängen, die nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses erfolgt sind, zu beachten ist und die Vier-WochenFrist (die nun eine Ein-Monats-Frist ist) in diesen Fällen erst mit der Gutschrift zu laufen beginnt.“
Dies bedeutet unzweifelhaft, dass i. R. d. Reform 2010 kein Klarstellungsbedarf dahin gehend gesehen wurde, dass künftiges Guthaben ebenfalls von der Zahlungssperre profitiert, sondern lediglich klar gestellt wurde, dass dann, wenn der Schuldner dies erreichen möchte, er nun einen Antrag stellen kann und muss. So auch Musielak/Voit-Becker, ZPO, § 835 Rn. 15.
Auch das PKoFoG hat hier keinen Änderungsbedarf gesehen. Erst durch einen Gerichtsbeschluss wird daher auch künftiges Guthaben geschützt (zur Ausnahme von entstehendem Guthaben innerhalb der einmonatigen Frist siehe oben Rn. 982 ff.). Ohne einen Antrag und die entsprechende gerichtliche Entscheidung ist das aber gerade nicht so. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.240.
Das Kreditinstitut durfte daher den Betrag überweisen. Dass es dies bereits nach zwei Tagen getan hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. 2313 Es hätte allerdings auch noch zwölf Tage länger (also insgesamt 14 Tage) warten können, da ein Kreditinstitut als Drittschuldner nicht sorgfaltswidrig handelt, wenn es nicht umgehend nach Ablauf der Sperrfrist des § 835 Abs. 3 Satz 2 das gepfändete Guthaben auszahlt. LG Magdeburg: Urt. v. 14.6.1995 – 5 O 395/95, WM 1996, 1680.
Der Schuldner hätte sich dadurch schützen können, dass er sein Girokonto in ein P-Konto umwandelt. 2314 Wie erwähnt kann der Schuldner die Zahlungssperre auch für künftige Guthaben auslösen, § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2. Der Schuldner muss diesen erweiterten Schutz allerdings beantragen.
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2. Die Zahlungsmoratorien des § 835
Beispiel (nicht anwendbar auf P-Konten): Das Konto (kein P-Konto) des Schuldners S wird am 15.9.2022 gepfändet. S hat einen Antrag nach § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 gestellt, dem das Gericht entspricht. Es gehen am 19., 22., und 25.10. jeweils Zahlungseingänge ein, die pfändbares Guthaben i. H. v. 200 €, 300 € und 400 € produzieren. Das Kreditinstitut darf das Guthaben i. H. v. 200 € erst mit Ablauf des 19.10.2011, weiteres Guthaben i. H. v. 100 € (300 € ./. 200 € bereits abgeführtes Guthaben) erst mit Ablauf des 12.11. und weiteres Guthaben i. H. v. 100 € (400 € ./. 200 € ./. 100 € bereits abgeführte Guthaben) erst mit Ablauf des 25.11.20 an den Gläubiger abführen. S hätte also nach jeden neuen Zahlungseingang je 1 Monat Zeit, Rechtsschutz zu suchen. Der Antrag macht insbesondere für denjenigen Schuldner Sinn, der über 2315 saisonale oder unregelmäßige Einkünfte verfügt und sicherstellen will, dass ihm ausreichend Zeit bleibt, Anträge auf Pfändungsschutz zu stellen. Der Schuldner muss daneben grundsätzlich auch ein berechtigtes Interesse für einen solchen Antrag vorbringen, etwa bevorstehende Änderungen der Pfändungsfreibeträge, denen überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen dürfen. Den Antrag einfach so zu stellen und seitens des Gerichts statt zu geben, dürfte daher nicht in Betracht kommen.
Die Zahlungssperre gilt für jeden weiteren PfÜB neu.
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Beispiel (nicht anwendbar auf P-Konten): Das Konto (kein P-Konto) des Schuldners S wird am 15.9. und am 22.9.2022 von zwei verschiedenen Gläubigern jeweils mittels PfÜB gepfändet. Aus von der Pfändung erfasstem Guthaben darf daher zunächst nur der Gläubiger der ersten Pfändung nach Ablauf der 1-monatigen Zahlungssperre (wegen des Wochenendes ab 18.10.2022) befriedigt werden. Den zweiten Gläubiger darf das Kreditinstitut – wegen des Wochenendes – erst ab 25.10.2022 befriedigen. Es spielt allerdings – wie bereits oben ausgeführt – grundsätzlich keine Rolle, wann Guthaben innerhalb des einen Monats von der Pfändung erfasst wird. Geht also erst am 17.10., dem letzten Tag der ersten Zahlungssperre ein Zahlungseingang ein, der zu pfändbarem Guthaben führt, kann es trotzdem bereits am 18.10. an den ersten Gläubiger abgeführt werden. Ein Verzicht auf die gesetzlich angeordnete Sperre durch den Schuldner ist nicht möglich; er könnte aber natürlich sein Kreditinstitut anweisen, an den Gläubiger zu zahlen; er kann aber das Rangverhältnis der Gläubiger nicht dadurch aushebeln, dass er etwa durch sein Einverständnis, auf die Einhaltung der zweiten Zahlungssperre zu „verzichten“, den ersten Gläubiger schlechter stellt. Verzichtet er nicht auch auf die Einhaltung der ersten Zahlungssperre, muss das Kreditinstitut diese abwarten und dann an den ersten Gläubiger abführen.
645
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
In der Praxis allerdings sind Anträge und Beschlüsse nach § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 jedenfalls seit 1.1.2012, seit dem Konto-Pfändungsschutz grundsätzlich nur noch über das P-Konto möglich ist nahezu bedeutungslos. Haftungsfalle: Antrags-Moratorium 2317 Aufzupassen gilt es, wenn – auf Antrag des Schuldners – ein Gericht nach § 835 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 beschließt, dass bei der Pfändung künftigen Guthabens die einmonatige Zahlungssperre für jeden Zahlungseingang gilt. Während die Frist grundsätzlich jeweils nur pfändungsbezogen ist, könnte ein auf einen solchen Antrag hin erlassener Beschluss auch kontobezogen sein, je nachdem wie das Gericht es formuliert. Dann wäre die vom Gericht verfügte Ein-Monats-Frist für jede Gutschrift nicht nur für die aktuelle den Antrag zugrunde liegende, sondern auch für alle zukünftigen Pfändungen des Kontoguthabens anzuwenden. In der Praxis ist deshalb auf den konkreten Inhalt der gerichtlichen Entscheidung zu achten. Wird diese nicht deutlich, ist im Zweifel von einer nur pfändungsbezogenen Frist auszugehen. Ersatzweise kann man Erinnerung einlegen und einen klarstellenden oder korrigierenden Beschluss verlangen. 2318 Die einmonatige Zahlungssperre gilt im Übrigen für alle Konten auf denen Zahlungseingänge verbucht werden können, nicht etwa nur Konten mit regelmäßigen Zahlungseingängen. Ebenso: Ehlenz/Diefenbach, Rn. 82g; Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.1.6.
2319 Das sind daher auch z. B. Spar- oder Termingeldkonten, weil der dahinter stehende Gedanke, einen Monat Zeit für (weitergehenden Pfändungs-)Rechtsschutz zu haben, jeder (denkbare) Rechtsschutz sein kann. Während ein Sparkonto dann zwar z. B. nicht in ein P-Konto umgewandelt werden kann, weil dies nur Zahlungskonten natürlicher Personen vorbehalten ist, aber es käme ggf. im Ausnahmefall Rechtsschutz nach § 765a in Betracht bzw. eine einstweilige Anordnung gem. § 732 Abs. 2. Ebenso eine Vollstreckungsgegenklage, § 767, oder die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 eines Dritten.
2320 Nicht in den Schutzbereich des § 835 einbezogen ist dagegen ein schon bestehendes P-Konto, da für dieses die speziellere Norm des § 900 gilt. Geht ein neuerlicher PfÜB ein, der dann das inzwischen als P-Konto umgewandelte Konto erfasst, genießt der Schuldner (trotzdem) den Schutz des § 900 um ggf. weitergehenden Rechtsschutz z. B. im Rahmen des § 904 oder 906 in Anspruch nehmen zu können. 2321 § 835 Abs. 4, der vor dem PKoFoG Abs. 5 war, schließlich ist eine ebenfalls antragsunabhängige gesetzliche Auszahlungssperre für Einkünfte i. S. d. § 850i. Es soll vorrangig dem selbstständigen Schuldner, der wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige
646
3. Pfändungsschutz für sonstige Einkommen, § 850i
Einkünfte erhält, die kein Arbeitseinkommen sind, ermöglichen, einen Schutzantrag nach § 850i zu stellen. Auch hier beträgt die durch das PKoFoG geänderte Frist nun 1 Monat, statt wie bis 4 Wochen.
Ein drittschuldnerische Kreditinstitut muss also immer dann, wenn ein Ge- 2322 schäftskonto gepfändet wird, hinter der aber eine natürliche Person steht, die Auszahlungssperre berücksichtigen. Das erfordert im Einzelfall Fingerspitzengefühl, da die Rechtsprechung erst 2323 im Laufe der Zeit klarer definiert hat, wann unter § 850i fallende Einkünfte vorliegen, siehe das nachfolgende Kapitel. 3. Pfändungsschutz für sonstige Einkommen, § 850i § 850i regelt den Pfändungsschutz bei sonstigen Einkünften, vor allem Selbst- 2324 ständiger. Wie beispielsweise Honorare von Freiberuflern, Provisionen selbstständiger Handelsvertreter oder Makler oder Vergütungen von Handwerkern, aber eben auch Abfindungen von Arbeitnehmern.
Nach dieser Vorschrift hat das Gericht bei der Pfändung sonstiger Einkünfte 2325 des Schuldners, die kein Arbeitseinkommen sind, dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Die Einkünfte unterliegen zunächst in voller Höhe der Pfändung. Erst auf Antrag kann Vollstreckungsschutz durch das Vollstreckungsgericht gewährt werden. Einen solchen Antrag kann neben dem Schuldner auch ein Dritter stellen, z. B. die Ehefrau oder leibliche Kinder, denen der Schuldner gesetzlichen Unterhalt zu gewähren hat, Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850i Rn. 16. Über § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO kann der Gemeinschuldner (oder ein Dritter) einen solchen Antrag auch im Insolvenzverfahren stellen.
Damit wurde der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen der §§ 850 ff. auf sonstige vom Schuldner erwirtschaftete Einkünfte übertragen. Zu diesen gehören beispielsweise auch Einkünfte aus Miete und Pacht.
2326
BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, WM 2014, 1485; BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – V ZB 154/18, WM 2020, 22.
§ 850i hat keine Änderung durch das PKoFoG erfahren, wohl aber hat die 2327 Rechtsprechung seit der letzten Auflage in vielen Fällen Klarheit gebracht, für welche Einkommen § 850i anwendbar ist und für welche nicht. Zu den Änderungen des § 835 Abs. 4 durch das PKoFoG, der eine Auszahlungssperre für Einkünfte nach § 850i regelt, siehe Rn. 2321.
647
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2328 Die Regelung will vornehmlich Einkünfte aus nicht abhängiger Tätigkeit einem Pfändungsschutz zuführen. BGH, Beschl. v. 26.9.2019 – IX ZB 21/19, NJW-RR 2019, 1520.
2329 Das sind zumeist Einkünfte aus sog. kapitalistischer Tätigkeit, etwa aus Kapitalvermögen, jedenfalls wenn die Einkünfte selbst erzielt, also eigenständig erwirtschaftet sind. BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 19/18, NZI 2018, 899 = NZM 2019, 223.
2330 Keine Rolle spielt, ob das zur Entstehung einer Forderung eingesetzte Kapital ursprünglich selbst erarbeitet wurde. BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 19/18, NZI 2018, 899 = NZM 2019, 223 Rn. 12.
2331 § 850i Abs. 1 Fall 2 setzt aber voraus, dass es sich bei den sonstigen Einkünften um selbst erwirtschaftete Einkünfte handelt. BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, NJW-RR 2014, 1197 = ZInsO 2014, 1609 Rn. 6 ff.; BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – IX ZB 69/15, NJW-RR 2016, 761 = ZInsO 2016, 961 Rn. 23.
2332 Daher sind Einkünfte, die der Schuldner ohne eigene wirtschaftliche Betätigung erwirbt, wie Geschenke, Lottogewinne oder erbrechtliche Ansprüche nicht schützbar. BGH, Beschl. v. 26.9.2019 – IX ZB 21/19, NJW-RR 2019, 1520 ebenso Ahrens, NJW-Spezial 2020, 85; ebenso LG Flensburg, Beschl. v. 1.2.2021, 5 T 207/20, JurBüro 2021, 330, das dies zu Recht auch für den Fall entschied, dass der Schuldner wegen des Lottogewinns zunächst keine Leistungen mehr nach dem SGB XII erhielt und damit seiner Meinung nach auf den Lottogewinn zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen wäre (die Vorinstanz – AG Husum, Beschl. v. 16.12.2020 – 7 M 1160/20, BeckRS 2020, 50655 Rn. 4 ist dieser Sicht der Dinge noch gefolgt). Das LG Flensburg argumentierte dagegen zu Recht, dass § 850i Lottogewinne nicht schütze und der Schuldner nach Pfändung des Lottogewinns einen neuen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch aufgrund geänderter Umstände stellen könne. Konsequenterweise hat das LG Flensburg dann auch einen alternativen Schutz über § 765a ablehnt.
2333 Ziel des Gesetzgebers im Rahmen des § 850i war es, dass die Mittel, die der Schuldner zu seinem Lebensunterhalt braucht, vorrangig von ihm selbst erwirtschaftet werden sollen. Ein weitergehender Schutz des Schuldnervermögens ist vom Gesetz im Rahmen des § 850i nicht beabsichtigt, weil das Gesetz auch die Interessen des Gläubigers an einer effektiven Befriedigung berechtigter Forderungen berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund stellen Geldforderungen,
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3. Pfändungsschutz für sonstige Einkommen, § 850i
die der Schuldner nicht aufgrund eigener wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, keine sonstigen Einkünfte i. S. v. § 850i dar. BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – IX ZB 69/15, NJW-RR 2016, 761 = ZInsO 2016, 961; BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 19/18, NZM 2019, 223 = ZInsO 2018, 2517 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 21.2.2019 – IX ZB 7/17, NJW-RR 2019, 586 Rn. 16.
§ 850i sorgt mit dieser Einschränkung, siehe unter Rn. 2346 zu den einzelnen 2334 Einkünften, dafür, dass grundsätzlich alle Einkunftsarten eines Schuldners gleich behandelt werden; auch alle anderen selbst erwirtschaftete Einkunftsarten, die nicht wie Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen, Kindergeld etc., über eigene Schutznormen verfügen, werden erfasst. Damit werden diese sonstigen Einkünfte, flankiert durch § 835 Abs. 4, siehe dazu Rn. 2321, nun den Einkünften aus Arbeitseinkommen gleichgestellt; die Anknüpfung an das Kriterium der „persönlichen Arbeits- oder Dienstleistung“ besteht nicht. Zu den Pfändungsschutzmöglichkeiten im Rahmen des § 850i siehe auch Grote, InsBürO 2018, 308.
Diese deutliche Ausdehnung des Pfändungsschutzes bereits in der Reform 2335 2010, begegnete schon damals auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Meller-Hannich, WM 2011, 529, 531, die die „fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit“ bei der Neufassung von § 850i kritisierte.
Vor 2010 erhielten diese Einkünfte Selbstständiger zumeist keinen Pfändungs- 2336 schutz bei Gutschrift auf dem Konto, da der Drittschuldner die von der Pfändung erfassten Beträge unverzüglich an den Gläubiger abführen konnte und in der Praxis zumeist auch abgeführt hat. Für die Kreditinstitute als Drittschuldner hat sich hierdurch nicht viel geändert. Allerdings müssen sich Kreditinstitut bewusst sein, dass sie ggf. die Auszahlungssperre des § 835 Abs. 4 zu beachten haben. Da die Einkünfte, die unter § 850i fallen, erst durch die Rechtsprechung nach und nach entwickelt wurden und weiter werden, sollte hier im Zweifel zu Gunsten des Schuldners zunächst einmal die Auszahlungssperre beachtet werden.
Sie müssen grds. „nur“ die Beschlüsse des Vollstreckungsgerichts umzusetzen, die ggf. sehr differenzierte Pfändungsfreibeträge und Zeiträume umfassen können. Beispiel: S, dessen Konten mit Kontopfändungen belegt sind, erhält als Architekt einen Honoraranspruch i. H. v. 10.000 € auf sein P-Konto überwiesen. Wenn S hiervon glaubhaft seine Familie (Ehefrau, zwei Kinder) mindestens drei Monate versorgen und den Bürobetrieb zur Erzielung weiterer Einkünfte aufrechterhalten muss, wird das Gericht sowohl der Höhe als auch der Geltungsdauer des Schutzes diese Einkünfte nach, vermutlich komplexe Überlegungen anzustellen haben und Be649
2337
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
schlüsse fällen müssen, die zudem eine gewisse Prognose und damit Unsicherheit beinhalten. § 904 scheidet in der Anwendung Im Übrigen aus, da es sich hier nicht um eine i. S. d. § 904 Nachzahlung von Leistungen nach § 902 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b oder c oder Nr. 4 bis 6, Sozialleistungen nach Abs. 2 oder Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 und 3 handelt. 2338 „Betriebsausgaben“ wären im Übrigen zu Gunsten des Schuldners im Rahmen des § 850i ebenfalls mindernd zu berücksichtigen. Die Einkünfte können daher sicherlich – auf entsprechenden Antrag – schnell unter die Pfändungsfreigrenze fallen. Vgl. auch Ahrens, ZInsO 2010, 2358.
2339 Durchaus nicht ausgeschlossen sind dann auch monatliche Freibeträge, die mehrere zehntausend € betragen können. Nach Ansicht des LG Berlin, Beschl. v. 29.9.2011 – 85 T 295/11, kann für einen selbstständig tätigen Schuldner eine Anordnung im Rahmen des § 850i auch für die Vergangenheit getroffen werden. Nur so könne gewährleistet werden, dass der Selbstständige hinsichtlich des Pfändungsschutzes in etwa den gleichen Schutz wie ein Arbeitnehmer genießen könne, was § 850i nach dem gesetzgeberischen Willen wollte.
2340 Klarheit geschaffen hat die Rechtsprechung seit der letzten Auflage vielfach bereits, was den Anwendungsbereich des § 850i anbelangt. Siehe dazu auch Ahrens, NJW-Spezial 2020, 85.
2341 Der BGH hat sich dabei in einer Grundsatz-Entscheidung konsequenterweise für eine weite Auslegung des Tatbestands des § 850i Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ausgesprochen. Alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte sind darunter zu fassen. BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, NZI 2014, 772.
2342 Ob Arbeiten oder Dienste persönlich erbracht werden oder nicht, spiele keine Rolle (mehr). Ahrens, NJW-Spezial 2020, 85.
2343 Allerdings hat sich der BGH zwei Jahre später selbst wieder relativiert und Grenzen des Pfändungsschutzes für sonstige Einkünfte aufgezeigt. BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – IX ZB 69/15, NZI 2016, 457, wonach sonstige Einkünfte nur eigenständig erwirtschaftete Einkünfte sind, wozu Ansprüche aus einem Pflichtteilsanspruch nicht zählen; kritisch Ahrens, a. a. O., der einen Widerspruch in den beiden Entscheidungen auszumachen glaubt und außerdem meint, dass die Entscheidung in 2016 der ausdrücklichen gesetzlichen Motivierung nach der Neufassung des § 850i in der Reform 2010 widerspricht, wonach sämtliche Einkunftsarten des Schuldners gleichbehandelt werden sollen, BT-Drucks. 16/7615, S. 18. Das Gleichbehandlungserfordernis, so Ahrens, lasse einen reduzierten Pfändungsschutz bei sonstigen selbst erwirtschafteten Einkünften nicht zu.
650
3. Pfändungsschutz für sonstige Einkommen, § 850i Auch an anderer Stelle scheint der BGH nicht ganz konsequent zu sein, wenn er einerseits Mehrarbeitsvergütungen eines Rentners berücksichtigt, BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 87/13, NJW-RR 2014, 1198, andererseits aber keinen Pfändungsschutz nach § 850i gewährt für in der Freizeit durch einen Nebenjob erzielte Einkünfte, BGH, Beschl. v. 10.7.2008 – IX ZB 116/07, BeckRS 2008, 15253.
Sonstige Einkünfte, die kein Erwerbseinkommen sind, können nur für un- 2344 pfändbar erklärt werden, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der Grundfreibeträge verbleibt, so der BGH. BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – IX ZB 69/15, NZI 2016, 457 in Ergänzung BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, NZI 2014, 772 = NJW-RR 2014, 1197.
Seit der letzten Auflage ergingen einige Entscheidungen, von denen die wich- 2345 tigsten nachfolgend aufgelistet sind. Folgende Einkünfte sind daher über § 850i, teilweise auch nur beschränkt schützbar: x
Erhält der Schuldner aus einer Kapitallebensversicherung, die ihm zur Sicherung für Ansprüche aus einer für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erteilten Pensionszusage wirksam verpfändet ist, nach Pfandreife eine Einmalleistung, kann er hierfür Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte geltend machen. Dem steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten nicht gegeben sind. BGH, Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZB 25/20, NJW-RR 2021, 987.
x
Aus einer Abfindung aus einem Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dem Schuldner nach § 850i so viel zu belassen, als sie für einen angemessenen Zeitraum für seinen notwendigen Unterhalt und den seiner unterhaltspflichtigen Personen bedarf. AG Dortmund, Beschl. v. 19.3.2021 – 254 IK 39/15, NZI 2021, 585.
x
Mieteinkünfte, BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, NZI 2014, 772 = WM 2014, 1485 = ZIP 2014, 1542 Rn. 16;
x
Einkünfte aus Untervermietung, BGH, Beschl. v. 23.4.2015 – VII ZB 65/12, NZI 2015, 661;
x
Nießbrauch, BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, NZI 2014, 772 = WM 2014, 1485 = ZIP 2014, 1542 Rn. 16;
x
Mieteinkünfte, auch wenn die Mieteinkünfte im Zuge einer vereinbarten stillen Zwangsverwaltung an einen Gläubiger abgeführt werden, dem der Schuldner die Mietforderungen als Sicherheit abgetreten und dem er Grundschulden an den Mietobjekten bestellt hat, wenn das Zwangsver-
651
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
waltungsverfahren weder vor noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet worden ist, BGH, Beschl. v. 1.3.2018 – IX ZB 95/15, NZI 2018, 326 (siehe dagegen BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – V ZB 154/18, NZM 2020, 65 aber für Miet- und Pachtforderungen im Rahmen der Zwangsverwaltung);
x
Kaufpreisrentenansprüche, die der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung als Abfindung für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen vor Insolvenzeröffnung erworben hat und die als monatliche Ratenzahlungen gezahlt werden, BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 56/18 WM 2019, 2205 mit Besprechung durch Cranshaw, WuB 2020, 99; BGH, Beschl. v. 26.9.2019 – IX ZB 21/19, NJW-RR 2019, 1520;
x
Erbbauzinsen, unabhängig davon, ob die Zinszahlungsansprüche auf einer aktiven Tätigkeit des Schuldners beruhen, BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 19/18, NZI 2018, 899;
x
eine Aufwandsentschädigung, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung oder der gesetzlichen Regelung der Zweck der Zahlung ist, tatsächlichen Aufwand des Schuldners auszugleichen, BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – IX ZB 40/16, DGVZ 2017, 204.
2346 Dagegen sind u. a. folgende Einkünfte nicht über § 850i schützbar: x
staatliche Corona-Beihilfen, BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20, ZIP 2021, 814;
x
Miet- und Pachtforderungen im Rahmen der Zwangsverwaltung, da die Beschlagnahme des Grundstücks auch die Miet- und Pachtforderungen erfasst und es ansonsten zu Wertungswidersprüchen zwischen der Stellung des Gläubigers bei der Forderungspfändung einerseits und bei der Zwangsverwaltung andererseits käme, weil der die Zwangsverwaltung betreibende Gläubiger dann gegenüber dem Gläubiger, der lediglich die Mietforderungen pfändet, erheblich schlechter gestellt wäre, wenn er neben dem laufenden Wohngeld auch noch für den Unterhalt des Schuldners aufkommen müsste. Dem Schuldner sind im Zwangsverwaltungsverfahren Mittel für seinen Unterhalt nur nach der engen Maßgabe von § 149 Abs. 3 ZVG zur Verfügung zu stellen, BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – V ZB 154/18, NZM 2020, 65 (siehe dagegen aber die obige Entscheidung des BGH, Beschl. v. 1.3.2018 – IX ZB 95/15, NZI 2018, 326 für Mieteinkünfte im Rahmen des Insolvenzverfahrens, bei der sog. „kalten“ Zwangsverwaltung, Rn. 2345);
x
Mietkautionsguthaben, BGH, Beschl. v. 21.2.2019 – IX ZB 7/17, NJW-RR 2019, 586.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
x
Eine wegen eines Arbeitsunfalls in der DDR nach § 23 RentenVO (DDR) seit dem Jahr 1980 gezahlte Unfallrente, welche aufgrund der Überleitungsvorschriften der § 215 Abs. 1, Abs. 6 SGB VII und § 1150 Abs. 2, § 1154 RVO seit dem 1.1.1992 als Verletztenrente im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt wird; sie kann als laufende Geldleistung wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, BGH, Beschl. v. 6.2.2019 – VII ZB 2/18, WM 2019, 591.
x
Sonstige Einkünfte, wenn der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit des Schuldners und die daraus resultierenden Forderungen aus der Masse freigegeben hat. Kann der Schuldner seinen Unterhalt und den seiner Familie nicht aus seiner freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erwirtschaften, kann er Unterhaltsansprüche weiterhin gegen die Insolvenzmasse nach § 100 InsO geltend machen, BGH, Beschl. v. 25.1.2018 – IX ZA 19/17, NZI 2018, 275.
x
Pflichtteilsanspruch des Schuldners; auch bei einem Eingreifen des § 850i besteht der Pfändungsschutz nur in dem Umfang, der erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in der Höhe der Grundbeträge nach § 850c Abs. 1, 2a verbleibt, BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – IX ZB 69/15, NZI 2016, 457 Ansprüche aus einer Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV (Gesetzliche Unfallversicherung), Sächsisches LSG, Urt. v. 8.9.2014 – L 2 U 258/11, VuR 2015, 274.4.
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz Die Insolvenz verändert die Geschäftsbeziehung eines Kreditinstitutes zu 2347 seinem Kunden erheblich, da die Insolvenzordnung Einschränkungen vorgibt, insbesondere auch durch die vom Insolvenzgericht, schon vor Eröffnung der Insolvenz möglichen, angeordneten Maßnahmen, wie das (allgemeine) Verfügungsverbot, den Zustimmungsvorbehalt für Handlungen des Schuldners oder die Einstellungen und Untersagung der Einzelzwangsvollstreckung. Auch die Zuständigkeit des Gerichts wechselt: gem. §§ 36 Abs. 4 InsO tritt nun das Insolvenzgericht wegen seiner größeren Sachnähe an die Stelle des Vollstreckungsgerichts. Das gilt auch schon für das Eröffnungsverfahren, § 36 Abs. 4 Satz 3 InsO. Nach Ansicht des AG Dortmund, Beschl. v. 24.9.2021 – 236 M 302/17. JurBüro 2021, 667, ist für die Entscheidung, ob die Zwangsvollstreckung aus einem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung eingestellt werden kann, ebenfalls bereits für den Antrag auf Aussetzung ist das Insolvenzgericht zuständig, aber der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts soll zuvor die Abhilfebefugnis haben.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen Zudem ist anstelle eines Gläubigers der Insolvenzverwalter antragsberechtigt, § 36 Abs. 4 Satz 2 InsO. Das Restrukturierungsgericht im Sinne des StaRUG behält allerdings seine Zuständigkeit unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 InsO. Wann im Einzelfall das Insolvenzgericht statt des Prozessgerichts zuständig ist, ist nicht immer ganz klar; auch hier hätte eine Klarstellung PKoFoG geholfen. Eine entsprechende Forderung stellt auch der Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. in seiner Stellungnahme v. 17.11.2021 zur Länderumfrage der Landesjustizverwaltung Bayern betreffend die Modernisierung des Insolvenzrechts, einzusehen unter https://www.bak-inso.de/dokumente-stellungnahmen/gesetzgebung/, dort Seite 9. Meist ist es eine Frage der Massezugehörigkeit (dann Prozessgericht; anders aber wohl im Falle der Entscheidung im Rahmen des § 850k Abs. 4, vgl. Rn. 1067) bzw. der Zulässigkeit der Vollstreckung (dann das Insolvenzgericht), Peters, in: MünchKommInsO, § 36 Rn. 116. Ausnahme: In Grundbuchsachen bleibt bei Rechtsbehelfen zur Immobiliarvollstreckung das Grundbuchamt zuständig, LG Dresden (5. Zivilkammer), Beschl. v. 26.1.2017 – 5 T 40/17, ZIP 2017, 388. Über Einwendungen gegen unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen nach § 89 Abs. 1 und Abs. 2 InsO entscheidet nach Abs. 3 Satz 1 InsO ebenfalls das Insolvenzgericht. Zuständig ist das Insolvenzgericht für alle Rechtsbehelfe, mit denen die Unwirksamkeit einer Vollstreckungsmaßnahme in der Mobiliarvollstreckung wegen Verstoßes gegen das Vollstreckungsverbot gerügt werden kann, Breuer/Flöther, in: MünchKomm-InsO, § 89 Rn. 62. Ebenso tritt nach § 148 Abs. 2 Satz 2 InsO im Rahmen der Herausgabe von Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden (Inbesitznahme der Masse) bei der Vollstreckungserinnerung (§ 766) an die Stelle des Vollstreckungs- das Insolvenzgericht, Jaffé, in: MünchKomm-InsO, § 148 Rn. 77.
2348 Auch die (spätere) Verfahrenseröffnung selbst, löst deutliche Veränderungen aus. Hieraus entstehen auch Wechselwirkungen zwischen Kontopfändungen, bestehenden und auch noch dann ausgebrachten, künftigen, und der Insolvenz bzw. insolvenzgerichtlichen Anordnungen. Aber auch der Bestand von Konten selbst ist ggf. tangiert. 2349 Auf Kontopfändungen haben neben der Verfahrenseröffnung insbesondere die Anordnung der Untersagung bzw. einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lnsO Auswirkungen. Sie wirken sich teilweise unterschiedlich auf bestehende und auf künftige Kontopfändungen aus. Auch Pfändungen nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO) sind tangiert, vgl. Obermüller, Rn. 2.55 mit dem Hinweis, dass die EuKoPfVO auf Forderungen gegenüber einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nämlich keine Anwendung findet. Im Erwägungsgrund 8 heißt es allerdings wörtlich: „Dies sollte bedeuten, dass ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung nicht gegen einen Schuldner erlassen werden kann, sobald
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz gegen ihn ein Insolvenzverfahren im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates [= Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 v. 30.6.2000, S. 1) eingeleitet worden ist. Andererseits sollte durch diesen Ausschluss ermöglicht werden, dass der Beschluss zur vorläufigen Pfändung zur Sicherung der Rückforderung benachteiligender Zahlungen, die ein solcher Schuldner an Dritte geleistet hat, verwendet werden kann.“ Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass für einen EuKoPfB die grundsätzlich gleichen Maßgaben wie für einen nationalen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gelten, zumal dann, wenn er vor Verfahrenseröffnung ergangen sein sollte.
Bei den Konten und Zahlungskonten können sich unterschiedliche Auswir- 2350 kungen ergeben, je nachdem um welchen Kontotyp es sich handelt, wobei das Pfändungsschutzkonto einen Sonderstatus einnimmt. Dabei durchläuft „eine Insolvenz“ verschiedene Stadien, die in den darzustel- 2351 lenden Wechselwirkungen zum Teil eine Differenzierung erfordern. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist zunächst das außergerichtliche und 2352 ggf. gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren vorangestellt, §§ 305 Abs. 1 Nr. 1, § 305a InsO. Die Unterscheidung Verbraucherinsolvenzverfahren und Regelinsolvenzverfahren bei Einzelpersonen macht sich daran fest, dass gem. § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO der Gemeinschuldner dann Verbraucher ist, wenn er keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat. Für Selbstständige kommt daher – vereinfacht gesagt – das Regelinsolvenzverfahren in Betracht, wenn sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit noch ausüben; üben sie sie nicht mehr aus, gilt das grds. zwar auch, es sei denn, ihre Vermögensverhältnisse sind „überschaubar“, d. h. es bestehen gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen mehr und sie haben gem. § 304 Abs. 2 bei Antragsstellung weniger als 20 Gläubiger, vgl. PrivatInsRK/ Köster/Berner, §§ 35, 36, Teil 6, Rn. 372, 373.
Sodann schließt sich das sog. Eröffnungsverfahren oder Antragsverfahren an, 2353 also die Phase ab Insolvenzantrag bis zum tatsächlich eröffneten Insolvenzverfahren, in dem entschieden wird, ob die Verfahrensvoraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen. In dieser Phase werden – zum Schutze der Insolvenzmasse – regelmäßig bereits die Verfügungsbefugnisse des Schuldners beschnitten und ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, der entweder für den Schuldner verfügungsbefugt ist (sog. „starker“ Insolvenzverwalter) oder zumindest dessen Einwilligung der Schuldner bedarf. Außerdem wird das Insolvenzgericht in dieser Phase regelmäßig bereits zum Schutz des Vermögens Maßnahmen anordnen, wie das (allgemeine) Verfügungsverbot oder die Einstellungen und Untersagung der Einzelzwangsvollstreckung. Ergibt die Prüfung, dass die Voraussetzungen für ein Insolvenzverfahren vorliegen, wird das Insolvenzverfahren schließlich eröffnet. Aber auch die NichtEröffnung ist nicht ausgeschlossen, ebenso wie es auch nach Eröffnung wieder
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
vorzeitig beendet werden kann; auch dann gibt es – sich wieder erneut ändernde – Wechselwirkungen. Ist das Insolvenzverfahren dann durchlaufen, kann für eine natürliche Person bei entsprechender Beantragung nach einer erfolgreich absolvierten Wohlverhaltensphase den Abschluss die sog. Restschuldbefreiung bilden. 2354 Bestehende und künftige oder sich auf künftige Ansprüche beziehende Kontopfändungen entfalten hier je nach Phase und Entstehung unterschiedliche Wirkungen. Auch die Verfügungsbefugnisse über Konten bzw. deren (Weiter-) Bestand verläuft unterschiedlich. 2355 Diese Wechselwirkungen zwischen Kontopfändung/Konten und Insolvenz bergen Haftungsrisiken insbesondere für die drittschuldnerischen Kreditinstitute. Die Wirkungen werden nachfolgend – getrennt nach Auswirkungen auf das (P-)Konto, die Verfügungsbefugnisse sowie auf bestehende oder neu ausgebrachte Kontopfändungen – jeweils in der Reihenfolge der obigen Verfahrensphasen betrachtet. a) Auswirkungen auf Konten und Verfügungsbefugnisse 2356 P-Konten und herkömmliche Konten sowie die Verfügungsbefugnisse werden im Rahmen des Insolvenzverfahrens unterschiedlich betroffen; deshalb soll im Folgenden danach differenziert werden, ob es sich um herkömmliche Konten oder P-Konten handelt (dazu siehe dann Rn. 2406 ff.). aa) Außergerichtliche Schuldenbereinigung 2357 Ein Schuldner, der eine natürliche Person ist, muss, bevor er einen Antrag auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren stellen kann, den erfolglosen Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung unternommen haben, § 305 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 305a InsO. 2358 Diese außergerichtliche Schuldenbereinigung hat zunächst einmal auf die Kontobeziehungen, die Verfügungsbefugnisse oder den Zahlungsverkehr keine Auswirkungen. Knees, ZIV 2002, 89.
bb) Gerichtliche Schuldenbereinigung 2359 Auch wenn im Anschluss an das außergerichtliche Verfahren ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren nach § 305 InsO eingeleitet wird, ändert sich zunächst nichts. Die Konten werden in Ihrem Bestand oder die Verfügungsbefugnisse über sie, nicht berührt. Erst wenn das Insolvenzgericht im Rahmen des § 306 Abs. 1 Satz 1 einstweilige Maßnahmen anordnen würde, würde sich das ggf. ändern. In Frage kommen grundsätzlich alle Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO. Allerdings ist die Einsetzung eines (vorläufigen) Insol-
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz venzverwalters nach § 21 Abs 2 Nr. 1 nicht möglich, sondern nur die Einsetzung eines vorläufigen Treuhänders, vgl. Leithaus/ Andres-Andres, InsO, § 306 Rn. 4.
Sollte das Insolvenzgericht einstweilige Maßnahmen anordnen, was regelmäßig 2360 die Untersagung oder einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO sein wird, hat das ebenfalls keine Auswirkung auf den Fortbestand des Kontos oder der Verfügungsbefugnisse. Der Schuldner kann mit dem Beschluss über die Annahme des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans, der gem. § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO wie ein gerichtlicher Vergleich wirkt, die Aussetzung bestehender Kontenpfändungen bei Gericht durchsetzen, PrivatInsRK/Jaenecke/Wandt, Vorbem. Zu §§ 306 ff. Rn. 1.
cc) Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren Auch dann, wenn der Schuldner oder ein Dritter lediglich einen Antrag auf 2361 Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat, aber noch keine vorläufigen Maßnahmen durch das Insolvenzgericht angeordnet sind, ändert sich ebenfalls nichts an den Verfügungsbefugnissen und nicht am Bestand der Konten. (1) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters ohne Verfügungsverbot Ordnet das Gericht vorläufige Maßnahmen an, ist je nach Maßnahme zu 2362 differenzieren: Ordnet es zunächst kein Verfügungsverbot an, sondern setzt nur einen vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Mitwirkungsbefugnisse ein („schwacher“ Verwalter), macht aber Verfügungen des Schuldners von dessen Zustimmung abhängig, sind diese nur wirksam mit vorheriger Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Die Beschlussanordnung lautet dann meist wie folgt:
2363
„Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lnsO wird die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt Dr. Muster, Insostr 1, 12345 Musterdorf, Tel.: , Fax: , E-Mail: Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lnsO wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.“ Die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Mitwirkungs- 2364 befugnisse dagegen ändert an den Rechtsbeziehungen des Kunden zu seinem Kreditinstitut nichts. LG Lübeck, Urt. v. 2.12.1999 – 11 O 89/99, DZWIR 2000, 78.
Konten sind im Fortbestand nicht tangiert.
2365
Der vorläufige Verwalter hat in der Regel lediglich ein Betretungsrecht der 2366 Geschäftsräume des Schuldners, um Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
zu nehmen, die ihm der Schuldner gestatten muss; zudem ist zumeist gem. nachfolgender Anordnung des Insolvenzgerichts verpflichtet, erforderliche Auskünfte zu erteilen: „Der vorläufige lnsolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume der Antragstellerin zu betreten; die Antragstellerin hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in ihre Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten.“ 2367 Das Gericht kann im einzelnen weitere Rechte und Pflichten bzw. Aufgaben festzulegen. Sie dürfen dann nur nicht über Befugnisse hinausgehen, die dem vorläufigen Verwalter im Fall der Anordnung eines Verfügungsverbots zustehen würden, § 22 Abs. 2 Satz 2 InsO. 2368 Der schwache Verwalter hat dann gegenüber dem Kreditinstitut keine eigenen Rechte, könnte z. B. auch nicht Auskünfte beanspruchen, sondern wäre dafür auf den Schuldner angewiesen. Haftungsfalle: 2369 Ein Kreditinstitut würde das Bankgeheimnis verletzten würde es dem Insolvenzverwalter ohne Zustimmung des Schuldners direkt Auskünfte erteilt. Der Kunde – nicht das Kreditinstitut – ist gem. § 22 Abs. 3 InsO dem vorläufigen Verwalter gegenüber zur Auskunft verpflichtet, muss daher Auskünfte grundsätzlich selbst bei Kreditinstitut anfordern oder den vorläufigen Insolvenzverwalter dazu ausdrücklich ermächtigen; sind diese schon erteilt worden (z. B. durch Kontoauszüge), schuldet das Kreditinstitut diese erneut nur gegen entsprechenden Kostenersatz, in dieser Phase sicherlich nur gegen Vorkasse oder Garantieerklärung der Kostenübernahme durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. 2370 Ein Zustimmungsvorbehalt verbietet dem Schuldner, Verfügungen alleine vorzunehmen; er bedarf dazu jeweils der vorherigen Zustimmung des Insolvenzverwalters. Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 II Nr. 2 Fall 2 InsO, der (nur) zur Einziehung von Bankguthaben und sonstigen Forderungen des Schuldners ermächtigt ist, kann die für ein Gemeinschaftskonto vereinbarte Einzelverfügungsbefugnis dann z. B. nicht wirksam widerrufen, BGH, Urt. v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, NZI 2020, 1046. Dazu müsste das Insolvenzgericht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO neben der Ermächtigung, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen, wenn es kein allgemeines Verfügungsverbot verhängt wurde, zum Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis separat bzw. ausdrücklich ermächtigen. Die Einziehung von Bankguthaben und sonstigen Forderungen des Schuldners umfasst nach der obigen BGH-Entscheidung dieses Recht nicht. Standardmäßig werden Insolvenzgerichte das aber wohl nicht festlegen; diese Ermächtigung sollte der Insolvenzverwalter daher bedarfsweise anregen.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Für das Kreditinstitut ist somit stets nach den Festsetzungen des Insolvenz- 2371 gerichtes zu differenzieren, wann sie Verfügungen des Schuldners weiter zulassen darf. Bei allen Konten (zu den P-Konten siehe ausführlich Rn. 2413) uneingeschränkt, wenn kein Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wurde. (2) Nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sämtliche Konten werden durch Anordnungen nach § 21 InsO nicht in ihrem 2372 Bestand beeinträchtigt. Obermüller, Rn. 2.78a unter Verweis auf LG Stuttgart, Urt. v. 31.7.1995 – 12 0 53/95, WM 1996, 154.
Mit einem allgemeinen Verfügungsverbot oder der Anordnung, vor Verfü- 2373 gungen die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters/Treuhänders einzuholen, wird dem Schuldner aber regelmäßig untersagt, eine Handlung vorzunehmen, die geeignet ist, negativ auf sein Vermögen einzuwirken. Haarmeyer/Schildt, in: MünchKomm-InsO, § 21 Rn. 54.
Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2374 1. Alt. InsO ist damit ein umfassender Schutz vor Vermögensverschiebungen oder um Manipulationen des Schuldners effektiv zu verhindern bzw. rückholbar zu machen. Haarmeyer/Schildt, in: MünchKomm-InsO, § 21 Rn. 54.
In der Praxis ordnen Gerichte allerdings zumeist kein allgemeines Verfügungs- 2375 verbot an, da es umfassend die Verfügungsbefugnis beschränkt und damit auch haftungsrechtliche Risiken verbunden sind. Haarmeyer/Schildt, in: MünchKomm-InsO, § 21 Rn. 54.
Soweit das doch ausnahmsweise der Fall wäre, könnte der Schuldner über seine 2376 Konten nicht mehr verfügen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Vermögen des Schuldners kann dann nur noch der vorläufige Verwalter wahrnehmen, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO. (3) Nach Anordnung der Untersagung und einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 In der Praxis führt ein zulässiger Insolvenzantrag aber nahezu ausnahmslos – 2377 jedenfalls im Regelinsolvenzverfahren – dazu, dass das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren – also der Phase zwischen Insolvenzantrag und etwaiger Eröffnung des Verfahrens – gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen untersagt und/oder bereits begonnene einstweilen einstellt.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2378 Wie auch bei der Anordnung eines allgemeines Verfügungsverbotes oder eines Zustimmungsvorbehaltes nach § 21 Abs. 2 Satz l Nr. 3 InsO, hat die Anordnung der einstweiligen Einstellung und Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Satz l Nr. 3 InsO keine Auswirkung auf den Fortbestand der Konten bzw. der Kontoverträge. Sie bleiben durch diese Anordnung unbeeinträchtigt. Schon gar nicht haben sie etwa das (automatische) Erlöschen der Verträge zur Folge. Für das Eröffnungs- bzw. Antragsverfahren existiert keine Bestimmung vergleichbar dem § 116 InsO, nach der Geschäftsbesorgungsverträge mit Verfahrenseröffnung erlöschen Vgl. Obermüller, in: BuB, 142 Lfg., Rn. 15/156.
2379 Die Anordnung der Untersagung und einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 soll aber verhindern, dass einzelne Gläubiger noch in irgendeiner Weise für die Insolvenzmasse nachteilige Veränderungen des Schuldnervermögens treffen können, § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO. Die §§ 88 – 90 InsO finden nur im eröffneten Verfahren Anwendung. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO verhindert die Einzelzwangsvollstreckung, da sonst im Eröffnungsverfahren allein das allgemeine Verfügungsverbot für den Schuldner, Gläubiger nicht hindern könnte, weitere Kontopfändungen auszubringen. Das Gericht muss daher in dieser Phase die Zwangsvollstreckung durch weitere Anordnungen untersagen/einstellen. Diese Verfügung wirkt dann wie das erst ab Verfahrenseröffnung geltende Verbot nach § 89 Abs. 1 InsO.
2380 Der diesbezügliche Anordnungs-Beschluss lautet dann herkömmlich etwa wie folgt: „Maßnahmen der Zwangsvollstreckung werden gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lnsO untersagt, bereits eingeleitete Maßnahmen werden einstweilen eingestellt.“ Nach dem ESUG im sog. Schutzschirmverfahren hat das Gericht auf Antrag des Schuldners nach § 270b Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 ESUG Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung einzustellen; Beschlagnahmen nach den §§ 98 ff. StPO sind aber weiterhin möglich, Haarmeyer/Schildt, in: MünchKomm-InsO, § 21 Rn. 70. Auch im Rahmen des StaRUG, des Unternehmensstabilisierungsund -restrukturierungsgesetz, einem Rechtsrahmen der es Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans zu sanieren und damit die Insolvenz abzuwenden, können nach § 49 Abs. I Nr. 1, § 53 Abs. 1 StaRUG Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt oder einstweilen eingestellt werden (Vollstreckungssperre); vgl. dazu Riggert, NZI-Beilage 2021, 40.
2381 Betrachtet man die Anordnung der einstweiligen Einstellung und Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO isoliert, also so, als wäre nicht zusätzlich auch ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO angeordnet worden, ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Der Schuldner kann – wenn es kein Verfügungsverbot oder einen Zustim- 2382 mungsvorbehalt gäbe – weiter über seine Konten unbeeinträchtigt verfügen, denn es wäre ja nur die Zwangsvollstreckung (Dritter) untersagt. Sind die Konten daher nicht mit Kontopfändungen belegt, ist der Schuldner in seinen Verfügungen über seine Konten durch diese Anordnung nicht eingeschränkt. Anders natürlich dann, wenn neben der Anordnung der einstweiligen Einstellung und Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO zusätzlich auch ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO angeordnet ist oder wenn zwar kein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO angeordnet ist, aber noch eine Kontopfändung auf den Konten lastet, weil dann die Verfügungsbefugnisse natürlich durch diese Maßnahmen eingeschränkt wären.
dd) Keine Eröffnung des Verfahrens Vorkommen kann, dass nach einem Antrag und der Anordnung von sichernden 2383 Maßnahmen nach § 21 InsO das Insolvenzverfahrens letztlich nicht eröffnet wird, z. B. mangels Masse, § 26 Abs. 1 InsO, oder weil der Eröffnungsgrund während des Antragsverfahrens wieder entfällt, § 212 InsO. Die Verfahrenseinstellung führt dazu, dass der Insolvenzschuldner seine 2384 Verfügungsbefugnis über seine Konten zurückerlangt. Braun-Ludwig, InsO, § 207 Rn. 33; auf die sonstigen Folgen, wie die Eintragung in ein Schuldnerverzeichnis etc., wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
ee) Eröffnung des Verfahrens Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, verliert der Schuldner nahezu alle Ver- 2385 fügungsbefugnisse. Auch der (Weiterbestand) von Zahlungskonten und die Kontokorrentabrede erfährt dann regelmäßig eine Zäsur. Die Rechtsfolgen der Insolvenzeröffnung auf Konten variiert, je nach Kontoart. 2386 Zahlungskonten erlöschen mit Eröffnung des Verfahrens, §§ 115 Abs. 1, 116 Satz 1 InsO. Zur Ausnahme eines noch in ein P-Konto umwandelbaren Zahlungskontos, das nur aufschiebend bedingt erlischt, siehe Rn. 2443.
Auch die Kontokorrentabrede, die eine Verrechnung zum vertraglich vereinbarten Rechnungsabschluss-Zeitpunkt automatisch vollzieht, verliert gem. § 91 InsO ihre Wirkung. Es ist dann ein außerordentlicher Saldenabschluss durchzuführen. Obermüller, in: Gottwald/Haas, § 98 Rn. 5, unter Verweis auf BGH, Urt. v. 13.11.1990 – IX ZR 217/89, NJW 1991, 1286.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2387 Das gilt auch für ein Basiskonto, denn die sehr eingeschränkten Kündigungsgründe des § 42 ZKG gelten nicht, weil die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Beendigung kraft Gesetzes ist. So zu Recht Obermüller, Rn. 2.105b; ebenso PrivatInsRK/Tichbi, §§ 35, 36 InsO, Teil4, Rn. 163. Praxistipp: (Gemein-)Schuldnern kann daher nur empfohlen werden, rechtzeitig vor Eröffnung des Verfahrens das Zahlungskonto in ein P-Konto umzuwandeln. Darauf sollten auch Schuldnerberater hinwirken.
2388 Wird das Konto durch den Insolvenzverwalter unter derselben Kontonummer weitergeführt und lässt das Kreditinstitut das zu, kommt trotzdem – durch schlüssiges Verhalten – ein neuer Kontovertrag (zu den gleichen Konditionen wie zuvor) zustande. BGH, Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, NZI 2019, 374. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Mitinhabers eines Gemeinschaftskontos beendet dessen Kontokorrent im Übrigen nicht, da das Konto nicht Teil der Insolvenzmasse ist. Dagegen ist der Auseinandersetzungsanspruch des Schuldners eines Gemeinschaftskontos, der außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend zu machen ist, § 84 InsO, ein zur Insolvenzmasse gehörender Vermögensanspruch. Zum Widerruf der bisherigen Einzelverfügungsbefugnis des Schuldners über das Gemeinschaftskonto, siehe Rn. 2419.
2389 Dagegen erlöschen Sparkonten und Termingeldkonten nicht automatisch mit der Eröffnung. Gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfristen oder vereinbarte Fälligkeiten sind weiter einzuhalten. Obermüller, in: Gottwald/Haas, § 98 Rn. 9 unter Verweis auf OLG Rostock, LG Rostock, Urt. v. 13.12.2001 – 4 0 180/00, ZlnsO 2002, 290.
2390 Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, verliert dieser auch seine Verfügungsbefugnisse über seine Konten, § 80 Abs. 1 InsO. 2391 Sie können ab diesem Zeitpunkt nur noch durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Das gilt auch hinsichtlich der Verfügungsbefugnisse des Schuldners von Gemeinschaftskonten, vgl. Obermüller, Rn. 2.129.
2392 Hat das Kreditinstitut allerdings keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, was natürlich voraussetzt, dass es zuvor keine ihm zu Kenntnis gelangte gerichtlich angeordnete Verfügungssperre im Rahmen des § 21 InsO gab, ist es hinsichtlich der Verfügungen durch den Schuldner im Rahmen des § 82 InsO geschützt. 662
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, NZI 2010, 480. § 82 InsO stellt auf die Kenntnis der Verfahrenseröffnung ab, nicht auf ein Kennenmüssen, Preuß, in: Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, S. 368.
Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis reicht nicht aus.
2393
OLG Bremen, Urt. v. 30.1.2014 – 3 U 52/13, NZI 2014, 403 mit Anm. Geiger.
Hat ein Kreditinstitut vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung 2394 geleistet, wird die Unkenntnis gem. § 82 Satz 2 InsO vermutet. Der Beweis der Unkenntnis ist aber selbst nach Veröffentlichung nicht ausgeschlossen, OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2002 – 1 U 208/01, DZWir 2002, 514 m. Anm. Adam.
Ein Kreditinstitut muss nicht über das Internet über das amtliche Portal 2395 www.insolvenzbekanntmachungen.de einen Abgleich mit seinen Kundendaten vornehmen oder gar eine Einzelabfrage vornehmen. OLG Bremen, a. a. O.; der IX. Zivilsenat am BGH hatte in seiner obigen Entscheidung v. 15.4.2010 allerdings angedeutet, dass zukünftige leichtere technische Möglichkeiten zum Abgleich der Unternehmensdaten mit öffentlichen Bekanntmachungen zur Folge haben könnten, dass zumindest die Berufung institutioneller Gläubiger auf die Unkenntnis i. S. v. § 82 Satz 1 InsO nicht mehr zulässig wäre.
Es besteht aber keine Informationsbeschaffungspflicht für Kreditinstitute. Ebenso LG Kiel, Urt. v. 30.7.2020 – 12 O 76/19, NZI 2020, 949, ebenfalls zu www.insolvenzbekanntmachungen.de; das LG Kiel weist zu Recht darauf hin, dass der Abgleich „einen deutlich höheren Zeit- und Personalaufwand“ erfordern würde, „der für den gesamten automatisierten Zahlungsverkehr, aber auch für den Schalterbetrieb der Banken, von vornherein nicht in Betracht kommt.“ A. A. offensichtlich Cranshaw, jurisPR-InsR 12/2021 Anm. 3, der jedenfalls meint, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut als kontoführende Zahlungsdienstleisterin die Eintragung der Verfahrensaufhebung in www.insolvenzbekanntmachungen.de „monitoren“ muss. Das sieht der Autor anders. Daher richtig auch der Hinweis des LG Kiel, dass der Gesetzgeber genug Gelegenheiten gehabt hätte, wenn er den Internetbekanntmachung von Insolvenzen zu Gunsten des Masseschutzes und zu Lasten des Verkehrsschutzes in § 82 InsO hätte stärken wollen. Wenn das, wie bislang, nicht geschehen ist, dann darf unterstellt werden, so das LG Kiel zu Recht, dass „ein weitergehender Regelungswille in der Weise, dass ein Unternehmen, das umfangreichen Zahlungsverkehr zu bewirken hat, sich als Drittschuldner auf die Unkenntnis einer im Internet öffentlich bekannt gemachten Insolvenzeröffnung nur berufen darf, wenn es organisatorische Vorkehrungen geschaffen hat, die im Internet zugänglichen Informationen für seine Unternehmenszwecke aufzunehmen und weiterzuverarbeiten“, bewusst nicht gewollt ist.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2397 Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Kreditinstitut allerdings bekannt, dann gibt es selbstverständlich eine interne, zu organisierende Pflicht, diese Information an diejenigen Stellen unverzüglich weiterzuleiten, die dann die Verfügungssperren veranlassen müssen. BGH NZI 2006, 175 Rn. 13; Geiger weist in seiner Anm. zu OLG Bremen, a. a. O., mit Recht darauf hin, dass es eine gesetzliche Regelung bzw. eine von einer gesetzlichen Regelung abgeleitete Bestimmung, die wegen des Charakters der Amtlichkeit des Portals „www.insolvenzbekanntmachungen.de“ das Kennenmüssen einer entsprechenden Eintragung und Veröffentlichung fingiert, nicht gibt. Selbst der BGH bezeichnete das Portal – jedenfalls noch im Oktober 2013 – als unübersichtlich, BGH, Beschl. v. 10.10.2013 í IX ZB 229/11, NZI 2014, 77.
ff) Aufhebung des Verfahrens 2398 Wurde das Verfahren eröffnet, aber dann mangels Masse eingestellt, § 207 InsO oder nach Zustimmung aller Gläubiger, § 213 InsO aufgehoben wird, führt die Verfahrenseinstellung auch trotz der schon fortgeschritteneren Phase dazu, dass der Insolvenzschuldner seine Verfügungsbefugnis über seine Konten zurückerlangt. Braun-Ludwig, InsO, § 207 Rn. 33.
gg) Wohlverhaltensphase 2399 Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens schließt sich bei Verbrauchern, die einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt haben, eine Wohlverhaltensphase an. Mit dem am 17.12.2020 beschlossenen „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ wurde die Frist zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre verkürzt. Das neue Recht gilt rückwirkend für Verfahren, die ab dem 1.10.2020 beantragt wurden (Art. 103k Abs. 1 -EGInsO). Für Verfahren, die zwischen dem 17.12.2019 und dem 30.9.2020 beantragt wurden, verkürzt sich die Frist anteilig (Art. 103k Abs. 2 EGInsO n. F.); für einen Überblick Schülke/Baschnagel, DStR 2021, 295.
2400 In dieser Phase erhält der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, zurück. Er muss bestimmte Obliegenheiten erfüllen, § 295 InsO, und seinem Antrag auf Restschuldbefreiung ist eine Erklärung beizufügen, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt, §§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO. Das ändert aber nichts daran, dass er seine Verfügungsbefugnisse u. a. über die Konten wiedererhält, da das Insolvenzverfahren beendet ist. 664
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Er kann nun auch wieder neue Konten errichten und über seine bestehenden 2401 Konten wieder verfügen, auch wenn sein pfändbares Einkommen den bisherigen Gläubigern gebührt. Obermüller, Rn. 2.302 unter Hinweis auf Pape, ZInsO 2002, 917.
Bestehende Kontopfändungen, deren Verstrickung nicht aufgehoben wurde, 2402 leben wieder auf. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428. Zum Wiederaufleben bedarf es keiner erneuten Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner.
Hinsichtlich der Verfügungsbefugnis über Guthaben wäre eine noch bestehende 2403 wiederauflebende Kontopfändung dann zunächst grds. wieder zu berücksichtigen. hh) Restschuldbefreiung Hinsichtlich des Bestandes dann noch bestehender Konten und der Verfü- 2404 gungsbefugnis über diese Konten, ändert der Eintritt in die Phase der Restschuldbefreiung gegenüber der Wohlverhaltensphase nichts mehr. Der (nun ehemalige) Schuldner behält die Befugnis, sein Vermögen – nun aller- 2405 dings wieder völlig unbeeinträchtigt von Obliegenheiten – zu verwalten und darüber zu verfügen. Er kann weiterhin neue Konten errichten und über seine noch bestehenden Konten wieder verfügen. Sein Einkommen gebührt wieder ihm alleine. b) Auswirkungen auf P-Konten und Verfügungsbefugnisse Das Insolvenzverfahren hat auf den Bestand bzw. das Fortbestehen des 2406 P-Kontos und die Verfügungsbefugnisse innerhalb der Freibeträge grundsätzlich keine Auswirkungen. Sowohl im außergerichtlichen als auch im gerichtlichen Schuldenbereinigungs- 2407 verfahren kann ein herkömmliches Zahlungskonto auch noch jederzeit in ein P-Konto umgewandelt werden. aa) Fortbestand des P-Kontos in der Phase vor Verfahrenseröffnung Wird im Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren ein allgemeines Verfü- 2408 gungsverbot angeordnet, tangiert auch das nicht den Fortbestand eines bereits bestehenden P-Kontos. Ein Zahlungskonto kann auch dann noch in ein P-Konto umgewandelt werden. Auch die Neueröffnung eines Pfändungsschutzkontos in dieser Phase wäre 2409 möglich. Verfügungsverbote hindern den Kunden nicht, neue Verträge abzu-
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
schließen. Da im Rahmen der Freibeträge über Guthaben auf P-Konten verfügt werden kann, ist es als insoweit (masse-)freier Vermögenswert davon nicht betroffen. Verfügungsverbote oder Zustimmungsvorbehalte beziehen sich immer nur auf Vermögenswerte, die im Falle der Verfahrenseröffnung zur Insolvenzmasse gehören würden. Zur Insolvenzmasse gehören würden daher Guthaben oberhalb der (individuellen) Pfändungsfreigrenzen des Kontoinhabers, vgl. Obermüller, Rn. 2.78.
2410 Ein herkömmliches Zahlungskonto kann daher auch noch in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden. Selbst ein konkretes Verfügungsverbot in Hinblick auf die Kontoführung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO, würde die Umwandlung nicht hindern. Das Recht zur Umwandlung gem. § 850k Abs. 1 Satz 1 ist ein höchstpersönliches Recht; es kann auch nicht durch den InsO-Verwalter ausgeübt werden. AG Kandel, Urt. v. 17.1.2011 – 1 C 531/10, juris; deshalb ist der Umwandlungsanspruch selbst auch kein Vermögensgegenstand, der in die Masse fallen und daher auch nicht durch ein Verfügungsverbot oder an die Zustimmung des InsO-Verwalters gebunden sein kann.
2411 Ein Kreditinstitut darf daher die Umwandlung trotz eines gerichtlichen angeordneten Zustimmungsvorbehaltes nicht von der Zustimmung des InsOVerwalters abhängig machen, sondern muss diesem unbedingten Anspruch auf Umwandlung auch in dieser Phase entsprechen. Ebenso Büchel, ZInsO 2010, 20, 25.
2412 Das Recht auf Errichtung eines P-Einzelkontos gem. § 850l aus dem Gemeinschaftskonto heraus, ist ebenfalls ein höchstpersönliches Recht, das dem Gemeinschuldner auch bei Anordnung von Maßnahmen nach § 21 InsO weiterhin zusteht. Die Frage, ob auch die Anordnungen gem. 21 InsO – und nicht nur eine Kontopfändung – die Rechte nach § 850l ZPO auslösen, ist durch den umfassenden Verweis in § 36 InsO – unter Hinzunahme ausdrücklich auch des § 850l ZPO – eindeutig zu bejahen. Dies gilt unabhängig davon, dass sich § 36 lediglich auf die Insolvenzmasse, also das Vermögen im schon eröffneten Insolvenzverfahren bezieht. Ein Gemeinschaftskonto wird zwar nicht Teil der Insolvenzmasse, aber der Auseinandersetzungsanspruch des Schuldners eines Gemeinschaftskontos ist ein zur Insolvenzmasse gehörender Vermögensanspruch.
bb) Verfügungsbefugnisse beim P-Konto 2413 Das Insolvenzverfahren hat auf den Bestand bzw. das Fortbestehen und die Verfügungsbefugnisse im Rahmen der Freibeträge in keiner Phase Auswirkungen.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Das gilt für die Phasen der außergerichtlichen und gerichtlichen Schulden- 2414 bereinigung, aber auch im Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren. Auch wenn nur ein Verwalter ohne Verfügungsverbot eingesetzt wird, kann über das P-Konto verfügt werden, dann sogar uneingeschränkt, wenn es nicht zusätzlich gepfändet wäre. Ist ein allgemeines Verfügungsverbot, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, angeordnet 2415 worden, dann ist eine Verfügung über Guthaben nur noch im Rahmen der Freibeträge möglich. Büchel, ZInsO 2010, 22 ff.
Nach Anordnung nur der Untersagung und einstweilige Einstellung der 2416 Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, die nur die Zwangsvollstreckung einstellt und untersagt, nicht aber Verfugungsbefugnisse einschränkt, ist der Schuldner daher in seinen Verfügungsbefugnissen über das P-Konto nicht beschränkt. Für Verfügungen über oberhalb des Freibetrages liegende Guthaben greift 2417 wieder das Verfügungsverbot oder der Zustimmungsvorbehalt. Maßnahmen nach § 21 InsO berechtigen das Kreditinstitut im Rahmen der vertraglichen Darlehens- oder AGB-Vereinbarungen zur außerordentlichen Kündigung der auf dem Konto eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 504 BGB) und der weiteren Kreditkartennutzung. Es dürfte aber bei einem bestehenden P-Konto die Ausnahme darstellen, dass diese Leistungen noch zur Verfügung gestellt werden.
Das PKoFoG hat zudem durch die Änderung von § 36 Abs. 1 Satz 2 mit der 2418 Aufzählung nun nahezu aller Normen das P-Konto betreffend, den Schutzumfang erweitert, so dass nun auch auf gesicherter gesetzlicher Grundlage die Moratorien und die Rückwirkung nach Umwandlung zu beachten sind. Solange also nach Anordnung der Maßnahmen nach § 21 InsO das Konto noch rechtzeitig umgewandelt wird, was bedeutet innerhalb eines Monats nach der Anordnung von Maßnahmen nach § 21 InsO, analog § 850k Abs. 2 Satz 1, muss das Kreditinstitut nichts aus diesem unpfändbaren Guthaben an den Insolvenzverwalter abführen. Maßgeblich für den Fristbeginn ist nicht die Anordnung, sondern die Kenntnis des Kreditinstituts von der Anordnung, vgl. Rn. 2445.
Ein Oder-Gemeinschaftskonto dagegen unterliegt nur hinsichtlich der Ver- 2419 fügungsbefugnis des Gemeinschuldners den Anordnungen nach § 21 InsO. Die Verfügungsberechtigungen der anderen Kontoinhaber bleiben gänzlich unberührt. Buchungen die diese veranlassen, muss das Kreditinstitut ganz normal ausführen. Alle Kontomithaber – oder auch der vorläufige Insolvenzverwalter oder Treuhänder für den Gemeinschuldner, wenn entsprechende Maßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind – können aber die bisherige Einzelverfügungsbefugnis beim Oder-Gemeinschafts-
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen konto widerrufen, sodass fortan – wie beim Und-Konto von vorneherein – nur noch beide gemeinsam verfügungsbefugt sind, Peters, in: MünchKomm-InsO, § 35 Rn. 430. Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO, der (nur) zur Einziehung von Bankguthaben und sonstigen Forderungen des Schuldners ermächtigt ist, kann die für ein Oder-Gemeinschaftskonto vereinbarte Einzelverfügungsbefugnis allerdings nicht wirksam widerrufen, BGH, Urt. v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, NZI 2020, 1046. Ein nur solchermaßen ausgestatteter vorläufiger Verwalter tritt nicht an die Stelle des Schuldners, sondern kann nur mit dem Schuldner zusammen handeln.
2420 Das Recht auf Geltendmachung auf Übertragung anteiligen Guthabens durch den Schuldner gem. § 850l dürfte – obwohl Verfügung über Vermögen – wohl zulässig sein und bedürfte auch nicht der Zustimmung des Insolvenzverwalters/ Treuhänders. Zwar handelt es sich um eine Verfügung über auch ggf. der Masse zugehörigem Vermögen, soweit die Pfändungsfreibeträge überschritten sind, aber es findet lediglich eine Umbuchung auf das P-Einzelkonto des Schuldners statt. Dort angekommen unterliegt das Guthaben weiterhin der Pfändung bzw. der Beschlagnahme, so dass es nur eine Art „technische Umbuchung“ auf ein anderes Konto ist, dessen Anlage zum Pfändungsschutzerhalt gesetzlich vorgegeben ist und dessen Guthaben dadurch nicht der Masse oder Pfändung – wie andere, unzulässige Verfügungen – entzogen werden können.
2421 Auch die nicht von der Insolvenz betroffenen Gemeinschaftskontomitinhaber eines Oder-Gemeinschaftskontos dürfen die Übertragung ihres Kopfteiles verlangen. Bei einem Und-Konto können alle Kontoinhaber immer nur gemeinschaftlich über das Konto verfügen und das Kreditinstitut kann immer nur an alle gemeinsam leisten, § 432 BGB. Das gilt auch für die Übertragung von Guthaben im Rahmen des § 850l, vgl. Rn. 1420.
2422 Dass mit diesem Verlangen der Nichtschuldner gleichzeitig auch der Kopfanteil des Gemeinschuldners dann „festgelegt“ ist, ist nicht Folge der Gesamtgläubigerschaft beim Oder-Konto gem. § 428 BGB, wonach jeder Gesamtgläubiger berechtigt ist, jeder für sich die gesamte Leistung von dem Kreditinstitut zu fordern, sondern Folge der Regelungen des § 850l. Jeder der Kontoinhaber ist damit hinsichtlich der kopfteiligen Leistung selbstständig forderungsberechtigt, d. h. sein Forderungsrecht ist von dem Recht des anderen Kontoinhabers unabhängig. Zum selbstständigen Forderungsrecht gem. § 428 BGB, vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, NJW 2018, 2632 mit Anm. P. Schubert.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Einer abweichenden Verteilung allerdings müssten sowohl der Gläubiger als 2423 auch der Insolvenzverwalter zustimmen. Die Zustimmung des Insolvenzverwalters wäre nur solange nicht notwendig, wie die Verfügungsbefugnis noch nicht eingeschränkt wäre. Die Zustimmung des Pfändungsgläubiger wäre nur dann entbehrlich, wenn die Verstrickung bereits ausgesetzt wäre. Im Falle einer etwaigen Doppel-Insolvenz (beide Kontoinhaber eines Oder-Gemeinschaftskontos sind von Anordnungen nach § 21 InsO betroffen) würde das Verfügungsverbot bzw. das Zustimmungserfordernis von beiden Insolvenzverwaltern/Treuhändern wahrzunehmen sein. Auch hier wäre aber die kopfteilige – nicht aber die davon abweichender – Übertragung von Guthaben nach § 850l ausgenommen.
cc) Keine Eröffnung des Verfahrens Die Verfahrenseinstellung führt dazu, dass der Insolvenzschuldner seine Ver- 2424 fügungsbefugnisse über seine Konten zur Gänze zurückerlangt. Ist das Konto allerdings weiterhin ein P-Konto ändert sich an der Verfügungsbefugnis im Rahmen der Freibeträge nichts. Wenn eine bestehende Kontopfändung wieder auflebt, sind Verfügungen über 2425 Guthaben oberhalb der Freibeträge nicht möglich. Diese Guthaben unterliegen (wieder) der Pfändung. Zur Ausnahme, wenn die Verstrickung aufgehoben wurde, vgl. unter Rn. 2492 ff.
dd) Eröffnung des Verfahrens Selbst beim schon existierenden P-Konto wird – nicht zuletzt deshalb, um 2426 sich von ihm trennen zu können – darüber diskutiert, ob es ebenfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. So du Carrois, ZInsO 2009, 1801, 1805; Knees, ZInsO 2011, 511.
Gleichwohl kommt die h. M. zum Ergebnis, dass jedenfalls ein P-Konto nicht 2427 erlischt, da die darauf befindlichen Guthaben – jedenfalls soweit die Freibeträge reichen – nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen. PrivatInsRK/Tichbi, §§ 35, 36 InsO, Teil 4, Rn. 172; Menges, in: Bankrechts-Hdb., § 24 Rn. 54; so wohl auch aus dem Urteil des BGH Urt. v. 21.2.19 – IX ZR 246/17, NZI 2019, 374, 375 „herauslesbar“; Richter, in: Henning/Lackmann/Rein, Rn. 100; Sudergat, ZVI 2013, 169; Stritz, InsbürO 2012, 207; Büchel, ZInsO 2010, 20, 26; Obermüller, Rn. 2.185; Jaquemoth/Zimmermann, ZVI 2010, 115; Remmert, NZI 2008, 70.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2428 Da ein P-Konto zwingende Voraussetzung für den darauf gewährten Pfändungsschutz ist, kann es in der Konsequenz nur bedeuten, dass auch das P-Konto selbst nicht mehr erlischt. So auch Obermüller, Rn. 2.185. Dafür spricht, dass § 850k in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO erwähnt und damit das P-Konto ein nicht zur Insolvenzmasse gehöriger Vermögenswert ist. Rechtsdogmatisch argumentierend und a. A. Knees, ZInsO 2011, 511, der darauf verweist, dass zwar das Guthaben über den Verweis in § 36 InsO geschützt sein soll, dass sich daraus aber eben nicht auch ein Schutz für den Girovertrag ergibt, weil der Gesetzgeber die Anwendbarkeit der §§ 115, 116 InsO auf einen bei Insolvenzeröffnung bestehenden P-Konto-Girovertrag (wohl aber Guthaben) nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat.
2429 Der Autor ist allerdings der Auffassung, dass § 115, 116 InsO im Kontext des § 36 Abs. 1 InsO (mit seinem Hinweis auf § 850k) zu sehen ist und, da der P-Konto-Girovertrag zwingende Voraussetzung für den Schutz (auch künftigen) Guthabens ist, trotz Insolvenzeröffnung fortbesteht. Richter, in: Henning/Lackmann/Rein, Rn. 100 bezeichnet das sogar als „mittlerweile ganz herrschende Ansicht“; ebenso PrivatInsRK/Tichbi, §§ 35, 36 InsO, Teil 4, Rn. 172. Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 850k Rn. 149, meint sogar, dass § 850k als speziellere Regelung die §§ 115, 116 InsO insoweit verdrängt.
2430 Denn nur dann kann der insolvente Kontoinhaber auch im eröffneten Insolvenzverfahren den Pfändungsschutz der §§ 899 ff., von denen § 36 Abs. 1 Satz 2 ebenfalls sagt, dass sie im Insolvenzfalle entsprechend gelten, für sich nutzen. So auch AG Nienburg, Urt. v. 24.1.2013 – 6 C 516/12 (n. rkr.), ZVI 2013, 198; ebenso AG Verden, Urt. v. 14.2.2013 – 2 C 59/13, ZVI 2013, 196; Sudergat, ZVI 2013, 169; im Ergebnis ebenso Büchel, ZInsO 2010, 20, 26.
Zuzustimmen ist Knees allerdings in seiner Forderung, dass eine gesetzliche Klarstellung hilfreich wäre. 2431 Auch der PKoFoG-Gesetzgeber scheint der Rechtsansicht zu folgen, dass das P-Konto nicht erlischt. Denn im Rahmen des PKoFoG ist eine entsprechende Klarstellung nicht erfolgt, was man, wenn das noch streitig wäre, hätte erwarten dürfen. Vielmehr ist in der Gesetzesbegründung zu der Änderung des § 36 InsO zu lesen, dass nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögensgegenstände des Schuldners, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht zur Insolvenzmasse gehören. Und weiter heißt es dann: „Soweit somit nach den Regelungen zum P-Konto bestimmte Teile von Guthaben auf dem als P-Konto geführten Zahlungskonto des Schuldners nicht von der Pfändung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung erfasst werden, wird klargestellt, dass der Schuldner auch nach Eröffnung des In-
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
solvenzverfahrens hierüber verfügen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Pfändungsfreiheit auf dem Grundfreibetrag, dem Nachweis von Erhöhungsbeträgen oder einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts beruht.“ Bei enger Auslegung könnte man auch hier wieder sagen, dass nur die Rede 2432 von bestimmten Teilen von Guthaben die Rede ist; der Autor geht aber davon aus, dass hier durch den Passus „auf dem als P-Konto geführten Zahlungskonto“ gemeint ist, dass das P-Konto weiter geführt wird, was voraussetzt, dass das schon bestehende P-Konto die Insolvenzeröffnung überstehen muss. Die Praxiserfahrung zeigt auch, dass nahezu alle Kreditinstitute inzwischen davon auszugehen scheinen, dass das P-Konto nicht erlischt.
Dafür spricht auch die weitere Änderung im § 36 InsO: Denn das drittschuld- 2433 nerische Kreditinstitut kann vom Insolvenzverwalter nicht (mehr) verlangen, das P-Konto aus der Masse freizugeben. Diese Klarstellung erleichtert in der Praxis die Handhabung für alle Beteiligten, da die Diskussionen um Freistellungen/Freigaben und wem was zusteht, jedenfalls für das Existenzminimum i. R. d. Freibeträge entfallen. Für die Masse hat es zudem den Vorteil, dass – wie vorher regelmäßig – keine unbedingte Freigabe des Schuldnerkontos mehr erfolgen muss. Dass sie trotzdem weiter erfolgen kann, ist ein andere Sache. Jenseits der Freibeträge, gehört das Guthaben aber zur Masse.
Durch die Änderung des § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO hat der Gesetzgeber nun klargestellt, dass es zur Wirksamkeit von Verfügungen des Schuldners hinsichtlich der nach den Vorschriften über das P-Konto nicht von der Pfändung erfassten Teile des Kontoguthabens keiner Freigabe durch den Insolvenzverwalter bedarf. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 47.
Auch das spricht deutlich dafür, dass das bei Eröffnung des Verfahrens schon 2434 bestehende P-Konto mit Eröffnung nicht erlischt, denn der Gesetzgeber geht (auch hier) ersichtlich davon aus, dass ein P-Konto nicht mit Eröffnung erlischt (er verwendet den Begriff P-Konto auch für die Phase NACH Eröffnung). Zudem sagt der Gesetzgeber in der Begründung an derselben Stelle auch, dass 2435 die Abgrenzung zwischen von der Pfändung nicht erfassten Bestandteilen des Guthabens und solchen, die der Masse zugehörig sind, nach denselben Kriterien wie bei der Kontenpfändung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung vorzunehmen ist. Diejenigen Teile des Kontoguthabens, für die Pfändungsschutz nach Maßgabe der Vorschriften über die Wirkungen des P-Kontos nicht besteht oder später entfällt, werden somit vom Insolvenzbeschlag erfasst und sind grundsätzlich an den Insolvenzverwalter auszukehren.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2436 Sehr umstritten war und ist aber nach wie vor, ob ein zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht bestehendes P-Konto, aber noch umwandelbares Zahlungskonto bzw. Basiskonto, wegen der Rechtsfolgen des § 116 InsO noch in ein P-Konto umgewandelt werden kann. Wohl bejahend AG Kandel, Urt. v. 17.1.2011 – 1 C 531/10, BeckRS 2011, 22915, dass darüber zu entscheiden hatte, ob ein Treuhänder bzw. Insolvenzverwalter selbst die Umwandlung in ein P-Konto vornehmen kann, was es verneint hat, vgl. Rn. 888. Gleichzeitig hat es aber entschieden, dass das Konto unter der Bedingung der Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto freigegeben werden könne, was aber inzident voraussetzt, dass das Zahlungskonto über die Insolvenzeröffnung hinaus weiter bestehen muss, um es noch umwandeln zu können. Letzterem stimmen Cranshaw/Welsch, DZWIR 2016, 53, 63 zu.
Denn eigentlich erlischt ein Zahlungskonto mit der Eröffnung automatisch kraft Gesetzes, §§ 115, 116 InsO. 2437 Wenn das Kreditinstitut bereit ist, auch durch schlüssiges Verhalten, das Konto weiterzuführen, handelt es sich dagegen um einen neuen Kontovertrag (zu ggf. identischen Bedingungen und Konditionen wie dem erloschenen). BGH, Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, NZI 2019, 374; erforderlich ist lediglich ein Verhalten der Parteien, aus dem sich klar der rechtsgeschäftliche Wille entnehmen lässt, den erloschenen Zahlungsdiensterahmenvertrag erneut abzuschließen.
2438 Dieses Konto aber kann der Schuldner dann natürlich in ein P-Konto umwandeln. Damit wäre aber das vorher auf dem Konto noch befindliche Guthaben nicht der Masse entzogen bzw. entziehbar. 2439 Um das zu vermeiden, ist daher die Frage, ob für den ursprünglichen Zahlungsdiensterahmenvertrag § 116 InsO überhaupt zur Anwendung kommt oder nicht. Zum Streitstand Sudergat, 3. Aufl., Rn. 1038; noch für das Erlöschen, aber zweifelnd Obermüller, Rn. 2.189e, schon für die alte Rechtslage; noch offengelassen: BGH v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687, der dort die Möglichkeit gehabt hätte, es zu entscheiden, aber nur entschieden hat, dass für eine solche Entscheidung das Prozessgericht, nicht das Insolvenzgericht zuständig ist.
2440 Inzwischen scheint sich der BGH allerdings zu Gunsten des Erlöschens entschieden zu haben: BGH, Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, NZI 2019, 374.
2441 Danach ist ein Zahlungskonto, das auf Basis eines Zahlungsdiensterahmenvertrages gem. § 675f Abs. 2 BGB entsteht, ein Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. §§ 675 Abs. 1, 675c Abs. 1 BGB und erlischt, wenn es zu diesem Zeitpunkt (noch) kein P-Konto ist, gem. §§ 115, 116 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Der BGH sagt ganz klar, dass eine Weiterführung des Kontos nach Insolvenz- 2442 eröffnung nur im Rahmen eines neuen Girovertrags möglich ist; BGH, Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, NZI 2019, 374, Tz. 11aa.
Allerdings dürfte das Guthaben auf diesem fortgeführten, ggf. dann innerhalb 2443 der Rückwirkungsfrist des §§ 899 Abs. 1 Satz 2 umgewandelten P-Kontos nicht der Masse zustehen. Auch der BGH führt in seiner obigen Entscheidung daher aus, dass es dann 2444 anders wäre, wenn es sich beim Girovertrag um ein Vertragsverhältnis handelt, das – wie etwa ein Pfändungsschutzkonto gem. § 850k – ausschließlich das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners beträfe. Das wiederum könnte man dahingehend interpretieren, dass auch dem noch 2445 umwandelbaren Zahlungskonto ein besonderer Schutz zukommen soll; wird es innerhalb eines Monats nach Eröffnung des Insolvenzverfahren, konkreter: innerhalb eines Monats nach Zustellung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses an das drittschuldnerische Kreditinstitut in ein P-Konto umgewandelt, greifen die §§ 115, 116 InsO nicht. Deren Erlöschensrechtsfolge wäre insoweit aufschiebend bedingt. Abzustellen ist nur auf die Kenntnis vom Eröffnungsbeschluss beim drittschuldnerische Kreditinstitut, dass das Zahlungskonto führt. Daher ist maßgeblicher Zeitpunkt des Beginns der Monatsfrist zur Umwandlung in ein P-Konto die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses gegenüber dem drittschuldnerischen Kreditinstitut, nicht die Verfahrenseröffnung selbst. Auch der Beginn des Laufs der Monats-Frist im Rahmen einer Kontopfändung ist von der Zustellung des Überweisungsbeschlusses bei drittschuldnerischen Kreditinstitut abhängig, § 899 Abs. 1 Satz 2. Die Kenntnis, wohl aber die Zustellung von dem Eröffnungsbeschluss wird im Übrigen nicht bereits durch dessen öffentliche Bekanntmachung fingiert. Diese bewirkt gem. § 9 Abs. 3 InsO nur eine Fiktion der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an alle Beteiligten, wozu dann natürlich auch drittschuldnerische Kreditinstitute gehören, § 30 Abs. 2 InsO. Insoweit ist eine (fingierte) Zustellung nicht zugleich auch eine fingierte Kenntnis vom Inhalt des Eröffnungsbeschlusses. Anderenfalls würde der von § 82 Satz 1 InsO bezweckte Schutz des gutgläubigen Drittschuldners ausgehebelt, so zu Recht LG Duisburg, Urt. v. 9.8.2006 – 3 O 235/05, BeckRS 2011, 10006.
Dass das noch umwandelbare Zahlungskonto jedenfalls in dieser Karenzzeit 2446 zunächst nicht erlischt, dafür würde auch sprechen, dass der Zahlungsdiensterahmenvertrag wiederauflebt, wenn der Eröffnungsbeschluss später aufgehoben wird. Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 116 Rn. 3. Dagegen würde allerdings sprechen, dass § 36 Abs. 1 Satz 2 a. F. ebenfalls bereits auf den insoweit inhaltsgleichen § 850k a. F. verwiesen hatte, so dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH im Feb. 2019 die schon gleiche Ausgangslage bestand.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2447 Trotzdem: In der der Einzelzwangsvollstreckung vergleichbaren Situation soll der Kunde sein Zahlungskonto, das er spätestens innerhalb eines Monats nach Zustellung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses an das drittschuldnerische Kreditinstitut als P-Konto führen muss, als P-Konto erhalten und unbeeinträchtigt über sein darauf befindliches, der Beschlagnahme im Rahmen der Freibeträge entzogenes Guthaben verfügen können. Eine rückwirkende Umwandlung muss daher auch im Insolvenzverfahren ermöglicht werden. Eine Schlechterstellung des Gemeinschuldners gegenüber dem Vollstreckungsschuldner ist nicht (mehr) gewollt, was die Anpassung des § 36 Abs. 1 InsO im Zuge des PKoFoG auch noch einmal unterstreicht. 2448 Und eine ebenso zielführende Argumentation sei auch noch ins Feld geführt: Wird vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner das Zahlungskonto in ein P-Konto umgewandelt, unterliegt das nicht der Insolvenzanfechtung; es führt nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung i. S. v. § 129 InsO, da der Schuldner nur von seinem gesetzlichen Recht auf Pfändungsschutz Gebrauch macht Bitter, in: Festschrift Köndgen, S. 83, 112.
2449 Insofern ist das Zahlungskonto und das darauf befindliche Guthaben gewissermaßen mit diesem – für einen Monat nach Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an das drittschuldnerische Kreditinstitut noch geltend machbaren – Umwandlungsverlangen „belastet“. 2450 Ein solcher Vermögensgegenstand unterliegt damit nicht dem Insolvenzbeschlag, jedenfalls so lange nicht, bis nicht 1 Monat seit Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an das drittschuldnerische Kreditinstitut vergangen ist. Auch Zahlungen, die der Schuldner vor Insolvenzeröffnung aus seinem durch Freibeträge geschützten, unpfändbaren Guthaben an einem Gläubiger gezahlt hat, stellen keine Gläubigerbenachteiligung dar und sind daher nicht anfechtbar, BGH, Urt. v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, NZI 2016, 584.
2451 Somit sind das noch umwandelbare Zahlungskonto nebst Guthaben zunächst nur eine potenzielle Insolvenzmasse, deren Realisierung als definitive Insolvenzmasse sich aber ggf. nicht einstellt. 2452 Die sofortige Erlöschensfolge der §§ 115, 116 InsO gilt somit für ein noch umwandelbares Zahlungskonto nicht zwingend; wenn das Zahlungskonto durch den Schuldner vor Ablauf eines Monats nach Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an das drittschuldnerische Kreditinstitut in ein P-Konto umwandelt wird, ist sowohl dieses als auch das Guthaben, das sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befand und noch vor der Umwandlung in ein P-Konto dort entstanden ist, im Rahmen der Freibeträge vor dem Zugriff der Masse geschützt. Gelingt die Umwandlung allerdings nicht innerhalb der Monatsfrist, erlischt das Konto und das Guthaben fällt der Masse zu.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz Auch dann kann das Konto, wenn das Kreditinstitut bereit ist, es (ggf. zu den gleichen Bedingungen und Konditionen) fortzuführen, im Rahmen eines neuen Girovertrags zwar beibehalten und fortgeführt werden. Das Guthaben ist aber nicht mehr zu retten. Ansprüche aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag insgesamt gehen als Neuerwerb gem. § 35 Abs. 1 Fall 2 InsO in die Masse.
Ein bestehender Girovertrag des Schuldners erlischt daher nicht mit der Zu- 2453 stellung des Eröffnungsbeschlusses an das drittschuldnerische Kreditinstitut an diesem Tag. Es scheint sachgerechter und dem Ziel des Gesetzgebers nach Erhalt eines 2454 Zahlungskontos und Zugriffs auf das Existenzminimum auch in der Insolvenz eher zu entsprechen, dass ein noch umwandelbares Zahlungskonto nur aufschiebend bedingt erlischt. Ein weiteres Argument dafür ist, dass durch das PKoFoG nunmehr in § 36 2455 Abs. 1 Satz 2 InsO auch auf § 900 verwiesen wird, der das Zahlungsmoratorium für P-Konten enthält. Daher steht auch das bei Insolvenzeröffnung etwaige auf dem Zahlungskonto befindliche Guthaben zunächst nicht mehr dem Insolvenzverwalter zu. Anders Obermüller, Rn. 2.189c, noch zu alten Rechtslage, der aber konzediert, dass „eine solch strenge Auslegung dem Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde“, das Ergebnis aber nicht für unbillig hält, weil der Schuldner, zumal in einem Verbraucherinsolvenzverfahren, dem ein Schuldenbereinigungsverfahren vorangeht, genug Zeit bleibt, sein Konto rechtzeitig in ein P-Konto umzuwandeln.
Dass aber auch das (Zustellungs-)Guthaben schützenswert ist, hat selbst der 2456 BGH schon in seiner Entscheidung angedeutet, in der er offen gelassen hat, ob ein bestehendes P-Konto die Insolvenzeröffnung übersteht oder nicht. BGH, Beschl. v. 13.2.2014 í IX ZB 91/12, NZI 2014, 414.
In dieser Entscheidung hat der BGH für das der Beschlagnahme unterliegende 2457 Guthaben § 765a bemüht, war also ebenfalls schon der Ansicht, dass das unpfändbare Guthaben dem Schuldner zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen muss. Das ist aber insofern kein Widerspruch zu Rechtsansicht, nun die §§ 899 ff. entsprechend anwenden zu können (und nicht § 765a bemühen zu müssen), als § 36 Abs. 1 InsO nun umfassend auf die Schutzvorschriften zum P-Konto verweist. Der BGH jedenfalls machte schon damals klar, dass sich ein Zugriff des Insolvenzverwalters/Treuhänders auf das unpfändbare Guthaben verbietet: „Eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende ganz besondere Härte könnte darin liegen, dass das Kontoguthaben am Tag nach dem Eingang des Arbeitslohns auf dem Konto an den Treuhänder ausgezahlt worden ist, so dass dem Schuldner – möglicherweise – keinerlei Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verblieben sind.“
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2458 Auch das wäre ein Argument, dass für ein noch umwandelbares Zahlungskonto die §§ 115, 116 InsO nur aufschiebend bedingt gelten. 2459 Denn wenn zwar das Konto erlöschen würde, weil der Schuldner nicht binnen der Monatsfrist nach Zustellung des Insolvenzeröffnungsbeschlusse an das drittschuldnerische Kreditinstitut das Zahlungskonto in ein P-Konto umgewandelt hat, das Guthaben aber in Höhe der Freibeträge nach § 765a schützbar wäre und auch der künftige Schutz des Guthabens dadurch erreicht werden könnte, dass der Gemeinschuldner ein neues P-Konto über das ZKG eröffnen könnte, dann kann man auch gleich das Ergebnis durch die teleologisch reduzierte Anwendung der §§ 115, 116 InsO zulassen. 2460 Der Gemeinschuldner wäre dann zudem nicht von der Verbrauchereigenschaft des ZKG abhängig, um ein neues P-Konto eröffnen zu können, die dem gewerblich oder freiberuflich tätigen Gemeinschuldner wohl versagt bliebe. Außerdem bestünde keine Phase der Kontolosigkeit und sei es auch nur für ein paar Tage. Vor allem aber es für den Schuldner mit deutlich weniger Aufwand – und für andere Beteiligte mit weniger Aufwand und weniger Kosten – verbunden, weil der Schuldner nicht den gesamten Zahlungsverkehr, deren weiterer Teilhabe ja maßgebliches Ziel des P-Kontos ist, umstellen müsste und kein weiterer Rechtsschutz (über § 765a) notwendig würde. 2461 Dass auch der BGH für eine kostensparende unaufwändige Vollstreckung plädiert, hat er mit seiner – freilich die Einzelvollstreckung betreffende – Entscheidung dokumentiert. BGH, Urt. v. 10.6.2021, IX ZR 90/20, WM 2021, 1509 mit Anm. Sudergat, WuB 2021, 463, wonach eine verfahrensrechtlich zweckmäßige, kostensparende (Mit-)Vollstreckung erstrebenswert ist, die dem Grundgedanken des Zwangsvollstreckungsrechts Rechnung tragen soll, wonach die Kostenfrage in der Zwangsvollstreckung schnell und unkompliziert abgewickelt werden soll. Ein weiteres Rechtsschutzverfahren wäre vor diesem Hintergrund ebenfalls dann reine Förmelei (aber notwendig) und würde weitere unnötige Kosten auslösen. Damit stünde auch nicht im Einklang, die Kosten des Vollstreckungsverfahrens im Interesse des Schuldners und der Gläubiger niedrig zu halten und zugleich einen effektiven Pfändungsschutz des Existenzminimums zu gewährleisten, BGH, a. a. O.
2462 Auch wenn sich das in der vorliegenden Entscheidung des BGH auf die Einzelzwangsvollstreckung bezieht, wird man das in diesem Fall auf das GesamtVollstreckungsverfahren übertragen dürfen. 2463 Einem Zahlungsverlangen des Insolvenzverwalters/Treuhänders für solches Guthaben sollte ein Kreditinstitut daher zunächst nicht entsprechen. Erst wenn der (Gemein-)Schuldner die Frist des § 899 Abs. 1 Satz 2 verstreichen lässt, könnte das Kreditinstitut das Guthaben an den Insolvenzverwalter abführen, es sei denn, es wäre durch eine noch unbeseitigte Verstrickung einer Kontopfändung daran gehindert.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz Praxistipp: Da diese Rechtsansicht, dass ein noch umwandelbares Zahlungskonto i. S. d. §§ 115, 116 nur aufschiebend bedingt erlischt, nach wie vor sehr umstritten ist, kann dem Schuldner – und seinem Schuldnerberater – nur empfohlen werden, dafür Sorge zu tragen, dass das Zahlungskonto schon vor Insolvenzeröffnung umgewandelt wird. Das gilt insbesondere für den selbstständigen Schuldner, der sich zudem bei der sonst notwendigen Neu-Eröffnung eines P-Kontos ggf. nicht auf das ZKG berufen kann, weil diese Ansprüche nur Verbrauchern und nicht allen natürlichen Personen vorbehalten sind. Ein drittschuldnerisches Kreditinstitut sollte daher diesbezügliches Guthaben, das sich bis zur Umwandlung des Kontos angesammelt hat, erst und nur vorbehaltlos an den Schuldner auskehren, wenn der Insolvenzverwalter dem zustimmt. Anderenfalls wäre das Guthaben zu hinterlegen. Es auf dem Konto zu belassen, bis eine gerichtliche Erklärung herbeigeführt ist, könnte deshalb problematischer sein, weil dann das drittschuldnerische Kreditinstitut im Unterliegensfall ein Kostentragungspflicht träfe.
Auch nach Erlöschen des Kontos – wenn es der Schuldner nicht binnen der 2464 Monatsfrist nach Zustellung des Insolvenzeröffnungsbeschlusse an das drittschuldnerische Kreditinstitut das Zahlungskonto in ein P-Konto umgewandelt hat – wäre der Schuldner durch die Insolvenzeröffnung aber nicht gehindert, ein neues (Basis-)P-Konto einzurichten. Obermüller, Rn. 2.188a unter Hinweis auch LG Erfurt, v. 30.10.2002 – 3 O 2992/01, lnVo 2003, 147 = NZI 2003, 40.
Im Rahmen der Freibeträge kann der Schuldner auch nach Eröffnung des In- 2465 solvenzverfahrens weiter über Guthaben auf seinem P-Konto verfügen. Lediglich Guthaben, die der Pfändung oder der Beschlagnahme unterliegen, 2466 also regelmäßig Guthaben oberhalb der Freibeträge oder nach Ablauf der zeitlich befristeten Schutzzeiträume, unterliegen dem Verfügungsverbot. Solange aber die Verstrickung einer Kontopfändung nicht beseitigt ist, darf 2467 selbst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein drittschuldnerisches Kreditinstitut nicht an den Insolvenzverwalter auszahlen. ee) Nach Aufhebung oder nach Abschluss des Insolvenzverfahrens Wurde das Verfahren eröffnet, aber dann mangels Masse wieder eingestellt, 2468 führt die Verfahrenseinstellung auch hier dazu, dass der Insolvenzschuldner seine Verfügungsbefugnisse über seine Konten zurückerlangt. Das P-Konto wird in seinem Fortbestand nicht berührt, auch nicht in der Wohlverhaltensphase mit der Restschuldbefreiung. Bestehende Kontopfändungen, deren Verstrickung nicht aufgehoben wurden, 2469 leben mit Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder auf. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428. Zum Wiederaufleben bedarf es keiner erneuten Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2470 Hinsichtlich der Verfügungsbefugnis über Guthaben ist die Kontopfändung dann wieder zu berücksichtigen. Verfügungen im Rahmen der Freibeträge eines P-Kontos sind aber weiterhin möglich. Für Beträge oberhalb der Freibeträge sind wiederauflebende Pfändungen zu beachten. 2471 Das gilt auch für die Wohlverhaltensphase und nach erteilter Restschuldbefreiung. Zu den Möglichkeiten, sich von wiederauflebenden Kontopfändungen nach erteilter Restschuldbefreiung zu befreien, siehe Rn. 2542 ff.
c) Auswirkungen auf bestehende Kontopfändungen 2472 Je nach Insolvenzphase wirken bereits vorher ausgebrachte Kontopfändungen auch dann weiter. Ein großes, auch durch das PKoFoG ungelöstes Problem, bleibt die sog. Verstrickung. aa) In der außergerichtliche Schuldenbereinigung 2473 Bestehende Kontopfändungen wirken unbeeinträchtigt weiter. Auch neue Kontopfändungen sind in dieser Phase weiter möglich. 2474 Im (außergerichtlichen) Schuldenbereinigungsverfahren und auch noch, wenn allein der Insolvenzantrag ohne sichernde Maßnahmen des Insolvenzgerichts gestellt ist – egal ob vom Schuldner selbst oder einem Gläubiger –, müsste das Kreditinstitut, vorbehaltlich eigener Rechte, daher von der Pfändung erfasstes Guthaben unter Beachtung der Moratorien weiterhin an den Pfändungsgläubiger abführen. Ob ein Kreditinstitut angesichts der mit dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren gewissermaßen „angekündigten Insolvenz“ dies für sich zum Anlass nimmt, die Geschäfts- oder Kontobeziehung durch Kündigung zu beenden, ist eine ganz andere, aber naheliegende Frage; sie muss abgewogen werden, siehe dazu Obermüller, Rn. 2.297 ff.
bb) In der gerichtlichen Schuldenbereinigung 2475 Gleiches gilt im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren. Erst wenn das Insolvenzgericht im Rahmen des § 306 Abs. 1 Satz 1 einstweilige Maßnahmen anordnen würde, würde sich das ggf. ändern. In Frage kommen grundsätzlich alle Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO.
2476 Sollte das Insolvenzgericht einstweilige Maßnahmen anordnen, wäre zu differenzieren, welche Maßnahmen konkret angeordnet werden, siehe nachfolgende Phasen.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
cc) Im Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren Der Antrag alleine hat noch keine Auswirkungen auf bestehende Konto- 2477 pfändungen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut kann bei bestehenden Kontopfändungen 2478 noch schuldbefreiend an den Pfändungsgläubiger zahlen. Beispiel: Das Konto des Schuldners S bei Kreditinstitut K wird am 1.10.2021 durch Gläubiger G gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). K wandelt sein Konto in ein P-Konto um. Aus einem Zahlungseingang im Dezember unterliegen 200 € wegen Überschreitung des Freibetrages der Pfändung. Am 20.12.2021 stellt K einen Insolvenzantrag. K führt am 1.2.2022 die 200 € an G abgeführt. Zu Recht? Ja, denn K durfte an G unter Beachtung des Moratoriums nach § 900 Abs. 1 Satz 1 die 200 € schuldbefreiend zahlen. G besitzt nach wie vor sein unbeeinträchtigtes Pfändungspfandrecht. Solange das Insolvenzgericht keine Untersagung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung verfügt, kann und muss K an G zahlen. Das gilt auch für Guthaben, das durch neue Zahlungseingänge erst künftig entsteht. Dass K von dem Insolvenzantrag wusste, spielt keine Rolle. Im Rahmen der Freibeträge kann der Schuldner als P-Kontoinhaber natürlich (weiter) verfügen. K zahlt schuldbefreiend, § 836 Abs. 2. § 836 Abs. 2 schützt, wie die §§ 407, 409 BGB, den Drittschuldner (vgl. Rn. 459); solange das Pfändungspfandrecht und seine Verstrickung wirksam sind, wird das Vertrauen auf den Bestand des Einziehungsrechts geschützt. Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, § 836 Rn. 3; ebenso BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428.
Selbst die Rückschlagsperre des § 88 InsO, siehe dazu Rn. 2502, kann G nichts mehr anhaben; sie gilt nur für die Sicherung, also das Pfändungspfandrecht, nicht aber für eine schon erfolgte Befriedigung aus der Sicherung. Vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 23.5.2002 – 16 U 182/01, NZI 2002, 491.
Dass solche Beträge möglicherweise später der Insolvenzanfechtung unter- 2479 liegen, hat das drittschuldnerische Kreditinstitut nicht zu interessieren, zumal das Kreditinstitut zu diesem Zeitpunkt nicht absehen kann, ob das Verfahren überhaupt eröffnet wird. Eine Gläubigerbenachteiligung kann im Übrigen nicht nur vorliegen, wenn Guthabensalden gepfändet werden, sondern auch, wenn ein Pfändungspfandrecht erst durch Inanspruchnahme eines (ggf. nur teilweise noch nicht ausgeschöpften) Kontokorrentkredites entsteht, BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZInsO 2015, 220 Rn. 3.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2480 Der Pfandgläubiger kann dann auch noch mitgepfändete Nebenrechte, wie Auskunftsansprüche oder Rechnungslegung geltend machen. Obermüller, Rn. 2.63 unter Verweis auf BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 148/03, ZIP 2003, 1771.
2481 Hat der Pfändungsgläubiger im Rahmen des Anspruchs „D (an Kreditinstitute)“ in den Formularen des § 2 ZVFV (siehe Anhang 5 und 6) noch weitere Ansprüche gepfändet, kann er selbstverständlich auch diese Ansprüche geltend machen, also beispielsweise den Zutritt zu dem Bankschließfach des Schuldners, aber ebenso weitere in einer ggf. beigefügten Anlage zum Beschluss aufgeführte Ansprüche (siehe dazu Anhang 1). 2482 Die Anfechtbarkeit und Rückerstattungsverlangen des Insolvenzverwalters, zu dem er regelmäßig erst nach Eröffnung des Verfahrens befugt wäre, würde sich ausschließlich an den Pfändungsgläubiger, nicht an das drittschuldnerische Kreditinstitut richten. (1) Bei Einsetzung eines vorläufigen Verwalters ohne Verfügungsverbot 2483 Dies hat keine Auswirkungen auf bestehende Pfändungen. Wurde dem Kreditinstitut eine Kontopfändung bereits vor Einsetzung eines Verwalters ohne Verfügungsverbot zugestellt, wird diese dadurch alleine nicht berührt. Die Verstrickung bleibt bestehen, das Pfändungspfandrecht steht dem Pfändungsgläubiger weiterhin zu. Einschränkungen kann es später durch die rückwirkende Beeinträchtigung des Pfändungspfandrechtes geben, vgl. Rn. 2502 zur Rückschlagsperre.
(2) Nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 2484 Wenn nur ein Verfügungsverbot angeordnet wurde, ist zwar der Schuldner in seinen Verfügungen beschränkt, nicht aber der Drittschuldner. Das drittschuldnerische Kreditinstitut kann – und muss – also pfändbare Guthaben an den Pfandgläubiger auskehren. Obermüller, Rn. 2.67; dass die Pfändung ggf. anfechtbar ist, ist irrelevant. Für das drittschuldnerische Kreditinstitut stellt die Anfechtung ohnehin kein Risiko dar, da sie sich dann gegen den Pfandgläubiger (auf Rückgewähr des Empfangenen) richtet.
2485 An dem sog. Zustellungssaldo (Rn. 540), kann im Verbraucherinsolvenzverfahren durch ein mehr als drei Monate vorher zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein wirksames Pfändungspfandrecht erworben worden sein, dass selbst nicht mehr der Rückschlagsperre unterliegt.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Ist das so, dann wird diese Pfändungspfandrecht selbst von der Eröffnung 2486 des Insolvenzverfahrens nicht berührt (ggf. ist es aber weiter anfechtbar). Das Kreditinstitut muss unter Beachtung etwaiger der Zahlungsmoratorien den Zustellungssaldo grundsätzlich unverzüglich an den Gläubiger abführen. In der Regel wird der Zustellungssaldo daher nach drei Monaten nicht mehr vorhanden, sondern bereits vorher an den Pfändungsgläubiger ausgekehrt sein.
Hat das Kreditinstitut die Auszahlung des Zustellungssaldos an den Pfändungs- 2487 gläubiger allerdings ausnahmsweise noch nicht vorgenommen, kann es das jetzt noch schuldbefreiend nachholen, solange keine vom Insolvenzgericht angeordnete Maßnahme nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO das untersagt. Eine arbeitsaufwändige Hinterlegung sollte ein Kreditinstitut nur im Ausnahmefall vornehmen, wenn tatsächlich nicht klar ist, an wen ausgezahlt werden darf oder wenn es um besonders hohe Beträge geht.
(3) Nach Anordnung der Untersagung und einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bestehende Kontopfändungen sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und 2488 als solche natürlich durch die Anordnung der einstweiligen Einstellung und Untersagung eben genau dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO betroffen. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bedeutet, dass bereits 2489 wirksame, d. h. ordnungsgemäß erlassene und dem Kreditinstitut schon zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse (bestehende Pfändungen) – vorbehaltlich der Wirkungen bei Greifen der Rückschlagsperre des § 88 InsO (siehe Rn. 2502) – zwar weiter bestehen bleiben; Guthaben dürfen aber nun nicht mehr an den Pfändungsgläubiger alleine abgeführt werden. Solange die Verstrickung noch besteht, darf nur an den Gläubiger und die In- 2490 solvenzmasse gemeinsam geleistet oder zugunsten beider hinterlegt werden. BGH, Urt. v. 17.12.1998 – IX ZR 1/98, ZIP 1999, 144 = NZI 1999, 110.
Sowohl dem Pfändungsgläubiger als auch dem Insolvenzverwalter kann das 2491 Kreditinstitut, falls diese Auskehrung von Guthaben an sich alleine verlangen sollten, nun dies entgegenhalten. Es kann aber auch einfach gar nichts machen. Eine Klage auf Auszahlung nur an einen der beiden, bliebe ohne Erfolg. Führt das Kreditinstitut versehentlich doch Guthaben an den Insolvenzverwalter ab, leistet es gegenüber dem Pfändungsgläubiger nicht schuldbefreiend. Einer sofortigen Nochmal-Zahlung sollte das Kreditinstitut aber zunächst mit Hinweis auf mögliche Anfechtungsrechte der Masse nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht nachkommen, siehe aber Rn. 459 und 2559 bei Nicht-Kenntnis.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
dd) Nicht eröffnetes Verfahren 2492 In diesem Fall können Pfändungsgläubiger die Verwertung von Pfändungspfandrechten, deren Verstrickung noch nicht aufgehoben wurde, wieder fortsetzen, da sie dann wieder aufleben. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428; ebenso bereits BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, Tz 2b, NJW-RR 1992, 898. Ebenso Büchel, ZInsO 2010, 20, 23 und Marx, ZInsO 1998, 306, 307.
Haftungsfalle: 2493 Kommt es später nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wurde die Verstrickung nicht aufgehoben, wird eine Kontopfändung wieder wirksam. Der Pfändungsgläubiger hat dann wieder ein Pfändungspfandrecht und das drittschuldnerische Kreditinstitut muss pfändbare Guthaben an ihn auskehren. Wurde die öffentlich-rechtliche Verstrickung allerdings zwischenzeitlich aufgehoben, nicht nur einstweilen ausgesetzt, ist die Pfändung erloschen und lebt nicht wieder auf. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, NZI 2021, 125.
2494 Sie müsste neu zugestellt werden. BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, NZI 2017, 892.
2495 Allerdings dürfte im Insolvenzverfahren eigentlich nur eine Aussetzung, nicht eine Aufhebung erfolgen. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607. In Altfällen – vor der obigen Entscheidung des BGH v. 19.11.2020 – dürfte aber im Hinblick auf die Entscheidung des 7. Senats vom 2.12.2015 – VII ZB 42/14, WM 2016, 133, oftmals die Verstrickung durch Aufhebung beseitigt worden sein, da der 7. Senat entschieden hatte, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für ein Auseinanderfallen von Pfändungspfandrecht und Verstrickung fehlt, so dass nur die Aufhebung der Verstrickung blieb.
ee) Verfahrenseröffnung 2496 Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, verliert der Schuldner nicht nur nahezu alle Verfügungsbefugnisse, sondern bestehende Kontopfändungen können bezüglich künftiger Vermögen grundsätzlich keine Wirkungen mehr entfalten. 2497 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat währen der Dauer des Verfahrens ein Vollstreckungsverbot zu Folge, § 89 Abs. 1 InsO. Möglich sind Ausnahmen bei der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen in künftige Forderungen auf Bezüge für Neugläubiger nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO; das muss aber im so beantragten PfÜB festgesetzt werden.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Pfändungen, die im letzten Monat oder später vor der Antragsstellung aus- 2498 gebracht wurden, werden nach § 88 InsO mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam. Im Verbraucherinsolvenzverfahren sind es sogar drei Monate, § 88 Abs. 2 InsO, siehe Rn. 2504.
Die öffentlich-rechtliche Verstrickung bleibt allerdings weiter bestehen und 2499 muss, bevor Auskehrungen von Guthaben an die Masse durch das drittschuldnerische Kreditinstitut erfolgen können, beseitigt werden. Der Pfändungsgläubiger könnte auch auf die Pfändung gem. § 843 verzichten oder der Auskehrung zustimmen. Siehe zur Handhabung bei Kleinstguthaben, Rn. 2515.
Früher als 1 Monat bzw. 3 Monate vor Antragstellung, also außerhalb der Rück- 2500 schlagsperren-Zeiten ausgebrachte Pfändungen, können für die Vergangenheit nicht durch Aussetzung beseitigt werden. Der Pfändungsgläubiger hat dann ein Absonderungsrecht an der Guthabenforderung erworben und kann das drittschuldnerische Kreditinstitut auffordern, gepfändetes Guthaben trotz Verfahrenseröffnung auszuzahlen, wenn dies – was allerdings die Ausnahme sein dürfte – noch nicht geschehen ist. BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638; die Verwertung kann daher nicht der Insolvenzverwalter, sondern nur der Pfändungsgläubiger selbst vornehmen.
Für künftiges Guthaben, das also erst durch Gutschriften nach der Verfahrens- 2501 eröffnung entsteht, gilt dies nach § 91 InsO nicht. Dieses Guthaben steht der Masse zu und das drittschuldnerische Kreditinstitut muss es nach Beseitigung der Verstrickung an die Masse auskehren. Das Pfändungspfandrecht kann aber auch außerhalb der Rückschlagsperren-Zeiten noch anfechtbar sein; die Geltendmachung dieser Ansprüche der Masse richten sich aber dann gegen den Pfändungsgläubiger, nicht gegen das drittschuldnerische Kreditinstitut. Selbst wenn das drittschuldnerische Kreditinstitut Kenntnis von einer beabsichtigten oder schon geltend gemachten Anfechtung hätte, kann es noch an den Pfändungsgläubiger auskehren; sollte dieser die Zahlung verlangen, sollte das Kreditinstitut dem nachkommen, statt eine arbeitsaufwändige Hinterlegung zu wählen.
ff) Exkurs: Rückschlagsperre Wird eine Kontopfändung im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag (oder 2502 noch später) zugestellt, wird sie mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam, § 88 InsO. Im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO, werden von dieser sog. Rückschlagsperre nachträglich sogar auch Pfändungen erfasst, bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag zugestellt wurden, § 88 Abs. 2 lnsO.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2503 Wenn daher ein von einem Insolvenzgläubiger erlangtes Pfändungspfandrecht gegen den Schuldner diese Voraussetzungen erfüllt, wird es mit der Eröffnung des Verfahrens nachträglich unwirksam. Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO sind persönliche Gläubiger, welche zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben.
2504 Die Frist verlängert sich auch auf drei Monate, wenn der Schuldner selbst den Antrag gestellt hat und ein vereinfachtes Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO; sog. Verbraucherinsolvenz) eröffnet wird. Beispiel: Das Konto des Schuldners S bei Kreditinstitut K wird am 1.10.2021 durch Gläubiger G gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). K wandelt sein Konto noch im Oktober in ein P-Konto um. Aus einem Zahlungseingang im Oktober unterliegen 200 € wegen Überschreitung des Freibetrages der Pfändung. Am 19.11.2021 stellt K einen Insolvenzantrag. Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird am 30.12.2022 eröffnet. G verlangt Anfang Januar 2022 Zahlung der 200 €, was K ablehnt. Zu Recht? Ja, denn mit Eröffnung des Verfahrens kommt die Rückschlagsperre zum Tragen. Da es sich hier um ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO handelt, wirkt die Rückschlagsperre drei Monate zurück, § 88 Abs. 2 InsO. Demnach gilt, dass wenn ein Insolvenzgläubiger bis zum drittletzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder nach diesem Antrag) durch eine Kontopfändung ein Pfändungspfandrecht an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt hat (hier dem Kontoguthaben), dass dann das Pfändungspfandrecht mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam wird. K könnte daher die 200 € nicht mehr schuldbefreiend an G zahlen (es sei denn, K hat keine Kenntnis vom der Insolvenzeröffnung). 2505 Entscheidend für den Beginn der Frist ist der Tag des Eingangs des (ersten) zulässigen und begründeten Antrags beim Insolvenzgericht (§ 139 InsO). Sind (auch) künftige Forderungen gepfändet worden, entsteht das Pfändungspfandrecht jedoch erst mit Entstehen der Forderung (also z. B. erst dann, wenn auf dem gepfändeten Girokonto erstmals ein Habensaldo entsteht). 2506 Dazu der BFH: „Bei der Pfändung künftiger Forderungen entsteht das Pfändungspfandrecht nicht bereits mit der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner, sondern erst mit der (späteren) Entstehung der Forderung. Das Pfändungspfandrecht als Sicherung i. S. d. § 88 InsO ist daher erst dann erlangt, wenn die Forderung entsteht. Liegt dieser Zeitpunkt im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist die Sicherung nicht insolvenzfest; sie wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ipso iure (= kraft Gesetzes) unwirksam.“ BFH, Urt. v. 12.4.2005 – VII R 7/03, ZIP 2005, 1182 = NZI 2005, 569 = BB 2005, 1488.
684
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Bei der Berechnung der Monats- bzw. Drei-Monats-Frist der Rückschlagsperre 2507 kommt es im Falle der Pfändung künftiger Forderungen also nicht auf die Zustellung des PfÜBs bei dem Kreditinstitut an, sondern darauf, wann die künftige Forderung entsteht. Beispiel: Der PfÜB des Rechtsanwaltes R gegen die S GmbH wird dem Kreditinstitut K am 4.4.2022 zugestellt. Gepfändet werden die Ansprüche „D (an Kreditinstitute)“. Durch Eingang einer Überweisungsgutschrift am 5.5. entsteht ein Guthaben. Am 9.5. wird durch einen Gläubiger der S GmbH Insolvenzantrag gestellt. Das Verfahren wird am 1.6. eröffnet. Lösung: Das Pfändungspfandrecht am (künftigen) Guthaben ist damit erst am 5.5. (nicht am 4.4.) entstanden, also innerhalb der Monatsfrist des § 88 Abs. 1 InsO. Durch die Eröffnung des Verfahrens führt die Rückschlagsperre zur rückwirkenden Unwirksamkeit des PfÜBs. Sollte K schon an R überwiesen haben, müsste dieser den Betrag an den Insolvenzverwalter wieder herausgeben. Selbst wenn wegen Überschreitung der Frist des § 88 Abs. 1 InsO (ein Monat) 2508 bzw. Abs. 2 (drei Monate) die Rückschlagsperre nicht mehr greift, können Pfändungspfandrechte natürlich anfechtbar sein (§§ 129 ff. InsO). § 88 InsO führt also mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum auto- 2509 matischen, rückwirkenden Wegfall des Pfändungspfandrechts. LG Gera, Beschl. v. 8.8.2006 – 5 T 240/06, ZVI 2007, 181.
Diese Wirkung ist von den Beteiligten von Amts wegen zu beachten.
2510
Voraussetzung ist aber, dass später das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird; dieses Pfändungspfandrecht wird gem. § 88 InsO nur dann unwirksam, wenn es innerhalb des letzten Monats (bzw. innerhalb der letzten drei Monate) entstanden ist.
Auch eine Vorpfändung (§ 845) verliert ihre Wirkung, wenn die fristgerecht 2511 nachfolgende Pfändung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 88 InsO unzulässig wird, also im Ergebnis keinen Bestand mehr hat. LG Detmold, Urt. v. 15.12.2006 – 3 T 330/06, BeckRS 2007, 14579. Ein Überweisungsbeschluss, der ja nicht immer mit dem Pfändungsbeschluss zusammen erlassen und zugestellt werden muss, darf nach der Anordnung des Verfügungsverbots oder der Eröffnung des Verfahrens ebenfalls nicht mehr erlassen werden, vgl. Obermüller, Rn. 2.57.
Der Grundsatz, dass eine bereits dem Kreditinstitut vor dem Insolvenzantrag 2512 zugestellte Kontopfändung durch den Insolvenzantrag unberührt bleibt, erfährt durch die Rückschlagsperre somit eine Einschränkung. Kommt es dann später nicht zur Eröffnung des Verfahrens, bleiben diese Pfändungen wirksam (es sei denn, sie wurde entgegen der BGH-Rechtsprechung, vgl. Rn. 2495, statt ausgesetzt, ausnahmsweise bereits aufgehoben).
685
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2513 Pfändungen die unter die Rückschlagsperre des § 88 InsO fallen, verlieren mit Eröffnung des Verfahrens ihr Pfändungspfandrecht endgültig. 2514 Problematisch ist, dass aber die (öffentlich-rechtliche) Verstrickung nicht (automatisch) miterlischt. Beispiel: Das Konto des Schuldners S bei Kreditinstitut K wird am 1.12.2021 durch Gläubiger G gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). K wandelt sein Konto in ein P-Konto um. 200 € unterliegen wegen Überschreitung des Freibetrages der Pfändung. Am 15.12. stellt K einen Verbraucherinsolvenzantrag. Das Verfahren wird im Januar 2022 eröffnet. Hier darf K nicht mehr an G zahlen, weil G kein Pfändungspfandrecht mehr besitzt. Dies ist mit der Verfahrenseröffnung nach § 88 Abs. 1 InsO rückwirkend entfallen. K darf aber auch nicht das pfändbare Guthaben i. H. v. 200 € an den Insolvenzverwalter auskehren, weil dies die noch bestehende Verstrickung aus der Pfändung des G verhindert. BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, NZI 2017, 892, der hier sogar festhält, dass selbst bei einer eigentlich unzulässigen Pfändung während der Dauer des Insolvenzverfahrens noch zur öffentlichrechtlichen Verstrickung führt. Hier kann auch das drittschuldnerische Kreditinstitut die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse mit der Erinnerung rügen, AG Göttingen, Beschl. v. 2.10.2006 – 74 IN 351/05, NZI 2006, 714.
2515 Der Insolvenzverwalter muss, wenn der Gläubiger nicht gänzlich auf seine Pfändung verzichtet, § 843, sich daher um die Beseitigung der Beschlagnahmewirkung bei Gericht bemühen. Tut er das nicht, z. B. bei Kleinstguthaben, kann das dazu führen, dass diese Kleinstguthaben b. a. w. beim Kreditinstitut verbleiben müssten. Insbesondere bei kleineren Bagatell-Guthaben, könnte es für ein drittschuldnerisches Kreditinstitut eine Option sein, trotz Verstrickung an die Masse zu zahlen, da nach Auskehrung an den Insolvenzverwalter (trotz der Pfändung) die Konten (z. B. Sparkonten) aufgelöst werden könnten. Ansonsten müssten diese Konten mit diesen Bagatellbeträgen ewig kostenträchtig (ITKosten) bestehen und in der Überwachung bleiben. Ob Kreditinstitute aber trotzdem an die Masse abführen und anschließend beispielsweise das Konto und/oder die gesamte Geschäftsbeziehung beenden, ohne noch Restguthaben verwalten zu müssen, muss jedes Kreditinstitut für sich abwägen. Einen Verstrickungsbruch § 136 StGB stellt es jedenfalls nicht dar; dieser kann nur bei Sachen, nicht bei Forderungen, erfüllt werden, vgl. Hohmann, in: MünchKomm-StGB, § 136 Rn. 8; ebenso Skauradszun, WM 2020, 1229, 1234. Den Gläubiger schützt aber auch § 288 Abs. 1 StGB (Vereitelung der Zwangsvollstreckung), Skauradszun, a. a. O.; eine Beihilfe zu § 288 StGB durch das drittschuldnerische Kreditinstitut, wenn es trotz Verstrickung an die Masse überweist, dürfte nur im Ausnahmefall erfüllt sein, vgl. Kühn, NJW 2009, 3610.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Der sicherste Weg ist daher natürlich, nicht an die Masse zu zahlen, auch keine 2516 Bagatellguthaben, zumal der Drittschuldner auch nicht wissen kann, ob der Verwalter evtl. das Guthaben, aus welchen Gründen auch immer, noch aus der Masse freigibt. Wie diese Beseitigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschieht, hat der BGH klargestellt. Der 9. Senat des BGH, zuständig für Insolvenzrecht, hat entschieden, dass diese Beseitigung im Insolvenzverfahren nur durch Aussetzung, nicht Aufhebung erfolgen kann und zwar bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607. Die Entscheidung darüber ist auf Antrag eines Beteiligten, aber auch von Amts wegen zu treffen. Bast/Becker, NZI 2021, 481, weisen allerdings darauf hin, dass es wohl keine uneingeschränkte Pflicht geben kann, von Amts wegen tätig zu werden; ansonsten müsste das Vollstreckungsgericht umfangreiche Ermittlungen anstellen, was vom BGH so nicht gewollt sein könne. Sachlich zuständig ist das Vollstreckungsgericht, nicht das Insolvenzgericht. Nur falls das – pflichtwidrig – keine Entscheidung treffen sollte, wäre der funktional zuständige Richter des Insolvenzgericht berechtigt, unmittelbar über die Erinnerung zu entscheiden, AG Köln, Beschl. v. 4.11.2010 – 73 IN 206/10, BeckRS 2011, 5602. Instruktiv auch Lissner, InsbürO 2020, 111; die dort vertretene Ansicht allerdings, dass auch im Insolvenzverfahren die Beseitigung durch Aufhebung erfolgen kann, ist durch die BGH-Entscheidung überholt.
Das ist eine Abgrenzung zur Entscheidung des 7. Senats des BGH, zuständig 2517 für das Zwangsvollstreckungsrecht. BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, WM 2016, 133; der 7. Senat hatte entschieden, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für eine Ruhendstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss durch gerichtliche Feststellung fehlt. Daher sei eine Anordnung, dass ein Pfändungsschuldner weiter über ein gepfändetes Konto verfügen darf, während die Pfändung als solche aber bestehen bleibt, in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen. Es blieb nach Ansicht des 7. Senats daher nur die Aufhebung der Pfändung.
Der 9. Senat dagegen scheint bestrebt, die Rechte der betroffenen Gläubiger 2518 „nur solange und soweit zu beschränken, wie es für die ordnungsgemäße Durchführung des Insolvenzverfahrens, insbesondere die Sammlung der Insolvenzmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 InsO) erforderlich ist“. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607.
Der 9. Senat aber, obwohl die Ausführung des 7. Senats teilt, hält an seiner 2519 ausschließlich auf Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Insolvenzverfahren bezogenen Rechtsprechung fest.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2520 Im Insolvenzverfahren, so der 9. Senat, sei eine Aussetzung der Vollziehung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage in der Zivilprozessordnung, worauf der 7. Senat hingewiesen hatte – zur Wahrung der Rechte des Pfändungspfandgläubigers aus Art. 14 Abs. 1 GG zulässig und geboten. Zustimmend Dahl/Taras, NJW-Spezial 2021, 278; ebenso Cymutta, Anm. zu BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, VIA 2021, 43. Ablehnend: Wipperfürth/Gajek, ZInsO 2021, 784.
2521 Das ist bemerkenswert, aber der BGH begründet es damit, dass ja zu Beginn des Insolvenzverfahrens nicht feststünde, ob dem Schuldner am Ende des Verfahrens eine Restschuldbefreiung gewährt wird. Zwar wäre die der Pfändung zugrundeliegende Forderung des Pfändungsgläubigers dann nicht mehr durchsetzbar (§ 301 Abs. 1 InsO), aber solange eben nicht feststehe, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden wird, gäbe es ein berechtigtes Interesse des Pfändungsgläubigers am rangwahrenden Fortbestand der Pfändung. So schon BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, WM 2011, 841 Rn. 14. Der BGH führt in seinem Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607 auch aus, dass das auch hinsichtlich künftiger Forderungen, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, gilt, siehe Beispiel oben, Rn. 2507.
2522 Der 9. Senat des BGH findet es auch unproblematisch, wenn dadurch ein Pfändungsgläubiger, obwohl seine Forderung nach einer späteren Restschuldbefreiung eigentlich nicht mehr durchsetzbar wäre, sich dann nach Wiederaufleben der Pfändung (da das Insolvenzverfahren nun beendet ist) aus gepfändeten und vom Insolvenzverwalter nicht verwerteten Gutschriften befriedigen könnte. Dies stünde „den Zielen des Insolvenzverfahrens, insbesondere der dem redlichen Schuldner einzuräumenden Gelegenheit, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO), nicht entgegen.“ Zu den Nachteilen für den „redlichen“ Schuldner siehe Overkamp, EWiR 2021, 339.
2523 Denn der wirtschaftliche Neubeginn des Schuldners, so der 9. Senat, soll nur mit Vermögen erfolgen, dass der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erwirbt, nicht aber mit Vermögen, welches zur Insolvenzmasse gehörte. Wenn der Insolvenzverwalter – ausnahmsweise – diese der Pfändung unterliegendes Vermögen nicht für die Masse eingezogen habe, dann stünde, so der 9. Senat, den Insolvenzgläubigern gegen den Verwalter ein auf den Ersatz des Quotenschadens gerichteter Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten zu. 2524 Der Beschluss des 9. Senats ist allerdings bemerkenswert, denn obwohl der 9. Senat dem 7. Senat folgt und konzediert, dass es an einer ausdrücklichen
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
gesetzlichen Grundlage in der Zivilprozessordnung fehlt, lässt er dann doch eine Aussetzung der Vollziehung zu. Zu berechtigten Kritik daran, vgl. Wipperfürth/Gajek, ZInsO 2021, 784.
Zugleich hat der für das Insolvenzrecht zuständige 9. Senat damit manifestiert, 2525 dass die Rechte der betroffenen Gläubiger „nur solange und soweit zu beschränken [sind], wie es für die ordnungsgemäße Durchführung des Insolvenzverfahrens, insbesondere die Sammlung der Insolvenzmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 InsO) erforderlich ist“; „zur Wahrung der Rechte des Pfändungspfandgläubigers aus Art. 14 Abs. 1 GG“ sei das trotzdem zulässig und geboten. Das bedeutet aber auch, dass alle Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, 2526 um deren Verstrickung es im Insolvenzverfahren geht, nur noch ausgesetzt, nicht mehr aufgehoben werden dürfen. Dazu siehe auch Bast/Becker, a. a. O., die darauf hinweisen, dass Rechtspfleger, um denkbaren Amtshaftungsansprüchen zu entgehen, gut beraten sind, der Rechtsprechung des 9. Senats des BGH zu folgen.
Auch dann, wenn die Kontopfändung nach Eröffnung oder in Zeiten der 2527 Rückschlagsperre ausgebracht wurde. Das ergibt sich aus der Argumentation in Tz. 11aa der Entscheidung: Dort wird ausdrücklich auf die Rückschlagsperre abgestellt (unter Verweis auf die Entscheidungen des 9. Senats des BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, WM 2011, 841 Rn. 10 ff. und Urt. des 9. Senats des BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, WM 2017, 2037 Rn. 14); der BGH führt aus, dass diese Entscheidungen in eine Reihe von Entscheidungen gehören, in welchen der Senat die in der Insolvenzordnung angeordnete Unwirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte (und hier nennt er dann Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im letzten Monat, im Verbraucherinsolvenzverfahren in den letzten drei Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) auf das Insolvenzverfahren begrenzt hat und zwar immer nur mit der Aussetzung (nicht der Aufhebung).
Allen Entscheidungen, so der 9. Senat, gemeinsam sei das Bestreben, die Rechte der betroffenen Gläubiger nur solange und soweit zu beschränken, wie es für die ordnungsgemäße Durchführung des Insolvenzverfahrens, insbesondere die Sammlung der Insolvenzmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 InsO) erforderlich ist. In Tz. 14cc legt sich der 9. Senats dann insgesamt fest: „Auch eine nach § 89 InsO unwirksame Vollstreckungsmaßnahme führt jedoch zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des gepfändeten Vermögensgegenstandes. Diese wird bereits dadurch beseitigt, dass das Vollstreckungsorgan die Vollziehung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt (BGH, Urt. v. 21.9.2017, a. a. O.). Die Rechte des Vollstreckungsgläubigers
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
dürfen nicht mehr und nicht länger begrenzt werden, als es zur Erreichung der Insolvenzziele erforderlich ist (BGH, Urt. v. 21.9.2017, a. a. O., Rn. 18).“ 2528 Im Insolvenzverfahren hat das Insolvenzgericht daher wohl kein „Wahlrecht“: Es darf auf Antrag die Verstrickung nur aussetzen, nicht aufheben. Zur möglichen Ausnahme für den Fall der Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren nach Freigabe der Tätigkeit des Schuldners, vgl. Anm. Pape zum Urteil des BGH v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19 in WuB 2021, 140, 145, Ziff. 5.
2529 Für das drittschuldnerische Kreditinstitut zunächst unerheblich, wie die Verstrickung beseitigt wird; ist die Verstrickung durch eine gerichtliche Aufhebung oder Aussetzung der Vollziehung beseitigt, dann kann es in beiden Fällen nun an den Insolvenzverwalter abführen, auch künftig entstehendes Guthaben, soweit es nicht von den Freibeträgen auf dem P-Konto des Schuldners gedeckt ist und unter Beachtung von Moratorien, die trotz Insolvenz zu beachten sind, § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO. Während allerdings die Aufhebung endgültig war und nicht zum Wiederaufleben der Kontopfändung führt, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut bei nur erfolgter Aussetzung beachten, dass die Kontopfändung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder auflebt. Das bedeutet erhöhte Haftungsrisiken, vgl. Rn. 2536, und natürlich Mehraufwand für drittschuldnerische Kreditinstitute.
2530 Zur Beseitigung der Verstrickung bedarf es allerdings eines gerichtlichen Beschlusses; die Erklärung der Aussetzung nur durch den Pfändungsgläubiger ist dagegen nicht ausreichend (anders, wenn er die vollständige Rücknahme nach § 843 erklärt), darauf muss ein drittschuldnerisches Kreditinstitut achten. In der Praxis ist festzustellen, dass Pfändungsgläubiger – teilweise sogar unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 19.11.2020 (IX ZB 14/20) – die Pfändung durch eine entsprechende Erklärung aussetzen wollen. Dagegen spricht schon die – weiter geltende – Entscheidung des 7. Senats des BGH vom 2.12.2015, VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343, vgl. Rn. 2517,
wonach eine Aussetzung der Pfändung/Ruhendstellung nur mit Zustimmung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes möglich wäre. Ist das drittschuldnerische Kreditinstitut allerdings mit der Aussetzung einverstanden, dann könnte dies auch einvernehmlich ohne eine förmliche Beseitigung durch gerichtlichen Beschluss erfolgen. Einen Anspruch auf Zustimmung hat der Pfändungsgläubiger allerdings nicht, weshalb das drittschuldnerische Kreditinstitut die Zustimmung auch von einem Entgelt abhängig machen könnte, vgl. Rn. 2848.
2531 Der 9. Senats des BGH hat aber auch in seiner Entscheidung vom 19.11.2020, IX ZB 14/20, ZIP 2021, 644,
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
deutlich gemacht, weil er dort diesbezüglich auf die Entscheidung vom 21.9.2017 (IX ZR 40/17) verwiesen hat, dass erst und nur eine förmliche Beseitigung der Verstrickung diese beendet. Es bedarf daher stets einer entsprechenden Entscheidung des Vollstreckungsorgans, schon um das berechtigte Interesse des Drittschuldners an Rechtssicherheit Rechnung zu tragen, so der BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, WM 2017, 2037.
Der BGH stellt insoweit (nochmals) klar, dass der Überweisungsbeschluss, 2532 auch derjenige, der zu Unrecht erlassen worden ist, gem. § 836 Abs. 2 zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber solange als rechtsbeständig gilt, bis er beseitigt wird und die Beseitigung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt, auch im Insolvenzverfahren. Denn die Frage, ob es sich tatsächlich um eine Vollstreckungsmaßnahme eines einzelnen Insolvenzgläubigers und eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse handelt, kann im Einzelfall streitig sein. Da die Antwort für den Drittschuldner nicht stets erkennbar ist, so der BGH zu Recht, bringe nur eine gerichtliche Beschlussfassung auf rechtssichere Weise Gewissheit, ob die gepfändeten Forderungen noch der Verstrickung unterliegen oder nicht. So lange daher die Verstrickung nicht durch einen gerichtlichen Beschluss beseitigt wurde, darf und muss sie vom drittschuldnerischen Kreditinstitut als fortdauernd angesehen werden.
gg) Verfahrensaufhebung Wurde das Verfahren eröffnet, aber dann mangels Masse eingestellt, § 207 InsO 2533 oder nach Zustimmung aller Gläubiger, § 213 InsO aufgehoben, können in diesem Fall Pfändungsgläubiger die Verwertung von Pfändungspfandrechten, deren Verstrickung noch nicht aufhoben wurde, wieder fortsetzen, da sie dann wieder aufleben. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, NZI 2021, 125 mit zustimmender Anm. Pape, WuB 2021, 140. Aber: Solange aber noch das Restschuldbefreiungsverfahren läuft, darf nicht vollstreckt werden, § 294 Abs. 1 InsO.
Der 9. Senat des BGH hat bereits in mehreren Entscheidungen diese Rechts- 2534 ansicht vertreten: BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/09, WM 2011, 841 Rn. 10 ff. und BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, WM 2017, 2037 Rn. 14). Der 9. Senat BGH führt aus, dass diese Entscheidungen in eine Reihe von Entscheidungen gehören, in welchen der Senat die in der Insolvenzordnung angeordnete Unwirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte auf das Insolvenzverfahren begrenzt hat und zwar immer nur mit der Aussetzung (nicht der Aufhebung). Danach lebt ein mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schwebend unwirksam gewordenes Pfändungspfandrecht wieder auf, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben worden ist, ohne dass es einer erneuten Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner bedarf.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2535 Da nach der Entscheidung des BGH, die Verstrickung im Insolvenzverfahren nicht mehr aufgehoben, sondern nur ausgesetzt werden darf, BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607,
dürfte das künftig der Regelfall sein. Das Vollstreckungsorgan kann allenfalls dann von Amts wegen aufheben, wenn sichergestellt ist, dass der Insolvenzverwalter verwerten wird. Andernfalls kann die (vorschnelle) Aufhebung Amtshaftungsansprüche nach sich ziehen, wenn eine Befriedigung des Pfandgläubigers vereitelt wird, Laroche, Anm. zu BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, VIA 2021, 20.
Haftungsfalle: 2536 Das drittschuldnerische Kreditinstitut darf daher eine Kontopfändung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als „erledigt“ betrachten, nur weil ein Pfändungspfandrecht an künftigem Guthaben vorübergehend nicht mehr entstehen konnte. Kraft/Tkotsch, DGVZ 2020, 109 sprechen in diesem Zusammenhang von „vergessenen“ Pfändungen.
Die Verstrickung besteht weiter, auch an künftigem Guthaben, solange sie nicht aufgehoben (sondern ggf. nur ausgesetzt) wurde. Die Kontopfändung ist daher technisch nur auszusetzen (oder auf „ruhend“ zu stellen) und mit Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder zu aktivieren. Zu den dadurch gestiegenen Haftungsgefahren für drittschuldnerische Kreditinstitute siehe Cranshaw, Anm. zu: BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, jurisPR-InsR 12/2021 Anm. 3.
Sind dann noch (pfändbare) Guthaben auf dem Konto, die aus welchen Gründen auch immer, nicht zur Masse gezogen wurden, stehen diese dem Pfändungsgläubiger zu. 2537 Das gilt sogar dann, wenn dieser Pfändungsgläubiger seine Forderung durch die Restschuldbefreiung eigentlich nicht mehr durchsetzen kann. Denn der wirtschaftliche Neubeginn des Schuldners, soll nur mit Vermögen erfolgen, dass der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erwirbt, nicht aber mit Vermögen, welches zur Insolvenzmasse gehörte. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607.
hh) Wohlverhaltensphase 2538 Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, § 202 InsO, schließt sich bei Verbrauchern, die einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt haben, eine Wohlverhaltensphase an. 2539 Bestehende Kontopfändungen, deren Verstrickung nicht aufgehoben wurde, leben mit Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder auf. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428. Zum Wiederaufleben bedarf es keiner erneuten Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz Aber auch hier gilt: Solange aber noch das Restschuldbefreiungsverfahren läuft, darf nicht vollstreckt werden, § 294 Abs. 1 InsO.
Hinsichtlich der Verfügungsbefugnis über Guthaben ist die Kontopfändung 2540 dann wieder zu berücksichtigen. ii) Restschuldbefreiung Mit erteilter Restschuldbefreiung stellt sich die Frage, was mit schon vorher 2541 ausgebrachten Kontopfändungen geschieht. Mit Erteilung der Restschuldbefreiung entfällt bei die Schutzwirkung der §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO. Die vor Insolvenzeröffnung ausgebrachte Kontopfändung lebt damit wieder auf und muss durch das Kreditinstitut beachtet werden, soweit die Verstrickung nicht aufgehoben, sondern deren Vollziehung nur ausgesetzt wurde. So auch Bieker, ZInsO 2016, 2379, 2382.
Allerdings werden Insolvenzforderungen werden mit Erteilung der Restschuld- 2542 befreiung sog. unvollkommene Forderungen, die nicht mehr durchsetzbar sind. Zur Neuregelung der Restschuldbefreiung siehe Pape/Laroche/ Grote, ZInsO 21, 57.
Gegen neue Kontopfändung von Insolvenzforderungen oder gegen solche, die vor Insolvenzeröffnung ausgebracht wurden und sich auf künftiges Guthaben beziehen, kann sich der Schuldner daher wehren. Weigert sich der Gläubiger trotz Aufforderung des Schuldners, die Pfändung gegenüber dem drittschuldnerischen Kreditinstitut zurückzunehmen, bleibt dem Schuldner nur übrig, die Einstellung der Kontopfändung mittels Vollstreckungsgegenklage nach § 767 zu erreichen. Tut der Schuldner das nicht, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut eine solche Pfändung (wieder) beachten. Eine schlichte Aufhebung der Kontopfändungen (auf Antrag des Schuldners) kommt im Übrigen nicht in Betracht; er muss sich der Vollstreckungsgegenklage bedienen, BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, NJW 2008, 3640. Zusätzlich kann der Schuldner die Herausgabe des Titels analog § 371 BGB verlangen, BGH, a. a. O.
Nicht dagegen wehren kann sich der Schuldner gegen vor Insolvenzeröffnung 2543 ausgebrachte Pfändungen, wenn das Sicherungsrecht (ausnahmsweise) noch besteht. Daran darf sich der Pfändungsgläubiger auch noch nach der Restschuldbefreiung befriedigen. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428, hier für eine gepfändete Lebensversicherung, die die Treuhänderin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nicht verwertet, sondern freigegeben hatte. So schon BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, WM 2011, 841 Rn. 14.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
d) Auswirkungen auf neu ausgebrachte Kontopfändungen 2544 Kontopfändungen können in der Phase der Insolvenz zunächst weiter ausgebracht werden. Selbst wenn aber die weitere Zwangsvollstreckung durch das Gericht im Rahmen des § 21 untersagt wurde oder gar das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, lösen gleichwohl ausgebrachte Kontopfändungen noch eine Verstrickungswirkung aus, die erst beseitigt werden muss. aa) Außergerichtliche Schuldenbereinigung 2545 So wie bestehende Kontopfändungen unbeeinträchtigt weiter wirken, sind auch noch neue Kontopfändungen in dieser Phase weiter möglich. 2546 Im (außergerichtlichen) Schuldenbereinigungsverfahren müsste das Kreditinstitut, vorbehaltlich eigener Rechte, daher auch von neuen Pfändungen erfasstes Guthaben unter Beachtung der Moratorien auch weiterhin an den Pfändungsgläubiger abführen. bb) Gerichtliche Schuldenbereinigung 2547 Gleiches gilt im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren. Erst wenn das Insolvenzgericht im Rahmen des § 306 Abs. 1 Satz 1 einstweilige Maßnahmen anordnen würde, würde sich das ggf. ändern. In Frage kommen grundsätzlich alle Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO.
2548 Sollte das Insolvenzgericht einstweilige Maßnahmen anordnen, wäre zu aber differenzieren, welche Maßnahmen konkret angeordnet werden, siehe nachfolgende Phasen. cc) Eröffnungs- oder Insolvenzantragsverfahren 2549 Der Antrag alleine hat noch keine Auswirkungen auf die Befugnis, neue Kontopfändungen auszubringen. Das drittschuldnerische Kreditinstitut kann auch bei in dieser Phase neu ausgebrachten Kontopfändungen noch schuldbefreiend an den Pfändungsgläubiger zahlen. (1) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters ohne Verfügungsverbot 2550 Dies hat keine Auswirkungen auf die Befugnis, noch neue Pfändungen auszubringen. Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Diese muss sich jeder Gläubiger insbesondere unter Kosten-/Nutzen-Abwägungen natürlich stellen, denn spätestens mit zeitnah danach eröffnetem Insolvenzverfahren, wird eine solche Pfändung natürlich keinen Nutzen mehr erbringen.
2551 Wurde dem Kreditinstitut daher eine neue Kontopfändung auch noch nach Einsetzung eines Verwalters ohne Verfügungsverbots zugestellt, ist diese 694
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
wirksam und zu beachten. Die Verstrickung entsteht ebenso wie das Pfändungspfandrecht, das dem Pfändungsgläubiger zunächst weiterhin zusteht. Einschränkungen kann es später durch die rückwirkende Beeinträchtigung des Pfändungspfandrechtes geben, vgl. Rn. 2502 zur Rückschlagsperre.
(2) Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Wenn das Insolvenzgericht gegen den Kontoinhaber nur ein allgemeines Ver- 2552 fügungs- oder Veräußerungsverbot oder den Zustimmungsvorbehalt anordnet hat, können seine Gläubiger auch weiter Kontopfändungen ausbringen. BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, WM 1997, 831 ff; BGH v. 19.9.1996 – IX ZR 277/95, WM 1996, 2078; ebenso Obermüller, Rn. 2.68 mit dem richtigen Hinweis, dass ansonsten die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO überflüssig wäre. Selbst die Verwertung (= Überweisung) der gepfändeten Forderung wäre danach, trotz des § 772 Satz 1, unter das ein Verfügungsverbot zu subsumieren ist, möglich, OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.4.2004 – 4 U 459/03, InVo 2005, 66.
Ein drittschuldnerisches Kreditinstitut darf und muss auch in dieser Phase also 2553 noch pfändbares Guthaben den Gläubiger auskehren. Ob das Sinn macht, in dieser Phase noch zu vollstrecken, ist eine andere Frage. Etwaige Anfechtungs- und Rückerstattungsansprüche wären aber nur im Verhältnis Insolvenzverwalter und Pfändungsgläubiger betroffen. Durch Neu-Ausrichtung der Rechtsprechung zu § 133 InsO, siehe aber zuvor dagegen noch BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 64/20, NZI 2021, 387, ist durch Verschärfung der Anforderungen an eine Vorsatzanfechtung der bisherige beweisrechtliche „Automatismus“, aus der Kenntnis der Beteiligten von der Liquiditätssituation des Schuldners auf das Vorliegen die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung zu schließen, nun eine Absage erteilt worden, BGH, Urt. v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, NZI 2021, 720. Ganter spricht von einer „Zeitenwende“, Ganter, NZI 2021, 720.
(3) Nach Anordnung der Untersagung und einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Neue, künftige, also nach Erlass der Anordnung der Untersagung der Zwangs- 2554 vollstreckung ausgebrachte Kontopfändungen dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben, da die (Einzel-)Zwangsvollstreckung durch die Anordnung gerade untersagt ist. Trotzdem kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass trotz der Anordnung 2555 des Insolvenzgerichts, dass Zwangsvollstreckungen einstweilen eingestellt oder untersagt sind, weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erlassen und 695
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
zugestellt werden. Meist kurz nach Erlass der Anordnungen oder wenn das Vollstreckungsgericht nichts von der Anordnung des Insolvenzgerichts weiß. 2556 Solche neu ausgebrachten Pfändungen sind materiell-rechtlich unwirksam; ein Pfändungspfandrecht kann nicht entstehen und damit auch nicht vom Pfändungsgläubiger erworben werden. Die Verstrickung allerdings tritt auch dann ein. BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, WM 2020, 2428.
Beispiel: Schuldner S stellt einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht ordnet an, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO untersagt und bereits eingeleitete Maßnahmen einstweilen eingestellt werden. Pfändungsgläubiger G, der davon nichts weiß, beantragt einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, den das Vollstreckungsgericht auch erlässt, weil es ebenfalls keine Kenntnis von der Zwangsvollstreckungsuntersagung hat. Als dem Kreditinstitut K, bei dem S sein P-Konto unterhält, dieser zugestellt wird, weist es G in der Drittschuldnererklärung auf die bestehende Anordnung hin. Insolvenzverwalter I verlangt einige Tage später von K Auskehrung eines pfändbaren Betrages, weil die Pfändung des G unwirksam sei. K verweigert die Auskehrung. Zu Recht? Ja, denn das Guthaben ist weiterhin trotz des materiell unwirksamen Pfändungsund Überweisungsbeschlusses verstrickt. Ebenso BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, NZI 2017, 892.
K darf aber auch nicht an G zahlen, da der kein Pfändungspfandrecht mehr erwerben konnte. Ein drittschuldnerisches Kreditinstitut könnte sich gegen eine solche Pfändung im Wege der Erinnerung nach § 766 wehren, hat aber keine Veranlassung dazu und sollte sich den Aufwand und die Kosten sparen. Über die Erinnerung entscheidet in solch einem Fall das Insolvenzgericht, nicht das Vollstreckungsgericht, BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 11/04, ZVI 2007, 200.
Insolvenzverwalter I muss sich erst um die Beseitigung auch der Verstrickung kümmern. Erst danach darf K an I zahlen. 2557 Das Kreditinstitut darf also, wenn es Kenntnis von einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO hat, trotz Vorliegens eines Überweisungsbeschlusses, keine Beträge mehr an den Pfändungsgläubiger abführen. 2558 Diese nun entstehenden Guthaben – anders als möglicherweise der Zustellungssaldo – sind „zukünftiges“ Guthaben. An ihnen kann ein Pfändungspfandrecht nicht mehr entstehen. Pfändungspfandrechte für Salden, die entstanden sind durch Gutschriften innerhalb des letzten bzw. der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung, sind unwirksam.
696
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Nur wenn das Kreditinstitut von den Anordnungen des Gerichts keine 2559 Kenntnis hätte, wäre es bei Zahlung an den Pfändungsgläubiger durch § 836 Abs. 2 geschützt. Zu den organisatorischen Anforderungen eines Kreditinstitutes zur Sicherstellung der Weitergabe vorhandener Informationen vgl. OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 31 U 15/04, BeckRS 2010, 10780.
Eine Ausnahme vom Vollstreckungsverbot gilt für Unterhaltsforderungen § 89 2560 Abs. 2 Satz 2 InsO. Dies aber gilt nur für die während des Insolvenzverfahrens neu entstehenden laufenden Unterhaltsansprüche. BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – IX ZB 16/06, WM 2007, 2300 für einen vor Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner erwirkten Zahlungstitels wegen einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung des Schuldners. Für eine Unterhaltspfändung wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung, hat auch das BAG entschieden, dass aus einem PfÜB, der vor Eröffnung des (Verbraucher)Insolvenzverfahrens erwirkt worden ist, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung nicht mehr möglich ist, BAG, Urt. v. 17.9.2009 – 6 AZR 369/08, ZIP 2010, 952 = ZVI 2010, 61.
dd) Keine Verfahrenseröffnung Dann sind Zwangsvollstreckungen wieder ganz normal möglich; der Gläubiger 2561 kann neue Kontopfändungen ausbringen. ee) Verfahrenseröffnung Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat während der Dauer des Verfahrens 2562 ein Vollstreckungsverbot zu Folge, § 89 Abs. 1 InsO. Möglich sind Ausnahmen bei der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen in künftige Forderungen auf Bezüge für Neugläubiger nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO; das muss aber im PfÜB angeordnet werden.
Nicht von dieser Ausnahme umfasste Kontopfändungen, die nach Insolvenz- 2563 eröffnung noch ausgebracht werden, was nur in Unkenntnis der Eröffnung oder irrtümlicherweise erfolgen wird, sind nach § 89 InsO absolut unwirksam. Werden Sie trotzdem ausgebracht und dem drittschuldnerische Kreditinstitut 2564 zugestellt, führt auch diese unzulässige Vollstreckungsmaßnahme jedoch zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des gepfändeten Vermögensgegenstandes. BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, NZI 2017, 892.
Erst wenn diese durch Aussetzung der Vollziehung beseitigt ist, darf dann 2565 das drittschuldnerische Kreditinstitut „pfändbare“, also der Beschlagnahme unterliegende Guthaben an die Masse abführen. 697
XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
ff) Verfahrensaufhebung 2566 Wurde das Verfahren eröffnet, aber dann mangels Masse eingestellt, § 207 InsO oder nach Zustimmung aller Gläubiger, § 213 InsO aufgehoben, können in diesem Fall Pfändungsgläubiger neue Kontopfändungen ausbringen. gg) Wohlverhaltensphase 2567 In der Wohlverhaltensphase ist der Schuldner gegen weitere Einzelzwangsvollstreckung durch § 294 Abs. 1 InsO geschützt. BGH, Beschl. v. 28.6.2012 – IX ZB 313/11, DGVZ 2012, 224, gilt das auch für Insolvenzgläubiger von Ansprüchen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen in den Vorrechtsbereich.
2568 Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind danach in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. Zu den Ausnahmen wegen Unterhaltsansprüchen, die nach Verfahrenseröffnung entstanden sind, BAG, Urt. v. 17.9.2009 – 6 AZR 369/08, NZI 2010, 35 mit Anm. Schmerbach, VIA 2010, 14.
2569 Das bedeutet, dass neue Pfändungen nicht ausgebracht werden dürfen. Geschieht das gleichwohl, stehen sowohl dem Schuldner als auch dem Treuhänder, der für den Schuldner in dieser Phase pfändbares Einkommen für die Gläubiger vereinnahmt, dagegen die Erinnerung nach § 766 zu. LG Flensburg Beschl. v. 28.10.2019 – 5 T 198/19, ZInsO 2020, 786. Zu beachten: Ist zuvor schon eine Aussetzung zunächst nur bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgt, lebt die Pfändung wieder auf. Es muss für die Wohlverhaltensphase ein neuer Antrag auf Aussetzung gestellt werden, AG Dresden, Beschl. v. 23.5.2018 – 545 IK 1176/17, BeckRS 2018, 14829.
2570 Die Verstrickung allerdings entsteht auch durch solch unzulässige Kontopfändungen. Diese müsste durch die Aussetzung der Vollziehung erst beseitigt werden, bevor das Kreditinstitut Auskehrungen von Guthaben an die Masse vornehmen kann, vgl. die Ausführungen zu Rn. 2772.
hh) Restschuldbefreiung 2571 Insolvenzforderungen werden mit Erteilung der Restschuldbefreiung sog. unvollkommene Forderungen, die nicht mehr durchsetzbar sind. Gegen neue Kontopfändungen von Insolvenzforderungen kann sich der Schuldner daher wehren. Weigert sich der Gläubiger trotz Aufforderung des Schuldners, die Pfändung gegenüber dem drittschuldnerischen Kreditinstitut zurückzunehmen, bleibt dem Schuldner nur übrig, die Einstellung der Kontopfändung mittels Vollstreckungsgegenklage nach § 767 zu erreichen. Tut der Schuldner das nicht, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut eine solche Pfändung (wieder) beachten.
698
4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
e) Freigabe von Konten oder Guthaben aus der Masse Immer wieder gibt es aber auch praktische Probleme, die sich im Insolvenz- 2572 verfahren stellen. Z. B. die Frage, ob der Insolvenzverwalter das P-Konto selbst oder Guthaben des P-Kontos freigeben kann. Das kann der Insolvenzverwalter, er verwaltet die Masse und damit auch die Zugehörigkeit von Vermögen(sgegenständen) zur Masse. BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZVI 2005, 492: „Diese Befugnis mit der Folge, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der Schuldner die Verfügungsbefugnis zurückerhält, ist in der InsO nicht näher geregelt. Wie die Vorschrift des § 32 III InsO zeigt, geht das Gesetz allerdings ohne weiteres davon aus, dass dem Insolvenzverwalter ein solches Recht zusteht. Im Grundsatz wird das Freigaberecht demzufolge in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt.“
Insolvenzrechtlich können nur Vermögensgegenstände freigegeben werden, vgl. §§ 32 Abs. 3 Satz 1, 35 Abs. 2 und 3 InsO. Der Insolvenzverwalter muss schon deshalb die Möglichkeit der Freigabe 2573 haben, um die Masse vor Kosten zu schützen, wenn z. B. Gegenstände zur Masse gehören, die wertlos sind und/oder mehr Kosten verursachen als der zu erwartende Veräußerungserlös erbringt. Insbesondere bei wertausschöpfenden oder mit Altlasten belasteten Grundstücken ist das regelmäßig der Fall; sie würden, wenn es die Freigabebefugnis nicht gäbe, das Schuldnervermögen schmälern, was mit dem Zweck der Gläubigerbefriedigung nicht zu vereinbaren wäre. BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZVI 2005, 492.
Aber auch die Nichtaufnahme eines Aktivprozesses durch den Verwalter, § 85 2574 Abs. 2 InsO, bedeutet im Ergebnis, dass der Gegenstand des Rechtsstreits aus der Masse freigegeben wird. BGH, Urt. v. 7.12.2006 – IX ZR 161/04, Rn. 18, NZI 2007, 173.
Auch die Verwertungsüberlassung nach § 170 Abs. 2 InsO ist eine Freigabe 2575 in diesem Sinne. Zu den (haftungsrechtlichen) Besonderheiten der Freigabe im Zusammenhang mit einer Wohnungseigentümergemeinschaft vgl. Küpper/Heinze, ZInsO 2010, 2009.
Hat der Insolvenzverwalter daher einen Vermögensgegenstand freigegeben, 2576 endet damit die durch den Eröffnungsbeschluss bewirkte öffentlich-rechtliche Verstrickung durch den Insolvenzbeschlag des § 80 InsO. Zu den Varianten einer Freigabe siehe Zusammenstellung bei Cranshaw/Welsch, DZWIR 2016, 53, 66.
Eine Freigabe setzt die Massezugehörigkeit des freigegebenen Vermögens- 2577 gegenstandes voraus.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
2578 Dem trägt auch das PKoFoG im § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO Rechnung, der beim P-Konto klarstellt, dass Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, zu ihrer Wirksamkeit nicht (mehr) der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter bedürfen. Zur Begründung dieser Klarstellung wurde darauf verweisen, dass „einige“ Kreditinstitute eine zusätzliche Freigabe durch den Insolvenzverwalter fordern, obwohl die Wirkungen des P-Kontos bereits kraft Gesetzes eintreten, wodurch dann der Zugriff des Schuldners auf die nicht zur Masse gehörenden Teile des Kontoguthabens verhindert wurden, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 47.
Haftungsfalle 1: 2579 Da die Freigabe-Erklärung des Insolvenzverwalter i. S. d. §§ 133, 157 BGB auslegungsfähig ist, müssen Kreditinstitute darauf achten, dass die Erklärung so konkret gefasst ist, dass klar ist, was gemeint ist. Eine Freigabe eines Insolvenzverwalters wie folgt „Führt die Insolvenzschuldnerin ein Pfändungsschutzkonto, so ist darauf hinzuweisen, dass die pfändbaren Gehaltsbestandteile sogleich vom Arbeitgeber an die Insolvenzmasse abgeführt werden. Das Konto wird (deklaratorisch) aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben.“ kann von einen drittschuldnerischen Kreditinstitut akzeptiert werden, weil wohl klar sein dürfte, dass mit „deklaratorisch“ gemeint ist, dass die ohnehin bestehende Rechtslage, dass Guthaben des P-Kontos im Rahmen der Freibeträge nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen, darüber hinausgehenden (oder durch Zeitablauf pfändbaren) Guthaben aber der Masse zu stehen. Der vorstehende Hinweis ist allerdings nur dann richtig, wenn keine Verstrickung (einer Kontopfändung) die Auskehrung hindert, ist aber für die Freigabe- Formulierung unerheblich. Dagegen sollte eine Freigabe wie folgt „Das normale Guthabenkonto der Insolvenzschuldnerin wird aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Das Konto kann im laufenden Insolvenzverfahren weitergeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass das Konto ausschließlich im Guthabenbereich geführt wird.“ von einem drittschuldnerischen Kreditinstitut nicht akzeptiert werden, da die Bedingung im Satz 2 Halbs. 2 mit (unnötigen) Haftungsrisiken verbunden ist.
2580 Außerdem sollte die Freigabe, die regelmäßig gegenüber dem Schuldner erfolgen wird, zumindest als informatorische Mitteilung auch das Kreditinstitut direkt erreichen. Ebenso Cranshaw/Welsch, DZWIR 2016, 53, 68, zu Recht darauf hinweisend, dass die Information des Kreditinstitutes, in welchem Rahmen der Kontoinhaber trotz des Insolvenzverfahrens (wieder) verfügungsbefugt ist, schon nach den vereinbarten AGB der Banken oder Sparkassen erforderlich ist, weil ansonsten die durch das Insolvenzverfahren beschränkten Verfügungsbefugnisse bis zu anderweitiger Mitteilung durch den Kunden bzw. seines Vertreters weiter gelten würden.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Haftungsfalle 2: Kreditinstitute sollten die Freigabe durch den Insolvenzverwalter im Übrigen 2581 auch akzeptieren; tun sie das nicht und bestehen beispielsweise auf eine gerichtliche Freigabe, laufen sie Gefahr, dass ein Verstoß gegen § 908 vorliegt; danach ist das drittschuldnerische Kreditinstitut dem Schuldner zur Leistung aus dem nicht von der Pfändung (oder der Insolvenzbeschlagnahme) erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten verpflichtet. Der Schuldner kann sich – ggf. im Weg einstweiligen Rechtsschutzes und im Erfolgsfalle auf Kosten des drittschuldnerischen Kreditinstitutes – vom Gericht bestätigen lässt, dass es den Schuldner über das freigegebene Konto überfügen lassen muss. Ob stattdessen eine Feststellungklage erhoben werden, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut die Freigabe zu beachten hat, scheint nicht klar, denn der den direkten (Aus-)Zahlungsanspruch einzuklagen (Leistungsklage), dürfte einem Feststellungsinteresse vorgehen.
Gleiches würde gelten, soweit der Insolvenzverwalter nur bestimmte Beträge bzw. Guthaben freigibt. Zu beachten ist aber auch hier, dass das nur im Verhältnis zur Masse gilt; ist das Konto außerdem gepfändet, müsste, um über diese freigegebenen Guthaben verfügen zu können, zuvor auch noch die Verstrickung der Kontopfändung(en) beseitigt sein, siehe die nachfolgenden Ausführungen.
Haftungsfalle 3: Gibt der Insolvenzverwalter das (P-)Konto frei, ist damit nicht verbunden, dass 2582 auch die Verstrickung bestehender Kontopfändungen endet. Diese müssten durch das zuständige Gericht beseitigt werden. Allerdings ist der Schuldner vor dem Vollstreckungsgriff des Einzelvollstreckungsschuldners geschützt, da dieses während der Dauer des Insolvenzverfahrens als sonstiges Vermögen des Schuldners dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO unterliegt, BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, NZI 2009, 382. Anschließend schützt den Schuldner ggf. im Restschuldbefreiungsverfahren § 294 Abs. 1 InsO, das als zeitliche Verlängerung des Vollstreckungsverbots des § 89 Abs. 1 InsO diesem inhaltlich entspricht. Das Vollstreckungsverbot schützt insbesondere auch das insolvenzfreie und damit auch das aus der Insolvenzmasse freigegebene Vermögen, LG Frankfurt (Oder), Urt. v. 24.2.2017 – 12 O 62/15, NZI 2017, 571.
Auch stellt sich manchmal die Frage, ob der InsO-Verwalter berechtigt ist, 2583 den Freibetrag im Insolvenzverfahren selbst festzusetzen oder ob es dazu nicht eines Beschlusses des Insolvenzgerichtes bedarf. Wie oben gesehen, ist der Insolvenzverwalter insoweit autark und kann das 2584 entscheiden. Ebenso Cranshaw/Welsch, DZWIR 2016, 53, 73 unter bb). Ebenso wohl AG Kandel, Urt. v. 17.1.2011 – 1 C 531/10, BeckRS 2011, 22915.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen § 36 Abs. 4 regelt insoweit nur die Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes in Abgrenzung zum sonst dafür zuständigen Vollstreckungsgericht, untersagt aber damit nicht dem Insolvenzverwalter die Freigabebefugnis.
2585 Dafür sprechen auch die Befugnisse des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 35 InsO, die ihm erlauben, die selbstständige Tätigkeit des Gemeinschuldners freizugeben. Die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO wirkt nicht zurück, vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, NZI 2019, 374.
2586 Da ein Insolvenzverwalter sicherlich auch die Qualifikation einer geeigneten Person oder Stelle i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllen wird, was zumindest außer Zweifel stehen dürfte, soweit der InsO-Verwalter in Person Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist, bestehen auch formal dagegen keine Bedenken. Ebenso wohl OLG Schleswig, Beschl. v. 1.2.2000 – 1 W 51/99, NJW-RR 2001, 340, das dem Insolvenzgericht insoweit nur zubilligt, prüfen zu dürfen, ob eine vom Schuldner vorzulegende Bescheinigung (hier über den erfolglosen außergerichtlichen Einigungsversuch mit seinen Gläubigern gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) „formal richtig“ ist, nicht aber auch ob sie inhaltlich korrekt ist. Das kann man auch auf die Ausstellung der Bescheinigung für den Gemeinschuldner nach §§ 902, 903 durch den Insolvenzverwalter, der zugleich zum Verwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners bestellt wurde, übertragen.
2587 Dass der Insolvenzverwalter sich in einer Doppelrolle befindet, ggf. sich also in einer Interessenkollision befindet, ist eher ein Problem des InsO-Verwalters, sollte aber ein drittschuldnerisches Kreditinstitut prinzipiell nicht kümmern. Die Doppelrolle bei einem Rechtsanwalt unbedenklich findet LG Verden, Beschl. v. 17.10.2006 – 6 T 209/06, BeckRS 2011, 13232. Heyn/Kreuznacht/Voß, Abschnitt Teil 1 Checklisten, Checkliste 55: Pfändungsschutzkonto, Rn. 11, dagegen meint, dass der Insolvenzverwalter für die Erstellung der Bescheinigung „nicht zuständig“ sei.
2588 Abgesehen von den Haftungsrisiken, die ein Insolvenzverwalter damit aber eingeht, die ein drittschuldnerisches Kreditinstitut zwar nicht zu interessieren haben, wäre es sicherlich sinnvoller, wenn diese „Freigabe“ durch das Insolvenzgericht erfolgen würde, dadurch dass es – auf Antrag des Schuldners oder Insolvenzverwalters – nach § 36 Abs. 4 i. V. m. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. den §§ 899 ff. die pfändungsfreien Beträge festsetzt oder sich der Schuldner z. B. durch die Schuldnerberatungsstelle eine Bescheinigung erteilen lässt für die Erhöhungsbeträge auf seinem P-Konto. Einer Bescheinigung über den schon gesetzlich bestehenden Grundfreibetrag bedarf es aber nicht.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Entscheidet sich ein Insolvenzverwalter aber dazu, die Freibeträge selbst fest- 2589 zulegen, dann sollte ein drittschuldnerisches Kreditinstitut auch das akzeptieren. Das Kreditinstitut selbst ist dann vor nochmaliger Inanspruchnahme geschützt. Der Schuldner ist vor der Vollstreckung durch Insolvenzgläubiger in das freigegebene Konto durch § 89 InsO geschützt. Neugläubiger können aber im Umfang der pfändbaren Beträge auf Guthaben des Kontos zugreifen.
Haftungsfalle: Der vom Insolvenzverwalter freigegebene Betrag bezieht sich (nur) auf das 2590 Insolvenzverfahren. Ein z. B. Unterhaltsgläubiger, der laufenden Unterhalt und im Zuge dessen einen niedrigeren Freibetrag geltend macht, muss sich selbst beim Insolvenzgericht um einen entsprechenden Beschluss nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO bemühen. Es besteht aber keine Pflicht des Verwalters oder Treuhänders, zu prüfen, ob 2591 an den Insolvenzverwalter oder Treuhänder abgeführte Beträge korrekt berechnet sind, OLG Celle, Urt. v. 2.10.2007 – 16 U 29/07 NZI 2008, 52. Zu den Pfändungsschutzmöglichkeiten, vgl. Grote, InsbürO 2018, 308.
Einige InsO-Verwalter weigern sich allerdings, für den Gemeinschuldner eine 2592 Bescheinigung nach § 902 über Erhöhungsbeträge auszustellen, weil sie hier eine Interessenkollision sehen und daher aus Haftungs- und Neutralitätsgründen vom Ausstellen einer Bescheinigung für den „eigenen“ Gemeinschuldner absehen. Der Verwalter/Treuhänder darf aber auch die Interessen des Schuldners vertreten, BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 84/09, ZInsO 2010, 1498 f. Ebenso unbedenklich hält das Ausstellen einer Bescheinigung durch den Insolvenzverwalter, soweit er Rechtsanwalt ist, PrivatInsRK/Tichbi, §§ 35, 36 InsO, Teil 4, Rn. 194. Tichbi weist aber darauf hin, dass die Ausstellung durch einen InsOVerwalter, der nicht zu den Personen und Stellen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehört, nicht zulässig sein dürfte, richtigerweise das aber kritisierend, da der InsO-Verwalter das gesamte Konto aus dem Insolvenzbeschlag freigeben könnte.
Für diese Sicht sprechen zwar gute Gründe; zwingend ist es trotzdem nicht, 2593 denn zumindest bei Rechtanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern ist eine verantwortungsbewusste Tätigkeit durch das Berufs- und Standesrecht gewährleistet. LG Verden, Beschl. v. 17.10.2006 – 6 T 209/06, BeckRS 2011, 13232.
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XII. Weitere Regelungen im Zusammenhang mit Kontopfändungen
f) Exkurs: Lastschrift-Widerruf in der Insolvenz 2594 Seit 1.2.2016 gibt es nur noch das SEPA-Lastschriftverfahren. Die davor eingesetzten deutschen Lastschriftverfahren, Abbuchungsauftrags- und Einzugsermächtigungsverfahren, gibt es nicht mehr. Für Verbraucher gilt die SEPABasislastschrift. Ausführlich dazu Langenbucher/Bliesener/Spindler-Kalomiris, 9. Kap. Rn. 25 ff.
2595 Sie beinhaltet im Rahmen des erteilten Lastschriftmandats die Gestattung des Zahlungsempfängers, den Betrag vom Konto des Zahlungspflichtigen einzuziehen und die an die Zahlstelle gerichtete Weisung, die vom Zahlungsempfänger auf das Schuldnerkonto gezogene SEPA-Lastschrift einzulösen. Abschn. C. und D. jeweils Nr. 2.2.1 der Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr.
2596 Auch bei einem Lastschrift-Widerruf hängen Rechte und Pflichten davon ab, in welcher Phase des Insolvenzerfahrens das geschieht. 2597 Solange kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen oder das Verfahren eröffnet ist, kann der Schuldner weiter verfügen. Daher bestehen seine erteilten SEPA-Lastschriftmandate fort und er kann noch neue erteilen. Das Konto führende Kreditinstitut darf diese Lastschriften zu Lasten des Zahlungskonto des Schuldners einlösen und ist berechtigt, seinen Aufwendungsersatzanspruch in das Kontokorrent einzustellen. 2598 Will der Schuldner die Lastschrift rückgängig machen, kann er innerhalb von 8 Wochen nach der Belastungsbuchung gem. § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 BGB i. V. m. den SEPA-Basislastschrift-AGB von seinem Kreditinstitut Erstattung des Lastschriftbetrags verlangen. Zur Situation bei Insolvenz des Zahlungsempfängers (= Gläubigers), vgl. ausführlich Langenbucher/Bliesener/ Spindler-Kalomiris, 9. Kap. Rn. 29 ff; ebenso instruktiv: Madaus/Knauth/Krafczyk, WM 2020, 1283.
2599 Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Kontoinhabers bei „Rückgängigmachung“ der Lastschrift-Belastung gem. § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 BGB binnen acht Wochen ab Belastungsbuchung, fällt nicht in die Insolvenzmasse und dann daher nur vom Schuldner selbst geltend gemacht werden. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, NJW 2010, 3510.
2600 Da das Konto des Zahlungspflichtigen im SEPA-Basislastschriftverfahren aufgrund des Mandats immer berechtigterweise belastet wird, ist der Erstattungsbetrag jeweils auch einer eigener, neuer Buchungsposten und nicht etwa die Berichtigung des Kontostands aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung. Obermüller, Rn. 3.667.
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4. (P-)Konten und Kontopfändungen in der Insolvenz
Macht der Zahlungspflichtige daher den Erstattungsanspruch einer vor Er- 2601 öffnung oder vor Anordnung entsprechender Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO belasteten SEPA-Basislastschrift fristgerecht, aber erst im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens geltend oder im Eröffnungsverfahren, nachdem entsprechende Sicherungsmaßnahmen angeordnet worden sind, muss sein Kreditinstitut ihm (trotzdem) den Betrag wieder gutschreiben. Nach Kenntnis der Anordnung entsprechender Sicherungsmaßnahmen oder Eröffnung des Verfahrens darf ein Kreditinstitut eine auf den Schuldner gezogene Lastschrift aber natürlich nicht mehr seinem Zahlungskonto belasten, weil die Einziehung eine rechtsgeschäftliche Verfügung i. S. d. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO ist, so Langenbucher/Bliesener/Spindler-Kalomiris, 9. Kap. Rn. 27.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt auch das SEPA-Last- 2602 schriftmandat; ein Kreditinstitut, das in Kenntnis trotzdem eine Lastschrift einlöst, hat keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Masse. Das gilt natürlich nicht bei einem P-Konto im Rahmen der Freibeträge. Bei unverschuldeter Unkenntnis ist das Kreditinstitut außerdem durch § 82 Satz 1 InsO geschützt; bei Einlösung zu Lasten eines debitorischen Kontos stellt der Aufwendungsersatzanspruch aber nur eine einfache Insolvenzforderung dar, Langenbucher/Bliesener/Spindler-Kalomiris, 9. Kap. Rn. 27.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung 1. Drittschuldnererklärung Dazu ausführlich auch Günther, WM 2011, 2307 und Jurgeleit, Die Haftung des Drittschuldners, Ein Leitfaden für die Praxis, 2. Aufl., 2004.
Geregelt ist die Drittschuldnererklärung in § 840. Es wurde durch das PKoFoG 2603 nochmals angepasst, im Wesentlichen wegen des neuen § 850l, vgl. dazu nachfolgende Rn. 2672, in dem die Pfändung von Guthaben auf Gemeinschaftskonten geregelt ist. Eine weitere Anpassung ist am 1.1.2022 im Zuge der Ergänzungen durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (ERVGerFöG) v. 5.10.2021 erfolgt, vgl. BGBl I, 4607, der die elektronische Zustellung regelt.
§ 316 AO bildet das Pendant zu § 840 in der Verwaltungsvollstreckung und wurde durch das PKoFoG ebenfalls entsprechend angepasst; es ist davon auszugehen, dass das auch in den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen geschieht, in denen die Auskunftspflicht für nach diesen Gesetzen ausgebrachte Kontopfändungen geregelt ist. Ressourcensparend, weil umsetzungsarm ist dabei z. B. die Verweisung im Bay. VwZVG: Nach Art. 26 Abs. 7 Satz 1 des Bay. VwZVG sind bei der Vollstreckung von Geldforderungen der Gemeinden, Landkreise, Bezirke und Zweckverbände dort generell die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung – mit Ausnahme der §§ 883 bis 898 und §§ 946 bis 959 – entsprechend anzuwenden. Es handelt sich insofern um eine dynamische Verweisung in die Vorschriften des Achten Buchs der, sodass die mit dem PKoFoG beschlossenen Änderungen mit ihrem Inkrafttreten am 1.12.2021 im Anwendungsbereich des VwZVG automatisch gelten. Gesetzlicher Änderungsbedarf besteht in diesem Falle nicht. Nachahmenswert!
a) Verpflichtung des Drittschuldners § 840 und § 316 AO sowie die (darauf verweisenden) Verwaltungsvollstre- 2604 ckungsgesetze verpflichten den Drittschuldner auf Verlangen des Gläubigers innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses, BGH, Urt. v. 4.4.1977 – VIII ZR 217/75, NJW 1977, 1199,
eine Drittschuldnererklärung abzugeben. Die Erklärung muss nicht unterschrieben sein; es reicht eine „maschinell 2605 erstellte“ Auskunft. Zu den Abweichungen der Drittschuldnererklärung bei Zustellung eines Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO) vgl. Rn. 353.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2606 Die Auskunft wird aber nur geschuldet, wenn der Gerichtsvollzieher im Auftrag des Pfändungsgläubigers zur Abgabe der Erklärung ausdrücklich aufgefordert hat. Dies muss in der Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers erfolgen (§ 840 Abs. 2 Satz 2); eine Aufforderung im Pfändungsbeschluss genügt nicht. Liegt lediglich eine solche vor, darf keine Erklärung abgegeben werden (Bankgeheimnis!), da die qualifizierte Aufforderung wesentliche Voraussetzung für die Auskunftspflicht ist. Im Falle der elektronischen Zustellung nach § 193a reicht es aber nach § 840 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 künftig aus, die Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung als elektronisches Dokument zusammen mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu übermitteln.
Anders wiederum in § 316 Abs. 2 Satz 1 AO (und in der gesamten Verwaltungszwangsvollstreckung): Dort ist geregelt, dass die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung in die Pfändungsverfügung aufgenommen werden kann. 2607 Verlangt der Gläubiger keine Drittschuldnererklärung oder ist die Aufforderung bei der Vollstreckung nach der ZPO bei körperlicher Zustellung nicht in der Zustellungsurkunde aufgenommen, wäre eine gleichwohl abgegebene Erklärung ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis.
Haftungsfalle 1: eingeschränkte Fragen in der Zustellungsurkunde 2608 In obigem Auszug aus der Zustellungsurkunde ist zwar die Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung ordnungsgemäß in der Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers aufgenommen worden, aber abweichend zum Umfang der „normalen“ Auskunft hat der Gerichtsvollzieher hier – wohl wegen Verwendung eines veralteten Vordruckes – ausdrücklich nur aufgefordert, die Fragen 1 – 3 des § 840 Abs. 1 zu beantworten, nicht aber auch die Fragen 4+5. 2609 Hier darf der Drittschuldner dann auch nur die Fragen 1 – 3 beantworten. Selbst wenn es wahrscheinlich ist, dass der Gerichtsvollzieher nur versehentlich die Aufforderung zur Beantwortung auch der weiteren zwei Fragen des § 840 Abs. 1 unterlassen hat, darf sich der Drittschuldner wegen des Bankgeheimnisses nicht darüber hinwegsetzen. Selbst wenn im Antrag ersichtlich wäre, dass der Gläubiger keine Einschränkung nur auf die beiden Fragen gewollt hatte, ist dem Drittschuldner eine weitergehende Beantwortung nicht erlaubt. Denn es kann durchaus sein, dass der Gläubiger, zeitlich nach und außerhalb des ursprünglichen Antrages, den Gerichtsvollzieher – aus welchen Gründen auch immer – gebeten hat, den Drittschuldner lediglich zur Beantwortung der drei ersten Fragen aufzufordern. 708
1. Drittschuldnererklärung
Nach den Änderungen durch das PKoFoG ist es daher auch nicht ausge- 2610 schlossen, dass durch die Ergänzung des § 840 in der Nr. 5 ab 1.12.2021 erneut für eine Übergangszeit veraltete Formulare durch die Gerichtsvollzieher benutzt werden, in der die Aufforderung, alle Fragen des § 840 Abs. 1 zu beantworten, nicht enthalten ist. Das wird, wenn, eher bei der körperlichen Zustellung, evtl. weniger bei der elektronischen Zustellung der Fall sein. Insbesondere wenn nicht dezidiert nach einem gemeinschaftlichen Zahlungskonto gefragt wird, darf diese nicht gestellte Frage auch nicht beantwortet werden. Gleiches gilt es zu beachten bei PfEV, bei denen die Aufforderung zwar in 2611 der PfEV selbst enthalten sein kann; nichtsdestotrotz ist auch hier darauf zu achten, welche Fragen der Gläubiger (nur) beantwortet haben will. Umgekehrt können aber weder der Gläubiger, noch der Gerichtsvollzieher und 2612 auch nicht das Vollstreckungsgericht selbst anordnen, dass über die Fragen des § 840 Abs. 1 hinaus weitere Fragen beantwortet werden müssen. Eine Ausdehnung der Auskunftspflicht im Wege „richterlicher Rechtsfortbildung“ ist unzulässig. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 840 Rn. 18, weil dies, so Smid zu Recht, „deshalb fehlerhaft wäre, weil [es] dem Übermaßverbot widersprechen würde.“
Haftungsfalle: Postzustellung Die körperliche Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen 2613 (nicht dagegen PfEV) durch „private“ Gläubiger mittels Postzustellung führt dazu, dass keine (rechtswirksame) Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung erfolgt ist. LG Tübingen, Entsch. v. 7.11.1973 – 1 O 19/73, MDR 1974, 677.
In diesen Fällen darf das drittschuldnerische Kreditinstitut keine Drittschuld- 2614 nererklärung abgeben. Da der Drittschuldner grundsätzlich gem. Abs. 3 die Möglichkeit hätte und haben muss, die Drittschuldnererklärung unverzüglich mündlich gegenüber dem Gerichtsvollzieher abzugeben, kann die Aufforderung nach § 840 auch nur durch den Gerichtsvollzieher selbst übermittelt werden. Ein Postzusteller wäre zur Entgegennahme dieser Erklärungen nicht befugt. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 840 Rn. 8 m. w. N. Etwas merkwürdig mutet der durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (ERVGerFöG) v. 5.10.2021 (BGBl I, 4607) seit 1.1.2022 geltende § 840 Abs. 3 Satz 2 an. Dort heißt es: „Werden die Erklärungen bei einer Zustellung des Pfändungsbeschlusses nach § 193 abgegeben, so sind sie in die Zustellungsurkunde aufzunehmen und von dem Drittschuldner zu unterschreiben.“ Das würde bedeuten, dass bei einer körperlichen, persönlichen Zustellung die Erklärung nach wie vor dem Gerichtsvollzieher gegenüber bei der Zustellung abgegeben werden kann; wird aber elektronisch zugestellt, erscheint der Gerichtsvollzieher nicht mehr persönlich, so dass dann die Drittschuldnererklärung folgerichtig nur noch schriftlich erfolgen kann, ebenso Brunner, DGVZ 2022, 1.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2615 Die Erklärungspflicht des Drittschuldners wird aber auch ausgelöst, wenn die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit der Aufforderung gem. § 840 durch Niederlegung („Zustellung“ siehe Rn. 255) erfolgt. AG Itzehoe, v. 3.3.1994 – 24 M 649/94, DGVZ 1994, 126.
Haftungsfalle Variante Postzustellung („Pandemiezustellung“): 2616 Gerichtsvollzieher stellen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in der Corona-Pandemie inzwischen manchmal mittels Postzustellungsurkunde (PZU) an das drittschuldnerische Kreditinstitut zu. Die PZU versehen sie mit einem entsprechenden Vorblatt mit Folgendem Text: „Wichtiger Hinweis“ Mit dieser Sendung werden Ihnen in gesetzlich vorgeschriebener Form die im Umschlag enthaltenen Schriftstücke förmlich zugestellt. Die förmliche Zustellung eines Schriftstücks dient dem Nachweis, dass dem Adressaten in gesetzlich vorgeschriebener Form Gelegenheit gegeben worden ist, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und wann das geschehen ist. Den Tag der Zustellung entnehmen Sie bitte der Zustellungsurkunde auf der letzten Seite. Wird der Zustellungsadressat oder eine zum Empfang des Schriftstücks berechtigte Person in den angegebenen Geschäftsräumen nicht angetroffen, kann das Schriftstück in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt oder einer zentralen Briefannahme übergeben werden. Mit der Einlegung bzw. Übergabe gilt das Schriftstock als zugestellt. Aufgrund der derzeitigen Einschränkungen durch das Coronavirus, erfolgen derzeit KEINE persönlichen Zustellungen durch den Gerichtsvollzieher. Die Zustellung erfolgt gemäß § 840 an den/die Drittschuldner/in. Gemäß § 840 wird hierdurch der (die) Drittschuldner(in) auf Verlangen des Gläubigers aufgefordert, binnen zwei Wochen von der Zustellung dieses Pfändungsbeschlusses an gerechnet. dem Gläubiger bzw. dessen Vertreter zu erklären: (dann kommt die Wiedergabe der Fragen Nr. 1 – 5 des § 840). Der Text des Vorblattes schließt ab mit folgendem Hinweis: „Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie gemäß § 840 zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung binnen einer Frist von 2 Wochen verpflichtet sind, es drohen sonst Regressansprüche.“ 2617 Auch hier darf, bei allem Verständnis für eine Kontakt beschränkende Zustellung in der Pandemie, das drittschuldnerische Kreditinstitut die Drittschuldnererklärung NICHT abgeben. Der Gesetzgeber hat (leider) keine spezielle gesetzliche Grundlage geschaffen, dass in der Pandemie von der persönlichen Zustellung abgesehen werden kann. Das ermöglicht nun aber durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (ERVGerFöG) v. 5.10.2021 (BGBl I, 4607) der seit 1.1.2022 geltende § 193a.
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1. Drittschuldnererklärung
Der Gerichtsvollzieher könnte aber auch die verschiedenen Formen der Ersatzzustellung nutzen, in dem er z. B. seine Zustellung in kontaktärmere Zustellzeiten verlagert. Das wäre aber gar nicht notwendig, denn die Zustellung wäre auch ohne Probleme kontaktlos und hygienisch einwandfrei organisierbar und möglich; jedenfalls bei Kreditinstituten wäre das überhaupt kein Problem. Den Aspekt, dass hier der Gerichtsvollzieher die Zustellung lediglich verlagert auf eine andere Person, durch die Pandemie ebenfalls schon sehr gefährdet ist, nämlich die Postzusteller, einmal außen vor gelassen; darauf ebenso hinweisend Bellardita, DGVZ 2021, 77. Ebenso wäre wohl das ständige Ausweichen, aus Angst vor Ansteckung mit dem Covid-19-Virus, auf eine Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten des drittschuldnerischen Kreditinstitutes, obwohl die Geschäftsräume geöffnet sind, keine ordnungsgemäße Zustellung, LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2013 – 12 Sa 1588/12, BeckRS 2014, 70292, die aber gem. § 189 durch den tatsächlichen Zugang am nächsten Geschäftstag geheilt wird. Ein systematischer Verstoß allerdings, vgl. Rn. 271 würde wohl zur gänzlichen Unwirksamkeit, auch nicht heilbaren Zustellung führen, es sei denn die Geschäftsräume, die ein Ansteckungsrisiko mit Covid-19 bergen, würden denjenigen Geschäftsräumen rechtlich gleichgestellt, die nicht geöffnet wären. Für eine solche weitgehende und vor allem pauschale Annahme, besteht aber kein Anlass und keine Grundlage.
Die Zustellung des PfÜB muss daher bei körperlicher Zustellung auch in Pan- 2618 demiezeiten zwingend durch den Gerichtsvollzieher persönlich und mit dem exakt dafür vorgesehenen verbindlichen Formular erfolgen. Regressansprüche drohen dem drittschuldnerischen Kreditinstitut selbstverständlich nicht. LG Tübingen, a. a. O.: „Eine Schadensersatzpflicht des Drittschuldners wegen unrichtiger oder unterlassener Auskunft gegenüber dem Gläubiger kommt dann nicht in Betracht, wenn die Aufforderung hierzu dem Drittschuldner nur durch die Post zugestellt worden ist.“
Rechtswidrig dürfte daher der Hinweis von Gerichtsvollziehern sein, das 2619 Kreditinstitut sei verpflichtet die Drittschuldnererklärung abzugeben, verstärkt durch den Hinweis auf Regressansprüche. Praxistipp: Hier sollte das drittschuldnerische Kreditinstitut zunächst freundlich das Gespräch mit dem Gerichtsvollzieher suchen; bei Uneinsichtigkeit, wäre darauf hinzuweisen, dass dies einer Aufforderung zum strafbaren Handeln gleichkommt, denn die wahrheitswidrige Aussage, das drittschuldnerische Kreditinstitut sei zur Drittschuldnererklärung verpflichtet und wenn es ihr nicht nachkomme, drohten Regressansprüche, kann von unerfahrenen Mitarbeiter der Pfändungsbearbeitung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes durchaus fehlinterpretiert werden und dazu führen, dass sie unter Bruch des Bankgeheimnisses die Drittschuldnererklärung trotzdem abgeben. Gerichtsvollzieher sollten nicht unterschätzen, welche obrigkeitshörige Macht ihren Anweisungen entspringt. Bei weiterer Uneinsichtigkeit wäre mittels Einlegung einer Erinnerung nach § 766 zu klären, ob das Verhalten des Gerichtsvollziehers rechtskonform ist.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2620 Das AG Calw, AG Calw, Beschl. v. 5.1.2021 – 9 M 2505/20, DGVZ 2021, 67,
hatte in einem vergleichbaren Fall die von einem Gerichtsvollzieher verweigerte Ablehnung der Zustellung eines vorläufigen Zahlungsverbots zu Recht gedeckt, weil in dem vom Gläubiger verfassten Schriftsatz der Drittschuldner gebeten wurde, „im Interesse einer raschen und vereinfachten Abwicklung zu erklären, ob er die gepfändete Forderung anerkennt und zur Leistung bereit ist“ und dadurch der Eindruck vermittelt würde, der Drittschuldner sei zur Abgabe einer Auskunft verpflichtet. Die Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbotes darf aber nicht mit der Aufforderung zur Abgabe einer Drittschuldnerklärung verbunden werden, da die Vorpfändung nach § 845 keine Auskunftspflicht oder Auskunftsobliegenheit des Drittschuldners nach § 840 begründet. BGH, Urt. v. 4.4.1977 – VIII ZR 217/75, NJW 1977, 1199. Auch wenn lediglich um eine Erklärung „gebeten“ wird, wird durch die erfolgte Fristsetzung, welche der in § 840 Abs. 1 vorgesehenen Frist entspricht, sowie den vorausgehenden Aufforderungen im Rahmen des vorläufigen Zahlungsverbotes wird die Freiwilligkeit der Angaben durch den Drittschuldner ohne einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis hierauf nicht hinreichend deutlich. Da die Drittschuldner nicht zur Auskunft verpflichtet sind und darüber hinaus aufgrund des Bankgeheimnisses Auskünfte nicht erteilen dürfen, konnte der Gerichtsvollzieher die Zustellung nach § 29 Abs. 2 GVGA ablehnen.
2621 Dieser Rechtsansicht scheint sich – völlig zu Recht – durchzusetzen. Ausführlich dazu Hergenröder, DGVZ 2021, 101, der u. a. fordert, dass auch die Inkassoaufsicht hier einschreiten muss. Der Gerichtsvollzieher ist insoweit eben auch nicht nur reiner Bote, sondern stellt etwas in amtlicher Funktion zu, von dem man dann erwarten kann, dass der Inhalt der zugestellten Unterlagen nicht zu rechtswidrigem Verhalten auffordert.
Der Pfändungsgläubiger bezweckt damit ein Drittschuldnerverhalten, auf das der zum Zeitpunkt der Zustellung der Vorpfändung (noch) keinen Anspruch hat. Das Verlangen nach Abgabe einer Drittschuldnererklärung stellt sich daher zu diesem Zeitpunkt – auch aus Sicht des Gerichtsvollziehers als Vollstreckungsorgan – als offensichtlich nicht gesetzeskonform und damit rechtswidrig dar. AG Heilbronn, Beschl. v. 14.4.2021 – 1 M 1317/21, BeckRS 2021, 8293 ist hier noch einen Schritt weitergegangen.
2622 An dem rechtswidrigen Verlangen ändert auch der Umstand nichts, dass darum nur ersucht und nicht aufgefordert wird, selbst dann nicht, so das AG Heilbronn, a. a. O., wenn der Pfändungsgläubiger darauf hinweist, dass eine Rechtspflicht zur Beantwortung der Fragen erst mit Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses entsteht. Hierdurch wird die Aufforderung abgeschwächt und ein Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage gegeben, aus Sicht eines objektiven
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1. Drittschuldnererklärung Betrachters bei verständiger Würdigung wird dem nur eine untergeordnete Bedeutung verliehen. Anders evtl., wenn der Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage deutlich vorangestellt wäre, was hier nicht der Fall war, weil zunächst das Ersuchen mit Setzung einer – zu diesem Zeitpunkt gesetzlich nicht vorgesehenen (!) – Frist erfolgte, der Drittschuldner zudem „zur Vermeidung weiterer Kosten“ ersucht wurde, die besagten Fragen „unverzüglich“ zu beantworten und erst im Nachgang der Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage erfolgte. Erschwerend wertete das AG Heilbronn wohl zudem den Umstand, dass der Pfändungsgläubiger anwaltlich vertreten und somit bestens über die wahre Gesetzeslage unterrichtet war. In der Gesamtschau des über § 845 hinausgehenden „Ersuchens“ kann man daher bei verständiger Betrachtung durch den Gerichtsvollzieher solch ein Ansinnen nur so verstehen, dass der Pfändungsgläubiger sich mit dem Vorpfändungs-Schreiben vorzeitig und damit offensichtlich rechtswidrig/rechtsmissbräuchlich im Wege der Gerichtsvollzieherzustellung Erklärungen von Drittschuldnerseite nach § 840 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 verschaffen wollte.
Ein solches offensichtliches vollstreckungsrechtliches Fehlverhalten muss der 2623 Gerichtsvollzieher nicht unterstützen und kann die Zustellung eines Schriftstückes mit einem solchen Inhalt gem. § 29 GVGA als offensichtlich rechtsmissbräuchlich ablehnen. A. A. AG Bayreuth, Beschl. v. 9.11.2016 – 2 M 2168/16, juris, Rn. 4, das dagegen vertritt, dass der Gerichtsvollzieher gleichwohl die Zustellung nicht ablehnen darf, aber den Drittschuldner vielmehr auf die Unbeachtlichkeit des Auskunftsverlangens hinzuweisen hat. Differenzierter das AG Hildesheim, Beschl. v. 10.8.2021 – 23d M 30847/21, BeckRS 2021, 23151, das die Weigerung eines Gerichtsvollziehers, solche eine Vorpfändung zuzustellen, nicht zuließ, da es sich bei der Benachrichtigung nach § 845 Abs. 1 um eine privatschriftliche Mitteilung handele und es dem Drittschuldner im Rahmen seiner Privatautonomie freistünde, zu entscheiden, ob er der geforderten Drittschuldnererklärung nachkomme oder sich angesichts des Bankgeheimnisses daran gehindert sehe; offen gelassen hat das AG Hildesheim allerdings, ob etwas anderes gelten würde, hätte der Gläubiger nicht auf den Umstand hingewiesen, die Pflicht zur Abgabe der Drittschuldnererklärung entstehe (erst) mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Im Übrigen hat das AG Hildesheim klargestellt, dass eine unbedingte Weisung an den Gerichtsvollzieher, eine Zustellung vorzunehmen, nicht in Frage kommen könne, denn erinnerungsgegenständlich sei allein die Weigerung des Gerichtsvollziehers vor dem Hintergrund der von ihm angenommenen Rechtsmissbräuchlichkeit die Vorpfändung zuzustellen. Nicht zu entscheiden und entschieden sei damit, ob mögliche sonstige Hindernisse einer Zustellung entgegenstünden.
Wenn eine Frist zur Beantwortung gesetzt, wird ist das rechtsmissbräuchlich, 2624 auch wenn der Passus wie folgt lautet: „Nach der Zustellung des gerichtlichen Pfändungsbeschlusses hat der Drittschuldner nach § 840 ZPO die Verpflichtung zur Erklärung, ob und in wieweit
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung er die Forderung als begründet anerkennt und Zahlung zu leisten bereit ist, ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung stellen, ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist. Im Interesse einer vereinfachten Abwicklung bitte ich, diese Fragen binnen 2 Wochen zu beantworten.“ Dass dies nicht ausreicht, siehe AG Bonn Beschl. v. 27.7.2021 – 22 M 1454/21, BeckRS 2021, 24284 Rn. 3. Praxistipp: Gegen eine gleichwohl zugestellte Vorpfändung mit evtl. rechtwidrigem Ersuchen/Aufforderung zur Drittschuldnererklärung sollte der Drittschuldner sich wehren, auch dann, wenn der Gerichtsvollzieher auf die Unbeachtlichkeit des Auskunftsverlangens hinweist und Erinnerung nach § 766 einlegen, unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 4.4.1977 – VIII ZR 217/75, NJW 1977, 1199 sowie die beiden Entscheidungen des AG Calw und des AG Heilbronn.
Haftungsfalle „Pfändungsanfrage“: 2625 In der Praxis wird unter Beifügung einer Kopie des Vollstreckungstitels mittels einfachen Briefes durch den Gläubiger beim Drittschuldner angefragt, ob sich eine Pfändung überhaupt lohne. 2626 Arbeitsökonomisch sinnvoll dürfte es sein, auf diese häufig in der Praxis im Vorfeld einer beabsichtigten Pfändung vorkommenden „Pfändungsanfragen“ durch Erklärung dann zu reagieren, wenn keine Geschäftsverbindung zu dem Pfändungsschuldner besteht. Allerdings könnte diese Verfahrensweise bei entsprechender „ständiger Übung“ bei (nur) regional tätigen Kreditinstituten auf Seiten ebenfalls regional ansässiger Gläubiger (Inkasso-Unternehmen und/ oder Anwaltskanzleien) dazu führen, dass mittels Umkehrschlusses (wenn das Kreditinstitut nicht reagiert, besteht eine Geschäftsverbindung) quasi doch eine Auskunft erteilt wird. Auch hier gilt es daher zurückhaltend zu sein. 2627 Besteht eine Geschäftsverbindung, wäre eine Erklärung auf eine nur Pfändungsanfrage ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis, gegen das aber grundsätzlich nicht verstoßen werden kann, wenn zu diesem Kunden gar keine Geschäftsbeziehung besteht. Damit können sich alle Beteiligten eine spätere, unnütze Pfändung und deren arbeitsintensive Bearbeitung ggf. ersparen. Auch die Zurückweisung von einzelnen, zu „unbestimmten“ Ansprüchen, kann man sich unter arbeitsökonomischen Gründen dann sparen, wenn diese Ansprüche im konkreten Fall nicht bestehen (können).
2628 Das drittschuldnerische Kreditinstitut wird die Drittschuldnererklärung regelmäßig bereits im Rahmen der Pfändungseingangsbearbeitung abgeben, um den Vorgang möglichst nur einmal in die Hand nehmen zu müssen. Es muss zu diesem Zeitpunkt nur in der Lage sein, die Fragen des § 840 Abs. 1 vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten, vgl. Rn. 2687.
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1. Drittschuldnererklärung
Haftungsfalle „Vorpfändung“: Bei einer Zustellung nur einer Vorpfändung/vorläufigen Zahlungsverbotes gem. § 845, vgl. Rn. 299 ff., darf der Drittschuldner keine Drittschuldnererklärung abgeben, da die Vorpfändung lediglich eine Benachrichtigung des Drittschuldners durch den Gläubiger ohne Einbindung des Vollstreckungsgerichts und der formellen Voraussetzungen der Zustellung ist, BGH, Urt. v. 4.4.1977 – VIII ZR 217/75, NJW 1977, 1199.
Ein Gerichtsvollzieher kann – und nach Ansicht des Autors muss – daher den 2629 Antrag eines Pfändungsgläubigers, die Zustellung eines Vorläufigen Zahlungsverbotes, das die Aufforderung an den Drittschuldner zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung enthält, ablehnen. Richtig daher AG Calw, Beschl. v. 5.1.2021 – 9 M 2505/20, DGVZ 2021, 67 und AG Heilbronn, Beschl. v. 30.12.2016 – 11 M 10442/16, DGVZ 2017, 57.
Das gilt sogar dann, wenn der Gläubiger in dem vorgefertigten Schriftstück 2630 selbst in abgeschwächter Form mit Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage auf die in Beantwortung der Fragen für eine Drittschuldnererklärung hinweist. AG Heilbronn, Beschl. v. 14.4.2021 – 1 M 1317/21, DGVZ 2021, 146. Selbst wenn der Gläubiger statt des Wortes „Aufforderung“, das Wort „Ersuchen“ in Verbform verwendet und darauf hinweist, dass eine Rechtspflicht zur Beantwortung der Fragen erst mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entsteht, ist aus Sicht eines objektiven Betrachters bei verständiger Würdigung jedenfalls dies dann von nur untergeordneter Bedeutung, wenn – dem Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage deutlich vorangestellt – die Setzung einer – zu diesem Zeitpunkt gesetzlich nicht vorgesehenen(!) – Frist erfolgt und im Nachgang zum Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage, der Drittschuldner auch noch gebeten wird, „zur Vermeidung weiterer Kosten“, die besagten Fragen „unverzüglich“ zu beantworten.
Ein solches Ansinnen könnte sonst den Drittschuldner dazu verleiten, das 2631 Bankgeheimnis zu verletzten. Einen solch offensichtlich rechtswidrigen/rechtsmissbräuchlichen Versuch, sich im Wege der Gerichtsvollzieherzustellung Erklärungen von Drittschuldnerseite nach § 840 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 zu verschaffen, braucht – und nach Ansicht des Autors darf – der Gerichtsvollzieher nicht zu unterstützen und kann die Zustellung eines Schriftstückes mit einem solchen Inhalt gem. § 29 GVGA als offensichtlich rechtsmissbräuchlich ablehnen. Zumindest grenzwertig im Massengeschäft, bei dem leicht etwas übersehen werden kann, ist die Rechtsansicht, dass, soweit der Gläubiger die vom ihm selbst verfasste Vorpfändungsanzeige unzulässigerweise mit einer Auskunftsanforderung verbunden hat, der Gerichtsvollzieher gleichwohl die Zustellung nicht ablehnen darf und den Drittschuldner vielmehr auf die Unbeachtlichkeit des Auskunftsverlangens hinzuweisen hat (AG Bayreuth, Beschl. v. 9.11.2016 – 2 M 2168/16, juris Rn. 4). Denn der Hinweis wird auch
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung nur schriftlich erfolgen und ist im Massengeschäft leicht zu übersehen. Ein drittschuldnerisches Kreditinstitut muss sich darauf verlassen dürfen, dass kein vorläufiges Zahlungsverbot mit einer unzulässigen Aufforderung zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung verbunden ist. Ist der Hinweis hervorgehoben oder an „prominenter“, gleich ins Auge fallenden Stelle angebracht, mag das gerade noch zu akzeptieren sein. Praxistipp: Übersieht der Gerichtsvollzieher dies und stellt er eine solches vorläufiges Zahlungsverbot trotzdem zu, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut hier besondere Aufmerksamkeit walten lassen und seine Mitarbeiter dafür sensibilisieren, dass keine Drittschuldnererklärung abzugeben ist. Das Vorläufige Zahlungsverbot sollte dann zunächst trotzdem beachtet werden. Trotzdem kann sich empfehlen, Rechtsmittel einzulegen, um die Verfahrensweise und die Sicht des „eigenen“ Amtsgerichts für die Zukunft generell klären zu lassen. Drittschuldnerischen Kreditinstituten wird empfohlen, einen Brief an die zuständigen Gerichtsvollzieher-Verteilerstellen zu richten, wonach darum unter Verweis auf insbesondere die Entscheidungen der AG Heilbronn und Calw gebeten wird, solche Zustellungen nicht vorzunehmen.
b) Inhalt der Erklärung aa) Allgemeines 2632 Der Drittschuldner muss in der Erklärung Folgendes angeben (§ 840): x
Erstens, ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei;
x
Zweitens, ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen;
x
Drittens, ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei.
x
Viertens: ob innerhalb der letzten zwölf Monate im Hinblick auf das Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, nach § 907 die Unpfändbarkeit des Guthabens angeordnet worden ist.
x
Fünftens: ob es sich bei dem Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, um ein Pfändungsschutzkonto i. S. d. § 850k oder ein Gemeinschaftskonto i. S. d. § 850l handelt; bei einem Gemeinschaftskonto ist zugleich anzugeben, ob der Schuldner nur gemeinsam mit einer oder mehreren anderen Personen verfügungsbefugt ist.
2633 Zu Auskünften darüber hinaus darf das Kreditinstitut schon wegen des zu beachtenden Bankgeheimnisses grundsätzlich nicht bereit sein. Die Drittschuldnererklärung stellt im Übrigen weder ein konstitutives noch deklara-
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1. Drittschuldnererklärung
torisches Schuldanerkenntnis dar, sondern ist eine rein tatsächliche Auskunft (eine sog. Wissenserklärung). BGH, Urt. v. 10.10.1977 – VIII ZR 76/76, NJW 1978, 44; für die AO ausdrücklich in § 316 Abs. 1 Satz 2 geregelt.
Haftungsfalle: Schuldanerkenntnis Gibt der Drittschuldner dagegen eine weitergehende, nicht geschuldete Erklä- 2634 rung etwa dergestalt ab, dass er „monatlich 400 € an die Pfändungsgläubigerin entrichten werde“, kann dies als Schuldanerkenntnis bewertet werden. Es kommt also entscheidend auf den Wortlaut der Antwort des Drittschuldners an, die nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen sind. So das OLG München, Urt. v. 27.6.1974 – 24 U 756/74, NJW 1975, 174.
Insofern sollte man sich als Drittschuldner davor hüten, „verpflichtende“ 2635 Formulierungen zu verwenden, die über den Charakter einer rein tatsächlichen Auskunft über die Existenz und ggf. Fälligkeit der Forderung hinausgehen. Die Herausgabe von Urkunden und Belegen (vom Drittschuldner) kann der 2636 Pfändungsgläubiger nicht verlangen. Auch Nachweise über die berechtigte oder unberechtigte Einräumung von Freibeträgen nach § 850k auf einem P-Konto schuldet der Drittschuldner – wohl aber der Schuldner – nicht. Näheres dazu siehe Rn. 2663.
Muss der Drittschuldner allerdings seine Auskunft korrigieren, weil die ur- 2637 sprüngliche Auskunft falsch war, hat er ggf. die neuen, der ursprünglichen für den Gläubiger vorteilhafteren Auskunft nun entgegenstehenden Tatsachen zu „beweisen“. BGH, Urt. v. 10.10.1977 – VIII ZR 76/76, NJW 1978, 44. Der Drittschuldner kann – und muss, wenn sie falsch war – seine Erklärung insoweit widerrufen, z. B. wenn sich herausstellt, dass die gepfändete Forderung nicht besteht. Die Beweislast kehrt sich dann aber um. Denn, so der BGH, „ein Widerruf beseitigt nicht die Beweiskraft der [ursprünglichen] Erklärung des Drittschuldners. Dieser hat daher zu beweisen, dass die gepfändete Forderung nicht besteht oder mit Einwendungen bzw. Einreden behaftet ist“. Im Zuge dessen kann es dann auch sein, dass der Drittschuldner gezwungen ist, Urkunden oder Belege vorzulegen.
Die Drittschuldnererklärung muss vom Drittschuldner nur dann eigenhändig 2638 unterschrieben werden, wenn sie – was in der Praxis der absolute Ausnahmefall sein dürfte – direkt bei Zustellung gegenüber dem Gerichtsvollzieher erfolgt, § 840 Abs. 3 Satz 2. A. A. bzw. nicht differenzierend Meller-Hannich, in: Kindl/ Meller-Hannich, § 840 Rn. 18 und Günther, WM 2011, 2307. Wie der Autor, Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 840 Rn. 4.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2639 Der Gerichtsvollzieher hat nach § 121 Abs. 2 Satz 5 GVGA in die Zustellungsurkunde aufzunehmen, wenn der Drittschuldner keine Erklärung abgeben will oder die Unterschrift unter seine Erklärung verweigert. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 840 Rn. 11.
2640 Wird die Drittschuldnererklärung dagegen – wie regelmäßig – gegenüber dem Gläubiger abgegeben, muss sie nicht eigenhändig unterschrieben sein. Hier reicht ein „diese Drittschuldnererklärung wurde maschinell erstellt und ist auch ohne Unterschrift gültig“ oder „…und wird nicht unterschrieben.“ oder auch ein Faksimile bzw. eine Stempel-Unterschrift aus. bb) Zahlungsbereitschaft 2641 Grundsätzlich ist nicht vorgegeben, in welcher Art und Weise die Frage, ob und inwieweit das drittschuldnerische Kreditinstitut die Forderung als begründet anerkennt und Zahlung zu leisten bereit ist, beantwortet werden muss. 2642 Der Wortlaut des § 840 Abs. 1 Nr. 1 „inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne“ indiziert nicht, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut jede einzelne Produktart (Giro-, Spar-, Festgeldkonto, Depot) des Schuldners mit konkretem Kontostand angeben muss. Dagegen würde schon das Bankgeheimnis sprechen. 2643 Insofern sollte es ausreichend sein, in der Drittschuldnererklärung etwa sinngemäß anzugeben: Das/Die von der Pfändung betroffene(n) Konto/Konten wies(en) im Zeitpunkt der Pfändung F
kein pfändbares Guthaben aus.
oder F
Wir erkennen die Forderung als begründet an und sind – vorbehaltlich der weiteren Angaben zu eigenen vorrangigen Forderungen und vorrangigen Rechten bzw. Pfändungen Dritter – bereit, in Höhe des pfändbaren Teils des Guthabens, Zahlung zu leisten.
Die Tatsache, dass der Pfändungsgläubiger nur die Auskunft erhält, dass der Drittschuldner bereit ist, „in Höhe des pfändbaren Teils des Guthabens“ Zahlung zu leisten, ohne konkret die Höhe des Guthabens zum Zustellungszeitpunkt zu nennen, benachteiligt den Gläubiger nicht und enthält ihm auch keine notwendigen Auskünfte vor. Einmal abgesehen davon, dass auch nach Ansicht des BGH, BGH, Urt. v. 17.4.1984 – IX ZR 153/83, NJW 1984, 1901,
2644 Zweck des § 840 ist, den Drittschuldner zu Angaben zu veranlassen, die den Pfändungsgläubiger nur „in groben Zügen“ darüber informiert, ob die gepfändete Forderung als begründet anerkannt und erfüllt wird oder Dritten zusteht oder ob sie bestritten und deshalb nicht oder nur im Erkenntnis- und
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1. Drittschuldnererklärung
Vollstreckungsverfahren durchzusetzen ist, hätte der Pfändungsgläubiger von einer weitergehenden Auskunft auch nicht mehr Erkenntnis. Denn durch die zustellungszeitpunktbezogene Auskunft kann er sich nie darauf verlassen, dass er ein konkret angegebenes Guthaben tatsächlich nach Ablauf der Schutzfristen auch erhält. Weitergehende Angaben wie etwa die Antwort „Das Konto wies ein ausreichendes pfändbares Guthaben aus“ oder gar pro Konto den Kontostand anzugeben, bringt dem Drittschuldner insoweit keinen weiteren notwendigen Erkenntnisgewinn. Zudem darf nicht völlig ignoriert werden, dass etwa nur die weitergehende Antwort „ausreichendes Guthaben“ einen erheblichen Programmieraufwand bei den Rechenzentren der Kreditinstitute erfordern würde um den Kontostand automatisiert in der Drittschuldnererklärung andrucken zu können, was im Massengeschäft Pfändungsbearbeitung unerlässlich sein dürfte. Denn alleine diese Angabe würde jeweils einen IT-mäßigen Kontenabgleich erfordern, der nicht nur sehr aufwändig zu programmieren ist, sondern auch bei der Abfrage – dem Drittschuldner nicht unerhebliche im Zweifel und nicht ersetzbare – (IT-)Kosten auslösen würde. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass schon vermeintlich geringfügige Änderungen im System der Kontopfändung, wie seinerzeit eine Verlängerung des Moratoriums nach § 835 Abs. 4 Satz 1 a. F. (Monatsanfangsproblem), vgl. dazu Sudergat, 3. Aufl., Rn. 927, zu einem erheblichen Programmieraufwand in den ITSystem der Kreditinstitute führen kann. Der Gesetzgeber muss dies durch mindestens angemessene Übergangsregeln berücksichtigen und nicht wie der beispielsweise der BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZVI 2011, 450 = WM 2011, 2367, dazu WuB H. 1/2012 VI D. § 850k ZPO 1.12 (Sudergat); inhaltsgleich BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 74/10, BeckRS 2011, 27892 „meinen“, dass „nach der Einschätzung des Senats möglich ist, die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist.“ Dem ist leider nicht so: Die Auswirkungen dieses Beschlusses des BGH datentechnisch umzusetzen, sind so anspruchsvoll, dass einige SoftwareAnbieter auch mehrere Jahre später noch keine adäquate Lösung anbieten können, jedenfalls nicht zu verhältnismäßigen Kosten.
Die Erklärung, dass es die Forderung nicht anerkennt, z. B. weil er eine auf- 2645 rechenbare Gegenforderung hat, muss nicht begründet werden. BGH, Beschl. v. 13.12.2012 – IX ZR 97/12, ZIP 2013, 594.
Gleichwohl kann in diesen Fällen bzw. wenn der Drittschuldner nicht zur 2646 Zahlung bereit ist, dies aber (kurz), z. B. wie folgt, begründet werden. Formulierungen aus der Praxis: – Der Schuldner steht nicht mit uns in Geschäftsverbindung. – Der Schuldner steht nicht mehr mit uns in Geschäftsverbindung. – Der Schuldner ist nicht Gläubiger des gepfändeten Kontos/der gepfändeten Konten.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung Praxistipp: Ob ein Kreditinstitut auch die nachfolgende Erklärung gegenüber dem Pfändungsgläubiger abgeben will, um die Prozesse zu rationalisieren, kann nur jedes Haus für sich entscheiden: „Von einer Auskehrung eines Guthabens unter … €, (in der Praxis zumeist zwischen 5 € und 25 € vorkommend) sehen wir – auch in Ihrem Interesse – angesichts der geringen Höhe generell ab“. Klar ist, dass dafür keine Rechtsgrundlage besteht, denn schließlich könnte der Schuldner – ohne Kontopfändung – selbstverständlich auch über geringste Guthaben verfügen. Dieser Auszahlungsanspruch (einschließlich des letzten Cents) steht mit der Pfändung (und Überweisung) dem Gläubiger zu. Gleichwohl macht aber die Verbuchung solcher Bagatellbeträge – und es gibt Institute, die auch höhere Beträge als 25 € noch als einen solchen ansehen – sowohl beim Drittschuldner als auch beim Pfändungsgläubiger mehr Arbeit und verursacht dadurch mehr Kosten, als die Gutschrift bringt. Dass der Gläubiger vielfach darauf keinen Anspruch erhebt, ist eine „ökonomische Praxiserfahrung“. Sinnvoll kann es aber sein, solche Beträge nicht auf dem Kundenkonto zu belassen, sondern ggf. auf ein separates internes Konto des Kreditinstitutes zu „parken“, weil ansonsten der Schuldner ggf. Beträge auf seinem Konto ausgewiesen sieht, über die er aber nicht verfügen kann. Das provoziert Nachfragen und damit Aufwand.
cc) Ansprüche anderer Personen 2647 Dies können Rechte sein, die sich beispielsweise auf eine Abtretung/Verpfändung oder Forderungsübergang kraft Gesetzes stützen. Die Angaben in der Drittschuldnererklärung sollten so konkret wie möglich sein, damit der pfändende Gläubiger feststellen kann, ob die behaupteten Rechte bestehen und seiner Pfändung im Range vorgehen. Namen und Anschriften derjenigen Personen, die Rechte an der gepfändeten Forderung geltend machen, sind daher vom Drittschuldner anzugeben. vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.297 unter Verweis auf das LAG Hannover, Urt. v. 28.11.1973 – 3 Sa 384/73, NJW 1974, 768.
Ggf. sind auch Angaben zum Anspruchsgrund und zur Höhe des Anspruchs des Dritten zu machen, soweit sie dem drittschuldnerische Kreditinstitut zur Verfügung stehen. Der Drittschuldner hat dies selbst dann anzugeben, wenn diese Rechte ggf. streitig oder „konstruiert“ sind (Abtretung zugunsten von Angehörigen). Stöber/Rellermeyer, Rn. B.297 weist im Übrigen zu Recht darauf hin, dass nach § 840 Abs. 1 Nr. 2 Abtretungen oder auch Verpfändungen etc., die zwischen Pfändungszustellung und Auskunftserteilung dem drittschuldnerische Kreditinstitut noch bekannt werden, in der Drittschuldnererklärung angegeben werden müssen, da nur die Nr. 3, nicht aber auch Nr. 2 des § 840 Abs. 1 die Auskunft auf bereits bestehende Ansprüche Dritter beschränkt.
720
1. Drittschuldnererklärung
Eigene vorrangige Forderungen des Drittschuldners teilt dieser mit. Ob dies mit 2648 oder ohne Betragsangabe geschieht, gilt es abzuwägen. Grundsätzlich wird im Hinblick auf das Bankgeheimnis empfohlen, einen Betrag nur anzugeben (und auch nur bis zur Höhe des gepfändeten Guthabens), wenn die eigene Forderung des Drittschuldners den Pfändungsbetrag unterschreitet. Hadatsch/Wagner, Kap. 4, S. 28.
Beispiel: Gepfändetes Guthaben (= Pfändung wegen):
5.000 €
Eigene vorrangige Forderungen:
2.000 €
Text in Drittschuldnererklärung: „Wir haben eigene vorrangige Forderungen i. H. v. 2.000 €.“ Ansonsten: „Wir haben eigene, vorrangige, das gepfändete Guthaben (ggf.: ‚um ein Vielfaches‘) übersteigende Forderungen.“ Hier besteht nicht die Gefahr, dass der Gläubiger mit Erfolg einwenden kann, dass ein nur ganz geringfügiges derzeitiges Übersteigen ihm als wichtige Information vorenthalten bliebe. Dies eröffnet dem Gläubiger – weil es ein allgemeines Problem des Gläubigers ist, mit der Drittschuldnererklärung nur eine auf einen konkreten Zeitpunkt bezogene Information zu erhalten (Wissenserklärung zum Zeitpunkt der Angabe der Drittschuldnererklärung) – keinen Anspruch, auf Nennung eines konkreten Betrages. Soweit Gläubiger auf das LAG Hannover, Urt. v. 28.11.1973 – 3 Sa 384/73, NJW 1974, 768, verweisen und konkrete(re) Angaben verlangen, kann darauf verwiesen werden, dass sich die Entscheidung lediglich auf vorrangige Forderungen Dritter, nicht aber eigene vorrangige Forderungen bezog. Im Übrigen kann auf OLG München, Urt. v. 27.6.1974 – 24 U 756/74, unter 2 a), NJW 1975, 174, verwiesen werden, das es für ausreichend erachtet, wenn die Drittschuldnerin angibt, eigene vorrangige, die Forderung übersteigende Forderungen zu haben.
dd) Vorrangige Ansprüche Dritter Vorrangige Ansprüche Dritter, also vorrangige Pfändungen Dritter, sind in der 2649 Drittschuldnererklärung anzugeben. Dazu gehören auch Vorpfändungen, Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 840 Rn. 14.
Die Angaben müssen dabei so ausreichend sein, dass der nachrangige (neue) 2650 Pfändungsgläubiger im Zweifel aufgrund der Auskunft vor allem in der Lage ist, festzustellen, ob die vom Drittschuldner behaupteten vorrangigen Pfändungen seiner Pfändung im Range vorgehen und ob bzw. wann vermutlich etwaige Pfändungen bereits erfüllt sein können. LAG Hannover, Urt. v. 28.11.1973 – 3 Sa 384/73, NJW 1974, 768.
721
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2651 Daher sind anzugeben: x
Namen und Anschriften der Vorranggläubiger,
x
Pfändungsbetrag,
x
Zustellungsdatum,
x
das erlassende Gericht bzw. die Vollstreckungsbehörde. Praxistipp: Da der (neue) Pfändungsgläubiger im Zweifel jede einzelne vorrangige Pfändung anhand der Angaben prüfen können muss, kann es rechtlich problematisch sein, nach der häufig in der Praxis vorzufindenden Weise zu verfahren, und bei mehreren vorrangigen Pfändungsgläubigern lediglich die Anzahl und die Gesamtsumme oder nur „allgemeine“ Angaben in der Weise zu machen: „Es liegen diverse vorrangige Pfändungen vor.“ Verfügt man nicht über eine Software zur Pfändungsbearbeitung, die die eigentlich erforderlichen Angaben zu den vorrangigen Pfändungen unproblematisch ausgeben kann, scheint das allerdings zunächst vertretbar und einen Versuch wert. Fragt der (neue) Pfändungsgläubiger dann allerdings nochmals konkret nach, sollte detailliert Auskunft erteilt werden.
2652 Erledigt sich eine vorrangige Pfändung, bedarf es keiner ergänzenden Drittschuldnererklärung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes, um auf diesen Wegfall eines vorrangigen Gläubigers hinzuweisen. Auf den Umstand, dass ein Pfändungsgläubiger die Pfändung für erledigt erklärt hat, ist ebenfalls nicht hinzuweisen. ee) Weitergehende Drittschuldnererklärung für P-Konto und Gemeinschaftskonto 2653 Die Erklärungspflicht wurde mit dem PKoFoG in § 840 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 nochmals erweitert. In der Reform 2010 wurden bereits die Nr. 4 und Nr. 5 hinzugefügt; inhaltsgleiche Ergänzung gab es in § 316 AO Abs. 1 Nr. 4 und 5. Durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (ERVGerFöG) v. 5.10.2021, vgl. BGBl I, 4607, sind seit 1.1.2022 nochmals Änderungen erfolgt, die die nun möglich elektronische Zustellung berücksichtigen.
2654 So wurde bezüglich der Aufforderung in Abs. 1 Nr. 4, zu erklären, ob innerhalb der letzten zwölf Monate im Hinblick auf das Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, nach § 907 die Unpfändbarkeit des Guthabens festgesetzt worden ist, der Verweis auf § 907 geändert (da § 850l in § 907 aufgegangen ist) und das vormalige Wort „angeordnet“ durch „festgesetzt“ ersetzt. Die Verwendung des Begriffes „festgesetzt“ statt „angeordnet“ entspricht laut Gesetzgeber dabei der nunmehr eingeführten einheitlichen Terminologie hinsichtlich der Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts, vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 27.
722
1. Drittschuldnererklärung
(1) Auskunft über eine befristete Unpfändbarkeit nach § 907 Gemäß Abs. 1 Nr. 4 muss in der Drittschuldnererklärung zunächst angegeben 2655 werden, wenn innerhalb der letzten zwölf Monate im Hinblick auf das Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, die befristete Unpfändbarkeit des Guthabens angeordnet worden ist. Damit sollen Vollstreckungsgläubiger in einem unaufwändigen Verfahren 2656 über die Erfolglosigkeit ihres Vollstreckungsversuchs informiert werden. Der Vollstreckungsgläubiger kann mit dieser Information auch entscheiden, ob es für ihn Sinn macht, einen Gegenantrag nach § 907 Abs. 2 Satz 1 zu stellen, ebenso Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 16.
Nicht anzugeben ist, welches Vollstreckungsgericht die Anordnung erlassen 2657 hat, da hier nach dem Wortlaut nur anzugeben ist, ob die befristete Unpfändbarkeit festgesetzt wurde. Zu Recht weist allerdings Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 17, darauf hin, dass es dem Sinn der Erklärungspflicht nicht gerecht würde, wenn unerwähnt bliebe, ob die Freistellung zwischenzeitlich aufgehoben ist. Ziel der Information ist es nicht, zu wissen ob eine Freistellung (irgendwann einmal) festgesetzt wurde, sondern ob eine Freistellung (noch) besteht.
Damit geht es auch nicht darum, anzugeben, ob irgendwann jemals eine be- 2658 fristete Unpfändbarkeit festgesetzt wurde. Die diesbezügliche Erklärungspflicht erstreckt sich nur auf die letzten zwölf Monate; zurückliegende Freistellungen, die zu Zeitpunkt der Abgabe der Drittschuldnererklärung nicht mehr bestehen, sind damit irrelevant und nicht anzugeben. Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 17.
(2) Auskunft über ein P-Konto und Gemeinschaftskonto Zum anderen muss der Drittschuldner gem. § 840 Abs. 1 Nr. 5 mitteilen, ob 2659 es sich ob es sich bei dem Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, um ein Pfändungsschutzkonto handelt und, das ist durch das PKoFoG neu hinzugekommen, oder ob es sich um eine Gemeinschaftskonto handelt und wenn ja, ob der Schuldner nur gemeinsam mit einer oder mehreren anderen Personen verfügungsbefugt ist. Das Wort „oder“ ist nicht wörtlich zu nehmen. Es kann durchaus sein, dass der Schuldner sowohl ein P-Konto als auch ein Gemeinschaftskonto unterhält. In diesem Fall sind beide Alternativen der Nr. 5 anzugeben („hat ein P-Konto und ein Gemeinschaftskonto“), vgl. Rn. 2673.
Das Kreditinstitut muss dabei das P-Konto nicht exakt, also unter Nennung 2660 der Kontonummer, angeben. Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 20. A. A. Goebel, Rn. 192, der vermutlich verkennt, dass mehrere P-Konten für
723
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung dieselbe Person im selben Kreditinstitut schon aufgrund ITtechnischer Vorkehrungen normalerweise nicht vorkommen. Im Rahmen einer Fusion von zwei Kreditinstituten mag es in seltenen Fällen vorkommen können, dass ein Kunde bei beiden Kreditinstituten je ein P-Konto unterhält, aber spätestens bei der technischen Zusammenlegung der Kontenkreise wird das auffallen.
2661 Für den gesetzgeberisch gewollten Zweck (Missbrauchsprävention) reicht es aus, anzugeben, dass ein P-Konto geführt wird. Weitere Angaben sind grundsätzlich nicht erforderlich.
2662 Stellt der Gläubiger durch die Drittschuldnererklärungen verschiedener Kreditinstitute fest, dass vom Schuldner mehrere P-Konten unterhalten werden, reicht die Angabe nur der P-Kontoeigenschaft (ohne Kontonummer) ebenfalls aus, um den Antrag nach § 850k Abs. 4 Satz 1 zu stellen. Selbst für den anschließenden gerichtlichen Beschluss reicht es zur Individualisierung aus, festzulegen, dass das „bei der B-Bank geführte P-Konto als alleiniges P-Konto weitergeführt wird“. Auch hier wäre eine Angabe der Kontonummer nicht zwingend, denn es nicht anzunehmen, dass eine weiteres (drittes) P-Konto beim selben Kreditinstitut geführt wird.
2663 Das Kreditinstitut ist dem Pfändungsgläubiger nicht zur Rechenschaft über die Berechnung des Pfändungsfreibetrages verpflichtet. Auch muss es ihm nicht etwa die Bescheinigungen vorlegen, aufgrund derer es den Pfändungsfreibetrag erhöht hat. So auch Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 5.8.1.
Dies ergibt sich daraus, dass ja schon der Auskunftsanspruch nicht einklagbar ist. Siehe Rn. 2684.
2664 Auch den unpfändbaren Betrag nennen oder erläutern, wäre nicht zulässig und verstieße gegen das Bankgeheimnis, zumal es dem Gläubiger Rückschlüsse liefern könnte, auch wenn nur der Freibetrag genannt würde. 2665 Erst recht kann es dann keine gesetzliche Pflicht geben, die Gewährung eines (erhöhten) Pfändungsfreibetrages nachweisen zu müssen. Der Gläubiger hat aber die Möglichkeit, die Bescheinigungen über eine Anordnung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 vom Schuldner zu erlangen. BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, ZIP 2013, 902. Auch die in § 850k Abs. 5 Satz 2 a. F. (nun in § 903) genannten, beim Schuldner vorhandenen Bescheinigungen z. B. einer Schuldnerberatungsstelle gehören nach Ansicht des BGH zu denjenigen Urkunden, die zur Ermittlung oder zum Nachweis der Forderungshöhe dienen (ebenso wie die laufenden Lohnabrechnungen, regelmäßig die letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, BGH, Beschl. v. 20.12.2006 – VII ZB 58/06, NJW 2007, 606, Bescheide über öffentlich-rechtliche Leistungen und Rentenbescheide).
724
1. Drittschuldnererklärung
Der BGH geht davon aus, dass es für den Gläubiger ausreichend ist, wenn der 2666 Schuldner seine Herausgabeverpflichtung durch die Übergabe von Kopien erfüllt. Da § 903 nicht vorgibt, welche Urkunden als Nachweis vorzulegen sind und es daher letztlich dem Schuldner überlassen bleibt, welche Unterlagen er zum Nachweis dem Drittschuldner konkret vorlegt, hat auch der BGH klargestellt, dass eine den Vollstreckungszugriff ermöglichende genaue Bezeichnung i. S. v. § 836 Abs. 3 Satz 5 nicht notwendig ist. Der Gläubiger hat insofern ein berechtigtes Interesse an einer Herausgabeanordnung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, die eine Bestimmung durch den Schuldner ermöglicht. BGH, Beschl. v. 28.6.2006 – VII ZB 142/05, NJW-RR 2006, 1576.
Durch die Bezugnahme auf die nach § 903 (§ 850k Abs. 5 Satz 2 a. F.) dem 2667 drittschuldnerischen Kreditinstitut vorzulegenden Urkunden wird die Herausgabepflicht des Schuldners klargestellt. Der BGH hat damit auch die Argumentation der Vorinstanz, LG Koblenz, Beschl. v. 20.9.2010 – 2 T 499/10, ZVI 2011, 258, das die Anordnung der Herausgabe abgelehnt hat, weil Unterlagen i. S. d. § 850k Abs. 5 Satz 2 a. F. erst entstehen, ab dem Moment, ab dem der Schuldner „nicht mehr über sie verfügt, weil er sie zum Nachweis dem Drittschuldner vorgelegt hat“, verworfen. Nach Ansicht des LG Koblenz hätte der Schuldner vor der Vorlage an den Drittschuldner gar nicht zur Herausgabe von Unterlagen nach § 850k Abs. 5 Satz 2 a. F. verpflichtet werden können, weil sie mit dieser Eigenschaft zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existieren. Beachte auch LG Dresden, Beschl. v. 15.5.2009 – 2 T 310/09, JurBüro 2009, 608, zur Herausgabepflicht eines Leistungsbescheides der Sozialverwaltung i. R. d. § 83 SGB XII als unselbstständiges Nebenrecht.
Eine diesbezügliche Auskunftspflicht des drittschuldnerischen Kreditinstitutes 2668 besteht auch nicht gegenüber Finanzämtern. § 316 AO regelt die Auskunftspflicht hinsichtlich Pfändungsverfügungen ebenfalls abschließend, siehe aber Rn. 2685. Soweit Finanzämter in der Praxis aber immer wieder versuchen, weitere Infor- 2669 mationen durch die Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 97 AO (Auskunftspflicht zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes sowie in diesem Zusammenhang Vorlage von Unterlagen zur Einsicht und Prüfung) zu erhalten, dürfte es Kreditinstituten schwerfallen, sich dagegen erfolgreich wehren. Zwar ist die Stoßrichtung der §§ 93 ff. AO, die Besteuerungsgrundlagen eines für die künftige Besteuerung erheblichen Sachverhaltes festzustellen; die im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus der P-Kontobescheinigung zu erhaltenden Informationen dagegen sind eher geeignet wegen bereits festgestellter Steuerforderungen Aufklärung zu schaffen. So auch die Argumentation in Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), 2. Aufl., Ziff. III. 8, der deshalb eine Auskunftspflicht verneint.
725
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2670 Der BFH sieht das offensichtlich anders. BFH, Urt. v. 22.2.2000 – VII R 73/98, NJW 2001, 245.
Danach spiele es für die Anwendung der Regelung des § 93 Abs. 1 AO keine Rolle, ob das Auskunftsersuchen im Festsetzungs-, Erhebungs- oder Vollstreckungsverfahren ergeht. 2671 Das Kreditinstitut wäre im Übrigen berechtigt, nicht aber verpflichtet, den Schuldner über ein solches Auskunftsersuchen zu unterrichten. Ehlenz/Diefenbach, Rn. 155.
(3) Auskunft über ein Gemeinschaftskonto 2672 In § 840 Abs. 1 Nr. 5 kommt neben der Pflicht anzugeben, ob es sich bei dem Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, um ein Pfändungsschutzkonto i. S. d. § 850k handelt, die durch das PKoFoG implementierte Verpflichtung hinzu, nun auch angeben zu müssen, ob es sich statt („oder“) eines P-Kontos, um ein Gemeinschaftskonto i. S. d. § 850l handelt. Gemeint sind bei § 840 Abs. 1 Nr. 5 aber nur gemeinschaftliche Zahlungskonten, nicht andere gemeinschaftliche Konten, wie Sparkonten, da die Guthaben dieser Konten weiterhin nicht durch § 850l der Verstrickung und dem Pfändungspfandrecht entzogen werden können. Soweit aber andere Gemeinschaftskonten, z. B. Sparkonten, mit nur gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis bestehen, kann in der Drittschuldnererklärung auf angegeben werden, dass diese Konten mehreren gemeinschaftlich zustehen und zur Einziehung die Zustimmung aller Gemeinschaftskonto-Inhaber nachzuweisen ist.
2673 Der Gesetzgeber geht im Rahmen des § 840 Abs. 1 Nr. 5 wohl irrigerweise davon aus, dass es sich nur entweder um ein P-Konto „oder“ um ein Gemeinschaftskonto handeln kann, dass also das eine das andere ausschließt. 2674 Das aber ist nicht zwingend der Fall, denn es wird Schuldner geben, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Auskunft sowohl über ein Gemeinschaftskonto als auch ein – schon existierendes – P-Konto verfügen. Beispiel: Schuldner S, unterhält bei Kreditinstitut K ein P-Einzelkonto auf seinen Namen als auch ein Oder-Gemeinschaftskonto zusammen mit seiner Frau. Bei Pfändungseingang, werden beide Konten von der Pfändung erfasst. In der Drittschuldnererklärung muss K – entgegen dem Wortlaut des § 840 Abs. 1 Nr. 5 – nun angeben, dass S über ein P-Konto U N D über ein Gemeinschaftskonto verfügt. 2675 Der Gesetzgeber ging offensichtlich davon aus, dass bei Pfändungseingang regelmäßig noch kein P-Konto des Schuldners besteht. Das mag bei ErstPfändung zutreffend sein, trotzdem kommen andere Konstellationen vor. Dass ein P-Konto nicht gleichzeitig ein Gemeinschaftskonto sein kann, ist allerdings richtig, vgl. Rn. 1318.
726
1. Drittschuldnererklärung
Aber auch nach Zustellung der Pfändung ist eine Parallelität von Gemein- 2676 schaftskonto und P-Einzelkonto noch weiter möglich und denkbar, innerhalb des Monats-Moratorium des § 850l Abs. 1 ohnehin. Aber auch danach ist nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner das Gemein- 2677 schaftskonto – trotz doppelt anfallender Kontoführungsentgelte für das Gemeinschaftskonto und das P-Einzel-Konto – zumindest für einen gewissen Zeitraum weiter unterhält. Vielleicht ist ihm nur dadurch verlässlich möglich festzustellen, welche Abbuchungen von Zahlungsgläubigern noch existieren, die er anschließend über die neue Kontonummer informieren muss. Zu vermuten ist daher, dass die Formulierung der Nr. 5 lediglich nachlässigerweise vom Gesetzgeber so formuliert wurde, orientiert an der Formulierung der Nr. 4, bei der es tatsächlich so ist, dass es sich nur um ein Konto handeln kann, bei dem die befristete Unpfändbarkeit festgesetzt wurde. Denn anders als bei der Nr. 5 ist dies tatsächlich nur bei einem Konto möglich, nämlich einem P-Konto, § 907 Abs. 1 Satz 1, welches ein Schuldner nur einfach, nicht mehrfach unterhalten darf, § 850k Abs. 3 Satz 1. Selbst wenn er unzulässigerweise mehrere P-Konten unterhalten würde und der Sanktionsmechanismus des § 850k Abs. 4 – z. B. mangels Antrages – noch nicht angeschoben wäre, würde selbstverständlich ein Vollstreckungsgericht – wenn in diesem Falle überhaupt noch die Voraussetzungen gegeben wären – die befristete Unpfändbarkeit nur bei einem P-Konto festsetzen.
Handelt es sich um ein Gemeinschaftskonto, das gepfändet wird, dann ist 2678 ergänzend anzugeben, ob der Schuldner nur gemeinsam mit einer oder mehreren anderen Personen verfügungsbefugt ist (Und-Konto). Dieses sog. Und-Konto, vgl. Rn. 657, wird in der Praxis relativ selten vorkommen, schon deshalb, weil eine nur gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis aller Gemeinschaftskonto-Mitinhaber im Alltag umständlich ist, zumal dann auch für eine wirksame Pfändung eines Und-Kontos ein PfÜb gegen alle Gemeinschaftskonto-Inhaber vorliegen muss.
Daher: Auch wenn die erfolgreiche Pfändung des Guthabens eines Und- Ge- 2679 meinschaftskontos in der Praxis relativ selten sein dürfte, schreibt § 840 Abs. 1 Nr. 5 trotzdem vor, eine entsprechende Drittschuldnererklärung abzugeben. Damit wird das Bankgeheimnis weiter eingeschränkt. Das drittschuldnerische Kreditinstitut muss somit über einen Anspruch Auskunft erteilen, der im Zweifel gar nicht ordnungsgemäß gepfändet wurde. Der Wortlaut „dessen Guthaben gepfändet worden ist,…“ bedeutet also im Rahmen des § 840 nur, dass ein Gemeinschaftskonto gepfändet worden, nicht aber auch von der Pfändung wirksam erfasst sein muss. Dahinter steckt der Wille des Gesetzgebers, den Gläubiger in die Lage zu 2680 versetzen, Besonderheiten im Zusammenhang mit der Pfändung von Guthaben auf einem Gemeinschaftskonto zu berücksichtigen und seine Entscheidung über Maßnahmen der Zwangsvollstreckung entsprechend anzupassen. Vgl. Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 28.
727
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2681 Konkret bedeutet das, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut zusätzlich nur anzugeben hat, ob es sich um ein Und-Gemeinschaftskonto handelt. Der Wortlaut spricht nur von der Angabe „ob der Schuldner nur gemeinsam mit einer oder mehreren anderen Personen verfügungsbefugt“ ist. Wenn es sich um ein Oder-Gemeinschaftskonto handelt, bei dem der Schuldner Gesamtgläubiger ist und damit ohne Zustimmung der Mitkontoinhaber über das Guthaben verfügen kann, braucht das drittschuldnerische Kreditinstitut das daher nicht anzugeben. 2682 Der Gläubiger kann dann trotzdem – durch die fehlende Angabe, dass es sich um ein Gemeinschaftskonto, bei dem der Schuldner nur gemeinsam mit anderen verfügungsbefugt ist – rückschließen, dass es sich um ein OderGemeinschaftskonto handelt. Drittschuldnerische Kreditinstitut sollten sich trotzdem am engen Wortlaut des § 840 Abs. 1 Nr. 5 zweiter Teilsatz orientierten und nicht positiv anzugeben, ob es sich um ein Oder-Gemeinschaftskonto handelt.
2683 Definitiv nicht angegeben werden darf, weil im Rahmen des § 840 Nr. 5 nicht erfragt, mit wie vielen Kontomitinhabern der Schuldner zusammen über das Und-Gemeinschaftskonto verfügen kann und schon gar nicht, wer die anderen Mitkontoinhaber sind. Das gibt die Norm des § 840 Abs. 1 Nr. 5 nicht her; auch hier gilt dann der Grundsatz, was nicht im Rahmen des § 840 gefragt ist, darf auch nicht beantwortet und damit preisgegeben werden (Bankgeheimnis!). 2. Kein einklagbarer Anspruch auf Auskunftserteilung 2684 Der Pfändungsgläubiger kann die Abgabe der Drittschuldnererklärung nicht einklagen. BGH, Urt. v. 17.4.1984 – IX ZR 153/83, ZIP 1984, 751 = NJW 1984, 1901.
Mit anderen Worten gibt es in der ZPO eine Pflicht zur Erklärung, aber kein unmittelbares Recht sie durchzusetzen. 2685 Ausnahme in der AO: Die Finanzämter können nach § 316 Abs. 2 AO Zwangsgelder zur Durchsetzung der Abgabe der Drittschuldnererklärung verhängen. Ebenso ist es in den meisten Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder durch eine entsprechende Vorschrift bzw. über den Verweis auf die AO. So z. B. in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nds. VwVG oder § 45 Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW oder Art. 26. Abs. 7 des bay. VwZVG (Verweis auf ZPO) oder § 22 Abs. 1 Nr. 3VwVGBbg (Verweis auf AO).
3. Zeitpunkt und Frist zur Abgabe der Erklärung 2686 § 840 macht auch formale Vorgaben für die Abgabe der Drittschuldnererklärung.
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3. Zeitpunkt und Frist zur Abgabe der Erklärung
a) Zwei-Wochen-Frist Die Erklärung muss innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beim Pfändungsgläu- 2687 biger eingegangen sein. BGH, Urt. v. 28.1.1981 – VIII ZR 1/80, NJW 1981, 990, 991 = ZIP 1981, 207; a. A. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.289, der meint, die 14 Tage stünden dem Drittschuldner vollständig als „Überlegungsfrist“ zu. Dem ist zu widersprechen, denn es handelt sich um eine Erklärungs-, keine Überlegensfrist, so auch zu Recht, Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 10.
Eine Fristverlängerung könnte daher allein der Pfändungsgläubiger bewilligen.
2688
Die Einhaltung der Frist muss der Drittschuldner bedarfsweise beweisen, Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 10.
Die Frist beginnt mit Zustellung des Auskunftsverlangens.
2689
Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 17.
Das muss nicht zwingend mit der Zustellung der Kontopfändung zusammenfallen, wenn, was möglich ist, das Auskunftsverlangen erst zeitlich später erfolgt. Aus arbeitsökonomischen Gründen wird es sich empfehlen, wenn, was in der 2690 Praxis auch der Regelfall ist, das Auskunftsverlangen gleichzeitig mit der Kontopfändung zugestellt wird, die Erklärung sogleich i. R. d. Pfändungsbearbeitung bei Eingang der Pfändung abzugeben (siehe auch Rn. 2628). Durch entsprechende Vorbehalte z. B hinsichtlich Guthaben-Entwicklung und Pfändungsschutz kann gewährleistet werden, dass der Gläubiger darüber informiert ist, dass die mit der Drittschuldnererklärung abgegebene Wissenserklärung sich auf den Zeitpunkt der Abgabe bezieht und Änderungen möglich sind. Mögliche Formulierungen: – „Das von der Pfändung betroffene Zahlungs-/Giro-Konto mit der Nr. … wies zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung ein ausreichendes Guthaben aus. – Der Schuldner ist eine natürliche Person. Insofern sind die §§ 835, 900 zu beachten. – Gepfändetes Guthaben werden wir vorbehaltlich vorrangiger Rechte und abzüglich uns eventuell jetzt noch nicht bekannter, vorrangiger Verfügungen an Sie abführen.“
Erfolgt eine Einigung zwischen Pfändungsgläubiger und Schuldner und hebt 2691 der Pfändungsgläubiger die Pfändung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist anschließend – noch bevor der Drittschuldner die Erklärung abgegeben hat – auf, braucht diese nicht mehr abgegeben werden. In diesem Fall ist die Pfändung
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
nicht mehr wirksam, sodass es an dieser Grundvoraussetzung für die Erklärungspflicht i. R. d. § 840 fehlt. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 840 Rn. 5.
2692 In der Praxis dürfte die Pflicht zur Abgabe auch dann entfallen, wenn die Pfändungsforderung – bei natürlichen Personen wegen § 835 Abs. 3 Satz 2 und § 900 bzw. § 314 Abs. 3 und 4 AO nur mit Zustimmung oder auf Weisung des Kunden – innerhalb der Zwei-Wochen-Frist durch vollständige Zahlung erfüllt wurde. b) Folgen nicht rechtzeitiger Abgabe/Nicht-Abgabe 2693 In der Praxis mahnen Anwälte die nicht rechtzeitige Abgabe der Drittschuldnererklärung manchmal an und verlangen dafür (zusätzliche) Kosten. Die für ein solches, weiteres Aufforderungsschreiben entstandenen Anwaltskosten können nicht erhoben werden und sind daher nicht zu erstatten. BGH, Urt. v. 4.5.2006 – IX ZR 189/04, ZIP 2006, 442 = ZVI 2006, 442 = WM 2006, 1341.
Haftungsfalle: Zahlungsaufforderung 2694 Der Drittschuldner haftet dem Gläubiger nach § 840 Abs. 2 Satz 2 aber für die Kosten einer außergerichtlichen anwaltlichen Aufforderung zur Zahlung der gepfändeten Forderung. OLG Dresden, Urt. v. 1.12.2010, 1 U 475/10, ZVI 2011, 174. LG Stuttgart, Urt. v. 25.3.2015 – 13 S 66/14, BeckRS 2015, 128944, das allerdings richtigerweise entschieden hat, dass eine Kostenhaftung des drittschuldnerische Kreditinstitut nur in Betracht kommt, wenn die Hauptforderung nicht durchsetzbar ist und sich das aus der richtig und rechtzeitig abgegebenen Drittschuldnererklärung ergeben hätte. Ebenso AG Wuppertal, Urt. v. 28.11.2012 – 36 C 256/12 JurBüro 2013, 105.
2695 Insoweit ist diese Zahlungsaufforderung als Vorstufe der gerichtlichen Geltendmachung des Zahlungsanspruchs von der wiederholten Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung zu unterscheiden. 2696 Unterlässt es der Drittschuldner aber die in § 840 Abs. 1, § 316 Abs. 1 AO geforderten Angaben zu machen oder sie rechtzeitig zu machen, so darf der Pfändungsgläubiger von der Beitreibbarkeit des (gesamten) gepfändeten Anspruchs ausgehen und kann diesen grundsätzlich ohne Kostenrisiko einklagen. BGH, Urt. v. 17.4.1984 – IX ZR 153/83, ZIP 1984, 751 = NJW 1984, 1901.
2697 Erklärt der Drittschuldner dann (erst) in diesem Verfahren, dass die geltend gemachte Forderung nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist, kann der Pfändungsgläubiger im selben Prozess auf die Schadensersatzklage übergehen 730
4. Wiederholte Drittschuldnererklärung
und erreichen, dass aufgrund des § 840 Abs. 2 Satz 2 der Drittschuldner verurteilt wird, die bisher entstandenen Kosten, in vollem Umfang zu erstatten. BGH, Urt. v. 28.1.1981 – VIII ZR 1/80, NJW 1981, 990, 991 = ZIP 1981, 207. Da sich die Kosten nach dem Streitwert (der gepfändeten Forderung) bemessen, kann dies ein erhebliches Schadenspotenzial bergen. Der Anspruch des Pfändungsgläubigers auf Schadensersatz gem. § 840 Abs. 2 Satz 2 umfasst dann auch die Kosten der Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten zu Eintreibung der gepfändeten Forderung, ArbG Münster, Urt. v. 14.7.2020 – 4 Ca 1390/19, BeckRS 2020, 52696.
Die zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung nötige Auskunft hat dem 2698 Pfändungsgläubiger der Schuldner zu erteilen und ihm auch die Urkunden über die Forderung herauszugeben (§ 836 Abs. 3), vgl. auch Rn. 2663. Da der Gläubiger also Klage auf Zahlung des vollen gepfändeten Betrags (nicht 2699 auf Auskunft!) gegen den Drittschuldner erheben kann (sog. „Drittschuldnerklage“), wird selbstverständlich empfohlen, die Erklärung vollständig und rechtzeitig abzugeben. Die Festsetzungsfähigkeit der durch den Drittschuldnerprozess angefallenen Kosten erfordert keinen Nachweis des Gläubigers über einen erfolglosen Vollstreckungsversuch gegenüber dem Drittschuldner, BGH, Beschl. v. 3.4.2019 – VII ZB 58/18; der Gläubiger kann die Kosten also sofort auch gegen den Schuldner im Rahmen des § § 788 Abs. 1 festsetzen lassen: Fischer weist in seiner Anm. zu dieser Entscheidung in LMK 2019, 417181 allerdings zu Recht darauf hin, dass diese Entscheidung keine Klarstellung zu BGH NJW 2010, 1674 und NJW 2006, 1141 ist, sondern eine Änderung.
Auch eine unrichtige oder irreführende Erklärung kann zu einer Schadens- 2700 ersatzpflicht führen. Voraussetzung ist aber, dass der Drittschuldner i. S. d. § 276 BGB „schuldhaft“ gehandelt hat. Verschulden liegt z. B. vor, wenn der Drittschuldner nicht mit der gebotenen Sorgfalt prüft, wem die gepfändete Forderung zusteht. BGH, Urt. v. 13.10.1982 – VIII ZR 260/81, ZIP 1982, 1482.
4. Wiederholte Drittschuldnererklärung Hat der Drittschuldner die Erklärung richtig, vollständig und rechtzeitig ab- 2701 gegeben, hat der Pfändungsgläubiger auch dann keinen Anspruch auf eine ergänzende Auskunft (Drittschuldnerklage), wenn sich neu eingetretene Umstände ergeben haben. BGH, Urt. v. 1.12.1982 – VIII ZR 279/81, ZIP 1983, 34 = NJW 1983, 687.
Abzulehnen ist aber die Ansicht von Hadatsch, wonach, wenn nach der Lage 2702 der Dinge die Auskunftstatsachen von später eintretenden Umständen abhängen, der Gläubiger den Drittschuldner in nach diesen Umständen ange731
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
messener Zeit nochmals durch erneute Zustellung zur ergänzenden Erklärung auffordern kann. Hadatsch/Wagner, Kap. 4, S. 29, z. B. wenn man mitteilt, dass als vorrangige Pfändung (nur) eine „Vorpfändung“ nach § 845 besteht, die dann später wegfällt und die Rangverhältnisse verschiebt.
2703 Die Drittschuldnererklärung ist stets nur eine reine Wissenserklärung über die Zustände im Zeitpunkt der Abgabe der Drittschuldnererklärung. BGH, Urt. v. 10.10.1977 – VIII ZR 76/76, NJW 1978, 44.
2704 Auch eine Dauerpfändung, beispielsweise eine Unterhaltspfändung bei Nichtbezahlung eines laufenden Monatsunterhalts, löst keine erneute Pflicht zur Drittschuldnererklärung aus. Es handelt sich insoweit um dieselbe Pfändung, BGH, Urt. v. 31.10.2003 – IXa ZB 200/03, ZVI 2003, 646 = NJW 2004, 369. Anders nur, wenn der Unterhaltsgläubiger auf seine Pfändung beispielsweise verzichtet und später – auf Basis desselben Vollstreckungstitels – wegen erneut rückständiger Unterhaltszahlungen einen neuen PfÜB zustellen lässt.
2705 Der Pfändungsgläubiger hat auch keinen Auskunftsanspruch auf fortlaufende Information über Konteneingänge. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.1.1986 – 2/9 T 1119/85, Rpfleger 1986, 186.
2706 Auch wenn das Konto erst nachträglich, nach bereits erteilter Drittschuldnererklärung, in ein P-Konto umgewandelt wird, ist eine ergänzende Mitteilung an den Gläubiger zwar möglich, dazu verpflichtet ist das drittschuldnerische Kreditinstitut aber nicht. Ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.10.4.
2707 Im Gegenteil ist von einer freiwilligen, erneuten, vollständigen Drittschuldnererklärung nach Umwandlung in ein P-Konto abzuraten. Erstens ist der Aufwand erheblich. Schon die mit der eigentlichen Drittschuldnerklärung verbundenen Kosten, die die Kreditinstitute nicht auf den Schuldner oder Gläubiger umlegen dürfen, BGH, Urt. v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, ZIP 2000, 16 = NJW 2000, 651, werden es regelmäßig erst recht nicht rechtfertigen, eine weitere, gesetzlich nicht geschuldete Auskunft zu erteilen. Selbst bei größtmöglicher Automatisierung verursacht ein Brief Kosten (unter Vollkosten-Gesichtspunkten mit Sach- und Personalaufwand für auf Erstellung, Versand und das Porto sicherlich ein Vielfaches der reinen Portokosten). Hinzu kommt, dass durch die rigide Rechtsprechung des BGH zu Bankenentgelten, zuletzt dem Verbot, höhere Kontoführungsentgelte für P-Konten verlangen zu dürfen, siehe dazu Rn. 2865, der gesetzlich geschuldete Aufwand eines Kreditinstitutes im Zusammenhang mit Kontopfändungen – aber nicht nur dort – auf das absolute Minimum reduziert werden sollte.
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4. Wiederholte Drittschuldnererklärung
Zweitens kann es passieren, dass Widersprüche zwischen den beiden Erklä- 2708 rungen auftauchen, die möglicherweise fehlerhaftes Handeln aufdecken. Sollte sich ein Kreditinstitut daher entschließen, die Gläubiger nachträglich über die Umwandlung zu informieren, dann nur dergestalt, dass es nur diesen Umstand mitteilt. Praxistipp I: Es kann sich für Kreditinstitute empfehlen, in der Drittschuldnererklärung folgenden Passus aufzunehmen: „Sollte der Schuldner nach erteilter Drittschuldnererklärung sein Konto in ein P-Konto nach § 850k umwandeln, erfolgt durch uns keine ergänzende Drittschuldnererklärung. Wenden Sie sich bitte an den Schuldner.“
Praxistipp II (für Gläubiger): Dass Gläubiger die Bereitschaft der drittschuldnerischen Kreditinstitute, die ergänzende Auskunft zu erteilen durch Übersendung eines frankierten Rückumschlages und eines vorbereiteten Ergänzungsschreibens erhöhen können, das in Ankreuzform nur diese ergänzende Information über das Bestehen eines P-Kontos zum Inhalt hat, ist eher unwahrscheinlich. Die Bereitschaft kann sicherlich weiter erhöht werden, wenn als (zusätzliches) Angebot hinzukommt, diesen nicht geschuldeten Mehraufwand des Kreditinstitutes zu vergüten. In diesem Fall sollte das vorbereitete Ergänzungsschreiben auch Platz zur Eintragung der Kontoverbindung bieten. Vermutlich wird aber schon der erhebliche Mehraufwand der Verbuchung des Entgeltes nur dadurch tragbar, dass der Gläubiger – nach vorheriger Erkundigung – Vorauskasse (Beifügung Verrechnungsscheck) leistet. Ansonsten scheint es dem Autor fast sicher, dass Kreditinstitute nicht wirklich zur ergänzenden Auskunft bereit sein werden. Ein kostendeckendes Entgelt müsste dann auch so bemessen sein, dass es sich für den Gläubiger wahrscheinlich schon nicht mehr rechnet.
Davon zu unterscheiden ist, dass der Drittschuldner verpflichtet ist, eine etwaig 2709 fehlerhafte Auskunft auch später noch zu berichtigen. Smid, in: MünchKomm-ZPO, § 840 Rn. 37; sind bereits Schäden entstanden, haftet der Drittschuldner auch dafür aus Abs. 2 Satz 2 ungeachtet der späteren Richtigstellung.
Eine ganz andere Frage ist, ob ein Kreditinstitut, wenn es – beispielsweise aus 2710 einer SCHUFA-Nachmeldung – erfährt, dass der Schuldner zwischenzeitlich ein weiteres P-Konto bei einem anderen Kreditinstitut eröffnet hat und unterhält, berechtigt bzw. sogar verpflichtet ist, in einer ergänzenden Drittschuldnererklärung den Gläubiger hierüber zu informieren. Eine schriftliche Information gegenüber dem Pfändungsgläubiger dürfte im Hinblick auf die Sanktionsvoraussetzungen des § 850k Abs. 4 Satz 2 grundsätzlich unerlässlich sein.
Eine generelle Informationsverpflichtung wird man wohl zunächst nicht an- 2711 nehmen können. Das Kreditinstitut kann sich hinsichtlich gleichwohl weiterhin an den Schuldner ausgezahlter Beträge nach Überzeugung des Autors
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung nicht mehr auf den Vertrauenstatbestand der §§ 407, 408 BGB berufen. Es muss weitere Verfügungen daher sofort unterbinden, vgl. Rn. 933 ff.
2712 Es gibt regelmäßige keine Vertragsbeziehung zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsgläubiger, aus dem ggf. diesbezüglich eine nebenvertragliche Pflicht entstehen könnte. Eine Warnpflicht aus einer „Pflichtenkollision“ heraus könnte überhaupt nur dann anzunehmen sein, wenn beide Zwangsvollstreckungsparteien Kunde des Kreditinstitutes sind und der eine Kunde für das Kreditinstitut erkennbar den anderen betrügt oder dies versucht, was bei der Unterhaltung mehrerer P-Konten auf der Hand liegt, so im Ergebnis auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 59, für den Fall, dass durch die Information das Kreditinstitut einen Kunden vor einer „erheblichen rechtswidrigen Schädigung bewahren“ kann.
2713 Auch ist das Kreditinstitut nicht ohne Weiteres Sachwalter des Pfändungsgläubigers. So aber zu Unrecht Goebel, Rn. 445, für den Fall, dass der Gläubiger auf die Kenntnisse des Drittschuldners angewiesen ist. Das wird der Gläubiger fast immer sein.
2714 Insofern wird selbst dann, wenn beide Zwangsvollstreckungsparteien Kunde des Kreditinstitutes sind, eine Verpflichtung zur Information ausscheiden, da es letztlich an dem durch die Rechtsprechung entwickelten Merkmal der „erheblichen Schädigung“ fehlen dürfte. Für den Gläubiger ist die Zwangsvollstreckung ohnehin stets latent dadurch gefährdet, dass der Schuldner ihm eigentlich pfändbares Vermögen vorenthält. Warn- und Aufklärungspflichten sind aber auch in diesem (Risiko)Kontext zu bewerten, sodass der Autor keine Verpflichtung zu sehen vermag. Eine Ausnahme mag zu machen sein, wenn dem Gläubiger, der ebenfalls Kunde des drittschuldnerischen Kreditinstitutes ist, ansonsten erhebliche Beträge entgegen; erheblich sind sicherlich Beträge, die fünfstellig sind.
2715 Nichtsdestotrotz dürfte ein drittschuldnerisches Kreditinstitut – ohne gegen das Bankgeheimnis zu verstoßen – in jedem Fall berechtigt sein, den Pfändungsgläubiger über die Existenz weiterer P-Konten des Schuldners zu informieren. 5. Risiken der Drittschuldnererklärung bei mehreren PfÜBs desselben Gläubigers 2716 Manchmal erlassen Pfändungsgläubiger mit eigener Vollstreckungshoheit (oftmals Hauptzollämter) wegen mehrerer, teilweise auch geringster Forderungen, inhaltlich identische und am selben Tag gegen denselben Drittschuldner und denselben Schuldner gleich lautende PfEV. Der Autor hat es selbst erlebt, dass zwölf gleichlautende PfEV zugestellt wurden, bei der die geringste Forderung 0,87 € (!) betrug, die höchste 172 €.
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6. Einstweilige Einstellung
Theoretisch sind solche Vorgehensweisen (mehrere PfÜBs wegen mehrerer 2717 Forderungen) auch bei Gläubigern außerhalb der Verwaltungsvollstreckung möglich. Wichtig ist es hier, für jeden PfÜB eine Drittschuldnererklärung abzugeben. 2718 Das kann in einem Schriftsatz geschehen; wichtig ist aber im „Betreff“ auf alle PfÜBs Bezug zu nehmen, sodass klar wird, dass diese (einzige) Drittschuldnererklärung für alle PfÜBs abgegeben wird. Sind die PfÜBs hinsichtlich der (angeblich) gepfändeten Ansprüche inhaltlich 2719 nicht identisch, ist klar zu stellen (und teilweise notwendig), worauf sich eine Einzel-Antwort bezieht. Aus Praktikabilitätsgründen mag dies dadurch geschehen, dass man nur ein (!) Aktenzeichen des Pfändungsgläubigers in der Drittschuldnererklärung angibt sowie „und andere unter dem gleichen Datum zugestellte PfÜB/PfEV“. Besser und sicherer ist es aber, alle Aktenzeichen anzugeben. Soweit die Forderungen nicht (unterschiedlich) verzinslich sind, erfassen Kreditinstitut manchmal auch nur eine Gesamtforderung des Gläubigers in der IT.
Manchmal wird auch bei diesen Vielfach-PfÜBs auf nur eine Anlage verweisen. 2720 Hier ist darauf zu achten, dass diese „Anlage“ mit allen PfÜBs fest verbunden sein muss. Sonst sind einzelne PfÜBs ohne Anlage unwirksam, weil keine Ansprüche gepfändet sind. Möglich bleibt aber, dass ein einzelner PfÜB, mit dem die einzige „Anlage“ fest verbunden ist, als wirksam anzusehen ist, die anderen dann aber in der Drittschuldnererklärung zurückzuweisen sind. Hier sollten aber in der Praxis keine überzogenen Anforderungen durch die drittschuldnerischen Kreditinstitute gestellt werden; gibt es zwar nur eine „Anlage“, ist sie aber mit allen Pfändungs- und Einziehungsverfügung verbunden („getackert“), sollte das als grenzwertig, aber noch ausreichend anerkannt werden.
Zumeist Finanzämter erlassen manchmal zeitgleich mehrere PfEV gegen 2721 denselben Schuldner und Drittschuldner, aber mit inhaltlich unterschiedlich gepfändeten Ansprüchen (meist Pfändung von „Kontoansprüchen“ einerseits und Pfändung von konkret bezeichneten Rückgewähransprüchen andererseits). Auch hier ist eine einheitliche Drittschuldnererklärung möglich und arbeitsökonomisch ratsam, aber auch hier muss darauf geachtet werden, dass auf alle PfEV Bezug genommen wird. 6. Einstweilige Einstellung Hat das Vollstreckungsgericht die Pfändung z. B. im Rahmen des § 732 2722 „einstweilen eingestellt“, berührt das die Auskunftspflicht nach § 840/§ 316 AO grundsätzlich nicht. Prütting/Gehrlein-Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 11.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2723 Gleichwohl kann erwogen werden, zunächst keine Drittschuldnererklärung abzugeben. Mit der einstweiligen Einstellung wird das Zwangsvollstreckungsverfahren im augenblicklichen Stand „eingefroren“. Zöller-Geimer, ZPO, § 776 Rn. 1. Ebenso gilt das im Rahmen der Vollziehungsaussetzung im Insolvenzverfahren.
2724 Zwar ist dies keine Aufhebung, sodass die Drittschuldnererklärung schon deswegen entfallen könnte, aber die einstweilige Einstellung will erst einmal die Zwangsvollstreckung nicht weiterführen und damit auch sich daraus ergebende Folgen – soweit im Beschluss nicht etwas Gegenteiliges angeordnet ist – nicht entstehen lassen. Da deshalb auch noch nicht feststeht, ob die Zwangsvollstreckung nicht gänzlich aufgehoben wird, wäre es denkbar, keine Drittschuldnererklärung abzugeben. Vorsicht ist aber geboten, wenn nur ein Teil der Kontopfändung einstweilen eingestellt wird (z. B. wegen der Pfändung rückständigen, nicht aber wegen laufenden Unterhalts oder umgekehrt). In diesem Fall ist eine Drittschuldnererklärung für den nicht einstweilen eingestellten Teil fristgerecht abzugeben.
2725 Mit Fortsetzung der Zwangsvollstreckung, ggf. auch i. R. einer (endgültigen) Freistellung bestimmter Beträge, muss der Drittschuldner dann die Erklärung aber in jedem Fall abgeben. Die Frist beträgt auch dann 14 Tage (Eingang beim Pfändungsgläubiger), die Unterbrechung für den Zeitraum der einstweiligen Einstellung zählt aber nicht mit. 7. Pfändungsbenachrichtigung des Schuldners 2726 Ob eine Benachrichtigung des Schuldners durch den Drittschuldner über die Pfändung gesetzlich geschuldet ist, ist streitig. Offengelassen OLG Brandenburg, Urt. v. 19.7.2006 – 7 U 57/06, BeckRS 2010, 938.
2727 Allenfalls könnte sich eine solche Benachrichtigungspflicht aus einer unselbstständigen Nebenpflicht aus dem Girovertrag ergeben, §§ 666, 675 Abs. 1, 676 f. BGB. 2728 Der Autor ist der Ansicht, dass es grundsätzlich eine solche Pflicht nicht gibt. Allerdings ist, wenn im Rahmen von Kontopfändungen Kündigungen bzw. Sperren von Kreditkarten oder die Reduzierung des Verfügungslimits von Kreditkarten notwendig sind, der Schuldner zu informieren, da die Nutzungsbegrenzung der Karte dem Kunden gem. § 675d Abs. 1 i. V. m. Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 2 lit. f) EGBGB vorab mitzuteilen ist. Gem. § 675k Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Zahlungsdienstleister zudem verpflichtet, den Zahler über die Sperrung der Karte möglichst vor, spätestens unverzüglich nach der Sperrung zu unterrichten. Unterrichtung bedeutet dabei – wie in § 675d und Art. 248 EGBGB – dass das Kreditinstitut aktiv mitteilt, die Information also nicht nur zum Abruf zur Verfügung stellt.
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7. Pfändungsbenachrichtigung des Schuldners Die Unterrichtung ist grundsätzlich mit Gründen zu versehen, damit der Karteninhaber prüfen kann, ob ein Sperrgrund bestand, § 675k Abs. 2 Satz 4 BGB. Entsprechende Regelungen sehen auch die Kreditkartenbedingungen regelmäßig vor, vgl. Ziff. 14 Kreditkartenbedingungen.
Grds. wäre eine Benachrichtigung über die Pfändung letztlich nur eine Infor- 2729 mation, die dem Kunden – i. R. d. Zustellung des PfÜBs auch an ihn – ohnehin bekannt gegeben wird. Nach § 829 Abs. 2 hat der Gerichtsvollzieher den PfÜB nach Zustellung an den Drittschuldner sofort (mit einer Abschrift der Zustellung an den Drittschuldner) auch dem Schuldner zuzustellen. Durch die Pfändungsbenachrichtigung des Kreditinstitutes erhält der Schuldner daher keine zusätzlichen Informationen und im Zweifel vielleicht sogar zeitlich später als durch die Zustellung des PfÜBs, denn wann das drittschuldnerische Kreditinstitut den Schuldner informieren muss, ist nicht klar geregelt. Im Zweifel betrüge die Frist auch 14 Tage, vergleichbar der der Abgabe der Drittschuldnererklärung. Insofern ist nicht einzusehen, weshalb eine – zusätzliche, unnötige – weitere Pflicht geben sollte, den Kunden über den Eingang der Pfändung zu informieren. Durch das Inhibitorium (Anordnung sich jeder Verfügung zu enthalten) wird der Kunde auch darüber informiert, welche Folgen die Kontopfändung hat. Damit wird ihm gleichzeitig auch deutlich, dass zulasten des Kontos keine weiteren Verfügungen durch das kontoführende Institut mehr zugelassen werden dürfen (Ausnahme: i. R. freigestellter Beträge oder der Freibeträge i. R. eines P-Kontos). Insoweit bedarf es keiner weiteren Benachrichtigung und aus arbeitsökonomischen Gründen sollten Kreditinstitute erwägen, auf diese Benachrichtigung des Kontoinhabers (aller, bei Gemeinschaftskonten) zu verzichten. Werden Kredit(auszahlungs-)ansprüche gepfändet, wird die Ansicht vertreten, 2730 dass dann der Kontoinhaber informiert und aufgeklärt werden müsse, wenn lediglich eine Kontosperre und nicht gleich eine Kündigung der Kredite erfolgt. Vgl. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 89.
Denn dann wäre theoretisch noch ein (versehentlicher) Abruf der Kreditmittel 2731 möglich. Siehe Rn. 607.
Der Kunde soll in diesen Fällen über die Konsequenzen eines Abrufes von 2732 Kreditmitteln aufgeklärt werden müssen, weil nach erfolgtem Abruf nach Ansicht des BGH die Pfändung greift und abgerufene Kreditmittel dann an Pfändungsgläubiger abzuführen wären. Auch diese Aufklärungspflicht sieht der Autor nicht. Wer sich einer Zwangsvollstreckung ausgesetzt sieht, weiß über die Zustellung des Beschlusses und das dort enthaltene Inhibitorium, dass das Kreditinstitut im Zweifel keine weiteren Verfügungen, welcher Art auch immer, zulassen wird. Eine Zwangsvollstreckung kommt ja nicht überraschend, wenn auch vielleicht unvermutet. A. A. wohl Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 89, dem zuzugestehen ist, dass zwischen einer Verfügung und dem ggf. auch
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung mal unbewussten Abruf von Kreditmitteln ggf. zu unterscheiden wäre; allerdings wäre auch ein Abruf am Ende eine (spätere) gewollte Verfügung, von der der Schuldner aufgrund des Inhibitoriums wissen müsste, dass sie nicht mehr zulässig; siehe auch Rn. 607.
2733 Dass eine Pfändungsbenachrichtigung des Kunden gleichwohl sinnvoll sein kann, ist eine andere Sache. In der Benachrichtigung kann man auf die Folgen der Pfändung (und Überweisung) hinweisen (Kontensperrung, Kartensperrung, Pflicht zur Abführung von Guthaben nach einer Sperrfrist, Auswirkungen auf Kredite) und somit ggf. zeitaufwändige Fragen vermeiden. 2734 Denkbar wäre aber auch der schlichte Hinweis: „Durch eine Pfändung Ihrer Ansprüche gegen uns sind insbesondere die Konten für jegliche weitere Verfügungen grundsätzlich gesperrt. Wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt, ggf. an eine Schuldnerberatungsstelle oder direkt an Ihren Pfändungsgläubiger.“
2735 Ein Hinweis auf Pfändungsschutzmaßnahmen (Moratorien) kann sich ggf. empfehlen. In den neuen Zwangsvollstreckungsformularen, siehe Rn. 88, wird aber bereits darauf hingewiesen, so dass sich eine nochmalige Wiederholung hier erübrigt. Haftungsfalle: Kopie-Aushändigung 2736 Zu vermeiden ist es, dem Schuldner – schon aus Arbeitsaufwandsgründen – auf Verlangen eine Kopie des PfÜBs auszuhändigen, sodass dieser ggf. vor der Zustellung an weitere Drittschuldner, in diesem PfÜB genannte Ansprüche noch „vereiteln“ kann. Hier können empfindliche Schadensersatzansprüche drohen. 2737 Ob Kreditinstitute eine zusätzliche Information – entsprechendes Muster „Gemeinsame Information der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (Die Deutsche Kreditwirtschaft – DK)“, siehe Anhang 3 (ausführlich) und Anhang 3a (Kurzform/Kurz-Info) –
an ihre Kunden gepfändeter Privatgiro-Konten verteilen, um auf den Kontoumwandlungsanspruch und die Funktionsweise des Pfändungsschutzkontos hinzuweisen, muss jedes Institut für sich entscheiden. Im Hinblick darauf, dass auch Schuldnerberatungen immer noch die Informationsdefizite bei den Schuldnern beklagen und diesbezüglich die Kreditinstitute in die Pflicht nehmen wollen, mag das Sinn machen, wenn es mit einer Ansprache des Kunden verbunden wird. Einen Anspruch darauf hat der Kunde aber nicht und vertretbar ist es für Kreditinstitute vor dem Hintergrund der defizitären Pfändungsbearbeitung eigentlich nicht. Gleichwohl enthält das Informationsblatt wichtige hilfreiche Informationen, die dem Schuldner Klarheit verschaffen und es den Mitarbeiter der drittschuldnerischen Kreditinstitute möglicherweise ersparen, wertvolle Vertriebszeit für die Beantwortung von diesbezüglichen Fragen aufwenden zu müssen.
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8. IT-unterstützte Pfändungsbearbeitung
8. IT-unterstützte Pfändungsbearbeitung Grundsätzlich ist ohne eine IT-basierte Unterstützung, die Pfändungsbearbei- 2738 tung nicht mehr möglich, jedenfalls an nicht, wenn täglich kontinuierlich mehrere Kontopfändung bei einem drittschuldnerischen Kreditinstitut eingehen. Während Privatbanken sich regelmäßig einer eigenen Software bedienen, 2739 werden bei den Geno-Banken und Sparkassen zumeist die Anwendungsmöglichkeiten der zentralen Groß-IT-System der Rechenzentren (Atruvia AG vormals FIDUCIA für die Geno-Banken und Finanz Informatik [FI] für die Sparkassen) genutzt. Diese gewährleisten – allerdings nach teilweise erst noch manueller Erfassung 2740 der Kontopfändungen – dann nicht nur die überwiegend maschinelle Pfändungs(weiter-)bearbeitung (Veranlassung von Kontosperren, Abgabe der Drittschuldnererklärung, ggf. Information des Schuldners, fortlaufende Berechnung der Forderungshöhe etc.), sondern stellen auch die hochkomplexe, richtige Disposition der P-Konten sicher. Insbesondere diese wäre ohne entsprechende IT im Massengeschäft Konto- 2741 pfändung ansonsten nicht mehr zu bewältigen. Die Praxis hat gezeigt, dass der Dispositionsaufwand bei P-Konten deutlich angestiegen ist. Siehe Rn. 2876.
Insofern sind die allermeisten Kreditinstitute nicht umhingekommen, zusätz- 2742 liche Software einzusetzen, um einen weitestgehenden Automatisierungsgrad zu erreichen. Durch das PKoFoG, insbesondere die längere Übertragungszeit nicht verbrauchten Guthabens, § 899 Abs. 2 Satz 1, die Guthabenübertragung im Rahmen des § 850l und den Verrechnungsschutz des § 901 sind die Dispositionsanforderungen nochmals komplexer geworden.
Verschiedene Software-Anbieter bieten Programme an, die eine IT-unterstützte 2743 Pfändungsbearbeitung ermöglichen. Ziel ist es, durch automatisierte Arbeitsabläufe Bearbeitungsaufwand und -zeiten zu verkürzen oder zumindest personalneutral bewältigen zu können. Durch entsprechende Schnittstellen ist neben der automatischen Sperreneingabe zumeist auch eine Kontodisposition möglich (beispielsweise automatische Berechnung von Fristen; Disposition von übertragenem Guthaben oder freigestellten Nachzahlungen oder automatische Rückgabe von Belastungsbuchungen, wenn der Freibetrag überschritten ist etc.). Daneben werden über die Einbindung von Textverarbeitungsprogrammen z. B. standardisierte Drittschuldnererklärungen erstellt. Insbesondere auch bei Mehrfachpfändungen ist durch eine einmalige Erfassung der Daten eine spätere Wiederverwendung möglich. Auch „Großgläubiger“, wie Finanzämter, Kommunen oder Krankenkassen, müssen nur einmal hinterlegt werden. Soweit auch für die Kreditabwicklung entsprechende Software desselben Anbieters einge-
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
setzt wird, stehen ggf. bereits sämtliche erfassten Kunden- und Forderungsdaten für die weitere Bearbeitung der Pfändungen zur Verfügung. 2744 Die Information der kontoführenden Stelle kann in aller Regel dann über (protokollierte) E-Mails oder Eingabe von internen Hinweisen in die IT erfolgen. 2745 Und nicht zuletzt stehen die Pfändungsdaten für Auswertungszwecke zur Verfügung. 2746 Größte Herausforderung der Kreditinstitute bzw. Software-Anbieter und Rechenzentren i. R. d. Kontopfändungsreform ist es nach wie vor, die Dispositions-Notwendigkeiten, insbesondere z. B. die korrekte Abbildung der Auszahlungssperren oder die fatale BGH-Rechtsprechung zur Doppelpfändung abzubilden, vgl. Rn. 1998 ff. Erschwert worden ist die Disposition insbesondere dadurch, aber auch durch die Moratorien der §§ 835, 850l und 900.
2747 Selbstverständlich ist auch die ganz normale Freibetrag-Disposition zu bewältigen und sogar unterschiedliche Freistellungsbeträge (z. B. bei Zusammentreffen einer Pfändung und einer Pfändung wegen Unterhalts) müssen ITtechnisch darstellbar sein. Aber auch die Ansparübertragung im Rahmen des § 899 stellt drittschuldnerische Kreditinstitute vor Herausforderungen, ebenso wie die nun jährliche Anpassung der Freibeträge oder Anhebungen des Kindergeldes. 2748 Hier hat es den größten Investitionsbedarf der Kreditinstitute auch wieder nach dem PKoFoG gegeben und wird es weitergeben. Eine Kontodisposition ohne eine leistungsfähige IT ist bei P-Konten nicht mehr vorstellbar. Jedenfalls dann nicht, wenn keine zusätzliches Personal für diese Tätigkeiten eingestellt werden soll, was angesichts der ohnehin schon defizitären Pfändungsbearbeitung kaum vorstellbar ist. 2749 Quantensprünge in der Reduzierung des Bearbeitungsaufwandes gibt es durch zunehmende Automatisierung und Einsatz von (künstlicher Intelligenz (KI) bei der Erfassung. 2750 Schon heute arbeiten große Kreditinstitute oder Dienstleister, an die Kreditinstitute die Pfändungsbearbeitung zunehmend auslagern, mit der automatisierter Erfassung über Scanner, die in der Lage sind, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu lesen und die ausgelesenen Daten in die Pfändungsbearbeitungs-IT zu transferieren. Die Fehlerquoten die anfangs noch beträchtlich waren, sind heute schon auf ein Minimum gesunken, auch wenn es eine richtige Erfassung zu „100 %“ auch in absehbarer Zeit nicht geben wird, jedenfalls nicht solange PfÜb noch körperlich zugestellt werden. Noch weiter lässt sich das ausbauen, wenn Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse demnächst digital zugestellt werden können. Zu weiteren denkbaren Erleichterungen siehe Stamm, NJW 2021,
740
9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung 2563, der beispielsweise der Ansicht ist, dass bei der (konsequenter und überfälliger) Digitalisierung der Forderungsvollstreckung dann sowohl die Vorpfändung entfallen kann (Ziff. 32 des Beitrages) und der Überweisungsbeschluss entfallen sollte (Ziff. 33/34).
Dann werden Erfassungsfehler der Vergangenheit angehören, vor allem aber 2751 wird bei der dann vollständig automatisierten Erfassung nur noch ein Bruchteil der Zeit aufgewendet werden müssen. Ein Projekt des Software-Hauses tolina GmbH, jetzt netgo Software GmbH, dazu soll in Hamburg pilotiert und erprobt werden: Eine Plattform eDEN (Electronic Data Exchange Network) ermöglicht dabei über eine moderne End-to-End-Verschlüsselung einen sicheren, digitalen Datentransfer. Damit können Informationen effizient ausgetauscht und ganze Prozesse durch offene Schnittstellen automatisiert werden. Zunächst entfällt der kostenintensive Austausch per Post oder Fax, aber insbesondere die anschließende manuelle und fehleranfällige Erfassung von Daten. Durch standardisierte Signaturverfahren weisen sich Empfänger und Sender einander aus und der Datenaustausch ist dadurch revisionssicher. Zudem ist die Anbindung an IT-Archivsysteme nahtlos möglich.
9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung Immer wieder wird es vorkommen, dass der Schuldner sich mit seinem Pfän- 2752 dungsgläubiger auf eine Ratenzahlung einigt. Der Pfändungsgläubiger wird in diesen Fällen die Pfändung und/oder Überweisung/Einziehung zumeist „aussetzen“ oder „ruhend stellen“. Solch eine Aussetzung/Ruhendstellung ist gesetzlich nicht geregelt (zur „Beschränkung“ nach § 258 AO siehe Rn. 2776). a) Zulässigkeit Eine solche Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung ist als zeitlich beschrän- 2753 kender Vollstreckungsvertrag zulässig. BGH, Urt. v. 11.12.1967 – III ZR 115/67, NJW 1968, 700.
Zwar ist es nicht möglich und zulässig etwa die Rechtskraft einer Entscheidung 2754 zwischen den Parteien durch Vereinbarung zu regeln, BGH, Urt. v. 11.12.1967 – III ZR 115/67, NJW 1968, 700,
aber Schuldner und Gläubiger können – nach Rechtskraft – ihre den Anspruch betreffenden Verhältnisse jederzeit durch Vereinbarungen neu gestalten. BGH, Urt. v. 2.4.1991 – VI ZR 241/90, ZIP 1991, 611 = NJW 1991, 2295.
Dies gilt auch in der Verwaltungsvollstreckung.
2755
OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.6.1998 – 1 U 183/97, InVo 1999, 57.
Der Gläubiger ist also nicht gehindert, gegen z. B. ein Ratenzahlungsangebot 2756 des Schuldners die Pfändung auszusetzen.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
Beispiel: Das Konto des Schuldners S wird von Gläubiger G mit einer Kontopfändung belegt. S schließt mit G eine Ratenzahlungsvereinbarung. G erklärt daraufhin die Kontopfändung dem Kreditinstitut gegenüber unter dem Vorhalt jederzeitigen Widerrufs als „ruhend“. 2757 Wichtig für das drittschuldnerische Kreditinstitut ist dabei zunächst, dass diese Erklärung durch den Pfändungsgläubiger dem Kreditinstitut als Drittschuldnerin gegenüber direkt erklärt wird. Weiter ist darauf zu achten, in welcher Weise der Pfändungsgläubiger den Verzicht auf seine Pfändungsrechte erklärt. Ein (endgültiger) Verzicht etwa gem. § 843 Satz 1, würde die Pfändung vollständig erledigen. Wollte der Gläubiger wieder vollstreckungsweise Zugriff auf „das Konto“ nehmen, müsste er erneut pfänden. Diese erneute Pfändung ginge den eventuell zwischenzeitlich eingegangenen Pfändungen anderer Gläubiger dann im Rang nach (§ 804 Abs. 3). Da dies regelmäßig nicht beabsichtigt ist, wird meist nur eine „rangwahrende widerrufliche Aussetzung“ der Pfändungs- und Einziehungsbefugnis erklärt. Eine solche „rangwahrende“ Aussetzung/Ruhendstellung ist grundsätzlich zulässig. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.6.1998 – 1 U 183/97, InVo 1999, 57.
2758 Als Drittschuldner sollte das Kreditinstitut in diesen Fällen darauf achten (und darauf bestehen), dass die Aussetzung klar formuliert ist und keine Auflagen enthält, die das Haftungsrisiko erhöhen, z. B. wegen eines Überwachungsfehlers aufgrund Zahlungen an einen falschen Gläubiger nochmalig leisten zu müssen. Dazu wird dann regelmäßig die Erklärung gehören, dass der Schuldner „über sein Konto uneingeschränkt verfügen“ kann. 2759 Akzeptabel wäre ebenfalls noch die aufschiebende Bedingung, dass die Ruhendstellung bis „zur Pfändung durch einen anderen Gläubiger“ befristet erklärt wird; aber schon das erhöht das Haftungsrisiko des Kreditinstitutes, weshalb der Autor empfiehlt, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut jegliche Überwachungsauflagen kategorisch ablehnen oder von einer Haftungsfreistellung sowie einer kostendeckenden Aufwandsentschädigung abhängig machen sollte. Kreditinstitute sind grundsätzlich berechtigt, die Beachtung einer Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung (außer ggf. bei einer „Beschränkung“ nach § 258 AO; siehe dazu Rn. 2776 ff.) von der Zahlung eines Bearbeitungsentgeltes durch den Gläubiger abhängig zu machen, da sie damit ein erhöhtes Risiko und einen erhöhten Kontrollaufwand eingehen, vgl. die Ausführungen unter Rn. 2848. Der Gläubiger wiederum kann die Kosten als „notwendige Kosten“ der Zwangsvollstreckung (§ 788) an den Schuldner weitergeben; sicherheitshalber sollte dies aber i. R. d. ja meist zugrunde liegenden Ratenzahlungsvereinbarung vereinbart werden, vgl. VE 2016, 51.
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9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung Praxistipp: Die Formulierung einer Haftungsfreistellung könnte wie folgt lauten: „Kunde X und sein Gläubigers Y wünschen die Ruhendstellung des PfÜB vom … . Die Pfändung soll nur unter folgenden Voraussetzungen wieder vom Kreditinstitut beachtet werden: … . Im Hinblick auf die damit verbundenen rechtlichen Risken für das Kreditinstitut, insbesondere einer nicht Schuld befreienden Zahlung, weil die Wiedereinsetzung trotz kaufmännischer Sorgfalt nicht oder verspätet berücksichtigt wird, und der Tatsache, dass Nutznießer dieser Ruhendstellung ausschließlich der Pfändungsgläubiger und der Kunde sind, erklärt sich das Kreditinstitut unter nachfolgenden Bedingungen bereit, die Ruhendstellung zu akzeptieren: 1. Der Pfändungsgläubiger und der Kunde verpflichten sich gesamtschuldnerisch gegenüber dem Kreditinstitut, das Kreditinstitut aus sämtlichen aus diesem Umstand dem Kreditinstitut oder Dritten erwachsenden Schadensersatzansprüchen, auch Anwalts- und Gerichtskosten, freizustellen. 2. Für den Fall, dass das Kreditinstitut wegen solcher Ansprüche in Vorlage treten muss, verpflichtet sich der Pfändungsgläubiger und der Kunde gesamtschuldnerisch, dem Kreditinstitut nachträglich unverzüglich diese Aufwendungen zu ersetzen.“
b) Keine Akzeptanz durch Drittschuldner Auch eine noch weitergehende Reaktion wäre möglich. Ein drittschuldnerisches 2760 Kreditinstitut wäre auch berechtigt, eine Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung nicht zu akzeptieren. Vgl. u. a. BGH, 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343 für einen PfEV, dazu Besprechung von Sudergat, EWiR 2016, 159 und BFH, Urt. v. 16.5.2017 – VII R 5/16, juris, für PfEV.
Das würde der Autor auch dringend empfehlen. Werden Ruhendstellungen daher nicht akzeptiert, erspart das einen immensen 2761 Arbeitsaufwand bei den drittschuldnerischen Kreditinstituten. Nach Recherchen des Autors kommen zur Pfändungsbearbeitung noch einmal ca. 50 % Bearbeitungsmehraufwand hinzu, wenn ein Kreditinstitut generell Ruhendstellungen akzeptiert. Dagegen kann die durchschnittliche Laufzeit von Pfändungen deutlich reduziert werden, wenn der Gläubiger nur noch die Möglichkeit der Aufhebung hat, wenn eine Ratenzahlung vereinbart wird, was den Bearbeitungsaufwand natürlich weiter reduziert. Im Gegenteil führt dieser Umstand offensichtlich sogar dazu, dass die Schuldner disziplinierter zahlen, weil ein Gläubiger, der eine Pfändung aufheben muss, deutlich rigoroser ist, wenn Ratenzahlungen ausbleiben. Eine weitere Pfändung mit nochmaliger Aussetzung wird es dann im Zweifel nicht mehr geben, im Übrigen auch ein Grund (mehrmaliges Aussetzen und Wiederaufleben), warum die Bearbeitung von Ruhendstellungen so aufwendig ist.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2762 Im Übrigen: Auch auf Seiten der Gläubiger hat das Vorteile, denn der hat im Hinblick auf den Schutz des Existenzminimums bei natürlichen Personen durch das P-Konto nämlich keinerlei Notwendigkeit mehr, eine Pfändung auszusetzen, weil der Schuldner in seinem Zahlungsverkehr ja nicht mehr blockiert wird. 2763 Zwar kann der Pfändungsgläubiger als „Herr des Verfahrens“ aufgrund seiner Dispositionsfreiheit grundsätzlich über Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmen und hat damit die Herrschaft über seinen vollstreckbaren Anspruch und die Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Er kann z. B. den Anspruch stunden, auf ein Vollstreckungspfandrecht verzichten (§ 843) oder das Vollstreckungsverfahren in jeder Phase zum Stillstand bringen. 2764 Der Grundsatz der „Parteiherrschaft“ und damit im Ergebnis auch der der Dispositionsfreiheit i. R. d. Forderungsvollstreckung gilt aber nur so lange, wie das Verfahren noch bei Gericht anhängig ist. Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn z. B. das Gericht den beantragten PfÜB erlassen hat. Ist dem Drittschuldner dann der PfÜB zugestellt, hat er ihn vollumfänglich zu beachten, es sei denn das Vollstreckungsgericht (oder die Vollstreckungsbehörde mit eigener Vollstreckungshoheit) beschließt etwas anderes. VE 2007, 57.
2765 Außergerichtliche Änderungen aber, die – über die im PfÜB dem Drittschuldner auferlegten Pflichten hinaus – zulasten des Drittschuldners gehen, gelten insoweit als Vollstreckungs-Vereinbarungen, setzen also eine Einigung aller betroffenen Beteiligten voraus. Dem stimmt auch Klomfaß, NJOZ 2018, 481, zu.
Die zwischen den Beteiligten eines Zwangsvollstreckungsverfahrens geschlossene Vereinbarung ist von der Rechtsprechung daher stets als VollstreckungsVertrag angesehen worden. Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1967 – III ZR 115/67, NJW 1968, 700 oder auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.8.1974 – 1 W 56/74, NJW 1974, 2242.
2766 Ein Vertrag bedarf damit der Zustimmung beider bzw. aller betroffenen Parteien, weil das deutsche Zivilrecht keinen Vertrag zulasten Dritter kennt und billigt. Ob es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter handelt, hat der BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343 für den in dieser Entscheidung behandelten Fall offen gelassen.
2767 Ist das Kreditinstitut als einer der Beteiligten der Zwangsvollstreckung daher mit der es belastenden Aussetzung/Ruhendstellung (erhöhter Überwachungsaufwand; erhöhter Bearbeitungsaufwand; erhöhtes Haftungsrisiko) nicht einverstanden, gibt es mangels Einigung keine Vereinbarung/keinen Vertrag, sodass die Aussetzung/Ruhendstellung im Ergebnis nicht erfolgt.
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9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung Formulierung: Ablehnung von Aussetzung/Ruhendstellung „Pfändungs-Aussetzungen/Ruhendstellungen werden von uns (optional: generell) nicht akzeptiert.“
Der BGH hat dieses Verhalten eines Kreditinstitutes gebilligt.
2768
BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343.
Er führte dazu richtigerweise aus, dass im Hinblick auf das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren die Möglichkeiten des Verzichts oder der Aufhebung der Pfändungsmaßnahmen durch das Vollstreckungsgericht als abschließend anzusehen sind. Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen können daher nicht durch eine einseitige Anordnung des Gläubigers, auch nicht soweit der Schuldner damit einverstanden wäre, so modifiziert werden, dass trotz Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen entfallen. Dafür gibt es in der ZPO keine Rechtsgrundlage. Darüber hinaus hat der BGH darauf hingewiesen, dass ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen sei. Dass eine Ruhendstellung vom drittschuldnerischen Kreditinstitut nicht ak- 2769 zeptiert werden muss ist damit höchstrichterlich klargestellt. Zuvor schon: Sudergat, 2. Aufl., Rn. 1211; LG Leipzig, Urt. v. 10.3.2010 – 08 O 2211/09, BKR 2010, 216 ff.; Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 3; Saager, ZVI 2010, 332; Ehlenz/Joeres, JurBüro 2010, 62; Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.16.1.
Freilich stellt der BGH auch klar, dass eine Ruhendstellung mit Zustimmung 2770 des drittschuldnerischen Kreditinstitutes weiterhin möglich ist. BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343 unter Verweis auf u. a. BAG NJW 1975, 1575, 1576 = juris Rn. 10 und Sudergat, 3. Aufl., Rn. 1208.
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens, also auch bei Schuldenbereinigungsplänen, 2771 §§ 305 – 310 ff. InsO, kommen ebenfalls vielfach Aussetzungen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor. Hier hat der BGH, der 9. Senat allerdings – mehrfach – entschieden, dass diese 2772 Beseitigung (der Verstrickung) im Insolvenzverfahren nur dadurch erfolgen kann, dass diese Verstrickung einer gepfändeten Forderung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur durch die Aussetzung der Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses geschehen kann, nicht durch Aufhebung. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607. Bestätigt durch BGH, Beschl. v. 2.12.2021 – IX ZB 10/21, WM 2022, 475.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
2773 Das ist eine Abgrenzung zur Entscheidung des 7. Senats des BGH, zuständig für das Zwangsvollstreckungsrecht. 2774 Eine solche Aussetzung der Vollziehung ist für vom Kreditinstitut natürlich zu beachten. Ausführlich zu den Auswirkungen für drittschuldnerische Kreditinstitute siehe Cranshaw, Anm. zu: BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, jurisPR-InsR 12/2021 Anm. 3.
2775 § 802b Abs. 2 Satz 2 (Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung) wirkt sich auf eine schon ausgebrachte Kontopfändung aufgrund desselben Vollstreckungstitels nicht aus. Beispiel: Gläubiger hat gegen S eine Kontopfändung ausgebracht. Anschließend erteilt er dem Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag. Im Zuge dessen, wird eine Ratenzahlung vereinbart. Der Gerichtsvollzieher gewährt einen Vollstreckungsaufschub. Ist damit auch die Kontopfändung ruhend gestellt? Nein! Der Vollstreckungsaufschub als verfahrensrechtliche Folge der Zahlungsvereinbarung bezieht sich nur auf das Tätigwerden des Gerichtsvollziehers mit der konkreten Vollstreckungsmaßnahme. Er ist gehalten, beispielsweise bereits bestimmte Termine zur Abnahme der Vermögensauskunft oder zur Verwertung gepfändeter Sachen zu verschieben oder eine vorgesehene Eintragung ins Schuldnerverzeichnis vorerst zu unterlassen. Die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher bleibt also grundsätzlich aufrecht erhalten, wird nur (ggf. auf unbestimmte Zeit) verschoben. Andere Maßnahmen sind davon nicht betroffen. Ebenso Musielak/Voit-Voit, ZPO, § 802b Rn. 3; Sternal, in: Kindl/Meller-Hannich, § 802b Rn. 12.
c) Sonderfall: § 258 AO – Vollstreckungsaufschub 2776 Auch eine Ruhendstellung auf Basis des § 258 AO i. V. m. § 309 AO im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung, wenn also z. B. das Hauptzollamt oder das Finanzamt vollstreckt, ist nicht ohne Zustimmung des drittschuldnerischen Kreditinstitutes möglich. BFH, Urt. v. 16.5.2017 – VII R 5/16, ZInsO 2017, 1854.
2777 Insoweit ist der BFH der Argumentation des BGH gefolgt und hat für die Verwaltungsvollstreckung, die letztlich auf die ZPO-Vorschriften verweist, keine andere Sicht der Dinge zugelassen. Vgl. Rn. 2517 zu BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343, dazu Sudergat, EWiR 2016, 159.
2778 Das Finanzamt hat grundsätzlich zwei Alternativen der Pfändungsbeschränkung: Einerseits die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 319 AO, §§ 850, 899 ff., aber andererseits auch die Begrenzung der Vollstreckung nach
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9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung
§ 258 AO. Unpfändbare wiederkehrende Einkünfte i. S. v. §§ 850 ff. sind auf Antrag des Schuldners vom Finanzamt freizustellen. Das dürfte auch unbestritten sein und an diese Freigabe ist der Drittschuldner selbstverständlich – wie bei einem gerichtlichen Beschluss nach § 775 Nr. 4 (Einstellung/ Beschränkung) auch – gebunden. § 258 AO ist quasi der § 765a der Abgabenordnung.
2779
Weigell/Beckert, C 21.01, Anm. Rn. 1, auch wenn § 258 AO, weitergehend als § 765a, nicht nur die einstweilige Einstellung der Vollstreckung, sondern auch die „einstweilige Beschränkung“ erlaubt.
Nach § 258 AO kann die Vollstreckungsbehörde im Verhältnis zum Schuldner, 2780 nach ständiger Rechtsprechung des BFH, zuletzt: BFH, Urt. v. 11.12.2007 – VII R 52/06, BeckRS 2007 25013052,
die Vollstreckung im Verhältnis zum Schuldner einstweilen einstellen oder beschränken oder die Vollstreckungsmaßnahme aufheben, soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist (vgl. aber Rn. 2811). § 258 AO ist somit eine selbstständige, dem § 765a insoweit vorgehende, allein für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren geltende Billigkeitsregelung. BFH, Urt. v. 3.11.1970 – VII R 43/69, BeckRS 1970 22000773, noch zur inhaltlich gleichen Vorgängernorm § 333 AO.
Das Problem ist aber, dass eine (hoheitliche) einstweilige Einstellung von 2781 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur dazu führt, dass weitere Maßnahmen zur Fortsetzung der Vollstreckung aufgeschoben werden, aber die bereits konkrete begonnene Vollstreckungsmaßnahme (hier die Kontopfändung, und zwar in dem Stadium, in dem sie sich befindet) aufrechterhalten wird. Allerdings nimmt die konkrete Maßnahme dann ebenfalls keinen Fortgang; sie „ruht“. Heßler, in: MünchKomm-ZPO, § 765a Rn. 87; ebenso Zöller-Seibel, ZPO, § 765a, Rn. 17.
Dies würde also gerade nicht dazu führen, dass der Schuldner wieder (allein) 2782 frei über sein Konto verfügen kann. Bei einer Kontopfändung hat das zur Folge, dass das drittschuldnerische Kreditinstitut nur noch an den Pfandgläubiger und den Schuldner gemeinsam leisten oder für beide hinterlegen kann, vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1998 – IX ZR 1/98, ZIP 1999, 144. Auch hinsichtlich künftiger Kontoguthaben bliebe das Pfandrecht wirksam. Eine Zahlung wäre dann ebenfalls nur noch an beide möglich, vgl. OLG München, Beschl. v. 30.10.1992 – 25 U 2704/91, OLGR München 1992, 220. Aus § 258 AO selbst würde sich daher keine unmittelbar gegenüber dem Drittschuldner verbindliche Wirkung ableiten lassen. Insofern bietet § 258 AO keine Eingriffsbefugnis gegenüber dem Drittschuldner.
Für Drittschuldner besteht auch noch eine weitere Restunsicherheit: Wenn 2783 weitere Pfändungsgläubiger vorhanden sind, ist fraglich, ob sich die Dritt747
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
schuldner auf die (rangwahrende) Einstellung nach § 258 AO diesen gegenüber berufen können. Solange daher das Finanzamt auf die Wirkungen der Pfändungsverfügung nicht eindeutig verzichtet oder sie – durch Hoheitsakt – aufhebt, müssen Drittschuldner befristete oder bedingte Ruhendstellungen nicht beachten. Befristete oder bedingte Ruhendstellungen erzeugen für drittschuldnerische Kreditinstitute eigenständige Pflichten und Überwachungsaufwand, FG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.1.2016 – 11 K 2973/14, EFG 2016, 438. Insofern läge ein Verwaltungsakt mit (dritt)belastender Wirkung vor, der weder in § 258 AO noch in § 120 Abs. 2 AO eine gesetzliche Grundlage hat, einmal abgesehen davon, dass es solchen Verfügungen in der Praxis regelmäßig an den notwendigen Rechtsbehelfsbelehrungen mangelt.
2784 Eine i. R. d. § 258 AO erlassene Ruhendstellung muss vom drittschuldnerischen Kreditinstitut daher nicht akzeptiert werden, wenn ihm weitere Überwachungsund damit Haftungsrisiken auferlegt werden. BFH, Urt. v. 16.5.2017 – VII R 5/16, BFHE 258, 105.
2785 Wie der Autor schon in den Vorauflagen vertreten hat, gilt die gleiche Argumentation wie bei einer Ablehnung im Rahmen einer Ruhendstellung i. R. d. ZPO. § 258 AO ist als Härtefallregelung ohnehin an § 765a angelehnt, Tipke/Kruse-Kruse, AO/FGO, § 258 Rn. 6,
weshalb auch hier der Grundsatz der geringstmöglichen Belastung des Drittschuldners, vgl. u. a. BGH, Urt. v. 25.9.1986 – IX ZR 46/86, ZIP 1986, 1422 = NJW 1987, 64,
gelten muss. 2786 Außerdem ist die einseitige Modifikation einer Pfändungsverfügung durch Einschränkung des Arrestatoriums mit dem Ziel einer Ruhendstellung der Vollstreckungsmaßnahme nicht möglich, weil § 309 Abs. 1 AO, der die Pfändung von Geldforderungen für den Anwendungsbereich der AO regelt, dafür ebenfalls keine Rechtsgrundlage bietet. Sollen diese Rechtswirkungen einer Pfändung wieder beseitigt und das Pfändungspfandrecht aufgegeben werden, kann dies im Hinblick auf das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren nur durch Aufhebung der Pfändungsverfügung und damit des Arrestatoriums erreicht werden. Zur Ausnahme im Rahmen des Insolvenzverfahrens siehe BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, WM 2021, 607.
2787 Die in der ZPO vorgesehenen Möglichkeiten der Aufhebung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht oder ein anderes Vollstreckungsorgan, die nach § 316 Abs. 3 AO auch für das Vollstreckungsverfahren nach der AO gelten, sind daher als abschließend anzusehen. Die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungs-
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maßnahmen können daher nicht durch eine einseitige Anordnung dahingehend modifiziert werden, dass unter Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen entfallen. A. A. OLG Düsseldorf in OLGR Düsseldorf 1998, 451.
Auch hier gilt, dass ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfand- 2788 rechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen ist. Die vom BGH BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343.
dazu aufgestellten Rechtsgrundsätze sind insoweit auf § 309 Abs. 1 AO übertragbar. Obwohl § 258 AO – anders als § 765a – neben der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung auch ihre einstweilige Beschränkung vorsieht, bietet jedenfalls § 309 Abs. 1 AO keine rechtliche Grundlage für eine Modifizierung der Pfändungsverfügung. Eine Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung, die unter Rangwahrung lediglich das Arrestatorium für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit suspendiert, ist daher nicht möglich. Das Arrestatorium ist neben dem an den Vollstreckungsschuldner gerichteten Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (Inhibitorium), unverzichtbarer Bestandteil der Pfändung einer Geldforderung. Mit der Aufhebung des Arrestatoriums durch die Vollstreckungsbehörde wird daher die Pfändung aufgehoben und nicht lediglich beschränkt. Ob Kreditinstitute, was mit ihrer Zustimmung möglich ist, trotzdem eine 2789 Ausnahme von der Ablehnung von Ruhendstellungen nach § 258 AO in den Fällen machen wollen, in denen keine Haftungsrisiken drohen und kein wesentlicher Mehraufwand verursacht wird, muss jedes Haus für sich entscheiden. Davon wäre allerdings nur auszugehen, wenn das Finanzamt die rangwahrende Ruhendstellung gem. § 258 AO ohne jegliche zusätzliche Vereinbarungen zulasten des Drittschuldners erklärt. Dies würde bedeuten, das Finanzamt müsste die Pfändung aussetzen, auf die Rechte aus der Einziehungsverfügung – ggf. bis zu seinem Widerruf – gem. § 316 Abs. 3 AO i. V. m. § 843 vollständig verzichten, gegenüber dem drittschuldnerischen Kreditinstitut erklären, dass der Schuldner uneingeschränkt über sein Konto verfügen darf und – soweit vorhanden – dass es eine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen dem Finanzamt und Schuldner eigenständig – ohne Zuhilfenahme des Kreditinstitutes – überwacht. Auch die „Bedingung“, dass im Falle, dass ein nachrangiger Gläubiger durch eine weitere Kontopfändung hinzutritt, die Ruhendstellungserklärung „automatisch wiederauflebt“ darf grds. nicht gestellt sein. Will das Finanzamt die Ruhendstellung beenden, muss es selbst aktiv werden und die Ruhendstellung widerrufen. In diesem Fall (siehe nachfolgende Formulierung) wäre eine Ruhendstellung durch „Beschränkung“ akzeptabel und könnte von Kreditinstituten auch akzeptiert werden. Für diese Zustimmung darf das Kreditinstitut ein angemessenes Entgelt erheben.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung Formulierung (gerichtet an das Kreditinstitut): „Die o. g. Pfändungsverfügung wird unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs rangwahrend ruhend gestellt. Auf die Rechte aus der Einziehungsverfügung wird bis zu einem Widerruf verzichtet. Das Kreditinstitut wird ermächtigt, Verfügungen des Schuldners über seine Konten uneingeschränkt zuzulassen, auch zur Zahlung an Dritte oder Kontoüberträge auf andere Konten des Schuldners.“ Optional, falls der Schuldner ein P-Konto unterhält: „Eine Anrechnung der Verfügungen auf etwaige Freibeträge nach §§ 899 ff. erfolgt auch bei späterer Wiedereinsetzung der Pfändung nicht.“
2790 Der teilweise von Finanzämtern alternativ praktizierte isolierte Verzicht allein auf die Einziehungsverfügung (nicht aber auch die Ruhendstellung der Pfändungsverfügung) nach § 843 Satz 1 hilft nicht weiter. Die beabsichtigte Folge, den rangwahrenden Erhalt der Pfändung durchzusetzen, dem Schuldner aber zu ermöglichen, weiter über sein Konto zu verfügen, muss das Kreditinstitut in diesem Fall nicht akzeptieren. Denn im Ergebnis würde das der Situation entsprechen die entstünde, wenn von Anfang an nur eine Pfändungsverfügung ohne Einziehungsverfügung vom Finanzamt erlassen worden wäre. Dies würde daher nur zur Blockade des Kontos führen, ohne dass der Drittschuldner Verfügungen zulassen dürfte. Zusammenfassend: 2791 Die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckungsmaßnahme durch eine Vollstreckungsbehörde im Rahmen des § 258 AO oder § 9 Abs. 1 JBeitrO muss von drittschuldnerischen Kreditinstituten beachtet werden. Das gleiche gilt für Beschränkungen oder die Aufhebung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht im Rahmen des §§ 765a, 775 Nr. 4. Sie stellen insoweit keine (zustimmungspflichtigen) Ruhendstellungen dar. 2792 Handelt es sich aber um eine andere, entweder nicht auf diesen Rechtsgrundlagen basierende oder anderweitig modifizierende Ruhendstellung, muss das drittschuldnerische Kreditinstitut sie nicht akzeptieren. § 258 AO taugt nicht dazu, dem Schuldner einen Vollstreckungsaufschub zu gewähren (meist gegen ein Ratenzahlungsvereinbarung), wenn das drittschuldnerische Kreditinstitut gleichzeitig anwiesen wird, keine Beträge mehr einzubehalten (ggf. bis auf Widerruf). Damit würde die Pfändungsverfügung unzulässigerweise aufrechterhalten bleiben und gegenüber später zugestellten Pfändungen Vorrang haben. Das hat aber der BFH für unzulässig erklärt. BFH Urt. v. 16.5.2017 – VII R 5/16, ZInsO 2017, 1854. Der Verzicht auf die Wirkung des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung ist wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht nicht möglich. § 258 AO lässt – insoweit weitergehend als § 765a – neben der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung auch die „einstweilige Beschränkung“ zu; § 309 Abs. 1 AO stellt aber eben keine rechtliche Grundlage für eine „Modifizierung der Pfändungsverfügung“ dar, so Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.16.2.
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9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung
Eine einstweilige Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme nach § 9 Abs. 1 2793 JBeitrO setzt im Übrigen voraus, dass der Schuldner eine Einwendung dagegen erhebt. Ein Antrag oder lediglich die Bitte eines Schuldners, die Zwangsvollstreckung einzustellen, wäre dagegen keine Einwendung i. S. d. § 9 Abs. 1 JBeitrO. Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.16.2.
d) Sonderfall abweichende Bestimmung pfändungsfreier Beträge im Rahmen des Landes-Verwaltungsvollstreckung Eine davon zu unterscheidende Möglichkeit haben die Landes-Vollstreckungs- 2794 behörden regelmäßig im Rahmen der LVwVG. Z. B. § 55 Satz 2 Teilsatz 1 NVwVG: „Wird die Vollstreckung wegen eines Zwangsgeldes, eines Bußgeldes, eines Ordnungsgeldes oder wegen einer Forderung aufgrund der für die Einweisung in eine Unterkunft wegen Obdachlosigkeit gezahlten Nutzungsentschädigung betrieben, so kann die Vollstreckungsbehörde den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c der Zivilprozessordnung vorgesehene Beschränkung bestimmen.“
Sie können den pfändungsfreien Betrag bei Vollstreckung wegen solcher 2795 Forderungen abweichend festlegen. Heuser, NVwVG, § 55 Rn. 4, weist zur Begründung darauf hin, dass die Pfändungsfreigrenzen in § 850c auch Anteile für erforderliche Wohnraumkosten beinhalten, die ein Obdachloser tatsächlich nicht zu bestreiten hat. Ihm diese zu belassen und nicht auf die Unterbringungskosten zu verrechnen, wäre „widersinnig“.
Diese Vorschriften sind zumeist dem § 850f nachgebildet, nach welchem der 2796 Schuldner bei unerlaubten Handlungen bis zur Grenze seiner persönlichen Leistungsfähigkeit einzustehen hat. vgl. Heuser, NVwVG, § 55 Rn. 2.
Bußgelder und Ordnungsgelder etc. weisen Parallelen zur unerlaubten Hand- 2797 lung auf, so dass eine bevorrechtigte Pfändbarkeit möglich ist. Regelmäßig ist die Vorschrift auf Pfändungsschutzkonten übertragbar, so 2798 dass die Vollstreckungsbehörde wegen dieser bevorrechtigten Forderungen auch einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen kann. Beispiel: Schuldner S schuldet der Kommune M ein Ordnungsgeld. M pfändet das Konto des S und legt in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung einem vom Grundfreibetrag des § 899 Abs. 1 abweichenden monatlichen Freibetrag i. H. v. nur 1.000 € fest. Das drittschuldnerische Kreditinstitut K meint dies nicht beachten zu müssen, weil es sich nur an S richtet und nur auf Arbeitseinkommen bezieht. Zu Recht?
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
Nein, wenn M dem K die Festsetzung bekannt macht, hat K diesen niedrigeren Freibetrag im Verhältnis zu K zu beachten. § 55 Satz 3 NVwVG, der explizit auch auf die Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung bei Pfändungsschutzkonten hinweist, lässt das zu. Mithin nimmt die Vollstreckungsbehörde diese Aufgabe anstatt des zivilgerichtlichen Vollstreckungsgerichts in eigener Zuständigkeit wahr. Heuser, a. a. O., Rn. 6 unter Verweis auf VGH Mannheim, Beschl. v. 17.5.2017 – 2 S 894/17, NVwZ-RR 2017, 890; vgl. für die Verwaltungsvollstreckung nach Bundesrecht § 910.
Voraussetzung ist aber, dass in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung dem Drittschuldner die Pfändung einer privilegierten Forderung und die Festsetzung des pfandfreien Betrags angezeigt wird. Wichtig: Der Freibetrag darf von K nur im Verhältnis zur Pfändung der M, nicht auch weiterer Pfändungsgläubiger berücksichtigt werden. e) Ruhendstellung/Aussetzung beim P-Konto 2799 Trotz des Bestehens eines P-Kontos gibt es weiterhin Ruhendstellungen, allerdings wenige und zumeist nur bei Freiberuflern und Selbstständigen, die eine schnelle Regelung benötigen. 2800 Von der Verwendung folgender sinngemäßer Klausel im P-Kontoumwandlungsantrag ist allerdings dringend abzuraten: „Angesichts der automatischen Gewährung von Pfändungsschutz wird das Kreditinstitut etwaigen Anträgen auf Aussetzung oder Ruhendstellung von Vollstreckungsaufträgen nicht zustimmen.“
2801 Trotz der Rechtsprechung des BGH und des BFH, BGH, 2.12.2015 – VII ZB 42/14, ZIP 2016, 343 für einen PfÜB, dazu Besprechung von Sudergat, EWiR 2016, 159 und BFH, Urt. v. 16.5.2017 – VII R 5/1, juris, für eine PfEV,
bestehen Bedenken an der AGB-rechtlichen Zulässigkeit eines solchen klarstellenden Hinweises. Dadurch könnte eine Kunde, die möglichen Sanktionen eines Gläubigers fürchtend, ggf. lieber auf die Umwandlung in ein P-Konto verzichten, was die Erreichung eines P-Kontos durch diesen Hinweis erschweren könnte und wäre damit AGB-rechtwidrig wäre. 2802 Zusätzliche Probleme zu den oben genannten entstehen beim P-Konto dadurch, dass es nicht nur Ruhendstellungen gibt, die dem Kontoinhaber eine unbeschränkte Verfügung über sein Kontoguthaben ermöglichen, sondern auch solche, die beispielsweise den gesetzlich vorgesehenen Freibetrag erhöhen. Hier stellt sich dann die Frage, wie bei Wiedereinsetzung der Pfändung, ob und wie bisherige Verfügungen zu berücksichtigen sind. Im ersten, unproblematischen Fall wird die Berechnung der gesetzlichen Freibeträge neu einsetzen. Die in dem Monat bereits vorgenommenen Verfügungen des Kontoinhabers werden daher nicht berücksichtigt.
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9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung
Beispiel: Das Konto des Schuldners S wird von Gläubiger G mit einer Kontopfändung belegt. S schließt mit G eine Ratenzahlungsvereinbarung. G erklärt daraufhin die Kontopfändung dem Kreditinstitut gegenüber unter dem Vorhalt jederzeitigen Widerrufs als „ruhend“ und erklärt S können über sein Konto frei verfügen. Als S die Ratenzahlung nicht einhält, widerruft G die Ruhendstellung. Ab diesem Zeitpunkt kann S nun nur noch über Guthaben bis zur Höhe des Grundfreibetrages verfügen. Lösung: Eine solche Ruhendstellung wird man im Hinblick auf die Freibeträge als (vorübergehende) Aussetzung der Vollziehung der Kontopfändung zu werten haben (siehe oben Rn. 2789). Verfügungen über ein P-Konto in einer pfändungsfreien Zeit unterliegen daher keinen Beschränkungen. Siehe dazu Rn. 2814 (pfändungsfreies P-Konto) und Rn. 1196 (Vorverfügungen).
Widerruft der Gläubiger die Ruhendstellung oder endet sie automatisch wegen 2803 Zustellung einer weiteren Kontopfändung, weil sie auch unter dieser in der Praxis häufig vorzufindenden Bedingung stand (die ein Kreditinstitut aber nicht akzeptieren sollte und auch nicht muss), wird der gesetzliche Freibetrag neu aktiviert, ohne dass die in der Zeit vor der Wiedereinsetzung der Kontopfändung vorgenommenen Verfügungen angerechnet würden. Haftungsfalle: Fraglich kann aber sein, wenn die zugrundeliegende Bescheinigung für einen 2804 erhöhten Freibetrag bei Wiedereinsetzung der Pfändung bereits mehrere Jahre alt ist, ob sie dann auch noch als Grundlage für die Wiederaktivierung eines erhöhten Freibetrages dienen kann. § 903 Abs. 2 Satz 2 würde das grundsätzlich ermöglichen, vgl. Rn. 1826. Eine „Bestätigung“ eines oder aller aktueller Pfändungsgläubiger, dies zu akzeptieren, würde wohl nicht helfen, da spätere Nachranggläubiger daran nicht gebunden wären. Einfach davon auszugehen, dass der alte, hinterlegte, Freibetrag weitergilt und wieder aktiviert wird, ist daher nicht gänzlich frei von Haftungsrisiken, auch wenn sie aus Sicht des Autors gering sein dürften. Trotzdem spricht auch das eher gegen die Akzeptanz von Ruhendstellungen. Die Nicht-Anrechnung scheitert aber, wenn nicht uneingeschränkte Verfü- 2805 gungen durch den Gläubiger zugelassen, sondern lediglich Erhöhungen der gesetzlichen Freibeträge zugestanden werden. Beispiel: Das Konto des Schuldners S wird im Dez. 2021 von Gläubiger G mit einer Kontopfändung belegt. S schließt mit G eine Ratenzahlungsvereinbarung. G erklärt 753
XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
daraufhin die Kontopfändung dem Kreditinstitut gegenüber unter dem Vorhalt jederzeitigen Widerrufs als „ruhend“ und erklärt S könne statt über den gesetzlichen Grundfreibetrag i. H. v. gerundet 1.260,00 € monatlich über Guthaben i. H. v. 1.400 € frei verfügen. 2806 Im Zweifel werden bei dieser Konstellation die (höheren) Freibeträge fortgeschrieben und mit Ende der Ruhendstellung gelten wieder die gesetzlichen Freibeträge. Verfügungen im Zeitraum der Ruhendstellung werden dann angerechnet. Fortführung Beispiel: Im Jan. bis April hält S die Ratenzahlung ein. Im Mai zahlt S nicht. G widerruft daraufhin die Ruhendstellung am 16.5.; im Mai hat S bereits 1.400 € verfügt. Lösung: Grundsätzlich wären hier – mangels gesetzlicher Regelung – verschiedene Varianten denkbar: a) die Vorverfügungen i. H. v. 1.400 € führen dazu, dass S im Mai, für den ab 16.5. durch den Widerruf wieder der gesetzliche Grundfreibetrag i. H. v. gerundet 1.260,00 € gilt, nichts mehr abheben/verfügen darf (dazu würde der Autor tendieren, denn der Pfändungsschutz soll nur das Existenzminimum sichern) b) die Vorverfügungen i. H. v. 1.400 € werden nicht angerechnet, sondern der Widerruf führt dazu, dass der gesetzliche Grundfreibetrag nun neu einsetzt und S im Mai nochmals bis zur Höhe des gesetzlichen Grundfreibetrages i. H. v. gerundet 1.260,00 € abheben/verfügen darf. c) die Vorverfügungen i. H. v. 1.400 € werden i. H. v. 140 € (Differenz zwischen den beiden Freibeträgen) angerechnet. Der Widerruf führt dazu, dass zwar der gesetzliche Freibetrag nun neu einsetzt, S im Mai aber vom gesetzlichen Freibetrag i. H. v. gerundet 1.260,00 € nur noch 1.120 € (1.260 € – 140 €) übrig hat. 2807 Hinweis: Würde eine Ruhendstellungsvereinbarung in selben Monat der Gewährung schon wieder enden oder widerrufen werden, wäre zudem fraglich, welche Verfügungen angerechnet werden müssten: nur die vor der Ruhendstellung oder aber alle, auch die während der Ruhendstellungsphase. 2808 Hieraus wird klar, dass solche Fälle unbedingt einer (vorherigen) Regelung bedürfen. Vereinbarungen, die nur zwischen Schuldner und Gläubiger getroffen werden, muss ein Kreditinstitut nicht akzeptieren. Es würde weiteren zusätzlichen Aufwand verursachen – allein die Eingabe und Disposition eines höheren Freibetrages – und, wie aufgezeigt, auch weitere Zweifelsfragen aufwerfen, die das Haftungsrisiko erhöhen. Auch die Frage, der automatisierten Überwachung einer solchen ggf. befristeten Unpfändbarkeit ist zu berücksichtigen, denn die
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9. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung Frage der Anrechnung auf die Freibeträge bei Widerruf kann ggf. nicht automatisiert, sondern nur aufwändig manuell abgebildet werden.
Der Autor rät daher dazu, insbesondere solche Ruhendstellungen nichtmehr 2809 zu akzeptieren. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, BVR, hat bereits seinerzeit bei Inkrafttreten der Reform im Jahre 2010 gegenüber seinen Mitgliedsinstituten angeregt, dass diese veränderte Rechtslage „Anlass geben könnte, die geschäftspolitische Entscheidung zu überprüfen, ob Ruhendstellungsvereinbarungen zwischen Schuldner (Kontoinhaber) und Pfändungsgläubiger künftig akzeptiert werden sollen“.
Dies auch deshalb, weil mit § 907 ein – allerdings zuvor, als es noch in § 850l 2810 a. F. geregelt war, noch unzureichend genutztes – Instrument zur Verfügung steht, das das befristete Ruhen der Pfändung gesetzlich und ohne Auflagen und Haftungsrisiken möglich macht. Insofern mag der Autor auch nicht die Ansicht von Goebel teilen, Goebel, Rn. 104,
der meint, dass dadurch, dass die Kreditinstitute ohnehin die Folgen der befristeten Unpfändbarkeit gem. § 907 (§ 850l a. F.) technisch umsetzen müssen, ein „wesentliches Argument“ fehle, die Ruhendstellung nicht auch „außerhalb der Voraussetzungen des § 907 (§ 850l a. F.) Rechnung zu tragen“. Dies verkennt, dass die gerichtliche befristete Unpfändbarkeit keine Auflagen für das drittschuldnerische Kreditinstitut vorsieht, wie dies bei der Ruhendstellung im Wege eines Vollstreckungsvertrages regelmäßig der Fall ist (z. B. Wiederaufleben bei Eingang einer zweiten Pfändung). Zudem ist die gerichtliche Unpfändbarkeit klar befristet (max. 12 Monate), während eine Ruhendstellung ein „offenes Ende“ hat. Das erhöht die Haftungsrisiken (und den Arbeitsaufwand) für Kreditinstitute. Weil außerdem die Folgen einer solchen Ruhendstellung wie geschildert im Hinblick auf die Freibeträge unklar sind, ist Kreditinstituten, die Ruhendstellungen gleichwohl im Interesse ihrer Kunden akzeptieren wollen, zu empfehlen, durch eine dreiseitige Vereinbarung (Schuldner, Gläubiger, Drittschuldner) genau zu klären, was dies für alle Beteiligten – auch im Falle des Widerrufs – bedeuten soll. Diesen Zusatzaufwand, wenn man ihn denn auf Seiten der Kreditinstitute machen will, wird man sich entgelten lassen. Als „Sonderleistung“ besteht an der Möglichkeit hierfür ein Entgelt zu verlangen, kein Zweifel. Folgender Aspekt dürfte in Zukunft auch dazu führen, dass von den Möglich- 2811 keiten des § 258 AO – jedenfalls bei natürlichen Personen mit P-Konto – weiterhin kaum Gebrauch gemacht werden wird: Die einstweilige Einstellung der Pfändung über § 258 AO setzt nämlich voraus, dass im Einzelfall die Vollstreckung „unbillig“ ist. Angesichts des durch das P-Konto gewährleisteten Grundfreibetrages sowie die umfassenden Möglichkeiten, Pfändungsschutz oder den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angepasste höhere
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
Freibeträge zu erhalten, dürfte eine „Unbilligkeit“ gar nicht mehr entstehen können. Der Schuldner ist hinsichtlich seines Existenzminimums geschützt, ggf. unter Zuhilfenahme der § 899 Abs. 1 Satz 2 (Rückwirkung) und § 835 Abs. 3 und § 900 (Moratorien), sodass die Vollstreckung – die ja dann dadurch nur noch pfändbares Guthaben erfassen kann – nicht mehr unbillig ist. Damit ist die Grundlage für § 258 AO entfallen. So auch Schreiben der Oberfinanzdirektion Niedersachsen v. 16.8.2011 an die niedersächsischen Finanzämter.
10. Mehrfach-Pfändungen/Hinterlegung 2812 Gehen mehrere Pfändungen ein, gilt das Prioritätsprinzip des Zwangsvollstreckungsrechts (§ 804 Abs. 3). Das frühere Pfändungspfandrecht geht den zeitlich späteren vor (Zustellungsreihenfolge). In § 121 Abs. 1 Satz 5 GVGA heißt es: „Ist der Gerichtsvollzieher mit der Zustellung mehrerer Pfändungsbeschlüsse an denselben Drittschuldner beauftragt, so stellt er sie alle in dem gleichen Zeitpunkt zu und vermerkt in den einzelnen Zustellungsurkunden, welche Beschlüsse er gleichzeitig zugestellt hat.“
2813 Solche gleichzeitig zugestellten Pfändungen sind gleichrangig, wobei die Uhrzeit der Zustellung ebenfalls eine Priorisierung vornehmen kann. Wichtig: Bei Pfändung künftiger Forderungen, entsteht das Pfandrecht erst mit dem auf die Fälligkeit folgenden Tag. Verbunden mit Pfändungsaussetzungen sowie den Freibeträgen der §§ 899 ff. lauern hier verschiedene Haftungsfallen. 2814 Häufige Fehlersituationen in der Praxis sind: x
Es können einzelne Pfändung ausgesetzt/ruhend gestellt sein (Ausnahme: Anordnung einer befristeten Unpfändbarkeit gem. § 907; diese wirkt kontobezogen, nicht pfändungsbezogen).
x
Es können, insbesondere wegen unterschiedlicher Ansprüche (Unterhaltsforderungen, Ansprüche aus vorsätzlich unerlaubter Handlung oder aus Zwangsgeld, Buß- oder Ordnungsgeld oder Nutzungsentschädigung wegen Obdachlosenunterbringung), unterschiedlich hohe Freibeträge festgesetzt worden sein. Zu beachten ist genau, welcher Betrag für welche Pfändung freigestellt wird. Siehe dazu Beispiel Rn. 1979.
x
Pfändungsaussetzungen/Ruhendstellungen können mit der Auflage verbunden sein, dass mit Eingang einer neuen Pfändung, auch die Aussetzung/ Ruhendstellung als widerrufen gilt. In diesem Falle ist die Priorisierung neu vorzunehmen.
x
Gleiches gilt für das Verhältnis von Nur-Pfändungen (zumeist die Vorpfändung) und PfÜB: Hier ist ggf. die rückwirkende Rangwirkung bzw. Rangänderung zu beachten.
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10. Mehrfach-Pfändungen/Hinterlegung
x
Im Rahmen bestehender Freibeträge nach dem Pfändungsschutzregime der §§ 899 ff. kann folgende Situation entstehen:
Beispiel: Ein erster PfÜB i. H. v. 300 € wird durch Zahlung am 11.4. erledigt. Ein zweiter PfÜB geht im selben Monat am i. H. v. 500 € am 20.4. ein. S, der einen Grundfreibetrag i. H. v. gerundet 1.260,00 € hat, hat im Zeitraum vom 12.4. bis 19.4. von seinem Guthaben bereits 1.200 € verfügt. 200 € sind noch auf dem Konto, von denen er am 24.4. nochmals 100 € am GAA abhebt. Kann S noch nicht verbrauchtes Guthaben übertragen? Lösung: Ja. Die Kontoentwicklung sieht dabei folgendermaßen aus: 1.700 € (Kontostand Anfang April) ./. 300 € (Bezahlung der 1. Pfändung) = 1.400 € 1.400 € ./. 1200 € (Verfügungen bis 19.4.) = 200 € (Rest-Kontoguthaben) Dazwischen: Eingang 2. Pfändung, die den Grundfreibetrag (wieder) aktiviert i. H. v. 1.260 € (gerundet, Stand: bis 30.6.2022) 200 €, (= nach Vorverfügungen i. H. v. 1.200 €) ./. 100 € = 100 € 100 € kann S als nicht verbraucht 3 Monate übertragen. Die Verfügungen i. H. v. 1.200 € im Zeitraum vom 12.4. bis 19.9. erfolgten in einer Phase, als das Konto pfändungsfrei war. Damit wurde auch kein Grundfreibetrag ausgelöst. Dieser war mit Bezahlung der ersten Pfändung wieder deaktiviert worden. Diese Verfügungen werden auf den neuerlichen vollständigen Freibetrag, der mit Eingang der zweiten Pfändung ausgelöst wird, nicht angerechnet. BT-Drucks. 16/12714, S. 19.
S kann also im Monat April über insgesamt 1.300 € verfügen, obwohl sein Konto in diesem Monat mit zwei Pfändungen belegt war und er nur einen Grundfreibetrag i. H. v. gerundet 1.260,00 € hatte. Darüber hinaus kann er auch noch 100 € nicht verbrauchtes Guthaben in die nächsten drei Folgemonate übertragen. Denn als der zweite PfÜB einging und den neuen Grundfreibetrag aktivierte, waren noch 200 € Guthaben vorhanden, von dem er nur 100 € noch im April abgehoben hatte. Dieses Ergebnis ist nur vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass S in einer pfändungsfreien Zeit Verfügungen traf und der gesetzgeberischen Entscheidung, die Berechnung des Grundfreibetrages nicht durch die Berücksichtigung von Vorverfügungen zu verkomplizieren. Schumacher, ZVI 2009, 313, 319 unter Verweis auf Stöber. Daran hat das PKoFoG nichts geändert.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
Wäre dagegen die erste Pfändung erst erledigt worden, nachdem auch die zweite schon zugestellt war, hätte S nur einen Grundfreibetrag i. H. v. gerundet 1.260,00 € für den gesamten Monat aktivieren können. Dies gilt ebenso für gleichrangige Forderungen: es gibt nur einen Freibetrag pro Monat und nicht einen Freibetrag pro Monat und PfÜB. Keine wirkliche Ausnahme von diesem Grundsatz stellt es dar, wenn dieser eine Freibetrag unterhalb der Obergrenze eine unterschiedliche Tiefe des Zugriffs auf Guthaben zulässt. So kann dem Schuldner, wenn sein Gläubiger ein Unterhaltsgläubiger ist, sein Gläubiger wegen Ansprüchen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung oder auf Grundlage z. B. des § 55 NVwVG pfändet, weniger von seinem Freibetrag verbleiben als wenn gleichzeitig auch noch ein herkömmlicher Gläubiger pfändet, vgl. dazu Rn. 1979. In diesem Fall wären dann innerhalb eines maximalen Freibetrages unterschiedliche hohe Freibetragsgrenzen je nach Gläubiger zu berücksichtigen.
2815 Ist unklar, an wen zu zahlen ist, besteht nach § 853 die Möglichkeit, den Betrag beim Amtsgericht, das den ersten Beschluss erlassen hat, zu hinterlegen. Auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung überwiesen wurde, muss hinterlegt werden. Konkurrieren ausnahmsweise hinsichtlich derselben Forderung Abtretung und Pfändung, kann der Drittschuldner nicht nach § 853, sondern muss nach § 372 BGB hinterlegen. Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, § 853 Rn. 2.
2816 Auch wenn nicht geklärt werden kann, ob die Pfändung wirksam ist, kommt nur eine Hinterlegung nach § 372 BGB in Betracht. 11. Bereicherungsausgleich bei Fehlzahlungen durch Drittschuldner 2817 Grundsätzlich immer dann, wenn der Drittschuldner rechtsgrundlos an den Pfändungsgläubiger gezahlt hat, hat er diesem gegenüber einen Bereicherungsanspruch und kann das Gezahlte zurückverlangen. Vgl. Stöber/Rellermeyer, Rn. B.233 m. w. N.
2818 Leistet der Drittschuldner an den Vollstreckungsgläubiger, weil er irrtümlich davon ausgeht, dass die gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderung besteht, kann er den gezahlten Betrag vom Vollstreckungsgläubiger zurückverlangen. BGH, Urt. v. 13.6.2002 – IX ZR 242/01, NJW 2002, 2871 ff. = ZIP 2002, 1419.
2819 Ob die Pfändung und Überweisung ins Leere gehen, weil die Forderung einem anderen Gläubiger zusteht, oder deswegen, weil sie gar nicht existiert, ist bereicherungsrechtlich im Übrigen irrelevant. BGH, Urt. v. 13.6.2002 – IX ZR 242/01, NJW 2002, 2871 ff. = ZIP 2002, 1419.
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11. Bereicherungsausgleich bei Fehlzahlungen durch Drittschuldner
Häufige Fehlzahlungs-Situationen in der Praxis:
2820
x
Zahlung vor Ablauf der Schutzfrist des § 835 Abs. 3, § 900 und anschließender Umwandlung in ein P-Konto mit rückwirkendem Schutz, sodass der Betrag nochmals an den Schuldner ausgezahlt werden muss;
x
zu hohe Zahlung auf Basis der Mitteilung einer Forderungsaufstellung des Pfändungsgläubigers, obwohl die im PfÜB ausgewiesene Forderung niedriger ist;
x
Erstattung von Zustellkosten anderer Drittschuldner aufgrund mehrerer separat erwirkter PfÜBs (der Drittschuldner muss nur die Kosten und Zustellkosten „dieses“ Beschlusses, nämlich seines eigenen tragen); Die Zustellkosten „dieses“ Beschlusses umfassen aber auch die Zustellkosten an mehrere Drittschuldner, die in demselben Beschluss aufgeführt sind, vgl. dazu auch Rn. 151. Auch Gerichtskosten, die im Beschluss genannt sind, sind umfasst, nicht aber solche, die – z. B. wegen einer (erneuten) Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung) – erst später entstehen. Diese Kosten muss zwar der Schuldner im Endeffekt nach § 788 grundsätzlich tragen, aber sie sind nicht i. R. d. zeitlich vorher erlassenen PfÜBs vom Drittschuldner zu zahlen, um die Pfändung erledigen zu können. Die Formulierung „wegen der in nachstehendem Forderungsberechnung näher bezeichneten Forderungen“ ändert daran nichts, weil eine später erstellte Forderungsaufstellung, die die neuen Gerichtskosten dann enthält, nicht Bestandteil des (ursprünglichen) PfÜBs ist.
x
bei Mehrfach-Pfändung Zahlung an einen rangmäßig nachrangigen Gläubiger (Gefahr besteht besonders bei Pfändungs-Aussetzungen oder Unterhaltspfändungen wegen laufenden und rückständigen Unterhalts).
Der Drittschuldner kann diese Fehlzahlungen in der Regel vom Gläubiger 2821 zwar zurück erlangen, dessen dadurch verursachte Mehrkosten muss er sich allerdings anrechnen lassen. Der Bereicherungsanspruch scheitert im Übrigen regelmäßig nicht an § 814 BGB, wonach das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, da der Drittschuldner in der Regel „irrtümlich“ oder aufgrund eines betriebsinternen Missverständnisses rechtsirrig überweist. BGH, Urt. v. 13.6.2002 – IX ZR 242/01, NJW 2002, 2871 ff. = ZIP 2002, 1419.
Sollten Kreditinstitute aufgrund falscher Disposition bei P-Konten irrtümlich 2822 zu viel an den falschen Pfändungsgläubiger abgeführt haben, gilt das Gleiche. Auch in diesem Fall irrt das Kreditinstitut als Drittschuldnerin über die Reichweite des Einziehungsrechts des Pfändungsgläubigers. Dem Schuldner wird das Kreditinstitut den vorenthaltenen Betrag unverzüglich nochmals zur Verfügung stellen, um erst dann sich die Beträge vom Gläubiger wiederzuholen, vgl. aber nachfolgendes Beispiel unter.
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XIII. Effiziente Drittschuldnerbearbeitung
Haftungsfalle: 2823 Kein Fall der rechtsgrundlosen Zahlung durch den Drittschuldner stellt aber folgender Fall dar: Beispiel: Gläubigerin G hat gegen Schuldner S Kontopfändungen in dessen auf Guthabenbasis bei dem Kreditinstitut K unterhaltenen Pfändungsschutzkonto ausgebracht. Als S im Juli 2022 eine einmalige Geldleistung i. H. v. 1.000 € auf sein P-Konto erhält und deren Charakter mittels Bescheinigung nach § 903 nachweist, verweigerte die K ihm irrtümlich die Auszahlung unter Hinweis auf die erfolgte Pfändung. Als K dann nach Ablauf aller Schutzfristen an G 700 € auskehrt und sich S heftig beschwert, erkennt K seinen Irrtum, schreibt S den Betrag wieder gut und verlangt dann die Rückzahlung von G als ungerechtfertigte Bereicherung nach § 812 BGB. G weigert sich. Zu Recht? Ja! Denn hier hat K letztlich Guthaben an G überwiesen, dass der Pfändung unterlag. Dies zwar nur deshalb, weil K ursprünglich irrtümlich glaubte, an G zahlen zu müssen und nicht an S auszahlen zu dürfen, aber als die Auskehrung an G dann erfolgte, unterlag das Guthaben (inzwischen) der Pfändung und wurde daher nicht mehr rechtsgrundlos, sondern mit Rechtsgrund überweisen, so dass G nicht ungerechtfertigt bereichert war. BGH Urt. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, DGVZ 2018, 158.
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle Entgelte im Zusammenhang mit der Kontopfändungsbearbeitung und P-Konto 2824 erfordern eine hohe Sensibilität der Kreditinstitute. Erstens aus sozialpolitischen Erwägungen heraus, die Wirtschaftsunternehmen, 2825 ggf. mit partieller Ausnahme der Sparkassen, zwar zunächst weniger kümmern werden und kümmern müssen, aber auch vor dem Hintergrund, dass angemessene Entgelte unter das Stichwort Verbraucherschutz und damit auch unter die inzwischen strenge(re) Aufsicht des BaFin fallen. Im Zuge des Kleinanlegerschutzgesetzes von 2015 wurde mit § 4 Abs. 1a FinDAG der BaFin die Befugnis zum kollektiven Verbraucherschutz erteilt und gleichzeitig die Verpflichtung hierzu auferlegt. Die BaFin kann damit Anordnungen treffen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern. Als Missstand wird in § 4 Abs. 1a Satz 3 FinDAG ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbrauchergesetz gesehen. Wenn dieser Verstoß nach seiner Art oder seinem Umfang nicht nur die Interessen einzelner Verbraucherinnen oder Verbraucher, sondern die Allgemeinheit der Verbraucher zu gefährden vermag oder beeinträchtigt, kann ein Eingreifen der Behörde erforderlich sein, vgl. Assmann/Buck-Heeb, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, KapitalanlageR, 1. Teil, § 1 Rn. 3f.
Unangemessen hohe oder gar bereits von der höchstrichterlichen Rechtspre- 2826 chung als unzulässig eingestufte Entgelte trotzdem zu erheben, kann daher ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Hier als Kreditinstitut trotz der entsprechenden Rechtsprechung des BGH nach 2827 dem Prinzip „Wo kein Kläger, da kein Richter“ zu verfahren, ist also riskant bzw. riskanter geworden und kann zudem dazu führen, dass nicht nur Verbraucherschutzverbände auf den Plan gerufen werden. Verbunden mit Abmahnungen und der Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen sowie vor allem einer Image schädigenden Negativ-Presse, gilt es hier besonders zurückhaltend zu sein. Ein hartnäckiger und nachhaltiger Verstoß gegen zivilrechtliche Urteile des BGH könnte im Übrigen sogar auf „charakterliche Mängel des Geschäftsleiters“ eines Kreditinstitutes schließen lassen, die evtl. sogar zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters führen können. Drastische Konsequenz dieses ComplianceRisikos wäre neben der Abberufung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG theoretisch in einem solchen Fall die Kreditinstitutserlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG zu versagen, wenn „Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein Antragsteller oder eine der in § 1 Abs. 2 Satz 1 KWG bezeichneten Personen nicht zuverlässig ist“.
2828
Das BaFin hat in Sachen Verbraucherschutz auch schon „Zähne“ gezeigt. So veröffentlichte die Bafin am 29.1.2021 den Entwurf einer Allgemeinverfügung auf ihrer Internetseite. Beanstandet wurde Zinsberechnung bei Prämiensparverträgen, da die adressierten Kredit-
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle institute angeblich nach dem BGH-Urteil des Jahres 2004 „eigenmächtig in das Vertragsgefüge eingegriffen“ hätten und die aktuelle Zinsberechnung nicht den Vorgaben späterer BGH-Entscheidungen genüge. Abgesehen davon, dass die Deutschen Kreditwirtschaft (DK) diese Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht teilt, scheint fraglich, ob § 4 Abs. la FinDAG eine solche Zuständigkeit des BaFin, die in laufende Zivilprozesse ein- und den Entscheidungen der zuständigen Zivilgerichte vorgreift, überhaupt verleiht. Denn es spricht Einiges dafür, dass der vom BaFin zu beaufsichtigende kollektive Verbraucherschutz nach Maßgabe dieser lediglich „innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags“ verfolgt werden darf, s. Laars, FinDAG, 4. Online-Aufl., 2017, § 4 Rn. 4. § 4 Abs. 1a FinDAG wäre gegenüber dem Zivilrechtsweg somit subsidiär, vgl. Hölldampf/Schultheiß, BB 2020, 651.
2829 Neben grundsätzlichen verfassungsrechtliche Bedenken, weil es in einem demokratischen Rechtsstaat Aufgabe der Gerichte, nicht einer Verwaltungsbehörde ist, Rechtsfragen zu klären, ist auch angesichts der vom Gesetzgeber implementierten Musterfeststellungsklage gem. §§ 606 ff., die gerade verbraucherschutzrelevante Rechts- und Tatsachenfragen einer generellen Klärung durch die zuständigen Zivilgerichte zuführen soll, höchst fraglich, ob zuvor das Eingreifen des BaFin auf Basis des § 4 Abs. 1a FinDAG zulässig ist. Das scheint zweifelhaft. 2830 Eine deutliche Einschränkung von § 4 Abs. 1a FinDAG als Eingriffsgrundlage hat deshalb auch das VG Frankfurt/M. gezogen. VG Frankfurt/M., Urt. v. 24.6.2021 – 7 K 2237/20.F, WM 2021, 1490.
Danach setzt eine Untersagungsverfügung zur Verhinderung oder Beseitigung eines verbraucherschutzrelevanten Missstands gem. § 4 Abs. 1a FinDAG voraus, dass eine generelle Klärung gerade durch die Aufsichtsbehörde geboten erscheint. Diese Voraussetzung ist aber nach Ansicht des VG Frankfurt/M. dann nicht erfüllt, „wenn in absehbarer Zeit eine Entscheidung des BGH zu der für die Verfügung maßgebenden Rechtsfrage zu erwarten ist“. Rott in der Anm. zum Urteil des VG Frankfurt/M., a. a. O., VuR 2021, 430, der sich kritisch zum Urteil äußert, die Eingriffsnorm nicht grds. in Frage stellt, aber konzediert, dass im vorliegenden Fall bereits beim BGH genau diese Rechtsfrage anhängig war, so dass eine „generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes“ nicht geboten war, jedenfalls es an einer Begründung seitens der BaFin fehlte. Insofern war nicht zu begründen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung nicht absehbar war. Eine Untersagungsverfügung zur Verhinderung oder Beseitigung eines verbraucherschutzrelevanten Missstands gem. § 4 Abs. 11a FinDAG setzt aber voraus, dass eine generelle Klärung gerade durch die Aufsichtsbehörde geboten erscheint.
2831 Dem ist aus Sicht des Autors zuzustimmen, da das Erfordernis von § 4 Abs. 1a FinDAG, dass eine „generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheinen muss“, besteht. Diese Einschränkung der Vorschrift hat
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1. Entgelte für die Pfändungsbearbeitung – Allgemein
zur Folge, dass sie – wenn überhaupt – erst dann Rechtfertigungsgrundlage sein kann, wenn verbraucherschutzrechtliche Bestimmungen im Rahmen des ordentlichen meist zivilrechtlich Rechtsweges nicht gewährt wird oder werden kann, was bedeutet, dass eine Maßnahme des nur dann in Betracht kommt, wenn ein Kreditinstitut eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung einer zivilrechtlichen Norm mit verbraucherschützender Wirkung nicht beachtet. Das BaFin darf also keine Maßnahmen erlassen, so das VG Frankfurt/M. zu Recht „wenn konkret absehbar ist, dass es im Rahmen von Rechtsschutzverfahren vor den ordentlichen Gerichten zu einer (ober- oder höchstrichterlichen) Klärung der maßgeblichen Rechtsfrage kommen wird. Denn unter dieser Voraussetzung erscheint ein aufsichtsbehördliches Einschreiten zur ‚generellen Klärung‘ nicht als geboten. Vielmehr obliegt die Klärung der Reichweite des Verbraucherschutzes unter diesen Umständen der (grundsätzlich auch sachnäheren) ordentlichen Gerichtsbarkeit.“
Trotzdem sollten sich Kreditinstitut auch bei der Erhebung und Bemessung 2832 von Bankenentgelten der möglichen Eingriffsbefugnis des BaFin bewusst sein. 1. Entgelte für die Pfändungsbearbeitung – Allgemein Für die Pfändungsbearbeitung (Kontosperren; Drittschuldnererklärung, ggf. 2833 Schuldnerbenachrichtigung) darf der Drittschuldner weder dem Kunden noch dem Pfändungsgläubiger ein Entgelt in Rechnung stellen. BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, ZIP 1999, 1090 = NJW 1999, 2276.
Sämtliche Versuche, das „Kind anders zu nennen“ sind dabei grundsätzlich 2834 zum Scheitern verurteilt: Weder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BGH, Urt. v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, ZIP 2000, 16 = NJW 2000, 651 ff.,
noch als „Benachrichtigungsentgelt“, BGH, Versäumnisurt. v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, ZIP 2001, 504 = NJW 2001, 1419,
wäre eine Verpflichtung des Kontoinhabers möglich, dem Kreditinstitut für die Pfändungsbearbeitung und die Überwachung der Konten ein Entgelt zu bezahlen. Zur völlig berechtigten Kritik daran: vgl. Bitter, in: BankrechtsHdb., § 17 Rn. 9 ff. m. w. N.
Im Übrigen würde es auch nichts helfen, diese „Entgelte“ etwa nicht in den 2835 Preis- und Leistungsverzeichnissen zu veröffentlichen, sondern sie als „interne Anweisung“ an die Pfändungsbearbeitung auszugeben. Dazu hat der BGH im Jahr 2005 entschieden: „Die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen finden nach § 306 a BGB auf bankinterne Anweisungen jedenfalls dann Anwendung, wenn damit
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle die Absicht verfolgt wird, Allgemeine Geschäftsbedingungen zu vermeiden, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zu entgehen und ebenso effizient wie bei der Stellung Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine AGB-rechtlich unzulässige Gebühr zu erheben.“ BGH, Urt. v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, ZIP 2005, 798 = NJW 2005, 1645.
2836 Grundsätzlich bliebe noch die Möglichkeit, ein Entgelt individuell mit dem Schuldner/Kontoinhaber zu vereinbaren. In diesem Fall kämen die §§ 305 ff. BGB nicht zur Anwendung und damit auch die obige Rechtsprechung nicht. Zu Recht weist Bunte aber darauf hin, dass „wegen des Verlusts des Rationalisierungseffektes, aber auch wegen der Notwendigkeit der Standardisierung gerade im Mengengeschäft“ das individuelle Aushandeln eines Entgeltes regelmäßig ausscheiden wird. Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 1, Rn. 3.
2837 Zudem würde der individuelle Charakter schon dann in Frage gestellt werden, wenn das Kreditinstitut in einer Vielzahl von Vereinbarungen stets das gleiche Entgelt mit den gleichen Formulierungen verwenden würde. Dazu OLG Hamm, Urt. v. 17.12.1998 – 5 U 123/98, WM 1999, 2065. Einem Aushandeln stünde aber nicht entgegen, wenn die (andere) Alternative mit Nachteilen verbunden wäre, BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, ZIP 2003, 407, etwa der Kündigung des Kontos, sofern diese rechtswirksam ausgesprochen werden könnte.
2838 Verhandelt das Kreditinstitut ein solches Entgelt erfolgreich rechtswirksam individuell, ginge es im Übrigen der Forderung des Pfändungsgläubigers aufgrund des AGB-Pfandrechtes vor. Bach-Heuker, in: BuB, 125. Lfg., Rn. 2/1305.
2839 Zu denken wäre hier allenfalls an Fälle, bei denen Kunden ständig Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse und damit regelmäßig Aufwand für die Pfändungsbearbeitung beim drittschuldnerischen Kreditinstitut „verursachen“, § 907-Anträge, soweit offensichtlich gegeben, aber nicht nutzen und auch ein (Verbraucher-)Insolvenzverfahren, das eine nachhaltige Entschuldung ermöglichen würde, scheuen. Bei Lichte besehen, werden das aber Ausnahmekonstellationen sein, die an einer Hand abzuzählen sein werden und: Ein in diesen Fällen individuell ausgehandeltes, nicht dem AGB-recht unterfallendes Bearbeitungsentgelt, wenn so etwas denn überhaupt gelingen sollte und der Schuldner der Vereinbarung zustimmen würde, würde die Situation für den Schuldner erstens verschlimmern und zweitens die Grundursache nicht beheben, sondern für das Kreditinstitut allenfalls „leichter erträglich“ machen. Der Autor rät davon ab. Dass die restriktive Rechtsprechung des BGH insbesondere auch deswegen nicht nachvollziehbar ist, weil die Kreditinstitute eigentlich mit der Geschäftsbeziehung zwischen dem pfändenden Gläubiger und dem Schuldner nichts zu tun haben und als Drittschuldner in die Abwicklung dieses Vertragsverhältnisses hinein-
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3. Kontoführungs-Modelle gezogen werden, ändert daran aber leider nichts. Zwar übersteigt der von den Kreditinstituten gesetzliche abverlangte Pfändungsbearbeitungsaufwand den vom Gesetzgeber angenommenen Erfüllungsaufwand bei weitem, aber das ficht den BGH nicht an. Er weigert sich anzuerkennen, Schuldner, die – weil sie ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen – als Verursacher dieses Mehraufwandes anzusehen und sie daran zu beteiligen, nicht einmal teilweise.
2. Entgelt bei „Missbrauchs-Pfändungen“ Ob die obige, restriktive BGH-Rechtsprechung auch für missbräuchliche 2840 Fälle gilt, ist allerdings zu bezweifeln. Dazu zählt, dass ein Kunde, obwohl er in der Lage wäre, den Gläubiger ohne Weiteres zu befriedigen, es aus reiner Bequemlichkeit/Nachlässigkeit, zu einer Pfändung kommen lässt, sog. „Provokations-Pfändung„ oder auch „Buchhaltungs-Pfändung“. Dem Autor sind Fälle aus der Praxis bekannt, bei dem der Kunde z. B. seine fälligen Grundsteuern regelmäßig im Wege der Pfändung durch das Finanzamt „einziehen“ lässt und sein kontoführendes Kreditinstitut damit quasi als „Buchhalter“ missbraucht. Auch der Schuldner, der es – aus welchen Gründen auch immer – trotz Zahlungsfähigkeit auf die Pfändung ankommen lässt, missbraucht grundsätzlich die Arbeitsleistung des drittschuldnerischen Kreditinstituts. In solchen – nachweisbaren – Missbrauchs-Fällen scheint es nach Überzeugung des Autors trotz der BGH-Rechtsprechung vertretbar und billig, ein „Lästigkeits-Entgelt“ zu erheben. Aber auch hier gilt: Das werden Ausnahmekonstellationen sein, die kaum 2841 vorkommen. Dann muss sich ein drittschuldnerische Kreditinstitut fragen, ob das Risiko, sich über die Zulässigkeit der Erhebung eines solchen Entgeltes streiten zu müssen, es nicht schon wert ist, es nicht zu erheben. Das scheint dem Autor in vielen Fällen der bessere, weil unaufwändigere Weg. 3. Kontoführungs-Modelle Dass unterschiedliche Kontoführungs-Modelle die Rechtsprechung des BGH 2842 zu „umgehen“ vermögen, ist nahezu ausgeschlossen. Zwar ergibt sich ohne erhöhte Entgelterhebung eine – nicht einzusehende – Art 2843 „Quersubventionierung der kostenverursachenden durch die preisbewussten und kostensparenden Kunden“. Vgl. Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 9; ebenso Sudergat, Anm. zu BGH, v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11 und – XI ZR 145/12 zu Entgeltklauseln für P-Konten, ZVI 2013, 14, der zudem darauf hinweisend, dass unter den Kreditinstituten eine Wettbewerbsverzerrung eintritt.
Für zu überwachende, gepfändete „Intensiv-Konten“ eine höhere Kontofüh- 2844 rungspauschale (Grundgebühr) zu verlangen und Konten „(einvernehmlich)“ darauf umzustellen, sobald eine Pfändung eingeht und den höheren Arbeitsaufwand durch Überwachung auslöst, ist aussichtslos. Abgesehen davon, dass es ein Verstoß gegen § 899 Abs. 2 Satz 2 darstellen würde („Das Vertragsver765
XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle
hältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut bleibt im Übrigen unberührt“), wäre das Risiko, dass dies als „Umgehung“ der Rechtsprechung des BGH angesehen wird (siehe Rn. 2824) nach der Entscheidung des BGH zu den Kontoführungsentgelten für P-Konten (siehe Rn. 2865) offenbar. 2845 Auch ein „Intensiv-Konto“ als eigenes Kontomodell ist nicht möglich, abgesehen davon, hierfür vorher (!) abstrakt die Voraussetzungen bestimmen zu müssen – was schwierig sein dürfte (oder es nur einer bestimmten KundenKlientel anzubieten, von der man im Vorhinein schon weiß, dass sie dispositionsintensive Konten unterhalten werden – welcher und wer weiß das schon im Vorhinein?) –, würde jedenfalls eine Umstellung anlässlich einer Kontopfändung oder der Umstellung auf ein P-Konto wäre ein Verstoß gegen § 899 Abs. 2 Satz 2 und würde im Zweifel immer als Umgehung der BGH-Rechtsprechung angesehen werden. 2846 Das Umgehungsverbot des § 306a BGB gilt im Übrigen auch für scheinbare Individualabreden. Außerdem: abzuwägen wäre, ob der Aufwand einer nachträglichen Umstellung wirklich zu rechtfertigen wäre. 2847 Fazit: Drittschuldnerischen Kreditinstituten kann nur geraten werden, für die Pfändungsbearbeitung kein irgendwie geartetes, auch nicht mittelbares Entgelt zu erheben. 4. Entgelt bei Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung 2848 Unzweifelhaft dagegen sind Kreditinstitute berechtigt, die Akzeptanz und Beachtung einer Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung von der Zahlung eines Bearbeitungsentgeltes durch den Gläubiger (oder auch den Schuldner, der aber in der Regel nicht zahlungsfähig sein dürfte) abhängig zu machen, da sie damit ein erhöhtes Risiko eingehen und einen erhöhten Kontrollaufwand haben. Zu beachten sind aber Ausnahmemöglichkeiten in der Verwaltungsvollstreckung, siehe Rn.2851.
2849 Soweit der Schuldner die Ruhendstellung verlangt oder ihr zustimmt, kann auch ein Entgelt vom Schuldner verlangt werden. Joeres/Ehlenz, Anm. zu LG Leipzig, Urt. v. 10.3.2010 – 08 O 2211/09, BKR 2010, 261, 264; Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 8.16.6.; a. A. unter völliger Verkennung des damit verbundenen zusätzlichen Arbeitsaufwandes und der Haftungsrisiken für das drittschuldnerische Kreditinstitut (siehe dazu Rn. 2766 und Rn. 2810): Schlichtungsvorschlag des Ombudsmannes der genossenschaftlichen Banken, K 115/10, abgedruckt in: Tätigkeitsbericht der Kundenbeschwerdestelle des BVR 2010, S. 50. „Es kann nicht sein, dass die Überwachung einer Pfändung kostenfrei geleistet werden muss, um deren Nichtüberwachung dann zu bepreisen“. Doch: Nicht die Nichtüberwachung ist das Problem, sondern die einmalige technische Umsetzung der Aussetzung als nicht geschuldeter, sondern von Schuldner und Drittschuldner gewünschter
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4. Entgelt bei Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung Sonderaufwand und die mit ihr verbundenen Haftungsrisiken. Im Übrigen ist die Überwachung der Pfändung (eigene) gesetzliche Pflicht, die Zustimmung zu und Überwachung der Aussetzung aber eben nicht.
Dies ist auch über Allgemeine Geschäftsbedingungen möglich (z. B. im Preis- 2850 und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstitutes). Allerdings ist hierbei zu beachten, dass geregelt werden muss, dass der Kunde in irgendeiner Form mitwirkt, dass also die Ruhendstellung nicht ausschließlich auf der Initiative des Gläubigers beruht, sondern der Schuldner ihr entweder ausdrücklich zustimmt oder sie – mit Zustimmung des Gläubigers – selbst verlangt. Ansonsten kann es bei kundenfeindlichster Auslegung dazu führen, dass eine solche Entgeltklausel unwirksam ist. LG Leipzig, Urt. v. 10.3.2010 – 08 O 2211/09, BKR 2010, 261. Formulierung: AGB-Klausel „Aussetzung/Ruhendstellung einer Pfändung (Beachtung einer entsprechenden schriftlichen Erklärung durch vollstreckende Gläubiger) soweit der Kunde daran ebenfalls mitwirkt und die Aussetzung/Ruhendstellung nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung seitens des Kreditinstitutes kostenfrei geschuldet ist … € pro Aussetzung.“ (In der Praxis werden dafür Entgelte zwischen 25 – 50 € erhoben.) Eine Garantie, dafür dass diese Formulierung jeder gerichtlichen Überprüfung stand hält, kann der Autor allerdings leider nicht übernehmen.
Ausnahmen: Erfolgt eine Ruhendstellung nach § 258 AO bzw. der Verwal- 2851 tungsvollstreckung oder § 9 Abs. 1 JBeitrO im in diesem Skript beschriebenen Sinne (Rn. 2791), ist allerdings ein Entgelt nicht durchsetzbar, weder über eine AGB-Klausel noch individualvertraglich. Wenn durch die Vollstreckungsbehörde i. R. eines Verwaltungsaktes eine einstweilige Einstellung oder Pfändungsbeschränkung erfolgt, so ist die Befolgung durch das Kreditinstitut als Drittschuldnerin Erfüllung einer „gesetzlichen Pflicht“ und keine Sonderleistung für bzw. im Interesse des Kunden Joeres/Ehlenz, Anm. zu LG Leipzig, Urt. v. 10.3.2010 – 08 O 2211/09, BKR 2010, 261, 264; ebenso VE 2007, 57 und vorliegend unter Rn. 2784 ff.
Hier unterscheidet sich die Konstellation nicht von einer gerichtliche Pfän- 2852 dungsbeschränkung/-aufhebung i. R. d. § 775 Nr. 4 bzw. § 765a. Gleiches gilt auch für die Anordnung einer befristeten Unpfändbarkeit i. R. d. § 907. Siehe dazu Rn. 2078 ff.
Die Befolgung der Anordnung der befristeten Unpfändbarkeit (für maximal zwölf Monate) gem. § 907 durch das Kreditinstitut, ist ebenfalls eine gesetzliche Pflicht und ebenfalls keine bepreisbare „Sonderleistung“ zugunsten des Kunden. 767
XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle
5. Weitere unzulässige Entgelt-Möglichkeiten 2853 Kreditinstitute waren teilweise – um aus verständlichen Gründen die Kosten der Pfändungsbearbeitung einigermaßen im Griff zu behalten – diesbezüglich sehr kreativ. So wurden beispielsweise in der Vergangenheit schon mal in der Praxis Entgelte erhoben für x
den „Pfändungseingang“ (4 – 5 €),
x
einen „Benachrichtigungsaufwand“ (teilweise bis zu 18 €),
x
„Kontensperren“ (4 – 6 €),
x
Kontoauszugsinformation (teilweise bis zu 30 €).
2854 Sie stellen alle unzulässige Entgelte für die Pfändungsbearbeitung dar, wenn die dahinterliegenden Leistungen nicht einen echten Gegenwert darstellen oder allen pauschal in Rechnung gestellt werden. Werden Entgelte allen Kontoinhabern in Rechnung gestellt, ist das grundsätzlich zulässig. Es dürfen dann aber keine Rückvergütungsoptionen dieser Entgelte vereinbart sein, die von vorne herein nur nicht gepfändete Kundenkonten erfüllen können. Auch dann wäre es eine Umgehung er BGH-Rechtsprechung, gesetzliche geschuldete Leistungen nicht bepreisen zu können.
2855 Auch gibt es Modelle, die Telefonverbindungen, derer sich Pfändungsgläubiger und/oder Schuldner bei Rückfragen bedienen, beim Drittschuldner kostenpflichtig auszustatten („Pfändungs-Hotline“). 2856 Das scheint rechtlich unproblematisch, da eine Rückfragen-Option nicht gesetzlich geschuldet ist, zumal die Kosten dafür nicht „Kosten der Pfändungsbearbeitung“ sind. Durch die Vorschriften des TKG ist zudem gewährleistet, dass der Schuldner auf die Kosten hingewiesen wird und er sie zudem vermeiden kann. 6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto 2857 In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Bundestags-Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 22.4.2009, hat sich der Gesetzgeber zu der Frage, ob ein Entgelt im Zusammenhang mit dem P-Konto erhoben werden darf, eindeutig geäußert: „Ein Sonderentgelt für die Umstellung nach § 850k Abs. 7 Satz 2 (damals noch ‚n. F.‘, inzwischen ‚a. F.‘) ist mit dieser Rechtsprechung nicht vereinbar. Auch für die Führung des Pfändungsschutzkontos darf die Preisgestaltung der Banken jedenfalls das für ein allgemeines Gehaltskonto Übliche nicht übersteigen.“ Ebenso: Schumacher, ZVI 2009, 313, 319.
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6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto
a) Umwandlung Hier war der Gesetzgeber – allerdings auch nur in den insoweit unverbind- 2858 lichen Beschlussempfehlung – schon 2010 relativ klar: Kein Entgelt für die Umwandlung! So auch OLG Köln, Beschl. v. 19.5.2011 – 13 U 50/11, BeckRS 2013, 3861.
Aber auch der BGH hat entschieden, dass für die Umwandlung in ein P-Konto, 2859 die auf Antrag des Kunden gesetzlich geschuldet wird, kein Entgelt erhoben werden darf. BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11 (OLG Nürnberg), NJW 2013, 995, TZ 47.
Durch die Regelung in § 850k Abs. 2 Satz 2 „Das Vertragsverhältnis zwischen 2860 dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut bleibt im Übrigen unberührt.“ ist es nunmehr auch gesetzlich ausgeschlossen, anlässlich der Umwandlung andere als die bisherigen Entgelte zu erheben. Das schließt spätere, agb-konform erhobene höhere Entgelte natürlich nicht für alle Zukunft aus; lediglich automatische Veränderungen anlässlich der Umwandlung sind nicht möglich.
In (extremen Ausnahme-)Fällen des Missbrauchs (anlasslose ständige Rück- 2861 umwandlung und Wiederumwandlung in ein P-Konto) kann es aber dazu führen, dass ein Entgelt – wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben – verlangt oder der Ausübung des Gestaltungsrechtes des Kunden widersprochen werden kann. Dann wird das Kreditinstitut aber eher weitere Umwandlungen und Rückumwandlungen ablehnen.
Kein solcher Ausnahmenfall liegt allerdings vor, wenn der Kontoinhaber von 2862 seinem gesetzlichen Anspruch gem. § 850k Abs. 5 Gebrauch macht, jeweils nach Erledigung einer Kontopfändung sein P-Konto wieder in ein Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz und dann, wenn eine erneute Kontopfändung eingeht, es wieder in ein P-Konto umzuwandeln. Auch wenn dies mehrmals geschieht, wäre das noch keine missbräuchliche Nutzung im obigen Sinne. Dieser Schwelle wäre wohl erst überschritten, wenn dies mehrfach anlasslos geschehen würde. Gleichwohl kann ein drittschuldnerische Kreditinstitut einem solchen Kunden sicherlich klar machen, das P-Konto so lange bestehen zu lassen, wie weitere Kontopfändungen nicht auszuschließen sind.
b) Rückumwandlung Ebenfalls kostenfrei geschuldet ist die Rückumwandlung vom P-Konto wieder 2863 zurück in ein normales Girokonto, da das Kreditinstitut damit seine gesetzliche
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle
Pflicht des § 850k Abs. 5 Satz 1 erfüllt. Dass auch die Rückumwandlung mit Aufwand für das Kreditinstitut verbunden ist, spielt keine Rolle. Einem Entgelt dafür würde keine „echte Leistung“ gegenüberstehen, da ein Kreditinstitut dieser Rückumwandlungspflicht im Eigeninteresse nachkommt. In solchen Fällen verbietet sich die Erhebung eines Entgeltes. Das ist ständige Rspr., vgl. exemplarisch BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219 – 98, NJW 1999, 2276, wonach die Abgabe der Drittschuldnererklärung nicht im Interesse der Kunden, sondern in dem des Pfändungsgläubigers und im eigenen Interesse des drittschuldnerischen Kreditinstitutes erfolgt.
2864 Den Rückumwandlungsaufwand können sich Kreditinstitute somit aufgrund der durch das PKoFoG eingeführten Regelung des § 850k Abs. 5 nicht mehr vergüten lassen. c) Höheres Kontoführungsentgelt für P-Konten 2865 Für die Führung eines P-Kontos dürfen nach Ansicht des BGH – auch später nach erfolgter Umwandlung – keine höheren Entgelte erhoben werden. BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZVI 2013, 14 (m. Anm. Sudergat) sowie BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 145/12. Ausgenommen sind aber natürlich spätere AGB-konforme EntgeltErhöhungen, die alle Konto-Modelle betreffen, also nicht nur P-Konten.
2866 Damit ist die ursprünglich lange Diskussion, ob der deutliche Mehraufwand, der bei der Verwaltung und insbesondere Disposition von P-Konten anfällt, zusätzlich bepreist werden kann, für die Praxis entschieden. Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hatte in zwei parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass die im Preis- und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstituts enthaltene Bestimmung über die Kontoführungsgebühr für ein P-Konto im Verkehr mit Verbrauchern (!) in der Regel unwirksam ist, wenn der Kunde danach – bei Umwandlung seines schon bestehenden Girokontos in ein P-Konto – ein über der für dieses Girokonto zuvor vereinbarten Kontoführungsgebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat oder wenn das Kreditinstitut – bei der Neueinrichtung eines P-Kontos – ein Entgelt verlangt, das über der Kontoführungsgebühr für ein Neukunden üblicherweise als Gehaltskonto angebotenes Standardkonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt liegt.
2867 Der BGH argumentierte: „Bei den beanstandeten Klauseln handelt es sich um sog. Preisnebenabreden, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen. gem. § 850k Abs. 7 ZPO [a. F.] wird ‚das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt‘, wenn das Kreditinstitut und der Kunde dies von vorneherein vereinbaren oder der Kunde dies später verlangt. Das P-Konto stellt daher keine besondere Kontoart gegenüber dem herkömmlichen Girokonto dar, sondern ihm liegt eine Nebenabrede zum Girovertrag zugrunde. Die mit der Funktion des P-Kontos verbundenen Tätigkeiten des Kreditinstituts sind Nebenleistungen, die zu den Hauptleistungen – der Führung des Girokontos und der Ausführung der Zahlungsvorgänge – hinzutreten und zu deren Vornahme das Kreditinstitut nach § 850k ZPO gesetzlich verpflichtet ist.“
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6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto
Die streitigen Klauseln enthalten nach Ansicht des BGH auch keine kontroll- 2868 freie Abrede über das Entgelt für eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Kreditinstitute. Vielmehr würden die Kreditinstitute hierdurch Kosten für Tätigkeiten, zu deren Erbringung sie gem. § 850k gesetzlich verpflichtet sind, auf ihre Kunden abwälzen. Weiterhin verwirft der BGH auch die Argumentation, die beanstandeten Entgeltregelungen müssten schon deshalb als – kontrollfreie – Preishauptabrede eingeordnet werden, weil es im Falle ihrer Unwirksamkeit an einer solchen Preisvereinbarung gänzlich fehlte. In dem zur Entscheidung des OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.6.2012 – 19 U 13/12, WM 2012, 1911 geführten Revisionsverfahren hat der BGH mit Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, NJW 2013, 3163 seine Rechtsprechung bestätigt.
Vielmehr wäre dann, wenn ein vorhandenes Girokonto in ein P-Konto um- 2869 gewandelt würde, die fortgeltende Preishauptabrede die Preisvereinbarung für das schon bestehende Girokonto. Wird ein Girokonto dagegen gleich als P-Konto neu eröffnet, ist nach Ansicht des BGH entweder das Entgelt des Preismodells zugrunde zu legen, auf das ggf. in der Klausel über das P-Konto Bezug genommen wird oder aber – wenn eine solche Bezugnahme fehlt – der Preis, für den das betreffende Kreditinstitut ein herkömmliches Girokonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt (ohne Pfändungsschutzfunktion) anbietet.
Nachdem der BGH die Entgelt-Klauseln für die Kontoführung von P-Konten 2870 daher der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB unterworfen hatte, kam er sodann zum Ergebnis, dass die streitigen Klauseln den AGB-rechtlichen Maßgaben des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhalten. Die beanstandeten Regelungen benachteiligen nach Ansicht des BGH P-Kontoinhaber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil die Kreditinstitute „mit der Führung eines Girokontos als P-Konto lediglich eine ihnen durch § 850k Abs. 7 auferlegte gesetzliche Pflicht erfüllen“. Dafür dürfen sie nach allgemeinen Grundsätzen kein gesondertes Entgelt – hier in Form höherer Kontoführungsgebühren – verlangen. Das entspräche auch dem aus den Gesetzesmaterialien zum P-Konto ersichtlichen Willen des Gesetzgebers. Zuletzt verwirft der BGH in seiner (allerdings zu kritisierenden) Abwägung der Interessen auch Gründe, die die beanstandeten Klauseln nach Treu und Glauben gleichwohl als angemessen hätten erscheinen lassen können. Der mögliche Mehraufwand der Kreditinstitute müsse hinter dem – im Übrigen dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden – Interesse des P-Kontoinhabers, mit der Unterhaltung eines P-Kontos die einzige Möglichkeit, den gesetzlichen Kontopfändungsschutz zu erlangen, nutzen zu können, zurücktreten. Und letztlich handele es sich bei der gesetzlichen Verpflichtung von Kreditinstituten zur Führung von P-Konten um eine grundsätzlich zulässige Indienstnahme für öffentliche Aufgaben.
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle
2871 Schon der Gesetzgeber hatte erkannt, dass das Führen eines P-Kontos natürlich bepreisbar sein muss. Allerdings meinte auch er hinsichtlich der Höhe einen „Pflock“ dergestalt einschlagen zu müssen, indem er vorgab, dass dieses Kontoführungsentgelt die Preisgestaltung „das für ein allgemeines Gehaltskonto Übliche nicht übersteigen“ dürfe. BT-Drucks. 16/12714, S. 17.
2872 Hier aber liegt ein Missverständnis vor, das dazu führt, dass auch die Entscheidung des BGH in der Praxis nicht vollumfänglich umgesetzt werden kann: Auch Freiberufler und Selbstständige können als natürliche Personen ihr Konto in ein P-Konto umwandeln. Siehe dazu Rn. 884.
2873 Diesen Kunden führt ein Kreditinstitut aber bereits heute das Konto nicht zu den günstigen Konditionen eines privaten Gehaltskontos, sondern zu den spürbar höheren Konditionen eines Geschäftsgirokontos. Durch die Umwandlung in ein P-Konto dürfen auch die Kreditinstitute aber nicht schlechter gestellt werden, § 850k Abs. 2 Satz 2, weshalb jedenfalls solche Konten mindestens zu Preisen geführt werden können, die dem für ein allgemeines Geschäftskonto Üblichen entsprechen. Das ist auch nach den obigen Entscheidungen des BGH, BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZVI 2013, 14 (m. Anm. Sudergat) und XI ZR 145/12, ZVI 2013, 21,
weiterhin nicht zu beanstanden. Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich, § 850k Rn. 60 Fn. 17.
2874 Da Freiberufler und Selbstständige mit einem im Zweifel deutlich höherem Umsatzaufkommen als bei Gehaltskonten disponiert werden müssen, brauchen solche P-Konten auch weiterhin nicht – auch nach der BGH-Rechtsprechung nicht – zu den für ein (privates) Gehaltskonto üblichen Konditionen geführt werden. So ist im Leitsatz der BGH-Entscheidung auch (nur) die Rede davon, dass die Entscheidung für Klauseln „im Verkehr mit Verbrauchern“ gilt.
2875 Insoweit hat aber die neue Regelung des § 850k Abs. 2 Satz 2 die BGHRechtsprechung nun überholt. Danach – auch im Verkehr mit Nicht-Verbrauchern – ist zu beachten, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut im Übrigen unberührt bleibt. Damit kann anlässlich der Umwandlung auch eines Geschäftskontos in ein P-Konto zwar keine höheres Kontoführungsentgelt verlangt werden, aber das für ein Geschäftskonto – und nicht nur für eine Gehaltskonto – übliche Kontoführungsentgelt eben schon. Als Referenzkonten für die Entgelthöhe der Pfändungsschutzkonten geeignet sind dann die Kontomodelle, die üblicherweise
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6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto Neukunden als Standardkonto angeboten werden, Ahrens, NJW 2013, 975, 976; ebenso Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.11.4. Laut Ahrens, a. a. O., kann dafür auf Werbeaussagen, die Kontobezeichnung oder ähnliche Kriterien abgestellt werden. Laut Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.11.4. sind aber nicht maßgeblich die „marktüblichen Konditionen, sonstige Vergleiche mit Angeboten anderer Institute oder die am häufigsten abgeschlossenen Konten, wobei in Einzelfällen auch eine grobe Orientierung an diesen Kriterien angebracht sein kann, um Sonderkonstellationen richtig einordnen zu können“.
Die bisherigen Ausführungen haben bereits gezeigt, dass die Führung eines 2876 P-Kontos erheblichen Zusatzaufwand für die Kreditinstitute auslöst. Exemplarisch sei hier nur das nicht automatisierbare Prüfen der Bescheinigungen und der erhöhte nur durch die Anschaffung von spezieller Software überhaupt durchführbare Dispositionsaufwand genannt. Letzterer hat sich durch das PKoFoG nicht reduziert, sondern ist durch insbesondere die Drei-Monats-Übertragung nochmals erhöht.
Im Rahmen des durch das PKoFoG eingeführten § 901 i. V. m. § 850k Abs. 1 2877 Satz 3, der es erfordert, dass ein P-Konto nur noch im Guthaben geführt werden darf, Soll-Salden daher wohl noch häufiger auf ein zu eröffnendes Zweitkonto übertragen und dort weiter verwaltet werden müssen, ist der Aufwand für die P-Kontoführung ebenfalls weiter gestiegen. Hinzu kommen durch das PKoFoG aufgebürdete Zusatzaufgaben bei der 2878 Pfändung eines Gemeinschaftskontos und im Rahmen des § 908 und dadurch, dass künftig mehrere Teil-Bescheinigungen vorgelegt und geprüft werden müssen. Dagegen werden die vom Gesetzgeber bei seiner Berechnung des „Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft“ zugrunde gelegten „Einsparungen“ durch das PKoFoG, siehe dazu Gesetzesbegründung PKoFoG, BT-Drucks. 19/19850 v. 10.6.2020, S. 24, nicht annähernd oder nicht annähernd in diesem Maße eintreten. Insbesondere das Entfallen der Rückrechnungspflicht bei der Nachzahlung von besonderen Leistungen im Rahmen des § 904 erspart nichts, denn eine Rückrechnung hatte die Kreditinstitute schon bisher nicht vorzunehmen. Die Verkürzung des Prognosezeitraums und somit die gemutmaßte stärkere Inanspruchnahmemöglichkeit der befristeten Unpfändbarkeit im Rahmen des § 907 Abs. 1 wird es vermutlich nicht geben. Da sie zudem nicht zum völligen Untersagen weiterer Kontopfändungen führen, ist die Ersparnis für die drittschuldnerische Kreditinstitut ohnehin nicht im vom Gesetzgeber unterstellten Maße zu erwarten. Jedenfalls wird diese Einsparung, wenn sie denn wirklich eintreten sollte, woran der Autor zweifelt, wieder durch weiter steigende Pfändungszahlen weit darüber hinaus kompensiert werden. Wieso
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle sich ansonsten nach dem PKoFoG Entlastungseffekte für die Kreditinstitute ergeben sollen, die der Gesetzgeber als maßgeblich bezeichnet, erschließt sich ohnehin nicht, denn eine Einsparung von Beratungsbedarf wird es nicht geben. Im Gegenteil, wenn man an den künftigen Beratungsaufwand im Rahmen des § 850l denkt. Durch die Klarstellungen im Gesetz, die zumeist bereits gängige Praxis sind, ändert sich jedenfalls nichts; auch der Arbeitsanfall bei denjenigen Schuldnern, immerhin zwischen 25 – 40 % der Schuldner, die nicht lediglich den Grundfreibetrag in Anspruch nehmen, wird sich eher erhöhen, weil die Kreditinstitute künftig nun im Zweifel mit mehreren Teil-Bescheinigungen eines Schuldners konfrontiert sind, die sie manuell zu einem Freibetrag zusammenaddieren müssen. Um dort keine Fehler zu machen, wird es vermutlich sogar eine Vier-Augen-Kontrolle – zumindest stichprobenartig – geben müssen.
2879 Am Ende spielt das aber alles keine Rolle. Fakt bleibt, dass für Verbraucher, also diejenigen, die regelmäßig Inhaber eines „Gehaltskontos“ sind – wohl auch wenn sie Bezieher nicht von Lohn und Gehalt, sondern ausschließlich von Sozialleistungen und/oder Kindergeld sind – keine höheren Kontoführungsentgelte für das P-Konto erhoben werden dürfen. 2880 Durch § 850k Abs. 2 Satz 2 kann anlässlich der Umwandlung in ein P-Konto mittels in den AGB gefasster Klauseln ohnehin keine Anhebung der Entgelte folgen. 2881 Aber auch bei neu einzurichtenden P-Konten darf das Kontoführungsentgelt nicht das der vergleichbaren Konten des Kreditinstitutes übersteigen. 2882 Dass das Ganze eigentlich unter der Annahme stand, dass die Kreditwirtschaft von „erheblichen Verbesserungen“ profitiert, die sich dann nicht erfüllt haben, spielt keine Rolle. BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZVI 2013, 14 (m. Anm. Sudergat) und XI ZR 145/12 ZVI 2013, 21.
2883 Auch wenn die Rechtsprechung als nicht-verursachergerecht – nicht überzeugt, ist sie zu beachten. Dem Anspruch dieses Skriptes nach „Praxisnähe“ folgend, kann den Kreditinstituten nur empfohlen werden, der Rechtsprechung des BGH zu folgen und keine sinnlosen Grabenkämpfe zu führen; sie führen zu nichts, sondern kosten nur Nerven und belasten die ohnehin schon knappen Ressourcen unnötig.
2884 Wegen der Möglichkeit der Folgenbeseitigung muss ggf. über die Unwirksamkeit einer beanstandeten AGB-Klausel informiert werden. Der BGH hatte mit Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/19, Rn. 46 ff., entschieden, dass betroffene Kunden bei Verstoß gegen § 307 BGB über die Unwirksamkeit einer beanstandeten AGB-Klausel zu informieren sind, was auch für unangemessene oder unangemessen hohe Entgelte gelten dürfte. Der Verstoß einer Klausel gegen § 307 BGB stellt einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 3a UWG dar, so schon der BGH, Urt. v. 14.12.2017 – I ZR 184/15, ZIP 2018, 376 = WM 2018, 436 Rn. 40 ff.
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6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto Es besteht aber kein Automatismus, bei einer unwirksamen Entgeltoder AGB-Klausel die Kunden stets und gar in einer einzigen Art und Weise bzw. Form zu informieren. Es sind immer die besonderen Voraussetzungen einem Beseitigungsanspruchs, auch auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, zu prüfen und die Verhältnismäßigkeit zu beachten, OLG Stuttgart, Urt. v. 17.10.2019 – 2 U 107/14, n. v., das den geltend gemachten Anspruch auf Versand eines vorformulierten Richtigstellungsschreibens ablehnte, da kein Anspruch auf eine bestimmte Art der Störungsbeseitigung bestehe. Es obliegt dem Beseitigungsschuldner, auf welche Art und Weise er die bestehende Störung beseitigt. Der Beseitigungsschuldner kann nicht auf einen bestimmten Wortlaut festgelegt werden.
Auch wegen der Möglichkeiten des BaFin auf Basis des § 4 Abs. la FinDAG 2885 ggf. sogar eine Allgemeinverfügung zu erlassen, siehe dazu Rn. 2825,
und der Möglichkeit, Musterfeststellungsklagen gem. §§ 606 ff. erheben zu können, sollten Kreditinstitute hier eine (deutliche) Zurückhaltung an den Tag legen. Zudem besteht ein Abmahnungsrisiko. Nach § 1 UKlaG kann der Verwender von AGB, die nach §§ 307, 309 BGB unwirksam sind (strafbewehrt) auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Auch ein Compliance-Risiko besteht, wenn Entgelte erhoben werden, von 2886 denen höchstrichterlich bekannt ist, dass auf diese (zumindest teilweise) kein Anspruch besteht. Vgl. Rn. 2827.
Man tut sich und der gesamten Kreditwirtschaft daher sicherlich keinen Ge- 2887 fallen, wenn man zu stark an den falschen oder gar unzulässigen Stellen an der Preisschraube für P-Konten dreht. d) Entgeltgestaltungs-Alternativen Höhere Entgelte nur für P-Kontoinhaber sind nicht zulässig.
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Siehe Rn. 2865.
Verlässlich helfen kann hier nur, die Mehrkosten auf alle Kontoinhaber um- 2889 zulegen. Ebenso bei den Basiskonten, BGH, Urt. v. 30.6.2020 – XI ZR 119/19, NJW 2020, 2726; dazu Anm. Bülow, LMK 2020, 432153.
Gleichzeitig muss es aber, wie bereits heute bei verschiedenen Kontomodellen 2890 praktiziert, möglich sein, Rabatte/Rückerstattungen zu gewähren, wenn bestimmte, vorher festgelegte Bedingungen eintreten. Dazu können gehören z. B. Mindesthabenumsätze, aber sicherlich nicht, dass das Konto nicht als Pfändungsschutzkonto genutzt wird. So aber Stoll/Sauer, EWiR 2012, 367; a. A. Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 2.13 G.
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle Sind solche Rabatte/Rückerstattungen von Kontoführungsentgelten allerdings wiederum so gefasst, dass alle außer den P-Konto-Inhabern davon profitieren können, dürfte eine Umgehung vorlegen, die ebenfalls sanktionsbedroht wäre, vgl. Rn. 2854. Auch das sollte daher unterbleiben.
2891 Als Möglichkeit scheidet auch aus, debitorische P-Konten höher zu bepreisen, nachdem durch das PKoFoG mit § 850k Abs. Satz 2 nun auch ein gesetzlicher Umwandlungsanspruch auf ein P-Konto implementiert wurde, wenn dieses Zahlungskonto zum Zeitpunkt des Verlangens einen negativen Saldo aufweist. Zusammen mit § 850k Abs. 2 Satz 2, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut nach Umwandlung „unberührt“ bleibt, besteht keine Möglichkeit mehr, bei debitorischen P-Konten höhere Entgelte im P-Konto-Bereich durchzusetzen. Sie würden aber auch ohnehin nicht mehr entstehen können, weil das Kreditinstitut gewährleisten muss, dass ein P-Konto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden muss, § 850k Abs. 1 Satz 3.
2892 Allerdings muss ein Kreditinstitut selbstverständlich in der Lage bleiben, ein zuvor (gänzlich) kostenfreies Girokonto, das in ein P-Konto umgewandelt wird, dann mit einem Entgelt zu belegen. Wegen des § 850k Abs. 2 Satz 2, das das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut im Übrigen unberührt bleiben muss, muss sich das Kreditinstitut allerdings der AGBrechtlich zulässigen Änderungskündigung bedienen.
Dafür spricht schon, dass die Entscheidung des BGH sich ausdrücklich nur auf (zuvor) entgeltlich geführte Girokonten bezieht. Im Leitsatz 1 der Entscheidung heißt es wörtlich: „Die im Preis- und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstituts enthaltene Bestimmung über die Kontoführungsgebühr für ein Pfändungsschutzkonto ist […] unwirksam, wenn hiernach […] ein über der für das Girokonto zuvor vereinbarten Kontoführungsgebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat.“; ebenso: Kropf/Habl, BKR 2013, 103.
2893 Geschäftsgrundlage für das Angebot eines solchen kostenlosen Kontomodells ist regelmäßig – neben akquisitorischen Aspekten – dass diese Konten hoch standardisiert sind und zudem regelmäßig im ausschließlich elektronischen Wege verwaltet werden können. Kommt nun nachträglich, wie nach der Umwandlung in ein P-Konto, erheblicher Bearbeitungsaufwand hinzu, den ein Kreditinstitut naturgemäß nicht im Vorhinein berücksichtigen kann, muss es nun ein Kontoführungsentgelt erheben dürfen. 2894 Der Kunde hat keinen Anspruch auf eine Meistbegünstigung. OLG Schleswig, Urt. v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, WM 2019, 68 m. Anm. Escher-Weingart, WuB 2019, 198; ebenso Linardatos, BeckOGK, ZKG § 41 Rn. 10, Stand: 1.2.2022 m. w. N.
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6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto
Bei der Frage, ob ein Entgelt angemessen ist, ist daher auch zu berücksichtigen, 2895 dass Kreditinstitute nicht verpflichtet werden können, besonders günstige Entgeltkonditionen, die sie für andere Kunden anbieten würden, auch für Inhaber von P-Konten (oder Basiskonten) anzubieten. Bei diesen Kontoformen kann das Entgelt das für „normale“ Zahlungskonten, in jedem Fall dann, wenn diese kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, übersteigen. Es gibt insoweit keine „Vorgabe zur Meistbegünstigung“ OLG Schleswig, a. a. O.; ebenso Edelmann/Bacher, BKR 2019, 428 m. w. N. (zugleich Besprechung zu OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.2.2019 – 19 U 104/18, BKR 2019, 462, BKR 2019, 428).
Selbst der BGH geht davon aus (Tz. 45), dass ein Kreditinstitut das P-Konto 2896 nicht kostenfrei (oder zwingend im günstigsten Kontopreismodell) führen muss. Faktisch mag es zwar – wegen des Vergleichs der Leistungsinhalte – zumeist auf das günstigste entgeltpflichtige Kontomodell hinauslaufen, aber kostenlos geführt werden muss es definitiv nicht. Das Kreditinstitut kann daher im Wege einer Änderungskündigung – oder 2897 über eine nachträgliche Vereinbarung mit dem Kunden – ein P-Konto dann zu den „üblichen“ Konditionen führen. Zustimmend Kropf/Habl, BKR 2013, 103, die die Änderungskündigung präferieren (verbunden mit dem Hinweis, unter Beachtung der AGB-rechtlichen Zwei-Monats-Frist für Änderungen).
Es muss nur der Eindruck vermieden werden, als werde die Entgeltanpassung 2898 von einer Änderungskündigung oder dem Abschluss einer Anpassungsvereinbarung direkt abhängig gemacht. Das würde auch § 850k Abs. 2 Satz 2 widersprechen, wonach das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut nach Umwandlung (zunächst) unberührt bleibt.
Daher kann man dies nicht in AGBs regeln. Eine solche Klausel wäre un- 2899 wirksam. BGH, Urt. v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, WM 2013, 1796.
Aber bleibt es einem Kreditinstitut unbenommen, nach der Umwandlung 2900 des Zahlungskontos in ein Pfändungsschutzkonto, bisherige Entgelte für Leistungen AGB-konform zu erhöhen oder andere (Zusatz-)Leistungen durch (Änderungs-)Kündigung anzupassen oder entfallen zu lassen. Nur darf man eben nicht auf diesen (umständlicheren) Weg verzichten, indem man in den AGB, zu denen auch das Preis- und Leistungsverzeichnis gehört, regelt, dass Entgelte oder Zusatzleistungen sich nach Umwandlung des Zahlungskontos in ein Pfändungsschutzkonto automatisch verändern. Dass der BGH den AGB-Änderungsmechanismus in den bisherigen, bis 27.4.2021 geltenden AGB-Klausel als unzulässig verworfen hat, BGH, Urt. v. 27.4.2021 – XI ZR 26/20, WM 2021, 1128, ändert daran nichts. Das bedeutet lediglich, dass der Änderungsmecha-
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XIV. Entgelte/Kontoführungsmodelle nismus in dieser Form nicht mehr möglich ist, nicht aber, dass eine Änderung generell nicht mehr möglich wäre. Zur Bewertung der BGH-Entscheidung siehe Langner, WM 2021, 1869; Omlor, NJW 2021, 2243 und Dieckmann, BKR 2021, 657.
2901 Etwaige dem P-Kontoinhaber zu hoch berechnete Kontoführungsentgelte führen für den Kunden wegen der unberechtigten Belastung seines Kontos grundsätzlich zu einem Ausgleichsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. 2902 Macht der Kunde diese in unverjährter Zeit geltend, muss das Kreditinstitut aufgrund einer Nebenpflicht aus dem Girovertrag selbst die Überprüfung des Kontos unentgeltlich (!) vornehmen, also den Erstattungsbetrag errechnen, da ein von ihr zu vertretendes Verhalten der entsprechende Anlass hierfür ist. OLG Schleswig, Urt. v. 24.2.2000 – 5 U 116/98, ZIP 2000, 789; abwegig allerdings die Forderung einiger Verbraucherschutzverbände die nach den neuen Maßstäben möglicherweise zu hoch erhobene Kontoführungsentgelte zusätzlich mit einer Forderung nach Gewinnabschöpfung gem. § 10 UWG zu belegen. Es fehlt schon an einem vorsätzlichen Verstoß gegen Vorschriften des UWG (§§ 3, 7). Die vom BGH entschiedene Frage war eine – insbesondere in der Literatur – höchst umstrittene (siehe alleine die Ausführungen in Sudergat, 3. Aufl., dort Rn. 992 ff.). Die Erhebung eines erhöhten Entgelts könnte daher allenfalls als Fahrlässigkeit eingestuft werden, die durch das UWG nicht sanktioniert werden kann. Vgl. aber Rn. 1371 zum am 17.8.2021 verkündeten „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbsund Gewerberecht“, durch das ein individueller Schadensersatzanspruch für Verbraucher in § 9 Abs. 2 UWG n. F. aufgenommen wurde.
2903 Die Prüfung der Bescheinigung und/oder die Prüfung individueller Freibeträge entgeltpflichtig zu machen, ist ebenfalls nicht zulässig. Das ist zwar durch den BGH noch nicht entschieden, kann aber angesichts der restriktiven Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Erhebung von Entgelten für Leistungen der Kreditinstitute im Zusammenhang mit Pfändungsschutzkonten als nahezu sicher gelten. Im Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), Ziff. 1.11.2. wird die Erhebung eines Entgeltes für die Prüfung der vorgelegten Bescheinigungen und die Einrichtung der individuellen Pfändungsfreibeträge soweit das in der Vergangenheit erfolgt sein sollte, nur als „höchst fraglich“ angesehen; der Autor kann nur davor warnen, solche Entgelte zu erheben, auch wenn die Prüfung von Bescheinigungen im Zweifel durch die vielen Teil-Bescheinigungen aufwändiger wird. Diese werden auch vermehrt befristete Teil-Bescheinigungen sein, weil die Sozialleistungsträger Geldleistungen regelmäßig nur zeitlich befristet gewähren. Trotzdem bleibt es gesetzliche Leistung und Verpflichtung und kann daher nicht mit einem Entgelt belegt werden.
2904 Daran hat sich auch durch das PKoFoG nichts geändert. Die Prüfung der Bescheinigungen zur Erhöhung des Grundfreibetrages nach §§ 902, 903, ist
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6. Entgelte im Zusammenhang mit dem P-Konto
zwar sehr aufwändig (siehe Rn. 1850 ff.), aber die gem. den (bescheinigten) individuellen Verhältnissen des Kontoinhabers entsprechenden Freibeträge zur Verfügung zu stellen, ist ebenfalls gesetzliche Pflicht eines Kreditinstitutes. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.6.2012 – 19 U 13/12, WM 2012, 1911, 1913.
Aus Schuldnersicht wäre es sicherlich hilfreich, wenn Schuldner von den die 2905 Teil-Bescheinigungen ausstellenden Stellen deutlich darauf hingewiesen würden, dass sie ggf. noch weitere Bescheinigungen – anderer gewährender Stellen oder des Arbeitgebers – beibringen müssen, um den vollständigen GesamtFreibetrag zu erhalten. Solch ein „Teil-Bescheinigungs-Hinweis“ ist nicht verpflichtend; es wäre aber hilfreich, wenn sich alle auf Antrag zur Ausstellung verpflichteten Leistungsträger zu solch einem deutlich sichtbaren, schwerlich zu übersehendem Hinweis durchringen könnten, um zu vermeiden, dass der Schuldner zu seinem drittschuldnerische Kreditinstitut in der Erwartung geht, dass ihm der Leistungsträger eine vollständige Bescheinigung ausgehändigt hat.
e) Auslagen Dritter Kreditinstitute sind – zumeist über AGB-rechtliche Vereinbarungen – berech- 2906 tigt, ihren Kunden Auslagen in Rechnung zu stellen, die anfallen, wenn die Kreditinstitute im Auftrag des Kunden oder in seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Telekommunikationskosten, Porti etc.) oder wenn Sicherheiten bestellt, verwaltet, freigegeben oder verwertet werden (insbesondere Notarkosten, Lagergelder, Kosten der Bewachung von Sicherungsgut). Ziff. 18 AGB-Sparkassen bzw. Ziff. 12 Nr. 6 AGB-Banken.
Diese Auslagen (mit Ausnahme ggf. von Porti für den Post-Versand von 2907 Kontoauszügen des P-Kontos) dürften keine Kontopreise oder Aufwendungsersatzansprüche sein, die „durch Ausführung von Kontoverfügungen“ eines P-Kontoinhabers entstehen. So aber die gesetzgeberische Definition, BT-Drucks. 16/12714, S. 20.
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XV. Kündigungsmöglichkeiten eines Zahlungskontos bei Vorliegen einer Kontopfändung Nach § 314 Abs. 1 BGB muss jedes Dauerschuldverhältnis aus wichtigem 2908 Grund gekündigt werden dürfen. Dieses Recht zur außerordentlichen Kündigung ist zwingend. Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 2, Rn. 380, unter Berufung auf BGH, Urt. v. 15.1 1959 – VII ZR 15/58, NJW 1959, 875.
Geht eine Kontopfändung ein, ist umstritten, ob das Kreditinstitut die zum 2909 Anlass nehmen darf, ein Zahlungskonto oder die gesamte Geschäftsverbindung zu einem Kunden gem. Nr. 19 Abs. 2 oder 3 AGB-Banken bzw. Nr. 26 Abs. 1 oder 2 AGB-Sparkassen grundsätzlich außerordentlich kündigen. In § 675h BGB sind nur die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung, nicht aber die einer außerordentlichen Kündigung eines Zahlungsdienstrahmenvertrages geregelt.
Voraussetzung ist, dass ein außerordentlicher Grund vorliegt, der auch nach 2910 objektiven Maßstäben als „außerordentlich“ anerkannt ist. Ob eine Kontopfändung diesen Maßstäben genügt, wird unterschiedlich bewertet. Nach Nr. 26 Abs. 1 oder 2 AGB-Sparkassen besteht der Grund u. a. dann, wenn gegen den Kunden eine Zwangsvollstreckung eingeleitet ist.
Ob aber dann bereits die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäfts- 2911 beziehung gegeben ist, scheint fraglich. Da an die Kündigungsgründe eines Basiskontos gesetzlich strengere Maßstäbe angelegt werden, unterliegt die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Basiskontos durch den Zahlungsdienstleister weitergehenden Beschränkungen, §§ 42, 43 ZKG. Nur wenn einer der in § 42 Abs. 3 oder Abs. 4 ZKG genannten Tatbestände vorliegt, ist eine außerordentliche Kündigung zulässig.
Eine außerordentliche Kündigung nach den Sparkassen-AGB ist daher nur 2912 möglich, wenn die Interessen des Kreditinstitutes unmittelbar und wesentlich tangiert sind bzw. das bestehende Vertrauensverhältnis so grundlegend zerstört ist, dass es ihm nicht mehr zuzumuten ist, dieses weiter fortzusetzen. Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 3, Rn. 86.
Für Kunden, die keine natürliche Personen sind, also insbesondere GmbH, AG, 2913 KG, oHG, Vereine wird dies bei Eingang einer Kontopfändung uneingeschränkt gelten, jedenfalls dann, wenn die Kontenpfändung Ausdruck einer allgemeinen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden ist, Bitter, in: Bankrechts-Hdb., § 17 Rn. 92,
was der Regelfall sein dürfte.
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XV. Kündigungsmöglichkeiten eines Zahlungskontos bei Vorliegen einer Kontopfändung
2914 Anders dagegen verhält es sich, wenn der Kunde eine natürliche Person ist, wozu grundsätzlich als mögliche Inhaber eines P-Kontos auch Einzelfirmen sowie Freiberufler gehören. 2915 Dann ist eine außerordentliche Kündigung wegen Zustellung einer Kontopfändung faktisch kaum noch möglich. Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 2, Rn. 397 fasst das dahingehend zusammen, dass die damit befassten Amts- und Landgerichte, unter Bezug auf AG Frankfurt ZVI 03, 85, 87; LG Hamburg, 27.2.2004 – 309 T 1/04 (juris); AG St. Ingbert ZVI 2004, 296; LG Köln ZVI 2004, 292 u. H. auf BGHZ 154, 146, den Kreditinstituten in der Regel das Recht absprechen, Pfändungsmaßnahmen zum Anlass für eine Kündigung der Geschäftsverbindung zu nehmen.
2916 Selbst wenn das Konto mehrfach gepfändet ist, soll das gelten. LG Berlin WM 2008, 1825 = ZVI 2008, 362 m. krit. Anm. Pieper; AG Frankfurt ZVI 2003, 85 (87) mit Hinweis auf AG Schweinfurt, 24.5.2000 – 5 C 715/00 BAGSB Information 2/2001; LG Hamburg. 27.2.2004 – 309 T 19/04.
2917 Auch wenn Herresthal, Herresthal, WM 2013, 773,
den Versuch unternimmt, eine Kündigung anlässlich einer Kontopfändung weiterhin zu rechtfertigen, unter Bezugnahme auf Casper, in: MünchKomm-BGB, § 675h Rn. 15,
ist doch zu konstatieren, dass außer dem deutlichen Mehraufwand, den eine Pfändungsbearbeitung macht, die aber nun mal gesetzlich geschuldet ist, eine – oder auch mehrere Kontopfändungen – heute alleine nicht mehr dazu führen, dass die weitere Kontoführung unzumutbar wird. Es mag Ausnahmen geben bei Kreditinstituten, die eine manuelle Pfändungs- und Dispositionsbearbeitung leisten müssen.
2918 Reduziert man die Frage der Unzumutbarkeit um diesen gesetzlich geschuldeten Mehraufwand, bleibt wenig übrig, was die Unzumutbarkeit noch tragen könnte: Die ggf. mit der Kontopfändung einhergehende Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird ein drittschuldnerisches Kreditinstitut zumeist nicht unzumutbar beeinträchtigen. Denn selbst wenn das Kreditinstitut Kredite vergeben haben sollte, die nun gefährdet sind, hindert § 901 nun daran, fällige Forderungen mit den unpfändbaren Guthaben des P-Kontos zu verrechnen oder mit anderen Forderungen aufzurechnen. Dieser neue Schutz schraubt die Zumutbarkeitsgrenze daher mittelbar weiter nach oben, jedenfalls für das P-Konto. 2919 Schon in der der Gesetzesbegründung zu § 850k a. F. im Jahre 2009 hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass durch das P-Konto, das trotz Konto-
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XV. Kündigungsmöglichkeiten eines Zahlungskontos bei Vorliegen einer Kontopfändung
pfändung die Blockadewirkung mindestens beschränkt, ein „typischer Grund für die Kündigung von Girovertragsverhältnissen wegfallen“ dürfte. BT-Drucks. 16/7615, S. 14.
Damit war andererseits zwar auch klar, dass der Gesetzgeber eine Kündigung 2920 nicht gänzlich ausschließen wollte. Aus der Verpflichtung, Zahlungskonten in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln, folgt daher kein generelles Kündigungsverbot. Bunte/Zahrte-Bunte, AGB, Teil 2, Rn. 398.
In der Praxis aber werden Kontopfändungen alleine in den seltensten Fällen 2921 ausreichen, eine Kündigung eines P-Kontos zu rechtfertigen. Selbst bei der Weigerung des Schuldners, einen ganz offensichtlich erfolgreichen Antrag auf befristete Unpfändbarkeit eines P-Kontos nach § 907 zu stellen, z. B. im Fall immer wieder neuer Pfändungen, aber nachhaltig unpfändbarer Einkünfte, dürfte es nur im Ausnahmefall gelingen, eine Kündigung zu rechtfertigen. Hier bestünde aber noch die Chance, der Unzumutbarkeit der weiteren Kontoführung des Kreditinstitutes der Zumutbarkeit der Antragstellung durch den Schuldner gegenüber zu stellen. Unterlässt der Schuldner nämlich eine solche – ihm zumutbare – Antragsstellung in klaren Fällen, so kommt, wegen des mit der Kontoführung im Falle einer Kontopfändung einhergehenden erhöhten, aber eben durch den Antrag vermeidbaren Aufwands, für das Kreditinstitut ein Fortfall der Voraussetzungen für die Bereitstellung eines Girokontos auch nach den Maßstäben der alten ZKA-Empfehlung „Girokonto für Jedermann“ aus dem Jahre 2005 durchaus in Betracht. Der Schuldner hat insofern eine Mitwirkungspflicht, um den Aufwand des Kreditinstitutes im Zusammenhang mit Kontopfändungen zu reduzieren, jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Antrags klar erfüllt sind. Auf die Konsequenz „Kündigung“ müsste der Kunde bei Vorliegen der Voraussetzungen vor einer Kontokündigung aber zuvor hingewiesen werden.
Der Autor empfiehlt den drittschuldnerischen Kreditinstituten daher, mit 2922 Kündigungen noch zurückhaltender umzugehen. Die Chancen, vor Gericht zu obsiegen, sind noch geringer, um nicht zu sagen fast aussichtslos geworden. Öffentlich-rechtliche Sparkassen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts 2923 im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge ohnehin unmittelbar an die Grundrechte gebunden. BGH, Urt. v. 11.3.2003 – XI ZR 403/01, NJW 2003, 1658.
Das OLG Karlsruhe hatte entschieden, dass Kontenpfändungen die Kündigung 2924 eines Girokontos durch eine Sparkasse nicht ohne Weiteres rechtfertigen,
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XV. Kündigungsmöglichkeiten eines Zahlungskontos bei Vorliegen einer Kontopfändung
wenn die Sparkasse sich in einer „Sondervereinbarung Guthabenkonto“ – zugunsten des Kunden – nur bestimmte eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten vorbehalten haben. OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.6.2008 – 4 U 196/07, NJW-RR 2009, 62.
2925 Bei der Entscheidung des OLG Karlsruhe gingen für den Kunden in einem Zeitraum von 1999 bis 2006 insgesamt sieben Pfändungen ein. Dazu sehr kritisch Bitter, in: Bankrechts-Hdb. § 17 Rn. 9, der in diesem Zusammenhang völlig zu Recht darauf hinweist, dass der Umstand, dass man Kreditinstituten das Recht abspricht, Entgelte für die Pfändungsbearbeitung zu nehmen und dann auch noch – selbst bei Mehrfach-Pfändungen – die Geschäftsbeziehung außerordentlich oder wenigstens ordentlich zu kündigen, diese zu einer „Quersubventionierung der kostenverursachenden durch die preisbewussten und kostensparenden Kunden“ zwingt. Das ist das genaue Gegenteil von „Verbraucherschutz“! Dazu eingehend auch Bitter, in: Festschrift Ott, S. 153 ff. und ders., ZIP 2008, 2155; Rösler, BB 1999, 127, 129.
Die Kündigung aus anderen wichtigen Gründen ist dadurch nicht beeinträchtigt. 2926 Man wird dann bedarfsweise auf andere Gründe der „Unzumutbarkeit“ aus dem ZKA-Katalog aus 2005 zurückgreifen müssen. Die Führung des Kontos als unzumutbar wird aber nicht vorliegen, wenn ein Kreditinstitut nach Einrichtung eines P-Kontos davon Kenntnis erhält, dass der Kontoinhaber bei einem weiteren Kreditinstitut ebenfalls ein Pfändungsschutzkonto unterhält. Ist das P-Konto gepfändet, dann ist das dem Mechanismus des § 850k Abs. 4 vorbehalten; die Kündigung der weiteren Geschäftsverbindung dürfte aber möglich sein. Auch ein „Vertrauensbruch“ nach den Katalogverstößen der ZKA-Empfehlung die dortige Nr. 1 (gesetzwidrige Nutzung des Kontos) und/oder die Nr. 2 (Kunde macht Falschangaben macht, die für das Vertragsverhältnis wesentlich sind) erfüllen die Voraussetzungen der Kündigung.
2927 Das Umwandlungsverlangen in ein P-Konto ist natürlich ebenfalls kein Grund, die Kontoverbindung „aus wichtigem Grund“ zu kündigen. Auch in der Gesetzesbegründung zum PKoFoG, BT-Drucks. 19/ 19850 v. 10.6.2020, S. 20, weist der Gesetzgeber bereits darauf hin, dass er im PKoFoG für die Kündigung von als P-Konten geführten Zahlungskonten nur deshalb keine Regelungen für erforderlich hielt, weil der Kontoinhaber bei Kündigung seines Kontos einen Anspruch auf Eröffnung eines neuen Basiskontos nach dem ZKG habe.
2928 Das bedeutet aber auch: Selbst die ordentliche Kündigung ist grundsätzlich weiterhin möglich, wird aber in der Praxis nahezu keinen Anwendungsfall finden. 2929 Aus dem Umwandlungsbegehren alleine darf ein Kreditinstitut daher nicht schließen, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt.
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XV. Kündigungsmöglichkeiten eines Zahlungskontos bei Vorliegen einer Kontopfändung Vgl. auch die Argumentation des OLG Schleswig, Urt. v. 26.6.2012 í 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901, das meint, dass alleine das Umwandlungsbegehren noch nicht automatisch dazu führen dürfe, dem Kunden Zusatzleistungen – wie eine Dispositionskreditlinie oder Verwendung einer Kreditkarte – zu entziehen.
Die Umwandlung könnte der Kunde nämlich „jederzeit“ verlangen, also auch 2930 präventiv oder sogar ohne besonderen Anlass oder im Rahmen des § 901 zum Schutz seiner Zahlungseingänge vor Verrechnung/Aufrechnung mit fälligen Forderungen des Kreditinstitutes. Auch kein Grund zur außerordentlichen Kündigung ist im Übrigen ein Verstoß 2931 gegen die gesetzliche Pflicht des § 850 Abs. 1 Satz 3, dass ein Pfändungsschutzkonto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. Zunächst richtet sich diese Verpflichtung – zumindest in erster Linie – gegen das Konto führende Kreditinstitut. Der P-Kontoinhaber muss es aber mindestens unterstützen und bei seinen künftigen Dispositionen berücksichtigen, darf also nicht fortwährend z. B. Einzüge veranlassen, die das Konto ins Soll treiben würden und/oder durch die Rückgabeentgelte z. B. dann nicht gedeckter Lastschriften, ein weiteres und höheres Soll verursachen, als notwendig. In diesem Fall wäre eine Schädigungsabsicht des Kreditinstituts zu unterstellen, die es nicht hinnehmen muss.
Jenseits dessen aber, dürfte ein erstmaliger Verstoß gegen das Gebot zur Gut- 2932 habenführung (seit Einführung ab 1.12.2021), keine Kündigung rechtfertigen; ebenso wenig ein späterer einmaliger oder versehentlicher Verstoß des Kunden bzw. seine einmalige mangelnde entsprechende Mitwirkungspflicht. Zumal das Kreditinstitut in erster Linie dafür sorgen muss, dass die Guthabenbasis gewährleistet wird und bleibt. Daher muss es dafür sorgen, soweit möglich, dass interne IT-Sperren das Entstehen oder weiteres Anwachsen eines Sollsaldos gar nicht erst zulassen. Selbst ein wiederholtes Verstoßen gegen die Guthabenpflicht im Rahmen von Bagatellbeträgen, weil z. B. regelmäßig Kontoführungsentgelte erst am Monatsende berechnet werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sämtliches Guthaben im Rahmen der Freibeträge schon verfügt sind, dürfte eine außerordentliche Kündigung nicht tragen. Diese Bagatellbeträge, vgl. dazu § 42 Abs. 3 Nr. 2 ZKG, Rn. 977, die zumeist mit dem nächsten Zahlungseingang auch regelmäßig wieder zeitnah ausgeglichen werden, werden die Schwelle der Unzumutbarkeit für das Kreditinstitut schwerlich überschreiten.
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XVI. Epilog Die Reform (2021) der Reform (2010) ist vollendet. Ob sie als erfolgreich 2933 bewertet werden wird, bleibt abzuwarten. Bedauerlich ist, dass der Gesetzgeber auch dieses Mal deutliche Hinweise und 2934 konstruktive Vorschläge aus der Praxis, nicht (alle) aufgenommen hat. Hätte er das getan, hätte sich die geringe Halbwertzeit gesetzlicher Regelungen deutlich verlängert. So ist zu befürchten, dass binnen kurzem wieder Nachbesserungsbedarf entstehen wird und/oder wieder Jahre vergehen werden, bis der BGH Zweifels- und Auslegungsfragen höchstrichterlich klärt. Als Autor habe ich versucht, den schuldnerschützenden Duktus des PKoFoG 2935 und die bisherige ebensolche Rechtsprechung dieses Mal zu antizipieren. Bei Berücksichtigung führt das vielleicht wenigstens dazu, dass die eine oder andere künftige höchstrichtliche Entscheidung erstens weniger überraschend sein und zweitens im Einzelfall von der Kreditwirtschaft weniger traumatisch empfunden wird. Nach einem coronabedingten Rückgang der Pfändungszahlen 2020, sind diese 2936 in 2021 bereits wieder gestiegen (Nachholeffekt). Die Bedeutung der Kontopfändung in der Vollstreckungspraxis wird auch durch das PKoFoG nicht weniger werden, aber die weiteren Eingriffe insbesondere durch den neuen § 850l, die jährliche Anpassung der Pfändungsfreigrenzen oder die erweiterte Übertragungsmöglichkeit, werden für die Gläubigerschaft spürbar werden. Einige Klarstellungen des PKoFoG sind zu begrüßen und wenn man den 2937 schuldnerschützenden Gesetzgeberwillen akzeptiert, dann sind deutliche Verbesserungen erfolgt, allerdings alte und auch wieder neuen offene Fragen geblieben. Ärgerlich ist auch, dass der Gesetzgeber die Umsetzungskosten, den sog. 2938 Erfüllungsaufwand u. a. für die Kreditwirtschaft, stets deutlich zu niedrig angibt, insbesondere, weil er Mehraufwand unterzeichnet, Entlastungen durch die Reformen aber deutlich überzeichnet. Gleichzeitig wurde die Justiz – insbesondere aber auch Vollstreckungsbehörden – wieder nur halbherzig in die Pflicht genommen, so dass zu befürchten ist, dass die Suche der Schuldner nach Bescheinigungen für Erhöhungsbeträge – insbesondere im Rahmen des § 901 Abs. 1 – sich nicht wirklich maßgeblich verbessert. Auch die große „Verstrickungs-Plage“ der weiteren Verstrickungswirkung von Pfändungen in der Insolvenz, hat der Gesetzgeber nicht zu Gunsten einer pragmatischen Regelung beseitigt. Hier hatte uns der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum PKoFoG vertröstet: „Im Übrigen beabsichtigt der Ausschuss, sich mit dem Zusammenspiel von Pfändungsschutzkonto und Insolvenzverfahren im Rahmen der Beratung von anderen Vorschlägen zur Änderung der Insolvenzordnung zu befassen.“
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XVI. Epilog In einer „Länderumfrage Modernisierung des Insolvenzrechtes“ des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz v. 28.10.2021 auf Basis einer Untersuchung des Bayerischen Obersten Rechnungshofes zur Bearbeitung von Insolvenzverfahren vor bayerischen Gerichten wurde immerhin gefordert, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und andererseits mit Erteilung der Restschuldbefreiung kraft Gesetzes die Verstrickung entfallen zu lassen, um Beschlüsse zur Beseitigung (= Aussetzung) in Zukunft entbehrlich zu machen (siehe unter https://www.bak-inso.de/dokumentestellungnahmen/gesetzgebung/). In einer Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V., ein Zusammenschluss von Insolvenz- und Restrukturierungsrichtern/innen und Insolvenzrechtspflegern/innen, v. 17.11.2021, ZVI 2022, 41 wurde dies aber abgelehnt. u. a. für die Kreditwirtschaft.
Umgesetzt wurde aber leider diesbezüglich bisher noch nichts. 2939 Das Schlimmste dabei: Das federführende BMJV (seit der 20. Legislatur jetzt BMJ) ist wahrscheinlich noch nicht einmal immer beratungsresistent, sondern bessere Lösungen scheitern an unterschiedlichen Zuständigkeiten und schlicht an deutscher Bürokratie. Was anfänglich für die Pandemiebekämpfung im Großen galt, scheint für den einen oder anderen Gesetzgebungsprozess im Kleinen zu gelten. Vielleicht sollte man zumindest die Erarbeitung eines ersten Entwurfes eines Gesetzes mal agil angehen, um Denk- und Zuständigkeitsblockaden zu lösen. 2940 Auch diese Neuauflage hat wieder gezeigt, dass auch das zweite große Reformwerk nach 2010, das PKoFoG, neue „Ungereimtheiten“ und Auslegungsschwierigkeiten geschaffen hat. So weit zu gehen, dass das PKoFoG einer Hydra gleicht, deren Mythos heute als Gleichnis dafür steht, dass Versuche einer Verbesserung, Klarstellung und Eindämmung von Problemen eher neue und mehr Probleme schafft, würde dem PKoFoG allerdings nicht gerecht. Aber in der Tat sind neue Probleme entstanden und nicht wenige, wie wir gesehen haben.
Problematisch wäre das nicht, obwohl man einige Probleme „mit Ansage“ kommen sieht, und weil die Praktiker bereits darauf hingewiesen haben, wenn der Gesetzgeber dann wenigstens bereit und in der Lage wäre, diese zu Tage getretenen Defizite schnell zu bereinigen. Anders als noch 2010, ist aber eine Überprüfung des PKoFoG in seinen Wirkungen dieses Mal nicht vorgesehen, so dass sich alle Beteiligte darauf einstellen werden müssen, dass wir erst in 10 Jahren, wenn nämlich der BGH alle Zweifelfragen vorgelegt und entscheiden haben wird, an vielen Stellen Rechtssicherheit erlangen werden. Aber anders als 2010, setzt man 2021 immerhin auf ein Kontopfändungsschutz-System auf, dass zumindest in den Grundstrukturen schon 10 Jahre Praxis hinter sich hat und in den Grundzügen inzwischen auch funktioniert. 2941 Geben wir daher den Regelungen des PKoFoG eine Chance, sich zu bewähren.
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XVI. Epilog
Der Autor jedenfalls wird die weitere Entwicklung – wie immer – aufmerksam 2942 beobachten. Hoffen, dass das Kontopfändungsschutzrecht insgesamt einmal ein „Gewinn für alle Beteiligten“ so Schumacher, ZVI 2009, 313; Graf-Schlicker/Linder, ZIP 2009, 989 zu ersten Reform 2010
wird, darf man, aber in diesem Zusammenhang zu optimistisch sein, sollte man nicht. Der Autor wird aber auch selbst versuchen, mitzuhelfen, die eine oder andere 2943 Auslegungsfrage zu lösen, getreu dem Motto nach einem offensichtlich jüdischen Sprichwort: „Es ist gut zu hoffen, aber schlecht zu warten.“
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Anhang 1 Musterformulierungen, die trotz amtlicher Formulare für die Zwangsvollstreckung (siehe Anhang 5 + 6) in einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zum „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ zusätzlich aufgenommen werden sollten/können: [Ansprüche als „Anlage“ zum PfÜB] (siehe dazu Rn. 92 ff.) (1) auf Zahlung der zu Gunsten des Schuldners bestehenden Guthaben seiner sämtlichen Tagesgeldkonten (siehe dazu Rn. 349 und 536), (2) auf Zutritt zu allen auf den Schuldner lautende Bankschließfächern und auf die Mitwirkung des Drittschuldners bei der Öffnung dieser Bankschließfächer bzw. der Öffnung dieser Bankschließfächer alleine durch den Drittschuldner zum Zwecke der Entnahme des Inhaltes (siehe dazu Rn. 791), (3) auf Zahlung der zu Gunsten des Schuldners bestehenden Guthaben aus seinem künftigen im Rahmen des § 850l zu errichtenden P-Einzelkontos (siehe dazu Rn. 1485 ff. und 1490 [„Praxistipp“]), (4) auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses seiner Geldkarte [Chipguthaben] (siehe dazu Rn. 582), (5) auf Herausgabe a) der in Sonderverwahrung für den Schuldner befindlichen Wertpapiere sowie auf Zahlung, Gutschrift und Auskehr von Wertpapiererträgen (siehe dazu Rn. 766 ff. insbesondere 769) sowie b) der angebliche Miteigentumsanteil des Schuldners an dem bei der Drittschuldnerin verwahrten Sammelbestand mit dem daraus sich ergebenden Anspruch des Schuldners auf Auslieferung der ihm gebührenden Wertpapiermenge sowie auf Zahlung, Gutschrift und Auskehr von Wertpapiererträgen (siehe dazu Rn. 773 ff.). (6) Sowie der angebliche Anspruch aus staatlich geförderten Altersvorsorgeverträgen (insbesondere sog. „Riester-Verträge“) bei denen der Schuldner Zulagenberechtigter im Rahmen der in § 10a EStG genannten Grenzen ist und zu Gunsten eines auf seinen Namen lautenden Altersvorsorgevertrag Altersvorsorgebeiträge leistet, allerdings nur soweit (siehe dazu Rn. 735 ff. und 742 ff.) a) Zahlungen/Beiträge über die Förderhöchstgrenzen hinaus gezahlt werden. Diese unterliegen der Pfändbarkeit, weil nur die Beträge im Rahmen der Höchstfördergrenzen pfändungsfrei sind; b) sie später als laufende Rentenzahlungen zur Auszahlung gelangen, also die Beträge, die in der Auszahlungsphase der staatlich geförderten Altersvorsorgeverträge als Leibrenten und Raten auf Grund eines Aus791
Anhang 1
zahlungsplans bezahlt werden. Diese unterliegen – wie Arbeitseinkommen – gem. § 850 Abs. 3b der Pfändbarkeit. Die Pfändung ist somit nach § 850c beschränkt; c) diese staatlich geförderten Altersvorsorgeverträge vom Schuldner zulagenschädlich gekündigt werden, das daraus dem Schuldner zustehende Guthaben. (7) Auszahlungsanspruch des Schuldners bei Auseinandersetzung der Genossenschaft (siehe dazu Rn. 783 ff. sowie a) Anspruch gegen die Genossenschaft; b) auf laufende Auszahlung der Gewinnanteile; c) auf Auszahlung des Anteils an der Ergebnisrücklage (§ 73 Abs. 3 GenG); d) auf Auszahlung des Anteils am Vermögen im Falle einer Liquidation. (8) Aus Rückübertragung (siehe dazu Rn. 800 ff.). a) des Eigentums von [genaue Bezeichnung erforderlich] sicherungsübereigneten Wertpapieren, Warenlagern, Kraftfahrzeugen, Wertgegenständen (siehe dazu Rn. 822 ff.). b) des Grundpfandrechtes durch Abtretung, Verzicht oder Löschung der im Grundbuch von [genaue Bezeichnung erforderlich] (siehe dazu Rn. 809 ff.) an in Abteilung III an laufender Nummer … eingetragenen … über … €; c) sicherungshalber abgetretener Forderungen [genaue Bezeichnung erforderlich] (siehe dazu Rn. 826 ff.). (9) [ergänzend zu 8 a/c] Anspruch auf Auszahlung des Übererlöses/Erlösüberschussses verwerteter Sicherheiten (bezeichnen, z. B. sicherungsübereignetes Fahrzeug XY; sü Maschine XY etc.; siehe dazu Rn. 829 ff.) Es wird darüber hinaus angeordnet, dass a) die im Depot verwahrten Wertpapiere nebst eventuellen Dividenden-, Anteils- oder Erneuerungsscheinen und Wertpapierdepotverträge an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind (siehe dazu Rn. 766); b) der Schuldner die Geldkarten zu den bei der Drittschuldnerin geführten Girokonten zum Nachweis der Höhe und Entladung des nicht verbrauchten Geldkarten-Vorschusses (Chipguthaben) auf dem Chip der Geldkarte zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches an den Gläubiger herauszugeben hat (siehe dazu Rn. 588); c) der Schuldner die Kontoauszüge (in Kopie) seiner bei der Drittschuldnerin geführten Konten in laufender Rechnung ab Erlass dieses Pfändungs-
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Anhang 1
und Überweisungsbeschlusses fortlaufend an den Gläubiger herauszugeben hat (siehe dazu Rn. 561 ff.). d) der Schuldner die dem Drittschuldner vorgelegten Bescheinigungen und Belege gemäß § 903, die zu einer Erhöhung des Pfändungsfreibetrags nach §§ 902, 904 auf einem Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k Abs. 1 führen, an den Gläubiger herauszugeben hat (siehe dazu Rn. 1863). Dem Schuldner wird insoweit nachgelassen, der Herausgabepflicht durch Übergabe von Kopien nachzukommen. f) der Schuldner die staatlich geförderten Altersvorsorgeverträge (siehe dazu Rn. 735 ff.) – ggf. in Kopie- an den Gläubiger herauszugeben hat; g) der Schuldner die Genossenschaftssatzung (Statut) an den Gläubiger herauszugeben hat (siehe dazu Rn. 785 ff.). ZUSÄTZLICH: Bei Pfändung wegen laufendem Unterhalt (laufende Unterhaltsrente) auch noch aufzunehmen: Anordnung, dass die Pfändung wegen der künftigen Unterhaltsbeträge erst mit dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Werktag wirksam wird (vgl. Rn. 1981 ff.).
793
Anhang 2
Anhang 2 Erklärung über die Führung des Kontos als Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO
Konto-Nummer: Kontoinhaber (Angaben zur Person, Anschrift):
1. 2.
Der Kontoinhaber erklärt, dass er ab sofort gemäß § 850k Abs. 1 ZPO das Konto alsPfändungsschutzkonto unterhalten will. Der Kontoinhaber versichert gegenüber seinem Kreditinstitut, dass er weder bei ihm noch bei einem anderen Kreditinstitut ein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält.
Optional: Der Kontoinhaber wird darauf hingewiesen, dass er nur e i n Pfändungsschutzkonto führen darf.
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Ort, Datum
Ort, Datum
Unterschrift Kontoinhaber
Unterschrift(en) Kreditinstitut
Anhang 2a
Anhang 2a Erklärung zur Fortführung des Kontos ohne Pfändungsschutz gemäß § 850k Abs. 5 ZPO
Konto-Nummer: Kontoinhaber (Angaben zur Person, Anschrift):
1. Der Kontoinhaber erklärt, dass er zum Monatsende gemäß § 850k Abs. 5 ZPO das Konto nicht mehr als Pfändungsschutzkonto unterhalten will. Optional: Der Kontoinhaber wird darauf hingewiesen, dass mit Wirksamwerden der Aufhebung der Pfändungsschutzfunktion das dann noch vorhandene Kontoguthaben dieses Kontos wieder dem AGB-Pfandrecht des Kreditinstitutes unterliegt und mit fälligen Forderungen des Kontoinhabers aufgerechnet oder verrechnet werden kann und/oder im Falle einer noch bestehenden Kontopfändung sofort der Pfändung unterliegt und soweit der Pfändungsgläubiger noch Forderungen aus der Kontopfändung beanspruchen kann, vom Kreditinstitut an den Pfändungsgläubiger überwiesen werden muss.
Ort, Datum
Ort, Datum
Unterschrift Kontoinhaber
Unterschrift(en) Kreditinstitut
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Anhang 2b
Anhang 2b
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Anhang 3
Anhang 3 Gemeinsame Information der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (Die Deutsche Kreditwirtschaft – DK) Pfändungsschutzkonto (P-Konto) Allgemeine Informationen zum Kontopfändungsschutz Umwandlungsanspruch Jeder Kontoinhaber hat einen Anspruch darauf, dass sein bestehendes Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umgewandelt wird. Die Umwandlung kann auch von einem Bevollmächtigten beantragt werden. Die Umwandlung ist auch möglich, wenn das Konto im Soll geführt wird. Basiskonto Verbraucher, die über kein Girokonto oder über ein nicht tatsächlich nutzbares Zahlungskonto verfügen, haben, sofern sie sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhalten, einen Anspruch auf Eröffnung eines Basiskontos. Das gilt auch für Verbraucher ohne festen Wohnsitz und Asylsuchende, sowie Personen ohne Aufenthaltstitel, die nicht abgeschoben werden können (Geduldete). Das Basiskonto erlaubt alle notwendigen Funktionen eines Girokontos1). Bei Beantragung des Basiskontos kann bereits vereinbart werden, dass das Basiskonto als P-Konto geführt werden soll. Verbot mehrerer Pfändungsschutzkonten Jede Person darf nur ein Girokonto als P-Konto führen. Das Führen mehrerer P-Konten ist untersagt und kann strafrechtlich verfolgt werden. Insbesondere bei einem Kontowechsel ist darauf zu achten, dass vor der Umwandlung des neuen Kontos in ein P-Konto die Funktion des bisherigen Kontos als P-Konto aufgehoben wird. Wenn Sie dies wünschen, wird Sie Ihr neues Kreditinstitut beim Kontowechsel unterstützen. Pfändungsschutz bei Gemeinschaftskonto Das Gesetz lässt P-Konten nur als Einzelkonten zu. Ein Gemeinschaftskonto (z. B. Eheleute-Konto) kann nicht als P-Konto geführt werden. Wird ein Gemeinschaftskonto gepfändet, so darf das Kreditinstitut erst einen Monat nach Zustellung der Pfändung (konkret nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses) aus dem Guthaben des Kontos Beträge an den Pfändungsgläubiger auskehren. Diesen Monatszeittraum kann/sollte jeder der Mitkontoinhaber nutzen und jeweils ein Einzelkonto für sich einrichten, falls ein solches noch nicht vorhanden ist. Auf diese Einzelkonten muss der jeweilige Mitkontoinhaber dann innerhalb dieses Monatszeitraumes das anteilige Guthaben pro Kontoinhaber übertragen lassen. Auch weitere Gutschriften innerhalb dieses ___________ 1)
https://www.die-dk.de/kontofuehrung/basiskonto/.
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Anhang 3
Monatszeitraumes können dann anteilig übertragen werden. Grundsätzlich wird das Guthaben pro Kopf aufgeteilt, bei zwei Mitkontoinhabern also je zur Hälfte, bei drei je zu einem Drittel usw. In besonders gelagerten Fällen können sich die Mitkontoinhaber des Gemeinschaftskontos und der pfändende Gläubiger auch auf einen anderen Verteilschlüssel verständigen. Hierzu benötigen sie aber die Zustimmung aller Pfändungsgläubiger, die das Gemeinschaftskonto gepfändet haben. Die anderweitige Verteilung muss dem Kreditinstitut in Textform (z. B. per Brief, Fax, Email) mitgeteilt werden. Der Pfändungsschuldner muss sein Einzelkonto als P-Konto führen, um dort im Rahmen seiner Pfändungsfreibeträge auch über das übertragene Guthaben (seinen Anteil aus dem Gemeinschaftskonto) verfügen zu können. Der/Die nicht gepfändeten Mitkontoinhaber benötigen kein P-Konto. Ihr übertragener Guthabenanteil aus dem Gemeinschaftskonto unterliegt nicht mehr der Pfändung. Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Übertragung weiterer Gutschriften von dem Gemeinschaftskonto auf die Einzelkonten nicht mehr möglich. Die Gemeinschaftskontoinhaber müssen den Monatszeitraum also nutzen und jeweils rechtzeitig veranlassen, dass Gutschriften (z. B. Lohn, Rente, Sozialleistungen) auf das jeweilige Einzelkonto übertragen werden. Sie müssen aber auch dafür sorgen, dass Abbuchungen (z. B. Miete, Strom, Versicherungsbeiträge etc.) dann von einem der Einzelkonten vorgenommen werden. Das Gemeinschaftskonto sollte zum Ende des Monatszeitraums aufgelöst werden. Dann können keine Gutschriften dort mehr verbucht und auch nicht an den Pfändungsgläubiger ausgezahlt werden. Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto auch nach Kontopfändung möglich Die Umwandlung in ein P-Konto kann auch beantragt werden, wenn für das Girokonto bereits Pfändungen zugestellt wurden. Wird die Umwandlung in ein P-Konto innerhalb von einem Monat ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beim Kreditinstitut vollzogen (Kreditinstitute haben zur Bearbeitung drei Geschäftstage Zeit), dann gilt die Schutzwirkung des P-Kontos bereits ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – ansonsten erst für die Zukunft. Automatischer Pfändungsschutz – Grundfreibetrag Wird das P-Konto gepfändet, so erhält der Kontoinhaber automatischen Pfändungsschutz in Höhe eines Grundfreibetrages von derzeit 1.260 Euro je Kalendermonat. Die Inanspruchnahme des Pfändungsfreibetrages auf dem Pfändungsschutzkonto setzt ein entsprechendes Guthaben zu diesem Zeitpunkt voraus. Über Guthaben bis maximal zur Höhe des Grundfreibetrages kann der Kontoinhaber auch nach Zustellung von Pfändungen ohne weiteres verfügen (z. B. durch Überweisung, Dauerauftrag und Lastschrift). Auf die Art der Einkünfte (Arbeitslohn, Sozialleistung, Steuererstattung usw.) und auf den Zeitpunkt 798
Anhang 3
des Zahlungseingangs kommt es nicht an; der Pfändungsfreibetrag gilt für den jeweiligen Kalendermonat. Beispiel einer Alleinerziehenden mit Kind: Ƒ Laufendes Arbeitseinkommen beträgt 1.800,00 EUR; dazu kommen 219,00 EUR Kindergeld. Ƒ Das Kontoguthaben beträgt im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses 2.019,00 EUR. Ƒ Von diesen 2.019,00 EUR sind 1260 EUR automatisch vor der Pfändung geschützt, selbst wenn die Pfändung erst gegen Monatsende eingeht. Mit Bescheinigung – erhöhter Freibetrag Über den automatisch bestehenden Grundfreibetrag hinaus kann sich der Pfändungsfreibetrag für das P-Konto je nach Lebenssituation des Kontoinhabers (Pfändungsschuldners) um weitere Freibeträge erhöhen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn er einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt oder für Dritte (z. B. Lebensgefährte, Stiefkind) bestimmte Sozialleistungen oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entgegennimmt. Dann gelten derzeit die folgenden erhöhten Freibeträge: Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ
1.731,44 EUR bei einer Unterhaltspflicht 1.994,09 EUR bei zwei Unterhaltspflichten 2.256,74 EUR bei drei Unterhaltspflichten 2.519,39 EUR bei vier Unterhaltspflichten 2.782,04 EUR bei fünf/mehr Unterhaltspflichten.
Zusätzlich pfändungsfrei sind Geldleistungen aus der Mutter-Kind-Stiftung sowie bestimmte Sozialleistungen, die den Mehraufwand infolge eines Körperschadens ausgleichen (z. B. die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage nach dem Bundesversorgungsgesetz, das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen als Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung oder das Blindengeld). Gleiches gilt für bestimmte Sozialleistungen an den Schuldner selbst, die den Grundfreibetrag übersteigen sowie weitere bestimmte unpfändbare Leistungen und nachgezahlte Leistungen. Lassen Sie sich dazu beraten von einer anerkannten Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle. Auch einmalige Sozialleistungen (z. B. Kosten für Klassenfahrt, Erstausstattung nach Geburt) sind von der Pfändung freigestellt. Pfändungsfrei sind weiterhin das Kindergeld sowie Kinderzuschläge, welche auf das gepfändete P-Konto fließen. Damit der erhöhte Freibetrag für ihn wirksam wird, muss der Kontoinhaber die Umstände, die zu einer Erhöhung des Grundfreibetrages berechtigen, seinem Kreditinstitut durch eine geeignete Bescheinigung nachweisen (vom Sozialleistungsträger oder einer anerkannten Schuldner- und Verbraucherin799
Anhang 3
solvenzberatungsstelle, Arbeitgeber, Familienkasse, Rechtsanwalt oder Steuerberater). Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände und Die Deutsche Kreditwirtschaft haben einen bundeseinheitlichen Bescheinigungsvordruck2) entwickelt. Das führt allerdings nicht dazu, dass nur diese Musterbescheinigung als Nachweis akzeptiert werden darf, denn einen Formzwang sieht das Gesetz nicht vor. Die Musterbescheinigung kann jedoch für die bescheinigende Stelle oder Person eine Hilfestellung sein. Stellen eine oder zwei (bei Bezug von Sozialleistungen) der o. g. Stellen vor Ort keine Bescheinigung aus, muss das Vollstreckungsgericht bzw. die Vollstreckungsstelle des öffentlichen Gläubigers (z. B. Finanzamt, Stadtkasse) entscheiden. Beispiel einer Alleinerziehenden mit Kind (Fortsetzung): Ƒ Laufendes Arbeitseinkommen beträgt 1.800,00 EUR; dazu kommen 219,00 EUR Kindergeld. Ƒ Das Kontoguthaben beträgt im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses 2.019,00 EUR. Ƒ Von diesen 2.019,00 EUR sind 1.260 EUR automatisch vor der Pfändung geschützt, selbst wenn die Pfändung erst gegen Monatsende eingeht. Ƒ Weist die Kontoinhaberin mit Hilfe der Musterbescheinigung bzw. einer Lohnbescheinigung des Arbeitgebers, welche die gesetzlichen Unterhaltspflichten ausweist, ihre Unterhaltslei tung nach und belegt sie den Bezug von Kindergeld auf diesem Konto, sind 1.731,44 EUR + 219,00 EUR = 1.950,44 EUR pfändungsfrei. Auf Antrag – individuelle Freigabeentscheidung Werden auf dem gepfändeten P-Konto Arbeitseinkünfte, Lohnersatzleistungen (wie Altersrente, Krankengeld, Arbeitslosengeld) oder Einkünfte von Selbständigen gutgeschrieben, die den automatisch geschützten Grundfreibetrag bzw. den erhöhten Sockelbetrag übersteigen, muss sich der Kontoinhaber an das Vollstreckungsgericht wenden, um die Freigabe des gepfändeten Guthabens im Einzelfall zu erreichen (z. B. durch Anwendung der Pfändungstabelle oder bei Weihnachtsgeld, Spesen, Überstunden usw.). Bei Pfändungen durch öffentliche Gläubiger (z. B. Finanzamt, Krankenkasse, u. ä.) sind die Vollstreckungsstellen der öffentlichen Gläubiger zuständig. Das Vollstreckungsgericht kann ausnahmsweise, etwa bei einer Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen, auf Antrag des Gläubigers geringere Pfändungsfreibeträge bestimmen. Das Kreditinstitut ist dann an diese Pfändungsfreibeträge gebunden, auch wenn sie niedriger sind als die im Gesetz vorgeschriebenen Freibeträge. ___________ 2)
800
https://die-dk.de/kontofuehrung/pfaendungsschutzkonto/.
Anhang 3
Beispiel einer Alleinerziehenden mit Kind (Fortsetzung): Ƒ Weist die Kontoinhaberin mit Hilfe der Musterbescheinigung bzw. einer Lohnbescheinigung des Arbeitgebers, welche die gesetzlichen Unterhaltspflichten ausweist, ihre Unterhaltsleis- tung nach und belegt sie den Bezug von Kindergeld auf diesem Konto, sind 1.731,44 EUR + 219,00 EUR = 1.950,44 EUR pfändungsfrei. Ƒ Nach der Pfändungstabelle und bei einer gesetzlichen Unterhaltspflicht wären von den 1.800,00 EUR Arbeitseinkommen allerdings nur 37,96 EUR pfändbar. Deshalb ist ein Frei- gabeantrag an das Vollstreckungsgericht/Vollstreckungsstelle anzuraten, um jetzt und zu- künftig einen Betrag von insgesamt 1.762,04 EUR zuzüglich 219,00 EUR Kindergeld (= 1.981,04 EUR) pro Kalendermonat pfändungsfrei stellen zu lassen. Übertrag auf 3 nachfolgende Kalendermonate (Ansparbetrag) Hat der Kontoinhaber sein pfändungsgeschütztes Guthaben bis zum Ende des Kalendermonats nicht aufgebraucht, kann dieser verbleibende Guthabenrest maximal drei Monate übertragen werden und steht dann zusätzlich zum geschützten Monatsguthaben zur Verfügung. Dadurch erhöht sich jeweils der geschützte Freibetrag der Folgemonate. Das übertragene Guthaben wird im Folgemonat zuerst verbraucht. Achtung: Es kann nur tatsächlich vorhandenes Guthaben übertragen werden: Beispiel einer Alleinerziehenden mit Kind (Fortsetzung): Ƒ Vollstreckungsgericht/Vollstreckungsstelle haben auf Antrag der Schuldnerin pro Kalender- monat insgesamt 1.762,04 EUR pfändungsfrei gestellt. Hinzu kommen die 219,00 EUR Kindergeld, die mittels Bescheinigung/Kindergeldbescheid pfändungsfrei bleiben. Ƒ Gibt die Kontoinhaberin im Anschluss an die Pfändung bis zum Monatsende nur 1.000,00 EUR sowie das Kindergeld – also insgesamt 1.219,00 EUR – aus, wird das nicht genutzte pfändungsgeschützte Guthaben in Höhe von 762,04 EUR (automatisch) bis zu dreimal auf die Folgemonate übertragen. Ƒ Achtung: Verfügt sie in drei aufeinanderfolgenden Monaten nicht mindestens über insgesamt 762,04 EUR, so verfällt der Übertragungsbetrag! Das Kreditinstitut wird sie aber darauf hinweisen, wenn ein Betrag mit Ablauf des Monats zu verfallen droht. Ƒ Aus den Gutschriften, die in diesem Folgemonat auf dem Konto eingehen, kann dann erneut ein nicht verbrauchter Teil in die darauffolgenden drei Kalendermonate übertragen werden. Der Übertrag in die Folgemonate ist aber der Höhe nach beschränkt. Es darf immer nur so viel übertragen werden, wie dem Konto im zurückliegenden Monat als neuer pfändungsgeschützter Betrag gutgeschrieben wurde.
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Anhang 3
Pfändungsschutz auch für Selbständige Der Sockelschutz und der erhöhte Sockelschutz mit Hilfe der Musterbescheinigung oder des Bescheids gelten auch für die Einkünfte von Selbständigen. Einen höheren Freibetrag geben das Gericht bzw. die Vollstreckungsstelle auf Antrag des selbständigen Kontoinhabers frei. Bei Gericht muss hierfür im Regelfall das monatliche Netto-Einkommen nach Abzug der Betriebskosten vom Umsatz nachgewiesen werden. Pfändungsschutzkonto ist immer ein Guthabenkonto Das Gesetz ordnet an, dass ein P-Konto ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf und gewährt Pfändungsschutz in Höhe des jeweiligen Freibetrages nur dann, wenn Guthaben in entsprechender Höhe vorhanden ist. Das schließt aus, dass auf einem P-Konto bspw. Dispokredite gewährt oder Überziehungen zugelassen werden. Auch die Nutzung einer Kreditkarte ist dann nicht weiter möglich, es sei denn es handelt sich um eine prepaidKreditkarte. Schutz bei Konten mit Sollsaldo Auch wenn ein Konto – ohne Pfändung – einen Sollsaldo aufweist, kann der Kontoinhaber die Umwandlung in ein P-Konto verlangen. Da das P-Konto nur im Guthaben geführt werden darf, muss der Sollsaldo ausgebucht werden. Hierfür kann das Kreditinstitut ein zweites Konto oder ein Unterkonto einrichten. Hat der Kontoinhaber die Umwandlung in ein P-Konto verlangt, so darf das Kreditinstitut Gutschriften in Höhe des jeweiligen (erhöhten) Sockelfreibetrages nicht mehr mit dem Sollsaldo verrechnen. So soll sichergestellt werden, dass auch Personen mit überzogenen Konto im Rahmen der Pfändungsfreibeträge ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Empfehlenswert ist es, eine Rückführung des Sollsaldos anzustreben, um schuldenfrei bei Ihrem kontoführenden Institut zu werden. Soweit auf ein im Soll geführtes Konto eine Pfändung eingeht, gilt das Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot für das Kreditinstitut ebenfalls. Wichtig: Dazu muss der Kontoinhaber zwingend innerhalb eines Monats nach Zugang der Pfändung auch tatsächlich die Umwandlung in ein P-Konto verlangen. Beendigung der P-Kontofunktion Der Kontoinhaber kann mit einer Frist von vier Geschäftstagen zu jedem Monatsende von dem Kreditinstitut verlangen, dass die P-Kontofunktion des Kontos aufgehoben wird. Das bietet sich zum Beispiel bei der Erledigung einer Pfändung an oder wenn das P-Konto bei einem anderen Girokonto eingerichtet werden soll. Das Konto wird dann zu den bisherigen Bedingungen unverändert fortgeführt. Die Nutzung der Kreditkarte oder ein Dispositionskredit können dann grundsätzlich wieder beantragt werden. Anordnung der Unpfändbarkeit Auf Antrag des Kontoinhabers kann das Vollstreckungsgericht anordnen, dass das Pfändungsschutzkonto für die Dauer von bis zu zwölf Monaten nicht der 802
Anhang 3
Pfändung unterworfen ist. Hierzu muss der Kontoinhaber nachweisen, dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben wurden, und er muss glaubhaft machen, dass Gleiches für die folgenden sechs Monate zu erwarten ist. Ordnet das Vollstreckungsgericht die Unpfändbarkeit (für bis zu zwölf Monate) an, bräuchte er keine weiteren Schritte zum Erhalt seines Kontopfändungsschutzes mehr zu unternehmen, falls in diesem Schutzzeitraum eine weitere Kontopfändung erfolgt. Allerdings muss er die Unpfändbarkeitsanordnung rechtzeitig erneut beantragen. Meldung an Auskunfteien Das Gesetz sieht vor, dass die Einrichtung, die Löschung und der Widerruf eines Pfändungsschutzkontos vom Kreditinstitut den Auskunfteien, z. B. der SCHUFA, mitgeteilt werden können. Diese Auskunft soll die missbräuchliche Führung von mehreren Pfändungsschutzkonten durch eine Person verhindern. Auf Anfrage erhält das Kreditinstitut von der Auskunftei nur dann eine Auskunft, ob für den Kontoinhaber bereits ein Pfändungsschutzkonto bei einem anderen Kreditinstitut geführt wird, wenn der Kontoinhaber sein Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umwandeln lassen will. In einer Auskunft über die Bonität des Kontoinhabers wird die Tatsache, dass der Kontoinhaber ein Pfändungsschutzkonto führt, nicht enthalten sein. *****
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Anhang 3a
Anhang 3a Eine Information der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kreditwirtschaft (DK)
Ihr Konto wurde gepfändet? Erste Informationen, die Sie beachten sollten: 1. Kein Pfändungsschutz ohne Pfändungsschutzkonto Wurde Ihr Girokonto gepfändet, muss das Kreditinstitut das Konto sperren, wenn das Konto nicht als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Jetzt müssen Sie schnell aktiv werden! 2. Umwandlungsantrag Um die Kontosperre zu beenden, beantragen Sie bei Ihrem Kreditinstitut unverzüglich die Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (= P-Konto). Die Umwandlung können Sie persönlich oder eine bevollmächtigte Person verlangen. In Banken und Sparkassen gibt es hierzu einen Vordruck. Sie müssen dabei in jedem Fall erklären, dass Sie kein weiteres P-Konto haben. 3. Anspruch auf Umwandlung Sie haben einen Anspruch auf Umwandlung Ihres Girokontos in ein P-Konto. Das gilt auch, wenn das Konto „im Minus“ oder bereits gepfändet ist. Ist ein Gemeinschaftskonto gepfändet, müssen Sie zwei (P-)Konten beantragen. Das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto kann dann geteilt werden. 4. Einen Monat Zeit zur Umwandlung in ein P-Konto Wird das Girokonto nicht innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses beim Kreditinstitut in ein P-Konto umgewandelt, muss das Kreditinstitut das gesamte gepfändete Kontoguthaben an den Gläubiger abführen. Pfändungsschutz besteht bei Versäumnis der Monats-Frist nur für zukünftiges Guthaben ab dem Zeitpunkt, ab dem das Konto als P-Konto geführt wird. Denken Sie bei der Fristberechnung daran, dass die Umwandlung in ein P-Konto nach Ihrem Antrag bis zu vier Geschäftstage dauern kann. 5. Grundfreibetrag: derzeit 1.260 Euro pro Monat. Je Kalendermonat sind derzeit bis zu 1.260 Euro auf dem P-Konto pfändungsfrei (Grundfreibetrag). Voraussetzung ist ein ausreichender Geldeingang auf dem Konto. Die Herkunft des Geldes (Arbeitslohn, Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, Schenkung, Rente, Arbeitslosengeld, Krankengeld …) spielt keine Rolle.
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Anhang 3a
6. Erhöhung des Grundfreibetrages Sie können den Grundfreibetrag bei Ihrem Kreditinstitut erhöhen lassen, wenn Sie zum Beispiel gesetzlichen Unterhaltspflichten nachkommen, Sozialleistungen für andere (Bedarfsgemeinschaft) entgegennehmen oder einmalige Sozialleistungen und Kindergeld auf dem P-Konto eingehen. Auch Nachzahlungen können in bestimmten Fällen geschützt werden. 7. Wie erhöhen Sie den Grundfreibetrag? Zur Erhöhung des Freibetrages benötigt das Kreditinstitut eine Bescheinigung: Eine Bescheinigung bekommen Sie – unter Vorlage entsprechender Nachweise – beispielsweise bei einer Beratungsstelle, die als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle zugelassen ist, einem Sozialleistungsträger (etwa Jobcenter) oder Ihrem Arbeitgeber. Es können aber nicht alle (Sozial-) Leistungen bescheinigt werden. Sozialleistungsträger müssen Ihnen auf Antrag eine Bescheinigung ausstellen. 8. Festsetzung des individuellen Freibetrages durch Vollstreckungsgericht/ Vollstreckungsstelle Ist Ihr Einkommen höher als der Freibetrag, kann häufig eine weitere Erhöhung des Pfändungsfrei- betrages (z. B. entsprechend der Pfändungstabelle) beim Vollstreckungsgericht/vollstreckende Stelle des öffentlichen Gläubigers beantragt werden. 9. Verrechnung durch die Bank bei überzogenem Konto Ist ihr P-Konto überzogen und kündigt die Bank den Dispo, können Sie verlangen, dass Ihnen der (erhöhte) Grundfreibetrag ausgezahlt wird. Das Kreditinstitut kann eigene Forderungen nicht mit dem Guthaben auf dem P-Konto verrechnen. 10. Noch Fragen? Diese Informationen können nur einen groben Überblick geben. Verstehen Sie etwas nicht, fragen Sie eine Schuldner- bzw. Verbraucherberatungsstelle. Die richtige Führung des Pfändungsschutzkontos ist nämlich nicht einfach. *****
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Anhang 4
Anhang 4
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Anhang 4a
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Sprecher: Roman Schlag Caritasverband für das Bistum Aachen e.V. Postfach 10 05 52 52005 Aachen Telefon: +49 241 431-133 Telefax: +49 241 431-2984 [email protected] www.agsbv.de
P-Konto Bescheinigung nach § 903 Absatz 1 Satz 2 ZPO
Ausfüllhinweise
Aachen, den 21.09.2021
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. (AWO)
Deutsches Rotes Kreutz e. V. (DRK)
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung
Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundes-
e. V. (BAG-SB)
verband
Deutscher Caritasverband e. V. (DCV)
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv)
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V. (DPWV)
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Erstellt unter Mitwirkung von Katja Immel, Jörn Meyer, Prof. Dr. Andreas Rein, Angela Weber, Michael Weinhold, Pamela Wellmann, Thomas Zipf und in Abstimmung mit der Deutschen Kreditwirtschaft. 808
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A. Vorbemerkung Der Schuldner1) kann jederzeit von dem Kreditinstitut verlangen, dass ein bestehendes Konto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Ein entsprechender Antrag durch den Schuldner oder eine bevollmächtigte Person reicht aus. Auf dem P-Konto ist dann grundsätzlich ein Guthaben von monatlich 1.260,00 €2) geschützt. Weitere Beträge können mit Nachweisen (z. B. der Bescheinigung der AG SBV) freigegeben werden. Die alleinige Übermittlung einer Bescheinigung ohne vorherigen Antrag auf Umwandlung reicht nicht aus. I. Bezeichnung der bescheinigenden Personen oder Stellen Eine Bescheinigung über Erhöhungsbeträge kann von einer anerkannten Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle oder durch eine geeignete Person (insbesondere Rechtsanwalt, Steuerberater) im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgestellt werden. Außerdem können auch Arbeitgeber, Sozialleistungsträger (z. B. Jobcenter, Sozialamt), die Familienkasse und andere Stellen, die Leistungen gewähren, Bescheinigungen ausstellen. Bei den im vorigen Absatz genannten anderen Stellen handelt es sich um Stellen, die Geldleistungen aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ gewähren oder solche, die unpfändbare Geldleistungen i. S. d. § 902 Nr. 6 ZPO nach bundesrechtlichen oder landesrechtlichen Vorschriften bewilligen (z. B. Hamburger Blindengeld gem. § 4 HmbBlinGG). II. Angaben zum Kontoinhaber und Pfändungsschutzkonto (P-Konto) Zwingend sind die persönlichen Angaben zum Schuldner (mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und vollständiger Anschrift), der Name des Kreditinstitutes und die IBAN einzutragen. Sollte die IBAN nicht zur Hand sein, kann auch die Kontonummer und Bankleitzahl verwendet werden. Sollte es sich um ein Gemeinschaftskonto handeln, müssen Einzelkonten eingerichtet werden, die als P-Konto geführt werden (können). Eine Bescheinigung kann erst für das jeweilige einzelne P-Konto mit der neuen Kontonummer ausgestellt werden. III. Ermittlung des pfändungsfreien Betrages 1. Grundfreibetrag: Der Schuldner kann aus dem Guthaben des Pfändungsschutzkontos über monatlich 1.260,00 €3) verfügen. Dieser Betrag entspricht dem Freibetrag bei einer Lohnpfändung gem. § 850c Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 und § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach Aufrundung des monatlichen Freibetrages auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag. ___________ 1) 2) 3)
Gemeint sind alle Personen m/w/d. Stand: 1.12.2021, jährliche Änderung der Freibeträge zum 1.7. Stand: 1.12.2021, jährliche Änderung der Freibeträge zum 1.7.
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Anhang 4a
2. Erhöhungsbetrag: Ist der Schuldner gesetzlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet und gewährt diesen (in Geld bzw. beim Zusammenleben als Naturalunterhalt) kann zusätzlich zum Grundfreibetrag jeweils ein „Erhöhungsbetrag“ bescheinigt werden. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht für Ehepartner/eingetragene Lebenspartner (auch bei Trennung und ggf. nach Scheidung/Aufhebung der Lebenspartnerschaft) und minderjährige Kinder. Für volljährige Kinder, Enkel, Eltern, Großeltern oder einen unverheirateten Elternteil, der ein gemeinsames Kind betreut, besteht die gesetzliche Verpflichtung nur bei entsprechender Bedürftigkeit der unterhaltsberechtigten Person und Leistungsfähigkeit des Schuldners. Auch die Erhöhungsbeträge entsprechen den Freibeträgen bei einer Lohnpfändung: für die erste Person4) sind dies 471,44 €, für bis zu vier weitere Personen jeweils 262,55 €. Hinweis: Diese Beträge werden nicht auf den nächsten 10-Euro-Betrag aufgerundet. Ob der Ehegatte oder das Kind eigenes Einkommen erzielen, spielt für die Bescheinigung des Freibetrages keine Rolle. Auch führt ein Kind bei beiden Elternteilen zu je einem ungekürzten Erhöhungsbetrag (z. B. bei der alleinerziehenden Mutter, die das minderjährige Kind betreut und beim Vater, der Barunterhalt zahlt; z. B. bei beiden erwerbstätigen Elternteilen, bei denen ein minderjähriges Kind lebt bzw. die gemeinsam ihr Kind in Ausbildung oder Studium finanziell unterstützen). Hinweis: Eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages wegen Unterhaltspflichten ist von Gesetzes wegen auf maximal fünf Unterhaltsberechtigte beschränkt. Eine darüber hinausgehende Anzahl an unterhaltsberechtigten Personen zu bescheinigen, ist nicht zulässig. Sollte der Schuldner mehr als fünf Personen gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sein, so kann er einen Antrag gem. § 906 Abs. 2 ZPO beim Vollstreckungsgericht bzw. gem. § 910 ZPO bei der Vollstreckungsstelle des öffentlichen Gläubigers (z. B. Finanzamt oder Kommunen) stellen, um weiteren Pfändungsschutz zu erreichen. 3. Erhöhungsbeträge für nichteheliche Lebensgefährten, Stiefkinder oder weitere Personen, für die keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung besteht, können nur bescheinigt werden, wenn auf das Konto des Schuldners für diese Personen Sozialleistungen nach dem SGB II (JobCenter), SGB XII oder Asylbewerberleistungsgesetz (Sozialamt) überwiesen werden.
___________ 4)
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Die „erste“ Person kann auch ein Kind sein (z. B. alleinerziehendes Elternteil lebt mit Kindern zusammen).
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IV. Weitere laufende monatliche Geldleistungen Der pfändungsfreie Betrag auf dem Pfändungsschutzkonto kann sich durch weitere laufende unpfändbare Geldleistungen erhöhen und kann zusätzlich bescheinigt werden: 1. Durch hohe Mietkosten, Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung oder auch Fahrkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts können vom Jobcenter/Sozialamt im Einzelfall Leistungen nach dem SGB II/ SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt werden, die den Grundfreibetrag übersteigen (1.260,00 €). Lediglich die dem Schuldner bewilligten Leistungen können als Mehrbetrag bescheinigt werden. Nachweis: Bescheid des Leistungsträgers und ggf. Berechnungsbogen, aus dem sich die Gewährung für die kontoführende Person gibt. Hinweis: Werden weiteren Personen der Bedarfsgemeinschaft solche die Erhöhungsbeträge übersteigende Leistungen bewilligt, sind diese nicht zu bescheinigen. In diesen Fällen ist ein Antrag beim Vollstreckungsgericht/ der Vollstreckungsstelle möglich. 2. Laufende Geldleistungen, die einen durch Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand ausgleichen, sind mit dem regelmäßig zur Auszahlung gelangenden Monatsbetrag zu bescheinigen. Hierzu zählen insbesondere: Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für Kriegs- und Wehrdienstopfer sowie für Opfer von vorsätzlichen Straftaten, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft (z. B. Kraftfahrzeughilfen nach SGB), Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung nach dem SGB IX (insb. Persönliches Budget gem. § 29 SGB IX) und Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (z. B. für selbst beschaffte Pflegehilfen gem. § 37 SGB XI). Hinweis: Lohnersatzleistungen, wie Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, Berufsschadensausgleich, Übergangsgeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld oder Krankengeld, sind keine Geldleistungen, die einen durch Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand ausgleichen. 3. Erhält der Schuldner andere Geldleistungen, die durch landes- oder bundesrechtliche Vorschriften von der Pfändung ausgenommen sind, kann ein entsprechender Betrag bescheinigt werden, sofern in dem Gesetz gleichzeitig die Leistung und die Unpfändbarkeit festgelegt sind (z. B. Hamburger Blindengeld gem. § 4 HmbBlinGG).
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Anhang 4a
Achtung: Wohngeld i. S. des Wohngeldgesetzes (WoGG) kann hier z. B. nicht bescheinigt werden, weil die Unpfändbarkeit nicht im WoGG, sondern in § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I geregelt ist. Hier muss der Kontoinhaber einen Antrag auf Freigabe beim Vollstreckungsgericht/vollstreckende Stelle stellen: 4. Kindergeld, welches auf dem Konto des Schuldners gutgeschrieben wird, kann bescheinigt werden. Die Höhe der Kindergeldleistung, sowie der Geburtsmonat und das Geburtsjahr sind einzutragen. Die Geburtsdaten geben dem Kreditinstitut als Drittschuldner die Möglichkeit, die Kindergeldleistung als weiteren unpfändbaren Freibetrag bis zur Volljährigkeit fortzuschreiben. Hinweis: Sollte der Schuldner für mehr als fünf Kinder Kindergeld beziehen, dann sind die Daten auf einem gesonderten Beiblatt aufzuführen. 5. Neben Kinderzuschlag zählen zu den Geldleistungen für Kinder die Zulagen der gesetzlichen Unfallversicherung oder Zuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherungen. In die Bescheinigung ist der jeweilige Betrag, den die kontoführende Person für sein/e Kind/er erhält, einzutragen. Hinweis: Keine Geldleistungen für Kinder (sondern Leistungen „an ein Kind“) sind der Kindesunterhalt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil auf das Konto des betreuenden Elternteils überweist, Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse und die Waisenrente. Diese sind nicht zu bescheinigen. Ergebnis = monatlicher Gesamtfreibetrag Die Summe der einzelnen Freibeträge und Leistungen ergibt den monatlich pfandfreien Gesamtfreibetrag. V. Ermittlung des einmaligen Freibetrages Zusätzlich zum geschützten Gesamtfreibetrag können einmalige Sozialleistungen und bestimmte Nachzahlungen bescheinigt werden. 1. Einmalige Sozialleistungen: Kosten von Klassenfahrten; Erstausstattungen bei Schwangerschaft, Geburt und nach Haftentlassung oder anderweitigem erstmaligen Wohnungsbezug; Heizkostenbeihilfe, Darlehen/Beihilfen nach SGB II und SGB XII; Rentenabfindung; Bestattungsgeld nach § 36 BVG; Sterbegeld nach § 64 SGB VII und § 37 BVG; Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI; Kraftfahrzeughilfe für die Anschaffung bzw. den behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges. Ergänzend zum Betrag sind die Art der Leistung, der Leistungsträger und möglichst auch das Datum des Bescheids zu benennen, um dem Kreditinstitut bei einer Verzögerung der Auszahlung die Freigabe im Folgemonat zu ermöglichen. 2. Einmalige Geldleistungen für den Schuldner selbst nach landes- oder bundesrechtlichen Rechtsvorschriften, sofern in dem Gesetz gleichzeitig
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Anhang 4a
die Leistung und die Unpfändbarkeit festgelegt sind (z. B. einmal jährlich ausgezahltes Pflegegeld des Freistaats Bayern, Art. 2 Abs. 4 S. 3 BayLPflGG). Achtung: Wohngeld i. S. des Wohngeldgesetzes (WoGG) kann hier nicht bescheinigt werden, weil die Unpfändbarkeit nicht im WoGG, sondern in § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I geregelt ist. Hier muss der Kontoinhaber einen Antrag auf Freigabe beim Vollstreckungsgericht/vollstreckende Stelle stellen. 3. Nachzahlung von Sozialleistungen: Laufende Geldleistungen nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG für die gesamte Bedarfsgemeinschaft (z. B. Erstattung der Heizungs-/Nebenkosten-Differenz für das zurückliegende Abrechnungsjahr) können mit dem vollen Nachzahlbetrag bescheinigt werden; ebenso Nachzahlungen von Kindergeld, Kinderzuschlag etc. sowie unpfändbare sonstige Geldleistungen nach § 902 Nr. 6 ZPO für den Schuldner selbst. Hinweis: Es kann nur der tatsächliche Nachzahlbetrag bescheinigt werden. Der laufende Monat ist ggf. aus der Gesamtüberweisung herauszurechnen. 4. Nachzahlung anderer Sozialleistungen und Arbeitseinkommen: Arbeitslosengeld I, Rente, Krankengeld, Leistungen der Pflegekasse, sowie Arbeitseinkommen können bis zu einem Nachzahlbetrag von 500,00 € bescheinigt werden. Übersteigt die Nachzahlung 500,00 € ist ein Antrag gem. § 904 Abs. 5 ZPO beim Vollstreckungsgericht/der Vollstreckungsstelle notwendig. 5. Geldleistungen der Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ B. Wirkung und Dauer der Bescheinigung Die in der Bescheinigung genannten Beträge sind kraft Gesetzes von der Pfändung nicht erfasst. Grundsätzlich gelten Bescheinigungen unbefristet und müssen vom Kreditinstitut für eine Dauer von mindestens zwei Jahren beachtet werden. Spätestens zwei Monate vor Ablauf der Bescheinigungsdauer muss das Kreditinstitut dem Schuldner mitteilen, wenn es eine neue Bescheinigung verlangt. Nur wenn tatsächliche Anhaltspunkte dagegen sprechen (z. B. Kenntnis des Kreditinstituts von der Volljährigkeit eines Kindes, vom Wegfall des Kindergeldes oder vom Tod des Ehepartners), kann die Vorlage einer aktuellen Bescheinigung schon früher verlangt werden. Wird keine neue Bescheinigung vorgelegt, wird das Kreditinstitut eine Auszahlung bzw. Kontoverfügung nur in Höhe des Grundfreibetrages zulassen.
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C. Copyright Die Musterbescheinigung der AG SBV ist urheberrechtlich geschützt. Die Urheber gewähren jedoch ein Nutzungsrecht nach dem Mustervertrag „Creative Commons Namensnennung- Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz“: Die Musterbescheinigung kann mit Namensnennung verwendet, darf aber ohne Genehmigung nicht verändert, ein- oder angepasst werden.
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Anhang 4b
Anhang 4b
Berlin, den 2. November 2021 Ergänzung für die Bewilligungsschreiben der zentralen Einrichtungen der Bundesstiftung Mutter und Kind, der Trägerstellen oder der Schwangerschaftsberatungsstellen (mit der Gewährung von Geldleistungen im Sinne des § 902 Satz 1 befassten Einrichtungen) an die Hilfeempfängerinnen zur Berücksichtigung der Neuregelungen des Kontopfändungsschutzes ab 1.12.2021
Von Seiten der Geschäftsführung der Bundesstiftung Mutter und Kind wird empfohlen, die folgenden Textbausteine (ggf. an den ausgewiesenen Stellen angepasst) in die o. g. Bewilligungsschreiben aufzunehmen, um die entsprechenden Informationen an die Hilfeempfängerinnen weiterzugehen und insbesondere die Hilfen selbst vor einer eventuellen Pfändung zu schützen:
Hinweise zum Pfändungsschutz: Um die bewilligten Geldleistungen nach Überweisung auf Ihr Konto vor einer eventuellen Pfändung zu schützen, müssen Sie Folgendes beachten: 1. Das Konto, auf das die Überweisung der Stiftungshilfen erfolgt, muss entweder bereits als Pfändungsschutzkonto (P-Konto) geführt werden oder zeitnah nach Eingang der Stiftungshilfen in ein P-Konto umgewandelt werden. 2. Die nachstehende Bescheinigung über die Unpfändbarkeit der Stiftungshilfen muss schnellstmöglich bei dem Kreditinstitut vorgelegt werden. Es sind vor allem folgende Fälle zu unterscheiden: Fall 1: Pfändung der Stiftungshilfen auf einem „normalen“ Zahlungskonto Wird das Zahlungskonto zum Zeitpunkt der Kontopfändung der Stiftungshilfen noch nicht als P-Konto geführt, müssen Sie von dem Kreditinstitut verlangen, dass Ihr Zahlungskonto als P-Konto geführt wird. Darüber hinaus müssen Sie dem Kreditinstitut die folgende Bescheinigung über die Unpfändbarkeit der Stiftungshilfen vorlegen. Das Kreditinstitut ist verpflichtet, das Zahlungskonto ab dem vierten Geschäftstag nach Ihrem Umwandlungsver815
Anhang 4b
langen als P-Konto zu führen. Die Bescheinigung muss es ab dem zweiten Geschäftstag nach Vorlage beachten. Nach Ablauf eines Monats nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses an das Kreditinstitut darf dieses aus dem Guthaben an den Gläubiger zahlen. Beispiel: Die Zustellung des Überweisungsbeschlusses an das Kreditinstitut erfolgt am 17. August 2021. Dieses darf Zahlungen aus dem Guthaben bis einschließlich 17. September 2021 nicht an den Gläubiger leisten. Der Antrag an das Kreditinstitut, das Zahlungskonto in ein P-Konto umzuwandeln, muss bis zum 13. September 2021, die Vorlage der Bescheinigung bis zum 15. September 2021 erfolgen. Fall 2: Pfändung der Stiftungshilfen auf einem P-Konto Wird das Zahlungskonto zum Zeitpunkt des Eingangs der Stiftungshilfen bereits als P-Konto geführt und liegt auch schon eine Pfändung vor, müssen Sie dem Kreditinstitut lediglich nachstehende Bescheinigung über die Unpfändbarkeit der Stiftungshilfen vorlegen. Das Kreditinstitut ist wiederum verpflichtet, die Bescheinigung ab dem zweiten Geschäftstag nach Vorlage zu beachten, und darf grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die Gutschrift der bewilligten Geldleistung folgt, an den Gläubiger zahlen. Beispiel: Die Gutschrift der Geldleistung erfolgt am 17. August 2021. Das Kreditinstitut darf bis einschließlich 30. September 2021 nicht an den Gläubiger zahlen. Die Bescheinigung muss bis zum 28. September 2021 beim Kreditinstitut vorgelegt werden.
Bescheinigung über die Unpfändbarkeit einer Geldleistung nach § 902 Satz 1 Nummer 3 ZPO: Es wird gemäß § 903 Absatz 1 Satz 1 ZPO bescheinigt, dass die auf das Konto aufgrund dieser Bewilligung überwiesenen Leistungen aus den Mitteln der Bundesstiftung Mutter und Kind1) gemäß § 5 Absatz 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ nicht pfändbar sind. Gemäß § 903 Absatz 3 Satz 2 ZPO werden folgende Angaben gemacht: 1. Die Höhe der Leistung beträgt _________ Euro. 2. Es handelt sich um eine Leistung gemäß § 902 Satz 1 Nummer 3 ZPO. 3. Die Leistung wird für einen unbestimmten Zeitraum gewährt.
___________ 1)
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Sollten in diesen Leistungen auch Mittel anderer Stiftungen des öffentlichen Rechts oder von Stiftungen, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet wurden, enthalten sein, um den in § 2 Abs. 1 MuKStiftG genannten Zweck zu erreichen, so müsste hier noch der Name dieser Stif-tung mit genannt werden.
Anhang 4b
Gemäß § 903 Absatz 3 Satz 3 ZPO werden folgende Angaben gemacht:2) 1. Die Anzahl der Personen, denen die Hilfeempfängerin auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, beträgt ___. 2. Das Geburtsdatum der minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen lautet: a) ___/___/___, b) ___/___/___, c) ___/___/___. 3. Diese Angaben datieren von der Antragsaufnahme am ___/___/___ bzw. der Antragsergänzung vom ___/___/___. [Alternative bei Unkenntnis:] Gemäß § 903 Absatz 3 Satz 3 ZPO können mangels Kenntnis keine Angaben gemacht werden.
___________ 2)
Hinweis für die Bewilligungsstelle: Die Angaben in der Bescheinigung nach § 903 Absatz 3 Satz 3 ZPO zu der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen und dem Geburtsdatum der minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen müssen gemacht werden, soweit die Bewilligungsstelle Kenntnis hiervon hat. Bei Unkenntnis ist hin-gegen die am Ende befindliche Alternativvariante aufzunehmen.
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Anhang 5
Anhang 5 ZvFV-Vordruck gewöhnliche Geldforderung (siehe aber Rn. 108 („Praxistipp“))
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 5
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Anhang 6
Anhang 6 ZvFV-Vordruck Unterhalts-Forderung (siehe aber Rn. 108 („Praxistipp“))
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Anhang 6
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Anhang 6
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Anhang 6
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Anhang 6
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Anhang 7
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Anhang 7
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Anhang 7
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Stichwortverzeichnis
Abschlusssaldo
549, 552, 948 – gekündigtes Konto 549 Abtretung 492, 815, 827 f., 2647 – AGB-Pfandrecht 507 – Berücksichtigung vorrangiger 164 – Bestimmtheit 504 – geltungserhaltende Reduktion 511 – Konkurrenz zu Pfändung 492 – rückdatierte 499 – sittenwidrige Nichtigkeit 511 – Umfang 516 Abtretungsausschluss AGB 520 Abtretungsverbot 518 AGB-Pfandrecht 282, 416, 419, 421 ff., 769, 912, 1223, 1225, 972, 2228 – Einschränkung 282, 416 f., 428 – Kontosperre 425 – Pfandreife 424 Aktivlinie 1172 Altersrentenverträge (Rürup) 756 Altersversorgung, betriebliche 737 Altersvorsorgebeiträge – geförderte 742 – nicht geschützte 757 – Zulagenfrist 457 – Zulagengewährung 746 Altersvorsorgevermögen 742 – Kapitalisierungsrecht 472 Altersvorsorgezulage 742 Anderkonto 695 – Hinweispflicht des Kreditinstitutes 697 Änderungskündigung 2897 Anfechtung 365, 451, 1226 – Errichtung Gemeinschaftskonto 1350 Anhaltspunkte, tatsächliche 1147, 1956, 1779 ff., 2202
Anhörung – im Rahmen des § 905 1947 ff. Ansparen auf dem P-Konto 1265, 1270 Anspruch auf Auskunft 561 Anspruch auf Rechnungslegung 561 Anlagen 97, 151, 206 f. Antrag nach § 765a 639, 783, 839, 895 f., 962, 1123, 1302 f., 1446, 1675, 1687, 1709 f., 1819, 2104, 2284, 2457, 2780 f. Antragsteller P-Konto, berechtigter 885 Arbeitgeber – als Drittschuldner 164 Arbeitslosengeld 1640 Arrestbeschluss oder -befehl 296 Arrestatorium 232 ff., 297, 441, 2164 Arrestpfändung 295 ff. Aufhebung – zeitliche befristete Möglichkeit 2275 Aufklärungspflicht 607, 1390, 2714, 2732 Ausfertigungsvermerk 122 Ausforschungspfändung 447 Aufrechnung, Verbot der 1526 ff. Aufwand für Kreditinstitute 10, 147, 173, 392 f., 875, 1370, 1541, 1787, 1858, 2056, 2176, 2863, 2877, 2921 Ausgleichsanspruch 649, 2184, 2901 Auskehrung Bagatellbeträge 2646 Auskehrungszeitpunkte, unterschiedliche 1134 Auskunftei 1049 – Auskunftsbefugnis 2224 ff. – keine Rechtspflicht 1049 – Pfändungsschutzauskunft 2216 – SCHUFA 1049, 2224
849
Stichwortverzeichnis
Auskunftei-Abfrage 1049 – Missbrauchsprävention 1048, 2218 – Unterlassen 2235 – Versicherung 1048 Auskunftei-Meldeverfahren 2208 ff. – Anfragekosten SCHUFA 2229 – Aufwand 2229 – Löschungspflicht 2242 – Mitteilungsbefugnis 2212 – Negativmeldung 2242 Auskunftspflicht – Vollstreckungsschuldner nach § 836 ZPO 2205 Auslagerung 386 – Servicelevel 386 Aussetzung Verstrickung 2516 – sachliche Zuständigkeit 2516 Auszahlungsanspruch – Darlehen 477, 612 – girovertraglicher 698, 2641 – zweckgebundener 616 – Sozialleistungen 837 Autorisierung 1201, 1210
BaFin
1380, 2825, 2828 ff. Bagatellbeträge 1509, 2094, 2646, 2932 – Guthabenbasis 2932 Bagatellüberziehung 975 Bankarbeitstag 272, 1822 BankCard 1200 Bankgeheimnis 2606 ff., 2664 – bei Fusion 277 – bei Rechtsnachfolge 136 – Insolvenzverwalter 2369 – internes 273 – Mitkontoinhaber 1395 – Sicherungsabrede 820 – Und-Konto 2679 – Verstoß 2607 – Vorpfändung 2631 Bankverbindung, Angabe der 238 ff. Basiskonto 183, 471 – grundlegende Funktionen 379
850
– Neueröffnung 947 – Wiedereröffnung 949 Bausparguthaben 641 BeA (Besonderes elektronisches Anwaltspostfach) 151 BeBPo (Besonderes Behördenpostfach) 291 Bedarfsgemeinschaft 1625, 1637 f., 1881 Befristete Unpfändbarkeit 2078 Beratungspflicht nach § 504a BGB 997 Berechnungslogik, P-Konto 1298 Bereicherungsanspruch 2821, 2901 – Ausgleichsanspruch 649, 2184, 2901 Bereicherungsausgleich 253, 492, 2817 Bescheinigung – Alter 1832 – Ausstellung 1746, 2592 – Authentizität 2263 – Bearbeitungsdauer 1823 – bei gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen 1627 – berechtigte Person/Stelle 1746 – digitalisierte 1860 – EDV-Bescheinigung durch Arbeitgeber 1760 – Evidenzprüfung 1790 – Familienkassen 1933 – Flutopfer-Hilfen 198, 1698 – Formularzwang (kein) 1721 – Geltungsdauer 1768 – Herausgabeanordnung des Gerichts 1622 – Herausgabepflicht 2665 – Herausgabepflicht elektr. archivierter 1869 – inhaltlich unzutreffende 1631 – Lohnsteuerbescheinigung 1760 – materiell unrichtige 1757 – Mitteilungspflicht bei Ablauf Geltungsdauer 2170 – Original 1859
Stichwortverzeichnis
– – – –
Pflichtangaben 1806 Prüfungsaufwand 135 Prüfungspflichten 1866 Rechtsanspruch auf Ausstellung (kein) 1723 – Rückgabepflicht 1867 – Rückwirkung 1849 – Sozialleistungsträger 1933 – Teil- 2905 – Übersichtlichkeit 1735 – unrichtige 1619 – Unwirksamkeit ohne Pflichtangaben 1678 Beschluss – Haftungsgefahr 2077 – klarstellender 1618 Besonderes Behördenpostfach (beBPo) 291 Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) 151 Bestimmtheiterfordernis 189, 202, 536, 803, 2039 Betrag, konkret bezifferter 175, 1995 ff., 2177 Betrug 914, 2127 Bewilligungsbescheid als Nachweis 1698 Billigkeit 741, 1197, 1694, 2780 Blankettbeschluss 1649, 1663, 1998, 2060 – Arbeitgeberwechsel 2060 – Tenorierung 2006, 2044 Bruchteilsgemeinschaft 659, 676, 806 Buchungsdatum 1278 Bürgerkonto 908, 960, 1095
Corona-Sonderzahlungen
1684
– Pflegebonus 1684 – steuerbefreite 1684
Darlegungslast, sekundäre 1294 Darlehenstilgungen 1255
Datenschutz 820, 1621, 1869, 2210 Datenschnittstelle zur elektronischen Übertragung 290 Dauerpfändung 153, 2074, 2704 Deaktiviertes P-Konto 1141 Debitorisches P-Konto 54, 590 – Umwandlung 961 Deckungsgrenze 801 Depot – gemeinschaftliches 779 – Verpfändung 374, 763 – Verwertungsalternativen 780 Destruktiver Schuldner 1568 Dienstleister 386 – Servicelevel 386 Dienststempel 120 Dilemma Debet 1000, 1533 Direktversicherung 737 Disposition – Fehldisposition bei P-Konten (Folgen) 2822 – auf P-Konto 1160 ff. – Übertragung nicht verbrauchten Guthabens 1265 – bei Vorverfügungen 1196 Dispositionskredit 594, 598 ff. Dispositionssaldo 1204 Doppelpfändung 1165, 1998, 2037 – bestehende 2058 Drei-Tages-Frist 1019 Drittschuldner – Arbeitgeber 164 – Auslandsniederlassung 226 – Identität 211 – Niederlassung 220 – Reaktionszeit 382 Drittschuldnerbearbeitung – Aufwand, zeitlicher 382 ff. – Benachrichtigungspflicht 2727 – EDV-unterstützte Bearbeitung 2742 – personelle Ausstattung 391
851
Stichwortverzeichnis
– Pfändungsbenachrichtigung Kreditsperre 2726 – Pfändungsbenachrichtigung Schuldner 2733 Drittschuldnererklärung 2604 – Anlagen zu PfÜB 2720 – Ansprüche anderer Personen 2647 – Aufforderung zur Abgabe 2606 – Aufhebung der Pfändung 2655 – Auskunft Auskehrungsbereitschaft 2641 – Auskunftsanspruch 2684 – Auskunftspflicht 2710 – Auskunft Zahlungsbereitschaft 2641 – Bankgeheimnis 2606, 2633 – Bankgeheimnis, Verstoß 2607 – befristete Unpfändbarkeit 2655 – bei vorrangigen Pfändungen 2649 – Bescheinigungen 2663 – Betragsangabe 2648 – Drittschuldnerklage 2701 – eigene vorrangige Forderungen 2648 – einstweilige Einstellung 2722 – ergänzende 282, 2707 – Herausgabe Urkunden/Belege 2636, 2663 – keine Unterschrifterfordernis 2638 – kostenpflichtige Mahnung (keine) 2693 – kostenpflichtige Zahlungsaufforderung 2694 – Mehrfachpfändungen (inhaltlich identische) 2716 – Mehrfachpfändungen (inhaltlich nicht identische) 2721 – Pfändungsanfrage 2626 – Pfändungsaufhebung 2691 – Postzustellung 2613 – P-Kontonummer 2660 – Rechenschaftspflicht 2663
852
– Schuldanerkenntnis 2633 – Sonderrisiken 2716 – weitergehende Angaben P-Konto 2653 – Vorrang 282, 2651 – Warnpflicht 2712 – Wiederholung 2701 – Wissenserklärung 2633 – Zwei-Wochen-Frist 2687 Drittschuldnerisches Kreditinstitut – organisatorische Voraussetzungen 380, 2559 Dynamisierung 159, 1193, 1623
E-Geldkonten
1118 Ehegatten 1633 Eigentumsschutz 1527 Einbahnstraßen-Zahlungskonto 1015 Eingeräumte Überziehungsmöglichkeit 594, 598, 602, 1076, 1174 Einlösegarantie 411 ff., 1211 Ein-Monats-Frist 308, 2292 Einstweilige Verfügung 2166 Einwendungen – gegen die Höhe eines pfändungsfreien Betrages 1286 Einzelfirma 682 Einzelkaufmann 682 Einzelwirkung 2065 Einzelzwangsvollstreckung 69 Einziehung, Überweisung zur 245 Elektronische Signatur 86 Elektronische Geldbörse 582 Elektronisches Dokument, § 130a 151 Elterngeld 1640, 1646 Elternvollmachten 891 Entgelte 2824 ff. – AGB-Regelung 2834 – Alternativen 2888 – Auslagen Dritter 2906 – Benachrichtigungsentgelt 2834 – für die Einrichtung von individuellen Freibeträgen 2903
Stichwortverzeichnis
– Intensiv-Konten 2854 – Kontoführung, P-Konto 416, 972, 2865 – Kontoführung, debitorisches P-Konto 2891 – Kontoführungs-Modelle 2842 – Missbrauchs-Pfändungen 2840 – Pfändungsbearbeitung 2833 – P-Konto 2857 – Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung 2848 – Provokations-Pfändung 2840 – Quersubventionierung 2843 – Rück-Umwandlung, P-Konto 1127, 2863 – Umwandlung P-Konto 2858 – Umwandlungsmissbrauch P-Konto 2861 – weitere unzulässige 2853 Entgeltumwandlung 737 Erbengemeinschaft 658, 674, 808, 1124, 2338 Erfüllungsaufwand 2839, 2938 – Mitteilungspflichten 2176 Erhöhungsbetrag – Kürzung 1635 – pauschaler 1626 – Prüfungspflichten 1619 Erinnerung nach § 766 111 – gegen rechtwidrige Zustellung einer Vorpfändung nach § 845 2624 Erschwerniszulage 1687 ERVGerFöG 286, 2614, 2617, 2653 Erziehungsgeld 1646 EuKoPfVO 65, 73, 210, 315 ff. – Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung, Zuständigkeit Gericht 117 Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes 17, 847 Existenzsicherung 973, 1186, 2189
Faksimile 2640 Familienkassen 1670, 1753, 1937 Fernabsatzgesetz 1154 Festgeldkonten 535, 642 Feststellungsinteresse 2581 Firma 682 ff. „first in – first out“-Prinzip 1274 f. Flutopfer-Hilfen 1695 – Nachweis 1698 Formularzwang 108 Fortsetzungsvermögen 482, 484, 713, 1473 Freibetrag – Anzahl pro Monat 2814 – Berechnung durch Kreditinstitut 163 – bezifferter, konkret 176, 1998 – Dynamisierung 1194, 1623 – Errechnen 1586 – Kalendermonat 1241 – Überschreitung 1239 Freigabe – Guthaben im InsO-Verfahren 2572 – Konten im InsO-Verfahren 2572 – Rückwirkung (keine) 2585 Freigabeanspruch – Deckungsgrenze 801 – Synonym für Rückgewähranspruch 800 Freigabebetrag – Festsetzung im Insolvenzverfahren durch InsO-Verwalter 2583 Freistellung, anteilige 1241 Freistellungsbeschlüsse, Haftungsgefahr bei 2076 Fremdwährungskonten 1113 Funktionsfähigkeit des Zahlungskontos 842 Fusion, von Kreditinstituten 276
853
Stichwortverzeichnis
GAA
960, 1030 ff. – Geldabhebung 1204 – Umwandlung 1030 – Verfügungen 1201 – Zeitzone 1206 GbR – rechtsfähige eingetragene Außen-GbR 1357 GbR-Konto 664 – Kontenwahrheit 665 Geduldete Überziehung 594, 1087 Gegenforderungen 2645 Geldautomatenverbund 1208 Geldempfangsvollmacht 239 Geldkarte – Anspruch auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses 585 – Sperrung 589 Geldleistungen – für Kinder 1674 f. – an Kinder 1675 Geltungsdauer – Bescheinigung 2170 Geltungserhaltende Reduktion der Abtretung 511 Gemeinschaftsdepot 779 Gemeinschaftskonto 36 ff., 645 ff. – Bevollmächtigte 1331 – GbR-Konto 664 – Gestaltungsmissbrauch 1350 – Haftung 609, 613 – Hinweispflicht 1390 – Informationspflicht Mitkontoinhaber 1395 – Oder-Konto 648, 1390 – P-Konto 1319 – Pfändung 393, 483, 1395 – Sperrung 394 – Umschreibung 1378 – Umwandlung 1377 – Und-Konto 657 Genossenschaftsanteil 783 – Kündigung 787 – Ausschluss des Mitglieds 787
854
Gerichtsferien 356 Geschäftstag 1025 f., 1822, 2292 Gesetz – für faire Verbraucherverträge 520 – zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung 18 – zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz 844 – (zweites) zur erbrechtlichen Gleichstellung nicht ehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung 844 Gestaltungsmissbrauch – Gemeinschaftskonto 1350 Gewinnabschöpfung (UWG) 2902 Glaubhaftmachung 926, 1923, 1931, 1939 f., 2122 Grenzüberschreitende Kontopfändung 73, 230, 315 ff. Grundfreibetrag 1160 ff. 1239, 1971, 2066 – abweichender 1984 – Kontopfändung 1167 – präventiver 1984 – Reduzierung 1166 – Überschreitung 1239 – ungerundeter 2029 – Unterschreitung 1971 Gutglaubensschutz 1631, 1742 f. – Verlust 939 Guthabenbasis 1170, 2931 – Bagatellbetrag 977, 2094, 2646, 2932 Guthabenbegriff, erweiterter 1178, 1183 Gutenhabenübertragung – einvernehmliche Verlängerung der Frist 1414
Haftung – gesamtschuldnerische 1384 Haftungsgefahr bei Freistellungsbeschlüssen 2077
Stichwortverzeichnis
Hartz IV 1637 Hartz-IV-Bescheid 2110 Heirat, Namenswechsel 137 Herausgabeanspruch – Gläubiger auf § 903-Bescheinigung(skopie) 1863 – Schließfach 798 – Urkunden 749 Herausgabepflicht – elektr. archivierte Bescheinigung 1869 Herkunft der Mittel 757, 762, 2017 Hilfspfändung 558, 628, 794
Inaktives P-Konto
1142, 1548, 1562, 1587 ff. Informationsdefizit – Gläubiger 941 – Schuldner 2737 Informationspflicht 693, 1571 Inhibitorium 236, 293, 464, 2164 Inkassowirtschaft 19 Inkassovollmacht 83 Insolvenz 2347 ff. – außergerichtliche Schuldenbereinigung 2357 – Doppel- 2423 – drittschuldnerisches Kreditinstitut 2553 – Eröffnungsverfahren 2353 – gerichtliche Schuldenbereinigung 2359 – Massezugehörigkeit 2347, 2577 – Neugläubiger 2497 – P-Konto in der 2347 – Privat- 4 – Rückschlagsperre 2478, 2485 – Sicherungsmaßnahmen 2377 – Verfahrensaufhebung 2566 – Verfahrenseröffnung 2562 – Verfügungsbefugnisse 2356 – Verfügungsverbot 2372, 2552 – vorläufiger Verwalter 2419, 2550 – Zustellungssaldo 2485
Insolvenzanfechtung 2448, 2479 Insolvenzantragsverfahren 2549 Insolvenzbekanntmachung 2395 – Portal 2395 Insolvenzbeschlag 2427, 2576 – Freigabe 2433 Insolvenzfestigkeit – gepfändete Rentenzahlungen 737 Insolvenzfreies Vermögen 989 Insolvenz-Sonderkonto 699 Interbanken-Entgelt 1211 IT 61 – identifizierbare Geldeingang 175 – mangelhaft funktionierende 375 Pfändungsbearbeitung 388 – Vernetzung 225
Jobcenter
1807, 1858
Kann-Angaben 1678, 1723, 1879 Kapitalabfindung – Recht auf Zustimmung zur Umwandlung 740 Kapitallebensversicherung 2345 Kapitalsaldo 1204 Kenntnis vom Insolvenzeröffnungsbeschluss 2445 Kinderbonus 2021 1658 Kindergeld 1528, 1658 ff. – ausländisches 1672 – Höhe 1672 – Umsatzkontrolle 1666 – Verrechnungsschutz 1528 Klarstellungsbeschluss 2037 Klausel, individuelle 1061 Kontenabruf, automatisierter 18 Kontenhierachie 210 Kontenleihe 1306 ff. Konto auf Guthabenbasis 958, 967, 997, 1169, 2909 Konto für jedermann 842, 958, 2909 – Basiskonto (EU) 184 Konto mit Verfügungsbeschränkung 724 ff. 855
Stichwortverzeichnis
Kontoauflösung 464, 484 Kontoauszüge 561 ff. – Aushändigung 564 – Erteilung 563 – Herausgabe 568 ff. – Kopie 572 – Nacherstellung 330, 576 – Pfändung 567 – Schwärzungen 573 Kontoblockade 841, 2790 Kontoführungsentgelte 973, 1491, 2865 Konto-Hopping 1128 Kontokorrent-Bindung 829 Kontopfändung 1 ff. – ad-hoc-Tagesguthaben 560 – allgemeiner Gerichtsstand 115 – Anspruch auf Durchführung von Überweisungen 556 – Anspruch auf Gutschrift eingehender Beträge 556 – Anzahl 19 – einzelne Kontoeingänge 524 – gegenwärtiger Saldo 541 – Geldkarten-Guthaben 582 – Gemeinschaftskonten 36 – Geschäftskonten 36 – Konto-Karte (girocard) 580 – Kontokorrentabrede 525 – Kontonummer 143, 532, 623, 994 – künftiger Saldo 544, 549 – Laufzeit 41 – Prepaid-Konten 577 – Privatkonten 36 – mehrfache 39 – Rechnungsabschlusssaldo 547 – Rechtspfleger 115 – Tagessaldo 541, 560 – Umfang 524, 545 – Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse 1084 – Zuständigkeit Amtsgericht 115 – Zustellungssaldo 546
856
Kontopfändungsschutz 17, 1157 ff. – P-Konto 510, 1157 ff. – Reformen 834 ff. – Stufe 1 1159 – Stufe 2 1607 – Stufe 3 2076 Kontoschließung – Umgehung 481 Kontosperre 381 f. – Reaktionszeit 382 Kontostand 1571, 2644 Kontoteilmenge 996 – Beratungspflicht 997 Kontoumsatzanalyse 174, 1661, 1778, 2053 Kontovollmacht 1321 Kontrahierungszwang 959 f., 1095 Kontrolle – Umsätze auf dem P-Konto 1666 Krankenkasse 120, 123 f., 130 Kreditkarte – Kündigung einer Debit- 1172 – Sperrung 1211, 2728 – Verfügungen 1211 Kreditkartenkonto 578, 1117 Kreditkarten-Verfügungen 1211 Kreditlinie – Abruf 598 – konkludente Vereinbarung 597 Kreditrisiko 1036, 1085 Kreditzusagen 590 Kündigung – Debit-Kreditkarte 1172 – fristlose 908 – Gläubigerschädigung 914 – P-Konto 2931 – prämienschädliche 640 – unrichtige Angaben 911 – Unzumutbarkeit 2917 – Verdachtskündigung 914 – wegen Beleidigung 948 – wichtiger Grund 2927
Stichwortverzeichnis
Kündigungsfrist – Rückumwandlung P-Konto 901 Kündigungsmöglichkeiten 2909 Künftige Konten – Pfändung in 465 – Nach Umwandlung Gemeinschaftskonten 483 Künftige Salden 544 f. Kürzung Erhöhungsbetrag 1635
Lastschrift
407 ff. – Rückgängigmachung 1603 Lastschrift-Kontingent 1075 Lebenspartner 486, 1340, 1633 ff. Leistungsbescheid 1741, 1808 ff. Leistungsklage 2581 Lohnsteuerbescheinigung 1626, 1760 f.
Mahnverfahren – automatisiertes 87 – Siegel 87 Mangelhaft funktionierende IT 375 MaRisk – Personalausstattung 391 Massengeschäft Pfändungsbearbeitung 972, 1663, 1752, 2644 Maßnahmen der einstweiligen Einstellung 2279, 2381, 2488, 2723 Mehrfach-Pfändungen 629, 2812 – Haftungsfallen 2813 – Rang des Pfändungspfandrechts 629 Miet- und Nebenkosten 1166 – Reduzierung Grundfreibetrag 1166 Mietkautions-Konto 730 ff. Mindestelterngeld 1635 Missbrauch – evidenter 939 – Informationsrechte/Mitteilungspflichten 2198 – Konto-Hopping 1128 – zeitnahe Wiedereröffnung 482
Missbrauchsprävention 904, 2208, 2661 – Lücken 2218 – Wahlmöglichkeit des Gläubigers 922 Mitteilungspflichten (§ 908) 2168 – Ablauf Geltungsdauer Bescheinigung 2170 – Ablauf Pfändungsfreiheit 2184 – Art und Weise der Erfüllung 2179 – geeignete und zumutbare Weise 2179 – Missbrauch 2198 – nach 675d BGB 2182 – nach 5 ff. ZKG 2182 Mittelwert-Rechtsprechung 172, 2064 Monatsanfangsproblem 1511 ff. Moratorium/Sperrfrist – Einmal-Moratorium 2291, 2295 – Fristberechnung 2294 – Sperrfrist 2290 – Zahlungsmoratorium 108, 1389, 2290 Mutterschaftsgeld 1640, 1646
Nachforschungspflicht 1621 Nach-Identifizierung 143 Nachlasskonten 461 – Klauselumschreibung 464 – P-Konten 1122 Nachtverarbeitung 1588 Nachzahlung 1583, 1856 – Leistungen 1886 ff. Namenswechsel 137 Natural-Unterhalt 1631 Nichtberücksichtigungsbeschluss 156 Nichtigkeit, sittenwidrige 511 Nochmalzahlung 146, 601, 1742, 2077
857
Stichwortverzeichnis
Oder-Konto
648 ff. – Nur-Pfändung 653 – Verfügungsbefugnis 654 Online-Zahlungskonten 1118 Organisationsverschulden 141, 275, 382, 396 ff., 1256 – Personalausstattung 398 – Risiko-/Aufwand-Analyse 398 – Zustellungsspitzen 398 Organisatorische Voraussetzungen – drittschuldnerisches Kreditinstitut 380, 2559
Pandemie
1684 ff. – Zustellung 2616 Partnerschaftsgesellschaft 674, 1323 Pauschale Erhöhungsbeträge 1626 Pauschalierungssystematik 171, 179, 2010, 2063 Paypal-Konten 1119 Pfandrecht – Freigabe 422 Pfändung – Erwartungen 469 – künftiger Konten 465 – mehrerer Forderungen 208 – unwirksame 207 – Verdachts- 447 ff. – Ausforschungs- 447 ff. Pfändungsaussetzung/Ruhendstellung 2752 ff. – Ablehnungserklärung 2767 – Akzeptanzverweigerung durch Drittschuldner 2760 – Anrechnung Freibeträge 2806 – Aufwandsentschädigung 2759 – Bedingung 2759 – Entgelt 2810 – erhöhte Risiken 2767 – erhöhter Bearbeitungsaufwand 2767 – Herr des Verfahrens 2763 – Parteiherrschaft 2531 – rangwahrende 2757 – Unbilligkeit 2780
858
– Überwachungsrisiko 2758 – Verzicht auf Einziehung/Überweisung 2790 – Vollstreckungs-Vertrag 2765 – Zulässigkeit 2753 Pfändungsbearbeitung – Auslagerung 386 – Dienstleister 386 – Massengeschäft 1752 – Mitarbeiterkapazität 390 – organisatorische Voraussetzungen 380, 2559 Pfändungsbeschränkungen – Antragserfordernis 2118 – Aufhebung 2277 – befristete Unpfändbarkeit 2078 – Begrenzung/Vollstreckung 2778 – Kontoguthaben 2158 – Prognose 2103 – sonstige Ansprüche 2158 – überwiegend unpfändbare Beträge 2087 – Vollstreckungsschutz 2778 Pfändungsfreibetrag 426, 550, 1134 – Aktivierung 1211 – Anrechnung auf 1204 ff. – Berechnung 163 – Durchschnittswert 172 – Dynamisierung 1194, 1623 – Herabsetzung 1630 – konkrete Bezifferung 172, 1996 – nicht verbrauchter 1266 – Schwankungen 176, 2001, 2022 Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 1191 f., 1623 ff. Pfändungsschutz bei sonstigen Einkünften (850i) 2324 ff. – Betriebsausgaben 2338 – für Selbstständige und Freiberufler 2324 Pfändungsschutz-Optimierung 1128 Pfändungstiefe 156, 2814 Pfändungsverfahren – Mängel 430
Stichwortverzeichnis
Pflegebonus 1684 Pflegegeld 1651, 1680, 1900 PfÜB – Anlagen 207 – Anzahl, jährlich 2 – Aufhebung 2277 – Bankverbindung 238 – Beschluss, Mängel 435 – Beschluss, nichtiger 143, 232, 296, 436, 436, 449, 805, 2131 – Beschluss, mangelnde Bestimmtheit 145, 243 – Beschluss, Auslegung 192 – Bestimmtheit 189 – elektronische Übermittlung 74 – einheitlicher Beschluss 130 – Zustellung 255 Pflichtangaben – Bescheinigung 1678, 1806 f. – Beschluss 1934 P-Konto 882 ff. – Angabe als Empfängerkonto 1668 – anspruchsberechtigte Personen 884 – Ansparen 1265 – Antragsdatum 1054 – Antragstellung 1051 – Arbeitseinkommen 170, 1998 – Auskunftei-Anfrage 1049 – Bagatellgrenze 975 – Berechnungslogik 1299 – berechtigter Antragsteller 885 f. – Betreuer 889 – Bevollmächtigte 890 – Darlehenstilgungen 419 – debitorisches 984 – deaktiviertes 1141 – Einrichtungsfristen 1018 – Entgelte 998 ff. – Errichtung in Abwesenheit 1148 – Existenzminimum 1578 – falsche Disposition 2822 – Fernabsatzgesetz 1154
– Formvorschrift 1148 – Freiberufler 884 – Freigabe aus Insolvenzbeschlag 2433 – Generalbevollmächtigter 890 – gesetzlicher Vertreter 885 – Guthaben 965 ff. – Hopping 1128 – inaktives 1142, 1548, 1562, 1587 ff. – Kündigung 1063, 2931 – Meldung Stammdaten 2217 – Minderjährige 888 – Missbrauchsprävention 922, 2218 – Nachlasskonto 1122 – natürliche Person 884 – Neu-Eröffnung 954 – Pfändungsschutz 1157 ff. – Pfleger 889 – Rückumwandlung 1072, 1127, 1156 – Rückumwandlungsfrist 901 – Rückumwandlungsrecht 1072 – Rückumwandlungsentgelt 1127 – SCHUFA-Meldeverfahren 2209 – Selbstständiger 884 – Sollzinsen 998 ff. – Überziehung 975 – Umsatzkontrolle 1666 – Umwandlung 900, 948, 1027, 1033 – Umwandlungsanspruch bei debitorischem Konto 961 – Umwandlungsfrist 1019 – Unterkonto 996 – Versicherung des Kunden 907 – Vordruck Rückumwandlung 1140 – Vier-Tages-Frist 1019, 1052 – Vormund 889 – Vorsorgebevollmächtigter 890 – weiteres 903 – Widerrufsbelehrung 1156
859
Stichwortverzeichnis
– Zusatzvereinbarung 1041, 1057, 1072, 1080, 1148 – Zwei-Konten-Modell 987 ff. P-Konto-Hopping 1128 Prämienbegünstigte Sparverträge 636 Prepaid-Kreditkarten-Konten 1114 Prinzip „first in – first out“ 1274 f. Prioritätsprinzip 492, 2812 Private Banken 289, 1094 Privilegierung – Unterhaltsforderungen 1972 Prozessgericht 2165 Prozessbevollmächtigter 151
Quersubventionierung
66 f., 2843, 2925 – Entgelte 2843 Quellenpfändung 2004, 2058, 2074
Rangverhältnis – Gläubiger 2316 Reaktionszeit Drittschuldner 382 RechKredV 631 ff., 895 Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung – unpfändbares 740 Rechtsbehelfe 430 – Drittwiderspruchsklage § 771 434 – Erinnerung 430 ff. 455, 460, 662, 826 – Kosten 431 – negative Feststellungsklage 434 – Verfahrenswert 433 – Vollstreckungsgegenklage 434 – Vollstreckungsschutzantrag § 765a 434; s. auch Antrag nach § 765a – Zeitpunkt, maßgeblicher 432 Rechtssicherheit 1414 Rechtsunsicherheit 1414 Reform des Kontopfändungsschutzes 834 ff. – Eckpunkte im Jahre 2010 860
860
– Eckpunkte im Jahre 2021 866 – Einführung 834 – Reformentwicklung 835 Regelinsolvenz 2352 – Abgrenzung zur Verbraucherinsolvenz 2352 Regionalprinzip, sparkassenrechtliches 950 Rentenrückrufe 410 Rentenzahlungen – insolvenzfest gepfändete 737 Restforderung 99 Restschuldbefreiungsverfahren 2241 Riester-Vertrag 742 – Bestimmtheit 752 – Sperrung 752 Rückabtretung 451, 503 Rückgewähranspruch 800 – Art 806 – Auskunft 819 – Bestimmtheit 803 – Bruchteilsgemeinschaft 806 – Deckungsgrenze 801 – Forderungen 826 – Gesamthandgemeinschaft 808 – Grundschuld 809 – Grundschuldbrief 812 – Kündigung Sicherungsabrede 818 – mehrere Rückgewährberechtigte 806 – Neuvalutierung 818 – Schuldanerkenntnis 821 – Sicherungsübereignung 822 – Synonym für Freigabeanspruch 800 – Umgehung Bestimmtheit 826 – Verwertung durch Abtretung 813 Rücklastschrift 1214 – Anrechnung 1218 Rückschlagsperre – bei künftigen Forderungen 2507 – Fristen 2807
Stichwortverzeichnis
– Insolvenz 2507 f. – Pfändungspfandrecht, rückwirkender Wegfall 2509 – Vorpfändung 2511 Rückumwandlung eines P-Kontos 901 – Kündigungsfrist 901 – Vordruck 1140 Rückwirkung – Pfändungsschutz 1246 – keine bei Bescheinigung 1849 – Zeitraum 1260 Rürup-Vertrag 756 Ruhendstellung 2752 ff. – Akzeptanz 2760 – Arbeitsersparnis durch NichtAkzeptanz 2761 – Zulässigkeit 2753
Säumniszuschläge
252 Schadensersatzanspruch 1547, 2240 – individueller nach UWG 1371, 2902 Schadensersatzpflicht – keine gegenüber Gläubiger 1049 Schließfach/Schrankfach 791 ff. – Formulierungsbeispiele 791 – gemeinschaftliches 798 – Herausgabeanspruch gegen Mitinhaber 798 – Vermieterpfandrecht 797 Schmidt, Helmut 1898 SCHUFA – Anteilseigner 2215 – Anfrage 2235 – Auskunftsbefugnis 2224 – Datenbestand 2244 – Marktabdeckung 48, 2212 – Monopol 2211 f. – Nachmeldung 2710 – Pfändungsschutzauskunft 2216, 2226 SCHUFA-Abfrage – Missbrauchsprävention 2218, 2233
– Schadensersatzpflicht 1049 – Unterlassen 2235 SCHUFA-Meldeverfahren 2209 – Anfragekosten 2229 – Aufwand 2229 – Löschungsfrist 2244 – Mitteilungsbefugnis 2212 – Negativmeldung 2217 Schuldner – destruktiver 1568 – Identifikation 137 Schuldnerberatungsstellen 881, 1299, 1764 – Musterbescheinigung 1730 Schutzgesetz 2241 Schwankendes Arbeitseinkommen 170, 2005, 2030 Sekundäre Darlegungslast 1294 SEPA-Lastschrift 2594 ff. Separieren von Beträgen 209 Servicelevel 386 – Auslagerung 386 – Dienstleister 386 Siegel – Behördensiegel 120, 443 Sittenwidrige Härte (§ 765a) 1819; s. auch Antrag nach § 765a Sittenwidrigkeit – Abtretung 511 Sockelfreibetrag 2000, 2030; s. Grundfreibetrag Sofort-Hilfen 1688 Soforthilfe Hochwasser 1695 Sollzinsen 416 ff., 1013, 1570 Sonstige Vermögenswerte – Ansprüche aus Depot 764 – Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft 776 – Auslandsaufbewahrung 782 – Auslieferungsanspruch 774 – Bruchteilseigentum 773 – Depot-Formulierungsbeispiele 765 – Depotnummer 765
861
Stichwortverzeichnis
– Erlöse aus Sammelverwahrung 777 – Genossenschaftsanteil 783 – GenossenschaftsanteilFormulierungsbeispiele 784 – Herausgabeanspruch 770 – Pfandrecht 771 – Sammelverwahrung 773 – Sonderverwahrung 769 – Verwahrbuch 781 – Verwahrung 767 – Verwertung 772 – Wertpapiere 767 – Wertrechte 781 Sorgfaltspflichten 487 Sozialleistungen 1640 – einmalige 1642 ff., – laufende 1640, 1888 – Lohnersatzfunktion 1640 – Nachzahlungen 1888 – Stiftung, Zuwendung aus 1652 – Verrechnungsschutz 108 Sozialhilfebescheid 1821, 2089, 2110 – Wiederaushändigung Original 1868 Sozialtransfer 1186 Sparkassen-Card PLUS 1229 Sparkonto 623 ff. – Gläubigerschaft 624 – Kennwort 630 – Kündigungsrecht 635 – Legitimationspapier 627 – Loseblatt-Sparbuch 633 – Mehrfachpfändung 629 – prämienbegünstigte Sparverträge 636 – Rechnungslegungsverordnung 631 – Sparurkunde 627 – Sperrvermerk 630 Sperrfrist 2290; s. auch Moratorium Sperrkonto 724 Staatliche Hilfsleistungen 1695 Staatshaftungsanspruch 1805
862
Stempelunterschrift 2640 Stiefkind 1676 Stiftung, Zuwendungen aus 1652 Streitbeilegung – Hinweis in Zusatzerklärung P-Konto 1057
Tagesgeldkonto 536 ff., 894 Tagessaldo 553 Taschengeld – Heimbewohner 1681 Taschengeldkonto 35 Teil-Bescheinigung – Hinweis 2905 – Prüfungsaufwand 1735 – Übersichtlichkeit 1735 Teilpfändung – Bedeutung 209 Teleologische Reduktion 1368, 1591, 2091, 2459 Tenorierung – Blankettbeschluss 2006, 2044 Territorialitätsprinzip 1119 Tilgungsbestimmung 151 – Zahlung durch Drittschuldner 151 Titel, Klausel, Zustellung 110 Titelumschreibung 136 – auf die Erben 463 Transaktionssperre 1202 Treuhandkonto 685 ff. – Anderkonto 695 – Drittwiderspruchsklage 687 – Hinterlegung 694 – Informationspflicht des Kreditinstitutes 693 – Treugeber 691, 693 – Treuhänder 685 ff., 693 Übererlös 829 Übergangsrecht – befristete Unpfändbarkeit § 907 1596 – Verrechnungsschutz § 901 1597 Überschuldung 2
Stichwortverzeichnis
Übertragung 1261 ff., 1399 ff. – Guthaben aus Einmalleistungen 1714 Überweisung an Zahlungs statt 247, 268 Überweisung zur Einziehung 247, 652, 2268 Umsatzanalyse 1666 Umsatzdatenanalyse 1610 Umsatzkontrolle 1666 Umstände, außergewöhnliche 356 Umwandlung – Rentenzahlung in Kapitalabfindung 740 Umwandlung P-Konto 900, 948, 1027, 1033 – Ablehnung 948 f. – Frist 1252 – Gemeinschaftskonten 1387 Umwandlungsanspruch P-Konto 900 ff. – unbedingter 900 – bei nachhaltig debitorischen P-Konto 962 Umwandlungsantrag P-Konto 890, 1019, 1252, 2800 – Bevollmächtigte 890 – Gemeinschaftskonto 1381 – Haftung 1055 – Rückweisung 916 – Vier-Tages-Frist 1019 Und-Konto 657 ff. – Bruchteilsgemeinschaft 659 – Gesamthandsgemeinschaft 659 Unerlaubte Handlung 1971 ff., 2142 Unpfändbarkeit – Altersvorsorgevertrag 748 – befristete 458, 863 ff., 875, 1598, 2022, 2078 f., 2087, 2120 – Corona-Prämie 1687 – ganz überwiegende 2106 – Geldleistung 1675, 1679 – Kontoguthaben 1958, 2078, 2116
– unbefristete 2015 – Vollstreckungsgericht 2101 Unterhalt – Natural- 1631 Unterhaltsgläubiger – gleichberechtigte Befriedigung 1618 Unterhaltsleistung – teilweise geleistete 1618 Unterhaltspfändung 154 ff. – Dynamisierung 159 – laufender Unterhalt 154 f., 2820 – rückständiger 155, 2560, 2820 – Vordruck 1981 Unterhaltsverpflichtungen – gegenseitige 1627 Unterkonto 996 Untreue 1764 Unwirksamkeit, faktische 453
Verbraucher
884, 1154, 1722 Verbraucherinsolvenz – Abgrenzung zur Regelinsolvenz 2352 Verdachtspfändung 447 ff. Verfahrensordnung 1057 Verfügungen – an fremden GAAs 1204 – Zeitverschiebung 1206 Verfügungsbefugnis 609 ff. Verfügungsbeschränkung 1562 Verjährung 1568 – Vollstreckungstitel 111 Verpfändung 732 – Zweckbestimmung 732 Verrechnung 1526 – Sofort-Hilfen 1688 – Verbot 50, 1546 Verrechnungsschutz 991, 1545, 1603 – AGB-Pfandrecht 912 – Freibetrag 1556
863
Stichwortverzeichnis
Versicherung des Kunden 907, 1149, 1547, 2228 f. – falsche 907 – Missbrauchsprävention 904 ff. Verschuldung 2 Verstrickung 2576 – Beseitigung nur durch gerichtlichen Beschluss 2530 – Ende durch Freigabe 2576 – sachliche Zuständigkeit 2516 Vertragsfreiheit 1094 Verwahrung, unregelmäßige 536 Verwaltungsvollstreckung 22 ff., 120, 1978, 2246 ff. Verwaltungszustellungsgesetz (VwzG) 257, 270 Verzicht 460 Vier-Wochen-Frist 305, 1249, 2292; s. auch Ein-Monats-Frist Vier-Tages-Frist 1019 ff., 1133 f. Virtuelle Kontoführung 1115 Vollmacht – Einzelvollmacht 890 – Eltern 891 – Generalvollmacht 890 – Geldempfangs- 239 – Kontovollmacht 1321 – Prozessvollmacht 151 – Vollmachtsmissbrauch 938 Vollstreckbare Ausfertigung 112 Vollstreckungsaufschub nach § 802b 2775 Vollstreckungsbeschränkung 2780 – Unbilligkeit 2780 Vollstreckungshoheit 110, 120, 278, 449, 2716, 2764 – Unterschrift 122 Vollstreckungsklausel 110 f., 125 f. Vollstreckungsschuldner – Auskunftspflicht nach § 836 ZPO 2205 Vollstreckungsschutz nach § 765a 2284; s. auch Antrag nach § 765a
864
Vollstreckungstitel 111 – Vorschussanordnung nach § 9 InsVV 442 Vollstreckungsvereitelung 324, 914, 2127 Vollstreckungsverhältnis 2240 – Pflichtverletzung 2240 Vollziehung 296 Vorauspfändung 152 Vordruck – Rückumwandlung P-Konto 1140 Vorläufiges Zahlungsverbot 299 ff. Vorpfändung 299 – Haftungsfalle 312 – Monatsfrist 307, 313 – Pfändungsbenachrichtigung 299 – Rechtsmittel-Zuständigkeit 307 – übersteigender Pfändungsbeschluss 312 Vorrangige Forderungen 2651 Vorsätzlich unerlaubte Handlung 2241 Vorschuss – Sofort-Hilfen 1688 Vorschussanordnung nach § 9 InsVV 442 Vorverfügungen 1196, 1205
WEG-Konten
715 ff. – offenes Fremdkonto 718 – offenes Treuhandkonto 718 – Teilrechtsfähigkeit der WEG 720 Weisungen 404 ff. – beauftragte nicht abgeschlossene 404 – Darlehenstilgungen 192 – Daueraufträge 407 – Kreditkartenabbuchungen 411 – Lastschriften 407 – Schecks 408 – Überweisungen 405 Wertstellungstag 1279
Stichwortverzeichnis
Wettbewerbsfähigkeit der Institute 67 Widerruf 1156 Wiedereröffnung, zeitnahe – Zahlungskonto 482 Wirkung der Pfändung 364 – Beschlagnahme 364 – Pfändungspfandrecht 364 – Verstrickung 364
Zahlung durch Drittschuldner – Tilgungsbestimmung 151 Zahlungskonto – noch umwandelbares nach Insolvenzeröffnung 2436 Zahlungskontengesetz 950 – Regionalprinzip der Sparkassen 950 Zahlungsmoratorium 1389, 2289 f., 2316, 2455; s. auch Moratorium – bei Umwandlung in ein P-Konto 1389 – für jeden Zahlungseingang 2317 – künftiges Guthaben 2294 – saisonale Einkünfte 2315 – Sparkonten 2318 – unregelmäßige Einkünfte 2315 – vorrangige Forderungen 2290 Zahlungssperre s. Moratorium Zeitnahe Wiedereröffnung – Zahlungskonto 482 Zinsanspruch 150 f. ZKA-Empfehlung 958 ff., 2921, 2926 Zusammenrechnung – Einkünfte 1630 Zusatzvereinbarung P-Konto 1041 – AGB-Relevanz 1080 – besondere Vereinbarungen 1059 – Formvorschrift 1148 – Kündigungsregelung 1072 – Rücktrittsrecht 1156 – Widerrufsbelehrung 1156 Zustellung im Parteibetrieb 74
Zustellung in der Pandemie 2616 Zustellung PfÜB 255 – Arrestvollzug 287 – ausländische Geschäftsstelle 231 – Briefkasten 262 – eingeschränkter Geschäftsbetrieb 273 f. – elektronische 255, 2603 – Ersatzzustellung 258 – Fusion von Kreditinstituten 276, 280 – gegen Empfangsbekenntnis 286 – heilbar 2617 – im Amtsbetrieb 287 – Parteibetrieb 284, 287 – per E-Mail 284 – per Fax 284, 288 – öffentliche 294 – Öffnungszeiten 272 – samstags 273 – Schuldner 293 – StPO 287 – unschädliche Falschbezeichnung Drittschuldner 279 Zustellungsmangel – systematischer Verstoß 271 Zustellungssaldo 540 f., 2295, 2485 Zuverlässigkeit – persönliche 915 Zwangseröffnung Zweitkonto 1569 Zwangsrückumwandlung – unzulässige 1140 Zwangsvollstreckung – einstweilige Einstellung 2072 Zwangsvollstreckungsformulare 88, 151 – Anlagen 151 – Ankreuzalternativen 246 – Bankverbindung 238 – Formularzwang 89, 204 – FAQ 90 – Gestaltungselemente 88 – Mängel, der 151 Zweckgebundene Einzahlung 558
865
Stichwortverzeichnis
Zweckbindung 603, 617 ff. – Ablauf 734 – Darlehen 617 – Sperrvereinbarung 732 Zweckvereitelung 619 Zwei-Wochen-Frist 263, 2687, 2692
866
Zwei-Tages-Frist 1020, 1555, 1814 ff., 1864 Zwei-Konten-Modell 987 ff. Zweitkonto – Schließung 1016 „Zweite Sparkasse“, Österreich 960