125 96 46MB
German Pages 338 Year 1978
L O T H A R H. F O H M A N N
Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 352
Recht
Konkurrenzen und Kollisionen i m Verfassungsrecht Studie zur Operationalisierung spezifischer Rechtsanwendungsmethoden und zur Konstruktion einer rechtsorientierten Argumentationstheorie — Erster Teil einer analytischen Theorie der Rechteanwendung —
Von Dr. Lothar H . Fohmann
D U N C K E R
&
H U M B L O T / B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in GermanyISBN 3 428 04327 8
Abstract Fohmann, Lothar: Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht Studie zur Operationalisierung spezifischer Rechtsanwendungsmethoden und zur Konstruktion einer rechtsorientierten Argumentationstheorie — erster Teil einer analytischen Theorie der Rechtsanwendung — Als Global-Ziele der Arbeit sind definiert : Exemplarische konkrete Rationalisierung des Rechtsproblems konkreter Unanwendbarkeit von Normen wegen spezifischer Relationen zu anderen Normen; positiv-verfassungsrechtliche Begründung des konkreten Rationalisierungsansatzes; wissenschaftspraktische Operationalisierung des konkreten Rationalisierungsansatzes. Als analytische Instrumente zur Operationalisierung der beiden Problemsituationen wie ihrer Lösungen werden herangezogen : Teile der Mathematik, der analytischen Wissenschaftstheorie, der formalen Logik und Sprachtheorie, der Entscheidungstheorie, der Kybernetik und vor allem der (individualpsychologischen) Informationsverarbeitungstheorie heuristischer Entscheidungsmodelle und Problemlösungsprozesse. Konkurrenz- wie Kollisionssituation werden mittels Begriffsexplikationen operationalisiert. Eine analytische Dogmatik der Konkurrenzen (qua symbolisierter Theoreme) und Kollisionen (qua symbolisierter Struktur-Analogiemodells) wird aufgestellt. Der Begriff methodologische Rationalität wird expliziert und für Rechtsanwendungsmethoden als positiv-verfassungsrechtlich geforderte Eigenschaft postuliert. Die Arbeit deutet Rechtsanwendung als informationsverarbeitenden Entscheidungsprozeß. So werden zur Problemlösung operationale Programme entwickelt. Dabei zeigt sich, daß die Operationalisierung nicht bis zu Algorithmusniveau getrieben werden kann und darf. Eine umfassende analytische Argumentationstheorie wird entwickelt. Abschließend werden die Programme und Modelle getestet.
Vorwort Mein vornehmster Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Friedrich Müller, Heidelberg, dessen umfassend-wirksame wie -motivierende Unterstützung die Arbeit von der gemeinsamen Erarbeitung des Themas im Sommer 1975 bis zur Fertigstellung des Manuskriptes im Sommer 1977 „viel-dimensional" begleitete. Tiefster Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Hilmar Fenge, Heidelberg, für zahllose, äußerst hilfreiche Diskussionen und hinterfragend-konstruktive Kritik. Besonderen Dank möchte ich Frau Dipl. Volkswirt Corinna Sölter, Stuttgart, aussprechen, nicht nur für viele weiterführende Hinweise und erhebliche technische Unterstützung, sondern vor allem für ihr Bemühen, mich aus allzu verstiegenen Gedankengängen durch geduldige Gespräche auf den Boden des Intersubjektiv-Nachvollziehbaren wenigstens näherungsweise herunterzuholen. Der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg und dem Bundesminister des Innern danke ich für überaus großzügig gewährte Druckkostenzuschüsse. Die vierzig Graphiken — ausgenommen Abb. 24 — habe ich selbst gefertigt. Ich bitte deshalb, nicht zu strenge handwerkliche und ästhetische Maßstäbe anzulegen. Das Manuskript wurde im Sommer 1977 abgeschlossen. Seitdem erschienene Literatur konnte nicht mehr berücksichtigt werden. London, im Sommer 1978
Lothar Fohmann London School of Economics and Political Science Systems Analysis Department
Inhaltsverzeichnis Erster T e i l Rechtswissenschaftlicher Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode Kapitel 1. Einleitung
1
1.1. 1.2.
Standort der Arbeit innerhalb der Rechtswissenschaft Global-Ziele der Arbeit
1 6
1.2.1.
Exemplarische Rationalisierung des Problems konkreter Unanwendbarkeit von Normen wegen Relationen zu anderen Normen Verfassungsrechtliche Begründung des Rationalisierungsansatzes Wissenschaftspraktische Operationalisierung des Rationalisierungsansatzes (Einheit von Methodentheorie und -praxis) Arbeitsmethode in terminologischer Hinsicht
1.2.2. 1.2.3. 1.3.
6 7 12 14
Zweiter Teil Das Problem; Notwendigkeit der Problemlösung; Problembehandlung durch konventionelle juristische Methodologie und Dogmatik — Bestandsaufnahme — Kapitel 2. Definition des Problems
15
2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2.
16 19 20
2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.3. 2.3.1. 2.3.2.
2.3.3.
Vorläufiger Ansatz zur Definition der Problemfrage Fünf primäre Reduktionen des Problemfeldes Reduktion auf Widersprüche zwischen lediglich zwei Normen Reduktion auf Widersprüche zwischen Normen der geltenden Rechtsordnung Reduktion auf Widersprüche zwischen Normen identischer externer Rangstufe Reduktion auf Widersprüche zwischen Verfassungsnormen Reduktion auf Widersprüche zwischen Verfassungsnormen, welche subjektiv-öffentliche Rechte in der Rechtsfolge gewähren Definition der sechs die Problemsituation konstituierenden Merkmale (Problem-Prämissen) Erste Prämisse: Fixierung zweier Normsätze des Grundgesetzes, welche subjektiv-öffentliche Rechte in ihren Rechtsfolgen gewähren Zweite Prämisse: Möglichkeit gleichzeitiger Aktualisierung durch einen Rechtsfall (Überschneidung der Anwendungsfelder der fixierten Normsätze) Dritte Prämisse: Möglichkeit gleichzeitiger Aktualisierung durch denselben Rechtsfallausschnitt
20 25 28 29 29 29
30 33
Vili 2.3.4.
2.3.5. 2.3.6.
Inhaltsverzeichnis Vierte Prämisse: Auf denselben Rechtsfallausschnitt zu basierende Konkretisierung beider Normsätze zu Entscheidungsnormen unter Aussparung lediglich des (systematischen) Konkretisierungstopos ihrer Relation zueinander; positive Entscheidung über die Anwendbarkeit beider Entscheidungsnormen Fünfte Prämisse: Mindestens Teilidentität der qualitativen Rechtsfolgenkomponenten der Entscheidungsnormen (Widerspruchsfahigkeit) Sechste Prämisse: Mindestens partieller, logisch (im weiteren Sinn) — sprachlicher Widerspruch zwischen den Insgesamt-Rechtsfolgen der Entscheidungsnormen
Kapitel 3. Notwendigkeit der Lösung des Problems 3.1. 3.2.
Formale Gründe Material-rechtliche Gründe
37 38
41
44 44 46
Kapitel 4. Die Behandlung des Problems durch konventionelle Methodologie und Dogmatik ; konventionelle Klassifizierung des Problemfeldes ; konventionelle Lösungsansätze 50 4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.2. 4.2.1. 4.2.1.1.
Konventionelle Klassifizierung Konventionelle Klassifizierungsgesichtspunkte Matrix-Analyse zur Kontrolle konventioneller Klassifikation Sekundäre (Schein-)Reduktion des Problemfeldes auf den 2-Personenfall Korrektheit der konventionellen Klassifikation des Problemfeldes Konventionelle Lösungsansätze Die Konkurrenzsituation (2-Personenfall mit 2 parallel gleichgerichteten Rechten)
50 51 51 52 59 59 59
Globale Darstellung konventioneller verfassungsdogmatischer Lösungsansätze (Terminologie und Methode ; Lösungen und Spielarten) ; rechtlichdogmatische Kritik 59 4.2.1.1.1. Darstellung 59 4.2.1.1.2. Rechtlich-dogmatische Kritik 68 4.2.1.2. Bildung von Fallgruppen auf der Basis des terminologischen Systems; Diskussion von Beispielsfallen; Demonstration der Lösungsqualität der konventionellen Ansätze zur Deutung von Spezialität und Subsidiarität; Entwicklung einer die konventionelle Konkurrenzdogmatik transzendierenden rechtsdogmatischen Basisthese 80 4.2.2. Die Kollisionssituation (2-Personenfall mit 2 parallel entgegengerichteten Rechten) 90 4.2.2.1. Globale Darstellung konventioneller verfassungsdogmatischer Lösungsansätze ; rechtlich-dogmatische Kritik 90 4.2.2.1.1. Darstellung 90 4.2.2.1.2. Rechtlich-dogmatische Kritik 91 4.2.2.2. Bildung von Fallgruppen; Diskussion von Beispielsfallen; Entwicklung einer die konventionelle Kollisionsdogmatik transzendierenden rechtsdogmatischen Basisthese 93
Inhaltsverzeichnis D r i t t e r Teil Vorbereitung eines neuen Lösungsansatzes; Neudefinierung des Problems Kapitel 5. Kritik unter dem Aspekt methodologischer Rationalität — Kritikschwerpunkt— 100 5.1. 5.2. 5.3. 5.3.1. 5.3.1.1. 5.3.1.2. 5.3.2. 5.3.3. 5.4.
Methodologische Rationalkritik der konventionellen Klassifizierung und Analyse des Problemfeldes 100 Methodologische Rationalkritik der konventionellen Lösungsansätze . . . 102 Explizierung der der methodologischen Rationalkritik zugrundeliegenden Basis 108 Methodologisches Postulat-System ; Einordnung des Begriffs methodologischer Rationalität in das System der Rationalitätsbegriffe 108 Methodologisches Postulat-System (1. Kritikbasis-Komponente) Einordnung des Begriffs methodologischer Rationalität in das System der Rationalitätsbegriffe Methodologisches Mittel-System (2. Kritikbasis-Komponente) Geeignetheit des Mittel-Systems zur Erreichung des methodologischen Postulat-Systems (3. Kritikbasis-Komponente) Verfassungsrechtliche Begründung der methodologischen Kritikbasis...
108 114 117 119 120
Kapitel 6. Neuanalyse der Problemsituation bei Konkurrenzen und Kollisionen; Operationalisierung der Problemsituationen durch Begriffsexplikationen 125 6.1. 6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.2.1. 6.2.2.2. 6.2.2.3. 6.2.2.4. 6.2.2.5. 6.2.2.6.
6.2.3. 6.2.3.1. 6.2.3.1.1. 6.2.3.1.2. 6.2.3.1.3.
Sachliche Notwendigkeit der Differenzierung in Konkurrenz- und Kollisionssituation Analyse und Operationalisierung der Konkurrenzsituation; analytische Präzisierung der Dogmatik der Konkurrenzen Spezifische Probleme der Deutung der die Konkurrenzsituation konstituierenden Prämissen Analyse und Operationalisierung von Teil-Aspekten der Konkurrenzsituation Die Entscheidungsrelevanz der Konkurrenzrelation Die Konkretisierungsabhängigkeit der Konkurrenzrelation, insbesondere von Spezialität und Subsidiarität Die Explikation der Begriffe Spezialität und Subsidiarität Der Stellenwert einer Inklusionsrelation zwischen den abstrakten Normsatz-Tatbeständen Syntaktische und semantische Spezialität und Subsidiarität Formale Eigenschaften der Relationen Konkurrenz, echte Konkurrenz, verdrängende Anwendungspräferenz, Spezialität und Subsidiarität: die „Logik" der Relationen Konk, EKonk, VerdrAP, Spez und Subs Analyse der Zentralbegriffe der Konkurrenzsituation Analyse des Begriffs „Ziel-Konflikt zwischen Entscheidungsnormen' 4 Ziel-Festsetzung als informationsverarbeitender Entscheidungsprozeß . . . Analyse des Ziel-Begriffs Analyse des Ziel-Systems und seiner Struktur
125 129 129 131 133 136 143 150 161
162 168 168 168 172 174
Inhaltsverzeichnis 6.2.3.1.4. Analyse des Begriffs „Ziel-Konflikt zwischen Entscheidungsnormen"
184
6.2.3.2. 6.3.
Analyse des Begriffs „Präferenz-Entscheidung" 190 Analyse und Operationalisierung der Kollisionssituation; analytische Präzisierung der Dogmatik der Kollisionen 191
6.3.1.
6.3.2.1.
Spezifische Probleme der Deutung der die Kollisionssituation konstituierenden Prämissen 191 Das analytische Instrumentarium zur Operationalisierung der Kollisionssituation 191 Die analytische Skalierungs- und Meßtheorie 191
6.3.2.2.
Die Theorie der Zwei-Personen-Nichtkonstantsummenspiele
198
6.3.2.3. 6.3.3.
Die Theorie der Entscheidung bei Sicherheit und die Nutzwert-Analyse.. Analyse und Operationalisierung der Kollisionssituation durch Konstruktion eines symbolisierten Struktur-Analogiemodells (Initialfundierung der analytischen Kollisionsdogmatik) Die Konkretisierungsabhängigkeit der Kollisionsrelation Das Kollisionsmodell — Explikation des Kollisionsbegriffs — : Konstruktion ; Metrisierung Die allgemeinen Grundlagen des operationalen Meßmodells für Ausübungsintensitätswerte Die Methode zur Messung eindimensionaler Ausübungsintensitätswerte (eindimensionale Meßmethode)
202
6.3.2.
6.3.3.1. 6.3.3.2. 6.3.3.3. 6.3.3.4. 6.3.3.5. 6.3.3.6. 6.3.4.
205 205 205 219 221
Die Methode zur Messung multidimensionaler Ausübungsintensitätswerte (multidimensionale Meßmethode) 223 Beispiel: Die Operationalisierung der Kollisionssituation im Lebach-Fall 226 Schutzfunktion und Verletzungsfunktion (Ausbau der analytischen Kollisionsdogmatik) 231
Kapitel 7. Neudefinierung des Problems
235
7.1. 7.2.
235 237
Das Konkurrenzproblem Das Kollisionsproblem
Vierter Teil Versuch eines neuen, methodologisch-rationalen Lösungsansatzes Kapitel 8. Entwicklung eines heuristischen Entscheidungs- und Argumentationsmodells ; Entwicklung einer Lösungsmethode für Konkurrenzen ; Entwicklung einer Methode zur Unterstützung von Kollisionsmodell und Meßmodell 242 8.1. 8.1.1. 8.1.2.
Die Konkurrenzen 242 Die Lösungsmethode für Konkurrenzen 242 Das Argumentationsmodell der Präferenz-Entscheidung zwischen zwei konkurrierenden Entscheidungsnormen 246 8.1.2.1. Die Sachlogik des Modells 246 8.1.2.1.1. Das Argument : Begriff; Postulate ; Teilklassen 246 8.1.2.1.2. Die Lösungsalternative: Begriff; Postulate
250
Inhaltsverzeichnis 8.1.2.1.3. Die numerischen Modellfunktionen: Ergiebigkeitsfunktion; Anerkennungsfunktion; Ranggewichtsfunktion 252 8.1.2.2. Die Entscheidungslogik des Modells 259 8.1.2.3. 8.1.2.4.
Die Programmlogik des Modells 260 Zusammenstellung der heuristischen Prinzipien und Strategien der Informationsverarbeitung des Modells 262 8.1.2.5. Verfahren kontrollierter Kreativität als Hilfsmethoden: Brainstorming, Delphi-Methode; Methode der Unsicherheitshandhabung und Bewertungsstabilisierung: Sensitivitätsanalyse 264 8.2. Die Kollisionen 8.2.1. Die Methoden zur Unterstützung von Kollisionsmodell und Meßmodell 8.2.1.1. Die Methodenunterstützung für das Kollisionsmodell 8.2.1.2. Die Methodenunterstützung für das Meßmodell 8.2.2. Das Argumentationsmodell der Auswahlentscheidung über den Lösungspunkt der Kollision
270 270 270 271 272
Fünfter Teil Prüfung des neuen Lösungsansatzes Kapitel 9. Das System der Anerkennungsvoraussetzungen für informationsverarbeitende juristische Methoden ; Test der Lösungsmethoden und des Argumentationsmodelles anhand des Mephisto-Falles und des Lebach-Falles 275 9.1. 9.2. 9.2.1.
9.2.2.
Die Anerkennungsvoraussetzungen für juristische IV-Methoden (Juristische Programme) 275 Der Test der Programme 277 Test des Lösungsprogrammes für Konkurrenzen KLP und des Argumentationsmodelles AM Lm anhand der Konkurrenzproblematik des MephistoFalles 277 Test des Kollisionsmodells KM und des Argumentationsmodells AM Lm anhand der Kollisionsproblematik des Lebach-Falles 285 Sechster T e i l Verallgemeinerung
Kapitel 10. Verallgemeinerbarkeit der Programme und Modelle 10.1. 10.1.1.
10.1.2. 10.2.
10.2.1. 10.2.2.
291
Verallgemeinerbarkeit des Argumentationsmodells AM Lm 291 Stellenwert des AM Lm hinsichtlich des Verfahrens der Normkonkretisierung, einer analytischen juristischen Argumentationstheorie und einer analytischen Theorie der Rechtsanwendung 291 Problem der Verallgemeinerbarkeit des AM Lm zur rechts- wie tatsachenorientierten juristischen Argumentationstheorie 295 Verallgemeinerbarkeit des Konkurrenzlösungsprogramms KLP und des Kollisionsmodells KM durch Aufgabe primärer Reduktionen des Problemfeldes 296 Aufgabe der Reduktion des Problemfeldes auf Widersprüche zwischen lediglich zwei Entscheidungsnormen 296 Aufgabe der Reduktion des Problemfeldes auf Verfassungsnormen, die in der Rechtsfolge ein subjektiv-öffentliches Recht gewähren 301
XII
Inhaltsverzeichnis Siebter T e i l Zusammenfassung
Kapitel 11. Zusammenfassung der Ziele, Ansätze und Ergebnisse der Arbeit
302
11.1. 11.2.
Arbeitsziele Generelle Arbeitsansätze
303 304
11.3.
Spezifische Arbeitsansätze und Ergebnisse
305
Schrifttumsverzeichnis
312
Liste der Definitionen und Explikationen
317
Liste der Abbildungen
324
Erster T e i l
Rechtswissenschaftlicher Standort; Arbeitsziele; spezifische Arbeitsmethode 1. Kapitel
Einleitung 1.1. Standort der Arbeit innerhalb der Rechtswissenschaft Die Arbeit stellt sich die Aufgabe, das Rechtsproblem der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht analytisch aufzubereiten und auf der Grundlage dieser Problemanalyse einen analytischen Lösungssatz zu konzipieren. Es soll untersucht werden, ob in verschiedenen nicht-juristischen Wissenschaftsbereichen (Wissenschaftstheorie, Mathematik, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Kybernetik) entwickelte analytische Instrumente sich als fruchtbarer sowohl zur Analyse als auch zur Lösung dieses Rechtsproblems erweisen als die Instrumente traditioneller Verfassungsdogmatik und juristischer Methodenlehren. Insbesondere ist zu untersuchen, ob und inwieweit die analytischen Instrumente wegen ihres eigentlich nicht-juristischen Problembezuges zur Anwendung auf ein konkretes Rechtsproblem zu kombinieren, zu selektieren und zu modifizieren sind. Als ein solches konkretes, evtl. analytisch zu lösendes Rechtsproblem erscheinen die Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht aus mehreren Gründen geeignet. Ein erster Grund besteht darin, daß die Problematik schon früh in die. Diskussion geriet 1 und bis in die neueste Zeit — unter Verlagerung der Dis-
1 Vgl. bzgl. der Konkurrenzen z.B.: Verhältnis des Art. 2 I GG zu den anderen Handlungsfreiheitsrechten, dazu einerseits BVerfGE 6, 32, 36f.; [74] Maunz/Dürig/ Herzog (Bearb.: Dürig) Art. 2 Rdnr. 11 (h. M.) („allg. Handlungsfreiheit"); andererseits [92] Peters, Festschrift für Laun, S. 669ff. („Persönlichkeitskern-Theorie"); vgl. bzgl. der Kollisionen z. B. : Verhältnis zwischen Art. 21 I 1 und Art. 38 I 2 GG bzgl. Fraktionszwang, dazu [45] Hesse, VerfassungsR, S. 238-240; BVerfGE 2,1, 72 („Spannungsverhältnis").
1 Fohmann
2
1. Teil: Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode
kussion auf andere Normkomplexe — aktuell geblieben ist 2 . Insbesondere das zur Lösung von Kollisionen überwiegend herangezogene „Prinzip der Güterabwägung" ist in der Literatur nach wie vor umstritten 3 . Für einen analytischen Ansatz erscheint reizvoll, daß nicht nur die Sache kontrovers diskutiert wird, sondern auch die Terminologie weitgehend ungeklärt ist 4 . Ein zweiter Grund für einen analytischen Ansatz gerade zu dem Problem der Konkurrenzen besteht darin, daß hier bereits auf der Basis traditioneller Dogmatik und Methodenlehren häufig weniger material-rechtlich als vordergründig formallogizistisch argumentiert wird 5 . Ein analytischer Ansatz mag wegen seiner größeren Transparenz zur Klärung beitragen, inwieweit solche „formalen" Argumentationen überhaupt als hinreichende Begründung erscheinen, insbesondere ob nicht vielmehr solche Argumentationen inhaltlich hinterfragt und begründet werden müssen, um vertretbar zu werden. Ein dritter Grund für eine Anwendung analytischen Instrumentariums auf Konkurrenzen und Kollisionen liegt darin, daß Parallelen und Divergenzen zwischen Konkurrenzen und Kollisionen dogmatisch nicht hinreichend geklärt erscheinen. Schließlich bedeutet die Beschränkung auf Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht keine wesentliche Beschränkung der Allgemeinheit des Ansatzes. Denn analoge Probleme stellen sich auch im Strafrecht 6 und Zivilrecht 7 , auch wenn die Probleme von teils größerem, teils geringerem Gewicht als im Verfassungsrecht erscheinen. Die Untersuchung der Anwendbarkeit des analytischen Instrumentariums auf Konkurrenzen und Kollisionen kann nicht auf eine bloße Darstellung des 2 Bzgl. der Konkurrenzen vgl. z.B.: Verhältnis des Art. 5 I I I zu Art. 5 1 1, I I GG, dazu BVerfGE 30, 173ff. („Mephisto"); bzgl. der Kollisionen vgl. z.B. : Verhältnis zwischen Art. 4 I I I 1 und Art. 12a I, 73 Nr. 1 (2), 87a I GG, dazu BVerfGE 28, 243, 260 („Kriegsdienstverweigerung durch Soldaten") ; bzgl. eines kombinierten Auftretens beider Problembereiche vgl. die Frage der „Radikalen im öff. Dienst" (Konkurrenzen und Schein-Konkurrenzen z.B.: Art. 33 II, 33 I I I 2, 3 I I I ; 4 I (3), 21 I 1, 21 I I 1, 2 G G ; Kollisionen z.B.: Art. 21 I I 1, 2 — 33 IV, V GG), dazu einerseits [1] Abendroth u.a., Wortlaut u. Kritik d. verfassungswidrigen Januarbeschlüsse, passim; andererseits [119] Stern, Verfassungstreue; aus der Rspr. BVerfG: Beschl. v. 22.5.1975 — 2 BvL 13/73 = NJW 1975,1641 („Radikalen-Beschluß"). 3 Kritisch: [83] F.Müller, Positivität, S. 18, 21, 25ff., 34, 51, 89; [45] Hesse, VerfassungsR, S. 28f.; [48] Hubmann, Festschrift für Schnorr v. Carolsfeld, S. 173-197. 4 Verfehlt z.B. [84] v. Münch/Niemöhlmann, Art. 2 Rdnr. 63, wo von einem „Verhältnis der Subsidiarität des Art. 2 I zur Spezialität der Einzelfreiheitsrechte" die Rede ist. 5 BVerfGE 19, 135, 138 („Kein Recht zur Ersatzdienstverweigerung, da Art. 4 I I I 1 abschließende Regelung"); ebenso: [84] v. Münch/Hemmrich, Art. 4 Rdnr. 35; vgl. kritisch treffend: [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Herzog) Art. 4, Rdnr. 187ff., insbesondere Rdnr. 188. 6 Kollisionsproblematik z. B. bei § 34, 1 StGB („Rechtfertigender Notstand"), vgl. hierzu [26] Dreher, Anm. zu § 34, und bei der sog. „rechtfertigenden Pflichtenkollision" vgl. hierzu [26] Dreher, vor § 32 Anm. 2 F b) ; Konkurrenzprobleme passim, vgl. hierzu [261 Dreher, vor § 52 Anm. 2) A - B . Kollisionsproblematik z. B. bei Prüfung der Rechtswidrigkeit einer Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts möglich, vgl. hierzu [90] Palandt/Thomas, § 823 Anm. 15); zu schwierigen Konkurrenzproblemen vgl. [105] Schlechtriem, Vertragsordnung, passim.
Kapitel 1. Einleitung
3
Instrumentariums beschränkt bleiben8. Vielmehr soll hier der eigentlich essentiellen weitergehenden Frage nach einer konkreten juristischen „Umsetzbarkeit" des analytischen Instrumentariums explizit nachgegangen werden 9. Der spezifische Ansatz der Arbeit zur Lösung der Umsetzungsproblematik besteht darin, daß das Problem der Konkurrenzen und Kollisionen in erster Linie als Problem der Rechtsanwendung und weniger der Dogmatik verstanden wird. Der Lösungsansatz ist folglich zur Methodologie der Rechtsanwendung hin orientiert. Bereits daraus folgt, daß die Lösung weniger im Aufweisen dogmatischer Lehrsätze und begrifflicher Subsumtionsschemata gesehen wird. Vielmehr soll nachgewiesen werden, daß Rechtsanwendungsmethoden konstruiert werden können, die erstens auf das spezifische Rechtsproblem zugeschnitten sind, zweitens unter Berücksichtigung des analytischen Instrumentariums entwickelt werden und drittens eine heuristische Lösungskraft entfalten (rechtsanwendungsmethodologisch-analytisch orientierter Ansatz). Rechtsdogmatische Thesen sollen nur insoweit entwickelt werden, als sie zur dogmatischen Fundierung und Absicherung dieser spezifischen Rechtsanwendungsmethoden notwendig sind. Zusätzlich soll versucht werden, für die spezifischen Rechtsanwendungsmethoden einen generellen theoretischen Bezugsrahmen zu entwickeln. Das ist eine Theorie 10 derjenigen juristischen Methoden, die zum Prozeß der Rechtsanwendung — im Gegensatz zum Prozeß der Rechtsetzung — orientiert sind (rechtsanwendungsorientierte Methodentheorie bzw. Methodik, kurz : Theorie der Rechtsanwendung1 \ Def. 5). Faßt man eine Klasse verschiedener Methodentheorien unter dem (Sammel-)Begriff „Methodologie" zusammen 12 (Def. 6), 8 Hierzu gibt es zahlreiche brauchbare einführende Übersichten, vgl. ζ. B. aus juristischer Sicht: [126] Wälde, Rechtstheorie 1975, S. 205-246; aus politologischer Sicht: [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 65ff.; aus volkswirtschaftlicher Sicht: [75] Menges, Grundmodelle, S. 103ff.; aus betriebswirtschaftlicher und verhaltenswissenschaftlicher Sicht: [53] Kirsch, BWL, S. 195ff.; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 25-60. 9 Ansätze hierzu bei [106] Schlink, Rechtstheorie 1972, S. 322-346 mit verwaltungsrechtlichem Beispiel (allerdings einseitig spieltheoretisch orientiert) ; [39] Haag, rationale Strafzumessung, mit entscheidungstheoretischer Analyse der Strafzumessung im Strafprozeß. 10 Der Theorie-Begriff wird hier unspezifiziert iSv System von Sätzen gebraucht (Def. 1) ([19] Carnap, Logik, S. 1; zur Verfeinerung des Theorie-Begriffs durch Dreiteilung des zugrundeliegenden Sprachsystems in L0, Lc und Lt : [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 96 ff, insbesondere S. 103-108 sowie S. 139 ff.). Unter einem System S wird ein geordnetes Paar (M; 2R) — - 2 " ist Stufenindex — verstanden, bestehend aus der Menge M der Systemelemente sowie der Menge 2R der zwischen den Elementen von M bestehenden Relationen ^ (/=1, . . . , « ) , vgl. [55] Klaus, Kybernetik, S. 634-637 (Def.2). Unter einem Satz wird der sprachliche Ausdruck verstanden, der eine Aussage, Wertaussage oder Norm bedeutet; die entsprechenden sprachlichen Ausdrücke heißen Aussage-, Wertaussage- bzw. Normsätze (Def. 3), vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 30ff. Der oben verwandte Theoriebegriff enthält damit keine Präjudizierung des sog. „Werturteilsstreits" in den Sozialwissenschaften. Zum Theoriebegriff vgl. [85] Narr, Theoriebegriffe und Systemtheorie, S. 13-88. 11 Methodik und Methodentheorie werden synonym gebraucht (Def. 4). 12 Abweichender Methodologie-Begriff bei : [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 133.
1. Teil: Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode
4
so ist der rechtswissenschaftliche Standort der vorliegenden Arbeit der (juristischen) Methodologie der Rechtsanwendung zuzurechnen. Für eine Einordnung der Methodologie der Rechtsanwendung in das durch die Begriffe Wissenschaftstheorie, Rechtstheorie und Rechtswissenschaft umschriebene System ist zweckmäßigerweise von einer solchen Klassifizierung 13 der Menge der Sätze der Wissenschaftstheorie auszugehen, die die Teilmenge der sich nicht auf eine spezifische Einzelwissenschaft beziehenden Sätze (sog. allgemeine Wissenschaftstheorie, Def. 7) von den Teilmengen der sich jeweils auf eine spezifische Einzelwissenschaft beziehenden Sätze (sog. spezielle Wissenschaftstheorien 14, Def. 8) abtrennt. Zur allgemeinen Wissenschaftstheorie werden folgende Disziplinen gerechnet. Erstens: „Logik" — mit den Unterdisziplinen „formale Logik", „allgemeine Methodologie" (Klasse allgemeiner Methodentheorien) und „Philosophie der L o g i k " 1 5 —und zweitens : „ E t h i k " 1 6 . Umgekehrt ist die spezielle Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft (Rechtstheorie 17 , Def. 9) in die Disziplinen „Theorie der Einzel-Sachbereiche" 18, „Grundlagen" (Theorie der Normstruktur, Rechtsphilosophie, Wissenschaftscharakter) und „juristische Methodologie" zu unterteilen. Innerhalb der juristischen Methodologie als der Klasse spezifisch-juristischer Methodentheorien (Def. 11) sind je nach Bezug zu den Bereichen Rechtsanwendung oder Rechtsetzung zwei Unterdisziplinen zu bilden : die zum Prozeß der Rechtsanwendung und die zum Prozeß der Rechtsetzung orientierte Methodologie 19 . Damit ist die das Problemfeld der Arbeit enthaltende rechtsanwendungsorientierte Methodologie ihrerseits als Teilklasse der Rechtstheorie gekennzeichnet (Def. 12). Unter Rechtstheorie wird dabei die Schnitt13
Zum Begriff vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 158 f. Bei [69] Lorenzen/Schwemmer, Konstruktive Logik, S. 9 Wissenschaftstheorien im engeren Sinne genannt. 15 So [14] Bochefiski, Denkmethoden, S. 15-17. Diese hier vertretene Deutung des Begriffs Wissenschaftstheorie basiert auf der neopositivistischen Position der als Nachfolger des Wiener Kreises fungierenden logisch-sprachanalytischen Philosophie (Gegensatz : lineuistisch-sprachanalytische Philosophie der Oxforder Schule). So [69] Lorenzen/Schwemmer, Konstruktive Logik, S. 9. 17 Ähnlicher Sprachgebrauch bei [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 491. 18 Unter „Theorie eines Einzel-Sachbereiches" ist dessen Meta-Theorie zu verstehen, d.h. die Theorie über den· Einzel-Sachbereich. Bsp. : zur „Theorie der Dogmatik" gehört das Problem, welche Voraussetzungen die einzelnen dogmatischen Theorien erfüllen müssen, um ζ. B. anerkannt werden zu können (vgl. hierzu: [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 491 ff.). Die einzelnen dogmatischen Theorien (Bsp.: „Wechselwirkungstheorie bei Art. 5 GG") gehören nicht zur Rechtstheorie, sondern zur Dogmatik selbst. Auch eine materiale Verfassungstheorie zählt zur Verfassungsdogmatik. Unter Dogmatik wird hier die Wissenschaft einer positiven Rechtsordnung verstanden (Def. 10). > 19 Zu einer abweichenden Einteilung der Problemklassen der Rechtswissenschaft in Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Dogmatik vgl. [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 492. 14
Ethik V mV
Methodologie γ\\ Dogmatik (Methoden-Theorien) \\ . \\ Rechtsgeschichte Grundlagen V \\ Prheorie der Normstruktufy\ \ Rechtsvergleichung Rechtsphilosophie I\\ L Wissenschaftscharakterj \ \ Rechtssoziologie
Theorie der Jur. Einzel-Sachbereiche
Abb. 1. Begriffsbaum zum Verhältnis der Begriffe Wissenschaftstheorie und Rechtswissenschaft
\ \ formale \\\ Theorie der \ orientiert zur \ \ Logik \\\Dogmatik \ Rechtsanwendung, \\ \\ \ \ incl. Methoden\ allgemeine \ \ Theorie der \ Repertoire \ Methodologie, \ \ Rechtsgeschichte \ \ incl. Repertoire \\ orientiert zur \allg. Methoden \ Theorie der Rechtsetzung, * \ Rechtsvergleichung incl. MethodenPhilosophie \ Repertoire der Logik Theorie der RechtsSoziologie
\\\
V Vv γ\
Logik
allgemeine Wissenschaftsspezielle WissenschaftsEinzel-Sachbereiche theorie theorie der Rechtswissender Rechtswissenschaft schaft (Rechtstheorie) (Nicht-rechtstheore^^^^^ tische Bereiche)
'
Kapitel 1. Einleitung
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1. Teil : Standort ; Arbeitsziele ; Spezifische Arbeitsmethode
m e n g e 2 0 von Wissenschaftstheorie u n d Rechtswissenschaft verstanden 2 1 . Z u r besseren Übersicht soll das Klassifikationsschema m i t Hilfe eines G r a p h e n 2 2 — B a u m 2 3 genannt — dargestellt werden.
1.2. Global-Ziele der Arbeit 1.2.1. Exemplarische Rationalisierung des Problems konkreter Unanwendbarkeit von Normen wegen Relationen zu anderen Normen Vorläufig noch etwas ungenau formuliert (vgl. aber unten 10.1.1.) bedeutet Rechtsanwendung einen — methodisch u n d sachlich s t r u k t u r i e r t e n 2 4 — Prozeß der Konkretisierung einzelner N o r m s ä t z e 2 5 zu sog. Entscheidungsnormen. E i n wichtiges Teilproblem dieses Prozesses stellt sich i n der Frage, bei Existenz welcher Relationen zu anderen N o r m e n einzelne N o r m e n i m konkreten Rechtsfall unanwendbar sind, o b w o h l ihre Voraussetzungen (sog. Tatbestandsmerkmale) vorliegen. Jede rechtsanwendungsorientierte Methodentheorie muß sich m i t diesem Problem auseinandersetzen. Einen Rationalisierungsansatz für dieses — exemplarisch herausgegriffene — Problem zu konstruieren, stellt ein erstes globales Ziel dieser Arbeit dar. Zwar ist der Rationalitätsbegriff wegen seiner M e h r d e u t i g k e i t 2 6 u n d Vagh e i t 2 7 problematisch u n d bedarf deshalb der Präzisierung (vgl. unten 5.3.1.).
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Zum Begriff vgl. : [9] Behnke u. a. (Bearb. : Steiner), Math. 1, S. 249. Abweichende Definitionen bei [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 491-492. 22 Exakte Definition bei: [125] Wagner, Graphentheorie, S. 9-11 ; ein Graph G ist ein geordnetes Tripel (Ε,Κ,υ), wobei E die Menge der Ecken (auch Knoten genannt), Κ die Menge der Kanten und ν eine Funktion bedeutet, durch welche jedem k (k e Κ) genau ein Paar (a,b) (a e E; b e E) zugeordnet wird, ν: Κ —• E χ E (Def. 13). 23 Graphen mit „Baum-Struktur" dienen in zahlreichen Einzelwissenschaften als Darstellungshilfsmittel, ζ. B. in der Spieltheorie zur Darstellungeines Spieles in sog. extensiver Form; vgl. hierzu: [75] Menges, Grundmodelle, S. 230ff.; [10] Behnke u.a. (Bearb.: Oberschelp), Math. 2, S. 309-311. 24 Zum Erfordernis der Strukturiertheit vgl. [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 13, S. 131, S. 194. 25 „Normsatz" ist abkürzend als Synonym für „Rechtsnormsatz" gebraucht (eigentlich sind die Rechtsnormsätze eine echte Teilklasse der Normsätze). Ein Normsatz ist der sprachliche Ausdruck, der eine Norm bedeutet, maW: die Norm ist die Intension des Normsatzes (Def. 14). Diese Begriffsbildung erfolgt analog zu „Aussagesatz-Aussage" (auch Proposition genannt, vgl. dazu: [19] Carnap, Logik, S. 42) und „Wertaussagesatz-Wertaussage" (vgl. dazu: [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 30-34). Zum Begriff Intension vgl. [19] Carnap, Logik, S. 39-42; [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 36. Die Unterscheidung „Normsatz - N o r m " ist vergleichbar mit der Differenzierung nach „Normtext-Norm", vgl. [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S, 97 ff. 26 (Semantische) Mehrdeutigkeit eines sprachlichen Ausdrucks liegt vor, wenn — bei intensionaler Sprache — die (semantische) Bedeutungsrelation (manchmal auch Bezeichnungsrelation genannt; so: [19] Carnap, Logik, S. 103) einem Ausdruck mehrere Intensionen zuordnet, bzw. wenn — bei extensionaler Sprache — die Bezeichnungsrelation (manchmal auch Bewertungsrelation genannt, so: [19] Carnap, Logik, S. 103) einem Ausdruck mehrere, nicht notwendig disjunkte Extensionen zuordnet, also bei 21
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Dennoch folgt bereits aus dem Wissenschaftscharakter der Rechtswissenschaft 28 , genauer: aus der vom Wissenschaftsbegriff implizierten Intersubjektivität 2 9 wissenschaftlicher Methoden, Theorien und Erkenntnissen und der notwendigen Korreliertheit von Intersubjektivität und Rationalität — gleich welchen Inhaltes —, daß Rechtswissenschaft rational ist. Denn Rationalität ist einerseits deskriptive Wissenschaftsvoraussetzung. Gleichzeitig muß Rechtswissenschaft rationaler gestaltet werden. Denn Rationalität ist andererseits vor allem präskriptive Wissenschaftsvoraussetzung. Rationalität ist zugleich Zustand und Ziel jeder Wissenschaft. Damit liefert der Wissenschaftsaspekt ein erstes Argument, Ansätze zur Rationalisierung juristischer Methoden 30 zu rechtfertigen. Diese Rechtfertigung ist allerdings nur eine generelle, da sie unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Ansatzes jedem Rationalisierungsansatz zugute kommt und keine Entscheidung zwischen mehreren Ansätzen erlaubt. 1.2.2. Verfassungsrechtliche Begründung des Rationalisierungsansatzes
Eine bloße Begründung des Rationalisierungsansatzes aus dem Wissenschaftscharakter ginge jedoch an der Aufgabe der Rechtswissenschaft als einer angewandten Normativ-Wissenschaft 31 vorbei. Nicht nur die Dogmatik, die als Einzel-Sachbereich der Rechtswissenschaft zu deren nicht-rechtstheoretischem Bereich gehört, sondern auch die Rechtstheorie — insbesondere die hier zu problematisierende rechtsanwendungsorientierte Methodologie — sind mehr als an den Erfordernissen des Wissenschaftsbegriffs an der konkreten semantischer Mehrfachzuordnung (Def. 15). Für die Mehrfachzuordnung ist relationenlogisch notwendige Bedingung, daß die Bedeutungs- bzw. Bezeichnungsrelation nicht nacheindeutig ist. Zur Mehrdeutigkeit des Rationalitätsbegriffs vgl. [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 26-31; [131] Zangemeister, NWA, S. 47-54; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 61-70. 27 (Semantische) Vagheit eines sprachlichen Ausdrucks liegt vor, wenn — unabhängig von der Frage der Zuordnungsanzahl — die Bedeutungsrelation (mindestens) eine unpräzise Intension zuordnet, bzw. wenn die Bezeichnungsrelation (mindestens) eine Extension mit einem positiv-entscheidbaren und einem nicht-entscheidbaren zweifelhaften Bereich zuordnet, also bei semantischer Zuordnungsunschärfe (Def. 16). [94] Podlech, AöR 95 (1970), S. 188 nennt die Elemente des zweifelhaften Teilbereiches der Extension „neutrale Kandidaten". Mehrdeutigkeit und Vagheit können auch kombiniert auftreten wie beim Rationalitätsbegriff. Im Kombinationsfall liegen Mehrfachzuordnung und Zuordnungsunschärfe simultan vor. Interessant ist, daß die Dogmatik die Vagheit bei „unbestimmten Rechtsbegriffen" analog Def. 16 treffend mit den Begriffen „Begriffskern" und „Begriffshof" erfaßt. Zur treffenden Differenzierung zwischen Bedeutung {— Intension, Def. 17) und Bezeichnung (=Extension, Def. 18) vgl. [18] Bochenski, Denkmethoden, S. 58-59. 28 Dieser kann problematisiert werden (vgl. dazu: [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, S. 83 ff.), soll hier jedoch als Grundprämisse undiskutiert akzeptiert werden. 29 Vgl. hierzu: [14] Bochehski, Denkmethoden, S. 64-65. 30 Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Rationalitätsbegriff und eine ausführliche Begründung des (konkreten) Rationalisierungsansatzes dieser Arbeit erfolgt unter 5.3. und 5.4. 31 [79] F.Müller, Jur. Meth. I, S. 16.
1. Teil: Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode
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positiven Rechtsordnung zu messen, um deren Normativität 32 Rechnung zu tragen 33 . Die Rechtswissenschaft hat diese Normativität zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die positiven Normen primär an nicht-professionelle Rechtsanwender („Bürger") adressiert sind (Privatrecht) oder ob die Normen bereits primär an professionelle Rechtsanwender (Rechtsprechung, Verwaltung, Regierung, auch Gesetzgebung und Rechtswissenschaft) selbst adressiert sind (Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht). Damit ist aber keineswegs das Problem geklärt, ob und gegebenenfalls mit welcher Intensität die Normativität der Rechtsordnung auch im Ergebnis die Thesen der einzelnen rechtswissenschaftlichen Disziplinen beeinflußt. So erscheint bereits a priori der Einfluß der Normativität auf die Dogmatik intensiver zu sein als auf Rechtstheorie oder Rechtsgeschichte. In einer Klärung des Einflusses der Normativität auf spezifisch zur Lösung verfassungsrechtlicher Konkurrenzen und Kollisionen konstruierte Methoden der Rechtsanwendung wird ein zweites globales Ziel der Arbeit gesehen. Diese Ziel vorgäbe kann unter drei Aspekten präzisiert werden. Erstens : Als positiv-rechtliches Substrat der von diesen spezifischen Methoden zu beachtenden Normativität kommt nicht die gesamte Rechtsordnung in Frage, sondern wegen der Ansiedlung der dogmatischen Seite des zu untersuchenden Problems im Verfassungsrecht auch nur dieses, genauer: die Teilklasse der für Theorien der Verfassungsrechtsanwendung relevanten Verfassungsnormsätze. Zweitens: Der Ausdruck „Einfluß der Normativität" ist zu ungenau und zu weit. Hinsichtlich des „Einflusses" eines Satz-Systems (hier: Teilklasse der für eine Rechtsanwendungstheorie relevanten Verfassungsnormsätze) auf ein anderes Satz-System (hier : Theorie der Verfassungsrechtsanwendung) sind drei grundlegende Intensitätsstufen denkbar. Das Intensitätsminimum für einen solchen Einfluß besteht in der bloßen logischen Vereinbarkeit der beiden SatzSysteme (W-Konsistenz der Vereinigungsmenge der Systeme)34. Das Intensi32
Vgl. hierzu: [81] F.Müller, Normstruktur, passim. Hinsichtlich der Rechtstheorie anscheinend abweichend: [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 491. 34 Der Begriff der W-Konsistenz ist problematisch und erläuterungsbedürftig. Ein 1. Problemkreis folgt daraus, daß ein strikter Widerspruchsfreiheitsbeweis sich nur für formalisierte Satzsysteme durchführen läßt. Er erfolgt dort durch Konstruktion eines als widerspruchsfrei erwiesenen (logischen bzw. deskriptiven) Modells. Unter Modell ist hierbei die Zuordnung einer Menge von Extensionen zu verstehen, die das Satzsystem erfüllen, d.h. wahr machen (sog. Interpretationsmodell, Def. 19), vgl. hierzu: [19] Carnap, Logik, S. 174-175. Der exakte Widerspruchsfreiheitsbeweis durch Modellkonstruktion ist aber stets nur relativ zur Widerspruchsfreiheit des Modells gültig (treffend: [9] Behnke u.a. (Bearb.: Steiner), Math. 1, S. 233). Dies gilt auch für einen Widerspruchsfreiheitsbeweis mittels sog. Gödelisierung (vgl. hierzu: [43] Hermes, Aufzählbarkeit, S. 4f.), da hierbei die Arithmetik als Modell dient. Darüber hinaus hat Kurt Gödel im Zusammenhang mit dem sog. Unvollständigkeitssatz (1931) nachgewiesen, daß für in ausdrucksreichen formalen Sprachen, genauer: Sprachen der Prädikatenlogik mindestens 2. Stufe 33
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tätsmaximum bedeutet die logische Ableitbarkeit 35 des beeinflußten vom beeinflussenden Satz-System. Beide Extrema sind in symbolisierten 36 und formalisierten 37 Kunstsprachen wohldefiniert. Der für die Formulierung des geltenden Verfassungsrechts eingesetzten natürlichen Wortsprache — wie jeder natürlichen Sprache — fehlt jedoch eine präzise einheitliche logische Syntax bzw. L-Semantik 38 . Eine solche L-Syntax bzw. L-Semantik ist aber notwendige Voraussetzung des Ableitungsbegriffs wie des damit zusammenhängenden Begriffs der W-Konsistenz. Auf das geltende Verfassungsrecht sind damit beide Begriffe unanwendbar. Allerdings weist Art. 20 I I I GG dem Verfassungsrecht formulierte Satzsysteme die Führung von Widerspruchsfreiheitsbeweisen unmöglich ist, vgl. hierzu: [9] Behnke u.a. (Bearb. : Steiner), Math. 1, S. 235-237. Die Erkenntnistheorie schwächt deshalb die Widerspruchsfreiheit zur W-Konsistenz ab (Def. 20), vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 13, S. 97, insbesondere S. 49. Aber auch die W-Konsistenz setzt ein in einer formalisierten Sprache formuliertes Satzsystem voraus. Zur Unterscheidung der Situation bei Satzsystemen der nicht-formalisierten natürlichen Wortsprachen soll die im juristischen Bereich als Standard erreichbare Konsistenz mit dem Präfix „Quasi-" als „Quasi-W-Konsistenz" (Def. 21) bezeichnet werden. Die Quasi-W-Konsistenz eines in natürlicher Wortsprache formulierten Normsatzsystems ist im einzelnen wie folgt zu verstehen: bei der praktischen Anwendung von Normsätzen, die entweder Elemente dieses Normsatzsystems oder erst hieraus quasi-abgeleitete Normsätze sind, treten keine Widersprüche auf bzw. auftretende Widersprüche können mit systemeigenen Harmonisierungsmechanismen eliminiert werden. Ein 2. Problemkreis folgt daraus, daß nicht Aussage-, sondern Normsätze Elemente des auf seine Widerspruchsfreiheit zu untersuchenden Satzsystems sind. Zu den spezifischen Problemen normlogischen Ableitens und Folgerns vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 217-221. Es entsteht allerdings der Eindruck, daß die Normenlogik (vgl. z.B. [68] Lenk (Hrsg.), Normenlogik; [122] Tammelo/Schreiner, Rechtslogik) an der Positivität und Normativität der in nicht-formaler Wortsprache abgefaßten Rechtsordnung etwas vorbeigeht, indem sie normenlogische Probleme in formalisierten und symbolisierten Sprachen untersucht und das Problem der Übersetzbarkeit der natürlichen in die symbolisch-formale Sprache (analog der sog. Korrespondenzregelproblematik, vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 121; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 35-37) vernachlässigt. 35 Eine Ableitung im Rahmen einer formalen (nicht notwendig ieS symbolischen) Sprache ist eine endliche, stark-vollständig geordnete Menge von Satzformeln, die mit den Prämissen beginnt und schrittweise zu neuen Satzformeln übergeht, die sukzessive mittels der (auf L-Äquivalenz und L-Implikation beruhenden) Ableitungsregeln einer gegebenen formalen Syntax generiert werden (Def. 22); ähnlich: [19] Carnap, Logik, S. 33, 91 f.; [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 72-81. Außer Prämissen und abgeleiteten Satzformeln dürfen wegen ihrer L-Wahrheit auch Tautologien und Definitionen auftreten. 36 Symbolisch iwS ist jede Sprache. Eine Sprache kann z.B. als geordnetes Paar (a, S) definiert werden, wobei a die Zeichenmenge (=Zeichenvorrat, Alphabet) und S die Menge der Sätze bezeichnet (Def. 23), vgl. [19] Carnap, Logik, S. 102. Eine ieS symbolisierte Sprache ist eine Sprache, deren Zeichenvorrat a — und damit auch die zusammengesetzten sprachlichen Ausdrücke — nur aus künstlichen Symbolen besteht (Def. 24), vgl.fl9] Carnap, Logik, S. 102. 37 Eine formalisierte Sprache ist eine Sprache mit formalisierter (genauer :)orniaHsicrender) Syntax (Def. 25). Das ist eine solche Syntax, deren (metasprachliche) Sätze, insbesondere Regeln, ein Operieren mit der Objektsprache, abstrahiert von Intension/Extension, d. h. „Semantik-abstrahiert", gestatten. Die in einer formalisierten Syntax enthaltenen Form- und Umformungsregeln operieren nur mit den (sprachlichen) Ausdrücken, insbes. Zeichen, als solchen. Symbolisierung ieS und Formalisierung sind nicht zwingend korreliert. Zweckmäßigerweise treten sie jedoch häufig kombiniert auf. 38 Vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 24. Syntax ist die Theorie über die Relationen zwischen den Ausdrücken einer Sprache (Def. 26), vgl. [19] Carnap, Logik, S. 78.
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1. Teil: Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode
eine umfassende Bindungsaufgabe zu. U m diese Aufgabe erfüllen zu können, ist zwar keine W-Konsistenz des Verfassungsrechts erforderlich. Jedoch ist das Verfassungsrecht notwendig auf eine etwas weniger präzise und anspruchsvolle Quasi- W-Konsistenz festgelegt, die mittels Harmonisierungsmechanismen wie den hier zu untersuchenden Konkurrenzen und Kollisionen mehr als Ziel erstrebt als als Zustand erreicht wird. Notwendige Voraussetzung der Anerkennung 39 einer Rechtsanwendungsmethode ist deren (rechtliche) Vertretbarkeit. Vertretbarkeit kann einerseits rein qualitativ gedeutet werden. Nicht vertretbar ist danach eine Rechtsanwendungsmethode dann, wenn relativ zur positiven Rechtsordnung eine Quasi-W-Inkonsistenz besteht und diese auch nicht beseitigt werden kann. Andererseits führt jedoch die Existenz unterschiedlich rechtsanwendungsrelevanter und -ergiebiger Verfassungsnormsätze zu der Erkenntnis, daß (rechtliche) Vertretbarkeit verschiedener Intensität durchaus denkbar ist und damit zu einer quantitativen Deutung des Vertretbarkeitsbegriffes. Dieser generelle — auf (sprachliche) Sätze wie Methoden bezogene — quantitative Vertretbarkeitsbegriff soll als (rechtlich^argumentative Begründetheit iwS 40 bzw. Abgestütztheit 41 bezeichnet werden. Diese Konzeption (rechtlich-)argumentativer Begründetheit erschließt für den Einfluß der Normativität der methodologisch relevanten Verfassung auf eine Theorie der Rechtsanwendung den weiten Raum, der zwischen den beiden Einflußextrema liegt, einen Bereich, in welchem der Einfluß schwächer als bei logisch stringenter Ableitbarkeit, aber intensiver als bei Quasi-W-Konsistenz ist. Das zweite globale Arbeitsziel ist demnach dahin zu präzisieren, daß der Rationalisierungsansatz der zu konstruierenden Methoden verfassungsrechtlich abzustützen bzw. zu begründen ist. Drittens: Verfassungsrechtlich begründet werden sollen aber nur der konkrete Rationalisierungsansatz der konkret konstruierten Methoden, nicht der Rationalisierungsaspekt — gleichgültig welcher Spielart — schlechthin. Abgesehen von der einfacheren Frage, inwieweit der Wissenschaftsaspekt der Jurisprudenz Rationalisierungsansätze generell rechtfertigt 42 , würde eine dies39 Anerkennung sei die Folge des Vorliegens der Anerkennungsvoraussetzungen (Def. 27). Das System der Anerkennungsvoraussetzungen für juristische Programme ( = informationsverarbeitende Methoden) wird im einzelnen unter 9.1. entwickelt. Der Anerkennungsbegriff hat für Methoden dieselbe (semantische) Funktion wie der Wahrheitsbegriff für Aussagesätze, der Begründetheitsbegriff ieS für Wertaussagesätze (Def. 28) und der Geltungsbegriff für Normsätze (vgl. zu letzterem: [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 491, Anm. 1): Anerkennung ist die Extension von Methoden(-Ausdrücken) bzw. Sätzen. Dabei entsprechen den drei semantischen SatzKategorien Aussage-, Wertaussage- und Normsatz die drei Anerkennungsdimensionen wahr-falsch, ieS begründet-nicht ieS begründet und geltend-nicht geltend. Anerkennung ist also u. a. Oberbegriff zu. Wahrheit, Begründetheit ieS und Geltung. 40 Begründetheit iwS (Def. 29), da die allein auf Wertaussagesätze bezogene Begründetheit ieS (vgl. Def. 28) umfaßt wird. 41 Auf den an sich ebenfalls brauchbaren Begriff „Rechtfertigung" wurde wegen dessen spezifischer Bedeutung im Zivilrecht und Strafrecht verzichtet. 42 Vgl. oben 1.2.1. am Ende.
Kapitel 1. Einleitung
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bezügliche generelle verfassungsrechtliche Untersuchung den begrenzten Aufgabenrahmen der Arbeit weit übersteigen. In der Berücksichtigung der Normativität der positiven Rechtsordnung — hier durch die Vorgabe des Zieles verfassungsrechtlicher Begründung des konkreten Rationalisierungsansatzes — kommt ein Spezifikum der Rechtswissenschaft zum Ausdruck, das sie von jeder anderen Wissenschaft unterscheidet und welches bei der Fruchtbarmachung eines jeden außerjuristischen Ansatzes zur Lösung juristischer Probleme keineswegs vernachlässigt werden darf. Die Normativität stellt gleichsam ein „(Prüfungs-)Filter" dar, welches außerjuristische Ansätze erst nach Bejahung einer hinreichenden Berücksichtigung der Normativität der Rechtsordnung „passieren" dürfen. Andernfalls müssen sie entweder zurückgewiesen oder aber modifiziert werden, um den Anforderungen der Normativität doch noch gerecht werden zu können. Dies gilt für Ansätze aus der Wissenschaftstheorie, gleichgültig ob aus der (sprach-)analytischen Schule 43 (sog. kritischer Rationalismus), oder den nicht-analytischen Schulen wie der hermeneu tischen 44 , der phänomenologischen45 oder der kritisch-dialektischen Richtung 46 (sog. kritische Theorie der Frankfurter Schule). Dies gilt aber auch für Ansätze aus den Einzelwissenschaften. Der Zwang zur umfassenden Berücksichtigung der Normativität der positiven Rechtsordnung hindert jedoch nicht, daß zwischen Rechtswissenschaft einerseits und vielen anderen kognitiven (ζ. B. angewandte Mathematik, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, Psychologie, Soziologie) wie nicht-kognitiven Wissenschaften (z.B. reine Mathematik, Logik, theoretische Statistik) andererseits Strukturähnlichkeiten und Problemähnlichkeiten wechselnder Intensität bestehen47. Zwar bezeichnen sich auch Disziplinen außerhalb der Rechtswissenschaft als normativ, wie die in den Wirtschaftswissenschaften entwickelte normative Entscheidungstheorie 48. Als „normativ" wird diese Entscheidungs43 Repräsentativ: [117] Stegmüller, Wiss.Theorie, Bd. I, I I und I V ; Vertreter z.B.: Popper, Carnap, Wittgenstein, Russell; sekundär; [112] Seiffert, Wiss.Theorie, Bd. 1. 4 4 Repräsentativ: [32] Gadamer, Wahrheit und Methode; Vertreter z.B.: Boeckh, Apel; sekundär: [112] Seiffert, Wiss.Theorie, Bd. 2, S. 43-195. Zur Verwertbarkeit aus juristisch-methodologischer Sicht hierzu treffend: [79] F.Müller, Jur. Meth. I, S. 16. 45 Repräsentativ: [120] Strasser, Phänomenologie; Vertreter z.B. : E.Husserl, Scheler, Heidegger; sekundär: [14] Bocheùski, Denkmethoden, S. 22ff.; [112] Seiffert, Wiss. Theorie, Bd. 2, S. 13-39. 46 Repräsentativ: [4] Habermas, Analytische Wiss. Theorie und Dialektik, in: Positivismusstreit, S. 155ff.; Vertreter z.B.: Horkheimer, Adorno, Marcuse; sekundär: [112] Seiffert, Wiss. Theorie, Bd. 2, S. 199-259. 47 Ebenso: [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, S. 84. Strukturähnlichkeiten treten u. a. zwischen Rechtstheorie und anderen speziellen Wissenschaftstheorien in den Bereichen „Theorie der Einzel-Sachbereiche" (z.B. Anerkennungsvoraussetzungen für Theorien innerhalb der Einzel-Sachbereiche) und (spezieller) „Methodologie" auf. Problemähnlichkeiten treten u. a. zwischen den Einzel-Sachbereichen der Rechtswissenschaft und anderen Fachwissenschaften auf, z.B. zwischen Verfassungsdogmatik und Familienpsychologie und -Soziologie bei der Ermittlung der realen Grundstruktur des Normbereich des Art. 6 I GG („Ehe und Familie") als wichtigem, sachhaltigem Konkretisierungselement. 48 Repräsentativ: [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, insbesondere S. 50-94; Vertreter z. B. : Menges, Krelle, Gottinger.
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1. Teil: Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode
theorie aber als Gegenstück zu deskriptiv-empirischen Ansätzen 49 gekennzeichnet. D.h. „normativ" wird verstanden im Sinne einer Empfehlung zu Verhalten konform zu aufgestellten Verhaltensregeln, deren Befolgung es zumindest erleichtert, bestimmte Ziele zu erreichen; die Befolgung der Verhaltensregeln, insbesondere die Akzeptation der implizierten Ziele, bleibt jedoch freigestellt 50 . Im Unterschied dazu bedeutet „normativ" im Sinne der Rechtswissenschaft — erheblich strenger — die Verpflichtung zu Verhalten konform zu (geltenden) Normsätzen ohne Freistellung des Adressaten 51 (Def. 30). Als Ergebnis ist festzuhalten, daß das zweite globale Arbeitsziel in einer verfassungsrechtlichen Begründung des konkreten Rationalisierungsansatzes gesehen wird. 1.2.3. Wissenschaftspraktische Operationalisierung des Rationalisierungsansatzes (Einheit von Methodentheorie und -praxis)
Theorien und darauf basierende Methoden ohne praktische Verwertbarkeit bleiben unfruchtbar und verfehlen die ihnen gestellte Aufgabe, nämlich der Praxis Entscheidungshilfen zu liefern. Umgekehrt bleibt eine Praxis ohne theoretische und methodische Fundierung vorwissenschaftlichem Standard verhaftet. Um dieses Dilemma zu überwinden, wird als drittes globales Arbeitsziel aufgestellt, den Rationalisierungsansatz, genauer : die auf ihm basierenden spezifischen Rechtsanwendungsmethoden einschließlich ihrer Anwendungsbereiche — den jeweiligen spezifischen Problemsituationen — zu operationalisieren. Eine Methode stellt eine endliche 52 , durch die (einfache) Vorgänger-Nachfolger-Relation und die (qualifizierte) Vorgänger-W/F-Nachfolger-Relation geordnete 53 Menge von Befehlen — hauptsächlich Operationsbefehlen 54 — dar, 49 Repräsentativ für das deutschsprachige Schrifttum: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, insbesondere Bd. 1, S. 60ff. und Bd. 2; grundlegend: [114] Simon, Administrative Behavior. 50 Diese Normativität entspricht ζ. B. der Normativität der in (Sprach-)Systemen der formalen Logik aufgestellten Form-, Umformungs-, Ableitungs- und Folgerungsregeln. 51 Dieser — an die Imperativentheorie (vgl. hierzu : [31] Engisch, Einführung, S. 22 ff.) angelehnte — juristische Normativitätsbegriff ist hinreichend als Abgrenzung zum Normativitätsbegriff der Entscheidungstheorie. Für eine Erfassung der Relation zwischen Normsatz und sozialer Realität („Recht und Wirklichkeit") ist nur eine die Normstruktur und die Normkonkretisierung neu reflektierende Konzeption von Normativität geeignet, welche die reale Grundstruktur des Normbereichs als mit-konstitutiv für die Normativität erkennt (so : [81] F. Müller, Normstruktur, passim). 52 Eine Explikation des Begriffs der „Endlichkeit" von Mengen ist logisch nicht elementar. Eine Explikationsmöglichkeit verwendet z.B. den Begriff der induktiven Kardinalzahl (Explikat für „endliche Zahl"), die Vorgängerrelation und den Begriff der Relationskette 1. A r t ; wegen Einzelheiten vgl. [19] Carnap, Logik, S. 149 und 152. 53 Eine geordnete Menge ist ein geordnetes Paar ( M ; R J , wobei M eine Menge und R eine Ordnungsrelation darstellt (Def. 31). Durch eine Kombination der aus der Logik der 2-stelligen homogenen Relationen bekannten formalen Eigenschaften (vgl. hierzu: [19] Carnap, Logik, S. 118ff.; [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 63-64) lassen sich zahlreiche Arten ordnungsbildender Relationen (sog. Ordnungsrelationen) erzeugen, z.B.
Kapitel 1. Einleitung
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die einen Input/Output-Transformationsprozeß beschreiben. Operationalisierung einer Methode bedeutet, die Befehle, die Befehlsmenge und deren Ordnung (sog. Methodenstruktur, auch Methoden-Logik gen.) so genau und vollständig zu konstruieren, daß das erreichte Operationalitätsniveau für eine möglichst problementlastete und komplexitätsreduzierte Methodenausföhrung durch den (menschlichen — Gegensatz hier: elektronischen) Rechtsanwender hinreicht (Methodenoperationalität iSv ausführungshinreichender Genauigkeit und Vollständigkeit, Def. 37). Diese praxeologische Konzeption soll eine Einheit von Theorie und Praxis der Rechtsanwendung ermöglichen. Eine Herbeiführung dieser Einheit über neue Ansätze erscheint um so dringlicher, als es der traditionellen Methodenlehre 55 bislang nicht gelungen ist, die Lehren zur praktischen Fallösung 56 zurückzudrängen oder gar zu ersetzen. Die geringe praktische Relevanz der traditionellen Methodenlehre manifestiert sich z.B. in der Rechtsanwendungspraxis des BVerfG. Teils setzt sich das Gericht über Thesen der traditionellen Methodenlehre zur Gewinnung sinnvoller bzw. erwünschter Ergebnisse hinweg 57 , teils hat sich das Gericht das erforderliche methodische Rüstzeug selbst geschaffen 58. Der Aspekt, die spezifischen Rechtsanwendungsmethoden zu operationalisieren, rekurriert in gewisser Weise auf die — von Bridgman gegründete — philosophische Schule des Operationalismus 59 , welche sachliche Nähe zur schwache und starke Ordnungsrelationen, vollständige und partielle Ordnungsrelationen, Quasiordnungsrelationen (gute Definitionen bei [76] Meschkowski, Math, beim betr. Stichwort). 54 Eine Operation ist die Intension eines Operators ( = Operationszeichen) (Def. 32). Eine Operation im mathematischen Sinne φ über dem kartesischen Mengenprodukt Μ ί χ . . . χ M n in M ist eine Zuordnung derart, daß jedem «-tupel x x,..., xn (xx, . . . , x n e M j χ . . . χ M n) (= Operanden) genau ein χ (χ e M) (= Operationsergebnis) zugeordnet wird, wobei gilt: φ(χ ί 9..., x„) = x (Rechtseindeutigkeit der Operation) (Def. 33). Der mathematische Funktions- und Operationsbegriff sind synonym (Def. 34). Jeder w-stelligen Operation entspricht eine (n + l)-stellige Relation, vgl. [76] Meschkowski, Math., S. 274; [19] Carnap, Logik, S. 73. Operation im kybernetisch-methodologischen Sinne ist ein eine Input-Output-Transformation bewirkendes Verhalten (Def. 35), ungenau: [55] Klaus, Kybernetik, S. 456. Im Text wird Operation im letzteren Sinne verstanden. Ein Operationsbefehl ist das Gebot usw. (=deontische Modalität) der betr. Operation (Def. 36). 55 Repräsentativ: [65] Larenz, Methodenlehre. 56 Aus dem unübersehbaren Schrifttum vgl. a) für Studenten, die praktische Falllösung auf der Universität thematisierend, z.B.: [24] Diederichsen, BGB-Klausur; [111] Schwerdtfeger, öffentlichrechtliche Fallbearbeitung; [108] Scholler, Fälle und Lösungen; b) für Referendare, die praktische Fallösung der Rechtspflegeorgane thematisierend, z.B.: [17] Brauer/Schneider, Der Zivilrechtsfall in Prüfung und Praxis; [103] Sattelmacher/Sirp, Bericht, Gutachten und Urteil. Das Schrifttum zu b) mutet z.T. kurios an. Hierzu erfreulich kritisch: [38] Grunsky, JuS 72, 29ff., 137ff., 524ff. 57 Zum Beispiel: BVerfGE 2, 347, 374 („Kehl"). 58 Die Interpretationselemente „Einheit der Verfassung", „verfassungskonforme Interpretation" und „funktionelle Richtigkeit" sowie sachhaltige Konkretisierungselemente; vgl. zum Ganzen zusammenfassend: [79] F.Müller, Jur. Meth. I, S. 22-41. 59 Vgl. hierzu: [55] Klaus, Kybernetik, S. 456f.
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1. Teil: Standort; Arbeitsziele; Spezifische Arbeitsmethode
analytisch-empirischen Philosophie (z.B. bzgl. des Sinnkriteriums 60 ) und zur Kybernetik (z.B. bzgl. des Postulats der Modellierbarkeit von Termen ieS 61 und Aussagesätzen) aufweist. Der Operationalismus erkennt nur Terme ieS und Aussagesätze an, welche durch physikalische Operationen (Messungen) überprüft werden können. Daß dieser Ansatz erheblich zu eng ist, ist inzwischen von der analytischen Schule erkannt worden (Carnap'sches Toleranzprinzip 62 ). Zutreffend erscheint jedoch der Gedanke, daß Terme, Sätze und auch Methoden so konstruiert werden sollen, daß sie möglichst einfach (in der Praxis) angewandt werden können. Dies gilt auch für die Rechtswissenschaft als angewandter Normativ-Wissenschaft. Ein eleganter Ansatz, Methoden praktisch anwendbar zu machen, besteht in deren Operationalisierung. Das dritte Arbeitsziel: Operationalisierung des Rationalisierungsansatzes und der spezifischen Rechtsanwendungsmethoden findet darin seine Rechtfertigung. Interessant ist, daß in der Betonung von Anwendbarkeit bzw. Anwendung eine Parallele zur modernen hermeneutischen Philosophie besteht, nach welcher sich „Verstehen" erst in der „Anwendung" vollendet 63 .
1.3. Arbeitsmethode in terminologischer Hinsicht Ansätze aus verschiedenen außerjuristischen Wissenschaften zu untersuchen, ob und inwieweit sie den drei Arbeitszielen gerecht werden, ist mit schwerwiegenden terminologischen Problemen verknüpft. Die Ansätze weisen spezifische Terminologien auf, die weder untereinander noch mit der juristischen Terminologie übereinstimmen. Soweit außerjuristische termini technici verwandt werden, die einerseits eine gewisse Relevanz aufweisen, andererseits aber aus juristischer Sicht leicht terminologischen Mißverständnissen unterliegen, soll eine Klarstellung durch Definition 64 bzw. Explikation 65 erfolgen. Auch soweit juristische Begriffe präzisiert werden, soll dies durch eine Explikation kenntlich gemacht werden. Auf diese Weise sollen die gestellten methodischen und verfassungsrechtlichen Probleme von terminologischer Problematik entlastet weden.
60
Zum „empiristischen Sinnkriterium" vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 117-118. Zum Begriff Term ieS vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 29-30. Zum Carnap'sehen Toleranzprinzip vgl. [14] Bochehski, Denkmethoden, S. 64; [671 Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 118. 63 [32] Gadamer, Wahrheit und Methode, passim; sekundär: [112] Seiffert, Wiss. Theorie, Bd. 2, S. 89 108, S. 114-138. 64 Zum Definitionsbegriff: [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 88-95; [14] BocheÄski, Denkmethoden, S. 90-96; [57] Klug, Logik, S. 85-96. Im Text wird es sich teils um analytisch-semantische, teils um analytisch-syntaktische Nominaldefinitionen handeln. Zum Explikationsbegriff: [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 87-88; [19] Carnap, Logik, S. 2. 61
62
Zweiter
Teil
Das Problem; Notwendigkeit der Problemlösung; Problembehandlung durch konventionelle juristische Methodologie und Dogmatik - Bestandsaufnahme 2. Kapitel
Definition des Problems Es empfiehlt sich folgende T e r m i n o l o g i e : E i n Problem Paar ( M P r , f)
(Def. 38). M Pr
ist ein geordnetes
bezeichnet die Menge der Aussagen, die die Pro-
blemsituation i n h a l t l i c h konstitutiv-abschließend beschreiben (sog. Problemprämissen,
Def. 39). D i e Problemsituation
liegt genau dann vor, wenn i m k o n -
kreten Rechtsfall die Problemprämissen erfüllt sind (Def. 3 9 a ) . / b e d e u t e t die Frage (sog. Problemfrage,
Def. 40), die sich an die Problemsituation a n k n ü p f t 1 .
Problemprämissen u n d Problemfrage zusammen kennzeichnen den I n h a l t des Problems (Problem-Intension,
Def. 41). D i e offene M e n g e 2 der Rechtsfalle,
in denen die Problemprämissen gegeben sind, werde U m f a n g des Problems (Problem-Extension* )
oder auch Problemfeld
genannt (Def. 44).
F ü r die Analyse eröffnen diese Festlegungen nicht nur die M ö g l i c h k e i t , Problem u n d L ö s u n g getrennt zu untersuchen, sondern auch die einzelnen 1 Ein engerer — verhaltenswissenschaftlicher — Problembegriff findet sich bei: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 145, der neben den Problemprämissen sämtliche Bedingungen, denen die Lösung entsprechen muß, zum Problem rechnet. 2 Der Begriff offene Menge (Gegensatz : abgeschlossene Menge) entstammt eigentlich der Topologie. Danach ist eine Teilmenge M eines topologischen Raumes Τ genau dann eine offene Menge, wenn es zu jedem Element χ {pce M) mindestens eine Umgebung U von χ (U g U(x)) gibt, die in M enthalten ist, d. h. wenn gilt:
(x)(MCT
a xeM
(bU)(UgU(x)
a
UC M)) (Def. 42).
U (x) heißt Umgebungsfilter und ist das System der Umgebungen von x. U (x) wird meistens axiomatisch definiert. Ein topologischer Raum Τ ist eine Menge mit einer auf ihr definierten topologischen Struktur (Def. 43), vgl. zu diesen Begriffen im einzelnen: [76] Meschkowski, Math., S. 187, S. 256-257, S. 264; [9] Behnke u.a. (Bearb.: Remmert), Math. 1, S. 292-309, insbesondere S. 295-297). Demgegenüber soll offene Menge im obigen Text zum Ausdruck bringen, daß ein Bereich existiert, in welchem die Zugehörigkeit eines Rechtsfalles zur Menge zweifelhaft erscheint (Def. 45). Dies ist äquivalent mit einer Feststellung der Vagheit (vgl. Def. 16) des die (offene) Menge — extensional — bezeichnenden sprachlichen Ausdrucks. Eine im letzteren Sinne „offene" Menge stellt damit eine Extension dar, die selbst vage ist. 3 Abweichend: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 145. Kirsch versteht unter Problemextension den Lösungsbereich (Klasse der Lösungen).
16
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
semantischen Problemkomponenten (Problemsituation, Problemfeld, Problemfrage) zu trennen. Bei komplexen Problemen erscheint dies vorteilhaft. Dies gilt auch für komplexe juristische Probleme wie den Konkurrenzen und Kollisionen im Verfyssungsrecht. Zur Reduzierung der Komplexität empfiehlt es sich, zunächst nur das Problem als solches sachlich zu fixieren (im Folgenden Definition des Problems genannt). Dadurch wird ein fester Ausgangspunkt für Lösungsansätze gewonnen.
2.1. Vorläufiger Ansatz zur Definition der Problemfrage Bei den Konkurrenzen und Kollisionen scheint die Problemfrage dahingestellt zu sein, wie (logische) Widersprüche zwischen Normen aufgelöst werden können. Dies gilt prima facie gleichermaßen für Konkurrenzen und Kollisionen. Bei konkurrierenden Normen entsteht der Widerspruch dadurch, daß zwischen den Rechtsfolgen eine Umfangdivergenz — ausgenommen den Fall der schon a priori evidenten totalen Rechtsfolgennegation durch sog. Ausschlußtatbestände — besteht4. Bei kollidierenden Normen entsteht der Widerspruch dadurch, daß im konkreten Fall die Rechtsfolgen in ein Spannungsverhältnis treten 5 . Erstaunlicherweise behandelt die Verfassungsdogmatik Konkurrenzen und Kollisionen aber nur selten im Zusammenhang6. Diese Definition der Problemfrage kann nur als vorläufig angesehen werden. Die Vorläufigkeit beruht letztlich darauf, daß die Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht ein nicht-operational definiertes Problem 7 darstellen. Bei einem nicht-operational definierten Problem enthalten die das Problem beschreibenden Sätze mindestens einen sprachlichen Ausdruck, der zwar eine Konstante 8 darstellt, jedoch vage und/oder mehrdeutig ist 9 , oder die Sätze 4 Bsp.: Art. 2 1/4 I I G G ; 5 I I I 1 /5 I iVm 5 I I GG, vgl. hierzu: BVerfGE 30, 173ff. („Mephisto"). 5 Bsp. : Art. 512 (2) GG (Rundfunkfreiheit)/1 11,21 GG (Persönlichkeitsschutzrecht), vgl. hierzu : BVerfGE 35,202 ff. („Lebach") ; Art. 511(1) (Meinungsfreiheit) / 5 I I I 1 (1) GG (Kunstfreiheit), vgl. hierzu: BVerfGE 7,198ff. („Lüth"). 6 Vgl. aber: [79] F. Müller, Positivität, S. 51. 7 Synonyma: inexakt definiertes bzw. schlecht definiertes Problem (ill-defined problem). 8 Zum Begriff Konstante (Zeichen mit Intension/ Extension) (Def. 46) vgl. [19] Carnap, Logik, S. 16. Dieser Begriff ist auch auf die natürliche Wortsprache anwendbar. 9 Ähnlich: [53] Kirsch, BWL, S. 199-200, S. 114-118; [51] ders., Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 149. Mangelnde Operationalität kann auch mit der Existenz von Variablen (Zeichen ohne Intension/ Extension, Def. 47) erklärt werden. Variable können verschiedene (konstante) Ausprägungen annehmen, genauer: für eine Variable ist nur eine bestimmte Klasse (offener oder geschlossener) Ausdrücke syntaktisch zulässigerweise einsetzbar. Diese Klasse heiße Einsetzbarkeitsbereich (Def. 47 a). Die Klasse der Intensionen der geschlossenen Ausdrücke des Einsetzbarkeitsbereichs heißt der Wertintensionsbereich der Variablen, die Klasse der entsprechenden Extensionen der Wertextensionsbereich der Variablen. Je nach intensionaler oder extensionaler Orientierung der Semantik wird der Wertintensionsbereich bzw. Wertextensionsbereich als
Kapitel 2. Definition des Problems
17
beschreiben das Problem unvollständig (Def. 49). Im Gegensatz dazu enthält eine operationale Problemdefinition 10 nur eindeutige und nicht-vage, also präzise Ausdrücke sowie eine vollständige Beschreibung des Problems (Def. 50). Bei operational definierten Problemen ist intersubjektiv exakt nicht nur Problemsituation, -frage und -feld feststellbar, sondern auch, ob eine Lösungshypothese eine Lösung bedeutet 11 . Dieser letztere Aspekt wird sogar zur Differenzierung zwischen operational und nicht-operational definierten Problemen verwandt (Minsky-Kriterium) 12 . Wegen der Vagheiten und Mehrdeutigkeiten der natürlichen Wortsprache lassen sich im juristischen Bereich Probleme — grundsätzlich 13 — zunächst nur nicht-operational definieren. Deshalb läßt sich intersubjektiv zwingend grundsätzlich auch nicht feststellen, ob eine vorgeschlagene Lösungshypothese eine Lösung des gestellten Rechtsproblems darstellt 14 . Daran ändert auch die zutreffende Erkenntnis nichts, daß nicht-operational definierte Probleme in operationale Probleme durch Eliminierung der Vagheiten/Mehrdeutigkeiten und/oder Vervollständigung der Problembeschreibung transformiert werden können 15 . Lösungen des operational umdefinierten Problems sind dann eindeutig diagnostizierbar, wenn auch nicht stets auffindbar. Die Transformation selbst ist jedoch keinesfalls intersubjektiv exakt, sondern mehr oder weniger nur inexakt begründbar. Deshalb bedeutet eine Lösung des operationalen Sekundär-Problems wenig für eine Lösung des primären, nicht-operationalen Ausgangsproblems. Vielmehr liegen sowohl Hauptschwierigkeit der Lösung Wertebereich (auch: Ausprägungsbereich) der Variablen bezeichnet (Def. 48). Geschlossene Ausdrücke sind Ausdrücke ohne freie Variablen. Offene Ausdrücke enthalten mindestens eine freie Variable (vgl. [19] Carnap, Logik, S. 24ff., S. 39 ff.). Einsetzbarkeitsbereich ist ein syntaktischer, Wertebereich ein semantischer Begriff. 10 Synonyma: exakt definiertes, wohl-definiertes Problem (well-defined problem). Operational wird hier im strengen Sinne maximaler Genauigkeit und Vollständigkeit gebraucht (maximale Operationalität, Def. 51). Der oben unter 1.2.3. gebrauchte, auf Methoden bezogene Operationalitätsbegriff im Sinne von ausführungshinreichender Genauigkeit und Vollständigkeit («ausfuhrungshinreichende Operationalität, Def. 52) ist weniger streng bzw. abgeschwächt. 11 Dies gilt allerdings nur, wenn auch die Lösungsbedingungen — die nach der hier gegebenen Definition des Problembegriffs außerhalb der Problemdefinition stehen — operational definiert sind. Bei operational-definierten Problemen wird jedoch meist eine operationale Definiertheit auch der Lösungsbedingungen gegeben bzw. herbeiführbar sein. 12 Vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 147 mwN. 13 Ausnahmen gelten für die teilweise numerisch determinierten Bereiche des Steuerrechts und Sozialversicherungsrechts, vgl. hierzu: [57] Klug, S. 157-172, insbesondere S. 163 ff. mit Programmablaufplan zur Lösung einer Klasse von einkommenssteuerrechtlichen Problemen. 14 Deshalb erscheint der Weg Podlechs ([93], Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 492), der die Aufgabe der Feststellung des Vorliegens einer Lösung einer „Methodenlehre" zuweisen möchte, wenig aussichtsreich. 15 Die (deskriptive) Informationsverarbeitungstheorie heuristischer Entscheidungsmodelle und Problemlösungsprozesse stellt die These auf, daß die Transformation auch empirisch gesehen der normale Gang des Lösungsprozesses bei nicht-operationalen Problemen sei; so: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 200-210, insbesondere S. 201. 2 Fohmann
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
18
als auch Hauptschritt zur Lösung in der nicht operationalisierbaren Problemtransformation (Def. 53) selbst 16 . Dieses Transformationsproblem stellt eine Analogie zum Problem der Übersetzung von Sätzen aus der natürlichen Wortsprache in eine (ieS) symbolische Kunstsprache dar. Daraus folgt z.B., daß eine Lösung, die die Normenlogik im Rahmen ihrer symbolischen Sprachsysteme für (operationale) normenlogische Probleme gefunden hat, als Lösung im Rahmen der nicht-operationalen positiven Rechtsordnung erst noch erwiesen werden muß. Dies gilt gleichermaßen für die hier angestrebte operationale Lösung (vgl. 1.2.3.) des Problems der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht in Form von operationalen spezifischen Rechtsanwendungsmethoden. Denn eine operationale Lösung setzt eine Operationalisierung des Problems selbst voraus. Durch eine verfassungsrechtliche Begründung des Rationalisierungsansatzes, der sowohl die Problemtransformation vom nicht-operationalen in einen operationalen Zustand als auch die Lösung des operationalisierten Problems umfaßt, soll hier die Relevanz der gefundenen Lösung für die nicht-operationale positive Rechtsordnung gesichert werden (vgl. unten 5.4.). Das Problem der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht erscheint hochgradig nicht-operational. Denn die Begriffe „Konkurrenz" und „Kollision" sind im dogmatischen Sprachgebrauch mit zahlreichen Vagheiten und Mehrdeutigkeiten belastet 17 . Außerdem wird die Problemsituation nicht oder nicht vollständig beschrieben 18. Zur Operationalisierung des Problems müssen Vagheiten, Mehrdeutigkeiten und Unvollständigkeiten der Problemdefinition eliminiert werden. Außerdem bedeuten die Vagheiten und Mehrdeutigkeiten eine terminologische Problematik, die der sachlichen Problematik der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht vorgeschaltet ist. Die terminologische Lösung ist notwendige Voraussetzung der sachlichen Lösung. Da Terminologiefragen Zweckmäßigkeitsfragen sind 1 9 , wäre es nicht sinnvoll, die Frage nach dem „richtigen" oder „falschen" Gebrauch der Begriffe Konkurrenz und Kollision aufzuwerfen (sog. 16
Zutreffend: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 201 mwN. Vgl. z.B.: [31] Engisch, Einführung, S. 159. Engisch meint undifferenziert, das Konkurrenzproblem werde durch die Begriffe „Spezialität", „Superiorität" und „Posteriorität" abgedeckt und durch die drei sog. Derogationsformeln—evtl. in Kombination — grundsätzlich auch gelöst; ausnahmsweise trete eine „Kollisionslücke" auf bei Unauflösbarkeit des Ν or mwider spruchs mittels der Derogationsformeln. Das Problem begrifflicher Klärung sieht Engisch nicht. So fehlt auch eine Auseinandersetzung mit dem Problem einer Abgrenzung bzw. deren Notwendigkeit zwischen Konkurrenzen und Kollisionen oder zwischen Spezialität und Subsidiarität. Das Problem begrifflicher Klärung wird dagegen gesehen von [65] Larenz, Methodenlehre, S. 250, Anm. 25. 18 Vgl. aber [93] F. Müller, Positivität, der die Problemsituation mit einer „Überschneidung der Normbereiche" (S. 46) und einer „gegenläufigen Regelung durch die Normprogramme" (S. 53) umreißt und z.B. Kollisionen mittels in das Verfahren praktischer Konkordanz (vgl. S. 53, S. 89) einzuarbeitender Differenzierung verschieden intensiver Schutzzonen, -richtungen und -gesichtspunkte (S. 49, S. 94-95) löst. 19 Vgl. [57] Klug, Logik, S. 87, S. 94, S. 96. 17
Kapitel 2. Definition des Problems
19
Zeichenerklärung 20 ). Vielmehr wird hier die terminologische Seite des Problems der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht dadurch zu lösen versucht, daß — soweit dies mögich ist — diesen Begriffen eine Deutung gegeben wird, die erstens dem bisherigen unscharfen Sprachgebrauch ähnlich 21, zweitens fruchtbar, d.h. zur Lösung der sachlichen Problemseite zweckmäßig und drittens operational 22 ist. Genau dies bedeutet aber eine begriffliche Explikation 23 (Def. 54). Dadurch kommt der Begriffsexplikation eine doppelte Funktion zu: sie dient sowohl terminologischer Präzisierung als auch der Operationalisierung der Problemdefinition. D.h. die Explikation wird als Mittel zur Transformation des Problems vom nicht-operationalen in einen operationalen Zustand eingesetzt. In einem ersten Schritt in Richtung auf eine Explikation des Konkurrenz- und Kollisionsbegriffs soll dem Problemfeld (Problem-Extension) durch mehrere Reduktionen eine genauere Kontur gegeben werden. Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, daß bei nicht-operationalen Problemen die Problemdefinition einerseits und die Problemlösung andererseits im Problemlösungsprozeß kaum getrennt werden können 24 , insbesondere wenn das Problem durch Problemtransformation evtl. mehrmals umdefiniert wird. Für die hier im Vordergrund stehenden analytischen Zwecke bleiben diese Differenzierungen — insbesondere die oben anläßlich der Definition des Problembegriffs eingeführten weiteren Differenzierungen — jedoch von erheblichem heuristischen Wert. 2.2. Fünf primäre Reduktionen des Problemfeldes Die hier einzuführenden Reduktionen werden primär genannt, um sie von solchen Reduktionen abzugrenzen, deren Einführung sich für die Begriffsexplikationen nicht bereits prima facie, sondern erst im Verlaufe der Problemanalyse als zweckmäßig herausstellt. 20
Vgl. [57] Klug, Logik, S. 89. Zum Begriff der Ähnlichkeitsrelation vgl. [57] Klug, Logik, S. 79. Eine Quantifizierung des Ähnlichkeitsbegriffs ( = Analogiebegriff) findet sich bei [55] Klaus, Kybernetik, S. 32-35, insbesondere S. 34. 22 Wegen der Mehrdeutigkeit des Operationalitätsbegriffs (maximale Operationalität — ausführungshinreichende Operationalität) ist analog auch der Explikationsbegriff mehrdeutig (optimale Explikation — hinreichende Explikation). 23 Zum Explikationsbegriff vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 86-88, insbesondere S. 88; [20] Carnap/Stegmüller, Induktive Logik, S. 15. 24 Vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 200-210, insbesondere S. 203. Der Problemlösungsprozeß bei nicht-operationalen Problemen ist bislang sowohl von der neo-behavioristischen als auch von der kognitivistischen Schule der Psychologie kaum untersucht worden, obwohl solche Untersuchungen für viele Wissenschaften — auch für die (nicht-operationale) Rechtswissenschaft — von erheblicher Fruchtbarkeit sein könnten. Ein bedeutsamer Ansatz der als Synthese der beiden psychologischen Schulen zu begreifenden Informationsverarbeitungstheorie des Entscheidungsverhaltens zum Lösungsprozeß bei nicht-operationalen Problemen findet sich bei: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 200-210, vgl. auch S. 24-32; zum Behaviorismus vgl. [46] Hofstätter, Psychologie, S. 70-75; [28] Drever/Fröhlich, Psychologie, S. 67f. 21
*
20
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme 2.2.1. Reduktion auf Widersprüche zwischen lediglich zwei Normen25
Konkurrenz- und Kollisionsverhältnisse bedeuten spezifische Relationen zwischen — vorläufig noch ungenau formuliert — Normen. In den meisten Rechtsfällen sind an Konkurrenz- bzw. Kollisionssituationen mehr als zwei Normen beteiligt. D. h. diese Norm-Relationen sind als w-stellig (n > 2) deutbar. Damit kann nun genauer begründet werden, weshalb die o.g. Definition der Problemfrage nur eine vorläufige ist. Die angestrebte operationale Lösung setzt eine operationale Definition des Problems selbst voraus. Eine operationale Problemdefinition ist hier nur möglich durch Problemtransformation — deutbar auch als Umdefinition bzw. Neudefinition —, welche hier mittels Begriffsexplikation bewirkt werden soll. Die o.g. Problemfrage ist der nicht-operationalen Ebene zuzurechnen. Da Gegenstand der erforderlichen Transformation außer den Problemprämissen auch die Problemfrage sein kann, kann die o.g. Problemfrage jedenfalls nicht als gesichert erachtet werden. Heuristisch zweckmäßig 26 beschränkt man eine Untersuchung der Konkurrenz- und Kollisionsrelationen demzufolge auf die nur zwei Normen umfassende Basiskonstellation (sog. 2-stellige Relation). Denn komplexe (3- und mehrstellige) Konkurrenzund Kollisionsverhältnisse können durch Kombination bzw. Verallgemeinerung erzeugt werden. Die Übertragbarkeit einer Lösung für Konkurrenz und Kollision zweier Normen auf solche zwischen drei und mehr Normen bedarf allerdings einer gesonderten Untersuchung 27 . 2.2.2. Reduktion auf Widersprüche zwischen Normen der geltenden Rechtsordnung
Eine Untersuchung der Widersprüche zwischen Normen kann auf dreifache Weise angesetzt werden. Die erste Möglichkeit liegt darin, nur solche arbeitstechnischen Hilfsmittel heranzuziehen, die auch von konventioneller Dogmatik und Methodenlehre verwandt werden. Dies bedeutet, daß unter dem Aspekt Arbeitstechnik intrasystematisch verfahren w i r d 2 8 . Dies bedeutet insbesondere, daß keine analy25 In Kap. 2.2. wird der terminus „ N o r m " untechnisch, also nicht iSd Def. 64 gebraucht. Korrekt müßte eigentlich von „Entscheidungsnorm" gesprochen werden. Diese Erkenntnis wird aber erst unter 2.3.4. erarbeitet. Die untechnische Verwendung von „Norm" in 2.2. soll die Möglichkeit offenhalten, den terminus „Norm" an späterer Stelle der Arbeit im Sinne von abstrakter Norm oder aber — richtigerweise — von Entscheidungsnorm technisch korrekt zu spezifizieren. 26 Hier wird das allgemeine heuristische Prinzip der sog. Faktorisation (Problemfaktor-Zerlegung) (vgl. dazu: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 158-162, insbesondere S. 184fT; [56] Klein, Heuristische Entscheidungsmodelle, S. 107) angewandt, welches hier Analyse-Synthese-Prinzip genannt werden soll. Danach können komplexe Probleme häufig dadurch gelöst werden, daß sie auf ihre Teilbarkeit in mehrere lösbare Teilprobleme hin analysiert werden (=Analyse) und die (Gesamt-) Lösung des Ausgangsproblems durch eine Zusammenfassung der Teillösungen erreicht wird ( = Synthese). 27 Vgl. unten Kap. 10. 28 Diesen Weg wählt [37] Großkreutz, Normwidersprüche im Verfassungsrecht, passim.
Kapitel 2. Definition des Problems
21
tischen Techniken verwandt werden. Die Leistungsfähigkeit dieses Ansatzes unter den Aspekten Steigerung von Rationalität und Steigerung der Kraft zur Findung neuer theoretischer Erkenntnisse steht der Leistungsfähigkeit analytischer Ansätze keinesfalls nach 2 9 . Mit der mangelnden Operationalisierung der entwickelten Methoden ist allerdings zum Teil eine gewisse Schwierigkeit bei der Umsetzung in die praktische Recht san wendung verbunden. Eine zweite Möglichkeit zur Untersuchung von Normwidersprüchen besteht darin, daß man transsystematisch logisch-sprachanalytische Arbeitstechniken anwendet. Vor der eigentlichen Untersuchung werden die Normsätze aus der natürlichen Wortsprache in die symbolische Kunstsprache eines deontischen Logik-Kalküls 30 übersetzt. Dies ist der Ansatz der Normlogik. Man versucht, den Untersuchungsgegenstand, die Normsätze, im strengen Sinne maximaler Genauigkeit und Vollständigkeit zu operationalisieren 31. Dadurch handelt sich die Normlogik aber als erste Problematik ein, daß jede gefundene Lösung nur relativ zur Qualität der Lösung des nicht formalisierbaren Übersetzungsproblems (Problem der Transformation der Normsätze aus einer nichtoperationalen in eine operationale Sprache) gilt. Dieses Problem wurde bislang in der Normlogik weder hinreichend untersucht noch befriedigend gelöst 32 . Wegen der Normativität der nicht-operationalen positiven Rechtsordnung erscheint dieses Problem sogar als grundsätzlich unlösbar. Denn positive Normsätze sind grundsätzlich 33 ohne Normativitätsverlust nicht operationalisierbar 3 4 . Eine erste Begründung dieser These liefert die Normstruktur, wie sie von der neueren Verfassungsdogmatik und -methodik erarbeitet wurde. Die meisten Normsätze sind ohne 29 Dies wird z.B. deutlich in der „Entdeckung" der realen Grundstruktur des Normbereichs als Mit-Konstituens (praktischer) Normativität und Normbestandteil durch [81] F. Müller, Normstruktur, passim. Gleiches gilt für die Falsifizierung der These des rechtswissenschaftlichen Positivismus (zum Begriff vgl.: [129] Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 431) von der (logischen) Geschlossenheit der Rechtsordnung, insbesondere der Abgeschlossenheit (numerus clausus) der Auslegungscanones z.B. durch eine Einbeziehung der sachorientierten Konkretisierungselemente aus dem Normbereich in den Rechtsanwendungsprozeß. Die Einbeziehung dieser Konkretisierungselemente strukturiert die geschlossene Normsatzinterpretation um in das argumentativ offene und umfassende Verfahren der Normkonkretisierung ([79] F ; Müller, Jur. Meth. I). Interessant ist, daß sich in anderen Wissenschaften ähnliche Öffnungsprozesse vollziehen, z.B. in der Entscheidungstheorie; vgl. dazu: [41] Hagen, Rationales Entscheiden, S. 8-51 ; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 61 ff. 30 Ein Kalkül ist eine Sprache mit formalisierter Syntax (Def. 55). Ein Logik-Kalkül ist eine Kalkül, dessen Syntax als Umformungsregeln nur L-wahre Grundsätze (Axiome) und auf L-Implikationen bzw. L-Äquivalenzen basierte Schlußregeln aufweist (Def. 56); vgl. zu diesen Begriffen: [19] Carnap, Logik, S. 102. Ein deontischer Logik-Kalkül ist ein Logik-Kalkül, der mindestens einen deontischen Operator (Gebot, Verbot, Erlaubnis, Freistellung) enthält (Def. 57). 31 Diesen Weg wählt z. B. [12] Berkemann, Prinzip der Widerspruchsfreiheit. 32 A. M. wohl: [12] Berkemann, Prinzip der Widerspruchsfreiheit, S. 170. 33 Ausnahmen sind denkbar, z.B. im Verfahrensrecht, Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht. Aber auch hier ist eine vollständige maximale Operationalisierung nicht erreichbar, wie die Erfahrungen der BfA zeigen. 34 Ähnlich: [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 114.
22
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Liquidierung ihrer Normativität nicht im strengen Sinne operationalisierbar. Denn außer dem Normtext (Normsatz) ist auch die reale Grundstruktur des Normbereichs Normbestandteil und Mit-Konstituens praktischer Normativität 35 . Diese unter dem Normprogrammaspekt selektierte reale Grundstruktur des Normbereichs ist nur in den seltensten Fällen operational erfaßbar. Aber auch die Nicht-Operationalität der Normtexte selbst in Gestalt von Vagheit und Mehrdeutigkeit ist Voraussetzung für die Eigenschaft der positiven Rechtsordnung, auch ohne Textänderung im Rahmen der Begrenzungsfunktion (sog. negative Funktion) des Wortlauts (sog. Konkretisierungsgrenze) 36 durch variable Normkonkretisierung änderbar im weiteren Sinne, genauer: wandelbar zu sein. Zur Unterscheidung zur Gesetzesänderung im engeren Sinne durch Textänderung werde die durch Hinzunehmen des Gesetzeswandels durch Konkretisierungsänderung erzeugte Änderbarkeit der Rechtsordnung als Änderbarkeit im weiteren Sinne bezeichnet. Diese Wandelbarkeit durch Konkretisierungsänderung befähigt die Rechtsordnung, daß sie hinsichtlich politischer, kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen flexibel und adaptiv agieren und reagieren kann, ohne daß die Legislative aktiv werden muß. Die Wandelbarkeit durch Konkretisierungsänderung deckt somit innerhalb der durch die Normtexte definierten Bandbreiten auch kurz- und kürzestfristige Aktionen und Reaktionen ab. Diese systeminterne Elastizität ist notwendig, um die Ordnungs-, Stabilisierungs-, Steuerungs-, Regelungs-, Planungs-, Koordinations- und Legitimationsfunktionen von Gesetzen in modernen positiven Rechtsordnungen zu erfüllen 37 . Dies gilt trotz Geltung des unter anderem aus Art. 20 III, 28 I 1,97 1,103 II, 80 I 2 GG abzuleitenden Postulats hinreichender Normtextbestimmtheit 38 . Denn postuliert wird nicht eine extreme, einseitig maximierte Normentextbestimmtheit (Operationalität im strengen Sinne). Vielmehr wird die Normtextbestimmtheit nur in dem Maße postuliert, als die beiden Größen Wandelbarkeit und Bestimmtheit gleichzeitig maximiert werden können. Das Bestimmtheitspostulat kann nicht gegen die Notwendigkeit der Wandelbarkeit der Rechtsordnung ausgespielt werden 39 . Eine zweite Begründung der These grundsätzlicher Nicht-Operationalisierbarkeit positiver Normsätze ohne Normativitätsverlust liefert die positive Verfassung. Im strengen Sinne operationalisierte Normsätze liquidieren die Konkretisierungsspielräume von vollziehender Gewalt und Rechtsprechung. Der Entscheidungsspielraum der vollziehenden Gewalt würde auf den Bereich nicht-gesetzesakzessorischer Verwaltung reduziert. Der Rechtsprechung verblieben hauptsächlich die Probleme der Sachverhaltsfeststellung. Selbst die Normenkontrolle würde bei operationalisierten Normsätzen sachlich (wenn auch nicht unbedingt logisch) trivial. Eine solche Operationalisierung verstößt 35 [81] F. Müller, Normstruktur, passim; [78] ders., Fallanalysen, S. 8-13; [79] ders., Jur. Meth. I, S. 164-165; vgl. hierzu auch den Exkurs am Ende von Abschnitt 2.2.2. 36 Die Beachtung der — nach wissenschaftlichen, episprachlichen oder umgangssprachlichen Sprachgebräuchen — möglichen Wortbedeutung(en) schließt Phänomene wie die Verfassungsdurchbrechung im engeren Sinne (Abweichung von der Verfassung im Einzelfall ohne Textänderung, die mit Art. 76 WRV für vereinbar gehalten wurde) aus. Die Schwierigkeit der Existenz mehrerer möglicher Wortbedeutungen ist wegen der häufigen Existenz mehrerer Sprachgebräuche nicht zu umgehen und typisch für den grammatischen topos in seiner negativen wie positiven Funktion, zumal auch Vorzugsregeln zwischen den verschiedenen Sprachgebräuchen bislang nicht untersucht wurden. 37 Zur Funktion moderner Gesetze: [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 117-134; [61] Krawietz, Das positive Recht und seine Funktion. Zum Funktionswandel vom „klassischen" Gesetz (im materiellen Sinn) zum „modernen" Gesetz (im materiellen Sinn): [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 117-124. 38 Vgl. dazu: [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 130-134; [45] Hesse, VerfassungsR, S. 83, S. 112; [107] Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, Rdnr. 11. 39 So [45] Hesse, VerfassungsR, S. 16-17; [88] v. Olshausen, JuS 1973, S. 219.
Kapitel 2. Definition des Problems
23
damit gegen die vom Prinzip der Gewaltenteilung des Art. 20 I I 2 GG intendierte Wahrung des materiellen Aufgabenkerns der Rechtsprechungsorgane (Rechtsprechung im organisatorischen Sinn) und der Vollziehungsorgane (Vollziehung im organisatorischen Sinn) 40 . Denn gem. Art. 20 I I 2 GG müssen Vollziehung im formellen Sinn als Gesamttätigkeit der Vollziehungsorgane einerseits und Vollziehung im materiellen Sinn andererseits stets ein Mindestmaß an gemeinsamem, nicht leeren Überschneidungsbereich aufweisen. Art. 20 I I 2 GG weist den organisatorisch gesonderten Organgruppen formelle Tätigkeitsbereiche und gleichzeitig Kerne an materieller Tätigkeit zu. Die Konkretisierung des Art. 20 I I 2 GG für die Rechtsprechung durch Art. 92 (2) GG verschärft diese Mindestmaßgarantie sogar in Richtung auf eine umfassende Garantie materieller Tätigkeit. Die Garantie der materiellen Aufgabenkerne durch Art. 20 I I 2 GG gilt unabhängig davon, ob man mit dem herrschenden — verfassungsgeschichtlich und verfassungstheoretisch beeinflußten — Vorverständnis dem Art. 20 I I 2 GG unzutreffend ein Unterpostulat der Gewaltenbalance entnimmt 4 1 , oder ob man Art. 20 ÏT 2 GG zutreffend auf die organisatorische Bildung dreier gesonderter Organgruppen und auf die dreifache Zuordnung einer formellen sowie des Kerns einer materiellen Funktion, genauer: Funktionstypus 42 beschränkt 43 . Eine zweite Problematik der N o r m l o g i k resultiert daraus, daß sie ihre Untersuchungen auf ( i m strengen Sinne) operationale Normsätze u n d deren Relationen konzentriert. D a d u r c h gerät das Problem der Konkretisierung des positiven Normsatzes zur ( i m abgeschwächten Sinn) operationalen Entscheidungsnorm, welches als Problem der Sprachübersetzung gedeutet werden kann, aus dem Blick. Dies erscheint nicht gerechtfertigt. D e n n die Rechtsanwendung wirft schwerpunktmäßig ihre Probleme gerade i m Rahmen der Normkonkretisierung auf — v o n Entscheidungsprogrammierung u n d tatsachenorientierter Argumentation sei hier abgesehen — , nicht aber bei dem der N o r m k o n k r e t i sierung nachgeschalteten Operieren m i t operationalen Entscheidungsnormen. M i t einer dritten Problematik schließlich w i r d die N o r m l o g i k unausweichlich dadurch konfrontiert, daß auch ein ( i m strengen Sinne) operationaler Normsatz stets einem grundsätzlich aus nicht-operationalen Real-Daten elastisch konstituierten Sachverhalt gegenübersteht. A u c h operationale N o r m sätze können ihrer F u n k t i o n als Recht nicht per se, sondern erst i n ihrer A n wendung auf Sachverhalte gerecht werden. Deshalb können auch operationale Normsätze wegen der Nicht-Operationalität der Sachverhalte nicht ihrer semantischen Dimension entkleidet, d . h . nicht unter dem Anwendungsaspekt formalisiert werden. Der operationale Normsatz erscheint als eine M o d e l l 40 Zur Gewaltenteilung im Sinne des Art. 20 I I 2 GG: [84] v. Münch/Schnapp, Art. 20 Rdnr. 23-24; [45] Hesse, VerfassungsR, S. 195-201. 41 So z. B. : [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb. : Maunz/Herzog), Art. 20 Rdnr. 78-79, 81, insbesondere Rdnr. 81 („Kernbereichstheorie"). 42 Der Funktionsbegriff ist mindestens dreideutig. Zu unterscheiden sind : 1. Funktion im mathematischen Sinn, vgl. hierzu: [76] Meschkowski, Math., S. 91, S. 13 (vgl. Def. 34); 2. Funktion im kybernetischen Sinn : Verhalten eines aktiven Systemelementes (InputOutput-Transformation bewirkendes Verhalten) (Def. 58 = Def. 35); 3. Funktion im umgangssprachlichen (auch juristischen) Sinn: Aufgabe. Zum Typus-Begriff: [65] Larenz, Methodenlehre, S. 443-456 (elastisches, ganzheitliches Merkmalsystem). 43 So: [45] Hesse, VerfassungsR, S. 182-195.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Vorstellung des Normsatzes, welche an den Erfordernissen der Anwendung und der Realität vorbeispezifiziert ist. Eine Operationalisierung der Normsätze entspricht schließlich auch nicht dem Normbild des Grundgesetzes, wie es in Art. 95 I I I GG zum Ausdruck kommt. Denn Art. 95 I I I GG hält Konkretisierungsdivergenzen innerhalb der Rechtsprechung für realiter unumgänglich, möchte diesen aber nicht durch Normsatzoperationalisierung, sondern durch organisatorische Koordination begegnen. Nach alledem erscheint der Weg einer strengen Operationalisierung der Normsätze nicht gangbar. Als dritte Möglichkeit zur Untersuchung von Normwidersprüchen verbleibt, transsystematisch methodisch-analytische Arbeitstechniken heranzuziehen. Da einerseits über den arbeitstechnischen status-quo hinausgegangen werden soll, um auf diese Weise eine Überwindung der Schwierigkeiten bei der Umsetzung in die praktische Rechtsanwendung zu versuchen, andererseits aber eine strenge Operationalisierung der Normsätze abgelehnt wird, kommt nur noch eine Operationalisierung der Rechtsanwendungsmethoden in Frage. Dadurch wird der Schwerpunkt der Untersuchung auf die Entwicklung spezifischer Rechtsanwendungsmethoden zur Auflösung von Normwidersprüchen gelegt. Eine Operationalisierung dieser Methoden im strengen Sinne maximaler Genauigkeit und Vollständigkeit scheidet mangels strenger Operationalisierbarkeit der Normsätze, des Methodengegenstandes, aber aus. Angestrebt werden soll aber eine Operationalisierung der Methoden im abgeschwächten Sinne ausführungshinreichender Genauigkeit und Vollständigkeit 44 . Dem Problem, ob und inwieweit dieses Ziel ohne Normsatz-Operationalisierung überhaupt erreichbar ist, kann nur dadurch nachgegangen werden, daß die Untersuchung auf Widersprüche zwischen Normsätzen der geltenden Rechtsordnung reduziert wird. Die obige These, daß die reale Grundstruktur des Normbereichs Normbestandteil ist, darf der terminologischen Klärung. Terminologischer Exkurs: Bei Berücksichtigung semiotischer Aspekte kann die (reale) Grundstruktur des Normbereichs nicht ohne weiteres als Normbestandteil gedeutet werden. Vielmehr ist Inhalt des Normsatzes (Normtext) die Norm (Normsatz-Intension, Def. 59). Umfang des Normsatzes (.Normbereich, Def. 60) ist die offene Menge der subsumierbaren Rechtsfälle (Normsatz-Extension), im Folgenden Anwendungsfeld genannt (Def. 61). Von den syntaktisch-semantisch zu unterscheidenden Hauptkomponenten des Normsatzes (Tatbestand und Rechtsfolge) bezeichnet der Tatbestand das Anwendungsfeld. Zur Klärung der Relationen zwischen den Begriffen Normsatz, Entscheidungsnorm und subsumierbarer Rechtsfall ist das von der neueren Ver44
Vgl. oben: 1.2.3. (siehe Def. 52).
Kapitel 2. Definition des Problems
25
fassungsmethodik entwickelte Verfahren der Normkonkretisierung heranzuziehen. Dieses Verfahren hat die Funktion, den nicht-operationalen (abstraktgenerellen) Normsatz zu individualisieren und in dem Maße zu präzisieren, wie es zur Ausführung (Anwendung) des Normsatzes im konkreten Rechtsfall notwendig und hinreichend ist {Normkonkretisierung, Def. 62). D.h. die Normkonkretisierung transformiert den nicht-operationalen Normsatz in eine direkt ausführbare, also operationale Entscheidungsnorm (Def. 63) — Operationalität gebraucht iSv ausführungshinreichender Operationalität (vgl. Def. 52). Unter Norm ist damit die potentiell-unendliche Menge der aus dem zugeordneten Normsatz konkretisierten Entscheidungsnormen zu verstehen (Def. 64). Unter subsumierbarem Rechtsfall ist damit ein durch eine Entscheidungsnorm (positiv oder negativ) entscheidbarer Rechtsfall zu verstehen (Def. 65). Das Anwendungsfeld eines Normsatzes ist die potentiell-unendliche Menge der Rechtsfälle, die mittels aus dem zugeordneten Normsatz konkretisierter Entscheidungsnormen (positiv oder negativ) entscheidbar sind (Def. 66). Diese Begriffe haben mit den ausdrucksgleichen Begriffen der traditionellen Methodenlehre kaum noch etwas gemein. Die reale Grundstruktur des Normbereichs ist ein wichtiger Faktor für das Verfahren der Normkonkretisierung (Konkretisierungselement). Gedeutet in dieser Faktor-Eigenschaft könnte die obige These über die NormbestandteilEigenschaft auch auf der Basis der Terminologie in Def. 59-66 gehalten werden. Wegen der Definition 64 erscheint es jedoch terminologisch klarer und folgerichtiger, die Normbestandteil-Eigenschaft als „Element-von"-Relation zu deuten und diese Eigenschaft den Entscheidungsnormen zuzuerkennen, da diese Elemente der die Norm charakterisierenden Menge von Entscheidungsnormen sind. An der sachlichen Mitkonstitutivität der Grundstruktur des Normbereichs für praktische Normativität, die für die obige These letztlich maßgebend ist, ändern diese terminologischen Festsetzungen nichts. 2.2.3. Reduktion auf Widersprüche zwischen Normen identischer externer Rangstufe
Das für die Rechtsanwendung bedeutsamste System einer Normenhierarchie beruht auf einer Klassifizierung der Menge positiver Normen unter den Aspekten der Verbandszugehörigkeit 45 und der verfassungsrechtlichen Position des jeweiligen normsetzenden Organs sowie der Definition einer Präferenzrelation Ρ (χ ist ranghöher als y >)) zu diskreten Argument-Werten symbolisch darzustellen (Def. 97) 8 . Auf die Deutungsmöglichkeit als Darstellung der Extension einer w-stelligen bzw. ra-stelligen Funktion kann hier nicht eingegangen werden. Eine Matrix erscheint zur Analyse der Personenkonfiguration im Problemfeld der Konkurrenzen und Kollisionen recht geeignet. Denn Personenanzahl η und Personenrolle r können als zwei unabhängige ArgumentVariable und die durch (kombinatorische) rechtseindeutige Zuordnung gebildete konkrete Konfiguation k als abhängiger Funktionswert gedeutet werden: fc = / ( w > r )· Die Personenkonfiguration k kann als System gedeutet werden, indem man die Personen als Systemelemente und die zwischen den Personen bestehenden zwei subjektiv-öffentlichen Rechte (vgl. die Reduktionen 2.2.1. und 2.2.5.) als die Systemrelationen begreift. Dann figuriert die Personenrolle r als Variable, welche die Relationen variiert. Die Personenanzahl η variiert die Mächtigkeit der Systemelemente. Beide Variablen beeinflussen die Systemstruktur. Nach Definition der der Matrix-Analyse zugrunde zu legenden Funktion ist zu klären, welche konkret-diskreten Ausprägungen die Argument-Variablen annehmen können. Hinsichtlich der Personenanzahl η ist festzustellen, daß Fälle mit n>4 sofort ausscheiden. Denn in solchen Fällen ergeben sich für zwei subjektive Rechte keine personellen Berührungspunkte und damit auch keine Möglichkeit zu logisch-sprachlichen Widersprüchen. Ebenso scheidet der 1-Personenfall (« = 1) aus. Zwar ist im Privatrecht die Existenz subjektiver Rechte im 1-Personenfall, d.h. das Zusammenfallen von Aktiv- und Passivlegitimation in derselben Person gesetzlich vorgesehen, wenn auch nur in Ausnahmefällen wie ζ. B. bei Ansprüchen in § 1991 I I (1) BGB 9 (Nichterlöschensfiktion). Grundsätzlich aber erlöschen Ansprüche beim Zusammenfallen von Aktiv- und Passivlegitimation in derselben Person (sog. Konfusion) auch im Privatrecht. Im Öffentlichen Recht dagegen wird das Zusammenfallen von Aktiv- und Passivlegitimation in derselben (juristischen) Person meist im Zusammenhang mit In-Sich-Prozessen 10 erörtert. 8 Zu den Begriffen Funktion, Funktionswert, Funktionsargument vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 67ff.; [55] Klaus. Kybernetik, S. 381 ff.; [19] Carnap, Logik, S. 71 ff. Eine Funktion (im math. Sinn) ist eine nacheindeutige Abbildung von (nicht: aus) einer oder mehreren Mengen in (oder auf) eine Menge (Def. 98); vgl. auch Def. 34. 9 Der Fall des bei Zusammenfallen von Eigentum und beschränkt dinglichem Recht (sog. Konsolidation) bestehenbleibenden beschränkt dinglichen Rechts (§ 889 BGB) bedeutet — entgegen erstem Anschein — kein Zusammenfallen von Aktiv- und Passivlegitimation. Denn bei der Konsolidation wird die aus dem beschränkt dinglichem Recht — genauer : aus dem über das beschränkt dingliche Recht mittelbar aktiv zugeordneten dinglichen Anspruch (vgl. z.B. § 1147 BGB) — resultierende Passivlegitimation des Eigentümers ausgeschlossen, vgl. z.B. für die (Eigentümer-)Grundschuld§ 11971 BGB. 10 Vgl. dazu allgemein: [60] Kopp, § 63, Nr. 3.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
53
Dabei wird deren materiell-rechtliche zentrale Problemseite durch das Problem thematisiert, ob im Streitverhältnis zwischen den Organen derselben juristischen Person bzw. zwischen juristischer Person und ihrem Organ subjektiv-öffentliche Rechte bestehen bzw. überhaupt bestehen können 11 . Die sich hierauf beziehende Kontroverse resultiert daraus, daß, wenn überhaupt argumentativ verwertbare Regelungen existieren (z. B. Art. 931 Nr. 1 GG iVm §§ 63 ff. BVerfGG; § 35 I I WPflG, § 35 I I 3 AuslG), diese Regelungen reichlichen Argumentationsspielraum gewähren. Außerdem treten Interferenzen zur juristischen Organisationslehre auf (betr. Organ-Begriff). Aus analytischer Sicht kann diese materiell-rechtliche Kontroverse für das Öffentliche Recht auf sich beruhen. Denn auch falls man das Bestehen subjektivöffentlicher Rechte in In-Sich-Verhältnissen bejaht, so bedeutet dies einen 1-Personenfall nur auf der Grundlage des juristischen Personenbegriffs. Aus analytischer Sicht ist ein solcher Fall als 2-Personenfall zu werten. Denn für die Matrix-Analyse der Konkurrenzen und Kollisionen ist der Personbegriff im Sinne eines Zuordnungssubjektes für subjektiv-öffentliche Rechte zu definieren. Nach alledem verbleiben nur die Fälle mit einer Personenanzahl n — 2 und η = 3. Hinsichtlich der Personenrolle r, der anderen unabhängigen Variablen, sind gewisse Symbolisierungen zweckmäßig, um die möglichen konkreten Ausprägungen, die r annehmen kann, mit vertretbarem Aufwand zu erkennen. Grundrechte und grundrechtsähnliche Rechte (verfassungsrechtliche subjektivöffentliche Rechte) sind personell stets doppelt zugeordnet, nämlich aktiv der einen (ζ. B. Bürger) und passiv einer anderen Person (ζ. B. Staat). Da die Existenz zweier subjektiver Rechte situativ (vgl. oben 2.3.1.) der Analyse unterlegt wird, sind stets insgesamt vier Rollen zu vergeben, welche auf die vorhandenen Personen zu verteilen sind, und zwar: die Aktiv- und die Passivlegitimation bezüglich Recht 1 und die Aktiv- und die Passivlegitimation bezüglich Recht 2. Zur Symbolisierung dieser vier Rollen könnte man vier 1-stellige PrädikatKonstanten (sog. Prädikate) „AI l9 Âl 2, Plu Ph" sowie ein Repertoire von untereinander nicht identischen Personen-Konstanten „a, b, c" definieren 12 . ,„4/i(tf)" bedeutet dann: die Person a ist bzgl. des Rechtes 1 aktivlegitimiert. Zur Symbolisierung reicht jedoch aus, anstelle dieser vier Prädikate nur zwei 2-stellige Prädikate „Rχ" und „ Ä 2 " zu definieren, welche die beiden subjektiven Rechte symbolisieren. Dabei wird jedes Recht als 2-stellige Relation zwischen 2 Personen — modellhaft 13 — aufgefaßt. Die aktiv11 Vgl. zu dieser Problematik neuerdings: BVerwGE 45, 207 (Urteil v. 21. 6. 1974 — I V C 17/72); [54] Kisker, Jus 1975, S. 704-710 mwN. 12 Zum Prädikatbegriff vgl. [19] Carnap, Logik, S. 4 ff.; zum Begriff Personenvariable ( = Individuenvariable) vgl. [19] Carnap, Logik, S. 34, S. 45-46. 13 Dadurch soll ausgedrückt werden, daß die Deutung des subjektiven Rechts als 2-stellige Relation nicht das Phänomen „subjektives Recht" als solches erfassen will, sondern nur eine simplifizierende, einen hic et nunc relevanten Aspekt betonende,
54
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
legitimierte Person steht an 1., die passivlegitimierte Person an 2. Argumentstelle: „i?!(a, by\ Dies bedeutet dann: a steht gegen b das Recht 1 zu. Für dieses Modell des subjektiven Rechts wird die Bezeichnung Vektor-Modell bzw. Relationsmodell vorgeschlagen (Def. 98 a). Durch kombinatorisches Durchspielen 14 aller Möglichkeiten lassen sich modellhaft und übersichtlich alle möglichen Ausprägungen der Personenrolle r ermitteln und darstellen. Für η = 2 (2-Personenfall) ergeben sich folgende Konfigurationen : k 2,i:Ri(a 9 b); R2(a 9 b) k 2,2'.Ri (a 9 b); R2(b 9a) k 2,3'Ri(b 9 a); R2(a 9 b) k 2tA:Äi(M); Ri(b 9 a) Bei k„ ft n symbolisiert der 1. Index η die Personenanzahl η der 2. Index m die Ordnungszahl der Ausprägung von r. Es ergeben sich also 4 Unterfälle von k und damit auch 4 Ausprägungen von r 9 nämlich r l9..., r 4 . Hiervon sind k 2t ι und k 2A sowie k 2,2 und k 2ì jedoch isomorph (strukturgleich). Dies wird sofort deutlich, wenn man eine graphische Symbolisierung wählt, nämlich die zur Darstellung 2-stelliger Relationen gebräuchliche Pfeilgraphik 15 , und außerdem die juristische Äquivalenz (nicht: logische) von Rx und R2 und von a und b bedenkt.
3
Abb. 3. Konfigurationen des 2-Personenfalles
übrige Aspekte vernachlässigende — eben modellhafte — Deutung sein soll im Sinne eines sog. Struktur-Analogiemodells. Zum vieldeutigen und komplexen Modellbegriff vgl. [55] Klaus, Kybernetik, S. 411 ff. Unter 6.2.2. vor 6.2.2.1. wird der Modellbegriff genauer behandelt werden. 14 Wegen spezifischer Restriktionen der Komplexionsbildung handelt es sich weder um Kombinationen noch um Variationen oder Permutationen im Sinne der (mathematischen) Kombinatorik. 15 Vgl. [19] Carnap, Logik, S. 118; zur Deutungsmöglichkeit als mathematischer Graph vgl. die mathematische Graphentheorie, z.B. [125] Wagner, Graphentheorie, S. 9ff.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
55
k 2,3 und k 2,4 können als Ausprägungen von k vernachlässigt werden, da sie mit k 2t2 bzw. k 2ti strukturgleich sind. Gleiches gilt für die entsprechenden Ausprägungen r 3 und r 4 von r. Denn r interessiert hier nur wegen ihrer strukturvariierenden Eigenschaften. Für wird die Bezeichnung parallel gleichgerichtete Rechte (Def. 99), für k 2t2 parallel entgegengerichtete Rechte (Def. 100) vorgeschlagen. Nur diese beiden Fälle sind beim 2-Personenfall zu unterscheiden. Für η = 3 (3-Personenfall) ergeben sich folgende Konfigurationen : k 3A £3,2 k 3t3 k3 4 k 3[ 5 k 3i6 ^3,7
: R\(a 9 b); R2(b, c) ;R2(c,b) : ; R2(a, C) : . ; R2(c,a) ι^φ,α); R2(b 9c) : . ;R2(c,b) : ; R2(a, c) :
^3,8 : ; R2 (C, a) k 3t9 :Ri(a,c); R2(a 9b) usw. k 3>i3:Rl(c, a); R2(a,b) usw. k 3A1\Ri$,cy, R2(a, b) usw. Ä 3 i 2 i : Ä i ( c , fc);
usw. bis: ^3,24: fe);
R2(c,a)
Insgesamt ergeben sich also 24 Ä:-Unterfälle und damit 24 Ausprägungen von r, nämlich r u...,r 24.. Ähnlich wie im 2-Personenfall können hier bezüglich der Isomorphic (sog. Äquivalenzrelation 16 ) — statt 2 — nunmehr 3 Äquivalenzklassen über {& n , m } unterschieden werden. Für diese 3 Klassen können je k 3f 2 sowie k 3f 3 als repräsentativ gelten. Die übrigen Ausprägungen können vernachlässigt werden. Mittels der Pfeilsymbolik können die drei Grundkonfigurationen des 3-Personenfalls wie folgt in Abb. 4 dargestellt werden. Für k 3ti wird die Bezeichnung hintereinandergeschaltete bzw. in Serie geschaltete 17 Rechte (Def. 101), für k 3y 2 konvergierende Rechte (Def. 102) sowie für k 3i 3 divergierende Rechte (Def. 103) gewählt. Im Ergebnis sind im 3-Personenfall nur diese 3 Konfigurationen zu unterscheiden. Stellt man die gefundenen Resultate in einer Matrix zusammen, so ergibt sich Abb. 5. 16 Eine Äquivalenzrelation ist eine Relation, welche symmetrisch, transitiv und reflexiv ist. Die Reflexivitäts-Eigenschaft wird von den anderen beiden Eigenschaften impliziert. Zum Begriff vgl. [19] Carnap, Logik, S. 137ff. sowie S. 118ff.; [57] Klug, Logik, S. 80f. 17
Dieser Ausdruck ist der Elektrotechnik entlehnt.
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Abb. 4. Grundkonfigurationen des 3-Personenfalles
\
Γ
r
Γ
1
r
2
3
η k 2,1 ! R^a.bJj
n«2
R2(a,b)
R
k 2,2: R^a.bJi
R2(b.a)
R
1
R2
d l ·
k
3.r R1 ( a . b ) ι R 2 ( b , c )
1
R2
Η
k 3,2! R1 ( a . b ) ι R 2 ( c , b )
k 3,3: R 1 (a , b ) ι R 2 ( a , c )
a
n-3
C
—
M
R R2
Abb. 5.
B
c
R · 2
K
b
fc nm-Konfigürationsmatrix
c
b
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
57
4.1.3. Sekundäre (Schein-)Reduktion des Problemfeldes auf den 2-Personenfall
Die Problemsituation der Konkurrenz und Kollision setzt gemäß Prämisse 6 einen logisch iwS-sprachlichen Widerspruch zwischen den Rechtsfolgen der beiden Entscheidungsnormen voraus. Dies gilt auch für die in diesen Rechtsfolgen gewährten individuellen subjektiven Rechte. Denn die operationalen Rechtsfolgen von Entscheidungsnormen beruhen nicht nur auf einer Präzisierung und Vervollständigung der Normsatzrechtsfolgen, sondern auch auf deren Individualisierung im Rahmen des Verfahrens der Normkonkretisierung. Individualisierung eines Normsatzes bedeutet, daß der Normsatz beispielsweise auf individuelle Personen und individuelle Objekte (ζ. B. bei Art. 141 G G : individuelles subjektiv-privates Vermögensrecht; Art. 13 I G G : individuelle Wohnung) anwendungsbezogen wird. Genauer in der Terminologie der Normenlogik: Individualisierung bedeutet, daß sämtliche All-Operatoren (AllQuantifikatoren) des Normsatzes durch Anwendung der sog. Individualisierungsregel eliminiert werden 18 . Die Richtigkeit der These, daß sämtliche All-Operatoren mittels Individualisierung zu eliminieren sind, wird einsichtig dadurch, daß im Vorgang praktischer Rechtsanwendung nicht nur alle All-Operatoren mit IndividuenVariablen (Personen- und Objekt-Variable), sondern auch solche mit Handlungs-Variablen (z.B. schützt Art. 2 I GG, gedeutet als allgemeine Handlungsfreiheit, alle Verhaltensweisen) zu beseitigen sind. Die Beseitigung der letzteren Operatorenart geschieht im Verfahren der Normkonkretisierung dadurch, daß man die zu konkretisierenden Normsätze an individuellen Handlungsabschnitten des Rechtsfalls „festmacht". Dieser Erkenntnis trägt die Prämisse 3 der Problemsituation (oben 2.3.3.) Rechnung. Diese umfassende Individualisiertheit kennzeichnet nicht nur die Rechtsfolgen der Entscheidungsnormen, sondern auch die durch sie — qua Prämisse 1 —gewährten individuellen subjektiven Rechte. Demnach ist ein logisch-sprachlicher Widerspruch zwischen den Rechtsfolgen subjektive Rechte gewährender Entscheidungsnormen genau dann zu bejahen, wenn ein solcher zwischen den subjektiven Rechten gegeben ist. Zwischen subjektiven Rechten jedoch kann ein logisch-sprachlicher Widerspruch nur entstehen erstens: bei identischer Individualisierung aller sich jeweils entsprechenden Variablen (Konkurrenzfall) und zweitens : bei wechselseitig vertauschter Individualisierung der die aktiv- bzw. passivlegitimierte Person markierenden Personen-Variablen und identischer Individualisierung aller sonstigen sich jeweils entsprechenden Variablen (Kollisionsfall). Beide Individualisierungskonstellationen sind jedoch keine hinreichende, sondern sind — sogar erst nach Zusammenfassung zur 18 Zur Individualisierungsregel der Normenlogik vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S 220. Die Individualisierungsregel beruht auf den sog. Gesetzen der Spezialisierung der Prädikatenlogik (z.B. (x)(Fx)Fy) ; vgl. dazu: [19]" Carnap, Logik, S. 59, L 15-1.a(2). Zum Begriff des All-Operators vgl. [19] Carnap, Logik, S. 34ff.
58
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Alternative: „Entweder Konkurrenz- oder Kollisionsfall" — lediglich notwendige Widerspruchsvoraussetzung. Z u r Verdeutlichung: Werden — abgesehen lediglich v o m Sonderfall wechselseitig vertauschter Individualisierung i m Kollisionsfall — beispielsweise die All-Operatoren m i t den Variablen für die aktivlegitimierten Personen verschieden individualisiert (ζ. B. bei der Konfiguration k 3t2:Rι (a, b); R2(c, b) ist a für Rx u n d c für R2 aktivlegitimiert), so genügt dies, u m zwischen den (individuellen) Rechtsgewährungen Rx (,a, b) u n d R2 (c, b) logisch-sprachliche Widersprüche auszuschließen. Dieser Widerspruchsausschluß gilt bereits bei verschiedener Individualisierung auch nur einer der vorkommenden Variablen, abgesehen eben lediglich von der für den Kollisionsfall konstitutiven wechselseitig vertauschten Individualisierung der aktiv- bzw. passivlegitimierten Personen. Zwar können zwischen kraft verschiedener Individualisierung disjunkten subjektiven Rechten Widersprüche anderer Art, beispielsweise Wertungswidersprüche, bestehen. Das Gewähren eines subjektiven Rechts beinhaltet stets eine Wertaussage (Wertung), genauer: jeder Entscheidungsnormsatz mit subjektivem Recht in seiner Rechtsfolge impliziert einen Wertaussagesatz 19. Denn die Zuerkennung eines subjektiven Rechts (rechtlich geschütztes Interesse) drückt die Zuerkennung von Schutzwürdigkeit (Wertaussage, basiert auf nominaler oder ordinaler Schutzwürdigkeitsskala 20) mit aus. Bei mindestens partieller Gegenläufigkeit zweier solcher Wertaussagen entsteht ein Wertungswiderspruch zwischen den beiden verschieden individualisierten subjektiven Rechten 21 . Ein — hier allein interessierender — logisch-sprachlicher Widerspruch liegt darin jedoch nicht und läßt sich zwischen unterschiedlich individualisierten Rechten — mit Ausnahme eben lediglich des Kollisionsfalles — auch nicht aufzeigen. Bei Umsetzung dieser Erkenntnisse auf die Problemsituation v o n K o n kurrenz und K o l l i s i o n zeigt sich, daß für den 3-Personenfall (n = 3) die Prämisse 6 (oben 2.3.6.) nicht erfüllt werden kann. D a m i t scheiden alle Konfigurationen k 3i m i t 3 Personen aus. Das Problemfeld ist auf 2-Personenfälle zu reduzieren. Allerdings ist diese sekundäre Reduktion nicht konstitutiv wie die fünf primären Reduktionen unter 2.2. Vielmehr folgt aus Prämisse 6 zwingend, daß die Untersuchung auf den 2-Personenfall zu beschränken ist (deklaratorische Scheinreduktion). 19 Allgemein zum Verhältnis zwischen Norm- und Wertaussagesätzen vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 194, S. 201. 20 Diese Skalenbegriffe werden unter 6.3.2.1. ausführlich erörtert. 21 Verfassungsrechtliches Beispiel : es erscheint nicht a priori abwegig, Art. 91 GG ein umfassendes Recht der Vereinigung auf (vereinigungsmäßige) Betätigung zu entnehmen (kollektive allgemeine Handlungsfreiheit). Der Begrenzungsvorbehalt des Art. 2 I GG (individuelle allgemeine Handlungsfreiheit) ist jedoch weiter als der des Art. 9 I I GG: dadurch führt die extensive Interpretation des Art. 9 I GG im Ergebnis zu einem Wertungswiderspruch zwischen kollektiver und individueller Handlungsfreiheit (Kollektiv ist „schutzwürdiger", „bessergestellt" als das Individuum). Die Lösung dieses Wertungswiderspruchs ist problematisch. Die an sich denkbare Lösung zu Lasten der Vereinigung, wie sie die „Kernbereichstheorie" (BVerfGE 30, 241) postuliert, erscheint verfassungsrechtlich-normativ jedoch nicht aufweisbar.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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4.1.4. Korrektheit der konventionellen Klassifikation des Problemfeldes
Aus Matrix-Analyse (4.1.2) und sekundärer Reduktion (4.1.3.) wird ersichtlich, daß das reduzierte, aus 2-Personenfällen mit genau 2 subjektiven Rechten bestehende, gemeinsame Problemfeld M von Konkurrenz und Kollision durch die Konfigurationen k 1A (parallel gleichgerichtete Rechte) und k 2,2 (parallel entgegengerichtete Rechte) abgedeckt wird. Auch sind die Teilmengen M x der durch k 2, ι und M 2 der durch k 2,2 charakterisierten 2-Personenfalle mit 2 subjektiven Rechten disjunkt. Damit erfüllen k 2, ι und k 2,2 die Axiome des Klassifikationsbegriffs, insbesondere A 1 und A 3. Die dichotomisch-kontradiktorische Klassifizierung des gemeinsamen Problemfeldes erscheint als korrekt. Die Konfiguration k 2, ι der parallel gleichgerichteten Rechte kann unschwer mit dem konventionellen Konkurrenzbegriff und die Konfiguration k 2,2 der parallel entgegengerichteten Rechte mit dem konventionellen Kollisionsbegriff identifiziert werden 22 . Deshalb erscheint die konventionelle Zweiteilung des (reduzierten) Problemfeldes in Konkurrenzen einerseits und Kollisionen andererseits — gemessen an den Anforderungen des Klassifikationsbegriffs — als zutreffend.
4.2. Konventionelle Lösungsansätze 4.2.1. Die Konkurrenzsituation (2-Personenfall mit 2 parallel gleichgerichteten Rechten)
4.2.1.1. Globale Darstellung konventioneller verfassungsdogmatischer Lösungsansätze (Terminologie und Methode; Lösungen und Spielarten) ; rechtlich-dogmatische Kritik 4.2.1.1.1. Darstellung Eine allgemein oder auch nur überwiegend konsentierte Theorie der Konkurrenzen im Verfassungsrecht konnte bislang nicht aufgestellt werden. Eine Ursache hierfür dürfte im nahezu vollständigen Fehlen konkurrenzregelnder Normsätze im Grundrechtsbereich — von den problematischen und wenig ergiebigen Art. 19 IV 3, 142 GG abgesehen — zu sehen sein 23 . Denn jede dogmatische Theorie benötigt positiv-rechtliche Vorschriften, auf denen einige ihrer Theoreme aufruhen. Erst diese positiv-rechtlichen Abstützungspunkte befähigen die Theorie, mit gewisser argumentativer Überzeugungskraft als Instrument zur Strukturierung (Systematisierung und Kon22
Vgl. die Definitionen bei [11] Berg, Konkurrenzen, S. 6 Anm. 19. [27] Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 22 nennt als eine Ursache für das Fehlen einer verfassungsdogmatischen Konkurrenztheorie ein generelles Defizit an verfassungsrechtlicher Dogmatik, welches u. a. in der Grundrechtsdogmatik besonders ausgeprägt sei. Das Defizit der Grundrechtsdogmatik beruhe u.a. auf der Ideologieanfälligkeit, Regelungsinkonsistenz und Normierungsoffenheit der Grundrechte. 23
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
struktion), Lückendiagnose und -füllung, Harmonisierung sowie Prognostizierung zu fungieren 24 . Die Lage bei naturwissenschaftlich-empirischen Theorien ist insofern ganz analog, als hier das durch den sog. Korrespondenzteil (formuliert in Lc) vermittelte Aufruhen des rein theoretischen Theorieteiles (formuliert in Lt) auf dem Basisteil (formuliert in L0 bzw. L' 0) gefordert wird 2 5 . Ein weiterer Grund für das Fehlen einer allgemein akzeptierten Konkurrenztheorie im Verfassungsrecht liegt wohl darin, daß sich als Reaktion auf die unkritische Rezeption zivilistischer Theorien und Methoden, insbesondere der „klassischen" Auslegungscanones, durch den verfassungsrechtlichen Rechtspositivismus seit v. Gerber und Laband 2 6 wie durch die Wertsystem-Jurisprudenz des BVerfG immer mehr die zutreffende Erkenntnis durchsetzt, daß wegen der rechtlichen Eigenständigkeit und Sachhaltigkeit des Verfassungsrechtes auch verfassungsrechtliche Methodik und Dogmatik eigenständig begründet werden müssen 27 . Daraus resultiert in diesen Bereichen ein Gegen- und Miteinander rezipierter wie eigenständig-innovativer Ansätze 28 , welche nicht zu allgemeinem Konsens getrieben werden konnten. Immerhin existiert ein verfassungsdogmatischer Minimalkonsens, der zum einen den Begriffsapparat umfaßt, der in Zivil- und Strafrecht zur Klassifikation des Konkurrenzfeldes entwickelt und vom Verfassungsrecht rezipiert wurde. Der Konsens beschränkt sich allerdings auf die Verwendung der termini dieses Apparates, d. h. auf die rein terminologische Seite. Zum anderen umfaßt der Minimalkonsens die Makro-Logik 29 der auf diesem Apparat basierten Lösungsmethode. Die einzelnen „konventionellen" Lösungsansätze und deren Spielarten können als Kontroversen um Inhalt, Umfang und Rechtsfolgen dieser termini sowie um die Mikro-Logik der Lösungsmethode gedeutet werden. Ihre Kennzeichnung als „konventionell" soll lediglich ausdrücken, 24 Zu diesen Funktionen vgl. [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 492-494; etwas weitergehende Definition der Aufgaben dogmatischer Theorien bei [27] Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 20 Anm 31. Vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 103 ff. 26 Vgl. hierzu [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 48ff.; [27] Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 18 - 20. 27 So : [11] Berg, Konkurrenzen, S. 167; [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 14; die Gründe, die Berg auf S. 1 f. für das Fehlen einer Konkurrenz-Theorie angibt, erscheinen verfehlt: zum einen sind Grundrechttatbestände bei Berücksichtigung ihrer Sachhaltigkeit (reale Grundstruktur des Normbereichs) nicht unschärfer als andere Vorschriften; zum anderen bleibt manche Spielart verfassungsrechtlicher Konkurrenzlösung in ihrer „Spitzfindigkeit" hinter strafrechtlichen Lösungen kaum zurück. 28 Zum Nebeneinander dieser Ansätze in der Rspr. des BVerfG vgl.; [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 18 ff. 29 Eine Methode stellt eine endliche, durch die (einfache) Vorgänger-NachfolgerRelation und die (qualifizierte) Vorgänger-W/F-Nachfolger-Relation geordnete Menge von Befehlen — hauptsächlich Operationsbefehlen — dar, die einen Input/OutputTransformationsprozeß beschreiben (Def. 104). Die Struktur der Befehlsordnung im einzelnen heißt die Mikro-Logik (Def. 105), die Struktur der Ordnung größerer — strukturell zusammengehörender — Einheiten von Einzelbefehlen (sog. Unterprogramm, oder auch sog. Programm-Block) heißt die Makro-Logik der Methode (Def. 106).
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
61
daß sie keine Operationalisierung der verwandten Methoden bezwecken. Die Ansätze lassen sich um die einzelnen termini gruppieren und dadurch einfach systematisieren. Hinsichtlich des terminologischen Systems und der diesbezüglichen kontroversen Lösungsansätze ergibt sich summarisch 30 folgendes Bild (vgl. Abb. 6) : Von den Konkurrenzen (2) werden die Schein-Konkurrenzen (1) unterschieden. Innerhalb der Konkurrenzen (2) wird zwischen echten Konkurrenzen (Einzel-Anwendbarkeit beider Normen) (2.2) und unechten Konkurrenzen (Allein-Anwendbarkeit nur einer Norm) (2.1) — sog. Gesetzeskonkurrenzen — differenziert. Innerhalb der unechten Konkurrenzen wird eine weitere Unterteilung nach Spezialität (2.1.1) und Subsidiarität (2.1.2) durchgeführt. Um den terminus Schein-Konkurrenz lassen sich drei Lösungsansätze gruppieren. Der erste Ansatz 31 (1.1) besteht darin, für Grundrechte nicht aus dem Grundrechtstext begründbare Begrenzungsvorbehalte 32 zu postulieren. In der engeren Spielart wird dieses Vorbehaltspostulat umfangsmäßig auf Grundrechte ohne Begrenzungs- und Regelungsvorbehalte, insbesondere auf sog. vorbehaltslose Grundrechte, beschränkt. Dagegen erstreckt die weitere Spielart den Umfang dieses Postulates auf sämtliche Grundrechte, auch auf die bereits aufgrund ihres Normtextes unter einfachem Gesetzes(begrenzungs)vorbehalt stehenden Grundrechte. Dadurch werden die Grundrechtsgrenzen partiell oder total nivelliert und wird eine Begrenzungsdeckung (Umfangsdeckung) erzeugt. Die Möglichkeit einer Divergenz der quantitativen Rechtsfolgenkomponenten (Umfangsdivergenz) wird drastisch reduziert bzw. total negiert. In der Sache bedeutet dies eine weitgehende Reduzierung bis totale Negierung der Erfüllbarkeit der Prämisse 6 (oben 2.3.6.). Nach dem Inhalt des postulierten Begrenzungsvorbehaltes lassen sich zahlreiche weitere Spielarten unterscheiden. So wird in Form von Rechtsgutsvorbehalten (zugunsten aller „gleich- und höherwertigen" oder auch nur der „höherwertigen" Rechtsgüter), Gemeinschafts-, Gemeinwohl- und Sozialstaatsvorbehalten (einfacher, mittlerer und strenger Spielart) bis hinunter zum generellen einfachen Gesetzes(begrenzungs) vor behalt nahezu das gesamte denkbare Vorbehaltsspektrum vertreten. Auch die angebotenen Begründungen reichen von der ideologischen Fiktion der Identität von Individual- und Gemeinschaftsinteressen (Häberle) über 30 Die etwas summarisch-globale Referierung dogmatischer Positionen sei hier wegen der andersartigen Zielrichtungen (vgl. oben 1.2.) der vorliegenden Arbeit erlaubt; die einzelnen dogmatischen Positionen werden nur insoweit dargestellt, wie ihre Darstellung zum Verständnis der Arbeit zweckmäßig erscheint, d. h. soweit, daß z. B. die Übernahme gewisser dogmatischer Thesen in die Basis des Operationalisierungskorizeptes offengelegt wird. Die Darstellung stützt sich vornehmlich auf die Spezialuntersuchung von [11] Berg, Konkurrenzen, S. 1-95, S. 134-167, auf welche wegen der Einzelheiten verwiesen wird. 31 Vgl hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 9-20 mwN. 32 Zum Begriff Begrenzungsvorbehalt vgl. [45] Hesse, VerfassungsR, S. 128.
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
62
Immanenz-Lehren (BverwG) 33 bis zur „direkten" oder nur „indirekt-interpretativen" Übertragung der Schrankentrias des Art. 2 I (2) G G 3 4 . Der zweite Ansatz (1.2) zur Frage der Schein-Konkurrenz 35 besteht darin, die Möglichkeit gleichzeitiger Aktualisierung zweier Normsätze durch denselben Rechtsfallausschnitt grundsätzlich oder sogar ausnahmslos abzulehnen. In der Sache bedeutet dies eine erhebliche Reduzierung bzw. Negierung der Erfüllbarkeit der Prämissen 2 und 3. Zur Begründung wird auf eine interpretative Abgrenzung der Anwendungsfelder der Grundrechtssätze im Sinne einer gegenseitigen ^w^grenzung verwiesen. In Mengenterminologie: es wird angeführt, daß die Anwendungsfelder disjunkt seien, d.h. daß das Überschneidungsfeld leer sei. Der dritte Ansatz 36 (1.3) erarbeitet die Bedeutung der Tatbestandsabgrenzung, die ihr für eine präzise Diagnose der Konkurrenzsituation zukommt. Die Bedeutung einer genauen Tatbestandsabgrenzung liegt darin, daß einerseits gewisse Schein-Konkurrenzen nicht vorschnell den spezifisch nur für die „Therapie" von Konkurrenzen geeigneten Methoden zugeführt werden, andererseits aber sichergestellt wird, daß diese Methoden alle therapiebedürftigen Konkurrenzen erreichen. Dieser Ansatz weist dem terminus Schein-Konkurrenz einen erheblich engeren Anwendungsbereich (Extension) zu als die Ansätze (1.1) und (1.2). Den Schein-Konkurrenzen werden nur solche Rechtsfälle zugerechnet, in denen zwar prima facie eine Konkurrenzsituation möglich erscheint, sich jedoch bei näherer Analyse herausstellt, daß eines der für die Konkurrenzsituation konstitutiven Merkmale fehlt. Dieser Ansatz deckt sich in etwa mit der durch die Prämissen 1 - 6 bewirkten Abgrenzung zwischen Konkurrenzen und Schein-Konkurrenzen. Die um die Deutung des terminus unechte Konkurrenz (2.1) und seiner beiden Sub-termini Spezialität und Subsidiarität bestehenden Kontroversen können hier vernachlässigt werden. Denn sie betreifen vorwiegend die Umsetzung in die praktische Fallösung, während in abstrakt-dogmatischer Hinsicht weitgehende Übereinstimmung herrscht. Unechte Konkurrenz bedeute, daß von zwei Rechtsnormen 37 nur die eine anwendbar sei, die andere aber zurücktrete 38 . Abgesehen von dieser lediglich die Rechtsfolgen der unechten Konkurrenz beschreibenden Definition gibt es keine Definition, welche unmittelbar ihre Anwendungsvoraussetzungen umschreibt. Diese werden nur mittelbar definiert, und zwar derart, daß unechte Konkurrenz 33
BVerfGE 1, 48, 52 („Schankerlaubnis"), bis BVerfGE 5, 153 ff. st. Rspr. Zum sog. Schrankenschluß vgl. kritisch: [83] F. Müller, Positivität, S. 11-13. Vgl. hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 49-54 mwN. 36 Vgl. hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 73ff.; [83] F. Müller, Positivität, S. 51; [1001 Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 474-476. 3 Unter 4. wird die konventionelle Terminologie verwandt; so darf „Rechtsnorm" nicht mit dem definierten Ausdruck „Norm" (iSv „Entscheidungsnormmenge", vgl. Def. 64) verwechselt werden. 38 Vgl. z. B. [11] Berg, Konkurrenzen, S. 161. 34
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Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
63
vorliegt, wenn die Anwendungsvoraussetzungen von Spezialität oder Subsidiarität 39 vorliegen. Während die Funktion 4 0 der unechten Konkurrenz auf der Rechtsfolgenseite mit „Oberbegriff 441 bezeichnet werden könnte, dient dieser terminus auf der Voraussetzungsseite lediglich als Sammelbegriff für Spezialität und Subsidiarität. Spezialität und Subsidiarität werden lediglich als Relationen zwischen den (abstrakten) Normsätzen gedeutet. Eine eventuelle Abhängigkeit dieser Relationen vom Konkretisierungszustand der Normsätze, d.h. der Aspekt, daß Relationsgegenstand nicht (abstrakte) Normsätze, sondern (konkretisierte) Entscheidungsnormen sind, kommt nicht in den Blick. Spezialität wird vielmehr wie folgt definiert: die lex specialis enthalte dieselben Tatbestandsmerkmale wie die lex generalis und noch mindestens ein zusätzliches (ie. spezialisierendes) Tatbestandsmerkmal (2.1.1.1) 42 . In Mengenterminologie: Spezialität bedeute die Relation „echte Teilklasse" zwischen den Anwendungsfeldern zweier (abstrakter) Normsätze (Def. 109). Subsidiarität wird wie folgt definiert: die subsidiäre Rechtsnorm sei nur dann anwendbar, wenn die vorgehende Rechtsnorm unanwendbar ist (2.1.2.1). Subsidiarität wird also als HilfsweiseAnwendbarkeit konzipiert (Def. 110) 43 . Die Spezialität wird weitaus überwiegend als formal-logisches Verhältnis gekennzeichnet44, während ihre inhaltlich-sachliche Problemseite nur ausnahmsweise erkannt wird 4 5 . Demgegenüber wird die Subsidiarität als wertendes, d.h. auf Wertungen beruhendes Verhältnis apostrophiert 46 . Durch die Anerkennung der Subsidiarität als selbständigem Verdrängungsmechanismus neben der Spezialität hat auch die Verfassungsdogmatik das Triumvirat der klassischen Derogationsformeln („lex posterior...", „lex superior...", „lex specialis...") durchbrochen 47 . 39 Die im Strafrecht gebräuchliche dritte Figur „Konsumtion" (vgl. hierzu: [26] Dreher, vor § 52, 2) A c)) liegt vor, wenn der Unrechtsgehalt von Strafnorm χ von dem von y deshalb mit umfaßt (konsumiert) wird, weil der Tatbestand von Strafnorm χ empirisch-regelmäßig bei der Verwirklichung des Tatbestandes von Strafnorm y mitverwirklicht wird und dies bei der Gestaltung des Strafrahmens von Strafnorm y berücksichtigt wurde. Mit Recht wird eine Rezeption dieser Figur weder im Zivil- noch im Verfassungsrecht erörtert; eine „Konsumtion" eines grundrechtlichen Schutzgehaltes durch einen anderen würde nur die Liste grundrechtsverkürzender dogmatischer Konstruktionen verlängern. 40 Der Funktionsbegriff ist vieldeutig; er wird hier weder im mathematischen noch im kybernetischen Sinne gebraucht, sondern im umgangssprachlichen Sinne von „Aufgabe" (Def. 107). 41 Eine präzise Definition des Begriffs „Oberbegriff 4 (Inklusionsrelation zwischen Klassen) (Def. 108) findet sich bei [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 158. 42 [11] Berg, Konkurrenzen, S. 127, S. 146; vgl. auch: [26] Dreher, vor § 52, 2) A a). 43 Z.B. [11] Berg, Konkurrenzen, S. 162; vgl. auch: [26] Dreher, vor § 52, 2) A b). Die gleiche Relation besteht im Prozeß zwischen Hauptantrag und Hilfsantrag, Hauptverteidigungsmittel und Hilfsverteidigungsmittel (ζ. B. Eventual-Aufrechnung). 44 Z.B. [11] Berg, Konkurrenzen, S. 162 („logische Exklusion"); [65] Larenz, Methodenlehre, S. 251. 45 [80] F. Müller, Jur. Meth. II, S. 46. 46 Ζ. B. [11] Berg, Konkurrenzen, S. 162; [65] Larenz, Methodenlehre, S. 252. 47 Zu diesen Formeln vgl. [31] Engisch, Einführung, S. 159.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Die rein logische Konzipierung des Spezialitätsbegriffs scheint noch dem Subsumtionsdogma des Rechtspositivismus verhaftet. Danach stellt jede Rechtsanwendung einen rein logisch-kognitiven Erkenntnisakt mittels rein kognitiv-erkennender Interpretation und rein logischer Subsumtion dar; außerdem kommt „äußer-juristischen" Faktoren (reale Grundstrukturen der Normbereiche, Rechtspolitik, Vorverständnis bzw. Attitüde des Rechtsanwenders usw.) im zweiphasigen Rechtsanwendungsprozeß keinerlei Relevanz zu. Berücksichtigt man, daß „logisch-kognitive Erkenntnis" und „Wertung" meist als kontradiktorische Begriffe einander gegenübergestellt werden 48 , so erscheint demgegenüber die Konzipierung der Subsidiarität als Wertungsbegriff als eine Konzeption, die über die positivistische Verengung hinausweist. Eine nähere Begründung hierfür wird aber nicht gegeben. Immerhin drängen sich Assoziationen zu verschiedenen verfassungstheoretischen und methodologischen Positionen auf, wie der Theorie vom GG, insbesondere des Grundrechtsteils, als „Wertsystem" 49 oder zur zivilistischen „Wertungsjurisprudenz" (Westermann, Larenz) 50 . Es verbleibt die Aufgabe, die u m den terminus echte Konkurrenz (2.2) gruppierten Lösungsansätze darzustellen. Summarisch lassen sich sechs verschiedene Deutungsansätze unterscheiden. Dabei geht eine Untergruppe dieser Ansätze (Ansätze 2.2.1-2.2.5) davon aus, daß bei der echten Konkurrenz i m Gegensatz zur unechten — beide Rechtsnormen anwendbar sind ( K o m binationsprinzip). Soweit es zur Eliminierung des Rechtsfolgenwiderspruchs erforderlich ist, w i r d einer der Rechtsnormen aber eine Präferenz zuerkannt. D e n n eine unbeschränkte beiderseitige Anwendbarkeit würde den aufzulösenden Rechtsfolgenwiderspruch bestehen lassen. Soweit eine Beschränkung der Anwendbarkeit der nicht-präferierten Rechtsnormen jedoch nicht zur Widerspruchseliminierung erforderlich ist, verbleibt es bei der beiderseitigen Anwendbarkeit, was zu einer erheblichen Rest-Anwendbarkeit der nichtpräferierten Rechtsnormen f ü h r t 5 1 . D i e f ü n f verschiedenen Ansätze innerhalb der ersten Untergruppe (2.2.1-2.2.5) unterscheiden sich durch die A r t der Setzung der Präferenz u n d deren Begründung. D i e Entstehung einer Mehrzahl v o n Ansätzen hängt w o h l auch damit zusammen, daß i m Verfassungsrecht eine explizite Regelung fehlt, wie sie § 52 I I 1 StGB — Präferenz des Strafgesetzes m i t der (konkret) schwersten Strafandrohung — für das Strafrecht darstellt. 48 Vgl. [65] Larenz, Methodenlehre, Vorwort zur 3. Auflage und S. 7; eine die Kontradiktion überwindende Konzeption findet sich bei [94] Podlech, AöR, S. 185 ff. 49 BVerfG jedenfalls seit BVerfGE 7, 198 ff. („Lüth"); [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Dürig), Art. 1 Rdnr. 1-16, Art. 2Rdnr. 1-4. 50 Vgl. z.B. [65] Larenz, Methodenlehre, S. 128ff., S. 154ff. Interessant wäre eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, zum einen, ob und inwieweit Querverbindungen zwischen zivilrechtlicher Wertungsjurisprudenz und verfassungsrechtlicher Wertsystemtheorie bestehen, zum anderen, ob und inwieweit historische Rückverbindungen beider zur (materialen) deutschen Wertphilosophie (Max Scheler, Nikolai Hartmann) oder zur (eher formalen) Werttheorie des (südwestdeutschen) Neukantianismus (Heinrich Rickert, Emil Lask, Gustav Radbruch) gegeben sind. Rechtshistorisch bemerkenswert erscheint auch, daß sich die nicht-positivistische Wertungsjurisprudenz (ganz deutlich : [65] Larenz, Methodenlehre, S. 154) über die ältere lnteressenjurisprudenz (Heck, Stoll) aus der positivistisch-soziologischen Rechtsschule Jherings entwickelt hat; vgl. zu letzterem: [65] Larenz, Methodenlehre, S. 47ff., S. 53 ff. 51 Interessant ist ein Blick auf § 52 I I 2, IV StGB, welcher die Rest-Anwendbarkeit bei Idealkonkurrenz regelt.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
65
Im Gegensatz zur ersten Untergruppe stellt der die zweite Untergruppe bildende einzige Ansatz (2.2.6) die These auf, daß bei unauflösbarem Rechtsfolgenwiderspruch beide Rechtsnormen „sich gegenseitig aufheben", d. h. wohl unwirksam werden, und eine „Kollisionslücke" entstehe, welche nach den allgemeinen Grundsätzen der Lückenausfüllung zu schließen sei 52 . Demgegenüber stellt der erste Ansatz der ersten Untergruppe (2.2.1) 53 die These auf, daß die Präferenz auf das Grundrecht mit dem geringeren (Schutz-)Umfang zu legen sei (Präferenz des Umfangminimums), d.h. daß das stärker eingeschränkte Grundrecht vorgeht. Begründet wird dieser Ansatz hauptsächlich mit dem Gebot einheitlicher Interpretation der Verfassung (F. Klein). Der zweite Ansatz (2.2.2) 54 legt umgekehrt die Präferenz auf das Grundrecht mit dem weitergehenden Schutzumfang (Präferenz des Umfangsmaximums). Begründet wird dies teils ebenfalls mit der Einheit der Verfassung (Peters), teils mit der Rigidität des Grundgesetzes, bezogen auf das subtil-differenzierende System grundrechtlicher Begrenzungen („beredtes Schweigen") (F. Müller) 55. Der dritte Ansatz (2.2.3) 56 vertritt eine gegenseitige Verstärkung (Kumulation) der Rechtsfolgen. Wie diese These verstanden werden soll, ist unklar. Keine der prima facie möglichen Deutungen (Rechtsfolgen-Mittelung bzw. -Kompromiß, Wahrung des „status-quo", Erweiterung der weitergehenden Rechtsfolge) läuft auf eine gegenseitige Verstärkung hinaus. Mangels sinnvoller Deutbarkeit erscheint Ansatz 2.2.3 bereits im gedanklichen Ansatz verfehlt. Der vierte Ansatz (2.2.4) 57 legt die Präferenz auf dasjenige Grundrecht, welches aufgrund einer konkreten Güterabwägung höherrangig ist. Der fünfte Ansatz (2.2.5) 58 schließlich statuiert die Präferenz auf dasjenige Grundrecht, welchem nach dem Motiv des eingreifenden Hoheitsaktes der Eingriff gelten soll. Zur Begründung wird auf die „Intentionen des G G " verwiesen (Herzog). Die Beziehungen zwischen terminologischem System und diesbezüglichen Lösungsansätzen lassen sich übersichtlich-anschaulich mit Hilfe des folgenden Baum-Graphen respräsentieren. 52 So : [37] Großkreutz, Normwidersprüche, S. 44-46 ; auch : [31] Engisch, Einführung, S. 159. Die systematische Einordnung dieses Ansatzes verbleibt letztlich zweifelhaft, da nicht zwischen Konkurrenz und Kollision differenziert und nicht erläutert wird, wann ein Rechtsfolgenwiderspruch unauflösbar sein soll, insbesondere ob unauflösbare Widersprüche überhaupt anzuerkennen sind. 53 Vgl. hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 54-59 mwN; [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 182; [84] v. Münch, Art. 9 Rdnr. 33. 54 Vgl. hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 59-63 mwN; [83] F. Müller, Positivität, S. 51-53; [100] Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 476-477. 55 [83] F. Müller, Positivität, S. 16, S. 18, S. 51-54. 56 Vgl. hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 63-64 mwN. 57 Vgl. hierzu: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 67-69 mwN. 58 [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Herzog), Art. 4 Rdnr. 96-97, Art. 5 Rdnr. 37. Dieser Ansatz wird von [11] Berg, Konkurrenzen nicht behandelt.
5 Fohmann
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Abb. 6. Konventionelle Konkurrenzdogmatik
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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Hinsichtlich der „Logik" der Lösungsmethode59 liegen die Verhältnisse einfacher. Die allgemein konsentierte „Makro-Logik" 6 0 betrifft zwar lediglich das „handling" der termini aus Abb. 6. Denn die meisten Lösungsansätze beschränken sich darauf, die termini kontrovers zu interpretieren. Das für diese Ansätze erforderliche methodische Rüstzeug aber wird bereits durch die Makro-Logik ausreichend bereitgestellt. Deshalb ist es grundsätzlich nicht erforderlich, die Makro-Logik durch eine Mikro-Logik zu verfeinern. Aus-
Abb. 7. Makro-Logik der konventionellen Konkurrenzdogmatik 59 Die Logik einer Methode bedeutet die Struktur der Methode (Def. 111). Dieser Sprachgebrauch kommt aus der Computerwissenschaft („Programmlogik"). Er hat mit dem Begriff „Logik" im Sinne einer logischen Sprachsyntax bzw. Sprachsemantik nichts zu tun. 60 Makro-Logik einer Methode bedeutet die Grob-Struktur, Mikro-Logik die Feinstruktur der Methode; beides zusammen ergibt die Logik der Methode (vgl. Def. 105 und 106).
*
68
2. Teil·: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
nahmsweise beim Ansatz 2.2.4 (Güterabwägung) ist eine Mikro-Logik unumgänglich. Denn eine Güterabwägung erfordert die Abarbeitung eines komplexen Verfahrens 61 (z.B. Informationsgewinnung: Ermittlung der Rechtsgüter, Ermittlung der wertbildenden Faktoren, Ermittlung der Rechtsgutswerte; Informationsverarbeitung: Abwägung; Informationsauswertung: Umsetzung in den praktischen Fall). Eine Mikro-Logik der Güterabwägung ist nicht einmal ansatzweise in Sicht 62 . Es erscheint euphemistisch, die Güterabwägung als „Verfahren" zu prädikatisieren. Der Graph Abb. 7 mag deshalb auf die Makro-Logik der Lösungsmethode beschränkt bleiben. Zur Symbolisierung werden die Symbole für Programmablaufpläne nach D I N 66 001 verwendet 63 . Wegen mangelnder Komplexität soll auf eine textliche Erläuterung verzichtet werden. 4.2.1.1.2. Rechtlich-dogmatische Kritik Terminologisches System und Makro-Logik sind mit dem hier intendierten methodenoperationalisierenden Neuansatz nicht a priori unvereinbar. Denn beide bilden nur ein formales Gerüst, in welches der Neuansatz durch inhaltliche Neu- bzw. Umdefinition der termini und Fein- bzw. Umstrukturierung der Methoden-Logik eingearbeitet werden kann. Als Basis des Neuansatzes aber a priori unbrauchbar sind dagegen zahlreiche konventionelle Lösungsansätze. Diese Unbrauchbarkeit ergibt sich überwiegend jedoch nicht — wie man zunächst annehmen könnte — aus der spezifisch methodologischrationalen Intention des Neuansatzes, sondern schon aus vorgeschalteten verfassungsrechtlich-dogmatischen Gründen. Jede rechtlich-dogmatische Kritik sieht sich — will sie über rhetorisches Räsonieren hinausgelangen — der grundsätzlichen Schwierigkeit gegenüber, daß eine zur Rechtstheorie zu rechnende Meta-Theorie dogmatischer Theorien, d. h. eine Theorie, welche insbesondere die an dogmatische Theorien zu stellenden Anerkennungsanforderungen spezifiziert, fehlt. Eine solche ist lediglich ansatzweise entwickelt 64 . Etwas modifiziert wird der Katalog der Anerkennungsvoraussetzungen für dogmatische Theorien in Abb. 8 dargestellt. Der Voraussetzungskatalog der Abb. 8 muß für die hier zu leistende dogmatische Kritik der konventionellen Lösungsansätze nicht insgesamt aktiviert werden und kann insoweit undiskutiert bleiben. 61 „Verfahren" und „Methode" sind Synonyma. Eine „Methode" ist eine endliche, geordnete Menge von Befehlen, hauptsächlich Operationsbefehlen, welche eine Input/ Output-Transformation zum Gegenstand haben (vgl. Def. 104). Bei sog. exakten Methoden sind sowohl Befehlsinhalt als auch Befehlsmenge und deren Ordnung präzise und vollständig definiert (Def. 112); ähnlich: [53] Kirsch, BWL, S. 195-199. 62 Vgl. [83] F. Müller, Positivität, S. 48 („kein differenzierter Lösungsweg"). 63 Vgl. zur Symbolisierung von Datenflußplänen und Programmablaufplänen: [351 Germain, Programmierhandbuch, S. 234-238. u Von [93] Podlech, Jb. für Rechtssoz. und Rechtsth., Bd. 2 (1972), S. 491-502.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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ANERKENNUNGSVORAUSSETZUNGEN FÜR DOGMATISCHE THEORIEN
a l l g e m e i n e Anerkennungsvoraussetzungen (allg. gültig für a l l e nicht-log./math.
1.1
Konsistenz (Widerspruchsfreiheit), mind. N i c h t - I n k o n s i s t e n z
1.2
F e h l e n von
1.3
sachliche
1 .4
Ausdruckskonstantheit
Theorien)
Tautologien
Abgeschlossenheit
S p e z i f i s c h - j u r i s t i s c h e Anerkennungsvoraussetzunge η (nur g ü l t i g f ü r rechtsdogmatische Theorien)
2.1
inhaltliche
Fruchtbarkeit
(Ergiebigkeit)
2.1.1
abstrakte Fruchtbarkeit ( g e h a l t s r e i c h e r a l s das p o s i t i v e
2.1.2
konkrete Fruchtbarkeit ( r e l e v a n t f ü r d i e E n t s c h e i d u n g von
Recht)
2.2
a r g u m e n t a t i v e B e g r ü n d e t h e i t iwS, mind, p o s i t i v - r e c h t l i c h e V e r t r e t b a r k e i t
2.3
"Gerechtigkeit"
Rechtsfällen)
Abb. 8. Anerkennungsvoraussetzungen für dogmatische Theorien
Angemerkt werden soll lediglich, daß von sämtlichen Anerkennungsvoraussetzungen nur die Voraussetzung 2.3 aus Abb. 8 (Gerechtigkeit) eines allgemeinen inhaltlichen Konsenses kaum fähig erscheint. Denn der Gerechtigkeitsbegriff wurde durch die bis Aristoteles („ausgleichende" und „austeilende" Gerechtigkeit) zurückreichenden Kontroversen der Rechtsphilosophie über Gebühr verschlissen. Vergangene wie moderne normative Gesellschaftstheorien versteckten hinter ihm massive Ideologie. Wegen seiner Inhaltsleere (Vagheit bzw. Mehrdeutigkeit) bietet er sich einer vollkommenen Instrumentalisierung geradezu an, sei es als Kampfbegriff, sei es als dilatorischer Formelkompromiß. Eine konsensfähige materiale Deutung der Gerechtigkeit konnte deshalb bislang nicht gefunden werden. Da hilft auch der subjektivistisch-individuali-
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
sierende Rückzug auf das „persönliche Rechtsgewissen"65 nicht weiter. Hier wird nur eine Leerformel durch eine in ihrer Ausfüllung sozialisationsabhängige andere Leerformel ersetzt. Es erscheint deshalb sinnvoller, anstelle des unbrauchbaren Gerechtigkeitsbegriffs eine quantifizierte Größe zu definieren, welche das Maß argumentativer Begründetheit (Gesamtbegründetheitswert) einer Theorie ausdrückt (vgl. unten 7.2 und vor allem 8.1.2.1.3.). Auf diesem Umweg über den argumentativen Gesamtbegründetheitswert von Theorien, Entscheidungsalternativen usw. läßt sich möglicherweise sogar der Gerechtigkeitsbegriff explizieren (vgl. unten Exkurs zu 7.).
Für die hier zu leistende rechtlich-dogmatische Kritik der konventionellen Lösungsansätze reicht es aus, die Anforderung 2.2 aus Abb. 8 (argumentative Begründetheit iwS) heranzuziehen und sie lediglich im Sinne einer Vereinbarkeit (iSv Quasi-W-Konsistenz) der dogmatischen Theorie mit der positiven Rechtsordnung zu deuten (positiv-rechtliche Vertretbarkeit). Auch bei einer solchen „minimalen" Deutung von 2.2 darf eine dogmatische Theorie jedenfalls nicht rechtswidrig, insbesondere nicht verfassungswidrig sein. Diese Anforderung gehört zum Mindest-Standard der Anerkennung einer dogmatischen Theorie. Sie kann wegen der Normativität der positiven Rechtsordnung nicht ernsthaft bezweifelt werden. Die implizierte Ablehnung des positivistischen Dogmas der „Einzigkeit der vertretbaren Entscheidung" scheint neuerdings häufiger anerkannt zu werden 66 . Untersucht man, ob die konventionellen Lösungsansätze den verfassungsdogmatischen Mindest-Standard der Verfassungsvereinbarkeit erreichen, ergibt sich Folgendes (Zur Kennzeichnung der einzelnen Ansätze wird die Numerierung aus Abb. 6 verwandt). Der Ansatz 1.1 (Schrankennivellierung) zur Deutung des terminus ScheinKonkurrenz ist in seinen sämtlichen Spielarten mit dem GG nicht vereinbar. Dieser Ansatz verletzt die Rigidität des G G 6 7 als normativ-positivem Verfassungstext. Denn 1.1 ebnet das subtile, hochdifferenzierte Textsystem der Grundrechtsbegrenzungen — von vorbehaltslos begrenzten Grundrechten (z.B. Art. 4 I, 17 GG) reichend bis zu Grundrechten mit einfachen Gesetzes(begrenzungs)vorbehalten (z.B. Art. 2 I I 1, 2 GG) — ein, indem er eine (partielle oder totale) Deckung der Rechtsfolgenumfänge postuliert. Das Textsystem der abgestuften Begrenzungen wird dadurch liquidiert. Die Rigidität des Verfassungstexies ergibt sich nicht nur aus der differenzierten Begrenzungssystematik. Sie folgt auch aus zahlreichen anderen Vorschriften des GG. So erfordert Art. 79 I 1 GG für Verfassungsänderungen eine ausdrückliche 7ex/änderung. So besteht gemäß Art. 70 I G G eine Bundesgesetzgebungskompetenz nur insoweit, als „dieses Grundgesetz" dem Bunde eine solche Kompetenz „verleiht". Dabei richtet sich diese Verleihung gemäß Art. 70 I I GG nach den „Vorschriften dieses Grundgesetzes", 65 66 67
So aber: [129] Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 610-614. [65] Larenz, Methodenlehre, S. 6; [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, S. 63. Dieser Begriff wird übernommen von: [83] F. Müller, Positivität, S. 17.
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welche — über Art. 70 I I GG hinaus — zum Teil in den Katalogen der Art. 73ff. GG aufgelistet, zum Teil im GG verstreut piaziert sind (z.B. Art. 109 I I I — sog. Grundsätzekompetenz —, Art. 4 I I I 2, 21 III, 94 I I 1 GG). Diese Akzentsetzung gerade auf „Vorschriften dieses Grundgesetzes" führt in Verbindung mit dem Listencharakter der Art. 73 ff. GG sowie den sonstigen expliziten Normierungen zum grundsätzlichen Erweiterungsverbot der Kompetenzlisten qua Analogie, auch qua Rechtsanalogie (abschließende Aufzählung). Grundsätzliche Rechtsanwendungsgrenze ist hier die mögliche Wortbedeutung aufgrund der verschiedenen (umgangssprachlichen, episprachlichen bzw. wissenschaftlich-theoretischen) Sprachgebräuche, also die mit der Begrenzungsfunktion (negative Funktion) der Normtexte zusammenfallende Konkretisierungsgrenze. Nur ausnahmsweise — bei hoher Begründungsintensität — ist eine Erweiterung über die Konkretisierungsgrenze der „Vorschriften" hinaus zulässig, wie bei den Bundeskompetenzen kraft Natur der Sache und kraft (engeren) Sachzusammenhangs, insbesondere den Annex-Kompetenzen. Auch zahlreiche andere Vorschriften stützen die Rigidität des GG-Textes durch die Klausel „ . . .dieses Grundgesetzes..." normativ ab (z. B. Art. 19 11, 28 I 1, 30, 83 GG). Für den Grundrechtsbereich läßt sich insbesondere Art. 19 I 1 GG entnehmen, daß Gesetzes(begrenzungs)vorbehalte nur nach „diesem Grundgesetz", nicht aber durch Dogmatik oder Verfassungstheorie statuiert werden können, und daß das GG keineswegs für alle Grundrechte einen solchen Vorbehalt statuiert („Soweit... ein Grundrecht..."). Die Schrankennivellierung verkennt diese Rigidität des GG, insbesondere des Grundrechtsteils. Zwar trifft zu, daß andererseits die Rigidität des Normtextes auch nicht überschätzt werden darf. Richtiger Ansicht nach kann der Stellenwert der Textrigidität nur durch eine normativ abgestützte, spezifische Strukturierung des Verfahrens der Normkonkretisierung berücksichtigt werden. Normen sind daher wie folgt zu konkretisieren: primär müssen die Konkretisierungsfaktoren („topoi") aus den Normtexten argumentativ verwertet und ausgeschöpft werden (grammatische, systematische Interpretation); rechtspolitische oder verfassungstheoretische topoi dürfen nur hilfsweise als Konkretisierungsfaktoren eingesetzt werden; der Normtext fungiert als Konkretisierungsgrenze, welche nur ausnahmsweise — bei hoher argumentativer Begründungsintensität — überschritten werden darf 6 8 . Aber auch dieser präzisierten Deutung der grundgesetzlichen Textrigidität entspricht die Schrankennivellierung nicht. Sie übergeht in ihrer Argumentation vorschnell den Konkretisierungsprimat der Normtexte, begründet ihre These der Rechtsfolgenumfangsdeckung mit bloßen Hilfsfaktoren der Konkretisierung (Verfassungstheorie, Verfassungspolitik) und mißachtet die Konkretisierungsgrenze, ohne das für deren Überschreiten erforderliche hohe Maß an Begründungsdichte zu erreichen. 68 Ähnlich: [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 94-195, insbes. S. 113, 119, 134ff., Übersicht: S. 193-195.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Dies sei exemplarisch demonstriert an derjenigen Spielart des Nivellierungsansatzes, welcher im Ergebnis zu einem einfachen Gesetzesvorbehalt für sämtliche Grundrechte kommt mit der Variante, daß die Aktualisierung eines solchen Vorbehaltes durch den einfachen Gesetzgeber noch nicht einmal einen Grundrechtseingriff, sondern stets lediglich eine inhaltliche Ausgestaltung bedeute, d.h. daß die Rechtsordnung den Grundrechten „wesensmäßig" immanent sei (Häberle) 69. Diese Spielart geht von einer nur ideologisch begründbaren Identifikation von Individual- und Gemeinschaftsinteressen aus. Sie entwickelt auf dieser Basis ein grundrechtstheoretisches Verständnis im Sinne einer einseitig objektiv-institutionellen Grundrechtssicht. Dieser verfehlte verfassungstheoretische Ansatz wird ohne Rücksicht auf die Normtexte und die Konkretisierungsgrenze durchgeführt, obwohl verfassungstheoretische topoi lediglich Hilfsfaktoren, Normtexte aber Hauptfaktoren der Konkretisierung sind. Diese Spielart verweist die Rigidität des Verfassungstextes wie überhaupt die Normativität der positiven Verfassung ins Abseits 70 . Die „wesensmäßige", ontologische Mitbegründung dieser Spielart kann die Mißachtung der Textrigidität nicht mit der erforderlichen Begründungsdichte rechtfertigen. Denn hinter dem ontologischen Aspekt verbergen sich hier keine realen Sachstrukturen der Wirklichkeit, sondern letztlich die für diese Spielart grundlegende ideologische Identitätsfiktion.
Des weiteren verkennt der Ansatz der Schrankennivellierung auch die Qualität der Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte 71. Die Grundrechte — auch die vorbehaltslosen — sind allein dieser Qualität wegen bereits als solche stets begrenzt, insbesondere wenn man die realen Grundstrukturen ihrer Normbereiche als Konkretisierungsfaktor erkennt. Einer Begrenzung durch Immanenzlehren oder direkte bzw. indirekte Schrankenschlüsse aus Art. 2 I (2) GG bedarf es nicht 7 2 . Nach alledem ist die Schrankennivellierung mit dem GG unvereinbar. Auffällig ist, daß zur Begründung der Schrankennivellierung selbst das Repertoire der klassischen Methodenlehre 73 kaum bemüht wird. So bleibt ungeklärt, ob der „direkte Schrankenschluß" eine das betreffende benannte Grundrecht ergänzende, unmittelbare Anwendung des Art. 2 I (2) G G darstellt, oder ob er eine analoge Anwendung des Art. 2 I (2) GG bedeutet, welche eine Schrankenlücke des betreffenden Grundrechts ausfüllen soll. Beide Deutungsmöglichkeiten des direkten Schrankenschlusses setzen eine ergänzungsfähige und -bedürftige Lückenhaftigkeit des grundrechtlichen Begrenzungssystems voraus. Bei solch methodisch disziplinierter Fragestellung gerät die sachliche Abgeschlossenheit des Begrenzungssystems mit erheblich größerer Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld als bei dem Ansatz des direkten Schrankenschlusses. Dieser basiert zwar auf der zutreffenden Erkenntnis, daß kein Grundrecht durch das G G unbegrenzt konstituiert wird, trachtet jedoch diese Erkenntnis mit mehr intuitiven als methodologisch-rationalen Mitteln zu realisieren. 69 [40] Häberle, Wesensgehaltsgarantie, passim; [100] Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 464. 70 Zur Kritik dieser Spielart von einem grundrechtstheoretischen Ansatz im Sinne des klassisch-liberalen Abwehrrechts aus siehe [11] Berg, Konkurrenzen, S. 32-41. 71 Zur Rechtsqualität der Grundrechte: [83] F. Müller, Positivität, S. 40-41. 72 [83] F. Müller, Positivität, S. 14. 73 Ζ. B. [65] Larenz, Methodenlehre, passim.
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Ungeklärt bleibt ebenso, ob der (interpretative) „indirekte Schrankenschluß" den Art. 2 I (2) G G lediglich heranzieht, um das betreffende Grundrecht qua systematischem topos restriktiv zu interpretieren, wobei das Problem der Interpretationsgrenze zu beachten wäre; oder ob er die Konkretisierungsgrenze überschreitet und es sich deshalb um eine teleologisch-systematische Reduktion 74 (Gegenbegriff zur Analogie) des betreffenden Grundrechts handelt, deren verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Zulässigkeit überhaupt noch zu klären wären. Die argumentative Verwertung des klassischen Methodenrepertoires beschreibt das Mindest-Niveau auch einer rationalisierten Verfassungsmethodik. Die methodische Abstinenz des Ansatzes der Schrankennivellierung bedeutet einen Rückfall hinter dieses Mindest-Niveau. Dieser amethodische Umgang gerade mit dem Verfassungsrecht stimmt äußerst bedenklich, berücksichtigt man dessen überragende rechtliche wie methodologische Bedeutung. Auch der. Ansatz 1.2 (Tatbestandsausgrenzung) ist mit dem GG nicht vereinbar. Der Versuch, Grundrechtstatbestände zur Vermeidung von Konkurrenzproblemen stets restriktiv bis zur gegenseitigen Ausgrenzung zu interpretieren, erscheint doppelt verfehlt. Die Tatbestandsausgrenzung ist verfassungswidrig, wenn die restriktive „Interpretation" die Konkretisierungsgrenze im konkreten Rechtsfall übersteigt, ohne dieses Übersteigen als unabdingbar notwendig belegen zu können. Diese Notwendigkeit kann jedenfalls nicht mit andernfalls auftretenden Konkurrenzproblemen begründet werden. Denn methodologische Probleme der Rechtswissenschaft sind kein tauglicher Grund für Grundrechts Verkürzungen. Die Tatbestandsausgrenzung erscheint aber auch als verfassungswidrig, wenn sie innerhalb des Konkretisierungsspielraumes (u. a. auch) zur Vermeidung von Konkurrenzproblemen vorgenommen wird. Denn dieser Zweck zielt darauf ab, methodologische Probleme zu „lösen", indem ihre Entstehung bereits im Vorfeld abgewürgt wird. Ein solcher Zweck ist sachfremd im Rahmen von Verfassungsrechtskonkretisierungen. Vor allem aber verhindert dieser Zweck, daß die mit dem systematischen topos bei Konkurrenzen verbundenen sachlichen Probleme voll in das Blickfeld geraten und erzwingt in der Sache eine vorschnelle Präferenz für entweder das eine oder das andere der meist gewaltsam ausgegrenzten Grundrechte. Interessant ist, daß eine die Konkretisierungsgrenze übersteigende Konkretisierung sowie eine Konkretisierung qua sachfremdem topos verwaltungsrechtliche Analogien aufweisen, und zwar zur Ermessensüberschreitung (vgl. § 114 (1) VwGO) und zum Ermessensfehlgebrauch (vgl. § 114 (2) VwGO). So wie die verwaltungsrechtlichen, sich auf der Rechtsfolgenseite der Rechtsnorm sich abspielenden Verhaltensweisen rechtswidrig sind, erscheinen auch die korrespondierenden tatbestandsbezogenen, verfassungskonkretisierenden Verhaltensweisen als rechtswidrig 75 . 74 75
Zur teleologischen Reduktion siehe: [65] Larenz, Methodenlehre, S. 377-378. Im Ergebnis ähnlich: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 73-78.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Unter den drei Lösungsansätzen zur Deutung des terminus ScheinKonkurrenz ist allein der Ansatz 1.3 (genaue Tatbestandsabgrenzung) verfassungsmäßig. Denn er verkennt weder die Rigidität des Verfassungstextes noch leugnet er die Möglichkeit einer Entstehung von Konkurrenzsituationen. Konkurrenzsituationen entstehen unvermeidbar in jeder positiven Rechtsordnung wegen der notwendigen Nicht-Operationalität ihrer Normsätze 76 . Der Ansatz 1.3 eröffnet als einziger die Möglichkeit eines methodologisch korrekten und verfassungsmäßigen Einstiegs in die Konkurrenzproblematik, indem er auf die besondere Bedeutung einer genauen Diagnose der Konkurrenzsituation hinweist und gewisse Schein-Konkurrenzen eliminiert 77 . Gegen die Ansätze zur Deutung der Spezialität 2.1.1 und der Subsidiarität 2.1.2 bestehen keine verfassungsrechtlich-dogmatischen Bedenken. Diese Ansätze werden unter 6.2.2. einer genauen Analyse unter dem Aspekt methodologischer Rationalität unterzogen. Bedenken bestehen jedoch im Bereich der sechs den terminus echte Konkurrenz deutenden Lösungsansätze 2.2.1-2.2.6. So ist der Ansatz 2.2.6 (Unwirksamkeit beider Rechtsnormen) mit der Verfassung nicht vereinbar. Unabhängig von der Frage der Verfassungswidrigkeit originärer Verfassungsnormen 78 sind Verfassungsnormen, die sämtlich extern r&nggleich sind (vgl. Def. 70), niemals in Richtung auf eine beiderseitige Nichtigkeit deutbar. Eine solche Deutung überspielt die Normativität der positiven Verfassung. Die Verfassungswidrigkeit dieses Ansatzes bleibt auch dann erhalten, wenn er einengend im Sinne einer beiderseitigen, lediglich konkreten Unanwendbarkeit der konkurrierenden Normen im konkreten Rechtsfall interpretiert wird. Denn eine solche doppelte Grundrechtsunanwendbarkeit ist keineswegs notwendig, um einen Rechtsfolgenwiderspruch zu harmonisieren. Bereits eine einseitige Unanwendbarkeit würde dem logischen Postulat der Widerspruchsfreiheit hinreichend Rechnung tragen. Eine doppelte Grundrechtsunanwendbarkeit verletzt jedenfalls das Übermaßverbot (iwS) — verstanden als Sammelbegriff für die vier Erfordernisse der Verfassungsvereinbarkeit des Begrenzungszweckes sowie der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des Begrenzungsmittels —, welches Zulässigkeitsvoraussetzung u.a. jeder Entaktivierung von Grundrechten ist. Unvereinbar mit dem G G ist ebenfalls der Ansatz 2.2.1 (Präferenz des Umfangsminimums). Dieser Ansatz verkennt die Positivität des Grundrechts mit dem weitergehenden Schutzumfang. Das engere Grundrecht „dispensiert" die passivlegitimierten Hoheitsträger keinesfalls von der Beachtung auch des weitergehenden Grundrechts. Andernfalls würde ein Grundrechtsträger, der zwei Grundrechte durch sein Verhalten aktualisiert, schlechtergestellt als ein 76
Ähnlich [11] Berg, Konkurrenzen, S. 73. Im Ergebnis gleicher Ansicht: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 75, 77; [83] F. Müller, Positivität, S. 51. 78 Zu dieser (überholten) Kontroverse Bachof -Apelt vgl. [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Dürig), Art. 1 Rdnr. 82f. mwN. 77
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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Grundrechtsträger, der lediglich das weitergehende Grundrecht ausübt 79 . Dem GG läßt sich kein Argument für eine Schutzverschlechterung in Konkurrenzfällen gegenüber Nicht-Konkurrenzfällen entnehmen. Wie abwegig der Ansatz 2.2.1 im Grunde ist, zeigt ein Vergleich mit den Lösungen analoger Konfigurationen im Zivil- und Strafrecht. Im Zivilrecht stellt sich zum Beispiel bei der Divergenz umfangsdivergierender Schadenersatzansprüche schon gar nicht als Frage, ob der Umfang eines den immateriellen Schaden umfassenden (§ 847 1 1 BGB) Schadenersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung um diesen Posten zu kürzen ist, weil er mit einem diesen Posten nicht umfassenden (§ 253 BGB) 8 0 Schadenersatzanspruch aus Vertrag oder Gefährdungshaftung aus § 7 I StVG konkurriert, auch ohne die partielle Klarstellung in § 16 StVG in Verbindung mit §§ 10, 11 StVG 8 1 . Auch im Strafrecht erschiene es — auch ohne die Vorschrift des § 52 I I 1 StGB — verfehlt, bei einer (Ideal-)Konkurrenz strafrahmendivergierender Strafgesetze die Präferenz auf das Strafgesetz mit dem engeren staatlichen Strafanspruch, d. h. mit der milderen Strafandrohung zu legen. Das Ins-Gegenteil-Verkehren dieses allgemeinen Rechtsgedankens durch den Ansatz 2.2.1 kann auch mit der Selbständigkeit des Verfassungsrechts argumentativ nicht belegt werden 82 . Nicht gefolgt werden kann auch dem Ansatz 2.2.3 (Rechtsfolgen-Mittelung). Zwar erscheint dieser Ansatz insofern zunächst plausibel, als er mittels eines Kompromisses zwischen den divergierenden Umfängen beide Grundrechte zu berücksichtigen versucht. Der Ausgangspunkt von 2.2.3, daß beide Grundrechte wegen ihrer Positivität gleichermaßen zu beachten sind, trifft durchaus zu. Mangels verfassungsrechtlicher Abstützung erscheint jedoch bereits das Bilden eines Umfangsmittels als ungerechtfertigte Verkürzung des weiter79
So: [11] Berg, Konkurrenzen, S. 80. Das (zivilrechtliche) Problem, daß § 253 BGB bei genauer Deutung für immaterielle Schäden grundsätzlich lediglich eine Art der Schadensersatzleistung („Entschädigung in Geld"), nicht aber die durch Naturalrestitution (§ 249 BGB) ausschließt, muß hier vernachlässigt werden. 81 Auf das Ausnahmephänomen „einwirkende Konkurrenz" (Gegensatz: freie Konkurrenz) im Zivilrecht (vgl. hierzu: [105] Schlechtriem, Vertragsordnung) kann hier nicht eingegangen werden. Bei der einwirkenden Konkurrenz wird aus zwingenden teleologischen Gründen die Regelung des einen Anspruchs partiell an die des anderen inhaltlich „angeglichen" (z.B. Angleichung einer längeren Verjährungsfrist an eine kürzere mittels Umgehungsargument), allerdings nur unter strengen argumentativen Voraussetzungen. Zu Normangleichungen vgl. auch [24] Diederichsen, BGB-Klausur, S. 157f.,S. 164f. Jedenfalls ist mir auch im Zivilrecht kein Fall einwirkender (Anspruchs-)Konkurrenz einsichtig, der zu einer postenmäßigen Verkürzung des Umfangs (ieS) des weitergehenden Anspruchs führt und nur unter diesem Verkürzungsaspekt wird im Text eine Parallele zwischen Grundrechts- und zivilrechtlicher Anspruchskonkurrenz gezogen. Daß dem Zivilrecht sehr wohl Kürzungen des Umfangs (iwS) unter sonstigen (d. h. nicht-postenmäßigen) Verkürzungsaspekten (ζ. B. Verjährungsverkürzungen, Haftungserleichterungen) im Fall der o.g. einwirkenden Anspruchskonkurrenz bekannt sind (Grund: „Was man dem einen gibt, nimmt man dem anderen, und vice versa"), wird nicht verkannt, wird durch die zivilistische Parallele des Textes jedoch nicht angesprochen. 82 Im Ergebnis gleicher Ansicht: [83] F. Müller, Positivität, S. 51-53; [11] Berg, Konkurrenzen, S. 79-82. 80
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
gehenden Grundrechts und damit als Verletzung seiner Positivität. Die Positivität des engeren Grundrechtes würde durch die Mittelbildung allerdings nicht verletzt. Denn kein Grundrecht schließt (negativ) einen weitergehenden Schutz durch ein anderes Grundrecht aus, sondern gewährt lediglich (positiv) im eigenen Schutzbereich Schutz, es sei denn, es bestehe eine verdrängende Anwendungspräferenz in Form von Spezialität oder Subsidiarität. Auch der Ansatz 2.2.4 (Güterabwägung) wird hier abgelehnt. Von den zahlreichen, gegen die Güterabwägung ins Feld geführten Argumenten 83 seien folgende herausgegriffen und einige hinzugefügt: Mangels methodischer Strukturierung stellt die Güterabwägung kein Verfahren dar, das mittels methodisch-kanalisierender und -disziplinierender Unterstützung Entscheidungshilfe für die Frage geben könnte, auf welches der konkurrierenden Grundrechte die Anwendungspräferenz zu setzen ist. Der pauschale EntwederOder-Denkstil der Güterabwägung verkennt, daß bei echten Konkurrenzen dem nicht-präferierten (nicht: zurücktretenden) Grundrecht eine erhebliche Rest-Anwendbarkeit verbleibt. Das Hauptmanko jeglicher, auch der nicht zur Entscheidung echter Konkurrenzen herangezogenen Güterabwägung besteht jedoch darin, daß keine verfassungsinterne umfassende Rangordnung zwischen (originären) Verfassungsnormen positiv-verfassungsrechtlich belegbar ist, die spezifisch für die Anwendung der Verfassungsnormen relevant ist 8 4 , im Gegensatz zur externen Rangordnung (vgl. Def. 70), deren spezifisch anwendungsregelnde Relevanz positiv-rechtlich begründbar ist. Zwar lassen sich verfassungsintern zahlreiche Rangordnungen begründen, z.B. unter den Aspekten „Umfang gesetzlicher Begrenzbarkeit", „Bedeutung für die politische Willensbildung" oder „Maß der Standfestigkeit gegenüber Verfassungsänderungen" oder „verfassungsrechtlicher Stellenwert". Keiner dieser Rangordnungen kommt jedoch die normative Kraft zu, spezifisch die Anwendbarkeit einer „nachrangigen" Verfassungsnorm wegen Widerspruchs zu einer „vorrangigen" auszuschließen (sog. Normverdrängung) oder sonst zu beeinträchtigen (sonstige Anwendungsregelung) 85 . Sämtliche rechtlich begründbaren verfassungsinternen Rangordnungen sind weder normverdrängend (Def. 113) noch sonst anwendungsregelnd (Def. 113 a). 83 Vgl. z.B. [83] F. Müller, Positivität, S. 18-19, S. 23, S. 25-27, S. 48; [45] Hesse, VerfassungsR, S. 28-29; [81] F. Müller, Normstruktur, S. 207ff. 84 Die Meßbarkeit verfassungsändernder Vorschriften an zahlreichen (originären) Vorschriften des G G qua Art. 79 G G hat damit nichts zu tun. 85 Gleicher Ansicht: [37] Großkreutz, Normwidersprüche, S. 33-34; [83] F. Müller, Positivität, S. 60-61; [100] Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 462 verfälscht allerdings die ausnahmslose Regel „Nicht-Existenz anwendungsregelnder verfassungsinterner Rangordnungen" zu einem bloßen Grundsatz, indem er bzgl. Art. 11 und Art. 2 I I 1 (1) G G Ausnahmen postuliert. Gegenmeinung: [13] Blaesing, Grundrechtskollisionen. S. 143152. Blaesing schließt aus der Existenz von Begrenzungsvorbehalten verfehlt auf die Existenz einer (verfassungsinternen) anwendungsregelnden Rangordnung der Grundrechte.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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Diese These widerspricht nicht der Erkenntnis, daß die Annahme einzelner, fcö«/:rei-anwendungsregelnder oder sogar -normverdrängender Präferenzen aus den Gründen, deretwegen die Lösung des Konkurrenz- und Kollisionsproblems notwendig ist, verfassungsrechtlich unausweichlich ist, nämlich bei der unechten Konkurrenz im Sinne eines Anwendbarkeitsausschlusses, bei der echten Konkurrenz im Sinne einer Anwendbarkeitsbeeinträchtigung hinsichtlich des nicht-präferierten Grundrechtes. Solche einzelnen konkreten Präferenzen dürfen aber nur bejaht werden, wenn sie in concreto verfassungsrechtlich begründbar sind (vgl. dazu unten 6.2.3.2. und 8.1.2.). Auch erzeugen sie keinesfalls solche umfassenden (Wert-)Rangordnungen, wie sie die Güterabwägung postuliert. Verfassungs/^mz ist grundsätzlich von der anwendungsrelevanten Ranggleichheit aller Verfassungsnormen auszugehen, soll der positiven Verfassung keine Metaphysik untergeschoben werden. Als eng begrenzte Ausnahmen von der Ranggleichheit sind lediglich die echte wie unechte Konkurrenz und die Kollision anzuerkennen. Dabei müssen selbst innerhalb dieser Institute Inhalt und Umfang der anwendungsregelnden Präferenzen genau analysiert und differenziert werden, um die Positivität des GG nicht zu verfehlen. Die Güterabwägung verkennt nicht nur die Positivität der jeweils als nachrangig eingestuften Rechtsnorm. Vielmehr provoziert gerade die Widersprüchlichkeit und mangelnde rationale Nachvollziehbarkeit so mancher Güterabwägung den Eindruck, daß die angeblich aus dem GG erschließbaren Wertrangordnungen eher auf juristisch-verfassungstheoretischem und/oder privat-subjektivem Vorverständnis 86 der jeweiligen Güterabwäger beruhen als auf einem sorgfältigen Herausdestillieren aus der positiven Rechtsordnung mittels Normkonkretisierung. Das deskriptive Attitüdenmodell der amerikanischen Verhaltenswissenschaft (sog. S-A-R-Modell) des legal realism umschreibt diesen Mechanismus recht anschaulich 87 . Außerdem erzeugt die Güterabwägung auf Kosten der Positivität der Rechtsordnung einschließlich der Verfassung einen immens erweiterten Entscheidungsspielraum für den güterabwägenden Rechtsanwender, während die Entscheidungsspielräume von Gesetz- und Verfassungsgeber — von ihrem auf die konkrete Rechtsentscheidung letztlich verbleibenden Einfluß her gesehen — drastisch reduziert werden. Sie verfehlt damit regelmäßig das Postulat funktioneller Richtigkeit 88 . Diese Erweiterbarkeit des Entscheidungsspielraumes mittels Güterabwägung erklärt möglicherweise die Affinität gerade der Rechtsprechung zur Güterabwägung, welche der Güterabwägung weit über die positiv-rechtlich zugelassenen Güter- (z. B. § 34, 1 StGB, § 16,1 OWiG) und sonstigen Abwägungen 86 Methodologisch korrekt bedeutet das juristische Vorverständnis lediglich, aber auch immerhin, einen Hilfsfaktor der Normkonkretisierung, vgl. [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 174-178. 87 Vgl. hierzu: [99] Rottleuthner, Rechtswissenschaft, S. 96ff., insbesondere S. 108, S. 114ff.undS. 118. 88 Vgl. hierzu: [45] Hesse, VerfassungsR, S. 28; [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 154.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
(z. B. Art. 14 I I I 3 GG, § 46 I I 1 StGB, § 1 IV 2 BBauG, §§ 80 V 1 iVm 80 I I Nr. 4 (2), 80 IV 3 (2) VwGO) hinaus einen bevorzugten Platz in ihrem „Methoden"-Repertoire zugewiesen hat 8 9 . Gefolgt werden kann auch dem Ansatz 2.2.5 (Präferenz aufgrund Eingriffsmotiv) nicht. Der motiviert-gezielte Eingriff in ein Grundrecht kann nicht vom konkurrierenden Grundrecht dispensieren, auch wenn in dieses „nur" unmotiviert eingegriffen wird. Die Aktualisierung der Positivität eines Grundrechts hängt nicht vom subjektiven Eingriffsmotiv ab, sondern davon, ob unter rein objektiven Aspekten ein Eingriff im Sinne eines hoheitlichen „Eindringens" in den grundrechtlichen Schutzbereich vorliegt. Das Eingriffsmotiv ist für die Präferenzsetzung bei echten Konkurrenzen verfassungsrechtlich irrelevant. Diese versubjektivierende Psychologisierung des Eingriffsbegriffs durch Ansatz 2.2.5 ignoriert zahlreiche Lektionen der neuzeitlichen Geschichte 90 . Sie ist verfassungswidrig, da sie in letzter Konsequenz die Positivität der Grundrechte totaliter zur Disposition der Hoheitsträger stellt; diese bräuchten objektiven Grundrechtseingriffen nur das Fehlen einer Eingriffsmotivation zu unterlegen, um sich komplikationslos über die Grundrechte hinwegsetzen zu können. Zu untersuchen bleibt der Ansatz 2.2.2 (Präferenz des Umfangsmaximums). Das GG konstituiert die Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte zum Schutz nicht-hoheitlicher Personen gegenüber Hoheitsträgern nur in stets sachlich begrenzten Bereichen, und zwar nach historischen Vorbildern (z.B. Art. 109ff. WRV) und historischen Erfahrungen über die Gefährdetheit dieser Bereiche durch Hoheitsträger 91 . Daraus folgt erstens: Jedes anwendbare Grundrecht schützt innerhalb seines Sc/iwizbereichs, der bei Grundrechten mit aktualisiertem Begrenzungsvorbehalt enger ist als der Aforwbereich (Def. 114) (positive Schutzfunktion, Def. 115). Zweitens: Jedes anwendbare Grundrecht stellt grundsätzlich — Ausnahmen : unechte Konkurrenz qua Spezialität oder Subsidiarität — frei, daß ein konkurrierendes Grundrecht kraft positivverfassungsrechtlicher Regelung einen weiteren Schutzbereich aufweist, also weitergehenden Schutz gewährt (keine negative Schutzausschließungsfunktion, Def. 116). Das bedeutet, daß bereits die isolierte Aktualisierung eines einzelnen Grundrechtes einen Mindest-Standard an Schutz erzeugt, der auch bei zusätzlicher Aktualisierung eines konkurrierenden Grundrechtes mit engerem Schutzbereich nicht unterschritten werden darf. Folglich richtet sich der
89 Vgl. aus der Verfassungsrechtsprechung z.B. BVerfGE 7, 198ff. („Lüth"); seine Theorie schaukelnder Abwägung zwischen Verfassungs- und Unterverfassungsrecht im Einzelfall nivelliert die externe Nachrangigkeit des Unterverfassungsrechts, die auch durch eine, dem Unterverfassungsrecht von der Verfassung selbst verliehene (vgl. Art 5 I I GG) verfassungsbegrenzende Kraft nicht beeinflußt wird. Außerdem wird die nicht umkehrbare externe Nachrangigkeit im Sinne einer einzelfallabhängigen entweder 90 Vgl. [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 24 Arim. 20 mit instruktiven Belegen. 91 [83] F. Müller, Positivität, passim, insbesondere S. 40ff.
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Grundrechtsschutz des Aktivlegitimierten bei echt konkurrierenden Grundrechten im Ergebnis nach dem jeweiligen Schutzumfangsmaximum 92. Nur die Präferenz des Umfangsmaximums bei echten Konkurrenzen nimmt die Positivität der Grundrechte des GG ernst. Mit der Präferenz des Schutzumfangsmaximums korrespondiert auf Seiten des passivlegitimierten Hoheitsträgers die Präferenz des Begtenzungsminimums. Im Ergebnis maßgebend ist also die Kompetenz aus dem engsten Begrenzungsvorbehalt bzw. das Fehlen eines solchen. Diese Präferenz des Begrenzungsminimums seitens des Hoheitsträgers ist zwingender objektiv-rechtlicher Reflex der Präferenz des subjektiv-rechtlichen Schutzmaximums seitens des Bürgers, soll die subjektive Rechtsqualität der Grundrechte nicht mit Hilfe objektiver Bedeutungskomponenten überspielt und verkürzt werden. Zwar weisen Grundrechte neben der subjektiv-öffentlichen Rechtsqualität (subjektiv-rechtliche Bedeutungskomponente) auch zahlreiche objektiv-rechtliche Bedeutungskomponenten auf. Grundrechte können z.B. als objektive Grundsatznormen (Anwendungsfall : Mittelbare Drittwirkung qua grundrechtskonformer Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln), als objektive Einrichtungsgarantien (z.B. Art. 5 1 2 (1), 14 I 1 GG) oder als Kompetenzgrundlagen für grundrechtsbegrenzendes Unterverfassungsrecht (z.B. Art. 2 I I 3, 8 I I GG) eingesetzt werden. Diese objektiven Komponenten dürfen jedoch keinesfalls gegen die subjektiv-öffentliche Position des Bürgers ausgespielt werden 93 . Das hier vertretene Fehlen einer negativen Schutzausschließungsfunktion echt konkurrierender Grundrechte kann auch nicht als grundrechtstheoretisches Kuriosum angesehen werden. Eher wird ein allgemeiner Rechtsgedanke ausgedrückt. Dies zeigt ein Blick auf echt konkurrierende zivilrechtliche Ansprüche, strafrechtliche Tatbestände oder auch verwaltungsrechtliche Vorschriften wie z.B. §§ 30ff. BBauG: Ein Bauvorhaben, welches nach § 34 BBauG bauplanungsrechtlich nicht zulässig (nicht: unzulässig) ist, kann nach § 33 BBauG durchaus zulässig sein. Als Ergebnis der rechtlich-dogmatischen Kritik unter 4.2.1.1.2. ist festzuhalten, daß in die rechtsdogmatische Fundierung des hier intendierten methodenoperationalisierenden Neuansatzes von den konventionellen Ansätzen lediglich die Lösungsansätze 1.3 (genaue Tatbestandsabgrenzung) und 2.2.2 (Präferenz des Umfangsmaximums) übernommen werden können. Außerdem werden das konventionelle terminologische System und die MakroLogik der Lösungsmethode beibehalten, soweit dies mit den Ergebnissen .einer genauen Analyse der Konkurrenzsituation (vgl. unten 6.1. und vor allem 6.2.) vereinbart werden kann. 92 93
Ebenso: [83] F. Müller, Positivität, S. 51-53; [11] Berg, Konkurrenzen, S. 82-85. [83] F. Müller, Positivität, S. 44.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
4.2.1.2. Bildung von Fallgruppen auf der Basis des terminologischen Systems; Diskussion von Beispielsfällen; Demonstration der Lösungsqualität der konventionellen Ansätze zur Deutung von Spezialität und Subsidiarität ; Entwicklung einer die konventionelle Konkurrenzdogmatik transzendierenden rechtsdogmatischen Basisthese Zur Veranschaulichung der unter 4.2.1.1.1. dargestellten konventionellen Lösungsansätze werden vier Fallgruppen gebildet: 1. echte Konkurrenz, 2. Spezialität, 3. Subsidiarität und 4. Schein-Konkurrenz. Daß in diesen Fallgruppen überwiegend fiktive Fälle diskutiert werden, beruht darauf, daß durch Variieren gerade solcher Fälle die Subtilität der Übergänge sowie die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen den Fallgruppen gut demonstriert werden können. Fallgruppe 1 (echte Konkurrenz) l a „Schulsprecher"-Fall: Ein Schulsprecher möchte in seiner Freizeit an einer in einer Gaststätte anberaumten politischen Schulsprecherkonferenz teilnehmen. Deren politische Ausrichtung wird von den Schulorganen mißbilligt. Um den Schulsprecher an der Teilnahme zu hindern, verhängt das zuständige Schulorgan einen Schularrest mit Wirkung genau für den Zeitraum, in welchem die Konferenz stattfindet. — Hier liegt eine echte Konkurrenz der Art. 8 I und 2 I I 2 GG vor. Beide Normen bewirken trotz Schraqkendivergenz übereinstimmend die Rechtswidrigkeit des Arrestes. Mangels Entziehung der Fortbewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang verdrängt der hierfür spezielle Art. 104 I 1 G G 9 4 den Art. 2 I I 2 GG nicht. 1 b „Veteranenverein"-Fall : Eine Vereinigung (iSd Art. 9 I GG) von Kriegsveteranen widmet sich satzungsgemäß der Pflege gesellschaftlicher Beziehungen und sozialer Belange seiner Mitglieder. Zur Wahrung dieser Interessen können satzungskonform auch Stellungnahmen abgegeben werden. Im Rahmen vereinigungsgemäßer Betätigung äußert ein Vereinigungsmitglied eine bestimmte Meinung, die er ebensogut als Nicht-Mitglied vertreten könnte. — Da die Äußerung dieser Meinung weder als bloßer Unterfall vereinigungsgemäßer Betätigung noch umgekehrt diese vereinigungsgemäße Betätigung als bloßer Unterfall einer Meinungsäußerung erscheint, liegt eine echte Konkurrenz von Art. 9 I und 5 I 1 (1) G G vor. 94 Gleicher Ansicht: [84] v. Münch/Niemöhlmann, Art. 2 Rdnr. 60; a.M.: [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb. : Dürig), Art. 104 Rdnr. 1 sowie Anm. 1.
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1 c „Künstler"-Fall : Ein Künstler wird wegen einer Ausstellung politisch mißliebiger künstlerischer Graphiken gem. § 90 a I Nr. 2 StGB (Staatsverunglimpfung) zu Freiheitsstrafe verurteilt. Es sei unterstellt, daß die Kunstausstellung durch Art. 5 I I I 1 (1) GG gedeckt wird. — Die Bestrafung verletzt Art. 5 I I I 1 (1) GG. Denn sie knüpft an eine durch dieses Grundrecht geschützte Handlung an. Die dogmatische Frage, ob dieses Ergebnis mittels einer restriktiven verfassungskonformen Interpretation des Tatbestandes des § 90 a I Nr. 2 StGB oder erst mittels eines Ausschlusses der Rechtswidrigkeit zu begründen ist 9 5 , kann hier auf sich beruhen. Auch verletzt die Bestrafung Art. 104 I 1 GG, da sie wegen Verletzung des Art. 5 I I I 1 G G nicht von § 90 a I Nr. 2 StGB gedeckt sein kann. Der Fall zeigt, daß Grundrechte auf zwei verschiedene Weisen verletzt werden können, zum einen mittelbar durch Anknüpfung eines belasteten Hoheitsaktes an eine grundrechtsgeschützte Handlung und zum anderen unmittelbar durch direkten Eingriff. Die Verletzung eines Grundrechts durch Anknüpfung (hier: Art. 5 I I I 1 (1) GG) schließt keineswegs aus, daß weitere Grundrechte durch direkten Eingriff verletzt werden (hier: Art. 104 I 1 GG). Eine Grundrechtsverletzung durch Anknüpfung präjudiziert Eingriffsverletzungen insoweit, als bereits aufgrund Handlungsanknüpfung verfassungsund damit rechtwidrige Hoheitsakte durch Unterverfassungsrecht (hier: § 90a 1 Nr. 2 StGB) nicht gerechtfertigt werden können. Damit scheidet aber auch eine Deckung durch begrenzende Gesetzesvorbehalte anderer aktualisierender Grundrechte aus 96 . Unterstellt man eine Konkurrenzsituation (Problem: Definition der Rechtsausfallausschnitte gem. Prämisse 3), so führt dies zur echten Konkurrenz von Art. 5 I I I 1 (1) und Art. 104 I 1 GG. Die gem. Prämisse 6 erforderliche Umfangsdivergenz kann dagegen unproblematisch bejaht werden. Die Umfangsdivergenz wird nur nicht entscheidungsrelevant, da beide Grundrechte im Ergebnis zur selben Entscheidung des Rechtsfalls führen. Fallgruppe 2 (Spezialität) 2 a „Schulsprecher"-Fall: Der Schulsprecher möchte in die Wohnung einer „Hasch-Kommune" einziehen. Dies wird ihm von der Schule aus Gründen der Aufrechterhaltung der Ordnung des Schulbetriebes verboten. — Der an sich thematisch ebenfalls einschlägige Art. 2 I I 2 G G wird vom speziellen Art. 11 I GG verdrängt. Denn das Tatbestandsmerkmal „Frei95
Im letzteren Sinne: [64] Lackner, § 125 Nr. 7. Wohl anderer Meinung: [83] F. Müller, Positivität, S. 34, S. 38 („isolierte Prüfung beider Subsumtionsfragen"). 96
6 Fohmann
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
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zügigkeit" des Art. 11 I G G ist dahin zu interpretieren, daß es die räumliche Fortbewegungsfreiheit ( = Freiheit iSd Art. 2 I I 2 GG) nur partiell und zwar insoweit umfaßt, als die räumliche Veränderung der Begründung von Wohnsitz oder Aufenthalt von gewisser Dauer dient 9 7 . Der abstrakte Tatbestand des Art. 11 I GG enthält im Verhältnis zu dem des Art. 2 I I 2 G G zusätzliche Merkmale (Tatbestandsinklusion, Def. 117). Für die konventionelle Dogmatik (Lösungsansatz 2.1.1.1) besteht hier (noch) keine Schwierigkeit, die Spezialität des Art. 11 I gegenüber Art. 2 I I 2 GG zu begründen. Wegen der Inklusionsrelation zwischen den abstrakten Tatbeständen stellt das Anwendungsfeld des Art. I I I GG — lex specialis — eine echte Teilklasse des Anwendungsfeldes des Art. 2 I I 2 GG — lex generalis — dar. Dies folgt aus der trivialen Einsicht, daß es wegen des spezifischen Verhältnisses der Tatbestände keinen Fall gibt, in dem Art. I I I GG anwendbar ist, ohne daß zugleich aufgrund stets möglicher analoger Konkretisierung auch Art. 2 I I 2 GG — an sich — anwendbar wäre. Analoge Konkretisierung bedeutet insbesondere, daß Grundrechtsträger bzw. -gegner identisch individualisiert werden. Bemerkenswert ist, daß es trotz dieses spezifischen Tatbestandsverhältnisses aber Fälle gibt, in welchen Art. 2 I I 2 G G und Art. I I I GG beide gleichzeitig aktualisiert werden und als Entscheidungsnormen beide denselben Rechtsfall entscheiden, ohne daß das Inklusionsverhältnis der (abstrakten) Tatbestände irgendwie entscheidungsrelevant wird, ζ. B. bei ScheinKonkurrenzen infolge Nicht-Identität des aktualisierenden Rechtsfallausschnittes oder bei Kollisionen oder Schein-Kollisionen. Bereits daraus folgt die rechtsdogmatische Erkenntnis, daß Spezialität keine Relation zwischen den (abstrakten) Grundrechtssätzen sein kann, sondern daß sie wegen zwingender Individualisierungsabhängigkeit in noch näher zu klärendem Umfange stets konkretisierungsabhängig ist, d.h. daß sie eine Relation nur zwischen mindestens partiell konkretisierten Normsätzen sein kann. 2 b „ Veteranen verein"-Fall : Die Veteranenvereinigung ist satzungsmäßig auf das Verfolgen einer bestimmten (außen)politischen Meinung („Elsaß-Lothringen muß wieder deutsch werden") festgelegt. Der Beitritt in die Veteranenvereinigung sei nur eine der zahlreichen möglichen Formen, diese Meinung zu äußern, bedeute andererseits aber zwangsläufig die Äußerung der Vereinigungsmeinung. — Hier erscheint die Ausübung des individuellen Beitrittsrechts aus Art. 91 GG als bloßer Unterfall der Ausübung des Art. 5 I 1 (1) GG. Das Umgekehrte gilt jedoch nicht. Hierin besteht der Unterschied zu Fall 1 b. Obwohl hier zwischen den Tatbeständen von Art. 5 I 1 (1) und 9 I GG keine spezialitätsbegründende Relation im Sinne der konventionellen Konkurrenzdogmatik 97
[84] v. Münch/Dicke, Art. 11 Rdnr. 7-8.
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(Tatbestandsinklusion) besteht, wird die Spezialität des Art. 9 I G G im Verhältnis zu Art. 5 I 1 (1) GG in Fällen mit einer Struktur wie 2 b von konventionellen Dogmatikern ohne weiteres bejaht 98 . Daß ihre Konzeption des Spezialitätsbegriffs, die auf der logischen Echte-Teilklassen-Relation zwischen den Anwendungsfeldern abstrakter Normsätze basiert, dieses Ergebnis überhaupt nicht trägt, entgeht der konventionellen Dogmatik. Es trifft zwar zu, daß im Fall 2 b eine Spezialitätsrelation aufgrund einer (logischen) Echte-Teilklassen-Relation besteht. Diese Echte-Teilklassen-Relation besteht jedoch nicht schon zwischen den Anwendungsfeldern der abstrakten Grundrechtssätze, sondern entsteht erst nach einer mehrfachen Konkretisierung, insbesondere Individualisierung und Präzisierung, der Grundrechtssätze in Richtung auf Entscheidungsnormen. Genauer: die Echte-Teilklassen-Relation besteht hier erst zwischen den Anwendungsfeldern von Grundrechtssätzen, die bis auf ein einziges Tatbestandsmerkmal bereits soweit konkretisiert sind, wie es zur Generierung von Entscheidungsnormen erforderlich ist. Für Normen dieses quasi-perfekten Konkretisierungszustandes wird der Begriff der Quasi-Entscheidungsnorm eingeführt (Def. 118). Die Einführung eines solchen Begriffs erscheint zweckmäßig. Denn einerseits weist eine Entscheidungsnorm kein Anwendungsfeld auf. Es erscheint nämlich sinnvoll festzusetzen, daß der einzige, mit Hilfe der Entscheidungsnorm entscheidbare Rechtsfall kein Anwendungsfeld konstituiert. Damit wird für Anwendungsfelder postuliert, daß sie mindestens zwei Elemente umfassen, korrekt: die Kardinalzahl 2 haben 99 . Andererseits aber ist die Spezialität — konventionell als logische Relation konzipiert — nur auf der Basis der (logischen) EchteTeilklassen-Relation zwischen Anwendungsfeldern definiert, wobei bei Entscheidungsnormen aber eine Möglichkeit zur Diagnose einer Relation zwischen Anwendungsfeldern mangels eigener Anwendungsfelder gerade nicht besteht. Notwendig ist noch eine weitere terminologische Differenzierung. Eine Relation wie die Relation Echte-Teilklasse (symbolisch: „ C " ) kann nur zwischen Klassen, z.B. Anwendungsfeldern, bestehen, nie zwischen Normsätzen, Tatbeständen oder Entscheidungsnormen. In relationenlogischer Terminologie: Die Elemente (sog. Relationsglieder) des Feldes einer Klassenrelation sind Klassen 100 (Def. 119). Umgekehrt ist die Relation Spezialität eine Relation zwischen Normen. Nach konventioneller Deutung der Spezialität ist das Bestehen der logischen Echte-Teilklassen-Relation zwischen den Anwendungsfeldern abstrakter Normsätze notwendige und zugleich hinreichende Voraussetzung einer Spezialitätsrelation zwischen den (abstrakten) Normsätzen (rein logisch-abstrakte Konzeption der Spezialität, Def. 120). Von dieser Konzeption weicht die konventionelle Dogmatik ohne Begründung bzw. 98
[74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb. : Maunz), Art. 9 Rdnr. 58, vgl. auch Art. 8 Rdnr. 29 und Art. 5 Rdnr. 38. 99 Zum exakten Kardinalzahlbegriff (1-stellige Struktur) vgl. [19] Carnap, Logik, S. 141-143. 100 Zum Begriff Relationsfeld vgl. [19] Carnap, Logik, S. 72. *
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
sogar ohne Auseinandersetzung mit dem Problem in Fällen mit einer Struktur wie 2 b ab und geht zu einer logisch-konkretisierten Konzeption über. Daß die Konkretisierung (jedenfalls) bis zur Stufe der Quasi-Entscheidungsnorm voranzutreiben ist, läßt sich im Veteranenverein-Fall 2 b gut demonstrieren: Der abstrakte Normsatz des Art. 9 I GG wird konkretisiert 1. durch Individualisierung zu einer bestimmten Vereinigung, dem Veteranenverein V, 2. durch Individualisierung zu einer bestimmten beitretenden Person A, 3. durch Reduzierung des Anwendungsfeldes um den gesamten kollektivrechtlichen Bereich, 4. durch Reduzierung selbst des verbleibenden individualrechtlichen Bereichs um den Bereich individueller vereinigungsmäßiger Betätigung auf den Bereich individuellen Beitritts (Vereinigungsbildung), 5. durch Individualisierung des Vereinigungszweckes auf die Verfolgung einer bestimmten politischen Meinung X, wodurch erreicht wird, daß der Beitritt die Äußerung der Meinung X impliziert. Nach diesen 5 Konkretisierungen lautet die Quasi-Entscheidungsnorm aus Art. 9 I GG — beschränkt auf ihre Voraussetzungen, die Rechtsfolge kann dabei vernachlässigt werden — hier in etwa wie folgt: „Wenn A dem Verein V beitritt, was mit einer Äußerung der Meinung X verbunden ist, s o . . . " oder : „Wenn A die Meinung X dadurch äußert, daß er dem Verein V beitritt, s o . . . " Auf Grund analoger Überlegungen läßt sich die Quasi-Entscheidungsnorm aus Art. 5 I 1 (1) GG — ebenfalls auf ihre Voraussetzungen beschränkt — wie folgt formulieren : „Wenn A die Meinung X — in beliebiger Form — äußert, s o . . . " Hier wird zum einen ganz deutlich, daß die Quasi-Entscheidungsnormen durch die noch fehlende Konkretisierung ihrer Handlungsmerkmale Beitritt bzw. Äußerung zu einer konkreten Handlung H des A zu Entscheidungsnormen übergehen würden. Zum anderen wird deutlich, daß lediglich die Konkretisierung eines einzigen Merkmals noch aussteht. Einsehbar wird auch, daß das Anwendungsfeld der Quasi-Entscheidungsnorm aus Art. 9 I GG hier in Fall 2 b lediglich eine echte Teilklasse des Anwendungsfeldes der QuasiEntscheidungsnorm aus Art. 5 I 1 (1) GG darstellt. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die rein abstrakte Konzipierung des Spezialitätsbegriffs von der konventionellen Konkurrenzdogmatik entgegen ihrer Begriffsdefinition (Ansatz 2.1.1.1) nicht durchgehalten werden kann. Daß die Spezialitätsrelation stets konkretisierungsabhängig ist, läßt sich bereits anhand Fall 2a erkennen. Fall 2b führt zur weitergehenden Einsicht, daß zur Begründung der Spezialität in manchen Fällen auf die unmittelbare Konkretisierungsvorstufe der Entscheidungsnorm, die Quasi-Entscheidungsnorm, argumentativ abgestellt werden kann. Die Quasi-Entscheidungsnormen erscheinen aber lediglich als Hilfsmittel zur Spezialitätsbegründung. Deshalb
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spricht viel für die These, daß Träger der Spezialitätsrelation eigentlich die Entscheidungsnormen selbst sind. 2c „Künstler"-Fall : Der Künstler wird gem. § 90 a I Nr. 2 StGB zu Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem werden die inkriminierten, dem Künstler gehörenden Ausstellungsgraphiken gem. §§ 92 b, 1 Nr. 1, 74 IV, I I Nr. 1 StGB eingezogen. — Die Kunstausstellung werde von Art. 5 I I I 1 (1) GG gedeckt (WirkBereich) 101 . Die Einziehung erfolgt folglich ohne Rechtsgrundlage. Denn das Merkmal Straftat iSd § 92 b, 1 StGB ist wegen Aktualisierung des Art. 5 I I I 1 GG zu verneinen. Die Einziehung verletzt deshalb jedenfalls Art. 14 11 GG. Denn mit Eintritt der formellen Rechtskraft geht das Eigentum an den Graphiken auf den Staat über (§ 74e I StGB). Schwieriger ist zu entscheiden, ob die Einziehung auch Art. 5 I I I 1 GG verletzt, und zwar unter dem spezifischen Aspekt einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Kunstobjekte. Ob Art. 5 I I I 1 GG unter dem hiervon zu unterscheidenden Aspekt verletzt wird, daß die Einziehung an die Kunstausstellung anknüpft und damit mittelbar auch die künstlerische Betätigung beeinträchtigt, soll hier nicht weiter untersucht werden. Zur Lösung der Frage nach dem Schutz von Kunstobjekten durch Art. 5 I I I 1 GG wird davon auszugehen sein, daß jedes Kunstobjekt — wie bereits der sprachliche Ausdruck nahelegt — unter zwei Aspekten gesehen werden muß, dem rein künstlerischen (Kunstaspekt) und dem vermögensrechtlichen (Eigentumsaspekt). Jedenfalls gewährt Art. 5 I I I 1 GG Kunstobjekten insoweit Schutz, als eine hoheitliche Beeinträchtigung gerade an den Kunstaspekt anknüpft, z.B. bei der Vernichtung von Kunstobjekten mit der Begründung, es handle sich um „entartete Kunst". Denn lediglich ein Schutz künstlerischer Tätigkeit ohne den Schutz der Produkte dieser Tätigkeit würde der Garantie pauschaler Kunstfreiheit in Art. 5 I I I 1 GG nicht gerecht. Ob Art. 5 I I I 1 GG darüberhinaus auch unter dem Eigentumsaspekt die Kunstobjekte schützt, erscheint problematisch 102 . Die Bejahung dieser Frage sei hier unterstellt. Da die Einziehung der Graphiken nicht an deren künstlerischen Inhalt (Kunstaspekt) anknüpft, sondern auf einer kunstirrelevanten (angeblichen) Straftat des Künstlers beruht, führt dies hier in Fall 2c dazu, daß zwischen Art. 14 I 1 GG und Art. 5 I I I 1 GG bzgl. des Objektschutzes unter Eigentumsaspekt die Konkurrenzsituation entsteht. Betrachtet man diese Situation von der umfassenden Kunstfreiheit aus, so erscheint der Schutz von Kunstobjekten unter dem Eigentumsaspekt als am Rande der Kunstfreiheit liegender Unterfall, der spezifisch von Art. 14 I 101 Zu der Differenzierung des Schutzbereiches des Art. 5 I I I 1 (1) GG in „Werk-" und „Wirk-"Bereich vgl. BVerfGE 30,173-191 („Mephisto") ( = Beschl. v. 24.2.1971 — 1 BvR 435/68) sowie LS 2 dieses Beschlusses. 102 Diese Frage ist denn auch kontrovers; vgl. [84] v. Münch, Art. 5 Rdnr. 62 („Verwertung").
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
1 G G erfaßt wird. Dies spricht für eine thematische Spezialität des Art. 14 I 1 G G 1 0 3 . Betrachtet man die Situation umgekehrt von der gleichfalls umfassenden Eigentumsgarantie aus, so erscheint der Schutz von Kunstobjekten unter Eigentumsaspekt als ebenfalls am Rande liegender Unterfall, der spezifisch von Art. 5 I I I 1 (1) GG erfaßt wird. Dies legt eine Spezialität des Art. 5 I I I 1 (1) G G nahe. Der Grund für diesen widersprüchlichen Befund beruht darauf, daß zwischen den Anwendungsfeldern der Quasi-Entscheidungsnormen aus Art. 5 I I I 1 (1) G G und Art. 14 I 1 G G keine Echte-Teilklassen-Relation wie in Fall 2 b besteht. Vielmehr überschneiden sich beide Anwendungsfelder derart, daß jedem Anwendungsfeld ein überschneidungsfreies, nicht leeres Restfeld verbleibt (sog. interferierende Klassen) 104. Dies erklärt auch, weshalb je nach Standort — intuitiv — das eine oder das andere Grundrecht als lex specialis erscheint. Berücksichtigt man als zusätzlichen Gesichtspunkt, zu welchem Grundrecht der Schutz von Kunstobjekten unter Eigentumsaspekt die größere Sachnähe aufweist, so erschließt dies weitere Dimensionen materialer Argumentation (Besserstellung der Kunstobjekte oder Gleichstellung mit sonstigen Sachen — Aspekt der Schrankendivergenz — ; Umgehungsgefahr der Kunstfreiheit wegen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen deren Kunst- und Eigentumsaspekt; Enteignungsregelung bei Art. 14 I I I G G ; usw.). Die Entscheidung der Spezialitätsfrage erscheint damit in Fall 2c rein als Problem materialer Argumentation, dem nicht dadurch ausgewichen werden kann, daß man auf eine echte Konkurrenz ausweicht. Denn die echte Konkurrenz hat nach der hier vertretenen dogmatischen Theorie echter Konkurrenz automatisch eine Präferenz des Grundrechtes mit dem Schutzumfangsmaximum zur Folge, hier des Art. 5 I I I 1 (1) GG. Diese Präferenz des Art. 5 I I I 1 (1) G G aufgrund echter Konkurrenz könnte nur und müßte auch mit denselben materialen Sach-Argumenten begründet werden, die für die im Ergebnis hier quasi-äquivalente verdrängende Anwendungspräferenz des Art. 5 I I I 1 (1) GG aufgrund Spezialität ins Feld geführt werden können. Auf eine Subsidiarität kann nicht ausgewichen werden. Denn für ein hilfsweises Eingreifen des Art. 14 I 1 GG im Verhältnis zu Art. 5 I I I 1 GG sind noch nicht einmal ansatzweise Argumente erkennbar. Folglich wirft der vorliegende Fall unausweichlich gerade die Spezialitätsproblematik auf. Dieser Spezialitätsbegriff hat jedoch mit der rein logisch-abstrakten Deutung des terminus Spezialität durch die konventionelle Konkurrenzdogmatik nichts mehr gemein. Daß zumindest seine rein abstrakte Konzipierung verfehlt ist, zeigten bereits der „Schulsprecher"-Fall 2 a und der „Veteranenverein"-Fall 2 b. Dies zeigt auch der Fall 2c. Denn zwischen den abstrakten Tatbe103
Vgl. hierzu: BVerfGE 31, 239. F und G sind interferierende Klassen, wenn keine Teilmenge der anderen und die Schnittmenge nicht leer ist. Symbolisch: n ( F c G ) λ (G C F) λ (G π F Φ 0) (Def. 121). Vgl. auch: [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 158. 104
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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ständen der Art. 5 I I I 1 und 14 I 1 GG besteht nicht die Relation der Tatbestandsinklusion (vgl. Def. 117) bzw. zwischen ihren Anwendungsfeldern besteht keine Echte-Teilklassen-Relation. Darüberhinaus zeigt Fall 2c jedoch, daß auch die rein logische Konzipierung verfehlt ist. Denn auch zwischen den Anwendungsfeldern der Quasi-Entscheidungsnormen besteht hier keine Echte-Teilklassen-Relation, sondern die Interferenzrelation. Für die Analyse ist festzuhalten, daß der konventionelle Spezialitätsbegriff in seinen beiden Konzipierungsrichtungen versagt. Zumindest in manchen Fällen kann die Spezialitätsproblematik nur als konkretisierungsabhängiges materiales Argumentationsproblem gedeutet und gelöst werden. 2d „Mephisto"-Fall: Ein Künstler verfaßt einen künstlerisch gestalteten Roman über eine Person der Zeitgeschichte. Der Roman enthält textlich isolierbare Meinungsäußerungen, welche die Ehre der geschilderten Person verletzen. — Dieser Fall wirft grundsätzlich die gleichen Probleme wie 2c auf, allerdings mit dem Unterschied, daß hier das Anwendungsfeld der Quasi-Entscheidungsnorm aus Art. 5 I 1 (1) GG eine echte Teilklasse des Anwendungsfeldes der Quasi-Entscheidungsnorm aus Art. 5 I I I 1 (1) G G darstellt. Bemerkenswert an diesem Fall ist, daß trotz dieses nach konventioneller Dogmatik für eine Spezialität des Art. 5 I 1 (1) G G sprechenden logischen Aspekts (vgl. Fall 2 b) das BVerfG umgekehrt eine Spezialität des Art. 5 I I I 1 GG bejaht, und zwar allein aus umfassenden, sachlich-materialen Erwägungen heraus 105 . Aus den Fällen 2a-2d lassen sich folgende Einsichten gewinnen: In der Konkurrenzsituation ist über Spezialität beim Fehlen einer Echte-TeilklassenRelation zwischen den Anwendungsfeldern der abstrakten Normsätze (abstrakte Anwendungsfeldinklusion) durch material-komplexe Argumentation zu entscheiden. Einer Echte-Teilklassen-Relation zwischen den konkreten Anwendungsfeldern von Quasi-Entscheidungsnormen (konkrete Anwendungsfeldinklusion) als pseudo-logischem Argument kommt keinesfalls eine Bedeutung zu, die die eines beliebigen anderen Argumentes übertrifft. Eine konkrete Anwendungsfeldinklusion als solche ist argumentativ weder notwendig noch hinreichend zur Spezialitätsbegründung. Auch eine abstrakte Anwendungsfeldinklusion ist zur Spezialitätsbegründung argumentativ jedenfalls nicht notwendig. Ob und inwieweit eine abstrakte Anwendungsfeldinklusion hierfür auch hinreicht, ist noch genau zu analysieren. Die abstrakte Anwendungsfeldinklusion ist in die material-komplexe Argumentation sachlich voll einzustellen; dabei spricht allerdings einiges dafür, daß der abstrakten Anwendungsfeldinklusion — im Gegensatz zur konkreten — ein ausgezeichneter argumentativer Stellenwert zukommt. Ob eine solche Inklusion sinnvoller105
BVerfGE 30,173,191 („Mephisto").
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
weise auch technisch in ein zur Lösung material-komplexer Argumentationsprobleme konstruiertes Argumentationsmodell eingestellt wird oder ob für ihre argumentative Verwertung wegen ihres spezifischen, argumentativen Stellenwertes ein anderer technischer Weg sinnvoller erscheint, ist eine ganz andere Frage. Gegenstand der Spezialitätsentscheidung sind die Entscheidungsnormen, nicht die lediglich ein Durchgangsstadium der Konkretisierung markierenden Quasi-Entscheidungsnormen und schon gar nicht die abstrakten Normsätze. Dies führt zur folgenden 1. rechtsdogmatischen Basisthese (Def. 122): Die Spezialität ist eine Relation zwischen Entscheidungsnormen; die Entscheidung über Spezialität stellt ein konkretisierungsabhängiges, materialkomplexes Argumentationsproblem dar, zu dessen Lösung eine Inklusionsrelation zwischen abstrakten Normsatztatbeständen argumentativ jedenfalls nicht notwendig ist; eine solche Inklusion ist in die Argumentation als Argument mit ausgezeichnetem, im einzelnen noch zu analysierendem Stellenwert sachlich — nicht notwendig auch technisch in ein zur Lösung des Argumentationsproblems konstruiertes Argumentationsmodell — voll einzustellen. Fallgruppe 3 (Subsidiarität) Subsidiaritätsverhältnisse (Hilfsweise-Anwendbarkeit) zwischen Grundrechten sind dem G G unbekannt. Dies gilt auch für das Verhältnis des mit dem BVerfG als allgemeine Handlungsfreiheit gedeuteten Art. 2 I GG zu benannten Freiheitsrechten 106 . Liegt ein Eingriff in den Normbereich ζ. B. der Versammlungsfreiheit (Art. 8 I GG) vor, ist dieser Eingriff aber durch den Begrenzungsvorbehalt des Art. 8 I I GG gedeckt, so kann dieser Eingriff nicht noch an Art. 2 I GG gemessen werden. Denn Art. 2 I G G greift weder subsidiär (Nichteingreifen der vorgehenden Norm ist notwendige Voraussetzung) noch auffangweise (Nichteingreifen der vorgehenden Norm ist hinreichende Voraussetzung) ein, sobald ein benanntes Freiheitsrecht nicht trägt. Vielmehr wird Art. 2 I GG bereits dann konkret unanwendbar, wenn ein benanntes Freiheitsrecht thematisch lediglich konkret einschlägig ist (Spezialität). Unbekannt ist die Subsidiarität dem G G allerdings nicht (vgl. z.B. Art. 19 IV 2, 30, 74a I, 80 II, 83, 84 I, 93 I Nr. 4 GG). Auch im übrigen Öffentlichen Recht gibt es zahlreiche Subsidiaritätsverhältnisse (vgl. z. B. § 90 I I 1 BVerfGG iVm Art. 94 I I 2 G G : Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde; § 47, 1 a.F. VwGO: Subsidiarität der Normenkontrollklage (vgl. dagegen § 47 I I I n. F. VwGO); § 43 I I 1 VwGO: Subsidiarität der Feststellungsklage). 106
Dieses verkennt [84] v. Münch/Niemöhlmann, Art. 2 Rdnr. 63, die vom „Verhältnis der Subsidiarität des Art. 2 I zur Spezialität der Einzelfreiheitsrechte" spricht. Ebenfalls verfehlt: [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Dürig), Art. 2 Rdnr. 8, die Art. 2 I GG im Anschluß an BGH DVB1. 53, 472 als „mütterliches Auffangrecht" bezeichnen.
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Fallgruppe 4 (Schein-Konkurrenzen) 3 a „Schulsprecher"-Fall : Ausgangslage wie in Fall la. Der Fall wird jedoch insoweit variiert, als die Konferenz nicht in geschlossenen Räumen, sondern unter freiem Himmel als Kundgebung durchgeführt wird. — Art. 8 I und 2 I I 2 G G sind hier wegen Art. 8 I I und 2 I I 3 GG — beides sind einfache Gesetzesvorbehalte — in ihren Rechtsfolgenumfängen nicht nur partiell, sondern total deckungsgleich. Mangels Umfangsdivergenz (vgl. Prämisse 6) muß eine Konkurrenzsituation nach ihrer hier vertretenen Definition (vgl. Prämissen 1-6) verneint werden. Dies bedeutet aber lediglich die terminologische Konsequenz aus der Einsicht, daß sachlich problematisch nur die „Konkurrenzen" — gedeutet im weiteren, konventionellen Sinne, welcher Umfangsdivergenz wie -deckung umfaßt — mit Umfangsdivergenz sind. 3 b „ Veteranenverein"-Fall : Ausgangslage wie in Fall 1 b mit folgender Variation : Ein Vereinsmitglied äußert eine bestimmte Meinung anläßlich einer vereinigungsgemäßen Betätigung, ohne daß die Meinungsäußerung als solche eine vereinigungsgemäße Betätigung darstellt. — Diese Meinungsäußerung „bei Gelegenheit" 107 vereinigungsgemäßer Betätigung aktualisiert nur Art. 5 I 1 (1) GG. Wegen der Verschiedenheit der aktualisierenden Rechtsfallausschnitte (vgl. Prämissen 3 und 4) kommt es zwischen den Entscheidungsnormen aus Art. 5 I 1 (1) und 9 1 GG nur zu einer Schein-Konkurrenz 108 . 3c „Künstler"-Fall: Ausgangslage wie in Fall l c mit der Variation, daß der Künstler statt zu Freiheitsstrafe lediglich zu Geldstrafe verurteilt wird. — Art. 14 I 1 GG konkurriert hier nicht mit Art. 5 I I I 1 (1) GG. Denn eine Verurteilung zu Geldstrafe bedeutet keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG („Eigentum"). Mangels Erfüllung der Prämisse 4 kann auch dieser Fall als Schein-Konkurrenz bezeichnet werden. 107
Zu diesem Ausdruck vgl. [83] F. Müller, Positivität, S. 38. Analoge Argumentation zum Verhältnis zwischen Art. 1411-2 und Art. 1211 GG in BVerfGE 30, 212, 334ff. („Mineralöl-Bevorratung"): Art. 14 I 1 - 2 G G schütze das durch berufliche Tätigkeit Erworbene, Art. 1211 G G die berufliche Tätigkeit selbst. 108
90
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme 4.2.2. Die Kollisionssituation (2-Personenfall mit 2 parallel entgegengerichteten Rechten)
4.2.2.1. Globale Darstellung konventioneller verfassungs-dogmatischer Lösungsansätze ; rechtlich-dogmatische Kritik
4.2.2.1.1. Darstellung Die konventionelle Dogmatik der Kollisionen ist erheblich weniger komplex als die der Konkurrenzen. Es existiert kein differenziertes terminologisches System. Man differenziert lediglich zwischen Kollisionen und solchen PhänoDOGMATISCHE
DIFFERENZIERUNGEN
prima-fac i e Kollision
ι ScheinKollision
Kollision
beiderseitige Begrenzung
einseitige Begrenzung
LÖSUNGSANSÄTZE
UND
^
SPIELARTEN
^
r
Lösungsansätze
Ansatz
(1)
Ansatz (2) praktische Konkordanz
Güterabwägung
Spielart (1.1) Abstrakte Güterabwägung
Spielart (1.2) Konkrete Güterabwägung
Abb. 9. Konventionelle Kollisionsdogmatik
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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menen, die nur prima facie als Kollisionen erscheinen (Schein-Kollisionen) 109 . Hier werde zusätzlich noch zwischen Kollisionen unterschieden, die im Ergebnis zu einer beiderseitigen Begrenzung der Schutzbereiche der kollidierenden — vorläufig noch ungenau formuliert — Grundrechte führen, und solchen Kollisionen, die nur zu einer einseitigen Begrenzung führen. Es existiert auch nicht die komplexe Vielfalt an Lösungsansätzen wie bei den Konkurrenzen. Es gibt hauptsächlich lediglich zwei Ansätze, die Güterabwägung und die praktische Konkordanz 1 1 0 . Die Güterabwägung wird in zwei Spielarten vertreten. Die abstrakte Spielart 111 möchte die „Güter" (hier: Grundrechte) in die Abwägung mit dem Rang einstellen, der ihnen allein aufgrund der abstrakten „Wertrangordnung" des GG zukommt. Die konkrete Spielart 112 führt die Güterabwägung nach Maßgabe der grundgesetzlichen „Wertrangordnung" unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles durch. Demgegenüber geht die praktische Konkordanz von der verfassungsinternen Gleichrangigkeit der kollidierenden Grundrechte aus und definiert deshalb als Ziel des „Verfahrens" die beiderseitige Optimierung der Schutzbereiche beider Rechte. Eine Methoden-Logik wird weder für das „Verfahren" der Güterabwägung noch für das praktischer Konkordanz definiert 113 . Die konventionelle Kollisionsdogmatik ergibt das in Abb. 9 schematisch dargestellte Bild. 4.2.2.1.2. Rechtlich-dogmatische Kritik Die Güterabwägung ist auch als Lösungsverfahren für Kollisionen abzulehnen. Aus den zu Lösungsansatz 2.2.4 für echte Konkurrenzen (oben 4.2.1.1.2.) angeführten rechtlich-dogmatischen Gründen folgt die Unvereinbarkeit der Güterabwägung mit dem GG unabhängig von der Problemklasse, zu deren Lösung sie herangezogen wird. Zwar weist die konkrete Spielart der Güterabwägung gegenüber der abstrakten den Vorzug auf, daß sie durch das Einbeziehen aller Umstände des Einzelfalles neben dem abstrakten „Wertrangordnungs"-Aspekt ein erhebliches Argumentereservoir, wenn auch undifferenziert, erschließt; außerdem trägt sie dem Erfordernis einer konkreten Lösung der konkreten Kollisionssituation Rechnung 114 . Jedoch gelingt es der konkreten Spielart auch nicht ansatzweise, die zu verarbeitende 109
Ausdruck von [83] F. Müller, Positivität, S. 95; zu Schein-Kollisionen treffend: [lOOlRüfner, Grundrechtskonflikte, S. 461-471. nt) Vertreter: [45]Hesse,VerfassungsR, S. 28-29; [83]F. Müller,Positivität,S.47-48, S. 53, S. 89; [100] Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 465-471. 111 Vertreter: [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb. : Herzog), Art. 5 Rdnr. 252 mwN. 112 BVerfG in st. Rspr.; vgl. ζ. B. BVerfGE 30, 173 ff. („Mephisto"), seit BVerfGE 7, 198ff. („Lüth"). Explizit im Sinne einer 2-stufigen, abstrakt-konkreten Abwägung: [131 Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 141-142. 113 Zum letzteren vgl. [83] F. Müller, Positivität, S. 48 („keinen differenzierten Lösungsweg", „keine Methode"). 114 Ähnlich: [83] F. Müller, Positivität, S. 48.
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Argumentmenge methodisch-diszipliniert nach Argumentationsvoraussetzungen, -anforderungen und -folgen zu strukturieren. Sie verbleibt dem verfehlten pauschalen Entweder-Vorrang-Oder-Nachrang-Denken jeder Güterabwägung verhaftet. Die auch im Rahmen der konkreten Güterabwägung nie ohne nähere Untersuchung ausschließbare dritte Möglichkeit des konkreten Gleichrangs bleibt a priori ausgeblendet115. Schon im Ansatz verfehlt auch die konkrete Güterabwägung die positiv-rechtliche Grunderkenntnis, daß alle (originären) Verfassungsnormen unter dem spezifischen Aspekt ihrer rechtlichen Anwendbarkeit verfassungsintern normativ ranggleich sind. Sie stellt sich damit selbst ins positiv-verfassungsrechtliche „Abseits". Gegenüber der letztlich wohl dem Einfluß idealistischer 116 bzw. materialwertethischer Rechtsphilosophien erlegenen Konzeption der Güterabwägung setzt die praktische Konkordanz richtig an, indem sie von der Basisthese der verfassungsinternen, anwendungsrelevanten Ranggleichheit ausgeht. Auch die beiderseitige Schutzbereichsoptimierung als Ziel des Verfahrens und Lösung der Kollisionssituation erscheint prima facie folgerichtig aus dieser Basisthese abgeleitet. Nicht erkannt wird jedoch die logische Problematik des Ziels beiderseitiger, also doppelter Optimierung (sog. 2-dimensionale Optimierung). Außerdem fehlt bislang neben dem ersten Schritt der ZielDefinition der ebenso notwendige zweite Schritt des Entwurfes einer praktischbrauchbaren, d. h. operationalen Methode zur Erreichung eben dieses Ziels. Für den Problembereich der Kollisionen kann das dritte Global-Ziel dieser Arbeit (oben 1.2.3.) nunmehr konkret wie folgt umschrieben werden: Zur Erzielung praktischer Konkordanz der kollidierenden Entscheidungsnormen ( = Lösung der Kollisionssituation) ist eine im abgeschwächten Sinne operationale Methode zu konstruieren, die auf einer Operationalisierung der Kollisionssituation basiert und deren Abarbeitung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (sog. heuristische Methode) zum Ziel führt. Die Eigenschaft «heuristische Methode» sei dabei wie folgt definiert (Def. 123, vgl. auch Def. 75): Eine heuristische Methode ist eine Methode, deren Lösungswahrscheinlichkeit stets kleiner als 1 ist. Im Gegensatz dazu stellt ein Algorithmus eine sog. exakte Methode mit Lösungsgarantie dar, d.h. beim Algorithmus ist die Lösungswahrscheinlichkeit genau gleich l 1 1 7 . 115 Typisch ζ. B. BVerfGE 35, 202ff. („Lebach"): trotz „abstrakter Gleichrangigkeit" pauschale „konkrete Vorrangigkeit" der Art. 1 1 1 , 2 1 GG gegenüber Art. 5 1 2 (2) GG. 116 Zur analogen Situation der Demokratie-Diskussion vgl. [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 58. Im deutschen Kulturkreis ist die Demokratie-Diskussion (und nicht nur diese) herkömmlicherweise idealphilosophisch ausgerichtet geführt worden, im Gegensatz zur modernen analytisch ausgerichteten anglo-amerikanischen Diskussion. Die analytische anglo-amerikanische Demokratie-Theorie wird erst in neuerer Zeit rezipiert (z.B. [85] Narr/Naschold, Theorie der Demokratie) und offenbarte ein erhebliches Theoriedefizit der deutschen Politologie und Staatstheorie. 117 Zum exakten Wahrscheinlichkeitsbegriff vgl. [76] Meschkowski, S. 281 ( Wahrscheinlichkeit = Norm einer Ereignisalgebra, Def. 124) ; normierte Ereignisalgebra = normierter, als Ereignisalgebra gedeuteter Boolescher Verband (Def. 125); Boolescher Verband = distributiver und komplementärer Verband (Def. 126); zum Verbandsbegriff (insbesondere den Verbandsaxiomen) vgl. [76] Meschkowski, S. 273 sowie [44] Hermes, Verbandstheorie, S. 1-5.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
93
4.2.2.2. Bildung von Fallgruppen; Diskussion von Beispielsfällen; Entwicklung einer die konventionelle Kollisionsdogmatik transzendierenden rechtsdogmatischen Basisthese Fallgruppe 1 (Kollision mit im Ergebnis beiderseitiger Begrenzung) „Lebach"-Fall 1 1 8 : Ein vom ZDF hergestelltes Dokumentarfernsehspiel über den Soldatenmord in Lebach sollte kurz vor der Strafentlassung eines der Täter nach § 57 I StGB (Aussetzung des 1/3-Strafrestes zur Bewährung) gesendet werden. Im Fernsehspiel sollten der Täter und sein Tatbeitrag dargestellt, insbesondere Bildnisse des Täters gezeigt und sein Name genannt werden. Gestützt auf einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 I 2 BGB rechtsanalog, 22, 1 KunstUrhG beantragte der Täter im Verfahren der einstweiligen Verfügung ein Verbot der Sendung. — Das BVerfG geht von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Täter und ZDF aus. Von daher prüft das Gericht im Einklang mit seiner st. Rspr. zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, ob L G und OLG die „Ausstrahlungswirkung" der in den Grundrechten enthaltenen „Wertentscheidungen" auf das Zivilrecht hinreichend beachtet haben. Als im Lichte der Grundrechte zu interpretierende zivilrechtliche Vorschriften werden die §§ 22f. KunstUrhG angesehen: Ausstrahlende Grundrechte seien seitens des Täters das Persönlichkeitsschutzrecht aus Art. 111,21 G G 1 1 9 , seitens des Z D F die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 (2) GG. Diese Rechte stünden in einem Spannungsverhältnis. Ihre Kollision sei durch eine konkrete Güterabwägung zu lösen, um von daher zu einer Interpretation der §§ 22 f. KunstUrhG im Lichte der Verfassung zu gelangen. Da beide „Verfassungswerte" essentialia der demokratischen Grundordnung darstellen, erachtet das Gericht beide „Werte" für abstrakt gleichrangig. Dabei identifiziert das Gericht unreflektiert demokratiebezogene Bedeutung und rechtsanwendungsbezogene Bedeutung. Wegen des abstrakten Gleichranges geht das Gericht zur Entscheidung der (Vor-)Rangfrage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles über. Es wägt das von Art. 5 I 2 (2) GG geschützte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer späteren, nicht-aktuellen Berichterstattung über schwere Straftaten gegen das von Art. 1 I 1, 2 I GG geschützte Resozialisierungsinteresse des Täters ab, welches — wegen seiner namentlichen und bildlichen Identifizierung in der Sendung — regelmäßig durch eine solche Sendung kurz vor der Strafentlassung gefährdet werde. Im Ergebnis erkennt das Gericht dem Persönlichkeitsschutzrecht des Täters den konkreten Vorrang zu. — 118
Vgl. BVerfGE 35, 202ff. ( = Urt. v. 5. 6. 73 — 1 BvR 536/72). Vgl. hierzu: BVerfG Beschl. v. 31. 3. 73 — 2 BvR 454/71 („heimliche Tonbandaufnahme"). 119
94
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
Aus rechtlich-dogmatischer Sicht erscheint bereits der Lösungsansatz des BVerfG bedenklich. In Fortschreibung langer Tradition 1 2 0 folgt das Gericht der These einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Die Ausgestaltung dieser These durch das Gericht ist in dreifacher Hinsicht unbefriedigend: Erstens nimmt das Gericht die häufig subtile Abgrenzungsproblematik zwischen Staatswirkung und Drittwirkung nicht genügend ernst, obwohl die Dogmatik seit langem brauchbare Abgrenzungskriterien in Form von „Anknüpfungs-" und „Verletzungsverhältnis" zur Verfügung stellt 1 2 1 . Als Folge bejaht das Gericht auch hier vorschnell eine Drittwirkung von Grundrechten im Zivilrechtsverhältnis. Zweitens wird die interpretative Ausstrahlungswirkung der Grundrechte über unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln des Zivilrechts weit hinaus auch auf bestimmt-formulierte Zivilrechtsnormen — wie §§ 22 f. KunstUrhG — erstreckt. Drittens werden für das Eingreifen der mittelbaren Drittwirkung keine Voraussetzungen postuliert 122 . Dies alles führt dazu, daß die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte in der Übung des BVerfG einer unmittelbaren Drittwirkung im Ergebnis gleichkommt und dadurch die durch Art. 2 I GG gewährleistete Privatautonomie liquidiert wie die Zivilrechtsordnung manipuliert. Entgegen dem BVerfG ist der Interessenschutz, den die Zivilrechtsordnung gewährleistet, nicht so mangelhaft, daß stets sogleich auch die Verfassung bemüht werden muß. Wegen des hier im Vordergrund stehenden Kollisionsproblems können diese Einstiegsprobleme — so bedeutsam sie erscheinen — jedoch nicht weiter verfolgt werden. Es werde deshalb die Anwendbarkeit des Persönlichkeitsschutzrechtes aus Art. 1 1 1 , 2 1 GG (im Sinne eines Rechts auf Achtung der Privatsphäre) ebenso unterstellt wie die Anwendbarkeit der ein Dokumentarfernsehspiel bereits dem Wortlaut nach 1 2 3 umfassenden Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 (2) GG. Es werde weiter unterstellt, daß das Persönlichkeitsschutzrecht den Schutz des eigenen Namens und des eigenen Bildes mit umfaßt. Demgegenüber sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht lediglich ein subjektiv-privates Recht, welches der Ergänzung der besonderen zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechte (z.B. aus §§ 22f. KunstUrhG) diene 124 . Durch diese dogmatischen Unterstellungen wird erreicht, daß der verfassungsrechtliche Schutz des Täters gegenüber dem Z D F vor dessen sämtlichen Detaileingriffen (Namensnennung, Abbildung, sonstige Resozialisierungsgefahrdung) im Sinne eines aktual garantierten Schutzmindestmaßes allein den 120
Vgl. z. B. : BVerfGE 7, 230ff. („Wahlplakat"). [83] F. Müller, Positivität, S. 39-40. Im Gegensatz zu [45] Hesse, VerfassungsR, S. 149, der zutreffend die mittelbare Drittwirkung nur bei einem (ausnahmsweise) bestehenden Machtgefälle zwischen Privaten für anwendbar hält. 123 A u f die sich an den im Vergleich zur Pressefreiheit engeren Wortlaut der Rundfunkund Filmfreiheit anknüpfende Kontroverse (vgl. hierzu [84] v. Münch, Art. 5 Rdnr. 32 mwN) kommt es deshalb hier nicht an. 124 So [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb. : Dürig), Art. 2 Rdnr. 40 sowie Anm. 1 zu Rdnr. 40. 121
122
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
95
Art. 1 I 1, 2 I GG unterstellt wird. Bei Übernahme der zivilrechtlichen Differenzierung in das Verfassungsrecht dagegen hätte der Bildnisschutz aus Art. 1 I 1, 2 I GG herausgenommen werden müssen, sei es, daß ein lediglich allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 1 1 , 2 1 GG den Bildnisschutz bereits tatbestandsmäßig nicht umfaßt, sei es, daß ein „besonderer" gesetzlicher Bildnisschutz aufgrund Art. 5 I I GG, § 22, 1 KunstUrhG kraft „Spezialität" dem „allgemeinen" verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. I I I , 2 I GG vorgeht. In der letzteren Lesart würden der Konkurrenz-Terminologie und den Methoden der Konkurrenzlösung der Weg zu Relationen zwischen Entscheidungsnormen aus extern rangverschiedenen Normsätzen eröffnet. Dies ist aber abzulehnen (vgl. oben 2.2.3.). Weiter werde unterstellt, daß der Bildnisschutz aus §§ 22-24 KunstUrhG zwar Abbildungen und bildliche Darstellungen in Film, Fernsehen oder Theater umfaßt, nicht aber sonstige, abbildungsfreie Darstellungen in diesen Medien 1 2 5 . Abgesehen davon, daß diese rechtsdogmatische Unterstellung der negativen Funktion des Ausdrucks „Bildnis" in § 22 KunstUrhG als Konkretisierungsgrenze Rechnung trägt, dient sie hier primär der Vorbereitung methodologisch relevanter kollisionsdogmatischer Differenzierungen. Die Unterstellung möge wegen der methodologischen Intention dieser LebachRezension zumindest als rechtsdogmatische Arbeitshypothese toleriert werden. Im Ergebnis führt dies dazu, daß Art. 1 1 1 , 2 1 GG, soweit sie vor Namensnennung und Resozialisierungsgefährdung schützen, gem. den Prämissen 1-6 in eine Kollisionssituation mit Art. 5 I 2 (2) GG treten, der als Mit-Korrelat der Informationsfreiheit (Art. 5 11 (2) GG) auch den Schutz des Informationsinteresses der Öffentlichkeit umfaßt. Denn insbesondere stehen die Rechtsfolgen beider Grundrechte in einem logischen Widerspruch (vgl. Prämisse 6). Beide Eingriffe sind gem. Art. 5 1 2 GG verfassungsmäßig, gem. Art. I I I , 2 I GG aber verfassungswidrig. Soweit der Eingriff des Z D F jedoch gerade in der bildlichen Darstellung des Täters besteht, entsteht keine Kollisionssituation. Denn der kategorische Bildnisschutz durch den rechtsstaatlich-bestimmt formulierten § 22, 1 KunstUrhG — Ausnahmen nach §§ 23-24 KunstUrhG greifen nicht ein 1 2 6 — reicht weiter als Bildnisschutz aufgrund des Persönlichkeitsschutzrechts aus Art. 1 I 1, 2 I GG. Auch genügt § 22, 1 KunstUrhG dem qualifizierten („allgemein" ist qualifizierendes Merkmal) Begrenzungsvorbehalt der allgemeinen Gesetze in Art. 5 I I G G 1 2 7 . § 22,1 KunstUrhG erhält durch Art. 5 I I GG grundrechtsbegrenzende Kraft, ohne in den Status eines zu Art. 5 1 2 GG extern gleichrangigen Rechts erhoben zu werden. Aus diesen Gründen be125
Vgl. zu dieser Problematik : BGHZ 26,67. A. M . : OLG Koblenz, NJW 1973, 251. 127 Sog. absolute Theorie; vgl. zur Kontroverse zwischen absoluter, relativer (Smend) und Schaukeltheorie [84] v. Münch, Art. 5 Rdnr. 47 ff. 126
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2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
grenzen § 22, 1 KunstUrhG, Art. 5 I I G G die Rundfunkfreiheit im Ergebnis stärker als das — an sich kollidierende — Grundrecht aus Art. 1 1 1 , 2 1 GG. Dies bewirkt eine „Entkollisionierung". Wegen des Art. 1 1 1 , 2 1 GG zugehörigen, den Art. 5 I 2 (2) GG stärker begrenzenden Unterverfassungsrechts entsteht zwischen den Grundrechten keine Kollisionssituation, soweit es den Bildnisschutz anbetrifft. Nach der hier vorgeschlagenen Terminologie (vgl. Reduktion 2.2.3. sowie Prämisse 1) entsteht ebenfalls zwischen § 22,1 KunstUrhG und Art. 512 (2) GG keine Kollisionssituation. Die Relation zwischen Art. 5 I 2 (2) GG und § 22, 1 KunstUrhG ist entgegen der st. Rspr. des BVerfG auch inhaltlichmaterial nicht durch eine Methode der Kollisionslösung — etwa im Wege schaukelnder Einzelfallabwägung — zu bereinigen. Vielmehr bemißt sich Wirksamkeit wie die die Rundfunkfreiheit begrenzende Kraft des § 22, 1 KunstUrhG danach, ob § 22, 1 KunstUrhG von Voraussetzungen und Rechtsfolge des Begrenzungsvorbehalts des Art. 5 I I GG gedeckt ist, ob das Übermaßverbot im weiteren Sinne beachtet, der Normtext des § 22, 1 KunstUrhG hinreichend klar und bestimmt ist und nicht gegen die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 I I GG verstoßen wird. Drei dogmatische Einsichten drängen sich auf. Erstens: Grundrechte kollidieren nicht als abstrakte Normsätze, sondern als Entscheidungsnormen. Die Kollisionssituation setzt nämlich voraus, daß im 2-Personenfall mit parallel entgegengerichteten Rechten die Quasi-Entscheidungsnormen nur noch eine solche konkretisierungsbedürftige Rechtsvariable („Tatbestandsmerkmal") enthalten, deren Ausprägungen die verschiedenen konkreten Rech tsausübungsmodalitäten verschiedener Ausübungsintensität — in eindimensionaler Anordnung — darstellen. Die Kollisionssituation entsteht dann dadurch, daß zwei Personen aus dem Ausübungsspektrum der Quasi-Entscheidungsnormen zwei jeweils rechtsfolgengedeckte konkrete Ausübungsmodalitäten wählen, die einander rein tatsächlich „ins Gehege" kommen. Dadurch entsteht zwischen den Rechtsfolgen der jeweils zugeordneten grundrechtlichen Entscheidungsnormen ein logischer Widerspruch, der die Entscheidung des Rechtsfalles behindert. Durch die Wahl der konkreten Ausübungsmodalität werden beide QuasiEntscheidungsnormen zu Entscheidungsnormen konkretisiert. Die Konkretisierungsabhängigkeit der Kollisionsrelation erscheint ganz analog zu der der Konkurrenzrelation, insbesondere zu der der Spezialitäts- und Subsidiaritätsrelation. Zweitens: Vor Diagnostizierung einer Kollisionssituation ist zu prüfen, ob das dem Normbereich des Grundrechts χ zugeordnete Unterverfassungsrecht von einem Begrenzungsvorbehalt des Grundrechtes y Gebrauch macht und dieses dadurch stärker begrenzt, als es das Grundrecht χ selbst vermag. Grundrechtskollisionen sind nur möglich zwischen Grundrechten, die — im Vergleich zu ihrem Unterverfassungsrecht — im Ergebnis die stärkere
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
97
Begrenzungsintensität entwickeln. Methodisch kann dieser Erkenntnis dadurch Rechnung getragen werden, daß man zur Diagnose des Rechtsfolgenwiderspruchs nicht auf die durch die Tatbestandsmerkmale umschriebenen Normbereiche, sondern auf die kraft Begrenzungsvorbehalt in Verbindung mit einem Begrenzungsgesetz evtl. engeren Schutzbereiche abstellt. Bei sorgfältigem Abarbeiten der Prämissen 4 und 6 ergibt sich dies automatisch. Drittens: Zur Güterabwägung als solcher ist festzustellen, daß die Gerichte selbst die praktische Unbrauchbarkeit der favorisierten Güterabwägung augenfällig demonstrieren: Trotz ähnlicher sachlicher Argumente kamen OLG und BVerfG gerade zu entgegengesetzten Ergebnissen. Der schematische Entweder-Oder- bzw. Alles-Oder-Nichts-Denkstil verstellt auch den Blick auf die dritte dogmatische Erkenntnis : Zwei kollidierende Entscheidungsnormen sind dadurch zu „entkollisionieren", daß man durch umfassendes Auffinden und vollständiges Verarbeiten materialer Argumente den Bereich kollidierender Rechtsausübungsmodalitäten zwecks praktischer Konkordanz normativ-verfassungsrechtlich begründbar 128 aufteilt, indem man einen absoluten, beiderseits gültigen Begrenzungspunkt (sog. Lösungspunkt) fixiert. Daraus folgt die 2. rechtsdogmatische Basisthese (Def. 127): Die Kollision ist eine Relation zwischen Entscheidungsnormen; die Lösung der Kollision stellt ein konkretisierungsabhängiges, material-komplexes Argumentationsproblem dar. Im „Innenbereich" bis zum Lösungspunkt besteht absoluter Grundrechtsschutz (absolute Schutzzone mit Verfassungswidrigkeit einer jeden Verletzung). Jenseits des Lösungspunktes, d.h. im Bereich des infolge der Entkollisionierung verlorengegangenen ursprünglichen Schutzbereiches ist jedoch — dogmatisch differenziert und abgestuft — ein zur Verletzungsintensität relativer Grundrechtsschutz durchaus denkbar (verdünnte Schutzzone mit Verfassungswidrigkeit von Verletzungen nur ab einer gewissen Verletzungsintensität) 129 . Diese Erkenntnis hätte im Lebach-Fall ζ. B. dadurch praktisch umgesetzt werden können, daß man die Sendung des Z D F nicht pauschal für verfassungswidrig oder -mäßig erachtet, vorausgesetzt man bejaht überhaupt, daß die Eingriffe des Z D F lediglich die infolge Kollision verdünnte, relative Schutzzone der Art. 1 I 1, 2 I GG bestreichen. Unter dieser Voraussetzung wäre zu prüfen gewesen, ob die Sendung bereits ohne Namensnennung verfassungsmäßig ist, oder ob hierfür notwendig ist, daß weder der Name des Täters genannt noch Täterfotos gezeigt werden, oder ob (Extremfall) die Sendung schlechthin verfassungswidrig ist. Dadurch wird eine ganze Klasse von Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet. Dies hätte § 938 I ZPO bereits für die Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem L G und OLG nahegelegt. 128 129
So: [83] F. Müller, Positivität, S. 89. Vgl. [83] F. Müller, Positivität, S. 49.
7 Fohmann
2. Teil: Das Problem; Lösungsnotwendigkeit; Bestandsaufnahme
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Fallgruppe 2 (Kollision mit im Ergebnis einseitiger Begrenzung) „Kriegsdienstverweigerer"-Fall: Ein gemusterter 18jähriger beruft sich auf seine Gewissensfreiheit und verweigert pauschal den Kriegsdienst mit der Waffe. — Es werde unterstellt — es sei dies wegen der methodologischen Zielrichtung gestattet —, daß bereits in der Gewissensfreiheit des Art. 4 I (2) GG das Kriegsdienstverweigerungsrecht enthalten sei. Dann ist Art. 4 I I I 1 GG nicht als lex specialis zu Art. 4 I (2) GG deutbar 130 . Denn Prämisse 6 wird mangels Umfangsdivergenz nicht erfüllt. Eine Konkurrenzsituation zwischen Art. 4 I (2) GG und Art. 4 I I I 1 GG kann nicht entstehen. Zwischen Art. 4 I (2) GG und Art. 12a I GG jedoch entsteht eine Kollisionssituation. Von daher bietet es sich an, Art. 4 I I I 1 GG als Norm zu deuten, die die Lösung dieser Kollision regelt. Nach der „kollisionslösenden" Norm des Art. 4 I I I 1 GG tritt Art. 12a I GG pauschal zurück, soweit es die Wehrpflichterfüllung durch Waffendienst — wie hier — anbelangt. Art. 12 a I GG wird einseitig begrenzt. Dies bedeutet jedoch lediglich ein Piazieren des Lösungspunktes auf ein Rand-Extrem des Kollisionsbereichs. Fall 2 ist lediglich ein Sonderfall der Fallgruppe 1 mit extremem Ergebnis. Die Differenzierung zwischen den Fallgruppen 1 und 2 wird deshalb nicht weiter verfolgt. Fallgruppe 3 (Schein-Kollisionen) „§218-Urteil" 1 3 1 : Durch § 218a StGB idF des 5. StrRG v. 18. 6. 1974 (BGBl. I, S. 1297) sollte die sog. Fristenlösung verwirklicht werden. Ein Teil der Abgeordneten der Bundestagsfraktion der CDU/CSU sowie die Landesregierungen von Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein beantragen eine abstrakte Normenkontrolle gem. Art. 93 I Nr. 2 GG, §§13 Nr. 6, 76ff. BVerfGG. Das BVerfG erachtet den § 218a idF des 5. StrRG für mit dem GG unvereinbar: Der Lebensschutz der Leibesfrucht genieße grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und dürfe auch nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden (LS 3). — Es wird hier die Ausgangsposition des BVerfG geteilt, daß der Lebensschutz des Art. 2 I I 1 GG auch dem nasciturus zugute kommt 1 3 2 . Dann erliegt das Gericht jedoch der magischen Anziehungskraft der Güterabwägung. Es behauptet vorschnell, zwischen dem Lebensrecht des nasciturus und dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren bestehe eine Kollisionssituation, die mittels Güterabwägung zu lösen sei; die Güterabwägung führe zum 130 131 132
So aber: BVerfGE 19,135,138 („Ersatzdienstverweigerung"). BVerfGE 39, Iff. ( = Urt. v. 25. 2. 75 — B v F 1-6/74). A. M. : [84] v. Münch/Niemöhlmann, Art. 2 Rdnr. 42.
Kapitel 4. Konventionelle Problembehandlung und -lösung
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Vorrang des Lebensschutzes. Abgesehen davon, daß Rechtsgrundlage, Inhalt und Umfang des Selbstbestimmungsrechts dogmatisch nicht hinreichend geklärt erscheinen, wird übersehen, daß § 218a StGB iVm Art. 2 I I 3 GG (einfacher Gesetzesvorbehalt) eine zweite selbständige Rechtsgrundlage zur Begrenzung des Lebensrechts aus Art. 2 I I 1 GG darstellen, wobei § 218a StGB dem Unterverfassungsrecht des Selbstbestimmungsrechtes zuzuordnen wäre. Die Rechtslage ist damit ganz analog zu der des Lebach-Falles, soweit dort der Bildnisschutz in Frage steht. Es spricht einiges dafür, daß die Begrenzung des Art. 2 I I 1 GG durch § 218a StGB iVm Art. 2 I I 3 GG im Ergebnis weiter reicht als eine durch ein dogmatisch noch zu präzisierendes Selbstbestimmungsrecht aus Art. 1 I 1, 2 I GG. Damit scheidet eine Kollisionssituation aus. Zwischen Lebens- und Selbstbestimmungsrecht liegt nur eine Schein-Kollision v o r 1 3 3 . Jedenfalls hätte das BVerfG sorgfältiger prüfen müssen, ob § 218 a StGB idF des 5. StrRG vom Gesetzesvorbehalt des Art. 2 I I 3 GG gedeckt wird und auch die weiteren Begrenzungsvoraussetzungen (Übermaßverbot iwS, Bestimmtheit des Gesetzestextes, Wesensgehaltsgarantie) erfüllt.
133 [100] Rüfner, Grundrechtskonflikte, müßte auf Grund seiner Thesen von S. 461 zum selben Ergebnis gelangen.
7*
Dritter Teil
Vorbereitung eines neuen Lösungsansatzes; Neudefinierung des Problems 5. Kapitel
Kritik unter dem Aspekt methodologischer Rationalität — Kritikschwerpunkt — Soll die konventionelle Dogmatik und Methodologie unter dem Aspekt methodologischer Rationalität kritisiert werden, so darf sich solche Kritik nicht auf die zur Lösung des Konkurrenz- und Kollisionsproblems entwickelten konventionellen Lösungsansätze beschränken. Denn die Leistung eines Lösungsansatzes hängt auch davon ab, ob und wie sorgfältig bereits die Problemsituation als solche analysiert wurde. Dies gilt insbesondere für die Lösung nicht-operationaler Probleme. Bei diesen sind Problemdefinition bzw. -analyse und Lösungsmethode nur als analytische Kategorien, nicht aber sachlich, d.h. beim Entwickeln einer Lösungsmethode, trennbar 1 . Damit muß eine methodologische Rationalkritik auch die konventionelle Klassifizierung und Analyse des Problemfeldes umfassen.
5.1. Methodologische Rationalkritik der konventionellen Klassifizierung und Analyse des Problemfeldes Bereits oben (4.1.4.) wurde festgestellt, daß die Grundklassifikation des reduzierten Problemfeldes in Konkurrenz- und Kollisionssituation unter analytischem Aspekt als korrekt erscheint. Dies bedeutet aber lediglich, daß die Klassifikationsaxiome beachtet wurden, d.h. daß insbesondere das gesamte Problemfeld abgedeckt wird. Die konventionelle Dogmatik hinterfragt diese Grundklassifikation jedoch nicht inhaltlich, sondern gibt sich mit dem allgemeinen Konsens über ihre intuitiv-evidente Notwendigkeit zufrieden. Eine inhaltlich-materiale Untersuchung und Begründung der Grundklassifikation fehlt demgemäß. Eine solche Untersuchung ist jedoch unumgänglich, 1
[51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 203.
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
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will man nicht a priori auf das wohl ergiebigste Reservoir material-rationaler Lösungsansätze verzichten. Nur eine solche Untersuchung vermag zu klären, ob und inwiefern Konkurrenzen und Kollisionen zwei grundlegend verschiedene materiale Konflikttypen darstellen (vgl. unten 6.1.). Dieses Postulat materialer Analyse des Problemfeldes spezifiziert für das hier zu untersuchende Sachproblem der Konkurrenzen und Kollisionen lediglich die Basiserkenntnis der Methodik der Normkonkretisierung, daß die materialen Argumente aus der Analyse der realen Grundstrukturen der Normbereiche einen der Hauptfaktoren der Konkretisierung darstellen 2. Eine materiale Feldanalyse ist auch unter methodologisch-rationalem Aspekt unumgänglich. Denn die Lösungsmächtigkeit 3 einer Methode hängt unter anderem auch von der Qualität der Analyse ihres Anwendungsbereichs (sog. Definitionsbereich der Methode) ab. Auch die Klassifikation der Konkurrenzsituation in lediglich echte und unechte Konkurrenzen erscheint korrekt. Zwar können a priori drei Untersituationen definiert werden, nämlich die Anwendbarkeit beider (echte Konkurrenz), die Unanwendbarkeit nur einer (unechte Konkurrenz) und die Unanwendbarkeit beider Entscheidungsnormen. Jedoch scheitert die letzte Möglichkeit bereits an rechtlich-dogmatischen Erwägungen (vgl. oben 4.2.1.1.2. die Kritik zu Ansatz 2.2.6), ohne daß es auf den methodologisch-rationalen Aspekt ankäme. Abgesehen von der bereits monierten mangelnden materialen Analyse der Struktur der Konkurrenzsituation als solcher fehlt auch eine Analyse der aus den abstrakten Anwendungsfeldern zweier gleichzeitig aktualisierbarer Normsätze gebildeten Basiskonfiguration dahingehend, welche Anwendungsfeldsektoren (sog. Teilfelder) und Relationen zwischen diesen sich vor dem „Starten" des Verfahrens der Normkonkretisierung unterscheiden lassen, wie sich die zunehmende Konkretisierung der abstrakten Normsätze im Verlaufe des Verfahrens auf ihre Anwendungsfelder auswirkt, welchen Stellenwert eine Inklusionsrelation zwischen den abstrakten Tatbeständen bzw. eine abstrakte Anwendungsfeldinklusion hat und wie die Begriffe Spezialität und Subsidiarität präzisiert werden können derart, daß einerseits der 1. rechtsdogmatischen Basis these (vgl. Def. 122) Rechnung getragen wird und andererseits beide Begriffe operationalisiert werden. Es fehlt also insbesondere eine Analyse des über der Vereinigungsmenge der beiden abstrakten Anwendungsfelder erzeugten (Teil-)Mengensystems (vgl. Def. 92). Mittels dieser Analyse kann die Konkurrenzsituation soweit operationalisiert werden, daß eine (im abgeschwächten Sinne) operationale (vgl. Def. 52) Lösungsmethode angesetzt werden kann. Analoges gilt für die Kollisionssituation. Der konventionellen Dogmatik kann nur insoweit gefolgt werden, als sie innerhalb der Kollisionssituation 2 3
[79] F. Müller, Jur. Meth. I, passim. Zu diesem Begriff vgl. [53] Kirsch, BWL, S. 297-298, sowie unten 9.1.
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3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
— im Gegensatz zur Konkurrenzsituation — keine Differenzierungen vornimmt. Eine materiale Analyse des Zusammenhanges zwischen dem Verfahren der Normkonkretisierung und der Struktur der Kollisionssituation sowie der funktionalen Abhängigkeit der konkreten Modalität der Grundrechtsausübung (unabhängige Variable) und der grundrechtlichen Schutzintensität (abhängige Variable) fehlt jedoch. Voraussetzung für beides ist eine materiale Analyse der Struktur der Kollisionssituation als solcher. Auf diese Weise kann auch die Kollisionssituation operationalisiert werden.
5.2. Methodologische Rationalkritik der konventionellen Lösungsansätze Die im Rahmen der Konkurrenzsituation zur Lösung der echten Konkurrenz vertretenen konventionellen Ansätze sind bis auf den Ansatz 2.2.2 (Präferenz des Umfangsmaximums) bereits einer rechtlich-dogmatischen Kritik erlegen. Gegen den Ansatz 2.2.2 bestehen auch unter methodologisch-rationalem Aspekt keine Bedenken. Zwar wäre im einzelnen noch zu klären, inwieweit sich die Anwendungspräferenz hinsichtlich des Grundrechtes mit der weitergehenden Rechtsfolge auf die (Rest-)Anwendbarkeit des echt konkurrierenden anderen (engeren) Grundrechtes auswirkt. Es spricht einiges dafür, daß das nicht-präferierte, engere Grundrecht z.B. bzgl. Art. 19 I 1-2, 19 I I GG seine volle Relevanz behält. Jedoch handelt es sich hierbei um ein rechtsdogmatisches Problem, welches hier nicht weiter untersucht zu werden braucht. Der zur Lösung der unechten Konkurrenz vertretene konventionelle Spezialitätsbegriff konnte bereits der rechtlich-dogmatischen Kritik nicht standhalten. Gem. der 1. rechtsdogmatischen Basisthese ist Spezialität demgegenüber als komplexes, mater iales Argumentationsproblem durch methodische Strukturierung derart aufzubereiten, daß nicht-komplexe, nacheinander ausführbare Einzeloperationen zu einer über die Spezialität entscheidenden spezifischen Argumentationsmethode „synthetisiert" werden, welche ein Unterprogramm der Methode zur Konkurrenzlösung darstellt. M i t anderen Worten : es ist eine operationale Mikro-Logik für die in Abb. 7 dargestellte Lösungsmethode zu entwickeln, soweit diese Methode mit den Ergebnissen aus der Operationalisierung der Konkurrenzsituation (überhaupt) vereinbar ist. Die unverfeinerte Makro-Logik mit ihren durch die konventionelle Dogmatik inhaltlich verfehlt wie unpräzise gedeuteten, komplexen Operationen stellt im Gegensatz dazu keine Methode dar, die transparent dargestellt und nichtkomplex wie operational, also zur Ausführung hinreichend genau und vollständig konstruiert ist. Auch erscheinen die Ergebnisse der konventionellen Methode nicht hinreichend intersubjektiv diskutierbar. Denn zahlreiche Einzeloperationen, auf denen das Ergebnis beruht, werden nicht offengelegt. Dadurch bleibt die angeführte Ergebnisbegründung torsohaft. Ein rationaler Nachvollzug wird zumindest erheblich erschwert. Insgesamt zeigt sich,
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
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daß die konventionelle Lösung der Konkurrenzsituation nicht dem Standard genügt, der unter methodologisch-rationalem Aspekt wünschenswert wäre. Die konventionellen Ansätze zur Lösung der Kollision sind unter methodologisch-rationalem Aspekt dahingehend zu kritisieren, daß sie lediglich einen Katalog von Anforderungen (Anwendung des grundgesetzlichen Wertsystems, Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, beiderseitige Optimierung) aufstellen, die eine Lösungsmethode zu erfüllen hat. Eine Methode, als solche wird jedoch nicht geliefert. Dies kann unterschiedlich gedeutet werden: entweder es existiert überhaupt keine Methode zur Kollisionslösung, im Gegensatz zu den Konkurrenzen nicht einmal deren Makro-Logik, oder aber die Methode ist über das Stadium eines intuitiv-spontanen Pragmatismus nicht hinaus gediehen und ermangelt so einer konstant-greifbaren Substanz. In keinem Falle wird den Forderungen methodologischer Rationalität nach nicht-komplexer und operationaler Methodenkonstruktion sowie intersubjektiv diskutierbarer Methodendarstellung, insbesondere expliziter und transparenter Offenlegung, auch nur näherungsweise Rechnung getragen. Die mangelnde Lieferung einer Methode zur Kollisionslösung bewirkt, daß die Komplexität der gem. der 2. rechtsdogmatischen Basisthese zu leistenden materialen Argumentation unreduziert bleibt. Die konventionelle Kollisionsdogmatik geht implizit davon aus, daß der (menschliche) Rechtsanwender fähig ist, solche komplexen Probleme ohne methodische Unterstützung zu bearbeiten. Diese These ignoriert die empirisch verifizierten kognitiven Restriktionen des menschlichen Informationsverarbeitungssystems. Die Restriktionen des menschlichen Wahrnehmungs-, Speicherungs-, Erinnerungs- und Denkapparates (sog. kognitives System)4 betreffen zum einen die Kapazität der menschlichen Informationsaufnahmekanäle und Informationsrezeptoren. Für die hier interessierende Teilklasse von Problemen der Informationsverarbeitung, den komplexen (juristischen) Argumentationsproblemen, ergibt sich aus diesen Restriktionen die Einsicht, daß der Geschwindigkeit des Auffindens und der Aufnahme von Argumenten (Phase der Informationsgewinnung) unumgängliche empirische Grenzen gesetzt sind. Die Informationspsychologie 5 hat empirisch verifiziert, daß die Informationsaufnahmegeschwindigkeit — kanalunabhängig — per saldo ca. 10 bit/sec beträgt 6 . Zwar reicht die Kanalkapazität als solche bis zu maximal 107 bit/sec beim Kanal „Sehen". Die um den Faktor 106 geringere Insgesamt-Aufnahmegeschwindigkeit resultiert jedoch daher, daß alle aufgenommenen Informatio4
Vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 68. Vgl. hierzu: [46] Hofstätter, Psychologie, S. 182-187; [28] Drever/Fröhlich, Psychologie, S. 161 mwN. 6 [46] Hofstätter, Psychologie, S. 185; vgl. auch: [21] v. Cube, Kybernetik, S. 157; ein etwas höherer Wert (50 bit/sec) für die Kanalkapazität per saldo findet sich bei [73] Marfeld, Kybernetik, S. 327. 5
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3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
nen „über" das sog. Kurzzeitgedächtnis 7 „laufen". Dieses Kurzzeitgedächtnis — das eine Glied einer zweigliedrig modellierten Gedächtnishierarchie 8 — stellt eine Zentral-Einheit der „hard-ware" 9 des menschlichen Informationsverarbeitungssystems dar. Es ist wegen seiner spezifischen Organisation für die beschränkte menschliche Informationsaufnahme- wie Informationsverarbeitungskapazität hauptsächlich verantwortlich. Denn die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses erlaubt lediglich die gleichzeitige Speicherung und Verarbeitung von 5—7 elementaren Informationsverarbeitungseinheiten (sog. chunks ) und arbeitet mit einer diskreten, elementaren Taktzeit von ca. 1/10 sec pro elementarer Operation (Informationsgewinnung, -Codierung, -speicherung, -transformation, -retrieval, -decodierung und -Übermittlung) 10 . Sollen Argumentationsprobleme in Echt-Zeit-Verarbeitung (sog. real-timeprocessing) gelöst Werden, d.h. sollen zeitlich unmittelbar nach dem Entstehen eines Argumentationsproblems Informationen zur Lösung dieses Problems in minimaler Zeit gewonnen, verarbeitet und ausgewertet werden wie dies z.B. auf die ad-hoc-Entscheidung eines Gerichts in mündlicher Verhandlung zutrifft, so fordern die kognitiven Restriktionen aufgrund geringer Aufnahmegeschwindigkeit, Speicherkapazität wie Verarbeitungsgeschwindigkeit des Kurzzeitgedächtnisses real-unausweichlich ihren Tribut. Komplexe „Echt-Zeit-Argumentationen" führen zu einer Überladung des Kurzzeitgedächtnisses (sog. information overload). Gegen diesen kognitiven Streß reagiert der Mensch, auch der (menschliche) Rechtsanwender, mit gewissen Strategien der Informationsverarbeitung. Die eine Strategie besteht darin, gewisse Argumente „zufällig" oder „konservativ" 11 zu fokussieren, die anderen aber zu vernachlässigen (sog. omission) 12. Dadurch wird die Komplexität des Argumentationsproblems zwar reduziert, jedoch nur mehr oder weniger willkürlich-unreflektiert. Eine Echt-Zeit-Verarbeitung liegt nur dem äußeren Anscheine nach vor. Da zahlreiche erforderliche Operationen jedoch unausgeführt bleiben, müssen solche Entscheidungen methodologisch-rational wie sachlich-material oberflächlich bleiben. 7
Zum Begriff: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 91. Zur zweigliedrigen Gedächtnishierarchie vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 90-92; für die Informationsverarbeitungstheorie des Entscheidungsverhaltens reicht dieses Gedächtnismodell aus. Für manche andere Theorien muß dieses Modell jedoch um das sog. Kürzestzeitgedächtnis zur dreigliedrigen Hierarchie erweitert werden, vgl. [46] Hofstätter, Psychologie, S. 122. 9 Zur Problematik der Anwendung der aus der Computer Science stammenden Begriffe „hardware" (maschinelle Konfiguration) und „software" (System- und Anwenderprogramme) auf das menschliche kognitive System vgl. [41] Hagen, Rationales Entscheiden, S. 73; vgl. auch die Kontroverse zwischen dem neutralen und dem reinen Informationsverarbeitungsansatz innerhalb der Informationverarbeitungstheorie, dazu: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 46-51. 10 [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 93. Interessant ist, daß der elektrische Grundrhythmus des Gehirns (sog. Alpha-Rhythmus) ebenfalls ca. 1/10 sec beträgt, vgl. [46] Hofstätter, Psychologie, S. 136; [73] Marfeld, Kybernetik, S. 92-94. 11 Zu diesen Begriffen vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 87. 12 Vgl. [41] Hagen, Rationales Entscheiden, S. 88. 8
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
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Die andere Strategie besteht darin, das Argumentationsproblem analytisch zu methodisieren und seriell abzuarbeiten (sog. successive scanning). Bei dieser Strategie wird die Problemkomplexität über den gesteigerten Zeitaufwand reduziert. Dadurch kann nicht einmal der äußere Anschein einer EchtZeit-Lösung aufrechterhalten werden. Ein echt-Zeit-gelöstes, ad hoc entstandenes, komplexes juristisches Argumentationsproblem erscheint nach alledem als contradictio in adiecto. Die kognitiven Restriktionen betreffen — neben den Informationsaufnahmekanälen und Informationsrezeptoren — auch die Informationsverarbeitung als solche (sog. Informationsverarbeitung ieS, vgl. den Exkurs am Abschnittende). Damit führt für jede Lösung bzw. Lösungsmethode eines komplexen Informationsverarbeitungsproblems, wie beispielsweise der hier interessierenden komplexen juristischen Argumentationsprobleme, kein Weg an der Berücksichtigung der beschränkten menschlichen Informationsverarbeitungskapazität vorbei. Die realen Grundstrukturen des menschlichen Informationsverarbeitungssystems sind ein Haupt-Faktor, der in die Konstruktion einer jeden juristischen Lösungsmethode einzubringen ist. Bemerkenswert erscheint, daß hiermit ontologische Ansätze in den prima facie „ontologiefreien" Bereich juristischer rechtsanwendungsorientierter Methodologie eingeführt werden. Es drängen sich interessante Parallelen auf. So wie die realen Grundstrukturen des Normbereichs einen Hauptfaktor der Normkonkretisierung bedeuten, so macht analog dazu die kognitive Informationsverarbeitungsstruktur des menschlichen Rechtsanwenders als aktivem Element der Normkonkretisierung einen der Hauptfaktoren der Methodenkonkretisierung aus. Die Existenz maschineller Informationsverarbeitungssysteme (EDV) kann an dieser These nichts ändern. Zwar sind die Geschwindigkeiten für die Datenein- und -ausgabe und die Datenverarbeitung unvergleichlich höher als beim Menschen. So beträgt z.B. bei Computern des (inzwischen überholten) Systems IBM/360 die Ein-/Ausgabegeschwindigkeit von Einheiten der sogenannten schnellen Peripherie (Magnetplattenspeicher, Magnetbandspeicher, Magnettrommelspeicher, Magnetstreifenspeicher) — je nach Modell — von 12 · 104 bit/sec bis 9,6 · 106 bit/sec 13 und die Verarbeitungsgeschwindigkeit (Speicherzykluszeit) von 1,9 · 10" 7 sec/bit bis ca. 1,9 · 10" 9 sec/bit 14 . Computer sind jedoch zur Ausführung von Rechtsanwendungsmethoden grundsätzlich nicht in der Lage, selbst wenn diese Methoden — wie hier beabsichtigt — im abgeschwächten Sinne operationalisiert (vgl. Def. 52) sind. Denn maschinelle Informationsverarbeitung setzt algorithmisierte (vgl. Def. 74), d.h. im strengen Sinne operationalisierte (vgl. Def. 51) Methoden zur Informationsverarbeitung (sog. Programme) voraus. Die Leistung eines Infor13
[35] Germain, Programmierhandbuch, S. 98. [35] Germain, Programmierhandbuch, S. 51 („Von 1,5 sec per byte bis 0,125 sec per 8 bytes"). 14
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3. Teil : Vorbereitung einer neuen Lösung
mationsverarbeitungsalgorithmus kann dahingehend umschrieben werden, daß endliche Zeichenreihen (sog. Wörter) 15 nach einer vollkommen determinierten Anweisung unter rein syntaktischem Aspekt in andere endliche Zeichenreihen umgeformt werden. U. a. die Beschränkung auf den rein syntaktischen Aspekt und die daraus resultierende Abstraktion von der (semantischen) Bedeutungsebene bewirkt die grundsätzliche Inkompatibilität von (formalen) Algorithmen und (juristischen) Methoden. Dies bedeutet, daß — nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand — die Ausführung juristischer Methoden ein prinzipielles Reservat des Menschen bleibt und daß Maschinen nur in eng begrenzen, algorithmisierbaren Bereichen zur Unterstützung menschlicher (juristischer) Informationsverarbeitung einsetzbar sind. Nach alledem kann die hier vertretene Maßstäblichkeit des menschlichen Informationsverarbeitungssystems, z.B. in Gestalt der kognitiven Restriktionen, für juristische Methoden nicht durch den Hinweis auf die Möglichkeiten maschineller Informationsverarbeitung durch EDVA überspielt werden. Bereits diese Aspekte manifestieren, wie gering der Reflektionsstand juristischer Methodologie im Bereich der Konkurrenzen und Kollisionen im interdisziplinären Vergleich ist. Um überhaupt den Anschluß zu gewinnen, müssen zahlreiche außer- und interdisziplinäre methodologische Ansätze aufgearbeitet und in die juristische Methodologie eingearbeitet werden. Die juristische Methodologie ist gut beraten, wenn sie die Energien nicht auf das selbständige Entwickeln neuer, eigener Ansätze mit dem Ziel interdisziplinären Niveaus verwendet. Denn es spricht einiges für die (gewiß widerlegbare) Vermutung, daß ihr dies nur die Rolle des ewigen Nachtrabs einspielen würde. Dagegen erscheint die juristische Methodologie hervorragend dazu befähigt wie beauftragt, die vorhandenen inter- und außerdisziplinären Ansätze kritisch am spezifisch juristischen Prüfungsfilter der Positivität der Rechtsordnung zu messen und vor einer evtl. Rezipierung mehr oder weniger stark zu modifizieren. Bereits jetzt erscheint einsehbar, daß die juristische rechtsanwendungsorientierte Methodologie am entscheidenden Postulat methodologischer Rationalität nicht vorbeikommt. Methodologische Rationalität kann keinesfalls als Schlagwort abgetan werden. Denn solche Rationalität läßt sich inhaltlich präzisieren und konkretisieren, indem man u. a. den empirisch-realen (kognitiven) Restriktionen des Informationsverarbeitungssystems Rechnung trägt. Terminologischer Exkurs: Es werde folgender Wortgebrauch vereinbart : Ein Programm ist eine informationsverarbeitende (iwS) Methode (vgl. Def. 104), im Folgenden „IV-Methode" abgekürzt. Der Programmbegriff ist also ein Unterbegriff zum Methodenbegriff (Def. 128). Die Operationsbefehle 15
Zum mathematischen Wortbegriff
vgl [43] Hermes, Aufzählbarkeit, S. 4.
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
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eines Programms gebieten Informationsverarbeitungs-Operationen iwS; ihre Ausführung bewirkt Informationsverarbeitung iwS (Def. 129). Informationsverarbeitungs-Operation iwS sei der Sammelbegriff für die in folgender Liste aufgeführten Operationen (Def. 130): (1) Informationswahrnehmung, (2) Informationscodierung, (3) Informationsspeicherung; (4) Informationsverarbeitung ieS (Informationstransformation, Def. 131); (5) Informationswiedergewinnung (retrieval, Def. 132), (6) Informationsdecodierung, (7) Informationsübermittlung. Für (1) bis (3) werde der Untersammelbegriff Informationsgewinnung (Def. 133) vereinbart, für (5) bis (7) der Untersammelbegriff Informationsauswertung (Def. 134) 16 . Dies ergibt das in Abb. 10 dargestellte Bild.
Abb. 10. Begriffssystem der Informationsverarbeitung iwS
16
Ähnlich: [53] Kirsch, BWL, S. 197.
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3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
5.3. Explizierung der der methodologischen Rationalkritik zugrundeliegenden Basis Wird Kritik ohne Explizierung ihrer Basis auf die Gegenstände der Kritik (oben 5.1. und 5.2.) konkret angesetzt, so kommt es zu einer weitgehenden sachlichen Verschränkung kritisierender und kritisierter Thesen. Bei konkreter Kritik wird so die Kritikbasis nicht immer wünschenswert deutlich und sollte ausdrücklich offengelegt werden (Explizierung). Dies gilt besonders, wenn die Kritikbasis komplex ist. Die Basis einer Kritik unter dem Aspekt methodologischer Rationalität erscheint hochgradig komplex. Diese Komplexität beruht darauf, daß methodologische Rationalität im hier gebrauchten Sinne keinen gegenwärtigen Zustand, sondern ein erst noch zu erreichendes Ziel definiert, sowie daß der Inhalt dieses Ziels weder eindeutig noch präzise vorgezeichnet ist. Deshalb ist die Zieldefinition durch Auffächern in ein System von Unter-Zielen (PostulatSystem) zu präzisieren. Das Postulat-System umschreibt jedoch nur eine 1. Komponente der Kritikbasis. Ziele sind erst dann als Basis für eine Kritik geeignet, wenn man neben dem Postulat-System auch ein Arsenal von Mitteln zur Erreichung der Postulate (Mittel-System) aufzeigen kann. Denn Ziele ohne zur Realisierung geeignete Mittel erscheinen ohne Sinn und Substanz. Jedoch genügt auch diese 2. Komponente nicht, um die Kritikbasis vollständig zu formulieren. Vielmehr ist auch die spezifische Geeignetheit der aufgezeigten Mittel zur Zielerreichung zu belegen (3. Kritikbasis-Komponente). Diese komplexe Basis methodologischer Rationalkritik soll im Folgenden expliziert werden. 5.3.1. Methodologisches Postulat-System; Einordnung des Begriffs methodologischer Rationalität in das System der Rationalitätsbegriffe
5.3.1.1. Methodologisches Postulat-System (1. Kritikbasis-Komponente) Es wird hier die Auffassung vertreten, daß jede juristische Methode — neben ihrer methodentheoretischen Fundierung — rational sein soll. Für den Bereich juristischer Methodologie wird damit ein umfassendes Rationalitätspostulat aufgestellt. Dies soll keine Stellungnahme zu Kontroversen um das Rationalitätspostulat im außermethodologischen Bereich bedeuten. Insbesondere bedeutet dies keine Stellungnahme zu Kontroversen innerhalb der Erkenntnistheorie zwischen rationalistischen bzw. idealistischen und empiristischen bzw. materialistischen Positionen oder auch kombinierten Spielarten wie z. B. dem Kant'schen Kritizismus oder dem abgeschwächten logischen Empirismus der modernen logisch-sprachanalytischen Philosophie 17 . Ähnlich: [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, S. 163, nach welchem die Entscheidung für eine bestimmte Erkenntnistheorie außerhalb methodischer Fragestellungen liegt.
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
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Denn jede dieser Spielarten könnte (und müßte) methodologische Rationalität im hier definierten Sinne akzeptieren und setzt diese insoweit, als jede Erkenntnistheorie notwendig eine Theorie über Methoden der Erkenntnisgewinnung einschließt, im Grunde voraus. Daß manche erkenntnistheoretischen Positionen auf Grund ihrer konkreten Ausgestaltung den Zugang zur methodologischen Rationalität erleichtern, andere erschweren, stellt ein anderes Problem dar und ändert nichts am umfassenden Verbindlichkeitsanspruch der methodologischen Rationalität. Da hier nur derjenige Teilbereich juristischer Methodologie interessiert, der spezifisch rechtsanwendungsorientiert ist (vgl. Abb. 1), ist das Rationalitätspostulat auch nur für diesen Bereich zu präzisieren. Der Begriff methodologische Rationalität soll hier in der Weise präzisiert werden, daß eine Liste einiger Eigenschaften von Methoden aufgestellt wird und diese Eigenschaften als Komponenten methodologischer Rationalität gedeutet werden, und zwar im Sinne von nicht-symmetrischen, komplementären Komponenten. Dies soll besagen: Die Intensivierung bereits einer Komponente intensiviert stets die resultierende Rationalität (Komplementarität) 9 eine Intensivierung der resultierenden Rationalität bedeutet jedoch nicht zwingend eine Intensitätssteigerung einer bestimmten Komponente (Nicht-Symmetrie 18). Die Relation zwischen Komponente und Resultante ist insofern ganz analog zur Relation zwischen Unter- und Oberzielen im Rahmen von Zielprogrammen bei der Nutzwert-Analyse ( N W A ) 1 9 . Die Klasse der gegenüber methodologisch-rationalen (wissenschaftlichen) Methoden zu postulierenden Eigenschaften kann in zwei Teilklassen eingeteilt werden : in eine erste Teilklasse, deren Elemente ( = Methoden-Eigenschaften) bewirken sollen, daß die Methoden — zumindest im Wissenschaftsbetrieb — intersubjektiv diskutierbar sind, und in eine zweite Teilklasse, deren Elemente die effektive Ausführbarkeit der Methode garantieren sollen. Diese beiden Hauptkomponenten methodologischer Rationalität dürften allgemein konsensfahig sein. Intersubjektive Diskutierbarkeit stellt gewisse Anforderungen an die Darstellung der Methode. Intersubjektive Diskutierbarkeit erfordert, daß die Methodendarstellung explizit, transparent, genau hinsichtlich der Befehlsinhalte und -Ordnung sowie vollständig ist. Ausführbarkeit einer Methode stellt Anforderungen an die Konstruktion der Methode selbst. Ausführbarkeit erfordert, daß die Methode sowohl zur Ausführung hinreichend genau und vollständig konstruiert ist als auch die methodologischrelevanten kognitiven Strukturen des die Methode ausführenden Aktors beachtet. 18 Eine Relation R ist nicht symmetrisch (~i Sym(R)\ wenn ihre Konverse R~l nicht in jedem R-Paar gilt (Def. 135): - i Sym(R) 4-> - ι (x) (y) (Rxy R lxy) vgl. [19] Carnap, Logik, S. 119. 19 [131] Zangemeister, N W A , S. 99-102. Die N W A wird unter 8.1.2.1 ausführlich erörtert.
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3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Das letztere ist unumgänglich, soll vermieden werden, daß Methoden an den invarianten kognitiven Fähigkeiten und Kapazitäten des Aktors vorbeispezifiziert werden. Dieser Gefahr sind ζ. B. die geschlossenen — den Aktor nicht einbeziehenden — Entscheidungsmodelle der ökonomischen Entscheidungstheorie weitgehend zum Opfer gefallen 20 . Die Gefahr kognitiver Fehlspezifikation sollte deshalb nicht zu leicht genommen werden. Da juristische Methoden hier als Informationsverarbeitungsmethoden (sog. Programme) gedeutet werden, d.h. als Methoden, die informationellen und nicht materiellen bzw. energetischen Input zu informationellem Output transformieren 21 , stellen die kognitiven Restriktionen der Informationsverarbeitung durch Menschen als Rechtsanwender ein invariantes Faktum dar, das bei der Konstruktion juristischer Methoden zwingend berücksichtigt werden muß. Wie sich diese Restriktionen auf die menschliche Informationsverarbeitung auswirken, wenn sie nicht durch wohlspezifizierte Programme unterstützt und ihr damit nicht über ihre kognitiv bedingten Unzulänglichkeiten kompensierend hinweggeholfen wird, ist bereits seit längerer Zeit empirisch verifiziert : im Bereich der Wahrnehmungspsychologie 22 wurde das Verhalten des Menschen bei der Bildung von Begriffen bzw. Hypothesen untersucht, was zur Aufstellung der sog. Hypothesentheorie durch J. S. Bruner und L. Postman führte 23 . Sollen Hypothesen getestet, also u.a. informationell verarbeitet werden, so ist deren simultane Verarbeitung im Kurzzeitgedächtnis nur solange möglich, als die Zahl von 5 bis 7 Informations-chunks (G. Α. Miller) nicht überstiegen wird 2 4 . Dies bedeutet jedoch keine absolute Kapazitätsbegrenzung des Kurzzeitgedächtnisses. Denn einem chunk als elementarer menschlicher Informationsverarbeitungseinheit entspricht kein absolut-fixierbarer Informationsgehalt. Vielmehr können mehrere chunks durch Um- bzw. Neucodierung zu einem chunk höherer Ordnung (Super-chunk) zusammengefaßt werden. Der Informationsgehalt der Sub-chunks wird in das Langzeitgedächtnis ausgelagert. Im Kurzzeitgedächtnis wird nur noch mit dem Super-chunk operiert, wodurch dieses kapazitiv entlastet wird. Die Neucodierung ist iterativ, d.h. aus Super-chunks können Super-Super-chunks usw. gebildet werden. Dies stellt den psychologischen Hintergrund für die intuitiv häufig gemachte Erfahrung dar, daß es als denkökonomisch empfunden wird, wenn man Begriffe zu immer komplexeren Begriffen komprimiert und, statt bei jeder gedanklichen Operation alle Einzelheiten immer wieder mitzudenken, lieber mit den komprimierten Begriffen operiert. Das „Geheimnis" dieser Denkökonomie besteht im Reduzieren von Komplexität. 20 [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 61 ff.; [41] Hagen, Rationales Entscheiden, S. 13, S. 23ff. 21 Ähnlich: [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, passim. Leider operationalisiert Kilian seine entscheidungstheoretische Deutung der jur. Entscheidung nur ansatzweise. 22 Vgl. hierzu [46] Hofstätter, Psychologie, S. 347-350. 23 Vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 86-88 mwN. 24 Vgl. hierzu und zum Folgenden: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 93; Bd. 1, S. 84-86.
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Das Komprimieren von Begriffen kann durch die Benutzung symbolisierter Kunstsprachen noch erheblich gesteigert werden. Es spricht vieles dafür, daß allein die durch Symbolisierung erreichbare Komplexitätsreduktion den Fortschritt von Mathematik, Logik und Naturwissenschaften in der Neuzeit ermöglicht hat 2 5 . Auch in der Lerntheorie 26 wurde die Bildung von Superchunks, die dort Superzeichen genannt werden, empirisch verifiziert. Tritt die Notwendigkeit auf, simultan mehr als 7 chunks zu verarbeiten, und kann deren Anzahl auch durch Neucodierung nicht reduziert werden, so kommt es zu einer Informationsüberladung des Kurzzeitgedächtnisses (sog. kognitiver Streß). Diesem Streß kann durch drei verschiedene Strategien der Informationsverarbeitung abgeholfen werden. Alle drei wurden empirisch beobachtet 27 . Erstens: Das Individuum bildet bzw. hat nur eine Hypothese, die es unter dem Einfluß der Ergebnisse aus dem Test der Hypothese jeweils nur geringfügig ändert, d. h. das Individuum möchte sichergehen (sog. conservative focussing). Angewendet auf juristische Argumentationsprobleme bedeutet diese Strategie, daß ein konservativ fokussierender Rechtsanwender in erster Linie von alten, bereits „gelernten" Argumenten her argumentiert, dagegen neue Argumente nur mehr oder weniger peripher verarbeitet. Zweitens: Das Individuum bildet planlos mehr oder weniger willkürlich der Reihe nach Hypothesen, an welchen es — je nach Testergebnis — festhält oder sie verwirft und zu neuen, beliebig gebildeten Hypothesen übergeht (sog. focus gambling ). Auf juristische Argumentationsprobleme übertragen besagt dies, daß es mehr oder weniger vom Zufall abhängt, welche Argumente in die Argumentation eingestellt werden und welche — unreflektiert — herausfallen. Drittens : Das Individuum speichert die die Informationsverarbeitungskapazität des Kurzzeitgedächtnisses übersteigenden chunks im Langzeitgedächtnis (oder in Hilfsspeichern wie Blatt Papier usw.) und geht zu einer seriellen Verarbeitung über (sog. successive scanning). Da hierbei die Komplexitätsreduktion mit einer Verlängerung der Informationsverarbeitungszeit „erkauft" wird, bedarf diese Strategie der Unterstützung durch Programme, die die serielle Informationsverarbeitung methodisch organisieren und disziplinieren. Juristischer Methodologie wird hier das Ziel gesetzt, die untragbaren Strategien 1 und 2 zu eliminieren. Diese Zieldefinition ist nicht nur wegen Art. 103 I GG, der als Grundlage eines Anspruchs auf korrekte gerichtliche 25
Ähnliche Überlegungen bei: [19] Carnap, Logik, S. 2-3. Vgl. hierzu: [46] Hofstätter, Psychologie, S. 214-219. Vgl. auch: [62] Krelle, Präferenztheorie, S. 344-347 und [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, S. 159, Anm. 29; zu Experimenten des amerikanischen Psychologen Ward Edwards: JUDGE, A Value-Judgement-Based Tactical Command System, Rand Memorandum RM-5147-PR, 1967; sowie: Nonconservative Probabilistic Information Processing System, Technical Documentary Report NO.ESD-TR-66-404, Ann Arbor, Mich. 26
27
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Verarbeitung vorgetragener Argumente gedeutet werden kann, zwingend. Vielmehr folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, insbesondere den Art. 19 IV 1, 20 III, 92, 97 I GG das Gebot korrekter Rechtsanwendung, welches ein Gebot korrekter Argumentationsverarbeitung notwendig mit umfaßt. Da der Rechtsanwender einerseits nicht „über seinen Schatten springen", d. h. seine invarianten kognitiven Restriktionen als solche nicht eliminieren kann, andererseits aber alle (häufig komplexen und zahlreichen) relevanten Argumente korrekt verarbeiten muß, bleibt nur die methodisierend-kompensierende Strategie 3 als Ausweg. Es sind deshalb Methoden zu entwickeln, die die korrekte Verarbeitung juristisch-argumentativer Informationen ermöglichen. Diese Aufgabe können effektiv nur (im abgeschwächten Sinne) operationale Methoden erfüllen. Daraus erschließt sich die Erkenntnis, daß erstens die als drittes Global-Ziel postulierte Methoden-Operationalisierung (oben 1.2.3.) letztlich normativen wie empirischen Zwängen Rechnung trägt, und zweitens, daß das Operationalisierungsziel vom Rationalisierungsziel (oben 1.2.1.) — hier gedeutet als Postulat methodologischer Rationalität — im Grunde bereits mit umfaßt wird. Auch für die Jurisprudenz wird es sich nicht vermeiden lassen, die auf den invarianten kognitiven Restriktionen basierenden realen Sachzwänge als auch für sie relevant zu akzeptieren. Einen ersten Schritt, die Realität miteinzubeziehen, hat die verfassungsrechtliche Methodik (F. Müller) bereits vollzogen, indem sie die Realstrukturen der Normbereiche in die Normkonkretisierung mit einbringt. Ein zweiter Schritt, die Berücksichtigung der informationellen Realstrukturen des Rechtsanwenders, soll hier versucht werden. Ein Akzeptieren des Postulats der Methodenoperationalität erscheint auch von einem zweiten Ausgangspunkt aus unausweichlich. Will die Jurisprudenz ihren Wissenschaftscharakter ernst nehmen und damit intersubjektive Diskutierbarkeit auch für ihre Methoden fordern, so bleibt keine andere Möglichkeit, als die o.g. Komponenten rationaler Methodendarstellung (Explizierung, Transparenz, Genauigkeit, Vollständigkeit) zu akzeptieren. Dann sind aber die Operationalitätskomponenten (Genauigkeit, Vollständigkeit) auch für die logische Vorrangfrage der Methodenkonstruktion akzeptiert. Nach alledem stellt sich das System der Methodeneigenschaften, welche „methodologische Rationalität" im hier gebrauchten Sinne definieren (Def. 136), wie in Abb. 11 dar. Die einfachen Pfeile symbolisieren begriffliche Relationen, die Doppelpfeile aktive Wirkungsrelationen (sog. Kopplungen im kybernetischen Sinn). Gewisse Analogien bestehen zwischen 1.3/1.4 und 2.1. Durch die Kopplung von 2.2 an 2.1 soll ausgedrückt werden, daß das Berücksichtigen der kognitiven Restriktionen zur Methodenoperationalisierung führt.
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
Abb. 11. Methodologisches Postulat-System 8 Fohmann
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3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
5.3.1.2. Einordnung des Begriffs methodologischer der Rationalitätsbegriffe
Rationalität in das System
Rationalität wird (seit Max Weber) gemeinhin als idealtypisierte Eigenschaft gewisser menschlicher Handlungen gedeutet und anderen idealtypisierten nicht-rationalen Handlungsformen gegenübergestellt 28. Die Weber'sche Differenzierung der Handlungsrationalität in Wertrationalität und Zweckrationalität 29 wurde aufgrund der inzwischen erkannten systemtheoretischen Dimension menschlicher Handlungen um die Systemrationalität (Luhmann) erweitert. Da methodologische Rationalität im hier definierten Sinne weder den System- noch den Wertaspekt von Rationalität aktiviert, genügt es hier, die verschiedenen Formen der Zweckrationalität darzustellen 30 . Die geschlossenen Entscheidungsmodelle der normativen ökonomischen Entscheidungstheorie haben sich um eine Explikation, insbesondere Präzisierung, der Zweckrationalität bemüht 31 . Zur Darstellung der im wesentlichen erarbeiteten vier Unterformen der Zweckrationalität 32 müssen folgende entscheidungstheoretischen termini eingeführt werden: die für das Handlungssubjekt (sog. Aktor) verfügbaren Handlungsmöglichkeiten (sog. Alternativen; die Alternativen sind strukturierte Aktionenmengen al9a2,...) werden zur Menge A zusammengefaßt. Die zu erreichenden Zwecke (sog. Zielsystem) werden zur Menge Ζ zusammengefaßt. Ebenso werde die Menge S der möglicherweise eintretenden Umweltsituationen und die Menge E der in einer beliebigen Situation sk hinsichtlich eines beliebigen Ziels Zj bei Realisierung einer beliebigen Alternative a{ eintretenden Handlungsfolgen (sog. Ergebnisse bzw. Zielerträge) definiert. Die Ergebnisfunktion φ kann dann mittels φ: A x Sx Ζ —• Ε 33 definiert werden 34 . 28 Vgl. [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 31 ; [131] Zangemeister, N W A , S. 48 mit graphischer Darstellung. Ä Zu diesem Begriff vgl. [127] Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 12-13. 30 Zweckrationalität wird häufig mit Rationalität schlechthin identifiziert, so: [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 27 mwN. 31 Zur normativen Entscheidungstheorie vgl. [62] Krelle, Präferenztheorie; [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie; gute Übersicht bei: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 25-60; [75] Menges, Grundmodelle; vgl. auch: [36] Gottinger, Entscheidungstheorie, der aus der Entscheidungstheorie unter Risiko für objektive Wahrscheinlichkeitsverteilungen über dem Situationsraum die Bernoulli'sche NutzenFunktion und die v. Neumann/Morgenstern'sche Nutzen-Axiomatik (S. 1-76) und für subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilungen die Savage'sche Axiomatik (S. 81-110) mathematisch darstellt und diskutiert. 32 Vgl. hierzu: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 62-64; [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 26ff.; [131] Zangemeister, N W A , S. 49-51; [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 26-29. 33 Der Operator „ x " symbolisiert die Operation der Bildung des kartesischen Mengenproduktes. „ Α χ Β" bezeichnet ( = Extension) die Menge aller Paare (a, b), die durch Zuordnung aller a e A zu allen be Β gebildet werden können und bedeutet ( = Intension) damit eine 2-stellige Relation (Def. 137); vgl. [76] Meschkowski, Math., S. 208. 34 Die Ergebnisfunktion φ könnte logisch äquivalent auch e = cp(a, s, ζ) geschrieben werden. Zur inhaltlich abweichenden Definition der Funktion φ mittels Ergebnisvektoren vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 28-29.
Kapitel 5. Methodologische Rationalität
115
A, S und E werden durch Aussagesätze umschrieben und beinhalten damit faktische Informationen 35 . Dagegen enthält Ζ wertende Informationen. Auf dieser Differenzierung beruht die Unterteilung der Zweckrationalität in (1) substantiell-objektive, (2) substantiell-subjektive, (3) formal-objektive und (4) formal-subjektive Zweckrationalität. Substantielle Rationalität liegt vor, wenn die wertenden Informationen, die der Aktor dem Entscheidungsprozeß zugrundelegt, anzuerkennen (vgl. Def. 27), genauer: ieS begründet (vgl. Def.28) sind 3 6 . Dagegen ist die formale Rationalität von der Begründbarkeit der wertenden Informationen unabhängig. Formale Rationalität liegt genau dann vor, wenn das Entscheidungsverfahren als solches formal-logisch korrekt konstruiert und ausgeführt wird, insbesondere das Zielsystem Ζ widerspruchsfrei ist. Objektive Rationalität liegt vor, wenn die faktischen Informationen anzuerkennen, genauer: wahr sind. Subjektive Rationalität liegt vor, wenn die faktischen Informationen (objektiv) falsch sind, der Aktor von ihrer Wahrheit jedoch subjektiv überzeugt ist. Durch Kombination dieser Begriffe lassen sich die o.g. vier Untertypen der Zweckrationalität bilden 37 . Je weiter die normative Entscheidungstheorie ausgebaut wurde, desto stärker wurden die Rationalitätsanforderungen abgeschwächt. Heute wird die schwächste Form der bloß formal-subjektiven Rationalität als für Entscheidungsmodelle ausreichend erachtet 38 . Letztlich nennt die Entscheidungstheorie eine Handlung schon dann rational, wenn das zu ihrer Auswahl aus A veranstaltete Entscheidungsverfahren formal-logisch korrekt konzipiert und durchgeführt wurde. Der heroische (Zweck-)Rationalitätstypus des „homo oeconomicus" ist damit quasi aufgegeben. Die geschlossene, normative Entscheidungstheorie versucht mit Hilfe dieser weitergehenden Abschwächung des Rationalitätsbegriffs, ihre irrealen Anforderungen an Informationen und das IV-System des Aktors abzubauen, das geschlossene Entscheidungsmodell wegen seiner Operationalität aber gleichwohl beizubehalten. Über Zugeständnisse zum Rationalitätsbegriff soll das geschlossene Modell befähigt werden, der von Simon 39 eingeleiteten Öffnung der Entscheidungstheorie standzuhalten. Simon hat den Weg gewiesen, die geschlossenen Entscheidungsmodelle 35 Unter Information werde hier die Intension von Sätzen verstanden ( · · ·> x,g)
Subs(e yj 9 eXt t)
VerdrAP{e
Xf h
ey j) Λ {rf
i> · ·-> ν χ. β )) x k)
(rf
x k
Φ rf
x
_)
Analog zum Übergang von F I O nach F 11 kann F 12 umformuliert werden : Subs (e y ρ ex i) gilt genau dann, wenn 1. VerdrAP(e
x h
ey J ) gilt und
2. nsx nur ein Positiv-Anwendungsfeld nx leer ist.
+
hat, d. h. wenn nx _ von nsx
Symbolisch: F 13: Subs(e yj 9exj) (Explikation 2).
~
VerdrAP(e
— Allgemeines Subsidiaritätstheorem Def. 171 Β —
Xt h
ey J)
Λ - ι 9 (n x>.)
der analytischen Konkurrenz dogmatik,
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
149
F 12 und F 13 explizieren den Subsidiaritätsbegriff. Denn sie umschreiben präzise, was nach konventionellem Sprachgebrauch ein „hilfsweises Eingreifen" einer Vorschrift genannt wird. Dies ergibt sich aus Folgendem: In einem Rechtsfall f k seien die (konstanten) Voraussetzungen v x l l 9 . . .9 v x g o von ex i und die v yt 1>m,..., v yu n von ey J gegeben (vgl. Prämisse 4). Auch die sonstigen Prämissen sowie die Entscheidungsrelevanz seien gegeben. Außerdem gelte die rechte Seite der Explikation 2. D.h. erstens: exi verdränge ey J; zweitens: nsx und damit auch ex i enthalte keine Negativ-Rechtsfolge, sondern nur positive Rechtsfolgen. Dann gilt: ex Λ steht zu ey J im Verhältnis unechter Konkurrenz. Allein die (stets positiven) Rechtsfolgen rf xΛ ..., rf x Ä w von ex i regieren f k. Es gilt dann: f keA l . üi v Fehlt dagegen mindestens eine der Voraussetzungen v x l f /,..., v x g o von x,i in Λ , seien die Voraussetzungen von ey J in f k aber nach wie vor gegeben, so greifen die (positiven) Rechtsfolgen von ex i nicht ein. Da nsx keine Negativ-Rechtsfolge enthält, kommt ex i für f k keine Entscheidungsnormqualität mehr zu. Mangels Erfüllung der Prämisse 4 liegt bereits keine Konkurrenzsituation vor. Allein die Rechtsfolgen rf ylq 9.. . , r / y > M von ey J regieren f k. Es gilt dann: f keA 2. e
. Notwendige Bedingung dafür, daß aus nsy konkretisierte Entscheidungsnormen f k regieren, ist also, daß die Normkonkretisierung von nsx nicht zu unecht konkurrierenden, f k entscheidenden Entscheidungsnormen führt. Q.e.d. Bezogen auf das Feld unechter Konkurrenz mit Entscheidungsrelevanz ^6,Div u ^ 7 , D i v sind Spezialität und Subsidiarität kontradiktorische Begriffe 52. Entscheidungsrelevantes Spezialitätsfeld A6 Div und entscheidungsrelevantes Subsidiaritätsfeld A1Div können bei einer bestimmten Deutung von nsx und nsy nicht gleichzeitig nicht-leer sein. Positiv gewendet: Mindestens eines der Felder muß leer sein. Bei vielen Deutungen werden sogar beide Felder leer sein, z.B. wenn man für nsx Art. 12 I 1 GG und für nsy Art. 14 I 1 G G 5 3 oder für nsx Art. 5 I 1 (1) G G und für nsy Art. 5 I 1 (2) GG einsetzt. Die Erkenntnis, daß dieselben Normsätze nicht einmal zu speziellen, ein andermal zu subsidiären Entscheidungsnormen konkretisiert werden können, läßt sich symbolisch wie folgt formulieren : F 14a:
3(A 6}Di v)
F 14b:
3(Λ7,Di v)
F 15a:
Spez(e xJ, eyt J)
F 15 b :
Subs (e yt j9 eXt t)
52
B(A ltDi v) -ι
s(A 6tDi v) 5A Subs(e y J,
eXt i)
Spez (e Xf t,
j)
Zum Begriff vgl. [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 159. Dies geht allerdings nur, wenn man die Abgrenzungsproblematik im Sinne von BVerfGE 30, 292ff., 334ff. („Mineralöl-Bevorratung") löst. 54 F 14 und F 15 sind L-äquivalent; vgl. das Transpositionsgesetz L 8 - 6 i ( 3 ) bei: [19] Carnap, Logik, S. 31. 53
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
150
Es gibt auch Deutungen von nsx und nsy (z. B. Art. 5 I 1 (1) G G und Art. 9 I GG), bei welchen das entscheidungsrelevante Feld echter Konkurrenz AS DI V und das entscheidungsrelevante Spezialitätsfeld A6DI V beide nicht-leer sind. Als Beleg für die Existenz solcher Rechtsfalle seien die Varianten l b . und 2 b. des „Veteranenverein"Falles (oben 4.2.1.2.) genannt. Vom Konkurrenzfeld mit Entscheidungsrelevanz ist dann lediglich das entscheidungsrelevante Subsidiaritätsfeld ΑΗ DI V leer. Bei solchen Deutungen gilt: 3(^5 TDI V)
A 3(A 6 , Div)
Λ
~Ί
9
(Λ 7, Divi
6.2.2.4. Der Stellenwert einer Inklusionsrelation zwischen den abstrakten Normsatz-Tatbeständen Bislang wurde noch nicht analysiert, welche Bedeutung dem Aspekt zukommt, den die konventionelle Dogmatik zur Grundlage ihres Spezialitätsbegriffs macht: der Inklusionsrelation zwischen den (abstrakten) Tatbeständen. Inklusionsrelation sei hier der terminus technicus für die Relation in der Konstellation, daß der Tatbestand eines Normsatzes nsx dieselben Merkmale wie der von nsy und noch mindestens ein zusätzliches Merkmal aufweist. In der folgenden Symbolisierung bezeichne (vgl. Def. 18) „ T b x " die Menge der Tatbestandsmerkmale von nsx, „77>y" die Menge der von nsy. „Ent" bedeute (vgl. Def. 17) die Relation zwischen einer Entscheidungsnorm und dem durch sie entschiedenen Rechtsfall. Außerdem wird das multidimensionale Variablen-Modell F n s 1 vorausgesetzt. F 16:
{v
yt l,...,v y tJ
F17:
Tb y
F 18:
Tb x
C {ν
χΛ
(n>m) 55
,...,ν χ>η}
= {» X| 1
U
Dann gilt die Inklusionsaussage: F 19:
Tb y C Tb x
Der Tatbestand Tb y von nsy wird von Tb x von nsx inkludiert. Tb x weist also (numerisch) mehr Tatbestandsmerkmale auf als Tb y. Dann gilt: F 20:
Ent(e
Xti 9
f k) -
(B eyJ Ent(e
yJ i
f k)
F 20 drückt die wichtige Erkenntnis aus, daß wegen der Inklusionsaussage Tb y C Tb x zu jeder beliebigen Konkretisierung von nsx stets eine analoge Konkretisierung von nsy möglich ist. Denn Tb y ist mit einer Teilmenge von Tb x vollkommen identisch. Die insoweit bzgl. Tb x durchgeführten Konkretisierungsoperationen können deshalb ohne weiteres auch mit Tb y durchgeführt werden. Es gilt also : 55 Für logische Umformungen werde die folgende Vereinbarung getroffen: bei < trivialen Umformungen bleibe das zugrundeliegende Gesetz unerwähnt; bei nichttrivialen Umformungen wird das verwandte tautologische Satzformel-Schema durch Hinweis auf die Formel-Listen bei [19] Carnap, Logik, explizit offengelegt.
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
F 21 a:
(Tb y C Tb x)
151
(n x C ny)
Aus F 19 und F 21 a folgt (modus ponens): F 21b:
nxCn y
Man beachte die Umkehrung der Reihenfolge der Indizes in F 21b im Vergleich zu F 19. Für die Mengeneinteilung über A ergibt sich aus F 21 b: F 22 : - 1 9 ( A J ; anders formuliert : A x = 0 Das Anwendungsfeld nx von nsx ist, wenn die Inklusionsaussage Tb y C Tb x gilt, in dem Anwendungsfeld ny von nsy echt enthalten. Ax ist leer. Dies bedeutet aber keineswegs, daß auch A3 und A4 leer sind. Denn trotz Inklusionsrelation sind Kollisionen und Schein-Konkurrenzen und -Kollisionen sowie sonstige zu A 3 gehörige Rechtsfalle denkbar. Als Beleg sei auf den als allgemeine Handlungsfreiheit gedeuteten Art. 2 I GG verwiesen, der trotz Inklusionsrelationen zu den benannten (Handlungs-)Freiheitsrechten mit diesen durchaus kollidieren kann, falls dem einen kollisionsbeteiligten Grundrechtsträger — im Gegensatz zum anderen — kein benanntes Freiheitsrecht zur Seite steht. Aus der Inklusionsaussage Tb y C Tb x allein sind — entgegen der konventionellen Dogmatik — keine Schlüsse auf das Vorliegen einer Spezialitätsaussage Spez(e xj, eyj) möglich. Für eine solche Folgerung sind vielmehr zwei weitere, strenge Voraussetzungen notwendig. Es gilt, wobei „Konk" die Konkurrenzrelation (Bestehen einer Konkurrenzsituation) bedeute : F 23: mit:
Konk(e
x h
ey J)
Λ (Tb
y
C Tb x) Λ 3(n X t_)
mem(Konk) = As u A6 υ A7 (vgl. D 6 )
Spez(e xJ,
ey^
56
Allein aus F 19 und F 23 — ohne F 21a — läßt sich die folgende Formel F 24 folgern. F 24 läßt sich allerdings nicht aus F 21 a und F 23 folgern. F 23 kann aber umgekehrt aus F 21 a und F 24 gefolgert werden. F 24:
Konk(e xj, ey j) a (n x C ny) Λ 3(n x _)
— Theorem Def. 172 —
der Inklusionsspezialität
Spez(e Xt i,
der analytischen
ey^
Konkurrenzdogmatik,
Nach den Grundsätzen der Mengeneinteilung über A gilt generell: F 25a:
A5nA6
= 0
F 25b:
A5nA7
= 0
F 25c:
A6nA7
= 0
56 „mem" bedeute die Funktion „Feld der Relation", vgl. hierzu: [19] Carnap, Logik, S. 72.
152
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Nunmehr werde „.EKonk" als Prädikat für die Relation echter Konkurrenz eingeführt. Für EKonk gilt: F 26: EKonk(e Xf hey J) ++ Ent(e oder kürzer: mem(EKonk) = A5
Xt h
f k) A Ent(e
y J,
f k) A f ke
A5
Dann gilt wegen F 25 und F 26: F 27:
Spez(e x h eyJ
Konk(e
xh
ey J)
Α ~Ί EKonk(e
xh
ey< j) A
A —} Subs (e y j, ex i) F 27 kann abgekürzt geschrieben werden 57 : F 28 :
Spez =
Konk Α ~Ί EKonk Α
Subs
Mittels F 28 und des Gesetzes von de Morgan 58 kann F 24 wie folgt umgeformt werden : F 29: Konk(e
x hey J)
A (n x C ny) A 3(n x J) —• —ι (EKonk ν Subs) (e y J,e x
Für die Mengeneinteilung über A folgt unter Geltung der Implikans-Seite von F 24/29: F 30a:
—ι Β(Λ 5 ); anders formuliert: A5 = 0
F 30b:
~Ί3(Α Ί);
F 30c:
B(A 6);
„
„
„
„
ΑΊ :
= Φ Α6Φ0
Das Theorem der Inklusionsspezialität (F 24) formuliert operational den auf den Erfahrungen praktischer Rechtsanwendung beruhenden materialen Gedanken, der hinter der abstrakt-logischen Konzipierung des Spezialitätsbegriffs durch die konventionelle Dogmatik vermutet werden kann: es soll vermieden werden, daß ein Normsatz nsx wegen einer Inklusionsrelation zwischen seinem Anwendungsfeld und dem eines anderen Normsatzes nsy (n x C ny) leerläuft, indem nsx vom stets mitverwirklichten nsy (vgl. F 20) in der Konkurrenzsituation — echt konkurrierend — überspielt oder — unecht konkurrierend — gar verdrängt wird 5 9 . Ein solcher Leerlauf würde nsx entaktivieren und ist daher mit dem Sinn der Existenz von Normsätzen unvereinbar: Normsätze sollen „aktiviert" und nicht „passiviert" werden. U m der Existenz von nsx einen Sinn zu erhalten, schließt die konventionelle Dogmatik allerdings vorschnell und verfehlt abstrakt auf eine Spezialität von nsx gegenüber nsy. Dabei wird verkannt, daß die Gefahrensituation eines 57 Es wird die Schreibweise der Prädikatverknüpfungen nach [19] Carnap, Logik, S. 106-110 verwandt. 58 Vgl. hierzu: [19] Carnap, Logik, S. 31, L 8 - 6 g ( l ) . 59 Verfehlt: [110] Schwacke, Spannungslagen, S. 25 („logische Gründe"); auf S. 26 wird diese Einsicht unter mehreren Aspekten dagegen soweit eingeschränkt, als Schwacke die Spezialitätsentscheidung — gleichfalls verfehlt — nur als Ermessensentscheidung im Einzelfall halten zu können glaubt.
i)
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
153
Leerlaufs von nsx erst dann entsteht, wenn die (konkrete) Konkurrenzsituation gegeben ist und ey J eine gegenüber ex , weitergehende Rechtsfolge aufweist. Würde in dieser Situation eine echte Konkurrenz bejaht, so würde jeder Rechtsfall f ken x im Ergebnis nicht von exj, also nsx, sondern von ey J, also nsy regiert werden (Präferenz des Umfangsmaximums). U m bereits die Gefahr einer Leerlaufsituation im Ansatz zu vermeiden, ohne dabei stets auf die konkreten Umfangsverhältnisse der Rechtsfolgen der konkreten Entscheidungsnormen achten zu müssen, erscheint es bei einer Anwendungsfeldinklusion nxCn y — mit der konventionellen Dogmatik — als sinnvoll, eine unechte Konkurrenz zugunsten ex i und damit VerdrAP (e xh ey J) zu bejahen. In Kongruenz mit dem allgemeinen Spezialitätstheorem (vgl. Def. 171A) führt die Existenz eines Negativ-Anwendungsfeldes von nsx dann zur Spezialität. Diese Erkenntnis formuliert F 24. In Kongruenz mit dem allgemeinen Subsidiaritätstheorem (vgl. Def. 171B) muß das Fehlen eines Negativ-Anwendungsfeldes nx _ dann zur Subsidiarität führen. Die letztere Einsicht ist wie folgt zu formulieren: F 31 :
Konk(e
x h
ey J)
Λ (n x C ny) Λ - ι 3(n x^)
— Theorem der Inklusionssubsidiarität Def. 173 —
Subs(e yj 9
exJ)
der analytischen Konkurrenzdogmatik,
F 24 und F 31 können zusammengefaßt und umgeformt 60 werden in: F 32:
Konk(e
x h
ey J)
Λ (n x C nx)
x
eyj)
Λ (n x C ny)
Spez(e Xt h eyt j)
ν Subs(e yj 9
ex>i)
M i t F 8: F 33:
Konk(e
—
VerdrAP(e
xj 9
eyJ
Die allein auf den Gesichtspunkt Tatbestandsinklusion gestützte, abstraktlogische Konzipierung der Spezialität durch die konventionelle Dogmatik verkennt den Stellenwert einer Inklusionsrelation zwischen abstrakten Normsatz-Tatbeständen also in dreifacher Hinsicht: Erstens muß zur Tatbestandsinklusion die Existenz einer (entscheidungsrelevanten) konkreten Konkurrenzsituation (Prämissen 1-6) hinzutreten. Zweitens gestattet die bloße Bejahung einer Tatbestands- bzw. Anwendungsfeldinklusion nur eine Aussage über das Bestehen einer verdrängenden Anwendungspräferenz als solchen, nicht aber über Spezialität und Subsidiarität. Drittens ist eine Entscheidung über die Art der Präferenz (Spezialität/ Subsidiarität) nur dadurch zu treffen, daß die Existenz eines Negativ-Anwendungsfeldes nx _ von nsx geprüft wird. Als Beleg für das prima facie wenig plausibel erscheinende Theorem der Inklusionssubsidiarität (F 31) sollen für die vorkommenden Variablen Konstante aus dem GG eingesetzt werden, bei denen auch die konventionelle Verfassungsdogmatik eine F 31 entsprechende These vertritt. Eine solche 60 Hierzu sind die tautologischen Satzformeln L 8 - 2 h ( l ) und L 8 - 6 n ( l ) [19] Carnap, Logik, S. 28, S. 32 anzuwenden.
bei:
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
154
Einsetzung61 besteht z.B. darin, für nsx Art. 93 I Nr. 3 GG und für nsy Art. 93 I Nr. 4 G G sowie die weiteren entsprechende Konstanten (n 93INr 3, n93IN r 3 _, usw.) heranzuziehen. Das Tatbestandsmerkmal „anderen" des Art. 93 I Nr. 4 GG ist kein Merkmal, das das Anwendungsfeld n93INr Λ des Art. 93 I Nr. 4 GG vom Anwendungsfeld n93INr 3 des Art. 93 I Nr. 3 G G abgrenzt; es legt vielmehr die eine der zwei Subsidiaritätsdimensionen des Art. 93 I Nr. 4 GG fest, nämlich die gegenüber dem Bund-Länder-Streitverfahren gem. Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68-70 BVerfGG, d.h. gegenüber ebenfalls im Rechtsweg zum BVerfG statthaften Streitverfahren 62. Damit ISt «931 N r f 3 un( enger als n93INr 4. i i m letzteren enthalten. Andererseits hat Art. 931 Nr. 3 GG aber keine Negativ-Rechtsfolge. D. h. : Liegen nicht alle Voraussetzungen des Art. 93 I Nr. 3 GG vor, so hat dies nur zur logischen Folge (nicht: Rechtsfolge:), daß sich nicht aus Art. 93 I Nr. 3 GG die Statthaftigkeit eines Verfahrens ergibt, also gar keine Rechtsfolge. Eine Rechtsfolge derart, daß Art. 93 I Nr. 3 GG (positiv) die Statthaftigkeit verneint, gibt es nicht; Die Statthaftigkeit des Verfahrens auf Grund anderer Vorschriften bleibt vielmehr völlig offen. Art. 93 I Nr. 3 GG hat demnach kein NegativAnwendungsfeld. Trotz Inklusion bezeichnet die konventionelle Verfassungsdogmatik Art. 93 I Nr. 4 GG relativ zu Art. 93 I Nr. 3 GG im Konkurrenzfalle als subsidiär und nicht als speziell. Symbolisch: F 34:
Konk(e λ
~1
93INr
β λ
3 h
e93INr
( 93/ΝΓ.3,-)
4tj)
A (n 93INr
3
C η93ΙΝ, Λ)
~~* ^ u b s ( e 9 3 I N r ^ j , e 9 3 I N r
A
3 i)
Zu behandeln bleibt das für die praktische Anwendung von F 24 und F 31 wichtige Problem, wie eine Inklusionsrelation zwischen zwei Anwendungsfeldern zu diagnostizieren ist. Relativ einfach liegt der Fall dann, wenn sich bereits aus einem Vergleich der Normtexte nsx und nsy allein unter syntaktischem Aspekt eine Tatbestandsinklusion Tb y C Tb x ergibt, woraus die Anwendungsfeldinklusion nx C ny mittels F 21 a ohne weiteres erschlossen werden kann. Eine derart strikt begründbare Anwendungsfeldinklusion soll syntaktische Inklusion genannt werden (Def. 174). Als Beispiele seien Art. 93 I Nr. 3 und Art. 93 I Nr. 4 (1) GG sowie Art. 33 I I und Art. 3 I GG genannt. Anwendungsfeldinklusionen, die sich nicht (indirekt) mittels syntaktischen Textvergleichs, sondern erst auf Grund eines direkten Vergleichs der Anwen61 Zum Einsetzungsbegriff sowie den damit verbundenen Problemen vgl. [19] Carnap, Logik, S. 44-51. 62 Ebenso: [66] Lechner, § 13 Nr. 8, l ) - 3 ) ; [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Maunz), Art. 93 Rdnr. 60. Die zweite Subsidiaritätsdimension ( „ . . . soweit... ") betrifft andere Rechtswege, nicht Verfahrensarten.
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
155
dungsfelder der interpretierten 63 Normtexte und damit nur auf Grund eines Minimums an materialer Argumentation begründen lassen, sollen semantische Inklusionen genannt werden (Def. 175). Als Beispiele seien Art. 21 I I und Art. 9 I I GG, Art. 33 V und Art. 14 I GG bzgl. des Bestandsschutzes von Besoldungs- und Versorgungsansprüchen von Beamten — nicht: Soldaten — 6 4 sowie Art. 2 I GG — gedeutet als allgemeine Handlungsfreiheit — und die benannten Freiheitsrechte aufgeführt. In allen drei Beispielen ist eine mehr oder weniger intensive argumentative Abstützung der Inklusionsthese nx C ny erforderlich. Selbst im Verhältnis des Vereinigungs- zum Parteienbegriff vgl. § 2 I—III ParteienG) 65 ergibt sich die Inklusion nicht schon aus dem uninterpretierten Wortlaut der Art. 9 II, 21 I I GG als solchen. Die Diagnose einer semantischen Inklusion stellt einen Ansatz dar, der den ebenso nur mittels material-argumentativer Begründung entscheidbaren Zentralbegriffen „Ziel-Konflikt" und „Präferenz-Entscheidung" an Entscheidungskraft in der Konkurrenzsituation gleichkommt. Gem. F 32 und F 33 gestattet es eine Anwendungsfeldinklusion bei Vorliegen einer (konkreten) Konkurrenzsituation, auf das Bestehen einer verdrängenden Anwendungspräferenz zu schließen. Offen bleibt dabei allerdings noch die Entscheidung zwischen Spezialität und Subsidiarität, die mittels 9 («*,_) bzw. —ι 3(n x _) zu treffen ist. Diese letztere Entscheidung leisten aber auch die Zentralbegriffe nicht. Die Entscheidungskraft der Zentralbegriffe ist vielmehr mit der der Anwendungsfeldinklusion äquivalent. Denn auch sie setzen das Bestehen einer Konkurrenzsituation voraus und gestatten nur die Entscheidung über die verdrängende Anwendungspräferenz. Damit erscheint die Diagnose einer semantischen Inklusion als ein Entscheidungsweg, der die Anzahl der bei Anwendung der zwei Zentralbegriffe zu lösenden Probleme argumentativer Begründung von zwei (genauer: drei; vgl. unten 8.1.1. Abb. 29 iVm Abb. 30) auf eines reduziert. Bei Diagnostizierbarkeit einer syntaktischen Inklusion wird die Anzahl der Argumentationsprobleme sogar „auf Null" reduziert. Damit erweist sich die abstrakt-logische Konzipierung der Spezialität durch die konventionelle Dogmatik zwar nicht als völlig verfehlt, jedoch als reichlich schief. Denn richtiger Ansicht nach stellt die Inklusionsrelation zwischen zwei abstrakten Tatbeständen und damit auch Anwendungsfeldern (vgl. F 21 a) nur einen Weg dar, eine unechte Konkurrenz zu begründen. Außer 63 Interpretation werde hier derjenige Teil der Normkonkretisierung genannt, der sich auf die Präzisierung und Vervollständigung der Normtexte der abstrakten Normsätze mittels der textorientierten Konkretisierungstopoi (sog. methodologische Konkretisierungselemente ieS) beschränkt (Def. 176). M i t dem konventionell im Begriffspaar „Interpretation — Subsumtion" verwandten Interpretationsbegriff hat dieser Interpretationsbegriff nur noch gewisse technische, nicht aber konzeptionelle Parallelen. 64 Vgl. hierzu: [23] Denninger, Staatsrecht 1, S. 154; BVerfGE 16, 94, l l l f . („Soldaten-Versorgung"). 65 Dazu: [74] Maunz/Dürig/Herzog (Bearb.: Maunz), Art. 21 Rdnr. 38-39; [84] v. Münch, Art. 21 Rdnr. 5.
156
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
der Inklusion gibt es jedoch den zweiten Weg zur Begründung unechter Konkurrenz über die Zentralbegriffe. Außerdem gestattet die Inklusion keine Entscheidung zwischen Spezialität und Subsidiarität. Abschließend seien zwei graphische Hilfsmittel genannt, die die Diagnose einer Inklusionsrelation zwischen Anwendungsfeldern erleichtern. Es seien ( V y t l , . . . , v y m ) die Tatbestandsmerkmale von nsy, (v x..., v x n) mit n>m die Merkmale von nsx (vgl. F 16). Die graphische Umsetzung erfolgt dadurch, daß man jeder Merkmalsvariablen v x s bzw. v y t (s = l, . . n ; t = l,..., m) eine, nicht notwendig verschiedene Dimension des Anwendungsfeldes nx bzw. ny zuweist. Jeder Variablen wird außerdem ein abgeschlossener Ausprägungsbereich (vgl. Def. 48) in ihrer Dimension zugeordnet, die sie mit anderen Variablen gemeinsam haben kann. Die Ausprägungsbereiche sollen graphisch durch Vektoren repräsentiert werden. Die Länge der Vektoren soll eine Aussage über die Größe der Ausprägungsbereiche nur auf ordinalem, nicht aber quantitativ-kardinalem Skalenniveau symbolisieren. Zur besseren Übersichtlichkeit der ordinalen Größenverhältnisse werden die Anfangspunkte der Vektoren je nach zur Darstellung verwandtem Koordinatensystem auf einen gemeinsamen Nullpunkt (Polar-Koordinaten) oder eine gemeinsame Nullgerade (Parallel-Koordinaten) fixiert. Die Voraussetzungen für die Inklusionsaussage nx C ny sind dann die folgenden. Erstens : die Dimensionen sämtlicher v Vt t e Tb y müssen mit denen von m Merkmalen v xseTb x identisch sein. Die Menge dieser mv xs soll Tb x D i m I d genannt werden. Die Grenzen der (abgeschlossenen) Ausprägungsbereiche innerhalb einer Dimension brauchen sich nicht zu decken. Die vom betr. v x s e Tb x D i m I d dürfen enger als die vom dimensionsgleichen v y t sein, nicht aber umgekehrt. Zweitens: die Restmenge der (n — m) Merkmale v x s aus Tb x (im Folgenden mit „Tb x DimEn g' bezeichnet) darf nur Merkmale aufweisen, deren Dimensionen mit (n — m) Dimensionen der m Merkmale v Xf SeTb x D i m I d sowie folglich auch der Merkmale v y t identisch ist. Die Bedeutung der (n - m) Merkmale v x s e Tb xDimEn g besteht darin, daß sie die durch die m Merkmale v x s e Tb x D i m I d definierten abgeschlossenen Bereiche verengen. Drittens : Nach Nullfixierung der Anfangspunkte der Bereichsvektoren in den m Dimensionen können deren jeweils demselben Normsatz zugehörige Endpunkte verbunden werden. Dadurch entstehen zwei Anwendungsfeld-Profile, eines von nx und eines von ny. Liegt das Anwendungsfeld-Profil von nx stets innerhalb von dem von ny, so ist die Inklusionsrelation zwischen nx und ny zu bejahen. Je nachdem, ob man w-dimensionale Polar-Koordinaten oder Parallel-Koordinaten zur Darstellung heranzieht, ergibt sich eine andere Profil-Gestalt. Die Profil-Struktur bleibt jedoch erhalten. Die komplizierte theoretische Aufbereitung der graphischen Anwendungsfeld-Profile soll am Beispiel §§ 839 I ( = nsx), 823 I BGB ( = nsy) veranschaulicht werden. Auf dogmatische Feinheiten kann allerdings nicht eingegangen werden. Es werde Folgendes vereinbart:
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
\ 57
Tb 839I=
{Handlung 839I1, Beamter 839I2, Ämtpflichtverletzung geg. Drittem 839 j 3, haftungsbegründende Kausalität 839 j 4 , Rechtswidrigkeit 839 j 5, Verschulden 839 j 6, Schaden 839 j 7, Haftungsausfüllende Kausalität 839I 8 , dienstliche Handlung 839I 9 , bei Fahrlässigkeit: keine andere Ersatzmöglichkeit 839 7 10} Tb 823I = {Handlung 823I1, natürl. Person 82n 2, Verletzungserfolg bzgl. eines absoluten Rechts oder Rechtsgutes iSd § 823 I 8 2 3 J 3 , haftungsbegründende Kausalität 823ΙΛ , Rechtswidrigkeit 823/ 5, Verschulden 8237 6 , Schaden 8231 7, haftungsausfüllende Kausalität 8231 8} Es gilt also : m = 8 ; « = 10 Tb 839J
DimI d
^ 8 3 9 /, Dim ΕΠ0
=
= {v
839I
{^839 /, s}
s}
(s=
1,..8)
s
0 = 9, 10)
Die 8 Dimensionen, in welchen w 8 3 9 7 und w 8 2 3 / identisch sind, sind folgende : Dim. 1 : Verhalten Dim. 2: Täter Dim. 3 : tatbestandsmäßiger Erfolg Dim. 4: haftungsbegründende Kausalität Dim. 5 : Rechtswidrigkeit Dim. 6 : Verschulden Dim. 7 : Schaden Dim. 8 : haftungsausfüllende Kausalität Diese Festsetzungen ergeben folgende Anwendungsfeld-Profile. Man sieht deutlich, daß die Anwendungsfelder n839I und n823I nicht in Inklusionsrelation zueinander stehen. Es fehlt an der o.g. dritten Voraussetzung. Exkurs zur E- Wahrheit rechtsdogmatischer (Meta-)Allaussagesätze Auch wenn der Satz 66 F 34 wahr ist, vermag er ' das Theorem der Inklusionssubsidiarität F 31 nicht im strengen Sinne zu verifizieren. Denn F 31 wie F 24 sind — wie u.a. auch F 11 und F 13 — eigentlich zu All-Formeln zu verschärfen 67 und durch Voranstellen von All-Operatoren 68 als F 35 und F 36 wie folgt zu schreiben. Zu beachten 66 Genau genommen stellt F 34 trotz Einsetzung der Konstanten „93/Mr. 3" und „93INr.4" für die Index-Variablen „ x " und „y" (noch) keinen Satz (sog. geschlossene Satzformel) dar. Denn in Gestalt von „ / " und „y" sind immer noch zwei freie Variable in F 34 vorhanden. Für die folgende Erörterung bedingt es jedoch keine Fehlerhaftigkeit, wenn die Satzeigenschaft von F 34 aus Vereinfachungsgründen unterstellt wird. 67 Die Operation der Generalisierung einer Formel wird „Allschließung" genannt (vgl. [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. I, S. 50), obwohl sie von keinem logischen Gesetz getragen wird. Das entsprechende tautologische Satzformelschema gilt nur in der umgekehrten Richtung. Deshalb ist die (abschwächende) Operation der sog. Spezialisierung einer Formel — im Gegensatz zur Generalisierung — durchaus ein logisch korrekter Schluß (vgl. [19] Carnap, Logik, S. 59 L 15-1 a(l)). 68 Zum Begriff: [19] Carnap, Logik, S. 34-37; [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 39; [70] Lorenzen, Logik, S. 107-109; [57] Klug, Logik, S. 51; [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. I, S. 15-25. Synonyme Ausdrücke sind: All-Quantor, All-Quantifikator, Generalisator.
158
3. Teil : Vorbereitung einer neuen Lösung Parallel-Koordinaten:
Polar-Koord inaten :
83SI I \
623 I t
y
ey J))
Subs(e y J,
eXt i))
Das verfassungsrechtliche Beispiel der Art. 93 I Nr. 3, 4 G G verifiziert lediglich die sog. Einsetzungsinstanz69 F 34, keineswegs aber die All-Formel F 36. Nun sollen F 24 und F 31 aber nicht nur für beliebige Entscheidungsnormen aus bestimmten Normsätzen gelten, sondern auch für solche aus beliebigen Normsätzen nsx und nsy. Deshalb sind F 24 und F 31 nicht nur bzgl. der Entscheidungsnormen, sondern auch bzgl. der Normsätze zu generalisieren. Da nsx und nsy durch die Indizierung eindeutig bestimmt werden (vgl. die Identifizierungsfunktion der Zahl nach „§" bzw. „Art." in der üblichen Zitierweise von Normsätzen), kann diese zweite Stufe der Generalisierung technisch durch eine Generalisierung der Indizes χ und y durchgeführt werden. Analoges gilt für die Entscheidungsnormen und ihre Indizes. Da Konk, Spez und Subs irreflexive Relationen 70 sind ((x) (/) (—ι Konk(e x h ex ,·)), usw.), muß χ φ y postuliert werden. Dies gewährleistet, daß die folgenden Formeln F 37 und F 38 juristisch sinnvoll gedeutet werden können. Rein logisch wäre die Postulierung von χ φ y allerdings nicht erforderlich. Denn ein Implikationssatz ist stets wahr, wenn sein Implikans falsch ist. 69 70
[19] Carnap, Logik, S. 25, S. 45. Zum Begriff vgl. [19] Carnap. Logik, S. 120.
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
159
Bei x = y wären die beiden konjunktiven Teilausdrücke (n x C ny) und Konk(e x h ey j) des Implikans und damit das gesamte Implikans falsch. Die doppelte Generalisierung von F 24 bzw. F 31 führt also zu: F 37: (x)(y)(i)(j)(x*y F 38: W W ( O O ) H ) '
Λ Konk(e Λ
Konk(e
x>hey> J)
Λ (n XCN Y)
Xt heyt J)
λ (n x C nj λ
Λ s(n X t_)
->
Spez(e Xt i, ey> j)) Subs(e y J,e xJ))
Die Menge {e x i} der aus einem Normsatz nsx konkretisierten und ihm deshalb zugeordneten Entscheidungsnormen bildet seine Intension : die Norm (vgl. Def. 64). Die Norm ist als offene, nicht abgeschlossene, abzählbar-unendliche Menge {e X t J (i = 1 , . . . , oo) zu konzipieren. Dieses Normkonzept berücksichtigt die Phänomene richterlicher wie dogmatischer Rechtsfortbildung und -Schöpfung. Gleichermaßen berücksichtigt es jedoch auch die — nur prima facie für dogmatische All-Aussagesätze irrelevante — Erkenntnis der empririsch-analytischen Wissenschaftstheorie, daß Naturgesetze formulierende (empirische) All-Sätze nicht auf aktual-unendliche Bereiche, sondern höchstens auf sog. potentiell-unendliche Bereiche bezogen werden können. Dies sind Bereiche, die zwar unendlich, jedoch nicht abgeschlossen, in ihren Elementen konstruierbar und damit abzählbar 71 sind 7 2 . Diese Beschränkung der Quantoren-Bereiche empirischer All-Sätze erwies sich als sinnvoller Weg, die erkenntnistheoretischen Antinomien (ζ. B. die sog. Zenonischen Antinomien) 7 3 zu vermeiden. Außerdem kommt sie wegen der Forderung nach Konstruier barkeit dem Operationalitätspostulat entgegen. Auch dogmatische All-Aussagesätze müssen analog den empirischen All-Sätzen als prüfbar 74 75 oder bestätigungsfähig (sog. empirisches Sinnkriterium) angesehen werden, wenn sie nicht verfehlterweise rein logisch-mathematisch konzipiert werden sollen. Dann muß die Beschränkung auf potentiell-unendliche Bereiche analog auch für dogmatische All-Aussagesätze wie F 37 und F 38 gelten. Dies stellt eine Grunderkenntnis einer juristisch-analytischen Erkenntnistheorie dar. Die auf Plato zurückgehende Konzeption des Aktual-Unendlichen ist selbst im logisch-mathematischen Bereich kontrovers. Im Gegensatz zur klassischen Mathematik wird sie von den neueren mathematischen Grundlagenschulen des Konstruktivismus (Kronecker, Borei, Lebesgue), Intuitionismus (Brouwer, Weyl, Hey ting) und der operativen Mathematik (P. Lorenzen) mit guten Gründen bekämpft 76 . Die Beschränkung dogmatischer All-Aussagesätze auf potentiell-unendliche Bereiche ändert jedoch nichts an der von Popper sog. Asymmetrie zwischen Verifikation und Falsifikation von All- und Existenz-Sätzen 77 , wobei sich bei Existenz-Sätzen allerdings die Richtung der Asymmetrie umkehrt. Dogmatische All-Aussagesätze über potentiellunendlichen Bereichen sind nicht verifizierbar, sondern entweder „falsifiziert" (durch Aufweisen eines falsifizierenden Rechtsfalles) oder „ i m Gebrauch bewährt" (auf Grund rechtspraktischer Bewährung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch bislang nur bestätigende Rechtsfälle) oder schließlich „bislang weder falsifiziert noch bewährt" (auf Grund bislang fehlender rechtspraktischer Erfahrungen). Inwieweit sich F 37 und F 38 im (rechtspraktischen) Gebrauch bewähren können, muß die Praxis der 71 Zum Begriff der abzählbaren Menge vgl. [19] Carnap, Logik, S. 150-151; [124] v. d. Waerden, Algebra I, S. 11. 72 [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 48-49, S. 117 (sog. konstruktivistische Forderung). 73 Vgl. hierzu: [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 47-48. 74 Zum Begriff: [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 117. 75 Zum Begriff: [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 118. 76 Vgl. hierzu: [9] Behnke u. a. (Bearb. : Steiner), Math. 1, S. 239-246; [70] Lorenzen, Formale Logik, S. 118-119; [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 45-46. 77 [95] Popper, Logic of Discovery, S. 41-42, S. 70; vgl. auch: [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 44.
160
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Rechtsanwendung zeigen. Das tertium-non-datur der klassischen Logik 7 8 gilt bei dogmatischen All-Aussagesätzen mit nicht-endlichen 79 Quantoren-Bereichen, was der Normalfall sein dürfte, jedenfalls nicht. Diese Problematik ist in der bisherigen Diskussion der Wahrheitsfahigkeit juristischer, insbesondere dogmatischer Sätze nicht hinreichend beachtet worden. Zum Teil krankt die Diskussion aber auch daran, daß die sprachliche Objekt-Ebene der Normsätze und Entscheidungsnormsätze, die nicht wahrheitsfahig sind 8 0 , und die sprachliche Meta- Ebene der (is-wahrheitsfähigen) Aussagesätze über Normsätze und Entscheidungsnormsätze nicht exakt differenziert werden 81 . Dadurch gerät aus dem Blickfeld, daß die Dogmatik wie überhaupt jede normkonkretisierende Funktion auf beiden Ebenen gleichermaßen Sätze (vgl. Def. 3) aufstellen. Soweit z.B. die Dogmatik Normsätze zu Entscheidungsnormen konkretisiert, stellt sie Entscheidungsnormsätze auf, füllt dadurch die Menge der einem Normsatz zugeordneten Entscheidungsnormen weiter auf und präzisiert damit den Inhalt dieser Menge, d. h. die Norm (vgl. Def. 64). Entscheidungsnormsätze — wie Entscheidungsnormen — sind nicht wahrheitsfahig, sondern gelten (=Extension AK, vgl. Def. 155) nur kraft des Maßes ihrer argumentativen Begründetheit iwS 82. Soweit die Dogmatik dagegen (Meta-)Aussagesätze über Normen und Entscheidungsnormen formuliert, sind ihre Aussagesätze an sich Zs-wahrheitsfahig 83 . Ihre mangelnde strikte Verifizierbarkeit beruht jedoch nicht nur darauf, daß objekt- wie metasprachliche dogmatische Begriffe 84 häufig nicht operational prüfbar bzw. bestätigungsfähig sind, sondern liegt ebenso grundsätzlich im Charakter der Meta-Allaussagesätze — wie z. B. F 37 und F 38 — gerade als All-Sätze mit potentiell-unendlichen Quantoren-Bereichen. Bei Erkenntnis des letzteren wird sogleich der Ausweg aus dem Dilemma zwischen mangelnder Verifizierbarkeit und zufalliger Falsifizierbarkeit deutlich. Anstelle wissenschaftstheoretisch nicht hinreichend reflektierte Neuansätze zu leisten 85 , sollte erst der Lösungsweg analysiert werden, den die analytische Wissenschaftstheorie durch Aufstellung der induktiven Logik 8 6 , insbesondere der Einführung des quantitativen Hypothesenbestätigungsgrades 87, bereits gewiesen hat. Überträgt man den Ansatz dieser Theorie vorsichtig auf die Verifizierbarkeit dogmatischer Meta-Aussagesätze unter Beachtung der von der positiven Rechtsordnung gestellten Anforderungen, so weist auch hier der Begriffeines Maßes argumentativer Begründbarkeit iwS (vgl. Def. 29) von Sätzen den Weg zur Lösung. Insofern konvergieren sogar die Probleme der Anerkennung (vgl. Def. 27) von Entscheidungsnormsätzen und Meta-Aussagesätzen. Sie münden beide in das Problem der Aufstellung einer semantisch umfassenden juristischen Argumentationstheorie in Form eines methodologisch-rationalen, insbesondere operationalen Argumentationsmodells. Ein solches unter 8.1.2. konstruiertes Argumentationsmodell gestattet es, die argumentative Begründbarkeit iwS von Sätzen quantitativ auf Kardinalskalenniveau zu 78
[19] Carnap, Logik, S. 26, L 8 - 1 a, b. Zum Begriff der unendlichen Menge : [19] Carnap, Logik, S. 153-154. 80 [128] Weinberger, Rechtslogik, S. 33-34. 81 Bedenklich: [3] Adomeit, JuS 1972, S. 631-632; die Kritik von [77] Meyer, JuS 1973, S. 203 erscheint insoweit berechtigt. 82 Die Betätigung des Dogmatikers auf der Objekt-Ebene betont einseitig: [3] Adomeit, JuS 1972, S. 631, S. 634. 83 Diesen Aspekt betont einseitig: [77] Meyer, JuS 1973, S. 202-204. 84 Dies betont: [3] Adomeit, JuS 1972, S. 631, S. 634. 85 So aber: [3] Adomeit, JuS 1972, S. 632 („Zertifizierung"). 86 [20] Carnap/Stegmüller, Induktive Logik, passim. 87 [20] Carnap/Stegmüller, Induktive Logik, S. 23, S. 134ff.; [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 80-81. 79
161
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
erfassen. Damit wird insbesondere auch die ^-Wahrheit von Meta-Allaussagesätzen quantifiziert. Das Argumentationsmodell wird jedoch lediglich mit dem Ziel konstruiert, methodologische Rationalität beim argumentativen Begründen zu gewährleisten. Damit kann der E-Wahrheitswert, den ein Argumentationsmodell für einen bestimmten Aussagesatz als Output liefert (sog. Gesamtbegründetheitswert), nicht im Sinne semantischer Wahrheitstheorien gedeutet werden, sondern als quantitatives Maß intersubjektiv diskutierbarer Begründbarkeit. Methodologisch-rationale Argumentationsmodelle formulieren damit, soweit sie auf Aussagesätze als Entscheidungsalternativen angewandt werden, eine pragmatische Wahrheitstheorie.
6.2.2.5. Syntaktische und semantische Spezialität und Subsidiarität Analog zur Differenzierung zwischen syntaktischer und semantischer Inklusion kann auch zwischen syntaktischer und semantischer Spezialität und Subsidiarität unterschieden werden. Syntaktische Spezialität liege dann vor, wenn eine explizite Spezialitätsbzw. Generalitätsklausel existiert (Def. 177). Je nach (syntaktischer) Plazierung solcher Klauseln innerhalb oder außerhalb des Normstextes des zu konkretisierenden Normsatzes kann zwischen internen und externen Klauseln unterschieden werden. Als Beispiele für externe Spezialitätsklauseln seien Art. 19 IV 3, 115d I GG, für interne Spezialitätsklauseln Art. 115c I I Nr. 1, 115c I I Nr. 2 GG genannt. Syntaktische Subsidiarität liege vor, wenn eine explizite Subsidiaritätsklausel existiert (Def. 178). Als Beispiele seien Art. 30, 70 I, 74a I, 83 und 93 I Nr. 4 GG aufgeführt. Nicht-syntaktische Spezialität und Subsidiarität werde semantische Spezialität (Def. 179) bzw. Subsidiarität (Def. 180) genannt 88 . Diese Terminologie erscheint insofern sinnvoll, als beim Fehlen von ausdrücklich die Spezialität bzw. Subsidiarität regelnden Normtextklauseln syntaktische Normsatz-Aspekte nicht ausreichen, eine Spezialitäts- bzw. Subsidiaritätsrelation zwischen Entscheidungsnormen zu konstatieren. Vielmehr sind Norms&tz-Intensionen, genauer: Elemente der Intensionen in Gestalt von Entscheidungsnormen (vgl. Def. 59, 64) und Extensionen^ (vgl. Def. 66, 153) in Gestalt von Anwendungsfeldern zu bemühen. Unter dem Konkurrenzaspekt, nicht jedoch unter dem Konkretisierungsaspekt, erscheinen syntaktische Spezialitäten und Subsidiaritäten als bereits vom Gesetz geregelte Konkurrenzen und damit als trivial. Dies geben folgende Formeln plastisch wieder, insbesondere wenn man die geringe Stärke der im jeweiligen Implikans aufgestellten Voraussetzungen mit F 11, F 13, F 24 und F 31 vergleicht: F 39:
l(3v
Xt P)
Λ Konk(e F 40:
x
ι, ey j) x>hey J)
x p))
ν (sns z) (SyntSpezKl(v
zJ)]
λ
zJ)~\
λ
Spez(e x i, ey j)
[(9 v y, r) (SyntSubsKl(v Λ Konk{e
88
[SyntSpezKl(v
yt r))
v (a nsz) [SyntSubsKl(v
—• Subs(e y j, ex i)
Zu den semiotischen Begriffen: [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. I, S. 30-38.
11 Fohmann
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
162
Problematisch bleiben aber die im G G wohl den statistischen Normalfall bildenden semantischen Spezialitäten und Subsidiaritäten. Sie werfen Entscheidungsprobleme auf unabhängig davon, ob man den Entscheidungsweg über die Zentralbegriffe und den Begriff des Negativ-Anwendungsfeldes wählt oder den über eine (keineswegs stets) gegebene Anwendungsfeldinklusion und ebenfalls den Begriff des Negativ-Anwendungsfeldes. 6.2.2.6. Formale Eigenschaften der Relationen Konkurrenz, echte Konkurrenz, verdrängende Anwendungspräferenz, Spezialität und Subsidiarität : die „Logik" der Relationen Konk, EKonk, VerdrAP, Spez und Subs Konk, EKonk, VerdrAP, Spez und Subs sind sämtlich sog. homogene zweistellige Relationen. Dabei bedeute „EKonk" die Relation echte Konkurrenz. Eine Relation heißt genau dann homogen, wenn die Argumentausdrücke typusgleich 89 sind, die für das die Relation bedeutende (2-stellige) Prädikat zugelassen sind. Für 2-stellige homogene Relationen sind in der Relationenlogik zahlreiche formale Eigenschaften definiert worden 9 0 . In Übereinstimmung mit dem juristischen Sprachgebrauch werde EKonk wie folgt definiert: F 41a:
Konk = EKonk ν Spez ν Subs r def
M i t F 8 ergibt sich sofort: F 41b:
Konk = EKonk ν VerdrAP
Die Relationen Konk, EKonk, VerdrAP, Spez und Subs sind sämtlich irreflexiv („Irr") : F 42 a:
Irr (Konk)
F 42 b:
Irr (EKonk)
F 42c:
Irr (VerdrAP)
F 42d:
Irr (Spez)
F 42e: Irr (Subs) Die Irreflexivität bedeutet, daß keine Entscheidungsnorm zu sich selbst in einer dieser Relation sehen kann. Es gilt mit „ H " als Prädikatvariable, für welche Konk, EKonk, VerdrAP, Spez und Subs eingesetzt werden können: F 43a:
Irr(H)
~
(e xJ) (e y,j) LH(e x, h eyJ
^
F 43b:
Irr (H)
~
(e xJ) (e yJ L(e xJ = eyt j) -
(e xJ ι
H(e xj,
eyJ1
89 Zu Sprachen mit dem sog. einfachen Typensystem, zu ihren Vor- und Nachteilen gegenüber typenfreien Sprachen sowie zum einfachen Typensystem selbst vgl. [19] Carnap, Logik, S. 80-83. 96 Zur Relationen-Logik, insbesondere zu im Folgenden verwandten Begriffen: vgl. [19] Carnap, Logik, S. 114-125; [6η Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 63-64. Auch die verwandte Symbolik wird vorwiegend Carnap entnommen.
163
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
Dieser Ausschluß der Identität für Entscheidungsnormen, die in einer der Relationen Konk, EKonk, VerdrAP, Spez oder Subs zueinander stehen, basiert auf den Prämissen 4 und 6 der Konkurrenzsituation. Beispielsweise können identische Entscheidungsnormen nicht in ihren Rechtsfolgenumfangen divergieren, wie es Prämisse 6 fordert. Außerdem entspricht der Identitätsausschluß dem juristischen Sprachgebrauch. Die Relation EKonk ist symmetrisch („Sym") : F 44:
Sym (EKonk)
Dies bedeutet: F 45 a :
Sym (EKonk)
(e p) in M z effektiv empirisch-experimentell ermittelt wird (Def. 188). Das allgemeine Repräsentationstheorem der Skalierungstheorie kann danach wie folgt formuliert werden : Ein empirisches System Se ist genau dann numerisch repräsentiert, wenn ein typgleiches, homomorphes bzw. isomorphes numerisches System Sz effektiv konstruiert ist. Die Homomorphie bzw. Isomorphic gestattet es, von Se zu Sz strukturanalog bzw. strukturerhaltend überzugehen. Sog. strukturelle Systemeigenschaften bleiben erhalten 172 . Der Sinn der numerischen Repräsentation empirischer Entitäten mittels Skalierung besteht darin, das Arbeiten mit der Empirie zu erleichtern bzw. erst zu ermöglichen. Dies wird dadurch erreicht, daß man die vom konkreten System Se jeweils abhängige, relativ wenig bekannte empirische Struktur durch eine allgemeine und wohlbekannte, repräsentative numerische Struktur ersetzt und dann stellvertretend mit letzterer arbeitet. Eine gewisse Verwandtschaft zur Modellmethode sowie zur 170 Zu diesen Begriffen: [124] v. d. Waerden, Algebra I, S. 27-30; zur Isomorphie bzw. Homomorphie von Relativen vgl. [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 132; sehr instruktiv zur Homomorphie von Algebren iwS: [55] Klaus, Kybernetik, S. 252-254; [44] Hermes, Verbandstheorie, S. 193-194. 171 Vgl. dazu: [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. II, S. 59-60. 172 Zum Begriff strukturelle Eigenschaft vgl. [19] Carnap, Logik, S. 142-143.
13 Fohmann
14
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Simulation 173 ist unübersehbar. U m dem allgemeinen Repräsentationstheorem auch terminologisch Rechnung zu tragen, wird das geordnete Tripel (S e , SZ9 φ) auch Skala iwS genannt. Die Skalen ieS Sz lassen sich in zahlreiche Sonderformen 174 unterteilen. Unter den Aspekten, welche Relationen und Operationen über M z definiert sind und ob Skalennullpunkt und/oder -einheit empirisch vorgegeben sind, lassen sich sieben Skalenarten unterscheiden. Ein zweiter Differenzierungsansatz ist hierzu weitgehend äquivalent: Man untersucht, welche numerischen Eigenschaften Funktionen ψ: M z —> M z (sog. Skalentransformationen) erfüllen müssen, damit die numerische Struktur von Sz beim Übergang zu einem anderen numerischen System S' z erhalten bleibt, also ψ einen Isomorphismus zwischen Sz und S' z darstellt. Die Menge aller \j/ 9 die diese Voraussetzungen jeweils erfüllen, heißt die Klasse zulässiger (weil strükturerhaltender) Transformationen. Unter einer zulässigen Transformation bleibt die Skalenstruktur invariant. Damit ist auch Se zu Sz homomorph bzw. isomorph. Das Adäquatheitstheorem der Skalierungstheorie kann nunmehr wie folgt formuliert werden: Ein empirisches System Se ist genau dann durch ein zu Se homomorphes oder isomorphes numerisches System Sz adäquat repräsentiert, wenn Sz in jedes zu Se homo- bzw. isomorphe numerische System Sz durch eine nach dem Skalenniveau von Sz zulässige Transformation ψ isomorph transformiert werden kann. Kardinalskalen werden auch metrische Skalen genannt. Ein Homomorphismus bzw. Isomorphismus φ zwischen Se und einer Kardinalskala Sz heißt eine Metrik (Def. 189). Das Einführen eines solchen φ nebst der zugehörigen Kardinalskala durch effektive Konstruktion heißt Metrisierung von Se (Def. 190). Metrisieren bedeutet demnach Skalieren auf Kardinalskalenniveau. Der Begriff der Metrisierung darf nicht mit dem Begriff der Messung verwechselt werden 175 . Metrisierung ist Voraussetzung der Messung. Messen bedeutet, φ experimentell-empirisch zu realisieren. Dazu sind operationale Regeln erforderlich, die die sog. Meßoperationen beschreiben. Die Meßoperationen werden zur sog. Meßmethode zusammengefaßt. Die Meßmethode gestattet es, zu jedem epeM e den zugehörigen Meßwert 0; heit und -nullpunkt b beliebig} positive beliebig) lineare Transformationen
+ , usw. Skaleneineinheit (Skalennullpunkt beliebig)
{φ\ζ' = ψ(ζ) = = z + b; b beliebig} additive Transformationen
+ , usw. Skalennull- {ψ\ζ' = ψ(ζ) = punkt = az;a> 0} (Skalenein- positive heit beliemultiplikative Transbig) formationen 4-, usw. Skalenein- {ψ\ ζ' = ψ(ζ) = ζ} heit und identische Skalennull- Transpunkt formationen Abb. 24. Skalenarten
TemperaturSkalen; Zeitskalen.
Gewichtsskalen; Entfernungsskalen
18
. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Es sind so viele Urteilsfolgen durchzuführen, bis die rating-Werte wiederholungsstabil werden; oder aber man interpretiert die Abweichungen bei wiederholten Urteilsfolgen als Meßfehler, die sich gegenseitig kompensieren und durch Bildung des arithmetischen Mittels eliminiert werden können 1 8 4 . Mathematisch kann diese Mittelbildung damit begründet werden, daß das arithmetische Mittel eine Lösung nach der von Gauß entwickelten Methode der kleinsten Quadrate zur Fehlereleminierung darstellt 185 . Den hier im Vordergrund stehenden Forderungen methodologischer Rationalität nach transparenter, genauer und vollständiger Explizierung von Wertungen genügt das rating ohnehin vorzüglich. 6.3.2.2. Die Theorie der Zwei-Personen-Nichtkonstantsummenspiele. Die Theorie der Zwei-Personen-Nichtkonstantsummenspiele 186 stellt eine Teiltheorie der Spieltheorie 187 dar. Beim Zwei-Personen-Nichtkonstantsummenspiel ist die Summe der Nutzen (in der Spieltheorie auch Gewinne oder Auszahlungen genannt) der beiden Spieler variabel und hängt von den einzelnen aufeinandertreffenden Strategien (sog. gespieltes Strategienpaar) ab. Zur Darstellung solcher Spiele in Matrixform (sog. Normalform) werden deshalb zwei Nutzen-Matrizen benötigt (sog. Bimatrixspiel). Die Theorie der Bimatrixspiele läßt die unrealistische Modellannahme der Nutzensummenkonstanz bei Zwei-Personen-Nullsummenspielen (sog. Matrixspiel) fallen und verallgemeinert dadurch den Modellansatz. Die Theorie der Bimatrixspiele liefert u. a. ein mathematisches Situationsmodell für Konflikte zweier Personen, die aus der Verfolgung partiell antagonistischer Realinteressen heraus entstehen. Für den empirisch seltenen Fall vollständigen Interessengegensatzes tritt lediglich Nutzensummenkonstanz ein. Die Beträge der Nutzen in den entsprechenden Matrixzellen sind bis auf das Vorzeichen identisch. Eine der beiden Matrizen wird daher überflüssig. In diesem Sonderfall wird das Bimatrixspiel zum Matrixspiel. 184
Vgl. [116] Sixtl, Meßmethoden, S. 22-23; [131] Zangemeister, N W A , S. 168-171. [116] Sixtl, Meßmethoden, S. 36-38, S. 45; zur math. Ausgleichsrechnung vgl. [761 Meschkowski, Math., S. 31-32 mwN. 186 Vgl. dazu: [89] Owen, Spieltheorie, S. 142-157; [8η Neumann, OR, S. 191-198; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 64; [10] Behnke u.a. (Bearb.: Oberschelp), Math. 2, S. 325-327; [85] Naschold, Systemsteuerung, S. 39-42; [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 178-184; [22] Davis, Spieltheorie, S. 76ff.; [18] Bühlmann u.a., Entscheidungstheorie, S. 205-221. 187 Zur Spieltheorie: [86] v. Neumann/Morgenstern, Spieltheorie; [22] Davis, Spieltheorie; [123] Vogelsang, Math. Theorie der Spiele; [87] Neumann, OR, S. 168ff.; [42] Henn/Künzi, Unternehmensforschung II, S. 70-83; [10] Behnke u.a. (Bearb.: Oberschelp), Math. 2, S. 309-328; [62] Krelle, Präferenztheorie, S. 117ff.; [113] Shubik, Spieltheorie; aus juristischer Sicht: [50] Kilian, Jur. Entscheidung und EDV, S. 152-156; [126] Wälde, Rechtstheorie 1975, S. 224-228; kritisch [7] Arnaszus, Spieltheorie; zum Hauptsatz der Spieltheorie [87] Neumann, OR, S. 176-179; [10] Behnke u.a. (Bearb. Oberschelp), Math. 2, S. 319; zum Begriff des Gleichgewichtspunktes : [87] Neumann, OR, S. 195; [10] Behnke u.a. (Bearb. Oberschelp), Math. 2, S. 326-327. 185
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
1
Die Spieltheorie versucht, ihre Konfliktsmodelle sowohl mathematisch eindeutig und vollständig als auch inhaltlich überzeugend zu lösen. Für die Matrixspiele ist dies gelungen. Maximiert Spieler 1 die Zeilenminima, also seine jeweiligen Nutzenminima, und minimiert Spieler 2 die Spaltenmaxima, also seinen jeweiligen Verlustmaxima, so führen diese beiden Strategien im gemischt erweiterten Einmatrixspiel stets und nur zum selben Nutzwert (sog. Spielwert). Eine gemischte Erweiterung bedeutet dabei, daß man über den endlichen Mengen reiner Strategien unendlich viele diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen 188 einführt, welche gemischte Strategien genannt werden. Jedenfalls weist jedes erweiterte Einmatrixspiel genau einen Spielwert und mindestens einen Sattelpunkt (äquivalenter und paarweise austauschbarer Gleichgewichtspunkt) auf, der genau durch die Maximin-Strategien realisiert wird (sog. Hauptsatz der Spieltheorie bzw. großes Minimaxtheorem). Dagegen ist es für die Bimatrixspiele nicht gelungen, Lösungen vergleichbarer Qualität aufzufinden. Immerhin repräsentiert jedes Bimatrixspiel modellhaft und operational die allgemeine Situation eines interpersonellen Realkonflikts. Dieser Befund legt es nahe zu prüfen, ob mit Hilfe der Theorie der Bimatrixspiele erstens die Kollisionssituation operationalisiert und zweitens zu ihrer Lösung wenigstens Lösungsaspekte gewonnen werden können, da die Kollisionssituation eine Teilmenge interpersoneller Realkonflikte thematisiert (vgl. oben 6. 1.). Zur Operationalisierung der Kollisionssituation kann die Spieltheorie jedoch nur in gewissem Umfang fruchtbar gemacht werden. Zu den grundlegenden Modellannahmen der Spieltheorie zählt, daß die reinen Strategien der Spieler endliche Mengen darstellen. Für die Modellierung der unendlich vielen Modalitäten der Ausübung einer grundrechtlichen Quasi-Entscheidungsnorm (vgl. Def. 118) ist die Annahme zu repressiv. Zwar erweitert auch die Spieltheorie die Strategienmengen zu unendlichen Mengen, indem sie zu den gemischten Strategien übergeht. In der Kollisionssituation interessieren Wahrscheinlichkeitsverteilungen über der Menge der Ausübungsmodalitäten, die den beiden Grundrechtsträgern jeweils zustehen, jedoch nicht. Aus der Theorie der kooperativen Bimatrixspiele erscheinen jedoch folgende Einzelinstrumente als fruchtbar. Erstens: das kooperative Auszahlungsdiagramm 189. Das kooperative Auszahlungsdiagramm markiert im reellzahligen 188 Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung Ρ über einem Booleschen σ-Ring F (sog. Ereignisraum) ist eine Funktion, deren Werte nicht-negativ, additiv und normiert sind (sog. Kolmogoroff 'sehe Axiome). Zu diesen Begriffen: [42] Henn-Künzi, Unternehmensforschung I, S. 44-58; [76] Meschkowski, Math., S. 42, 138, 290; [75] Menges, Grundmodelle, S. 21, 165, 272-273; [98] Reichardt, Statistische Methodenlehre, S. 130ff.; [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. IV, S. 129ff., insbesondere S. 157ff.; [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 75-76; [10] Behnke u.a. (Bearb.: Oberschelp), Math. 2.,S. 348-351. 189 Vgl. [8η Neumann, OR, S. 193; vgl. auch [89] Owen, Spieltheorie, S. 145. Die Theorie kooperativer Bimatrixspiele bildet mit der Theorie der nicht-kooperativen Bimatrixspiele die Theorie der Bimatrixspiele. Nicht-kooperative Spiele interessieren hier nicht, da v nur kooperative Spiele Ausgleichsprobleme aufwerfen, worin sie den Kollisionssituationen gleichen.
3. Teil : Vorbereitung einer neuen Lösung
2-dimensionalen kartesischen Koordinatensystem (sog. R2) die Menge D aller 2-stelligen Nutzenkombinationen, die von den Spielern im konkreten Spiel durch beliebige Strategienwahl überhaupt realisiert werden können. Der Rand dD der konvexen und abgeschlossenen Punktmenge D repräsentiert im gewissen Sinne funktionale Abhängigkeiten zwischen den erreichbaren Spielernutzen. Zweitens: die Lösungsmenge 190. Eine Teilmenge von dD ist dadurch ausgezeichnet, daß sie eine Menge pareto-optimaler Nutzenpaare darstellt 191 . In D ist eine Nutzenkombination K MaxMi n ausgezeichnet. K MaxMin charakterisiert die beiden Nutzen, die jeder Spieler unabhängig von der Strategienwahl des Gegenspielers durch Wahl des Maximums der Zeilennutzenminima erreichen kann (sog. Maximin-Nutzen). K MaxMi n repräsentiert das von den Spielern jedenfalls erreichbare Nutzenmindestniveau. Die Menge S(S C D) der gegenüber K MaxMi n pareto-vorrangigen Nutzenpaare wird nach „oben-rechts" durch eine Teilmenge von dD abgeschlossen. Die Schnittmenge L von S und der Menge der pareto-optimalen Nutzenpaare aus dD stellt die Menge derjenigen Nutzenpaare dar, die zum einen pareto-optimal sind und zum anderen nicht hinter das jedenfalls erreichbare Nutzenpaar K MaxMin zurückfallen. Die Schnittmenge L wird deshalb Lösungsmenge genannt. Zwecks Operationalisierung der Kollisionssituation bieten sich folgende Umdeutungen an: Die Nutzen werden als Intensitätswerte der jeweiligen Ausübungsmodalität, D wird als die Menge aller konkret realisierbaren Intensitätswertpaare interpretiert. dD beschreibt den Kollisionsverlauf, K MaxMin markiert die Grenze zwischen kollisionsfreien und kollidierenden Intensitätswerten. L kann damit folgerichtig als Menge aller kollidierenden Intensitätswertpaare gedeutet werden (Kollisionsbereich). Zur Lösung bzw. Entscheidung der Kollisionssituation ist die Theorie der kooperativen Bimatrixspiele wie die sonstige Spieltheorie nicht brauchbar. Für die Verhandlungslösungen (sog. bargaining) 192 gilt dies unabhängig von ihrer konkreten mathematischen und inhaltlichen Ausgestaltung 193 . Denn diese Lösungen versuchen, reale Verhandlungsausgänge deskriptiv zu modellieren, ζ. B. durch Berücksichtigung von Droh- und/oder Frustrationspotentialen, Sicherheitsgrenzen usw. Demgegenüber formulieren die Schieds190
Vgl. [10] Behnke u. a. (Bearb. : Oberschelp), Math. 2, S. 327. Zu den grundlegenden Begriffen der Pareto-Ordnung und des Pareto-Optimums ( = höchster Pareto-Rang) vgl. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 3, S. 77; [53] Kirsch, BWL, S. 47; hierzu mit Recht kritisch: [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 422-423. Ein geordnetes /z-tupel (n > 2 ) ist gegenüber einem anderen w-tupel par eto-vorrangig, wenn beim Übergang vom letzteren zum ersteren mindestens eine Komponente größer wird und die restlichen Komponenten ihren status-quo bewahren. Eine Pareto-Ordnung bewirkt damit nur eine partielle Ordnung. Zur Weiterentwicklung der Pareto-Ordnung durch Kaldor und Hicks vgl. [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 424-426. 192 Vgl. dazu: [89] Owen, Spieltheorie, S. 153-157; [7] Arnaszus, Spieltheorie, S. 143-149; [85] Naschold, Systemsteuerung, S. 42. 193 Vgl. ζ. B. die Verhandlungslösung von Nash mittels Drohpotentialen (J. F. Nash, The Bargaining Problem, in: Econometrica 18, 1950, S. 115-162), dazu: [89] Owen, Spieltheorie, S. 153-157. 191
Kapitel . Operationalisierung der Problemsituationen
1
richterlösungen (sog. arbitration )194 Lösungen des Problems der Nutzenaufteilung innerhalb L , wie sie v o n einem fairen, v o n Gerechtigkeitsvorstellungen ausgehenden Schiedsrichter getroffen werden. T r o t z normativer Pragmatik sind aber auch diese Ansätze für Kollisionslösungen unbrauchbar. T r o t z mathematischer Eleganz bleiben die die Schiedsrichterlösungen tragenden Axiomensysteme unter dem Gerechtigkeitsaspekt vordergründig. Ihre implizierten Wertaussagen sind inhaltlich höchst problematisch. Dies sei exemplarisch an der Schiedsrichterlösung von Nash (Maximierung des Produkts der Zusatznutzen) demonstriert 195 . Die Produktmaximierung führt mathematisch zwingend dazu, daß die Zusatznutzen — ausgehend vom Maximinnutzenpaar — im Verhältnis der Grenznutzentransferrate (1. Ableitung der Nutzentransferfunktion) zwischen den Spielern aufgeteilt werden 196 . Da unterstellt werden kann, daß die Grenznutzen mit steigenden Spielergebnissen bzw. Konsum monoton fallen (Gossen'sche Gesetze) 197 , weist die Nash-Lösung bei nicht-linear transferierbarem Nutzen einem Spieler mit hohem Spielergebnis („Reicher") einen größeren Anteil am Zusatzgewinn zu als seinem Gegenspieler mit niedrigem Spielergebnis („Armer") 1 9 8 . Dieses Ergebnis wirkt befremdend. Trotz normativer Pragmatik ist keine Schiedsrichterlösung auch n u r annähernd i n der Lage, das argumentative Arsenal der Rechtswissenschaft zur Kollisionslösung zu verarbeiten. N u r die umfassende E r m i t t l u n g u n d Verarbeitung der rechtswissenschaftlichen Argumentenpalette, die v o n den Interpretationscanones über die dogmatischen bis zu den verfassungstheoretischen u n d -politischen Argumente reicht, erlaubt es, die W a h l eines Intensitätswertpaares i m Kollisionsbereich positiv-rechtlich u n d nicht nur m i t Hilfe des Optimierungsaspektes zu begründen. N u r eine solchermaßen begründete W a h l stellt eine rechtliche Lösung dar u n d genau eine solche Lösung ist Aufgabe der Rechtswissenschaft. Die normativen Lösungsansätze der Theorie der kooperativen Bimatrixspiele, gedeutet als Kollisionslösungen, verfehlen die N o r m a t i v i t ä t der positiven Rechtsordnung. 194 Vgl. ζ. B. die Schiedsrichterlösung von Nash mittels Maximierung des Produktes der Zusatznutzen, ausgehend von K MaxMi n (J. F. Nash, Two-Person-Cooperative Games, in: Econometrica 21, 1953, S. 128-140), dazu: [87] Neumann, OR, S. 197; [89] Owen, Spieltheorie, S. 145-152; [22] Davis, Spieltheorie, S. 115ff. 195 Der Nash-Lösung liegen fünf Axiome zugrunde (vgl. dazu: [89] Owen, Spieltheorie, S. 146-147; [22] Davis, Spieltheorie, S. 116-117), die gewisse Eigenschaften der Lösung postulieren. Die Produktfunktion von Nash wird eindeutig durch diese Axiome bestimmt (Beweis bei [89] Owen, Spieltheorie, S. 147-151, Theorem VII.2.2.). Dieser axiomatisch-funktionale Ansatz ist typisch für die (geschlossenen) Entscheidungsmodelle der Theorie der Bimatrixspiele. Er ist mathematisch elegant, jedoch unelastischrestriktiv in der Handhabung und willkürlich im Inhalt. Informationsverarbeitende, offene Entscheidungsmodelle vermeiden diese Nachteile. 196 A u f die Probleme der interpersonellen Nutzenvergleichbarkeit und -transferierbarkeit kann nicht eingegangen werden, vgl. dazu: [7] Arnaszus, Spieltheorie, S. 40-41, S. 47-49, S. 28-29. 197 Vgl. dazu: [36] Gottinger, Entscheidungstheorie, S. 7-8. 198 Bei [89] Owen, Spieltheorie, S. 151-152 wird ein solches Beispiel auf der Basis
der Bemoulli'schen logarithmischen Nutzenfunktion ^u(e) = const · l o g - ^ - J konkret durchgerechnet; zur Bemoulli'schen Nutzenfunktion vgl. auch [36] Gottinger, Entscheidungstheorie, S. 8.
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
6.3.2.3. Die Theorie der Entscheidung bei Sicherheit und die Nutzwert-Analyse Die normative geschlossene Entscheidungstheorie stellt den analytisch am meisten vorangetriebenen Ansatz dar, Entscheidungen unter dem Folgenbzw. Ergebnisaspekt zu analysieren und normativ zu rationalisieren. Jede rechtswissenschaftliche Untersuchung des rechtspolitischen Foigenarguments bzw. der Folgendiskussion 199 , gerade als Argument zur Begründung juristischer Wertungen, muß sich mit diesem Ansatz auseinandersetzen, will sie sich nicht bereits im Ansatz unter dem Reflektionsstand einschlägiger außerrechtswissenschaftlicher Disziplinen ansiedeln 200 . Auf das mathematische Instrumentarium 201 und auf W e r t 2 0 2 oder Unwert 2 0 3 der normativen Entscheidungstheorie braucht hier nicht eingegangen werden. Denn die Entscheidungstheorie wird bei der Operationalisierung der Kollisionssituation nicht als Entscheidungsintrument nutzbar gemacht. Vielmehr wird vom Inhalt der Entscheidungstheorie abstrahiert und lediglich ihr Formalapparat herangezogen, um eine Meßmethode für Intensitätswerte bei multidimensionalen grundrechtlichen Ausübungsmodalitäten zu entwickeln. Eine Ausübungsmodalität ist multidimensional, wenn sie nur durch die Annahme mehrerer Ausübungskomponenten erfaßbar ist. Die Hauptfunktion der Meßmethode besteht darin, aus den empirisch verschieden dimensioniert vorgegebenen Komponentenerträgen die Intensitätswerte der einzelnen Komponenten zu errechnen und die Werte zum Gesamtintensitätswert der zugeordneten Ausübungsmodalität zu amalgamieren. Die Meßmethode stellt also hauptsächlich ein Meßmodell dar, mit dessen Hilfe verschiedene empirische Meßwerte zu einem theoretischen Gesamtwert hochtransformiert werden. Die naheliegende Frage, ob das Meßmethodenproblem der Kollisionssituation durch die Verfahren multidimensionaler Skalierung der Psychologie (sog. M D S ) 2 ( H zu lösen sind, ist zu verneinen. Bei MDS werden Paare von Meßobjekten nach ihrer Ähnlichkeit skaliert. Durch geeignete Techniken lassen sich danach Anzahl und Art der den Ähnlichkeitsurteilen zugrunde liegenden Dimensionen erschließen. Das Meßmethodenproblem der Kollisionssituation darf jedoch nicht als Problem psychometrischer Stimulus-Skalierung 205 gedeutet werden. Das Problem ist vielmehr dahingehend zu definieren, daß möglichst extern-objektiv, d.h. aber a-psychometrisch und in umge199 Vgl. [94] Podlech, AöR 95, S. 193-201 ; zum Folgenargument kritisch: [27] Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 32. 200 Dies ist eine Schwäche der ansonsten instruktiven Arbeit von [102] Rüssmann, JuS 1975, S. 357-358. 201 Zur Einführung und Vertiefung gleichermaßen geeignet: [75] Menges, Grundmodelle; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, S. 25-60; gute verbale Einführung bei: [85] Naschold, Systemsteuerung, S. 30-42; [41] Hagen, Rationales Entscheiden, S. 23-51 ; [18] Bühlmann u. a., Entscheidungstheorie, S. 3-27. 202 Vgl. dazu: [85] Naschold, Systemsteuerung, S. 48; [75] Menges, Grundmodelle, S. 270; [62] Krelle, Präferenztheorie, S. 345-347; [96] Recktenwald, N K A , S. 42ff. 203 Mit Recht kritisch: [85] Naschold, Systemsteuerung, S. 36-37, S. 43-48; [41] Hagen, Rationales Entscheiden, S. 13, S. 63-71; [2] Aderholt, Regierungstechnik, S. 48-49, S. 55-57, S. 307-311; [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 61 ff. 204 [116] Sixtl, Meßmethoden, S. 277ff.; [28] Drever/Fröhlich, Psychologie, S. 203; [5] Ahrens, MDS, passim. 205 Zum Begriff: [116] Sixtl, Meßmethoden, S. 24,250,256.
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen kehrter Reihenfolge wie bei MDS zunächst die Komponenten der Ausübungsmodalität ermittelt und analysiert, dann unter dem Intensitätsaspekt bewertet und schließlich amalgamiert werden.
Der Formalapparat der multidimensionalen Nutzwert-Analyse 206 ist besonders geeignet, zum gesuchten Meßmodell umfunktioniert zu werden. Die Nutzwert-Analyse stellt ein anwendungsorientiertes Entscheidungsmodell dar, welches aus der Entscheidungstheorie entwickelt wurde. Die formalen Probleme der Nutzwert-Analyse sind identisch mit denen des gesuchten Meßmodells. Andere anwendungsorientierte Entscheidungsmodelle207 erscheinen weniger geeignet. So wird eine Verwertung der Nutzen-Kosten-Analyser 208 durch die Zweiteilung der Entscheidungskriterien in monetäre Vorteile (Nutzen) und monetäre Nachteile (Kosten) erschwert. Auch interessieren die Diskontierungsprobleme und -ergebnisse der dynamisierten Nutzen-Kosten-Analyse hier nicht, die einen erheblichen Teil ihres Formalapparates ausmachen. Ähnlich erschwert die Zweiteilung von Entscheidungskriterien wie Bewertungsdimensionen in monetäre Nachteile (Kosten) und nicht-monetären realen Output (Wirksamkeit) bei der Kosten-Wirksamkeitsanalyse 209 die Verwertung dieses Entscheidungsmodells. Die multidimensionale Nutzwert-Analyse beruht auf drei entscheidungstheoretischen Lösungsprinzipien 210 . Diese Prinzipien sind entscheidungstheoretisch allerdings nicht unbestritten. Das Prinzip 1 besagt, daß die Ergebnisse (sog. Zielerträge) statt mit Hilfe einer (effektiv kaum konstruierbaren) multidimensionalen Nutzenfunktion auch direkt — ohne zwischengeschaltete Nutzenfunktion — unter dem Nutzenaspekt bewertet werden können. Prinzip 2 gestattet es, die Zielerträge in den einzelnen Dimensionen (sog. Zielkriterien) sukzessive und isoliert zu bewerten. Prinzip 3 besagt, daß die einzelnen Zielwerte ( = bewertete Zielerträge) mit Hilfe einer im Einzelfall auszuwählenden Synthese-Regel nach Maßgabe von den einzelnen Zielkriterien als solchen zugeordneten konstanten Gewichten zum Gesamtnutzwert einer Alternative amalgamiert werden können. Diesen Prinzipien liegen u.a. die entscheidungstheoretischen Thesen zugrunde, daß die Zielkriterien partiell nutzenunabhängig sind 2 1 1 und daraus mathematisch folgend, daß die Gesamtnutzenfunktion partiell eine lineare, monoton zunehmende Funktion der Einzelnutzen (sog. Zielwerte) darstellt 212 . 206
Vgl. [131] Zangemeister, N W A . Die anwendungsorientierten Entscheidungsmodelle sind Elemente der umfassenden Grundkonzeption der (politologischen) sog. systems analysis', vgl. dazu: [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 72-82; [53] Kirsch, BWL, S. 249-262; zum PPBS als angewandter systems analysis: [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 174-223; [2] Aderholt, Regierungstechnik, S. 203-214. [96] Recktenwald, N K A , S. 9ff.; [53] Kirsch, BWL, S. 254-260; [2] Aderholt, Regierungstechnik, S. 182-188. 209 [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 190-194 mit konkretem Beispiel. 210 Vgl. [131] Zangemeister, N W A , S. 69-88. 211 Vgl. dazu: [131] Zangemeister, N W A , S. 77-83; [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 160-161. 207
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
4
Die hiergegen vorgebrachten Bedenken 213 überzeugen nicht. Ein multidimensionales Bewertungsproblem kann praktisch-rational wie operational überhaupt nur dadurch gelöst werden, daß man die Ergebnisse direkt und nicht indirekt über eine Nutzenfunktion bewertet. Denn die nicht-konstruktiven Existenzbeweise der deterministischen Nutzenaxiomatik für reellwertige (ordinale) Gesamtnutzenfunktionen 214 bieten für eine operationale Lösung multidimensionaler Bewertungsprobleme wenig Hilfe. Außerdem kann die Komplexität einer solchen Bewertungsaufgabe nur durch den Übergang auf sukzessivisoliert auszuführende eindimensionale Wertungen auf das notwendige Maß reduziert werden. Auch hier zeigt sich die heuristische Kraft des AnalyseSynthese-Prinzips (vgl. Def. 148). Die Additivität der Synthese-Regel (Teilregel einer Entscheidungsregel iwS — eine Entscheidungsregel iwS besteht aus Synthese-Regel und Entscheidungsregel ieS —) ist dann logische Folge 2 1 5 . Die drei Lösungsprinzipien können damit unbedenklich auch in das gesuchte Meßmodell implementiert werden. Es kommt hinzu, daß das Meßmodell in erster Linie dem Postulat methodologischer Rationalität Rechnung tragen muß. Hierzu sind diese Prinzipien vorzüglich geeignet. Denn einerseits erzwingen sie, daß alle Meßoperationen explizit und transparent offengelegt werden, andererseits garantieren sie aber auch, daß die erforderlichen Meßoperationen praktisch ausführbar sind 2 1 6 . 212 Vgl. dazu: [131] Zangemeister, N W A , S. 83-86. Der mathematische Beweis der letzteren These auf der Basis der (partiellen) Nutzenunabhängigkeit kann wie folgt skizziert werden: Man bildet das totale Differential der Gesamtnutzenfunktion u. Es gilt: Ni = u(k it U...,k it m).
Da das Auftreten von Zielertragskombinationen nicht gewertet wird gilt für das totale Differential: Die ersten partiellen Ableitungen von u sind also nur Funktionen der Variablen k if j, nach welcher differenziert wurde. Die Gesamtnutzenfunktion u hat damit folgende Form: Ni = h + Berücksichtigt man Prinzip 3, so erhält man, wobei n>x ,· den sog. Zielwert (nicht: Zielertrag) der /-ten Alternative bzgl. des y-ten Ziel-Kriteriums und g, das Gewicht des y-ten Ziel-Kriteriums bedeutet: m
Ni = 213
Σ gjHij
j=ι
(sog. allgemeine Additionsregel).
[33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 162-163. Vgl. dazu: [75] Menges, Grundmodelle, S. 50-53; bei [62] Krelle, Präferenztheorie, S. 6-10 finden sich die notwendigen 5 (ordnungstheoretischen und topologischen) Axiome für den Existenzbeweis einer reellwertigen, ordinalen Nutzenfunktion durch Debreu. Zur probabilistischen Nutzenaxiomatik kann und braucht hier nicht Stellung genommen zu werden, vgl. dazu: [36] Gottinger, Entscheidungstheorie, S. 30-50 (betr. v. Neumann/Morgenstern-Axiomatik); [75] Menges, Grundmodelle, S. 59-67 (betr. Marschak-Axiomatik). 215 Auch [116] Sixtl, Meßmethoden, S. 271-276 befürwortet für die Synthese mehrerer 1-dimensionaler Merkmalsskalen die (gewichtete) allgemeine Additionsregel. 216 Dies anerkennt auch [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 161. 214
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
5
6.3.3. Analyse und Operationalisierung der Kollisionssituation durch Konstruktion eines symbolisierten Struktur-Analogie-Modells (Initialfundierung der analytischen Kollisionsdogmatik)
6.3.3.1. Die Konkretisierungsabhängigkeit
der Kollisionsrelation
Daß die Kollisionsrelation keine Relation zwischen (abstrakten) Normsätzen, sondern zwischen Entscheidungsnormen darstellt, wurde bereits oben 4.2.2.2. unter rechtlich-dogmatischen Aspekten erarbeitet (vgl. die 2. rechtsdogmatische Basisthese, Def. 127). 6.3.3.2. Das Kollisionsmodell — Explikation des Kollisionsbegriffs Konstruktion ; Metrisierung
—:
Der Grundgedanke des Kollisionsmodells besteht in Folgendem: Grundrechte können real verschieden intensiv ausgeübt werden. Die Kollisionsituation entsteht dann dadurch, daß zwei Grundrechtsträger konkrete Ausübungsmodalitäten wählen, die in ihrer konkreten Intensität aber nicht konfliktlos zusammen realisierbar sind. Will man die Struktur dieses interpersonellen Realkonflikts analysieren, muß man die Ausübungsintensitäten skalieren und messen. Dabei ist für die Skalierung das Niveau einer Kardinalskala anzustreben. Dadurch wird es möglich, sowohl den konkreten Konflikt als auch den gesamten Kollisionsbereich quantitativ zu erfassen und in das Kollisionsmodell einzubringen. Kollisionsbereich werde die Menge derjenigen Paare von Intensitätswerten genannt, die kollidierenden Ausübungsmodalitäten zugeordnet sind (Def. 192). Das Erfassen des gesamten Kollisionsbereichs setzt außer der Skalierung voraus, daß die übliche statische Betrachtung des konkreten Konflikts überwunden wird, indem man die Ausübungsintensitäten über ihr gesamtes Spektrum variiert und damit die Betrachtungsweise dynamisiert. Das genaue Erfassen des Kollisionsbereichs ist wichtig, um die Menge der verfügbaren Möglichkeiten zur Kollisionslösung in den Griff zu bekommen. Metrisierung und Messung ermöglichen auch, alle sonstigen die Kollisionsituation charakterisierenden Einflußgrößen quantitativ in das Kollisionsmodell einzustellen. Eine Metrisierung der Kollisionssituation ist noch aus einem weiteren Grunde angezeigt. Zur Lösung der Kollision wird hier dem Kollisionsmodell ein Lösungsmodell aufgesetzt. Das Lösungsmodell wird als offenes, Argumente als Input-Informationen verarbeitendes Entscheidungsmodell, d. h. als Argumentationsmodell konzipiert. Die Konstruktion eines Argumentationsmodells lohnt nur, wenn man ihr Kardinalskalenniveau unterlegt. Denn dieses Niveau ist Voraussetzung für den Einsatz numerischer Methoden zur Informationsverarbeitung. Das Kollisionsmodell muß mit einem solchen Lösungsmodell kompatibel sein. Dies setzt zum einen voraus, daß alle Informationen, die das Kollisionsmodell als Output liefert und die ihrerseits als Input in das Lösungsmodell eingehen sollen, kardinales Niveau haben. Modellkompatibilität setzt zum anderen voraus, daß die kardinale Output-Information, die das
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Lösungsmodell liefert, in das Kollisionsmodell rückübersetzt werden und dadurch überhaupt erst als Lösung der Kollision festgemacht werden kann. Kopplung wie Rückkopplung der Modelle sind nur möglich, wenn Lösungsund Kollisionsmodell gleiche Skalenniveaus aufweisen. Zur Konstruktion des symbolisierten Kollisionsmodells ist auf das multidimensionale Variablen-Modell des Normsatzes F n s 1 (vgl. Def. 150) zurückzugreifen. Die Grundrechte nsx und nsy seien zu den Entscheidungsnormen ex f bzw. ey j konkretisiert. Zwischen ex ,· und ey } bestehe die Kollisionssituation (vgl. Prämissen 1-6). Die Wahl einer konkreten Ausübungsmodalität kann so gedeutet werden, daß für die auf der Tatbestandsseite des Normsatzmodells F n s 1 stehende sog. Ausübungsvariable v f Ä eine (konstante) Ausprägung eingesetzt wird, genauer : eine eine konkrete Ausübungsmodalität bezeichnende Konstante a k (sog. Ausübungskonstante). Der Ausprägungsbereich Ab A der Ausübungsvariablen ν A (sog. Ausübungsbereich, Def. 193) charakterisiert die sachlich-zeitlich potentiell-unendliche Menge aller Ausübungsmodalitäten i a.,kì (k= 1 , . . . , oo) des Grundrechts ns , genauer: der ßuaskEntscheidungs«orm qenÄ{e ,) bzgl. ν A einer aus ns konkretisierten grundrechtlichen Entscheidungsnorm e f (sog. ausübungsvariable Quasi-Entscheidungsnorm, Def. 193 a). U m die Struktur einer konkreten Kollision zu erfassen, sind die Ausübungskonstanten ax k und ay l der kollidierenden Entscheidungsnormen ex i und ey j zu entkonkretisieren und durch die Ausübungsvariablen v x A bzw. v y A zu ersetzen. Die Entkonkretisierung einer Ausübungskonstanten bewirkt, daß — dynamisierend — von der Entscheidungsnorm zur ausübungsvariablen Quasi-Entscheidungsnorm zurückgegangen wird. Dieses Rückgehen von eXt i und ey J auf qenA(e xJ) bzw. qenA(e y J) ermöglicht es, die gesamten Ausübungsbereiche AbXt Ä bzw. Aby> Ä mit deren Intensitätsspektrum zu erfassen. Dadurch kann der konkrete Kollisionskonflikt im Auge behalten und gleichwohl dynamisch betrachtet werden. AbX Ä und Aby Ä sind nach der Ausübungsintensität zu metrisieren. Dadurch wird es möglich, jedem aXt keAb Xt A und ay JeAb y. Ä durch Messung einen numerischen Intensitätswert I x k bzw. I y J zuzuordnen. Die Intensitätswerte' I x werden auf der Abszisse, die I y auf der Ordinate eines kartesischen Koordinatensystems abgetragen. A u f der I x -Achse ist der Intensitätswert I zu markieren. I , ist wie folgt definiert : I , ist derjenige Wert der Ausübungsintensität von qenA (e X t,), bis zu welcher qenA (e y t j) real mit maximaler Intensität I y Max ausgeübt werden kann und ab welchem eine Zunahme von I x automatisch-zwingend eine Abnahme von . bedeutet. Der analog definierte Wert I . ist auf der I -Achse zu markieren. Der Punkt K mit den Koordinaten I . oii) entspricht dem Punkt K des kooperativen Auszahlungsdiagramms der Spieltheorie. Über { I x % k } ist die Kollisionsfunktion f mit Werten in { I } zu definieren: I , = f o i i U x , X Def. 194). f ist eine Funktion mit rational-zahligen Argumenten und Werten WKOII- Rat —> Rat). X t K o l
l
x
y
K o l l
k o l l
x
y
K o l l
y K
K o l l
K o l l
M a x M i
y J
y
K
n
K o l l
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
7
f Kol l ordnet jedem I x k genau den zusammen maximal realisierbaren I y -Wert zu. f Kol l weist zwei ausgezeichnete Punkte auf, den oberen Kollisionspunkt K 0 mit den Koordinaten (I XmK ou \ I y M a x ) und den unteren Kollisionspunkt K u mit den Koordinaten (Ι χΜα χ; I y.r 0id- Zwischen den Punkten ( I x Mi n; I y Max) und K 0 verläuft f Kol l linear-waagrecht, genauer: Die Steigerung von f Kol l im Intervall {Ix,k\Ix,Min^Ix,kA/~) eindeutig ist und (1.2.) φ - 1 jeder rationalen Zahl I x k e [0,10] Ä f l i eine Äquivalenzklasse int(a Xf k) e2AbXt Aj~ zuordnet. Zu (1.1.): Die Eindeutigkeit
von φ - 1 ist wie folgt zu beweisen:
Lfd. Nr. der gebildeten Satzformel : (1)
Nr. der verwandten Satzformeln :
(p{int(a Xt k)) = I Xi k int(a Xt k) = (Definition der Umkehrabbildung)
" 1 (I x k)
Außer dem Definitionsaxiom A 2 setzt der Beweis voraus, daß die Relation unter vorausgesetzter Irrelevanz der Reihenfolge der Relationsglieder zwischen jedem beliebigen Ausübungsintensitätenpaar gilt, d. h. daß (streng) konnex ist. Symbolisch: (2)
int(a
Xj k)
2
%int(a
X t ,)
ν int(a
Xj k)
= int{a
X ti)
Die strenge Konnexität von ist empirisch gesichert und unmittelbar evident. Sie ist auch axiomatisch gesichert. Denn sie folgt aus der einfachen Konnexität von 2 < (vgl. unten A 4). Dann gilt: (3)
int(a
(4)
int (a Xt k) Φ int (a Xt t)
(5)
int(a x, k)%int(a
228
x k)^
int(a xj)
xt l)
ν ~ι {int(a
Xt k)
Φ int(a
xJ))
int (a Xt k) % int (a Xt t) ^
I xf k^l x,i
[44] Hermes, Verbandstheorie, S. 194.
(2) (3) (A 2)
14
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
Das Implikat von (5) läßt sich abschwächen zu: (6)
Ix,M.i^>Ix.k*Ix.i
(7)
int (a Xt k) Φ int (a X f ,)
I x, k Φ I x, ι
(4) (5)
(6) Gewendet:
(8) (9)
I Xf
k
= I x,i
int (a Xf k) = int (a X f i) i
(7)
1
(1)
Ix, k = I x , i ^ < p - ( I x , k ) = n) der Modalität α χΛ genau ihren (Gesamt-) Intensitätswert I Xt k zu. Ihre formale Parallele findet f { Ai )x in der Gesamtnutzenfunktion der Entscheidungstheorie bei Sicherheit, insbesondere der multidimensionalen Nutzwert-Analyse. Die η Einzelintensitätswertfunktionen f(Ai)xj ordnen jedem er Xtkt j genau einen Einzelintensitätswert I X f k t j zu. F 74 (Def. 201): f (AI)X J: R1 [0,10]*fl ( (Dimension: AI-Wert); (J=1,..., «) Über die bereits unter 6.3.2.3. befürworteten Lösungsprinzipien hinausgehend werde hier aus Operationalitätsgründen unterstellt, daß die f iAi)xj lineare Funktionen der Ausübungserträge er x>k j seien und daß in jeder Ertragsdimension er x J (7 = 1 , . . . , « ) genau ein größter Ertrag max er Xtk J (im Folgenden abgekürzt: er xJ Max) und ein kleinster Ertrag min er xJi J (abgekürzt: e r xj,Min) existiert (sog. Dimensionsextrema). Damit wird letztlich unterstellt, daß die Gesamtintensitätswertfunktion f { A I ) x nicht nur eine lineare, monoton zunehmende Funktion der Einzelintensitätswerte I Xtkj, sondern auch der Einzelausübungserträge er Xtk J darstellt. Sollte sich diese extrem operationale Modellannahme empirisch nicht bewähren, kann sie ohne weiteres durch ein realistischeres, evtl. einen nicht-linearen Funktionsverlauf statuierendes Axiom ersetzt werden, ohne daß andere Modellannahmen aufgegeben werden müßten. Durch seine elastische Konstruktion soll das Meßmodell für Verbesserungen offen gehalten werden. Das operationale Meßmodell f (E ) ο f ( A I ) ist mit der nicht-operationalen Metrik int ο φ kompatibel. Denn es gilt: F 75: int ο φ = f {E ) ο f { A I ) Dies wird durch folgendes Diagramm veranschaulicht. f (E) Ab •O R
int
y Abb. 26. Meßmodell M M
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
1
6.3.3.4. Die Methode zur Messung eindimensionaler Ausübungsintensitätswerte (Eindimensionale Meßmethode) Die Messung geht wie folgt vor sich. Im ersten Messungsschritt ist zu analysieren, ob die Modalitäten aXt k, deren Intensitätswerte I x k (indirekt) gemessen werden sollen, jeweils mehrere, empirisch evtl. verschieden dimensionierte Ausübungserträge (Multidimensionalität) oder jeweils nur einen Ausübungsertrag (Eindimensionalität) entfalten, also ob f iE) x vektorwertig ist. Dies stellt eine rein empirische Frage dar. Bei eindimensionalen Intensitätswerten wird das Problem der Amalgamation mehrerer Einzelintensitätswerte zu einem multidimensionalen Gesamtintensitätswert nicht aktuell. Im zweiten Messungsschritt sind die Ausübungserträge direkt und auf Kardinalskalenniveau zu messen. In den meisten Fällen können solche Messungen mittels émpirisch bewährter Meßmethoden auf einer objektiven Basis durchgeführt werden. Sind objektive Messungen jedoch nicht oder nur mit nicht vertretbarem Aufwand durchführbar, so sind die Ausübungserträge mittels rating (vgl. oben 6.3.2.1.) auf einer näherungsweise-objektiven, subjektiven Basis zu messen. Unter dem Aspekt methodologischer Rationalität stellt das rating eine vollwertige Meßmethode dar. Dennoch sind primär objektive Messungen anzustreben. Denn objektive Messungen reduzieren das Potential für Streitfragen, die sich an eine Anwendung des Kollisionsmodells im konkreten Rechtsfall ergeben. Die Meßwerte der Erträge sind in die sog. Ertragsmatrix |>r x>f cj] (m>n) einzustellen (Def. 202). Bei Eindimensionalität (n = 1) besteht die Ertragsmatrix lediglich aus einer Spalte (sog. Spaltenvektor): [er Xf k] (mA ) (k = 1 , . . . , m).
χ er,
a
(k)
x,2
er x er X f ι er x, 2 f(E)x(a
,
für « = 1 folgende Gestalt:
+ b
(sog. entwickelte Geradengleichung) F 78 darf trotz formaler Ähnlichkeit mit der Transformationsgleichung für IntervallSkalen nicht mit einer Skalentransformation verwechselt werden. Bei einer Skalentransformation bleibt die Dimension der skalierten Größe erhalten, während Skaleneinheit und/oder -nullpunkt sich ändern können. Dagegen ändert sich bei F 78 die Dimension der skalierten Größe von der (empirischen) Ertragsdimension zur Ausübungsintensität (A /-Wert). D a durch F 76, 77 zwei Wertepaare v o n f ( A I ) x bekannt sind, lassen sich die Steigung s u n d der Ordinatenabschnitt b leicht errechnen. Es ergibt sich: 1 0
F 79: er
x,Max~~
F 80:
10
b = er
er
x,Min
er XiMi
n
er
x,Min~
x,Max
Insgesamt gilt also : F 81 : f ( A i ) x · Ι χ
10
— —
r
£ x,Max~
,
er
x,Min
M i t Hilfe v o n F 81 ist die Ertragsmatrix Ux,k,ji(m,n)
10
er XfMi
x,Min~
er
er
i n die
n
x,Max
Intensitätewertmatrix
zu transformieren. F ü r n = 1 w i r d auch diese M a t r i x z u m Spalten-
vektor: [/*,*](„,,!).
«xjNv
er x
ax,i
ΙχΛ
a
h, 2
x,2
f( AI)x(
ik)
ax,m
er
x,k)
—
I X,k
i x, m
D i e gesuchten Intensitätswerte finden sich i n den Zellen v o n
Ux,kl(m,i)·
Es ist schwierig, das unter 6.3.3.4. demonstrierte eindimensionale Meßmodell anhand eines Beispiels zu veranschaulichen. Denn in der Praxis wird die Analyse des ersten Messungsschrittes in aller Regel zu der Erkenntnis führen, daß die Ausübungs-
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen modalitäten nur durch mehrere, verschieden dimensionierte Ausübungserträge einigermaßen realistisch erfaßt werden können. Dagegen kann das multidimensionale Meßmodell unter 6.3.3.5. durch ein Beispiel aus dem Bereich der Rundfunkfreiheit gut veranschaulicht werden (unten 6.3.3.6.). Die mangelnde Demonstrierbarkeit des eindimensionalen Modells schadet aber nicht, da es hauptsächlich nur eine analytische Vorstufe des multidimensionalen Modells darstellt.
6.3.3.5. Die Methode zur Messung multidimensionaler Ausübungsintensitätswerte (Multidimensionale Meßmethode) Bei multidimensionalen Intensitätswerten ist f (E) x vektorwertig, d. h. der Wert von f (E) x ist ein geordnetes w-tupel (n > 2). Der erste Messungsschritt entspricht dem ersten Schritt der eindimensonalen Meßmethode. Das gleiche gilt grundsätzlich auch für den zweiten Messungsschritt. Die einzige Abweichung besteht darin, daß die Ertragsmatrix [erx,k,j](m,n) der multidimensionalen Meßmethode η Spalten aufweist (n >2), also η Ertragsdimensionen er x j . U) X^c
J
er
x. 1
x, 1,1 erx, 2,1
· ·
• · er X t1 ,n • · er x>2,η
er
·
• · er X m, t η
er
α
χΛ x. 2
(k)
• . er X ηi
a
x, m,l
f(E)x (ßx, k) =
Kk.lvM^.fc.n)
Der dritte Messungsschritt der multidimensionalen Meßmethode ist wie folgt zu konzipieren. Die nunmehr «-dimensionale Gesamtintensitätswertfunktion AADX, für die g i l t :
F 82:
Ι
χΛ
= f(Ai)x(
er
x,k,i> · · ·>
„),
ist nicht operational faßbar. Entsprechend den unter 6.3.2.3. erörterten drei entscheidungstheoretischen Lösungsprinzipien darf das multidimensionale Meßmodell durch den Übergang zu den η 1-dimensionalen Einzelintensitätswertfunktionen f ( Ai)xj 0 = 1, . · . , « ) und anschließender Amalgamation der Einzelintensitätswerte I x, k J mit Hilfe einer Synthese-Funktion f Sy n operationalisiert werden. F 83 (Def. 204):
I Xt k
= fs y n{f(Ai)x,i(
F 84:
I Xt k
=
fsyn
er
x,k,il
· · -
(Jx, k, 1 » · · ·, Ix,k,n)
f(Ai)xA
er
x,k,n))
4
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung a u
Jede Funktion f { Ai)x,j ist operational zu definieren: F 85
f i h r e r Ertragsdimension er xJ
f(AI)x,j(
er
— Iχ, j. Min
~
0
F 86
f(AI)x,j(
er
=
=
10
F 87
U.J
x,j,Min) x,j,Max )
Ιχ, j, Max
s er
=
j' x,.,j
+
analog F 76-78
b
J
Für Sj und b} gelten F 79 und F 80 entsprechend. Insgesamt gilt also : F 88a:
=
W
10
_ Max
er x, j, Min
^x,j,Min
' ^x,j fMax
Vereinfacht: F 88b:
=
W
Für f Sy n gilt auch: F 89: I Xt k = f Sy n((s! · er Xtkt
+ 6 0 , . . .,(s n · er Xfkt
l
H
+ bn))
Im Ergebnis resultiert aus dem dritten Messungsschritt die «-spaltige Matrix der Einzelintensitätswerte Ux,k,fi(m,n)· U) er x>l a
x,l
.•
.
· er χ. η
• ·
^c. l.n
k des Z D F sind konkrete Sendungsgestaltungen, die der Öffentlichkeit über Τ und seine Tat Bericht erstatten, d.h. jeweils bestimmte faktische Informationen liefern. Die Ausübungsmodalitäten a 1 I / 2 U des Τ sind konkrete resozialisierungsrelevante Verhaltensweisen, die jeweils von einer bestimmten faktischen Resozialisierungschance Gebrauch machen. Die Ausübungsintensität int 5I2 ο φ5Ι2 des Z D F ist als Informierungsintensität, die int Uj2 I ο φ11/2 I des Τ als Maß für Resozialisierungschancen zu deuten. Um das Kollisionsmodell KM für den Lebach-Fall fruchtbar zu machen, müssen drei Intensitätswerte gemessen werden, nämlich I i h him, κοίι und wegen Art. 5 I I GG, §§ 22f. KunstUrhG auch / 5 / 2 ,SB· Hierzu sind drei repräsentative, innerhalb ihrer Äquivalenzklassen jedoch beliebige Ausübungsmodalitäten auszuwählen, n ä m l i c h a 5 I 2 t K o n e int(a 5I2fKol l), a5I2tS B e int(a und a 1 I / 2 I t K o n e int(a lI/2ItKol l). 5 I 2 t K
o
5I2tS B)
Die Analyse der Dimensionalität der Intensitätswerte / 5 / 2 , . im ersten Messungsschritt ergibt, daß Fernsehberichte (mindestens) 4 Ausübungskomponenten aufweisen, d.h. daß jede Modalität a5I2t k des Z D F Ausübungserträge in 4 Ertragsdimensionen entwickelt. Analytisch sind zu unterscheiden: (1) Die Menge der über den Täter Τ verbreiteten Informationen, also die sog. Täterinformationen (er 5I21), (2) die Menge der über die Lebach-Straftat, insbesondere über den Tatbeitrag des Τ verbreiteten Informationen, also die sog. Tatinformationen (er 5I2 2), (3) die Anzahl der Fernsehteilnehmer, die sich in die Sendung überhaupt einschalten (er 5I2t 3 ) sowie (4) die durchschnittliche Zeitdauer, während welcher sich die Sendungsteilnehmer den Bericht auch tatsächlich ansehen ( e r 5 I 2 A ) . er 5I2 3 und er 5I2A charakterisieren die Informationsverbreitung. Die Ertragsdimension er 5I2t 3 kann mit Hilfe der repräsentativen statistischen Einschaltquote (in %) quantitativ erfaßt werden. Ist die zu messende konkrete Sendungsgestaltung oder der Fernsehbericht als solcher nicht gesendet worden,
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
so ist die konkrete Einschaltquote mit Hilfe der deskreptiven Statistik 2 5 5 und der Medienforschung hypothetisch zu ermitteln. Dabei sind insbesondere die Parameter zu verarbeiten, mit deren Hilfe die Fernsehanstalten die Einschaltquoten steuern: Wahl des Sendungstages, zeitliche Plazierung innerhalb des Tagesprogramms, Attraktivität des Sendungstitels, Programmvorschau, Programmumgebung, Parallelprogramm, usw. Analoges gilt für die Ertragsdimension er 5I2t4. er 5I2,4 kann mit Hilfe der repräsentativen durchschnittlichen Einschaltdauer erfaßt werden. A u f die Verwertung der Einschaltdauer kann neben der Einschaltquote nicht verzichtet werden. Denn es ist keineswegs selbstverständlich, daß die einschaltenden Fernsehteilnehmer sich auch die gesamte Sendung ansehen. Die Informationsverbreitung (sog. Sehbeteiligung) ist nur über die zwei voneinander unabhängigen Ertragsdimensionen er 5I2t 3 und er 5I2t4 zu erfassen. U m die Ertragsdimensionen er 5I2i und er 5I11 objektiv-quantitativ zu erfassen, müßten Informationsmengen unter semantischem Aspekt gemessen werden können. Dies setzt eine semantische Informationstheorie voraus. Eine solche ist im Rahmen der IV-Theorie des Entscheidungsverhaltens 256 zwar vorhanden. Eine Metrisierung semantischer Informationsbegriffe (vgl. ζ. B. Def. 138) leistet sie jedoch nicht und will sie auch gar nicht leisten. Die sog. Informationstheorier 257 (Shannon) metrisiert nur den syntaktischen Informationsbegriff im Sinne von Zeichen bzw. endlicher Zeichenreihe. Nach der (syntaktischen) Informationstheorie ist der Informationsgehalt einer Zeichenreihe gleich dem Logarithmus dualis des Kehrwertes ihrer relativen Auftrittswahrscheinlichkeit. Dieses syntaktische Informationsmaß ist zur Metrisierung der semantischen Ertragsdimensionen er 5I21 und er 5I2 2 aber unbrauchbar. Als Ausweg bleibt, die Ausübungserträge in diesen Dimensionen mit Hilfe des rating-Verfahrens zu messen. Bereits dies belegt nachdrücklich die These, daß die im ersten Messungsschritt geforderte Dimensionsanalyse ein komplexes empirisches Problem darstellt. Der erste Messungsschritt zieht zwingend reale Grundstrukturen des Normbereichs der Rundfunkfreiheit in spezifischer Weise zu ihrer Konkretisierung heran. Auch hier wird deutlich, daß die Jurisprudenz Realdaten wie die Normbereichsstrukturen in ihren normativen Kontext einbeziehen und dabei auf die Ergebnisse der empirischen Wissenschaften zurückgreifen m u ß 2 5 8 . Denkt man diesen Befund folgerichtig weiter, so erscheint es keineswegs mehr als abwegig, die Jurisprudenz als gemischt normativ-empirische Sozial255
Vgl. dazu: [98] Reichardt, Statistische Methodenlehre, S. 51-122. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, passim, insbesondere S. 103 ff. 257 Vgl. dazu: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 80-82; [55] Klaus, Kybernetik, S. 269-272; [8] Bauer/Goos, Informatik, Bd. 1, S. 41-49; vgl. auch Kap. 5 Fußnote 35. 258 [79] F. Müller, Jur. Meth. I, S. 165; [99] Rottleuthner, Rechtswissenschaft, S. 168-208, insbesondere S. 174, S. 192-194. 256
15*
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
8
Wissenschaft zu deuten 259 . Auch diese wegen methodologischer Intentionen lediglich skizzierte empirische Dimensionsanalyse veranschaulicht, daß das Kollisionsmodell KM der konventionellen Kollisionsdogmatik sowohl an methodologischer Rationalität als auch — wegen der Einbeziehung zahlreicher Realdaten — an objektiver Rationalität überlegen ist. Als Ergebnis des zweiten Messungsschrittes wird folgende hypothetische Ertragsmatrix vorgeschlagen : er SI2,i
[%]
^5/2,2 [%]
(semantische) Täterinformation
a
a
er
5I2,j
a
5l2,k
5I2,SB 5J2,Koll
SI2,3
[%]
^5/2,4 [%]
(semantische) Tatinformation
Einschaltquote
Einschaltdauer
80
100
100
100
00
80
30
50
er
Der Ertrag er 5I 2,SB,I wird mit 80% angesetzt. Denn Art. 5 I I GG, §§ 22f. KunstUrhG verbieten Abbildungen des Τ auch ohne Kollision und die auf Abbildungen beruhenden Täterinformationen werden im rating-Verfahren mit 20% geschätzt. a s η, κοίι repräsentiert eine Sendungsgestaltung des ZDF, die es erstens gerade erlaubt, Τ zu identifizieren, also die Grenze zwischen den Τ identifizierenden und nicht-identifizierenden Sendungsgestaltungen markiert und zweitens gerade beginnt, die identifizierenden Informationen über den status-quo ihrer Verbreitung aufgrund früherer Lebach-Berichte des Z D F und anderer Medien hinaus zu verbreiten. Bis zu dem Punkt, ab welchem die Informierungsintensität die identifizierenden Informationen gerade über den informationellen status-quo hinaus zu verbreiten beginnt, behält Τ die faktische Resozialisierungschance des status-quo vor der Sendung. Die Resozialisierungschance des Τ wird aus zahlreichen empirischen Gründen individueller, wirtschaftlicher und sozialer Art (ζ. B. Vorinformierung der Öffentlichkeit) wohl kleiner sein als ihr absolutes Maximum, die Resozialisierungssicherheit. Die Kollisionssituation findet lediglich eine gegenüber dem absoluten Maximum bereits verminderte Resozialisierungschance des Τ als faktisch-empirischen status-quo vor. Deshalb ist es angezeigt, die Resozialisierungschance des status-quo als Maximum der Resozialisierungschance relativ zur Kollisionssituation anzusehen und als Iu/21, -Maximum (Juni, Μα *) auch in das Kollisionsmodell einzustellen. Folglich bedeutet die Informierungsintensität von a5I2>Kol l gerade die / 5 / 2 ,.-Koordinate von K 0 (I 5I2,Koii' hi/21,Ma X)> Als Beginn der Identifizier259 [99] Rottleuthner, Rechtswissenschaft, S. 245 ff. mwN. Zur uferlosen Diskussion seit dem Konstanzer-Modell, insbesondere S. 245-247, S. 253-254, S. 260-265.
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
barkeit wird er 5I2tKollt l mit 0 % angesetzt. Für er 5I2t Koii, ι werden 80% angesetzt, da bereits ein Teil der Tatinformationen auf dem Hintergrund der bereits früher von den Medien verbreiteten Informationen es dem durchschnittlichen Fernsehteilnehmer wohl gestattet, Τ zu identifizieren. Für er 5I2>Kollt 3 und er 5i2,KoiiA werden mittels rating hypothetische Werte angesetzt, ab welchen eine Sendungsgestaltung beginnt, die identifizierenden Daten über den bereits vorinformierten Kreis von Fernsehteilnehmern hinaus zu verbreiten. Genaugenommen darf das Umschlagen in Informierungsintensitäten, die die den Τ identifizierenden Informationen über den status-quo hinaus verbreiten, nicht an einer einzelnen Informierungsintensität festgemacht werden. Vielmehr zieht sich das Umschlagen über einen Bereich von Informierungsintensitäten hin. Denn in dem Intensitätsbereich, in welchem Τ aufgrund der gesendeten Täter- und/oder Tatinformationen weder notwendig identifiziert wird noch notwendig unidentifiziert bleibt, steigt die Chance einer Identifizierung des Τ durch den Fernsehteilnehmer mit zunehmender Menge der gesendeten Täter- und/oder Tatinformationen. U m die Demonstration des Kollisionsmodells KM nicht zu überlasten, soll hier auf die mit der Verteilung der Identifizierungswahrscheinlichkeit zusammenhängenden Probleme nicht weiter eingegangen werden.
Im dritten Messungsschritt sind die Einzelausübungserträge in den Zellen der Ertragsmatrix in Einzelintensitätswerte I 5 i 2 , k j zu transformieren. Hierzu ist zweckmäßigerweise Gleichung F 88 b heranzuziehen. Dies führt zu folgender Intensitätswertmatrix :
* r5/2J
\
a
5I2,k a
5I2,SB
a
5I2,Koll
er 512,1
\
er 512,2
er 5/2,3
er $12,4·
[Λ/-Wert] (semantische) Täterinformation
[A /-Wert] (semantische) Tatinformation
[ΛΖ-Wert] Einschaltquote
[A /-Wert] Einschaltdauer
8
10
10
10
0
8
3
5
Im vierten Messungsschritt ist die Synthese von jeweils 4 Einzelintensitätswerten zu einem Gesamtintensitätswert durchzuführen. Zunächst sind für die einzelnen Intensitätswertdimensionen die Gewichte g5i 2tj 0 = 1 , . . . , 4) mit Hilfe der Methode der sukzessiven Vergleiche festzulegen. Im Ergebnis werde für die Gewichteg 5 j2, j folgender Zeilenvektor festgelegt : (0,30; 0,30; 0,35; 0,05). Die Synthese gem. F 94 bzw. F 92 ergibt die Gesamtintensitätswerte I 5 I 2 f S B und I 5 I 2 t K o l h die der Übersicht wegen der Intensitätswertmatrix als fünfte Spalte rechts angefügt werden. In analytisch-analoger Weise ist IU/II.KOU ZU messen. Die empirischen Probleme sind jedoch völlig verschieden. Dies beruht darauf, daß die Messung als spezifische Konkretisierung des Persönlichkeitsschutzrechtes auf reale
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
230
er 5I2,i
\£5J2J
[A /-Wert] (semant.) Täterinf.
[ΛΖ-Wert] (semant.) Tatinf.
^5/2,3 [ΛΖ-Wert] Einschaltquote
[ΛΖ-Wert] Einschaltdauer
0,30
0,30
0,35
0,05
^5/2,2
hl2,k
^5/2,4
[ΛΖ-Wert] Gesamtintensität
Σ gsi2j = 1
j=1
a
5I2,k
a
8
10
10
10
9,4
a
0
8
3
5
3,7
5I2,SB 5I2,Koll
Strukturdaten aus dem Normbereich der Art. 1 I, 2 I GG zwingend zugreifen muß. Beispielsweise beim ersten Messungsschritt ist zu analysieren, welche empirischen Dimensionen individueller, wirtschaftlicher und sozialer Art die Resozialisierungschance faktisch regulieren. Diese Fragen fallen in den Kompetenzbereich von Psychologie, Kriminologie und Rechtssoziologie. Hierauf kann nicht näher eingegangen werden. Es werde unterstellt, daß sich für hi/2i,Koih die hnu, .-Koordinate von K u, ein Intensitätswert von 1 ergeben habe. M i t Hilfe des Kollisionsmodells KM und des multidimensionalen Meßmodells MM läßt sich damit die Kollisionssituation im Lebach-Fall wie in Abb. 27 folgt operationalisieren. Für f Kol l gilt im Intervall [ 3 , 7 < / 5 / 2 , * < 9 , 4 ] folgende Funktionsgleichung mit gerundeten Näherungswerten für Steigung und Ordinatenabschnitt: Iu/21,. = — Μ 3 · / 5 / 2 , . + 15,29
Abb. 27. Operationalisierung der Kollisionssituation im Lebach-Fall
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
1
6.3.4. Schutzfunktion und Verletzungsfunktion (Ausbau der analytischen Kollisionsdogmatik)
Das Kollisionsmodell KM gestattet es, die in der Lebach-Rezension unter 4.2.2.2. verwandten kollisionsdogmatischen Begriffe „absolute" und „relative Schutzzone" analytisch aufzubereiten und in die durch das Kollisionsmodell analytisch präzisierte Kollisionsdogmatik einzubringen. Von der Kollisionssituation abgesehen, gewährt jedes Grundrecht in seinem Schutzbereich (nicht: Normbereich) Schutz gegenüber Verletzungen jeglicher Art, d. h. alle Eingriffs- wie Anknüpfungsverletzungen sind verfassungswidrig. In Kollisionssituationen nimmt die konventionelle Kollisionsdogmatik die Schutzbereiche zwecks Lösung der Kollision bis zum Lösungspunkt — in der Terminologie des Kollisionsmodells KM: Kt = (I x^; />,,*) — voll zurück: Innerhalb des reduzierten Schutzbereichs sei jede Grundrechtsverletzung verfassungswidrig, außerhalb dieses Bereiches jede „Verletzung" verfassungs mäßig. Es wird hier der These F. Müllers 260 beigetreten, daß die konventionelle Kollisionsdogmatik in der Frage der Schutzbereiche zu wenig differenziert. Richtiger Ansicht nach besteht im reduzierten Schutzbereich voller Grundrechtsschutz (absolute Schutzzone), während im Restbereich des ursprünglichen, vor der Kollision bestehenden Schutzbereiches ein relativer und variabler Grundrechtsschutz durchaus noch gewährt wird (relative Schutzzone) 261. In der Zone relativen Schutzes sind gewisse, dogmatisch sorgfaltig zu differenzierende Verletzungen zulässig, andere dagegen unzulässig. Als dogmatische Faustregel könnte aufgestellt werden, daß die Schutzintensität in der relativen Schutzzone der grundrechtlichen Quasi-Entscheidungsnorm mit ihrer steigenden Ausübungsintensität abnimmt. U m diesen dogmatischen Ansatz analytisch aufzubereiten, w i r d über dem Intensitätswertraum {Ι χΛ } (k = 1 , . . . , oo) jeder Quasi-Entscheidungsnorm qenA(e x i) als Definitionsbereich eine Schutzfunktion fSchutz mit folgenden Eigenschaften definiert (Def. 206) : [0,10]** — R1 (Dimension: S7-Wert)
F 95a: f Schut 2:
Für beliebige x, k e N: F 95 b: F 96: 260
SXf SXf
k
k
=
fSchutz
(/χ, k)
= fSchutz {ψ {int(a
Xt k)))
= (int ο φ ο f Schut z)
(a Xt k)
Siehe Kap. 4 Fußnote 123. [100] Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 471 erkennt die Notwendigkeit der Schutzrelativierung trotz kollisionsdogmatisch schiefem Ansatz ( „ . . . letzter Ausweg.. ."). 261
232
3. Teil: Vorbereitung einer neuen Lösung
= SXfMü X, wenn I x F 97:
f Schutz C^JC, k)
wofür gilt : SXtMü X k
= 10 [ 5 7 ] ,
e [0[Λ/],
= SXt k, wofür gilt: SxMa x wenn I Xy k e
> SXt k >
SXtMi n,
I X, SB]
= Sx,Min, wofür gilt: S X f M i l l = 0[S7], wenn I x
K
e (I
XT SB,
10[AlJ]
Eine sinnvolle Definition von f Schut z mit reellzahligem Wertebereich R1 setzt allerdings voraus, daß der Raum der Schutzintensitäten {S Xt k} eine Skala ieS (vgl. Def. 186) auf ordinalem oder kardinalem Niveau darstellt und daß der konkrete Funktionsverlauf mit Hilfe einer Meßmethode gemessen werden kann. Das Meßproblem ist — im Gegensatz zur Lage bei ίκοΐι (Vgl. Def. 195) — kein empirisches, sondern ein rechtlich-dogmatisches Problem. Denn die Schutzintensität f Schutz{I x,.) ist keine empirische Größe, sondern eine Größe, die normativ von der positiven Rechtsordnung reguliert wird. Bereits jetzt ist deutlich, daß die vom GG-Text allein bereitgestellten Informationen wohl kaum ausreichen, um den Verlauf von f Schutz i m kritischen Intervall zwischen ( / x + , I x,SB] (relative Schutzzone) mathematisch exakt zu definieren. Als Ausweg bleibt, das Festlegen des Verlaufs von fschutz als komplexes Begründungsproblem zu deuten. Dann kann f Schutz mittels umfassender argumentativer Entscheidungsprozesse festgelegt werden, die alle relevanten Informationen, auch die aus Normbereich, Rechtspolitik und materieller Verfassungstheorie verarbeiten. Die methodologische Problemstruktur ist mit der anderer komplexer Begründungsprobleme wie ζ. B. der Festsetzung von Normsatzzielen (oben 6.2.3.1.1.) oder der Präferenz-Entscheidung (oben 6.2.3.2.) identisch. Damit kann zur Festlegung des Verlaufs von f Schutz ohne weiteres auf das unten 8.1.2. zu entwickelnde Argumentationsmodell zurückgegriffen werden, um die methodologische Seite des Begründungsproblems zu lösen. Die Inhalte der zu verarbeitenden Argumente können hier nicht erörtert werden. Denn dies stellt die rechtlich-dogmatische Seite des Begründungsproblems dar und reicht über die Intention methodologischer Rationalisierung weit hinaus. Deshalb wird die Schutzfunktion f Schutz in das methodologisch-rationale Argumentationsmodell zur Lösung des Kollisionsmodells in dieser Arbeit nicht eingearbeitet. Analog zur Schutzintensität ist auch der Raum der Verletzungsintensitäten { V p } als Skala ieS auf mindestens ordinalem Niveau zu konzipieren. Ebenso ist der Raum (hoheitlicher wie nicht-hoheitlicher) Verletzungshandlungen {b p} mit Hilfe der Verletzungsintensitätsskala nach ihrer Verletzungsintensität zu skalieren. Die Verletzungsintensität stellt ebenso wie die unter 6.3.3.2. skalierte Ausübungsintensität eine spezifische Handlungsintensität dar. Deshalb
Kapitel 6. Operationalisierung der Problemsituationen
liegen die Skalierungs- und Meßprobleme ganz analog. Der unter 6.3.3.2.-6.3.3.5. entwickelte Formalapparat ist deshalb auch geeignet, die Verletzungsintensität zu metrisieren und zu messen. Soll lediglich ordinales Niveau erreicht werden, so fallen die algebraischen Strukturaxiome (A5-11) und das Metrisierbarkeitsaxiom (A 13) weg. Das Meßmodell könnte auf ordinalem Niveau einfacher organisiert werden 2 6 2 . Die Synthese-Regel müßte ausgetauscht werden 2 6 3 . Näher kann hierauf nicht eingegangen werden. Allerdings muß betont werden, daß die Messung der Verletzungsintensität ebenso wie die der Ausübungsintensität — ein empirisches und kein rechtlich-dogmatisches Problem darstellt. Skalierung und Messung der Verletzungsintensität gestatten es, den Verlauf der Verletzungsintensitätsfunktion f {VI ) festzulegen. f {VI ) ist wie folgt konzipiert (für beliebige ρ e Ν ) : {b p} — Λ 1 (Dimension: K/-Wert)
F 98a (Def. 207): f (VI )\ F 98b:
V p
=
f iVI )(b p)
Wegen der maximalen Schutzwirkung von f Schutz im Intervall [0[Λ7], (absolute Schutzzone) sind in diesem Bereich überhaupt keine Verletzungshandlungen zulässig, d.h. zulässig sind nur Verletzungshandlungen bp mit der Verletzungsintensität f iVi)(ß p) = 0 [ K / ] . D a fschütz umgekehrt im Intervall (4,se, 10 [ - 4 / ] ] überhaupt keine Schutzwirkung entfaltet, sind hier Verletzungshandlungen bp selbst mit maximaler Verlötzungsintensität f iVi)(b p) = 1 0 [ F / ] zulässig. I m kritischen Intervall (/*,*, Ι χ,ΞΒ] (relative Schutzzone) sind Verletzungshandlungen bp unzulässig, wenn ihre Verletzungsintensität größer oder gleich der kleinsten unzulässigen Verletzungsintensität ist. Für die Intensitäten V p einer Verletzungshandlung bp, die die Quasi-Entscheidungsnorm qenA(e xJ) — konkretisiert durch die Modalität aXt k — verletzt, gilt allgemein: F 99:
{V P\V P ^
(S XtMa x-S Xt k)}
Für die Intensitäten V p von bp9 die qenA(e xJ) nicht verletzt, gilt allgemein : F 100:
{V p\V p
/
3(ηχ
3
( η
χ,-
+
)
n
y
_) .)
#
11
bzw. prüfen
bzw
+
12
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Ib^LJ
/ / -·3ίηχ
~ 4
I
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12
J
bzw.
13 /
16
+ 15
I
ι
C
1Θ
17
U e n t s c h e i d u n g s - Ar S c h e i n - o d e r fj i r r e l e v a n t e j/ s o n s t . N i c h t f Konkurrenz jj K o n k u r r e n z j
: Ende KLP
)
19
Abb. 29. Programmablaufplan von KLP
I
246
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
Der Programmablaufplan des Unterprogramms 07 zur Konkurrenzlösung (sog. Unterprogramm UP 07j KLP) hat folgendes Aussehen :
Abb. 30. Programmablaufplan von UP 07/KLP 8.1.2. Das Argumentationsmodell der Präferenz-Entscheidung zwischen zwei konkurrierenden Entscheidungsnormen
8.1.2.1. Die Sachlogik des Modells 8.1.2.1.1. Das Argument: Begriff; Postulate; Teilklassen Der Argument-Begriff wird hier analytisch-sprachtheoretisch wie wortsprachlich konzipiert. Als Argumente kommen die Intensionen der in der natürlichen Wortsprache formulierten Aussage-, Wertaussage- und Normsätze in Betracht. Ob diese Intensionen Argumente sind, hängt von ihrer Funktion ab. Genauer : Aussagen, Wertaussagen und Normen fungieren dann als Argumente, wenn sie als Argumente und z. B. nicht als Lösungsalternativen in das Argumentationsmodell eingestellt werden. Der ein Argument bedeutende (vgl. Def. 17) sprachliche Ausdruck heiße Argumentsatz. Als Argumentsätze können demnach Aussage-, Wertaussage- wie Normsätze auftreten, also alle drei semantischen Kategorien.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
247
Dieser Argument-Begriff bezieht sich auf Satzintensionen. Er ist ein intensional-semantischer Begriff. Argument ist also jede als argumentativer ModellInput fungierende Intension wortsprachlicher Sätze (Def. 208). Diese Konzeption des Argument-Begriffs würde für einen formal-logischen Ansatz zur Lösung juristischer Argumentationsprobleme einige Probleme mit sich bringen, vom Problem der Übersetzung aus der natürlichen Wortsprache in eine symbolisierte Kunstsprache ganz abgesehen. Denn die meisten Logiksysteme sind extensional konzipiert 3 . Für eine methodologische Rationalisierung ist die hier gewählte (intensionale) Konzeption dagegen vorteilhaft. Denn sie gestattet es, den (engeren) semantischen Informationsbegriff (vgl. Def. 138) fruchtbar zu machen und Argumente als informationellen Modell-Input zu deuten. Dies ermöglicht es, juristische Argumentation als informationsverarbeitenden Entscheidungsprozeß zu deuten und so die Brücke zu empirischen Erkenntnissen der Informationsverarbeitungstheorie des Entscheidungsverhaltens4 zu schlagen. Daß andere bislang vorgelegte Argumentationsmodelle 5 auch nicht im abgeschwächten Sinne operational (vgl. Def. 52) sind und damit dem Postulat methodologischer Rationalität nicht genügen, beruht nicht zuletzt darauf, daß die empirisch fundierten und damit unumgänglichen Überschneidungen zwischen (normativer) Argumentationstheorie und deskriptiver Entscheidungstheorie nicht gesehen wurden. Für das Folgende werde dit Klasse aller in das Modell eingestellten Argumente mit A symbolisiert. A ist im Modell — wie auch in der praktischen Rechtsanwendung — stets endlich; die Kardinalzahl von A sei n. Ein einzelnes Argument werde mit at symbolisiert. Dann gilt: A = {a t} (t= 1, . . . , « ) . Für die at sind zwei Postulate einzuführen : Ρ 1 : Als Argumente at werden nur die Intensionen solcher wortsprachlicher Sätze zugelassen, die sich konjunktiv nicht weiter in kleinere Informationseinheiten zerlegen lassen {Postulat der konjunktiv-elementaren Informationseinheit) Ρ 2: Als Argumente at werden nur die Intensionen solcher wortsprachlicher Sätze zugelassen, die voneinander logisch unabhängig sind (.Postulat der logischen Unabhängigkeit ) Ρ 1 ist Ausdruck des Postulates methodologischer Rationalität. Ρ 1 soll verhindern, daß das Modell komplexe Argumente undifferenziert verarbeitet. Ρ 1 soll vielmehr sicherstellen, daß komplexe Argumente analytisch zunächst zu einzelnen elementaren Argumenten aufbereitet und erst dann mit der notwen3
Vgl. ζ. B. [19] Carnap, Logik, S. 39-42. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 2. Eine solche Erkenntnis bedeutet ζ. B. die These der kognitiven Restriktionen menschlicher Informationsverarbeiter, dazu oben : 5.3.1.1. 5 Vgl. z.B. das Argumentationsmodell von S. Toulmin, dazu: [99] Rottleuthner, Rechtswissenschaft, S. 189-190 mN. 4
248
4. Teil: Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
digen Transparenz, Explizitheit, Genauigkeit und Vollständigkeit differenziert verarbeitet werden. Die Argument-Klasse A wird konjunktiv aufgefaßt, d.h. A ist L-äquivalent zur Konjunktion („Und"-Verknüpfung) aller at9 für die gilt: ateA. Von daher bietet es sich an, die Elementar-Argumente mit den hier sog. konjunktiv-elementaren Informationseinheiten (I-Einheiten) zu identifizieren (Def. 209). Konjunktiv-elementar ist eine solche I-Einheit, die entweder überhaupt keine (logischen) Verknüpfungen enthält (atomare I-Einheit) oder aber die zwar Verknüpfungen enthält {molekulare I-Einheit), deren Hauptverknüpfungen jedoch weder Konjunktionen sind noch in solche umgeformt werden können (Def. 210). Die Operationalität der Def. 210 und damit auch von Ρ 1 leidet etwas darunter, daß es in der Syntax der natürlichen Wortsprache mangels Wohldefiniertheit notwendig weit weniger logisch gesicherte Umformungsregeln gibt als in der formalisierter Symbolsprachen 6. Demnach wird es sich meistens nur inhaltlich-semantisch begründen lassen, ob eine Einheit oder aber Mehrheit konjunktiv-elementarer I-Einheiten vorliegt bzw. ob Ρ 1 eine I-Einheit als Argument zuläßt. Diese semantische Problematik ist der Preis dafür, daß der Argument-Begriff des Modells wortsprachlich orientiert ist, insbesondere keine Übersetzung aus der Wortsprache in eine formalisierte Symbolsprache voraussetzt. Daß der Weg der Sprachübersetzung nicht gangbar ist, wurde bereits begründet (vgl. oben 2.2.2.). Demgegenüber vermeidet ein wortsprachlich orientierter Argument-Begriff alle Bedenken, die gegen auf einer Übersetzung aufbauende Ansätze vorgetragen wurden. Entscheidend erscheint, daß die semantische Problematik des Begriffs der konjunktiv-elementaren I-Einheit sich mit einer für methodologische Rationalität hinreichenden Genauigkeit lösen läßt. Der hinreichend genaue Test für eine modelladäquate Anwendung des Begriffes Elementar-Argument besteht in Folgendem: Es ist zu prüfen, ob ein Argument derart weiter zerlegt werden kann, daß für seine Bestandteile unterschiedliche Anerkennungs-, Ergiebigkeits- bzw. Ranggewichtswerte 7 festgesetzt werden können oder ob eine solche Zerlegung nicht möglich ist. Im ersteren Fall liegt nur eine, im letzteren Fall liegen mehrere konjunktiv-elementaren I-Einheiten vor. Dieser Test liegt genau auf der Linie methodologischer Rationalität. Denn methodologische Rationalität verlangt, daß I-Einheiten mit identischen Werten gleich und damit als ein Elementar-Argument, I-Einheit mit unterschiedlichen Werten dagegen differenziert und damit als mehrere Elementar-Argumente behandelt werden. 6 Vgl. z.B. die de Morgan'sehen Formeln, dazu: [19] Carnap, Logik, S. 31, L 8-6 g. Zu Umformungsregeln innerhalb einer formalisierten Syntax vgl. [19] Carnap, Logik, S. 85-88. 7 Zu diesen Begriffen vgl. unten 8.1.2.1.3.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
249
Ρ 2 soll verhindern, daß in das Modell logisch voneinander abhängige, also L-äquivalente oder L-implizierte Elementar-Argumente eingestellt werden und dadurch gegenüber den logisch voneinander unabhängigen Argumenten ein zu hohes Gewicht erhalten 8. Ρ 2 beinhaltet prima facie, daß das Modell eine alle drei semantischen Satzkategorien umfassende deduktive Logik der Wortsprache voraussetzt, mit deren Hilfe sich die logischen Relationen der Ableitbarkeit, insbesondere der Folgerbarkeit beurteilen lassen. Es gibt jedoch noch nicht einmal eine auf die Aussagesätze beschränkte wohl-definierte deduktive Logik der Wortsprache, unabhängig davon, ob man die deduktive Logik als Teil der Semantik (sog. L-Semantik) oder der Syntax (sog. logische Syntax) deutet. Das Problem der Operationalität von Ρ 2 erscheint damit analog dem von P I . Der für die Modelloperationalität hinreichend genaue Test besteht für Ρ 2 darin, daß man die Korrelation der Anerkennungswerte der Elementar-Argumente analysiert. Sind beispielsweise die Anerkennungswerte zweier Argumente notwendig identisch, so sind die Argumente L-äquivalent. Die Problematik dieser Analyse wird dadurch stark vereinfacht, daß bei zahlreichen Verteilungskonstellationen der zu analysierenden Argumente auf die semantischen Argumentkategorien (Aussage-, Wertaussage-, Norm-Argument, Def. 211) eine Ableitbarkeit der Argumente untereinander a priori ausscheidet. So können beispielsweise Norm-Argumente bzw. Wertaussage-Argumente niemals aus Aussage-Argumenten abgeleitet werden und umgekehrt. Insgesamt sollten deshalb die Schwierigkeiten, die sich aus dem Fehlen einer umfassenden, wohl definierten deduktiven Logik für die Operationalität von Ρ 2 ergeben, nicht überschätzt werden. Die Argument-Klasse A läßt sich ähnlich wie die Menge der Konkretisierungselemente nach den Sektoren inhaltlicher Herkunft der Argumente in Teilklassen einteilen9. So können zweckmäßigerweise unterschieden werden: die Klasse AM der ieS methodologischen10 Argumente, die Klasse ANB der Argumente, die reale Grundstrukturen der Normbereiche thematisieren, die Klasse AD der dogmatischen Argumente, die Klasse AT H der Argumente aus (materiellen) Theorien über bestimmte positive Rechtsgebiete sowie die Klasse AP der rechtspolitischen Argumente 11 . Diese Klasseneinteilung hat — abgesehen von 8 Im Rahmen der Ziel-Systeme von Modellen der Nutzwert-Analyse existiert bei symmetrisch-komplementären Zielen eine analoge Problematik, vgl. dazu: [131] Zangemeister, N W A , S. 101. 9 Zur Einteilung der Konkretisierungselemente vgl. [80] F. Müller, Jur. Meth. II, S. 146-147, insbesondere S. 265-267. 10 Der terminus „methodologisch" wird hier nicht im Sinne der Def. 6 bzw. Def. 11 gebraucht, sondern im Sinne von „interpretativ" bzw. „textorientiert-normkonkretisierend". 11 Zu Einzelheiten vgl. [80] F. Müller, Jur. Meth. II, S. 146-198, S. 266. Eine Klasse lösungstechnischer Argumente wurde bewußt nicht aufgenommen. Nach der hier vertretenen dualen, genauer: (sogar) dreiteiligen Konzeption der Rechtsanwendungstheorie (vgl. oben 5.3.2. und vor allem unten 10.1.1.) zählt die Lösungstechnik zur Theorie der Entscheidungsprogrammierung und nicht zur Argumentationstheorie. In der Sache ähnlich: [80] F. Müller, Jur. Meth. II, S. 260-263.
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
250
einer Bedeutung für die Ranggewichtsfunktion (dazu unten 8.1.2.1.3.) — vor allem heuristische Kraft. Die Klasseneinteilung gibt Hinweise, auf welchen inhaltlichen Sektoren nach Argumenten gesucht werden kann 1 2 . Den (logischen) Klassifikationsbegriff erfüllt die Klasseneinteilung jedoch aus zwei Gründen nicht. Erstens können bei konkreter Anwendung des Argumentationsmodells eine oder mehrere Teilklassen durchaus leer sein. Zweitens sind die Teilklassen nicht elementefremd. So sind beispielsweise ein teleologisches Argument at eAM und ein rechtspolitisches Argument av e AP stets auch Elemente der anderen Teilklasse (a t , aveA M η AP). Denn beiden Argumenten ist gemeinsam, sowohl ziel- als auch folgenorientiert zu sein 13 . Gerade die moderne Entscheidungstheorie hat die methodologisch unumgängliche Zielorientiertheit des FolgenArguments klar herausgearbeitet 14. 8.1.2.1.2. Die Lösungsalternative: Begriffe; Postulate Der Begriff der Lösungsalternative wird ebenfalls analytisch-sprachtheoretisch 15 konzipiert. Als Lösungsalternativen des Argumentationsmodells zur Entscheidung der (verdrängenden Anwendungs-)Präferenz zwischen exi und ey j (Unterprogramm UP 09/KLP) kommen nur die folgenden beiden Wertaussagen in Betracht: VerdrAP (e Xj h ey J) — i m Folgenden abgekürzt: exi>e yj — und VerdrAP (e y j, ex i) — abgekürzt: ey J>e x Die an sich theoretisch denkbare dritte Möglichkeit einer Gleichwertigkeit (Indifferenz) von ex i und e y,j( ex,i~ ey,j) durch den sachlichen Zwang ausgeschlossen, den zuvor bejahten Ziel-Konflikt zwischen ex i und ey j (Unterprogramm UP 07/KLP) durch Präferenzsetzung aufzulösen. Lösungsalternative ist also jede Wertaussage, die zwischen zwei Entscheidungsnormen eine verdrängende Anwendungspräferenz setzt. Die Klasse der Lösungsalternativen {Lösungsmenge) werde mit L bezeichnet, eine einzelne (variable) Lösungsalternative mit l s. L ist im Modell — wie in der praktischen Rechtsanwendung — stets endlich ; die Kardinalzahl von L sei m. Für das Modell der Präferenzentscheidung gilt : m = 2. Ferner werde Folgendes definiert: F 101: F 102:
h
fö
{e x,i>e yJ
l 2tf(e
y J>e X td
Bei einer Verallgemeinerung des Argumentationsmodells der Präferenz-Entscheidung zu einem allgemeinen, rechtsorientierten Argumentationsmodell 12
Ähnlich: [27] Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 26. Ähnlich: [102] Rüssmann, JuS 1975, 357-358. Zur sachlichen Verschränkung grammatischer Konkretisierungselemente mit anderen vgl. [80] F. Müller, Jur. Meth. II, S. 159-160. 14 [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 110-114; vgl. auch [31] Zangemeister, N W A , S. 89-141. 15 Hierin liegt ein Berührungspunkt mit der sog. vereinheitlichten Entscheidungstheorie von R. Jeffrey, dazu: [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. IV, S. 323-384, insbesondere S. 323-327. 13
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
251
(dazu unten 10.1.1.) mit endlich vielen Lösungsalternativen (sog. AM Lm) können beliebige Satzintensionen der zweiten und dritten semantischen Kategorie (Wertaussagen, Normen) als Lösungsalternativen auftreten, im konkreten Modell allerdings nur homogen in Form einer bestimmten Kategorie. Vor allem können — ebenso wie bei den Argumenten — die Intensionen wortsprachlich formulierter Sätze in das Modell eingestellt werden. Für die l s sind zwei (allgemeine) Postulate aufzustellen: Ρ 3 : Als Lösungsalternativen l s werden nur die Intensionen solcher (symbolisierter oder wortsprachlicher) Sätze zugelassen, die paarweise L-unverträglich sind (Postulat der paarweisen L-Unverträglichkeit) Ρ 4: Die Lösungsmenge L ist so zu konzipieren, daß die / s (s=l, ..., m) L-disjunkt sind; falls L-Disjunktivität nicht erreichbar ist, so sollen die l s den Lösungsraum möglichst umfassend abdecken. (Postulat der maximalen sachlichen Abdeckung des Lösungsraumes) Ρ 3 resultiert aus dem in das Modell implementierten Ansatz der Entscheidungstheorie, eine Entscheidung als Auswahl eines Elementes aus einer Menge zu strukturieren (sog. Auswahlmengen-Ansatz) 16. Auf das Argumentationsmodell umgesetzt bedeutet dieser Ansatz, daß L nach den Gesamtbegründetheitswerten seiner Elemente l s — basierend auf einer Synthese der Funktionswerte der at — vollständig schwach geordnet wird und die Entscheidung in der Auswahl von /* e L mit dem optimalen, d. h. maximalen Gesamtbegründetheitswert besteht. Daß eine solche Auswahl überhaupt eine Entscheidung bedeutet, setzt voraus, daß alle l s als selbständige Lösungsalternativen vollständig formuliert sind, und vor allem, daß die Auswahl von /* automatisch alle anderen l s ausschließt. Die l s müssen also sich gegenseitig ausschließen17, genauer: paarweise L-unverträglich sein. Zwei beliebige l s und l u sind genau dann L-unverträglich, wenn ihre Konjunktion L-falsch ist 1 8 . Ρ 3 ist Voraussetzung einer hohen Modelloperationalität und trägt dadurch zu methodologischer Rationalität bei. Als entscheidungstheoretisches Postulat führt Ρ 3 jedoch gleichzeitig darüber hinaus. Ρ 4 soll sicherstellen, daß die Auswahl von /* nicht nur eine Entscheidung überhaupt, sondern eine Entscheidung mit heuristischer Kraft bedeutet. Die Auswahl eines Elementes von L hat dann heuristische Kraft, wenn L so konzipiert wurde, daß L den Lösungsraum sachlich möglichst erschöpfend abdeckt 1 9 . Der von Ρ 4 flankierte Auswahlmengen-Ansatz kann als allgemeines 16
Vgl. dazu: [131] Zangemeister, N W A , S. 34-35. Zum gegenseitigen Ausschluß der Lösungsalternativen in der Entscheidungstheorie vgl. [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 105. 18 Zum Begriff der L-Unverträglichkeit vgl. [20] Carnap/Stegmüller, Induktive Logik, S. 36, S. 146. 19 Zu den mit dem Erschöpfungspostulat in der Entscheidungstheorie verbundenen Problemen vgl. [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 102-106. 17
252
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
heuristisches Prinzip gedeutet werden (Auswahlmengen-Prinzip, Def. 212). Das Auswahlmengen-Prinzip ist mit dem Analyse-Synthese-Prinzip (vgl. Def. 148) sachlich verschränkt. Der Auswahlmengen-Ansatz induziert im Kontext des als iwS informationsverarbeitender (vgl. Def. 129) Prozeß gedeuteten Entscheidungsprozesses zwei Unter-Phasen. Erstens innerhalb der Hauptphase der Informationsgewinnung: die Definition der Auswahlmenge L\ zweitens innerhalb der Hauptphase der Informationsverarbeitung ieS (vgl. Def. 131): die A uswahlentscheidung. Als heuristisch-sachliches Postulat geht Ρ 4 über rein methodologische Rationalität hinaus. Dennoch erscheint es sinnvoll, Ρ 4 in das Modell einzustellen. Denn Ρ 4 soll den häufigen Argumentationsfehler vermeiden helfen, daß wegen vorschneller Beschäftigung mit anderen Fragen in Betracht kommende Lösungsalternativen übersehen werden. Die Differenzierung zwischen A und L im Modell soll den Rechtsanwender zwingen, diesen zu differenzierenden InputInformationen auch in der praktischen Rechtsanwendung differenzierend nachzugehen. 8.1.2.1.3. Die numerischen Modellfunktionen: Ergiebigkeitsfunktion ; Anerkennungsfunktion ; Ranggewichtsfunktion Jedes at steht zu jedem l s in einer semantischen, intensional-logischen Relation, die thematisiert, ob und inwieweit at für l s relevant ist. Diese Relation werde Ergiebigkeitsrelation genannt. Da das Argumentationsmodell kardinales Niveau aufweisen soll, muß die Ergiebigkeitsrelation quantitativ-numerisch definiert werden. Es ist eleganter, den quantitativen Ergiebigkeitsbegriff (Ergiebigkeitsgrad) 20 durch eine 2-stellige, reellwertige Funktion anstatt durch eine 3-stellige Relation zu explizieren. Die Ergiebigkeitsfunktion eg werde wie folgt definiert: F 103 (Def. 213):
eg:
L χΛ—
[+1,-1]
Die Ergiebigkeitsskala werde wie folgt geeicht. Spricht ein at voll für ein / s , so gilt: eg(l s, at) = +1. Spricht ein at voll gegen ein l s, so gilt: eg(l si at) = — 1. Spricht ein at weder für noch gegen l s, ist at also unergiebig relativ zu / s , so gilt: eg(l s, at) = 0. Nach den Erfahrungen praktischer Rechtsanwendung gibt es nicht nur Argumente mit einem Ergiebigkeitswert (univalente Argumente), sondern auch Argumente, die sowohl für als auch gegen ein l s sprechen (ambivalente Argumente). Deshalb muß F 103 verfeinert werden. Hierzu ist eine
20 Der Ergiebigkeitsgrad weist gewisse Parallelen zur quantitativen induktiven Wahrscheinlichkeit, dem sog. Hypothesenbestätigungsgrad, auf; vgl. dazu: [20] Carnap/ Stegmüller, Induktive Logik, passim, insbesondere S. 38ff., S. 134ff.; [67] Leinfellner, Wiss. Theorie, S. 80-86. Die Unterschiede überwiegen jedoch bei weitem. So ist die Ergiebigkeitsrelation im Gegensatz zur induktiven Wahrscheinlichkeit über allen drei semantischen Satzkategorien (vgl. Def. 3) definiert, gilt wegen Ρ 1 die Forderung des Gesamtdatums nicht, ist die Skalierung abweichend und wird für den Ergiebigkeitsgrad eine operationale Meßmethode in Form des rating bereitgestellt.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
positive Ergiebigkeitsfunktion
253
eg+ und eine negative eg_ wie folgt einzuführen:
F 104:
eg+:
Ζ , χ Λ — [0, + 1 ]
F 105:
eg_:
Ζ,χΛ->[-1,0]
Für eg gilt dann: F 106:
eg(l s,at)
= eg+{l s,at)
+ eg_{l s,at)
Spricht ein at nicht für ein l s, hat eg+ (l s, at) den Wert 0; für eg_ (/ s, at) gilt analoges. Die m · η positiven Ergiebigkeitswerte werden zur Matrix [eg + (l s , a,)] ( m > n ) , die m-n negativen Ergiebigkeitswerte zur Matrix [eg_(l si aty] im n) zusammengefaßt. Die Addition beider Matrizen 21 führt zur Ergiebigkeitswertmatrix l>£ ( 4 , ^ ) ]
I
Abb. 32. eg- Verteilung über endlicher Lösungsmenge L ? b ( 1 ,a. ) +2 s t a,«konstant t +1
ο - 1
I +1
1+0,7, X
1
IA 3 '-1,12 Ι
Ο 35
...
1
(s=1 , . . . ,m)
1
-2 -3 Abb. 33. b-Verteilung über endlicher Lösungsmenge L 1
Fohmann
258
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
Die Multiplikation der einzelnen eg(l s, at) mit dem zugehörigen rg(a t) gem. F 119 bewirkt für rg(a t) + 1 eine Streckung aller Ordinaten in Abb. 32 um denselben Faktor rg(a t), die Multiplikation mit ae(a t) gem. F 119 für ae(a t) Φ 1 eine entsprechende Kürzung. Durch diese beiden Multiplikationen wird die eg-Verteilung in die Verteilung der Einzel-Begründungswerte von at über L (b-Verteilung, Def. 220) transformiert. Für rg(a t) = 2 und ae(a t) = 0,l ergibt sich die in Abb. 33 dargestellte exemplarische b-Verteilung. Die m-malige Summierung über alle η b(l s, at)-Werte mit t = 1, . . . , η in den η ò-Verteilungen (vgl. F 120) ergibt die Verteilung der Gesamtbegründetheitswerte über L (.B-Verteilung, Def. 221). Da L endlich ist, handelt es sich bei allen drei Verteilungen um diskrete Verteilungen. Als letztes zentrales Problem der Sachlogik des Argumentationsmodells bleibt die Frage, mittels welcher Methode für die eg- und die fle-Funktion konkrete numerische Werte festgelegt werden können. Eine effektiv definierte Methode, also einen Algorithmus, gibt es hierfür nicht, d. h. eg und ae sind keine sog. berechenbare Funktionen 25. eg und ae teilen insoweit das Schicksal der c-Funktionen der induktiven Logik, die grundsätzlich ebenfalls nicht berechenbar sind. Nur bei doppelter Relativierung auf bestimmte, wohl-definierte Sprachsysteme und einen logischen Gewichtsfaktor λ wird die c-Funktion in gewissen Fallklassen ausnahmsweise berechenbar 26. Für methodologische Rationalität ist es jedoch gar nicht erforderlich, daß eg und ae berechenbar sind. Unter dem Aspekt methodologischer Rationalität sind eg und ae als metrische, 2- bis 1-stellige, vom Rechtsanwender X und Entscheidungszeitpunkt Τ als Parameter abhängige 27 , über dem engeren semantischen Informationsbegriff als Argumentbereich definierte Funktionen zu konzipieren, die X zwingen, die im Zeitpunkt Τ persönlich vertretenen Ergiebigkeits- und Anerkennungswerte inter subjektiv diskutierbar, d.h. explizit, transparent, präzise und vollständig ojfenzulegen. Für die Festlegung der eg- und αe-Werte kommt es nicht darauf an, auto-psychometrisch genau zu ermitteln, wie X in Τ diese Werte intern-subjektiv tatsächlich veranschlägt (psychometrisch-deskriptiver Ansatz). Ebensowenig kommt es darauf an, dem X Soll-Werte im Sinne von „richtigen" Werten mittels mathematischer Axiomatik für die eg- und die ae-Funktion extern-objektiv vorzuschreiben (mathematisch-normativer Ansatz). Für methodologische Rationalität ebenso wie für die Praxis juristischer Entscheidungsfindung und -begründung ist allein entscheidend, daß der Rechtsanwender X die Ergiebigkeits- und Anerkennungswerte — wie übrigens auch die Ranggewichtswerte — intersubjektiv diskutierbar offenlegt, mit denen er zur Entscheidungsfindung arbeitet bzw. mit denen er seine Entscheidung begründet (methodologisch-rationaler Ansatz). Um das Recht der BGB-Willenserklärung meta25
Zum Begriff: [43] Hermes, Aufzählbarkeit, S. 9-11. Vgl. [20] Carnap/Stegmüller, Induktive Logik, S. 73, S. 136-137, S. 207-232. Ganz korrekt müßten die Funktionen eg und ae deshalb ausführlich egX T und aeX T geschrieben werden. Übrigens müßte auch die Funktion rg wegen des Konventionalcharakters von Ρ 5 a als rg x T geschrieben werden. 26
27
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
259
phorisch zur Veranschaulichung zu gebrauchen, könnte man sagen, es gilt die Erklärungs-, nicht die Willenstheorie. Als Methode, die die eg- und ae-Werte mißt und dabei dem Postulat methodologischer Rationalität voll Rechnung trägt, bietet sich das rating geradezu an (vgl. oben 6.3.2.1.). Das rating erscheint nicht nur in der Psychologie28, sondern auch in der Rechtswissenschaft als hervorragendes Instrument, menschliches Entscheidungsverhalten oifenzulegen und so für Analyse, Diskussion und Kritik zugänglich zu machen. Auch in Argumentationsmodellen bleibt es allerdings Voraussetzung des rating, daß die Skalen kontrolliert geeicht werden, um unkontrollierte Ankereffekte auszuschalten. Die Ergiebigkeitswert- und die Anerkennungswertskala wurden in den Erläuterungen zur eg-Funktion und ae-Funktion bereits geeicht. Die Ranggewichtswertskala wird durch Ρ 5a aus der eigentlichen rating-Problematik herausgenommen. Je nachdem, ob und inwieweit der Rechtsanwender die rating-Werte ihrerseits für begründungsbedürftig erachtet, kann er—mit steigendem Begründungsaufwand — sie entweder unbegründet in das Modell einstellen oder aber konventionell begründen oder aber sogar mit Hilfe des vorgeschlagenen Argumentationsmodells begründen. Dem Trilemma zwischen tautologischer „Begründung", unendlichem Begründungsregreß und Abbruch des Begründungsregresses an mehr oder weniger willkürlicher Stelle (Münchhausen Trilemma), kann allerdings weder durch den rekursiven Einsatz des Argumentationsmodell noch überhaupt durch sonstige Maßnahmen ausgewichen werden. Dennoch erscheint das Ausmaß an methodologischer Rationalität, das sich durch rekursiven wie nicht-rekursiven Modelleinsatz erreichen läßt, dem konventioneller Begründungen erheblich überlegen. Die Möglichkeit rekursiven Modelleinsatzes belegt auch den Sinn, weshalb das Argumentationsmodell teilweise als formales Entscheidungssystem konzipiert wurde. Dadurch wird der Anwendungsbereich des Modells möglichst mächtig gestaltet. Eine der positiven Folgen der Mächtigkeit des Anwendungsbereiches ist, daß das Modell auch rekursiv auf Meta-Entscheidungsebenen usw. eingesetzt werden kann. 8.1.2.2. Die Entscheidungslogik
des Modells
Als Regel, die Ergiebigkeitswert-, Anerkennungswert- und Ranggewichtswertmatrix (Input) zur Gesamtbegründetheitswertmatrix (Output) zu synthetisieren (B(l u) (EntscheidungsregelieS)
Vgl. [116] Sixtl, Meßmethoden, S. 140, S. 263.
260
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
8.1.2.3. Die Programmlogik
des Modells
Da alle relevanten Befehle des Programms der Präferenz-Entscheidung Operationsbefehle sind, kann auf eine Befehlsliste verzichtet werden. Die Programmlogik läßt sich mit Hilfe eines Programmablaufplanes und eines Input Output-Diagramms anschaulich darstellen. Das Argumentationsmodell (sog. AM Lm) der Präferenz-Entscheidung fungiert für m = 2, also in seiner spezifischen Ausprägung zum AM L2 als Unterprogramm UP 09/KLP. AM Lm bedeutet Argumentationsmodell mit endlicher, m-elementiger Lösungsmenge L. Der Programmablaufplan des Argumentationsmodells AM Lm hat folgende Gestalt:
Abb. 34. Programmablaufplan des A M L m
K a p i t e l 8. A r g u m e n t a t i o n s m o d e l l , L ö s u n g s - , U n t e r s t ü t z u n g s m e t h o d e n
Das
Input-Output-Diagramm
des A M
ferenz-Entscheidung, hat folgende M o d e l l - I n p u t : (1)
L m
,
mit
m = 2 spezifiziert
auf die
(2)
ENTSCHEIDUNGSLOGIK Synthese-
i
Regel
ieS
a
·"
η aeta^)...ae(an)
eg(l1,a1 ) . .
*2
e g d ^ ) . .
a
>1
>2
b t l
btl
" ' i ' V n
1'
2
a
e
.a
1»
1
)
rg(a1)...rg(an)
1
1
a
2
b(i1.«3)
btl
b(l2.a3)
2
.a
2
)
a
3
bCl,,a2)
η
...
Synthese
Β ί ψ
B(12)
AuswahlEntscheidung
1
Modell-Outputs
iwS)
Entscheidungs-
Regel
rg
(Ε-Regel
—Γ"
a
Prä-
Gestalt:
INFORMATION
eg
261
e * ' e h t - - e x , i > e y . j oder e y ( J > e X i i
INFORMATION
A b b . 35. I n p u t - O u t p u t - D i a g r a m m des A M
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262
4. Teil: Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
8.1.2.4. Zusammenstellung der heuristischen Prinzipien und Strategien der Informationsverarbeitung des Modells Neben dem Auswahlmengen-Prinzip basiert das Modell auf dem AnalyseSynthese-Prinzip. Spezifiziert auf informationsverarbeitende Entscheidungsprozesse führt dieses Prinzip zur Strategie sequentieller, rekursiver und hierarchisch organisierter Informationsverarbeitung (iwS). Diese Strategie vermeidet die untragbaren Informationsverarbeitungsstrategien (IV-Strategien) des focus gambling und des conservative focussing (vgl. oben 5.3.1.1.) und baut das successive scanning durch Ergänzung um rekursiven Modelleinsatz und hierarchische Modellorganisation (Haupt- und Unterprogramme) zu einer umfassenden, „drei-dimensionalen" IV-Strategie auf methodologisch-rationalem Niveau aus. Zwar ist der Aufwand an Zeit und Information für diese Strategie wohl etwas höher als für konventionelle Begründungsmethoden. Dieser Mehraufwand ist jedoch unumgänglich, will man mit der vom positiven Verfassungsrecht geforderten methodologischen Rationalität (vgl. oben 5.4.) Ernst machen. Auch setzt eine rationale Analyse der Aufwandsproblematik empirische Informationen in Gestalt von Erfahrungen über den Modelleinsatz in der praktischen Rechtsanwendung voraus, die nicht vorliegen. Als drittes allgemeines heuristisches Prinzip soll das trial-and-err or- Prinzip 29 in das Modell eingebaut werden. Spezifiziert auf juristische informationsverarbeitende Entscheidungsprozesse führt dieses Prinzip dazu, daß der Rechtsanwender von Verarbeitungs- und Auswertungsoperationen aus zu Operationen der Informationsgewinnung rückkoppelt, wenn und solange er mit der inhaltlichen oder analytischen Qualität der Verarbeitungs- und/oder Auswertungsergebnisse nicht zufrieden ist. Dadurch entstehen nicht fest programmierte, sondern variable Programmschleifen. Die sequentielle, rekursive und hierarchische Informationsverarbeitung wird damit zusätzlich iterativ 30, die IV-Strategie vier-dimensional. Die Iteration soll so lange fortgeführt werden, bis entweder der Rechtsanwender zufrieden ist, oder aber zeitliche, finanzielle und/oder rechtliche Restriktionen (vgl. z.B. § 268 I I I 1, 2 StPO) eine Beendigung der Iteration erfordern. Die mehr-dimensionale IV-Strategie des Modells deckt sich mit den Erkenntnissen der Theorie heuristischer Entscheidungsprozesse. Diese Theorie erachtet sachlich-zeitlich sequentiellen Ablauf, rekursive Struktur und hierarchischen Aufbau als allgemeine Eigenschaften heuristischer Entscheidungsprozesse31. Als heuristischer Entscheidungsprozeß enthält das Modell AM Lm keine Lösungsgarantie, etwa in dem Sinne, daß bei sorgfältiger Abarbeitung des Modellpro29
Vgl. dazu: [55] Klaus, Kybernetik, S. 660-664; [21] v. Cube, Kybernetik, S. 51-56. 30 In der Iterativität besteht eine wesentliche Parallele des Argumentationsmodelles AM Lm zu den Entscheidungsmodellen der systems analysis , vgl. dazu: [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 74-82; [53] Kirsch, BWL, S. 251. 31 Vgl. [56] Klein, Heuristische Entscheidungsmodelle, S. 105-114.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
263
gramms und Beachtung der sechs Postulate Ρ 1-6 alle Argumentationsfehler vermieden werden. Denn das Modellprogramm erfüllt nicht den Algorithmusbegriff. Es ist nur im abgeschwächten Sinne operational. Wegen der Unschärfe des juristischen Problemmaterials erscheint eine weitere Steigerung der Operationalität jedoch als Pseudo-Exaktheit und damit als ein Überziehen des in Gestalt abgeschwächter Operationalität sinnvollen und rechtlich gebotenen Ansatzes methodologischer Rationalisierung. Durch methodologische Rationalität leistet es das Modell aber, sämtliche Argumentationsfehler schonungslos offenzulegen und dadurch intersubjektiver, inhaltlicher Diskussion zuzuführen. Auf diesem Hintergrund erscheinen Versuche bereits im Ansatz als naiv, die Rechtsanwendungsprozesse außerhalb numerisch effektiv definierter Rechtsgebiete auf Algorithmusniveau und damit als per Computer ausführbar programmieren wollen. Die sequentielle, rekursive und hierarchische Modellstruktur stellt sicher, daß das Modell an den kognitiven Restriktionen des menschlichen Rechtsanwenders nicht vorbeispezifiziert ist, sondern diese in das Modell integriert. Es handelt sich hier um die eine Stelle, an welcher das Modell mit schwerpunktmäßig normativer Pragmatik (vgl. Ρ 1-P 6) mit empirischen Befunden verschränkt ist. Die andere Stelle liegt im Bereich des Iterationsgebotes. Hat der Rechtsanwender die Iteration intern-selbstverpflichtend (sog. self-commitment) abgebrochen und die Auswahlentscheidung getroffen, ohne daß externe Restriktionen den Abbruch erzwungen haben, so laufen kognitive Prozesse ab, die eine Wiederaufnahme der Iteration wesentlich erschweren, auch wenn sie auf Grund neuer Informationen sachlich geboten wäre. Diese Prozesse hat die empirisch gut bewährte sozialpsychologische Theorie der kognitiven Dissonanz untersucht 32 . Nach dieser Theorie treten nach einer Entscheidung die Vorteile der nicht-ausgewählten und die Nachteile der ausgewählten Lösungsalternative psychisch in den Vordergrund, während umgekehrt die entsprechenden Nachteile bzw. Vorteile in den Hintergrund treten (sog. postdecisional regret). Diese Kognition tritt mit der anderen Kognition, der getroffenen Auswahlentscheidung, in Widerspruch (sog. kognitive Dissonanz). Das Individuum versucht, die kognitive Dissonanz zu reduzieren und strebt eine kognitive Konsonanz an 3 3 . Von daher werden neue Informationen nach der Entscheidung tendenziell nur noch selektiv wahrgenommen. Informationen, die die getroffene Entscheidung stützen, werden aufgegriffen, während Informationen, die der Entscheidung widersprechen, eher unterdrückt werden. Dieser Hinweis auf die Theorie der kognitiven Dissonanz bezweckt, daß der Rechtsanwender diese kognitive Problematik reflektiert und er sich dadurch hierfür auch in der Praxis der Rechtsanwendung sensibilisiert. Da die Pro32 Vgl. dazu: [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 118-125; Bd. 2, S. 135-136; [28] Drever/Fröhlich, Psychologie, S. 92 mN. [51] Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 121-123. U m Mißverständnissen vorzubeugen, soll betont werden, daß es sich hier nicht um eine ethische, etwa hedonistische, sondern um eine empirische These handelt.
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4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
blematik jedoch weniger für methodologische als eher für substantiell-objektive Rationalität relevant ist, soll hier kein (formalisiertes) Postulat aufgestellt werden, das Art und Frequenz der Iteration regelt und dadurch die empirischpsychologische Problematik von der normativen Seite her zu lösen versucht. 8.1.2.5. Verfahren kontrollierter Kreativität als Hilfsmethoden : Brainstorming, Delphi-Methode ; Methode der Unsicherheitshandhabung und Bewertungsstabilisierung : Sensitivitätsanalyse Im Rahmen der Präferenz-Entscheidung ist die Lösungsmenge L wohldefiniert (vgl. F 101, 102), nicht jedoch die Argument-Klasse A. Bei einer Verallgemeinerung des Modells auf beliebige juristische Argumentationsprobleme (vgl. dazu unten 10.1.) wird allerdings auch L häufig nicht wohldefiniert sein. Bei nicht wohldefiniertem A und/oder L soll der Modellanwender zunächst — analog zu konventionellen Begründungsmethoden — die einschlägige Literatur und Rechtsprechung auswerten und über mögliche neue Argumente und Lösungsalternativen reflektieren. Hierdurch wird jedoch Kreativität und Phantasie des Rechtsanwenders weder hinreichend intensiv noch hinreichend kontrolliert in das Modell eingebracht. Als Methode kontrollierter Kreativität empfiehlt sich zunächst das Brainstorming 34. Das Brainstorming schafft kreativitätsfördernde Randbedingungen für Alleinreflektion wie Gruppendiskussion und intensiviert somit Kreativität im Finden neuer Argumente und Lösungsalternativen. Der Vorteil des Brainstorming besteht darin, daß es ohne Sachaufwand vom Rechtsanwender sowohl als Individuum im Falle eines monistischen bzw. monokratischen Organs als auch als Gruppe im Falle eines Kollegialorgans eingesetzt werden kann. Beim Einsatz in Gruppen weist Brainstorming jedoch zwei nachteilige Effekte auf. Zum einen neigen Gruppen dazu, einen Konformitätsdruck aufzubauen (sog. Gruppendruck). Zum anderen steigern direkte Interaktionen innerhalb der Gruppe häufig die Risikobereitschaft der Gruppenmitglieder (sog. StonerEffekt). Beide Nachteile vermeidet die Delphi-Methode 35. Die Delphi-Methode arbeitet, um direkte Interaktionen auszuschließen, mit Fragebögen, statistischer Auswertung und mehrfacher Rückkopplung. Allerdings ist die Delphi-Methode 34 Vgl. dazu: [15] Bohret, Entscheidungshilfen S. 70; [53] Kirsch, BWL, S. 252-253. Auf das Brainstorming kann nicht im einzelnen eingegangen werden, sondern muß auf die Literatur verwiesen werden. Ebensowenig kann auf verbesserte Kreativitätsmethoden, wie ζ. B. die morphologische Methode und die Synektik eingegangen werden. Im Rahmen der angewandten Entscheidungstheorie wird das Brainstorming vorwiegend eingesetzt, um Lösungsalternativen zu generieren. 35 Vgl. dazu: [15] Bohret, Entscheidungshilfen, S. 70-72; [53] Kirsch, BWL, S. 253. Im Rahmen der angewandten Entscheidungstheorie wird die Delphi-Methode vorwiegend als Methode zur Prognose von Konsequenzen mittels systematischer Expertenbefragung eingesetzt. Im einzelnen kann hierauf wie auch auf andere Methoden der Expertenbefragung (z.B. System For Event Evaluation And Review, sog. SEER-Methode) nicht eingegangen werden.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
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zeitlich wie sachlich erheblich aufwendiger als das Brainstorming. Bei Individuen als Rechtsanwendern kommt die Delphi-Methode — vom Aufwand abgesehen — ohnehin nur dann in Frage, wenn sie die klar definierte juristische Verantwortlichkeit für die Entscheidung (vgl. z.B. § 309 ZPO, § 112 VwGO) nicht verwischt. Von noch größerer Bedeutung als die Verfahren, die Kreativität kontrolliert in das Modell einbringen, ist eine Methode, die die Unsicherheit des ratings beim Ansetzen der Ergiebigkeits- und Anerkennungswerte 36 kontrolliert handhabt und die rating-Werte stabilisiert. Dies leistet die Sensitivitätsanalyse 31. Zur Analyse der Modellempfindlichkeit sind ein oder mehrere (besonders unsichere) Ergiebigkeits- und/oder Anerkennungswerte als Variable zu interpretieren derart, daß die hier sog. Variationsbandbreiten dieser Werte fixiert werden, während die anderen Werte konstant gehalten werden (ceteris-paribus-Klausel). M i t den Extremwerten der Variationsbandbreiten (sog. Variationsextrema) ist das Modell jeweils durchzurechnen. So läßt sich ermitteln, wie empfindlich die Gesamtbegründetheitswerte der Lösungsalternativen auf eine Variation der Ergiebigkeits- und/oder Anerkennungswerte reagieren. Auf diese Weise läßt sich die Sensitivität der (schwach-vollständigen) Präferenz-Ordnung 38 zwischen den Lösungsalternativen und damit auch der Auswahlentscheidung als solcher ermitteln. Zeigt sich beispielsweise, daß die Auswahlentscheidung in bezug auf bestimmte Variationen unempfindlich ist, so bedeutet dies, daß den variierten rating-Werten eigentlich keine Bedeutung zukommt. Die entsprechenden Zellen in der Ergiebigkeitswert- und/oder Anerkennungswertmatrix können unbesetzt bleiben. Zeigt sich umgekehrt, daß die Auswahlentscheidung von den Variationen abhängt, müssen die angesetzten rating-Werte sorgfältig begründet werden, evtl. sogar durch rekursiven Einsatz des Argumentationsmodelles. In jedem Falle läßt sich die Größe der hier sog. Sensitivitätsbandbreite jeder Lösungsalternative quantitativ-numerisch ermitteln. Hierzu ist die Differenz der Extremwerte der Gesamtbegründetheitswerte in jeder Sensitivitätsbandbreite zu bilden. Nach der als Sensitivitätswert gedeuteten Sensitivitätsbandbreite lassen sich die Lösungsalternativen schwach-vollständig ordnen. Sind η Konstellationen der Variationsextrema der Ergiebigkeits- und/oder Anerkennungswerte in den Variationsbandbreiten möglich, so erhält man η + 1 PräferenzOrdnungen (iwS) über L : η Präferenz-Ordnungen, basiert auf den konkreten 36 Auch für die Ranggewichtswerte gilt dies dann, wenn man Ρ 5a modifiziert und eine andere numerische Gewichtsverteilung der 3:2:1-Verteilung von Ρ 5a vorzieht. 37 Vgl. dazu: [53] Kirsch, BWL, S. 260-261. 38 Der Ausdruck „Präferenz-Ordnung" ist zweideutig. Eine Präferenz-Ordnung ieS ist ein (empirisches oder numerisches) relationales System ( M ; R), wobei R eine über der Menge M definierte Ordnungsrelation ist, die (irgendwelche) Vorzugswerte der Elemente von M auf ordinalem Skalenniveau ausdrückt (Def. 222). Eine PräferenzOrdnung iwS ist eine (numerische) Algebra iwS (M z; Rzl i..., Rzk; ΟζΛ ,..Oz / ), die (irgendwelche) Vorzugswerte der Elemente von M aiif nominalem, ordinalem oder kardinalem Skalenniveau ausdrückt (Def. 223).
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4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
Gesamtbegründetheitswerten ; 1 Präferenz-Ordnung, basiert auf den Sensitivi tätswerten. Als optimal erscheint dann diejenige Lösungsalternative /* e L, die gleichzeitig höchste Gesamtbegründetheitswerte wie einen kleinsten Sensitivitätswert aufweist. Führt man eine Sensitivitätsanalyse durch, stellt sich somit ein weiteres Syntheseproblem: das Problem, die η Präferenz-Ordnungen — basiert auf Sensitivitäten nicht berücksichtigenden Gesamtbegründetheitswerten B(l s ) — und die eine Präferenz-Ordnung — basiert auf Sensitivitätswerten S(l s) — zu einer umfassenden Präferenz-Ordnung über L — basiert auf Sensitivität berücksichtigenden Gesamtbegründetheitswerten BS(l s) — zu amalgamieren. Da das Modell ansonsten kardinales Niveau aufweist, empfiehlt sich auch hier eine kardinale Synthese-Regel, um alle in den Matrizen des Modells enthaltenen Informationen für die Wertsynthese voll zu nutzen. Eine kardinale Wertsynthese gestattet auch, die η Präferenz-Ordnungen einerseits, die eine PräferenzOrdnung andererseits mit Bedeutungskoeffizienten zu gewichten. Gibt es — wie hier — η Präferenz-Ordnungen der einen sachlichen Dimension (Gesamtbegründetheit), aber nur eine der anderen sachlichen Dimension (Sensitivität), so erscheint eine Korrektur dieses Zahlenverhältnisses durch Gewichtung nahezu unumgänglich. Das gemeinsame Gewicht der η Präferenz-Ordnungen, basiert auf B(l s ), sei gBi das Gewicht der Präferenz-Ordnung, basiert auf S(l s), sei gs. Es erscheint zweckmäßig, wenn die Synthese-Regel so konstruiert wird, daß die zugehörige Entscheidungsregel ieS nach dem Maximum-Prinzip arbeiten kann. Die Entscheidungsregel ieS lautet dann : Auswahl der l 5 mit dem maximalen BS (/S)-Wert. Da hinsichtlich der Sensitivitätswerte der kleinste Wert optimal ist, sind die S(/ s )-Werte vor der Verarbeitung durch die Synthese-Regel in die invertierten Sensitivitätswerte S+(l s) zu transformieren. Für die invertierten Sensitivitätswerte S + ( / s ) gilt: F 122:
S+(l s)
=
SMax + SMi n-
S(l s)
Die auf der allgemeinen Additionsregel beruhende Synthese-Regel lautet hier dann: F 123a: BS(l s) = (Synthese-Regel) Dabei gilt: F 123b:
£ 1
1
+ gs S+(l s)
gB + gs = 1
Die Entscheidungsregel ieS lautet: F 124: Präf(l sJ u) «- BS(l s) > BS(l u) (Entscheidungsregel ieS) F 123 und F 124 formulieren gemeinsam die Entscheidungsregel iwS.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
267
Für den konkreten Modelleinsatz wird gB = f ; gs = j oder gB = gs = j vorgeschlagen. Andere Gewichtsverteilungen 'wie auch andere Entscheidungsregeln iwS sind ohne weiteres denkbar. So erscheint auch eine Wertsynthese auf ordinalem Niveau vertretbar, beispielsweise mit Hilfe der Majoritäts-, Copeland- oder der sehr operationalen Rangordnungssummenregel (GoodmanM arko witz-Regel3 9 ). Die Sensitivitätsanalyse macht klar, worin neben methodologischer Rationalität der entscheidende Vorteil der Konstruktion und Verwendung operationaler Modelle {Modellmethode) besteht. A m Modell können ohne großen Aufwand und operational, insbesondere transparent, zahlreiche Konstellationen durchgespielt werden. Dies ist in dieser Form am Modellobjekt selbst häufig nicht möglich. Das Operieren mit Modellen liefert Erkenntnisse, die bei direktem Zugriff auf das Modellobjekt wegen dessen Komplexität und Nicht-Operationalität nicht oder nur erheblich schwieriger zu gewinnen sind. Die Reduktion der Komplexität durch die Modellmethode ist per se ein allgemeines heuristisches Prinzip 40 . Die Modellmethode darf allerdings nicht mit dem AnalyseSynthese-Prinzip verwechselt werden. Die Konstruktion eines Argumentationsmodelles der Präferenz-Entscheidung zwischen zielkonfligierenden Entscheidungsnormen ist damit abgeschlossen.
8.2. Die Kollisionen 8.2.1. Die Methoden zur Unterstützung von Kollisionsmodell und Meßmodell
8.2.1.1. Die Methodenunterstützung für das Kollisionsmodell Das Programm des Kollisionsmodells KM enthält ca. 30 Befehle, darunter 4 OT-Befehle. Die Programmstruktur erscheint deshalb schon recht komplex. Da sich Befehlslisten mangels Transparenz hauptsächlich nur als Programmiervorlage eignen, soll das Modellprogramm KM hier lediglich mit Hilfe eines Programmablaufplanes (Abb. 36) dargestellt und auf eine zusätzliche Befehlsliste verzichtet werden.
39
Zu diesen ordinalen Synthese-Regeln vgl. [131] Zangemeister, N W A , S. 259-265, S. 269-271; [33] Gäfgen, Entscheidungstheorie, S. 427-429, S. 431-435, S. 444-449. Zur Diskussion dieser Regeln hinsichtlich des Arrow'schen Unmöglichkeitstheorems, insbesondere zu partiellen Abweichungen von den 5 Arrow'schen Axiomen, vgl. Vgl. dazu: [55] Klaus, Kybernetik, S. 418-426.
268
4. Teil: Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
Ende KM
Abb. 36. Programmablaufplan des Kollisionsmodells KM
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
271
8.2.1.2. Die Methodenunterstützung für das Meßmodell Das Programm des Meßmodells MM figuriert als die Unterprogramme UP 09, 12, 16 und 19 des Programms KM des Kollisionsmodells. Auf die Befehlsliste soll auch hier verzichtet werden.
Abb. 37. Programmablaufplan des Meßmodells MM
272
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz 8.2.2. Das Argumentationsmodell der Auswahlentscheidung über den Lösungspunkt der Kollision
I m Unterschied zum Argumentationsmodell mit endlicher Lösungsmenge AM LM findet ein sich auf das Kollisionsmodell aufstützendes Argumentationsmodell der Auswahlentscheidung über den Kollisionslösungspunkt K £ e L eine abzählbar-unendliche Lösungsmenge L * ç L vor. Das letzte Modell werde deshalb m i t AM LAO
bezeichnet.
Zwei Ansätze, AM LOO zu konstruieren, lassen sich unterscheiden. Der erste Ansatz besteht darin, daß man Kollisionsmodell und Argumentationsmodell kompatibel macht, indem man AM LM mit Rücksicht auf die Unendlichkeit von L* modifiziert und zu AM Lq0 ausbaut. Dieser Ansatz führt dazu, daß die eg-, b- und B- Verteilungen wegen der Abzählbarkeit bzw. mangels Überabzählbarkeit von L* im mathematischen Sinne diskrete Verteilungen bleiben. I m argumentationstheoretischen wie entscheidungspraktischen Sinne werden diese Verteilungen jedoch quasi-stetig* 1. Denn je näher zwei Lösungsalternativen l s und l u in L* zusammenliegen, desto kleiner wird ihre Unterscheidbarkeit für die Festsetzung der eg-Werte im rating-Verfahren, bis sie bei Identität von l s und l u ganz verschwindet. Deshalb erscheint folgende These plausibel: Je näher l s und l u in L * zusammenliegen, desto näher liegen auch e g(L> a ) u n c * e g ( h a ) der e 8~Verteilung zusammen; geht l s gegen / u , so geht die Differenz der eg-Werte gegen 0. Da die b-Verteilung mittels Kürzung und Streckung aus der eg-Verteilung hervorgeht, ist auch die ^-Verteilung quasistetig. Dieser Befund soll durch eine exemplarische eg-Verteilung über L * graphisch veranschaulicht werden.
Abb. 38. eg-Verteilung über abzählbar-unendlicher Lösungsmenge L* 41 Z u den verschiedenen exakten Stetigkeitsbegriffen im mathematischen Sinn (gewöhnliche Stetigkeit als Punkteigenschaft, gleichmäßige Stetigkeit als Funktionseigenschaft, linksseitige/rechtsseitige Stetigkeit, usw.) vgl. [117] Stegmüller, Wiss. Theorie, Bd. IV, S. 202-204. Diese Begriffe setzen reelle Funktionen voraus. Eine reelle Funktion ist eine Funktion, bei welcher sowohl Definitions- als auch Wertebereich reell und damit überabzählbar-unendlich sind.
Kapitel 8. Argumentationsmodell, Lösungs-, Unterstützungsmethoden
273
Die Strecke Κ 0Κ» (K 0K^ = Z*) des Kollisionsmodells KM (vgl. Abb.25) stellt die Abszisse des l s~eg(l s, ^-Koordinatensystems in Abb. 38 dar. Da die B-Verteilung aus einer Addition der η b-Verteilungen b(l s, α γ), b (l s, ai), · · ·, b (/ s, an) (5 = 1, . . . , oo) hervorgeht, ist auch die /^-Verteilung quasistetig. Diese Addition geht so vor sich, daß die «jeweils zu einem Abszissenwert l s gehörigen Ordinatenwerte b (l s, at)(t= 1, . . . , « ) addiert werden (vgl. F 120). Die eigentlich zugrunde liegende Operation ist die Addition von Funktionen, die sich wie folgt definieren läßt:
(/+£)«
i7 f
f(x)+g(x)
Die Addition der Verteilungen läßt sich graphisch ohne weiteres durchführen. Dieses Verfahren ist jedoch weder operational noch sonderlich elegant. Dagegen läßt sich die Addition sehr operational dann durchführen, wenn die η b-Verteilungen durch Funktionsgleichungen mathematisch wohl-definiert sind. Die Funktionsgleichung der B-Verteilung erhält man dann einfach durch Addition der η Funktionsgleichungen der b- Verteilungen. Aber auch dieses Verfahren befriedigt nicht: Der Ausgangspunkt jeder Fixierung einer b-Verteilung liegt darin, daß der Rechtsanwender eine gewisse, endliche Anzahl von egWerten mittels rating festsetzt. Bereits beim graphischen Additionsverfahren ist nicht ganz unproblematisch, wie man die diskreten rating-Werte zum quasistetigen Funktionsgraph der über L* vollständig zu definierenden eg- Verteilung ergänzt. Nahezu ausgeschlossen erscheint es jedoch, daß die diskreten ratingWerte sich in eine mathematisch wohl-definierte Funktionsgleichung für die b-Verteilung einfügen lassen. Der „Ausweg", für das rating als Postulat aufzustellen, daß sich die rating-Werte mathematisch-funktional definieren lassen müssen, führt zu einer Pseudo-Exaktheit, verbiegt die verfügbaren Input-Informationen und verkennt grundlegend das Postulat methodologischer Rationalität, indem er einer totalen Operationalität (Operationalität im strengen Sinne, vgl. Def. 51) das methodologische Unterpostulat der Explizierung opfert. Sowohl das graphische als auch das mathematisch-funktionale Additionsverfahren sind demnach abzulehnen. Andere Additionsverfahren sind nicht ersichtlich.' Damit scheitert aber auch der Ansatz, AM LAO dadurch zu konstruieren, daß man A M LM wegen der Unendlichkeit von L * modifiziert und zu AM LOD ausbaut. Der zweite Ansatz besteht darin, daß man Kollisionsmodell und Argumentationsmodell kompatibel macht, indem man L* modifiziert und dadurch das AM LOO auf das unmodifizierte AM LM reduziert. Der zweite Ansatz setzt damit gerade umgekehrt wie der erste an. Der erste modifiziert AM LM und hält L * fest, der zweite hält AM LM fest und modifiziert L*. Auf der Strecke Κ 0Κ^ ( = L * ) legt man in gleichem Abstand voneinander 5 bis 1 diskrete Lösungsalternativen, einschließlich K * und K f als Randextrema, fest. Die Menge dieser Lösungsalternativen werde mit L* bezeichnet, wobei m die Anzahl der Lösungsalternativen e L* indiziert. Der Übergang von L * zu L * gestattet es, ohne weiteres 18 Fohmann
4. Teil : Neuer, methodologisch-rationaler Lösungsansatz
274
AM Lm anzuwenden, um den Kollisionslösungspunkt Kl auszuwählen. Für Kl gilt nach dem Übergang allerdings: K£ e L*. Außerdem gilt: L*CL*. Der zweite Ansatz überschätzt das Maß an Exaktheit nicht, das das Kollisionsmodell KM für die Operationalisierung des Kollisionsproblems als Basis jeder operationalen Lösung zu leisten vermag, sondern hält sich in diesem Rahmen. Die Konzipierung von L * als 5- bis 7-elementig erscheint weder übernoch unterdifferenziert. Hintereinandergeschaltet übertreffen Kollisionsmodell KM und das AM Lm als Lösungsmodell die konventionellen Methoden zur Kollisionslösung an differenzierendem Auflösungsvermögen bzgl. Lösungsmenge, Argument-Klasse, usw. bei weitem. Es kommt hinzu, daß der zweite Ansatz sehr opefational ist. Aus diesen Gründen wird der zweite Ansatz hier weiterverfolgt. Um die Koordinaten (I x > # ; I y > von K£ zu errechnen, geht man zweckmäßigerweise wie folgt vor: Hat der Rechtsanwender AM Lm abgearbeitet und so über die Auswahl von K£ entschieden, so läßt sich sofort das Verhältnis angeben, in welchem K£ die Strecke K * K£ teilt. Setzt man l 1 = K * , . . . , l* = K£, . . . , l m = Kf 4 2 , so errechnet sich dieses Teilungsverhältnis als s*-l m- 1 I X t * errechnet sich dann nach folgender — auf dem Strahlensatz — beruhender Formel: F125:
1}
= m— 1
Vereinfacht : F126: 4 ·
=
Dabei ist I x * die I x F
1 2 7 :
F 128:
dTf I x*
=
+ fr*-1)4,.* m—1 -Koordinate von K * 9 I x * die von K * , also: max
^KoiiJx,w
G)
min(I x, Max,I XfS B)
I y # errechnet sich dann am einfachsten durch Einsetzen des I x Wertes in die Geradengleichung von f Kol l im Intervall {I Xt k \ I XtKol l < Ι χ Λ < 4 > Μ α χ } . Diese Geradengleichung lautet (mit I Xt Max, I yt Max = 10) : ü 19Q. Τ · V
— ht Koll ~ ^ Γ x in_/ ι υ *x, Koll Für Iy # ergibt sich : F HO- Τ - IhKollZL^T ι υ υ . Iy >3|t 10 — Â / x,Koll
» IM ~ h, Kol 10 — T *x,Koll
Koll
» 1 Q Q -ly.KollIx.Koll 10 — Τ 1U x, Koll
42 Da die l s Wertaussagen, die ΚΚ* usw. jedoch Punkte sind, ist sowohl das Äquivalenzzeichen „ f und e i n k diagnostiziert und gelöst werden. Die Regel „Konkurrenzen vor Kollisionen" beseitigt das Problem einer Verallgemeinerung des Kollisionsmodells KM allerdings nur dann, wenn nach dem Ausscheiden aller aus Konkurrenzgründen konkret unanwendbaren Entscheidungsnormen lediglich zwei Entscheidungsnormen als potentielle Kandidaten einer Kollisionsituation übrig bleiben (3. Variante). Die 3. Variante kann ohne weiteres mit Hilfe des nichtverallgemeinerten KM und des AM Lm diagnostiziert und gelöst werden. Problematisch ist jedoch die Gesamtsituation, in welcher auch nach Anwendung der Regel „Konkurrenzen vor Kollisionen" mehrere 2-stellige Kollisionssituationen möglich bleiben (4. Variante). Man könnte hier daran denken, die 2-stellige Kollisionsrelation Koll — analog zur Konkurrenzsituation — zu einer «-stelligen Kollisionsrelation zu verallgemeinern. Dies erscheint jedoch nicht sachgerecht. Es wurde bereits erarbeitet (oben 6.1.), daß jeder Kollisionsituation ein sozial-realer interpersoneller Konflikt zugrunde liegt. Bei Kollisionen deckt ein Rechtsfallausschnitt immer nur einen bestimmten interpersonellen Realkonflikt ab (vgl. oben 6.2.1.). Wichtig ist die Einsicht, daß dies auch gilt, wenn η ( n > 2) 2-stellige Kollisionssituationen im selben Rechtsfallausschnitt
300
6. Teil : Verallgemeinerung
diagnostizierbar sind. Diesen η Kollisionssituationen liegt also derselbe interpersonelle Realkonflikt zugrunde. Die Mehrheit der Kollisionssituationen entsteht nur dadurch, daß derselbe Realkonflikt unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten, genauer: Entscheidungsnormen beleuchtet werden kann. Die Identität des kollisionskonstituierenden Realkonflikts verbietet es, trotz der Mehrheit kollidierender Entscheidungsnormen, eine «-stellige Kollisionsrelation und Kollisionssituation einzuführen. In der Konkurrenzsituation ist die Lage gerade umgekehrt. Hier entspricht einer Mehrheit 2-stelliger Konkurrenzsituationen unter genau einer Voraussetzung auch eine Mehrheit von ZielKonflikten, nämlich unter der Voraussetzung unechter Konkurrenz der Ent1 scheidungsnormen. Dies gebietet dann im Kontext mit dem Theorem, daß VerdrAP Teilrelation von Konk ist (vgl. F 41 b), folgerichtig gerade das Einführen einer «-stelligen Konkurrenzrelation wie Konkurrenzsituation. Wegen der Identität des kollisionskonstituierenden Realkonflikts können in der 4. Variante der Gesamtsituation die « 3 Kollisionssituationen nur einheitlich operationalisiert und auch gelöst werden. Zur einheitlichen Operationalisierung von «3 Kollisionssituationen im selben Rechtsfallausschnitt ist im ersten Schritt dasjenige Paar kollidierender Entscheidungsnormen zu ermitteln, worin die eine Entscheidungsnorm relativ zu den nach den Konkurrenzlösungen noch übrig gebliebenen, mit ihr echt konkurrierenden ηγ — ρ Entscheidungsnormen (vgl. 1. Variante) bzw. die eine Entscheidungsnorm relativ zu den mit ihr echt konkurrierenden ηγ — ρ Entscheidungsnormen und die andere Entscheidungsnorm relativ zu den mit ihr echt konkurrierenden n2 — q Entscheidungsnormen (vgl. 2. Variante) die maximalen Rechtsfolgenumfänge aufweisen (sog. maximale Entscheidungsnormen). Im zweiten Schritt sind anhand der maximalen Entscheidungsnormen im Kollisionsmodell KM der Verlauf von f Kol l und die Schutzbereichsgrenzen I tSB zu fixieren. Im dritten Schritt ist zu prüfen, ob die anderen, nichtmaximalen echt konkurrierenden Entscheidungsnormen wegen ihrer RestAnwendbarkeit unter den Gesichtspunkten Wesensgehaltsgarantie und Übermaßverbot iwS ebenfalls in das Kollisionsmodell eingestellt werden müssen. Dies zeigt, daß mit Hilfe des Kollisionsmodells KM auch mehrere Kollisionssituationen einheitlich operationalisiert werden können. Dieser Ansatz zu Verallgemeinerung des Kollisionsmodells KM ist logisch nahtlos konsistent mit dem oben unter 4.2.1.1.2. erarbeiteten " Ansatz der Präferenz des Umfangsmaximums zur Lösung echter Konkurrenzen. Nach der einheitlichen Operationalisierung der « 3 Kollisionssituationen ist die Lösung mit Hilfe des Argumentationsmodells AM Lm ohne zusätzliche Komplikationen zu gewinnen. Wenn im selben Rechtsfallausschnitt η Kollisionssituationen auftreten, gilt also die heuristische Regel : „n denselben interpersonellen Realkonflikt thematisierende Kollisionssituationen sind einheitlich zu operationalisieren und zu lösen".
Kapitel 10. Verallgemeinerbarkeit der Programme und Modelle
301
10.2.2. Aufgabe der Reduktion des Problemfeldes auf Verfassungsnormen, die in der Rechtsfolge ein subjektiv-öffentliches Recht gewähren
Das Konkurrenzlösungsprogramm KLP ist so konstruiert, daß es auch Konkurrenzen zwischen Entscheidungsnormen lösen kann, die nicht aus Verfassungsnormsätzen konkretisiert wurden und die keine subjektiv-öffentlichen Rechte in ihren Rechtsfolgen gewähren. Einzige Voraussetzung — zwecks Abgrenzung zur Regel: „lex superior derogat legi inferiori" — bleibt insoweit, daß beide Entscheidungsnormen derselben externen Rangstufe (vgl. Def. 70) angehören. Abgesehen von der Programmlogik ergibt sich diese Ausweitbarkeit des Definitionsbereichs von KLP aus folgendem materiellen Hintergrund: Der eine Konkurrenzsituation konstituierende materiale Konflikt, der eigentlich sogar auf den Bereich unechter Konkurrenz beschränkt ist, ist der Ziel-Konflikt zwischen Entscheidungsnormen. Die Existenz solcher Ziel-Konflikte ist weder auf die externe Rangstufe „Verfassung" beschränkt noch davon abhängig, daß die zielkonfligierenden Entscheidungsnormen subjektiv-öffentliche Rechte gewähren. Das Kollisionsmodell KM kann nicht in gleichem Maße für beliebige Entscheidungsnormen identischer externer Rangstufenzugehörigkeit verallgemeinert werden. Allerdings ist auch das KM so konstruiert, daß auf Verfassungszugehörigkeit und subjektiv-öffentliches Recht in der Rechtsfolge verzichtet werden kann. Aus dem gleichen Grunde wie bei KLP kann aber auf die Identität der externen Rangstufenzugehörigkeit nicht verzichtet werden. Eine gegenüber KLP zusätzliche Einschränkung ergibt sich jedoch daraus, daß die Kollisionssituation einen interpersonellen Realkonflikt thematisiert. Die Ausübungsmodalitäten kollidierender Entscheidungsnormen konfligieren auf der rein tatsächlichen Ebene. Von daher sind nur solche Entscheidungsnormen kollisionsfahig, die im sozialen Kontext real „ausgeübt" werden können, d. h. die durch Personen, die nicht professionelle Rechtsanwender sind, gegenüber anderen Personen aktualisierbar sind (vgl. oben 6.1.). Für die Aktualisierbarkeit spielt es dabei keine Rolle, ob die aktualisierenden Personen Privatpersonen oder Hoheitsträger sind. Kollisionsfahigkeit bedeutet also reale Ausübbarkeit. Die real ausübbaren Entscheidungsnormen stellen auf jeder externen Rangstufe aber nur eine Teilklasse, wenn auch eine sehr mächtige, dar. M i t der Eigenschaft „subjektives Recht" ist die reale Ausübbarkeit keineswegs identisch. Die Ausübbarkeit ist vielmehr der weitere Begriff. So sind beispielsweise Kompetenznormen durchaus real ausübbar, obwohl sie keine subjektiven Rechte gewähren. Sinnvollerweise ist auch klarzustellen, daß reale Ausübbarkeit auch weiter als der Handlungsbegriff ist, wie er z. B. in der Interpretation des Art. 2 I GG durch das BVerfG verwandt wird. So sind nicht nur Handlungs-Freiheitsrechte (z.B. Art. 4 II, 5 I 1, 8 I GG), sondern auch Nichthandlungs-Freiheitsrechte (z.B. Art. 2 I I 1, 13 I, 14 I GG) real ausübbar, etwa durch das Innehaben einer Wohnung oder eines subjektiv-privaten Vermögensrechtes.
Siebter T e i l
Zusammenfassung IL Kapitel
Zusammenfassung der Ziele, Ansätze und Ergebnisse der Arbeit Wegen der Eigenart der Arbeit ist die folgende Zusammenfassung weitmehr als abstract der Kap. 1-10 denn als komprimiertes Ergebnisreferat konzipiert. Die Zusammenfassung will dem Leser Entscheidungshilfe in der Frage leisten, ob es sinnvoll erscheint, den Aufwand einer Lektüre auf sich zu nehmen. Eine Lektüre der Kap. 1-10 kann die Zusammenfassung nicht ersetzen. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen. Erstens : Die Ergebnisse der Arbeit sind ziemlich komplex. Um die Ergebnisse trotz ihrer Komplexität sowohl anschaulich als auch explizit, transparent, genau und vollständig darstellen zu können, mußte der weitaus überwiegende Teil der Ergebnisse symbolisch formuliert werden, sei es mittels symbolischer Satzformeln, sei es mittels symbolischer Programme und Modelle. Bei der Symbolisierung wurde nicht verkannt, daß die Rechtswissenschaft die Fruchtbarkeit symbolischer Darstellungsmethoden noch weitgehend ignoriert und deshalb Juristen üblicher akademischer Sozialisation der Zeitaufwand einer Einarbeitung bislang nicht erspart werden kann. Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen Pseudo-Nachteil symbolischer Darstellungsmethoden. Ihre Vorteile, insbesondere der mit ihnen verbundene Gewinn an intersubjektiver Diskutierbarkeit, werden nach der Einarbeitung schnell evident und wirksam. Deshalb wurde es für vertretbar angesehen, die Kap. 1-10 ohne Rücksicht auf den Einarbeitungsaspekt zu schreiben. Ebensowenig wie Soziologie, Betriebsund Volkswirtschaft es vermochten, wird sich die Rechtswissenschaft letztlich dagegen wehren können, daß symbolische, insbesondere mathematische Methoden zu Erkenntnis- wie Darstellungszwecken immer weiter vorandringen. Trotz Symbolisierung sind die Arbeitsergebnisse immer noch so komplex, daß jede Zusammenfassung notwendig ungenau und unvollständig bleibt. Diese Eigenschaften der Zusammenfassung werden dadurch potenziert, daß in der Zusammenfassung auf jede Symbolik verzichtet wird, um wenigstens diese von der Einarbeitungsproblematik freizuhalten.
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Zweitens: Die entwickelten Theoreme, Programme und Modelle haben mit konventionellen Ansätzen kaum etwas gemein. Isoliert man sie von ihrer Begründung, werden sie zunächst meist nicht sonderlich plausibel erscheinen. Die Frage, ob die Theoreme, Programme und Modelle anzuerkennen sind, sollte deshalb erst nach der Lektüre der Kap. 2 und 4-10 entschieden werden. Drittens : Die überwiegende Anzahl der der Arbeit gestellten Ziele und der in ihr vertretenen Ansätze durchzieht die gesamte Arbeit. Die entscheidende Frage, ob es gelungen ist, die Ziele einzulösen und die Fruchtbarkeit der Ansätze zu erweisen, kann nur aufgrund einer Lektüre der Kap. 1-10 beurteilt werden. 11.1. Arbeitsziele Drei Globalziele sind der Arbeit explizit gestellt. Erstens soll das Problem konkreter Unanwendbarkeit von Normen wegen Relationen zu anderen Normen exemplarisch konkret rationalisiert werden. Dabei deutet die Arbeit dieses Problem primär als Problem der Methodologie der Rechtsanwendung, als rechtsdogmatisches Problem dagegen nur insoweit, als dies zur methodologischen Lösung notwendig ist. Zweitens soll der konkrete Rationalisierungsansatz positiv-verfassungsrechtlich begründet werden. Dieses Ziel soll sicherstellen, daß die rechtsanwendungs-methodologischen Programme und Modelle die Normativität der positiven Rechtsordnung so berücksichtigen, wie es Art. 20 I, I I I GG von jeder rechtsanwendungsorientierten Methodentheorie fordern. Negativ gewendet: es soll vermieden werden, daß Programme und Modelle an der Normativität der Rechtsordnung vorbeispezifiziert werden. Drittens soll der konkrete Rationalisierungsansatz wissenschaftspraktisch operationalisiert werden, um eine Einheit von Theorie und Praxis herzustellen. Dies bedeutet, daß die entwickelten spezifischen Rechtsanwendungsmethoden einschließlich ihrer Anwendungsbereiche, den jeweiligen Problemsituationen, im abgeschwächten Sinne operationalisiert werden müssen. Dies führt zu operationalen Programmen und Modellen. Gleichzeitig wird deutlich, daß im Bereich juristischer Methodologie Operationalisierungen im strengen Sinne von Algorithmisierungen grundsätzlich weder möglich noch zulässig sind. Beispielsweise eine Methode im abgeschwächten Sinne zu operationalisieren, bedeutet, die Methode durch eine endliche, geordnete Menge von für ihre Ausführung hinreichend genau umschriebenen Operationsbefehlen vollständig zu beschreiben. Im Verlaufe der Analyse stellt sich heraus, daß das Operationalisierungsziel vom verfassungsrechtlich abstützbaren Postulat methodologischer Rationalität für Methoden mit umfaßt wird. Drei weitere Globalziele werden nur implizit aufgestellt. So soll viertens die Fruchtbarkeit analytischer Ansätze als generelle Operationalisierungsinstrumente für Probleme wie Lösungen exemplarisch demonstriert werden. An analytischen Ansätzen spezifisch zur Operationalisierung des Konkurrenz- und Kollisionsproblems und seiner Lösung werden Teile der analytischen Wissen-
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7. Teil: Zusammenfassung
schaftstheorie und Sprachphilosophie (z.B. Skalierungs- und Meßtheorie; formale Logik), Teile der theoretischen Entscheidungstheorie (z.B. Ergebnisfunktionen; Nutzenfunktionen; Synthese-Regeln; Spieltheorie), Teile der angewandten Entscheidungstheorie (z.B. die Nutzwert-Analyse) und Teile der Kybernetik (z.B. Modelltheorie; Modellmethode) herangezogen. Fünftens soll die Fruchtbarkeit der Informationsverarbeitungstheorie heuristischer Entscheidungsmodelle und Problemlösungsprozesse demonstriert werden. Sechstens schließlich soll demonstriert werden, wie sich Programme, Modelle, Begriffs· und Prozeßsysteme mit Hilfe von Graphen weit anschaulicher darstellen lassen als mit Hilfe konventioneller, ausschließlich wortsprachlich abgefaßter Beschreibungen. 11.2. Generelle Arbeitsansätze
Die Arbeit will generell analytisch ansetzen. Die Arbeit gebraucht mathematische Begriffe, insbesondere aus der linearen Algebra, Topologie und Algorithmustheorie, logische Begriffe aus der Aussagen-, Klassen- und Relationenlogik, entscheidungstheoretische und kybernetische Begriffe als Instrumente zu Erkenntnis- und Darstellungszwecken. Bereits hierdurch grenzt sich die Arbeit gegenüber hermeneutischen, phänomenologischen und sog. kritisch-dialektischen Ansätzen ab. Allerdings läßt sie sich hierdurch allein nicht mehr gegenüber sozialistisch-analytischen Ansätzen abheben, da Mathematik, Logik, Entscheidungstheorie und Kybernetik neuerdings auch unter sozialistisch-dialektischem Vorzeichen (G. Klaus) betrieben werden. Gegenüber sozialistisch-analytischen Ansätzen läßt sich die Arbeit dadurch abgrenzen, daß sie in ihre spezifischen, analytischen Ansätze keinerlei Gesellschaftstheorie einbringt, gleichgültig, ob dies nur contra legem oder auch praeter legem möglich wäre 1 . Vielmehr versucht die Arbeit gerade umgekehrt, in ihren analytischen Ansätzen die Normativität der positiven Rechtsordnung optimal zu berücksichtigen, also normorientiert-analytisch anzusetzen, um von daher das Maß an Gesetzesund Rechtsbindung des Rechtsanwenders (Art. 20 I I I GG) 2 explizit und transparent zu machen, das die positive Rechtsordnung zusammen mit einer u. a. auf ihr basierten Rechtsanwendungstheorie maximal zu erreichen gestattet. Die Arbeit will generell sprachkritisch wie sprachtheoretisch ansetzen. So werden zahlreiche Begriffe problematisiert, z.B. die Begriffe Konkurrenz, Kollision, Methode, Normsatz, Norm, Entscheidungsnorm, Argument und Lösungsalternative, aber auch der Problembegriff als solcher. Innovative Begriffe werden ebenso wie um- bzw. neudefinierte bekannte Begriffe explizit definiert, und zwar mittels synthetisch-semantischer Nominaldefinitionen. Gleichfalls werden bekannte Begriffe trotz beibehaltenem Gebrauch dann explizit 1 Zum Problem Verfassungsinterpretation und (sozialistische) Gesellschaftstheorie: [271 Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 40-42. 1 Vgl. hierzu aus konventioneller Sicht: BVerfGE 34, 269,286 („Rechtsfortbildung"); [27] Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 15.
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definiert, wenn eine solche Klarstellung sinnvoll erscheint, und zwar mittels analytisch-semantischer Nominaldefinitionen. Die Begriffe Spezialität, Subsidiarität, unechte Konkurrenz, Kollision und (argumentative) Begründetheit werden expliziert. Die Definitionen und Explikationen werden in Listen eingestellt. Im Rahmen ihrer spezifischen Ansätze versucht die Arbeit, die Erkenntnisse der Semiotik zu berücksichtigen. Die Arbeit will methodentheoretisch ansetzen. Die Arbeit definiert den Methodenbegriff, entwickelt einen Begriff methodologischer Rationalität einschließlich eines diesen Begriff erzeugenden Systems von Methodeneigenschaften, stellt ein System der Anerkennungsvoraussetzungen für juristische informationsverarbeitende Methoden auf und versucht, spezifische Rechtsanwendungsmethoden operational zu konstruieren und intersubjektiv diskutierbar darzustellen. Schließlich versucht die Arbeit, informationstheoretisch anzusetzen. Der der Entscheidungsprogrammierung nachfolgende Teil des Rechtsanwendungsprozesses wird als Entscheidungsprozeß gedeutet, der u.a. Argumente als informationelle Inputs verarbeitet, d.h. als argumentativer, informationsverarbeitender Entscheidungsprozeß. Erkenntnisse der Informationsverarbeitungstheorie heuristischer Entscheidungsmodelle und Problemlösungsprozesse werden partiell rezipiert. 11.3. Spezifische Arbeitsansätze und Ergebnisse Die Analyse des Problembegriffs selbst führt zu dem Ergebnis, daß ein Problem ein geordnetes Paar ist. Das erste Glied ist die Menge der Aussagen, die die Problemsituation inhaltlich und konstitutiv-abschließend beschreiben, also die Menge der sog. Problemprämissen. Das zweite Glied ist eine Aussage, die die Problemfrage formuliert. Problemprämissen und Problemfrage zusammen kennzeichnen den Inhalt des Problems. Die Menge der Rechtsfälle, in denen die Problemprämissen erfüllt sind, markieren den Umfang des Problems, das sog. Problemfeld. In einem vorläufigen Ansatz wird die Problemfrage beim Konkurrenz- und Kollisionsproblem gemeinsam dahin gestellt, wie logische Widersprüche zwischen Normen aufgelöst werden können. Es zeigt sich, daß das Problem der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht hochgradig nicht-operational definiert ist. Eine operationale Lösung setzt jedoch eine Operationalisierung des Problems selbst voraus. Das nicht-operationale Konkurrenz- und Kollisionsproblem muß also in einen operationalen Problemzustand transformiert werden. Als Mittel zu dieser Problemtransformation dient die Explikation des problematischen Kollisionsbegriffes sowie der besonders problematischen Teile des Konkurrenzbegriffs, nämlich der Begriffe unechte Konkurrenz, Spezialität und Subsidiarität. In einem ersten Schritt in Richtung auf die erforderlichen vier Begriffsexplikationen wird dem Problemfeld der „Konkurrenzen und Kollisionen im 20 Fohmann
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7. Teil: Zusammenfassung
Verfassungsrecht" durch fünf primäre Reduktionen eine genauere Kontur verliehen. Dies führt im Ergebnis dazu, daß das Problemfeld auf Rechtsfalle reduziert wird, in denen sich Verfassungsnormen logisch widersprechen, die in ihren Rechtsfolgen subjektiv-öffentliche Rechte gewähren. In einem zweiten Schritt zur Begriffsexplikation werden sechs Prämissen formuliert, die für Konkurrenzen und Kollisionen gemeinsam die Problemsituation konstituieren. Die Arbeit versucht, die sechs Problemprämissen vollständig und möglichst handhabbar, also operational zu definieren. Die Liste der sechs Problemprämissen ist nur insofern in einem formalen Sinne innovativ, als sie versucht, die Voraussetzungen der Problemsituation explizit darzustellen. Inhaltlich dagegen repräsentieren die Problemprämissen lediglich die bereits von der konventionellen Dogmatik, wenn auch nur mehr oder weniger konkludent, aufgestellten Anforderungen an das Vorliegen der Problemsituation. Wegen des Inhalts der Problemprämissen und ihrer Begründung muß auf Kap. 2.3. verwiesen werden. Dort erfolgt insbesondere die Abgrenzung gegenüber normenlogischen Ansätzen. Die Untersuchung, ob neben den fünf primären Reduktionen weitere, sekundäre Reduktionen des Problemfeldes erforderlich sind, führt zu dem Ergebnis, daß das gemeinsame Problemfeld der Konkurrenzen und Kollisionen im Verfassungsrecht auf 2-Personenfalle mit genau 2 subjektiv-öffentlichen Rechten zu reduzieren ist. Diese Reduktion auf den 2-Personenfall stellt allerdings lediglich eine deklaratorische Schein-Reduktion dar, da sie logisch zwingend aus der Problemprämisse 6 folgt. Eine weitere Analyse vermittelt die Erkenntnis, daß die konventionelle Zweiteilung des (reduzierten) Problemfeldes in Konkurrenzen einerseits, Kollisionen andererseits eine korrekte Klassifizierung beinhaltet: Liegen in einem 2-Personenfall mit 2 subjektiv-öffentlichen Rechten alle sechs Problemprämissen vor, so handelt es sich stets entweder um einen Konkurrenz- oder um einen Kollisionsfall. Der 2-Personenfall mit parallel gleichgerichteten Rechten ist mit dem Konkurrenzfall, der mit parallel entgegengerichteten Rechten mit dem Kollisionsfall zu identifizieren. Die konventionellen verfassungsdogmatischen Ansätze zur Lösung des Konkurrenzproblems werden unter rechtlich-dogmatischen Aspekten kritisiert. Dies führt zu dem Ergebnis, daß in die rechtsdogmatische Fundierung des intendierten methodenoperationalisierenden Neuansatzes von den konventionellen Ansätzen lediglich das Postulat genauer Tatbestandsabgrenzung zwischen Grundrechten sowie der Ansatz übernommen werden können, daß bei echter Konkurrenz beide konkurrierenden Entscheidungsnormen anwendbar sind, wobei der Entscheidungsnorm mit der umfangsweiteren Rechtsfolge eine Präferenz, der umfangsengeren Entscheidungsnorm eine erhebliche Rest-Anwendbarkeit zukommt. Anhand von systematisch gestaffelten Beispielsfallen für die vier Fallgruppen der Konkurrenz (echte Konkurrenz, Spezialität, Subsidiarität, Schein-Konkurrenz) werden weiterführende rechtsdogmatische Thesen entwickelt. Insbe-
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sondere wird folgende, die konventionelle Konkurrenzdogmatik transzendierende These (sog. 1. rechtsdogmatische Basisthese) formuliert: Die Spezialität ist eine Relatiori zwischen (in der Juristischen Methodik F. Müllers sog.) Entscheidungsnormen; die Entscheidung über Spezialität stellt ein konkretisierungsabhängiges, material-komplexes Argumentationsproblem dar, zu dessen Lösung eine Inklusionsrelation zwischen abstrakten Normsatztatbeständen argumentativ jedenfalls nicht notwendig ist; eine solche Inklusion ist in die Argumentation als Argument mit ausgezeichnetem, im einzelnen noch zu analysierendem Stellenwert sachlich — nicht notwendig auch technisch in ein zur Lösung des Argumentationsproblems konstruiertes Argumentationsmodell — voll einzustellen. Ebenso werden die konventionellen verfassungsdogmatischen Ansätze zur Kollisionslösung unter rechtlich-dogmatischen Aspekten kritisiert. Mittels einer Diskussion des Lebach-Falles wird eine die konventionelle Kollisionsdogmatik transzendierende These (sog. 2. rechtsdogmatische Basisthese) erarbeitet: Die Kollision ist eine Relation zwischen Entscheidungsnormen; die Lösung einer Kollision stellt ein material-komplexes Argumentationsproblem dar. Die konventionellen Lösungsansätze werden auch unter dem Aspekt methodologischer Rationalität kritisiert. Es zeigt sich, daß weder die Konkurrenznoch die Kollisionslösungen das Prädikat methodologischer Rationalität verdienen. Insbesondere die Kollisionslösungen ignorieren die empirischen Restriktionen des menschlichen Wahrnehmungs-, Speicherungs-, Erinnerungsund Denkapparates (sog. kognitive Restriktionen), indem sie die menschliche Kapazität zur Informationsaufnahme und -Verarbeitung im Rahmen der material-komplexen Argumentationsprobleme bei Konkurrenzen und Kollisionen weit überfordern. Die konventionellen Lösungsansätze helfen dem Rechtsanwender nicht, die bei solchen Argumentationsproblemen auftretende Informationsüberladung durch analytische Methodisierung und serielle Abarbeitung des Argumentationsprozesses methodologisch rational zu bearbeiten. Vielmehr begünstigen sie ein Abgleiten in die beiden irrationalen Strategien der Informationsverarbeitung bei Informationsüberladung, nämlich gewisse Informationen „zufallig" oder „konservativ" zu fokussieren. U m die aus der Verschränkung kritisierter und kritisierender Thesen resultierende gewisse Unübersichtlichkeit zu beseitigen, wird die Basis der methodologischen Rationalkritik selbst explizit offengelegt. Zwecks Explizierung wird die Kritikbasis in die drei Komponenten methodologisches Postulat-System, Mittel-System und Geeignetheit des Mittel-Systems zur Erreichung des Postulat-Systems aufgefächert. Hiervon ist besonders wichtig das System methodologischer Postulate, das den Begriff methodologischer Rationalität präzisiert. Als methodologische Rationalität erzeugende Methodeneigenschaften werden so folgende Eigenschaften postuliert. Für die Methodendarstellung: Explizitheit, Transparenz, Genauigkeit bzgl. Befehlsinhalte und -Ordnung sowie Vollständigkeit; diese vier Eigenschaften erzeugen die eine Unter-Eigenschaft me20*
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thodologischer Rationalität, nämlich die intersubjektive Diskutierbarkeit von Methoden. Für die Methodenkonstruktion : Operationalität und Berücksichtigung der kognitiven Restriktionen; diese zwei Eigenschaften erzeugen die andere Unter-Eigenschaft methodologischer Rationalität, nämlich die Ausführbarkeit von Methoden. Das Postulat methodologischer Rationalität wird mit Hilfe des Prinzips der Rechtssicherheit als formellem Rechtsunterprinzip des Rechtsstaatsprinzips im Sinne des G G verfassungsrechtlich begründet. Vor der Operationalisierung von Konkurrenz- und Kollisionssituation ist zu entscheiden, ob Konkurrenz- und Kollisionssituation gemeinsam oder separat operationalisiert und demgemäß einer gemeinschaftlichen oder zwei differierenden Lösungsmethoden zuzuführen sind. Eine materiale Analyse vermittelt die Einsicht, daß eine Kollisionssituation (zwischen Entscheidungsnormen) dadurch entsteht, daß konkrete Rechtsaktualisierungsmodalitäten (sog. Ausübungsmodalitäten) zweier Personen auf der tatsächlichen Ebene in einen Konflikt geraten, welcher sich auf der rechtlichen Ebene als logischer Widerspruch zwischen den Rechtsfolgen der Entscheidungsnormen widerspiegelt. Die Kollisionssituation thematisiert also material interpersonelle Realkonflikte. Demgegenüber besteht in der Konkurrenzsituation im Bereich der echten Konkurrenz überhaupt kein materialer Konflikt. Dagegen liegt im Bereich der unechten Konkurrenz wiederum ein materialer Konflikt vor, und zwar wird dieser Konflikt zweckmäßigerweise als Ziel-Konflikt zwischen den unecht konkurrierenden Entscheidungsnormen gedeutet. Wegen der Verschiedenheit der materialen Konflikte werden Konkurrenz- und Kollisionssituation separat operationalisiert. Die Operationalisierung der Konkurrenzsituation bewirkt eine analytische Präzisierung der Konkurrenzdogmatik. Die Präzisierung führt zu zahlreichen Ergebnissen, die von der konventionellen Konkurrenzdogmatik stark abweichen bzw. über sie hinaus gehen. Deshalb erscheint es sinnvoll, die analytisch präzisierte Konkurrenzdogmatik als analytische Konkurrenzdogmatik zu bezeichnen und sie so auch terminologisch der konventionellen Konkurrenzdogmatik entgegenzusetzen. Zur Formulierung einer analytischen Konkurrenzdogmatik werden zum einen sechs Teilaspekte der Konkurrenzsituation analysiert, und zwar werden die Entscheidungsrelevanz und die Konkretisierungsabhängigkeit der Konkurrenzrelation behandelt, die Begriffe Spezialität und Subsidiarität expliziert, der Stellenwert einer Inklusionsrelation zwischen den abstrakten Normsatztatbeständen und deren Anwendungsfelder untersucht, die Begriffe syntaktische und semantische Spezialität bzw. Subsidiarität behandelt und eine Logik der Konkurrenzrelation einschließlich ihrer Teilrelationen aufzustellen versucht. Als wichtiges Analyseinstrument wird in den meisten dieser sechs Untersuchungen ein zu diesem Zweck konstruiertes Normsatz-Modell verwandt, das sog. multidimensionale Variablen-Modell des Normsatzes. Methodisch gesehen handelt es sich um einen Anwendungsfall der kybernetischen Modell-
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methode insofern, als überhaupt Modelle zu Analysezwecken herangezogen werden. Zum anderen werden die zwei Zentralbegriffe des Konkurrenzproblems, der Ziel-Konflikt zwischen Entscheidungsnormen und die PräferenzEntscheidung zwischen zielkonfligierenden Entscheidungsnormen analysiert. Durch die Operationalisierung beider Begriffe wird der Begriff der unechten Konkurrenz expliziert. Im Rahmen der Analyse des Begriffes Ziel-Konflikt wird eine Theorie über Ziel-Systeme von Normsätzen wie Entscheidungsnormen entworfen. Von den zahlreichen Ergebnissen der analytischen Konkurrenzdogmatik seien exemplarisch die folgenden vorgestellt: — das allgemeine Spezialitätstheorem: Die Spezialitätsrelation zwischen zwei Entscheidungsnormen liegt genau dann vor, wenn zwischen ihnen eine verdrängende Anwendungspräferenz besteht und das Negativ-Anwendungsfeld des der präferierten Entscheidungsnorm zugeordneten Normsatzes nicht-leer ist. — Der Begriff „Negativ-Anwendungsfeld" ist ein innovativer Begriff, der letztlich auf einer spezifizierenden Modifikation des multidimensionalen Variablen-Modelles beruht. Er ist unter der Def. 169 definiert. Er kann hier nicht erläutert werden, da er eine Reihe weiterer erläuterungsbedürftiger innovativer Begriffe voraussetzt, die in den Def. 165-168 und 170 definiert sind. — das allgemeine Subsidiaritätstheorem : Die Subsidiaritätsrelation zwischen zwei Entscheidungsnormen liegt genau dann vor, wenn zwischen ihnen eine verdrängende Anwendungspräferenz besteht und das Negativ-Anwendungsfeld des der präferierten Entscheidungsnorm zugeordneten Normsatzes leer ist. — das Theorem der Inklusionsspezialität : Wenn zwischen zwei Entscheidungsnormen die Konkurrenzrelation besteht, das Anwendungsfeld des zur einen Entscheidungsnorm zugehörigen Normsatzes echte Teilklasse des Anwendungsfeldes des zur anderen Entscheidungsnorm zugehörigen Normsatzes ist und der Normsatz mit dem engeren Anwendungsfeld ein nicht-leeres Negativ-Anwendungsfeld aufweist, dann ist die eine Entscheidungsnorm stets speziell gegenüber der anderen. — das Theorem der Inklusionssubsidiarität : Wenn zwischen zwei Entscheidungsnormen die Konkurrenzrelation besteht, das Anwendungsfeld des zur einen Entscheidungsnorm zugehörigen Normsatzes echte Teilklasse des Anwendungsfeldes des zur anderen Entscheidungsnorm zugehörigen Normsatzes ist und der Normsatz mit dem engeren Anwendungsfeld ein leeres Negativ-Anwendungsfeld aufweist, dann ist die andere Entscheidungsnorm stets subsidiär gegenüber der einen. Die analytische Konkurrenzdogmatik formuliert die grundlegende Einsicht, daß eine (formale) Inklusionsrelation zwischen den abstrakten Normsatztatbeständen bzw. deren Anwendungsfelder — notwendige wie hinreichende Spezialitätsbedingung gemäß der konventionellen Konkurrenzdognatik — nur
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hinreicht, um eine unechte Konkurrenz zu begründen, aber keinesfalls hinreicht, um zwischen Spezialität und Subsidiarität zu entscheiden. Die zweite grundlegende Einsicht besteht darin, daß eine solche Inklusionsrelation auch für die unechte Konkurrenz als solche nur eine hinreichende, nicht aber eine notwendige Bedingung darstellt. Denn eine unechte Konkurrenz kann ebensogut material durch Bejahung eines Ziel-Konflikts zwischen Entscheidungsnormen und Entscheidung über das Setzen einer verdrängenden Anwendungspräferenz zwischen diesen Entscheidungsnormen (sog. Präferenz-Entscheidung) mittels eines informationsverarbeitenden, argumentativen Entscheidungsprozesses begründet werden. Die Operationalisierung der Kollisionssituation führt — ähnlich wie bei den Konkurrenzen — zu einer selbständigen analytischen Kollisionsdogmatik. Die Operationalisierung erfolgt durch Konstruktion eines symbolisierten Modelles der Kollisionssituation (sog. Kollisionsmodell KM). Das KM, insbesondere die mit ihm verbundenen Metrisierungs- und Messungsprobleme, sind bei weitem zu komplex, um hier erläutert werden zu können. Zur Lösung der Messungsprobleme wird das Meßmodell MM konstruiert. Ein Grundgedanke des KM besteht darin, die Ausübungsintensitäten der Ausübungsmodalitäten der kollidierenden Entscheidungsnormen zu skalieren und zu messen. Das KM expliziert den Kollisionsbegriff. Die Erkenntnisse der analytischen Konkurrenz- und Kollisionsdogmatik zwingen dazu, die Problemschwerpunkte gegenüber der ursprünglichen Definition von Problemsituation und -frage bei Konkurrenzen und Kollisionen grundlegend zu verlagern. Danach erfordert eine Lösung des Konkurrenzproblems nunmehr die Konstruktion eines methodologisch-rationalen, spezifischen Lösungsprogrammes und eines methodologisch-rationalen Argumentationsmodells für die argumentativen Entscheidungsprozesse der Festlegung der Entscheidungsnormziele und der Präferenz-Entscheidung im Rahmen des Konkurrenzlösungsprogrammes. Eine Lösung des Kollisionsproblems erfordert die Konstruktion von Programmen zur Unterstützung von KM und MM sowie die Konstruktion eines Argumentationsmodelles zur Auswahl des sog. Kollisionslösungspunktes. Zu diesem Zweck werden konstruiert : — das Konkurrenzlösungsprogramm KLP. KLP macht u.a. transparent, daß ein formaler und ein materialer Weg existiert, um eine verdrängende Anwendungspräferenz zu begründen. — das Programm KM zur Unterstützung des Kollisionsmodells KM — das Programm MM zur Unterstützung des Meßmodells MM — das Argumentationsmodell AM Lm über einer endlichen, m-elementigen Menge L von Lösungsalternativen. Die entwickelten operationalen Programme und Modelle werden auch getestet, und zwar anhand der Konkurrenzproblematik der Art. 5 I I I 1, 5 11 G G
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im Mephisto-Fall und der Kollisionsproblematik der Art. 5 I 2, 1 I 1/2 I GG im Lebach-Fall. Dem Test wird ein Ansatz für eine Theorie der Anerkennungsvoraussetzungen für juristische Programme und programmunterstützte Modelle vorgeschaltet, um dem Leser der Tests die für eine Beurteilung von Programmen bzw. programmunterstützten Modellen adäquaten Beurteilungskriterien an die Hand zu geben. Das Argumentationsmodell ÄM Lm wird zu einer allgemeinjuristischen, analytischen und rechtsorientierten Argumentationstheorie verallgemeinert. Der Anwendungsbereich von AM Lm ist etwas weiter als der des Verfahrens der Normkonkretisierung. Denn die Normkonkretisierung kann als Verfahren zur argumentativen Begründung der Konstantenwahl im Konkretisierungsspielraum einer Rechtsvariablen gedeutet werden. Außerdem wird der Anwendungsbereich von KLP, KM und MM durch die Aufgabe einiger der primären Problemfeldreduktionen erheblich erweitert. Abschließend werde noch eine zentrale Erkenntnis der Arbeit formuliert: Juristische Methoden, Modelle und Begriffe können nicht verabsolutiert, nicht „verdinglicht" werden. Dies läßt sich beispielsweise am Normbegriff demonstrieren. Bei der Entwicklung der analytischen Konkurrenzdogmatik zeigte sich, daß es einen allgemein „richtigen" Normbegriff gar nicht gibt, sondern daß es sinnvoller ist, je nach konkreter Problemsituation verschiedene Normsatz-Modelle wechselnder Fruchtbarkeit einzusetzen. Die Lage der Rechtswissenschaft erscheint insofern der von Physik, Volks- und Betriebswirtschaft durchaus ähnlich, wo ebenfalls Modelle wechselnder pragmatischer Relevanz verwandt werden.
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Liste der Definitionen und Explikationen 1. Definitionen Lfd. Nr.
Definiendum
Seite
1
Theorie
2
System
3
Satz ; semantische Satzkategorien : Aussagesatz, Wertaussagesatz, Normsatz Methodik Theorie der Rechtsanwendung Methodologie Allgemeine Wissenschaftstheorie Spezielle Wissenschaftstheorien Rechtstheorie Dogmatik juristische Methodologie juristische rechtsanwendungsorientierte Methodologie Graph Normsatz (semantische) Mehrdeutigkeit eines Ausdrucks (semantische) Vagheit eines Ausdrucks Bedeutung (Intension) Bezeichnung (Extension) Modell iSv Interpretationsmodell W-Konsistenz Quasi-W-Konsistenz Ableitung Sprache ieS symbolisierte Sprache formalisierte Sprache Syntax Anerkennung Begründetheit ieS Begründetheit iwS juristische Normativität geordnete Menge Operation Operation im mathematischen Sinn
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
:
3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 6 6 7 7 7 7 8 9 9 9 9 9 9 9 10 10 10 12 12 13 13
318 Lfd. Nr.
Liste der Definitionen und Explikationen Definiendum
Seite
34 35
Funktion im mathematischen Sinn (Operation) Operation im kybernetisch-methodologischen Sinn
13 13
36
Operationsbefehl
13
37
Operationalität einer Methode iSv ausführungshinreichender Genauigkeit und Vollständigkeit Problem Problem-Prämissen Problem-Situation Problem-Frage Problem-Intension offene Menge im topologischen Sinn topologischer Raum Problem-Extension bzw. Problem-Feld offene Menge iSv Extensionsvagheit
13 15 15 15 15 15 15 15 15 15
38 39 39 a 40 41 42 43 44 45 46 47 47 a 48 49 50 51
53 54
Konstante Variable (syntaktischer) Einsetzbarkeitsbereich einer Variablen (semantischer) Wertebereich bzw. Ausprägungsbereich einer Variablen nicht-operational definiertes Problem operational definiertes Problem maximale Operationalität (maximale Genauigkeit und Vollständigkeit) — Operationalität im strengen Sinn — ausführungshinreichende Operationalität (ausführungshinreichende Genauigkeit und Vollständigkeit) — Operationalität im abgeschwächten Sinn — Problemtransformation Explikation
17 18 19
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70
Kalkül Logik-Kalkül deontischer Logik-Kalkül Funktion im kybernetischen Sinn Norm (Normsatz-Intension) Normbereich Anwendungsfeld Normkonkretisierung Entscheidungsnorm Norm (potentiell-unendliche Entscheidungsnormmenge).. subsumierbarer Rechtsfall Anwendungsfeld starke partielle Ordnung bzw. starke Halbordnung partielle Äquivalenzrelation vollständige Quasi-Ordnung externes Rangsystem
21 21 21 23 24 24 24 25 25 25 25 25 26 26 26 26
52
16 16 16 17 17 17 17
Liste der Definitionen und Explikationen Lfd. Nr.
Definiendum
Seite
71
Analyse-Analogie-Prinzip
29
72 73 74
Überschneidungsfeld Anwendung eines Normsatzes Algorithmus
30 32 33
75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 98 a 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111
exakte heuristische Problemlösungsmethode normlogisch-sprachlicher Widerspruch qualitative Rechtsfolgenkomponente quantitative Rechtsfolgenkomponente Ergänzungstatbestand Ausschlußtatbestand gleichlaufender Tatbestand Umfangsdivergenz r Rechtsfolgen-Divergenzbereich Rechtsfolgen-Deckungsbereich iwS logischer Widerspruch deontischer Widerspruch . . ieS logischer Widerspruch aktualer Widerspruch potentieller Widerspruch Wertaussagesatz Disjunktivität Mengensystem Klassifizierung Attribut Struktur eines Systems Strukturbegriff als solcher Matrix Funktion im mathematischen Sinn (Abbildung) Vektor-Modell des subjektiven Rechts parallel gleichgerichtete Rechte parallel entgegengerichtete Rechte in Serie geschaltete Rechte konvergierende Rechte divergierende Rechte Methode Mikro-Logik Makro-Logik Funktion im umgangssprachlichen Sinn Oberbegriff Spezialität Subsidiarität Logik einer Methode
N
33 38 38 38 40 40 40 41 41 41 42 42 42 43 43 43 43 50 50 50 51 51 52 52 54 55 55 55 55 55 60 60 60 63 63 63 63 67
320 Lfd. Nr.
Liste der Definitionen und Explikationen Definiendum
Seite
112 113 113a 114
exakte Methode verdrängende Rangordnung anwendungsregelnde Rangordnung Schutzbereich
68 76 76 78
115 116
positive Schutzfunktion negative Schutzausschließungsfunktion
78 78
117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132
Tatbestandsinklusion Quasi-Entscheidungsnorm Klassenrelation Spezialität iSd konventionellen, rein logisch-abstrakten Konzeption interferierende Klassen ! 1. rechtsdogmatische Basisthese heuristische Methode Wahrscheinlichkeit normierte Ereignisalgebra Boolescher Verband 2. rechtsdogmatische Basisthese Programm Informationsverarbeitung iwS (IV iwS) IV-Operation iwS Informationsverarbeitung ieS (IV ieS) Informationsretrieval
82 83 83 83 86 88 92 92 92 92 97 106 107 107 107 107
133 134 135 136 137 138 139 140
Informationsgewinnung Informationsauswertung nicht-symmetrische Relation methodologische Rationalität cartesisches Mengenprodukt engerer semantischer Informationsbegriff (Satz-Intension) faktisch, wertende, präskriptive Information Satz-Anerkennung (Aussagesatz-Wahrheit, Wertaussagesatz-Begründetheit ieS, Normsatz-Geltung) anwendungsregelnde Präferenz (Anwendungspräferenz) verdrängende Anwendungspräferenz aktives Element Kopplung informationelle Kopplung Analogie-Modell allgemeines heuristisches Prinzip Analyse-Synthese-Prinzip Vektor-Modell der Entscheidungsnorm multidimensionales Variablen-Modell des Normsatzes Entscheidungsnormsatz
107 107 109 112 114 115 115
141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151
115 127 127 127 127 127 131 132 133 134 136 137
Liste der Definitionen und Explikationen Lfd. Nr.
Definiendum
152 153 154
Extension des Entscheidungsnormsatzes (entscheidbarer Rechtsfall) Extension AF des Normsatzes (Anwendungsfeld) Extension RF des Entscheidungsnormsatzes (Rechtsfall)
155
Extension AK des Normsatzes und Entscheidungsnormsatzes (geltend — nicht geltend) Klasseneinteilung Rest-Überschneidungsfeld Kollisionsfeld Konkurrenzfeld Feld echter Konkurrenz Spezialitätsfeld Subsidiaritätsfeld entscheidungsirrelevantes Konkurrenzfeld entscheidungsrelevantes Konkurrenzfeld Positiv-Rechtsfolge Negativ-Rechtsfolge Neutral-Gruppe Positiv-Negativ-Gruppe Negativ-Anwendungsfeld Positiv-Anwendungsfeld allgemeines Spezialitätstheorem der analytischen Konkurrenzdogmatik allgemeines Subsidiaritätstheorem der analytischen Konkurrenzdogmatik Theorem der Inklusionsspezialität der analytischen Konkurrenzdogmatik Theorem der Inklusionssubsidiarität der analytischen Konkurrenzdogmatik syntaktische Inklusion semantische Inklusion Interpretation syntaktische Spezialität syntaktische Subsidiarität semantische Spezialität semantische Subsidiarität Kompatibilitätsbereich Mittel-Zweck-Analyse Ziel-Konflikt zwischen Entscheidungsnormen Lösungsmenge Inkompatibilitätsbedingung bei offener Lösungsmenge Inkompatibilitätsbedingung bei geschlossener Lösungsmenge Skala ieS Skalierung Messung Metrik
156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171A 171Β 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 a 185 b 186 187 188 189
Seite 137 137 137 137 139 140 140 140 141 141 141 141 141 144 144 144 144 147 147 147 148 151 153 154 155 155 161 161 161 161 178 180 184 185 185 186 192 193 193 194
322
Liste der Definitionen und Explikationen
Lfd. Nr.
Definiendum
Seite
190
Metrisierung
194
191 192 193 193 a 194 195 196
Wertung Kollisionsbereich Ausübungsbereich ausübungsvariable Quasi-Entscheidungsnorm Kollisionsfunktion f K o l l Lösungsmenge L * Ausübungsmodalitätenraum
195 205 206 206 206 209 209
197 198 199 200 201 202
numerischer Intensitätswertraum empirischer Ausübungsintensitätenraum Ergebnisfunktion f ( E ) . n-dimensionale Gesamtintensitätswertfunktion f ( A I ) 1-dimensionale Einzel-Intensitätswertfunktion f ( A i ) . j Ertragsmatrix
211 212 219 219 220 221
203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225
Intensitätswertmatrix Synthese-Funktion Synthese-Regel Schutzfunktion f S c h u t 2 Verletzungsfunktion f ( V I ) Argument Elementar-Argument konjunktiv-elementare Informationseinheit semantische Argumentkategorie Auswahlmengen-Prinzip Ergiebigkeitsfunktion eg Anerkennungsfunktion ae Ranggewichtsfunktion rg Argumentationswert aw Einzel-Begründungswert b Gesamtbegründetheitswert Β eg-Verteilung b-Verteilung B-Verteilung Präferenz-Ordnung ieS Präferenz-Ordnung iwS IV-Theorie der Rechtsanwendung iwS IV-Theorie der Rechtsanwendung ieS
221 223 225 231 233 247 248 248 249 252 252 253 254 256 257 257 257 258 258 265 265 293 293
Liste der Definitionen und Explikationen 2. Explikationen Lfd. Nr.
Explikandum
Seite
1 2
Spezialität Subsidiarität
147 148
3 4 5
unechte Konkurrenz Kollision argumentative Begründetheit iwS
190 219 295
Liste der Abbildungen Lfd. Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Inhalt
Seite
Begriffsbaum zum Verhältnis der Begriffe Wissenschaftstheorie und Rechtswissenschaft 5 Deontologisches Quadrat 42
14
Konfigurationen des 2-Personenfalls 54 Grundkonfigurationen des 3-Personenfalls 56 k n m -Konfigurationsmatrix 56 Konventionelle Konkurrenzdogmatik 66 Makro-Logik der konventionellen Konkurrenzdogmatik 67 Anerkennungsvoraussetzungen für dogmatische Theorien 69 Konventionelle Kollisionsdogmatik 90 Begriffsystem der Informationsverarbeitung iwS 107 Methodologisches Postulat-System 113 Analogie-Modell 132 Modell der Konkurrenzsituation auf der Basis des Vektor-Modells der Entscheidungsnorm 135 Mengeneinteilung 139
15 16 17 18 19
Verfeinerte Mengeneinteilung Anwendungsfeld-Profile Relationen zwischen Trans, Intr und TeilTrans Zielkompatibilität bei Zielkonkurrenz Zielhierarchien zu Art. 5 I 2 (2) GG
146 158 164 178 182
Liste der Abbildungen
325 Seite
Lfd. Nr.
Inhalt
20 21
186 Inkompatible, konkurrierende Ziele mit offener Lösungsmenge L 186 Inkompatible, komplementäre Ziele mit offener Lösungsmenge L Inkompatible, konkurrierende Ziele mit geschlossener Lösungsmenge L 187
22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Inkompatible, komplementäre Ziele mit geschlossener Lösungsmenge L 187 Skalenarten 196/197 210 Kollisionsmodell K M 220 Meßmodell M M 230 Operationalisierung der Kollisionssituation im Lebach-Fall 234 fschutz und f ( V I ) 245 Programmablaufplan von KLP 246 Programmablaufplan von UP 07/KLP Klasseneinteilung über der Argumentklasse A '. 254 eg-Verteilung über endlicher Lösungsmenge L b-Verteilung über endlicher Lösungsmenge L Programmablaufplan des A M L m Input-Output-Diagramm des A M L 2
257 257 260 261
Programmablaufplan des Kollisionsmodells K M 268-- 2 7 0 Programmablaufplan des Meßmodells M M 271 272 eg-Verteilung über abzählbar-unendlicher Lösungsmenge L * System der Anerkennungsvoraussetzungen für juristische Programme . . 276 I/O-Modell des Entscheidungsprozesses der Rechtsanwendung iwS . . . . 294