Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten: Verfassungsfragen des Wettbewerbs im Pressewesen [1 ed.] 9783428469048, 9783428069040


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Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten: Verfassungsfragen des Wettbewerbs im Pressewesen [1 ed.]
 9783428469048, 9783428069040

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BODO KLEIN

Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 14

Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten Verfassungsfragen des Wettbewerbs im Pressewesen

Von

Dr. Bodo Klein

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Klein, Bodo:

Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten: Verfassungsfragen des Wettbewerbs im Pressewesen I von Bodo Klein. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zu Kommunikationsfragen; Bd. 14) Zug!.: Bayreuth, Univ., Diss., 1989/90 ISBN 3-428-06904-8 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-06904-8

Vorwort Die Arbeit wurde von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth im Wintersemester 1989/90 als Dissertation angenommen. Wesentliche Änderungen sind nach Abschluß des Manuskripts im November 1989 nicht mehr erfolgt. Meinem Doktorvater, Senator Prof. Dr. Walter Schmitt Glaeser, möchte ich auch an dieser Stelle für seine ständige Gesprächsbereitschaft, vielfältige Anregungen und konstruktive Kritik besonders herzlich danken. Ohne sein Engagement und seine Rücksichtnahme wäre die Dissertation in der vorliegtnden Form nicht zustande gekommen. Mein besonderer Dank gilt weiterhin Prof. Dr. Wilfried Berg, der die Mühe des Zweitgutachtens auf sich genommen hat. Schließlich danke ich Frau Marlen Eckenherger und Herrn Rechtsreferendar Helmut Mayer-Metzner für die selbstlose, überaus sorgfältige Erstellung der Reinschrift. Gewidmet ist diese Abhandlung meinen Eltern und meiner Frau. Bayreuth, im März 1990 Bodo Klein

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

15

Einleitung und Problemstellung

19

I.

Kommunikation und Wettt-erb.......................................

19

II.

Unklarheiten und Widersprüche in der Rec:htsprechung des BVerfG • • • • • • • • • •

20

111.

Gegenstand der Untersuchung • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

26

1. Teil

Der Wettbewerb - Das Strukturprinzip der pluralistischen Gemeinschaft

28

1. Abschnitt

Die ordnungstheoretischen Grundlagen

28

I.

Die Bedürfnisbefriedigung als Leitmotiv menschlkher Handlungen • • • • • • • • • •

28

II.

Die Organisationsstruktur des Soziallebens • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

30

1.

Die Grundfonnen der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2.

Die Entscheidung für ein bestimmtes Ordnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

2. Abschnitt

Das allgemeine Wettbewerbsmodell

34

I.

Die Gleichheit der Ziele als Gnmdbedingung des Wettt-erbs • • • • • • • • • • • • • •

35

11.

Der Wett'-erb als Verfahren des Leistungsvergleichs mit Auslesec:harakter • • •

36

1.

36

Der Wettbewert> als dynamischer Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

Inhaltsverzeichnis 2. 111.

Die Außensteuerung des Wettbewerbs.......... . ............... . ....

38

Die mit dem Wettbewerbsmoden verknüpften Erwartungen • • • • • • • • • • • • • • • • •

39

3. Abschnitt

Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs I. II.

Die allumfassende Bedeutung des Wettbewerbs • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

41 41

Die Erscheinungsformen des Wettbewerbs • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 42 1.

Die Zweiteilung der Wettbewerbsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

2.

Derwirtschaftliche Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

a)

Die Gleichheit der Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

b)

Der wirtschaftliche Wettbewerb als dynamischer Prozeß . . . . . . . . . . . .

48

c)

Die Außensteuerung des wirtschaftlichen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . .

49

Der geistige Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

a)

Die Gleichheit der Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

b)

Der geistige Wettbewerb als dynamischer Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

c)

Die Außensteuerung des geistigen Wettbewerbs.... . ..............

52

3.

2. Teil

Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen der Konkurrenz im Pressewesen

54

1. Abschnitt

Die faktische Ausgangssituation I. II.

111.

Der Dualismus der Wettbewerbsformen im Pressewesen • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

55 55

Der geistige Wettbewerb • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 56 1.

Das Wettbewerbsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

2.

Der kommunikative Einfluß der Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

Der wirtschaftlic:he Wettbewerb • .. • .. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • .. • • • • .. • • • •

63

1.

65

Der wirtschaftliche Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

IV.

9

2.

Der wirtschaftliche Wettbewerb auf dem Werbemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3.

Die Verknüpfung von Kommunikations- und Werbemarkt . . . . . . . . . . . . . .

69

Das Verhältnis von geistigem und wirtschaftlichem Wettbewerb • • • • • • • • • • • • • • 70 1.

Die Trennung und Gegenüberstellung von Publizistik und Ökonomie . . . . .

70

2.

Der unmittelbare Zusammenhang von Publizistik und Ökonomie . . . . . . . . .

71

2. Abschnitt

Die verfassungsrechtlieben Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit auf der Seite der Kommunikationsträger I.

75

Die Pressefreiheit • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 76 1.

Pressefreiheit, Kommunikationsfreiheit und geistiger Wettbewerb . . . . . . . .

76

2.

Pressefreiheit, Wirtschaftsfreiheit und wirtschaftlicher Wettbewerb . . . . . . .

79

3.

4.

a)

Die Pressefreiheit als ausschließliches Privileg der geistigen Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

b)

Die Pressefreiheit als Medienunternehmerfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

c)

Der abgestufte Garantiegehalt der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

aa) Die Konkretisierung des Schutzbereichs der Pressefreiheit . . . . . .

82

bb) Das Verhältnis der verschiedenen Garantieaussagen . . . . . . . . . . .

89

Verfassungsrechtliche Dimensionen der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

a)

Die Pressefreiheit als subjektives Abwehrrecht gegen den Staat . . . . . .

91

b)

Die Pressefreiheit als Element objektiver Ordnung des Gemeinwesens

92

Pressefreiheit, Bestandsgarantie und Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

II.

Die Meinungsäußerungsfreiheit • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 99

111.

Die anderen Grundrechte • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 104 1.

2.

Die geistigen Freiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a)

Art. 4 Abs. 1, 2 GG- Die Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

b)

Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG- Die Kunstfreiheit . .. . ............... . .. .. 108

c)

Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG- Die Wissenschaftsfreiheit ............. . .... 110

d)

Art. 9 Abs. 3 GG - Die Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Die Wirtschaftsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

10

Inhaltsverzeichnis

3.

117

a)

Art. 2 Abs. 1 GG - Die allgemeine Handlungsfreiheit

b)

Art. 12 Abs. 1 GG - Die Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

c)

Art. 14 Abs. 1 GG- Die Eigentumsgarantie . ..... . ..... . .... . .. .. 121

Das Verhältnis des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu den anderen Grundrechten . . . 122 a)

Das Problem der Grundrechtskonkurrenz . ................ .. . . . .. 123

b)

Die Auswirkungen der Schrankenkonkurrenz am Beispiel der religiösen Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

3.Abschnia

Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat I.

Wettbewerb und Demokratie • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 134 1.

2.

II.

134

Der demokratische Grundsatz der offenen konkurrierenden Willensbildung 134 a)

Willensbildung und öffentliche Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

b)

Öffentliche Meinung, Kommunikation und Wettbewerb ..... . . . .. . . 137

c)

Die Träger der öffentlichen Meinung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Presse, Pressefreiheit und öffentliche Meinung . .. ... . . .. ... . .... . .. . .. 141 a)

Die Bedeutung der Presse für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ........... . ........ . ........ . .............. . ... . .. . 141

b)

Die demokratische Konzeption der Pressefreiheit ............... . . 142

c)

Demokratische Konzeption und Verfassungsinterpretation . . ... . .. . . 146

Wettbewerb und Sozialstaat

149

1.

Das Sozialstaatsprinzip

149

2.

Wirtschaftlicher Wettbewerb und Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

3.

Publizistischer Wettbewerb und Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

3. Teil

Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

156

l.Abschnia

Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung als Kern des publizistischen Wettbewerbsprozesses

156

Inhaltsverzeichnis I.

Die Auswahlentscheidung der Leser • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 157 1.

Die faktische Entscheidungssouveränität der Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

2.

Die verfassungsrechtliche Entscheidungssouveränität der Leser . . . . . . . . . . 160

3.

4. II.

111.

11

a)

Pressefreiheit und Entscheidungsfreiheit der Leser ......... . . .. .. . 160

b)

Informationsfreiheit und Entscheidungsautonomie der Leser .... . ... 161

Die Wirkungen der Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a)

Rezipientensouveränität und publizistisches Angebot . . . . . . . . . . . . . . 165

b)

Rezipientensouveränitat und Pressevielfalt ............. . ..... . .. . 168

Das Mißtrauen gegen die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs .... . . .. . . . 172

Die Auswahlentscheidung der Presseschaffenden • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 175 1.

Die faktischen Hintergründe der Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

2.

Die faktische Entscheidungssouveränität der Presseschaffenden . . . . . . . . . . 178

3.

Die verfassungsrechtliche Entscheidungssouveränität der Presseschaffenden 182

4.

Die Wirkungen der Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a)

Selektionsfreiheit und Meinungsmanipulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

b)

Selektionsfreiheit und Tendenz des Presseinhalts .... . . . . . .. . .. . ... 190

Das Verhältnis von Anbieter. und Rezipientenfreiheit • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 191 2.Abschnin

Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

193

I.

Marktzugang und Wettbewerb • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 193

11.

Publizistischer Wettbewerb, Marktzugang und Pressefreiheit • • • • • • • • • • • • • • • • 194 1.

Die Konkurrenten als Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a)

Die Grundrechtssubjektivität natürlicher Personen .. . .. .. . . . .. . ... 195

b)

Die Grundrechtssubjektivität von Kollektiven . . ........ . ... . ..... . 198

2.

Mitwirkung am publizistischen Wettbewerb: Beruf oder Berufung ... . . .. . 199

3.

Pressefreiheit, Marktzugang und Zugangsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . 201

4.

Pressefreiheit, Publikationszwang und Beendigung der Wettbewerbsaktivitäten . . ... . .. .. .. . . .... . . .. .......... .... . .. ...... . ..... . . .. . ... 205

12

lnhaltsveneichnis 5.

Der Marktzugang zum publizistischen und allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb ....... . . . ................. . ..... . ............ . .. . .. . 207 3. Abschnitt

Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

210

I.

Wettt-erb und Chancengleichheit • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 210

II.

Wellt-erb, Grundgesetz und Chancengleichheit • . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 213

III.

Chancengleichheit im publizistischen Wellt-erb • • • • • • . • • • • • • • • • • • • • • • • • • 215

IV.

1.

Publizistische Entfaltungsfreiheit und Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . 215

2.

Zugangsfreiheit und Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Grundgesetz, faktische Wellt-erbsgleichheit und Chancenausgleich • • • • • • • • • 220 4. Abschnitt

Die Entscheidungskompetenz der Wettbewerber auf dem Markt der geistigen Freiheiten

223

I.

Wellt-erb und Selbstbestimmung • . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 223

11.

Publizistischer Wellt-erb, freie Selbstbestimmung und Pressefreiheit • • • • • • • 226 1.

Tendenzautonomie und innere Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

2.

Der redaktionelle Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 5. Abschnitt

Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter auf dem Markt der geistigen Freiheiten

233

I.

Wellt-erb und Wellt-erbsparameter. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • • • . . . • . • • 233

II.

Die Aktionsparameter der geistigen Konkurrenz • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . . . • • • 234 1.

Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

2.

Redaktionelle Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a)

Presseinhalt . .... . . . . .. . . .. ... .... . .. . . . ... .. ...... . . . .. . .. . 236

b)

Formelle Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

13

3.

Werbung ......... . .. . . . ............ .. ..... .. ............ .. . . . . . 239

4.

Sonstige Wettbewerbsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

111.

Publizistischer Wettbewerb, Wettbewerbsparameter und Pressefreiheit • • • • • • • • 240

IV.

Rec:htlkhe Grenzen des Einsatzes von Wettbewerbsparametern • • • • • • • • • • • • • • 243 1.

Pressefreiheit und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

2.

Pressefreiheit, Wettbewerbsparameter und ihre Schranken .. . ........... 246 a)

Grenzen der Preisgestaltung ............................... . ... 247

b)

Grenzen redaktioneller Wettbewerbsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Sorgfalts- und Wahrheitspflichten ... ... .......... . ....... . . 249 bb) Der Öffentlichkeitswert des Presseinhalts . . ............ . ... .. 253 cc) Der Boykottaufruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 dd) Die Pressefehde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

c)

Grenzen der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

6. Abschnin

Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

264

I.

Geistige Konkurrenz und staatlic:her Einfluß • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 264

II.

Grundgesetz, publizistischer Wettbewerb und staatlkher Einnuß • • • • • • • • • • • • • 265

111.

IV.

1.

Pressefreiheit, Neutralität und Staatsunabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

2.

Demokratie, Neutralität und Staatsunabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Grundgesetz, Neutralität und Differenzierungsverbote • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 271 1.

Differenzierung nach dem Presseinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

2.

Differenzierung zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung . . .. . . .. . 273

3.

Differenzierung nach der Herkunft der Publikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

4.

Sonstige Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Grundgesetz, Staatsunabhängigkeit und staatlic:he Pressetätigkeit • • • • • • • • • • • • 278 1.

Die faktische Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

2.

Verfassungsrechtliche Zulässigkeil staatlicher Presseaktivitäten . . . . . . . . . . 279

3.

Quantitative und qualitative Grenzen staatlicher Presseaktivitäten . . . . . . . . 283

14

Inhaltsverzeichnis V.

Staatlicher Einnuß im publizistisc:hen und allgemeinen wirtsc:haftlichen Wettbewerb ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 288

4. Teil

Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

293

1. Abschnitt

Verfassungsrechtliebe Gewährleistung einer wettbewerblieben Grundordnung nir den Markt der geistigen Freiheiten

293

I.

Die offene W"u1sc:haftsverfassung des Grundgesetzes • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 294

II.

Verfassungsrec:htli(he Fixierung einer Systemgarantie für den publizistisc:hen Wettbewerb • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 300

111.

Verfassungsrec:htliche Determinanten einer publizistisc:hen Wettbewerbsordnung ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 301 2. Abschnitt

Verfassungsrechtliebe Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

310

I.

Subjektive Dimension und publizistisc:her Wettbewerb • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 311

II.

Objektiv-rec:htliche Dimension und publizistisc:her Wettbewerb •••••••••••••• 312

111.

1.

Pressefreiheit, mittelbare Drittwirkung und publizistisc:her Wettbewerb . . . . 312

2.

Pressefreiheit, staatliche Schutzpflicht und publizistischer Wettbewerb . . . . 315

3.

Pressefreiheit, staatliche Funktionsverantwortung und publizistischer Wettbewerb ........ . .. .. .. . ................. . .. . ........... . .. .. .... 319

Diskussionsperspektive .. .. • • • • • • • • • • • • • • • • .. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 322

Zusammenfassung

324

Literaturverzeichnis

333

Abkürzungsverzeichnis Abs. AfP AK-GG Alt. Anm. AöR Art. AuslG BAG BAGE BayPresseG

=

BayVBI. BB BerlPresseG

BGH BGHZ BKartA BremPresseG

BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE

=

Absatz Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Alternativkommentar zum Grundgesetz Alternative Anmerkung(en) Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Ausländergesetz v. 28. 4. 1965 (BGBI. I S. 353) Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Gesetz über die Presse vom 3. 10. 1949 (BayBS I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. 10. 1970 (GVBI. S. 469) Bayrische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Berliner Pressegesetz vom 15. 6. 1965 (GVBI. S. 744), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. 11. 1974 (GVBI. S. 2746) Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskartellamt Bremer Gesetz über die Presse vom 16. 3. 1965 (Brem. GBI. S. 63), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. 12. 1974 (Brem. GBI. S. 351) Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundes-

16

DB ders. DJT DÖV DVBI.

E. EuGRZ EvStL f. ff.

FAZ

FN GG

HmbPresseG

Hrsg.

i. S. V. JJb JNSt JöR JuS JZ LS MP

NJW

NWPresseG

ORDO OVG

s.

Sp. UFiTA

Abkürzungsverzeichnis

Verwaltungsgerichts Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Entscheidung Europäische Grundrechte Zeitschrift Evangelisches Staatslexikon, 2 Bände, 3. Auflage 1987 folgende (Seite) fortfolgende (Seiten) Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. 5. 1949 (BGBI. S. 1) Hamburgisches Pressegesetz vom 29. 1. 1965 (GVBl. S. 15), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. 2. 1985 (GVBl. S. 62) Herausgeber im Sinne von Juristen-Jahrbuch (Zeitschrift) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Leitsatz Media Perspektiven (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. 5. 1966 (GV. NW. S. 340), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. 3. 1985 (GV. NW. S. 237) Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Oberverwaltungsgericht Seite Spalte Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis V.

VG VGH vgl. VVDStRl WRP WRV

WuW WuW/E ZGR ZRP

=

=

17

vom Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung v. 11. 8. 1919 (RGBI. S. 1383) Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Wirtschaft und Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung und Problemstellung I. Kommunikation und Wettbewerb Der Gesamtbereich geistiger Freiheit, der alle grundrechtlich geschützten Ausdrucksformen des menschlichen Geistes erfaßt, gehört zu den unverzichtbaren Eckpfeilern eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens. "Die Geistesfreiheit ist für das System der freiheitlichen Demokratie entscheidend wichtig, sie ist geradezu eine Voraussetzung für das Funktionieren dieser Ordnung"'. Im Mittelpunkt des rechtlichen und politischen Interesses stehen die in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Kommunikationsgrundrechte. Sie schützen die individuelle und mediale Äußerung geistiger Inhalte, deren Empfang und die Meinungsbildung vor staatlichen Beeinträchtigungen. Charakteristikum dieser Freiheitsrechte ist der wettbewerbliehe Aspekt der Grundrechtsbetätigung, der geistige Wettbewerb, der sich in geistigen Interaktionen zwischen mehreren Grundrechtsträgern äußert. Die konkurrierende Ausdeutung liberaler Geistesfreiheit kommt in der Rechtsprechung des BVerfG immer wieder zum Ausdruck. Das Gericht spricht im Zusammenhang mit den Verbürgungen des Art. 5 Abs. 1 GG etwa von geistigem Kampf, Meinungskampf, geistigem Meinungskampf' oder geistiger Auseinandersetzun!f, öffentlichem Meinungskampf oder öffentlicher Auseinandersetzung6, Wettbewerb der Meinungen7, geistiger Konkurrenz8, publizistischem Wettbewerb9 oder BVerfGE 5, 85/205. 2 3

BVerfGE 12, 113/125. BVerfGE 73, 206/258.

4

BVerfGE 7, 198/212; E 25, 256/264; E 42, 163/170; E 61, 1/7; E 62, 230/244; E 66, 116/139; E 68, 226/232.

5

BVerfGE 7, 198/208; E 25, 256/265; E 42, 143/149; E 50, 234/239; E 62, 230/247; E 69, 315/345. 6 BVerfGE 24, 278/285; E 54, 129/138; E 54, 208/219; E 60, 234/241. 7

8

BVerfGE 25, 256/268. BVerfGE 20, 162/175; E 66, 116/133.

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Einleitung und Problemstellung

publizistischer Konkurrenz10. Im sogenannten 5. Fernseh-Urteil charakterisiert das Gericht das Phänomen der publizistischen Konkurrenz gar als "Lebenselement der Meinungsfreiheit" 11 • Auch in der Lehre ist heute durchweg anerkannt, daß die in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Grundrechte Grundlage eines wettbewerblieh strukturierten Kommunikationsmarktes sind. Der Gedanke freier geistiger Konkurrenz kommt immer wieder zum Tragen, wenn Begriffe wie geistige Auseinandersetzung12, Meinungswettbewerb13, Wettbewerb der Meinungen14, publizistischer Wettbewerb15 oder publizistische Konkurrenz16 verwendet werden. Ch. Degenhart sieht "in der Gewährleistung freier Kommunikation im Wettbewerb der Meinungsrichtungen" den gemeinsamen Schutzzweck der in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Freiheitsrechte17• Der geistige Wettbewerb ist demnach ein notwendiger Bestandteil der Geistesfreiheit.

II. Unklarheiten und Widersprüche in der Rechtsprechung des BVerfG Obwohl das Phänomen der Konkurrenz demnach zum festen Bestandteil der verfassungsrechtlichen Argumentation geworden ist, bleiben Konturen und Bedeutung dieses Ordnungsprinzips für die Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG letztlich im Verborgenen. Dies betrifft in erster Linie die Wettbewerbskonzeption des BVerfG. Sie

wirft mehr Fragen auf, als sie anstehende Probleme löst, da das den Ent-

scheidungen zugrundeliegende Wettbewerbsmodell nicht näher beschrieben 9 10

11 12 13 14

BVerfGE 74, 297/332; E v. 6. 6. 89, DVBI. 1989, S. 870. BVerfGE 74,297/332. BVerfGE 74,297/332. L. Fröhler, Werbefernsehen und Pressefreiheit, S. 20; D. Suhr, NJW 1982, S. 1067. U. Scheuner, VVDStRL 22, S. 77.

B. Jünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 22.

15 H. I. Falter, DB 1983, S. 1029; I. Kaiser, Presseplanung, S. 62; St. Ory, ZUM 1987, S. 430; R Sclwlz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 152; K Seemann, ZUM 1988, S. 68; P. Ulmer, AfP 1975, S. 875; W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, S. 35. .. 16 K Seemann, DOV 1987, S. 430; St. Ory, ZUM 1987, S. 430. 17 ZUM 1988, S. 57. Vgl. zum Schutzzweck der Pressefreiheit auch B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 48.

II. Unklarheiten in der Rechtsprechung des BVerfG

21

oder konkretisiert wird. Eine stimmige Wettbewerbstheorie fehlt bisher. Unklar bleibt demnach, was im einzelnen unter einem "geistigen" oder "publizistischen" Wettbewerb zu verstehen ist, ob und inwieweit er vom wirtschaftliehen Wettbewerb abzugrenzen ise8 Zweifelhaft ist schon, ob dem Begriff "geistiger Wettbewerb" oder ähnlichen Begriffen überhaupt ein spezifisch normativer Gehalt zukommt oder ob es sich jeweils nur um die beschreibende Feststellung eines Tatbestandes der derzeitigen gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit handelt. Beide Interpretationen werden im Schrifttum vertreten und beide stützen sich auf die gleichen Passagen in den Entscheidungen des BVerfG. Das Gericht hat mehrfach ausgeführt, daß Presseunternehmen "nach privatwirtschaftliehen Grundsätzen und in privatrechtliehen Organisationsformen" arbeiten. "Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf' 19• Die Mehrzahl der Autoren hegt keinen Zweifel daran, daß diese Erwägungen normativ formuliert sind20• Aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe entnimmt man, daß "der Zustand geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz als Voraussetzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Typus der freien Presse angesehen wird"21 • Er gehört demnach zum Kernbereich des verfassungsrechtlich geschützten Freiraums. Andere Autoren vertreten einen konträren Standpunkt: Sie sprechen den fraglichen Ausführungen des BVerfG lediglich einen deskriptiven und keinen normativen Charakter zu. Sie deuten sie als Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des deutschen Pressewesens22. In diesem Fall stellt sich dann die Frage, ob das soziologische Faktum "geistiger Wettbewerb" überhaupt verfassungsrechtliche Auswirkungen zeitigt. Schließlich besteht die Möglichkeit, daß die Umschreibungen des gei18

J. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 403, sieht hierin den entscheidenden Mangel aller Erörterungen eines eigenständigen geistigen Wettbewerbs. 19 BVerfGE 20, 162/175; vgl. auch E 66, 116/133. 20 Vgl. nur Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 651; J. Kaiser, Presseplanung, S. 62; E. König, Die Teletexte, S. 111; W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, S. 34; ders., ZGR 1982, S. 339. 21 von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 55. So im Ergebnis auch E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 29. 22 Vgl. etwa W. Hoffmann-Riem I H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S.

70:"Normativ formuliert ist nur das Gebot der Staatsfreiheit". H. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 244 FN 28: "Das Bundesverfassungsgericht beschreibt an der angegebenen Stelle nur den gegenwärtigen Zustand der Presse".

22

Einleitung und Problemstellung

stigen Wettbewerbs ein Gemisch aus Realitätsbeschreibung und normativen Aussagen enthalten. Die verschwommene Konturierung des Phänomens der Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten ist zu einem beträchtlichen Teil auf die mangelnde rechtstatsächliche Untermauerung der Rechtsprechung zurückzuführen23. Die Ausführungen des BVerfG gründen sich im wesentlichen nicht auf Tatsachen sondern auf Schlagwörter, Wertungen und unbewiesene Behauptungen, die als Arbeitshypothesen dienen. Sie werden auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt, sind also keine Ergebnisse wissenschaftlich untermauerter Untersuchungen. Eine kommunikationswissenschaftliche Fundierung der Entscheidungsgründe scheint das Gericht für entbehrlich zu halten, obwohl der Realität gerade im Medienbereich eine entscheidende Bedeutung zukommt. Charakteristisches Beispiel ist die Rechtsprechung zur Vielfalt im Pressewesen 24• Zwar gibt es im Bereich der Kommunikationsforschung eine kaum mehr überschaubare Anzahl von Erhebungen zur Wirkung von Massenmedien. Doch fehlen bis heute gesicherte Erkenntnisse darüber, inwieweit aus der Existenz einer bestimmten Anzahl von Presseerzeugnissen auf einen hohen Grad von Meinungsvielfalt geschlossen werden kann25• Die Wirkungsweise und die Folgen der Konkurrenz sind in der Kommunikationsforschung noch nicht hinreichend geklärt. Es ist deshalb mehr als fraglich, ob eine wie auch immer geartete "Vielfaltsthese" Folgerungen für die Interpretation der Pressefreiheit zeitigen kann. Die Argumentation des Gerichts jedenfalls schwebt mehr oder weniger im luftleeren Raum, soweit es aus der relativ großen Zahl miteinander konkurrierender Presseerzeugnisse und der sich daraus ergebenden Konkurrenzsituation das Vorhandensein von Pressevielfalt zwingend folgert 26• Diese Art von Wettbewerbskonzept ist unrealistisch. 23

Diese Arl>eitsweise ist für die medienrechtliche Judikatur symptomatisch. Es sei nur an die Rechtsprechung zur "Sondersituation im Rundfunkwesen" (BVerfGE 12, 2051261; E 31, 3141326) erinnert. Ausführlich dazu R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNm. 218 ff.; G. Hemnann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, §§ 60, 61, S. 127 ff.; W. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 111 ff. 24 BVerfGE 12, 2051261; E 52, 2831296; E 57, 2951322 f. 25 Dazu H. Bismark, AfP 1983, S. 136. Ausführlich zu den Problemen der Meßbarkeit publizistischer Vielfalt M. Knoche, in: Klaue I Knoche I Zerdick, Probleme der Pressekonzentrationsforschung, S. 127 ff. 26 Vgl. nur BVerfGE 12, 2051261.

li. Unklarheiten in der Rechtsprechung des BVerfG

23

Die Unsicherheit hinsichtlich Ausgestaltung und Bedeutung des geistigen Wettbewerbs wird weiterhin durch die Tatsache gefördert, daß sich das Gericht jeweils auf die verfassungsrechtliche Ausleuchtung von Einzelaspekten beschränkt. Zwar kann man von verfassungsgerichtlichen Entscheidungen schon wegen der fallbezogenen Erwägungen kein geschlossenes System erwarten. Doch fehlt der Rechtsprechung zum geistigen Wettbewerb der ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gewährleistende rote Faden überhaupt. Ursächlich hierfür ist einmal die Vielfalt der Begriffe mit denen das BVerfG arbeitet. Unklar bleibt, ob jeweils der gleiche Lebenssachverhalt gemeint ist oder ob und inwieweit verfassungsrechtlich relevante Unterschiede bestehen. Probleme ergeben sich vor allem dann, wenn das Gericht den Wettbewerbsbegriff ohne nähere Umschreibung verwendet, obwohl ihm im konkreten Fall ein doppelter Sinn zukommen kann. Einmal dient er zur Kennzeichnung des geistigen, ein anderes Mal zur Kennzeichnung des ökonomischen Wettbewerbs. Welcher der beiden Bereiche jeweils gemeint ist, läßt sich allenfalls aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe entnehmen, oder muß sogar ganz offenbleiben, da geistiger und wirtschaftlicher Wettbewerb in der Argumentation undifferenziert nebeneinander laufen. Im 3. Fernseh-Urteil etwa geht das Gericht davon aus, daß auch bei einem Fortfall der Sondersituation des Rundfunks nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden könne, "daß das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde"27• Wird hier mit dem Begriff Wettbewerb die Gestaltungskraft des geistigen oder die des ökonomischen Wettbewerbs angesprochen? Beide Interpretationen sind möglich. Der Zusammenhang der Entscheidungsgründe ermöglicht keine endgültige Klärung. Damit drängt sich der Vorwurf einer unreflektierten Gleichstellung von ökonomischen und geistigen Wettbewerbsprozessen auf. Gewichtiger als die Unschärfe in der Formulierung ist die Tatsache, daß man bei allem Respekt nicht umhin kann, dem BVerfG eine erhebliche Konzeptionslosigkeit bei der Entwicklung des Wettbewerbsgedankens zu bescheinigen. Die Linie, die das Gericht in seinen Entscheidungen verfolgt, ist in sich widersprüchlich. Im sogenannten Blickfüer-Beschluß28 wendet sich der 1. Senat ausdrücklich gegen eine Beschränkung des geistigen Wettbewerbs. Die Presse müsse gegenüber Versuchen geschützt werden, "den 27 28

BVerfGE 57, 295/322. BVerfGE 25, 256 ff.

Einleitung und Problemstellung

24

Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten"29. Der Funktionsfähigkeit des geistigen Wettbewerbs wird demnach ein hoher Rang beigemessen. Demgegenüber tritt die geistige Konkurrenz in der 5. Fernseh-Entscheidung30 gerade dann in den Vordergrund der Begründung, wenn es demselben 1. Senat entgegen aller Beteuerungen im Ergebnis darum geht, sich von den Erfordernissen eines freien Wettbewerbsprozesses weitgehend zu distanzieren. Der Wettbewerb ist nur dann frei, wenn jeder Anbieter die Chance des Marktzutritts hat. Nach der Ansicht des BVerfG soll es aber gerade nicht mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar sein, den privaten Rundfunkanbietern durch den Ausschluß der Landesrundfunkanstalten von der Veranstaltung regionaler und lokaler Rundfunkprogramme eme derartige Startchance überhaupt erst zu ermöglichen31 • Wie unter diesen Bedingungen in Anbetracht des enormen Wettbewerbsvorsprungs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überhaupt ein geistiger Wettbewerb im Bereich des Rundfunks in Gang kommen soll, ist nicht nachzuvollziehen32• Uneinsichtig ist zudem, warum im einen Fall die Teilnahme des betroffenen Presseunternehmensam Wettbewerb gesichert, im anderen Fall den privaten Rundfunkanbietern dagegen der Zugang zum Markt und damit die Teilnahme am Wettbewerb faktisch versperrt wird. Steht nicht in beiden Fällen die Funktionsfähigkeit des verfassungsrechtlich verankerten geistigen Wettbewerbs zur Diskussion? Geht es nicht in beiden Fällen um die Sicherung eines freien geistigen Wettbewerbs unter gleichen Bedingungen? Die Verwirrung ist perfekt, wenn sich das BVerfG dem ökonomischen Wettbewerb und seiner Bedeutung für die geistige Auseinandersetzung zuwendet. Das Gericht differenziert ohne ersichtlichen Grund zwischen den verschiedenen Massenkommunikationsmitteln und kommt zu divergierenden Feststellungen hinsichtlich des Verhältnisses von publizistischem und 29 30

31 32

BVerfGE 25, 256/268. BVerfGE 74,297 ff. BVerfGE 74,297/331 ff.

Die Entscheidung ist wegen der verfehlten Wettbewerbskonzeption im Schrifttum weitgehend auf Ablehnung gestoßen: Siehe etwa W. Schmin Glaeser, DÖV 1987, S. 840 ff; E. Kuli, AfP 1987, S. 586 ff; St. Ory, ZUM 1987, S. 427 ff. Ausführlich zum erdrückenden Übergewicht der Landesrundfunkanstalten W. Schmitt Glaeser, BayVBI. 1985, S. 97 ff. Vgl. zu dieser Problematik im einzelnen P. Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien für den öffentlichrechtlichen Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung.

II. Unklarheiten in der Rechtsprechung des BVerfG

25

ökonomischem Wettbewerb. Der Zustand geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz wird einerseits als Kennzeichen des Pressewesens herausgearbeitet: "Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftliehen Grundsätzen und in privatrechtliehen Organisationsformen. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf"33• Geistiger und wirtschaftlicher Wettbewerb werden hier in einem Atemzug genannt. Der Schluß liegt nahe, daß das Gericht den engen Zusammenhang zwischen beiden Wettbewerbsprozessen erkannt hat und davon ausgeht, daß sich die beiden Ebenen des Wettbewerbs gegenseitig bedingen und stützen. Im völligen Gegensatz zu dieser Wettbewerbskonzeption steht die Rechtsprechung zur Rundfunkfreiheit Hier wird weitgehend von ökonomischen Sachverhalten abstrahiert. Krasser kann ein Bruch in der Argumentationslinie nicht vollzogen werden. In der 5. Fernseh-Entscheidung stellt das Gericht ausdrücklich fest, daß die Qualität des regionalen und lokalen Programmangebots und damit logischerweise das Überleben eines privaten Rundfunkanbieters "nicht ohne weiteres" von der Höhe seiner Finanz- und Wirtschaftskraft abhänge34• Mit der These "Marktchancen können eine Frage wirtschaftlicher, nicht aber der Meinungsfreiheit sein" 35, wird der geistige Wettbewerb endgültig von seiner ökonomischen Basis gelöst. Das Gericht scheint sich demnach im Bereich des Rundfunkwesens an einem vollkommenen publizistischen Wettbewerb zu orientieren, der sich in einem ökonomischen Vakuum vollzieht. Die Zweifel an der Realitätsbezogenheit dieser Entscheidung sind nicht von der Hand zu weisen36• Sogar der Vorwurf der Naivität scheint gerechtfertigt37• Problematisch ist schon, ob man im Medienwesen überhaupt zwischen geistiger und ökonomischer Konkurrenz trennen kann. Diese These hätte zumindest einer eingehenden Problematisierung bedurft. Muß das Ergebnis dieser Untersuchung dann aber nicht gleichermaßen für Presse und Rundfunk gelten? Uneinsichtig ist, aus 33 34

35 36

BVerfGE 20, 162/175; so auch E 66, 166/133. BVerfGE 74,297/336. BVerfGE 74,297/335.

Die Trennung von publizistischem und ökonomischem Wettbewerb wird im Schrifttum heftig kritisiert. Vgl. nur E. Kuli, AfP 1987, S. 569; St. Ory, ZUM 1987, S. 429; K Seemann, DÖV 1987, S. 850; ders., ZUM 1988, S. 81; ders., ZRP 1988, S. 135. 37 St. Ory, ZUM 1987, S. 429.

26

Einleitung und Problemstellung

welchen Kriterien sich ein Unterschied zwischen den beiden Medienbereichen herleiten läßt.

111. Gegenstand der Untersuchung Der Jurist strebt nach Konkretisierung, letztlich nach Begriffs- und Systembildung. Für den Bereich der geistigen Freiheiten stellt sich damit die Frage nach dem Begriff des geistigen Wettbewerbs, seinem normativen Gehalt, der Abgrenzung gegenüber ökonomischen Wettbewerbsprozessen, schließlich nach der Existenz eines verfassungsrechtlich verbürgten Wettbewerbsmodells für geistige Freiheiten. Aufgabe dieser Untersuchung ist es, die durch die Wettbewerbskonzeption des BVerfG aufgeworfenen Probleme zu lösen, die Strukturelemente des geistigen Wettbewerbs zu analysieren und ihr Zusammenspiel zu verdeutlichen. Aufgrund der ausgeprägten Unternehmensstruktur der Presse, ihrer Einbindung in geistige und wirtschaftliche Wettbewerbsprozesse, bietet es sich an, diesen Fragen vornehmlich und exemplarisch am Beispiel marktwirtschaftlich orientierter Presseunternehmen nachzugehen. Das Grundrecht der Pressefreiheit soll deshalb den Ausgangspunkt der Überlegungen bilden. Neben der Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Fragen sollen zur Fundierung der gewonnenen Ergebnisse zugleich wenn auch in bescheidenem Umfang- die Erkenntnisse der Kommunikationsforschung und der Volkswirtschaftslehre herangezogen werden. Es geht nicht unmittelbar um Fragen des wirtschaftlichen Wettbewerbs, obwohl diese bei der hier vorgegebenen Verzahnung zwischen ökonomischen und geistigen Wettbewerbsprozessen die Ebene der geistigen Interaktion nicht unberührt lassen und deshalb nicht vollständig außer Betracht bleiben können. Wechselseitige Bezüge sind zu berücksichtigen und zu beachten. Im ersten Teil der Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, was Wettbewerb eigentlich ist und welche Art von unterschiedlichen Wettbewerbsprozessen es gibt. Hierdurch wird gleichsam der ordnungstheoretische Rahmen der verfassungsrechtlichen Problematisierung abgesteckt. Um eine verfassungsrechtliche Modellanalyse zu ermöglichen, soll im zweiten Teil das Augenmerk auf die verfassungsrechtlichen und soziologischen Grundlagen der Konkurrenz im Pressewesen gerichtet werden. Auf dieser

III. Gegenstand der Untersuchung

27

Grundlage gilt es, im dritten Teil die wichtigsten Strukturelemente des geistigen Wettbewerbs herauszuarbeiten und auf ihren verfassungsrechtlichen Gehalt zu hinterfragen. Im Anschluß daran soll im vierten Teil schließlich die Frage nach den verfassungsrechtlichen Fixpunkten einer Wettbewerbsordnung für den Markt der geistigen Freiheiten geklärt werden.

Erster Teil

Der Wettbewerb - Das Strukturprinzip der pluralistischen Gemeinschaft Das Phänomen der geistigen Konkurrenz' kann nur dann vollständig erfaßt und richtig eingeordnet werden, wenn man sich bewußt macht, welch komplexes Beziehungssystem sich hinter dem Wettbewerbsgedanken verbirgt und wie weitreichend und intensiv seine Ordnungsfunktionen sind. Es ist überraschend und unbefriedigend zugleich, daß dieser Raum sozialen Handeins bislang nur unzureichend untersucht worden ist. Eine allgemeine Wettbewerbskonzeption fehlt bis heute. Abgesehen von den Teilbereichen des ökonomischen und des politischen Wettbewerbs blieb das alle Lebensbereiche umfassende Wettbewerbsprinzip weithin unbeachtet. 1. Abschnitt

Die ordnungstheoretischen Grundlagen Für das Verständnis der Konkurrenz ist es erforderlich, auf die menschlichen Bedürfnisse und ihre soziale Steuerung zurückzugreifen. Das Wettbewerbsmodell ist kein Selbstzweck. Es dient der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.

I. Die Bedürfnisbefriedigung als Leitmotiv menschlicher Handlungen Grundtatsache jeder menschlichen Gemeinschaft ist der Umstand, daß ihre Mitglieder Bedürfnisse haben. Mit einer in der Volkswirtschaftslehre Die Begriffe Wettbewerb und Konkurrenz werden in dieser Arbeit als Synonyme verwendet. Entsprechendes gilt für die Bezeichnungen Wettbewerber und Konkurrent.

1. Abschn.: Die ordnungstheoretischen Grundlagen

29

verbreiteten Definition lassen sich diese Bedürfnisse als "Wünsche, die mit dem Streben einhergehen, sie zu befriedigen"2, kennzeichnen. In seiner Grunderscheinung ist das Bedürfnis der subjektive Wunsch, eine bestimmte persönliche Befriedigung zu erlangen. Dabei ist der Begriff des Bedürfnisses in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Er kann nicht auf ökonomische Verhältnisse reduziert werden. Danebenerfaßt er etwa auch politische, kulturelle und soziale Wünsche; letztlich alles, was Zielobjekt menschlichen Handeins sein kann. Neben mehr materiellen, existieren spezifisch geistige Bedürfnisse, wozu unter anderem der Wunsch nach Kommunikation zählt. In der Gemeinschaft bestehen mannigfache Kommunikationsbedürfnisse. Die Mitglieder der Gemeinschaft haben das Bedürfnis, Kommunikationsinhalte zu äußern und zu empfangen3 • Das Handeln der Menschen wird grundsätzlich von ihrem Selbstinteresse geleitet. Alle menschlichen Tätigkeiten lassen sich demnach wegen ihrer Bedürfnisorientierung als Prozesse der Bedürfnisbefriedigung umschreiben. Mit Recht sieht H. Leipold in der Befriedigung von Bedürfnissen den "Ausgangs- und Endpunkt allen sozialen Handelns'14• Die menschlichen Bedürfnisse unterscheiden sich qualitativ und quantitativ. Jedes Individuum verfolgt unterschiedliche, oft schon in sich widersprüchliche Begehrensvorstellungen. Da jedes Mitglied der Gemeinschaft seinen eigenen individuellen Plänen folgt, gibt es in der Gemeinschaft eine unübersehbare Zahl von Zielobjekten. Im engen Zusammenhang mit dem Interessenpluralismus ist die Tatsache von Bedeutung, daß die für die Bedürfnisbefriedigung insgesamt erforderlichen Güter kaum jemals in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Eine gleichmäßige Befriedigung aller Begehrensvorstellungen ist daher von vornherein ausgeschlossen.

2 A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 49. Ähnlich G. Gutmann, Volkswirtschaftslehre, S. 17; H. Müller, Bedürfnis und Bedarf, Sp. 605. 3 Zum Informationsbedürfnis vgl. die Ausführungen von W: Geiger, Festschrift für A. Amdt, S. 119 ff.; ders., AfP 1977, S. 256. Das BVerfG zählt das Informationsbedürfnis zu den "elementaren Bedürfnissen des Menschen" (E 27, 71 / 81). 4 Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme im Vergleich, S. 9 f. Vgl. für den Bereich des wirtschaftlichen Handeins auch L. Abbott, Qualität und Wettbewerb, S. 43; H. Müller, Bedürfnis und Bedarf, Sp. 606.

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

30

II. Die Organisationsstruktur des Soziallebens 1. Die Grundformen der Organisation

Damit stellt sich die Frage, wie sich eine derart pluralistisch strukturierte Gemeinschaft lenken läßt, wie sich die Vielfalt der Pläne schließlich zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt. Jedes Gemeinwesen bedarf einer produktiven Ordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen, auf deren Grundlage die zentralen Steuerungsprobleme des Soziallebens gelöst werden. Es ist ein aufeinander abgestimmtes, ineinandergreifendes Handeln aller Glieder der Gemeinschaft erforderlich, um dem ansonsten unvermeidlichen Chaos zu entgehen. Die Lösung dieser Problematik setzt Regulative voraus, die ordnungstheoretisch als Mechanismen zur Gewährleistung effektiver Entscheidungen über die Lebensumstände der Gemeinschaft zu verstehen sind. In der Theorie sind mehrere alternative Lenkungssysteme vorstellbar, nach denen eine Gemeinschaft verfaßt sein kann. Alle denkbaren Modelle bewegen sich gleichsam auf einer Schiene zwischen zwei Extrempolen5• Im einen Extremfall wird die Gemeinschaft nach einem hierarchischen Organisationsmodell strukturiert. Hierarchie ist ein Synonym für Abhängigkeit und Autorität6• Kennzeichnend für diese Grundform ist die Tatsache, daß immer eine niedrigere Stufe von einer jeweils höheren, mit mehr Autorität ausgestatteten, Stufe abhängig ist. Entscheidungskompetenzen hat allein die übergeordnete Instanz; die abhängige besitzt keinen eigenständigen Entscheidungsspielraum. Ihre Tätigkeit erschöpft sich in Ausführungshandlungen. Bei diesem System wird die Rollenverteilung zwischen den Instanzen durch angeborene Vorrechte, politische Privilegien, unangreifbare konventionelle Normen oder einfach durch körperliche Macht bestimmt. In diese Richtung tendieren etwa die staatlich dirigistischen Organisationsformen, 5

So auch Th. Pütz, Grundlagen der theoretischen Wirtschaftspolitik, S. 27, und U.

Karpen, Jura 1985, S. 188, hinsichtlich der denkbaren Grundformen wirtschaftlicher Koordina-

tion. Vgl. zur Zweiteilung der Wirtschaftssysteme etwa W. Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 79. Demgegenüber unterscheidet H. Amdt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, S. 21 ff., drei extreme Organisationsstrukturen, weil er im Status der egalitären Gleichheit eine eigenständige Grundform sieht. 6 Dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 454.

1. Abschn.: Die ordnungstheoretischen Grundlagen

31

wie sie in totalitären oder autoritären Staatssystemen aller ideologischen Schattierungen üblich sind. Das andere Extrem wird durch ein Grundmodell gekennzeichnet, das den Faktoren der Gemeinschaft die Ordnung des Soziallebens in freiheitlichem Miteinander überläßt. Jedes Individuum trifft seine Entscheidungen unabhängig von staatlichen oder gesellschaftlichen Vorgaben auf der Grundlage sozialer Autonomie in Freiheit. Die Ordnung des Soziallebens ist das Ergebnis gesellschaftsinterner Koordination der Individualentscheidungen. Der Ordnungswirklichkeit liegt kaum jemals ein derart reines Lenkungssystem zugrunde. Die in der Realität existierenden Systeme mischen Koordinations- und Subordinationsprinzipien in unterschiedlichem Umfang7• Das Mischverhältnis ordnungspolitischer Regulative kann sich zudem innerhalb der Gemeinschaft je nach dem zu ordnenden Lebensbereich ändern. Jede Gemeinschaft ist daher in der Regel eine integrierte Gesamtordnung, die aus unterschiedlichen Lenkungssystemen besteht. 2. Die Entscheidung für ein bestimmtes Ordnungsmodell

Zweifelhaft erscheint, ob und inwieweit der menschlichen Gemeinschaft derartige Strukturmodelle begriffsnotwendig vorgegeben sind. Ein Teil der Literatur begreift die Lenkungssysteme als menschliche Zweckschöpfungen, die auf der Grundlage eines autonomen Willensentschlusses eingesetzt werden, um ein allgemein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Es sei ausgeschlossen, "daß der Gesellschaft Modelle vorgegeben oder vorgeschrieben sein könnten, gemäß denen sie sich zu verfassen und zu arbeiten hätte. Ihr steht vielmehr auch in diesen Hinsichten die Freiheit der Wahl durchaus zu"8• Die Entscheidung für ein bestimmtes Ordnungsmodell ist demnach in keinster Weise determiniert. Sie ist eine freie, situationsabhängige Entscheidung9 • Organisationsmodelle lassen sich auf der Grundlage dieser Anschauung mithin stets als frei gewählte Werkzeuge zur Durchfüh7

8 9

Ebenso R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNr. 22.

H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 455. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 455; ders., Die öffentlichen Massenmedien als

notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 69; Ebenso E. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 12: "Die wirtschaftspolitische Grundentscheidung für den Primat des Wettbewerbs ist hauptsächlich politischer Natur ...•.

32

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

rung gegebener Aufgaben beschreiben. Welchem Modell unter den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen der Vorzug gegeben wird, richtet sich letztlich nach gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen und Ideologien. Es ist sicher richtig, daß Strukturmodelle keine überirdischen Offenbarungen sind10• Zweifelhaft ist aber, ob allein diese Tatsache den Schluß auf eine uneingeschränkte Wahlmöglichkeit zuläßt. Ungeklärt bleibt die Frage, ob nicht die Natur des Menschen selbst der Auswahlentscheidung Grenzen setzt und damit die theoretisch unbeschränkte Wahlfreiheit zumindest in Teilbereichen wieder aufhebt. In diese Richtung tendieren vor allem die Verfechter des Wettbewerbsgedankens. Sie gehen von der Existenz natürlicher Ordnungskräfte in der Gemeinschaft aus. Das Wettbewerbsmodell findet demnach eine anthropologische und soziologische Grundlegung11 • Da eine wettbewerbliehe Grundhaltung in der menschlichen Natur verwurzelt ist, ist auch die Wahl eines konkreten Ordnungsmodells in gewissem Umfang von vornherein determiniert. "Sich um die Wette bewerben ist ein ursprünglicher menschlicher Trieb ... Eine wirtschaftspolitische Grundentscheidung für das Primat des Wettbewerbs ist nichts anderes als die Bejahung der aus diesem resultierenden menschlichen Beziehungen und Prozesse"12. Teilweise wird die Existenz natürlicher Ordnungskräfte sogar verabsolutiert. Dies führt dann zu der Schlußfolgerung, "daß es nicht in der Macht des Menschen steht, zu entscheiden, ob es überhaupt Konkurrenz geben soll oder nicht. Der menschliche Wille kann die Konkurrenz nur abschwächen oder verstärken, kontrollieren oder frei wirken lassen ..."13• Eine grundsätzliche Entscheidung gegen das Wettbewerbsmodell ist demnach von vornherein ausgeschlossen. 10

Das betont H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 455 FN 2.

11

So vor allem L. von Wiese, Wettbewerb (I), S. 25 f. Ähnlich H. Amdt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, S. 43; A . Elster, Wettbewerb, S. 889. W: Hefermehl (Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 1) kennzeichnet den Wettbewerb als "natürliches Phänomen" und "Urkraft menschlichen Handelns". Skeptisch gegenüber der Annahme eines spirit of competition etwa H. Cox / H. Hübener, Wettbewerb, S. 6. Vgl. auch Ph. Herder-Domeich, Wirtschaftsordnungen, S. 45 f. 12 E. Hoppmann, ORDO 18 (1967), S. 79; ders., Zum Problem einer wirtschaftspoli-

tisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 14. In der Literatur zum Wettbewerbsrecht wird teilweise ähnlich argumentiert. Vgl. etwa die Ausführungen von W: Fikentscher, BB 1956,

s. 796.

13

L. von Wiese, Wettbewerb (1), S. 25f. aus soziologischer Sicht.

1. Abschn.: Die ordnungstheoretischen Grundlagen

33

Wie alle naturalistischen Erklärungsversuche menschlicher Verhaltensweisen muß sich auch diese Argumentation den Vorwurf gefallen lassen, daß sie sich einer wissenschaftlich exakten Beweisführung entzieht. Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob man eine naturgegebene Wettbewerbsgesinnung ohne weiteres apodiktisch unterstellen kann. Vieles deutet darauf hin, daß es neben dem Wettbewerbstrieb noch andere Triebe gibt, die das menschliche Verhalten leiten. Als Beispiel sei nur der dem Wettbewerbstrieb gerade entgegengesetzte Drang nach einer dem Wettbewerb ausschließenden Herrschaft über andere genanne4 • Zudem spricht auch die bloße Existenz des in§ 1 GWB normierten Kartellverbots gegen die Verabsolutierung der menschlichen Wettbewerbsgesinnung. Diese Regelung wäre offensichtlich überflüssig, wenn die Betroffenen nicht dazu neigen würden, den wirtschaftlichen Wettbewerb durch Vereinbarungen zu beschränken oder völlig auszuschließen. Daraus wiederum kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der anthropologischen Begründung des Wettbewerbs jegliche Grundlage entzogen wird. Schon ein Blick auf die Geschichte zeigt, daß sie nicht völlig ohne Fundament ist. Das Phänomen Wettbewerb ist keine Erfmdung der Neuzeit. Es scheint so alt zu sein wie die menschliche Kultur selbses. Bereits der antike griechische Kulturkreis wurde durch das Wettbewerbsprinzip geprägt. Erwähnt sei nur der "Agon", der bei Versammlungen ausgetragene Wettkampf körperlicher und geistiger Art. Wettbewerb hat es demnach zu allen Zeiten und in allen Kulturen gegeben. Er zeigt sich jeweils auf den verschiedensten Gebieten des menschlichen Zusammenlebens: im Geistesleben, in der Kunst, in der Politik, im Berufsleben und vor allem in der Wirtschaft16• Unterschiede bestehen nur hinsichtlich des Ausmaßes in dem die jeweilige Gesellschaftsordnung vom Wettbewerb geprägt wird. Je nach den Zeitumständen handelt es sich um ein primäres oder sekundäres, verstecktes Prinzip.

14

So im Ergebnis auch H. Cox / H. Hübener, die dem Wettbewerbstrieb die propensity to monopolize gegenüberstellen. 15 Ph. Herder-Domeich, Soziale Ordnungspolitik, S. 13: "Der Wettbewerb als Ordnungsprinzip der Gesellschaft ist so alt wie unsere abendländische Kultur•. 16 Es ist allgemein anerkannt, daß der wirtschaftliche Wettbewerb seit dem Aufkommen des wirtschaftlichen Verkehrs besteht. Vgl. nur F. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. 93; F. Rittner, Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 7; L. von Wiese, Konkurrenz, S. 827; G. von Eynern, Konkurrenz, S. 585.

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

34

Neu ist demgegenüber die Erkenntnis, daß es sich beim Wettbewerb um ein das Sozialleben umfassend regelndes Prinzip handelt. Für den Bereich der wirtschaftlichen Konkurrenz läßt sich diese Erkenntnis auf das 18. Jahrhundert datieren, in dem die Idee des freien Wettbewerbs zum Mittelpunkt der theoretischen und praktischen Wirtschaftspolitik gemacht wurde, wodurch man sich freilich zugleich den Blick auf den außerökonomischen Wettbewerb versperrte. Der wirtschaftliche Wettbewerb avancierte zum Lenkungsprinzip der meisten größeren Gemeinschaften. Der Grund liegt auf der Hand: "Denn seine äußeren Vorbedingungen sind jedenfalls immer da schon gegeben, wo auf einer von beiden Seiten mehr als ein Tauschwilliger vorhanden ist. Wer aber die Wahl zwischen mehreren Tauschpartnern hat, wird geneigt sein, sich mit demjenigen einzulassen, dessen Tauschleistung ihm am besten zusagt. Aus diesem Grund besteht daher für die mehreren ein Anlaß, sich um die Gunst ihres Gegenüber zu bemühen; jeder wird bestrebt sein, derjenige zu sein, mit dem der Tausch zustande kommt. Dies aber ist der Tatbestand des Wettbewerbs"17• Die starke Verbreitung wettbewerbliehen Handeins deutet darauf hin, daß der Wettbewerb zu den ursprünglichen menschlichen Verhaltensweisen gehört. Neben anderen Motivationen scheint eine gewisse wettbewerbliehe Grundhaltung mit der menschlichen Natur untrennbar verbunden zu sein. 2. Abschnitt

Das allgemeine Wettbewerbsmodell Es verwundert deshalb nicht, daß das Wettbewerbsmodell unter den theoretisch möglichen Lenkungssystemen in tatsächlicher und ideologischer Hinsicht eine das Gemeinschaftsleben beherrschende Stellung einnimmt. Das Wettbewerbsmodell ist allgemein anerkannt. Zwar wird es hinsichtlich der Bedingungen und Grenzen seiner Funktionsfähigkeit vielfach einer kritischen Durchleuchtung unterzogen18• Die Kritik wendet sich aber nicht gegen die grundsätzliche Berechtigung des Modells. Lediglich das allzu blinde Ver17 18

F. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. 93.

Vgl. die ausführlichen kritischen Stellungnahmen von H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 467 ff.; ders., Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 32 ff.; R Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 57 ff.

2. Abschn.: Das allgemeine Wettbewerbsmodell

35

trauen in seine Funktionsfähigkeit und die damit verbundenen - teilweise überhöhten- idealistischen Erwartungen erwiesen sich als unhaltbar.

I. Die Gleichheit der Ziele als Grundbedingung des Wettbewerbs Das Wettbewerbsmodell gründet sich auf anthropologisches Gedankengut und liberale Gesellschaftstheorien. Grundlegend ist der Gedanke einer als Selbstregulierungssystem verfaßten Gemeinschaft. Danach bleibt es der individuellen Beliebigkeit der beteiligten Gemeinschaftsglieder überlassen, wie sie ihre Bedürfnisse und Interessen befriedigen wollen. Eine derartige Dezentralisierung von Konfliktlösungsmechanismen erfordert notwendigerweise ein sich nach eigenen Gesetzlichkeiten selbst ordnendes Gemeinwesen. Die lebensnotwendige Ordnung muß sich aus dem herrschaftslosen Zusammenspiel der in der Gemeinschaft vorhandenen Kräfte von selbst ergeben. Die Gemeinschaft läßt sich als die Summe der Individuen und Gruppen beschreiben, die jeweils ihre eigenen Bedarfsdeckungspläne verfolgen. Miteinander im Wettbewerb stehen jeweils die Glieder der Gemeinschaft, welche die gleichen Bedürfnisse haben, diese aber nicht alle in gleichem Maße befriedigen können19• In seiner Grundform ist der Wettbewerb demnach ein sozialer Prozeß zwischen Personen, "die das Gleiche anstreben, aber gerade deswegen in Gegnerschaft zueinander stehen"20• Er wird dadurch gekennzeichnet, "daß der eine zu gewinnen strebt, was ein anderer zu gleicher Zeit zu gewinnen strebt ... Aus der Gleichheit des Ziels, das mehrere zu erreichen suchen, ergibt sich zwangsläufig der Wettbewerb"21 • Die Gleichheit des Ziels genügt, um einen Wettbewerbsprozeß in Gang zu bringen. Dagegen ist nicht ausschlaggebend, ob die am Wettbewerbsprozeß beteiligten Personen die gleiche Gruppenzugehörigkeit besitzen. Für den Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs etwa ist es infolgedessen un19 Übereinstimmend hinsichtlich des Erfordernisses der gleichen Zielsetzung: A. Elster, Wettbewerb, S. 887 f.; Th. Wesselr, Wettbewerb, Sp. 642; H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 147; B. Röper, Die Konkurrenz und ihre Fehlentwicklungen, S. 11; L. von Wiese, Konkurrenz, S. 826. 20

21

L. von W.ese, Wettbewerb (1), S. 26.

Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 1.

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

36

beachtlich, ob die Wettbewerber dem gleichen Berufs- oder Geschäftszweig angehören. Wettbewerb besteht unabhängig von diesem Kriterium überall dort, wo bei der Zielerreichung Gesichtspunkte der Priorität oder Qualität eine Rolle spielen. So konkurrieren zum Beispiel alle Bewerber miteinander, die das gleiche politische Amt erlangen wollen. Der Wettbewerb beherrscht auch das Verhalten der an einem Prüfungsverfahren teilnehmenden Kandidaten, die alle das beste Prüfungsergebnis anstreben. Das begehrte Amt kann nur einmal vergeben werden, die beste Prüfungsleistung kann nur einer erbringen.

II. Der Wettbewerb als Verfahren des Leistungsvergleichs mit Auslesecharakter Da das erstrebte Ziel begriffsnotwendig nicht von allen Mitbewerbern erreicht werden kann, ist der Wettbewerb immer ein Verfahren des Leistungsvergleichs mit Auslesecharakter22• Er setzt die Beteiligten "in ein wechselseitiges Verhältnis des Sich-Vergleichensunddes Sich-Messens"23 • Jeder Beteiligte muß seine Leistung an den vergleichbaren Leistungen der anderen messen. Der Wettbewerber, dessen Leistung sich als überlegen erweist, erreicht das Ziel.

1. Der Wettbewerb als dynamischer ProzeR Der Leistungsvergleich wird maßgeblich von dem Verhältnis der Wettbewerber zueinander bestimmt. Ihre Wettbewerbshandlungen begründen ein konkretes W ettbewerbsverhältnis. Charakteristisch für den Ablauf des Wettbewerbsprozesses ist das Zusammenspiel wechselseitiger Aktionen der Beteiligten. Der Wettbewerb ist demnach ein in der Zeit ablaufender dynamischer Prozeß24• Dieser Prozeß 22 Zum Auslesecharakter der Konkurrenz siehe L Abbot, Qualität und Wettbewerb, S. 120; B. Röper, Die Konkurrenz und ihre Fehlentwicklungen, S. 1 ff. Beschränkt auf den Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs: Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNm. 21 f.

23

24

H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 458.

Der dynamische Charakter des Wettbewerbs ist vor allem für das Phänomen des

2. Abschn.: Das allgemeine Wettbewerbsmodell

37

kommt niemals zum Stillstand, solange er frei ist. Sieht man einmal von dem Sonderfall des sportlichen Wettbewerbs ab25, wird er durch die Merkmale der Permanenz und Endlosigkeit gekennzeichnet. Kern eines jeden Wettbewerbsprozesses ist die sich in unterschiedlichen Formen äußernde Rivalität der Wettbewerber, die jeden Beteiligten zwingt, möglichst besser als seine Mitbewerber zu sein. In allen Bereichen des Gemeinschaftslebens, in denen es Wettbewerb gibt, zeigt er sich in zwei entgegengesetzten Erscheinungen: dem Vorstoß eines Wettbewerbers und der Verfolgung durch die anderen Beteiligten des Wettbewerbsprozesses26• Einer versucht, die anderen zu übertreffen; diese bemühen sich, es jenem nachzutun. Es gehört zu den Charakteristika des Wettbewerbsmodells, daß der einzelne sich durch seine Leistung von seinen Konkurrenten absondern kann. Er hat die Möglichkeit, sich hervorzutun, eine gewisse Alleinstellung zu erringen und auszubauen. Der Politiker mit dem besseren Konzept erringt einen Vorsprung in der Gunst der Wähler, der schnellere Läufer zieht seinen Konkurrenten auf der Aschenbahn davon, der Unternehmer mit den besseren Leistungen kann einen größeren Kundenkreis gewinnen. Der Wettbewerber mit der besseren Leistung erlangt gegenüber seinen Mitbewerbern einen temporären Vorteil. Der Wettbewerbsvorteil ist ein Produkt des Wettbewerbs; die daraus resultierende Macht eine Komponente der Leistung. Der Wettbewerb führt demnach notwendigerweise zu Ungleichheiten i. S. von temporären Machtungleichgewichten. Rivalisierender Wettbewerb besteht gerade in der Ausnutzung derartiger zeitweiliger Vorteile. Sie sind für den Wettbewerb konstitutiv.

wirtschaftlichen Wettbewerbs herausgearbeitet worden. Dazu im einzelnen: R. Clapham, Das wettbewerbspolitische Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 134; H. Cox / H Hübener, Wettbewerb, S. 5 ff.; H. Giesel, Unternehmenswachstum und Wettbewerb, S. 34 ff; E. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 32 ff.; I. Küzner, Wettbewerb und Unternehmertum, S. 72 ff. Vgl. schon H Amdt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, S. 35 ff. 25 Beim sportlichen Wettbewerb sind zwei Ebenen zu unterscheiden: der einzelne Wettkampf und der allumfassende Wettbewerb. Letzterer kommt niemals zum Stillstand, da die Jagd nach Rekorden die Sportler permanent zu Höchstleistungen treibt. Demgegenüber hat der einzelne Wettkampf ein eindeutig festgelegtes Ziel. Die einzelnen Wettkämpfe sind durch Pausen voneinander getrennt. Dazu B. Röper, Die Konkurrenz und ihre Fehlentwicklungen, S. 12. 26

Vgl. für den Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs die Ausführungen von E. Hoppmann, ORDO 18 (1967), S. 89 f.; V. Emmerich, ZGR 1976, S. 172.

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

38

Mit dem Erfolg eines Beteiligten sinkt die Chance der anderen Wettbewerber, ihre Wünsche im gleichen Maß zu befriedigen. Alle streben nach dem gleichen Ziel; das Ziel kann aber nicht von allen erreicht werden. Sie sind daher gezwungen, neue Wege und Lösungen zu suchen, um ihre Ausgangsposition im Wettbewerb wieder zu verbessern. Der Vorsprung eines Beteiligten setzt demnach wettbewerbliehe Anpassungsprozesse in Gang, die geeignet sind, diesen Vorsprung wieder zu beseitigen. Die in der Wählergunst zurückgefallenen Politiker bemühen sich, ihrerseits der Öffentlichkeit ein ansprechendes Konzept vorzustellen. Die anderen Läufer versuchen, wieder Anschluß an den Spitzenläufer zu bekommen. Die erfolglosen Unternehmer verbessern ihre Leistungen. Die Geschwindigkeit, mit der die angestrebte Anpassung erfolgt, indiziert die Wettbewerbsintensität Gelingt es den Konkurrenten, auf diese Weise den Machtvorsprung des Wettbewerbsführers zu beseitigen, beginnt der Prozeß der Machtbildung und Machtzerstörung von neuem. Jeder Wettbewerb ist demnach ein fortwährender Prozeß der Neubildung und Erosion von Macht27• In diesem Prozeß hat jeder Beteiligte die gleichen Chancen und der Erfolg eines jeden Wettbewerbers hängt allein von seiner Leistung ab. Daraus ergibt sich ein hoher Leistungsdruck und eine starke Rivalität. Die Beteiligten werden permanent gezwungen, sich den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu nähern. 2. Die Außensteuerung des Wettbewerbs

Jeder Wettbewerb bedarf notwendigerweise der Außensteuerung, da erst der Vorgang der wertenden Beurteilung seine Auslesefunktion aktualisiert28• Die einzelnen Wettbewerber stehen nicht isoliert nebeneinander. Ihre Leistungen bedürfen im Rahmen des Vergleichs der Beurteilung. Die beste Leistung wird im Wege der Auswahl ermittelt. Die Mechanik des Wettbewerbs setzt deshalb einen lenkenden Dritten voraus, der die einzelnen Lei-

27 Grundlegend für den wirtschaftlichen Wettbewerbsprozeß E. Hoppmann, Marktmacht und Wettbewerb, S. 10 f. Wie schon die Beispiele im Text verdeutlichen, kann für das allgemeine Wettbewerbsmodell nichts anderes gelten. 28

Zum Erfordernis der Außensteuerung L Abbot, Qualität und Wettbewerb, S. 120. Vgl. auch die Ausführungen von H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 470 f.

2. Abschn.: Das allgemeine Wettbewerbsmodell

39

stungen zueinander in Beziehung setzt, bewertet und auf diese Weise zur Erarbeitung des Wettbewerbsergebnisses beiträgt. Die Entscheidung über Wert und Unwert der Leistungen wird auf einen außenstehenden Dritten übertragen. Kennzeichen der Außensteuerung ist die Tatsache, daß der Dritte zwangsläufig nicht die gleichen Ziele wie die Wettbewerber anstrebt, sondern gegenläufige Interessen verfolgt. Er will ausschließlich seine eigenen Bedürfnisse befriedigen. Dagegen kommt es ihm nicht darauf an, einem bestimmten Wettbewerber die Erreichung der von ihm verfolgten Ziele zu ermöglichen. Der Dritte nutzt die Rivalität der Wettbewerber zu seinem eigenen Vorteil aus, indem er jeweils die Leistungen bevorzugt, mit denen er seine Bedürfnisse am besten befriedigen kann. Daß seine Entscheidung zugleich die Zielerreichung des bevorzugten Wettbewerbers fördert, ist ein unbeabsichtigter Nebeneffekt Je nach Lebenssachverhalt, der durch das gesellschaftliche Ideal des Wettbewerbs geordnet ist, tritt der Dritte als Kunde, Wähler, Leser, Zuschauer, Zuhörer usw. in Erscheinung. Im Grundsatz übt der Dritte in allen diesen Bereichen die gleiche Lenkungsfunktion aus. Er wählt jeweils die Leistungen aus, die ihm vor dem Hintergrund seiner Bedürfnissituation vorteilhaft erscheinen, die anderen weist er zurück. Die Außensteuerung des Wettbewerbs läßt sich daher als permanenter Auswahlprozeß beschreiben. Im Wege der Zustimmung oder Ablehnung steuern die Auswahlentscheidungen den Wettbewerbsprozeß, da die Dritten in ihrer Gesamtheit über Erfolg oder Mißerfolg der Wettbewerber entscheiden. Deren Verhalten wird durch die jeweils ausgesprochene Anerkennung oder Ablehnung geleitet und kontrolliert.

111. Die mit dem Wettbewerbsmodell verknüpften Erwartungen Das Wettbewerbsmodell erfreut sich einer hohen Wertschätzung. Sie gründet sich auf die Erwartung, daß allein der freie Wettbewerb in fast allen Bereichen des Gemeinschaftslebens die größtmögliche Annäherung an allgemein erwünschte Zielvorhaben garantiert29• 29

Als Beispiel seien nur die Funktionen genannt, deren Erfüllung man dem wirtschaftlichen Wettbewerb zuschreibt. Ausführlich zu den wirtschafts- und gesellschaftspoliti-

40

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

Von zentraler Bedeutung ist hierbei die sogenannte Steuer- und Ordnungsfunktion des Wettbewerbs. Wesentlich ist, daß allein das Verfahren des Wettbewerbs die "herrschaftsfreie Koordination" der divergierenden Bedürfnisse, Interessen und Pläne in einer pluralistischen Gemeinschaft ermöglicht. Auf diese Weise bewirkt der Wettbewerb eine optimale Synthese zwischen den Zielen weitestgehender Freiheit der Beteiligten und größtmöglicher Ergiebigkeit aller individuellen Tätigkeiten für das Gemeinschaftsleben. In diesem Zusammenhang ist auch die bereits erörterte machtzerstörende und machtneutralisierende Wirkung des Wettbewerbs zu nennen30. Jeder Wettbewerb ist ein fortwährender Prozeß der Neubildung und Erosion von Macht. Die Dynamik des Wettbewerbsprozesses ist demnach geeignet, den Aufbau endgültiger Machtpositionen zu verhindern, die hierarchische Abhängigkeitsverhältnisse schaffen und damit die Freiheit aller anderen Beteiligten beseitigen. Zwischen Wettbewerb und Freiheit besteht ein unaufhebbarer Zusammenhang. Die Bedeutung des Wettbewerbs für die Funktionsfähigkeit einer freiheitliehen Gemeinschaftsordnung ist damit noch nicht erschöpft. Das Wettbewerbsmodell soll darüber hinaus eine Annäherung an das Postulat materieller Gerechtigkeit ermöglichen31 • Insoweit ist die dem Modell eigene Einbeziehung des Leistungsprinzips von Bedeutung. Der Wettbewerbserfolg orientiert sich allein an der Leistung der Beteiligten. Der Wettbewerb belohnt die Konkurrenten, die bessere Leistungen erbringen und diszipliniert diejenigen, die den Erwartungen der das Wettbewerbsgeschehen steuernden Dritten nicht gerecht werden. Damit bietet der Wettbewerb zugleich einen ständigen Anreiz zur Leistungssteigerun~2• Da allein die Leistung eines Beteiligten über seine Stellung in der Gesellschaft entscheidet, sind die Konkurrenten bemüht, ihre Fähigkeiten bestmöglichst einzusetzen. Auf diese sehen Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs V. Emmerich, Kartellrecht, S. 2 ff.; H. Cox / H Hübener, Wettbewerb, S. 4 f. Kritisch gegenüber der l..eistungsfahigkeit des Wettbewerbsmodells dagegen H Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 467 ff. 30

31

Dazu bereits oben 1. Teil, 2. Abschn., II, 1.

Im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs führt man in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Wettbewerbs an, eine gerechte Einkommensverteilung herbeizuführen. Vgl. nur V. Emmerich, Kartellrecht, S. 4.

32

Vgl. zu dieser Frage aber auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 458; ders., Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 34: Er kritisiert, daß der Wettbewerb keine Höchstleistungen verbürge, da schon die etwas bessere Leistung zum Erfolg über Mitbewerber führe. Dabei übersieht er aber, daß der Vorsprung eines Konkurrenten die anderen wiederum zwingt, ihre Leistungen zu verbessern.

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs

41

Weise initüert der Wettbewerb die für das Gemeinschaftsleben unentbehrlichen schöpferischen Impulse. 3. Abschnitt

Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs

I. Die allumfassende Bedeutung des Wettbewerbs Der Wettbewerb "ist eine allgemein-gesellschaftliche Erscheinung"33• Er ist auf allen Gebieten des sozialen Zusammenlebens denkbar, die von ihrem Inhalt her der Kollektivität zugänglich sind. Es genügt, wenn sich jeweils mehrere Beteiligte um das gleiche Ziel bemühen müssen. Entsprechend seiner allgemeinen Wertschätzung ist das Wettbewerbsmodell in der Gegenwart in diesen Bereichen "die" maßgebliche Spielregel der Sozialstruktur34• Die Freiheit dieser Gebiete ist gemäß dem Wettbewerbsgedanken verfaßt Die Gemeinschaft wird aber nicht ausschließlich dem Wettbewerb überantwortet. Gemeinwohlerfordernisse können eine sogenannte Bereichsausnahme gebieten. Das Spektrum wettbewerblieh organisierter Lebenssachverhalte ist jedoch sehr breit35• Im System der parlamentarischen Demokratie ist unter anderem das Gebiet der Politik wettbewerblieh strukturiert: Alle Parteien erstreben letztlich die Regierungsgewalt. Zu diesem Zweck konkurrieren sie in periodisch abgehaltenen Wahlen um die Gunst der Wähler, da sie ihr Ziel nur dann erreichen können, wenn sie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erringen. In ihrer Gesamtheit entscheiden die Wähler durch den Akt der Stimmabgabe über Erfolg oder Mißerfolg jeder Partei und damit über deren Zielerreichung. Die Wähler sind demnach die Lenker des politischen Wettbewerbs36• 33 34

G. von Eynem, Konkurrenz, S. 884.

Zur umfassenden Bedeutung des Wettbewerbsgedankens siehe etwa A. Elster, Wettbewerb, S. 887: "Wettbewerb ist etwas schlechthin Allgemeines, ein unverzichtbarer Bestandteil der Kultur, der Wirtschaft, des geselligen Zusammenlebens, also auch für das Recht ein umfassender Begriff." Ph. Herder-Domeich, Wirtschaftsordnungen, S. 41: "Wettbewerbsordnung ist ... die Lebensbedingung der pluralistischen Gesellschaft überhaupt•. 35 Vgl. die beispielhaften Aufzählungen wettbewerblieh verfaßter Bereiche bei L. Abbot, Qualität und Wettbewerb, S. 119; G. von Eynem, Konkurrenz, S. 886. 36

Mit dieser Ausformung des Wettbewerbsgedankens beschäftigt sich die sogenannte ökonomische Theorie des politischen Wettbewerbs. Einen Überblick über diese Theorie ver-

42

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

Neben der Politik ist der Wettbewerb ein Grundtatbestand des Sports, der Wirtschaft, des Verbandslebens31, der Wissenschaft, der Kunst, des kulturellen Lebens schlechthin. Geeignete Problemlösungen werden in diesen Bereichen am ehesten erwartet, wenn sie dem Wettbewerb überantwortet werden.

II. Die Erscheinungsformen des Wettbewerbs Das allgemeine Wettbewerbsmodell hat, abhängig von den spezifischen Eigenarten der zu ordnenden Bereiche des Gemeinschaftslebens, jeweils eine gewisse eigenständige Ausformung erfahren. Die verschiedenen Erscheinungsformen der Konkurrenz stimmen hinsichtlich der zuvor aufgezeigten allgemeinen Grundvoraussetzungen jedes Wettbewerbs überein38• Darin erschöpfen sich dann aber auch die Gemeinsamkeiten. Bei der bereichsspezifischen Ausformung weichen die unterschiedlichen Ausprägungen des Wettbewerbsgedankens zum Teil erheblich voneinander ab39•

mittel! U. Jens, Möglichkeiten und Grenzen rationaler Wettbewerbspolitik in Demokratien, S. 174 ff.; H. Leipold, Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme im Vergleich, S. 127 ff.; Th. Pütz, Grundlagen der theoretischen Wirtschaftspolitik, S. 258 ff. 37 Vgl. die Ausführungen von Ph. Herder-Domeich, Soziale Ordnungspolitik, S. 19 f.

Demgegenüber lehnt H. Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 36, einen Wettbewerb zwischen Verbänden aus grundsätzlichen Erwägungen ab, da der Wettbewerb sie "sowohl um die Existenzberechtigung wie um die Wirksamkeitsvoraussetzungen" bringe.

38

Dazu L. Abbon, Qualität und Wettbewerb, S. 122 f.; Ph. Herder-Domeich, Soziale Ordnungspolitik, S. 20; ders., Wirtschaftsordnungen, S. 127 f. Einschränkend Baumbach I Hefennehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 12: "Nur in begrenztem Umfang lassen sich Parallelen ziehen. • 39 Ph. Herder-Domeich, Soziale Ordnungspolitik, S. 22. In der Literatur wird die mangelnde Übereinstimmung zumeist durch einen Vergleich des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit dem sportlichen Wettlauf herausgearbeitet. Vgl. etwa Baumbach I Hefennehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 12; 0. von Ne/1-Breuning, WuW 1952, S. 373 f.; F. 1&1ner, Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 6, 23; ders., Festschrift für Reimer Schmidt, S. 231 f. Ausführlich B. Röper, Die Konkurrenz und ihre Fehlentwicklungen, S. 11 ff; R Knöpfte, Der Rechtsbegriff Wettbewerb und die Realität des Wirtschaftslebens, S. 112 ff.

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs

43

1. Die Zweiteilung der Wettbewerbsmodelle

Im Rahmen einer Systematisierung können im wesentlichen zwei idealtypische Fälle unterschieden werden: der materiell und der immateriell bestimmte Wettbewerb. Diese beiden Unterarten des allgemeinen Wettbewerbsmodells differieren einmal hinsichtlich der Art der jeweils im Vordergrund stehenden Leistungen. Im materiell bestimmten Wettbewerb werden die Bedürfnisse durch Erzeugung und Austausch "gegenständlicher" Leistungen befriedigt. Im Gegensatz dazu sind individuell oder kollektiv geformte Gedankeninhalte Gegenstand des immateriellen Wettbewerbs. Sie lassen sich als "nicht gegenständliche" und damit flüchtige Leistungen charakterisieren, auch wenn sie zuweilen - wie beispielsweise bei Presseerzeugnissen - gegenständlich fixiert sind. Die Trennung zwischen materiell und immateriell bestimmten Wettbewerb, die auf der Unterschiedlichkeit der Leistungen beruht, ist zugleich für die Außensteuerung des jeweiligen Wettbewerbsprozesses von Bedeutung. Jede Auswahlentscheidung wird auf der Grundlage eines Leistungsvergleichs getroffen. Damit stellt sich für die das Wettbewerbsgeschehen lenkenden Dritten das Problem, nach welchen Kriterien sich die miteinander rivalisierenden Leistungen vergleichen lassen. Die gegenständlichen Leistungen sind einer objektiven Bewertung nach quantitativen oder qualitativen Maßstäben zumindest in Teilbereichen zugänglich. Faktoren wie der Preis einer Leistung, die Menge, durch DIN-Normen standardisierte Qualitätsanforderungen und anderes mehr bieten eine von der individuellen Beliebigkeil unabhängige Entscheidungsgrundlage. Selbstverständlich können bei der Auswahlentscheidung im konkreten Einzelfall auch subjektive Wertmaßstäbe eine erhebliche Rolle spielen. Als Beispiel seien hier nur ästhetische Wertungskriterien genannt. Demgegenüber ist eine objektive Beurteilung bei nicht gegenständlichen Leistungen häufig nicht möglich. Zur Vereinheitlichung der Leistungen führende Standardisierungen gibt es in diesem Bereich nicht. Qualität oder Wert sind hier die einzig veränderlichen Größen. Wie aber soll zum Beispiel die Qualität mehrerer Gedichte nach einem einheitlichen Maßstab bewertet werden? Die subjektive Beliebigkeit, die auf dem persönlichen Wertsystem der Beteiligten beruht, ist in diesem Bereich die alleinige Grundlage aller Auswahlentscheidungen.

44

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

Neben der Bewertung äußert sich die Unterschiedlichkeil der Leistungen zudem in ihrer Bindung an die Person des jeweiligen Erbringers. In der Mehrzahl der Fälle sind die gegenständlichen Leistungen unabhängig von dessen Persönlichkeit, wenn auch der Unternehmerischen Initiative ansonsten ein erhebliches Gewicht zukommt. Als Beispiel sei hier der wirtschaftliche Wettbewerb - ein Unterfall des gegenständlichen Wettbewerbs - genannt: Abgesehen von der Fallgruppe der Markenartikel treten im modernen Massengeschäft in erster Linie die Produkte selbst und nicht die hinter ihnen stehenden Unternehmer miteinander in Wettbewerb. Die am Markt vertretenen Produkte weisen häufig keinerlei Verbindung mit der Persönlichkeit des jeweiligen Unternehmers auf. Deshalb ist es ohne Belang, ob das jeweilige Produkt vom einen oder anderen Unternehmer hergestellt und vertrieben wird. Auch die Kunden entscheiden sich unabhängig davon für eine bestimmte Ware. In vielen Fällen ist ihnen die Person des Produzenten überhaupt nicht bekannt. Im Gegensatz dazu kann die immaterielle Leistung grundsätzlich nicht von ihrem Erzeuger gelöst werden. Sie bezieht ihre Identität aus der Person des Äußernden, da ihr Wesen in entscheidendem Umfang durch die persönlichen, geistigen Kapazitäten ihres Schöpfers beeinfloßt wird40• Intellektuelle Überlegenheit, argumentative Durchsetzungskraft, rhetorische Gewandheil und ähnliche persönlichkeitsbezogene Kriterien geben der immateriellen Leistung erst ihre eigentliche Gestalt. Diese Aspekte entscheiden letztlich über die Aufnahme, die die Äußerung bei den Empfängern fmdet. Die Autorität der geistigen Persönlichkeit kann sogar Unzulänglichkeiten des geäußerten Gedankeninhalts ausgleichen. Die idealtypischen Erscheinungsformen des Wettbewerbs kann man weiterhin hinsichtlich des Willens der am jeweiligen Wettbewerbsprozeß beteiligten Personen voneinander trennen. Dieses Differenzierungsmerkmal steht im engen sachlichen Zusammenhang mit der bereits festgestellten unterschiedlichen Bindung der Leistungen an die Person des jeweiligen Erbringers. Der materielle Wettbewerb wird dadurch gekennzeichnet, daß das Anliegen der Wettbewerber im wesentlichen dahin geht, ihre Leistungen einem möglichst großen Interessentenkreis zugänglich zu machen. Soweit sie 40

Besonders deutlich R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 96: •Jede Form der Meinungsäußerung ist an Person und Personalität konkret-kommunizierender Individuen gebunden ..."; ähnlich ders., Entflechtung und Verfassung, S. 219. Vgl. auch L. Abbott, Qualität und Wettbewerb, S. 125: "Natürlich sind die meisten außerökonomischen Formen des Wettbewerbs Ausscheidungskämpfe, die die Überlegenheit an persönlicher Fähigkeit zur Geltung bringen ...".

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs

45

daneben noch weitere Zwecke verfolgen, treten diese gegenüber dem so charakterisierten Hauptzweck in den Hintergrund. So erschöpft sich etwa der Geschäftswille des im wirtschaftlichen Wettbewerb stehenden Kaufmanns darin, für seine Waren einen möglichst großen Kundenkreis zu gewinnen. Wie der Käufer die Ware nutzt, interessiert den Verkäufer nur insoweit, als das Kaufverhalten davon abhängt41 • Der immaterielle Wettbewerb weicht hiervon ab, da das Verhalten der Wettbewerber grundsätzlich von einem weitergehenden Wirkungswillen bestimmt wird. Dem Schöpfer einer immateriellen Leistung genügt es nicht, wenn der von ihm geäußerte Gedankeninhalt eine möglichst große Zahl von Empfängern erreicht. Im Regelfall will er über den Akt der reinen Kenntnisnahme hinaus mit der Äußerung etwas bewirken42• Er ist bestrebt, einen möglichst großen Einfluß zu erzielen. Die "zweckhafte Ausrichtung auf Verständigungserfolge" ist jedem Kommunikationsakt immanent43• Sinn und Zweck einer jeden Äußerung ist es gerade, "geistige Wirkung auf die Umwelt ausgehen zu lassen, meinungsbildend und überzeugend auf die Gesamtheit zu wirken" 44 • Sie ist Ausdruck einer inneren Überzeugung. Deshalb verlangt sie schon von ihrem Wesen her Identifikation mit dem verfolgten Anliegen und ist insofern stets und immer Werbung45 • Kennzeichen des überschießenden Wirkungswillens der Beteiligten beim immateriellen Wettbewerb ist demnach regelmäßig das Verlangen nach Identifikation mit dem angebotenen Leistungsinhalt. Schließlich unterscheiden sich materiell und immateriell bestimmter Wettbewerb zumindest in Teilbereichen hinsichtlich der Reziprozität der Austauschbeziehungen. Der immateriell bestimmte Wettbewerb zeigt in der Mehrzahl der Fälle einen zweiseitigen Charakter46• Jeder Teilnehmer am 41

42

Ebenso J. Wolf, Medienfreiheit und Medien unternehmen, S. 391.

Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 351, bezeichnet die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG aus diesem Grund als wirkungsbezogene Freiheiten. 43 J. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 32 f. 44 BVerfGE 7, 198/210 hinsichtlich des Sinns einer Meinungsäußerung. Ebenso E 61,

1/7. Vgl. auch/. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 8. 45 Das betont F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 40

f., für den Fatt der Meinungsäußerung bzw. Meinungsvermittlung. 46 Auf den ersten Blick bildet der Bereich des Rundfunks eine Ausnahme von dieser Regel. Der zweiseitige Charakter des geistigen Wettbewerbs tritt hier in den Hintergrund, da die Rezipienten vorgefertigte Kommunikationsinhalte erhalten, auf die sie keinen Einfluß nehmen können. Ausführlich dazu E. König, Die Teletexte, S. 34 ff. Aber auch in diesem Be-

1. Teil: Wettbewerb -Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

46

Wettbewerbsprozeß ist gleichzeitig sowohl Wettbewerber, als auch außensteheoder Dritter. Ein besonders plastisches Beispiel ist die Individualkommunikation47: Im Verlaufe eines normalen Kommunikationsprozesses tauschen die Kommunikationspartner wechselseitig die Rollen. Individualkommunikation ist begriffsnotwendig ein Prozeß von Aktion und Reaktion; ein Dialog i. S. eines geistigen Gegeneinanders der Positionen, in dem jeder Gebender und Nehmender mit ständig wechselnden Rollen sein kann. Sie vollzieht sich im Wege wechselseitiger Durchdringung. Auch der politische Wettbewerb48 - gleichfalls ein Unterfall des immateriellen Wettbewerbslebt vom wechselseitigen Austausch der Geistesinhalte. Durch Programme und Erklärungen ihrer Spitzenpolitiker formen und äußern die Parteien Geistesinhalte, mit denen sie die Mitglieder der Gemeinschaft permanent beeinflussen. Deren Stellungnahmen wiederum werden nicht nur auf dem formalisierten Weg der Wahl an die Parteien herangetragen. Neben der eigenen Basis wirken Vereinigungen, Verbände und Meinungsgruppen fortwährend auf die Meinungsbildung der Parteien ein49 • Im Gegensatz dazu dominiert beim gegenständlichen Wettbewerb der einseitige Charakter. Als Beispiel sei wiederum der wirtschaftliche Wettbewerb angeführt: Im modernen Massenverkehr der Industriegesellschaft mit ihren immer zahlreicher werdenden Käufermärkten konkurrieren im wesentlichen nur noch die Anbieter gleicher Produkte miteinander. "Hier ist kein Nachfrager mehr genötigt, die anderen Nachfrager, namentlich durch das Angebot höherer Preise, zu übertreffen, um zum Vertragsschluß zu gelangen..so. Der Nachfrager wird demnach auf die Rolle des außenstehenden Dritten festgelegt. Er tritt hier nicht zugleich als Wettbewerber in Erscheinung. Ausnahmen bestehen nur dort, wo jedes Geschäft als eigenständiger Tauschakt individuell

reich gibt es "rückläufige Einflußnahmen kommunikativer Art" (J. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemeilmen, S. 26). Der Rezipient •medienmäßig vermittelter Meinungen oder Informationen ist nicht bloß passives Kommunikationsobjekt, sondern ebenso aktives bzw. re-aktives Kommunikationssubjekt" (R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 361). Ebenso H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 157 f.

47

Vgl. etwa W. Sclunitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 186; E. König, Die Teletexte, S. 35; W. Hoffmann-Rkm, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 395,404. 48 Dazu bereits oben 1. Teil, 3. Abschn., I. 49 Vgl. U. Jens, Möglichkeiten und Grenzen rationaler Wettbewerbspolitik in Demokratien, S. 176 f.; H. Leipold, Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme im Vergleich, S. 128 f.

50

V. Emmerich, Kartellrecht, S. 4.

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs

47

ausgehandelt wird. Beispiele hierfür sind etwa der Immobilienmarkt und der organisierte Effektenmarkt Die hier vollzogene Zweiteilung der Wettbewerbsmodelle ist nur in der Theorie durchführbar. Idealtypische Fälle existieren in der Realität schon deswegen nicht, weil es keine ausschließlich materiell oder immateriell bestimmten Lebensbereiche gibt. Alle Ausformungendes allgemeinen Wettbewerbsgedankens für bestimmte Bereiche des Gemeinschaftslebens bewegen sich demnach zwischen den aufgezeigten Idealtypen gleichsam auf einer Schiene. Sie unterscheiden sich im Einzelfall danach, ob die materielle oder die immaterielle Komponente überwiegt. 2. Der wirtschaftliche Wettbewerb Der wirtschaftliche Wettbewerb ist der klassische Unterfall des gegenständlichen Wettbewerbs51 • Unter dem Einfluß der Nationalökonomie wurde das Wirtschaftsleben der Bereich schlechthin, der nach dem Wettbewerbsmodell verfaßt ist. Besteht hinsichtlich der grundlegenden Bedeutung des wirtschaftlichen Wettbewerbs auch weithin Übereinstimmung, so ist sein Wesen doch bis heute umstritten52• Davon unabhängig soll der wirtschaftliche Wettbewerb hier als ein Prozeß verstanden werden, in dem die Anbieter gleichartiger gegenständlicher Leistungen "unabhängig voneinander und damit in Rivalität untereinander bestrebt sind, mit der Marktgegenseite zum Abschluß zu gelangen"53. Der Nachfragewettbewerb bleibt wegen seine geringen Bedeutung bei der folgenden Übersicht über das wirtschaftliche Wettbewerbsmodell außer Betracht.

51

Zu dieser Gruppe gehört auch der sportliche Wettbewerb, der dem materiell bestimmten Wettbewerb weitgehend angenähert ist. Dabei ist aber zu beachten, daß zwischen sportlichem Wettbewerb einerseits und wirtschaftlichem Wettbewerb andererseits zahlreiche Unterschiede bestehen.

52

Ausführlich zur Entwicklung der Wettbewerbstheorie V. Emmerich, Kartellrecht, S. 6 ff.; H. Cox / H. Hübener, Wettbewerb, S. 9 ff.; H. B. Giesel, Unternehmenswachstum und Wettbewerb, S. 15 ff. 53 A. Woll, Wirtschaftspolitik, S. 91, der aber auch den Nachfragewettbewerb einbezieht.

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

48

a) Die Gleichheit der Zielsetzung

In dem gemeinsamen Streben der Anbieter gleichartiger gegenständlicher Leistungen, Geschäftsabschlüsse mit potentiellen Kunden zu tätigen, ist die für jedes Wettbewerbsmodell unentbehrliche Gleichheit des verfolgten Ziels zu sehen54• Wettbewerb auf der Anbieterseite ist demnach immer dann gegeben, wenn sich mehrere Anbieter mit gleichen oder ähnlichen Leistungen um den gleichen Kundenkreis bemühen. Entscheidend ist, daß durch den Erfolg eines Anbieters der Absatz seiner Mitbewerber beeinflußt wird55• b) Der wirtschaftliche Wettbewerb als dynamischer Prozeß

Entsprechend den Ausführungen zum allgemeinen Wettbewerbsmodell läßt sich auch der wirtschaftliche Wettbewerb als ein in der Zeit ablaufender dynamischer Prozeß begreifen56• Der Wettbewerb vollzieht sich hier im Wege aufeinanderfolgender Anstrengungen gewinnorientierter Unternehmen, die sich gegenseitig durch das Anbieten besserer Leistungen am Markt zu überbieten suchen. Der Unternehmer, der eine unausgenutzte Marktchance bemerkt, wird aktiv, um die sich daraus ergebenden Gewinnmöglichkeiten zu realisieren. Er baut sich einen Marktvorsprung auf, der zur Entstehung eines Marktungleichgewichts führt. Da auch andere Unternehmen prinzipiell die neu entdeckte Marktchance nutzen können, setzt das bestehende Marktungleichgewicht wettbewerbliehe Anpassungen in Gang. Durch Verluste gezwungen oder durch Gewinne angelockt, korrigieren die Mitbewerber ihre bisherigen Marktentscheidungen, um die eigene Gewinnsituation zu verbessern. Auf der einen Seite soll der Vorsprung des Marktführers durch Nachahmung seiner Strategie oder durch eigene innovative Vorstöße abgebaut werden, andererseits soll für das eigene Unternehmen ein derartiger Vorsprung erarbeitet werden. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich ihre Maßnahmen am Markt auswirken, hat der erste Unternehmer eine monopolartige Stellung 54

55

Zu dieser Grundbedingung jeglichen Wettbewerbs vgl. oben 1. Teil, 2. Abschn., I.

Vgl. K. Borchardt / W. Fikentscher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherschung, S. 10: •... die Fähigkeit zur gegenseitigen tatsächlichen Beeinflussung ist hier Voraussetzung des Wettbewerbs im praktischen Sinn•. 56 Siehe dazu die Nachweise in FN 24.

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinungsfonneo des Wettbewerbs

49

inne. Die Vergänglichkeit dieses Vorteils und damit die Wettbewerbsintensität hängt von der Anpassungsgeschwindigkeit der Rivalen ab57• Gelingt es ihnen, den Wettbewerbsvorsprung zu beseitigen, beginnt der Prozeß der Machtbildung und Machtzerstörung von neuem. Der Wettbewerb wird durch einen ständigen Machtwechsel gekennzeichnet. Er ist ein nie endender dynamischer Prozeß, der aus Vorstößen einzelner Unternehmer und möglichst rasch nachfolgenden nachahmenden (imitatorischen) oder ebenfalls vorstoßenden (innovatorischen) Aktionen anderer Unternehmer besteh~. Mit H. Arndt lassen sich die beiden Phasen des Wettbewerbs plastisch als "Wettbewerb der Bahnbrecher" und "Wettbewerb der Nachahmer" bezeichnen59• c) Die Außensteuerung des wirtschaRliehen Wettbewerbs

Im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs obliegt die Außensteuerung des Wettbewerbsprozesses den Kunden60• Sie sind die bestimmende Macht. Anbieter und Kunden stehen sich auf dem Markt in einem Austauschverhältnis gegenüber. Der Markt ist Treffpunkt von Angebot und Nachfrage hinsichtlich eines konkreten Gutes innerhalb eines bestimmten Gebietes und Zeitraums61 • Unter der Prämisse, daß die Kunden ihren Bedarf durch den Erwerb der besten und billigsten Ware decken wollen, bevorzugen sie bei ihren Kaufentscheidungen die Anbieter, die ein entsprechendes Angebot unterbreiten. Die Kundenwünsche werden auf diese Weise zur Richtschnur Unternehmerischen Verhaltens, sie zwingen jeden Unternehmer, im Verhältnis zur Konkurrenz bessere Leistungen anzubieten.

57 58

E. Kantzenbach, Die Funktionsfahigkeit des Wettbewerbs, S. 38 f.

Grundlegend E. Hoppmann, ORDO 18 (1967), S. 89 f.; ders., Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 41 f. Vgl. auch V. Emmerich, ZGR 1976, S. 172; H. B. Giesel, Unternehmenswachstum und Wettbewerb, S. 34.

59

60

Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, S. 35. Zur Konsumentensouveranität als zentralem Element der Wettbewerbswirtschaft

A . Woll, Wirtschaftspolitik, S. 113 ff.

61 Zum Marktbegriff vgl. etwa [( Borchardt / W. Fickentscher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung, S. 53; Th. Pütz, Grundlagen der theoretischen Wirtschaftspolitik, S. 122; /. Jörzner, Wettbewerb und Unternehmertum, S. 7.

50

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

3. Der geistige Wettbewerb

Neben vielen anderen Bereichen wird auch das Geistesleben vom Wettbewerbsgedanken beherrscht. Teilweise wird in ihm "die eigentliche Arena des Wettbewerbs"62 gesehen, da jeder menschlichen Handlung zumindest mittelbar eine geistige Leistung zugrundeliegt Selbst bei den Erscheinungsformen des gegenständlichen Wettbewerbs sind die geistigen Leistungen für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsprozesses unverzichtbar. So liegt etwa dem wirtschaftlichen Wettbewerb zugleich immer ein Kommunikationsprozeß zugrunde, durch den die Beteiligten ihr Wissen über Angebot und Nachfrage austauschen63• Durch den Kaufakt übermitteln sie Informationen an die jeweilige Marktgegenseite. Der Wettbewerb im Bereich des Geisteslebens wird in dieser Untersuchung als "geistiger Wettbewerb" bezeichnet64• Er ist ein Unterfall des immateriellen Wettbewerbs65• Der Ausdruck "geistiger Wettbewerb" ist aber wiederum nur ein Oberbegriff für eine Vielzahl teilweise verschieden gearteter Wettbewerbsprozesse. In diesem Zusammenhang sei nur an das Gegensatzpaar Individualkommunikation - Massenkommunikation erinnert. Selbstverständlich stimmen die hier jeweils stattfmdenden geistigen Wettbewerbsprozesse nicht in allen Einzelheiten überein. Unabhängig von den im Einzelfall bestehenden Unterschieden läßt sich der geistige Wettbewerb als Verfahren charakterisieren, durch das die divergierenden Kommunikationsbedürfnisse in der Gemeinschaft aufeinander abgestimmt werden. a) Die Gleichheit der Zielsetzung

Wie jeder Wettbewerb setzt auch der geistige notwendigerweise voraus, 62 63 64

A. Elster, Wettbewerb, S. 891.

Vgl. dazu etwa B. lünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 22 f.

In der Rechtsprechung und der Literatur wird dieses Phänomen mit den unterschiedlichsten Begriffen umschrieben: Man spricht vom Wettbewerb der Meinungen (BVerfGE 25, 256/268; B. Jünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 22), geistiger Konkurrenz (BVerfGE 20, 162/175; E 66, 116/133), publizistischem Wettbewerb (BVerfGE 74, 297/332; K Seemann, DÖV 1987, S. 844; ders., ZUM 1988, S. 68; St. Ory, ZUM 1987, S. 430; P. Ulmer, AfP 1975, S. 875; H. J. Faller, DB 1983, S. 1029), publizistischer Konkurrenz (BVerfGE 74, 297/332, K Seemann, DÖV 1987, S. 848; St. Ory, ZUM 1987, S. 430) und anderem mehr. 65

Ein weiterer Unterfall ist der schon mehrfach erwähnte politische Wettbewerb.

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinunpformen des Wettbewerbs

51

daß mehrere Beteiligte nach dem gleichen Ziel streben. Es konkurrieren jeweils die Beteiligten miteinander, die sich mit vergleichbaren geistigen Inhalten um die Akzeptanz des gleichen Empfängerkreises bemühen. Die Empfänger sind wegen der Reziprozität der Austauschbeziehungen nicht auf ihre Empfängerrolle festgelegt. Hier kommt der schon erwähnte zweiseitige Charakter der meisten geistigen Wettbewerbsprozesse66 zum Tragen. Alle Teilnehmer am Wettbewerb können zugleich Wettbewerber als auch Empfänger sein. Jeder Beteiligte ist bestrebt, mit den von ihm geäußerten geistigen Inhalten eine möglichst große Wirkung zu erzielen67; im Idealfall eine allgemeine Akzeptanz zu erreichen. Dieses Ziel kann begriffsnotwendig nicht von allen Wettbewerbern zugleich erreicht werden. b) Der geistige Wettbewerb als dynamischer Prozeß

Da kein Geistesinhalt von vornherein absolute Gültigkeit für sich beanspruchen kann, ist der geistige Wettbewerb, ebenso wie die anderen Erscheinungsformen des allgemeinen Wettbewerbsmodells, ein in der Zeit ablaufender dynamischer Prozeß68• Er manifestiert sich in einer Sequenz von geistigen Aktivitäten, die durch bestimmte Impulse ausgelöst werden und die ihrerseits neue Impulse auslösen. Der geistige Wettbewerb ist eine Abfolge vorstoßender und nachfolgender Handlungen. Ein Geistesinhalt wird jeweils mit dem Ziel geäußert, die Empfänger im Sinne des Äußernden zu beeinflussen. Jeder Beteiligte erstrebt eine Führungsposition im Meinungsbildungsprozeß. Erreicht er sein Ziel, bleibt seinen Konkurrenten der gleiche Erfolg notwendigerweise versagt. Sie können mit den von ihnen vertretenen Gegenpositionen in der geistigen Auseinandersetzung bei den Empfängern nicht zum Zuge kommen. Da kein Wettbewerber sich kommunikativ auf Dauer vom Meinungsmarkt abkoppeln kann, erzeugt der Erfolg eines Beteiligten einen Innovationsdruck mit all seinen 66

67

Vgl. oben 1. Teil, 2. Abschn., II, 1.

Zu dem das Verhalten der Wettbewerber bestimmenden Wirkungswillen siehe oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1. 68 Vgl. für den Wettbewerb im Pressewesen etwa B.lünemann, Meinunpfreiheit und Medienentwicklung, S. 25, der aber nicht eindeutig zwischen wirtschaftlichem und geistigem Wettbewerb trennt.

52

1. Teil: Wettbewerb- Das Strukturprinzip der Gemeinschaft

Sachzwängen auf die Mitbewerber. Sie sind gezwungen, die von ihnen geäußerten Geistesinhalte einer Prüfung zu unterziehen, um gegebenenfalls mit einer berichtigten Ansicht und neuen Argumenten wieder in die geistige Auseinandersetzung einzugreifen. Wenn es ihnen gelingt, die Erwartungen und Interessen der Empfänger durch bessere Leistungen zu befriedigen, können sie sie nunmehr in ihrem Sinn beeinflussen. Damit beginnt der Prozeß wechselseitiger Argumentation von neuem. Wechselseitig vorgetragene geistige Angriffe und die daraus resultierenden Einwirkungsmöglichkeiten prägen das Erscheinungsbild des geistigen Wettbewerbs. Der wettbewerbliehe Prozeß manifestiert sich in einem permanenten testen und verwerfen von Geistesinhalten. Er wird demnach durch einen ständigen Wechsel der Führungspositionen in der geistigen Auseinandersetzung gekennzeichnet. Sobald ein Beteiligter eine solche Position erlangt hat, wird sie ihm von seinen Rivalen streitig gemacht. c) Die Außensteuerung des geistigen Wettbewerbs

Wie die anderen Wettbewerbsarten bedarf auch die Mechanik der geistigen Konkurrenz der Außensteuerung, die die einzelnen immateriellen Leistungen miteinander vergleicht, in Frage stellt oder bestätigt. Diese Steuerungsfunktion obliegt hier den Empfängern der geäußerten Geistesinhalte. Verlauf und Richtung des Meinungbildungsprozesses werden durch deren Zustimmung oder Ablehnung beeinflußt. In Analogie zum Marktbegriff des wirtschaftlichen Wettbewerbs kann im Bereich der geistigen Konkurrenz von einem Markt für geistige Leistungen gesprochen werden@. Der Meinungsmarkt ist der Ort, an dem die einander gegenüberstehenden Geistesinhalte aufeinander abgestimmt und miteinander ausgeglichen werden. Äußernde und Empfänger stehen sich auf diesem Markt in einem Austauschverhältnis gegenüber. Die Rezipienten bevorzugen diejenigen Geistesinhalte, die ihre Bedürfnisse am besten befriedigen. Da eine objektive Beurteilung nicht gegenständlicher Leistungen grundsätz69

Diese Analogie wird allgemein anerkannt, wenn auch die jeweils verwendeten Begriffe differieren. Man bezeichnet den Markt für geistige Leistungen etwa als Meinungsmarkt (B. Jünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 22; W. Sehnlitt Glaeser, DÖV 1986, S. 820), Ideenmarkt (B. lünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 22) oder Marktplatz der Ideen (E. Mestmäcker, Meinungskonzentration und Meinungsvielfalt, S. 31).

3. Abschn.: Bedeutung und Erscheinungsformen des Wettbewerbs

53

lieh ausgeschlossen ist70, gründet sich die Auswahl auf die nicht berechenbare subjektive Beliebigkeit jedes einzelnen Empfängers. Darin liegt einer der Gründe, warum der geistige Wettbewerb vielschichtiger ist als andere Wettbewerbsprozesse.

70

Dazu oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1.

Zweiter Teil

Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen der Konkurrenz im Pressewesen Die Begriffe "Wettbewerb" oder "Konkurrenz" gehören nach dem bisher Gesagten längst zum Allgemeingut. Der Wettbewerb "ist eine allgemein-gesellschaftliche Erscheinung"\ ein unentbehrlicher Baustein der Gemeinschaftsordnung. Das gilt auch für den Bereich des Pressewesens2• "Presseunternehmen ... stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf'3• Konturen und Bedeutung dieses Ordnungsprinzips für das Pressewesen liegen aber letztlich im Verborgenen. Dies betrifft vor allem das Phänomen der geistigen Konkurrenz. Bevor die wichtigsten verfassungsrechtlich geschützten Strukturelemente dieses Phänomens herausgearbeitet werden können, bedarf es einer grundsätzlichen Klärung der soziologischen Grundfragen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Wettbewerbs im Bereich der Presse.

2

G. von Eynem, Konkurrenz, S. 884.

Soweit im folgenden von der Presse, dem Pressewesen oder Presseerzeugnissen die Rede ist, beschränken sich die Ausführungen im wesentlichen auf Zeitungen und Zeitschriften, da die Einbindung in wirtschaftliche und geistige Wettbewerbsprozesse hier am deutlichsten in Erscheinung tritt. Zudem gibt es nur in diesem Teilbereich der Presse eine ausreichende Rechtstatsachenforschung, die eine rechtswissenschaftliche Erörterung des Wettbewerbsprinzips fördern könnte. 3 BVerfGE 20, 162/175; vgl. auch E 66, 116/133.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

55

1. Abschnitt

Die faktische Ausgangssituation Die Verwirklichung des Wettbewerbsmodells besitzt auch eine pressespeziftSche Tradition. Das Pressewesen wird seit jeher vom Leitbild der Konkurrenz geprägt. Der Wettbewerb ist das tragende Sttukturprinzip eines privatrechtlich und außenpluralistisch organisierten freien Pressemarktes. Jedes Presseorgan muß sich mit den am Markt wirkenden Kräften auseinandersetzen und sich im Wettbewerb bewähren. Das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage entscheidet über seinen Erfolg oder Mißerfolg.

I. Der Dualismus der Wettbewerbsformen im Pressewesen Im Unterschied zu anderen Gebieten des Gemeinschaftslebens werden die Begriffe "Konkurrenz" oder "Wettbewerb" im Bereich der Presse in einem doppelten Sinn verwendet: Sie kennzeichnen einerseits den geistigen, andererseits den ökonomischen Wettbewerb der Presseerzeugnisse. Der wirtschaftliche Wettbewerb der Kommunikationsträger tritt neben dem geistigen Konkurrenzkampf, da Presseunternehmen vorwiegend - wenn auch nicht ausschließlich4 - erwerbswirtschaftlich orientiert sind. Der Vertrieb der Presseerzeugnisse ist auf wirtschaftlichen Ertrag angelegt. Sie müssen sich im und durch Wettbewerb fmanzieren. Es ist ein charakteristisches Wesensmerkmal der Presse, daß siegleichzeitig in geistige und wirtschaftliche Wettbewerbsprozesse eingebunden ist. "Das Spezifische der Zeitung besteht in ihrer doppelten Eigenschaft, einerseits ein zum Verkauf bestimmtes Wirtschaftsgut, andererseits Träger einer Meinung bzw. von Informationen ... zu sein..s. Der einheitliche Lebenssachverhalt Presse ist demnach sowohl dem materiell als auch dem immateriell bestimmten Wettbewerb zugeordnet6• Der Wettbewerb wird jeweils mit 4

Ausnahmen bestehen etwa bei primär weltanschaulich orientierten Kommunikationsträgem, die vorwiegend immaterielle Zwecke verfolgen. Die wirtschaftliche Komponente der Pressetätigkeit tritt hier in den Hintergrund. 5 E. Forstlwff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 67. Ahnlieh J. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 283. 6 Vgl. R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 168. Ähnlich R. Scholz, Entflechtung und Verfassung, S. 201; lkrs., Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 53.

56

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Hilfe der Presseerzeugnisse geführt. Nach marktwirtschaftliehen Prinzipien arbeitende Publikationen der verschiedensten Art und Richtung konkurrieren miteinander um Leser, Vertriebsentgelte und Werbeeinnahmen.

II. Der geistige Wettbewerb Das Pressewesen mit seinem Nebeneinander zahlreicher Kommunikationsträger7 wird auf der einen Seite durch das Strukturprinzip des publizistischen Wettbewerbs, der geistigen Konkurrenz zwischen den einzelnen Presseerzeugnissen geprägt8 • Der ' publizistische Wettbewerb ist das Verfahren, in dem die in einer pluralistischen Gemeinschaft notwendigerweise divergierenden Bedürfnisse nach massenmedial vermittelter Kommunikation aufeinander abgestimmt werden. Als Unterfall des allgemeinen, geistigen Wettbewerbs folgt er in seinen Grundstrukturen den bereits dargestellten Gesetzmäßigkeiten9. 1. Das Wettbewerbsverhältnis

Nicht alle Presseerzeugnisse konkurrieren miteinander. Ein publizistischer Wettbewerb ist im Regelfall nur dann gegeben, wenn mehrere voneinander unabhängige Publikationen desselben Typs (Tageszeitungen, FachEs ist daher zumindest mißverständlich, wenn eine dieser Komponenten weitgehend vernachlässigt wird. Prägnant H. Krüger, UFITA 38 (1962 III), S. 129 ff., der bei seiner grundsätzlichen Kritik am Wettbewerbsmodell allein den wirtschaftlichen Wettbewerb der Massenkommunikationsmittel untersucht. In diese Richtung tendiert auch E. Kantzenbach, in: W. HoffmannRiem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 80: "Meines Erachtens kommt man zwingend zu dem Ergebnis, daß publizistischer Wettbewerb an sich kein stabiles, funktionsfähiges System darstellt. Die von ihm erhofften kultur- und pressepolitischen Funktionen kann er nur im Zusammenhang mit dem ökonomischen Wettbewerb der Verlagsunternehmen erfüllen." 7 1986 wurden in der Bundesrepublik Deutschland insgesammt 388 Tageszeitungen, 46 Wochenzeitungen, 411 Publikumszeitschriften und 813 Fachzeitschriften herausgegeben (Quelle: Media Perspektiven, Daten zur Mediensituation in der Bundesrepublik, Basisdaten 1987, S. 45). Daneben gibt es noch eine Vielzahl von Anzeigenblättern und verbandsinternen Presseerzeugnissen. So verteilen allein die Gewerkschaften mehr als 50 Publikationen mir einer monatlichen Gesamtauflage von 17,4 Millionen Exemplaren unentgeltlich an ihre Mitglieder (H. Jürgensm, FAZ v. 22. 10. 1988, S. 3).

8

Die Begriffe "publizistischer Wettbewerb" und "geistiger Wettbewerb" werden im Bereich der Massenkommunikation in dieser Untersuchung als Synonyme verwendet. 9 Oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 3.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

57

zeitschriften, Programmzeitschriften etc.) mit vergleichbaren geistigen Inhalten um die Akzeptanz des gleichen Personenkreises werben. Wesentlich ist, daß diese Personen hier als Empfänger eines Geistesinhaltes und nicht als Käufer eines Wirtschaftsgutes angesprochen werden. Die Kaufentscheidung der Nachfrager eines Gutes ist ein Wesenselement des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Beim geistigen Wettbewerb im Pressewesen tritt die Nutzungsentscheidung der Rezipienten an ihre Stelle. Beide Steuerungsimpulse müssen "zumindest im theoretischen Ansatz"10 streng voneinander unterschieden werden. Allein der Kauf eines Presseerzeugnisses sagt noch nichts darüber aus, ob der Inhalt ganz, teilweise oder überhaupt nicht für die Befriedigung vorhandener Kommunikationsbedürfnisse genutzt wird. Die Rezipienten sind nicht gezwungen, den ganzen Inhalt der gekauften Publikation zu konsumieren. Der einzelne kann eine Zeitung kaufen, obwohl er nur einen einzigen Teil etwa den Lokalteil- nutzen will. In diesem Fall kann lediglich die genutzte Informationssparte publizistische Wirkung entfalten. Andererseits kann die einmal gekauft Zeitung auch von mehreren Personen gelesen werden. Die Mehrfachnutzung führt dann zu einer Vervielfachung der publizistischen Wirkung. Werden Presseerzeugnisse gratis verteilt (z. B. Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt) oder wie im Fall einer Verbandszeitschrift ohne gesonderte Berechnung an alle Verbandsmitglieder verschickt, fehlt eine Kaufentscheidung überhaupt. Hier wird besonders deutlich, daß allein die Nutzungsentscheidung über den Erfolg im publizistischen Wettbewerb bestimmt11. Die Rückkoppelung zu den Kommunikationsträgern erfolgt über die bei den Empfängern meßbare Akzeptanz des publizistischen Angebots. 10

Vgl. D. Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, S. 66: "Den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Ablaufs in der Presse bildet somit letztlich immer der Leser, der jedoch seinerseits im Rahmen dieses Wirtschaftablaufs die Funktion des Kunden erhält. Beide Funktionen fallen, zumindest im theoretischen Ansatz, auseinander, denn als Leser nimmt er eine geistige Funktion, als Kunde aber eine ökonomische Funktion wahr". Demgegenüber stellen F. Kübler, Festschrift für Löffler, S. 178; W. Hecker, Medienmacht und Rezipientenfreiheit, S. 97 f., 157, und E. Kantzenbach, in W. Hoffmann-Riem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 78 ff., die individiuelle Käuferentscheidung in den Vordergrund ihrer Überlegungen. Folgerichtig sieht ein Teil dieser Autoren in der unentgeltlichen Verteilung von Presseeneugnissen eine faktische Entmündigung der Leser (F. Kübler, Festschrift für Löffler, S. 184). - Dem ist entgegenzuhalten, daß wirtschaftlicher und geistiger Wettbewerb keine identischen Phänomene sind, mit der Folge, daß die Regeln des wirtschaftlichen Wettbewerbs nicht unbesehen auf den publizistischen Wettbewerb übertragen werden können. 11 Vgl. dazu W. Sachon, WRP 1980, S. 661.

58

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassun~rechtliche Grundlagen

Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß die Kaufentscheidung keinerlei Bedeutung für den geistigen Wettbewerb hat. Sie ist ein wichtiger Indikator für die Nutzenpräferenzen des Publikums12• Die sogenannte "Abstimmung am Kiosk"13 liefert den Wettbewerbern einige Informationen über die aktuellen Kommunikationsbedürfnisse der Leserschaft, da sie zumindest eine globale Zustimmung oder Ablehnung hinsichtlich der publizistischen Grundhaltung eines Presseerzeugnisses zum Ausdruck bringt. Aus der Sicht der Leser stehen mehrere Presseerzeugnisse dann in einem publizistischen Wettbewerbsverhältnis, wenn sie dem gleichen Typ angehören. Zudem muß ihre "Kommunikationsfunktion ... objektiv und subjektiv ... derart gestaltet sein, daß gleiche Kommunikationsbedürfnisse nicht unterschiedlich befriedigt werden"14• Entscheidend ist, daß die Publikationen im wesentlichen in gleicher Weise geeignet sind, die Bedürfnisse der Leser nach massenmedial vermittelter Kommunikation zu befriedigen. Dies hängt von dem Grad der Übereinstimmung der jeweils angebotenen Leistungen ab. Besonders wichtig ist die Identität der verbreiteten Presseinhalte. Mit zunehmender Überschneidung des Leseangebots intensivieren sich die Wettbewerbsbeziehungen zwischen den verschiedenen Anbietem15• Neben der Identität der Nachrichtenschwerpunkte sind aber auch Kriterien wie die redaktionelle Gestaltung, die politische oder konfessionelle Ausrichtung einer Publikation und anderes mehr für die Vergleichbarkeit der miteinander konkurrierenden Kommunikationsangebote von Bedeutung. So ist etwa der geistige Wettbewerb zwischen den einzelnen Erzeugnissen der Tagespresse besonders intensiv, wenn die Verantwortlichen im redaktionellen Teil jeweils die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Nachrichtenund Berichtsschwerpunkte setzen. In Teilbereichen ist dies unvermeidlich, da gewisse Tagesereignisse im Mittelpunkt des Interesses stehen und die umfassend informierenden Tageszeitungen zu einer entsprechenden Berichterstattung zwingen. Demgegenüber besteht zwischen der Tagespresse und den Fachzeitschriften so gut wie kein Wettbewerb, da Fachblätter ihrer 12 13

s. 267.

14

15

Vgl. etwa F. Kübler, DIT 49, Band I, D 61. Dazu J. Kaiser, Presseplanung, S. 15; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 IV 2, M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 201.

U. Nussberger, Die Mechanik der Pressekonzentration, S. 39: "Der Wettbewerb ist umso härter und unerbittlicher, je weniger sich die Art des Leseangebotes der um Geltung und Gefol~haft ringenden Titel unterscheidet ...•.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

59

Intention nach völlig anders geartete Nachrichtenträger mit anderen Informationsschwerpunkten sind. Die verbreiteten Geistesinhalte werden sich kaum überschneiden. Wegen der Ausweitung der Wissenschaftsdisziplinen und der wachsenden Vielfalt der Forschungsrichtungen gibt es auch zwischen den Fachzeitschriften verschiedener Wissenschaftsbereiche mangels Übereinstimmung der Inhalte keinen publizistischen Wettbewerb. Aus der Sicht des Lesers kann eine medizinische Fachzeitschrift nicht durch eine juristische ersetzt werden, weil beide völlig unterschiedliche Kommunikationsbedürfnisse befriedigen. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß zwischen Publikationen mit divergierenden Nachrichten- und Berichtsschwerpunkten in keinem Fall ein geistiges Konkurrenzverhältnis bestehen kann. Da alle Presseerzeugnisse im Regelfall mehrere Informationssparten bündeln, sind auch hier Konkurrenzbeziehungen möglich, soweit sich die Inhalte einzelner Informationssparten überschneiden. So kann z. B. eine politisch orientierte Tageszeitung mit einer rechtswissenschaftliehen Fachzeitschrift konkurrieren, sofern sich beide neben anderen Inhalten mit gleichgelagerten rechtspolitischen Themenkreisen befassen. Soweit die inhaltliche Übereinstimmung reicht, stehen sie miteinander im geistigen Wettbewerb, da sie zumindest in diesem Teilbereich in gleicher Weise geeignet sind, die Kommunikationsbedürfnisse der interessierten Leser zu befriedigen.

2. Der kommunikative Einßuß der Leser Die miteinander konkurrierenden geistigen Strömungen und die divergierenden Kommunikationsbedürfnisse der Empfänger werden durch den Meinungsmarkt geordnee6 • Auf diesem Markt ist die Leserschaft die maßgebliche Entscheidungsinstanz. Durch ihre Nutzungsentscheidungen steuert sie Verlauf und Richtung des Wettbewerbsprozesses17• Die Leser suchen sich ihr "Menü" aus dem Gesamtangebot der Printmedien zusammen. Sie nutzen die am Markt angebotene Leistung, wenn sie geeignet ist, ihre vielfältigen 16 17

Siehe dazu bereits oben 1. Teil, 3. Abschn., li, 3, c.

A. A. K. Seemann, ZRP 1988, S. 135: • Ein vom ökonomischen Wettbewerb losgelöster publizistischer Wettbewerb kennt allerdings keinen Steuerungsmechanismus wie der ökonomische Leistungswettbewerb". -Dabei übersieht er aber, daß der publizistische Wettbewerb anderen Gesetzmäßigkeilen folgt, als der wirtschaftliche Wettbewerb, was sich auch hinsichtlich des jeweils relevanten Steuerungsimpulses auswirkt.

60

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Kommunikationsbedürfnisse zu befriedigen. Neben den Informationsbedürfnissen kommt dabei auch den Bildungs- und Unterhaltungsbedürfnissen eine erhebliche Bedeutung zu18• Die "Annahme konkreter Medienangebote ... erweist sich als nutzenbestimmtes Handeln ..."19• Nach den Erkenntnissen der modernen Kommunikationsforschung nutzt das Publikum alle Medien ziel- und zweckorientiert auf der Grundlage seiner Wünsche und Interessen20. Grundlage jeder Mediennutzung ist ein Kommunikationsbedarf. Die individuellen Begehrensvorstellungen sind die maßgeblichen Auswahlkriterien. "Der Rezipient erwartet ... durch den Gebrauch der Massenmedien die Befriedigung seiner verschiedensten Bedürfnisse"21 • Ob und welchen von mehreren miteinander konkurrierenden Presseinhalten der Leser jeweils nutzt, hängt demnach allein von dem Grad der Bedürfnisbefriedigung ab, den ihm die einzelnen Leistungen jeweils bieten. Maßgeblich sind die Interessen, Absichten oder Ziele, die der einzelne Rezipient im Augenblick der Nutzungsentscheidung verfolgt: "Beachtet wird vor allem, was den schon bestehenden Erwartungen und Einstellungen entspricht, was zu den schon vorhandenen Vorstellungen und Wertungen paßt, was Bezug zu aktuellen Bedürfnissen hat, worauf man gespannt ist, was die Sensationslust befriedigt oder wovon man sich sonst Vergnügen verspricht"22• Die Entscheidung für einen bestimmten Presseinhalt bringt die Wünsche und Bedürfnisse des Lesers, aber auch Kritik und Ablehnung gegenüber anderen Inhalten zum Ausdruck. Indem er einem bestimmten Geistesinhalt den Vorzug gibt, optiert er zugleich für eine bestimmte publizistische Grundhaltung. Jeder Rezipient liefert auf diese Weise fortlaufend Informationen dahingehend, in welche Richtung die im Wettbewerb stehenden Presseunternehmen

18

Zu den Motivationen dieser Bedürfnisse siehe etwa W. Geiger, Festschrift für A. Amdt, S. 119 ff; ders., AfP 19TI, S. 256; M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 197 f. 19 R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 364. Ähnlich H. Bismark, Neue Medientechnologjen und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 159; E. Noelle-Neumann, in: M. Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 98; dies., Öffentlichkeit als Bedrohung, S. 62; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 IV 2, S. 266.

20

Vgl. zum sog. Nutzenansatz (uses-and-gratifications-approach) die zusammenfassende Darstellung von K Renckstorf, Neue Perspektiven in der Massenkommunikationsforschung, S. 14 f., 123 ff., 181 ff. Siehe auch H. Stipp, MP 1989, S. 164 ff. 21 H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 159. 22 R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 IV 2, S. 266.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

61

ihre Anstrengungen verstärken müssen, um den erstrebten publizistischen Erfolg zu erlangen. Die Reaktion der Leser auf die von einem Wettbewerber verbreiteten Geistesinhalte tritt einmal deutlich sichtbar in Leserbriefen, einer steigenden oder sinkenden Zahl von Anzeigenaufträgen oder in den von den Verlagen durchgeführten Leserbefragungen zu Tage. Der Wirkungsgrad einer publizistischen Leistung äußert sich überdies in dem spürbaren Einfluß eines Presseinhalts auf das Denken und die Meinung der Leserschaft. Sie wird insoweit ihrerseits zum Informationslieferanten. Ihre Meinungsströmungen und Stimmungsbilder gehen wiederum in die von den Journalisten gesammelten Informationen ein und werden in ihren Beiträgen bewertet und verarbeitet. Schließlich zwingt auch die Finanzierung der Presseerzeugnisse die Verlage zu einer Publikumsorientierung. Das ist bei den Verkaufsentgelten offensichtlich. Gewinn- und Verlusterwartungen sind hier die maßgeblichen Anreize, den publizistischen Bedürfnissen der Leser zu entsprechen23• Deren Erwartungen beeinflussen über das Medium der Kaufentscheidung das publizistische Angebot der Presse. Aber auch die Werbefmanzierung bewirkt eine verstärkte Publikumsftxierun~. Die Interessen der Nutzer werden umso relevanter, je mehr die Presseerzeugnisse Medien für eine zielgruppengerechte Werbung sind. Die Verlage können den von ihnen angebotenen Anzeigenraum nur dann verkaufen, wenn sie innerhalb der Zielgruppe einen publizistischen Erfolg nachweisen können. Die tatsächliche Nutzung der Publikation durch eine Vielzahl von Lesern ist eine Voraussetzung dafür, daß eine Werbebotschaft im gewünschten Umfang zur Kenntnis genommen werden kann. Der publizistische Erfolg wiederum korreliert mit dem Erfolg der Presseschaffenden, die Kommunikationsbedürfnisse der Leserschaft zu befriedigen. Das bedeutet aber nicht, daß sich der kommunikative Einfluß der Rezipienten in institutionell verfestigten Bahnen vollzieht. Dem steht schon die Komplexität aller am Meinungsmarkt geäußerten Kommunikationswünsche entgegen. Die Interessen sind individuell unterschiedlich geprägt, da die Leser divergierende Auffassungen darüber haben, was sie jeweils als informie23

Dazu D. Stommler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, S.

67; R. Wimmer, NJW 1982, S. 2794. 24

Dieser Sachzwang ist weiterhin anerkannt. Vgl. nur B. Jünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 29; W. Sachon, Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschrirtenmarkt, S. 84; ders., WRP 1980, S. 660.

62

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

rend, meinungsbildend oder unterhaltend empfmden. Was für den einen Leser eine notwendige Information ist, kann für den anderen völlig unnütz sein. Zudem unterliegen die Erwartungen im Zeitablauf einem ständigen Wandel25; die Kommunikationssituation ist demnach notwendigerweise offen. Für die Wettbewerber bedeutet dies, daß sie ihr publizistisches Angebot nicht ausschließlich und endgültig an dem zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Nutzungsinteressen der Empfänger ausrichten können. Kein Presseunternehmen kann sich auf die Kontinuität des Nachfrageverhaltens verlassen. Sie sind vielmehr gezwungen, ihre Leistungen ständig an die wechselnden Wünsche und Vorstellungen der Interessenten anzupassen. Ist nur ein einziger Verlag am Meinungmarkt vertreten, ist dessen Bindung an die Interessen, Meinungen und Belange der Leser ungleich geringer. Mangels divergierender Kommunikationsangebote kann ein Presseinhalt unabhängig von den Erwartungen der Rezipienten gestaltet werden. Ein derartiges Verhalten ist jedoch nachteilig, sobald es einen zweiten Kommunikationsträger gibt, der gleiche oder ähnliche Leistungen anbietet: Der Presse stehen freie Leser gegenüber, die auf der Grundlage ihrer individuellen Nutzenpräferenzen zwischen den miteinander konkurrierenden geistigen Erzeugnissen frei wählen können. Die Befürchtung, der Leser könne auf ein Konkurrenzprodukt ausweichen, veranlaßt jeden Wettbewerber, sich an den Erwartungen seiner Abnehmer zu orientieren. Der geistige Wettbewerb im Bereiche der Presse ist demnach keine kommunikative Einbahnstraße. Der Empfänger "medienmäßig vermittelter Meinungen oder Infomalionen ist nicht bloß passives Kommunikationsobjekt, sondern ebenso aktives bzw. re-aktives Kommunikationssubjekt"26• Massenkommunikation "spielt sich nicht nur in Rollen eines vermittelnden Mediums und eines rezipierenden Bürgers ab, sondern setzt geradezu einen Prozeß von Geben und Nehmen voraus. Es gibt weder eine eindeutig aktive, noch eine eindeutig passive Seite im Kommunikationsprozeß, sondern sowohl die Medien als auch die Rezipienten nehmen auf beiden Seiten, wenn auch mitunter mit verschiedenen Schwergewichten, daran teil"27• Der publizistische Wettbewerb ist demnach ein fortwährender Prozeß der Interak25 26

27

Siehe zu diesen Fragen bereits oben 1. Teil, 1. Abschn., I. R Scholz, Festschrift für LöfOer, S. 361.

H. Bi.smark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 157 f.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

63

tion, da er jeden einzelnen Leser in das Kommunikationsgeschehen einbezieht und die Anpassung der publizistischen Angebote an die Nutzenpräferenzen aller Empfänger ermöglicht28• In ihrer Gesamtheit sind sie die maßgebliche Marktmacht Sie entscheiden darüber, "welche Zeitungen einer bestimmten Richtung mit welcher Reichweite erscheinen sollen"29• Auf diese Weise beeinflussen sie den Inhalt der Presse und damit Art und Zusammensetzung des publizistischen Angebots. Durch die Akzeptanz eines bestimmten Presseinhalts bestimmen sie zugleich über den publizistischen Erfolg oder Mißerfolg der miteinander konkurrierenden Presseunternehmen. Der publizistische Erfolg eines jeden Wettbewerbers resultiert aus der Summe aller auf die von ihm verbreiteten Presseinhalte entfallenden Nutzungsentscheidungen. Nur der Medienunternehmer, der im wesentlichen den Publikumsgeschmack trifft, kann sich am Markt der Meinungen behaupten. Er ist erfolgreich, wenn er den Lesern Kommunikationsgelegenheiten für ein bisher unbefriedigtes oder latentes Kommunikationsbedürfnis bietet. Der publizistische Erfolg wirkt sich dann zugleich auf den ökonomischen Erfolg des Presseunternehmens aus.

111. Der wirtschaftliche Wettbewerb Die Presse war zu keiner Zeit ausschließlich ein Reich der immateriellen Werte, wenn auch die Verlage in der Anfangszeit massenmedialer Kommunikation nur eine bescheidene unternehmecisehe Bedeutung besaßen30• Bereits im 17. Jahrhundert wurden Zeitungen nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen betrieben31 • Seitdem ist es für das Pressewesen charakteristisch, daß Informationen als entgeltliche Ware angeboten und verkauft werden und daß ihre Verbreitung auf wirtschaftlichen Ertrag angelegt ise2• Dies 28

29 30 31

32

Das betont R. Scholz, Festschrift für Löfner, S. 363 f. J. Kaiser, Presseplanung, S. 63

Zahlenangaben bei P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 7, FN 4. Vgl. E. Dovifat, Presse, S. 517.

So etwa M. Bullinger, JZ 1987, S. 262. Vgl. weiterhin H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, S. 54. Diese Tatsache wird von den Autoren verdrängt, die die räsonierende Meinungspresse des 19. Jahrhunderts

64

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

ist sogar eine innere Notwendigkeit, weil Presseunternehmen sich selbst finanzieren müssen und um ihrer Unabhängigkeitwillen auch selbst fmanzieren sollen. Es ist deshalb unverständlich, daß die wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Existenz in der wissenschaftlichen Diskussion lange verdrängt worden sind und zum Teil noch heute verdrängt werden. E. Forsthoff betont demgegenüber mit Recht, daß es sich nicht um eine "unschickliche Seite des Pressewesens" handele3 • Presse läßt sich als durch wirtschaftliche Gesichtspunkte bestimmter Vertrieb geistiger Güter umschreiben. Die Presse ist ein Wirtschaftszweig wie jeder andere34, wenn auch das Verhalten der Unternehmer neben der wirtschaftlichen in besonderem Maße von einer geistig-ideellen Zielsetzung bestimmt wird. Grundsätzlich sind aber auch Presseprodukte "Waren, die in der Absicht, Gewinne zu erzielen, massenweise hergestellt und veräußert werden"35• Ein Verlag ist demnach ein publizistisch orientiertes Wirtschaftsunternehmen, daß den bereits dargestellten Eigengesetzlichkeilen des wirtschaftliehen Wettbewerbs,36 vor allem dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterworfen ist. Die Presseunternehmen fmanzieren sich im wesentlichen durch Vertriebs- und Anzeigeneinnahmen. Der Umsatz einer Publikation läßt sich folglich als Produkt aus Kunden (Käufer und Interessenten) und Preisen (Vertriebs- und Anzeigenpreise) defmieren37• Obwohl jedes Presseerzeugnis als einheitliches Endprodukt erscheint, wird die Presse in sachlicher Hinsicht auf zwei grundsätzlich verschiedenen Märkten tätig: dem Kommunikations- oder Lesermarkt und dem Werbe- oder Anzeigenmarkt38• Sie erbringt einseitig in den Vordergrund ihrer Betrachtungen stellen. Prägnant F. Kübler, D.Tf 49, Band I, D30f. 33 Der Staat 5 (1966), S. 2. So im Ergebnis auch W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 39.

34

Das betonen K P. Kisker, in: Klaue I Knoche I Zerdick, Probleme der Pressekonzentrationsforschung, S. 231; W. Hoffmann-Riem / H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 12; W. Leisner, Die Pressegleichheit, S. 148; D. Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, S. 72. A. A. B. Rüthers, AfP 1m, S. 310. 35 l. Wolf, Medienfreiheit und Medien unternehmen, S. 283. Vgl. auch E. Forsthoff, Der Staat 5 (1966), S. 2. 36 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., II, 2.

37 38

Vgl. K Teckentrup, Festschrift für Bringmann, S. 280.

Diese Zweiteilung der für Zeitungen und Zeitschriften wirtschaftlich maßgeblichen Märkte ist allgemein anerkannt. Siehe etwa BGHZ 76, 55110; KG, WuWIE OLG 1768;

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

65

hier zwei voneinander trennbare untemehmerische Leistungen (Information und Bereitstellen von Anzeigenraum) zu verschiedenen Entgelten gegenüber zwei unterschiedlichen Kundengruppen (Käufer und Inserenten). 1. Der wirtschaftliche Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt

Auf dem Kommunikationsmarkt stehen sich Presseunternehmen und Nachfrager in einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis gegenüber. Im Gegensatz zum geistigen Wettbewerb treten die Nachfrager hier nicht als Empfänger von Geistesinhalten39, sondern in ihrer Eigenschaft als Käufer einer Handelsware in Erscheinung. Es ist wenig sinnvoll, den Kommunikationsmarkt mit dem gesamten Markt für Presseerzeugnisse gleichzusetzen. Dem steht schon die Produktdifferenzierung im Bereich der Presse entgegen, die diesen Markt "infolge der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung und der damit verbundenen Auswahl der Leserschichten in zahlreiche Sekundärmärkte aufteiltn40. Der jeweils relevante Markt muß erst ermittelt werden, bevor im Einzelfall die Konkurrenzbeziehungen festgestellt werden können. Entscheidend ist, welche Erzeugnisse des Angebots aus der Sicht der Nachfrager funktionell austauschbar sind. Der Kommunikationsmarkt läßt sich demnach entsprechend der zeitlichen Erscheinungsweise, der inhaltlichen Gestaltung, der Vertriebsform und der räumlichen Verbreitung der Presseerzeugnisse in verschiedene Teilmärkte gliedem41 • Da ist einmal der Zeitungsbereich, den man in Tages-, Sonntags- und Wochenzeitungen, die Tageszeitungen in Abonnement- und BKartA, WuW/E BKartA 1733 f.; F. Kübler / S. Simitis, JZ 1969, S. 446; F. Kübler, Dlf 49, Band I, D 13; E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 112 f.; W. Möschel, ZGR 1982, S. 343; E. Spieler, Fusionskontrolle im Medienbereich, S. 46 f.; M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 180; J. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 400. 39 Vgl. zur Nutzungsentscheidung als Steuerimpuls der geistigen Konkurrenz bereits oben 2. Teil, 1. Abschn., II, 1. 40 E. Mestmäcker, JJb 10 (1969/1970), S. 102. 41 Das Problem der Abgrenzung des relevanten Lesermarktes wird in erster Linie bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts aktuell. Dazu Möschel, ZGR 1982, S. 343; E. Spieler, Fusionskontrolle im Medienbereich, S. 48 f.; P. Ulmer, AfP 1975, S. 880; ders., Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, S. 44 f.

66

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verlassunprechtliche Grundlagen

Straßenverkaufszeitungen und jeden Teilbereich wiederum in lokale, regionale und überregionale Zeitungen untergliedern kann. Daneben läßt sich der Lesermarkt noch in Teilmärkte für Zeitschriften, Illustrierte, bereichsspezifische Fachzeitschriften und anderes mehr unterteilen. Jede dieser Kategorien bildet einen eigenständigen wirtschaftlichen Teilmarkt Auf den einzelnen Märkten sind die Presseunternehmen unabhängig voneinander und damit in Rivalität untereinander bestrebt, potentielle Kunden zu einem Kaufabschluß zu bewegen. Der wirtschaftliche Wettbewerb soll hier Angebot und Nachfrage nach Presseerzeugnissen ausgleichen. Der Wettbewerb wird durch das individuelle Käuferinteresse gesteuert. Dieses Interesse kann "sich gegenüber der Presse unmittelbarer und wirksamer zur Geltung bringen ... als gegenüber anderen Produkten, da Zeitungen im Gegensatz zu anderen Waren kein Objekt für Großabnehmer unter den Endverbrauchern sind, nicht wertbeständig sind und nicht auf Lager genommen werden ...'"'2 können. Da die Nachfrage atomistisch strukturiert ist43, besitzt jeder "einzelne" Käufer weit größere Einflußmöglichkeiten als in anderen Bereichen der Wirtschaft, wo Großabnehmer die entscheidende Nachfragemacht ausüben. Die Käufer bezahlen im Regelfall für den Erwerb eines Presseerzeugnisses einen bestimmten Preis44, dessen Höhe die Wertschätzung der Nachfrager45 und die Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Teilmarkt widerspiegelt. Die Vertriebserlöse eines Presseunternehmens hängen von der verkauften Auflage und dem am Markt durchsetzbaren Vertriebspreis ab. Insoweit weist der Lesermarkt die Besonderheit auf, daß "die Beziehung Preis - qualitatives Angebot nicht so eng ist wie bei den übrigen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern ...1046• Im Vergleich zum qualitativen Angebot ist der Preis eher gering47• Dafür sind mehrere Gründe ausschlaggebend: Zum einen will die Presse von ihrem Selbstverständnis her auch die sozial schwachen Schichten erreichen, was den Preis nach oben begrenzt. Zum anderen wird ein Teil der Redaktionskosten durch die Gewinne aus anderen Unternehmenssparten-etwa dem Werbegeschäft- fmanziert. 42

43 44

J. /(Qiser, Presseplanung, S. 15.

Das betont J. Kaiser, Presseplanung, S. 15.

Eine Ausnahme bilden die gratis verteilten Publikationen, die durch Werbung, Spenden oder auf andere Weise finanziert werden.

45

46

47

SoM. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 22. M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 165. Zum folgenden M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 164 f.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

67

Eine weitere Besonderheit ist die relative Nutzungsunabhängigkeit der Preisgestaltung. Die meisten Presseerzeugnisse sind sogenannte Mehrfachprodukte. Als Folge davon, muß der Preis für die gesamte Publikation gezahlt werden, auch wenn der Leser nur eine bestimmte Informationssparte etwa den Lokalteil einer Tageszeitung - nutzt48• Besteht hinsichtlich dieses Teiles eine hohe Wertschätzung, wird unter Umständen ein Preis gezahlt, der aufgrund der anderen Teile nicht gerechtfertigt ist.

2. Der wirtschaftliche Wettbewerb auf dem Werbemarkt Die Verlagsunternehmen konkurrieren vielfach nicht nur auf dem Kommunikations-, sondern auch auf dem Werbemarkt miteinander. In ihrer Gesamtheit besitzt die Presse auf diesem Markt ein bedeutendes Gewicht. Mit einem Nettowerbeumsatz von über 13,5 Milliarden DM konnten die Printmedien 1988 mehr als zwei Drittel des bundesdeutschen Werbeaufkommens auf sich vereinen49 • Die Erkenntnisse über die wirtschaftliche Konkurrenz auf dem Kommunikationsmarkt können nicht auf den Werbemarkt übertragen werden, da die Presseunternehmen hier mit einem anderen Angebot eine anders geartete Nachfrage befriedigen. Auf dem Werbemarkt stehen sich Verlage und Werbetreibende in einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis gegenüber. Auch hier ist es wenig sinnvoll, den Anzeigenmarkt mit dem gesamten Markt für Presseerzeugnisse gleichzusetzen. Es konkurrieren jeweils nur die Presseerzeugnisse miteinander, die aus der Sicht der Werbetreibenden dem gleichen relevanten Markt angehören, weil sie eine vergleichbare Kontaktintensität zwischen Werbung und gewünschter Zielgruppe gewährleisten50• Die Wettbewerbsintensität ist am größten, wenn gleichartige Publikationen

48

Vgl. M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 181, 215, der darin eine Besonderheit der Massenmedien sieht. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß zwischen den einzelnen Medien wiederum erhebliche Unterschiede im Grad der Nutzungsunabhängigkeit der Preisgestaltung bestehen. 49 Dazu im einzelnen C. Rülder, MP 1989, S. 305 ff. 50

Die Frage der Abgrenzung des relevanten Anzeigenmarktes wird in erster Linie bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts aktuell. Vgl. etwa M. Steinmann, Massenmedien und Werbung, S. 238; P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, S. 45 ff.

68

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

"im wesentlichen dasselbe Verbreitungsgebiet haben und dieselben Bevölkerungskreise ansprechen..s1• Auf dem jeweils relevanten Werbemarkt sind die Presseunternehmen unabhängig voneinander und damit in Rivalität untereinander bestrebt, potentielle Werbekunden zu einem Inseratenauftrag zu bewegen. Sie treten als Anbieter von Anzeigenraum in Erscheinung, den sie den Werbetreibenden gegen tarifiertes Entgelt zur Verfügung stellen52• Der wirtschaftliche Wettbewerb auf dem Anzeigenmarkt soll Angebot und Nachfrage nach Anzeigenraum miteinander ausgleichen. Er wird durch die Entscheidungen der Inserenten gesteuert. Unter mehreren miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen erteilen sie jeweils der Publikation einen Anzeigenauftrag, die ihnen die beste Werbemöglichkeit bietet. In diesem Zusammenhang ist es zweckmäßig, zwischen den Anzeigenaufträgen der privaten Haushalte und den Inseraten der werbetreibenden Wirtschaft zu differenzieren, da beide Gruppen ein unterschiedliches Nachfrageverhalten zeigen. Die Gelegenheitsanzeigen privater Haushalte gründen sich auf wirtschaftliche Einzelsituationen. Zudem sind sie "vielfach gar nicht eine Angelegenheit logischen Überlegens, sondern eine selbsttätige Reaktion des Unterbewußten, in welchem das Bild des gegebenen Werbeträgers sich niedergeschlagen hat und aus dem es bei sich bietender Gelegenheit auftaucht"53• Demgegenüber disponiert die werbetreibende Wirtschaft über ihren Anzeigenetat nach möglichst rationalen ökonomischen Gesichtspunkten. Der Preis des angebotenen Anzeigenraums ist das nachfragebestimmende Merkmal. Daneben hängt die Entscheidung über die Erteilung eines Anzeigenauftrags an einen bestimmten Konkurrenten aber von weiteren Faktoren abS4. Dazu gehören etwa die Reichweite des Presseerzeugnisses und die demographischen Eigenheiten seiner Leserschaft. Diese Kriterien bestimmen darüber, ob und wieviele werbewirksame Kontakte in der nach absatzpolitischen Gesichtspunkten ausgewählten Zielgruppe des Werbetreibenden zustandekommen. 51

52

E. Mestmäcker, JJb 10 (196911970), S. 112.

Ausführlich zur Gestaltung der Anzeigenpreise U. Nussberger, Die Mechanik der Pressekonzentration, S. 73 ff. 53 U. Nussberger, Die Mechanik der Pressekonzentration , S. 83 f. 54

Dazu im einzelnen M Steinmann, Massenmedien und Werbung. S. 33 ff.; U. Nussberger, Die Mechanik der Pressekonzentration, S. 67 ff. E. Kantzenbach / H. Greiffenberg, in: Klaue I Knoche I Zerdick, Probleme der Pressekonzentrationsforschung. S. 197 f., stellen demgegenüber allein den Anzeigenpreis in den Vordergrund.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

69

Demnach geben diese Aspekte über den Werbewert eines Presseerzeugnisses Auskunft.

3. Die Verknüpfung von Kommunikations- und Werbemarkt Die getrennte Darstellung darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß Kommunikations- und Werbemarkttrotz ihrer sachlichen Selbständigkeit in enger Wechselbeziehung zueinander stehen. "Zwischen beiden besteht eine gegenseitige Abhängigkeit'.ss. Deutlich wird dies schon in der Verflechtung von redaktioneller Leistung und Anzeigenteil in einem einheitlichen Endprodukt. Beide Güter werden "als Kuppelprodukt auf dem Kommunikationsmarkt angeboten"56• Aus diesem Grund erzielt jede Veränderung auf dem Kommunikationsmarkt einen Effekt auf dem Werbemarkt, wie auch umgekehrt Änderungen auf dem Anzeigenmarkt Auswirkungen auf den Lesermarkt zeitigen. "Die Auflage einer Zeitung wird im wesentlichen zunächst von dem Interesse bestimmt, das sie bei den Lesern fmdet; die Höhe der verkauften Auflage und damit ihre Verbreitung sind aber für die Anzeigennachfrage maßgeblich..s1. Der potentielle Werbewert einer Publikation und damit die Zahl der Anzeigenkunden steigt oder fällt mit der Höhe der verkauften Auflage. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, daß sich mit jeder Änderung der Auflage bei einem gleichbleibenden Seitenpreis des Anzeigenraums zugleich die nachfragebestimmenden Tausenderpreise ändem58• Der Erfolg auf dem Werbemarkt beeinflußt seinerseits die Stellung auf dem Lesermarkt, da die Gewinne aus dem Anzeigengeschäft eine weitere Auflagensteigerung ermöglichen.

55 56

K Teckentrup, Festschrift für Bringmann, S. 271.

E. König, Die Teletexte, S. 151. Vgl. auch BGHZ 76, 55170; F. Kübler, Medienverflechtung, S. 20; P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, S. 54. 57 KG, WuWIE OLG 2232. Ähnlich W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbe-

werbsgesetz, S. 5 f. 58 Dazu und zum folgenden E. Kantzenbach / H. Greiffenberg, in: Klaue I Knoche I Zerdick, S. 198 f.; E. Spieler, Fusionskontrolle im Medienbereich, S. 38. U. Nussberger, Die Mechanik der Pressekonzentration, S. 62 f., spricht von einem dynamischen Kreislauf.

70

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

IV. Das Verhältnis von geistigem und wirtschaftlichem Wettbewerb Das Verhältnis zwischen publizistischem und ökonomischem Wettbewerb läßt sich gerade im Medienwesen nur schwer aufschlüsseln, da es sich hier bei dem Phänomen der Konkurrenz um ein reales Beziehungsgeflecht von nahezu unendlicher Komplexität handelt. 1. Die Trennung und Gegenüberstellung von Publizistik und Ökonomie Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang alles versäumt, was zu einer Klärung der Beziehungen von Publizistik und Ökonomie hätte beitragen können. Es hat die ohnehin bestehenden Unklarheiten sogar noch verschärft, da es zwischen den verschiedenen Massenkommunikationsmitteln unterscheidet und divergierende Verhältnisbestimmungen trifft'9. In seinen Entschiedungen zur Pressefreiheitsgarantie betonte das Gericht mehrfach, daß Presseunternehmen "miteinander in geistiger und wirtschaftlieber Konkurrenz" stehen, "in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf'60• Geistiger und wirtschaftlicher Wettbewerb werden hier in einem Atemzug genannt. Der Schluß liegt nahe, daß das Gericht den engen Zusammenhang zwischen Publizistik und Ökonomie erkannt hat und durch die doppelte Konkurrenz-Deutung besonders herausstellen wollte. Dafür spricht auch die Tatsache, daß das BVerfG in seinen Entscheidungen stets darauf hingewiesen hat, daß der fmanziellen Basis der Presse eine entscheidende Bedeutung zukommt, da eine eigenverantwortliche publizistische Tätigkeit erst auf der Grundlage einer gesicherten Finanzierung möglich ist61, welche eine wesentliche Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Presseorgane darstellt62• Die publizistische und die ökonomische Ebene der Pressetätigkeit können demnach nicht voneinander getrennt werden. Sie stehen in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit.

59 60 61 297/343. 62

Siehe dazu bereits oben in der Einleitung II. BVerfGE 20, 162/175; so auch E 66, 116/133. Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 64, 108/114; E 73, 118/180 ff.; E 74, So BVerfGE 64, 108/114.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

71

Im völligen Gegensatz zu dieser Konzeption steht die Rechtsprechung zur Rundfunkfreiheit Nach dem bereits Gesagten61 orientiert sich das BVerfG im Bereich des Rundfunks mittlerweile an einem vollkommenen geistigen Wettbewerb, der sich losgelöst von jeder wirtschaftlichen Grundlage in einem ökonomischen Vakuum vollzieht. Finanziellen Argumenten wird keine Bedeutung beigemessen. Der publizistische Wettbewerb soll sich unabhängig von den wirtschaftlichen Ressourcen der Beteiligten entfalten. Dies gilt jedenfalls für die privaten Rundfunkveranstalter64 • In der 5. Fernseh-Entscheidung stellt das BVerfG ausdrücklich fest, daß die Qualität des regionalen und lokalen Programmangebots und damit denknotwendig das Überleben eines privaten Rundfunkanbieters "nicht ohne weiteres" von der Höhe seiner Finanz- und Wirtschaftskraft abhänge65• Publizistik und Ökonomie stehen hier isoliert nebeneinander. Die ökonomischen Bedingungen publizistischer Konkurrenz bleiben ungeklärt. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Ebenen der Medientätigkeit oder gar Wechselwirkungen zwischen geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz scheint es aus dem Blickwinkel des BVerfG nicht zu geben. In diese Richtung tendiert auch ein Teil des Schrifttums. Publizistik und Ökonomie werden einander gegenübergestellt und strikt voneinander getrennt66. Das führt letztlich zu dem Ergebnis, daß den Massenkommunikationsmitteln ein ausschlaggebender Einfluß in der geistigen Auseinandersetzung eingeräumt, ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage aber weitgehend negiert wird67• 2. Der unmittelbare Zusammenhang von Publizistik und Ökonomie Diese These ist so unter keinen Umständen haltbar. Wirtschaftlicher und geistiger Wettbewerb sind zwei grundlegend verschiedene Erscheinungsfor63 64

Oben Einleitung II.

Die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten werden demgegenüber durch eine unbegrenzte Finanzierungsgarantie vor den Auswirkungen des Wettbewerbs geschützt (BVerfGE 74,297/342. Dazu kritisch Ch. Degenhart, ZUM 1988, S. 56 f.). 65 BVerfGE 74,297/336. 66 So ausdrücklich E. Friesenhahn, Festgabe für Kunze, S. 36. Auf dieser Grundlage argumentiert auch W. Schmidt, Die Rundfunkgewährleistung, S. 22. 67 Typisch hierfür L. Fröhler, Werbefernsehen und Pressefreiheit, S. 22 f.

72

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassunprechtliche Grundlagen

men des allgemeinen Wettbewerbsmodells68, und daher keinesfalls identisch(#}. Sie folgen in ihren Grundstrukturen jeweils den für sie maßgeblichen Eigengesetzlichkeiten. Die wesensgemäßen Unterschiede bleiben auch dann bestehen, wenn geistiger und wirtschaftlicher Wettbewerb- wie im Medienwesen - zusammentreffen. Aus dem Grundsatz der Nichtidentität ist aber nicht zu folgern, daß zwischen den beiden Erscheinungsformen des Wettbewerbs eine strikte Trennungslinie gezogen werden kann. Publizistik und Ökonomie stehen in einem privatwirtschaftlich geordneten Medienwesen schon wegen der Verschränkung von publizistischen und ökonomischen Interessen in einem engen Zusammenhang. Beide Aspekte der Medientätigkeit können demnach nicht völlig isoliert voneinander gesehen werden. R. Scholz spricht treffend von "der funktionsnotwendigen Einheit von ökonomischem und publizistischem Wettbewerb"70• Dieser Zusammenhang besteht zum einen im Bereich der privatwirtschaftlich organisierten Presse71 • Er existiert aber auch im Rundfunkwesen72, wobei es ohne Bedeutung ist, ob der Rundfunk privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich strukturiert ist, da die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten zumindest über den Werbe-

68 69

Vgl. die Ausführungen oben 1. Teil, 3. Abschn., II.

Das betonen R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 44 f.; ders., DÖV 1975, S. 136; H. Schneider, Verfassunprechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, S. 26 f.; H.-1. Papier, Der Staat 13 (1974), S. 400. Demgegenüber postuliert E. Kantzenbach, in: Hoffmann-Riem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 80, eine weitgehende Identität von kommunikativem und ökonomischem Wettbewerb, da die publizistische Konkurrenz nur im Zusammenhang mit dem ökonomischen Wettbewerb der Verlapunternehmen funktionsfähig sei. Vgl. auch J. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 409, FN 93, der jede Unterscheidung zwischen publizistischem und ökonomischem Wettbewerb ablehnt. 70 Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 168. 71 So im Ergebnis übereinstimmend Ch. Degenhart, AfP 1987, S 650; ders., Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 373; B. Jünemann, Meinunpfreiheit und Medienentwicklung, S. 26; J. Kaiser, Presseplanung, S. 62; W. Mal/mann, DIT 49, Band II, N 21; P. Ulmer, AfP 1975, S. 876; ders., Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, S. 73. Vgl. auch die Ausführungen der Monopolkommision, Sondergutachten 11, S. 12, Teilziff. 11; H. P.lpsen, Presse-Grosso im Verfassunprahmen, S. 32. WeitergehendE. Mestmäcla!r, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 113.; ders., AfP 1978, S. 5, der davon ausgeht, daß jedes Verhalten eines Medienunternehmens beide Tätigkeitsfelder zugleich beeinflußt. 72 Vgl. etwa Ch. Degenhart, ZUM 1988, S. 52; S. Klaue, in: Hoffmann-Riem, Rundfunk

im Wettbewerbsrecht, S. 91; W. Schmitt G/aeser, DÖV 1986, S. 821; K Seemann, DÖV 1987, S. 848; ders., ZUM 1988, S. 75 ff.

1. Abschn.: Die faktische Ausgangssituation

73

markt gleichfalls in das wirtschaftliche Wettbewerbssystem eingebunden sind73• "Mediale Verbreitungsfreiheit und Wirtschaftsfreiheit stehen in enger Wechselbeziehung, wenn sie auch nicht in jeder Hinsicht harmonisieren"74• Beide Bereiche stehen in einem Ergänzungs- und Abhängigkeitsverhältnis, wenn sie auch nicht immer notwendigerweise gleichlaufen75• Letzteres ist in den Fällen offensichtlich, in welchen ein Presseerzeugnis überhaupt nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt. Es sei an das schon mehrfach erwähnte Beispiel der Gratisverteilung von Presseerzeugnissen erinnert. Aber auch darüber hinaus müssen geistiger und wirtschaftlicher Wettbewerb der Kommunikationsträger nicht zwingend parallel verlaufen. Zum einen ist die Motivation der Presseschaffenden nicht ausschließlich auf Gewinnmaximierung fJ.Xiert'6• Nichtwirtschaftliche Zielsetzungen wie altruistische Bestrebungen und Prestigedenken besitzen eine weithin unterschätzte Bedeutung. So treten etwa bei der Partei- und Weltanschauungspresse politische und religiöse Intentionen als richtungsweisende Faktoren in den Vordergrund des verlegerischen Kalküls. Auch das Streben nach einer Steigerung des kommunikativen Einflusses kann den Medienunternehmer dazu veranlassen, auf eine theoretisch denkbare Gewinnerhöhung zu verzichten. Zum anderen können selbst ökonomische Erwägungen einem Gleichlauf von geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz entgegenwirken. Aus diesem Grunde stellt die wirtschaftliche Konzentration für sich allein keine unwiderlegbare Vermutung für eine publizistische Konzentration auf. Es ist "nicht in jedem Fall ausgemacht, daß wirtschaftliche Konzentration notwendig zu uniformer Publizistik führt'177• Allein die wirtschaftliche Machtstellung eines Presseunternehmens erlaubt kein endgültiges Urteil über seine Rolle im geistigen Konkurrenzkampf8• Selbst ein Monopolist kann, um das Nach73

Daraufweisen etwaS. .Kkn.le, in: Hoffmann-Riem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 91, und K Seemann, ZRP 1988, S. 132 hin. Zahlenangaben zum Werbevolumen der Rundfunkanstalten bei K Teckentrup, Festschrift für Bringmann, S. 1J37 f.

74 75

M. Bullinger, JZ 1987, S. 262.

Prägnant J. Kaiser, Presseplanung, S. 62; vgl. auch H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, S. 27. 76 Dies unterstreicht W. Schmitt Glaeser, DÖV 1986, S. 821. 77 W. Möschel, ZGR 1982, S. 340; ders., Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz,

s. 35.

78

Übereinstimmend N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 11; H. J.

74

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

fragepotential besser auszuschöpfen, ein Interesse daran besitzen, mehrere qualitativ unterschiedliche Publikationen am Markt anzubieten79• In diesem Fall fmdet der publizistische Wettbewerb innerhalb des Monopolunternehmens statt. Umgekehrt garantiert ein reger wirtschaftlicher Wettbewerb keineswegs eo ipso einen regen geistigen Konkurrenzkampf. Im Extrem kann letzterer sogar zum Erliegen kommen, wenn beispielsweise alle Presseorgane von einer zentralen Presseagentur abhängig sind. Wenn der geistige und der wirtschaftliche Wettbewerb somit auch nicht zwingend gleichlaufen, so wirken sie doch im Regelfall in die gleiche Richtung. Die wirtschaftlichen Aspekte beeinflussen die publizistische Ebene, die wiederum auf die ökonomischen Grundlagen zurückwirkt. B. Jünemann hat diesen Wirkungszusammenhang prägnant beschrieben80: "Letztlich entscheidend für das Wohl und Webe einer Zeitung sind ... der wirtschaftliebe und publizistische Wettbewerb. Ersterer ist Träger des publizistischen Wettbewerbs, wie dieser ebenso Träger des wirtschaftlieben ist". Die Qualität der redaktioneUen Leistung ist die Grundlage des publizistischen Erfolgs. Sie beeinflußt die Akzeptanz der Leser und entscheidet damit über den Verbreitungsgrad eines Presseerzeugnisses. Der publizistische Erfolg seinerseits bestimmt über die Verkaufsentgelte und die Werbeeinnahmen zugleich über das ökonomische Ergebnis. Das ist bei den Verkaufserlösen offensichtlich, gilt aber ebenso für die W erbeumsätze. Letztere sind publikumsabhängige Einnahmen. Erst wenn eine Publikation eine gewisse Resonanz gefunden hat, kann der Verlag mit Anzeigenaufträgen rechnen. Die Zahl potentieUer Werbeadressaten bestimmt den Umfang des Anzeigengeschäfts. Die Verlage stehen deshalb vor der wirtschaftlieben Notwendigkeit, im publizistischen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Der geistige Wettbewerb seinerseits bedarf wiederum der ökonomischen Absicherung. Die Finanz- und Wirtschaftskraft der Wettbewerber gehört zu den entscheidenden Variablen der geistigen Konkurrenz, da die publizistischen Aktivitäten der Verlage eine Infrastruktur voraussetzen, die notwendiPapier, Der Staat 13 (1974), S. 400; H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, S. 27. 79 Dazu E. Kamzenbach / H. Greiffenberg, in: Klaue I Knoche I Zerdick, Probleme der Pressekonzentrationsforschung, S. 200 f. 80 B. Jünemann, Meinunpfreiheit und Medienentwicklung, S. 26.

2. Abschn.: Die verfassunprechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

75

gerweise der Finanzierung bedarf. Dies gilt vor allem für die Startphase des publizistischen Wettbewerbs. Ein Medienunternehmen kann erst dann als Wettbewerber am geistigen Konkurrenzkampf teilnehmen, wenn die Finanzierung gesichert ist81 • "Voraussetzung für die geistige Freiheit einer Zeitung ist ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, die wiederum eine Frage der Kosten und Erlöse ist"82• Ökonomische Faktoren steuern aber nicht nur die Startphase der geistigen Konkurrenz. Sie wirken darüber hinaus permanent auf die kommunikative Ebene zurück. Jeder Wettbewerber bedarf eines hinreichenden wirtschaftlichen Handlungsspielraums, um ein schlagkräftiges publizistisches Angebot zu verbreiten. Die redaktionelle Leistungsfähigkeit setzt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraus. Je mehr Finanzmittel zur Verfügung stehen, desto besser kann das Presseerzeugnis in redaktioneller Hinsicht gestaltet werden. Wirtschaftliche Kriterien bestimmen demnach Quantität und Qualität der kommunikativen Leistung. Sie beeinflussen den Umfang einer Publikation und die Breite des Inhaltsspektrums und ermöglichen aus diese Weise einen steigenden publizistischen Einfluß. "Eine fmanziell gesicherte Basis sichert zugleich die publizistische Unabhängigkeit der Presse"83.

2. Abschnitt

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit auf der Seite der Kommunikationsträger Nachdem der Tatbestand des Wettbewerbs im Pressewesen unter kommunikativen und wirtschaftlichen Aspekten analysiert worden ist, gilt es, die Position des Verfassungsrechts gegenüber den angeschnittenen Fragen zu ermitteln. Im Vordergrund stehen hier zunächst die Grundrechte, deren Freiheitssphäre durch das Verhalten der Wettbewerber berührt wird.

81 Das gilt entgegen der Ansicht des BVerfG (E 74,297/334 ff.) auch für den privaten Rundfunk. Dazu K Seemann, DÖV 1987, S. 848; ders., ZUM 1988, S. 75. Vgl. auch Ch. Degenhart, ZUM 1988, S. 52: "Private Veranstalter bedürfen demgegenüber wirtschaftlicher Marktchancen, um überhaupt Meinunpbeiträge leisten zu können." 82 K Teckentrup, Festschrift für Bringmann, S. 271. 83 M. Löffler, Presserecht I, § 1 LPG, RdNr. 254.

76

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassun~rechtliche Grundlagen

I. Die Pressefreiheit Dabei gilt das Hauptinteresse der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Pressefreiheit. Fraglich ist, ob die soeben aufgezeigten faktischen Funktionszusammenhänge84 in ihrer Gesamtheit von dieser Gewährleistung geschützt werden; ob also das Grundrecht sowohl den geistigen als auch den wirtschaftlichen Wettbewerb der Kommunikationsträger sichert.

1. Pressefreiheit, Kommunikationsfreiheit und geistiger Wettbewerb

Das in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Kommunikationsgrundrecht erfaßt einen grundlegenden Bereich geistiger Freiheit. Schutzgegenstand dieser Bestimmung ist die "freie geistige Betätigung" mittels des Mediums Presse85. Das Grundrecht gewährt den Betroffenen eine allumfassende Freiheit zu individueller publizistischer Entfaltung86• Demnach gehören alle nur denkbaren Aktivitäten zu den grundrechtlich geschützten Aktionsformen menschlichen Handelns. Das Grundgesetz enthält insoweit "eine lückenlose Garantie aller der typischen Pressearbeit zuzurechnenden Verhaltensweisen .....~. Dazu gehören zum einen alle Handlungen, die der Erarbeitung des zu veröffentlichenden Geistesinhalts dienen. Der Normbereich der Pressefreiheit schützt in diesem Zusammenhang beispielsweise die Materialsammlung, die Kontaktaufnahme mit Presseagenturen und Informanten, das Beschaffen des Bildmaterials, die Auswahl und Gestaltung der Presseinhalte und schließlich die schriftliche Fixierung der

84 85

Siehe oben 2. Teil, 1. Abschn., II und III.

Besonders deutlich BVerfGE 25, 2561268: "Meinun~- und Pressefreiheit wollen die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinun~bildung in der freiheitlichen Demokratie schützen ...". 86 Das betonen Ch. Degenhan, AfP 1987, S. 650; W: Kunert, Pressekonzentration und Verfassun~recht, S. 35, und J. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 276. 87 R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, li,

RdNr. 135. Der umfassende Schutz der Pressefreiheitsgarantie findet auch in der Rechtsprechung des BVerfG immer wieder Anklang. Dazu BVerfGE 10, 1181121; E 12, 2051260; E 20, 1621176; E 36, 1931204; E 62, 2301243; E 66, 1161133; E 77, 3461354. In diesen Entscheidungen steht jeweils die "institutionelle Eigenständigkeit" der Presse im Vordergrund der Begründung. Dieser Schutz läßt sich aber auch ohne Rückgriff auf die institutionelle Seite allein aus der klassischen subjektiv-rechtlichen Sicht des Grundrechts herleiten.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

n

Beiträge88• Daneben erfaßt der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die freie Äußerung von Geistesinhalten mittels des Mediums Presse. Er garantiert den Grundrechtsträgern das Recht der freien Veröffentlichung: "Die Bestimmung sichert der Presse das Recht, Nachrichten und Meinungen ... mit oder ohne Kommentar weiterzugeben, sie garantiert ihr die Möglichkeit, aus eigener Initiative mit Anregungen, Stellungnahmen und kritischen Äußerungen an die Öffentlichkeit zu treten und so auf die allgemeine Diskussion und die gesellschaftliche Kommunikation einzuwirken ..."89• Machen die Betroffenen von der ihnen eingeräumten Presseäußerungsfreiheit Gebrauch, "steht die Zielsetzung bei der Betätigung dieser Freiheit im Belieben des einzelnen"90• Denn Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erfaßt im Zusammenhang mit der Presseäußerungs- zugleich die Presseinhaltsfreiheit Da die Pressefreiheit inhaltlich offen, d. h. thematisch nicht fixiert ist, können die Presseschaffenden die verschiedensten Inhalte, die unterschiedlichsten Wert- und Zielvorstellungen in ihren Beiträgen zum Ausdruck bringen91 • Das Grundrecht der Pressefreiheit sichert mithin die Veröffentlichung der erarbeiteten Geistesinhalte. Darin erschöpft sich die Garantieaussage aber nicht. Über den Schutz der geistigen Arbeit und der Äußerungsfreiheit hinausgehend, gewährt das Grundrecht den Kommunikationsträgern zugleich das Recht, ihre Veröffentlichungen zu verbreiten und damit den potentiellen Lesern zugänglich zu machen92• Geschützt wird "die Vermittlung des Inhalts durch die körperliche Verbreitung der einzelnen (Zeitungs-) Exemplare an die Leser"93• 88 Vgl. die ebenfalls nicht vollständige Aufzählung der geschützten Verhaltensweisen bei R Herzog, in Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5Abs. I, II, RdNr. 136. 89 W. Kurren, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 36. 90

91 54.

R Schnur, VVDStRL 22, S 105.

Siehe dazu BVerfGE 34, 2691283; R Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S.

92 Vgl. nur BVerfGE 10, 1181121; E 12, '71J5I260; E 20, 1621176 und ständig. Ebenso B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 71. Entsprechendes gilt für die anderen Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG. Die Rundfunkfreiheit schützt den Empfang der Sendungen. Das betonen W. Schmitt Glaeser / Ch. Degenhart, AfP 1986, S. 177. Bei der in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG verbürgten Meinungsäußerungsfreiheit ist allgemein anerkannt, daß im Interesse der Äußernden zugleich auch der Empfang der Äußerung durch dritte Personen geschützt ist. So etwa BVerfGE 27, 71181; G. Hermumn, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland,§ 86, S. 164; H. Ridder, Meinungsfreiheit, S. 248 f.; W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 67. 93 B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 42 f.

78

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassun~rechtliche Grundlagen

Schließlich wäre ein Recht zur Äußerung ohne die grundrechtlich geschützte Möglichkeit des Empfangs weitgehend sinnlos. Es nützt den Betroffenen wenig, wenn sie sich zwar in ihrer Publikation frei äußern dürfen, jedoch keine Möglichkeit besitzen, die von ihnen angesprochenen Leserkreise zu erreichen. Veröffentlichung und Empfang von Presseerzeugnissen sind riotrennbare Korrespondenzphänomene, was auch bei der Bestimmung des Schutzumfangs der Pressefreiheit zu berücksichtigen ist. Deshalb ist es der öffentlichen Gewalt verwehrt, die Presse durch faktische oder rechtliche Maßnahmen von ihrer Leserschaft zu trennen. Der verfassungsrechtlich geschützte Freiraum erfaßt demnach alle publizistischen Aktivitäten der Grundrechtsträger von der Erarbeitung des Geistesinhalts bis zu dessen endgültiger Verbreitung. Er sichert die Mitgestaltung und die Mitwirkung an der publizistischen Kommunikation in umfassender Weise. Die Grundrechtsträger können nach Belieben mit anderen Personen in kommunikative Verbindung treten. Dabei ist es für die Gewährung des Grundrechtsschutzes unbeachtlich, welche Ziele sie mit ihren Veröffentlichungen jeweils verfolgen. Die Pressefreiheit schützt das geistige Wirken, die Möglichkeit mit den verbreiteten Presseinhalten auf andere gezielt einzuwirken. Aber auch die Beiträge, denen über die zweckhafte Ausrichtung auf Verständigungserfolge hinausgehende Wirkungsabsichten nicht zugrunde liegen, werden vom Tatbestand der Pressefreiheit gedeckt. Das Grundrecht kann auch von den Kommunikationsträgern in Anspruch genommen werden, die sieb mit ihren Beiträgen ausschließlich an den Bedürfnissen der Leser nach massenmedial vermittelter Kommunikation orientieren. Durch den umfassenden Schutz aller publizistischen Aktivitäten gewährt die Pressefreiheit den Betroffenen zugleich die Möglichkeit, sich durch freie Leistungskonkurrenz am Meinungsmarkt durchzusetzen. Die im Pressewesen Tätigen sind berechtigt, die von ihnen verbreiteten Geistesinhalte so geschickt und wirksam wie möglich auf dem Meinungsmarkt zu präsentieren, um potentielle Leser zur Nutzung gerade dieser Presseäußerungen zu bewegen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß jede wettbewerbsorientierte Tätigkeit zugleich den publizistischen Erfolg der Konkurrenten beeinflußt, diese unter Umständen sogar vom Meinungsmarkt verdrängt. Wettbewerbshandlungen gehören auch dann zu den grundrechtlich geschützten Aktionsformen menschlichen Handelns, wenn sie mit Verdrängungseffekten

2. Abschn.: Die vcrfassun~rechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

79

verbunden sind. Mit der Freiheit zum Wettbewerb wird zugleich das Bestreben zum Auf- und Ausbau publizistischer Machtpositionen geschützt. Da das Grundrecht der Pressefreiheit allen Beteiligten das Recht zu publizistischen Wettbewerbshandlungen einräumt, ermöglicht es eine freie geistige Auseinandersetzung. Der geistige Wettbewerb ist der eigentliche Sinn und das Ziel der grundrechtliehen Verbürgung. Deshalb erfaßt der Tatbestand der Pressefreiheit auch die publizistische Konkurrenz der Presseschaffenden94. Sie ist in das System individueller verfassungsrechtlich geschützter Handlungen eingebunden. Das Funktionsmodell Wettbewerb ist kein eigenständiges verfassungsrechtliches Ordnungselement. Geistiger Wettbewerb, wie er hier zugrunde gelegt wird, ist das spontane Ergebnis der Wahrnehmung individueller geistiger Handlungsfreiheit durch eine Mehrzahl von Grundrechtsträgem. Er entsteht durch die konkurrierende Nutzung der Pressefreiheit. Er besteht nur solange und insoweit, als die Betroffenen von ihren individuellen Rechten Gebrauch machen. Demnach statuieren alle Betätigungen subjektiver Pressefreiheit in ihrer Gesamtheit das Phänomen der geistigen Konkurrenz. 2. Pressefreiheit, Wirtschaftsfreiheit und wirtschaftlicher Wettbewerb Zweifelhaft ist demgegenüber, ob Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben den geistigen auch die ökonomischen Aspekte der Pressetätigkeit und damit den wirtschaftliehen Wettbewerb der Kommunikationsträger verfassungsrechtlich schützt. a) Die Pressefreiheit als ausschließliches Privileg der geistigen Auseinandersetzung

Ein nicht unerheblicher Teil der Lehre steht einer derartigen Garantieaussage ablehnend gegenüber. Der Schutzbereich der Pressefreiheit erfaßt danach nur die geistige, nicht aber die zugehörige ökonomische Betätigung 94 So im Ergebnis übereinstimmend Ch. Degenhmt, Bonner Kommentar, Art 5, Abs. 1, 2, RdNr. 374; H. I. Faller, DB 1983, S. 1029; / . Kaiser, Presseplanung, S. 62; R. Sclwlz, Pressefreiheit und Arbeitsvcrfassung, S. 152. Vgl. auch Ch. Degenhart, ZUM 1988, S. 57: "Dies entspricht dem gemeinsamen Schutzzweck der Freiheitsgarantien des Art. 5 Abs. 1 GG, der Gewährleistung freier Kommunikation im Wettbewerb der Meinun~richtungen".

80

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassunprechtliche Grundlagen

der Presseschaffenden9S. Der Normbereich "bezieht sich nur auf die geistige Auseinandersetzung und garantiert daher keinen Schutz im wirtschaftlichen Bereich der Presse"96• Das wirtschaftliche Handeln der Wettbewerber auf den verschiedenen Märkten für Presseleistungen wird dieser Ansicht zufolge allein durch Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 GG geschützt97• b) Die Pressefreiheit als Medienunternehmerfreiheit

Im Gegensatz dazu vertreten andere Autoren den Standpunkt, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Aktivitäten der Presseschaffenden und damit den Wettbewerb im Pressewesen in einem allumfassenden Sinn verfassungsrechtlich sichert. Schutzgegenstand der Pressefreiheit ist dieser Ansicht zufolge nicht nur die kommunikative Tätigkeit und damit der geistige Wettbewerb der Grundrechtsträger. Der Normbereich des Grundrechts erfaßt darüber hinaus auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit98, die unternehmerische Freiheit der Presseschaffenden99 • Die Pressefreiheit könne nicht "gegen eine Gewerbefreiheit der Presse ausgespielt werden; denn Pressefreiheit ist bei95

Diesen Standpunkt vertreten etwa H. Demme, Die Rechtsnatur des Werbefernsehens, S. 14; E. Friesenhahn, DIT 50, Band II, G 28; L. Fröhler, Werbefernsehen und Pressefreiheit, S. 20, 22; W. Henke, DVBI. 1975, S. 273; W. Löwer, JA 1976, S. 821; R. Schnur, VVDStRL. 22, S. 139. Vgl. auch den Schlußbericht der Pressekommission, BT-Drucks. V13122, S. 46. 96

97

H. Demme, Die Rechtsnatur des Werbefernsehens, S. 14.

R. Schnur, VVDStRL 22, S. 139; W. Henke, DVBI. 1975, S. 273, und der Schlußbericht der Pressekommission, BT-Drucks. V13122, S. 46, stellen Art. 2 Abs. 1 GG in den Vordergrund ihrer Erwägungen. W. Brugger, EuGRZ 1987, S. 229; E. Friesenhahn, DIT 50, Band II, G 28, und W. HoffmannRiem, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Staatsrechts, S. 399, verorten die Freiheit der ökonomischen Entfaltung in Art. 12 und 14 GG. Siehe dazu auch R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung. S. 152: "Der publizistische Wettbewerb ist im Art. 5 I GG und seiner Garantie eines pluralen Medienwesens angelegt; der ökonomische Wettbewerb ist in den wirtschaftsverfassunprechtlichen Garantien der Art. 12, 14 GG verankert". 98

Dieser Auffassung folgen - wenn auch teilweise ohne Begründung - unabhängig vom Streit über das richtige Grundrechtsverständnis Ch. Degenhan, AfP 1987, S. 650; M. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 54 f.; H. Ehmke, Festschrift für A. Amdt, S. 92 f.; E. Forsthoff, Der Staat 5 (1966), S. 4; H. P. Ipsen, Presse-Grosso im Verfassunprahmen, S. 33; E. KuU, DÖV 1968, S. 865; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassunprecht, S. 39, 47; F. Schneider, Presse- und Meinunpfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 106; R. Scholz, DÖV 1975, S. 136; ders. Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 62; P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, S. 72. 99 So E. Kuli, DÖV 1968, S. 865.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

81

des zugleich: publizistische und unternehmecisehe Freiheit"100• Sie verbürgt den Betroffenen neben der publizistischen zugleich eine spezifisch wirtschaftliehe Entfaltungsfreiheie01 • Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Kommunikationsträgem demnach eine umfassende Entscheidungsautonomie in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Sie können frei darüber entscheiden, ob und mit welchen wirtschaftlichen Maßnahmen sie sich auf den für die Presse maßgeblichen Märkten102 gegenüber ihren Mitbewerbern behaupten wollen. Auf dem Kommunikationsmarkt schließt die mediale Verbreitungsfreiheit zugleich "eine wirtschaftliche Verbreitungsfreiheit ein"103• Diese schützt den Absatz der "Handelsware" Zeitung104• Pressefreiheit in diesem Sinn ist daher stets auch Pressegewerbefreiheit. Sie garantiert die freie untemehmerische Tätigkeit in einem privatwirtschaftlich strukturierten Pressewesen105 und damit zugleich "die wettbewerbliehe Betätigung der Verlage auf dem Pressemarkt.t06• Dieses Grundrechtsverständnis liegt wohl auch der Rechtsprechung zugrunde. Das BVerfG hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß nach privatwirtschaftliehen Grundsätzen und in privatrechtliehen Organisationsformen arbeitende Presseunternehmen nicht nur auf geistiger, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene miteinander konkurrieren und daß der Staat in diese Konkurrenzsituation nicht eingreifen darf107• Das kann aber nur bedeuten, daß auch die wirtschaftliche Rivalität in den Schutzbereich des Grundrechts fällt. Wenn das Gericht darüber hinaus sogar eine staatliche 100

A. Betz, Abweichende Stellungnahme zum Schlußbericht der Pressekommission, BT-Drucks. V/3122, S. 50. 101 So ausdrücklich Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 650. 102 Zur Zweiteilung der Pressemärkte oben 2. Teil, 1. Abschn., III. 103 M Bullinger, JZ 1987, S. 262. 104 Das betontE. Forstlwff, Der Staat 5 (1966), S. 4. 105 Es ist in der Lehre weitgehend anerkannt, daß die privatwirtschaftliche Struktur der Presse von der Verfassung geschützt wird. Vgl. nur K A . Benermann, DJT 49, Band II, N 177; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art 5 Abs. 1, 2, RdNr. 360 ff; J. Kaiser, Presseplanung, S. 37, 41; E. Kuli, DÖV 1972, S. 456; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 45; B. Rüthers, AfP 1977, S. 311, 314, 315, 319; R. Sclwlz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 123.

106

s. 72.

107

s. 1939.

P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen,

BVerfGE 20, 162/175; E 66, 116/133; vgl. auch OVG Berlin v. 25.04.75, NJW 1975,

82

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Pflicht erwägt, "Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten"108, wird die wettbewerbsorientierte Interpretation der Pressefreiheit vollends deutlich. c) Der abgestufte Garantiegehalt der Pressefreiheit

Der letztgenannten Ansicht ist zumindest im Ansatz zu folgen. Die Interpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auf der Grundlage der anerkannten Regeln und Methoden der Verfassungsauslegung legt den Schluß nahe, daß sowohl die publizistische, als auch die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit der Presseschaffenden verfassungsrechtlich garantiert wird.

aa) Die Konkretisiernng des Schutzbereichs der Pressefreiheit Ausgangspunkt zur Konkretisierung des Schutzumfangs dieses Grundrechts ist die grammatikalische Auslegung. Bei dieser Methode wird der Wortlaut so gedeutet, wie er im allgemeinen Sprachgebrauch bzw. in der juristischen Fachsprache verstanden wird109• Der Parlamentarische Rat hat den Begriff "Pressefreiheit" so in das Grundgesetz übernommen, wie er sich historisch entwickelt hat. Es wurde bewußt an Überkommenes angeknüpft110. Nichtsdestoweniger läßt sich bei der Anknüpfung an den Sprachgebrauch ein eindeutiger Wortsinn nicht ermitteln. Ursächlich dafür ist die im Schrifttum angewandte Vorgehensweise bei der Konkretisierung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG: Die Wendung "Pressefreiheit" wird in ihre zwei Bestandteile "Presse-" und "-freiheit" zerlegt und sodann das Substantiv "Presse" isoliert gedeutet111 • Schon an diesem Ausgangspunkt kann Kritik geübt werden. 108 109 110

BVerfGE 20, 1621176. Vgl. hierzu K Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 305 f.

Wie der Abgeordnete Dr. von Mangoldt in der 25. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats vom 24. 11. 1948 hervorhob, handelt es sich bei der Formulierung "Pressefreiheit" um einen eingeführten Begriff. Er sei deshalb der Wendung "Freiheit der Presse" vorzuziehen (W. Matz, JöR NF 1, S. 82).

111

Typisch für diese Vorgehensweise etwa D . CzajluJ, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 14; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 126; /. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNm. 21 f.; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 17 ff. Anders K A .

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

83

Das verbale Bestimmungswort "pressen" - ein altdeutscher Ausdruck für "drucken"112 - gerät bei dieser Lesart völlig aus dem Blickfeld. Es ist aber nicht auszuschließen, daß der Bestandteil "Presse-" in "Pressefreiheit" gerade in diesem Sinne gedeutet werden muß113• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert bei dieser Lesart allein das Grundrecht der Druckfreiheit, mit der Folge, daß die Wendung "Pressefreiheit" das wirtschaftliche Wirken der Presseschaffenden schon von ihrer Wortbedeutung her nicht erfaßt. Das Ergebnis ändert sich, wenn trotz der Fragwürdigkeit dieses Ausgangspunktes mit der herrschenden Meinung das Substantiv "Presse" zum Gegenstand der grammatikalischen Auslegung gemacht wird. Der Begriff "Presse" hat im Laufe der Zeit im allgemeinen Sprachgebrauch einen Bedeutungswandel durchlaufen. Zum einen verengte sich der Wortsinn seit der Mitte des 19. Jahrhunderts insoweit, als unter Presse nur noch die periodisch erscheinenden Presseerzeugnisse verstanden wurden. In diesem Sinne wird der Begriff in der Umgangssprache noch heute verwandt114• Auf der anderen Seite erweiterte sich die Wortbedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch. Mit der Wendung "Presse" ist heute zugleich der Lebensbereich "Pressewesen", das "Zeitungswesen"115 gemeint. Dazu gehören aber auch die der geistigen Kommunikation zugrundeliegende wirtschaftliche Organisation und damit die wirtschaftlichen Aspekte der Pressetätigkeit Bei dieser Betrachtungsweise erfaßt bereits der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG das wirtschaftliche Handeln der Grundrechtsträger. Deutliche Anhaltspunkte für einen dualistischen Garantiegehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG treten bei einer historisch-genetischen Auslegung zutage. Bettermann, Dir 49, Band II, N. 176, der einen eigenständigen Begriff von Pressefreiheit entwickelt. 112 Vgl. Duden, Band 7 (1963), Stichwort "pressen•, S. 528. 113 Grundlegend K. A. Bettermann, Dir 49, Band II, N. 176 f.: "Die Presse-Freiheit ist die Preß-Freiheit gleich Druck-Freiheit ... Es handelt sich bei der Pressefreiheit um das Handlungsgrundrecht der Druckfreiheit". 114 Siehe dazu Brockhaus Enzyklopädie, Band 15 (1972), Stichwort "Presse", S. 113;

Duden, Band 7 (1963), Stichwort "Presse", S. 528. Ebenso D. Czajka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 14; M. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 219; E. Dovifat, Presse, S. 516; F. Schneider, Presse, Pressefreiheit, Zensur, S. 899. 115 Duden, Band 7 (1963), Stichwort "Presse•, S. 528: "Gesamtheit der Zeitungen und

Zeitschriften, Zeitungswesen". Vgl. auch M. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 219; E. König, Die Teletexte, S. 115; Th. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 479.

84

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Bei dieser Interpretationsmethode steht der historische Wille des Verfassungsgebers im Vordergrund. Daneben wird die allgemeine geschichtliche Entwicklung des betreffenden Rechtssatzes als Auslegungskriterium herangezogen116. Als Erkenntnisquelle für die Normvorstellungen des Verfassungsgebers kommen allein die Materialien zum Grundgesetz in Betracht. Diese legen es nahe, von einem gewerblichen Garantiegehalt der Pressefreiheit auszugehen. Zwar bestand von Anfang an Einigkeit dahingehend, daß die Einzelheiten der wirtschaftlichen Betätigung der Presseunternehmen einem künftigen Pressegesetz vorbehalten bleiben sollten117• Jedoch ging der Abgeordnete Dr. Heuß in der 25. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats vom 24. 11. 1948 bei den Erörterungen zur Pressefreiheit unwidersprochen davon aus, daß man mit der gewählten Textfassung auch die Gewerbefreiheit auf diesem Gebiet zum Ausdruck gebracht habe118. Bereits in der 5. Sitzung des Grundsatzaussschusses des Parlamentarischen Rats vom 29. 9. 1948 hatte er ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein gesunder Wettbewerb innerhalb der Presse angebracht sei119• Der im Pressewesen wirtschaftlich tätige Unternehmer war demnach von Anfang an mitgedacht Ergiebiger ist die Entwicklungsgeschichte der Pressefreiheit, die verfassungsgeschichtliche Tradition, die bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berücksichtigt werden muß. Die erwerbswirtschaftliche Pressetätigkeit ist eine historische Erscheinung120• Mit dem Entstehen der periodischen Presse wandelte sich die Pressetätigkeit endgültig von der Passion zum Beruf und zur Erwerbsquelle für die darin Tätigen. Damit bot das Pressewesen über die kommunikative Ebene hinausgehend einen weiteren Ansatzpunkt für staatliche Reglementierungen und war dementsprechend größeren Gefährdungen ausgesetzt. Pressegewerbliche Restriktionen gewannen gegenüber kommunikativen Beschränkungen zunehmend an Bedeutung. Vor allem der preußische Staat machte von diesem weniger direkten, dafür umso wirkungsvolleren Druckmitteln reichlich Gebrauch121 • Maßnahmen wie der 116 Vgl. zur Bedeutung der verfassungsgeschichtlichen Tradition etwa E. Friesenhahn, Festgabe für Kunze, S. 23 f. 117 W. Matz, JöR NF 1, S. 82.

118

119

120 121

W. Matz, JöR NF 1, S. 82. W. Matz, JöR NF 1, S. 80.

Dazu bereits oben 2. Teil, 1. Abschn., III. Siehe dazu den Überblick bei D. Czajka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

85

Kaution- und Konzessionszwang122, die Papier- und Stempelsteuer123, das Verbot des Straßenhandels oder ähnliche gewerbliche Eingriffe legen hierfür ein beredtes Zeugnis ab. Der jeweilige Gesetzgeber war sich der Bedeutung und Auswirkung pressegewerblicher Regelungen wohl bewußt, wie die damalige Diskussion um die Normierung einer gewerblichen Pressefreiheit zeige24• Den Gefahren gewerberechtlicher Restriktionen der Pressetätigkeit galt es wirksam zu begegnen. Ansatzpunkt hierfür war die Forderung nach einer Pressefreiheit, die alle denkbaren pressebezogenen Aktivitäten umfassend schützen sollte. "Historisch ist das Grundrecht der Pressefreiheit gerade zum Schutz gegen gewerbepolizeiliche Maßnahmen ... entstanden"12S. Das Grundrecht der Pressefreiheit hatte demnach stets auch eine gewerberechtliche Schutzrichtung. Letztere trat bereits deutlich in § 143 Paulskirchenverfassung 1849 zutage, der ausdrücklich einen besonderen Schutz gegen "jegliche" vorbeugende Beschränkung der Pressetätigkeit postulierte126• Damit wandte sich diese Bestimmung aber auch gegen gewerberechtliche Restriktionen, wie die ausdrückliche Erwähnung von "Conzessionen" oder "Beschränkungen ... des Buchhandels" verdeutlicht. Der wirtschaftliche Bereich sollte zumindest insoweit verfassungsrechtlich geschützt werden, als er zur Verwirklichung der kommunikativen Ebene der Presse erforderlich ist. Die wirtschaftliche Komponente der Pressefreiheit besitzt demnach eine lange verfassungsgeschichtliche Tradition. Es spricht vieles dafür, daß auch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der auf dieser Tradition aufbaut, die überkommene Schutzrichtung gegen gewerberechtliche Gängelung der Pressetätigkeit übemomPresse, S. 29 ff. 122 So normierte beispielsweise das preußische Gesetz über die Presse vom 12. 5. 1851 (GS Nr. 3392, S. 273) einen Konzessionszwang für das Pressegewerbe und eine Kautionspflicht für politische Zeitschriften. Der Gedanke der Reglementierung durch Konzessionierung ist aber erheblich älter. Durch Abschied des Reichstages zu Speyer vom 11. 12. 1570 war der Betrieb des Buchdruckergewerbes zum ersten Mal von obrigkeitlicher Konzession abhängig gemacht worden. 123 Durch Gesetz vom 2. 6. 1852 (GS S. 301) wurde in Preußen die Stempelsteuer für politische Zeitungen eingeführt.

124

Ausführlich zur historischen Entwicklung von Pressefreiheit und Pressegewerbefreiheit W. Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. 125 .. E. KuU, DOV 1968, S. 865.

126 "Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Conzessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden."

86

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

men hat und deshalb auch die wirtschaftliche Entfaltungfreiheit mit einschließt. Mit den zuletzt genannten Argumenten ist zugleich das Kriterium der objektiv-teleologischen Auslegung angesprochen127• Bei dieser Interpretationsß!ethode treten die vom Normgeber zu berücksichtigenden Strukturen in den Vordergrund. Eine Rechtsnorm ist "keine der Wirklichkeit autoritativ übergestülpte Form, sondern eine ordnende und anordnende Folgerung aus der Sachstruktur des geregelten Sozialbereichs selbst"128• Recht und Wirklichkeit sind vielfach aufeinander angewiesen und "damit ... von gleichrangiger normativer Wirkung"129• Deshalb gehören auch dem Recht vorgegebene Sachstrukturen zu den objektiven Auslegungskriterien130• Dies gilt in besonderem Maße für das Verfassungsrecht Verfassung und Wirklichkeit können nicht in einseitiger Abstraktion voneinander isoliert werden. Das Grundgesetz schwebt nicht in einem luftleeren Raum. Deshalb muß auch die Auslegung von Grundrechtsnormen den Eigenheiten des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts Rechnung tragen131 • Für die Pressefreiheit bedeutet dies, daß die rechtliche Dezision die tatsächlichen Verhältnisse nicht unbesehen ratifizieren darf. Jedoch erscheint selbst bei der gebotenen Zurückhaltung gegenüber teleologischen Interpretationsüberlegungen die Annahme berechtigt, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zumindest in einem Kernbereich dem tatsächlich bestehenden Dualismus im Pressewesen Rechnung trägt und neben dem geistigen, auch das wirtschaftliche Handeln der Presseschaffenden schützt. Für den wirtschaftlichen Garantiegehalt des Grundrechts können darüber hinaus rechtslogische Argumente angeführt werden. Durch die verfassungsmäßige Verankerung der Pressefreiheit ist die Presse der privaten Hand überlassen worden. "Indem das Grundgesetz dem einzelnen wie den gesellschaftlichen Gruppen die Pressefreiheit anbietet, verweist es sie auf ihre Mittel und letztlich auf den Markt, mithin auf privatwirtschaftliche Gestal127

128 129

130 131

Ausführlich dazu K Larenz, Methodenlehre der Rechtwissenschaft, S. 319 ff. F. Müller, Juristische Methodik, S. 118. F. Müller, Juristische Methodik, S. 118.

Das betont K Larenz, Methodenlehre der Rechtwissenschaft, S. 320.

Das ist weithin anerkannt. Siehe etwa E. Forstlwff, Der Staat 5 (1966), S. 2; E. KJ4U, AfP 1987, S. 569. Vgl. auch BVerfGE 73, 118/154, wo das Gericht ausdrücklich feststellt, daß ohne die Einbeziehung des konkreten Lebenssachverhalts eine die normierende Wirkung des Grundrechts entfaltende Auslegung nicht möglich erscheint.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

87

tung und Struktur"132• Rechtslogisch muß das Grundrecht dann aber auch die ökonomischen Aspekte der Pressetätigkeit erfassen. Privatwirtschaftliehe Organisationsformen benötigen eine Finanzierung; die von den Beteiligten am Markt erwirtschaftet werden muß. Eine derartige Finanzierung ist aber nur dann realisierbar, wenn die wirtschaftliche Betätigung den gleichen Grundrechtsschutz genießt wie die im Vordergrund stehende geistige Tätigkeit. Der Schutz des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umhegten geistigen Wettbewerbs würde bei einem auf die publizistische Freiheit beschränkten Grundrechtsverständnis notwendigerweise leerlaufen133• Das wirtschaftliche Handeln der Kommunikationsträger würde bei einer derartigen Interpretation allein von Art. 2 Abs 1, 12 und 14 GG geschütze34 • Diese Grundrechte sind aber in Ermangelung einer wirtschaftsverfassungsrechtlichen Vorentscheidung für eine marktwirtschaftliche Ordnung gegenüber staatlichen Lenkungsmaßnahmen ungleich offener als die Pressefreiheitsgarantie. Letztere würde erst dann eingreifen, wenn derartige Maßnahmen sich im geistig-publizistischen Bereich auswirken. Dem steht aber schon der aufgezeigte Zusammenhang von Publizistik und Ökonomie entgegen135• Die publizistische und die ökonomische Komponente der Pressetätigkeit können nicht völlig isoliert voneinander gesehen werden. Zum einen bedingt der publizistische den wirtschaftlichen Erfolg. Auf der anderen Seite läßt sich eine geistige Aktivität ohne eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage nicht verwirklichen. Der wirtschaftliche Bereich ist das notwendige Gegenstück zum publizistischen Bereich. Der enge sachliche Zusammenhang hat zur Folge, daß die beiden Ebenen massenmedialer Betätigung des gleichen Grundrechtsschulzes bedürfen, wenn die geistige Freiheit nicht durch wirtschaftslenkende Maßnahmen unterlaufen werden soll136• Als Ergebnis der Konkretisierung des Schutzbereichs der Pressefreiheit kann damit zusammenfassend festgehalten werden, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben der geistigen zugleich die wirtschaftliebe Betätigung der Kommunikationsträger schützt. Das Grundrecht erfaßt daher die gewerblichen, gewinnorientierten, das heißt marktorientierten Aktivitäten der Grundrechts132 133

134 135 136

E. K.ull, Festschrift für Löffler, S. 194.

Das betont P. Ulmer, A1P 1975, S. 876. Vgl. die Nachweise in FN 97. Dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

Ähnlich N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 54 f.; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 39.

88

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

träger. "Zur Pressefreiheit gehört auch die Presse-Organisationsfreiheit"137• Das Freiheitsrecht gewährt den Betroffenen einen angemessenen Spielraum zur ungehinderten Entfaltung ihrer Unternehmerinitiative bei der Planung, Organisation und Leitung der nach individueller Beliebigkeil strukturierten Medienunternehmen. Der so gekennzeichnete Garantiegehalt der Pressefreiheit ist in erster Linie für die von den Presseunternehmen auf den verschiedenen Märkten für Presseleistungen betriebene Absatzpolitik von Bedeutung. In diesem Zusammenhang verbürgt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine umfassende Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Preisgestaltung138• Im Rahmen der wirtschaftlichen Gegebenheiten können die Kommunikationsträger die Preise für die von ihnen angebotenen Leistungen, die sie im wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Kommunikations- bzw. Werbemarkt durchsetzen wollen, beliebig festsetzen. Sie können frei darüber entscheiden, nach welchem Verhältnis die Erlöse aus den verschiedenen Pressetätigkeiten im Rahmen der unternehmensinternen Kalkulation zur Deckung aller anfallenden Unkosten beitragen sollen. Daneben schützt die Pressefreiheit die Freiheit der Vertriebsgestaltung in einem umfassenden Sinn. "Die Freiheit des Vertriebs ... erstreckt sich auf Zeitpunkt, Ort und Modalitäten"139 Die Presseunternehmen können ihr Absatzsystem so gestalten, wie sie es für wirtschaftlich sinnvoll halten. So unterliegt es etwa auf dem Werbemarkt der individuellen Beliebigkeil jedes einzelnen Unternehmens, ob es die Anzeigenaufträge selbst entgegennimmt oder selbständige Werbegesellschaften einschaltet. Auf dem Kommunikationsmarkt können die Kommunikationsträger unter anderem frei darüber entscheiden, welchen Vertriebsweg sie wählen, um ihre Publikationen zu verbreiten140• Sie können eine verlagseigene Vertriebsorganisation aufbauen, aber auch eine selbständige Organisation (Presse-Grosso) in den Absatz einschalten. Sobald sich mehrere Kommunikationsträger auf demselben Pressemarkt wirtschaftlich betätigen, stehen sie sich in einem Wettbewerbsverhältnis gegenüber. Der wirtschaftliche Konkurrenzkampf entsteht gleichsam automa137

138

K A. Bettermann, Dir 49, Band II, N 1n.

& ist unstreitig, daß der Nonnbereich der Pressefreiheit die Freiheit der Preisgestaltung erfaßt. Vgl. nur R. Groß, Presserechl, S. 58. 139 Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 352.

140

Vgl. zu diesem Problemkreis etwa H. P. lpsen, Presse-Grosso im Verfassungsrahmen, S. 64 f.; J. Wolf, Medienfreiheit und Medien unternehmen, S. 284.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbev..-erbsfreiheit

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tisch, wenn die Beteiligten von ihrer grundrechtlich verbürgten Wirtschaftsfreiheit Gebrauch machen. Der wirtschaftliche Wettbewerb ist die notwendige Folge wirtschaftlicher Entfaltung. Wenn prinzipiell jedem Betroffenen das Recht der wirtschaftlichen Betätigung garantiert wird, folgt daraus mittelbar die Garantie der wirtschaftlichen Konkurrenz. Aus diesem Grund schützt das Grundrecht der Pressefreiheit mit der ökonomischen Entfaltungsfreiheit zugleich den freien wirtschaftlichen Wettbewerb141 • Demnach garantiert Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Wettbewerbsfreiheit auf der Seite der Presseschaffenden in einem allumfassenden Sinn. Sowohl die geistige, als auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit werden verfassungsrechtlich gesichert. Das Grundrecht schützt die Presseschaffenden gegen alle staatlichen Eingriffe, die den publizistischen oder den wirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigen.

bb) Das Verhältnis der verschiedenen Garantieaussagen Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß der Gewährleistungstatbestand der Pressefreiheit die beiden Aspekte der Wettbewerbsfreiheit völlig gleichrangig nebeneinander gewährleistet. Neben anderen Grundrechten142 gehört auch die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG normierte Pressefreiheit zu der Gruppe der im Grundgesetz verbürgten Geistesfreiheiten. Wie schon die systematische Stellung dieser Bestimmung im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG verdeutlicht, gewährt die Pressefreiheit in erster Linie eine Kommunikationsfreiheit Im Vordergrund steht die geistige Kommunikation mittels der Presse, nicht aber die wirtschaftliche Betätigung der Presseschaffenden. Die wirtschaftlichen Aspekte der Pressetätigkeit werden nicht um ihrer selbst willen geschützt. Ihnen wird der Grundrechtsschutz der Pressefreiheit nur deshalb zuteil, weil sie seit jeher in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der publizistischen Kommunikation stehen143• Dieses Ver141

Vgl. dazu Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 373 f.; H.l.

Faller, DB 1983, S. 1029; J. Kaiser, Presseplanung, S. 62; E. Mestmäcker, Medienkonzentration

und Meinungsvielfalt, S. 152; P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, S. 72, und J. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 403, die wenn auch aus verschiedenen Perspektiven - im Ergebnis übereinstimmend davon ausgehen, daß der Schutzbereich der Pressefreiheit auch den wirtschaftlichen Wettbewerb der Presseunternehmen erfaßt. 142 Als Beispiele seien hier nur Art. 4 Abs. 1, 2 und Art. 5 Abs. 3 GG genannt. 143 So auch B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 48.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

ständnis legt es nahe, von einem abgestuften Garantiegehalt der Pressefreiheit auszugehen: Die geistige Freiheit und damit der publizistische Wettbewerb bedingen Art und Umfang der verfassungsrechtlich verbürgten wirtschaftlichen Freiheit und der ökonomischen Konkurrenz144• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert demnach nur einen Kernbereich an wirts·chaftlicher Handlungsfreiheit im Pressewesen. Das Grundrecht erfaßt die erwerbswirtschaftliche Betätigung und damit den freien wirtschaftlichen Wettbewerb nur insoweit, als die wirtschaftliche Komponente in einem Zusammenhang mit der publizistischen Kommunikation stehe4S. Dieser Zusammenhang wird grundsätzlich durch den organisatorischen Zusammenhalt des Presseunternehmens vermittelt. Daraus kann nicht gefolgert werden, daß jede wirtschaftlich vielleicht sinnvolle Wettbewerbshandlung nur wegen des Vorliegens eines derartigen organisatorischen Zusammenhalts vom Schutzbereich der Pressefreiheit erfaßt wird. Es ist zwar keine völlige Deckungsgleichheit zwischen publizistischer und wirtschaftlicher Betätigung erforderlich, jedoch ist die "publizistisch-wirtschaftliche Einheit pressemäßiger Betätigung ... nur insoweit durch Art. 5 I 2 verfassungsrechtlich gewährleistet, als die unternehmerische Betätigung den publizistisch-massenkommunikativen Rahmen nicht verläßt"146• Der Kommunikationsträger wird damit zwar nicht auf ein kommunikatives Betätigungsfeld in dem Sinne festgelegt, daß er nur noch auf diesem Gebiet tätig werden dürfte. Es ist ihm daher keinesfalls verwehrt, auch nicht publizistischen Tätigkeiten nachzugehen. Er kann sich deshalb auf nichtpublizistischen Märkten wirtschaftlich betätigen. Derartige Tätigkeiten werden aber nicht mehr durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt, weil es hier am erforderlichen Zusammenhang mit der verfassungsrechtlich verbürgten publizistischen Kommunikation fehlt. Einen Grundrechtsschutz können hier nur die Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 GG vermitteln.

144 Ähnlich W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 40; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 48; vgl. auch F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 106 f.

145

Vgl. in diesem Zusammenhang etwa /. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 283: "Zur Presse im Sinne des Art. 5 I 2 gehören alle wirtschaftlichen Faktoren der Herstellung und des Vertriebs des Presseerzeugnisses ..., soweit sie reale Bedingungen einer durch dieses Produkt hervorgebrachten publizistischen Kommunikation sind."

146

/. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 54.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

91

3. Verfassungsrechtliche Dimensionen der Pressefreiheit Die wettbewerbsorientierte Betätigungsfreiheit der Presseschaffenden wird durch staatliche, teilweise aber auch durch private Aktivitäten gefährdet. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Grundrechtsträger derartigen Beeinträchtigungen entgegentreten können, richtet sich nach den Bedeutungsschichten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. a) Die Pressefreiheit als subjektives Abwehrrecht gegen den Staat

Als subjektive öffentliche Rechte beinhalten die Grundrechte verfassungsrechtliche Fundamentalnonnen für das Individuum in seiner Eigenschaft als Mensch und Bürger147. In dieser Funktion gewähren sie unter anderem politische "Gestaltungsrechte, die es dem einzelnen ermöglichen, am politischen Leben der staatlichen Gemeinschaft mitzuwirken und die eigenen Vorstellungen und Werte bei der Ausformung des Gemeinwesens einzubringen"148. Besonderes Gewicht besitzt daneben auch unter den heutigen Lebensverhältnissen immer noch die rechtsstaatliche Dimension der Freiheitsrechte. Diese begründet den status negativus im Sinne der klassischen liberalen Grundrechtstheorie. Entsprechend dem traditionellen Verständnis "sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern ..."149. Sie gewähren den jeweiligen Grundrechtsträgem Abwehrrechte gegen alle staatlichen Interventionen, die unberechtigt, weil nicht von den Schranken des Freiheitsrechts gedeckt, in den grundrechtlich garantierten Freiraum eingreifen. Diese Abwehrfunktion bezieht sich auf alle imperativen Einwirkungen der öffentlichen Gewalt. Sie erfaßt Betätigungsverbote, gilt daneben aber auch

147 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 283.

148

W. Schmitt Glaeser, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 3. Ausführlich zur demokratischen Komponente der Pressefreiheit unten 2. Teil, 3. Absehn., I, 2, b. 149 BVerfGE 7, 1981204. Ebenso BVerfGE 50, 1!JOI337; E 68, 1931205; H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 128 f.; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1, RdNr. 1; J. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Vorb. Art. 1-19, RdNr. 16. Allgemein zur Abwehrfunktion der Grundrechte Ch. Starck, JuS 1981, S. 240; F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100 f.

92

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

für Handlungsgebote. Wie alle anderen Grundrechte verbürgt auch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ein subjektives Freiheitsrecht mit Abwehrcharakter1so. Daher können sich die Presseschaffenden gegen alle staatlichen Maßnahmen wenden, welche ihre grundrechtlich gesicherte publizistische und ökonomische Entfaltungsfreiheit in verfassungswidriger Weise beschneiden. b) Die Pressefreiheit als Element objektiver Ordnung des Gemeinwesens

Neben der subjektiven besitzen die Freiheitsrechte nach gängigem Verständnis151 zugleich eine objektive Dimension, welche ihnen zusätzliche Gehalte verleiht152• Die Grundrechte werden in diesem Zusammenhang als "Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens"153 und Wertentscheideode Grundsatznormen154 gekennzeichnet. Sie beinhalten "objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung ..., die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben"155. Auch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG enthält neben der Verbürgung eines individuellen Freiraums für die Presseschaffenden zugleich eine objektiv-rechtliche Seite156• Interpretationsschwierigkeiten ergeben sich insoweit aber gerade bei diesem Grundrecht wegen der terminologisch uneinheitlich geführten Diskussion. Das BVerfG hat der Pressefreiheit 150 Dies wird bei allem Streit um das richtige Grundrechtsverständnis im Grundsatz anerkannt. Vgl. nur BVerfGE 20, 1621175; E 77, 3461354; M. Bullinger, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 12; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNm. 82, 448; ders., AfP 1987, S. 650; E. Forstlwff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 17 f.; E. Friesenhahn, DIT 50, Band II, G. 26; von Mangoldt I Klein I Starck, GO, Art. 5, RdNr. 82; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 25; R. Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 52. 151 Grundlegend BVerfGE 7, 1981205. 152 Ausführlich dazu K Hesse, in: Bcnda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 93 ff.; ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 279; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1, RdNm. 3 ff.; ders., AöR 110 (1985), S. 363 ff.; F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2101 ff. 153 K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 279.

154 Siehe etwa BVerfGE 30, 1731188; E 35, 191112; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 94. 155 BVerfGE 49, 891142. Ähnlich BVerfGE 7, 1981205; E 39, 1141. 156

Siehe etwa BVerfGE 20, 1621175; E 77, 3461354.

2. Abschn.: Die verfassunprechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

93

in früheren Entscheidungen vielfach eine institutionelle Bedeutung beigemessen, ohne deren Verhältnis zur objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite zu klären. So spricht das Gericht mehrfach von institutioneller Eigenständigkeit1S7, institutioneller Sicherung158, institutioneller Freiheit139 oder dem Institut "Freie Presse"160• Angesichts dieser "babylonischen Sprachverwirrung um das Phänomen des Institutionellen"'61 erscheint es kaum verwunderlich, daß im Schrifttum als Folge ideologiebefrachteter Konzeptionen eine Institutionalisierungswelle großen Ausmaßes entstand. Die freiheitsgefährdenden Auswirkungen dieser Entwicklung treten besonders deutlich bei den Interpretationsversuchen zutage, welche die institutionelle gegen die subjektive Komponente ausspielen und das Grundrecht damit von seiner historisch-individualistischen Konzeption ablösen162• Bei dieser Deutung wird die Pressefreiheit um der Effektuierung des demokratischen Prozesses willen auf bestimmte Gestaltungszwecke ausgerichtet163• Danach erweist sich das Grundrecht primär als Organisationsmaxime, die dem Gesetzgeber aus demokratiestaatlichen Erwägungen eine weitgehende Gestaltungsbefugnis einräumt. Daraus resultiert eine Abwertung der subjektiv-rechtlichen Grundrechtsseite, die in äußerster Konsequenz durch die überindividuellen Funktionen der Pressefreiheit sogar völlig verdrängt wird164• Der Grundrechtsschutz wird zu einer Frage des gesellschaftlichen Nutzens, während die individuelle Beliebigkeil des einzelnen in den Hintergrund tritt. Der Trend zur Entsubjektivierung wurde mittelbar durch mehrere Entscheidungen des BVerfG begünstigt, in denen das Gericht davon ausgeht, daß die institutionelle Dimension zugleich die sub-

157 BVerfGE 10, 118/121; E 12, 205/260; E 36, 192/204; E 36, 314/319 f.; E 62, 230/243; E 66, 116/133. Vgl. auch BVerwGE 47, 247/252; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939; W. Mößle, AöR 101 (1976), S. 203. 158 BVerfGE 10, 118/121. 159 BVerfGE 12, 205/260 f. 160 BVerfGE 20, 162/175; E 25, 256/268; E 50, 234/240; E 73, 118/180. 161 W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 97. 162 Grundlegend H. Rklder, Meinunpfreiheit, S. 250 ff., der die institutionelle öffentliche Meinunpfreiheit in Art. 21 GG lokalisiert. 163 Ausführlich zur funktionalen Herleitung und Verdeutlichung des Grundrechtsinhalts unten 2. Teil, 3. Abschn., I, 2., c. 164 Prägnant D. Stammler, Die Presse als soziale und verfassunprechtliche Institution, s. 222 f.

94

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

jektiven öffentlichen Rechte der Pressetätigen einschließt165. Die institutionelle Seite scheint hier Rahmen und Grenze für die publizistische Entfaltung der Kommunikationsträger darzustellen. Diese Überbewertung des Institutionellen wurde frühzeitig als "Krisenzei-

c~en der Rechtswissenschaft"166 charakterisiert, da sie dem freiheitlichen

Charakter der Grundrechte widerspricht. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert nach seinem Wortlaut die "Pressefreiheit". Eine Freiheit kann aber nur personenbezogen sein; nur Menschen sind frei. Entsprechend ihrer systematischen Stellung gewährt die Pressefreiheit ein Grundrecht. Diese verbürgen aber in erster Linie individuelle Rechte, sind daher ebenfalls personenbezogen. Schließlich widerspricht die Entsubjektivierung der geistesgeschichtlichen Grundrechtsidee sowie den historischen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassung geführt haben. Nach überkommenem liberalen Freiheitsverständnis beinhalten die Grundrechte Abwehrrechte des Bürgers, welche der Sicherung seiner personalen Sphäre dienen. Sie sollen besonders gefährdete Bereiche menschlicher Freiheit vor Zugriffen der öffentlichen Gewalt schützen167. Eine Entsubjektivierung würde diesen privatnützigen Freiheitsgehalt aber gerade negieren. Aus diesem Grund ist mittlerweile weithin anerkannt, daß eine institutionelle Deutung keine W esensänderung hinsichtlich der rechtlichen Natur der Pressefreiheit bewirkt, folglich keine freiheitsbeschränkenden Effekte zeitigt. Subjektive und institutionelle Bedeutungsschicht kennzeichnen zwei zusammengehörige Grundrechtskomponenten, die auch vom BVerfG ausdrücklich in ein Verhältnis des "zugleich" gebracht werden168. Dabei wird den institutionellen Inhalten der Pressefreiheit mit Recht eine freiheitsverstärkende Funktion beigemessen1(9. Gerade darin liegt aber zugleich auch der eigentliche Sinn und Zweck des objektiv-rechtlichen Gehalts der Freiheitsrechte170. Die objektiv-rechtliche 165 166

167

Vgl. BVerfGE 10, 118/121; E 62, 230/243. W: Sehnlitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 92.

Besonders deutlich BVerfGE 50, 290/337.

168 BVerfGE 20, 162/175. Ebenso BVerfGE 66, 116/133; P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 12; U. Scheuner, VVDStRL 22, S. 95. Grundlegend P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 70 ff. 169 So ausdrücklich Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 452. Ähnlich K. H. Hall/ Ch. Peter, JuS 1967, S. 360; H. J. Falter, DB 1983, S. 1029. 170 Prägnant BVerfGE 50, 290/337. Übereinstimmend BVerfGE 7, 198/205; H. Bis-

2. Abschn.: Die verfassun~rechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

95

Seite dient der Verstärkung des subjektiven Rechts, umgibt letzteres mit zusätzlichen Sicherungen und Garantien171, erscheint aber auch nur mit diesem Sinngehalt gerechtfertigt112• Damit kann zumindest für den Bereich der Pressefreiheit kein Unterschied zwischen objektiv-rechtlicher Dimension und institutioneller Deutung festgestellt werden, so daß hier beide Bedeutungsschichten einander gleichgesetzt werden müssen173• Für diese Annahme spricht vor allem die Tatsache, daß die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten institutionellen Inhalte mit dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG übereinstimmen. Zudem übt das BVerfG seit längerem Zurückhaltung gegenüber dem Begriff der institutionellen Bedeutung und ähnlichen Formulierungen. Ehemals institutionell umschriebene Grundrechtsgehalte werden als objektive Prinzipien gekennzeichnetm, beziehungsweise aus der objektiven Bedeutung der Pressefreiheit abgeleitet175• Deshalb erscheint es gerechtfertigt, in dieser Untersuchung allein die Auswirkungen der objektiv-rechtlichen Seite des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in den Vordergrund zu stellen. Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Bedeutungsschichten der Pressefreiheit stehen in einem Verhältnis gegenseitiger Ergänzung und Verstärkung. Der objektiv-rechtlichen Seite des Grundrechts kommt dabei eine Richtlinienfunktion zu. Sie verpflichtet die öffentliche Gewalt, die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zum Ausdruck kommenden Wertvorstellungen im Interesse der Grundrechtseffektivität bei der Ordnung des Gemeinschaftslebens zu beachten. Die daraus resultierenden Direktiven für Gesetzgeber und Gesetzesanwender entfalten im Verhältnis des Bürgers zum Staat, aber auch im Verhältnis der Privatpersonen untereinander Wirkung. Auf diese Weise wird der geistigen und ökonomischen Wettbewerbsfreiheit der Kommunika-

mark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 130; W. Sehnlitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 53; Ch. Starek, JuS 1981, S. 239. 171 Vgl. OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939.

172

Dies unterstreicht W. Sehnlitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 118; ders., Kabelkommunikation und Verfassung, S. 118; ders., AöR 112 (1987), S. 240. 173 Diesen Standpunkt vertreten auch H. D. Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1, RdNr. 3; ders., AöR 110 (1985), S. 367, und Ch. Degenhmt, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 94. Siehe bereits BVerfGE 20, 162/175; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939. 174 BVerfGE 66, 116/135. 175 Siehe BVerfGE 66, 116/133.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

tionsträger eine weitreichende Sicherung zuteil176• Mittelbare Drittwirkung, staatliche Schutzpflicht und Funktionsverantwortung sind zu den anerkannten objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten zu rechnen. Sie verschaffen der wettbewerbsorientierten Entfaltungsfreiheit im Gemeinschaftsleben zusätzliche Geltung gegenüber Staat und Gesellschaft.

4. Pressefreiheit, Bestandsgarantie und Wettbewerb Die Pressefreiheit schützt die Wettbewerbshandlungen der Presseschaffenden in umfassender Weise und gewährt damit jedem Konkurrenten die Möglichkeit, sich im publizistischen, aber auch im wirtschaftlichen Wettbewerb durch freie Leistungskonkurrenz gegenüber seinen Mitbewerbern durchzusetzen. Es steht ihm frei, sein geistiges und wirtschaftliches Potential einzusetzen, um seine Konkurrenten zu überflügeln. Die Beteiligten sind den Selbstregulierungskräften des jeweils relevanten Marktes unterworfen, dessen Eigengesetzlichkeiten sie sich nicht entziehen können. Sie unterliegen der Kontrolle, die Wettbewerb und Markt zu leisten imstande sind. Die Presseerzeugnisse, die sich im Wettbewerb nicht behaupten können, müssen letztlich der erfolgreicheren Konkurrenz weichen. Hier aktualisiert sich die jedem Wettbewerb eigene Auslesefunktion177• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG steht dem nicht entgegen. Die Verfassung gebietet keine künstliche Abschirmung gegen die Risiken der Konkurrenz. Die Wettbewerbshandlungen des erfolgreichen Konkurrenten gehören auch dann zu den grundrechtlich geschützten Aktionsformen menschlichen Handelns, wenn sie zu Einbußen bei den Mitbewerbern führen178• Diese können sich demgegenüber nicht auf die Pressefreiheitsgarantie berufen, um ihre individuellen Bestandssicherungsinteressen zu wahren und einen Konkurrenzschutz zu erreichen179• Das Grundrecht schützt die einzelnen Wettbewerber weder in seiner institutionellen, noch in

176 177

Ausführlich dazu unten 4. Teil, 2. Abschn., II.

Der Wettbewerb ist ein Verfahren des Leistungsvergleichs mit Auslesecharakter. Dazu oben 1. Teil, 2. Abschn., II. 178 Vgl. in diesem Zusammenhang Ch. Degenhart, ZUM 1987, S. 599 FN 66: "Dabei ist zu vergegenwärtigen, daß Wettbewerb zu den Strukturprinzipien eines privatrechtlich organisierten, freien Pressemarktes gehört, auch wenn er mit Verdrängungseffekten verbunden ist.• 179 Das betonen E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 152; R. Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 55.

2. Abschn.: Die verfassung:srechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

97

seiner individual-freiheitsrechtliehen Dimension vor den Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber oder dem Auftreten neuer Konkurrenten. Die vom BVerfG herausgearbeitete institutionelle Seite der Pressefrei-

heit'~ wird zuweilen dahingehend mißverstanden, daß der Schutz eines frei-

en und funktionsfähigen Pressewesens zugleich einen gewissen Schutz vor Wettbewerb bedinge181. Jedoch gewährt auch die "Garantie des Instituts 'Freie Presse' ... keine Bestandsgarantie für Verleger im Pressewettbewerb"182. Das Institut "Freie Presse" kann allenfalls eine globale Bestandsbzw. Funktionsgarantie für die Gesamtheit der Presse, das Pressewesen begründen183. Eine derartige Garantie ist auf Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Presse gerichtet. Daraus ergeben sich aber keine Folgerungen für die Situation des einzelnen Wettbewerbers. Die institutionelle Sicht bewirkt keine Erstarrung der Ausgangsposition der am Konkurrenzkampf beteiligten Kommunikationsträger. Mit der Möglichkeit der freien Betätigung wird den Presseschaffenden nur eine Chance gewährt, sich im Konkurrenzkampf zu behaupten. "Pressefreiheit ist eine mit allen Risiken behaftete Betätigungschance ... "184 und keine Erfolgsgarantie. Im Bereich des geistigen Wettbewerbs garantiert das Freiheitsrecht den Kommunikationsträgern daher nicht automatisch mit der kommunikativen Betätigung den publizistischen Erfolg am Meinungsmarkt'ss. Jedes Presseerzeugnis muß sich im publizistischen Wettbewerb stets aufs Neue bewähren und durchsetzen. Indem das Grundrecht die freie geistige Auseinanderset-

l80 BVerfGE 10, 118/121; E 12, 205/UJJ; E 20, 162/175 f.; E 25, 258/268; E 36, 193/204; E 50, 234/240; E 62, 230/243; E 66, 116/133; E 73, 118/180; E 77, 346/354 und ständig. 181 Vgl. nur BGHZ 51, 236/247 f.: "Es wäre aber ein individualistisches Mißverständnis dieser Pressefreiheit, wollte man diese bei der rechtlichen Bewertung des Wettbewerbs von Presseorganen untereinander einseitig unter den Blickpunkt freier verlegerischer Entfaltung des einzelnen begreifen und die Schutzfunktion außer acht lassen, die Art. 5 GG für die Erhaltung eines freien Pressewesens ausübt und die auf anderen Gebieten bereits unter den Begriff der Pressefreiheit als Institution anerkannt worden ist ... Dieser grundlegenden Bedeutung ... muß auch die Art und Weise, in der sich ein Verleger im Wettbewerb mit anderen Presseorganen durchzusetzen versucht, Rechnung tragen.• 182 E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinung:svielfalt, S. 104. 183 Dazu BVerfGE 73, 118/180; Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 649. 184 M. BuUinger, AöR 108 (1983), S. 183. Ähnlich R. Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 55. l8S

Vgl. M. Bullinger, AöR 108 (1983), S. 183.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

zung statuiert, trägt es auch deren nachträglichen Auswirkungen Rechnung, soweit sie auf dem Nutzungsverhalten der Leser und den wettbewerbskonformen Maßnahmen der Mitbewerber beruhen. Kein Wettbewerber wird gegen Einbußen oder Risiken geschützt, die ihm daraus erwachsen, ~aß andere Publikationen bei der Leserschaft mehr Anklang fmden und damit seinen geistigen Einfluß und seinen publizistischen Erfolg beeinträchtigen. Gegenüber der konkurrierenden Betätigung anderer Grundrechtsträger und gegenüber Änderungen im Nutzungsverhalten der Leser gibt es keine Sicherheit für erworbene Positionen. Gleiches gilt für den ökonomischen Wettbewerb im Pressewesen. Er wird ohne Rücksicht auf die fmanziellen Interessen der beteiligten Presseunternehmen geführt. Presseorgane können sich gegenüber den Wettbewerbshandlungen ihrer Konkurrenten "grundsätzlich auch dann nicht auf die Pressefreiheit berufen, wenn sie wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Meinungs- und Pressefreiheit ... dienen nicht der Garantie wirtschaftlicher Interessen"186• Die Beteiligten müssen sich dem wirtschaftlichen Wettbewerb mit all seinen Auswirkungen stellen. Da es keinen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf unveränderte Erhaltung des Geschäftsumfangs, des Kundenkreises und auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten gibt, kann sich kein Wettbewerber auf den Fortbestand der am Kommunikationsoder Werbemarkt erreichten Marktanteile verlassen. Er hat keine Garantie, einem Konkurs zu entgehen. Der Gewährleistungstatbestand der Pressefreiheit verbürgt demnach für den einzelnen Presseschaffenden kein Recht auf Besitzstandswahrung und Sicherung zukünftiger Funktionalität. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf staatlichen Schutz vor Wettbewerb187, so daß einmal erreichte publizistische und wirtschaftliche Machtpositionen nicht gegen wettbewerbskonforme Veränderungen gesichert sind. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG enthält keine Garantie dahingehend, folgenlos an den Bedürfnissen der Leser und den wirtschaftlichen Gegebenheiten vorbeiproduzieren zu können. Eine derartige Bestandsgarantie für einzelne Presseunternehmen kann es schon aus freiheitsrechtliehen Erwägungen nicht geben188• Das Risiko, das jede Betätigung einer 186 187

BVerfGE 2S, 2S6/268.

Das ist weithin anerkannt. Siehe etwa H. Bismark, AfP 1983, S. 142; Ch. Degenhart, ZUM 1987, S. 600; ders., ZUM 1988, S. 51; L. Fröhler, Werbefernsehen und Pressefreiheit, S. 22; H.-J. Papier, Der Staat 18 (1979), S. 440.

188

So im Ergebnis auch W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, S.

2. Abschn.: Die verlassunprechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

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grundrechtlich verbürgten Freiheit mit sich bringt, kann nicht abgebaut werden, ohne die Freiheit selbst aufzugeben, da jede Risikominderung Restriktionen für die Freiheitsbetätigung anderer Grundrechtsträger zur Folge hat. Aus diesem Grund besteht zwischen "Wettbewerb und Bestandsschutz ... ein echter Widerspruch. Bestandsschutz im Wettbewerb zu gewähren, bedeutet stets auch, den Wettbewerb zu regulieren und auch in seinen Ergebnissen zu korrigieren"189• Jeder Wettbewerber trägt das Risiko der Vergeblichkeit seiner publizistischen und wirtschaftlichen Dispositionen190• Die Unsicherheit ist ein notwendiger Bestandteil individueller Freiheit. Jede Freiheit bedingt die Koppelung von Entscheidungsrechten mit der Belastung durch die Entscheidungsfolgen. Dies gilt auch für die durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantierte Wettbewerbsfreiheit Wer die Freiheit hat, sich im publizistischen und ökonomischen Wettbewerb im Pressewesen zu entfalten, trägt auch die damit verbundenen Risiken. Autonomie und Eigenverantwortung stehen in einem untrennbaren Zusammenhang.

II. Die Meinungsäußerungsfreiheit Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt die publizistischen und ökonomischen Wettbewerbshandlungen der Presseschaffenden. Fraglich ist, ob die geistige Entfaltungsfreiheit und damit der geistige Wettbewerb der Kommunikationsträger seine verfassungsrechtliche Grundlage zugleich in der in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG verankerten Meinungsäußerungsfreiheit findet. Dies hätte zur Folge, daß die publizistische Wettbewerbsfreiheit sowohl durch die Presse-, als auch durch die Meinungsäußerungsfreiheit geschützt würde191 • 29.

189

190

Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 649.

Anders im Bereich des Rundfunks: Da das BVerfG den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im 5. Fernseh-Urteil (E 74, 297/342) eine uneingeschränkte und unbegrenzte Finanzierunpgarantie gewährt, müssen diese im Wettbewerb der Rundfunkanbieter kein wirtschaftliches Risiko tragen. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs wird damit von vornherein in Frage gestellt, weil ein Teil der Wettbewerber folgenlos an den Bedürfnissen des Publikums vorbeiproduzieren kann.

191

So ausdrücklich F. Schneider, Presse- und Meinunpfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 91, für Meinungsäußerungen in der Presse. Auch des BVerfG bezieht sich in mehreren Ent-

100

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG garantiert die Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit. "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ... ". Es ist allgemein anerkannt, daß die grundrechtlich verbürgten Übermittlungsformen sich nicht in "Wort, Schrift und Bild" erschöpfen, sondern darüber hinaus alle nur denkbaren Außerungsformen verfassungsrechtlich gewährleistet werden192• Demzufolge läßt sich auch die pressespezifische Äußerung von Geistesinhalten mittels Druck prima facie zwanglos in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG einordnen. Damit stellt sich das Problem einer Verhältnisbestimmung von Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit Diese Frage ist in Rechtsprechung und Schrifttum immer wieder erörtert worden, ohne daß die verfassungssystematische Einordnung massenmedial vermittelter Kommunikation vollends geklärt werden konnte. Ursprünglich sahen einige Autoren in der Pressefreiheit einen bloßen Unterfall der in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG verbürgten Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit mittels Schrift193• Diese Ansicht konnte sich aber nicht durchsetzen19\ da schon der Wortlaut und die Systematik des Art. 5 Abs. 1 GG gegen sie sprechen. Die besondere Erwähnung der Pressefreiheit indiziert den eigenständigen Regelungsgehalt und damit die selbständige Bedeutung dieses Grundrechts. Dem Verfassungsgeber kann nicht unterstellt werden, daß er mit der ausdrücklichen Normierung der Pressefreiheit etwas überflüssiges, weil bereits in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG enthaltenes, geregelt hat. Zutreffend betonen daher das BVerfG und die hieran anknüpfenden Stellungnahmen im Schrifttum den selbständigen Charakter der Pressefreiheit, weisen ihr aber, wie den übrigen Medienfreiheiten, eine verfassungsrechtlich untergeordnete, weil dienende Funktion zu195• "Die Massenscheidungen auf die nicht näher unterschiedene Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GO, soweit es um den Schutz massenmedial verbreiteter Meinungen geht. Vgl. nur BVerfGE 24, 278/'12>2; E 42, 143/150; E 42, 163/169. 192 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 392. 193 Siehe etwa E. Friesenhahn, Festgabe für Kunze, S. 24; R. Schnur, VVDStRL 22, S. 101. 194

Vgl. nur H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 104; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 66; /. von Münch, in: von Münch, GO-Kommentar, Bd 1, Art. 5, RdNr. 1; U. Scheuner, VVDStRL 22, S. 65. 195 Das BVerfG hat die Rundfunkfreiheit mehrfach als dienende Freiheit bezeichnet (E 57, 295/319 f; E 59, 231/257; E 73, 118/152; E 74, 297/323), wobei der "Dienst" auf die

2. Abschn.: Die verfassun~rechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

101

medien werden in ihrer Existenz und Wirksamkeit vor allem deshalb geschützt, weil sie im System moderner Massenkommunikation zu den unverzichtbaren Voraussetzungen wie Vermittlern von Meinungsbildung, Information und ... öffentlicher Meinung ..." gehören196• Demzufolge werde auch die Pressefreiheit nur deswegen verfassungsrechtlich garantiert, weil eine freie Presse eine notwendige Bedingung eines funktionsfähigen und freiheitliehen Meinungsbildungsprozesses ise97• Bei dieser Sichtweise werden die Meinungs- und Informationsfreiheit des einzelnen Bürgers zum materiellen Bezugspunkt der Pressefreiheit. Sie sind die Basisgewährleistung, in welche die Pressefreiheit eingebettet ist. Für die Handhabung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bedeutet dies, daß die Bestimmung nur mit Blick auf die Basisgewährleistung interpretiert werden kann. "Der interpretative Zusammenhang von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG rückt die letztere Grundrechtsgewährleistung in ein Verhältnis funktionaler Akzessorietät zur ersteren Grundrechtsgewährleistung und schließt demgemäß insbesondere Interpretationen oder Verfassungsanwendungen aus, die in einem ... Konflikt zur Basisgewährleistung des Satzes 1 treten ..."198• Konflikte treten aber immer dann auf, wenn die Presseschaffenden mit ihrer Tätigkeit eigene Interessen verfolgen, die mit denen der Leser nicht übereinstimmen. Die Annahme einer funktionalen Akzessorietät hat in diesem Fall zur Folge, daß der durch die Pressefreiheit verbürgte Freiraum dort endet, wo keine Kommunikationsbedürfnisse der Leserschaft mehr befriedigt werden. Es ist offensichtlich, daß eine derartige verfassungssystematische Einordnung der Pressefreiheit die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Kommunikationsfreiheit der Presseschaffenden in unerträglichem Ausmaß verkürzt. Das Grundrecht kann nicht allein aus dem Blickwinkel der Rezipienten interpretiert werden. Deren Meinungsbildung kann nicht zum alleinigen Orientierungspunkt der Verfassungsauslegung gemacht werden. Die Kommunikationsinteressen und die darauf beruhenden, verfassungsrechtlich geschützten Auswahlentscheidungen der Leser spielen eine erhebliche Rolle199• Durch Freiheit der Meinun~bildung bezogen wurde. 196 R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 356. 197 So R. Scholz, JZ 1981, S. 563. 198 R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 356 f.; vgl auch R. Scholz, IZ 1981, S. 563.

199

Auf die Auswahlentscheidung der Leser wird bei der Darstellung der wichti~ten Strukturvoraussetzungen des publizistischen Wettbewerbs im einzelnen noch einzugehen sein. Dazu unten 3. Teil, 1. Abschn., I.

102

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassung:;rechtliche Grundlagen

ihre Nutzungsentscheidungen steuern die Rezipienten Verlauf und Richtung des publizistischen Wettbewerbs200• Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß die Meinungs- und Informationsfreiheit des Bürgers ein Hauptgrundrecht ist, in welches die Pressefreiheit lediglich eingebettet ist. Auch dieser Meinung steht schon die gesonderte Normierung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entgegen, die die Pressefreiheit deutlich gegenüber den in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG garantierten Freiheiten abschichtet. Die ausdrückliche Garantie der Pressefreiheit ergibt nur dann einen Sinn, wenn das Grundrecht einen eigenständigen Schutzgegenstand erfaßt, der hier als Kommunikationsfreiheit der Presseschaffenden gekennzeichnet wurde. Deren Entfaltungfreiheit wird um ihrer selbst willen geschützt. Demnach steht die Betätigung der Pressefreiheit im Belieben des einzelnen. Jeder Grundrechtsträger bestimmt in völliger Unabhängigkeit die Ziele, die er jeweils mit seinen Veröffentlichungen verfolgen will. Er kann deshalb auch Beiträge verbreiten, mit denen er unabhängig von den Kommunikationsbedürfnissen der Leser persönliche Interessen und Zielsetzungen verschiedenster Art verfolgt. Die Annahme einer dienenden Funktion der Pressefreiheit negiert diese verfassungsgeschützten Kommunikationsinteressen der Pressetätigen, da ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis jede publizistische Entfaltungsfreiheit im Keim erstickt. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sind demnach selbständige Verfassungsgewährleistungen, die jeweils einen eigenständigen, spezifischen Gewährleistungsgegenstand erfassen201 • Allein aus der Sicht der Pressefreiheit kann nicht gefolgert werden, daß Art. 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GG völlig beziehungslos nebeneinander stehen. Die beiden Garantieaussagen sind schon wegen ihrer Wesensverwandtschaft in vielfältiger Weise miteinander verbunden202• Dies verdeutlicht zum einen die gemeinsame Aufgabe öffentlicher Meinungsbildung. Zum anderen erfassen beide Garantien einen Teilbereich der Geistesfreiheit. Sie schützen in ihrem Kern jeweils eine immaterielle Leistung, das Äußern und Verbreiten individuell oder kollektiv 200

201

Vgl. zum kommunikativen Einfluß der Leser bereits oben 2. Teil, 1. Abschn., II, 2.

So im Ergebnis übereinstimmend H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 104; Ch. Degmhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 67; W. Schmilt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 57; /. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 32 ff. Für eine strikte Trennung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GG spricht sich auch W. Hoffmann-Riem, AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 15, aus. 202 Ausführlich dazu W. Schmitt Glaeser, AöR 112 (1987), S. 236 f.; ders. , AöR 113 (1988), S. 58.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

103

erarbeiteter Geistesinhalte. Als Momente geistiger Ausdrucksfreiheit bilden sie demnach eine innere Einheit203• Wird allein die geistige Entfaltungsfreiheit in den Vordergrund der Betrachtung gestellt, besteht ein unübersehbarer Zusammenhang zwischen den Grundrechtsgewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG. Die Presse ist dann "im Prinzip nur eine besondere Spielart der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit"2114 • Darin erschöpfen sich dann aber auch die Gemeinsamkeiten beider Garantieaussagen. Im übrigen weist die Pressefreiheit einige besondere Aspekte auf, die auf die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit typischerweise nicht zutreffen und damit die beiden Gewährleistungen voneinander abschichten. Zum einen ist die Verschiedenartigkeit der jeweils geregelten Kommunikationssituation zu beachten. Die Einbindung der Presseschaffenden in die publizistische Kommunikation begründet einen Sachverhalt eigener Art, der abgesehen von einigen Gemeinsamkeiten, erhebliche Unterschiede gegenüber der von Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG erfaßten Individualkommunikation aufweist. Wesentlich ist hier vor allem die massenhafte Vermittlung von Kommunikationsinhalten, die Vielzahl der Beiträge und der Kommunikationsteilnehmer. Daneben besitzt die Pressefreiheit aber auch deshalb einen über die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit hinausgehenden Inhalt, da sie neben der geistigen, zugleich die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit und damit den wirtschaftlichen Wettbewerb der Kommunikationsträger schützt. Die wirtschaftlichen Aspekte der Individualkommunikation fallen demgegenüber nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG. Pressefreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit stehen demnach zueinander im Verhältnis partieller Konkurrenz. Da Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG den Presseschaffenden einen speziellen Schutz für ihre Tätigkeit gewährt, verdrängt die Pressefreiheit in ihrem Anwendungsbereich als Iex specialis die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit20S, mit der Folge, daß letz203 Zu diesem thematischen Zusammenhang siehe etwa W. Sehnlitt Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung von Grundrechten im politischen Meinungskampf, S. 118. 204 W. Sehnlitt Glaeser, AöR 97 (Im), S. 118. Vgl. auch D. Czajka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 145 ff.; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 32. 205 Diesen Standpunkt vertreten H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung S. 105; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Schotz, Grundgesetz, Art. 5 Abs I, II, RdNm. 153 f.; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 32, und W. Sehnlitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 58, wenn auch die Begründungen im einzelnen differieren.

104

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

terer bei der verfassungsrechtlichen Untersuchung des geistigen Wettbewerbs im Pressewesen keine eigenständige Bedeutung zukommt.

111. Die anderen Grundrechte Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist die maßgebliche Grundlage der Wettbewerbsfreiheit im Pressewesen. Jedoch kann das Phänomen der Konkurrenz nicht ausschließlich Art. 5 GG zugeordnet werden. Nahezu jede Wettbewerbshandlung berührt zugleich andere Grundrechte, deren Garantieaussagen wiederum Reichweite und Umfang der kommunikativen und / oder wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit beeinflussen und ihr damit neue Akzente oder Inhalte verleihen. Demzufolge liegt der verfassungsrechtliche Standort der Wettbewerbsfreiheit im konkreten Einzelfall notwendigerweise im Schnittpunkt mehrerer Grundrechtsbestimmungen. Je nach Fallgestaltung gewinnen entweder die geistigen Freiheiten oder die Wirtschaftsfreiheiten des Grundgesetzes an Bedeutung. Zwischen der Pressefreiheit und den jeweils berührten Freiheitsrechten besteht ein enger verfassungssystematischer Zusammenhang. 1. Die geistigen Freiheiten

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt unter anderem die geistige Entfaltungsfreiheit und damit zugleich die publizistische Konkurrenz der Presseschaffenden. Darüber hinaus sind bei einigen Gruppen von Presseerzeugnissen auch noch andere geistige Freiheitsgarantien anzusprechen. Diese garantieren für abgegrenzte Teilbereiche des geistigen Lebens ihrerseits grundlegende Aspekte der geistigen WettbewerbsfreiheiL Zum anderen sind die jeweils betroffenen Grundrechtsträger zur Verwirklichung dieser Freiheiten häufig auf die massenmediale Kommunikation mittels der Presse angewiesen. Im folgenden soll ein Überblick über einige praktisch besonders relevante Pressegattungen und die jeweils einschlägigen Freiheitsrechte gegeben werden206. 206 Der Überblick kann schon wegen der Vielschichtigkeit des Pressewesens keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. So bleiben beispielsweise die Parteipresse,

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

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a) Art. 4 Abs. 1, 2 GG- Die Religionsfreiheit

Überschneidungen zwischen Presse- und Religionsfreiheit sind bei der religiösen Presse denkbar. Von Bedeutung ist hier vor allem die kirchliche Presse. In diesem Bereich hat sich ein breitgefächertes Pressewesen entwickelt, das, neben den Publikationen der beiden großen christlichen Kirchen, auch die Presseerzeugnisse kirchlicher Verbände, Gruppen und Werke umfaßfD7. Als Beispiele seien hier nur die wöchentlichen Kirchengebietsblätter, die Bistumszeitschriften, regionale und lokale Gemeindeblätter, Pfarrbriefe, Mitteilungsblätter kirchlicher Gruppierungen, Ordens- und Missionszeitschriften, kirchliche Amtsblätter, kirchliche Kalender, Pastoralblätter und die kirchenpolitischen, religionspädagogischen und theologischen Zeitschriften genannt. Diese Publikationen werden von kircheneigenen oder -nahen Verlagen, aber auch von unabhängigen Organisationen herausgegeben. Der Bereich der kirchlichen Presse ist demnach äußerst komplex und vielschichtig. Es verwundert deshalb nicht, daß sich die Anzahl aller einschlägigen Presseerzeugnisse und deren Auflage nicht eindeutig quantifizieren lassen. Lediglich der Teilbereich der konfessionellen Zeitschriften ist statistisch erfaßbar. So wurden etwa im Jahre 1961 in der Bundesrepublik Deutschland 737 religiöse Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 16 Mio. Exemplaren herausgegeben2D8. Neueren Angaben zufolge erscheinen im seihen Verbreitungsgebiet nunmehr etwa 430 evangelische und 120 katholische Zeitschriften in einer Auflagenstärke von rund 21 Mio. Examplaren pro Nummer209• Allein diese Zahlen verdeutlichen die gesellschaftspolitische Bedeutung der kirchlichen Presse. Das erwerbswirtschaftliche Streben der Presseschaffenden tritt bei kirchlichen Kommunikationsträgern weitgehend in den Hintergrund, da sie vorwiegend immaterielle Zwecke verfolgen. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß kirchliche Presseerzeugnisse überhaupt nicht am wirtschaftliStandesblätter von Verbänden, Vereinszeitschriften und andere Publikationstypen von vomherein außer Betracht. 207 Siehe dazu G. StoU, Evangelisches Pressewesen, Sp. 517 f.; M. Schmolke, Katholisches Pressewesen, Sp. 363 ff. 208 209

Quelle: E. Dovifat, Presse, S. 521.

Diese Zahlen nennt M. Löffler, Presserecht I,§ 3 LPG, RdNr. 84. Vgl. auch G. Sto/1, Evangelisches Pressewesen, Sp. 518; M. Schmolke, Katholisches Pressewesen, Sp. 368.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

chen Wettbewerb auf dem Kommunikations- oder Werbemarkt teilnehmen. Sie sind vielfach gleichzeitig in geistige und wirtschaftliche Wettbewerbsprozesse eingebunden. Dies betrifft einmal den Kommunikationsmarkt. Kirchliche Publikationen werden teils unentgeltlich an die Mitglieder verteilt, zum Teil aber auch im Abonnement oder im Einzelverkauf entgeltlich vertrieben. Ein Teil der kirchlichen Presse beteiligt sich zudem am wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Werbemarkt Einige Publikationen- wie beispielsweise die Gemeindeblätter - finanzieren sich zu einem wesentlichen Teil aus dem Werbegeschäft. Neben der kirchlichen Presse gibt es noch eine Vielzahl von Presseerzeugnissen, die von Minderheitenreligionen, religiösen Sekten und ähnlichen Organisationen herausgegeben werden. Auch diese Publikationen gehören zur religiösen Presse, sofern es sich bei den betreffenden Organisationen um Religionsgemeinschaften handelt. Fraglich ist, ob und inwieweit die Pressetätigkeit religiöser Kommunikationsträger vom Normbereich des Art. 4 GG erfaßt wird. Dieses Grundrecht garantiert mit der Gewährleistung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wesentliche Bestandteile der Religionsfreiheie10• Dabei ist es für die Garantieaussage des Art. 4 Abs. 1, 2 GG ohne Bedeutung, ob es sich um christliche oder nichtchristliche Glaubensinhalte handelt. Das Grundrecht schützt nicht nur die Mitglieder anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern auch die Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen211 , so daß auch Minderheitenreligionen und kleinere Sekten Grundrechtsschutz genießen. Der Schutzbereich erfaßt neben dem forum internum zugleich alle die äußere Lebensgestaltung betreffenden Betätigungen der Religionsfreiheit. Dazu gehören unter anderem alle Akte der geistigen Interkommunikation, bei denen die religiöse Überzeugung des einzelnen nach außen hervortritt. Jeder Grundrechtsträger hat das Recht, religiöse Überzeugungen nach außen zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Er kann aussprechen, aber auch verschweigen, was er glaubt oder auch nicht glaubt212• Mit der 210

Die in Art. 4 Abs. 2 GG verl>ürgte Freiheit der Religionsausübung hat demgegenüber keine selbständige Bedeutung. Sie ist eine Ausformung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und von dieser bereits mitgeschützt. Grundlegend BVerfGE 24, 236/245. 211 Das betont BVerfGE 32, 98/106. 212

Vgl. BVerfGE 12, 1/4.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

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Verkündigungsfreiheit wird zugleich die Freiheit der Glaubenswerbung durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt213• Der Gewährleistungstatbestand umfaßt die Werbung für einen Glauben, die Abwerbung von einem Glauben und, unabhängig von einer Glaubenswerbung, die Verunsicherung des Umworbenen in seiner bisherigen Überzeugung. Das Grundrecht "sichert in der Aktualisierung unterschiedlicher Wertvorstellungen und Deutungen einen freien geistigen Prozeß, in dem der einzelne seine Identität fmden und zugleich die weltanschaulich-ethische Verfaßtheil der Gemeinschaft prägen soll"214• Die Religionsfreiheit hat demnach einen spezifisch kommunikativen Inhalt. Die Grundrechtsträger können nach Belieben mit anderen Personen in Verbindung treten. Art. 4 Abs. 1, 2 GG sichert die Mitgestaltung und die Mitwirkung an der religiösen Kommunikation in umfassender Weise. Dabei ist es für die Gewährung des Grundrechtsschutzes unbeachtlich, ob die religiösen Inhalte durch Wort, Schrift, Bild, Gesten oder in anderen Formen zum Ausdruck gebracht werden. Art. 4 Abs. 1, 2 GG schützt alle denkbaren Übermittlungsformen religiöser Überzeugung215• Demzufolge wird auch die pressespezifische, gedruckte Äußerung religiöser Inhalte durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG grundrechtlich garantiere16• Die Äußerung und Verbreitung religiöser Geistesinhalte mittels des Mediums Presse gehört zu den grundrechtlich geschützten Aktionsformen menschlichen Handelns. Alle religiösen Presseinhalte fallen in den Normbereich der Religionsfreiheit. Das Grundrecht erfaßt etwa die Veröffentlichung und Verbreitung von Bibelstellen, Predigten, Gebeten und Kirchenliedern. Darüber hinaus werden aber auch alle anderen Artikel und Diskussionsbeiträge, die sieb mit religiösen Fragen und kirchlichen Problemstellungen befassen, verfassungsrechtlich geschützt. Dazu zählt beispielsweise die Beschäftigung mit weltansebaulich relevanten Themen wie Ehescheidung und Abtreibung. Schließlieb wird auch der Berichterstattung aus dem innerkirchlichen Raum der Grundrechtsschutz der Religionsfreiheit zuteil. Für die übrigen Informationssparten dieser Presse, 213 Das ist allgemein anerkannt. Siehe etwa BVerfGE 12, 114; E 24, 2361245; A. von Campenhausen, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 136, RdNr. 55. 214 W. Schmitt Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr.18. 215 Vgl. etwa/. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 4, RdNr. 36. 216 Siehe auch von Mangoldt I Kkin I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 87: "Soweit die religiöse Presse Bekenntnischarakter in diesem Sinne hat, fallt sie unter den Schutz des Art. 4 ... ". Ähnlich 0 . Bachof, in: Bettermann I Nipperdey I Scheuner, Die Grundrechte IIII1, S. 170; A. von Campenhausen, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 136, RdNr. 87.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

die keinen religiösen Bezug aufweisen, ist allein die Garantieaussage der Pressefreiheit maßgebend. Als Beispiel sei hier nur die Berichterstattung konfessioneller Publikumszeitschriften über das politische Zeitgeschehen genannt. Wird diese durch staatliche Maßnahmen beeinträchtigt, können sich die Kommunikationsträger nur auf die Presse-, nicht aber auf die Religionsfreiheit berufen. Art. 4 Abs. 1, 2 GG beeinflußt die publizistische Konkurrenz der Presseschaffenden insoweit, als er für einen Teilbereich des geistigen Lebens seinerseits grundlegende Aspekte der geistigen Wettbewerbsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich nur auf das publizistische, nicht aber auf das wirtschaftliche Wettbewerbsverhalten religiöser Kommunikationsträger. Die Religionsfreiheit schützt grundsätzlich keine wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern sie nicht ausnahmsweise religiös motiviert sind217• Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährt kein Recht auf uneingeschränkte Finanzierung einer religiösen Tätigkeit. Demzufolge steht das wettbewerbsorientierte wirtschaftliche Handeln religiöser Verlage auf dem Kommunikations- und dem Werbemarkt nicht unter dem Schutz der Religionsfreiheie18. Insoweit ist allein die Garantieaussage der Pressefreiheit maßgebend219.

b) Art. S Abs. 3 S. 1 GG- Die Kunstfreiheit

Die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte geistige Entfaltungfreiheit und damit der publizistische Wettbewerb der Presseschaffenden kann zusätzliche Akzente oder Inhalte durch die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verankerte Kunstfreiheit erhalten.

217

Vgl. dazu von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 4, RdNm. 21, 90; I. von Münch, in: von Münch, GO-Kommentar, Bd. 1, Art. 4, RdNr. 44. Etwas anderes gilt beispielsweise für karitative Sammlungen, die selbst ein Akt der Religionsausübung sind. 218 Ebenso 0. Bachof, in: Bettermann I Nipperdey I Scheuner, Die Grundrechte IIII1,

S. 170; W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 159; A. von Campenhausm, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 136, RdNr. 87. Teilweise anders von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 4, RdNr. 90, und J. MüUer-Volbehr, JZ 1981, S. 48, wonach der Verkauf religi&er Schriften durch Mitglieder der betreffenden Religionsgesellschaft von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt wird. 219 Siehe zum Schutz der wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

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Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährt im Kunstbereich eine allumfassende Betätigungsfreiheit. Das Grundrecht schützt alle Aktivitäten, die einen Bezug zur künstlerischen Idee besitzen. Der verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsraum erfaßt dementsprechend sowohl den "Werkbereich", als auch den "Wirkbereich" künstlerischen Schaffens220• Dabei ist es für den Gewährleistungstatbestand der Kunstfreiheit unbeachtlich, auf welche Art und Weise der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird. Alle denkbaren Vermittlungstätigkeiten fallen in den Normbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Deshalb schützt das Grundrecht nicht nur den sein Werk selbst präsentierenden Künstler, sondern auch die Personen, deren Mithilfe erforderlich ist, um das Kunstschaffen anderer einem größerem Empfängerkreis zu vermitteln. "Soweit es ... zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die hier eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben"221 • Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährt einen speziellen Freiraum publizistischer Entfaltung für die Presseschaffenden, die - obwohl sie selber keine Künstler sind - eine derart "unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum" innehaben222• Das Grundrecht schützt die freie Äußerung und Verbreitung künstlerischer Kommunikationsinhalte vor staatlichen Beeinträchtigungen, ohne daß die Pressetätigen an die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gebunden wärenm. So fällt etwa die Veröffentlichung von Werken der erzählenden Kunst oder der Dichtkunst nicht nur in den Normbereich der Pressefreiheit, sondern auch in den Schutzbereich der Kunstfreiheit

220 Das ist allgemein anerkannt. Vgl. nur BVerfGE 30, 1731191; E 36, 3211331; E 67, 2131224; E 77, 2401251; I. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 61. 221 BVerfGE 30, 1731191. So auch BVerfGE 36, 3211331; P. Häberle, AöR 110 (1985),

S. 606; G. Hermumn, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland,§ 38, S. 96; von Mangoldl I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 190. 222

BVerfGE 30, 1731191; vgl. auch LG Stuttgart, ZUM 1989, S. 369; M Antoni, in: Seifert I Hömig, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 26; P. Häberle, AöR 110 (1985), S. 606; G. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, § 38, S. 96; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 69. A. A. R. Scholz, in Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. III, RdNr. 13, der meint, daß die Kunstfreiheit nur den kommunikativen Schutz des Künstlers bezweckt. 223

So die heute herrschende Meinung: von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 206; L von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 63.

110

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Bei Kunstzeitungen, die ausschließlich künstlerische Geistesinhalte verbreiten, erfaßt die Kunstfreiheitsgarantie das ganze Presseerzeugnis. Hinsichtlich der übrigen Presseorgane muß zwischen den einzelnen Informationssparten differenziert werden. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG schützt nur die Beiträge, die das Kunstschaffen den Lesern zugänglich machen. Welcher Artikel Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vermittelt, ist Tatfrage und kann nicht allgemein entschieden werden. Für die Veröffentlichungen, denen der erforderliche Bezug zur Kunst fehlt, ist allein die Garantieaussage der Pressefreiheit ausschlaggebend. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garantiert demnach grundlegende Aspekte der publizistischen Entfaltungsfreiheit im Kunstbereich. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich aber nicht auf die wirtschaftliche Wettbewerbshandlungen der Presseschaffenden, da die Kunstfreiheit weder dem Künstler, noch den an der Vermittlung beteiligten Personen die wirtschaftliche Verwertung des Kunstwerks gewährleistet224 • Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garantiert nur die kommunikative, nicht aber die wirtschaftliche Vermittlung. Die wirtschaftlichen Aspekte massenmedialer Vermittlung werden allein von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt. c) Art. S Abs. 3 S. 1 GG- Die Wissenschaftsfreiheit

Überschneidungen zwischen Presse- und Wissenschaftsfreiheit sind denkbar, wenn sich die wissenschaftliche Kommunikation der massenmedialen Vermittlung bedient. Von Bedeutung ist hier vor allem der heterogene und fast unüberschaubare Bereich der Fachpresse225• Neben anderen Fachpublikationen gehören dazu auch die aus den Gelehrtenzeitschriften des 17. und 18. Jahrhunderts hervorgegangenen wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Darunter faßt man alle Fachpublikationen, "deren Zielgruppen sich überwiegend im Bereich 224 So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 31,2291239 f.; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 68; R. Scholz, in Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. 111, RdNr. 18. 225 W. Sachon, Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf

dem Fachzeitschriftenmarkt, S. 43, schätzt die Gesamtzahl der Fachzeitschriften auf etwa 2500 Titel mit einer tatsächlich verbreiteten Gesamtauflage von rund 25 Mio. Exemplaren pro Nummer.

2. Abschn.: Die verlassunprechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

111

von Forschung, Entwicklung und Lehre befinden"226• Gerade diese Gruppe von Presseerzeugnissen expandiert infolge der Ausweitung der Wissenschaftsdisziplinen, der wachsenden Vielfalt der Forschungsrichtungen und dem steigenden Bedürfnis nach wissenschaftlicher Information ständig. So wurden etwa im Jahre 1961 497 Titel mit einer Gesamtauflage von 1,8 Mio. Exemplaren pro Nummer gezählt227• Neueren Angaben zufolge hat sich die Zahl dieser Publikationen auf etwa 1200 Titel mit einer Gesamtauflage von 4,6 Mio. Exemplaren pro Ausgabe erhöht228• Die wissenschaftlichen Fachzeitschriften weisen einige Besonderheiten auf, die sie von den meisten anderen Presseerzeugnissen unterscheiden. Zum einen ist die Auflagenstärke zu nennen: In vielen Fällen liegt die durchschnittlich verbreitete Auflage unter 10.000 Exemplaren je Titef129• Unterschiede bestehen zum anderen aber auch bei den wirtschaftlichen Aspekten der Pressetätigkeit Wegen der kleinen Auflage werden die wissenschaftlichen Fachzeitschriften fast ausschließlich im Abonnement vertrieben, der Einzelverkauf im Buchhandel erfolgt kaum. Auch die Anzeigenfmanzierung verliert hier an Bedeutung. Während sich die meisten anderen Presseerzeugnisse aus dem Werbegeschäft fmanzieren, treten die Werbeerlöse bei den wissenschaftlichen Publikationen in den Hintergrund, was sich wiederum auf die Höhe der Vertriebspreise auswirkt. Zumindest ein Teil der wissenschaftlichen Fachpresse wird vom Normbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erfaßt. Dieses Grundrecht gewährt jedem, der innerhalb oder außerhalb einer Universität oder anderer Forschungseinrichtungen "wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will"230 eine umfassende Betätigungsfreiheit Der verfassungsrechtlich geschützte Freiraum erfaßt alle Aspekte wissenschaftlicher Arbeit. Die Kommunikation ist ein grundlegender Bestandteil des Wissenschaftsprozesses. "Wissenschaftliche 226

W. Sachon, Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt, S. 48. 227 So E. Dovifat, Presse, S. 521.

228

Angaben bei W. Sachon, Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt, S. 48 FN 48. 229 Diese Zahl nennt W. Sachon, Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt, S. 32. 230 BVerfGE 35, 79/112. Es ist weithin anerkannt, daß die Wissenschaftsfreiheit ein Je-

dermann-Grundrecht ist. Vgl. nur von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 255; L von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Band I, Art. 5, RdNr. 68.

112

2. Teil: Soziologische Grundfragen und vetfassungsrechtliche Grundlagen

Erkenntnis ist ... auf Objektivierbarkeit, d. h. auf das Nachvollziehen durch andere angelegt; wissenschaftliche Tätigkeit gewinnt als Suche nach Aussagen über die Wahrheit von Aussagen erst in der Mitteilung an andere ihren primären Sinn"zn. Demnach gehört die Kommunikation zu den wichtigsten Grundpfeilern wissenschaftlicher Betätigung. Der Erkenntnisfortschritt in diesem Bereich ist vom Erfahrungs- und Meinungsaustausch einer Vielzahl von Grundrechtsträgem abhängig, da erst die wissenschaftliche Diskussion eine annähernd rationale Überprüfung vorgeschlagener Problemlösungsversuche ermöglicht. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garantiert unter anderem die Freiheit der wissenschaftlichen Kommunikation. Jeder Grundrechtsträger hat das Recht, wissenschaftliche Kommunikationsinhalte zu äußern und zu verbreiten%.32• Für den Schutzumfang des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist ohne Bedeutung, welches Medium der Betroffene für die Vermittlung seiner Ansichten nutzt. Die Wissenschaftsfreiheit schützt alle denkbaren Übermittlungsformen wissenschaftlicher Geistesinhalte. Wissenschaftliche Äußerungen können in Wort, Schrift und Bild erfolgen. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garantiert neben der mündlichen Kathederlehre und dem wissenschaftlichen Gespräch zugleich die Freiheit der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, Lehrmaterial und anderen wissenschaftlichen Arbeiten. Aus diesem Grund erfaßt das Grundrecht als typische und unverzichtbare Form wissenschaftlicher Kommunikation auch die "Freiheit der wissenschaftlichen Publikation"Z33• Diese Freiheit kann jeder Wissenschaftler in seiner Eigenschaft als Autor wissenschaftlicher Veröffentlichungen in Anspruch nehmen. Daneben schützt der Gewährleistungstatbestand des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG aber auch die Personen, die die wissenschaftlichen Diskussionsbeiträge mittels der publizistischen Medien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen234• Die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf diesen Personenkreis ist wegen dessen Einbin231 232

T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit in Lehre und Studium, S. 80.

Vgl. hienu /. von Münch, in: von Münch GG-Kommentar, Band I, Art. 5, RdNr. 68; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 23 f.; R Scholz, in: Maunz I Dürig I Henog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. III, RdNr. 83. 233 P. Lerche, Werbung und Vetfassung, S. 113. Ähnlich T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit in Lehre und Studium, S. 83. 234 Das betonen G. Frank, NJW 1983, S.1173; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 1Tl. A. A. ist R Scholz, in: Maunz I Dürig I Henog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. III, RdNr. 13, der davon ausgeht, daß das Grundrecht nur den kommunikativen Schutz des Wissenschaftlers bezweckt.

2. Abschn.: Die verlassunprechtlichen Grundlagen der Wettbewerosfreiheit

113

dung in die wissenschaftliche Diskussion unumgänglich. Staatliche Beeinträchtigungen der publizistischen Vermittlung wirken sich letztlich immer auch auf die Veröffentlichungsfreiheit des Wissenschaftlers aus. Das gilt in besonderem Maße für die Presseschaffenden, die eine unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Wissenschaft und Fachöffentlichkeit wahrnehmen. Deshalb können sich alle bei der Erstellung einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift produktiv mitwirkenden Personen selbst dann auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, wenn sie selber keine Wissenschaftler sind. Bei wissenschaftlichen Publikationen, die ausschließlich wissenschaftliche Geistesinhalte verbreiten, erfaßt der Normbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG das ganze Presseerzeugnis und die zu seiner Erstellung erforderlichen Aktivitäten. Hinsichtlich der übrigen Publikationen muß wiederum zwischen den einzelnen Informationssparten differenziert werden. Die Wissenschaftsfreiheit schützt nur die Artikel, die wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse vermitteln. Für die anderen Meldungen ist allein die Garantieaussage der Pressefreiheit maßgeblich. Die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verankerte Wissenschaftsfreiheit erfaßt demnach einen speziellen Teilbereich der allgemeinen publizistischen Entfaltungsfreiheit der Presseschaffenden. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich aber nur auf das publizistische und nicht auf das wirtschaftliche Wettbewerbsverhalten der Pressetätigen235, da letzteres keinen unmittelbaren Bezug zur publizistischen Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte aufweist. Eine dahingehende Erweiterung des Schutzumfangs des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist auch nicht erforderlich, da die Unternehmerischen Aspekte massenmedialer Vermittlung bereits durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt werden236•

d) Art. 9 Abs. 3 GG - Die Koalitionsfreiheit

Überschneidungen können sich auch zwischen Presse- und Koalitionsfreiheit ergeben, soweit die Koalitionen eigene Presseerzeugnisse herausgeben. Zu dieser Pressegattung zählt zum einen die Gewerkschaftspresse. Sie besitzt noch immer eine große gesellschaftspolitische Bedeutung, wenn auch 235

R Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. III, RdNr. 84, ist der Ansicht, daß die Wissenschaftsfreiheit prinzipiell keinen Schutz für die wirtschaftliche Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse gewährt. 236 Vgl. dazu bereits oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c.

114

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

die Zahl der gewerkschaftseigenen Publikationsorgane rückläuftg ist. Im Jahre 1961 wurden in der Bundesrepublik Deutschland etwa 100 Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von rund 9 Millionen Exemplaren herausgegebenm. Mittlerweile verbreiten die Gewerkschaften nur noch 50 Publikationen, die zusammen eine monatliche Auflage von 17,4 Millionen Exemplaren erreichen238• Die Veröffentlichungen der Gewerkschaften erscheinen fast ausschließlich in eigenen Verlagen. Sie werden auch fast alle in gewerkschaftseigenen oder -nahen Druckereien hergestellt. Ein besonderes Kennzeichnen der Gewerkschaftspresse ist, daß sie weder am wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Kommunikations-, noch auf dem Werbemarkt teilnimmt. Damit ist sie den Regelungsmechanismen des wirtschaftlichen Wettbewerbs entzogen. Die betreffenden Publikationen werden von den Gewerkschaften wie Vereinsmitteilungen unentgeltlich an die etwa 7,6 Millionen Mitglieder verteilt oder per Post zugeschickt239• Zudem werden die gewerkschaftseigenen Presseorgane aus ideologischen Gründen seit Ende der siebziger Jahre ohne Werbeerlöse allein aus den Beiträgen der Gewerkschaftsmitglieder fmanziert. Neben den Presseerzeugnissen der Gewerkschaften fallen auch die Publikationen der Arbeitgeberverbände unter die hier aufgeführte Pressegattung. Auch bei diesen handelt es sich um verbandsinterne Presseorgane, die an die organisierten Arbeitgeber vielfach ohne gesondertes Entgelt verteilt werden. Fraglich ist, ob und inwieweit die Pressetätigkeit der Koalitionen vom Normbereich der Koalitionsfreiheit erfaßt wird. Die herrschende Meinung qualiftziert Art. 9 Abs. 3 GG als "Doppelgrundrecht"240• Die Bestimmung verbürgt zunächst ein individuelles Freiheitsrecht. Jeder Grundrechtsträger kann sich mit anderen zu einer Koalition zusammenschließen, einem solchen Verband beitreten und in ihm verbleiben, einer Koalition fernbleiben oder wieder aus ihr auszutreten. Daneben gewährt Art. 9 Abs. 3 GG aber auch ein kollektives Freiheitsrecht, indem er die Koalitionen als solche 237 238

239

Diese Zahlen nennt E. Dovifat, Presse, S. 521. Angaben nach H.lürgensen, FAZ v. 22. 10. 1988, S. 3.

Die Wochenzeitung des Deutschen Gewerkschaftsbundes "WDA- Welt der AIbeil" war die einzige Abonnements-Zeitung der Gewerkschaften. Ihr Erscheinen wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen Ende 1988 eingestellt. 240 von Mangoldt /Klein, GG, Art. 9, Anm. V 3. Vgl. auch BVerfGE 73, 261/270; BAGE 21, 201/207.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

115

schützt. In diesem Zusammenhang verbürgt das Grundrecht unter anderem den Bestand und die innere Verbandsautonomie der Koalitionen. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt den Koalitionen darüber hinaus das Recht, die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Koalitionsmitglieder "durch spezifisch koalitionsgemäße Betätigung zu verwirklichen"241• Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß jede aus der Sicht der Koalitionen vielleicht sinnvolle Betätigung vom Normbereich der Koalitionsfreiheit erfaßt wird. "Art. 9 Abs. 3 GG schützt nur einen Kernbereich der Koalitionsbetätigung" 242• Insoweit besteht in Literatur und Rechtsprechung im wesentlichen Einigkeit243• Bisher noch weitgehend ungeklärt ist allerdings, wie dieser Kernbereich im einzelnen zu umschreiben und abzugrenzen ist. Allgemein anerkannt ist, daß zumindest diejenigen kommunikativen Aktivitäten zum verfassungsrechtlich verbürgten Kernbereich der Koalitionsbetätigung zu rechnen sind, die zur Verfolgung des verfassungsmäßigen Koalitionszwecks bestimmt und geeignet sind. Die Koalitionsfreiheit hat demnach einen spezifisch kommunikativen Inhalt. Sie gewährt den Koalitionen im Rahmen des Koalitionszwecks eine umfassende geistige Entfaltungsfreiheit mit den damit verbundenen Wirkungsmöglichkeiten. So schützt Art. 9 Abs. 3 GG beispielsweise die Information über die Koalition und die Werbung neuer Mitglieder244• Darüber hinaus gewährleistet das Grundrecht den Koalitionen aber auch die "freie Darstellung der in ihnen organisierten Gruppeninteressen gegenüber dem Staat und den politischen Parteien"245, als auch gegenüber der Öffentlichkeit. Dagegen deckt Art. 9 Abs. 3 GG nicht "die Wahlwerbung einer Koalition vor allgemeinen politischen Wahlen"246, da einer derartigen Aktivität der erforderliche Bezug zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Koalitionsmitglieder fehlt.

241

BVerfGE 18, 18/26; vgl. auch BVerfGE 28, 295/304; E 50, 290/367; E 58, 233/246;

E 73, 261/270.

242 243 244

245 246

BVerfGE 28, 295/3lJ5. Siehe etwa BGHZ 84, 352/357. Vgl. nur BAG v. 14. 2. 67, NJW 1967, S. 844; BAGE 21, 201/207 f. BVerfGE 28, 295/3lJ5. Ähnlich BVerfGE 20, 56/107. BVerfGE 42, 133/138.

116

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Es bleibt dem Selbstverständnis jeder Koalition überlassen, wie werbende und informative Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Demzufolge wird auch die pressespezifiSche Äußerung entsprechender Inhalte mittels Druck durch die Koalitionsfreiheit grundrechtlich garantiert. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt den Koalitionen die Möglichkeit, eigene Presseerzeugnisse herauszugeben und zu verbreiten, soweit diese sich im Rahmen der Koalitionszweckgarantie halten. Entsprechend den vielfältigen inner- und außerverbandspolitischen Aufgaben der Koalitionen gestaltet sich die Spannweite des grundrechtlich verbürgten Themenbereichs. Zulässig sind demnach beispielsweise Berichte über die Forderungen, Kämpfe und Erfolge der Sozialpartner. Hinzu treten die Meldungen aus dem Innenbereich der Organisation. Alle Mitteilungen über Verbandsinterna, Veranstaltungen des Verbandes, Personalien, Gremienwahlen und vergleichbare Themen fallen in den kommunikativen Normbereich der Koalitionsfreiheit Dasselbe gilt für Beiträge zur Information der Öffentlichkeit über Koalitionsziele. Für die übrigen Meldungen, die nicht von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt werden, ist allein die Garantieaussage der Pressefreiheit von Bedeutung.

2. Die Wirtschaftsfreiheiten Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert den Kommunikationsträgern einen Kernbereich an wirtschaftlicher Handlungsfreiheit im Pressewesen247• Wirtschaftliche Wettbewerbshandlungen auf dem Kommunikations- oder Werbemarkt berühren daneben regelmäßig auch noch andere, in ökomomischer Hinsicht relevante Freiheitsrechte. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG zu nennen. Diese Grundrechte verbürgen ihrerseits grundlegende Aspekte der Unternehmerischen Betätigung im Wettbewerb. Sie billigen den Betroffenen das Recht zu, im Wirtschaftsleben aktiv und initiativ nach eigenen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu handeln und enthalten wesentliche Garantieaussagen für eine wettbewerblieh strukturierte Wirtschaftsordnung. Die im Grundgesetz normierten Wirtschaftsfreiheiten garantieren nicht das Ordnungsmodell Wettbewerbswirtschaft als solches. Der wirtschaftliche "Wettbewerb wird lediglich über die individuellen Wirtschaftsfreiheiten der

247

Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c.

2. Abschn.: Die verfassun~rechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

117

einzelnen Teilnehmer am wirtschaftlichen Prozeß geschützt"248• Er ist die typische Folge wettbewerblieber Freiheitsbetätigung durch eine Mehrzahl von Grundrechtsträgern. a) Art. 2 Abs.l GG- Die allgemeine Handlungsfreiheit

Wirtschaftliche Aktivitäten der Kommunikationsträger berühren vielfach die Garantieaussage des Art. 2 Abs. 1 GG. Diese gewährt jedermann das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Der Grundrechtsschutz ist nicht auf Verhaltensweisen beschränkt, die sich auf den Menschen als geistig-sittliche Persönlichkeit beziehen. Vielmehr sichert Art. 2 Abs. 1 GG den ganzen Umfang persönlicher Betätigung. Es ist nahezu unbestritten, daß das Freiheitsrecht die allgemeine menschliche Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinn schützt249• Der weite Schutzumfang des Grundrechts erfaßt daher auch die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit der Grundrechtsträger250• Eine Erscheinungsform dieser Entfaltungsfreiheit wiederum ist die Wettbewerbsfreiheit, die ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt 251 • Wenn "prinzipiell jedem Bürger das Recht auf wirtschaftliche Freiheit garantiert ist, so folgt schon daraus mittelbar die Garantie eines Mindestmaßes wettbewerblieber Konkurrenz"252• Diese stellt sich gleichsam automatisch ein, sobald sich mehrere Unternehmer auf einem bestimmten Markt wirtschaftlich betätigen. Wettbewerb ist das Ergebnis pluraler Grundrechtsausübung durch eine Mehrzahl miteinander konkurrierender Grundrechtsträger. Art. 2 Abs. 1 GG gewährt jedermann die Möglichkeit, sich in allen Bereichen des Wirtschaftslebens - und damit auch im Pressewesen - am Markt 248 249

R Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 80.

Grundlegend BVerfGE 6, 32136; enger K Hesse, Grundzüge des Verfassun~rechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 428. 250 Das ist allgemein anerkannt. Siehe etwa BVerfGE 25, 3711407; E 29, 2(:J)I266 f.; E 50, 2901366; E 65, 1961210; E 70, 1151123; E 73, 2611270; E 74, 1291151 f.; H.-J. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassun~rechts, S. 637; R Stober, Wirtschaftsverwaltun~recht I, RdNr. 267. 251 Vgl. nur BVerwGE 17, 3061309; E 30, 1911198; E ro, 1541159; E 65, 1671174; von Mangoldt I Kkin I Starck, GG, Art. 2, RdNr. 99. So bereits E. R Huber, Wirtschaftsverwal· tun~recht I, S. 6ro f. 252 P. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 71.

118

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

zu betätigen und am Wettbewerb um Kunden teilzunehmen. Die Bestimmung garantiert das Recht, "sich durch freie Leistungskonkurrenz auf dem Markt gegenüber anderen Unternehmen durchzusetzen"253• Demzufolge wird auch das Streben der Unternehmer nach einer Vergrößerung ihres Markteinflusses verfassungsrechtlich geschützt. Trotz dieses weiten Schutzbereichs besitzt die allgemeine Handlungsfreiheit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung ökonomischer Verhaltensweisen im Pressewesen selten eine eigenständige Bedeutung. Staatliche Wettbewerbsbeschränkungen dürften letztlich kaum an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen sein, da dieses Grundrecht gegenüber allen speziellen Freiheitsrechten subsidiär ist254• "Art. 2 I enthält ein Auffanggrundrecht, das nur zum Zuge kommt, wenn keines der speziellen Grundrechte anwendbar ist"255• Die Palette derartig vorrangiger Grundrechtsbestimmungen ist breit. So stehen beispielsweise Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG als besondere Ausprägungen der allgemeinen Handlungsfreiheit im Verhältnis der Spezialität zu Art. 2 Abs. 1 GG2S6. Gleiches gilt für die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Pressefreiheit2S7. Da dieses Grundrecht neben der geistigen, auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden schützt, ist Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch insoweit als spezielleres Freiheitsrecht gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG zu qualiflzieren258• Auf die allgemeine Handlungsfreiheit kann nur dann zurückgegriffen werden, wenn kein spezielleres Grundrecht anwendbar ist. Als Beispiel sei hier die wirtschaftliche Pressetätigkeit von Ausländern genannt, die sich außerhalb des von der Pressefreiheit verbürgten Kernbereichs an wirtschaftlicher Entfaltungsfreiheit2S9 vollzieht. In diesem Fall sind weder Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig. 253 254

255

E. R. Huber, DÖV 1956, S. 137. Vgl. nur BVerfGE 32, 981107.

I. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 2, RdNr. 76. So auch BVerfGE 6, 32137; E 23, 50/55 f.

256 257

Vgl. von Mangoldt I Klein I Stmck, GG, Art. 2, RdNrn. 55, 59.

Im kommunikativen Bereich ist der Vorrang des Art. 5 Abs. 1 GG allgemein anerkannt. Siehe dazu etwa BVerfGE 25, 44162; E 25, 881101; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 32 a.

258

So auch Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsn:cht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 62; N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 55. 259 Ausführlich zum abgestuften Garantiegehalt der Pressefreiheit oben 2. Teil, 2. Absehn., I, 2, c.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

119

b) Art. U Abs. 1 GG- Die Berufsfreiheit

Wirtschaftliche Aktivitäten im Pressewesen berühren in den meisten Fällen neben Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zugleich Art. 12 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit in einem allumfassenden Sinn. Beruf im Sinne dieser Bestimmung ist "jede auf die Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienenden Betätigung"260• Da unter diesen Begriff auch die Arbeit der Presseschaffenden einzuordnen ist, wird diesen der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG zuteil, sofern sie im Einzelfall nicht ausnahmsweise als Amateure einzustufen sind261• Das Grundrechterfaßt ohne "Rangunterschied zwischen 'publizistisch-geistigen' und 'nur' organisatorisch-technischen Tätigkeiten ... die ganze Bandbreite der selbständigen und abhängigen Presseberufe ..."262• Ohne Bedeutung ist dabe~ ob die fragliche Tätigkeit hauptberuflich, nebenberuflich oder freiberuflich ausgeübt wird. Da jede Art der Berufstätigkeit verfassungsrechtlich garantiert wird, schützt die Berufsfreiheit alle denkbaren wirtschaftlichen Aktivitäten der Grundrechtsträger. "Sofern es sich um Tätigkeiten handelt, die den dargelegten Voraussetzungen eines 'Berufs' entsprechen, ist grundsätzlich auch die 'Unternehmerfreiheit' im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt"263• Das Grundrecht "überantwortet damit den Privatrechtssubjekten und ihrer Autonomie das Recht, Produktionsfaktoren durch dezentrale Planungs- und Leitungsakte zu einem Produktionserfolg zu kombinieren"264• Die Unternehmerfreiheit erstreckt sich auf alle Arten von Unternehmen und erfaßt daher auch solche des Pressewesens. Demnach gewährt Art. 12 Abs. 1 GG allen Deutschen unter anderem das Recht, Presseverlage zu gründen und zu leiten. Das Grundrecht schützt alle damit zusammenhän260

261

BVerwGE 22, 2861'}11,7.

Das ist unstreitig. Vgl. etwa E. König, Die Teletexte, S. 111; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 93; R Sclwlz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung. S. 98 f.

262 263

M. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 272.

BVerfGE 50, 2901363. Ebenso P. Badura, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 308; H.-1. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 626; R Breuer, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 147, RdNm. 61, 63. 264

626.

H.-J. Papier, in: Benda

I

Maihofer

I

Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S.

120

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

genden unternehmerischen Dispositionen. Demzufolge erfaßt die Berufsfreiheit auch die wettbewerbsorientierte Freiheitsbetätigung der im Pressewesen beruflich tätigen Grundrechtsträger. Es ist weithin anerkannt, daß Art. 12 Abs. 1 GG den Betroffenen in allen Bereichen des Wirtschaftslebens das Recht zu wirtschaftlichen Wettbewerbshandlungen einräumt: "Diebestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb der alsAnbieterund Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien. Das Verhalten der Unternehmer in diesem Wettbewerb ist Bestandteil ihrer Berufsausübung, die, soweit sie sich in erlaubten Formen bewegt, durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist"265• Daher garantiert die Berufsfreiheit alle wettbewerbsbezogenen wirtschaftlichen Dispositionen der Kommunikationsträger. Das Grundrecht gewährt ihnen die Möglichkeit, sich als eigenverantwortliche Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen. Daneben erfaßt der Tatbestand der Berufsfreiheit aber auch die publizistische Konkurrenz der Presseschaffenden. Er räumt ihnen das Recht ein, sich durch freie Leistungskonkurrenz am Meinungsmarkt durchzusetzen. Demnach garantiert Art. 12 Abs. 1 GG den Pressetätigen einen umfassenden Verhaltensspielraum im publizistischen und wirtschaftlichen Wettbewerb. Es steht ihnen frei, ihr geistiges und wirtschaftliches Potential einzusetzen, um ihre Konkurrenten zu überflügeln. Sie besitzen das Recht, sich durch Leistung von ihren Konkurrenten abzusondern. Über den Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hinausgehend, gewährt die Berufsfreiheit den Presseschaffenden zudem die Berechtigung, nicht publizistisch veranlaßten wirtschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Dieser erweiterte Garantiegehalt wird bedeutsam, wenn ein Presseunternehmen sein Betätigungsfeld auf nicht publizistische Märkte ausdehnt. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt nur die wirtschaftlichen Aspekte massenmedialer Kommunikation, nicht aber eine ungehemmte Wirtschaftstätigkeit der Presseunternehmen, die den publizistisch-massenkommunikativen Rahmen verläßt266•

26S BVerfGE 32, 3111317; vgl. auch BVerfGE 46, 1201137; P. Badura, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 308; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNrn. 79 f., 136. 266

Dazu im einzelnen oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c, bb.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

121

c) Art. 14 Abs. 1 GG- Die Eigentumsgarantie

Die Garantieaussage des Art. 14 Abs. 1 GG beeinflußt das wirtschaftliche Handeln der Pressetätigen. Die privatwirtschaftliche Struktur der Presseunternehmen gründet sich auf das Eigentum an den Produktionsmitteln, welches erst ein freies, unabhängiges Pressewesen ermöglicht. Zudem bietet nur das Privateigentum eine hinreichende Gewähr dafür, daß die Produktionsmittel effektiv und flexibel in die für den Konkurrenzkampf günstigste Einsatzposition transferiert werden. Nur der wird Initiativen entfalten, der von ihrem Erfolg profitiert. Deshalb erlangt die in Art. 14 Abs. 1 GG normierte Eigentumsgarantie eine entscheidende Bedeutung für den Wettbewerb im Pressewesen. Dieses Grundrecht schützt nicht nur den Bestand, sondern auch den Gebrauch des Eigentums267• Die Eigentumsgarantie hat die Aufgabe, "dem Träger des Grundrechts durch Zubilligung und Sicherung von Herrschafts-, Nutzungsund Verfügungsrechten einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu gewährleisten und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen; insoweit steht sie in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit"268• Schutzobjekt der Eigentumsgarantie ist jedes vermögenswerte private Recht. Neben dem Sacheigentum ist dazu auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu rechnen2f9. "Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die organisierte und substantielle Gesamtheit der sächlichen, persönlichen und sonstigen Unternehmensmittel, eingeschlossen alle maßgebenden wirtschaftlichen Erscheinungsformen und Ausstrahlungen, die in der Hand des Unternehmers zu einer geschlossenen und als solche wirksa267

So H.-1. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 632; W. Leisner, BB 1975, S. 4; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 12; R. Scholz, Entflechtung und Verfassung, S. 137. 268 BVerfGE 31, 2291239. Ähnlich BVerfGE 42, 2631293; E 50, 2901339; E 68, 1931222;

E 69, 2721300. 269

Vgl. hierzu BVerfGE 45, 1421173; P. Badura, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 313; Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 65; R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNrn. 316 ff.; R. Scholz, Entflechtung und Verfassung, S. 141 ff. Die Einbeziehung des Rechtsam eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den Eigentumsbegriff wird vom BVerfG neuerdings wieder in Frage gestellt. Dazu BVerfGE 51, 1931221 f.

122

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassunprechtliche Grundlagen

men ökonomischen Funktionseinheit zusammengefaßt sind"270 • Das Grundrecht garantiert damit auch "die verlegerische Rechtsposition der Unternehmensinhaberschaft"271. Der Verleger wird in seiner Eigenschaft als Eigentümer aller Produktionsmittel durch die Eigentumsgarantie in einem umfassenden Sinn vor staatlichen Eingriffen in seinem Gewerbebetrieb geschütze72. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich nicht nur auf das Grundeigentum, die Gebäude, die technischen Vorrichtungen und Anlagen des Verlages. Der Normbereich erfaßt zugleich die sonstigen wirtschaftlichen Werte des Presseunternehmens, wie zum Beispiel Vertriebsorganisation oder Archivwesen. Art. 14 Abs. 1 GG verbürgt das Eigentum des Verlegers und die sich daraus ergebenden Verfügungs-, Besitz- und Nutzungsrechte. Der Verleger kann sein Eigentum nach Belieben nutzen und frei darüber verfügen. Das Grundrecht ermöglicht die privatautonome Entscheidung über den Einsatz der Produktionsmittel. Auf diese Weise schützt die Eigentumsgarantie in ihrer individuellen Dimension zugleich einen Teilaspekt der Wettbewerbsfreiheit, da sie eine wettbewerbsorientierte Nutzung des unternehmerischen Eigentums ermöglicht. 3. Das Verhältnis des Art. 5 Abs.l S. 2 GG zu den anderen Grundrechten

Das Phänomen der Konkurrenz kann nach dem bisher Gesagten nicht allein dem Normbereich des Art. 5 GG zugeordnet werden. Nahezu jede wettbewerbliche Freiheitsbetätigung im Pressewesen berührt zugleich andere Grundrechte. In diesem Zusammenhang sind vor allem die zuvor aufgeführten geistigen und wirtschaftlichen Freiheiten von Bedeutung. Diese können bei einer verfassungsrechtlichen Untersuchung des publizistischen und ökonomischen Wettbewerbs im Pressewesen nicht außer acht bleiben273• Demzufolge liegt der verfassungsrechtliche Standort der Wettbewerbsfreiheit im

270 271

R. Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 64. R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 98.

272

Das ist allgemein anerkannt. Vgl. nur N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 56.

273

Dies wird im Schrifttum nicht immer hinreichend berücksichtigt. Manche Autoren untersuchen das Phänomen der Konkurrenz allein vor dem Hintergrund des Art. 5 GG. Typisch hierfür P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Untemehmen.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

123

konkreten Einzelfall notwendigerweise im Schnittpunkt mehrerer Grundrechtsbestimmungen. Da die tatbestandlieh einschlägigen Freiheitsrechte unterschiedliche Garantieziele verfolgen und zudem ungleich strukturiert sind, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der im Einzelfall jeweils berührten Grundrechte und ihrer Schranken. Damit ist das allgemeine Problem der Normenkonkurrenz im Grundrechtsteil des Grundgesetzes angesprochen274• a) Das Problem der Grundrechtskonkurrenz

Die Garantiegehalte der beteiligten Grundrechte können schon infolge ihrer Weite meistens nicht scharf voneinander abgegrenzt werden, mit der Folge, daß sich die Konkurrenzfrage überhaupt nicht stellt275• Eine Konkurrenzsituation tritt nur dann ein, wenn sich mehrere Freiheitsrechte auf der Tatbestandsebene überschneiden, wenn also ein und dasselbe Verhalten eines Grundrechtsträgers gleichzeitig den Tatbestand mehrerer Grundrechte erfüllt276• Dann stellt sich die Frage, aus welchem dieser Freiheitsrechte die zur Beurteilung eines grundrechtsrelevanten Hoheitsaktes maßgeblichen Rechtsfolgen herzuleiten sind. Ungewiß ist, ob sich der Betroffene gegenüber staatlichen Beschränkungen nur auf eine einzige, eventuell die sachnächste Grundrechtsnorm berufen kann oder ob daneben auch die anderen tatbestandsmäßig berührten Freiheitsrechte anwendbar sind. Dieser Problemkreis ist in der verfassungsrechtlichen Disskussion nach wie vor ungeklärt. Eine einheitlich akzeptierte Lösung wurde bisher noch nicht gefunden. Normenkonkurrenzen innerhalb des Grundrechtsteils werden teilweise mit dem Instrument der Gesetzeskonkurrenz kraft Spezialität gelöst. Die 274 Ausführlich dazu W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes; M. Lepa, DVBI. 1972, S. 161 ff.; J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 324 ff. 275 So im Ergebnis übereinstimmendA. Bledanann, Allgemeine Grundrechtslehren, S. 276; M. Lepa, DVBI. 1972, S. 163 f.; E. Schwark, Der Begriff der "Allgemeinen Gesetze• in ArtikelS Absatz 2 des Grundgesetzes, S. 126. 276 Vgl. A. Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, S. 275; R. Breuer, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 147, RdNr. 96; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1, RdNr. 14; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 1, RdNr. 185.

124

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

menschliche Verhaltensweise wird hier nur einer einzigen grundrechtliehen Gewährleistung zugeordnet. Die Annahme der Spezialität löst jeweils eine Verdrängungsautomatik aus, die dazu führt, daß die generellen und damit subsidiären Freiheitsrechte bei der verfassungsrechtlichen Problemlösung stets und vollständig ausgeschlossen sind. Diese Vorgehensweise berührt auch die Konkurrenz im Pressewesen, da die geistige und / oder wirtschaftliehe Freiheitsbetätigung der Kommunikationsträger oft nur einer als speziell erachteten Grundrechtsbestimmung zugeordnet wird. Soweit die wirtschaftlichen Aktivitäten der Presseschaffenden im Vordergrund stehen, wird die Pressefreiheit als erschöpfende Sonderregelung qualiftziert Das betrifft zum einen das Verhältnis der Presse- zur Berufsfreiheit "Für den Zugang und die Ausübung von Presseberufen ist Art. 5 I S. 2 GG die spezielle Vorschrift, die Art. 12 I insoweit verdrängt"zn. Entsprechend wird im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG argumentiert. Auch diese Bestimmung soll hinter der vorrangigen, weil spezielleren Pressefreiheit zurücktreten278• Im Verhältnis der geistigen Freiheiten zueinander wird die Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen geführt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der publizistischen Betätigung der Kommunikationsträger wird den Grundrechten, die jeweils nur einen besonderen Teilbereich des geistigen Lebens und damit der Publizistik erfassen, der Vorrang vor Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eingeräumt. Dieser Ansicht zufolge verdrängen etwa Religions-279, Kunst-:18) und Wissenschaftsfreiheit281 in ihren Anwendungsbereichen jeweils die allgemeine Pressefreiheit. Diese Handhabung der Normenkonkurrenz im Bereich der Grundrechte erscheint bedenklich. Unproblematisch ist allein die Subsidiarität der in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber allen 277 /. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 78. Ebenso E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 44; F. K.übler, DIT 49, Band I, D 49; W. Mal/mann, DIT 49, Band II, N 14 FN 19. 278 Vgl. nur E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 44 f.; F. K.übler, DIT 49, Band I, D 50. 279

R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 4, RdNrn. 18, 82, und von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 4, RdNrn. 86 f., stufen die Religionsfreiheit als speziellere Norm ein, soweit die fraglichen Äußerungen einen unmittelbaren Bekenntnischarakter besitzen. Siehe auch H D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 4, RdNr. 2. 280 Grundlegend BVerfGE 30, 1731200. 281 Vgl. etwa T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit in Lehre und Studium, S. 83; G. Frank, NJW 1983, S. 1173.

2. Abschn.: Die verfassung;srechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

125

speziellen Einzelfreiheiten. Dieser Fall der Gesetzeskonkurrenz kraft Spezialität ist allgemein anerkanntm. Abgesehen von diesem Sonderfall bietet die Rechtsfigur der Spezialität für den Grundrechtsbereich und damit auch in dem hier interessierenden Zusammenhang regelmäßig keine angemessene Lösung. Für diesen Standpunkt sprechen zum einen rechtslogische Argumente. Der Fall der Gesetzeskonkurrenz ist nur dann gegeben, wenn "zwei miteinander konkurrierende Grundrechte das Bild konzentrischer Kreise" bieten, "dann kann nur das engere, weil speziellere zur Anwendung kommen ..."283• Entscheidend ist, daß "der Anwendungsbereich der spezielleren Norm völlig in dem der allgemeineren Norm aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren Norm auch solche der allgemeineren Norm sind. Das ist der Fall, wenn der Tatbestand der spezielleren Norm alle Merkmale der allgemeineren Norm und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält"284• Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis der Grundrechte zueinander regelmäßig nicht nachweisbar. Gerade die in dieser Untersuchung zugrundegelegte Interpretation der für den Wettbewerb der Presseschaffenden relevanten Grundrechtsnormen zeigt, daß die Erfordernisse der Gesetzeskonkurrenz in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht erfüllt sind. Die angeführten Freiheitsrechte erfassen jeweils Einzelbereiche menschlichen Handelns, ohne daß eine dieser Bestimmungen zugleich alle Tatbestandsmerkmale einer anderen Norm enthält. Deutlich tritt dies am Beispiel des wirtschaftlichen Wettbewerbs der Kommunikationsträger zutage. Die Pressefreiheit verbürgt die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit der Grundrechtsträger und sichert auf diese Weise die ökonomischen Aspekte der Pressetätigkeit Das Grundrecht gewährt jedoch nur einen Kernbereich an wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten285, so daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schon aus diesem Grund nicht als allumfassende Konkretisierung der in Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG verbürgten Garantiegehalte qualifiziert werden kann. Zudem sind Fallgestaltungen denkbar, in denen Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen nicht beruflich und 282 283

RdNr. 36. 284

Siehe dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., III, 2, a. R. Herzog, in: Maunz

I

Dürig

I

Herzog

I

Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II,

K. Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 256 f. Ähnlich W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 162; J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 327. 285 Ausführlich zum abgestuften Garantiegehalt der Pressefreiheit oben 2. Teil, 2. Absehn., I, 2, c.

126

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

ohne Inanspruchnahme eigenen Eigentums erfolgen286• Hier ist allein Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, nicht aber Art. 12 Abs.1, 14 Abs. 1 GG von Bedeutung. Im Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander ist demnach keine vollständige, sondern lediglich eine teilweise Identität der Garantietatbestände gegeben. Eine derartige partielle Tatbestandsidentität ist aber nicht geeignet, ein Verhältnis der Spezialität zu begründen. Darüber hinaus werden im Schrifttum grundlegende Bedenken gegen die Gesetzeskonkurrenz kraft Spezialität geltend gemacht. Die betreffenden Autoren weisen in überzeugender Weise darauf hin, daß eine derartige Handhabung der Normenkonkurrenz bei den Grundrechten der freiheitlichen Intention des Grundgesetzes widerspricht287• Es geht nicht an, jede menschliche Freiheitsbetätigung ausschließlich einer einzigen grundrechtliehen Gewährleistung zu unterstellen. Die Folge wäre, daß die verdrängten Garantietatbestände und ihre Vorbehaltsschranken für die verfassungsrechtliche Beurteilung eines grundrechtsrelevanten Hoheitsaktes in keinem Fall herangezogen werden können. Die individuelle Freiheit würde verkürzt, wenn einzelne Grundrechte durch andere völlig verdrängt werden, obwohl sich die zugrundeliegenden Sachverhalte nicht restlos voneinander trennen lassen. "Damit würde im Einzelfall die Berufung auf bestimmte Grundrechte und die gerichtliche Nachprüfung etwaiger Verletzungen dieser Grundrechte unmöglich gemacht. Selbst wenn dem einzelnen durch Anwendung der Regeln von der Gesetzeskonkurrenz praktisch nichts an Freiheit genommen wird, so verliert er doch zumindest den Schutz doppelter Prüfung"288• Das aber widerspricht der Konzeption der Grundrechte, die mit der gesonderten Normierung einer Vielzahl von Einzelfreiheiten einen möglichst vollkommenen Schutz individueller Freiheit bezwecken. Jedes "Grundrecht zeigt den verfassungsrechtlichen Stellenwert der angesprochenen Freiheit auf, im Falle seiner Verdrängung könnte es dieser Funktion nicht mehr nachkommen"289• Dieser Gefahr kann nur durch die kumulative Anwendung aller im Einzelfall berührten Grundrechtsnormen begegnet werden. Zudem 286

'11!.7

Das gilt vielfach für die von Amateuren hergestellten Stadtteilzeitungen.

So im Ergebnis übereinstimmend W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 162 f.; N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 55; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 100. 288

W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 163. '21!.9 W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 100.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

127

verdeutlicht erst die Kumulation der Garantieaussagen die Gewichtigkeit der geschützten Individualinteressen. Dies gilt auch für die verfassungsrechtlieh verbürgte Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden. "Der Tendenz des Grundgesetzes, die Freiheit des Einzelnen möglichst umfassend zu sichern, wird ein Lösungsweg eher gerecht, der zu einer kumulativen Anwendung aller im Rahmen verlegerischer Tätigkeit thematisch angesprochener Grundrechtsartikel führt"290• Nur auf diese Weise kann die publizistische und ökonomische Wettbewerbsfreiheit der Kommunikationsträger in allen ihren Aspekten erfaßt und gewichtet werden. Erst das Zusammenspiel aller relevanten Freiheitsrechte ermöglicht eine erschöpfende Beurteilung dieses komplexen, mehrdimensionalen Sachverhalts. Aus den genannten Gründen wird die Parallelgeltung aller tatbestandlieh einschlägigen Freiheitsrechte vielfach als verfassungsrechtlicher Regelfall herausgestellt und die verdrängende Gesetzeskonkurrenz auf Ausnahmefälle beschränkt291 • Die jeweils betroffenen Grundrechtsbestimmungen werden grundsätzlich nebeneinander angewendet. Einige Autoren sprechen insoweit in der vom Strafrecht in das Verfassungsrecht übernommenen Terminologie von einer Idealkonkurrenz der beteiligten Grundrechtsnormen292• Für den hier interessierenden publizistischen und ökonomischen Wettbewerb der Presseschaffenden ist diese Vorgehensweise weithin anerkannt293• Die im konkreten Fall berührten geistigen und j oder wirtschaftlichen Freiheiten 290

291

N. Dinrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 55.

Allgemein dazu W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 162 f; W. Iumen, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 100. Vgl. auch R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 35; W. Rilfner, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 4n. 292 R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Schatz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II,

RdNr. 31 empfiehlt ausdrücklich die Übernahme der strafrechtlichen Terminologie. 293 Vgl. zur Parallelgeltung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 und Art. 12 Abs. 1, Art. 14, Abs. 1 GO etwa N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 55; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 142; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 19; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 100; R. Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 62. Ebenso für das Verhältnis von Presse- und Berufsfreiheit W. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung. S. 169; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 161. Zur Parallelschaltung von Art. 5 Abs. 1 GO und Kunstfreiheit siehe etwa G. HerrnuJnn, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, § 38, S. 96 f. Ebenso für das Verhältnis von Art. 4 und 5 GO U. Hemmrich, in: von Münch, GO-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. (1981), Art. 4, RdNr. 41; U. Scheuner, DÖV 1967, S. 590.

128

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

werden nebeneinander zur verfassungsrechtlichen Beurteilung staatlicher Wettbewerbsinterventionen herangezogen. Dabei fallen den verschiedenen Garantieaussagen sich wechselseitig ergänzende und verstärkende Funktionen zu. Ergänzungen, Überlagerungen und Konflikte, die sich infolge der Anwendung der verschieden strukturierten Garantiegehalte ergeben, sind im Wege einer gesamtinterpretativen Zuordnung zu lösen. Es bedarf mithin eines funktionsgerechten Ausgleichs zwischen den einschlägigen Freiheitsrechten. b) Die Auswirkungen der Schrankenkonkurrenz am Beispiel der religiösen Presse

Die Auswirkungen der in dieser Untersuchung bevorzugten Handhabung der Normenkonkurrenz sollen exemplarisch am Beispiel der religiösen Publikumszeitschriften verdeutlicht werden. Diese Publikationen sind sowohl in publizistische, als auch in ökonomische Wettbewerbsprozesse eingebunden, so daß Wettbewerbshandlungen religiöser Kommunikationsträger immer mehrere unterschiedlich strukturierte kommunikative oder wirtschaftliche Grundfreiheiten berühren. Die Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden kann bei dieser Pressegattung nicht allein Art. 4 Abs. 1, 2 GG zugeordnet werden294 • Daneben muß auch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG herangezogen werden. Erst beide Grundrechte zusammen statuieren den Rahmen für die geistige Wettbewerbsfreiheit religiöser Presseunternehmen. Deren wettbewerbsorientiertes wirtschaftliches Handeln fällt unter Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Dazu treten Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG, weil diese Freiheitsrechte prinzipiell nebeneinander anwendbar sind. Die kumulative Anwendung von Grundrechten auf ein und denselben Lebenssachverhalt führt grundsätzlich zu einer Schrankenkumulation. Damit stellt sich die Frage, ob im Überschneidungsbereich jedes Freiheitsrecht mit seinen Schranken isoliert anzuwenden ist, oder ob die Schrankenziehung bei einem Grundrecht Auswirkungen auf die Gewährleistungsschranken eines anderen Grundrechts zeitigt. Die zu diesem Problemkreis vertretenen Lösungen weichen schon im abstrakten Ausgangspunkt voneinander ab. Sie lassen sich im wesentlichen auf zwei Grundkonzeptionen zurückführen295• 294 295

Siehe dazu bereits oben 2. Teil, 2. Abschn., III, 1, a. Die ursprünglich vertretene Auffassung, daß das Grundrecht mit dem weitestge-

2. Abschn.: Die verfassunguechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

129

Einige Autoren stellen den staatlichen Grundrechtseingriff in den Vordergrund ihrer Überlegungen. Die im Konkurrenzfall maßgebliche Vorbehaltsschranke wird nach der "Gefahrenlage, um deren Bekämpfung es im konkreten Falle geht"296, nach "Richtung und ... Ziel der Regelung"297 oder dem "jeweils betroffenen, grundrechtsfunktionalen Schwergewicht"298 bestimmt. Der Nachteil dieses Lösungsansatzes liegt in der mangelnden Berechenbarkeil und Begründbarkeil des Ergebnisses. Die Flexibilität der Konzeption wird mit einer beträchtlichen Unsicherheit bei der Behandlung konkreter Sachfragen erkauft, da die Zielrichtung staatlicher Maßnahmen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit bestimmt werden kann. Im Einzelfall bestehen "erhebliche Schwierigkeiten ... , die typische Sachnähe des Regelungsgegenstandes zu einem der Schutzbereiche konkurrierender Grundrechte in intersubjektiv nachprüfbarer Weise zu begründen"299• Dieser Unsicherheit entgeht die derzeit wohl herrschende Meinung, indem sie feste Regeln für die Handhabung von Schrankenkonkurrenzen aufstellt. Staatliebe Freiheitseinschränkungen müssen sich dieser Ansicht zufolge an den Gewährleistungsschranken des stärksten Grundrechts legitimieren300. Dieses beherrscht die verfassungsrechtliche Wertung. Die Grundrechtsstärke wird aus der Art der Vorbehaltsschranken der einschlägigen Gewährleistungen abgeleitet. "Diejenige Grundrechtsbestimmung ist stärker als eine andere, die staatlichem Zugriff mangels Vorbehaltsschranken nicht oder wegen enger und bestimmter gefaßter Vorbehaltsschranken schwerer benden Eingriffsvorbehalt für die Einschränkungsmöglichkeit überhaupt maßgeblich sei (so im Ansatz von MangoldJ /Klein, GG, Vorbemerkungen B XV 2 b), hat heute- soweit ersichtlich - keine Bedeutung mehr. 296 R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 38. 297

W. K.unert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 101. ÄhnlichE. Schwark, Der Begriff der "Allgemeinen Gesetze• in Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes, S. 128. 298 R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 113.

299

300

M. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 88.

So im Ergebnis übereinstimmend W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 97, 142, 168; M. Lepa, DVBI. 1972, S. 164 f.; W. Rüfner, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 477, 479. Dabei kann hier dahinstehen, ob man diese Lösung durch eine Schrankenersetzung oder ein Schranken nebeneinander gewinnt. Im Ergebnis führt die Divergenz in der Konstruktion nicht zu praktischen Unterschieden. Kritisch gegenüber diesem Ansatz äußern sich J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 401 ff., und E. Schwark, Der Begriff der "Allgemeinen Gesetze• in Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes, S. 127.

130

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

zugänglich ist"301 • Von der anderen Seite betrachtet, ist die Grundrechtsbestimmung maßgeblich, die den schwächeren Eingriffsvorbehalt aufweist. Diese Konzeption ist überzeugend, da sie dem aus der Kumulation der Garantietatbestände folgenden erweiterten Freiheitsschutz weitgehend Rechnung trägt. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings insoweit, als einige Vertreter dieser Auffassung den Blick auf eine sachgerechte Lösung dadurch versperren, daß sie angebliche Stärkedifferenzen zwischen den betroffenen Grundrechten pauschal begründen302• Eine derartige Vorgehensweise erscheint aber schon deshalb bedenklich, weil sich eine vorweg flxierbare Schrankenhierarchie wegen des Fehlens eines in sich geschlossenen Wertesystems im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes nicht nachweisen läßt. Allein der Wortlaut der Schranken rechtfertigt noch keine Aussagen über die Grundrechtsbedeutung. Im Einzelfall kann das nach seinem Wortlaut weiter einschränkbare Grundrecht unter dem Einfluß des Übermaßverbotes wesentlich stärker sein, als die potentiellen Einschränkungsbefugnisse vermuten lassen. Demnach kann die Schrankendivergenz idealiter konkurrierender Freiheitsrechte nicht allein auf der Grundlage pauschaler, allgemeinverbindlicher Regeln aufgelöst werden. Es bedarf jeweils eines detaillierten Vergleichs der betroffenen Grundrechte und ihrer Schranken. Entscheidend ist die Konstellation des zu beurteilenden Sachverhalts. Die Stärke oder Schwäche der einschlägigen Garantieaussagen kann nur situationsbezogen ermittelt werden. Ist im konkreten Fall ein eindeutiges Rangverhältnis feststellbar, geht die rechtsfolgebestimmende Wirkung von dem stärksten Grundrecht mit den engsten Schranken aus. Ansonsten müssen die Schranken aller tatbestandlieh berührten Freiheitsrechte nebeneinander berücksichtigt werden. Dabei kann die Schrankenziehung bei einem Grundrecht die Konkretisierung der Gewährleistungsschranken anderer Grundrechte beeinflussen. Auf dieser Grundlage soll die Reichweite der geistigen und wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit religiöser Kommunikationsträger ermittelt werden. Die Religions- und die Pressefreiheit bestimmen den Umfang der publizistischen Wettbewerbsfreiheit. Die beiden Gewährleistungen überschneiden sich, soweit religiöse Geistesinhalte mittels des Massenmediums Presse ver301 302

M. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 88 f.

Typisch dafür W. Leisner, Die Pressegleichheit, S. 95, der pauschal feststellt, daß der Schutz des Art. 5 Abs. 2 GG weiter reicht als der des Art. 12 GG.

2. Abschn.: Die verlassunprechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

131

breitet werden, da beide Garantieaussagen die publizistische Betätigungsfreiheit in diesem speziellen Teilbereich des Geisteslebens erfassen. Demzufolge wird etwa die redaktionelle Entscheidung, welcher Beitrag unter religiösen und publizistischen Aspekten für den Abdruck ausgewählt wird, sowohl von Art. 4 Abs. 1, 2 GG als auch von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt. Während die Pressefreiheit den in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Schranken unterliegt, enthält die Religionsfreiheit keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Demnach können der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Freiheit "allein durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes Grenzen gezogen werden"303• Sie kann nur zum Schutz gleichrangiger, verfassungsrechtlich verbürgter Rechtsgüter eingeschränkt werden. Daraus wird nicht selten pauschal gefolgert, daß Art. 4 Abs. 1, 2 GG im Verhältnis zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG das stärkere Grundrecht sei. Diese Schlußfolgerung ist aber so nicht haltbar, da ein eindeutiges Rangverhältnis zwischen den beiden Freiheitsrechten in den meisten Fällen nicht feststellbar ist. Die Bedeutung der Schrankendivergenz wird gerade in diesem Zusammenhang im Schrifttum bei weitem überschätzt. Es ist kein Fall denkbar, in dem ein Staatshandeln gegen Art. 4 GG verstößt, zugleich aber auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 GG zulässig wäre304• Staatliche Maßnahmen, die sich gegen kommunikative Aktivitäten der Presseschaffenden richten und damit den Inhalt des Presseprodukts beeinflussen, sind im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG nur dann zulässig, wenn sie die entgegenstehenden Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte konkretisieren. Daher kann in dem hier interessierenden Zusammenhang keine eindeutige Stärkedivergenz zwischen Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ermittelt werden. Demnach müssen nach der in dieser Untersuchung verfolgten Konzeption beide Grundrechte mit ihren Schranken nebeneinander angewendet werden. Das wirtschaftliche Handeln der Presseschaffenden fällt in den Schutzbereich der Art. 5 Abs. 1 S. 2, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. Diese Freiheitsrechte bestimmen daher auch Umfang und Reichweite der wirt303 BVerfGE 37,44/50. Vgl. auch BVerfGE 32,98/107 f.; /von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 4, RdNm. 53 ff. 304 J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 400. Der von W. Berg, Konkur-

renzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 153 f. angeführte Beispielsfall bringt keine Klärung. da die gegen die Verlesung eines Hirtenworts gerichteten staatlichen Maßnahmen bereits an Art. 5 Abs. 2 GG scheitern.

132

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

schaftliehen Wettbewerbsfreiheit religiöser Kommunikationsträger. Da die Vorbehaltsschranken der angeführten Grundrechte schon nach ihrem Wortlaut nicht übereinstimmen, stellt sich auch hier die Frage der Schrankenkonkurrenz. Im Regelfall wird die Pressefreiheit als das stärkere Grundrecht qualifizierros: Während die allgemeinen Wirtschaftsfreiheiten weitreichende Eingriffsmöglichkeiten gewähren und damit Gemeinwohlvorstellungen des wirtschaftslenkenden und -ordnenden Gesetzgebers weitgehend zugänglich sind, kann die Pressefreiheit nur auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt werden. Sie fmdet "ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre". Allein die 1. Alternative des Art. 5 Abs. 2 GG ist für die verfassungsrechtliche Würdigung wirtschaftlicher Wettbewerbshandlungen von Bedeutung. Trotz der Meinungsverschiedenheiten um die richtige Interpretation dieser Vorbehaltsschranke, besteht im Grundsatz Einigkeit dahingehend, daß das Grundgesetz mit dem Begriff der allgemeinen Gesetze eine verbindliche Entscheidung gegen Sondergesetze getroffen haf06. Beschränkungen der Pressefreiheit durch Sondergesetze sind ohne weiteres verfassungswidrig. Der diesbezügliche starke Schutz der Pressefreiheit fordert die Freistellung von den weiterreichenden Eingriffsmöglichkeiten eines zugleich ausgeübten Grundrechts. Nur auf diese Weise kann eine Leerlaufen der Pressefreiheit verhindert und damit der Schutzbedürftigkeit der Presse in dem Umfang Rechnung getragen werden, den das Grundgesetz durch den besonderen Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG selbst für erforderlich gehalten bat. Die Schrankenvorbehalte der Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG müssen dementsprechend ausgelegt und eingeschränkt werden. In diesem Zusammenbang muß zudem den Wertungen der Religionsfreiheit Rechnung getragen werden. Diese Bestimmung kann schon wegen des unmittelbaren Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie307 nicht völlig außer acht bleiben, da staatliche Restriktionen im ökonomischen Bereich unter Umständen auf die religiös-publizistische Ebene zurückwirken. Die kommu305 Vgl. etwa N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 56; W. Leisner, Die Pressegleichheit, S. 95; P. Lerche, Werbung und Verfassung. S. 103.

306

Vgl. nur W. Geiger, Festschrift für A. Amdt, S. 138; von Mangoldl, GG, Art. 5, Anm. 7, S. 67; W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (Im), S. 278, 287; ders., JZ 1983, S. 98; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 127; ders., Entflechtung und Verfassung, S. 204. 307 Vgl. dazu die Ausführung oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

2. Abschn.: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wettbewerbsfreiheit

133

nikative Freiheit darf aber nicht mit Hilfe von wirtschaftsrechtlichen Reglementierungen aus den Angeln gehoben werden. Es wäre demnach verfassungsrechtlich unzulässig, den Inhalt religiöser Druckerzeugnisse und damit den publizistischen Wettbewerb durch gewerberechtliche Vorschriften zu regulieren. Beschränkungen der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit religiöser Kommunikationsträger sind nur auf der Grundlage allgemeiner Gesetze statthaft. Dazu zählen etwa die allgemeinen Bestimmungen des Berufs-, Arbeits- und Wettbewerbsrechts308• Diese Vorschriften gelten auch für Presseangehörige. Demnach unterliegt auch der Verkauf religiöser Zeitschriften den gewerberechtlichen Vorschriften des Ladenschlußgesetzes, so daß die entsprechenden Verkaufsstellen während der vorgeschriebenen Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein müssen. Dagegen sind sonderrechtliche Beschränkungen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit im Pressewesen prinzipiell ausgeschlossen, obwohl sie im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG als Berufsausübungsregelungen ohne weiteres statthaft sind, "soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen"309• Die Pressefreiheit fordert, hier eine Privilegierung von den weitergehenden Eingriffsmöglichkeiten des Art. 12 Abs. 1 GG. "Läßt Art. 5 GG eine Beschränkung der unternehmerischen Tätigkeit des Verlegers nicht zu, so können die weitergehenden Schrankenvorbehalte der tatbestandsmäßig vorliegenden Art. 12 und 14 GG keine Anwendung mehr fmden"310• Staatliche Reglementierungen des quantitativen Umfangs verlegerischer Tätigkeit, die sich bei isolierter Geltung des Art. 12 Abs. 1 GG unter Umständen als zulässige Berufsausübungsregelungen darstellen können, sind demnach unzulässig. Auch gesetzliche Reglementierungen des Journalistenberufs sind trotz Art. 12 Abs.1 S. 2 GG nur insoweit statthaft, als Art. 4 Abs. 1, 2 und Art. 5 Abs. 1, 2 GG dies erlauben. Demnach ist es bei der Normierung entsprechender Bestimmungen prinzipiell ausgeschlossen, auf die Qualität und Wirkung einer bestimmten Art und Weise der Berufsausübung abzustellen, auch wenn derartige Anforderungen berufsspezifisch geboten sind oder ein besonderes In308

Es ist allgemein anerkannt, daß die betreffenden Gesetze allgemeine im Sinne des Art. S Abs. 2 GG sind. Siehe etwa /. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. S, RdNr. 50. 309 310

BVerfGE 7, 371/405. N. Dinrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 56.

134

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

teresse an der Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit dieses Berufsstandes besteht. Danach ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß staatliche Eingriffe in den wirtschaftlichen Wettbewerb im Pressewesen stärkeren Anforderungen unterliegen als gleichgeartete Eingriffe in den allgemeinen ökonomischen Wettbewerb. 3. Abschnitt

Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat ·Die Position des Verfassungsrechts gegenüber kommunikativen und wirtschaftlichen Wettbewerbsprozessen im Pressewesen kann nicht ohne Rücksicht auf Art. 20 GG bestimmt werden. Art. 20 GG normiert den Kern der rechtlichen Grundordnung, die fundamentalen Strukturprinzipien des Gemeinwesens. Diese zählen neben den Grundrechten zu den verfassungsrechtlichen Determinanten des Wettbewerbs, da sie dessen Rahmenbedingungen festlegen. Von Bedeutung sind hier vor allem die Verfassungsentscheidungen für das Demokratie- und das Sozialstaatsprinzip.

I. Wettbewerb und Demokratie 1. Der demokratische Grundsatz der offenen konkurrierenden Willensbildung a) Willensbildung und öfTentliche Meinung

Zu den Leitprinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes zählt die Entscheidung für eine demokratische Staatsordnung, die in Art. 20 Abs. 1, 2 und Art. 28 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt. Unabhängig von aller Unsicherheit über die für diese Ordnung maßgeblichen Strukturelemente ist allgemein anerkannt, daß der Grundsatz der offenen konkurrierenden Willensbildung eine entscheidende Bedeutung für das Demokratieverständnis des Grundgesetzes besitzt. "Der Grundgesetzgeber hat sich, indem er die freiheitlich demokratische Grundordnung geschaffen hat, für ei-

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

135

nen freien und offenen Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes entschieden"311 • Dieser Prozeß fmdet seinen entscheidenden politischen Ausdruck in den Parlamentswahlen, die die demokratische Herrschaftslegitimation vermitteln und zugleich die Auslesefunktion des zwischen den Parteien stattfmdenden politischen Wettbewerbs aktualisieren312• Darin erschöpft sich die Bedeutung der konkurrierenden Willensbildung aber nicht. Die Wahl stellt lediglich eine besonders auffällige Ausdrucksform dieser Erscheinung dar. Neben den Wahlakt "tritt die 'Äußerung des Volkswillens' im grundrechtlich garantierten Volkswillensbildungsprozeß ..."313, dessen Ablauf von den im Grundgesetz verbürgten geistigen Freiheiten getragen wird. Das Recht der Bürger auf Teilhabe an der politischen Willensbildung "äußert sich in der lebendigen Demokratie nicht nur in der Stimmabgabe bei den Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung'o31\ in dem die sogenannte öffentliche Meinung geformt wird315• Letztere spielt bei der Konturierung des demokratischen Gemeinwesens eine zentrale Rolle. "Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen"316• In diesem Zusammenhang gilt es, Volks- und Staatswillensbildungsprozeß auseinanderzuhalten. Die öffentliche Meinung ist eine soziale Größe, eine Erscheinung des gesellschaftlichen Lebens und keine Kategorie des Staatsorganschaftlichen Bereichs317• Sie wird im Rahmen des Volkswillensbildungsprozesses immer wieder aufs neue erzeugt. Die Bürger bedienen sich ihrer für 311 BVerfGE 20, 56197. Diese Ausprägung des demokratischen Prinzips ist allgemein anerkannt. Siehe etwa BVerfGE 44, 1251139; K Stern, Staatsrecht I, § 18115 e, S. 615. 312 Vgl. zur Auslesefunktion des Wettbewerbs oben 1. Teil, 2. Abschn., II. 313

RdNr. 26. 314

315

W. Schmilt Glaeser, in: lsensee

I

Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31,

BVerfGE 8, 51168. Ebenso BVerfGE 14, 1211132; E 24, 3001360; E 69, 921107.

Grundlegend BVerfGE 20, 56198. Ausführliche Darstellungen zur öffentlichen Meinung bei M. Kloepfer, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 35; H. Krüger, AUgemeine Staatslehre, S. 437 ff.; J. Noltenius, Freiwillige Selbstkontrolle, S. 97 ff. 316 BVerfGE 27, 71181.

317 Darauf weisen J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 280 mit Anm. 3; M. Kloepfer, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 35, RdNr. 12, und U. Scheuner, VVDStRL 22, S. 20 hin. Mit dieser Einstufung ist aber keine Bedeutungsabwertung verbunden, da der öffentlichen Meinung die Aufgabe der "Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes" zukommt. Siehe dazu etwa BVerfGE 8, 1041113; M. Bu/linger, JZ 1987, S. 260; U. Scheuner, DÖV 1958, S. 643.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und vetfassungsrechtliche Grundlagen

die Bildung einer eigenen Meinung und leisten durch ihre Äußerungen selbst wieder einen Beitrag zur öffentlichen Meinung. Diese ist nicht als allgemeine Meinung im Sinne einer eindeutig identifizierbaren Volksmeinung zu verstehen. Die öffentliche Meinung kann es in einer pluralistisch strukturierten Gemeinschaft nicht geben318• Es existiert lediglich eine summarische Gesamtheit der zu den verschiedensten Gegenständen öffentlich vertretenen Meinungen. Diese ist gemeint, wenn von der öffentlichen Meinung die Rede ist. Der Begriff der öffentlichen Meinung wird in den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht ausdrücklich erwähnt. Das BVerfG knüpft an Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG an und folgert daraus, daß das "Grundgesetz selbst ... als selbstverständlich von der in der Demokratie bestehenden Notwendigkeit einer 'politischen Willensbildung des Volkes'" ausgeht, "wenn es in Art. 21 GG von den Parteien sagt, daß sie daran mitwirken"319• Aus diesem Ansatz wiederum ist aber nicht zu folgern, daß die öffentliche Meinung nur in einem politischen Bezug gesehen werden kann320• Sie bildet sich in allen Bereichen, in denen ein hinreichendes öffentliches Interesse an einem bestimmten Thema besteht. Nicht alle Gegenstände, die im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehen, sind in einem engeren staatsrechtlichen Sinn politisch. Die Kategorie des Öffentlichen reicht weiter und erfaßt alle die Bereiche, die in einem pluralistischen Gemeinwesen relevant werden können. Dazu zählen auch Themen aus Sport, Kultur, Kunst, Religion und Bildung. Die geistigen Freiheiten ermöglichen den jeweiligen Grundrechtsträgern auch bei derartigen Gegenständen an der Willensbildung mitzuwirken.

318

Dies unterstreichen l. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 288; G. Herrmann, Fernsehen und Hötfunk in der Vetfassung der Bundesrepublik Deutschland, §

123, S. 220 f.; F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 119, und R Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 111, S. 259 f. Demgegenüber geht S. Landshut, Festschrift für Laun, S. 582 davon aus, daß schon der Begriff der öffentlichen Meinung ihre eindeutige ldentifiZierbarkeit verlange. 319 BVetfGE 8, 104/112 f. W. Sehnlitt G/aeser, in: lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrecht II, § 31, RdNr. 3, weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß sich aus der Wendung "mit-wirken• zudem entnehmen läßt, daß neben den Parteien noch andere Kräfte an der Willensbildung beteiligt sind. 320 Gegen eine derartige Verengung des Begriffs der öffentlichen Meinung wenden sich etwa G. Hermann, Fernsehen und Hötfunk in der Vetfassung der Bundesrepublik Deutschland, § 123, S. 220, und l. No/tenius, Freiwillige Selbstkontrolle, S. 105.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

137

b) Öffentliche Meinung, Kommunikation und Wettbewerb

Die öffentliche Meinung kann nicht mit der Summe der in sie einfließenden individuellen Einzelmeinungen idenliftziert werden321 • Zwar findet sie ihren Ursprung in diesen Ansichten, doch beschränkt sich der Vorgang der Entstehung der öffentlichen Meinung nicht auf die gleichsam summarische Addition und Verrechnung aller Äußerungen. Es bedarf vielmehr eines Ausgleichs zwischen den verschiedenen Anschauungen und Strömungen, eines integrierenden Konsenses, in dem die Vielzahl der in einer pluralistischen Gemeinschaft vertretenen Auffassungen vorgeklärt, ausgeglichen und gebündelt werden. Demnach bildet sich die öffentliche Meinung in einem Interaktionsprozeß, einem Prozeß der Meinungsformung durch kommunikative Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen geistigen Strömungen. In diesen Vorgang fließen entsprechend der Totalität der Lebensverhältnisse im modernen Gemeinwesen unter anderem "die vielfältigen, sich möglicherweise widersprechenden, ergänzenden, gegenseitig beeinflussenden Wertungen, Auffassungen und Äußerungen des Einzelnen, der Gruppen, der politischen Parteien, Verbände und sonstigen gesellschaftlichen Gebilde ..." ein322• Diese werden "ihrerseits von einer Vielzahl von ... Tatsachen, zu denen auch Entscheidungen des Staates und Äußerungen und Maßnahmen staatlicher Organe gehören, beeinflußt ..."323• Der Konsens soll sich in der freien Auseinandersetzung konkurrierender Interessen und Meinungen als Ergebnis eines dynamischen geistigen Wettbewerbsprozesses bilden. Auf dem die Sozialstruktur prägenden Wettbewerbsgedanken beruht auch der zur öffentlichen Meinung führende Kommunikationsprozeß324• Er ist eine 321 322

Darauf weist bereits H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 440, hin.

BVerfGE 8, 1041113. Dabei stellt das Gericht ausdrücklich klar, daß diese Aufzählung keine erschöpfende Beschreibung des Entstehungsprozesses der öffentlichen Meinung beinhaltet. 323

BVerfGE 8, 1041113. Vgl. zu den legitimen staatlichen Einflüssen auf die öffentliche Meinung auch P. Häberle, JuS 1967, S. 67; M. Kloepfer, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 35, RdNr. 22; E. Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, S. 188 ff. Statthaft sind aber nur faktische Einwirkungen. Gezielte Manipulationen der öffentlichen Meinungsbildung sind verfassungsrechtlich unzulässig. 324 W. Schmin Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31,

RdNr. 24, kennzeichnet den grundrechtlich abgesicherten Volkswillensbildungsprozeß treffend als "Jedermann-Wettbewerb".

138

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Ausprägung des immateriell bestimmten Wettbewerbs325• Die hohe Wertschätzung, die der Wettbewerb in diesem Zusammenhang erfährt, gründet sich auf die Erwartung, daß allein die freie Konkurrenz der Meinungen die politische Harmonie des Gemeinwesens garantierf26• Im Wege einer gegenseitigen Ausbalancierung konkurrierender Auffassungen soll ein Kompromiß zwischen den konträren Standpunkten erzielt und damit ein Optimum an allseitiger Interessenbefriedigung erreicht werden. Im Rahmen dieses wettbewerblieh strukturierten Kommunikationsprozesses prallen die divergierenden Standpunkte, Meinungen, Interessen und Bestrebungen in all ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit aufeinander. Geistesinhalte verschiedenster Art werden einander gegenübergestellt. Die öffentliche Meinung bildet "sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig 'pluralistisch' im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede ..."m. Jede Ansicht muß sich der Auseinandersetzung mit konträren Standpunkten stellen. Entweder sie behauptet sich oder sie wird korrigierf28. Wer seine Auffassung nicht hinreichend begründen kann oder sich nur unvollkommen auszudrücken vermag, kann sich in der Kontroverse um eine bestimmte Sachfrage nicht durchsetzen. Die Meinungsbildung vollzieht sich in freier Auseinandersetzung, "bei der eine Richtung die andere verdrängen darf'329 • Demungeachtet kennt der Kommunikationsprozeß kein endgültiges Unterliegen, weil seine allseitige Offenheit einer statischen Herrschaft der jeweils siegreichen Ansicht entgegensteht. Die Kontroverse bleibt für alternative Konzepte offen. Wegen der Notwendigkeit der Anpassung an die sich wandelnden Tatbestände und Fragen des sozialen und politischen Lebens ist die Entwicklung der öffentlichen Meinung eine nie endende, sich immer wieder in neuen Formen und Aspekten stellende Aufgabe. Demnach zählen Unbeständigkeit, Schnelligkeit und Spontanität zu den charakteristischen Wesenszügen der öffentlichen Meinun~. Sie ist das 325 326

Allgemein dazu oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1.

Siehe zu diesem Ideal etwa M. Kloepfer, in: lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrecht II, § 35, RdNr. 14. 327 BVerfGE 12, 113/125; vgl. bereits BVerfGE 7, 198/219. 328 Das BVerfG (E 74, 297/332) sieht darin ein grundlegendes Merkmal einer freien Meinungsbildung. 329 M. Bullinger, JZ 1987, S. 264. 330

Diese Eigenschaften nennt H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 446.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

139

in der Zeitachse labile Resultat eines geistigen Konkurrenzkampfes, das nur in der Momentaufnahme klar erkennbare Ergebnisse zeitigt. Ein derart gearteter Kommunikationsprozeß setzt begriffsnotwendig eine ungehinderte Diskussion voraus. Nur diese freie und umfassende Erörterung gewährt pluralistischen Initiativen und Alternativen Raum und "sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung ..."331 • Das BVerfG bezeichnet sie deshalb treffend als "Lebenselement der staatlichen Ordnung.n2 und als "Grundbedingung eines freiheitlichen Gemeinwesensn333. Frei ist die öffentliche Diskussion nur dann, wenn sie sich in einer freien geistigen Auseinandersetzung vollzieht. Diese ist ihrerseits "eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der freiheitlichen Demokratie ..."334• Die ständige, ungehemmte geistige Auseinandersetzung, der Kampf der Meinungen, ist ein Lebenselement der freiheitlich-demokratischen Staatsordnun~ und für diese "schlechthin konstituierend"336• c) Die Träger der öffentlichen Meinung

Unter der Geltung des Grundgesetzes kann die Meinungsbildung nicht einer durch Besitz oder Herkunft ausgezeichneten elitären Schicht vorbehalten bleiben337• Eine derartige Verengung des Teilnehmerkreises läßt sich mit dem Demokratieverständnis der Verfassung nicht vereinbaren338• Demzufolge gehen in den zur Entstehung der öffentlichen Meinung führenden Integrationsprozeß alle denkbaren Impulse ein. Dieser lebt von dem freien Rin-

331 BVerfGE 12, 113/125. Ähnlich F. Kübler, Wirtschaftsordnung und Meinungsfreiheit, S. 19. 332 BVerfGE 20, 162/179. 333 BVerfGE 54, 129/139. 334

335 336

337

BVerfGE 25, 256/265; vgl. auch BVerwGE 55, 232/239.

So bereits BVerfGE 7, lCJS/207. BVerfGE 62, 230/247.

Demgegenüber war der klassische Liberalismus vom Gedanken des Elitekonzepts beherrscht; eine Sichtweise, die Wirkungen bis in die jüngste Vergangenheit zeitigte. Typisch hierfür S. Landshut, Festschrift für Laun, S. 584, der die Existenz der öffentlichen Meinung an das Vorhandensein einer homogenen Honoratiorengesellschaft knüpft. 338 Vgl. nur M. Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 35, RdNr. 4.

140

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

gen aller Kräfte des Gemeinschaftslebens339• Schon der Begriff öffentliche Meinung setzt eine unendliche Zahl von Teilnehmern voraus, die sich aktiv oder passiv an dem Prozeß der Meinungsformung durch kommunikative Auseinandersetzung beteiligen können. Die aktive Beteiligung reicht von Äußerungen engagierter Individuen über Erklärungen einflußreicher Gruppen bis hin zu Beiträgen der Massenkommunikationsmittel. Aber auch die schweigende Mehrheit leistet als Resonanzboden für diese Ausführungen einen eigenständigen Beitrag. Sie bewertet die einzelnen Ansichten und trägt auf diese Weise zur Erarbeitung der öffentlichen Meinung bei. Diese findet gerade in dem unausgesprochenen Empfmden der schweigenden Mehrheit ihren Niederschlag. Alle diese Kräfte können sich auf der Grundlage der grundrechtlich verbürgten geistigen Freiheiten zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Form an dem integrierenden Kommunikationsprozeß beteiligen. "Seinen grundrechtliehen Quellen entsprechend hat sich dieser Prozeß 'frei, offen und unreglementiert' zu vollziehentt340. Wegen der für den immateriellen Wettbewerb charakteristischen Reziprozität der Austauschbeziehungen341, sind die Teilnehmer nicht auf die einmal in der Kontroverse eingenommene Rolle festgelegt. Jeder am Meinungsbildungsprozeß Beteiligte ist gleichzeitig sowohl Wettbewerber, als auch außensteheoder Dritter. Aus der allseitigen Zugänglichkeit des Kommunikationsprozesses kann aber nicht gefolgert werden, daß Art und Intensität der Mitwirkung bei allen Teilnehmern vergleichbar sind. Während die Beiträge des einzelnen Bürgers heute zunehmend an Bedeutung verlieren, üben mächtige Gruppen und Organisationen einen erheblichen Einfluß aus342. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Massenkommunikationsmittel zu nennen. Sie zählen zu den eigentlich bewegenden Faktoren bei der Formung der öffentlichen Mei339

Bereits H. Heller, Staatslehre, S. 1n, bezeichnete das Publikum als den Träger der öffentlichen Meinung. 340 W. Schmitt Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 21. Vgl. bereits BVerfGE 20, 56/98; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939. Es ist allgemein anerkannt, daß die öffentliche Meinung nicht organisiert und wohl auch nicht organisierbar ist. Dazu A . Amdt, Gesammelte juristische Schriften, S. 414; P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 18; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 452.

341

342

Siehe dazu bereits oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1.

Vgl. auch BVerfGE 69,3151346: "An diesem Prozeß sind die Bürger in unterschiedlichem Maße beteiligt. Große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien können beträchtliche Einflüsse ausüben, während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt.• Ausführlich zur Dominanz der Organisationen und Massenmedien W. Schmitt Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 39.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

141

nung. Sie verleihen ihr Stoßkraft und Gewicht und bestimmen als Meinungsführer den Kurs der Diskussion.

2. Presse, Pressefreiheit und öffentliche Meinung a) Die Bedeutung der Presse mr die freiheitlich-demokratische Grundordnung

Auf dieser Grundlage erklärt sich die Stellung der Presse in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Die öffentliche Meinung bildet sich in einem permanenten Prozeß geistiger Auseinandersetzung343• In diesem Zusammenhang wird der Presse eine Doppelrolle als Medium und Faktor der öffentlichen Meinung zuerkannf44, da sie das öffentliche Bewußtsein sowohl formt, als auch widerspiegelt. Die Presse ist Medium des Kommunikationsprozesses, weil sie die Vielzahl der unterschiedlichen Meinungen und Zielvorstellungen sammelt, sichtet, integriert, einander gegenüberstellt und dann veröffentlicht. Sie recherchiert in nahezu allen Bereichen des Gemeinschaftslebens und setzt die gesammelten Nachrichten zu dem Gesamtbild eines bestimmten Vorgangs zusammen. Auf diese Weise dokumentiert sie die wesentlichen Vorgänge des Zeitgeschehens, informiert über die Gewichtsverteilung zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und gibt diesen wiederum Gelegenheit, über die Darstellung ihrer Standpunkte meinungsbildend zu wirken. Damit ermöglichen die Printmedien das Zustandekommen von Meinungsbildern und eine relative Offenheit des Kommunikationsprozesses, welche ihrerseits eine unentbehrliche Voraussetzung für die Willensbildung der Rezipienten ist345• In ihrer Mittlerfunktion bietet die Presse ein Spiegelbild der Wirklichkeit. "In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung ..."346• Sie ist ihr "relativ verläßlichster Seismograph"347 • 343 344

Dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 1, b.

Siehe etwa BVerfGE 10, 118/121; E 12, 205/260; E 52, 283/296; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939; F. Kübler, Medienverflechtung, S. 75. Gleiches gilt für den Rundfunk, vgl. dazu BVerfGE 59, 231/257f.; E 73, 118/l52; E 74, 297/323 f. 345

Das BVerfG hat mehrfach herausgestellt, daß vor allem die Informationstätigkeit der Presseorgane die öffentliche Diskussion in Gang hält (BVerfGE 20, 162/174; E 35, 202/222). 346 BVerfGE 20, 162/175. 347

H. Ridder, Meinungsfreiheit, S. 253.

142

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Die Presseorgane sind aber nicht nur Medium, sondern auch Faktor des Kommunikationsprozesses, soweit sie diesen durch eigene SteUungnahmen und Kommentare beeinflussen. Als eigenverantwortliche Gestaltungsfaktoren wirken sie gezielt auf die politische, wirtschaftliche, kulturelle und geistige Entwicklung des Gemeinwesens ein. Einzelne Publikationen können durch ihre Beiträge den Meinungsbildungsprozeß zu bestimmten Themenkreisen in Gang setzen, intensivieren und modifizieren. Sie initüeren die öffentliche Meinung und treiben Veränderungen voran, indem sie die Ziele vorgeben, die im Interesse der Allgemeinheit anzustreben sind. In ihrer Eigenschaft als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung erbringen die Presseerzeugnisse vielfältige Leistungen für das Individuum, die Gemeinschaft und den Staat. Wegen ihrer aUumfassenden Tätigkeit besitzen sie eine eminente Bedeutung für die wechselseitige Verbindung zwischen den Bürgern und den Staatsorganen, die Kontrolle der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeinwesens und die soziale Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen348• Demnach muß der Wert der Presse für die öffentliche Meinungsbildung und damit für das demokratische Gemeinwesen hoch veranschlagt werden. Aus diesem Grund kennzeichnet das BVerfG die Presse als unentbehrliches Massenkommunikationsmittel349 und eines der wichtigsten Instrumente der öffentlichen Meinungsbildun~. Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte Presse zähle zu den Wesenselementen des freiheitlichen Staates351 und sei für die moderne Demokratie unentbehrlich352.

b) Die demokratische Konzeption der Pressefreiheit

Die grundlegende Bedeutung der Presse für einen freien und offenen Kommunikationsprozeß verdeutlicht zugleich den engen sachlichen Zusam348 Das betonen BVerfGE 20, 162/174 f.; E 35, 202/222. Vgl. auch die ausführlichen Zusammenstellungen einzelner Pressefunktionen bei W. Hoffmann-Riem / H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 33 ff. und F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 118 ff. 349 BVerfGE 12, 205f1BJ; E 35, 202/222. 350 BVerfGE 36, 193/204. 351 BVerfGE 20, 162/174; E 50, 234/239; E 52,283/296. 352 BVerfGE 20, 162/174; E 36, 321/340; E 52, 283/296.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

143

menhang zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und dem Demokratieprinzip. Diese demokratische Komponente ist kein alleiniges Spezift.kum der Pressefreiheit. Vielmehr besitzen alle Grundrechte eine mehr oder weniger ausgeprägte politische Dimension, einen mehr oder weniger starken Demokratiebezu~. Die im Grundgesetz verbürgten Freiheitsrechte beinhalten nach heutigem Grundrechtsverständnis nicht nur Abwehrrechte, die allein eine Freiheit vom Staat garantieren. Ihnen wird zugleich ein über die Abwehrfunktion hinausgehender Sinn beigelegt. Nach Überwindung der liberalistischen Funktionsteilung zwischen Staat und Bürger kann die individuelle Entfaltungsfreiheitangesichts der spezifischen Verknüpfung und gegenseitigen Abhängigkeit von Staat und Gesellschaft nicht mehr in staatsfreie Räume privater Isolation verwiesen werden354• Der Wandel der Staatsauffassung hat unter der Geltung des Grundgesetzes zu neuen Grundrechtskonzeptionen geführt, die sich in das moderne Staatsverständnis einfügen. Die Grundrechte sind zu einem Lebenselement staatlicher Ordnung geworden. Die Idee menschlicher Selbstverwirklichung in politics beherrscht die Grundrechtsinterpretation, da die vom Grundgesetz erstrebte Verfassungswirklichkeit ohne die freiwillige Mitwirkung der Bürger nicht erreicht werden kann. "In einer Demokratie ist die Verwirklichung des Staates die praktische Aufgabe jedes Bürgers"355• Demzufolge sind die Grundrechte nach mittlerweile überwiegender Auffassung zugleich "Gestaltungsrechte, die es dem einzelnen ermöglichen, am politischen Leben der staatlichen Gemeinschaft mitzuwirken und die eigenen Vorstellungen und Werte bei der Ausformung des Gemeinwesens einzubringen"3.56. Sie stellen sowohl Abwehrrechte, als auch politische Gestaltungsrechte d~. 353 354

Besonders deutlich im Hinblick auf die Informationsfreiheit BVerfGE 27, 71181.

Vgl. dazu A. Amdt, in: Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 5; W. Sclunin G/aeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNm. 1 f. 355 W. Sclunin Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung von Grundrechten im politischen Meinungskampf, S. 98. Vgl. auch P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 18.

356 W. Sclrmitt Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 3. Ebenso G. Roel/ecke, BB 1968, S. 1438; A. Schük, in: Schüle I Huber, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 26. P. Häberk, JuS 1967, S. 70; ders., Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 17, bezeichnet die Grundrechte als "funktionelle Grundlage der Demokratie". A. A. E. Forstholf, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 16, der die Gestaltungbefugnis nicht zum Freiheitsbegriff rechnet. 357 Bei den Kommunikationsgrundrechten wird dieses Nebeneinander beider Kompo-

144

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

In diesem Zusammenhang können aber Abstufungen zwischen den verschiedenen Freiheitsrechten festgestellt werden. Bei den geistigen Freiheiten ist die demokratische Komponente besonders ausgeprägt. Hier sind vor allem die in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Kommunikationsgrundrechte zu nennen, die alle und damit auch die zur öffentlichen Meinung führenden Kommunikationsprozesse schützen. Sie garantieren unter anderem die Freiheit der Bildung der öffentlichen Meinung3S8. Diese wird treffend als "Konzentrationspunkt" gekennzeichnet, in dem alle von Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gewährten Freiheitsrechte zusammenlaufen~. Sie ist der "materielle Bezugspunkt"360, "die Klammer, die die verschiedenen Elemente des Art. 5 I GG zusammenhält"361 • Den Kommunikationsgrundrechten gebührt daher ein besonderer Rang, da sie als Grundlage eines freien öffentlichen Meinungsaustausches den jeweiligen Grundrechtsträgem die Möglichkeit der eigenverantwortlichen Mitgestaltung des Gemeinschaftslebens eröffnen. Innerhalb der Kommunikationsgrundrechte wiederum besitzen vor allem die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten Medienfreiheiten einen besonders starken Demokratiebezug, da gerade diese Grundrechte die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung in einem umfassenden Sinn schützen362• Die Massenmedien schaffen durch ihren Öffentlichkeitsbezug und ihre spezifische Öffentlichkeitswirkung eine entscheidende Grundlage für die Meinungsbildung in öffentlichen Angelegenheiten. Demzufolge zählt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der die publizistischen Aktivitäten der Massenmedien in allumfassender Weise garantiert, zu den wichtigsten Grundpfeilern der freiheillieh-demokratischen Grundordnung. Dies gilt besonders für die Pressefreiheit, die zu den unabdingbaren Voraussetzungen eines freien und offenen politischen Prozesses zu rechnen ist. Das Grundrecht will "die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinungsbildung in der freiheitlichen Denenten besonders deutlich von K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 387, und W: Sehnlitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 150, herausgestellt. Vgl. auch BVerfGE 27, 71/81. 358

Das betonen BVerfGE 8, 104/112; E 20, 56/98; G. Hemnann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland,§ 123, S. 222; J. Nollenius, Freiwillige Selbstkontrolle s. 93 f. 359

360 361 362

V.

So W: Sehnlitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 152.

W: Sehnlitt Glaeser, AöR 112 (1987), S. 233. J. Noltenius, Freiwillige Selbstkontrolle, S. 105.

Vgl. dazu BVerfGE 57, 295/319; E 59, 231/257 f.; E 73, 118/152; E 74, 297/323; E.

6. 6. 89, DVBI. 1989, s. 871.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

145

mokratie schützen ..."363• Es ist gerade das Ziel der Pressefreiheit, die "Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten n364

Dies geschieht über das Instrument des verfassungsrechtlich gesicherten publizistischen Wettbewerbs der Presseunternehmen, der damit seinerseits in demokratische Zusammenhänge eingebunden wird. Die öffentliche Meinung bildet sich in der freien Auseinandersetzung konkurrierender Interessen und Meinungen als Ergebnis eines wettbewerblieh strukturierten Kommunikationsprozesses. In einer pluralistischen Gemeinschaft, in der die unterschiedlichsten Überzeugungen vertreten werden und miteinander konkurrieren, ist der publizistische Wettbewerb der Printmedien ein Bestandteil des allumfassenden geistigen Wettbewerbs im gesellschaftlichen Kommunikationsgeflecht Die offene konkurrierende Willensbildung in öffentlichen Angelegenheiten ist gleichsam das Ergebnis der allumfassend garantierten geistigen Wettbewerbsfreiheit365 • Gerade der publizistische Wettbewerb "dezentralisiert, pluralisiert und differenziert den Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung"366, da er den Rezipienten die Möglichkeit verschafft, auf der Grundlage ihrer individuellen Nutzenpräferenzen zwischen den miteinander konkurrierenden geistigen Erzeugnissen frei wählen zu können. Wegen seiner ausgeprägten demokratischen Dimension zählt das Grundrecht der Pressefreiheit zu den vornehmsten Rechtsgütern der freiheitlichdemokratischen Grundordnung: "Keine Demokratie ohne Pressefreiheit"367• Sie ist für das Funktionieren dieser Ordnung absolut unverzichtbar und wird deshalb vom BVerfG als "schlechthin konstituierend" bezeichnet368•

363 364

365

BVerfGE 25, 256/268. BVerfGE 25, 256/268.

Ähnlich von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 2: "Die sich aus der Presse und den anderen Massenmedien ergebende öffentliche Meinung ... ist Ergebnis der durch Art. 5 GG gesicherten Freiheit.• 366 R. Scholz, Pressefreiheit und A.rbeitsverfassung, S. 143. 367 P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 9. 368

BVerfGE 10, 118/121; E 20, 56/97; E 35, 202/221; E 59, 231/265 f.; E v. 1. 10. 87, EuGRZ 1987, S. 441. Vgl. auch U. Sclreuner, VVDStRL 22, S. 90 f.; K Stern, Staatsrecht I,§ 18 II 6 c, S. 625.

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2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

c) Demokratische Konzeption und Verfassungsinterpretation

Fraglich ist, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich die aufgezeigte demokratische Komponente der Pressefreiheit auf Auslegung und Anwendung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und damit letztlich auf die Reichweite der grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit auswirkt. Gerade in dem hier interessierenden Zusammenhang besteht im Schrifttum teilweise die Neigung, gesellschaftspolitische Vorstellungen und einen zweifelsohne gegebenen soziologischen Sachverhalt auf die Ebene verfassungsrechtlicher Dignität zu transferieren. Ansatzpunkt hierfür sind die vielfältigen Leistungen, die die Printmedien in ihrer Eigenschaft als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung für das Individuum, die Gemeinschaft und den Staat erbringen369• Diese Leistungen werden zum Gegenstand einer funktionalen Grundrechtsinterpretation gemach~. Die Pressefreiheit wird von ihren öffentlichen und politischen Funktionen her interpretiert, da der eigentliche Sinn dieses Grundrechts darin gesehen wird, den für eine Demokratie unentbehrlichen Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung zu ermöglichen und zu schützen371 • Die erstrebte Effektuierung des demokratischen Prozesses bestimmt damit Inhalt und Tragweite der Garantieaussage. Wenn auch die einzelnen Ansichten hinsichtlich des Stellenwertes, den sie einer funktionalen Deutung beimessen, divergieren, so geht doch die Tendenz unverkennbar dahin, funktionale Aspekte einseitig in den Vordergrund zu rücken. Dies gipfelt in der Forderung, den konkreten "Stellenwert der individualrechtliehen Position ... im Hinblick auf die demokratie-und sozialstaatlich geprägte Aufgabe der Presse zu bestimmen"372• Im Extremfall wird der Schutzbereich der Pressefreiheit ausschließlich nach funktionalen Aspekten interpretiert. Kennzeichnendes Schlagwort der Diskussion war über viele Jahre hinweg die nach demokratischen Kriterien bestimmte "öffentliche Aufgabe" der

369

370

Vgl. dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 2, a.

Ausführlich zur demokratisch-funktionalen Grundrechtstheorie E.-W. Böckenförde, NJW 1974, S. 1534 f.; H H Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat. 371

Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwGE 14, 21/25: "Die Grundrechte sind dem Staatsbürger nicht zur freien Verfügung eingeräumt, sondern in seiner Eigenschaft als Glied der Gemeinschaft und damit auch im öffentlichen Interesse.• 372

W. Hoffmann-Riem I H Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 44 f.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

147

Presse373• Einige Autoren qualiftzieren diese als verfassungsrechtlich relevante Kategorie37\ die entsprechende Erfüllungspflichten indiziert. Die einzelnen Publikationen werden jeweils daraufhin überprüft, ob sie die von der Verfassung gestellte Aufgabe erfüllen. Die Freiheit der Presse ist damit nur noch eine Frage des gesellschaftlichen Nutzens. Der private Freiheitsgebrauch wird diskreditiert, was sich letztlich auch auf die Struktur des Pressewesens auswirkt. Wegen dieser freiheitsbeschränkenden Wirkung steht die überwiegende Meinung im Schrifttum einem einseitigen funktionalen Grundrechtsverständnis heute zu Recht ablehnend gegenüber, da sie das Grundrecht in ein politisches Auftragsrecht, ein Funktionsgrundrecht verwandelt. Dies wirkt sich auch auf die sogenannte "öffentliche Aufgabe" der Presse aus. Dieser Begriff kennzeichnet jedoch keine rechtliche Kategorie, aus der sich Rechtspflichten herleiten lassen375• Dagegen spricht schon der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der eine öffentliche Aufgabe nicht erwähnt und den Grundrechtsschutz daher nicht von irgendeiner Aufgabenwahrnehmung abhängig macht. Die Pressefreiheit gewährt Freiheit schlechthin, nicht Freiheit zu bestimmten Zielen oder Zwecken. Sie umfaßt daher auch das Recht zu politischer Enthaltsamkeit. Die Gegenmeinung verkennt zudem den freiheitlichen telos der Grundrechte. Diese sind notwendigerweise aufgabenfrei. Sie müssen für verschiedene Verwirklichungen offen sein, wenn sie den Grundrechtsträgern Freiheit gewährleisten sollen. Werden ihnen in rechtlich relevanter Weise Verhaltenserwartungen zugeordnet, steht ihre Betätigung nicht mehr im subjektiven Belieben des Berechtigten. Die Freiheit mutiert zur Pflicht. Daran vermag auch die eminente faktische Bedeutung der Presse in einer freiheitlichen Demokratie nichts zu ändern. Die Nützlichkeit der Individualität für die Allgemeinheit ändert nichts am Wesen der Individualität. Wenn die Presseorgane durch ihre Teilnahme am publizistischen Wettbewerb eine 373 Das BVerfG hat diesen Tenninus mehrfach verwendet: BVerfGE 20, 162/175; E 60, 234/240; E 66, 116/133. Ebenso BVerwGE 47, 247/254. 374 Diesen Standpunkt vertreten etwa H. Rklder, Meinungsfreiheit, S. 250 f. und A. Schüle, in: Schüle f Huber, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 24. 375 So im Ergebnis übereinstimmend A. Amdl, in: Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 4 f.; E. Forstholf, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 20; E. Kuli, Festschrift für Löffler, S. 191; von MangoldJ I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNrn. 2, 49; U. Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht, S. 765; R Schnur, VVDStRL 22, S. 113 ff.; R Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 50.

148

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

öffentliche Aufgabe erfüllen, so handelt es sich dabei gewissermaßen um eine soziale Nebenwirkung wettbewerblieber Freiheitsbetätigung. Dies rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß die demokratische Komponente des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG den Schutzumfang dieser Garantieaussage grundsätzlich nicht restriktiv beeinflußt. Art, Umfang und Intensität des Grundrechtsschutzes dürfen nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Kommunikationsträger bei der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken. Wie alle Kornmunikationsgrundrechte gewährt auch die Pressefreiheit gleichzeitig private und öffentliche Entfaltungsfreiheit "Deo Demokratiebezug bekommen die Kommunikationsfreiheiten dadurch, daß auch politische und gesellschaftliche Themen behandelt werden können und faktisch behandelt werden"376• Daraus folgt aber keine entsprechende rechtliche Verpflichtung der Presseschaffenden, sich politischen Themen zuzuwenden. Eine derartige Pflicht läßt sich auch nicht aus dem Demokratieprinzip ableiten. "Nicht alles für den demokratischen Staat Gute und Wichtige kann über Verfassungsinterpretation zur Geltung gebracht und verpflichtend gemacht werden"377• Die demokratische Ordnung lebt von der Spontanität ihrer Bürger. Deshalb ist es der individuellen Beliebigkeil der Presseschaffenden anheimgegeben, ob sie sich in öffentlichen Angelegenheiten engagieren und an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken wollen378• Aus dem Demokratieprinzip folgt weder eine entsprechende Pflicht der Kommunikationsträger, noch eine globale Ermächtigung für den Staat, derartige Verpflichtungen auf einfachgesetzlicher Grundlage aufzustellen379• Da der Freiheitsgebrauch inhaltlich nicht determiniert werden kann, ist es dem Staat verwehrt, den publizistischen Wettbewerb unter Berufung auf das Demokratieprinzip in eine bestimmte 376 Ch. Starck, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 29, RdNr. 38. Ebenso von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 1; Ch. Starck, Meinungs- und Informationsfreiheit, Sp. 1090. Ähnlich R Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 133. 377 von Mangoltll I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 5.

378 Das betonen R Herzog in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 13; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 1; Ch. Starck, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 29, RdNr. 38. Allgemein dazu H. H. Klein , Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 71. 379

P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 43, weist zu Recht darauf hin, daß sich aus dem Demokratiegebot keine globale Ermächtigung für Eingriffe in die freiheitliche Pressestruktur herleiten läßt. Anders N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 45, und W. Hoffmann-Riem I H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 50 ff., die aus dem Demokratieprinzip weitgehende staatliche Schutzpflichten für die Funktionsfahigkeit der öffentlichen Meinungsbildung ableiten.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

149

Richtung zu lenken. Eine derartige Relativierung der verfassungsrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit ist von vornherein ausgeschlossen. Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß die demokratische Komponente der Pressefreiheit keinerlei Auswirkungen auf den Wettbewerb der Printmedien entfaltet. Aus dem Demokratieprinzip können sich, über Art. 5 Abs. 2 GG hinausgehend, zusätzliche Argumente für systematische Grenzen staatlicher Aktivitäten im Pressewesen ergeben. Das ist in all den Fällen von Bedeutung, in denen staatliche Wettbewerbsinterventionen gleichzeitig die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung beeinflussen. Als Beispiel sei hier nur das Problem staatlicher Pressetätigkeit genannt.

II. Wettbewerb und Sozialstaat Neben dem Demokratie- muß auch das Sozialstaatsprinzip bei der verfassungsrechtlichen Würdigung publizistischer und wirtschaftlicher Wettbewerbsprozesse im Pressewesen berücksichtigt werden. 1. Das Sozialstaatsprinzip Das Grundgesetz bekennt sich in Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG zum Sozialstaatsprinzip. Da diese Staatszielbestimmung in den einzelnen Artikeln des Grundgesetzes kaum näher konkretisiert wird, ist ihre Tragweite und Bedeutung bis in die Gegenwart hinein Gegenstand zahlreicher juristischer Kontroversen. Bei aller Unstimmigkeit im Detail besteht aber Einigkeit dahingehend, daß die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit zu den Kernfragen der sozialstaatliehen Ordnung zählt. Sie verlangt "staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die auf Grund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind ..."380• Damit ist in erster Linie der Gesetzgeber angesprochen. Er ist der eigentliche Adressat der SozialstaatsklauseL Sie verpflichtet und ermächtigt ihn, 380

BVerfGE 35, 202/236. Ähnlich BVerfGE 45, 376/387; P. Badura, in: von Münch, Besonderes Verwaltungrecht, S. 298 f.; H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 45 f.

150

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

"für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen ....381• Daraus folgt aber weder eine Pflicht, konkrete soziale Reformen zu verwirklichen, noch ein "Blankoscheck zwecks Herstellung möglichst optimaler Sozialverhältnisse"382 ohne Rücksicht auf die im Einzelfall berührten Freiheitsrechte. Das sozialstaatliche Mandat des Gesetzgebers ist an die im Grundgesetz verbürgten Grundrechte und ihre Vorbehaltssehranken gebunden383• In diesem Rahmen bedarf es im konkreten Einzelfall jeweils eines behutsamen Ausgleichs zwischen individueller Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatliehen Ordnung. Dabei ist die intensive Wechselwirkung zwischen beiden zu beachten. Die Grundrechte begrenzen einerseits sozialstaatliche Aktivitäten und Egalisierungstendenzen, werden andererseits jedoch durch die das Sozialstaatsgebot konkretisierenden Gesetze beschränkt.

Damit ist die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips noch nicht ausgeschöpft. Das Bekenntnis zum Sozialstaat statuiert zugleich für die Gesetzesanwendung eine Auslegungsmaxime, die im Wege einer systematischen Interpretation auch das Verständnis der Grundrechte beeinflußt. In diesem Zusammenhang muß aber beachtet werden, daß die Sozialstaatsklausel wegen ihrer Unbestimmtheit und Offenheit nicht geeignet ist, "Grundrechte ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber, also unmittelbar zu beschränken"384. Sie ist keine verfassungsunmittelbare Freiheitsschranke. Die so gekennzeichnete Staatszielbestimmung wird vornehmlich für den Ausgleich von ökonomischen Gegensätzen innerhalb der Gemeinschaft und für die wirtschaftliche Existenzsicherung sozial schwacher Bevölkerungskrei-

381 BVerfGE 22, 180/204. Vgl. auch BVerfGE 59, 231/262 f.; E 69, 272/314; K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNrn. 212 f.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 146; ders., Sozialstaat zwischen Wachstums- und Rezessionsgesellschaft, S. 24. 382 P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 42. So auch K A . Bettermann, Grenzen der Grundrechte, S. 18; R. Scholz, Sozialstaat zwischen Wachstumsund Rezessionsgesellschaft, S. 25. 383 Das betonen K A. Bettermann, Grenzen der Grundrechte, S. 18; J. Müller-Volbehr, JZ 1984, S. 11, und K Stern, Staatsrecht I, § 21 II 3, S. 905. Ähnlich P. Badllra, JuS 1976, S. 210. 384 BVerfGE 59, 231/263. Ebenso K A. Bettermann, Grenzen der Grundrechte, S. 18 f.; H. D. Jarass, in: Jarass f Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, RdNr. 81; K Stern, Staatsrecht I, § 21

IV 4, S. 924.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

151

se fruchtbar gemachf&S. Darüber hinaus enthält sie zugleich eine immaterielle Komponente386, die sich auf Fragen des menschlichen Miteinanders im geistig-kulturellen Zusammenleben bezieht. In diesem Bereich verpflichtet das sozialstaatliche Strukturprinzip den Staat, angemessene kulturelle Lebensbedingungen zu schaffen, um auch den sogenannten Randgruppen eine eigenverantwortliche Persönlichkeitsentfaltung zu ermöglichen. 2. Wirtschaftlicher Wettbewerb und Sozialstaatsprinzip

Im Wirtschaftsleben fmdet die Sozialstaatsidee ihren eigentlichen Niederschlag. Das Sozialstaatsprinzip ist ein wichtiger Baustein der Wirtschaftsverfassung. Es statuiert die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und beein.flußt daher auch die ökonomische Konkurrenz der Presseschaffenden, wobei es sich im Regelfall begrenzend auswirkt. Die Soziaistaatsklausel kann der grundrechtlich geschützten wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit der Kommunikationsträger zwar keine unmittelbaren Schranken ziehen, jedoch eröffnet sie dem Staat im Rahmen der Grundrechtsschranken weitreichende wettbewerbsrelevante Gestaltungsmöglichkeiten, die sich wiederum auf Art und Ausmaß der wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung der einzelnen Konkurrenten auswirken. Die Presse ist ein Wirtschaftszweig wie jeder andere, wenn auch das Verhalten der Unternehmer neben der wirtschaftlichen von einer geistig-ideellen Zielsetzung bestimmt wird387• Das Interesse an sozialstaatlich motivierten Wettbewerbsinterventionen ist daher keinesfalls geringer als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Demnach kann der Gesetzgeber auch im Medienbereich nicht zuwarten, bis sich die sozialen Probleme, die der wirtschaftliche Wettbewerb der Printmedien hervorruft, durch das freie Spiel der Kräfte von selbst beantworten. Er ist zu Eingriffen in die wirtschaftlichen Abläufe legitimiert und verpflichtet, um soziale Mißstände zu beseitigen oder zu verhindern. Entsprechende Interventionen in dem wirtschaftlichen Wettbewerb der Presseunternehmen müssen die in Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 385 Das Bundessozialgericht kennzeichnet das Sozialstaatsprinzip als "Schutzprinzip zugunsten der wirtschaftlich Schwächeren "(BSGE 10, 97/100). 386 Darauf weisen H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung. S. 171 f., und W. /Wnert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 52 f., hin. 387 Vgl. dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., III.

152

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassungsrechtliche Grundlagen

Abs. 1 GG verbürgten Grundrechte beachten. Diese Bestimmungen garantieren jeweils Teilaspekte der wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit im Pressewesen388 und statuieren daher Richtlinien und Schranken für eine sozialstaatlich motivierte Wirtschaftslenkung. Spannungen zwischen der grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit und dem Gebot sozialer Rücksichtnahme sind unausweichlich. "Es entspricht dem Sozialstaatsprinzip, die zwangsläufige Begrenzung der Freiheit zu erkennen und ihr Rechnung zu tragen ... In der Sicht der Betroffenen bedeutet Verwirklichung des Sozialstaats dann vor allem Minderung der Freiheit"3119• Unter der Geltung des Sozialstaatsprinzips kann die ökonomische Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden keine absolute Freiheit sein. Die Spannungen zwischen individueller Freiheit und den von der Sozialstaatsklausel geforderten Reglementierungen sind auf der Grundlage der maßgeblichen Vorbehaltsschranken im Wege eines angemessenen Interessenausgleichs zu lösen. In diesem Rahmen wird dem Gesetzgeber ein Feld zulässiger Wettbewerbsbeschränkungen eröffnet, um das sozialstaatliche Mandat der Verfassung zu realisieren. Von Bedeutung sind hier vor allem die sozialen Schutzregelungen für die in den Presseunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Das Sozialstaatsprinzip soll "wirkliche Ausbeutung, nämlich Ausnutzung der Arbeitskraft zu unwürdigen Bedingungen und unzureichenden Lohn verhindern"390• Deshalb sind entsprechende arbeitsrechtliche Regelungen auch im Bereich des Pressewesens jedenfalls dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie sich allein auf die wirtschaftlichen Aspekte der Pressetätigkeit auswirken. Als Beispiele seien hier nur die Arbeitszeitordnung und das Bundesurlaubsgesetz genannt. Demgegenüber werfen die Gesetze Probleme auf, die sich über die wirtschaftliche Seite hinausgehend zugleich auf die publizistische Ebene des Konkurrenzkampfes auswirken. Derartige Bestimmungen werden zumindest dann nicht mehr vom Sozialstaatsgehot gedeckt, wenn sie den höchstpersönlichen Kernbereich publizistischer Entfaltung berühren. Sozialstaatliche Einflüsse auf den wirtschaftlichen Wettbewerb im Pressewesen kann auch das Sozialversicherungsrecht zeitigen. Dieses Rechtsgebiet

388 389

390

Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., III, 2.

E. Benda, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 536.

BVerfGE 5, 851206.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

153

ist "ein besonders prägnanter Ausdruck des Sozialstaatsprinzips"391 und damit zumindest in seinem Grundgedanken verfassungsrechtlich garantiert392• Daher sind die Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht der Presseschaffenden verfassungsrechtlich unbedenklich, obwohl sie die wirtschartliehe Wettbewerbsfreiheit der Presseunternehmen beeinträchtigen, die durch die Abführung des Arbeitgeberanteils der Versicherungsbeiträge finanziell belastet werden. Neben dem aufgezeigten Schutz der Arbeitnehmer eröffnet das Soziaistaatsprinzip dem Staat weitere Möglichkeiten, den Wirtschaftsablauf im Pressewesen durch Maßnahmen der Wirtschaftsüberwachung und -Ienkung zu beeinflussen. Sozialstaatliche Erwägungen können den Gesetzgeber berechtigen und verpflichten, die Wettbewerbsbedingungen zum Vor- oder Nachteil der am Marktgeschehen Beteiligten zu verändern, um marktbeherrschende Stellungen zu verhindern393 und die Funktionsfähigkeit des wirtschaftlichen Wettbewerbs zu schützen394• Dies betrifft etwa die Bestimmungen des GWB und des UWG. Soweit diese Regelungen dem Schutz der Schwächeren dienen oder Vorkehrungen gegen Machtmißbrauch treffen, sind sie auch im Bereich des Pressewesens sozialstaatlich legitimiert. 3. Publizistischer Wettbewerb und Sozialstaatsprinzip Der publizistische Wettbewerb der Printmedien weist Verbindungslinien zur immateriellen Komponente des Sozialstaatsprinzips auf. Diese äußern sich in der sozialstaatliehen Relevanz derjenigen Presseinhalte, die den für das Gemeinschaftsleben unentbehrlichen sozialen Grundkonsens im Wege der Integration immer wieder aufs Neue herstellen und fördern.

391 392

BVerfGE 28, 324/328.

So auch H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 50; K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 213. 393 Vgl. dazu etwa H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 95: "Das Sozialstaatsprinzip wendet sich ... auch gegen die Gefahren sozialer, insbesondere wirtschaftlicher Macht, die die individuelle grundrechtliche Freiheit durch Ausbeutung und Unterdrückung bedrohen können•. 394 H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 150, folgert unter anderem aus dem Sozialstaatsprinzip, daß der Staat verpflichtet sei, eine intakte Wettbewerbsordnung zu erhalten.

154

2. Teil: Soziologische Grundfragen und verfassunprechtliche Grundlagen

Durch den allseitigen Austausch der Kommunikationsinhalte leistet der publizistische Wettbewerb einen wichtigen Beitrag zur Sozialisation und sozialen Integration der Gemeinschaft. Er schärft das soziale Bewußtsein der Rezipienten, indem er ihnen durch die Vielfalt miteinander konkurrierender Geistesinhalte die Möglichkeit bietet, Presseinhalte, die die Lebensbedingungen, Anschauungen, Sorgen und Nöte von Minderheiten verdeutlichen, auszuwählen. Auf diese Weise können Vorurteile beseitigt und Verständnis für Andersdenkende geweckt werden. Diese Chance wird um so größer, je mehr sich die Printmedien der sonst nicht repräsentierten Randgruppen annehmen, deren Probleme mangels Publizität ansonsten nicht zur Kenntnis genommen würden395• Die Presse kann durch ihre Beiträge dahingehend wirken, daß sich die allgemeine Auffassung über die Rechte dieser Gruppen verändert und sich damit der Spielraum ihrer Lebensverwirklichung innerhalb der Gemeinschaft vergrößert. Die soziale Relevanz bestimmter Presseinhalte läßt Inhalt und Reichweite der grundrechtlich garantierten publizistischen Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden unberührt. Das Sozialstaatsprinzip kann im Bereich der Geistesfreiheiten keine Restriktionen individueller geistiger Entfaltungsfreiheit rechtfertigen, da dieser Staatszielbestimmung hier nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Das Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit ist in diesem Zusammenhang weit geringer als im Wirtschaftsleben, wo die materiellen Existenzbedingungen des einzelnen über die Möglichkeit individueller Selbstverwirklichung und ein Leben in menschlicher Würde entscheiden. Im Geistesleben steht die Eigenverantwortung des Individuums im Vordergrund, das sich auf der Grundlage einer gesicherten ökonomischen Existenz kraft eigener Initiative frei entfalten kann. Im Gegensatz zur geringen Bedeutung des Sozialstaatsgebots ist die Intensität des grundrechtlich verbürgten Freiheitsschutzes hoch zu veranschlagen, wie die Ausgestaltung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und der Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG verdeutlichen. Die publizistische Betätigung besitzt einen anderen verfassungsrechtlichen Stellenwert als das wirtschaftliche Handeln. Die Pressefreiheit garantiert mit der publizistischen Entfaltungsfreiheit eine Sphäre individueller Lebensgestaltung, der ein höchstpersönliches Moment innewohnt. Publizistische Entscheidungen sind persönlichkeitsbedingte und deshalb unvertretbare Leistungen. Da die geistige Entfal395

Vgl. dazu W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 53.

3. Abschn.: Wettbewerb im demokratischen und sozialen Staat

155

tung zum Persönlichkeitskern gehört, den jeder Mensch benötigt, um seine Wesensanlage als geistig sittliche Persönlichkeit zu entfalten, steht das Individuum im Mittelpunkt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Dementsprechend verbürgt das Grundrecht einen Freiraum individueller publizistischer Tätigkeit mit allen daraus resultierenden persönlichen Risiken und Verantwortlichkeiten. Mit der geistigen Selbstbestimmung korreliert die kommunikative Selbstverantwortung. Deshalb führen Eigenleistung und Talent bei der Grundrechtsaktualisierung legitimerweise zu Ungleichheiten, die nicht durch sozialstaatliche Erwägungen überspielt werden dürfen. Eine sozialstaatliche Relativierung des geistig-kommunikativen Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist daher abzulehnen396• Das physiokratische laissez-faire, laissez-aller besitzt hier noch seine volle Daseinsberechtigung. Staatliche Maßnahmen, die sich gegen kommunikative Aktivitäten der Presseschaffenden richten und damit den Inhalt des Presseprodukts beeinflussen, sind nach Art. 5 Abs. 2 GG allenfalls zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre statthaft. Demgegenüber sind weitergehende sozialstaatliche Interventionen in den publizistischen Wettbewerb verfassungsrechtlich unzulässig. Es ist daher von vornherein ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber auf der Grundlage der Sozialstaatsklausel eine Verpflichtung statuiert, Presseinhalte mit sozialstaatlicher Relevanz in ein Presseprodukt aufzunehmen397• Der Staat kann auch nicht zugunsten einzelner Wettbewerbsteilnehmer einschreiten. Es kann dem publizistisch Leistungsfähigeren nicht verwehrt werden, unter Ausnutzung seiner Stärken am geistigen Konkurrenzkampf teilzunehmen. Die Forderung nach einem angemessenen Interessenausgleich zwischen allen Wettbewerbsteilnehmern hat im publizistischen Bereich keinerlei Bedeutung.

396

Diese Frage ist bei der Diskussion über die möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pressekonzentration aktuell geworden. Dabei haben sich vor allem N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 46, und R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 184, gegen die An~ndung des Sozialstaatsprinzip ausgesprochen. 397

Gegen eine sozialstaatliche Funktionalisierung der Pressefreiheit Ch. Starck, Meinungs- und Informationsfreiheit, Sp. 1090.

~ndet

sich auch

Dritter Teil

Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs Die Grundrechte, das Demokratie- und das Sozialstaatsprinzip statuieren in ihrer Gesamtheit die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen der Wettbewerbsfreiheit auf der Seite der Kommunikationsträger. Ungeklärt blieb bisher, welche Strukturelemente im einzelnen den publizistischen Wettbewerb kennzeichnen. Mit diesen Strukturprinzipien sind die Grundvoraussetzungen der Konkurrenz angesprochen, die für das Entstehen und die Entfaltung eines freien dynamischen Wettbewerbsprozesses unentbehrlich sind. Fraglich ist zudem, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Realfaktoren dann auch grundrechtlich garantiert werden. Dieser Frage werden wir im folgenden nachgehen. 1. Abschnitt

Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung als Kern des publizistischen Wettbewerbsprozesses Der publizistische Wettbewerb ist das Ergebnis individueller Aktivitäten der Anbieter und Nachfrager, wobei die Auswahlentscheidungen der Beteiligten eine besondere Bedeutung besitzen. Charakteristisches Wesensmerkmal der publizistischen Konkurrenz ist, daß sowohl die miteinander konkurrierenden Kommunikationsträger als auch die publizistische Leistungen nachfragenden Rezipienten permanent unter einer Vielzahl von Geistesinhalten eine inhaltsbestimmende Auswahl treffen müssen. Die Auswahlentscheidung der Pressetätigen dient der Erarbeitung des zu veröffentlichenden Presseinhalts. Indem die Presseschaffenden festlegen, mit welchen Geistesinhalten sie am Meinungsmarkt in Erscheinung treten, beeinflussen sie das publizistische Angebot. Die Auswahlentscheidung der Leser aktualisiert die

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

157

Nachfrage nach massenmedialer Kommunikation und steuert auf diese Weise Verlauf und Richtung des Wettbewerbsprozesses. Die Wahlentscheidungen der beiden Marktparteien bedingen sich wechselseitig. Sie sind sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz der publizistischen Konkurrenz. Die Entscheidungsfreiheit aller Beteiligten zählt zu den Grundbedingungen des Wettbewerbs. Die Kommunikationsträger müssen das publizistische Angebot frei bestimmen, die Leser zwischen den angebotenen Leistungen frei wählen können. Die Forderung nach Wettbewerbsfreiheit umfaßt beides. Der Wettbewerb ist darauf angewiesen, daß Anbieter und Nachfrager von publizistischen Leistungen in gleicher Weise grundrechtlich geschützt werden. Er benötigt die Anbieter- und Nachfragerfreiheit in ihrer jeweiligen Eigenart, um als freier Prozeß in Gang zu kommen und erhalten zu bleiben. Deshalb berührt der publizistische Wettbewerb nicht nur die Grundrechte der Presseschaffenden, sondern zugleich immer auch die der Rezipienten. Gerade die in der Lehre teilweise vernachlässigte Publikumsfreiheit besitzt eine eminente Bedeutung für den Wettbewerbsprozeß, da sie dessen Freiheit mitkonstituiere.

I. Die Auswahlentscheidung der Leser Der publizistische Wettbewerb der Presseunternehmen bedarf notwendigerweise der Außensteuerung durch das ständige Plebiszit der Leser, da erst der Vorgang der wertenden Beurteilung seine Auslesefunktion aktualisiere. Die Nutzungsentscheidung der Rezipienten ist der entscheidende Steuerungsmechanismus der Konkurrenz. Sie kann diese Funktion aber nur dann erfüllen, wenn die Entscheidungsfreiheit der Leser sowohl in faktischer als auch in rechtlicher Hinsicht gewahrt ist.

1

Die rechtswissenschaftliche Diskussion hat die Publikumsfreiheit bislang nicht hinreichend beachtet. Demgegenüber ist das gleichrangige Nebeneinander von Medien- und Publikumsfreiheit vor allem von H Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 163, und R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 365, herausgearbeitet worden. Vgl. auch Ch. Degenhort, Bonner Kommentar, Art. 5, Abs. 1, 2, RdNm. 70 f.; P. Lerche, Informationsfreiheit, in: EvStL, Sp. 1314, und I. Wolf, Medienfreiheit und Medien unternehmen, S. 379.

2

Allgemein zum Erfordernis der Außensteuerung oben 1. Teil, 2. Abschn., II, 2.

158

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

1. Die faktische Entscheidungssouveränität der Leser Die Angebotssteuerung nach Nutzenpräferenzen zählt zu den bestimmenden Verhaltensmaximen des publizistischen Wettbewerbs. Die Leser nutzen die Printmedien ausschließlich nach ihren individuellen Wünschen und Interessen3 • Ihr Informationsaufnahmeverhalten orientiert sich an der subjektiv bewerteten Funktionalität einer Publikation für die Erfüllung kommunikativer Wünsche4 • Sie nutzen jeweils die publizistischen Angebote, die ihnen vor dem Hintergrund ihrer individuellen Bedürfnissituation vorteilhaft erscheinen, die anderen weisen sie zurück. Eine derartige bewußte Nutzungsentscheidung, die sich auf die nicht berechenbare subjektive Beliebigkeil jedes einzelnen Rezipienten gründet, indiziert eine allumfassende Entscheidungssouveränität Dieser sind aber gewisse Restriktionen gesetzt. Ursächlich hierfür ist unter anderem der begrenzte Marktüberblick des einzelnen Lesers. Er bedarf vielfältiger Informationen, um seine Kommunikationsbedürfnisse zu befriedigen. Bei der Informationsaufnahme steht er aber einer Vielzahl unterschiedlicher Publikationen verschiedener Presseträger gegenüber. Die ständige Vermehrung und Differenzierung der publizistischen Leistungen konfrontiert ihn mit dem Problem, eine nicht übersehaubare Flut von Kommunikationsangeboten zu bewältigen. Diese Schwierigkeit wirkt sich schon wegen des begrenzten Zeitbudgets auf das Nachfrageverhalten auss. Da die für die Mediennutzung insgesamt verfügbare Zeit nicht beliebig erweitert werden kann, ist es dem Rezipienten schon aus Zeitgründen verwehrt, sich bei jeder anstehenden Nutzungsentscheidung über das gegebene publizistische Angebot allumfassend zu informieren. Er muß eine Auswahlentscheidung treffen, ohne einen vollständigen Überblick über die für ihn eventuell relevanten Publikationen zu besitzen. Daher beziehen die Rezipienten ihre Informationen je nach ihrer individuellen Zeitgestaltung regelmäßig nur aus einem oder einigen wenigen ihnen bekannten Publikationsorganen6 • Andere Presseerzeugnisse bleiben unbeachtet. 3 4

Dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., II, 2.

Vgl. zur Maßgeblichkeil des subjektiven Bewertungsmaßstabs im Rahmen des immateriellen Wettbewerbs oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1. 5 Dieser Einfluß des Zeitbudgets ist weithin anerkannt. Siehe etwa N. Diltrich, Pres-

sekonzentration und Grundgesetz, S. 13; E. König, Die Teletexte, S. 155. 6 Vgl. dazu den Schlußbericht der Pressekommission, BT-Drucks. V /3122, S. 46.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

159

Neben dem limitierten Zeitbudget kann die Wahlentscheidung der Rezipienten wegen des aufgezeigten engen Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie7 auch durch wirtschaftliche Erwägungen bestimmt werden. Diese gründen sich auf die Knappheit der fmanziellen Ressourcen. Das für die Mediennutzung insgesamt verwendbare Budget privater Haushalte ist ebenfalls begrenzt8 • Dessen Umfang beeinflußt die faktische Wahlfreiheit der Rezipienten, da nach Verausgabung der verfügbaren Mittel weitergehende Kommunikationsbedürfnisse unbefriedigt bleiben müssen. Die Entscheidung für ein kostspieliges Publikationsorgan kann die Rezipienten dazu veranlassen, auf andere Presseerzeugnisse zu verzichten. Wie die Kommunikationsforschung zeigt, wird die faktische Entscheidungsautonomie der Rezipienten auch durch psychologische Faktoren bestimmt. Dazu ist etwa das bei allen Massenkommunikationsmitteln zu beobachtende Phänomen der "selektiven Wahrnehmung" zu rechnen9 • Die Leser lassen sich bei ihren Nachfrageentscheidungen auf dem Meinungsmarkt nicht allein von zweckrationalen Kriterien leiten. So neigen sie beispielsweise dazu, das publizistische Angebot nach ihrem kognitiven Entwicklungsstand zu handhaben10• Sie entscheiden sich nur für die Presseerzeugnisse, deren Inhalte sie verstehen, weil sich diese in bestehende Wissensstrukturen integrieren lassen. Da die Wissensstrukturen schichtmäßig sehr unterschiedlich verteilt sind, zeigen verschiedene Bevölkerungsgruppen ein unterschiedliches Nachfrageverhalten. Noch gewichtiger ist der Umstand, daß aus der Fülle der angebotenen Geistesinhalte nur die Veröffentlichungen zur Befriedigung vorhandener Kommunikationsbedürfnisse genutzt werden, die sich in das bereits vorhandene Weltbild des Rezipienten einfügen. Die Leser beachten unbewußt nur die publizistischen Inhalte, die ihren individuellen Ansichten, Einstellungen und Voreingenommenheiten entsprechen, Argumente für einen bereits vorhandenen Standpunkt bereitstellen oder Vorurteile bestätigen11 • Demnach besitzt die Konsonanz zwischen Presseinhalt 7

8 9

Dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2. Das betont Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 654; ders., ZUM 1988, S. 57.

Das BVerfG hat dieses Phänomen im sog. Lebach-Fall (E 35, 202/230) sogar zum Gegenstand seiner Entscheidungsbegründung gemacht. 10 Der Einnuß des Bildunl'}niveaus auf die Mediennutzung wird besonders von U. Sa-

xer, EKM II, S. 110, herausgestellt. 11

Vgl. dazu die Ausführungen von H. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 48; M. Löffler, in: l.öffier, Die öffentliche Meinung, S. 24; E. NoeUe-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, S. 63 f., 134 f., 218 f.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 IV 2, S. 266.

160

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

und Vorstellungswelt des Lesers eine entscheidende Bedeutung. Der Rezipient ist darauf bedacht, die Stabilität seines durch Erziehung und Umwelt geprägten subjektiven Weltbildes zu wahren. Deshalb übergeht er meist von vornherein die Presseinhalte bei seiner Auswahlentscheidung, die sich in ihrem Grundtenor zu weit von seinen Anschauungen entfernen. Demzufolge übt die Stabilität der menschlichen Natur einen restriktiven Einfluß auf das Nachfrageverhalten der Leser aus. Sie bewirkt eine eigentümliche Unbeweglichkeit im Medienkonsum, die wegen ihrer konservierenden Wirkung treffend als "massenpsychologisches Trägheitsgesetz" bezeichnet wird12• Die aufgezeigten Restriktionen der faktischen Entscheidungsautonomie der Nachfrager finden ihre Ursache alle in der Person des jeweiligen Rezipienten, so daß von einer aufgenötigten Beschränkung der Wahlfreiheit nicht gesprochen werden kann. Entscheidend ist die subjektive Wahlmöglichkeit der Leser, die ungeachtet dieser Faktoren erhalten bleibt. Sie können frei darüber entscheiden, ob und gegebenenfalls welche publizistischen Leistungen sie wann und nach welchen Selektionskriterien nutzen. Daher ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß die Leser zwar keine allumfassende, aber doch eine weitgehende faktische Entscheidungssouveränität besitzen.

2. Die verfassungsrechtliche Entscheidungssouveränität der Leser Ein publizistischer Wettbewerbsprozeß kann nur dann ent- und fortbestehen, wenn die zuvor aufgezeigte faktische Entscheidungsautonomie der Rezipienten grundrechtlich abgesichert wird.

a) Pressefreiheit und Entscheidungsfreiheit der Leser

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch die Verbreitung von publizistischen Inhalten13• Veröffentlichung und Empfang von Presseerzeugnissen sind untrennbare Korrespondenzphänomene, was bei der Bestimmung des Schutzumfangs der Pressefreiheit zu berücksichtigen ist. Deshalb ist es der öffentlichen Gewalt verwehrt, die KornAus diesem Umstand können zugleich Rückschlüsse auf die weithin überschätzte Wirkung der Printmedien gezogen werden. 12 R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 N 2, S. 267. 13 Siehe dazu bereits oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

161

munikationsträger durch faktische oder rechtliche Maßnahmen von ihrer Leserschaft zu trennen. Daraus wird teilweise gefolgert, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben dem Schutz der Pressetätigkeit zugleich eine "Lesefreiheit" gewähre• und damit auch die Rezipienten zu den Trägem dieses Grundrechts zu rechnen sind. Dieser Ansicht zufolge erfaßt der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Freiraum die hier fragliche Entscheidungsautonomie der Leser in vollem Umfang15• Dem kann nicht gefolgt werden. Gegen eine derartige Ausweitung des Schutzbereichs lassen sich vor allem systematische Argumente anführen, die sich auf die Existenz der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verbürgten Informationsfreiheit gründen. Diese Bestimmung würde nahezu jede eigenständige Bedeutung verlieren, wenn die Rezipienten jeweils in vollem Umfang in den Gewährleistungstatbestand der Medienfreiheiten einbezogen werden16• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muß daher dahingehend interpretiert werden, daß diese Bestimmung zwar die Verbreitung von Presseerzeugnissen garantiert, deren Empfang aber allein um der Freiheit der Presseschaffenden willen geschützt wird. Die Pressefreiheit gewährt ihnen die Möglichkeit, eine kommunikative Verbindung mit dem Leser herzustellen, um die Effektivität der Pressetätigkeit zu sichern. Die Kommunikationsträger dürfen nicht durch staatliche Maßnahmen von ihren Lesern separiert werden. Letztere werden dabei nur mittelbar begünstigt, ohne daß ihnen eine korrespondierende individuelle Freiheit eingeräumt wird. Die Leser zählen daher nicht zu den Trägem der Pressefreiheit. Ihre rechtlichen Interessen werden allein durch die Informationsfreiheit gewahrt. b) Informationsfreiheit und Entscheidungsautonomie der Leser

Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG gewährt jedermann das Recht, "sich aus 14

15

B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 73.

Diesen Standpunkt vertreten etwa F. J(jjbler, Festschrift für Löffler, S. 179f.; M. Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 48, RdNr. 5; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 72; I. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 276. 16 Darauf weist H. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 262, hin. Vgl. auch von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 4.

Lö!Jler, Presserecht I, § 1 LPG, RdNr. 66; M. Lö!Jler IR.

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

162

allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Zu den allgemein zugänglichen Quellen sind alle denkbaren Träger von Informationen zu rechnen, soweit sie "technisch geeignet und bestimmt" sind "der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen"17• Diese Voraussetzungen treffen auf alle Massenkommunikationsmittel zu. Deshalb zählt auch die Presse zu den allgemein zugänglichen Quellen schlechthin18• Das betrifft aber nur die am Meinungsmarkt bereits vertretenen Publikationen, da nur diese dazu bestimmt sind, den Lesern Informationen zu verschaffen. Die Informationsfreiheit kann dort keine Wirkungen entfalten, wo der QueUe die Allgemeinzugänglichkeit fehlt. Die Grundrechtsträger müssen sich daher auf dem Pressemarkt mit den bereits vorhandenen Publikationen begnügen. Sie haben keinen Anspruch auf Schaffung zusätzlicher Informationsgelegenheiten19• Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG gewährt den Grundrechtsträgern im Bereich der Massenmedien eine allumfassende Publikumsfreiheit Deshalb zählen auch die Aktivitäten der Leser auf dem Meinungsmarkt zu den grundrechtlich geschützten Aktionsformen menschlichen Handelns. Sie können nach ihren individuellen Bedürfnissen jederzeit auf die von den Printmedien verbreiteten publizistischen Leistungen zurückgreifen und werden dann durch Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG geschützt. Das Grundrecht sichert sowohl die schlichte lnformationsaufnahme, als auch die aktive Informationsbeschaffung. Es gewährt den Lesern zugleich das Recht, bestimmte publizistische Angebote abzulehnen und sich anderen zuzuwenden. Garantiert wird schließlich auch die negative Informationsfreiheit20• Kein Leser ist 17

BVerfGE 27, 71183. Ebenso P. Lerche, Informationsfreiheit, in: EvStL, Sp. 1315; E. Schmidt-lortzig, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI,§ 141, RdNr. 32. 18 Im Parlamentarischen Rat wurde in den Entwürfen zur Informationsfreiheit der Bezug von Druckerzeugnissen .mehrfach als besonders charakteristischer Fall einer allgemein zugänglichen Informationsquelle herausgestellt. Vgl. W. Matz, JöR NP 1, S. 80, 81, 84, 85, 86, 87, 88.

19

Das ist weithin anerkannt. Siehe etwa W. Geiger, Festschrift für A. Arndt, S. 123; W. Hoffman-löem, in: AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 92; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 71 f. 20 Das betonen Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5, RdNr. 286; R. Herzog, in:

Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 40; I. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 18; Ch. Starck, Meinungs- und Informationsfreiheit, Sp. 1090. A. A. W. Hoffmann-Riem, in: AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 95, der davon ausgeht, daß die negative Informationsfreiheit allein durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

163

verpflichtet, sich allumfassend oder zumindest über besonders wichtige Ereignisse zu unterrichten. Die Informationsauswahl ist ein wichtiger Bestandteil der von Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG grundrechtlich garantierten Publikumsfreiheie1• Das Grundrecht gewährt den Lesern die Möglichkeit, auf der Grundlage individueller subjektiver Beliebigkeil zu werten und zu wählen. Sie können sich unabhängig von staatlicher Beeinflussung für eine bestimmte, ihnen genehme publizistische Leistung entscheiden. Dieser "Aspekt des Auswählenkönnens ist der Grundtatbestand jeder Information"22• Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG sichert in erster Linie den eigentlichen Rezeptionsvorgang, die Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Informationsquellen23. Darin erschöpft sich der Grundrechtstatbestand aber nicht. Darüber hinaus schützt er auch die der eigentlichen Unterrichtung vorausgehenden Verhaltensweisen, soweit dies im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes der Rezipienten geboten ist. Deshalb wird auch die Kaufentscheidung der Leser grundrechtlich verbürgt24• Diese ist Bestandteil einer aktiven Informationsbeschaffung, da sie die Verbindung zwischen Medium und Publikum herstellen soll. Die verfassungsrechtlich geschützte Auswahlfreiheit beinhaltet zugleich eine Inhaltsfreiheit Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG garantiert den Lesern das Recht, zu einem individuell bestimmten Zeitpunkt aus der Fülle der am Meinungsmarkt verfügbaren publizistischen Angebote nach eigenen Vorstellungen zu wählen. Es bleibt dem Belieben jedes einzelnen Rezipienten überlassen, wie er informiert und unterhalten werden will. Er kann sich für die Kommunikationsangebote entscheiden, die ihm vor dem Hintergrund seiner Bedürfnissituation vorteilhaft erscheinen und die anderen zurückweisen. 21

In der Lehre ist weitgehend anerkannt, daß die Auswahlfreiheit von der Verfassung geschützt wird. Vgl. nur W. Brugger, EuGRZ 1987, S. 197; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 27; l von Münch, in: von Münch, GO-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 18; Ch. Starck, Meinunp- und Informationsfreiheit, Sp. 1090; E. Schmidt-lortzig, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI,§ 141, RdNr. 29. 22 BVerfGE 27, 71183. Ebenso H. Schneider, Verfassunprechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, S. 67. 23 Vgl. etwa Ch. Degenhardt, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 270; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 95. 24 So im Ergebnis übereinstimmendE. KuU, DÖV 1968, S. 862; ders., AfP 1973, S. 523.

164

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Die Inhaltsfreiheit bezieht sich zum einen auf die freie Quellenwahl25• Die Grundrechtsträger können bestimmte Quellen gegenüber anderen bevorzugen. Es bleibt ihrer individuellen Beliebigkeil überlassen, welche und wieviele Informationsquellen sie nutzen wollen. Die Leser können ihre Informationen aus einem oder aus mehreren Presseerzeugnissen beziehen. Sie können auch ganz auf die Nutzung der Printmedien verzichten, wenn diese ihnen für die Befriedigung ihrer kommunikativen Bedürfnisse ungeeignet erscheinen. Neben der freien Quellenwahl verbürgt Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG auch die freie Auswahl innerhalb einer Quelle. Die Rezipienten sind nicht gezwungen, den gesamten Inhalt einer Publikation zu konsumieren. Sie können einzelne Informationssparten nutzen, während sie andere überschlagen. Darüber hinaus räumt die Informationsfreiheit ihnen auch eine Entscheidungsfreiheit dahingehend ein, bestimmte Informationen aus einer Publikation, andere Informationen aus einem anderen Presseerzeugnis zu entnehmen.

Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG garantiert den Lesern eine allumfassende Nachfragefreiheit auf dem Meinungsmarkt. Restriktionen dieser Auswahlfreiheit sind nur im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG statthaft. Dem Staat ist daher von vornherein verwehrt, die allgemeine Zugänglichkeit des publizistischen Angebots zu manipulieren. Jede Form staatlich bewirkter Angebotsverknappung ist mit der Informationsfreiheit unvereinbar. So wäre beispielsweise ein Bezugsscheinsystem für Presserzeugnisse oder eine gesetzlich angeordnete Begrenzung der Auflagenhöhe einer Publikation verfassungswidrig. Demnach wird die faktische Entscheidungsautonomie der Rezipienten in vollem Umfang durch die Garantieaussage des Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG verfassungsrechtlich abgesichert. Dies wirkt sich wegen der eminenten Bedeutung der Publikumsfreiheit wiederum auf die Freiheit des publizistischen Wettbewerbs aus.

2S Vgl. dazu BVerfGE 15, 11!8/295; M. Löff1er, Presserecht I, § 1 LPG, RdNr. 85; W. Schmin Glaeser, AöR 97 (1972), S. 64.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

165

3. Die Wirkungen der Auswahlentscheidung a) Rezipientensouveränität und publizistisches Angebot

Die Leser sind aktive Kommunikationssubjekte, deren faktische und verfassungsrechtliche Entscheidungsautonomie eine ausschlaggebende Bedeutung für den publizistischen Wettbewerb der Printmedien besitzt. Ihre Wahlfreiheit veranlaßt die miteinander konkurrierenden Presseuntemehmen, sich an den kommunikativen Erwartungen ihrer Abnehmer zu orientieren, damit diese nicht auf ein Konkurrenzprodukt ausweichen, welches ihren Vorstellungen und Kommunikationsbedürfnissen besser entspricht26• Jeder Kommunikationsträger bemüht sich um die Akzeptanz der Leser. Er will eine möglichst große publizistische Wirkung erzielen. Deshalb ist er bestrebt, den einmal gewonnenen Empfängerkreis zu halten und- wenn möglich- zu vergrößemZ7. Dieses Ziel kann aber nicht von allen Verlagsunternehmen, die gleichartige publizistische Leistungen anbieten, erreicht werden, da ihnen auf dem Meinungsmarkt ein Nachfragepotential gegenübersteht, das schon wegen des limitierten Zeitbudgets der Betroffenen2JI nicht beliebig vermehrbar und ausdehnungsfähig ist. Je unflexibler sich diese marktbestimmende Größe erweist, desto größere Wirkungen zeitigt die Wahlentscheidung der Rezipienten für die Rivalität der Presseschaffenden. Diese kann sich in einem Substitutionswettbewerb im Sinne eines Kampfes um Marktanteile äußern. In diesem Fall bemüht sich jeder Wettbewerber, Leser von anderen Publikationen abzuwerben und für das eigene Presseerzeugnis zu gewinnen. Mit dem Erfolg eines Konkurrenten sinkt die Chance der Mitbewerber, dieses Ziel gleichfalls zu erreichen. Da sich die Wettbewerbshandlungen der Rivalen wechselseitig beeinflussen, geht die bessere publizistische Leistung und der daraus resultierende Wettbewerbsvorsprung eines Presseerzeugnisses notwendigerweise zu Lasten anderer Publikationen. Die Unterlegenen sind daher gezwungen, neue Wege und Lösungen zu suchen, um ihre Ausgangsposition im publizistischen Wettbewerb wieder zu verbessern. 26

27

Dazu bereits oben 2. Teil, 1. Abschn., II, 2.

Vgl. zu dieser Zielsetzung E. Kuli, AfP 1987, S. 369, und l. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 395 f. 28 Siehe zum Einfluß des Zeitbudgets auf das Nachfrageverhalten oben 3. Teil, 1. Absehn., I, 1.

166

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Die Rivalität der Presseschaffenden führt aber nicht in jedem Fall zu einem derartigen Substitutionswettbewerb. Sie wird vielfach ein kommunikatives Innovationsverhalten der Pressetätigen in Gang setzen, welches die Verbreitung gruppenorientierter Presseinhalte nach sich zieht. Um den mit dem Substitutionswettbewerb verbundenen Risiken auszuweichen, sind die Kammunikationsträger bestrebt, für ihre Erzeugnisse jeweils eine Bedürfnisnische zu fmden. Dies geschieht im Wege der Differenzierung und Segmentierung des publizistischen Angebots. Diese Vorgehensweise verbürgt die Einmaligkeit der publizistischen Leistung und bietet damit eine zusätzliche Chance im Verhältnis zu anderen Anbietern. Sie verringert die Gefahr der funktionellen Austauschbarkeil durch andere Medienangebote und verschafft dem betreffenden Wettbewerber einen temporären Wettbewerbsvorsprung. Er kann sich durch sein gruppenspezifiSches Kommunikationsangebot von seinen Konkurrenten absondern und eine AlleinsteUung erringen, bis wettbewerbliehe Anpassungsprozesse diese Position wieder beseitigen29 und einen erneuten Kampf um Marktanteile entbrennen lassen. Infolgedessen wirkt der publizistische Wettbewerb im Regelfall dahingehend, daß am Meinungsmarkt entsprechend den ungleichartigen Nachfrageerwartungen nach publizistischer Kommunikation inhaltlich divergierende bedürfnisorientierte Presseerzeugnisse angeboten werden30• Die Presseschaffenden versuchen, bislang unbefriedigte Kommunikationsbedürfnisse aufzuspüren und in den von ihnen verbreiteten Publikationen zu berücksichtigen, da nur auf diese Weise neue Rezipienten gewonnen werden können. Die Publikationen werden auf die Bedürfnisse der ermittelten Zielgruppe zugeschnitten, indem primär gruppenspezifische Kommunikationsinhalte in den redaktionellen Teil aufgenommen werden. Ein derartiges kommunikatives Innovationsverhalten ist erfolgreich, wenn die angesprochene Zielgruppe die betreffenden Geistesinhalte sodann auch für die Befriedigung vorhandener Kommunikationsbedürfnisse nutzt. Diese Tendenz zur Pluralisierung des publizistischen Angebots wird wegen des aufgezeigten Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie31 zu29 11,1. 30

Ausführlich zum dynamischen Charakter des Wettbewerbs oben 1. Teil, 2. Abschn.,

Ähnlich I. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 396: "Eine effektive Ausnutzung von Marktlücken, also das bewußte und gezielte Eingehen auf einen Minderheitenbedarf, ist dem funktionierenden Wettbewerb immanent". 31 Oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

167

dem durch die wirtschaftliche Orientierung der Verlagsunternehmen verstärke2, da eine derartige Differenzierung der publizistischen Leistung zusätzliche fmanzielle Chancen eröffnet. Bei den Verkaufsentgelten ist das offensichtlich. Müssen die Rezipienten für den Erwerb eines Presseerzeugnisses einen Kaufpreis entrichten, ist es für den Kommunikationsträger auch wirtschaftlich reizvoll, bislang unbeachtete, aber zahlungsbereite Minderheiten bei der Erstellung seines Kommunikationsangebots zu berücksichtigen33• Aber auch die Werbefmanzierung bewirkt eine verstärkte Differenzierung der publizistischen Leistungen. Die Presseunternehmen können bei entsprechender Spezialisierung mit einer ökonomisch attraktiven Zielgruppenwerbung rechnen, da gruppenorientierte Medien aus der Sicht der werbetreibenden Wirtschaft die gewünschten Marktsegmente wirksamer und kostengünstiger erreichen34 • Die Anzeigenkunden können ihre Werbung rationeller gestalten und hohe Streuverluste vermeiden, wenn sie in Zielgruppenmedien inserieren. Demzufolge bewirkt die faktische und verfassungsrechtliche Entscheidungsfreiheit der Rezipienten eine inhaltliche Diversiflzierung und Segmentierung des gesamten publizistischen Angebots. Der Wettbewerb der Printmedien führt letztlich zu einer Presseorganvielfalt, die es fast jedem Leser ermöglicht, seine spezifischen Kommunikationsbedürfnisse am Meinungsmarkt zu befriedigen. Die bisherige faktische Entwicklung der Printmedien verdeutlicht, daß es sich hierbei nicht nur um eine theoretische Annahme handelt. Die Tendenz zur Differenzierung hat im Pressewesen zu einer erheblichen Verbreiterung des Angebots an spezialisierten, zielgruppenorientierten Presseerzeugnissen beigetragenlS. Das Nachfrageverhalten der Leser bestimmt aber nicht nur die Bandbreite aller am Meinungsmarkt angebotenen publizistischen Leistungen. Die Erwartungen der Rezipienten können auch das Informationsspektrum eines 32 33

Vgl. auch/. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 396.

Aus diesem Grund hat sich die Monopolkommission (Sondergutachten 11, S. 10, Teilziffer 6 und S. 22 f., Teilziffer 29) im Bereich des Rundfunks für die Einführung des sogenannten pay-TV ausgesprochen. 34 Zu vergleichbaren Tendenzen bei den elektronischen Medien M. BuUinger, AöR 108 (1983), s. 179. 35

Diese Entwicklung müssen auch die Kritiker des Wettbewerbsmodells eingestehen. Sie deuten sie aber als Ausdruck der Ausbeutung von Publikumsbedürfnissen durch segmentierende Angebotspraktiken publizistischer Großbetriebe. Typisch hierfür W. Hecker, Medienmacht und Rezipientenfreiheit, S. 174 ff.; J. Röpke, Schmollcrs Jahrbuch 1970, S. 182 f.

168

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

einzelnen Presseerzeugnisses beeinflussen. Dies betrifft vor allem Publikationen mit einem hohen Verbreitungsgrad. Mit steigender Auflage wächst die Bereitschaft der Kommunikationsträger, das Spektrum der Geistesinhalte auch innerhalb des Presseerzeugnisses zu verbreitern36• Eine große Zeitung besitzt keine homogene Leserschaft. Sie ist auf verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen angewiesen. Daher werden auch solche Standpunkte in das Blatt aufgenommen, die lediglich die Kommunikationsbedürfnisse von Minderheiten befriedigen. b) Rezipientensouveränitat und Pressevielfalt

Der Pluralismus zählt zu den tragenden Strukturprinzipien des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens37• Diese Feststellung gilt für alle Gebiete des Gemeinschaftslebens und damit auch für den Bereich der Massenkommunikation. Eine herausragende Stellung kommt hierbei dem Zusammenhang zwischen Pressefreiheit und publizistischer Vielfalt zu. Letztere wird zu den Grundbedingungen eines freiheitlichen Pressewesens gerechnet, da sie den Rezipienten die Befriedigung höchst ungleichartiger Nachfrageerwartungen ermöglicht. Angesichts dieser grundlegenden faktischen Bedeutung wird im Schriftturn im Anschluß an die Rechtsprechung des BVerfG zur Pressevielfalt38 über alle sonstigen Auffassungsunterschiede hinweg - mehrheitlich gefolgert, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG deren Erhaltung unmittelbar gebietef9. Die Pressevielfalt soll vor allem die Funktionsfähigkeit der pluralistisch strukturierten öffentlichen Meinungsbildung sichern. Trotz dieser herausragenden Stellung ist bislang ungeklärt, was unter Pressevielfalt eigentlich zu verstehen ist40 • Der Begriff wird von Juristen und Politikern immer wieder verwendet. Jedoch fehlt eine allgemein akzeptierte und vor allem praktikable Aus36 Darauf haben vor allem E. Kuli, AfP 1987, S. 369, und P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 69, aufmerksam gemacht. 37 Vgl. K Stern, Staatsrecht I,§ 18 II 6 a, S. 621 f. 38 BVerfGE 12, 205/261; E 52, 283/296; E 57, 295/322 f. 39 Siehe etwa Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 651; W. Hojfmann-Rkm, in: A.K-GG, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 137; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 59 f.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 172. Ebenso BKartA, WuW/E BKartA

1740.

40

Ausführlich zu dieser Problematik E. Gerhardl, AfP 1980, S. 200 ff.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

169

deutung, "jenes Minimum präzisen Inhalts ..., das ihn normativ greifbar machen könnte....1• Dementsprechend konträr sind die im Einzelfall vertretenen Standpunkte. Während sich das BVerfG an der tatsächlich gegebenen publizistischen Vielfalt orientiert42, genügt es nach anderer Auffassung, wenn die Voraussetzungen für das Entstehen von Vielfalt gesichert sind43• Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob eine Fixierung allein auf das Pressewesen überhaupt eine tragfähige Grundlage einer Vielfaltskonzeption bilden kann, oder ob das Zusammenwirken aller Massenmedien in die Betrachtung einbezogen werden muß44 • Schließlich fehlt auch ein Maßstab zur Meßbarkeit publizistischer Vielfalt. Angesichts des Umstandes, daß das in der Gemeinschaft gegebene Meinungsspektrum unbekannt ist und sich fortwährend wandelt, erscheint dieses Manko kaum verwunderlich. Unabhängig von dieser Unsicherheit über Begriff und Wesen der Pressevielfalt soll hier der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen das Nachfrageverhalten der Leser auf das Entstehen eines vielfältigen Pressewesens zeitigt. Nach dem bisher Gesagten bewirkt die faktische und verfassungsrechtliche Entscheidungsfreiheit der Rezipienten eine inhaltliche Diversiftzierung und Segmentierung des gesamten publizistischen Angebots45• In einer auf einen bestimmten Empfängerkreis zugeschnittenen Publikation werden nur dessen spezielle Interessen berücksichtigt. Andere Presseerzeugnisse wiederum sind auf andere Zielgruppen ausgerichtet und ermöglichen so die kommunikative Balance. Alle diese Medien stehen in einem Verhältnis wechselseitiger Ergänzung und übermitteln in ihrer Gesamtheit ein Bild der pluralistischen Wirklichkeit. Dieses rundet sich um so mehr ab, je vielgestaltiger die Kommunikationsbedürfnisse der Rezipienten sind und je mehr Publikationen am Meinungsmarkt als Anbieter in Erscheinung treten. Daher ist unbestreitbar, daß zwischen der Zahl der Konkurrenzprodukte und der inhaltlichen Vielfalt des gesamten publizistischen Angebots ein Zusammenhang besteht46• Das BVerfG hatte bereits im 1. Fernseh-Urteil, 41 W. Leisner, Die Pressegleichheit, S. 141. Ähnlich J. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 410 f.

42

43

Vgl. nur BVerfGE 12, 205/261.

So bezeichnet l. Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 406 f., die Medienfreiheiten als potentielle Verfassungsgrundlagen der publizistischen Vielfalt. 44

45 46

Dafür spricht sich etwa l Kaiser, Presseplanung. S. 19, aus. Dazu oben 3. Teil, 1. Abschn., I, 3, a. Vgl. dazu H. Bismark, AfP 1983, S. 136; E. Gerhardt, AfP 1980, S. 202; F. Kübler / S.

170

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

bei dem Versuch, das Phänomen der Pressevielfalt zu beschreiben, neben anderen Merkmalen, besonders auf die Zahl der miteinander konkurrierenden Presseerzeugnisse hingewiesen47• Dieser zweifelsohne gegebene Zusammenhang darf aber nicht dazu verleiten, Presseorganvielfalt und Pressevielfalt automatisch miteinander zu identiftzieren48• Eine Vielzahl wirtschaftlich selbständiger Presseorgane garantiert nicht zwangsläufig die Vielfalt des publizistischen Angebots. Dabei ist es nicht erforderlich, diese Feststellung mit dem derzeit utopischen Beispiel einer politisch gleichgeschalteten Presse zu begründen. Eine Vielfaltsreduzierung kann aber schon dann eintreten, wenn die überwiegende Mehrheit der Anbieter ihr Material von der gleichen Presseagentur bezieht. In diesem Zusammenhang sei nur die Deutsche Presseagentur genannt, auf deren Meldungen sich die meisten Verlagsunternehmen stützen. Daher sind neben der bloßen Anzahl der Presseorgane noch andere Kriterien erforderlich, damit eine publizistische Vielfalt entsteht. Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß der Zahl der Printmedien überhaupt keine Bedeutung zukommt. Die tatsächlichen Verhältnisse im Pressewesen legen die Vermutung nahe, daß mit einer steigenden Zahl von Konkurrenzprodukten die "Möglichkeit" vielfältig gefächerter Kommunikationsangebote zunimmt49• Gleiches gilt für das Rundfunkwesen, was das BVerfG im 5. Fernseh-Urteil zu der Feststellung veranlaßte, "daß eine höhere Zahl von Programmen ... die Chance eines Mehr an inhaltlicher Vielfalt erhöht.so. Über die Existenz eines vielfältigen Kommunikationsangebotes entscheidet letztlich nicht die Zahl, sondern die publizistische Konkurrenz der Presseorganes1. In diesem Wettbewerbsprozeß manifestieren sich die geistigen Freiheiten der Beteiligten, die in ihrem Zusammenwirken die freie Zuordnung von Angebot und Nachfrage ermöglichen. Dabei kommt der Entscheidungsautonomie der Rezipienten eine besondere Bedeutung zu. Sie veranlaßt die Verlagsunternehmen, ein möglichst vielgestaltiges publizistisches Simitis, JZ 1969, S. 447. 47 BVerfGE 12, 205/261. 48

Dies betonen H. Bismark, AfP 1983, S. 136, und E. GerhardJ, AfP 1980, S. 202.

49

Ähnlich N. Diltrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 13 f.; F. Kühler / S. Simitis, JZ 1969, S. 447; E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 31. 50 BVerfGE 74,297/332. 51 Das BVerfG hat den Zusammenhang zwischen publizistischem Wettbewerb und Vielfalt im 5. Fernseh-Urteil besonders herausgestellt (BVerfGE 74, 297/332).

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

171

Angebot zu unterbreiten. Nur auf diese Weise können die divergierenden Nachfrageerwartungen der Leser befriedigt werden, was wiederum eine Voraussetzung für den publizistischen und- wegen des engen Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie - auch für den wirtschaftlichen Erfolg der Kommunikationsträger ist. Allein derjenige Medienuntemehmer, der fortwährend den Publikumsgeschmack trifft, kann sich am Meinungsmarkt behaupten. Je intensiver der Wettbewerb, desto vielfältiger wird das publizistische Angebor2• Der wachsende Wettbewerbsdruck zwingt die Kommunikationsträger, ihre publizistischen Leistungen noch stärker nach den individuellen Präferenzen der Leser auszurichten, so daß auch die Kommunikationswünsche von Minderheiten erfüllt werden. Die Wahlfreiheit der Rezipienten führt zur Differenzierung und Segmentierung der Kommunikationsleistungen und bewirkt auf diese Weise eine Pluralisierung des publizistischen Angebots. Dieses zeigt in seiner Gesamtheit einen Querschnitt der gesellschaftlichen Vielfalt, des gesellschaftlichen Pluralismus. Demnach ist die Pressevielfalt die Konsequenz des durch das individuelle Nachfrageverhalten der Leser gesteuerten publizistischen Wettbewerbs53• Sie bildet sich in der offenen geistigen Auseinandersetzung mehrerer Kammunikationsträger und wird über den Meinungsmarkt und den Wettbewerb vermittelt. Um möglichen Fehldeutungen von vornherein entgegenzutreten, sei mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß allein aus der Tatsache, daß mehrere Publikationen miteinander konkurrieren, nicht mit letzter Gewißheit auf einen bestimmten Grad von Pressevielfalt geschlossen werden kann. Ist die Variationsbreite der divergierenden Nachfrageerwartungen hinsichtlich eines bestimmten Themas gering, wirkt sich dieser Umstand zugleich auf die Pluralität des kommunikativen Angebots aus. Wenn die Wahlfreiheit der Rezipienten keinen pluralistischen Effekt zeitigt, kann auch der publizistische Wettbewerb für sich allein genommen wegen seiner Abhängigkeit von den Kommunikationsbedürfnissen des Publikums keine weitergehende Angebotsvielfalt vermitteln. Im Regelfall sind die Kommunikationsinteres52

Eine derartige Verknüpfung zwischen Wettbewerbsintensität und Angebotsvielfalt besteht auch im Bereich des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs. Vgl. nur H . Amdt, Macht und Wettbewerb, S. 52, 69. 53 So im Ergebnis auch Ch. Degenhan, AfP 1987, S. 651; J. Kaiser, Presseplanung, S. 62; U. Scheunu, Staatstheorie und Staatsrecht, S. 765; R. Sclwlz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 44, 143. Ähnlich die Monopolkommission, Sondergutachten 11, S. 18 Teilziffer 20 und S. 12 f. Teilziffer 11, die im wesentlichen aber nur den wirtschaftlichen Wettbewerb der Printmedien in den Vordergrund ihrer Überlegungen stellt.

172

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

sen der Rezipienten aber individuell unterschiedlich geprägt. In diesem Fall begründet der publizistische Wettbewerb die konkrete Chance, daß aus einer Mehrzahl von Anbietern und Zielgruppen eine qualitative Vielfalt entsteht. Er bietet die beste Voraussetzung für die Erreichung der erstrebten Pressevielfalt, da ein wettbewerblieh strukturierter Markt seinem Wesen nach vielfältig ist.

4. Das Mißtrauen gegen die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs Der aufgezeigte Wirkungszusammenhang zwischen Anbieterwettbewerb, Rezipientensouveränität und Pressevielfalt wird in der Lehre teilweise in Frage gestellt. Diese Stimmen stehen den Selbstregulierungskräften des Gemeinschaftslebens mit unverhohlener Skepsis, wenn nicht sogar mit offener Ablehnung gegenübe~. Sie wenden sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Konkurrenz der Kommunikationsträger, vor allem dann, wenn diese "gleichzeitig" in geistige und wirtschaftliche Wettbewerbsprozesse eingebunden sind. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsmechanismus sei allgemein und damit auch als Ordnungsgrundlage eines freiheitlichen Medienwesens zweifelhaft gewordenss. Derartige Bedenken werden vor allem im Bereich des Rundfunks immer wieder geäußert. Ein charakteristisches Beispiel hierfür ist der Streit über die Auswirkungen der Werbefmanzierung privater Rundfunkanbieter, deren vielfaltshemmender Einfluß vielfach pauschal behauptet wird56• Daneben gerät der Wettbewerb aber auch als Ordnungsgrundlage des Pressewesens mehr und mehr in Mißkredit, wird gar zum "Problem der 54

Prägnant W. Hecker, Medienmacht und Rezipientenfreiheit, S. 92 f.; W. HoffmannRiem, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Staatsrechts, S. 443 ff.; H. Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 45 ff.; D. Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, S. 285 ff. 55 In diesem Sinne äußern sich W. Ho!fmann-Riem / H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 72.

56

Selbst das BVerfG geht im 4. Fernseh-Urteil (BVerfGE 73, 118/155 f.) ohne nähere Begründung davon aus, daß von einem werbefinanzierten privaten Rundfunk kein breit angelegtes Programmangebot erwartet werden könne, da nur massenattraktiv gestaltete Programme die erforderlichen hohen Einschaltquoten erzielen würden. Dieses Pauschalurteil ist in der Lehre auf kritische Ablehnung gestoßen. Vgl. nur W. Sehnlitt Glaeser, DVBI. 1987, S. 17; ders., AöR 112 (1987), S. 249 f.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

173

Konkurrenz der Zeitungen untereinander.s1. Die Kritiker wenden sich gegen die Einbindung der publizistischen Konkurrenz der Printmedien in wirtschaftliehe Wettbewerbsstrukturen, deren Disfunktionalität behauptet wirdss. Dies wird mit ökonomischen Sachzwängen, zugleich aber auch mit der fehlenden Rezipientensouveränität pauschal begründet. Ein wettbewerblieh strukturierter Meinungsmarkt könne infolge der Abhängigkeit der Printmedien von den Nachfrageerwartungen der Rezipienten den gesellschaftlich gebotenen Leistungsstand der Massenmedien nicht garantieren39• Der kommunikative Einfluß der Leser führe zu einem "Journalismus der Lustbefriedigung"60• Er bewirke eine Anpassung nach unten und setze damit eine Ursache für Meinungskonformismus, Massengeschmack und kulturelle Nivellierung, da er die Kommunikationsträger daran hindere, ihr Kommunikationsangebot nach den Maßstäben kritischer Vernunft auszurichten. Folgerichtig spricht H. Krüger von einem "durch den Kunden in die falsche Richtung gelenkten Wettbewerb"61 • Diese negative Bewertung eines wettbewerblieh strukturierten Medienwesens vermag die hier gewonnenen Erkenntnisse über die Funktionsfähigkeit der Konkurrenz nicht zu revidieren. Sie gibt keinen Anlaß, den aufgezeigten Wirkungszusammenhang von Anbieterwettbewerb, Rezipientensouveränität und publizistischer Vielfalt zu relativieren, da sich die vorgetragenen Argumente als unhaltbar erweisen. Der Einwand, der wettbewerbsimmanente kommunikative Einfluß der Leser führe unweigerlich zu publizistischen Fehlentwicklungen, ist schon in seinen Prämissen fragwürdig. In einer pluralistischen Gemeinschaft kann es - abgesehen von Grundsatzfragen - schon wegen der divergierenden Anschauungen der Individuen keine einheitliche Wertehierarchie für immateri-

51 58

F. Schneider, Presse- und Meinun~freiheit nach dem Grundgesetz, S. 80.

Typisch hierfür W. Hoffmann-Riem / H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 71; K. P. Iösker, in: Klaue I Knoche I Zerdick, Probleme der Pressekonzentrationsforschung, S. 232; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 4TI f.; F. Schneider, Presse- und Meinun~freiheit nach dem Grundgesetz, S. 82, 86.

59 Das beklagt vor allem H. Krüger, UFiTA 38 (1962 111), S. 142; ders., Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 61. 60 D. Stammler, Die Presse als soziale und verfassun~rechtliche Institution, S. 286. 61 Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 70.

174

3. Teil: Die Struktu~lemente des publizistischen Wettbewerbs

eile Leistungen geben62• Aus diesem Grund fehlt auch ein übereinstimmend akzeptierter Bewertungsmaßstab, an dem die Qualität des publizistischen Angebots unter Wettbewerbsbedingungen gemessen werden könnte. Entsprechende Wertungen gründen sich auf die nicht berechenbare, subjektive Beliebigkeil des jeweiligen Betrachters. Was die einen als qualitativ wertvoll empfmden, stößt bei anderen auf Kritik. Das gilt auch für die Vorwürfe gegen die Qualität wettbewerblieh strukturierter Medien. Sie sind Ausdruck der individuellen Wertehierarchie des jeweiligen Kritikers und können daher keinen Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit erheben, ohne zur absoluten Instanz einer Geschmacksdiktatur zu entarten. Abgesehen davon begegnen die gegen den Wettbewerbsmechanismus erhobenen Vorwürfe auch methodischen Bedenken, da sie das Wettbewerbsergebnis als bekannte und damit statische Referenzsituation unterstellen. Die Kritik am Leistungsstand der Massenkommunikationsmittel beinhaltet zugleich eine Festlegung dahingehend, wie gesellschaftlich erwünschte Wettbewerbsergebnissebeschaffen sein müßten. Ein derartiger statischer Ansatz widerspricht aber dem dynamischen Charakter des Wettbewerbs. Dieser kann nicht auf bestimmte Ergebnisse hin instrumentalisiert werden, ohne die herrschaftsfreie Koordination der divergierenden Interessen der Beteiligten in Frage zu stellen. Zwischen Wettbewerb und Freiheit besteht ein unaufhebbarer Zusammenhang63• Jede Festlegung eines qualitativen status quo verhindert entgegenstehende wettbewerbsbedingte Veränderungen des publizistischen Angebots und beseitigt auf diese Weise die Freiheit aller Beteiligten. Deren tatsächliche Interessen und Wünsche werden nicht zur Kenntnis genommen und somit unterdrückt. Damit werden aber die existentiellen Grundbedingungen für die Funktionsfähigkeit einer freiheitlichen Gemeinschaftsordnung negiert. Daraus folgt zugleich, daß die Autoren, die die publizistische Reaktion der Marktparteien mißbilligen, die verfassungsrechtlichen Regelungen des Medienwesens vernachlässigen. Ihre Auffassung widerspricht der freiheitlichen Intention des Grundgesetzes, da sie die grundrechtlich garantierten Freiheiten der am Wettbewerbsprozeß Beteiligten in unerträglichem Ausmaß verkürzt. Das betrifft besonders die Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt ihnen eine allumfassende publizistische Entfaltungsfreiheit, deren Betätigung im 62

Allgemein zur Maßgeblichkeil des subjektiven Bewertungsmaßstabs im Rahmen des immateriellen Wettbewerbs oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1.

63

Dazu be~its oben 1. Teil, 2. Abschn., II, 1.

1. Abschn.: Die wechselseitige fn:ie Auswahlentscheidung

175

Belieben jedes einzelnen Grundrechtsträgers steht61• Daher ist es mit der Pressefreiheit unvereinbar, die Wettbewerber als Funktionsträger in ein apparatives Zweckgefüge einzuordnen. Das Grundrecht überläßt es den einzelnen Kommunikationsträgern, in welcher Weise sie mit der ihnen eingeräumten Wettbewerbsfreiheit verfahren. Daher ist für die wettbewerbliehe Freiheitsbetätigung allein der individuelle Nutzen der einzelnen Konkurrenten und nicht ein wie auch immer definierter Leistungsstand maßgeblich. Die Presseschaffenden dienen, indem sie von ihrem Grundrecht Gebrauch machen und Wettbewerb treiben, ihren eigenen frei gewählten Zwecken und Zielen. Der Vorwurf eines kommunikativen Fehlverhaltens der Leser vernachlässigt zudem die grundrechtlich geschützte Publikumsfreiheit, die gerade durch den Wettbewerb effektuiert wird. Nur ein wettbewerblieh strukturiertes Pressewesen eröffnet den Lesern die Möglichkeit der Nutzenoptimierung, da ihnen eine reale Chance eingeräumt wird, Umfang und Inhalt des publizistischen Angebots zu beeinflussen65 • Dem kann nicht die mangelnde Qualität der Selektion entgegengehalten werden. Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG gewährt den Rezipienten die Freiheit der Informationsauswahl66• Damit räumt ihnen das Grundrecht aber auch die Befugnis ein, das Niveau der gewählten publizistischen Leistung selbst zu bestimmen. Demnach steht die Informationsfreiheit allen Versuchen entgegen, die den Inhalt persönlicher Kommunikationswünsche in einer bestimmten Richtung festlegen wollen. Maßstab der das Wettbewerbsgeschehen steuernden Wahlentscheidung ist das tatsächliche Interesse des Publikums und nicht ein von wem auch immer vorgegebenes, wohlverstandenes Interesse. Über Nutzen und Qualität eines publizistischen Angebots entscheiden allein die Leser.

II. Die Auswahlentscheidung der PresseschatTenden Es wäre verfehlt, den Ablauf des Wettbewerbsprozesses allein mit den Informationsaufnahmeverhalten der Leser zu erklären. Deren bedürfnisorientierte Nachfrage nach massenmedial vermittelter Kommunikation besitzt eine maßgebende Bedeutung. Daneben wird der publizistische Wettbewerb 64 65 66

Vgl. dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1. Ebenso R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 369 f. Ausführlich oben 3. Teil, 1. Abschn., I, 2, b.

176

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

aber auch in entscheidender Weise durch den Wirkungswillen der Konkurrenten beeinflußt. Dieser zählt zu den charakteristischen Wesensmerkmalen jedes immateriellen und damit auch des publizistischen Wettbewerbsprozesses67. Den Pressetätigen kommt es nicht allein darauf an, ihre bedürfnisgerecht gestalteten Leistungen einem möglichst großen Empfängerkreis zugänglich zu machen. Ihr Verhalten wird regelmäßig von einem weitergehenden Wirkungswillen bestimmt. Die Kommunikationsträger streben danach, ihre Leserschaft durch die von ihnen verbreiteten Geistesinhalte zu überzeugen und entsprechend ihren Ambitionen zu beeinflussen. Ob und gegebenenfalls inwieweit dieses Ziel erreicht wird, hängt von Art und Güte des publizistischen Angebots ab, das seinerseits maßgeblich durch einen Auswahlprozeß auf seiten der Presseschaffenden bestimmt wird. Diese Wahlentscheidungen dienen der Erarbeitung der zu veröffentlichenden Kommunikationsinhalte. In ihrer Gesamtheit bestimmen sie die Angebotspalette einer Publikation. 1. Die faktischen Hintergründe der Auswahlentscheidung

Die Selektion von Informationen ist ein notwendiger Bestandteil jeder Pressearbeit Das betrifft nicht nur den redaktionellen, sondern auch den Anzeigenteil der Presseerzeugnisse. In beiden Bereichen müssen die miteinander konkurrierenden Verlagsunternehmen permanent eine inhaltsbestimmende Auslese treffen68• Diese kann der Verleger oder Herausgeber selbst vornehmen. In der Praxis steht aber regelmäßig die Redaktion oder die Anzeigenabteilung im Mittelpunkt dieses Prozesses, da diese den jeweiligen Publikationsinhalt druckfertig zusammenstellen. Die faktischen Gründe, die einen derartigen Auswahlprozeß in Gang setzen, sind vielschichtig. Im redaktionellen Bereich stehen oft technische Not67 68

Allgemein dazu oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1.

Dieser Tatbestand ist allgemein anerkannt, wenn auch die daraus resultierenden Schlußfolgerungen divergieren. Vgl. etwa G. Hemnann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, § 127, S. 226; H. H. Klein, Die Grundrechte im de· mokratischen Staat, S. 13; M. KkJepfer, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 35, RdNr. 39; E. König, Die Teletexte, S. 34; U. Nussberger, Die Mechanik der Pressekonzentration, S. 41; G. Roellecke, 88 1968, S. 1440; F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 100; D. Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, S. 69.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

1n

wendigkeiten im Vordergrund. Der Umfang des publizierten Kommunikationsangebots wird durch die vom Verleger frei festgesetzte Kapazität des Presseerzeugnisses begrenzt. Während dieses Volumen konstant bleibt, variiert die Zahl der berichtenswerten Kommunikationsinhalte im Zeitablauf. Der verfügbare Raum reicht daher häufig nicht aus, um alle in der Redaktion eingehenden Informationen zu verarbeiten. Diese werden deshalb hinsichtlich ihres Nachrichtenwertes gesichtet. Dabei besteht ein wesentlicher Teil journalistischer Arbeit im negativen Selektieren, im Aussortieren unwichtiger Geistesinhalte. Diese Wahlentscheidung kann eine einzelne Aussage, aber auch einen ganzen Aussagenkomplex en bloc betreffen. Die Selektionstätigkeit der Presseschaffenden reicht vielfach über die eigentliche Themenselektion hinaus. Der Zwang zur Kürze setzt der Presseberichterstattung auch insoweit Grenzen, als verwickelte Tatbestände und Probleme nicht in aller Breite unter Berücksichtigung jedes denkbaren Gesichtspunktes erörtert werden können. Die Kommunikationsträger müssen Schwerpunkte setzen. Sie müssen innerhalb der an sich zur Veröffentlichung vorgesehenen Meldung wiederum eine Auswahl hinsichtlich der zu thematisierenden Punkte treffen und das Material entsprechend straffen. Dabei wird eine publikumsorientierte Berichterstattung zugleich den kognitiven Entwicklungsstand der Leser berücksichtigen. Daraus folgt die Notwendigkeit, verästelte und damit schwer durchschaubare Probleme übersichtlich und verständlich darzulegen. Dies bedingt eine weitere Reduktion der Komplexität. Die skizzierte eminente faktische Bedeutung der redaktionellen Auslese darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Presseunternehmen nicht die erste Station sind, wo eine derartige Auswahlentscheidung getroffen wird69• Die Kommunikationsträger sind in großem Umfang auf redaktionsfremde Stofflieferanten angewiesen''\ die die Verlage an die Selektionsstufen des Marktes binden. Eine Auslese erfolgt auf allen Ebenen, die vor der endgültigen Herstellung eines Presseerzeugnisses durchlaufen werden. Bereits der Informationspartner des Journalisten trifft eine erste Auswahl. Informationspartner, die ihr Image als kalkulierbare Größe begreifen, präsentieren 69

Darauf weisen insbesondere W. Geiger, AfP 19TI, S. 257, und R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 IV 1, S. 263 f., hin. 70 Deren determinierender Einfluß auf das publizistische Angebot der Printmedien wird von P. Nissen I Menningen, in: Langenbucher, Politik und Kommunikation, s. 211 rr., und M. Knoche IM. Lindgens, MP 1988, S. 498 ff., herausgestellt.

w.

178

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

sich entsprechend den öffentlichen Erwartungen, indem sie nur Informationen weitergeben, die ihrem Erscheinungsbild förderlich sind. Als Beispiel seien hier nur die PressesteDen staatlicher und privater Institutionen genannt. Diese berichten über alle Vorgänge in ihrem Zuständigkeitsbereich, tragen jedoch durch die vorherige Auswahl der Nachrichten dafür Sorge, daß ihre Mitteilungen nicht die Belange der betreffenden Institution berühren. Die interessengebundene Herkunft bestimmt die Grenzen der Publizität. Dem folgt eine Auswahlentscheidung des Journalisten, der darüber entscheidet, welche Fakten er in seinem Bericht aufnimmt. Letztlich treffen auch die Nachrichtenagenturen eine Auslese. Sie sichten das eingegangene Material, bevor sie es den Verlagsunternehmen offerieren71 •

2. Die faktische Entscheidungssouveränität der Presseschaffenden Alle Erscheinungsformen des Wettbewerbs setzen notwendigerweise voraus, daß die jeweiligen Konkurrenten ihre Leistungen frei bestimmen können, da sich der einzelne nur auf diese Weise von seinen Mitbewerbern absondern kann. Diese Grundbedingung der Konkurrenz gewinnt im publizistischen Wettbewerb der Printmedien eine besondere Bedeutung. Die Kommunikationsträger können ihre Ziele nur dann verwirklichen, wenn die redaktionelle Auslese ihrer individuellen Beliebigkeil überlassen wird. Entscheidend ist daher, ob und gegebenenfalls inwieweit die Presseschaffenden ihr publizistisches Angebot in faktischer Hinsicht durch den Einsatz geeigneter Auswahlstrategien nach eigenem Gutdünken variieren können. Jede Auswahlentscheidung enthält notwendigerweise eine Bewertung der zu verarbeitenden Geistesinhalte nach selbst aufgestellten Kriterien. "Auswählen heißt bewerten .. ."72• Die subjektive Würdigung ist eine Folge der 71

Nach Angaben von H. Ehmke, Festschrift für A. Amdt, S. 112, FN 116, gibt etwa die Deutsche Presseagentur von den 800000 Nachrichtenwörtem, die täglich bei ihr eingehen, nur 80000 weiter. 72 W. Geiger, AfP 1977, S. 157. Ähnlich A. Amdt, in: Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 10; W. Geiger, Pestschrift für A. Amdt, S. 124; H. larass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 169. Das gilt auch für den Anzeigenteil eines Presseerzeugnisses. Diese Tatsache verkennt das BVerfG, wenn es in der Südkurier-Entscheidung (E 21, 271/278) feststellt, daß sich der auswählende Verlag gegenüber dem Inhalt einer Anzeige neutral verhält.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

179

Wertgebundenheit der hinter jeder Wahlentscheidung stehenden Persönlichkeit. Menschliche Entscheidungen sind untrennbar mit Interessen verknüpft, auch wenn diese teilweise unter der Oberfläche des Bewußtseins liegen. Daher lassen auch die Presseschaffenden bei ihrer Auswahlentscheidung - bewußt, zumindest aber unbewußt - ihre persönlichen Anschauungen hinsichtlich politischer, gesellschaftlicher, weltanschaulicher oder religiöser Grundsatzfragen einfließen. Jeder Veröffentlichung eines Geistesinhalts liegt eine entsprechende Wertung zugrunde. Die Ergebnisse der Themenselektion verdeutlichen die redaktionelle Linie, die publizistische Grundhaltung der Kommunikationsträger. So tritt beispielsweise ihr Verhältnis zu den Zielen einer bestimmten politischen Partei in der Auswahl der diese Partei betreffenden Meldungen zutage73• Die Motive, die der redaktionellen Auslese jeweils zugrundeliegen, sind äußerst vielschichtig. Im Regelfall steht der subjektiv bemessene Informationswert einer Meldung im Vordergrund der Beurteilung. Nur diejenigen Geistesinhalte werden verbreitet, die nach Ansicht der Pressetätigen wichtig genug erscheinen, um weiterverbreitet zu werden. Jede Veröffentlichung gründet sich auf ein Urteil über das Mitteilungs- und Wissenswerte. Damit entscheiden die Kommunikationsträger zugleich darüber, welche publizistischen Inhalte zur Befriedigung der Kommunikationsbedürfnisse der Leser geeignet sind. Divergieren die Interessen der Marktparteien, werden den Rezipienten entgegen ihren Bedürfnissen diejenigen Informationen vorenthalten, denen die Presseschaffenden kein Gewicht beimessen. Neben dem Publikationswert einer Meldung wird die Auswahlentscheidung regelmäßig noch von anderen Wertungskriterien bestimmt. Die Kommunikationsträger lassen sich bei der Gestaltung ihrer Publikationen vielfach von einer starken inhaltlichen Motivation leiten74• Sie nutzen die Presseerzeugnisse, um ihre persönlichen Mitteilungsbedürfnisse zu erfüllen. Die Pressetätigen trachten danach, die Rezipienten im Sinne ihrer eigenen Anschauungen zu beeinflussen. Sie versuchen, ihre Vorstellungen durch explizite Bewertung der verbreiteten Meldungen, vor allem aber durch den Ein-

73

Vgl. M. Kruxhe 1M. Lindgens, MP 1988, S. 503 ff., deren Untersuchung das Verhältnis der Tageszeitungen zu der Partei der Grünen verdeutlicht. 74 E. Kantzenbach I H. Greiffenberg, in: Klaue I Knoche I Zerdick, Probleme der Pres-

sekonzentrationsforschung, S. 196, weisen darauf hin, daß diese Motivation die Presseunternehmen von anderen Industrieunternehmen unterscheidet.

180

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

satz adäquater Auswahlstrategien7S durchzusetzen. Der Journalismus wird als selektives gesellschaftspolitisches Instrument eingesetzt. Deshalb werden mißliebige Informationen bei der redaktionellen Auslese gänzlich oder zumindest in Teilaspekten ausgeschieden. Sie werden verschwiegen oder allenfalls beiläufig vermerkt. Im Gegenzug werden aus der Sicht der Presseschaffenden vorteilhafte Kommunikationsinhalte favorisiert. Auf diese Weise kann die Verbreitung eines Standpunktes gefördert, gehemmt beziehungsweise partiell unterdrückt werden. Eine derartige Vorgehensweise tritt am deutlichsten bei engagierten politischen, gesellschaftlichen oder religiösen Gruppen in Erscheinung, die interessengebundene Publikationen herausgeben. Diese werden ausschließlich in den Dienst der jeweiligen Gruppeninteressen gestellt. Als Beispiel sei hier nur die Partei- oder Kirchenpresse genannt, bei der parteipolitische oder religiöse Intentionen offenkundig zu den allein maßgeblichen richtungsweisenden Faktoren der Redaktionsarbeit zählen. Diese Ausrichtung bedingt eine Einseitigkeit, Voreingenommenheit und Befangenheit des Standpunktes. Demzufolge werden nur solche Beiträge in eine derartige Publikation aufgenommen, die die Ziele der jeweiligen Organisation fördern. Daher ist die Berichterstattung dieser Presseorgane notwendigerweise besonders lückenhaft. Neben den aufgezeigten Kriterien kann die Selektionstätigkeit der Kammunikationsträger auch durch unternehmensbezogene, eigennützige Zielsetzungen bestimmt werden. Dabei steht die Möglichkeit der Selbstdarstellung im Vordergrund. Die Verantwortlichen bevorzugen bei der redaktionellen Auslese die Geistesinhalte, die das eigene Verlagsunternehmen in einem günstigen Licht erscheinen lassen und damit zumindest indirekt für dessen Publikationen werben. Demgegenüber werden kritische Meldungen, die den Lebensnerv des Unternehmens berühren, weitgehend unterdrückt. Aus diesem Grund werden etwa Stellungnahmen, die die Qualität der redaktionellen Leistung rügen, von den betroffenen Publikationsorganen vielfach nicht aufgegriffen. Nach dem bisher Gesagten wird die redaktionelle Auslese notwendigerweise durch die verschiedensten subjektiven Einschätzungen des Auswählenden beeinflußt. Eine Auswahlentscheidung, die sich auf die nicht bere75

Vgl. dazu die beispielhafte Aufzählung denkbarer Wertungskriterien bei W. Geiger, AfP 1m, S. 2S7, und R Wimmer, NJW 1982, S. 2796 f.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

181

ehenbare subjektive Beliebigkeil der am Selektionsprozeß jeweils beteiligten Personen gründet, indiziert eine allumfassende faktische Entscheidungsouveränität der Presseschaffenden bei der Erstellung des publizistischen Angebots. Dieser sind aber gewisse Restriktionen gesetzt, die vor allem auf dem kommunikativen Einfluß der Leser beruhen76• Die Wettbewerber müssen sich zwangsläufig an den kommunikativen Erwartungen ihrer Rezipienten orientieren, da diese ansonsten früher oder später auf ein Konkurrenzprodukt ausweichen, welches ihren individuellen Nutzungspräferenzen weitergehend entspricht. Kommunikative Zielsetzungen, die den Bedürfnissen der Leser evident zuwiderlaufen, sind am Meinungsmarkt auf Dauer nicht durchsetzbar. Deshalb können die Presseschaffenden ihre abweichenden Vorstellungen nur in Einzelfällen im Wege der redaktionellen Auslese verfolgen. Ein weitergehender Verhaltensspielraum besteht nur in den Fällen, in denen Verlagsunternehmen eine Mehrzahl von Publikationen herausgeben. Dieser Umstand bewirkt keine Änderung hinsichtlich des kommunikativen Einflusses der Leser. Jedoch kann im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs die bestimmende Macht der Käufer zumindest partiell ausgeschaltet werden, indem die Gewinne einer Publikation durch verlagsinterne Subventionierung zur Stützung eines anderen Presseerzeugnisses herangezogen werden. Eine derartige Vorgehensweise reduziert den Einfluß, den die ökonomischen Grundlagen im Regelfall auf die publizistische Ebene ausüben77. Sie eröffnet zugleich die Möglichkeit der Risikostreuung durch verlagsinternen Verlustausgleich. Solange diese Möglichkeit ökonomisch vertretbar ist, können die Presseschaffenden die an sich unwirtschaftliche Publikation nutzen, um ihre individuellen Zielsetzungen zu verfolgen. Neben dem Einfluß der Nachfrage wird die individuelle Beliebigkeil bei der Gestaltung des publizistischen Angebots durch professionelle Standards und Verhaltensweisen der Pressemitarbeiter begrenzt. Diese bedingen eine gewisse Konsonanz bei der Themenselektion78• Presseerzeugnisse, die sich als unabhängige und überparteiliche Informationsmedien verstehen, legen bei der redaktionellen Auslese insoweit einheitliche Wertmaßstäbe zugrunde, als sie tendenziell keine Informationen aus dem politischen Bereich un76

n

Ausführlich dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., II, 2.

Allgemein zum Zusammenhang von Publizistik und Ökonomie oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2. 78

Zu diesem Ergebnis kommt die Untersuchung von P. Nissen / W: Menningen, in: Langenbucher, Politik und Kommunikation, S. 224 f.

182

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

terdrücken. Ein einheitliches Rollenverständnis führt hier zu einheitlichen Selektionskriterien. Die aufgezeigten Beschränkungen der faktischen Entscheidungsautonomie der Pesseschaffenden gründen sich in erster Linie auf den kommunikativen Einfluß der Leser. Derartige wettbewerbsimmanente Restriktionen beeinträchtigen aber nicht die subjektive Wahlfreiheit der Kommunikationsträger, die ungeachtet dieser Nachfragemacht erhalten bleibt. Kein Wettbewerber ist verpflichtet, sich ausschließlich an den Kommunikationsbedürfnissen der Rezipienten zu orientieren. Soweit sich aus professionellen Standards oder aus der festgelegten Kapazität des Presseerzeugnisses Restriktionen ergeben, fmden diese ihre Ursache in der Person des jeweiligen Kommunikationsträgers, so daß auch in diesem Fall nicht von einer aufgenötigten Beschränkung der Wabifreiheil gesprochen werden kann. Die Pressetätigen können frei darüber entscheiden, nach welchen Kriterien sie ihr publizistisches Angebot zusammenstellen. Dies rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß Presseschaffende wie Leser zwar keine allumfassende, aber doch eine weitgehende faktische Entscheidungsautonomie besitzen.

3. Die verfassungsrechtliche Entscheidungssouveränität der PresseschafTenden Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Presseschaffenden im Bereich der Publizistik eine umfassende individuelle Betätigungsfreiheit79• Das Grundrecht sichert daher nicht nur die Veröffentlichung und Verbreitung geistiger Inhalte. Es schützt zugleich alle die Aktivitäten, die der eigentlichen Veröffentlichung vorausgehen und der Erarbeitung dieser Beiträge dienen. Dazu zählt auch die hier interessierende Auswahlentscheidung der Pressetätigen, deren Freiheit daher ebenfalls von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt wird!Kl. Dies betrifft vor allem die Gestaltung des redaktionellen Teils. Die Pressefreiheit garantiert den Kommunikationsträgern in diesem Bereich eine umfassende Inhaltsfreiheit. Demzufolge ist die Presse bei der Auswahl der zu

79 80

Dazu bereits oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1.

Das BVerfG hat in der Lebach-Entscheidung (E 35, W2/223) ausdrücklich festgestellt, daß auch die Rundfunkfreiheit unter anderem die Auswahl des dargebotenen Stoffes schützt.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

183

veröffentlichenden Kommunikationsinhalte frei81 und keinen inhaltlichen Beschränkungen unterworfen. Die Presseschaffenden können den Inhalt ihrer Publikation und damit ihr publizistisches Angebot ohne Rücksicht auf thematische Restriktionen festlegensz. Die Pressefreiheit ist "in dem Sinne ... offen, daß die Träger der Pressefreiheit prinzipiell selbst und in eigener Verantwortung darüber entscheiden, welche Informationen und welche Meinungen sie veröffentlichen.&l. Es bleibt ihrer individuellen Beliebigkeil überlassen, ob sie sich mit einem bestimmten Thema befassen und dieses in ihr redaktionelles Angebot aufnehmen wollen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt daher auch die sogenannte "negative Inhaltsfreiheit.B4. Die Pressetätigen können von der Verbreitung derjenigen Geistesinhalte absehen, die nach ihrer subjektiven Einschätzung unwichtig, schädlich oder für ihre Zwecksetzungen nicht förderlich erscheinen. Sie sind grundsätzlich nicht gehalten, bestimmte, für das Gemeinschaftsleben besonders wichtige Informationen zu veröffentlichen. Daher besteht beispielsweise keine Pflicht, amtliche Verlautbarungen oder sonstige amtliche Äußerungen in das Presseerzeugnis aufzunehmenas. Eine derartige Verpflichtung ist allen Kommunikationsgrundrechten und damit auch der Pressefreiheit fremd. Dieses Grundrecht verwehrt dem Staat zugleich die Möglichkeit, den Printmedien die Veröffentlichung bestimmter Kommunikationsinhalte aufzuzwingen. Ein entsprechender Publikationszwang kann schließlich auch nicht aus der in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GG verbürgten Informationsfreiheit der Leser abgeleitet werden. Diese garantiert schon nach ihrem Wortlaut "nur die Benutzung der Presseerzeugnisse wie sie sind, und nicht darüber hinaus noch einen bestimmten Inhalt der Presseerzeugnisse, welcher

81 So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 37, 84191; E 42, 53162; E 48, 2711278; BGHZ 57, 3251331); D. Czajka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 166; E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 33; E. König, Die Teletexte, S. 96; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 37, 42.

82

Vgl. dazu Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 71; R Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 136. 83 R Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 54. 84 B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 42. Ebenso BGHZ 57, 3251330; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 349; J. Schwarze, DVBI. 1976, S. 558. 85 Diese Erwägung spricht für die Statthaftigkeit einer staatlichen Eigenbetätigung im Pressewesen. Ausführlich dazu unten 3. Teil, 6. Abschn., IV, 2.

184

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

dem Leser die gewünschten Informationen vermittelt"86• Die Rezipienten haben keinen Anspruch darauf, daß ihnen genehme Geistesinhalte in das redaktionelle Angebot einer Publikation aufgenommen werden. Aus der umfassenden Garantie der Auswahlfreiheit folgt zugleich, daß die Pressetätigen bei ihrer Themenselektion keine Rücksicht auf Artikulationsinteressen der im Gemeinschaftsleben tätigen Organisationen zu nehmen brauchen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt ihnen das Recht zur privatautonomen und privatwillkürlichen Gestaltung ihrer Publikationen87• Deshalb obliegen der Presse keine Ausgewogenheits- und Pluralitätsbindungen. Das Pressewesen wird vom Grundsatz der "Nichtneutralität" beherrscht. Die Pressefreiheit garantiert unter anderem die Freiheit zur Unausgewogenheit. Sie nimmt Einseitigkeit, Parteilichkeit und Willkür der Presseschaffenden bewußt in Kauf. Diese sind daher unabhängig von ihrer Wettbewerbsstellung bei der redaktionellen Auslese beispielsweise nicht zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet88• Sie sind keinesfalls gehalten, etwas zu publizieren, das ihrer eigenen politischen Überzeugung widerspricht. Im Gegenteil: Art. 5 Abs.l S. 2 GG schützt gerade auch "die gezielte Einflußnahme auf politische, wirtschaftliche, kulturelle und geistige Entwicklungen ..."IJJ. Die Kammunikationsträger können sich jederzeit zugunsten einer ihnen nahestehenden Partei engagieren, indem sie Meldungen über deren Aktivitäten bei ihrer Auswahlentscheidung bevorzugen. Demgegenüber können die Aussagen der Parteien, die der redaktionellen Linie des Blattes widersprechen, teilweise oder gänzlich von der Verbreitung ausgeschlossen werden. Die aufgezeigte Entscheidungsfreiheit der Presseschaffenden besitzt im Bereich des redaktionellen Teils eine besondere Bedeutung. Die grundrechtlich verbürgte Selektionsfreiheit erfaßt daneben aber auch den Anzeigenteil der Presseerzeugnisse. Daher können die Kommunikationsträger den Abdruck von Anzeigen jederzeit verweigern, wenn diese ihren Wertvorstellungen zuwiderlaufen90• Das Werbegeschäft wird durch privatrechtliche 86 87

K LAnge, DÖV 1973, S. 4n.

Vgl. dazu H. Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, S. 42. 88 So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 42, 53/62; E. König, Die Teletexte, S. 96. 89 W: Geiger, AfP 1977, S. 260. ÄhnlichE. Kuli, AfP 1974, S. 686: "In der Pressefreiheit ist jedoch die Möglichkeit der Parteinahme von vomherein angelegt". 90 Das ist weitgehend anerkannt. Vgl. nur BVerfGE 21, 271/278; E. 42, 53/62; Ch. De-

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

1&5

Verträge abgewickelt, für die das Prinzip der Vertragsfreiheit und damit auch der Grundsatz der Abschlußfreiheit uneingeschränkt gelten. Letzter erfährt in diesem Zusammenhang eine besondere Verstärkung durch das Grundrecht der Pressefreiheit91 • Damit bleibt es der individuellen Beliebigkeit der Presseschaffenden überlassen, ob sie überhaupt Inserate in ihre Publikation aufnehmen wollen. Besteht eine positive Grundsatzentscheidung für das Werbegeschäft, können die Kommunikationsträger grundsätzlich frei darüber disponieren, ob sie einen Anzeigenauftrag annehmen. Es steht ihnen fre~ eine ganze Gattung von Inseraten oder auch nur einen konkreten einzelnen Anzeigenauftrag abzulehnen. Staatliche Restriktionen dieser Selektionsfreiheit sind nur im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG statthaft. Derartige Eingriffe in die Pressefreiheit müssen durch allgemeine Gesetze gedeckt sein, soweit sie nicht entgegenstehende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte konkretisieren. Verfassungsrechtlich zulässige Beschränkungen der Auswahlfreiheit können sich sowohl auf den redaktionellen als auch auf den Anzeigenteil der Printmedien beziehen. Im Bereich des redaktionellen Teils wird die Entscheidungsfreiheit der Pressetätigen vor allem durch den in den Landespressegesetzen normierten Gegendarstellungsanspruch92 eingeschränkt, der eine Abdruckverpflichtung begründet. Dieser Anspruch soll das Persönlichkeitsrecht der Personen wahren, die durch eine in einem periodischen Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen werden. Diese können von dem verantwortlichen Redakteur und dem Verleger den Abdruck einer Gegendarstellung verlangen. Deren Veröffentlichung kann, abgesehen von den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen, grundsätzlich nicht verweigert werden. Die Kommunikationsträger sind verpflichtet, die Gegendarstellung unverzüglich in demselben Teil des Druckwerks und mit derselben Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen oder Weglassungen abzudrucken.

genhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 349; P. Häberle I D. Scheuing, JuS 1970, S. 524; W. Sehnlitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 88;1. Schwarze, DVBI. 1976, S. 558.

91

Für eine derartige Zuordnung von Vertrags- und Pressefreiheit sprechen sich etwa

P. Häberle I D. Scheuing, JuS 1970, S. 562, und R. Rjcker, AfP 1980, S. 6 f., aus.

92

Vgl. etwa § 10 BayPresseG; § 10 BeriPresseG; § 11 BremPresseG; § 11 HmbPresseG; § 11 NWPresseG. Ausführlich zum Gegendarstellungsanspruch M. Löff1er, Presserecht I, § 11 LPG.

186

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Im Bereich des Anzeigenteils wird die Entschließungsfreiheit der Presseschaffenden unter Umständen durch entgegenstehende Abschlußpflichten beschränkt, die die Presse zur Entgegennahme und zum Adruck von Anzeigen verpflichten. Ein derartiger Kontrahierungszwang kann sich aus §§ 26 Abs. 2, 35 GWB i. V. m. § 249 BGB als Folge der Verletzung des in § 26 Abs. 2 GWB normierten Diskriminierungsverbotes ergeben93• Neben anderen Voraussetzungen muß eine unbillige Behinderung beziehungsweise eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des als Auftraggeber in Erscheinung tretenden Unternehmens vorliegen. Diese Feststellung erfordert eine Interessenabwägung, in deren Rahmen auch die verfassungsrechtlieh geschützten Interessen des Presseunternehmens zu berücksichtigen sind94• Publizistische oder wirtschaftliche Gründe können die Presseschaffenden berechtigen, einen Anzeigenauftrag abzulehnen9S. Daneben kann auch die mißbräuchliche Ausnutzung einer Monopolstellung eine Abschlußpflicht für Anzeigenverträge nach§ 826 i. V. m. § 249 BGB begründen. Ein derartiger Anspruch setzt jedoch neben der Monopolstellung der betreffenden Publikation voraus, daß der Verlag im konkreten Einzelfall "keinerlei stichhaltige publizistische oder wirtschaftliche Gründe für die Abschlußverweigerung hat"96• Daher kann auch ein Monopolverlag unter anderem alle diejenigen Inserate ablehnen, die in krasser Weise geschmacklos, polemisch oder verleumderisch erscheinen. Das gleiche gilt für Anzeigen, deren Abdruck wirtschaftliche Nachteile zur Folge hätte. Deshalb kann kein Presseunternehmen dazu verpflichtet werden, Inserate eines Konkurrenten abzudrucken. Schon die genannten Beispiele belegen, daß die Abschlußfreiheit der Presseschaffenden nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden kann. Bei privaten Anzeigen ist dies allgemein anerkannt. Demgegenüber ist umstritten, ob die Entscheidungsfreiheit der Pressetätigen bei Werbe- und Wahlanzeigen politischer Parteien weitergehenden Restriktionen unterliegt97• Die 93 A. A. I. Schwane, DVBI. 1976, S. 559, der davon ausgeht, daß das Diskriminierungsverbot auf Presseunternehmen nicht anwendbar sei. 94 So auch R. Ricker, AfP 1980, S. 8, und Ch. Degenhart, Donner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 350. 95 Vgl. dazu R. Ricker, AfP 1980, S. 8 f. 96 OLG Karlsruhe v. 27. 11. 86, NJW 1988, S. 341; vgl. auch LG Passau v. 15. 10. 81, AfP 1982, S. 119; R. Ricker, AfP 1980, S. 11. 97 So etwa K. Lange, DÖV 1973, S. 484. Differenzierend P. Häberle / D. Scheuing, JuS 1970, S. 528, die zwischen Werbe- und Hinweisanzeigen unterscheiden und für letztere eine

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

187

wohl herrschende Meinung steht einem Abschlußzwang für derartige Anzeigen zu Recht ablehnend gegenüber98• Dabei wird vor allem dem Umstand Rechnung getragen, daß die Parteien grundsätzlich nicht auf die Printmedien angewiesen sind, da ihnen zahlreiche andere Wirkungsmöglichkeiten wie Rundfunkwerbung, Plakate, Flugblätter, Versammlungen und anderes mehr zur Verfügung stehen. Die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien kann demgegenüber keine andere Beurteilung rechtfertigen, da Gesichtspunkte wie die Chancengleichheit der Parteien grundsätzlich nur gegenüber dem Staat, nicht aber gegenüber der privaten Presse wirken. Die Liste verfassungsrechtlich statthafter Restriktionen der Auswahlfreiheit der Presseschaffenden ließe sich noch um einige weitere Beispiele ergänzen99. Die aufgezeigten Fälle verdeutlichen aber bereits hinreichend, daß derartige Reglementierungen die Selektionsfreiheit der Kommunikationsträger allenfalls punktuell beschränken, die Entscheidungsbefugnis der Presse aber nicht grundsätzlich relativieren. Dies rechtfertigt die Feststellung, daß die faktische Entscheidungsautonomie der Presseschaffenden abgesehen von den bezeichneten Ausnahmefällen in vollem Umfang durch die Garantieaussage des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich abgesichert wird. Die Pressefreiheit überläßt es der Beliebigkeit der Grundrechtsträger, nach welchen Kriterien sie ihr publizistisches Angebot zusammenstellen.

4. Die Wirkungen der Auswahlentscheidung

a) Selektionsfreiheit und Meinungsmanipulation

Die verfassungsrechtlich geschützte Auswahlfreiheit eröffnet den Kornmunikationsträgern die Möglichkeit, ihre publizistischen Leistungen weitgehend frei zu bestimmen. Dies wirkt sich wiederum auf die Marktstellung der Rezipienten aus, da diese ihrerseits nur innerhalb des vorgegebenen publizistischen Angebots eine nutzenorientierte Auswahl treffen können. Wegen dieser Wirkung werden die Presseschaffenden vielfach als "gatekeeper" des Abschlußpflicht begründen. 98 Diesen Standpunkt vertreten BVerfGE 42, 53/62; Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 349; E. Kldl, AlP 1974, S. 689; R Ricker, AlP 1980, S. 11 f. 99 Dazu zählt etwa die Impressumspflicht. Vgl. etwa §§ 7, 8 BayPresseG und § 8 NWPresseG.

188

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Informationsflusses charakterisiere00, da sie bei der Selektion der Kommunikationsinhalte zugleich darüber entscheiden, ob eine bestimmte Information der Leserschaft und damit der Öffentlichkeit überhaupt zugänglich gemacht werden soll. Die Filterfunktion der redaktionellen Auslese ist evident. Deshalb wurde ursprünglich angenommen, daß alle Massenmedien nahezu grenzenlose Beeinflussungs- und Manipulationschancen besitzen. Die Forschung diagnostizierte ein außerordentliches Machtpotential der Medien, dem die als weithin beeinflußbar erachteten Rezipienten hilflos gegenüberstehen. Dem lag die Vorstellung eines passiven, ziel- und interesselosen Publikums zugrunde, dessen kommunikatives Verhalten entsprechend den Wünschen der jeweiligen Kommunikatoren steuerbar sei. Danach formen scheinbar omnipotente Kommunikationsträger die Einstellungen und Meinungen der Empfänger. Diese Vorstellungen sind seit langem widerlegt101 • In der Wissenschaft ist mittlerweile weitgehend anerkannt, daß die Massenkommunikationsmittel und damit auch die Printmedien keine unbegrenzte manipulative Wirkung ausüben102, da die Rezipienten nicht nur passives Kommunikationsobjekt sondern ebenso aktive Kommunikationssubjekte sind. Nach den Erkenntnissen der modernen Kommunikationsforschung nutzt das Publikum alle Medien ziel- und zweckorientiert auf der Grundlage seiner Wünsche und Interessen und beeinflußt auf diese Weise Art und Zusammensetzung des publizistischen Angebots103• Deshalb können die Presseschaffenden über ihre Kommunikationsleistungen nicht völlig frei disponieren, da sie die Resonanzbereitschaft ihrer Leser berücksichtigen müssen. Deren Interessen, Meinungen und Belange begrenzen die Entscheidungssouveränität der Kommunikationsträger und damit auch das Wirkungspotential der Printmedien. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das zuvor aufgezeigte Phäno100

So etwa E. NoeUe-Neumann, Die Schweigespirale, S. 211; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 IV 1, S. 263 f. 101 Auch P. Nissen / W. Menningen, in: Langenbucher, Politik und Kommunikation, S.

255, kommen in ihrer Untersuchung über den Einfluß der Gatekeeper auf die Themenstruktur der Öffentlichkeit zu dem Ergebnis, "daß die Rolle der Journalisten nicht die des die öffentliche Meinung manipulierenden Gatekeepers ist. • 102 Einen zusammenfassenden Überblick über die Ergebnisse der Kommunikationsfor-

schung gibt H. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 48 ff. Gleichwohl spielt die Vorstellung von der Allmacht der Medien in der Rechtswissenschaft noch immer eine große Rolle. 103 Ausführlich zum kommunikativen Einfluß der Leser oben 2. Teil, 1. Abschn., II, 2.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

189

men der selektiven Wahrnehmung104 an Bedeutung. Da die Leser bei ihrer nutzenorientierten Auswahlentscheidung dissonanten Kommunikationsinhalten von vornherein ausweichen, können die Printmedien nur dort eine Wirkung erzielen, wo die Empfänger sie erwarten oder wünschen. Der Effekt der Presse liegt daher vornehmlich in der Bestätigung prädisponierter Meinungen und Erwartungen. Eine weitergehende Wirkung kann nur in den Fällen erreicht werden, in denen die Rezipienten vorhandene Anschauungen aufgeben wollen oder in denen sie sich noch keine hinreichend verfestigte Auffassung gebildet haben105• Demzufolge sind die Manipulationsmöglichkeiten der Kommunikationsträger begrenzt. Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß die Presse keinerlei Einflußmöglichkeiten besitzt106• Kann die These von der Allmacht der Medien auch nicht aufrechterhalten werden, darf dies nicht gleichsam automatisch als Ohnmacht oder Wirkungslosigkeit gedeutet werden. Einer derartigen Folgerung widerspricht bereits die Tatsache, daß die Pressetätigen bei der Erstellung des publizistischen Angebots eine inhaltsbestimmende Auswahl treffen, die sich wiederum auf die Realitätsnähe der verbreiteten Presseinhalte auswirkt. "Keine Zeitung bietet ein umfassendes und völlig objektives Bild der Wirklichkeit"107• Alle Publikationen beanspruchen den Anschein von Wahrheit und Objektivität, erzeugen letztlich aber nur eine Illusion des Authentischen, da jede Auswahlentscheidung bereits eine Deutung der Wirklichkeit durch den Auswählenden beinhaltet. Die Pressetätigen können die Vorstellungen und die Weltkenntnis ihrer Leser durch unterschwellige Akzentoierungen bei der redaktionellen Auslese prägen108• Die Themenselektion bedingt eine eigentümliche Halbtransparenz. Eine positive Auswahlentscheidung verschafft dem betreffenden Geistesinhalt die Publizität des Presseerzeugnisses. Demgegenüber bewirkt eine negative Auslese eine Blickfeldverengung. Die ausgesonderten Meldungen sind ein Stück Unwirklichkeit, falls sie nicht von anderen Massenmedien 104

Siehe oben 3. Teil, 1. Abschn., I, 1.

105

Dazu H. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 50 f.; E. Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, S. 64.

106

Dies unterstreichen H Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 50; B. Jünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 18; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 30 f.; E. Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, S. 64. 107 H Kluthe, in: Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 24 f.

108

Ebenso R. Zippelius, Allgerneine Staatslehre, § 28 IV 1, S. 263.

190

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

aufgegriffen werden109• Sie können von den Lesern nicht zur Kenntnis genommen werden und gelangen daher nicht in das Bewußtsein der Öffentlichkeit, können deshalb auch bei der Bildung der öffentlichen Meinung keine Berücksichtigung fmden. Auf diese Weise kann die Presse durch den Einsatz entsprechender Auswahlstrategien die Realität verzerren. Minderheitsmeinungen werden als Mehrheitsmeinungen deklariert und umgekehrt. Die Niederlage wandelt sich zum Unentschieden und dieses zum Sieg. Demnach ist die Stellung der Printmedien ambivalent. Sie sind dem kommunikativen Einfluß der Leser unterworfen, der einer ungehinderten Meinungsmanipulation entgegensteht. Zugleich eröffnet die verfassungsrechtlich geschützte Selektionstätigkeit den Presseschaffenden einen begrenzten Verhaltensspielraum, in dessen Rahmen sie die Rezipienten beeinflussen können.

b) Selektionsfreiheit und Tendenz des Presseinhalts Jeder Presseinhalt besitzt unabhängig von seiner Meinungshaltigkeit im Einzelfall allein schon wegen des der Verbreitung vorausgehenden Auswahlverfahrens eine bestimmte Tendenz. Die Entscheidung für die Veröffentlichung einer bestimmten Meldung offenbart unter anderem das Gewicht, das die Verantwortlichen dem betreffenden Thema beimessen. Die Zusammenstellung der Kommunikationsinhalte in einer Publikation verdeutlicht die redaktionelle Linie, die publizistische Grundhaltung der an der Auswahlentscheidung beteiligten Personen. Demnach ist Presseberichterstattung von ihrem Wesen her notwendigerweise tendenziös. Jeder Auswahlentscheidung geht eine Bewertung der zu verarbeitenden Geistesinhalte voraus110• Die Grundeinstellung der Presseschaffenden tritt daneben auch in der Art und Weise zutage, wie die Schwerpunkte innerhalb eines Themas gesetzt werden. Bereits das Weglassen eines Teilaspektes färbt den verbleibenden Rest und verändert den Ge-

109

Vgl. dazu W. Geiger, AfP 1m, S. 257; E. Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, S. 216. Empirische Daten zu diesem Problem ennittelten M. Klwche / M. Lindgens, MP 1988, S. 490 ff., die die Presseberichterstattung über die Partei der Grünen untersuchten. 110 Ausführlich dazu oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 2.

1. Abschn.: Die wechselseitige freie Auswahlentscheidung

191

halt der Meldung. Aus diesem Grund enthält jeder publizistische Inhalt zwangsläuftg eine Meinungskomponentem. Diese Erkenntnis liegt auch der Rechtsprechung des BVerfG zur Rundfunkfreiheil zugrunde. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang mehrfach festgestellt, daß jedes Rundfunkprogramm bereits durch die vorausgehende wertende Auswahlentscheidung "eine bestimmte meinungsbildende Wirkung"112, eine "gewisse Tendenz"113 bekomme. Die Art der Auswahl sei "geeignet, den Teilnehmer in eine bestimmte Richtung zu lenken"114• Das gleiche muß dann aber auch für die Presse gelten, deren Veröffentlichungen ebenfalls eine wertende Selektion vorausgeht115•

111. Das Verhältnis vonAnbieter-und Rezipientenfreiheit Die Auswahlentscheidungen der Anbieter und Nachfrager von massenmedial vermittelter Kommunikation zählen zu den tragenden Strukturelementen des publizistischen Wettbewerbs. Die Wahlentscheidungen beider Marktparteien bedingen sich wechselseitig. Sie sind sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz der publizistischen Konkurrenz. Dieser Beziehungszusammenhang muß bei der Grundrechtsinterpretation beachtet werden. Der publizistische Wettbewerb berührt nicht nur die Grundrechte der Presseschaffenden, sondern zugleich immer auch die der Rezipienten. Deshalb sind die fraglichen Grundrechtsgewährleistungen stets im Zusammenhang zu sehen. Presse- und Informationsfreiheit stehen zwar gleichrangig nebeneinander, sind jedoch einander unmittelbar zugeordnet116• 111 Ähnlich K. Bringmann, in: Löffler, Die öffentliche Meinung, S. 67. Daher ist es vielfach unmöglich, eine Meinung von einer reinen Tatsacheninformation in einem erkenntnistheoretisch reinen Sinn nach objektiven Gesichtspunkten zu trennen. Dies betonen etwa E. Friesenhahn, Festgabe für Kunze, S. 22; W. Geiger, Festschrift für A. Amdt, S. 124; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 19. 112 BVerfGE 35, 202/222. 113 114 115 116

BVerfGE 12, 205/200; E 59, 231/258. BVerfGE 31, 314/326. Ebenso W. Schmitt Glaeser, Jura 1987, S. 572 FN 61.

Darauf weisen etwa Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNm. 70 f.; E. Forstholf, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 10; J. Kaiser, Presseplanung, S. 11; P. Lerche, Informationsfreiheit, in: EvStL, Sp. 1314, und l . Wolf, Medienfreiheit und Medienuntemehmen, S. 379, hin.

192

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Die beiden Gewährleistungen greifen ineinander, da sie das Verbreiten und Empfangen von Kommunikationsinhalten schützen. Erst ihr Zusammenspiel ermöglicht die freie Zuordnung von Angebot und Nachfrage nach massenmedial vermittelter Kommunikation. Dabei steht die Nutzungsentscheidung der Leser im Vordergrund. Sie ist der entscheidende Steuerungsmechanismus der publizistischen Konkurrenz, da sie die einzelnen Kommunikationsangebote miteinander vergleicht, in Frage stellt und auf diese Weise Verlauf und Richtung des Wettbewerbs beeinflußt. Indem die Informationsfreiheit die Nutzungsentscheidung der Rezipienten allumfassend schützt, sichert sie zugleich deren Steuerungsfunktion. Die Abhängigkeit der kommunikativen Betätigung von den Erwartungen der Leser rechtfertigt aber - wie bereits dargelegt117 - keine Grundrechtsinterpretation, die die Orientierung an der Nachfrage zum alleinigen Gegenstand der Verfassungsauslegung macht118• Die Pressefreiheit kann nicht allein von den Rezipienten her interpretiert werden119• Daneben müssen auch die eigenständigen Kommunikationsinteressen der Presseschaffenden berücksichtigt werden. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Kommunikationsträgern eine allumfassende publizistische Entfaltungsfreiheit Die Pressetätigkeit wird unabhängig von den Kommunikationsbedürfnissen der Leser um ihrer selbst willen geschützt. Jeder Grundrechtsträger bestimmt in völliger Unabhängigkeit die Ziele, die er mit seinen Veröffentlichungen jeweils verfolgen will. Er kann daher auch solche Kommunikationsinhalte verbreiten, mit denen er lediglich seine eigenen Interessen und Zielsetzungen verfolgt. Demzufolge normieren Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG trotz vielfältiger Verknüpfungen selbständige Verfassungsgewährleistungen. Diese erfassentrotzihrer inneren Verbundenheit jeweils einen eigenständigen spezifischen Gewährleistungsgegenstand.

117 118

Oben 2. Teil, 2. Abschn., II.

So aber R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 367: "Ein vom Publikum und seinen diesbezüglichen Ansprüchen abstrahierendes ('selbständiges') Medienangebot ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich nicht zu vereinbaren ...•. 119 .. Ahnlieh Ch. Degenhort, Donner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 71.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

193

2. Abschnitt

Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten I. Marktzugang und Wettbewerb Alle Erscheinungsformen der Konkurrenz setzen begriffsnotwendig den freien Zugang zum jeweiligen Markt voraus. Der Mechanismus des Wettbewerbsprozesses ist nur dann funktionsfähig, wenn es grundsätzlich jedermann freisteht, sich an allen Marktaktivitäten zu beteiligen. Dabei stehen die Marktzutrittsmöglichkeiten der Anbieter im Vordergrund. Entscheidend ist, daß der Zustrom neuer Konkurrenten keinen künstlichen Beschränkungen unterliegt. Diese Grundvoraussetzung ist im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs allgemein anerkannt120, gilt aber auch für den publizistischen Wettbewerb der Printmedien121 • Die Marktoffenheit zählt zu den unverzichtbaren Strukturelementen der geistigen Konkurrenz, soweit diese als dynamischer Prozeß der Machtbildung und Machtzerstörung charakterisiert wird. Wettbewerbsimmanente Machtpositionen werden nur dann ständiger Bedrohung ausgesetzt, wenn potentielle Rivalen nicht von vornherein vom Meinungsmarkt ferngehalten werden. Jede willkürliche Zugangsschranke bewahrt alteingesessene Verlagsunternehmen vor weitergehender Konkurrenz, da die publizistischen Angebote der Ausgeschlossenen nicht zum Zuge kommen und damit auch nicht den Lesern bei ihrer Auswahlentscheidung zur Verfügung stehen. Daraus erklärt sich zugleich die eminente Bedeutung der Teilnahmeoffenheit für das Wettbewerbsverhalten der Presseschaffenden. Diese müssen jederzeit damit rechnen, daß neue Konkurrenten mit attraktiveren Kommunikationsangeboten am Meinungsmarkt in Erscheinung treten. Sie sind deshalb gezwungen, die Nutzenpräferenzen der Leser nicht zu vernachlässigen. Ansonsten laufen sie Gefahr, daß die Rezipienten sofort auf ein neues, bedürfnisgerecht gestaltetes Konkurrenzprodukt ausweichen. Die Teilnahme120 Besonders deutlich J. Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, S. 79 f. Ähnlich Baumbach / Hefennehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNm. 17, 27; V. Emmerich, Kartellrecht, S. 14; ders., ZGR 1976, S. 175; E. Hoppmann, Marktmacht und Wettbewerb, S. 15. 121 Dies betonen H. Bismark, AfP 1983, S. 137; B. Jünemann, Meinungsfreiheit und Medienentwicklung, S. 25 f., 40 f.

194

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

offenheit bedingt ein gewisses Maß an Unsicherheit hinsichtlich der Reaktionen gegenwärtiger und potentieller Mitbewerber. Ohne die Möglichkeit eines ungehinderten Zugangs würde der Meinungsmarkt zunehmend transparenter, bis jeder Kommunikationsträger die Fähigkeiten der vorhandenen Konkurrenten und deren Reaktionen auf seine publizistischen Aktivitäten abschätzen kann. Ist auch ein gewisser Grad von Markttransparenz grundsätzlich positiv zu werten, so neigt doch kein Beteiligter bei vollkommener Transparenz zu einem innovativen Vorstoß, da er sich wegen der sofort einsetzenden Gegenmaßnahmen seiner Rivalen keinen temporären Wettbewerbsvorsprung auf dem Kommunikationsmarkt aufbauen könnte. Als Folge davon würde die Rivalität der Presseschaffenden fortschreitend abnehmen, bis letztlich einige wenige Publikationen friedlich nebeneinander kooperieren. Die Marktzugangsmöglichkeiten können sich schließlich auch auf das Wettbewerbsergebnis auswirken. Eine Vielzahl von Anbietern allein garantiert noch keine publizistischen Höchstleistungen oder gar Pressevielfale22• Sie bietet jedoch die Chance zu mehr Wettbewerb und verstärkt die Aussicht auf ein differenzierteres publizistisches Angebot. Deshalb kann die Teilnahmeoffenheit einer faktischen Einschränkung der Informationsfreiheit der Leser am effektivsten entgegenwirken. Der Wettbewerbsdruck zwingt die Presseschaffenden, ihre publizistischen Leistungen stärker an den individuellen Präferenzen der Leser auszurichten. Diese können bei einer Vielzahl von Angeboten leichter auf ein Konkurrenzprodukt ausweichen, welches ihren Vorstellungen und Kommunikationsbedürfnissen besser entspricht.

II. Publizistischer Wettbewerb, Marktzugang und Pressefreiheit 1. Die Konkurrenten als Grundrechtsträger Der persönliche Schutzbereich der Pressefreiheit bestimmt die personelle Offenheit der publizistischen Kommunikation.

122

Vgl. oben 3. Teil, 1. Abschn., I, 3, b.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

195

a) Die Grundrechtssubjektivität natürlicher Personen

Das Grundgesetz gewährt in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die "Pressefreiheit", ohne eine personale Einschränkung zu treffen. Demzufolge wird dieses Grundrecht gemäß seinem Wortlaut allen Menschen und nicht nur den Staatsbürgern oder einem anders qualifizierten Personenkreis zugestanden123. Jeder Mensch besitzt das verfassungsrechtlich garantierte Recht, jede beliebige Pressetätigkeit auszuüben und sich dabei wettbewerblieh zu verhalten. Dieser Feststellung wird in der Lehre teilweise entgegengehalten, daß in der Mehrzahl aller Fälle die für eine selbständige Pressetätigkeit erforderlichen fmanziellen Mittel nicht zur Verfügung ständen, so daß nur wenige Begüterte von diesem Grundrecht Gebrauch machen könnten124. Dieser Einwand ist verfassungsrechtlich irrelevant. Die Forderung nach einem ungehinderten Zugang zur Pressetätigkeit bedeutet nicht, daß die Betroffenen keinerlei natürliche Barrieren überwinden müssen. Die Pressefreiheit gewährt einen Freiraum für individuelle Aktivitäten, befreit die Grundrechtsträger aber nicht von der Notwendigkeit, sich zuvor die erforderlichen Ressourcen anzueignen. Hinter dem Einwand überhöhter Markteintrittskosten verbirgt sich ein dem Wettbewerbsprozeß nicht adäquates Teilmarktdenken, das in unzulässiger Weise Gleichheitsforderungen in den Tatbestand eines Freiheitsrechts hineininterpretiert. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert den Presseschaffenden eine allumfassende publizistische Entfaltungsfreiheit ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche oder wirtschaftliche Machtstellung des einzelnen Konkurrenten125. Das Grundrecht schützt nicht nur die Kommunikationsträger, die in eigener Verantwortung Organe der Massenpresse auf den Markt bringen. Die Teilnahmeoffenheit des Wettbewerbsprozesses und die Möglichkeit einer selbständigen Pressetätigkeit bleiben auch dann ge123

Vgl. zur Menschenrechtsqualität der Pressefreiheit etwa M. Bullinger, JZ 1987, S. 263; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 453; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 16; M. Löffler / R. Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 36, RdNr. 3, und S. 47, RdNr. 1.

124 Eine derartige Diskrepanz zwischen VerfassunJ!,l>recht und Verfassungswirklichkeit sehen beispielsweise A. Amdl, in: Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 6, und K. Lange, DÖV 1973, S. 477. 125

In der Blinkfüer-Entscheidung hat das BVerfG (E 25, 2561264) ausdrücklich festgestellt, daß es auch dem Mächtigen nicht verwehrt werden kann, einen geistigen Meinungskampf zu führen.

196

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

wahrt, wenn nicht jedermann sofort zu Beginn seiner Tätigkeit ein Presseerzeugnis herausgeben kann, das in Auflage und Einfluß nicht hinter den Publikationen etablierter Wettbewerber zurücksteht. Daneben kann der Hinweis auf die hohen Markteintrittskosten angesichtsder Vermögenslage vieler Organisationen auch in faktischer Hinsicht nicht überzeugen. Das breite Spektrum der in den vergangeneo Jahren gegründeten Publikums- und Fachzeitschriften verdeutlicht, daß die Notwendigkeit fmanzieller Ressourcen zumindest für engagierte Interessengruppen keine unüberwindbare Barriere hinsichtlich einer selbständigen Pressetätigkeit darstellt. Daher besteht keinerlei Anlaß, die Feststellungen hinsichtlich der Grundrechtssubjektivität zu relativieren. Da Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ein Menschenrecht gewährt, können sich auch ausländische Staatsangehörige auf dieses Grundrecht berufen126• Deren publizistische Wettbewerbstätigkeit wird von der Pressefreiheit in umfassender Weise geschützt, unabhängig davon, ob sie unmittelbar oder nur mittelbar am geistigen Konkurrenzkampf mitwirken. Sie können als Journalisten, Redakteure oder in vergleichbaren Positionen in einem Presseunternehmen mitarbeiten und in dieser Eigenschaft durch einzelne Veröffentlichungen zur geistigen Auseinandersetzung beitragen. Daneben steht ihnen auch eine mittelbare Mitwirkung in dem Sinne frei, sich in Form von Kapitaleinlagen an inländischen Verlagsunternehmen zu beteiligen127• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt ihnen schließlich das Recht, eigene Presseerzeugnisse herauszugeben. Dabei bleibt die Zielrichtung dieser Publikationen ihrem individuellen Belieben überlassen. Sie können Zielgruppenmedien verbreiten, die sich ausschließlich an ausländische Staatsangehörige wenden. Sie können aber auch solche Presseorgane herausgeben, die dazu geeignet und bestimmt sind, die Willensbildung in der Gemeinschaft zu beeinflussen128• Letzteres wird in der Lehre teilweise bestritten. Die betreffenden Autoren versagen ausländischen Staatsangehörigen den Schutz der Pressefreiheit, 126

Siehe dazu Ch. Degenhart, Donner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 453; H. D. Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 23; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 108; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 73 f. 127 M. Löffler, Presserecht I, § 1 LPG, RdNr. 65, und M. Löffler IR. Rkker, Handbuch des Presserechts, S. 47 f., RdNr. 1, weisen darauf hin, daß eine kapitalmäßige Überfremdung des deutschen Pressewesens mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar sei. Diese Gefahr kann unter den gegenwärtigen Umständen außer Betracht bleiben. 128

Ebenso M. Bu/linger,

rz 1987, S. 263.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

197

soweit diesen durch eigene Presseerzeugnisse eine aktive Einflußnahme auf die politische Meinungs- und Willensbildung und damit letztlich eine politische Tätigkeit eröffnet wird129• Die Vertreter dieser Ansicht unterscheiden zwischen menschenrechtliehen und spezifisch demokratischen Grundrechtskomponenten, deren Betätigung allein den Staatsbürgern vorbehalten bleibt. Da Ausländer vom politischen Willensbildungsprozeß weitgehend ausgeschlossen sind - sie besitzen beispielsweise kein Wahlrecht - wird ihnen auch der Schutz der demokratischen Komponente des Art. 5 Abs. 1 GG verwehrt. Ihnen verbleibt als menschenrechtlicher Kernbereich des Grundrechts allein das Recht "des schlichten Stellungnehmens zu allen Fragen des Lebens, auch denen der Politik ..."130• Eine derartige restriktive Auslegung der Pressefreiheit fmdet im Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine Stütze. Das Grundrecht ist als Menschenrecht konzipiert, Träger unveräußerlicher Menschenrechte sind aber auch Ausländer. Deren Grundrechtssubjektivität kann nicht im Wege einer systematischen Interpretation relativiert werden, zumal diese mangels eindeutiger Anhaltspunkte keine derartige Beschränkung rechtfertigt. Das Grundgesetz zeigt keine einheitliche Linie hinsichtlich der Grundrechtsberechtigung von Ausländern. Politisch bedeutsame Grundrechte wie Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 GG können allein von Deutschen im Sinne des Art. 116 GG in Anspruch genommen werden. Andere Freiheitsrechte besitzen eindeutig eine demokratische Komponente, ohne deswegen den persönlichen Geltungsbereich auf Deutsche zu verengen. Als Beispiel sei hier nur Art. 9 Abs. 3 GG genannt. Zu dieser Fallgruppe ist aber auch die Pressefreiheit zu rechnen. Demzufolge können auch Ausländer unabhängig von staatlichen Restriktionen am publizistischen Wettbewerb der Printmedien mitwirken. Ihre wettbewerbliehe Freiheitsbetätigung kann nur unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 GG reglementiert werden. Dabei ist allein die Schranke der allgemeinen Gesetze von Bedeutung, die unter anderem durch die Bestimmungen des Ausländergesetzes konkretisiert wird. Nach § 6 Abs. 2 AuslG kann die politische Betätigung von Ausländern eingeschränkt und untersagt werden, "wenn die Abwehr von Störungen der öffentlichen Sicher129 Typisch hierfür K Hailbronner, Ausländerrecht, RdNr. 210. Im gleichgelagerten Fall der Meinungsfreiheit spricht sich auch Ch. Tomuschat, Zur politischen Betätigung des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland, S. 61, für eine entsprechende Beschränkung der Grundrechtsberechtigung aus. Ähnlich H. Ridder, Meinungsfreiheit, S. 269, der die öffentliche Meinungsfreiheit in Art. 21 GG lokalisiert. 130 G. Erbel, JuS 1971, S. 35.

198

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

heit oder Ordnung oder von Beeinträchtigungen der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland es erfordern~. Diese Bestimmung erfaßt auch die Verbreitung von Presseerzeugnissen. rechtfertigt unter den genannten Voraussetzungen aber nur punktuell-konkrete Restriktionen der Pressetätigkeit einzelner Ausländer. b) Die Grundrechtssubjektivität von Kollektiven

Ungeklärt blieb bisher die Grundrechtssubjektivität von Kollektiven, obwohl derartige Personengesamtheilen in faktischer Hinsicht eine bedeutende Stellung auf dem Markt der geistigen Freiheiten innehaben. Viele Publikationen sind in der Hand von gesellschaftlich strukturierten Verlagsunternehmen131. Dabei überwiegt der Anteil der Kapitalgesellschaften, innerhalb derer wiederum der Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine besondere Relevanz zukommt. Bei den Personengesellschaften steht die Kommanditgesellschalt im Vordergrund. Die Grundrechtsträgerschaft inländischer juristischer Personen des Privatrechts beurteilt sich nach Art. 19 Abs. 3 GG. Entscheidend ist, ob die Pressefreiheit ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist. Da ein ausschließlicher Individualbezug des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht erkennbar ist, kann das Grundrecht nicht nur individuell, sondern auch korporativ betätigt werden. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen setzt die Verwirklichung der Pressefreiheit geradezu eine Betätigung mit Hilfe juristischer Personen voraus, da die Herstellung einer Publikation vielfach eine Betriebsorganisation fordert, in der eine Vielzahl von Personen arbeitsteilig zusammenwirken. Zudem sind Aufbau und Unterhaltung von Verlagsunternehmen mit erheblichen Kosten verbunden, die bei größeren Unternehmen nur von einer Personenmehrheit getragen werden können. Aus den genannten Gründen ist allgemein anerkannt, daß auch inländische juristische Personen des Privatrechts zu den Trägern der Pressefreiheit zählen132• Ihren wettbe131

Zahlenangaben älteren Datums für den Bereich der Tagespresse finden sich bei E. Dovifat, Presse, S. 521, und B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 74, FN230. 132 Dazu BVerfGE 21, 271/277 f.; E. 24, 278/'1ß2; E 66, 116/130; E. v. 6. 6. 89, DVBI. 1989, S. 870; von Mangoldl I Klein I Starck, GG, Art. 5 RdNr. 111; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 75.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

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werbsorientierten publizistischen Aktivitäten wird der Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zuteil. Das gleiche gilt für Personengesellschaften und nichtrechtsfähige Vereine, die am publizistischen Wettbewerb der Printmedien mitwirken, da diese Personenvereinigungen den natürlichen Personen wesentlich näher stehen als die juristischen Personen. Daher können sich auch alle nichtrechtsfähigen Vereinigungen auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen133•

2. Mitwirkung am publizistischen Wettbewerb: Beruf oder Berufung Neben der personellen Offenheit der publizistischen Kommunikation wird die Möglichkeit eines ungehinderten Zugangs zum Markt der geistigen Freiheiten maßgeblich durch die Anforderungen beeinflußt, die das Grundgesetz an Art und Intensität der Wettbewerbsteilnahme stellt. Entscheidend ist daher, ob Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG überhaupt die berufliche Mitwirkung der Grundrechtsträger erfaßt, wenn nicht sogar zur Bedingung einer wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung macht. Ungeachtet der eminenten faktischen Bedeutung beruflicher Aktivitäten kann der Grundrechtsschutz der Pressefreiheit nicht an einen bestimmten Beruf gebunden werden und nur diesem vorbehalten bleiben134• Grundrechtsausübung kann nicht zwangsläufig mit Berufsausübung gleichgestellt werden. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt die geistige Entfaltungsfreiheit und damit die publizistische Wettbewerbsfreiheit in einem allumfassenden Sinn. Eine Monopolisierung auf bestimmte Berufe und die daraus resultierende ständische Privilegierung dieser Tätigkeiten sind weder mit dem Wortlaut der Pressefreiheit noch mit dem freiheitlichen Charakter des Grundgesetzes vereinbar. Deshalb kann die Grundrechtsberechtigung nicht von einer beruflichen Mitwirkung am publizistischen Wettbewerb abhängig gemacht werden135• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt auch die Pressetätigkeit von Ama133 Das BVerfG hat die Grundrechtsfähigkeit derartiger Personenvereinigungen mehrfach anerkannt: Vgl. etwa BVerfGE 20, 162/171 (KG); E 50, 234/239 (BGB-Gesellschaft); E 60, 234 ff. (KG). 134 So aber F. Schneider, Meinungs- und Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 97: "Insoweit hat das GG ein Freiheitsrecht geschaffen, das gewissermaßen an einen bestimmten Beruf gebunden ist."

135

Dies betonen B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 50, und R. Schnur, VVDStRL 22, S. 102.

200

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

teuren136• Dazu zählen zum einen alle die Personen, die nur einmal oder gelegentlich bei der Erstellung des publizistischen Angebots eines Presseerzeugnisses mitwirken, ohne daß diese Tätigkeit der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Als Beispiel sei hier nur der Autor genannt, der aus einem bestimmten Anlaß heraus der Redaktion einen einmaligen Beitrag anbietet oder auf Veranlassung des Presseunternehmens verfaßt Daneben sind auch die Personen zu den Presseamateuren zu rechnen, die regelmäßig im Pressewesen tätig werden, ohne jedoch bei dieser Aktivität einen Beruf auszuüben. Das betrifft vor allem diejenigen, die die Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen zu ihrem Hobby gewählt haben. Auf dieser Grundlage arbeiten beispielsweise manche Vereinszeitschriften, aber auch ein Teil der sogenannten alternativen Presseerzeugnisse. Wenn die berufliche Mitwirkung danach auch keine Bedingung für den Marktzugang ist, so bleibt doch die Frage, ob die Berufstätigkeit der Presseschaffenden und damit der beruflich veranlaßte Marktzutritt überhaupt in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt, oder ob hier allein Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig ist. In Rechtsprechung und Lehre besteht weitgehend Übereinstimmung dahingehend, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch die berufliche Ausübung pressebezogener Tätigkeiten schützt137• R. Herzog weist zutreffend darauf hin, daß die berufliche Pressetätigkeit nicht allein der in Art. 12 Abs. 1 GG normierten Berufsfreiheit unterstellt werden kann, "wenn man nicht zu dem abwegigen Ergebnis gelangen will, daß Art. 5 I Satz 2 ausschließlich die Pressetätigkeit von Amateuren gewährleisten will" 138• Eine derartige Auslegung widerspricht aber dem aufgezeigten umfassenden Garantiegehalt dieses Grundrechts139• Die Pressefreiheit besitzt eine spezifisch berufsrechtliche Komponente. Sie schützt die Aufnahme und die Ausübung aller pressebezogenen Aktivitäten, denen ein beruflicher Charakter zukommt. Dabei ist es unbeachtlich, ob die Beschäftigung als Selbständiger 136 Vgl. R. Henog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 162; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 55. 137 Diesen Standpunkt vertreten etwa BVerfGE 10, 1181124; P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 14; R. Henog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 141; von MangoldJ I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNm. 45, 173. A. A. M. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 248, der die Berufsfreiheit der Presseschaffenden allein Art. 12 Abs. 1 GG zuordnet.

138 139

in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 141. Dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

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oder in abhängiger Position, ob sie hauptberuflich, nebenberuflich oder freiberuflich ausgeübt wird. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt aber nur die publizistischen und die wirtschaftlichen Aspekte massenmedialer Kommunikation. Dagegen erfaßt das Grundrecht die Verhaltensweisen nicht, die den publizistisch-massenkommunikativen Rahmen verlassen140• Der Grundrechtsschutz endet dort, wo die Betroffenen nicht publizistisch veranlaßten wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Insoweit ist allein Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig. Demnach gewährt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG allen Personen, die im publizistischen Bereich tätig werden wollen, den freien Zugang zum Wettbewerb unabhängig von Art und Intensität ihrer publizistischen Wettbewerbshandlungen.

3. Pressefreiheit, Marktzugang und Zugangsbeschränkungen Die Pressefreiheit gewährt den Grundrechtsträgern eine umfassende Zugangsfreiheit. Alle Verhaltensweisen, die mit dem Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten verbunden sind, fallen in den Schutzbereich des Grundrechts. Dies betrifft in erster Linie die Rechtsstellung des einzelnen Presseschaffenden. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt den freien individuellen Zugang zur publizistischen Betätigung141 • Daher können die Grundrechtsträger nach Belieben mit anderen Personen kommunikative Verbindung aufnehmen. Es steht ihnen frei, zu einem individuell bestimmten Zeitpunkt jede ihnen genehme publizistische Tätigkeit auszuüben und sich auf diese Weise am geistigen Konkurrenzkampf der Printmedien zu beteiligen. Wegen der aufgezeigten berufsrechtlichen Komponente des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG142 erfaßt die Zugangsfreiheit auch den Zugang zu den Presseberufen143• Das Grund140 141

Zum abgestuften Garantiegehalt der Pressefreiheit oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c.

Ebenso Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 365; E. König, Die Teletexte, S. 110. A. A. W. Hoffmann-Riem, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 411, der individuelle Zugangsrechte nur nach Maßgabe der den Freiheitshereich ausgestaltenden Rechtsnormen anerkennen will. 142 Dazu oben 3. Teil, 2. Abschn., II, 2. 143 So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 20, 1621175; E. Friesenhahn, DIT 50, Band II, G 26; U. Scheuner, VVDStRL 22, S. 71.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

recht schützt neben der Berufsausübung zugleich den Akt der Berufswahl144. Die Entscheidung über das "ob" einer beruflichen Pressetätigkeit bleibt dem individuellen Belieben der Grundrechtsträger überlassen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sichert den individuellen Marktzutritt. Darin erschöpft sich die Garantieaussage aber nicht. Danebenerfaßt die grundrechtlieh garantierte Zugangsfreiheit zugleich die Gründungsfreiheit. Diese wiederum besitzt zwei Dimensionen. Sie bezieht sich einmal auf die materiellen Träger massenmedialer Kommunikation, die Presseerzeugnisse. Jedermann kann "ein Presseorgan ins Leben rufen und sich darin äußern ..." 145. Dabei ist es unbeachtlich, auf welche Art und Weise der Betreffende das Publikationsorgan erlangt. Die Pressefreiheit schützt nicht nur die Neugründung von Presseerzeugnissen sondern auch den Erwerb bereits bestehender Publikationsorgane146. Ohne Einfluß ist, ob der Grundrechtsträger bereits ein Presseorgan herausgibt. Der Grundrechtsschutz wird den Kommunikationsträgem unabhängig von der Anzahl ihrer Presseobjekte zuteil. Es bleibt ihrer individuellen Beliebigkeil und ihrer publizistischen und fmanziellen Leistungsfähigkeit überlassen, ob sie eine oder mehrere Publikationen verbreiten. Die Gründungsfreiheit bezieht sich aber nicht nur auf die Gründung von Presseerzeugnissen. Als Folge des wirtschaftlieben Garantiegehalts der Pressefreiheit147 erfaßt dieser Teilaspekt der Zugangsfreiheit auch die wirtschaftlich-betriebstechnischen Grundlagen der publizistischen Arbeit, die Organisation, welche für die Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen erforderlich ist. Das BVerfG bat mehrfach betont, daß "Presseunternehmen ... sieb im gesellschaftlichen Raum frei bilden ..." müssen148. Dem trägt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG insoweit Rechnung, als diese Bestimmung auch die freie Gründung von Presseunternehmen garantiere49 • Das Grundrecht sichert die Errichtung des gesamten technischen und wirtschaftlichen 144 145

146 147

148 149

Dies betont von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 45.

M. Liiffler, Presserecht I, § 1 LPG, RdNr. 66. Vgl. Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 366. Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c. BVerfGE 20, 162/175; E 66, 116/133.

Dieser Garantiegehalt ist allgemein anerkannt. Siehe etwa BVerfGE 20, 162/175 f.; N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 19; E. Friesenhahn , DIT 50, Band II, G 26; von Mangofell I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 41; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 45.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

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Apparates, um eine möglichst freie publizistische Betätigung zu gewährleisten. Wie bei der Gründung von Presseorganen wird auch in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht nur der Akt der Neugründung, sondern auch der Erwerb eines bereits bestehenden Presseunternehmens verfassungsrechtlich geschützeso. Daher fällt auch der Unternehmenskauf in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Gleichgültig ist, ob der Erwerber bereits Inhaber eines Verlagsunternehmens ist. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sichert auch das sogenannte externe Wachstum von Presseunternehmen, also die Fälle, in denen die bestehende Organisation durch den Erwerb eines weiteren Unternehmens oder von Unternehmensteilen vergrößert wird. Der Gewährleistungstatbestand der Pressefreiheit erfaßt damit grundsätzlich auch die Pressefusion151 • Staatliche Restriktionen dieser allumfassend garantierten Zugangsfreiheit sind nur im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG statthaft. Daher ist es dem Gesetzgeber von vornherein verwehrt, den Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten an die Einhaltung objektiver oder subjektiver Zulassungsvoraussetzungen zu binden. Derartige Anforderungen wirken sich lediglich im Normbereich der Pressefreiheit aus und zählen deshalb nicht zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Weder die Aufnahme der Pressetätigkeit im allgemeinen noch die Ausübung der Presseberufe darf von einer besonderen Zulassung abhängig gemacht werden152• Jedermann kann jederzeit jede beliebige Pressetätigkeit ausüben, ohne einer behördlichen Genehmigung zu bedürfen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbietet aber nicht nur staatliche Genehmigungsverfahren. Das Grundrecht hindert den Staat zugleich daran, subjektive Anforderungen für eine publizistische Betätigung festzulegen. Der Marktzugang kann weder von einer wie auch immer definierten Zuverlässigkeit des Betreffenden, noch von der Einhaltung fachlicher Qualiftkationen abhängig gemacht werden153• Entsprechende Regelungen sind im Geltungsbereich der Pressefreiheit prinzipiell ausgeschlossen. 150 151

Ebenso Ch. Degenhort, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 366.

Dies unterstreicht Ch. Degenhort, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 368. ÄhnlichE. Kuli, AfP 1974, S. 636. 152 Vgl. etwa von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 45; V. Scheuner, VVDStRL 22, S. 71. 153 Ebenso V. Scheuner, VVDStRL 22, S. 71, FN. 209. A. A. von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 5, Anm. 4 b, S. 64, und W. Mössle, AöR 101 (1976), S. 235 f., die davon ausgehen, daß Bestimmungen über die fachliche Qualifikation der Presseschaffenden mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar sind.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Gleiches gilt für die grundrechtlich garantierte Gründungsfreiheit Die Gründung einer Publikation oder die Errichtung eines Presseunternehmens kann weder durch subjektive noch durch objektive Zulassungsvoraussetzungen reglementiert werden. Die Pressefreiheit steht der Einführung eines derartigen staatlichen Genehmigungsverfahrens entgegen154• Daher wäre beispielsweise ein Lizenzierungssystem, wie es von den Besatzungsmächten nach Kriegsende eingeführt worden war, unter der Geltung des Grundgesetzes undenkbar. Demgegenüber sind Restriktionen der Gründungsfreiheit für Presseunternehmen ausnahmsweise dann mit Art. 5 Abs. 2 GG vereinbar, wenn ihnen allgemeine wirtschaftsrechtliche Regelungen zugrundeliegen, die neben anderen Materien auch den wirtschaftlichen Wettbewerb der Printmedien reglementieren. In diesem Zusammenhang besitzt die in § 24 Abs. 1 GWB normierte Fusionskontrolle, die unter anderem das externe Wachstum von Presseunternehmen begrenzt, eine entscheidende Bedeutung155• Bei den die Pressefusionskontrolle betreffenden Bestimmungen des GWB "handelt es sich um allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG"156• Diese Regelungen erfassen ausschließlich den allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb und damit auch den wirtschaftlichen Wettbewerb im Pressewesen, wenden sich dagegen nicht gegen bestimmte Publikationsinhalte und den publizistischen Konkurrenzkampf der Printmedien. An dieser Einordnung als allgemeines Gesetz ändert auch der Umstand nichts, daß die Aufgreifkriterien der Fusionskontrolle durch die Bestimmung des § 24 Abs. 9 GWB an die strukturellen Besonderheiten der Pressemärkte angepaßt worden sind157• Die Herabsetzung der maßgeblichen Umsatzgrenzen ermöglicht erst die Anwendung der allgemeinen Regeln auf den Märkten für Presseleistungen. Die pressespezifische Fusionskontrolle begrenzt das externe Wachsturn der Presseunternehmen, die Zeitungen oder Zeitschriften verlegen, herstellen oder vertreiben. Sie erfaßt Zusammenschlußvorhaben derartiger Verlagsunternehmen, wenn zu erwarten ist, daß dadurch eine marktbeherrschende Stellung erreicht oder verstärkt wird. In diesem Fall kann die Kartellbehör154 155

So auch L von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 24.

Ausführlich dazu E. Spieler, Fusionskontrolle im Medienbereich; W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, S. 164 ff. 156 BVerfG v. 29. 8. 83, AfP 1985, S. 107 f.; vgl. auch W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, S. 180 f. A. A. E. Kuli, AfP 1974, S. 636 f. 157 Vgl. Ch. Degenluut, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 379.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

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de den Zusammenschluß untersagen, wenn die beteiligten U ntemehmen nicht nachweisen können, daß dieser eine Verbesserung der Marktbedingungen mit sich bringt, welche die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegt. Da die Fusionskontrolle einen funktionsfähigen wirtschaftlichen Wettbewerb im Pressewesen durch den Abbau von Vermachtungstendenzen erhalten soll, dient sie zumindest indirekt zugleich der Erhaltung der Zugangsfreiheit. 4. Pressefreiheit, Publikationszwang und Beendigung der Wettbewerbsaktivitäten

Von Zugangsfreiheit kann nur dann gesprochen werden, wenn sowohl die Betätigung, als auch die Nichtbetätigung der grundrechtlich garantierten Wettbewerbsfreiheit in gleicher Weise geschützt werden. Entscheidend ist, daß die Wettbewerber nicht an der einmal aufgenommenen Tätigkeit zwangsweise festgehalten werden. Es muß ihnen freistehen, ihre Aktivitäten zu einem frei gewählten Zeitpunkt wieder zu beenden und aus dem Konkurrenzkampf auszuscheiden. Dies gilt auch für den publizistischen Wettbewerb der Printmedien, da allein auf diese Weise das geistige Engagement der Kommunikationsträger erhalten werden kann. Wie viele andere Handlungsfreiheiten besitzt auch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine negative Komponente158• Das Grundrecht schützt die Betätigung im Pressewesen, zugleich aber auch die Freiheit, sich in diesem Bereich nicht zu betätigen139• Die Pressefreiheit gewährt ein Recht, beinhaltet aber keine Tätigkeitspfficht und statuiert daher auch keinen Zwang zu einem wettbewerbsorientierten Verhalten. Eine einseitige Betonung der Aktivität wird weder dem Anliegen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG noch dem freiheitlichen Charakter des Grundgesetzes gerecht, da die Grundrechte nicht allein um ihrer Betätigung willen gewährt werden. Die Pressefreiheit würde ihr freiheitliches Gepräge verlieren und zu einer gesellschaftspolitischen Lenkungsvor158

s. 103 ff.

Allgemein zur negativen Grundrechtskomponente D. Merten, VerwArch 73 (1982),

159 Diesen Standpunkt vertreten G. Hemnann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, § 200, S. 365, und R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNm. 13, 40. A. A. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 538 f., 543 f., der sich für eine Pflicht zur Nutzung der grundrechtlich geschützten Freiräume ausspricht.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

schrift degenerieren, wenn der Zutritt zum Markt der geistigen Freiheiten umfassender geschützt wäre als das Recht, jeden publizistischen Beitrag zu verweigemu10• Die Freiheit von Zwang würde in einen Zwang zur Freiheit umschlagen. Dies widerspricht aber nicht nur der Grundrechtsidee sondern auch der Einordnung der Pressefreiheit in demokratische Zusammenhängel6t. Demzufolge bleibt es dem individuellen Belieben jedes einzelnen Grundrechtsträgers überlassen, ob er publizistisch tätig werden oder dies unterlassen will. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt nicht nur die positive, sondern auch die negative Betätigungsfreiheit in einem allumfassenden Sinn. Das Grundrecht gewährt den Betroffenen das Recht, der Pressetätigkeit und damit dem geistigen Konkurrenzkampf von vornherein fernzubleiben. Niemand ist verpflichtet, einen Beitrag zum publizistischen Wettbewerb zu leisten. Eine Pflicht zur geistigen Aktivität ist der Pressefreiheit fremd. Die negative Komponente des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eröffnet den Kommunikationsträgem darüber hinaus die Möglichkeit, im konkreten Einzelfall von einem weiteren Tätigwerden abzusehen. Daher können die Presseschaffenden beispielsweise nicht daran gehindert werden, eine Recherche abzubrechen oder ein Interview nicht abzudrucken. Schließlich schützt die Pressefreiheit auch die Beendigung der Wettbewerbstätigkeit, das freiwillige Ausscheiden aus dem Wettbewerb. Es steht den Grundrechtsträgem frei, die publizistische Betätigung aufzugeben und sich vom Meinungsmarkt zurückzuziehen. Dabei steht der Zeitpunkt im Belieben des einzelnen Wettbewerbers. Die grundrechtlich garantierte Zugangsfreiheit erfaßt nicht nur die Entscheidung über das Ob, sondern auch die Entscheidung über die Dauer der Wettbewerbsteilnahme. Daher kann jeder Kommunikationsträger zu einem frei gewählten Zeitpunkt von einer weiteren wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung absehen. Die negative Zugangsfreiheit kann nur unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 GG reglementiert werden. Da alle sonderrechtliehen Beschränkungen der geistigen Entfaltungsfreiheit verfassungswidrig sind, können die Presseschaffenden grundsätzlich nicht daran gehindert werden, aus dem geistigen Konkurrenzkampf auszuscheiden. Dabei ist es ohne Bedeu160 Dies unterstreichen R Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 40, und von Mangoldt /Klein/ Starck, GG, Art. 5, RdNr. 12. 161 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 2, c.

2. Abschn.: Der Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten

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tung, ob der betreffende Anbieter mit oder ohne fremde Unterstützung tätig geworden ist. Er kann auch dann von einer weiteren Mitwirkung am geistigen Konkurrenzkampf Abstand nehmen, wenn er sich zuvor bei der Erstellung seines publizistischen Angebots fremder Hilfe bedient hatte. In diesem Fall wird seine negative Zugangsfreiheit allenfalls insoweit mittelbar beschränkt, als er für die wirtschaftlichen Nachteile aufkommen muß, die Dritten durch sein Verhalten entstehen. Derartige fmanzielle Abwicklungspflichten sind mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG prinzipiell vereinbar, soweit sie sich auf allgemeine Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gründen. Die Pressefreiheit stellt den Betroffenen nicht von den Pflichten frei, die durch die Beendigung der Wettbewerbsaktivitäten entstehen und einer geordneten Abwicklung dienen.

5. Der Marktzugang zum publizistischen und allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt nach dem bisher Gesagten den Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten in einem allumfassenden Sinn. Die immense Reichweite dieser Zugangsfreiheit wird vollends deutlich, wenn ihr die Marktzutrittsmöglichkeiten zum allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb und deren Grundrechtsschutz gegenübergestellt werden. Die hierbei zutage tretenden Unterschiede gründen sich auf die Verschiedenartigkeit der jeweils berührten Freiheitsrechte. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist die maßgebliche Grundlage der Zugangsfreiheit im publizistischen Bereich. Demgegenüber wird die Teilnahmeoffenheit des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs vor allem durch die in Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG verbürgten Wirtschaftsfreiheiten beeinflußt. Einige prägnante Unterschiede zwischen beiden Zugangsfreiheiten seien hier kurz skizziert. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert unter anderem den freien Zugang zu den Presseberufen und die freie Gründung von Presseunternehmen162• Da die Pressefreiheit ein Menschenrecht gewährt, stehen diese Betätigungsmöglichkeiten prinzipiell jedermann offen. Demgegenüber gewähren die Wirtschaftsfreiheiten keine derart weitgehende personelle Offenheit der ökonomischen Konkurrenz. Art. 12 Abs. 1 GG normiert die für die Berufsaufnahme der Wirtschaftssubjekte maßgebliche Freiheitsverbürgung. Diese Be162

Ausführlich dazu oben 3. Teil, 2. Abschn., II, 3.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

stimmung schützt unter anderem Personen, die sich in der Wirtschaft als Anbieter von Waren und Leistungen beruflich betätigen und zu diesem Zweck ein Unternehmen gründen wollen163• Der persönliche Geltungsbereich der Berufsfreiheit erfaßt aber nur Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Deshalb können sich ausländische Staatsangehörige nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, wenn sie sich im allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb beruflich betätigen wollen. Der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, die Rechtsstellung der Ausländer im allgemeinen Wirtschaftsrecht derjenigen von Deutschen weitgehend anzugleichen. Nichtsdestoweniger genießen die den Ausländern auf einfachgesetzlicher Grundlage eingeräumten Marktzutrittsmöglichkeiten keinen Grundrechtsschutz. Divergenzen zwischen beiden Zugangsfreiheiten ergeben sich weiterhin aufgrund der unterschiedlichen Normsetzungsbefugnisse, die das Grundgesetz dem Gesetzgeber im geistigen und allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb jeweils einräumt. Dies betrifft die Möglichkeit, den Schutzumfang der berührten Freiheitsrechte gesetzlich zu verdeutlichen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt allen Menschen das Recht, jede ihnen genehme wettbewerbsorientierte publizistische Tätigkeit auszuüben. Es bleibt der individuellen Beliebigkeil jedes einzelnen Grundrechtsträgers überlassen, auf welche Art und Weise er sich am geistigen Konkurrenzkampf der Printmedien beteiligen will. Art. 5 Abs. 2 GG verbietet jede sonderrechtliche Beschränkung der Pressefreiheit. Aus diesem Grund kann der Gesetzgeber im kommunikativen Bereich keine typischen Betätigungsformen festlegen, mit der Folge, daß die Grundrechtsträger nur noch innerhalb der vorgegebenen Möglichkeiten eine wettbewerbsorientierte Tätigkeit aufnehmen können. Demgegenüber können sich im Bereich des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs Restriktionen des Marktzutritts als Konsequenz der vom BVerfG zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Berufsbildtheorie ergeben. Das Gericht räumt dem Gesetzgeber in ständiger Rechtsprechung die Befugnis ein, Berufsbilder typischer Berufe gesetzlich zu fvrieren 164• Derartige Regelungen können sowohl den Inhalt der beruflichen Tätigkeit, als auch die Voraussetzungen der Berufsaufnahme bestimmen. Dies kann dazu führen, daß die 163 Siehe zum Grundrechtsschutz der Unternehmensfreiheit etwa BVerfGE 50, 2901363; P. Badura, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 308; H.-J. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 626. 164 Vgl. nur BVerfGE 13, 971106; E 17, 2321241; E 21, 1731180; E 54, 3011314. Ausführlich dazu R. Breuer, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Vl, § 147, RdNrn. 35 ff.

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Grundrechtsträger auf die Wahl des derart fiXierten Berufes festgelegt werden, während ihnen die Möglichkeit einer untypischen Betätigung in dem geregelten Wirtschaftsbereich verschlossen bleibt. Die BerufsbildfiXierung zeitigt eine doppelte Wirkung: "Einmal wird der Beruf 'monopolisiert', d.h. die Aufgaben dieses Berufs können künftig nur noch von dem wahrgenommen werden, der die Voraussetzungen dieses Berufsbildes erfüllt ...; andererseits muß, wer diesen Beruf wählt, ihn in der rechtlichen Ausgestaltung wählen, die ihm der Gesetzgeber gegeben hat ..."165• Daraus folgt zugleich, daß sich die Betroffenen nur entsprechend der verfassungsrechtlich statthaften rechtlichen Ausgestaltung des Berufsbildes am allgemeinen ökonomischen Wettbewerb beteiligen können. Der Unterschied zwischen beiden Zugangsfreiheiten wird in seiner ganzen Tragweite deutlich, wenn die divergierenden Möglichkeiten des Gesetzgebers, subjektive und objektive Zulassungsvoraussetzungen für die Wettbewerbsteilnahme festzulegen, einander gegenübergestellt werden. Im Bereich der publizistischen Konkurrenz ist es dem Gesetzgeber wegen Art. 5 Abs. 2 GG prinzipiell verwehrt, den Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten durch die Normierung derartiger Anforderungen zu reglementieren166• Im Gegensatz dazu bieten die Wirtschaftsfreiheiten weitreichende Eingriffsmöglichkeiten und sind damit gegenüber Gemeinwohlvorstellungen des wirtschaftslenkenden und -ordnenden Staates ungleich offener. Gerade die Berufsfreiheit, die die Berufsaufnahme und damit den beruflich motivierten Zugang zum wirtschaftlichen Wettbewerb schützt, eröffnet dem Gesetzgeber bei der Konkretisierung des in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG normierten Regelungsvorbehalts einen nicht unerheblichen Spielraum für die Gestaltung der Marktzutrittsbedingungen. Dies betrifft die Statuierung subjektiver Zulassungsvoraussetzungen, die an die persönliche Eignung oder Qualifikation des Bewerbers anknüpfen. Die Festsetzung derartiger Anforderungen steht nicht im freien Belieben des Gesetzgebers167• Sie sind jedoch dann ohne weiteres statthaft, wenn "die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeil nicht außer Verhältnis stehen .. ."168• Der Marktzutritt kann daher unter 165

166 167

BVerfGE 21, 1731180. Dazu oben 3. Teil, 2. Abschn., II, 3.

Dies betont R Scholz, in Maunz I Dürig I Henog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 339. 168 BVerfGE 7, 3n1407; vgl. auch E 54, 3011315; E 59, 3021316.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

anderem von Qualifikations-, Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen abhängig gemacht werden, sofern diese berufsspezifisch geboten und zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich sind. Daneben gestattet Art. 12 Abs. 1 GG in eng begrenzten Ausnahmefällen sogar die Normierung objektiver Zulassungsvoraussetzungen. Als Beispiele seien hier nur Bedürfnisprüfungen und Kontingentierungen genannt. Derartige Beschränkungen der Berufswahl sind jedoch nur dann legitim, wenn sie "die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut ..." bezwecken1eJ. Demzufolge sind alle Bedürfnisprüfungen, bei denen die Ausschaltung des Wettbewerbs oder der Konkurrenzschutz etablierter Anbieter im Vordergrund stehen, verfassungswidrig, da sie keinesfalls der Abwehr von Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter dienen170• Dies schließt aber nicht jede Kontingentierung und Limitierung der Berufswahl im wirtschaftlichen Wettbewerb aus. Die unterschiedliche Reichweite der Zugangsfreiheiten im publizistischen und im allgemeinen ökonomischen Wettbewerb ließe sich noch durch weitere Punkte belegen. Die aufgezeigten Unterschiede verdeutlichen aber bereits hinreichend, daß sich der verfassungsrechtlich geschützte geistige Konkurrenzkampf der Printmedien im Gegensatz zum wirtschaftlichen Wettbewerb durch eine besonders weitreichende Zugangsfreiheit auszeichnet. 3. Abschnitt

Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten I. Wettbewerb und Chancengleichheit Alle Erscheinungsformen der Konkurrenz setzen begriffsnotwendig voraus, daß die jeweiligen Anbieter relativ gleiche Entfaltungschancen im Wettlauf um die Gunst der Nachfrager besitzen. Eine derartige Chancen-

169 170

BVerfGE 7, 3771408.

Siehe dazu BVerfGE 7, 377/408; R. Breuer, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, RdNr. 51; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 25; H..J. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 629 f.; ders., DVBI. 1984, S. 808; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNm. 352 f. So auch schonE. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 674.

3. Abschn.: Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

211

gleichheil ist dem Wesen des Wettbewerbs immanent171 • Damit ist die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen, nicht die Ergebnisgleichheit angesprochen, da letztere im Wettbewerb nie erreicht werden kann. Der Grundsatz der Chancengleichheit fordert einen freien Wettbewerbsprozeß, an dem sich alle Anbieter unter relativ gleichen Ausgangsbedingungen beteiligen können. Diese Grundvoraussetzung jeder wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung ist im Bereich des ökonomischen Wettbewerbs allgemein anerkannt172, beansprucht aber auch für die Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten Geltung173• Jede geistige Betätigung verlangt prinzipiell Chancengleichheit im Sinne von gleichgewichtigen kommunikativen Wirkungsmöglichkeiten174. Sie zählt zu den unabdingbaren Strukturelementen eines offenen, dynamischen publizistischen Konkurrenzkampfes. Entscheidend ist, daß alle Konkurrenten im Ablauf der Zeit relativ gleiche Entfaltungsmöglichkeiten besitzen beziehungsweise erhalten, um sich von ihren Mitbewerbern abzusondern und eine wettbewerbsimmanente Führungsposition aufzubauen. Anbieter mit gleichen Fähigkeiten und gleicher Einsatzbereitschaft benötigen gleiche Erfolgsaussichten. Jeder Kommunikationsträger muß die Wettbewerbsstellung erlangen können, die seiner intellektuellen Begabung und seiner publizistischen Leistung entspricht. Chancengleichheit, Wettbewerbsfreiheit und Leistungsprinzip stehen in einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit. Wettbewerbsimmanente Machtpositionen werden nur dann ständiger Bedrohung ausgesetzt, wenn allen Rivalen durch die Einräumung gleicher Wettbewerbsbedingungen die Chance eröffnet wird, derartige Sonderstellungen wieder abzutragen. Demzufolge sichert die Chancengleichheit das Ent- und Fortbestehen wettbewerblieber Anpassungsprozesse, indem sie der statischen Herrschaft einzelner Kommunikationsträger und der daraus resultierenden Geschlossenheit der Meinungsmärkte entgegenwirkt. Mangels Chancengleichheit degeneriert die Konkurrenz zum Macht171 841.

Besonders deutlich W. Schmitt Glaeser, BayVBI. 1985, S. 104; ders., DÖV 1987, S.

172

Siehe etwa H. Amdt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, S. 25, 107; ders., in: Cox I Jens I Markert, Handbuch des Wettbewerbs, S. 54. 173 Ähnlich BVerfGE 25, 2561265; A. Hamann / H. Lenz, Grundgesetz, Art. 5, Anm. B

6, S. 193; Ch. Degenhart, ZUM 1988, S. 57. Dies verkennt das BVerfG im 5. Fernseh-Urteil (E 74, 2971335), wenn es lapidar formuliert: "Marktchancen können eine Frage wirtschaftlicher, nicht aber der Meinungsfreiheit sein". 174 Vgl. W. Hoffmann-Riem, AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 120; W. Schmitt Glaeser,

AöR 97 (1m), S. 116.

212

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

wettbewerb, da anstelle der kommunikativen Leistung der Einsatz gefestigter Machtpositionen über Erfolg oder Mißerfolg der Anbieter entscheidet. Wenn Spitzenleistungen keinen Erfolg versprechen, weil Führungspositionen im Konkurrenzkampf nicht auf Leistung beruhen, wird die Beteiligung mit der Zeit nachlassen. Letztlich kommt der Wettbewerbsprozeß zum Erliegen, falls die Macht zwischen den Presseschaffenden permanent ungleich verteilt ist. Daraus erklärt sich zugleich die eminente Bedeutung der Chancengleichheit für das Wettbewerbsverhalten der Pressetätigen. Diese müssen jederzeit damit rechnen, daß ihre Wettbewerbsstellung durch die publizistischen Leistungen anderer Anbieter gefährdet wird. Wettbewerbsimmanente Machtpositionen sind das in der Zeitachse labile Resultat der geistigen Konkurrenz und nicht von Dauer. Da allein die Leistung eines Beteiligten über seine Stellung im Wettbewerb entscheidet, sind die Konkurrenten gezwungen, ihre Fähigkeiten permanent bestmöglichst einzusetzen. Der Vorsprung eines Kommunikationsträgers zwingt seine Rivalen, ihr publizistisches Angebot zu verbessern. Daher ist die Chancengleichheit ein wesentlicher Initialfaktor für schöpferische Impulse. Schließlich muß das Gebot gleicher Wettbewerbsbedingungen vor dem Hintergrund des für eine Demokratie unabdingbaren freien Willensbildungsprozesses gesehen werden175, an dem auch die Presseorgane beteiligt sind. Die öffentliche Meinung bildet sich in der freien Auseinandersetzung konkurrierender Interessen und Meinungen als Ergebnis eines wettbewerblieh strukturierten Kommunikationsprozesses. Dieser kann sich nur dann frei, offen und unreglementiert vollziehen, wenn alle Beteiligten und damit auch die Presseschaffenden die gleiche Chance erhalten, an der Entstehung der öffentlichen Meinung mitzuwirken. Mangels Chancengleichheit wäre Mindermeinungen diese Möglichkeit aber gerade verwehrt. Die jeweiligen Meinungsführer wären wegen ihrer beherrschenden Stellung nicht darauf angewiesen, sich mit den Ideen und Interessen Andersdenkender auseinanderzusetzen.

175

Dazu P. Häberle, JuS 1967, S. 67.

3. Abschn.: Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

213

II. Wettbewerb, Grundgesetz und Chancengleichheit Die wettbewerbsorientierte Verwirklichung der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten publizistischen Entfaltungsfreiheit gebietet die Gleichbehandlung der miteinander konkurrierenden Kommunikationsträger. Die Pressefreiheit gewährt allen Grundrechtsträgem die gleiche publizistische Wettbewerbsfreiheit Sie eröffnet einen Verhaltensspielraum für wettbewerbliebes kommunikatives Handeln, der jedermann in gleicher Weise zustehen soll. Demzufolge besteht zwischen den grundrechtlich garantierten Gleichheitsrechten und der verfassungsrechtlich geschützten geistigen Wettbewerbsfreiheit ein unauflösbarer Zusammenhang176, da jede staatlich privilegierte Grundrechtsbetätigung die individuelle Freiheit und damit letztlich den Wettbewerb beseitigt. Innerhalb der Gleichheitsrechte steht der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Gleichheitssatz im Vordergrund. Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt eine inhaltliche Rechtsgleichheit in dem Sinne, daß gleiche Tatbestände gleich, ungleiche Sachverhalte ihrer Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln sind177• Dies betrifft sowohl die Rechtsetzungs- als auch die Rechtsanwendungsgleichheit. Das Gebot der Chancengleichheit zählt zu den besonderen Ausprägungen der Rechtsgleichheit, die aus dem allgemeinen Gleichheitssatz herausgearbeitet worden sind178• Dieser Grundsatz erfaßt alle wettbewerblieh strukturierten Freiräume des Gemeinschaftslebens und damit auch den publizistischen Wettbewerb der Printmedien. Er bezieht sich aber nur auf die rechtliche Ausgangssituation der Beteiligten und den Ablauf des Konkurrenzkampfes. Demgegenüber wird das Wettbewerbsergebnis der inhaltlichen Steuerung des Gleichheitssatzes entzogen179• Dies ist unvermeidlich, wenn die Konkurrenz als fortwährender Prozeß der Neubildung und Erosion von Macht charakterisiert wird. Wettbewerbsimmanente Machtpositionen können nicht durch Gleichheitsargumente nivelliert werden. Der 176 Diese Verknüpfung wird im Bereich des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs durchweg anerkannt. Siehe etwa R. Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 125. Ähnlich R. Scholz, NJW 1969, S. 1045; ders., Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 148. 1n Vgl. nur BVerfGE 42, 64/72; E 71,255/272.

178 179

Allgemein dazu G. Robbers, DÖV 1988, S. 757 f. Ebenso G. Robbers, DÖV 1988, S. 757; A. Bleckmann, DIT 55, D 81.

214

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Grundsatz der Chancengleichheit garantiert zudem nur die Gleichheit im Recht und nicht die Gleichheit rein tatsächlicher Chancen180• Er muß daher im Einzelfall gegenüber gesellschaftspolitischen Forderungen nach Chancengleichheit abgegrenzt werden. Diese stützen sich auf soziale Denkansätze und erstreben eine Nivellierung faktischer Ungleichheiten, negieren dabei aber auch individuelle Leistungsunterschiede. Der Grundsatz der Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet prinzipiell alle staatlichen Eingriffe in einen freien Wettbewerb, welche die rechtliche Ausgangssituation einzelner Beteiligter verändern und die daraus resultierende Chancenverteilung verfälschen181 • Staatliche Instanzen müssen bei der Rechtssetzung und-anwendungeine weitgehende Wettbewerbsneutralität wahren. Das Gebot der Chancengleichheit wirkt jedoch nicht strikt egalitär. Es gestattet sachgerechte Differenzierungen, denen keine willkürlichen Erwägungen zugrundeliegen. Aus diesem Grund kann der Staat beispielsweise durch Maßnahmen der Wirtschaftslenkung auf den allgemeinen ökonomischen Wettbewerb einwirken182• Unschädlich ist, wenn durch derartige Reglementierungen die Wettbewerbschancen des einzelnen Unternehmersam Markt und damit die Wettbewerbslage verändert werden. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG scheidet aus, sofern die betreffenden Maßnahmen durch das öffentliche Wohl geboten sind und schutzwürdige Interessen der Mitbewerber nicht willkürlich vernachlässigt werden183• Etwas anderes gilt in dem hier interessierenden Zusammenhang. Im Bereich des publizistischen Wettbewerbs wird die Auswahl sachgemäßer Differenzierungskriterien durch die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Wertentscheidungen begrenzt. Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat zur Neutralität gegenüber kommunikativen Aktivitäten und damit auch gegenüber geistigen Wettbewerbsprozessen184• Bereits die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG, die sonderrechtliche Beschränkungen der Pressefreiheit weitgehend ausschließt, verdeutlicht diese Neutralitätsverpflichtung. Demzufolge 180 Dies unterstreicht R. Scholz, NJW 1969, S. 1044; ders., Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 147 f. 181 Vgl. M Gubelt, in: von Münch, GO-Kommentar, Bd. 1, Art. 3, RdNr. 55; R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 148. 182 Dazu BVerfGE 4, 7/19; M. Gubelt, in: von Münch, GO-Kommentar, Bd. 1, Art. 3, RdNr. 55; R. Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 132. 183 Grundlegend BVerfGE4, 7/19.

184

Ausführlich zur Neutralitätsverpflichtung des Staates unten 3. Teil, 6. Abschn., II.

3. Abschn.: Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

215

unterliegt der Gestaltungsspielraum staatlicher Instanzen bei der Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG im publizistischen Bereich weitergehenden Restriktionen als im Wirtschaftsleben, da die allgemeinen Wirtschaftsfreiheiten keine derart umfassende Verpflichtung zur Wettbewerbsneutralität beinhalten. Der Staat ist zu einer weitgehend schematischen Gleichbehandlung der am publizistischen Konkurrenzkampf beteiligten Grundrechtsträger verpflichtet. Dies betrifft besonders die Bereiche, in denen der Staat die Rahmenbedingungen der geistigen Konkurrenz statuiere85• Demzufolge können publizistisch motivierte Erwägungen keine marktordnenden Maßnahmen rechtfertigen, die einzelne Konkurrenten auf Kosten ihrer Mitbewerber bevorzugen. Umgekehrt dürfen einzelne Wettbewerber auch nicht zugunsten ihrer Rivalen benachteiligt werden. Derartige Wettbewerbsverzerrungen, die die kommunikativen Entfaltungschancen der Beteiligten verkürzen, sind mit dem aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar.

111. Chancengleichheit im publizistischen Wettbewerb Die grundrechtlich verbürgte Chancengleichheit zählt zu den unabdingbaren Strukturelementen der publizistischen Konkurrenz der Printmedien.

1. Publizistische Entfaltungsfreiheit und Chancengleichheit Sie besitzt eine grundlegende Bedeutung für die geistige Entfaltungsfreiheit der am Meinungsmarkt bereits etablierten Kommunikationsträger. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet in diesem Zusammenhang, daß die betreffenden Pressetätigen zu gleichen rechtlichen Bedingungen am geistigen Konkurrenzkampf teilnehmen können. Entscheidend ist, daß alle Wettbewerber formal die gleiche Chance erhalten, eine wettbewerbsimmanente Führungsposition aufzubauen, indem sie im Vergleich zu ihren Konkurrenten den Lesern bessere Leistungen zur Befriedigung ihrer vielfältigen Erwartungen und Interessen unterbreiten. Die aus dem Grundsatz der Chancengleichheit folgende Neutralitätsverpflichtung des Staates verwehrt diesem die Möglichkeit, Aufbau und Ero185

Dies unterstreicht Ch. Degenhart, AfP 1987, S. 656; ders., ZUM 1987, S. 599 FN 66.

216

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

sion wettbewerbsimmanenter publizistischer Machtpositionen durch die einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Konkurrenten zu beeinflussen. Der Wechsel der Führungspositionen in der geistigen Auseinandersetzung bleibt dem ordnenden Zugriff des Staates entzogen. Das Gebot der Chancengleichheit muß bei allen staatlichen Aktivitäten beachtet werden, welche den geistigen Konkurrenzkampf der Printmedien unmittelbar berühren. Als Beispiel sei hier nur die Informationspolitik staatlicher Stellen genannt. Informieren diese aus eigenem Antrieb die Presse über Vorgänge aus ihrem Zuständigkeitsbereich, sind sie bei der Auswahl der Gesprächspartner an den Gleichheitssatz gebunden186• "Die öffentliche Hand muß eine neutrale Informationsstelle sein"187• Deshalb müssen die fraglichen Mitteilungen alle interessierten Journalisten hinsichtlich Zeitpunkt, Umfang und Inhalt in gleicher Weise zugänglich gemacht werden188• Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur in den Fällen gerechtfertigt, in denen der fachspezifische Charakter der Auskunft eine Eingrenzung des zu informierenden Personenkreises gebietee89• Demzufolge kann die öffentliche Hand den publizistischen Wettbewerb der Printmedien nicht dadurch beeinflussen, daß sie die kritische publizistische Haltung eines Kommunikationsträgers mit dem Ausschluß von jeglicher Auskunftserteilung sanktioniert. Dem Staat ist es weiterhin verwehrt, einzelne wohlgefällige oder politisch nahestehende Presseerzeugnisse bei der Informationsvergabe zu begünstigen oder mißliebige zu benachteiligen190• Derartige Verhaltensweisen sind mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar und verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die aus dem Gebot der Chancengleichheit abgeleitete strikte Neutralitätspflicht muß auch bei den staatlichen Maßnahmen berücksichtigt werden, die vordergründig wirtschaftliche Aspekte der Pressetätigkeit berühren, sich

186 187 188

Vgl. dazu M. Löffler, Presserecht I,§ 4 LPG, RdNm. 122 ff. BVerwGE47, 247/254.

Ähnlich VG Berlin v. 12. 9. 84, AfP 1985, S. 78. Ein spezieller Teilaspekt des Gleichbehandlungsprinzips wird in den Landespressegesetzen teilweise ausdrücklich geregelt. Danach kann der Verleger eines periodischen Druckwerkes von den Behörden verlangen, daß ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zugeleitet werden. Siehe etwa § 4 Abs. 4 BeriPresseG; § 4 Abs. 4 BremPresseG; § 4 Abs. 4 HmbPresseG; § 4 Abs. 4 NWPresseG. 189 Dazu BVerwGE47, 247/254 f.

190

Vgl. VG Berlin v. 12. 9. 84, AfP 1985, S. 78.

3. Abschn.: Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

217

wegen des aufgezeigten Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie191 aber auch auf der Ebene des publizistischen Wettbewerbs auswirken. Aus diesem Grund muß beispielsweise die Deutsche Bundespost in ihrer Eigenschaft als Inhaberin eines staatlichen Übermittlungsmonopols ihre Einrichtungen allen darauf angewiesenen Presseunternehmungen zu grundsätzlich gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen. Soweit die miteinander konkurrierenden Verlagsunternehmen gleichartige Leistungen in Anspruch nehmen, sind wettbewerbsverzerrende Differenzierungen im Gebührensystem unzulässig192• Die Wettbewerbsneutralität muß schließlich auch bei der Subventionierung von Presseerzeugnissen gewahrt werden. Presseunternehmen können nur dann am geistigen Konkurrenzkampf teilnehmen, wenn sie wirtschaftlich lebensfähig sind. Soll diese Vorbedingung staatlicherseits gesichert werden, darf dabei nicht in wettbewerbsverzerrender Weise in die geistige Auseinandersetzung der Printmedien eingegriffen werden193• Staatliches Mäzenatentum rechtfertigt keinen Kulturdirigismus. Maßnahmen, die allen Konkurrenten gleichermaßen zugute kommen, sind unproblematisch, da wettbewerbsneutrat Als Beispiel sei hier nur der Postzeitungsdienst genannt, dessen Gebühren die Unkosten nicht decken194• Demgegenüber bewirken gezielte Förderungsmaßnahmen für einzelne Konkurrenten Wettbewerbsverzerrungen, da sie die Wirkung der Kaufentscheidung der Leser verfälschen, deren Steuerungsfunktion unterlaufen und paralysieren und sich damit zugleich auf die publizistische Auseinandersetzung auswirken. Eine direkte und gezielte Subventionierung einzelner Presseorgane ist daher verfassungsrechtlich unzulässig195•

191 192

Oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

Ebenso LG Stuttgart v. 24. 3. 82, NJW 1983, S. 1125 hinsichtlich der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung von Nachrichtenagenturen bei Bildübertragungen; vgl. auch BayVGH v. 7.3.86, AfP 1986, S. 256 ff. zum Gebot der Gleichbehandlung im Postzeitungsdienst. 193 Ähnlich BVerfGE 74, 297/336; E. v. 6. 6. 89, DVBI. 1989, S. 870.

194

RdNr. 56. 195

Vgl. M. Bullinger, in: lsensee

I

Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142,

Gegen eine gezielte Subventionierung wenden sich auch Ch. Degenlrart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 449; E. Kldl, AfP 1973, S. 522 f.- A. A. H. E/Jmlre, Festschrift für A. Arndt, S. 96; N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 80 f.

218

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

2. Zugangsfreiheit und Chancengleichheit Der Grundsatz der Chancengleichheit beeinflußt den grundrechtlich verbürgten publizistischen Wettbewerb zwischen den am Meinungsmarkt bereits etablierten Kommunikationsträgem. Daneben besitzt er aber auch eine grundlegende Bedeutung für die Marktzutrittsmöglichkeiten potentieller Wettbewerber. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt den Zugang zur geistigen Konkurrenz in einem allumfassenden Sinn196• Bei der Aktualisierung dieser Garantieaussage muß die Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt werden. Der Gleichheitssatz gebietet in diesem Zusammenhang, daß potentielle Wettbewerber zu gleichen rechtlichen Bedingungen am geistigen Konkurrenzkampf teilnehmen können. Entscheidend ist, daß ihnen die gleichen Entfaltungschancen bei der kommunikativen Freiheitsbetätigung eingeräumt werden, wie sie den am Meinungsmarkt bereits etablierten Anbietern zuteil werden197• Zugleich muß aber auch im Verhältnis der den Marktzutritt erstrebenden Konkurrenten untereinander die Chancengleichheit bei der Aufnahme einer wettbewerbsorientierten publizistischen Freiheitsbetätigung gewährleistet sein198• Die personelle Offenheit des geistigen Wettbewerbs kann auf Dauer nur dann sichergestellt werden, wenn allen potentiellen Anbietern relativ gleiche Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Sie bedürfen einer gesicherten Rechtsposition, um sich am Markt der geistigen Freiheiten zu etablieren. Chancengleichheit bedeutet in diesem Zusammenhang Startgleichheit im Sinne gleicher rechtlicher Ausgangsbedingungen bei der Realisierung individueller geistiger Wettbewerbsfreiheie99• Die Wettbewerbsbedingungen müssen prinzipiell gleich gestaltet sein, damit die gleiche Freiheit zur publizistischen Entfaltung besteht200• Dies betrifft in erster Linie den geistigen Konkurrenzkampf, gilt wegen der Wechselbeziehungen zwischen Publizistik und Ökonomie aber auch für den wirtschaftlichen Wettbewerb der 196 197

Ausführlich dazu oben 3. Teil, 2. Abschn., II.

Siehe etwa BVerfGE 74, 297/340, 341, 345: Das Gericht unterstreicht die Pflicht des Gesetzgebers, öffentlich-rechtliche und private Rundfunkprogramme auch jenseits der Grundversorgung zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zuzulassen. 198 Vgl. M. Bullinger, AöR 108 (1983), S. 185. Dieser Teilaspekt der Chancengleichheit

wird deneil vor allem beim Zugang zum privaten Rundfunk aktuell. Dazu BVerfGE 57, 295/327, 329; E 73, 118/153 f.; Ch. Degenhan, ZUM 1987, S. 597.

199 200

Allgemein dazu von Mangoldt I Klein I Starck, Art. 3, RdNm. 28 f. Ähnlich M. Bullinger, JZ 1987, S. 929.

3. Abschn.: Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

219

Kommunikationsträger. Die kommunikative bewirkt zwangsläufig die wirtschaftliche Chancengleichheit der Presseschaffenden2e11 • Die Startgleichheit verlangt gleiches Recht und ist deshalb notwendigerweise differenzierungsfeindlich. Diese Tendenz wird durch die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Wertentscheidungen verstärkt. Demzufolge verpflichtet das Gebot eines chancengleichen Zugangs zur Pressetätigkeit die Träger öffentlicher Gewalt zu einer weitgehend schematischen Gleichbehandlung aller am publizistischen Konkurrenzkampf beteiligten Grundrechtsträger. Staatliche Instanzen dürfen bei ihren wettbewerbsorientierten Aktivitäten keinesfalls zwischen etablierten und neuen Konkurrenten differenzieren. Der Staat darf keine künstlichen Marktzutrittsbarrieren errichten, welche die Entfaltungsmöglichkeiten potentieller Wettbewerber beschränken und ihren etablierten Gegenspielern eine Vorzugsstellung einräumen, die deren Marktposition festigt. Deshalb kann beispielsweise die Teilnahme an Informationsveranstaltungen nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Betreffende eine entsprechende Pressetätigkeit während eines Mindestzeitraums ausgeübt hat. Keinesfalls dürfen nur Vertreter anerkannter Publikationen Einladungen für derartige Veranstaltungen erhalten. Grundsätzlich müssen alle interessierten Presseschaffenden in gleicher Weise berücksichtigt werden. Das Gebot der Startgleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nicht nur staatliche Aktivitäten, die einem chancengleichen Zugang zum Wettbewerb entgegenwirken. Dem Staat ist es zugleich verwehrt, die von etablierten Konkurrenten geschaffenen Zugangsbarrieren stillschweigend zu sanktionieren. Marktstarke Kommunikationsträger neigen dazu, ihr publizistisches Angebot derart zu verbreitern, daß der Zugang neuer Anbieter erschwert oder unmöglich gemacht wird. Potentielle Konkurrenten werden auf diese Weise vom Markt der geistigen Freiheiten femgehalten. Diese Verhaltensweise darf der Staat nicht dadurch fördern, indem er derartige Konzentrationstendenzen noch durch die Gewährung von Größenvorteilen fördert2Cl2. Daher widerspricht es beispielsweise dem Grundsatz der Chancen-

201

Dies betont Ch. Degenhatt, ZUM 1987, S. 598, für den geistigen und wirtschaftlichen Wettbewerb im Bereich des Rundfunks. 202 M. Bullinger, in: Isensee f Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 155, bezeichnet es als eine Aufgabe staatlicher Gesetzgebung, einer übermäßigen Konzentration der Anbieter entgegenzuwirken.

220

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

gleichheit, wenn die Möglichkeit, den kostengünstigen Postzeitungsdienst zu nutzen, allein auflagenstarken Großanbietern eingeräumt wird.

IV. Grundgesetz, faktische Wettbewerbsgleichheit und Chancenausgleich Das Gebot der Chancengleichheit verpflichtet den Staat zur Neutralität gegenüber kommunikativen Aktivitäten und damit gegenüber geistigen Wettbewerbsprozessen. Offen blieb bislang, ob dieser Grundsatz über die Forderung nach Rechtsgleichheit hinausgehend die öffentliche Gewalt zu einer Korrektur bestehender Ungleichgewichte im Wettbewerb zwingt. Fraglich ist daher, ob der Staat unter Umständen gehalten ist, den faktischen Wettbewerbsvorsprung einzelner Kommunikationsträger zu nivellieren, um schwächeren Konkurrenten adäquate Entwicklungsmöglichkeiten im Konkurrenzkampf zu eröffnen. Chancengleichheit bedeutet jedoch nicht, daß alle Teilnehmer am publizistischen Wettbewerb absolut gleiche Ausgangsbedingungen erhalten müssen. Die grundrechtlich verbürgte geistige Konkurrenz wird allein mittels der individuellen Kräfte der im Pressewesen Tätigen geführt. Eine numerische Gleichheit der Wirkungschancen ist dem Wettbewerb fremd. Jedermann kann "seine Tatkraft, sein Vermögen und sein Einkommen grundsätzlich frei dazu nutzen, um durch eigene publizistische Tätigkeit ... gesteigerten Einfluß ... zu gewinnen"203• Deshalb ist eine aus der gleichen Freiheit erwachsende tatsächliche Ungleichheit eine unvermeidliche Folge des mit dem Wettbewerbsmodell verknüpften Leistungsprinzips204• Divergierende Wettbewerbsergebnisse sind die Konsequenz der freien Entfaltung unterschiedlicher intellektueller Begabungen, differierender publizistischer Leistungen und einer ungleichen Einsatzbereitschaft der Beteiligten. Derartige Unterschiede sind legitim, falls sie auf individuellen Leistungsunterschieden bei gleichen rechtlichen Ausgangsbedingungen beruhen. Sie können daher nicht 203 149. 204

M. Bullinger, in: lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr.

Ähnlich für den Bereich des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs R Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 149: "Die Gleichheit oder Ungleichheit von Chancen ist also das typische Ergebnis der wettbewerblieh ausgeübten Wirtschaftsfreiheit".

3. Abschn.: Chancengleichheit auf dem Markt der geistigen Freiheiten

221

durch Gleichheitsargumente relativiert werden, ohne gleichzeitig die grundrechtlich garantierte individuelle Wettbewerbsfreiheit zu negieren20S. Demzufolge sind staatliche Restriktionen, welche die realen Wirkungschancen leistungsschwacher Kommunikationsträger dadurch zu erhalten suchen, indem sie die Entfaltungsfreiheit erfolgreicher Konkurrenten zwangsweise beschneiden, mit den Grundrechten letzterer unvereinbar. Sie widersprechen der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten geistigen Wettbewerbsfreiheit Die Pressefreiheit gewährt jedermann die Möglichkeit, sich durch freie Leistungskonkurrenz am Meinungsmarkt durchzusetzen. Mit der Wettbewerbsfreiheit wird zugleich das Bestreben zum Auf- und Ausbau publizistischer Machtpositionen geschützt206• Da Art. 5 Abs. 2 GG sonderrechtliehe Beschränkungen der Pressefreiheit ausschließt, ist es dem Staat verwehrt, den wettbewerbsimmanenten Machtvorsprung eines Kommunikationsträgers dadurch zu beseitigen, daß diesem der Einsatz seiner Kräfte im publizistischen Konkurrenzkampf erschwert wird. Einem derartigen Vorgehen steht daneben auch Art. 3 Abs. 1 GG entgegen. Eine Nivellierung tatsächlicher Ungleichgewichte durch Niveauabsenkung widerspricht dem Sinngehalt des Gleichheitssatzes207, da dieser keine Gleichheit auf dem niedrigsten Niveau bezweckt. Reglementierungen der Wettbewerbsfreiheit zur Verwirklichung einer faktischen Wettbewerbsgleichheit sind von vornherein ausgeschlossen. Damit stellt sich die Frage, ob das Grundgesetz dem Staat zumindest einen tatsächlichen Chancenausgleich dergestalt gebietet, daß schwächeren Konkurrenten mittels staatlicher Hilfen die Teilnahme am publizistischen Wettbewerb erleichtert werden muß. Eine derartige Verpflichtung kann aber aus dem Grundgesetz nicht hergeleitet werden. Dies betrifft in erster Linie die Pressefreiheit. Dieses Grundrecht gewährt nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich keine originären Teilhaberechte208• Eine Ausnahme kann nur dann 205 Siehe dazu M. Bullinger, in: Isensee f Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 151; G. Robbers, DÖV 1988, S. 757. 206 Dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1. 207 Dies unterstreicht W. Schmitt Glaeser, BayVBI. 1985, S. 105; ders., DÖV 1987, S. 841. 208 Vgl. nur Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 449; ders., AfP 1987, S. 659; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 110 FN 13; R. Scholz, in: Löffler, Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 74. Allgemein dazu Ch. Starck, JuS 1981, S. 241.

222

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

in Betracht gezogen werden, wenn staatliche Leistungen unerläßlich sind, da die Grundrechtsträger ohne staatliche Hilfe von ihrer Freiheit keinen Gebrauch mehr machen können. Die Ausübung eines Grundrechts muß schlechthin nicht nur für einzelne Grundrechtsträger in Frage gestellt sein:1D9. Eine derartige Ausnahmesituation läßt sich aber trotz Konzentrationstendenzen bei den Tageszeitungen angesichts der Vielfältigkeit des Pressewesens derzeit nicht feststellen. Daher können die Presseschaffenden beispielsweise keinen Anspruch auf Kostendeckung geltend machen. Der Staat ist nicht verpflichtet, weniger leistungsfähige Anbieter durch Geldzuwendungen aus den Mitteln des Staatshaushalts zu stützen und auf diese Weise ihre publizistische Wettbewerbsfähigkeit mittelbar zu fördern. Eine derartige Pflicht folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz fordert grundsätzlich die rechtliche, nicht aber die tatsächliche Gleichstellung der Betroffenen. Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt nicht, daß der Staat vorhandene individuelle Stärken oder Schwächen und die daraus resultierende faktische Divergenz der Wettbewerbschancen ausgleiche10. Eine derartige Nivellierung tatsächlicher Unterschiede im Leistungsvermögen der Wettbewerber ist vor dem Hintergrund der grundrechtlich verbürgten Wettbewerbsfreiheit sogar verfassungsrechtlich bedenklich. Jede staatlich garantierte reale Chancengleichheit birgt die Gefahr in sich, daß die für das Wettbewerbsmodell charakteristische freie Auseinandersetzung zum Erliegen komme11 • Eine absolute Gleichheit beseitigt die natürlichen Antriebskräfte der Konkurrenz und lähmt deren Auslesefunktion, da der Anreiz für eine wettbewerbsorientierte Freiheitsbetätigung fehlt. "Absolute Chancengleichheit ist daher mit Wettbewerb unvereinbar. Sind die Chancen derart gleichmäßig verteilt, daß sich keiner mehr hervortun kann, schläft der Wettbewerb ein"212• Demzufolge läßt sich ein Anspruch auf staatliche Leistungen allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten derivativen Teilhabeanspruchs 209 210

So ausdrücklich R Breuer, in: Festgabe Bundesverwaltungsgericht, S. 99.

Diesen Umstand hat auch das BVerfG in seiner Rechtsprechung zum politischen Wettbewerb der Parteien immer wieder herausgestellt. Siehe etwa BVerfGE 8, 51ILS 3; E 14, 1211134; E 24, 3001344; E 41, 3991414; E 52, 63189; E 69,921109.

211

212

Darauf weist auch M. Bullinger, JZ 1987, S. 260, hin.

H. Amdt, in: Cox I Jens I Marker!, Handbuch des Wettbewerbs, S. 75 FN 9.

4. Abschn.: Die Entscheidungskompetenz der Wettbewerber

223

als Teilhabe an einem bestehenden Leistungssystem begründen213• Wenn der Staat allen Presseunternehmen steuerliche oder gebührenmäßige Vergünstigungen gewährt, darf kein Wettbewerber ohne sachlichen Grund von dieser Leistung ausgeschlossen werden. Andernfalls steht dem Betroffenen über Art. 3 Abs. 1 GG ein Teilhabeanspruch zu. Derartige Vorteile, die allen Kommunikationsträgem zuteil werden, sind aber gerade wettbewerbsneutral und bewirken keinen Ausgleich realer Leistungsunterschiede. Sie ändern nichts an der wettbewerbsimmanenten faktischen Chancenungleichheit

4. Abschnitt

Die Entscheidungskompetenz der Wettbewerber auf dem Markt der geistigen Freiheiten I. Wettbewerb und Selbstbestimmung Der publizistische Wettbewerb der Printmedien manifestiert sich in einer Sequenz von geistigen Aktivitäten, die durch bestimmte Impulse ausgelöst werden und ihrerseits neue Impulse auslösen. Der dynamische Charakter der geistigen Konkurrenz äußert sich in einem fortdauernden Auf- und Abbau publizistischer Machtpositionen. Dieser Prozeß setzt neben der Handlungsfreiheit der miteinander konkurrierenden Kommunikationsträger zugleich deren Selbstbestimmung bei der vorangehenden Planung ihrer Wettbewerbsmaßnahmen voraus. Die Unabhängigkeit im Rahmen der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte wettbewerbliehe Betätigung kennzeichnet einen wesentlichen Aspekt geistiger Wettbewerbsfreiheit Entscheidend ist, daß jeder Anbieter die wettbewerbsrelevanten Grundentscheidungen eigenständig und unbeeinflußt von staatlichen oder nichtstaatlichen Kräften treffen und verwirklichen kann214• Dies betrifft alle Entschlüsse, die sich auf den Inhalt und die geistig-ideelle Grundrichtung der miteinander konkurrie213

Allgemein dazu K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 289; ders., in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 96; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 3, RdNr. 100. 214 Vgl. für den Bereich des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 27. Besonders deutlich E. Hoppmann, Zum Problem einerwirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 33 f., der ausdrücklich zwischen einer inneren und äußeren Freiheit unterscheidet.

224

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

renden Presseerzeugnisse auswirken können und damit letztlich über deren Erfolg oder Mißerfolg bei den Lesern entscheiden. Die Entschließungsfreiheit der Konkurrenten zählt schon wegen der besonderen Eigenarten jeder Kommunikationsleistung zu den unabdingbaren Strukturelementen auf dem Markt der geistigen Freiheiten. Im Gegensatz zu gegenständlichen Leistungen beziehen immaterielle, wozu auch die von den Printmedien verbreiteten Geistesinhalte zu rechnen sind, ihre Identität aus der Persönlichkeit des Kommunikationsträgers21S. Sie sind an die Person ihres jeweiligen Erzeugers gebunden, da ihr Wesen entscheidend durch dessen persönliche geistige Kapazitäten beeinflußt wird. Intellektuelle Überlegenheit, argumentative Durchsetzungskraft und andere persönlichkeitsbezogene Kriterien geben den Presseinhalten erst ihre eigentliche Gestalt. Der Einfluß derartiger höchstpersönlicher Faktoren ist ein konstituierendes Merkmal der geistigen Konkurrenz. Deshalb muß die Entschließungsfreiheit der Konkurrenten von allen Fremdeinflüssen, die eine Fremdbestimmung nach sich ziehen, freigehalten werden. Ein Kommunikationsträger kann gegenüber seinen Mitbewerbern nur dann einen wettbewerbsimmanenten, weilleistungsbedingten temporären Vorteil erlangen, wenn er sein geistiges Potential aufgrundseiner freien Entscheidung ungehindert einsetzen kann, um erfolgversprechende Initiativen zu entwickeln. Jeder externe oder interne Einfluß auf das Zustandekommen wettbewerbsrelevanter Grundsatzentscheidungen nimmt den Presseschaffenden nicht nur die Möglichkeit, ihr Wettbewerbsverhalten frei zu bestimmen, sondern immunisiert sie zugleich auch gegen den kommunikativen Einfluß der Rezipienten. Sie können ihr publizistisches Angebot nicht am Kommunikationsbedarf der Empfänger ausrichten, wenn staatliche oder nichtstaatliche Kräfte bereits die Entscheidung über den Einsatz der Wettbewerbsparameter und damit letztlich den Inhalt der Presseerzeugnisse bestimmen. Derartige Abhängigkeiten stellen das für die Funktionsfähigkeit der publizistischen Konkurrenz unentbehrliche Anreiz- und Sanktionssystem in Frage. Damit verkürzen sie zugleich den Entscheidungsspielraum der Rezipienten216• Diese können Verlauf und Richtung des Wettbewerbsprozesses nur dann durch ihr nutzenori215

Allgemein zu dieser Eigenart immaterieller Leistungen bereits oben 1. Teil, 3. Abschn., II, 1.

216 Ähnlich R. Scholz, Festschrift für Löffler, S. 371 f., der darauf hinweist, daß auch die Forderung nach innerer Pressefreiheit den publizistischen Wettbewerb letztlich dem steuernden Einfluß der Leser entzieht.

4. Abschn.: Die Entscheidungskompetenz der Wettbewerber

225

entiertes Informationsaufnahmeverhalten steuern, wenn ihre Zustimmung oder Ablehnung gegenüber bestimmten Presseinhalten unmittelbar und in vollem Umfang auf den Kommunikationsträger durchschlägt. Jede Fremdbestimmung auf der Anbieterseite birgt die Gefahr in sich, daß der Wille der Leser vernachlässigt wird, indem deren Kommunikationswünsche nicht zur Kenntnis genommen werden. Dies führt im Extremfall dazu, daß die Wettbewerber an den Wünschen und Interessen der Rezipienten vorbeiproduzieren. In diesem Zusammenhang darf zudem nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Selbstbestimmungsrecht der Anbieter das notwendige Gegenstück der wettbewerbsimmanenten Risiken bildet. Jeder Wettbewerber trägt die Gefahr der Vergeblichkeit seiner publizistischen und wirtschaftlichen Dispositionen. Der Wettbewerb gewährt eine mit allen Risiken behaftete Betätigungschance, nicht aber den Erfolg der Beteiligten. Das mit der wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung verbundene Wagnis kann den Kommunikationsträgem aber nur dann zugemutet werden, wenn sie die wettbewerbsrelevanten Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen können. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stehen in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit und können demnach nicht voneinander getrennt werden217• Schließlich muß das Gebot der Unabhängigkeit in der Entscheidungsfmdung vor dem Hintergrund des für eine Demokratie unabdingbaren freien Willensbildungsprozesses gesehen werden. An diesem Kommunikationsprozeß sind neben anderen Kräften des Gemeinschaftslebens auch die Presseorgane beteiligt. Deren Mitwirkung "setzt die Existenz einer relativ großen Zahl selbständiger, vom Staat unabhängiger und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierender Presseerzeugnisse voraus ..."218• Entscheidend ist, daß die Kommunikationsträger ihre wettbewerbsrelevanten Entscheidungen ungehindert treffen können, da nur unter dieser Voraussetzung eine Konkurrenz inhaltlich divergierender Veröffentlichungen entsteht. Jede Fremdbestimmung birgt die Gefahr in sich, daß pluralistische Initiativen und Alternativen von vornherein von der freien geistigen Auseinandersetzung ausgeschlossen wer217

Diese Wechselbeziehung wird in der Lehre immer wieder herausgestellt. Siehe etwa

Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 387; von Mangoldl

Starck, GG, Art. 5, RdNr. 59. 218 BVerl'GE 52, 283/296.

I

Klein

I

226

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

den. Gerade dies aber widerspricht der Konzeption des zur öffentlichen Meinung führenden Kommunikationsprozesses.

II. Publizistischer Wettbewerb, freie Selbstbestimmung und Pressefreiheit Der publizistische Wettbewerb der Printmedien kann nur dann ent- und fortbestehen, wenn die freie Selbstbestimmung der miteinander konkurrierenden Kommunikationsträger nicht nur faktisch respektiert, sondern auch verfassungsrechtlich garantiert wird. Zu klären ist daher, ob und inwieweit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben der grundrechtlich geschützten wettbewerbsorientierten Handlungsfreiheit auch die Entschließungsfreiheit der Presseschaffenden verbürgt. Dabei geht es in erster Linie um die Entschlüsse, welche sich auf den Inhalt und die geistig-ideelle Grundhaltung der miteinander konkurrierenden Presseerzeugnisse auswirken können. Entscheidungen, die im wesentlichen nur den wirtschaftlichen Wettbewerb der Kommunikationsträger berühren, bleiben hier außer Betracht. 1. Tendenzautonomie und innere Pressefreiheit Die Selbstbestimmung der Konkurrenten wird in besonders starkem Ausmaß durch unmittelbare Einwirkungen auf den Prozeß der Entscheidungsfmdung beeinträchtigt. Dieser Gefahr wirkt das Grundrecht der Pressefreiheit dadurch entgegen, daß es die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte publizistische Linie vor staatlichen Restriktionen schützt. Es ist allgemein anerkannt, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als besondere Ausprägung der geistigen Entfaltungsfreiheit auch die Tendenzautonomie der Kommunikationsträger garantiere19• Jeder Grundrechtsträger kann eine Publikation herausgeben, die "inhaltlich seinen Überzeugungen entspricht"220•

219

Vgl. nur BVerfGE 52, 283/296; E 59, 231/258; M. Bullinger, in: lsensee /Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 23; J. Kaiser, Presseplanung, S. 44; P. Lerche, Presse, Pressefreiheit, in: EvStL, Sp. 2627; B. Rüthers, AfP 1974, S. 544 f.; a. A. offenbar D. Bensehe / M. Kilmer, ZRP 1972, S. 178. 220 E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 34.

4. Abschn.: Die Entscheidun~kompetenz der Wettbewerber

227

Die Tendenzfreiheit erfaßt in erster Linie die publizistische Betätigung der Presseschaffenden. Sie schützt alle Entscheidungen, die der Veröffentlichung und Verbreitung geistiger Inhalte vorausgehen. Dazu zählen alle wettbewerbsrelevanten Grundsatzentscheidungen, welche die allgemeine publizistische Grundrichtung des Presseerzeugnisses festlegen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt jedermann das Recht, ein Presseorgan zu gründen und dessen Wirkungsbereich und Grundeinstellung zu bestimmen. Das Grundrecht überläßt es der individuellen Beliebigkeil jedes Wettbewerbers, die publizistische Grundhaltung des Presseerzeugnisses festzulegen, beizubehalten, zu ändern und schließlich in Aussage und Gestaltung der Veröffentlichungen zu verwirklichen221 • Die Tendenzfreiheit erfaßt aber nicht nur die wettbewerbsrelevanten Grundsatzentscheidungen. Sie schützt zugleich die Entschließungsfreiheit im konkreten Einzelfall. Die Presseschaffendeo können den Inhalt ihrer Publikation und damit ihr publizistisches Angebot ungehindert festlegen. Es steht ihnen fre~ die geistig-ideelle Zielsetzung des Presseerzeugnisses auch bei einzelnen Beiträgen zur Geltung zu bringen. Die Pressefreiheit gewährt daher jedem Wettbewerber das Recht, seine persönlichen Interessen, Anschauungen und Wertvorstellungen in alle publizistischen Entscheidungen einfließen zu lassen. Die grundrechtlich verbürgte Tendenzautonomie erschöpft sich nicht im Schutz der publizistischen Entschließungsfreiheit. Sie sichert zugleich die freie Selbstbestimmung der Wettbewerber in denjenigen Bereichen der Pressetätigkeit, die in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der geistigen Kommunikation stehen. Ausschlaggebend ist dafür, daß eine Fremdbestimmung bei derartigen Aktivitäten die Entscheidungsfmdung in publizistischen Angelegenheiten mittelbar und verdeckt beeinflussen kann. Daher erfaßt die Tendenzfreiheit neben den publizistischen auch die wirtschaftlichen Grundsatzentscheidungen der Kommunikationsträger, da diese sich wegen des aufgezeigten Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie222 vielfach bei den Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte kommunikative Betätigung auswirken. Jeder Wettbewerber bedarf eines hinreichenden wirtschaftlichen Handlungsspielraums, um ein überzeugendes publizisti_sches Angebot zu verbreiten. Je weniger Finanzmittel zur Verfügung stehen, desto größer wird der determinierende Einfluß, den wirtschaftliche Krite221 Siehe dazu BVerfGE 52, ']}33/296; E 59, 231/258; von Mangoldt GG, Art. 5, RdNm. 45, 60. 222

Dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

I

Klein

I

Starck,

228

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

rien beim Zustandekommen von Willensentschlüssen im publizistischen Bereich zeitigen. Die Tendenzfreiheit sichert schließlich auch die freie Selbstbestimmung bei Organisationsentscheidungen, die sich auf den Inhalt und die geistig-ideelle Zielsetzung der miteinander konkurrierenden Publikationen auswirken können. Dazu gehören vor allem Personalentscheidungen. Diese besitzen eine maßgebliche Bedeutung für die Verwirklichung der publizistischen Autonomie, soweit sie sich auf Mitarbeiter beziehen, die bei der inhaltlichen Gestaltung der zu verbreitenden Geistesinhalte mitwirken. Die verfassungsrechtlich verankerte Tendenzautonomie garantiert die Entscheidungsfreiheit der Wettbewerber bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung dieser Mitarbeiter. Es steht ihnen frei, das Personal einzusetzen, mit denen sie ihre Ziele am besten verwirklichen können. Die Pressefreiheit schützt den publizistischen Wettbewerb der Printmedien in umfassender Weise gegen staatliche Restriktionen. Dies gilt auch für die Tendenzautonomie. Der Staat darf diese weder unmittelbar noch mittelbar beeinträchtigen223• Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbietet dem Staat, direkt auf die Tendenz der miteinander konkurrierenden Presseerzeugnisse einzuwirken. Daneben verwehrt ihm das Grundrecht aber auch die Möglichkeit, nichtstaatlichen Kräften durch rechtliche Regelungen einen entsprechenden Einfluß auf die Entschließungsfreiheit der Wettbewerber zu eröffnen. Daher darf weder irgendwelchen gesellschaftlich relevanten Gruppen noch der Belegschaft eines Presseunternehmens ein das Selbstbestimmungsrecht der Konkurrenten negierender Einfluß eingeräumt werden. Der verfassungsrechtlich verbürgte Tendenzschutz wirkt sich daher auch im Binnenbereich der Verlagsunternehmen aus. In diesem Zusammenhang schützt er die Entschließungsfreiheit der Unternehmensleitung vor tendenzbezogenen Einflußmaßnahmen der Belegschaft. Letztere besitzt keinen autonomen Handlungsspielraum, der ihr eine Mitwirkung bei allen wettbewerbsrelevanten Entscheidungen erlaubt. Dies gilt in erster Linie für das technische und kaufmännische Personal. Aus diesem Grund kann auch dem Betriebsrat eines Presseunternehmens staatlicherseits kein Mitbestimmungsrecht in Tendenzangelegenheiten gewährt werden224• In diesem Bereich steht dem Betriebsrat allenfalls ein Anhörungsrecht zu22S. Dieser Teilaspekt der Ten223

Dies unterstreichen BVerfGE 52, 283/296; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art.

5, RdNr.47.

224 225

Grundlegend BVerfGE 52, 283/298. Vgl. BVerfGE 52, 283/300. Bedenken äußert Ch. Degenhan, Bonner Kommentar,

4. Abschn.: Die Entscheidungskompetenz der Wettbewerber

229

denzautonomie wird auf der Ebene des einfachen Gesetzes durch § 118 BetrVG und § 1 Abs. 4 MitBestG umgesetzt226• Diese Bestimmungen beschränken den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes für Tendenzunternehmen227 und sichern auf diese Weise das Ent- und Fortbestehen der publizistischen Konkurrenz, indem sie die freie Selbstbestimmung der Wettbewerber gewährleisten. Die Tendenzautonomie der Verlagsleitung wird darüber hinaus aber auch gegen einen das Selbstbestimmungsrecht der Konkurrenten negierenden Einfluß der publizistischen Mitarbeiter geschützt. Damit ist die sogenannte "innere Pressefreiheit" der Journalisten und Redakteure angesprochen228• Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wird allen Personen zuteil, die bei der Erstellung und Verbreitung des Kommunikationsangebots produktiv mitwirken229. Im Außenverhältnis gegenüber dem Staat können daher auch Journalisten und Redakteure staatliche Interventionen in ihren Tätigkeitsbereich unter Berufung auf die Pressefreiheit abwehren. Sind mehrere Rechtsinhaber parallel betroffen, steht ihnen dieses Recht unabhängig voneinander zu. Davon sind die binnenstrukturellen Auswirkungen des Freiheitsrechts zu unterscheiden. Das arbeitsteilige Zusammenwirken mehrerer Personen bei der Erstellung des Kommunikationsangebots begründet für sich genommen keine direkte Geltung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Innenverhältnis der Verlagsunternehmen230. Im Verhältnis der Privatpersonen untereinander Art. 5 Abs. 1, 2, RdNm. 400 f. 226 Im Schrifttum besteht Übereinstimmung dahingehend, daß diese Normen zumindest in ihrem Grundgehalt der Disposition des Gesetzgebers entzogen sind. Siehe etwa Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 397; H.-J. Papier, Der Staat 18 (1979), S. 436; B. Rüthers, AfP 1974, S. 544; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 184.

227

Dieser Tendenzschutz wird aber nicht allen Verlagsunternehmen zuteil. Dazu im einzelnen Fitting I Auffarth I Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 118, RdNr. 16.

228

Ausführlich dazu P. Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte der inneren Pressefreiheit; M Löffler IR. Rkker, Handbuch des Presserechts, 38. Kapitel, S. 238 ff.; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, RdNm. 59 ff.; Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, RdNm. 387 ff.; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNm. 158 ff.

229

Dies entspricht allgemeiner Meinung, wenn auch die Ansichten hinsichtlich einzelner Tätigkeitsbereiche divergieren. Siehe etwa R. Groß, Presserecht, S. 49; W. Hoffmann-Riem I H. Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 23 f.; W. Kunerr, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 55; H.-1. Papier, Der Staat 18 (1979), S. 436 FN 89; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 47 f.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 93 f. 230 Vgl. nur von Mangoldt I Klein I Starck, Art. 5, RdNr. 60. Gegen eine Demokratisie-

230

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

können die Grundrechte keine direkte, sondern allein eine durch das Medium der das einzelne Rechtsgebiet beherrschenden Vorschriften vermittelte Geltung beanspruchen231 • Von Bedeutung sind hier vor allem die Bestimmungen des Individualarbeitsrechts. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den journalistischen Mitarbeitern in diesem Zusammenhang ein existentielles Mindestmaß an publizistischer Individualentfaltung und einen Minimalschutz journalistischer Gewissensfreiheit232• Insoweit statuiert die Pressefreiheit eine Mißbrauchsgrenze für die Ausübung des auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Direktionsrechts des Verlegers, ändert aber prinzipiell nichts an dessen Entscheidungskompetenz. Weitergehende Handlungsspielräume der Journalisten können im Arbeitsvertrag vereinbart, nicht aber durch Interventionen der öffentlichen Gewalt erzwungen werden. Dem steht das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Wettbewerber entgegen.

2. Der redaktionelle Geheimnisschutz Die freie Selbstbestimmung der Kommunikationsträger wird nicht nur durch unmittelbare Eingriffe in den Prozeß der Entscheidungsfmdung beeinträchtigt. Daneben kann auch die Offenlegung redaktionsinterner Vorgänge in der Öffentlichkeit die für den Wettbewerbsprozeß unentbehrliche Entscheidungsautonomie in Frage stellen. Die allseitige Transparenz interner Willensentschlüsse beseitigt das für jeden Wettbewerb und damit auch für die publizistische Konkurrenz konstitutive Unsicherheitsmoment233• Das Verhalten der betroffenen Wettbewerber wird vorhersehbar und damit berechenbar. Bei vollkommener Markttransparenz neigt aber kein Beteiligter zu einem innovativen Vorstoß, da er sich wegen der sofort einsetzenden Gegenmaßnahmen seiner Konkurrenten keinen temporären Wettbewerbsvorsprung aufbauen kann. Der redaktionelle Geheimnisschutz besitzt daher für rung der internen Organisation wenden sich auch E. Kuli, DÖV 1972, S. 453 ff., und H.-J. Pa-

pier, Der Staat 18 (1979), S. 434 ff. 231

Siehe zur Drittwirkung der Pressefreiheit im einzelnen unten 4. Teil, 2. Abschn., II, 2,a. 232 Ähnlich Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 39; E. Kuli, DÖV 1972, S. 453; von Mangold! I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 60; H.-1. Papier, Der Staat 18 (1979), S. 436 f.; R Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsvcrfassung. S. 100. 233 Siehe dazu auch oben 3. Teil, 2. Abschn., I.

4. Abschn.: Die Entscheidungskompetenz der Wettbewerber

231

die Funktionsfähigkeit wettbewerblieber Anpassungsprozesse eine elementare Bedeutung. Die Geheimhaltung redaktionsinterner Vorgänge zählt nicht nur zu den faktischen Erfordernissen der geistigen Konkurrenz. Sie genießt auch verfassungsrechtlichen Schutz. In Rechtsprechung und Lehre besteht mittlerweile Einigkeit dahingehend, daß der Garantiegehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch die sogenannte Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit erfaßt%J4. Dafür spricht in erster Linie der Gedanke des Quellenschutzes235• Der Schutz der Informationsquellen zählt zu den unerläßlichen Voraussetzungen der Pressetätigkeit Die Kommunikationsträger sind auf private Mitteilungen angewiesen. Diese werden aber nur dann ergiebig fließen, "wenn sich der Informant grundsätzlich darauf verlassen kann, daß das Redaktionsgeheimnis gewahrt bleibt"236• Deshalb birgt jede Transparenz redaktionsinterner Vorgänge die Gefahr des Versiegens privater Informationsquellen in sich. Das Vertrauen potentieller Informanten wird erschüttert, wenn sie mit einer Bekanntgabe ihrer persönlichen Daten rechnen müssen. Neben dem Quellenschutz sprechen auch Funktionalitätserwägungen dafür, den Garantiegehalt der Pressefreiheit auf die Wahrung der redaktionellen Geheimnissphäre zu erstrecken237• Die Offenlegung von Redaktionsinterna gefährdet die für die Pressetätigkeit unerläßliche unbefangene Zusammenarbeit der Redaktionsmitglieder. Diese werden sich bei den der Entscheidungsfmdung vorausgehenden Diskussionen zurückhalten, wenn sie damit rechnen müssen, daß alle ihre Äußerungen publik werden. Die Angst vor Indiskretionen lähmt den Prozeß der Entscheidungsfmdung und beeinträchtigt damit zugleich die Funktionsfähigkeit der geistigen Konkurrenz. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit in einem allumfassenden Sinn. Der Grundrechtsschutz wird nicht nur Betriebsund Geschäftsgeheimnissen zuteil, sondern bezieht sich auf den gesamten Bereich der redaktionellen Tätigkeit. Der Informantenschutz in Form von Zeugnisverweigerungsrechten, Beschlagnahme- und Durchsuchungsverboten konkretisiert einen wichtigen Teilbereich dieser Garantieaussage, er234 Grundlegend BVerfGE 66, 116/133. Ebenso M. BuUinger, in: lsensee f Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 24; Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 334. Gleiches gilt für die Rundfunkfreiheit: so BVerfGE n, 6Sf15. 23S

236 237

Vgl. BVerfGE 66, 116/134. BVerfGE 20, 162/176. Ähnlich BVerfGE 36, 193/204; E 64, 108/114 f. Dies betont BVerfGE 66, 116/134 f.

232

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

schöpft sie aber nicht238• Der grundrechtliche Geheimnisschutz erfaßt daneben beispielsweise auch das in Karteien und Archiven aufbewahrte, selbst recherchierte Material. Die grundrechtlich verbürgte Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit verwehrt staatlichen Instanzen die Möglichkeit, sich Einblick in die Vorgänge zu verschaffen, welche zur Entstehung eines Presseerzeugnisses führen239• Dieser Garantiegehalt wirkt entsprechend den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung auch im Verhältnis zu Außenstehenden. Die Presse wird insoweit gegen jedes rechtswidriges Eindringen in den Redaktionsbereich geschützt240. Auf diese Weise wird die freie Selbstbestimmung der Kommunikationsträger in umfassender Weise gegen die mit einer Offenlegung verbundenen Beeinträchtigungen geschützt. Staatliche Restriktionen der redaktionellen Geheimnissphäre sind nur im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG statthaft. Derartige Eingriffe in die Pressefreiheit müssen durch allgemeine Gesetze gedeckt sein, soweit sie nicht entgegenstehende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte konkretisieren. Von Bedeutung sind hier vor allem die Vorschriften der Strafprozeßordnung, die zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu rechnen sind. Sie begründen für jedermann die Verpflichtung "zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungshandlungen zu dulden"241 • Diese Bestimmungen rechtfertigen in sehr beschränktem Umfang staatliche Eingriffe in die redaktionelle Geheimnissphäre, soweit diese für die Aufklärung schwerer Straftaten erforderlich sind242• Als Beispiel sei hier nur die Beschlagnahme potentieller Beweismittel im Bereich der Presse genannt, die in den durch § 97 Abs. 5 i.V.m. §53 Abs. 1 Nr. 5 StPO gezogenen Grenzen nach§ 94 StPO statthaft ist. 238 239

So ausdrücklich Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 334.

Vgl. BVerfGE 66, 116/135; M. BuUinger, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 24. 240

Anders noch BGH v. 20. 1. 81, AfP 1981, S. 270 ff., und dazu kritisch W. Sehnlitt

Glaeser, AfP 1981, S. 314 ff.

241

BVerfGE n, 65/15 für die Beschlagnahme selbstrecherchierten Materials. Siehe auch BVerfGE 64, 108/115 f.; von Mangoldt I Kkin I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 141. 242 Diese Einschränkung wird in der Rechtsprechung des BVerfG immer wieder herausgestellt. Vgl. nur BVerfGE n , 65/16, in der das Gericht einen zusammenfassenden Überblick über die bisherigen Entscheidungen gibt.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

233

5. Abschnitt

Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter auf dem Markt der geistigen Freiheiten I. Wettbewerb und Wettbewerbsparameter Das allgemeine Wettbewerbsmodell kennzeichnet einen dynamischen Anpassungsprozeß, der sich in der fortwährenden Neubildung und Erosion wettbewerbsimmanenter Machtpositionen äußert. Dieser Prozeß ist aber nur dann funktionsfähig, wenn die Beteiligten ihre Aktionsparameter frei bestimmen und auf diese Weise ihre Ausgangsposition im Konkurrenzkampf beeinflussen können. Neben den bereits aufgezeigten Strukturelementen zählt daher auch die Freiheit, wettbewerbliehe Aktionsparameter nach eigenem Belieben festzulegen und einzusetzen, zu den Grundvoraussetzungen der Konkurrenr-'3• Alle Beteiligten sind bestrebt, sich von ihren Konkurrenten abzusondern und einen temporären wettbewerbsimmanenten Vorsprung zu erlangen. Dieses Ziel kann nur dann verwirklicht werden, wenn es einzelnen Wettbewerbern gelingt, die Auswahlentscheidung der das jeweilige Wettbewerbsgeschehen steuernden Dritten zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Demzufolge konkurrieren die Beteiligten miteinander, indem sie versuchen, der jeweiligen Marktgegenseite bessere Leistungen anzubieten244• Zu diesem Zweck setzen sie die ihnen zur Verfügung stehenden Wettbewerbsmittel ein. Diese Instrumente, mit denen ein Wettbewerber auf die tatsächlichen oder potentiellen Nachfrager Einfluß nimmt und seine Mitbewerber zu verdrängen sucht, aktualisieren das Wettbewerbsverhältnis. Ihr Einsatz obliegt dem individuellen Belieben der Beteiligten, wenn auch deren Rivalität unter Umständen eine bestimmte Aktivität herausfordert. Der Erfolg eines Beteiligten zwingt die anderen Wettbewerber, neue Wege und Lösungen zu suchen, um ihre Ausgangsposition im Wettbewerb wieder zu verbessern. Sie reagieren auf die Aktionen erfolgreicher Konkurrenten, indem sie ihr Verhalten ep.tsprechend deren Positionsänderungen varüeren. 243 17.

244

So auch Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr.

Vgl. für den Bereich des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs K Borchardt I W. Fikentscher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung, S. 15; J. Kirmer, Wettbewerb und Unternehmertum, S. 109.

234

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Diese grundsätzlichen Erwägungen gelten auch für den publizistischen Wettbewerb der Printmedien. Die Kommunikationsträger konkurrieren miteinander, indem sie jeweils versuchen, den Lesern bessere Leistungen zu bieten als ihre Mitbewerber, um auf diese Weise deren nutzenorientierte Auswahlentscheidung zugunsten ihrer Publikationen zu beeinflussen. Der publizistische Erfolg eines Wettbewerbers resultiert aus der Summe aller auf die von ihm verbreiteten Geistesinhalte entfallenden Nutzungsentscheidungen. Entscheidend für den Erfolg oder Mißerfolg ist neben der Art und Güte des publizistischen Angebots die auch durch andere Faktoren bestimmte Wertschätzung der Rezipienten. Diese gilt es, mit den verfügbaren Wettbewerbsinstrumenten zu beeinflussen.

II. Die Aktionsparameter der geistigen Konkurrenz Es bleibt dem individuellen Belieben und dem Geschick der Presseschaffenden überlassen, aufwelche Art und Weise sie ihr publizistisches Angebot einem möglichst großen Empfängerkreis zugänglich machen. Ihre Wettbewerbsstrategie kann sich in verschiedenen Aktivitäten niederschlagen. Vielfach ist es unmöglich, kommunikative von wirtschaftlichen Aktionsparametern eindeutig abzugrenzen. Wegen des aufgezeigten engen Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie245 ist kaum eine Maßnahme denkbar, die nicht zugleich sowohl den geistigen als auch den wirtschaftlichen Wettbewerb beeinflußt. 1. Preisgestaltung Die Preispolitik zählt zu den charakteristischen Aktionsparametern der Anbieter im allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb. Nichts anderes gilt für den ökonomischen Konkurrenzkampf der Printmedien246• Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen wird das Pressewesen aber durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß, entsprechend der Zweiteilung der wirtschaft-

245

246

Siehe oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

Ausführlich zum Preiswettbewerb im Pressewesen W. Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, S. 101 ff.; P. Ulmer, AlP 1975, S. 870 ff.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

235

lieh maßgeblichen Märkte247, zwei verschiedene Preise maßgeblich sind: der Bezugspreis und der Anzeigenpreis. Der Preiswettbewerb wird mit Hilfe von Preisunterbietungen geführt, die je nach Teilmarkt als Bezugs- bzw. Anzeigenpreisunterbietung in Erscheinung treten. Die Kommunikationsträger können den Bezugspreis senken, um neue· Abonnenten zu gewinnen. Sie können die Anzeigenpreise varüeren, damit die Inserenten ihrer Publikation vermehrt Anzeigenaufträge erteilen. Gerade auf dem Werbemarkt besitzt die Preispolitik der Konkurrenten eine besondere Bedeutung. Der Preis des angebotenen Anzeigenraums ist hier das nachfragebestimmende Merkmal, da zumindest die werbetreibende Wirtschaft über ihren Anzeigenetat nach möglichst rationalen ökonomischen Kriterien disponiert. Der daraus resultierende Wettbewerbsdruck kann die Mitbewerber bereits bei geringfügigen Preisänderungen zur Anpassung zwingen. Die Presseschaffenden besitzen wegen der dem Pressewesen eigentümlichen Mischkalkulation einen nicht unerheblichen Verhaltensspielraum bei der Preisgestaltung. Sie können frei darüber entscheiden, in welchem Verhältnis die Erlöse aus den verschiedenen Pressetätigkeiten im Rahmen der unternehmensinterneo Kalkulation zur Deckung der Gesamtherstellungskosten der Publikation beitragen sollen. Dieses Verhältnis kann jeweils entsprechend der konkreten Wettbewerbssituation varüert werden. Dadurch können beispielsweise die Bezugspreise trotz steigender Kosten bei einer gleichzeitigen Anhebung der Anzeigenpreise stabil gehalten werden. Die Preispolitik der Konkurrenten beeinflußt nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den publizistischen Wettbewerb der Printmedien. Ökonomische Erwägungen können die Rezipienten veranlassen, das kommunikative Angebot einer besonders kostspieligen Publikation trotz besteheoder Kommunikationsbedürfnisse nicht zu berücksichtigen. Die Kosten der Informationsaufnahme können sich daneben auch auf die Anzahl der parallel genutzten Presseerzeugnisse auswirken. Nach Verausgabung der verfügbaren Mittel müssen weitergehende Kommunikationsbedürfnisse unbefriedigt bleiben. In diesem Fall entscheiden sich die Leser für die Presseorgane, welche ihnen den höchsten Grad an Bedürfnisbefriedigung bieten. Die Preisgestaltung besitzt im publizistischen Wettbewerb aber nicht die gleiche Relevanz, die ihr im allgemeinen wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zukommt248• 247 248

Dazu im einzelnen oben 2. Teil, 1. Abschn., 111. In diesem Sinne äußern sich auch E. Kantzenbach / H. Greiffenberg, in: Klaue /

236

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Diese Feststellung wird durch die Tatsache bestätigt, daß die starke Erhöhung der Abonnementspreise in den Jahren nach 1970 keinerlei Auswirkungen auf die Auflagenentwicklung zeitigte249• Die Leser orientieren sich bei ihrer Nutzungsentscheidung in erster Linie an dem Grad der Bedürfnisbefriedigung, den ihnen die miteinander konkurrierenden publizistischen Leistungen bieten. Demgegenüber treten die Preise der Konkurrenzprodukte in den Hintergrund. Ihnen kommt allenfalls eine sekundäre Bedeutung zu. Kein Rezipient wird ein Presseerzeugnis, das seinen Kommunikationsbedürfnissen nicht voll entspricht, gegenüber kommunikativ vorteilhafteren Publikationen nur deshalb bevorzugen, weil es besonders preisgünstig ist. 2. Redaktionelle Leistung Das Informationsaufnahmeverhalten der Rezipienten orientiert sich an der subjektiv bewerteten Funktionalität eines Presseerzeugnisses für die Erfüllung kommunikativer Wünsche. Ob und welche von mehreren miteinander konkurrierenden Presseinhalten der Leser jeweils nutzt, hängt von dem Grad der Bedürfnisbefriedigung ab, den ihm die einzelnen Angebote bieten. Die redaktionelle Leistung besitzt eine maßgebliche Bedeutung für den publizistischen Erfolg oder Mißerfolg der Kommunikationsträger. Entscheidend sind Informationsgehalt und äußerliche Qualität der Konkurrenzprodukte. Demzufolge zählen inhaltliche und formelle Elemente zu den wirksamsten Aktionsparametern im geistigen Konkurrenzkampf, mit deren Hilfe die Presseschaffenden die nutzenorientierte Auswahlentscheidung der Leser zugunsten ihrer Produkte beeinflussen können. a) Presseinhalt

Die inhaltsbestimmenden Wettbewerbsparameter konkretisieren die kommunikative Leistung, die sich in Inhalt, Umfang und Qualität des redaktionellen Angebots niederschlägt. Die Pressetätigen versuchen, die Rezipienten zur Nutzung der von ihnen verbreiteten Publikationen zu bewegen, Knoche f Zerdick, Probleme der Pressekonzentrationsforschung, S. 198; E. Spieler, Fusionskontrolle im Medienbereich, S. 38 FN 4, und E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 113. 249

Dazu K. Teckentrup, Festschrift für Bringmann, S. 284.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

237

indem sie deren Inhalt möglichst bedürfnisgerecht gestalten. Der Stoff wird der Aufnahmefähigkeit und den Kommunikationswünschen der angesprochenen Leserschaft angepaßt. In diesem Zusammenhang wird der bereits dargestellten Selektionstätigkeit der Presseschaffenden250 eine besondere Bedeutung zuteil. Die Wettbewerber müssen sich an den kommunikativen Erwartungen ihrer Rezipienten orientieren, da diese ansonsten früher oder später auf ein Konkurrenzprodukt ausweichen, welches ihren individuellen Nutzenpräferenzen weitergehend entspricht. Daneben gewährt die Selektionstätigkeit den Wettbewerbern aber auch eine variabel einsetzbare Größe, mit der die Auswahlentscheidungen der Leser beeinflußt werden können. So kann beispielsweise mit der Auswahl zielgruppenspezifischer Themen die Aufmerksamkeit des betreffenden Leserkreises geweckt werden. I

Mit der redaktionellen Auslese sind die inhaltsbestimmenden Wettbewerbsparameter aber noch nicht erschöpft. Die Wertschätzung der Rezipienten kann daneben auch durch andere produktpolitische Maßnahmen beeinfloßt werden. Dazu zählen etwa Umfangssteigerungen oder besondere Beilagen, die über spezielle Themenkreise informieren und der Publikation in regelmäßigen Zeitabständen beigefügt werden. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der emotionelle Gehalt einer Medienbotschaft2S1• Die Kommunikationsträger orientieren sich bei ihrer Gefühlsdramaturgie an den mutmaßlichen Erwartungen ihrer Zielgruppe. Der Presseinhalt wird entsprechend diesen Erwartungen emotionalisiert, indem den einzelnen Aussagen positive oder negative Gefühle unterlegt werden. Diese Strategie tritt etwa bei den sogenannten Familien- und Frauenzeitschriften besonders deutlich zutage. Diese Presseorgane sichern sich entsprechende Publikumsanteile durch ihre zielgruppenspezifische Gefühlspräsentation, die sich an den Harmoniebedürfnissen ihrer Leserschaft orientiert. b) Formelle Gestaltung

Neben der inhaltlichen ist auch die formelle Gestaltung der Presseinhalte ein überaus wichtiges Wettbewerbsmittel im geistigen Konkurrenzkampf, da 250 251

Ausführlich dazu oben 3. Teil, 1. Abschn., 111.

Siehe dazu im einzelnen die Untersuchung von U. Saxer, MP 1988, S. 511 ff., der die zielgruppenspezifische Gefühlsdramaturgie der Presse am Beispiel des Zeitschriftenjournalismus verdeutlicht.

238

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Kriterien wie Übersichtlichkeit und Verständlichkeit eines Kommunikationsangebots entscheidenden Einfluß auf das Informationsaufnahmeverhalten der Leser ausüben. Diese entscheiden sich nur für die Presseerzeugnisse, deren Inhalte mit den geringstmöglichen Anstrengungen erfaßt werden können. Die Presseschaffenden sind umso erfolgreicher, je mehr sie den formellen Erwartungen Rechnung tragen. Dies betrifft vor allem die äußere Aufmachung der Publikation. Unterschiede zwischen den einzelnen Konkurrenzprodukten gründen sich unter anderem auf Format, Spaltenzahl, Druckfarbe, Drucktype und andere Faktoren. Besondere Bedeutung besitzt die Anordnung und Aufgliederung des Presseinhalts. Dieser wird regelmäßig nach Stoffgebieten gegliedert. Dabei werden die aus der Sicht der Rezipienten besonders interessanten Kommunikationsinhalte so placiert, daß sie zuerst ins Blickfeld geraten und als Leseanreiz wirken. Die Pressetätigen können die Wirkung ihrer Publikation auch dadurch steigern, indem sie für ihre Beiträge jeweils eine Darstellungsform wählen, die die Leser besonders anspricht. Ein Thema kann unter anderem in versachlichter Form behandelt werden. Diese Konzeption liegt notwendigerweise der Fachpresse zugrunde, deren Leser in erster Linie an einer fachspezifischen Wissensvermittlung, nicht aber an Unterhaltung interessiert sind. Publikationen, die auf andere Zielgruppen ausgerichtet sind, bedienen sich neben der sachlichen Berichterstattung auch der Glosse, des Kommentars, der Karikatur oder anderer Darstellungsformen. Auch hier ist jeweils das Interesse der Leserschaft entscheidend. Schließlich ist auch die sprachliche Gestaltung des publizistischen Angebots ein überaus wichtiges Wettbewerbsinstrument, da sie sich auf die Einprägsamkeit und Verständlichkeit der Geistesinhalte auswirkt. Die Aufnahmebereitschaft der Rezipienten hängt vielfach nicht von der Güte der Argumente, sondern von deren Präsentation ab. Nur der Wettbewerber kann sich am Meinungsmarkt durchsetzen, der nicht allein den inhaltlichen sondern auch den sprachlichen Erwartungen der Leser entgegenkommt. Ein intellektueller Stil vermag breite Rezipientenkreise vielfach nicht anzusprechen. Deren Aufmerksamkeit kann nur durch auffällige Formulierungen erregt werden. In diesem Zusammenhang kommt auch dem Vertriebssystem der Wettbewerber eine nicht unerhebliche Bedeutung zu2S2• Publikationen, 252

Besonders deutlich H. A. Kluthe, in: Löffler, Die Rolle der Massenmedien in der

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

239

deren Auflage im Straßenverkauf abgesetzt wird, müssen sich täglich immer wieder aufs Neue der Auswahlentscheidung der Laufkundschaft stellen. Diese Presseorgane bevorzugen daher eine reklamehafte Aufmachung und schlagwortartige Aussagen. Auf diese Weise unterscheiden sie sich von konkurrierenden Presseerzeugnissen und schaffen damit einen besonderen Anreiz, gerade ihr publizistisches Angebot zu nutzen.

3. Werbung Die Presseschaffenden können die Auswahlentscheidung der Leser nicht nur durch die Art und Güte der redaktionellen Leistung, sondern auch durch Werbung beeinflussen. Dabei geht es hier nicht um die indirekte Werbewirkung, die von einem bedürfnisgerecht gestalteten publizistischen Angebot ausgeht. Mit dem Begriff Werbung wird hier nur die gezielte Einflußnahme auf das Nutzungsverhalten der Rezipienten angesprochen. Diese erfolgt unter Einsatz besonderer Werbemittel und soll die Adressaten auf die Vorzüge der angebotenen Kommunikationsleistungen aufmerksam machen und Präferenzen schaffen. Den Kommunikationsträgem steht eine nahezu unbegrenzte Anzahl von Werbemitteln zur Verfügung, deren Einsatz allein von den betriebstechnischen Gestaltungsmöglichkeiten und dem Einfallsreichtum des jeweiligen Wettbewerbers abhängt. Sie können die Möglichkeiten der Selbstdarstellung nutzen, um das Vertrauen der Leser durch Hinweise auf Tradition und Bewährung des Verlagsunternehmens zu gewinnen. Dies geschieht durch Veröffentlichung von Berichten, die das eigene Unternehmen und dessen kommunikative Zielsetzung in einem besonders günstigen Licht erscheinen lassen. Die Presseschaffenden können das Publikum auch durch Plakate, Prospekte oder Briefwerbung auf die kommunikativen Vorteile ihrer Publikation aufmerksam machen. Weit verbreitet ist zudem die vorübergehende Gratisverteilung von Presseerzeugnissen. Die unentgeltliche Aushändigung von Werbeexemplaren oder Probeheften soll dem Leser das Kennenlernen ermöglichen und ihn zur ständigen Nutzung dieser Publikation veranlassen. Die aufgezeigten Beispiele verdeutlichen das Gewicht der Werbung im geistigen Konkurrenzkampf. Werbestrategien sind aber nicht nur im publiziDemokratie, S. 29, der die ökonomischen Ursachen der sprachlichen Gestaltung am Beispiel der Illustrierten verdeutlicht.

240

3. Teil: Die Strokturelemente des publizistischen Wettbewerbs

stischen, sondern auch im wirtschaftlichen Wettbewerb der Printmedien von Bedeutung. Der wirtschaftliche Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt wird im Regelfall mit den gleichen Werbemitteln gefördert, die auch im geistigen Konkurrenzkampf Anwendung fmden. Diese sind daher ambivalent einsetzbar. Besonderheiten gelten teilweise für den Werbemarkt, auf dem die Presseunternehmen mit einem anderen Angebot einer anders gearteten Nachfrage gegenüberstehen. Hier soll nicht das Nutzungsverhalten der Leser, sondern das Nachfrageverhalten der Anzeigenkunden beeinflußt werden. Den Presseschaffenden stehen mannigfache Möglichkeiten zur Verfügung, den Werbewert ihrer Publikationen hervorzuheben. Sie können eigene Anzeigen veröffentlichen, welche die Vorteile des Inserierens gerade in ihrer Publikation verdeutlichen. Die Verlage können die Werbekraft ihrer Erzeugnisse aber auch durch die Veröffentlichung von Leseranalysen, Leserstrukturanalysen, Tausenderpreisen und anderem mehr darlegen. Diese Angaben sind in besonderer Weise geeignet, das Informationsinteresse der werbetreibenden Wirtschaft zu befriedigen.

4. Sonstige Wettbewerbsparameter Die aufgezeigten Wettbewerbsinstrumente werden im Pressewesen besonders häufig angewendet. Daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer Aktionsparameter, mit deren Hilfe der publizistische und wirtschaftliche Wettbewerb der Printmedien beeinflußt werden kann. Dazu zählen etwa Preisausschreiben, Rätsel und sonstige Gewinnspiele, die Leser anlocken und mit der Publikation in Berührung bringen sollen. In diesem Zusammenhang sind auch Prämien zu nennen, die als Entgelt für die Vermittlung eines Abonnementauftrages gezahlt werden und die Laienwerber zu besonderen Bemühungen veranlassen sollen.

111. Publizistischer Wettbewerb, Wettbewerbsparameter und Pressefreiheit Der publizistische Wettbewerb kann sich nur dann ungehindert vollziehen, wenn die Presseschaffenden ihre Aktionsparameter frei einsetzen und auf diese Weise ihre Ausgangsposition im Konkurrenzkampf beeinflussen

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

241

können. Entscheidend ist daher, ob und inwieweit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG den Einsatz von Wettbewerbsparametern verfassungsrechtlich garantiert. Die Pressefreiheit schützt die publizistische Wettbewerbsfreiheit der Kommunikationsträger in umfassender Weisem. Der verfassungsrechtlich geschützte Freiraum erfaßt alle publizistischen Aktivitäten der Grundrechtsträger von der Erarbeitung des Geistesinhalts bis zu dessen endgültiger Verbreitung. Das Grundgesetz enthält insoweit "eine lückenlose Garantie aller der typischen Pressearbeit zuzurechnenden Verhaltensweisen ..."254• Demzufolge verbürgt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG den Grundrechtsträgem als Teilaspekt der grundrechtlich garantierten Wettbewerbsfreiheit zugleich die Freiheit, wettbewerbliehe Aktionsparameter nach eigenem Belieben festzulegen und einzusetzen. Dies betrifft in erster Linie die Gestaltung der redaktionellen Leistung. Die Kommunikationsträger sind berechtigt, ihr publizistisches Angebot so geschickt und wirksam wie möglich auf dem Meinungsmarkt zu präsentieren, um potentielle Leser zur Nutzung gerade dieser Kommunikationsinhalte zu bewegen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt die gesamte redaktionelle Bearbeitung und gewährt den Presseschaffenden eine umfassende Dispositionsfreiheit für die Gestaltung ihrer kommunikativen Leistungen255• "Die Pressefreiheit umfaßt nicht nur das Was, sondern auch das Ob und das Wie der Behandlung eines Gegenstandes durch die Presse"256• Der Einsatz inhaltsbestimmender und formeller Aktionsparameter bleibt dem freien Belieben der Kommunikationsträger überlassen. Sie können den Inhalt des Presseerzeugnisses257, die Gewichtung der verschiedenen Themen, Reihenfolge und Aufmachung der einzelnen Beiträge und anderes mehr nach eigenem Gutdünken festlegen. Gleiches gilt für die formelle Ge253

2S4 135. 255

Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1. R. Herzog, in: Maunz

I

Dürig

I

Herzog

I

Scholz, Grundgesetz, Art. 5 I, II, RdNr.

So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 60, 2341239 f.; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 136; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 41; B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 42. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Rundfunkfreiheit. In der Lebach-Entscheidung hebt das BVerfG (E 35, 2021223) ausdrücklich hervor, daß die Rundfunkfreiheit neben der Auswahl des dargebotenen Stoffes auch die Art und Weise der Darstellung schützt. 256 E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 33. 257 Vgl. zur Selektionsfreiheit der Presseschaffenden oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 3.

242

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

staltung des Presseinhalts. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Presseschaffenden das Recht "selbst darüber zu entscheiden, wie ein Gedanke formuliert werden soll"258• Damit bleibt die sprachliche Gestaltung des publizistischen Angebots ihrer grundrechtlich geschützten Selbstbestimmung überlassen. Die Pressetätigen dürfen ihre Beiträge in der ihnen geeignet erscheinenden Form publizieren:zs9. Da alle Stilmittel verfassungsrechtlich geschützt werden, können die Wettbewerber ungehindert die Darstellungsform wählen, von der sie sich die größte Wirkung versprechen. Die Pressefreiheit garantiert aber nicht nur die freie Gestaltung der redaktionellen Leistung, sondern erfaßt auch den Einsatz der anderen Wettbewerbsparameter. Das Grundrecht schützt alle Aktivitäten, mit deren Hilfe die Wettbewerber potentielle Leser zur Nutzung gerade ihrer Presseäußerungen bewegen wollen. Daher steht es den Kommunikationsträgern frei, die Auswahlentscheidung der Rezipienten durch gezielte Werbemaßnahmen zugunsten der von ihnen verbreiteten Geistesinhalte zu beeinflussen. Sie sind befugt, alle die Werbemittel einzusetzen, die sie in der konkreten Situation für geeignet halten, um die von ihnen angestrebten Ziele zu verwirklichen. Neben der Werbung zählt auch die Preispolitik der Konkurrenten zu den grundrechtlich geschützten Aktionsformen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt allen Grundrechtsträgem einen Kernbereich an wirtschaftlicher Handlungsfreiheit im Pressewesen, soweit die wirtschaftliche Betätigung im Zusammenhang mit der publizistischen Kommunikation steht2il0. Damit verbürgt das Grundrecht den Presseschaffenden unter anderem die Freiheit der Preisgestaltung auf den verschiedenen Märkten für Presseleistungen. Sie können daher sowohl die Bezugs- als auch die Anzeigenpreise nach eigenem Ermessen der jeweiligen Wettbewerbssituation anpassen. Das Grundrecht schützt die Reaktion auf die Wettbewerbsmaßnahmen der Konkurrenten, erfaßt daneben aber auch deren aktive Preisstrategie. Die Pressefreiheit gewährt allen Beteiligten die Möglichkeit, die Mitbewerber durch gezielte Preisunterbietungen zu behindern, um für das eigene Unternehmen eine wettbewerbsimmanente Machtposition auf- beziehungsweise auszubauen. Derartige Wettbewerbshandlungen gehören auch dann zu den grundrechtlieh geschützten Aktionsformen menschlichen Handelns, wenn sie mit Verdrängungseffektenverbunden sind. Der ökonomische Wettbewerb im Pres258 259 260

BVerfGE 42, 143/149 f. Ähnlich BVerfGE 10, 118/121; E 60, 234/240; E 62, 230/243. Vgl. oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 2, c, bb.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

243

sewesen wird ohne Rücksicht auf die finanziellen Interessen der beteiligten Verlagsunternehmen geführt.

IV. Rechtliche Grenzen des Einsatzes von Wettbewerbsparametern Die Grundrechte gewähren keine absoluten Freiheiten, die den einzelnen aus jeder Gemeinschaftsbindung herauslösen und ihn von jeder Rücksichtnahme befreien, die ihm gegenüber anderen und den Belangen der Gemeinschaft obliegt~'. Deshalb kann auch die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte geistige Wettbewerbsfreiheit nicht in jeder Beziehung zügellos sein. Freier Wettbewerb bedeutet nicht schrankenloser Wettbewerb. Dies betrifft vor allem den Einsatz von Wettbewerbsmitteln, die in besonderer Weise geeignet sind, Mitbewerber, Leser oder die Belange der Gemeinschaft zu beeinträchtigen.

1. Pressefreiheit und ihre Grenzen Restriktionen der wettbewerbliehen Handlungsfreiheit können sich in erster Linie auf die in Art. 5 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich positivierten Begrenzungen stützen. Danach fmdet die Pressefreiheit wie die anderen in Art. 5 Abs. 1 GG garantierten Grundrechte ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und im Recht der persönlichen Ehre. Diese Bestimmung gehört zu den umstrittensten des Presserechts. Schwierigkeiten bereitet vor allem die Interpretation des Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG. Einschlägige Rechtsprechung und Schrifttum beschäftigen sieb fast ausschließlich mit dieser Schranke, ohne jedoch als Resultat ihrer Bemühungen eine durchgängig akzeptierte Konzeption vorweisen zu können. Im Grundsatz besteht Einigkeit dahingehend, daß nur ein allgemeines Gesetz die Pressefreiheit in verfassungsmäßiger Weise beschränken kann262• 261 Allgemein dazu H. Ehmke, Festschrift für A. Arndt, S. &S; M J..ijff1er / R. Ricker, Handbuch des Prcsscrcchts, 11. Kapitel, RdNr. 1. 262 Dies betont W. Sehnlitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 271. Vgl. auch BVerfGE 21, 271/'2P.O.

244

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Das Grundgesetz hat mit der Schranke der allgemeinen Gesetze eine Vorentscheidung gegen die verfassungsrechtliche Statthaftigkeit von Sondergesetzen getroffen263• Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG sind alle Grundrechtsbeschränkungen ohne weiteres verfassungswidrig, denen ein derartiges, besonderes Gesetz zugrundeliegt Ungeklärt ist damit aber noch der Begriff Sondergesetz. Den Entscheidungen des BVerfG fehlt hier eine eindeutige Linie. Demgegenüber wurde im Schrifttum zutreffend der Garantiegehalt des Art. 5 Abs. 1 GG als maßgeblicher Ansatzpunkt einer Definition herausgearbeitet. Sondergesetze sind danach alle Gesetze, "die in ihrer (objektiven) Zielrichtung gegen das Rechtsgut des Art. 5 Abs. 1 GG gerichtet sind, also akkurat das verzögern, hemmen oder gar verhindern, was das Grundgesetz durch die Gewährleistung der Meinungsfreiheit erreichen wollte ..."264• Demzufolge sind dem Staat alle gezielten Eingriffe in den publizistischen Wettbewerb der Printmedien, die die geistige Entfaltungsfreiheit der Kommunikationsträger unterbinden, von vornherein verwehrt. Gleiches gilt für sonderrechtliche Beschränkungen der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit, soweit diese wegen des unmittelbaren Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie auf die publizistische Ebene zurückwirken können. Die kommunikative Freiheit darf keinesfalls mit Hilfe wirtschaftsrechtlicher Reglementierungen aus den Angeln gehoben werden. Aus der Definition der Sondergesetze kann im Wege eines Umkehrschlusses der Begriff der allgemeinen Gesetze abgeleitet werden. Das BVerfG ordnet dieser Schranke nur solche Gesetze zu, die das Gebot persönlicher und sachlicher Allgemeinheit erfüllen. Demnach werden zu den allgemeinen Gesetzen nur solche gerechnet, die sich nicht speziell gegen die Presse, eine bestimmte Meinung an sich oder gegen deren Äußerung als solche richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen265 • Entschei263

So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 71, 206/214; K. A. Bettermann, Grenzen der Grundrechte, S. 22; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 53 f.; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 5, Anm. 7, S. 67; W. Schmitt Glaeser, JZ 1983, S. 98; R. Sclwlz, Entflechtung und Verfassung, S. 204; ders., Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 114.

264

W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 278. Ähnlich W. Geiger, Festschrift für A. Arndt, S. 138; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 399. 265 Vgl. BVerfGE 50, 234/240 f.; siehe auch BVerfGE 7, 198/209 f.; E 59, 231/263 f. E

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

245

dend ist, daß die Regelung nicht die Abwehr einer sogenannten Pressegefahr bezweckt. Die Pressefreiheit steht aber nicht schlechthin unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze. Diese lösen keine Beschränkungsautomatik in dem Sinne aus, daß die sachliche Reichweite des Art. 5 Abs. 1 GG durch jedes einfache Gesetz verkürzt werden kann. Die Beziehung zwischen Pressefreiheit und allgemeinem Gesetz erschöpft sich nicht in der einseitigen Begrenzung der Geltungskraft dieses Grundrechts. Die sich aus "allgemeinen Gesetzen ... ergebenden Grenzen der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG müssen ihrerseits im Licht dieser Grundrechte gesehen werden ..."2fJ6. Ihre Auslegung muß sich wiederum am Grundwert der Pressefreiheit orientieren und dieser Verbürgung einen angemessenen Raum sichem267• Demnach fmdet "eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die 'allgemeinen Gesetze' zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen"268• Dafür bedarf es der Zuordnung der durch die Pressefreiheit und durch ein allgemeines Gesetz geschützten Rechtsgüter26), die nach den Grundsätzen praktischer Konkordanz zu erfolgen hat270• Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG besitzen eine eminente Bedeutung. Beschränkungen der grundrechtlich garantierten Wettbewerbsfreiheit der Kommunikationsträger gründen sich aber nicht ausschließlich auf diese Schranken. Sie können daneben auch unmittelbar auf der Verfassung beruhen271, da alle Grundrechte und damit auch die Pressefreiheit als Folge des Prinzips der Einheit der Verfassung unter Verfassungsvorbehalt stehen. Derartige Beschränkungen sind dann statthaft, wenn sie entgegenstehende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechts62,230/243 f.; E 71, 1~/114; E 71, 162/175; E 71, 206/214; E 74,297/343. 266 BVerfGE 71, 206/214. Ebenso BVerfGE 42, 143/150; E 42, 163/169; E 50, 234/241; E 54, 129/136; E 59, 231/265; E 61, 1/10 f.; E 62, 230/244; E 74, 297/337; E 77, 65/75. 267 So BVerfGE 20, 162/177; E 21,271/281. 268 BVerfGE 7, 198/209 und seitdem ständige Rechtsprechung. 269 So ausdrücklich BVerfGE 59, 231/265; E 62, 230/244.

270

Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr.400. 271 Siehe dazu W. Sehnlitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 98 ff.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

werte konkretisieren, denen im konkreten Einzelfall gegenüber der Pressefreiheit der Vorrang gebührt. 2. Pressefreiheit, Wettbewt!rbsparameter und ihre Schranken Die rechtlichen Grenzen des Einsatzes faktisch denkbarer Wettbewerbsparameter müssen jeweils für den konkreten Einzelfall ermittelt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß einer bestimmten wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung nicht allein deshalb der Grundrechtsschutz versagt werden kann, weil sie andere Beteiligte behindert. Unschädlich ist auch, wenn die Maßnahmen innovativer Kommunikationsträger zu Einbußen bei den Mitbewerbern führen oder gar Verdrängungseffekte zeitigen. Die Beteiligten unterliegen der Kontrolle, die Wettbewerb und Markt zu leisten imstande sind. Die aufgezeigten Folgen aktualisieren gerade den grundrechtlich verbürgten wettbewerbliehen Anpassungsprozeß und werden deshalb grundsätzlich von der Pressefreiheit gedeckt. Diese gewährt keinen Bestandsschutz im Wettbewerb272• Rechtliche Bedenken ergeben sich indessen, wenn die Presseschaffenden wettbewerbsfremde Mittel verwenden, um ihre Ausgangsposition im publizistischen Konkurrenzkampf zu verbessern. Gleiches gilt, wenn wettbewerbskonforme Instrumente in unlauterer Weise eingesetzt werden. Nicht jeder Wettbewerbshandlung wird der Grundrechtsschutz zuteil. Dabei können sich rechtliche Grenzen für den Einsatz von Wettbewerbsparametern sowohl im Verhältnis zu den Mitbewerbern als auch im Verhältnis zu den Rezipienten ergeben. Schließlich können auch die legitimen Belange der Allgemeinheit Beschränkungen der wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung rechtfertigen. Grundsätzlich endet die Entfaltungsfreiheit der Kommunikationsträger dort, wo die gleiche Freiheit der Mitbewerber, die Auswahlfreiheit der Leser oder die Belange der Gemeinschaft in mißbräuchlicher Weise beeinträchtigt werden. Bei der Abgrenzung derartiger mißbräuchlicher Verhaltensweisen bedarf es in systematischer Hinsicht der Differenzierung. Einzelne Wettbewerbsparameter fallen von vornherein nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, da sie sich außerhalb der von dieser Freiheit grundrechtlich ver272

Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 4.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerolicher Aktionsparameter

247

bürgten Aktionsformen menschlichen Handeins bewegen. Insoweit können sich die Presseschaffenden allenfalls auf die ihnen gleichfalls zustehenden Wirtschaftsfreiheiten berufen. Im übrigen bestimmen die aufgezeigten Begrenzungen der Pressefreiheit die Grenzen des Einsatzes wettbewerblieber Aktionsparameter. Neben den Vorschriften des BGB und des StGB sind hier vor allem die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts von Bedeutung. Letztere sind zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu rechnen. Dies ist bei den besonders bedeutsamen Normen des UWG anerkanntm, gilt aber auch für die anderen Vorschriften des Wettbewerbsrechts. Die Gesamtheit dieser Bestimmungen reglementiert den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr innerhalb und außerhalb des Pressewesens. Sie richten sich nicht gegen einen bestimmten Geistesinhalt an sich oder gegen dessen Äußerung. Vielmehr dienen sie unabhängig davon dem Schutz von Individualinteressen und dem Erhalt eines funktionsfähigen wirtschaftlichen Wettbewerbs. Wegen des engen Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie beeinflussen diese Bestimmungen damit mittelbar aber auch den publizistischen Konkurrenzkampf der Printmedien. Rechtsprechung und Schrifttum haben in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fallgruppen entwickelt, um statthafte von unstatthaften Verhaltensweisen abzugrenzen. Einige prägnante Beispiele seien hier kurz skizziert. a) Grenzen der Preisgestaltung

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt dem Presseschaffenden sowohl auf dem Kommunikations-, als auch auf dem Werbemarkt einen umfassenden Verhaltensspielraum zur Verwirklichung ihrer preispolitischen Angebotsstrategie. Die grundrechtlich verbürgte Freiheit der Preisgestaltung legitimiert aber nicht jede theoretisch denkbare Verhaltensweise, welche die Interessen der Mitbewerber oder die Belange der Allgemeinheit beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang besitzt die Generalklausel des § 1 UWG eine grundlegende Bedeutung. Diese Bestimmung ist zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu rechnen. Sie begrenzt unter anderem die 273

Siehe etwa BVerfGE 62, 230/245; OLG Köln v. 28. 10. 83, AfP 1984, S. 45; Ch.

Degenhan, Donner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 111; H . Kohl, AfP 1984, S. 202; W. Kunen, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 121.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

preispolitische Gestaltungsfreiheit der Konkurrenten im allgemeinen wirtschaftliehen Verkehr und damit auch im ökonomischen Konkurrenzkampf der Printmedien. Demnach endet die Wettbewerbsfreiheit der Beteiligten dort, wo ihre Preispolitik im konkreten Einzelfall gegen die guten Sitten verstößt. Praktisch bedeutsam ist die unentgeltliche Verteilung von Presseerzeugnissen auf dem Kommunikationsmarkt. Dabei muß zwischen der Austeilung von Werbeexemplaren und der ständigen unentgeltlichen Verbreitung von Presseorganen differenziert werden. Die zeitweilige Gratisverteilung von Presseerzeugnissen, die ansonsten entgeltlich vertrieben werden, kann eine den Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt ausschaltende Marktverstopfung bewirken. Eine derartige Vorgehensweise verstößt gegen § 1 UWG, wenn sie nicht lediglich vorübergehend erfolgt, um den Lesern ein Kennenlernen der betreffenden Publikation zu ermöglichen. Dieser Werbezweck bedingt eine zeitliche Begrenzung, deren Umfang sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richtet. Entscheidend ist der Zeitraum, der für eine sachgerechte Erprobung erforderlich istZ74 • Wird dieser überschritten, ist die weitere Austeilung unentgeltlicher Werbeexemplare sittenwidrig. Die Gestaltungsfreiheit der Presseschaffenden wird sodann über Art. 5 Abs. 2 GG durch § 1 UWG begrenzt. Probleme wirft daneben auch die ständig kostenlose Verteilung von Publikationen auf, die überwiegend oder vollständig durch das Werbegeschäft fmanziert werdenZ75• Diese Verbreitungsart kennzeichnet ein betriebs- und marktwirtschaftlich sinnvolles Vertriebssystem, das nicht generalisierend als schlechthin sitten- und damit wettbewerbswidrig qualiftziert werden kann. Der Gratisvertrieb beschränkt zwar den wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt, jedoch bleibt die ökonomische Konkurrenz auf dem Werbemarkt und der publizistische Wettbewerb um die Gunst der Leser auch bei dieser Vertriebsform bestehen. Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung sind daher allein die den Einzelfall prägenden Umstände maßgebend. Dabei sind neben Umfang, Dauer und Intensität der unentgeltlichen Verteilung auch deren Auswirkungen auf dem jeweils betroffenen Teilmarkt zu berücksichtigen. Hier muß den individuellen Interessen der Mitbe274 275

Vgl. hierzu OLG Hamm v. 27. 9. 84, AfP 1985, S. 49 ff.

Ausführlich zu dieser Problematik Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsn:cht, § 1 UWG, RdNm. 794 ff.; 0 .-F. von Gamm, Wettbewerbsn:cht, 26. Kapitel, RdNm. 26 ff.; M. Löffler IR. Ricker, Handbuch des Pn:ssen:chts, 81. Kapitel, RdNm. 9 ff.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

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werher und den Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs Rechnung getragen werden. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung kann sich ein Verstoß gegen§ 1 UWG aus verschiedenen Gründen ergeben. Wird das Mittel der Gratisverteilung eingesetzt, um Mitbewerber gezielt vom Markt zu verdrängen, handelt der betreffende Kommunikationsträger regelmäßig wettbewerbswidri~6• Die unentgeltliche Verteilung von Presseerzeugnissen verstößt aber auch dann gegen§ 1 UWG, wenn der Bestand des Wettbewerbs durch diese Vertriebsform ernsthaft gefährdet wirdm. In diesen Fällen können sich die Presseschaffenden nicht auf die ihnen zustehende, grundrechtlich verbürgte Gestaltungsfreiheit berufen, da diese von § 1 UWG begrenzt wird. b) Grenzen redaktioneller Wettbewerbsparameter

Die redaktionelle Leistung besitzt eine grundlegende Bedeutung für das Informationsaufnahmeverhalten der Rezipienten und damit letztlich für den publizistischen Erfolg oder Mißerfolg der Kommunikationsträger. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt den Pressetätigen das Recht, inhaltsbestimmende und formelle Aktionsparameter nach eigenem Gutdünken einzusetzen. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß allein der erstrebte nachhaltige Eindruck bei den Lesern alle denkbaren redaktionellen Maßnahmen legitimiert, sofern diese nur geeignet sind, die Nutzungsentscheidungen der Rezipienten zugunsten eines Wettbewerbers zu beeinflussen. Vielmehr muß auch hier die Reichweite der redaktionellen Gestaltungsfreiheit jeweils für den konkreten Einzelfall ermittelt werden.

aa) Sorgfalts- und Wahrheitspflichten Grenzen redaktioneller Wettbewerbsparameter resultieren vor allem aus der den Printmedien obliegenden Sorgfalts- und Wahrheitspflicht. Diese Verpflichtung kommt in zahlreichen Rechtsnormen zum Ausdruck278, wird 276

277

Ebenso 0.-F. von Gamm, Wettbewerbsrecht, 26. Kapitel, RdNr. 33.

Ähnlich OLG Köln v. 28. 10. 83, AlP 1984, S. 45; OLG Hamm v. 24. 5. 84, AlP 1984, S. 164 f.; OLG Nürnberg v. 5. 7. 84, AlP 1984, S. 167. 278

Die meisten Landespressegesetze normieren eine Sorgfaltspflicht dahingehend, daß Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihre

250

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

daneben aber auch vom BVerfG als tragender Grundsatz der Presseäußerungsfreiheit herausgearbeitet. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, daß die Printmedien zur "wahrheitsgemäßen Berichterstattung" verpflichtet sind219• Die Presseschaffenden dürfen weder erfundene oder unwahre Meldungen weitergeben, noch dürfen sie die Wahrheit durch Hinzufügung oder Unterschlagung wesentlicher Punkte verfälschen. Unstatthaft ist zudem die unrichtige Einordnung an sich unverfänglicher Nachrichten, die eine Entstellung der Wirklichkeit bewirkt. Aus diesem Grund sind die Pressetätigen verpflichtet, sich vor der Verbreitung des von ihnen recherchierten Materials über den zugrundeliegenden Sachverhalt hinreichend zu informieren. Informationsquellen müssen auf ihre Zuverlässigkeit überprüft, das Material auf seinen Wahrheitsgehalt untersucht werden. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen ist gegebenenfalls durch betriebsinterne organisatorische Maßnahmen sicherzustellen. Zwar überzeugen die aufgezeigten Gebote auf den ersten Blick, doch erscheint ihre dogmatische Einordnung problematisch. Die Wahrheitspflicht wird vielfach unabhängig von Art. 5 Abs. 2 GG pauschal mit dem Hinweis auf die demokratische Komponente des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG begründet2SO. Die öffentliche Meinung könne sich nur dann richtig bilden, wenn die Leser möglichst wahrheitsgemäß unterrichtet werden. Falschmeldungen wird von vornherein der Schutz der Pressefreiheit versagt, da diese zu einer wahrheitsgemäßen Meinungsbildung nichts beitragen können. Dieser Argumentation kann aus grundsätzlichen Erwägungen nicht gefolgt werden. Die demokratische Grundrechtskomponente bezieht sich nur auf politisch relevante Äußerungen, aber nicht alle Presseinhalte weisen eine derartige Dimension auf. Mit der Statuierung einer allgemeinen Wahrheitspflicht wird zudem eine Pflichtenbindung geschaffen, die in Art. 5 GG keine Grundlage fmdet. Die demokratische Komponente der Pressefreiheit rechtfertigt für sich allein genommen keine restriktive Interpretation des Schutzumfangs dieser Garantieaussage281 • Der in diesem Zusammenhang immer wieder verwendete Begriff der öffentlichen Aufgabe besitzt keine verfassungsrechtliche Wahrheit zu prüfen sind. So etwa § 3 Abs. 2 BeriPresseG; § 6 BremPresseG; § 6 HmbPresseG; § 6 NWPresseG. 279 BVerfGE 12, 113/130. Ebenso Art. 111 Abs. 1 BV. 280 In diesem Sinne äußern sich etwa BVerfGE 12, 113/130; E 54, 208/219; BVerwGE 55, 232/241. Ähnlich R. Groß, Presserecht, S. 47, der aus die öffentlichen Aufgabe der Presse deren Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit (subjektive Wahrheit) herleitet. 281 Ausführlich dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 2, c.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

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Relevanz, die entsprechende Erfüllungspflichten indiziert. Daher können der Presse aus allgemeinen demokratiestaatlichen Erwägungen keine Wahrheits- oder Sorgfaltspflichten gegenüber der Allgemeinheit auferlegt werden, sofern diese in Art. 5 GG keine Grundlage fmden282• Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß die Presseschaffenden unter dem Schutz der Verfassung beliebig Falschmeldungen verbreiten können. Ihre redaktionelle Gestaltungsfreiheit wird insoweit einerseits durch den Tatbestand, andererseits durch die Schranken der Pressefreiheit begrenzt. Die Garantieausage des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erfaßt alle denkbaren Kommunikationsinhalte. Sie schützt neben wertenden Stellungnahmen zugleich die Veröffentlichung reiner Nachrichten283• Dieser weite Schutzumfang folgt aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Das Grundgesetz garantiert die Pressefreiheit ohne Unterschied für alle Kommunikationsinhalte. Demzufolge verbürgt das Grundrecht die Verbreitung von Werturteilen, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt284• Etwas anderes gilt für Tatsachenbehauptungen und Zitate. Rechtsprechung und Schrifttum gehen übereinstimmend davon aus, daß der Tatbestand der Pressefreiheit weder unrichtige Zitate2&S, noch unwahre Tatsachenmitteilungen286 erfaßt, da diese zur verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Strittig ist insoweit allein der W ertungsmaßstab, der bei der Veröffentlichung von reinen Nachrichten zugrundegelegt werden muß. Die herrschende Meinung differenziert nach subjektiven Kriterien. Während das BVerfG nur die "erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung" aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG herausnehmen will287, verneinen andere Stimmen die Schutzwürdigkeit bereits bei leichtfertig unrichtiger Nachrichtenübermittlung288. Unterhalb dieser Schwelle sollen auch falsche Tatsa282

Dies betonen auch D . Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 28, und W. Schmitt G/aeser, AöR 97 (1972), S. 102 f. 283 Grundlegend BVerfGE 21, 271/278 f. 284 Vgl. nur von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 43. Gleiches gilt für die Meinungsäußerungsfreiheit. Dazu BVerfGE 61, 1/7; W. Schmitt Glaeser, JZ 1983, S. 99. 285 Dies ist unstreitig. Siehe etwa BVerfGE 54, 208/219; E 61, 1/8. 286 Anders B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 38, der den Grundrechtsschutz unabhängig von der Wahrheit oder Wahrhaftigkeit der Meldung gewähren will. 287 BVerfGE 61, 1/8; ebenso BVerwGE 55, 232/241. 288

In diesem Sinne äußern sich Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2,

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

chenmitteilungen den Schutz der Pressefreiheit genießen. Dies wird vielfach mit der Erwägung gerechtfertigt, daß die Prüfungs- und Wahrheitspflicht im Interesse der Printmedien nicht überspannt werden dürfe, um die Funktionsfähigkeit der massenmedialen Kommunikation nicht zu gefährden289• Diese Argumentation erscheint dogmatisch unbefriedigend, da sie den Schutzumfang des Grundrechts an subjektive Vorausetzungen auf der Seite der Presseschaffenden bindet. Derartige Kriterien sind dem Tatbestand des Art. 5 Abs. 1 GG fremd, da sie in dessen Wortlaut keine Stütze fmden290• Überzeugender ist es, unrichtige Tatsachenbehauptungen gänzlich aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG herauszunehmen291 • Diese Ansicht bewirkt auch keine übermäßigen Beeinträchtigungen der publizistischen Entfaltungsfreiheit der Presseschaffenden, da reine Tatsachenbehauptungen selten sind. Regelmäßig werden sie mit wertenden Stellungnahmen verknüpft, denen unabhängig von ihrer Richtigkeit der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zuteil wird. Demnach können sich die Kammunikationsträger nur dann nicht auf die Pressefreiheit berufen, wenn sie unwahre reine Nachrichten verbreiten. Falschmeldungen, die nach dem bisher Gesagten in den Schutzbereich im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fallen, sind sodann aber in vollem Umfang den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG unterworfen. Soweit derartige Kornmunikationsinhalte in den persönlichen Lebensbereich Dritter eingreifen, kommt dem Recht der persönlichen Ehre eine besondere Bedeutung zu292• Letzteres wird derzeit vor allem durch die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 185 ff. StGB und das in den §§ 823 ff. BGB verankerte Recht der unerlaubten Handlungen gesetzlich konkretisiert. Diese Normen schützen die menschliche Ehre vor ungerechtfertigten Eingriffen, die unter anderem RdNr. 347; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 I, II, RdNr. 147. 289

Typisch hierfür BVerfGE 12, 1131130; E 54, 2081219 f.; E 61, 118. Dagegen wendet sich W. Schmin Glaeser, AöR 113 (1988), S. 77. 290 Kritisch zur Heranziehung subjektiver Faktoren äußert sich auch W. Sehnlitt Glaeser, IZ 1983, S. 96. 291 So auch W. Schmin Glaeser, IZ 1983, S. 97. Enger von Mangoldl I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 43, der auf subjektive Abgrenzungsmerkmale verzichtet, den Grundrechtsschutz aber nur bei offensichtlich unwahren Tatsachenbehauptungen versagen will. 292 P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 27, stützt die Wahrheitspflicht der Presse gerade auf das Recht der persönlichen Ehre. Vgl. auch BVerfGE 12, 1131130. Ausführlich dazu R. Mackeprang, Ehrenschutz im Verfassungsstaat.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerl>licher Aktionsparameter

253

auch von falschen Pressemeldungen ausgehen können. Daneben können unwahre Presseäußerungen auch auf der Grundlage allgemeiner Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG abgewehrt werden. Als Beispiel sei hier nur § 3 UWG genannt. Diese Norm verbietet alle irreführenden Angaben, die im allgemeinen geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gemacht werden. Sie erfaßt daher unter anderem auch die redaktionelle Eigenwerbung der Kommunikationsträger, der unwahre Behauptungen zugrundeliegen. Die Schrankenziehung im konkreten Einzelfall muß die das Pressewesen prägenden Besonderheiten berücksichtigen. Bei der verhältnismäßigen Zuordnung von Pressefreiheit und grundrechtbegrenzenden Rechtsgütern muß daher auch den spezifischen Arbeitsbedingungen der Presseschaffenden, die durch Zeitdruck und ähnliche Umstände gekennzeichnet sind, hinreichend Rechnung getragen werden293• Dabei ist auch das Interesse der Rezipienten an der Aktualität der Berichterstattung zu beachten, da eine sinnvolle Nutzung von Kommunikationsinhalten häufig von deren Aktualität abhängt.

bb) Der Öffentlichkeitswert des Presseinhalts Neben den zuvor aufgezeigten Wahrheits- und Sorgfaltspflichten unterliegt die grundrechtlich verbürgte redaktionelle Gestaltungsfreiheit der Presseschaffenden rechtlichen Begrenzungen, die nach Ansicht des BVerfG aus der Eigenart des jeweiligen Kommunikationsinhalts resultieren. Die Presse ist Medium und Faktor der für eine freiheitliche Demokratie lebensnotwendigen, offenen konkurrierenden Meinungs- und Willensbildun~. Daraus wird vielfach gefolgert, daß die Veröffentlichungsfreiheit der Pressetätigen bei der Konkretisierung der in Art. 5 Abs. 2 GG statuierten Begrenzungen nicht in einer Weise eingeschränkt werden darf, welche die publizistische Entfaltungsfreiheit in ihrer Substanz trifft und damit letztlich die öffentliche Diskussion lähmt. Aus diesem Grund berücksichtigt das BVerfG bei der einzelfallbezogenen Zuordnung der durch die Pressefreiheit und ein begrenzendes Gesetz geschützten Rechts-

293 294

So bereits W. Schmitt G/aeser, AöR 97 (1972), S. 120 FN 200.

Dieser Umstand wird in den Entscheidungen des BVerfG herausgestellt. Siehe etwa BVerfGE 10, 118/121; E 12, 205/260; E 50, 234/239; E 52, ']2,3/296. Ausführlich dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 2, b.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

güter vor allem das mit der fraglichen Veröffentlichung verfolgte Interesse295 und die Art und Weise der Berichterstat~. Dabei wird dem Öffentlichkeitswert des betreffenden Kommunikationsinhalts ein ausschlaggebendes Gewicht zuerkannt. Der Vorrang der Pressefreiheit soll "von der Bedeutung des Beitrags für die öffentliche Meinungsbildung"297 abhängen. Ein besonderer Öffentlichkeitswert bewirkt danach eine qualitative Aufwertung, weil Äußerungen mit Gemeinschaftsbezug nach Ansicht des Gerichts höherwertig sind298 und sich die Einwirkung auf den Rechtskreis anderer in diesem Falllediglich als eine unvermeidbare Nebenfolge darstellt. Verfolgt eine Veröffentlichung private, namentlich wirtschaftliche oder andere eigennützige Ziele, wird ihr unter dem Blickwinkel öffentlicher Meinungsbildung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung eingeräumt. Dies gilt beispielsweise für oberflächliche Unterhaltung, private Auseinandersetzungen oder sonstige, für die Allgemeinheit belanglose Fragen. Im Gegensatz dazu wird einem Artikel ein spezifischer Öffentlichkeitswert zugesprochen, wenn er sich ernsthaft und sachbezogen mit einer Angelegenheit befaßt, die im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht und ein breites Echo gefunden hat. Dabei gewinnt die Pressefreiheit gegenüber anderen Rechtsgütern umso größeres Gewicht, je mehr es sich bei dem fraglichen Kommunikationsinhalt um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt299• Bei der Erörterung von Angelegenheiten des Gemeinwohls müssen die privaten Interessen der von der Berichterstattung Betroffenen prinzipiell zurücktreten300. Demzufolge sind die Kommunikationsträger bei der redaktionellen Gestaltung ihrer Publikationen desto freier, je intensiver die Interessen der Öffentlichkeit von dem angesprochenen Themenkreis berührt werden. Verfolgen die Pressetätigen mit der fraglichen Veröffentlichung private Zielsetzungen, verkürzt sich ihr Gestaltungsspielraum. Dieser ohnehin sehr weitreichende Schutz, den Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für die Erörterung grundlegender Streitfragen gewährt, erfährt durch die vom 295 296

297 298 299 300

Besonders deutlich BVerfGE 35, W2/223; E 62, 230/244; E 66, 116/139. Vgl. BVerfGE 35, W2/223; E 50, 234/240. BVerfGE 64, 108/119. In diesem Sinne etwa BVerfGE 34, 269/1ß3; E 60, 234/240; E 62, 230/244. Dazu BVerfGE 7, 198/212; E 61, 1/11; E 66, 116/139. So bereits BVerfGE 7, 198/219.

S. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

255

BVerfG immer wieder verwendete Vermutungsformel eine zusätzliche Verstärkung. Danach spricht sogar eine Vermutung für die Zulässigkeil der Presseberichterstattung, wenn es sich bei der zu beurteilenden Äußerung um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelf01• Damit wird dem Grundrecht der Pressefreiheit eine besondere Werthaltigkeit eingeräumt, die bei der verhältnismäßigen Zuordnung begrenzender Rechtsgüter beachtet werden muß. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen politisch motivierte Presseinhalte zur Beurteilung anstehen. Die Akzentuierung der politischen Dimension stößt wegen der damit verknüpften einseitigen Gewichtung auf berechtigte Kritik302• Bedenken werden schon wegen der Begriffsbildung des BVerfG geäußert, da unklar bleibt, unter welchen Voraussetzungen ein derartig grundlegender Beitrag zum geistigen Meinungskampf anzunehmen ist. Überhaupt erscheint die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Zielsetzungen vordergründig, da letztlich jeder Presseinhalt aus eigennützigen Motiven verbreitet wird. Gewichtiger ist jedoch der Einwand, daß die Differenzierung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine Stütze fmdet. Das Grundrecht gewährt die Pressefreiheit unabhängig vom gesellschaftlichen Nutzen ihrer Betätigung. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Presse nicht nur im öffentlichen Leben, sondern auch im privat-persönlichen Bereich eine maßgebliche Bedeutung besitzt. Letzterer werden die vom BVerfG aufgestellten Kriterien jedoch nicht gerecht. Die aufgezeigten allgemeinen Grundsätze werden in der Rechtsprechung vor allem dann herangezogen, wenn die Zulässigkeil einer kritischen Presseberichterstattung im Vordergrund steht. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hingewiesen, daß an die Zulässigkeil öffentlieber Kritik keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden dürfen303• Zur Begründung wird in erster Linie die Kontrollfunktion der Printmedien 301 Siehe etwa BVerfGE 20, 162/177; E 54, 208/219; E 60, 234/241; E 61, 1/11; E 66, i16/1SO; E 68, 226/232; E 71, 206/220. Kritisch W. Schmitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 93, der diese Vorgehensweise treffend als Vorab-Höherbewertungdes Grundrechts auf Kosten der durch begrenzende Gesetze geschützten Rechtsgüter charakterisiert. 302 Grundlegend W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 290 ff.; ders., JZ 1983, S. 98;

ders., AöR 113 (1988), S. 54 f. 303 Besonders deutlich BVerfGE 42, 163/170; E 60, 234/240; E 66, 116/150; ähnlichE 54, 129/137; E 68, 226/232.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

angeführt. Es gehöre zu den Aufgaben der Presse, die Öffentlichkeit auf Mißstände aufmerksam zu machen und zu ihrer Beseitigung aufzufordern304 • Darunter fällt die unmittelbare und mittelbare Kontrolle der öffentlichen Hand, aber auch die kritische Durchleuchtung gesellschaftlicher und wirtschaftlieber Verhältnisse des Gemeinwesens. Infolgedessen muß sich auch die Wirtschaft der Kritik an ihren Waren und Leistungen stellen. Beeinträchtigt eine derartige kritische Berichterstattung den Ruf oder sonstige Belange des Betroffenen, ist dies nach den vom BVerfG aufgestellten Kriterien unschädlich, sofern die Presse eine Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung verfolgt. Demnach können sich die Presseschaffenden zum Zwecke der Verbraucheraufklärung mit Mißständen in einem ganzen Zweig der gewerblichen Wirtschaft auseinandersetzen305• Unter Umständen ist auch die Kritik an einem einzelnen Unternehmen gerechtferti~. Unschädlich ist, wenn die Presse mit einer derartigen Berichterstattung zugleich kommerzielle Zwecke verfolgt307, da derartige Interessen ein privatwirtschaftlich strukturiertes Pressewesen notwendigerweise prägen. Sind kritische Veröffentlichungen nach dem bisher Gesagten inhaltlich statthaft, so folgt daraus nicht, daß damit auch jede denkbare formelle Gestaltung gerechtfertigt ist. Das BVerfG räumt den Presseschaffenden aber in diesem Zusammenhang ebenfalls einen sehr weitgehenden Gestaltungsspielraum ein. Die Betroffenen müssen im Interesse der Effizienz des öffentlichen Meinungskampfes eine zugespitzte Kritik, sogar scharfe und übersteigerte Äußerungen hinnehmen308• Demnach können subjektive Wertungen in aggressiver Form zur Geltung gebracht werden, um die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen. Die Pressetätigen sind nicht verpflichtet, das jeweils mildeste Mittel zur Verdeutlichung ihres Standpunktes einzusetzen. Dies stellt jedoch keinen Freibrief für polemische Ausfälle dar, die jeden sachlichen Bezug vermissen lassen. Je schwerwiegeoder der Eingriff in die Sphäre der Betroffenen ist, desto höhere Anforderungen müssen an die Angemessenheil der Wertungen gestellt werden. Prinzipiell unzulässig ist daher eine je304 Dies unterstreichen BVerfGE 62, 230/246; E 66, 116/137. Siehe auch die Entschließung des Deutschen Presserates, in: Der Spiegel, Nr. 49 v. 30. 11. 1987, S. 26. 305 Dazu BVerfGE 60, 234/240.

306 Ausführlich zur Beurteilung kritischer Äußerungen über ein privates Bewachun~­ untemehmen BVerfGE 68,226 ff. 307 Vgl. BVerfGE 68,226/232 f. 308 Prägnant BVerfGE 60, 234/241; ähnlich BVerfGE 54, 129/138 f.; E 61, 1/7.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

257

der sachlichen Grundlage entbehrende Schmähkritik, die allein die Diffamierung des Betroffenen bezweckt309• Im übrigen sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ausschlaggebend. Die Grenze der Zulässigkeil ist jedenfalls dort überschritten, wo dem abwertenden Urteil jede sachliche Grundlage fehlt.

cc) Der Boykottaufruf Der Boykottaufruf ist eine extreme Erscheinungsform öffentlicher Kritik und beinhaltet zugleich das wirksamste Mitte~ um eine bestimmte Ansicht durchzusetzen. Dem Boykott liegt ein Dreiecksverhältnis zugrunde, an dem Verrufer, Adressaten der Verrufserklärung und der Verrufene beteiligt sind. Entscheidend ist, daß der Verrufer die Adressaten der Verrufserklärung dazu auffordert, durch ein aufeinander abgestimmtes, gegen den Verrufenen gerichtetes verweigerndes Verhalten auf die Erreichung eines bestimmten Erfolges hinzuwirken. Der wirtschaftliche Boykott zielt auf Nichtaufnahme oder Abbruch von Geschäftsbeziehungen. Demgegenüber stehen beim sozialen Boykott persönliche oder gesellschaftliche Beziehungen im Vordergrund. Im Pressewesen wird der Boykottaufruf vielfach als Mittel der geistigen Auseinandersetzung benutzt. Er schafft damit aber zugleich einen besonderen Anreiz für potentielle Leser, gerade das publizistische Angebot des Verrufers zu nutzen, wenn sich die Rezipienten mit dessen Zielsetzungen idenliftzieren können. Der von einem Kommunikationsträger verbreitete Boykottaufruf kann sich gegen konkurrierende Presseerzeugnisse, aber auch gegen Dritte richten. Er berührt die Interessen der Verrufenen in einschneidender Weise, da er letztlich zu deren Existenzvernichtung führen kann. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß ein derartiger Aufruf von vornherein keinen Grundrechtsschutz genießt. Boykott ist kein Rechtsbegriff, der a priori Unzulässigkeit indiziert. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Kommunikationsträgern eine allumfassende Inhaltsfreiheie10• Sie unterliegen keinen inhaltlichen Beschränkungen und können frei darüber entscheiden, welche Geistesinhalte sie in ihr redaktionelles Angebot aufnehmen wollen. Da das Grundrecht alle denkbaren Presseinhalte schützt, fällt auch die von den Printme309 310

Siehe dazu BGH v. 18. 6. 74, NJW 1974, S. 1763. Dazu bereits oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 2.

258

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

dien verbreitete Aufforderung zum Boykott in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Schranken werden insoweit nicht durch den Tatbestand der Pressefreiheit, sondern allenfalls durch Art. 5 Abs. 2 GG gesetzt. In diesem Zusammenhang kommt dem Recht der unerlaubten Handlungen, insbesondere § 826 BGB und§ 823 Abs. 1 BGB, eine besondere Bedeutung zu. Diese Bestimmungen, die nach einhelliger Ansicht zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu rechnen sind311 , begrenzen unter anderem die Freiheit der Presseschaffenden, den geistigen Wettbewerb durch Boykottaufrufe zu beeinflussen. Bei der einzelfallbezogenen Zuordnung der durch die Pressefreiheit und das begrenzende Gesetz geschützten Rechtsgüter berücksichtigt das BVerfG vor allem die Motive des Verrufers. Auch in diesem Zusammenhang wird wiederum dem Öffentlichkeitswert des betreffenden Kommunikationsinhalts ein ausschlaggebendes Gewicht eingeräumt. Entscheidend für den Vorrang der Pressefreiheit ist danach, ob der Boykottaufruf "als Mittel des geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage eingesetzt wird, ... ihm also keine private Auseinandersetzung, sondern die Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit zugrunde liegt"312• Ein nach diesen Erwägungen statthafter Boykottaufruf ist nicht allein deshalb unzulässig, weil Verrufer und Verrufener miteinander in einem Konkurrenzverhältnis stehen313• Eine derartige Beziehung schließt eine geistige Auseinandersetzung der Konkurrenten nicht von vornherein aus. Ebenfalls unschädlich ist, wenn zwischen Verrufer und Verrufenem ein Ungleichgewicht der Kräfte besteht. Die geistige Konkurrenz fordert keine Auseinandersetzung zwischen ebenbürtigen Kontrahenten. Deshalb kann es auch dem wirtschaftlich Überlegenen nicht verwehrt werden, einen geistigen Konkurrenzkampf unter Einsatz von Boykottaufrufen zu führen314• Ein statthafter Boykottaufruf rechtfertigt aber nicht den Einsatz aller nur denkbaren Mittel, deren sich ein Kommunikationsträger nach den faktischen Gegebenheiten zur Durchsetzung seiner Aufforderung bedienen kann. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt allein die publizistische Auseinanderset311

312 313

314

Siehe etwa BVerfGE 7, 198/214. BVerfGE 25, 256/264. Ähnlich BVerfGE 7, 198/212; E 62, 230/244. Dies unterstreichen BVerfGE 25, 256/264; E 62, 230/244. Grundlegend BVerfGE 25, 256/264 für das Verhältniszweier Verlagsuntemehmen.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

259

zung, die sich auf geistige Einflußnahmen beschränkf15, nicht aber die faktische Repression. Daher können die Presseschaffenden an die ethische, moralische oder politische Verantwortung der Leser appellieren, müssen es aber deren freier Willensentscheidung überlassen, ob sie der Aufforderung Folge leisten wollen316• Demnach werden von vornherein alle diejenigen Maßnahmen verfassungsrechtlich nicht geschützt, die den einer geistigen Auseinandersetzung immanenten Rahmen verlassen. Dies betrifft in erster Linie die Mittel, die den Adressaten der Verrufserklärung die Möglichkeit nehmen, sich dieser aufgrund freier Entscheidung anzuschließen. Unzulässig ist daher, die Wirkung des Boykottaufrufs durch Androhung oder Ankündigung von Nachteilen zu verstärken. Gleiches gilt für die Ausnutzung sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeiten317• Deshalb ist es beispielsweise unstatthaft, wenn ein Verlagsunternehmen dem von ihm verbreiteten Boykottaufruf mit der Androhung wirtschaftlicher Nachteile Nachdruck verleiht. In dem aufgezeigten engen Rahmen kann ein Boykottaufruf im publizistischen Konkurrenzkampf als Wettbewerbsparameter eingesetzt werden. Etwas anderes gilt im wirtschaftlichen Wettbewerb der Printmedien. Dort wird der Boykott von den Beteiligten eingesetzt, um die eigene ökonomische Ausgangssituation auf dem Kommunikations- oder Werbemarkt durch gezielte Schädigung der Mitbewerber zu verbessern. Ein derartiger, zu Wettbewerbszwecken eingesetzter wirtschaftlicher Boykott unterliegt über Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken des Wettbewerbsrechts. Er verstößt grundsätzlich gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, da eine solchermaßen individuell gezielte Behinderung den Grundsätzen des wirtschaftlichen Leistungswettbewerbs widerspricht318• Ein Verlagsunternehmen handelt daher wettbewerbswidrig, wenn es die werbetreibende Wirtschaft zum Anzeigenboykott gegenüber einem konkurrierenden Presseerzeugnis auffordert. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann daneben auch das in§ 26 Abs. 1 GWB normierte Boykottverbot eingreifen319• Nur diejenigen Aktivitäten fallen aus 315 316 317

Ebenso BVerfGE 62, 230/244; W. Brugger, EuGRZ 1987, S. 195 f. Vgl. dazu bereits BVerfGE 7, 198/221.

Diese Beispiele nennt BVerfGE 25, 256/265. Siehe zum Einsatz wirtschaftlicher Machtmittel auch BVerfGE 62, 230/245; OLG Düsseldorfv. 28. 2. 85, AfP 1985, S. 215. 318 So im Ergebnis übereinstimmend Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG, RdNr. 251; 0 .-F. von Gamm, Wettbewerbsrecht, 30. Kapitel, RdNr. 34; M. Löffler IR. Ricker, Handbuch des Presserechts, 75. Kapitel, RdNr. 4. 319 Dazu 0.-F. von Gamm, Wettbewerbsrecht, 30. Kapitel, RdNr. 31.

260

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

dem Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts heraus, die allein den publizistischen, nicht aber den wirtschaftlichen Wettbewerb der Printmedien berühren. Es bedarf daher bei jedem Boykottaufruf, der im Rahmen eines ökonomischen Wettbewerbsverhältnisses ergeht, einer Feststellung dahingehend, ob publizistische oder wirtschaftliche Konkurrenzmomente überwiegen320. Je nach Sachlage kommen die Schranken des Zivilrechts oder die restriktiveren Begrenzungen des Wettbewerbsrechts zur Anwendung.

dd) Die Pressefehde

Besonderheiten gelten schließlich für öffentliche Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Presseorganen, die häufig die Ehre oder andere Rechtsgüter der Betroffenen beeinträchtigen. Ursächlich hierfür ist vielfach die Aufmachung der verbreiteten Geistesinhalte, mit deren Hilfe sich die Kommunikationsträger in der unmittelbaren geistigen Konfrontation mit anderen Massenmedien durchsetzen wollen. Die Presseschaffenden bevorzugen auffällige Formulierungen, da diese die Aufmerksamkeit der Leser erregen, zugleich aber auch der Verwirklichung der eigenen kommunikativen Zielsetzung dienen. Durch den optimalen Einsatz inhaltlicher und formeller Aktionsparameter kann demnach die Verbreitung eines Standpunktes in entscheidender Weise gefördert werden. Rechtsprechung und Schrifttum berücksichtigen diese Eigengesetzlichkeilen einer Pressefehde und deren elementare Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung bei der einzelfallbezogenen Konkretisierung der in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Grundrechtsschranken321. Die rechtlichen Grenzen der grundrechtlich verbürgten publizistischen Gestaltungsfreiheit werden bei der von der Wechselwirkungslehre geforderten verhältnismäßigen Zuordnung der durch die Pressefreiheit und das begrenzende Gesetz jeweils geschützten Rechtsgüter auch aus dem Gesichtspunkt des Gegenschlags und der adäquaten Reaktion bestimmt. Danach hängt die Art und Weise der statthaften Reaktion auf einen vorangegangenen Presseangriff von dessen Schwere ab322. Der Anlaß ist für Er320 321 322

Einen Überblick vermittelt H. Kohl, AfP 1984, S. 205 ff. Besonders deutlich BVerfGE 42, 143/157- Sondervotum Rupp-von Brünneck.

Grundlegend BVerfGE 12, 113/131. Die Rechtsprechung wendet diesen Grundsatz nunmehr neben der eigentlichen Pressefehde auch in den Fällen an, in denen der Betroffene

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

261

forderlichkeit und Adäquanz der Erwiderung ausschlaggebend. Dabei wird der Möglichkeit der Gegenwirkung bei den Rezipienten ein entscheidendes Gewicht beigemessen. Jeder Presseinhalt hinterläßt entsprechend seiner publizistischen Aufbereitung einen mehr oder weniger nachhaltigen Eindruck in der Öffentlichkeit. Diesen gilt es mittels der Entgegnung zu überwinden, was auch bei der Konkretisierung der Grundrechtsschranken zu berücksichtigen ist. Der Angegriffene muß sich grundsätzlich mit der gleichen Breitenwirkung verteidigen können, wie sie dem vorausgegangenen Presseangriff zuteil wurde. Deshalb kann eine unsachliche Kritik scharfe und abwertende Gegenäußerungen nach sich ziehen. Der Betroffene kann sich insoweit nicht auf die Ehrenschutzbestimmungen berufen, sofern die Reaktion keine Schmähkritik beinhaltet. Wer durch den Stil seines Beitrags zu einem abwertenden Urteil selbst Anlaß gegeben hat, muß dieses hinnehmen, auch wenn es sein Ansehen schädige23• Besonderes Gewicht mißt die Rechtsprechung dem Umstand bei, daß der von der Gegenäußerung Betroffene sich seinerseits an der öffentlichen Auseinandersetzung beteiligt hat. Damit habe er sich zugleich freiwillig den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und seine Belange in erweitertem Umfang dem Zugriff der Gegner preisgegeben32f. Demzufolge besitzen die Eigengesetzlichkeilen der Pressefehde entscheidende Bedeutung für die rechtlichen Grenzen redaktioneller Wettbewerbsparameter. Deren Einsatz wird letztlich durch die Qualität des vorausgegangenen Presseangriffs bestimmt. Sachliche Äußerungen dürfen nur mit sachlichen Gegenäußerungen widerlegt werden. Demgegenüber ist dem Angegriffenen bei schwerwiegenden Vorwürfen auch ein drastisches Zurückschlagen gestattet. Die Gesetzmäßigkeilen der öffentlichen Auseinandersetzung beschränken hier das Recht der persönlichen Ehre. c) Grenzen der Werbung

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt neben anderen Aktionsformen auch die Werbemaßnahmen der Presseschaffenden. Es steht ihnen fre~ durch den den Gegenschlag durch ein vorangegangenes Verhalten herausgefordert hat. Siehe etwa BVerfGE 24, 278/'1136; E 54, 129/138; BGH v. 18. 6. 74, NJW 1974, S. 1763. 323 Dies betonen BVerfGE 12, 113/131; E 54, 129/138. 324 So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 54, 129/138; E 61, 1/13; E 66, 116/ 150 f.

262

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Einsatz beliebiger Werbemittel die Vorzüge ihrer Leistungen herauszustellen und auf diese Weise bei der jeweiligen Marktgegenseite Präferenzen zu schaffen. Die Werbefreiheit rechtfertigt aber nicht jede faktisch denkbare Werbestrategie, sofern diese nur geeignet ist, die Adressaten im Sinne des Werbetreibenden zu beeinflussen. Dem steht schon das Interesse der Allgemeinheit an der Lauterkeit eines jeden Wettbewerbs entgegen. Dies betrifft den allgemeinen ökonomischen Wettbewerb, gilt aber auch für den wirtschaftliehen Konkurrenzkampf der Printmedien. Daher müssen die rechtlieben Grenzen der Werbefreiheit jeweils für den konkreten Einzelfall ermittelt werden. Die Eigenwerbung der Presse im wirtschaftlichen Verkehr unterliegt über Art. 5 Abs. 2 GG den allgemeinen wettbewerbsrechtlieben Schranken des UWG. Von Bedeutung ist hier vor allem§ 3 UWG, der die Werbung mittels irreführender Angaben untersagt. Diese Bestimmung führt einige besonders häufige Tatbestände ausdrücklich an, untersagt darüber hinaus aber auch alle anderen irreführenden Angaben über geschäftliche Verhältnisse. Ob eine Werbung irreführend ist, beurteilt sieb nicht nach dem äußeren Wortlaut oder dem Empfmden des Werbenden. Maßgeblich ist allein die Sicht des Umworbenen325. § 3 UWG besitzt im Pressewesen einen denkbar weiten Anwendungsbereicb326. Auf dem Kommunikationsmarkt sind alle die Werbemaßnahmen unzulässig, welche geeignet sind, die Käufer einer Publikation zu täuschen. Aus diesem Grund dürfen die Presseschaffenden beispielsweise die Beilagen eines Printmediums nicht als kostenlose Sonderleistung bezeichnen, wenn deren Kosten von vornherein in den Verkaufspreis der Publikation einkalkuliert wurden. Auf dem Werbemarkt verbietet§ 3 UWG den Kommunikationsträgern, potentielle Anzeigenkunden durch irreführende Angaben über den Werbewert ihrer Presseerzeugnisse zu täuschen. Deshalb ist der sogenannte Auflagenschwindel unzulässi~27• Die Presseschaffenden handeln wettbewerbswidrig, wenn sie eine höhere als die tatsächliche Auflage angeben.§ 3 UWG steht auch der Veröffentlichung von Füllanzeigen entgegen, 325 RdNr. 2. 326

Vgl. BGHZ 13, 244/253; Baumbach

I

Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 UWG,

Ausführlich dazu M. Löffler I R. Ricker, Handbuch des Presserechts, 76. Kapitel, RdNrn. 6 ff. 327 Siehe dazu OLG Hamm v. 17. 9. 81, AfP 1982, S. 175 ff.; M. Löffler IR. Ricker, Handbuch des Presserechts, 76. Kapitel, RdNr. 15.

5. Abschn.: Der Einsatz wettbewerblieber Aktionsparameter

263

die ohne Anzeigenauftrag kostenlos abgedruckt beziehungsweise wiederholt werden328• Derartige Inserate sind generell geeignet, Werbetreibende über die Leistungsfähigkeit eines Printmediums zu täuschen, da sie den Umfang des Anzeigenteils beeinflussen und damit eine nicht vorhandene Werbekraft vorspiegeln. Unzulässig ist schließlich auch die Werbung mit einer tatsächlich nicht durchgeführten Nutzeranalyse329• Rechtliche Grenzen der wirtschaftlichen Werbung der Printmedien können sich neben § 3 UWG auch aus § 1 UWG ergeben, da beide Bestimmungen selbständig nebeneinander stehen330• Als unlauter im Sinne des § 1 UWG wird beispielsweise die sogenannte gefühlsbetonte Werbung qualifiziert, welche die soziale Hilfsbereitschaft der Umworbenen ohne sachlichen Zusammenhang mit der Leistung für eigennützige Zwecke planmäßig ausnu~1. Deshalb handelt ein Verlagsunternehmen etwa dann wettbewerbswidrig, wenn es seine Vertreter mit dem Dankesschreiben eines Altersheims über die von dem Unternehmen erhaltenen Zuwendungen für Zeitschriftenabonnements werben läßt332• Die Bestimmungen des UWG reglementieren den allgemeinen geschäftlichen Verkehr und erfassen daher unmittelbar nur den ökonomischen Wettbewerb der Kommunikationsträger. Die aufgezeigten Werbestrategien sind aber häufig nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im publizistischen Konkurrenzkampf der Printmedien von Bedeutung. Dies betrifft vor allem den wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt, der im Regelfall mit den gleichen Aktionsparametern gefördert wird, welche auch im geistigen Konkurrenzkampf Anwendung fmden. Daher beeinflussen die Vorschriften des UWG, indem sie den Gebrauch unlauterer Werbemittel im allgemeinen geschäftlichen Verkehr untersagen, wegen des engen sachlichen Zusammenhangs mittelbar auch die publizistische Werbestrategie der Kommunikationsträger.

328

Vgl. OLG Hamm, v. 5. 8. 79, GRUR 1980, S. 313; Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 UWG, RdNr. 166. 329 So LG Kiel v. 9. 2. 83, AfP 1983, S. 419 f. 330 Dazu Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 UWG, RdNr. 4.

331

Allgemein zur gefühlsbetonten Werbung Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG, RdNrn. 158 ff. 332 Vgl. M. Löffler IR. Ricker, Handbuch des Presserechts, 75. Kapitel, RdNr. 39.

264

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

6. Abschnitt

Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb I. Geistige Konkurrenz und staatlicher Einfluß Im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr übernimmt der Staat vielfach eine Doppelrolle. In seiner Eigenschaft als Aufsichtsorgan reglementiert und lenkt er den ökonomischen Konkurrenzkampf privater Unternehmen durch unmittelbare Interventionen in den Wirtschaftskreislauf. Neben die hoheitliche Aufsichtsfunktion tritt die unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand. Staatliche Unternehmen, welche in einer der privaten Unternehmenstätigkeit vergleichbaren Art und Weise am allgemeinen Wirtschaftsprozeß teilnehmen, beeinflussen mittelbar den Ablauf des Wettbewerbsprozesses, indem sie an der Befriedigung der in der Gemeinschaft existierenden Bedürfnisse mitarbeiten. Die öffentliche Hand kann unter Beachtung der vom Grundgesetz statuierten Rahmenbedingungen grundsätzlich beide Funktionen wahrnehmen, ohne daß der Ablauf der ökonomischen Konkurrenz ernsthaft gefährdet würde. Etwas anderes gilt für den gesamten Bereich der geistigen Konkurrenz, wozu auch der publizistische Wettbewerb der Printmedien zu rechnen ist. Letzterer kann sich nur dann voll entfalten, wenn die miteinander konkurrierenden Kommunikationsträger ihr wettbewerbliebes Verhalten weitgehend unabhängig von externen Einwirkungen nach eigenem Gutdünken variieren können. Deshalb muß sich gerade der Staat grundsätzlich jeder den Wettbewerbsablauf manipulierenden Einflußnahme enthalten. Entscheidend ist, daß die Presseschaffenden weitgehend unbeeinflußt von staatlichen Instanzen am Meinungsmarkt agieren können. Die Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Einflüssen zählt schon wegen der bereits mehrfach aufgezeigten besonderen Eigenarten jeder geistigen Leistung zu den unabdingbaren Strukturelementen der publizistischen Konkurrenrn. Die kommunikative Betätigung ist dem Persönlichkeitskern zuzurechnen, mit dessen Hilfe jeder Mensch seine Wesensanlage als geistig-sittliche Persönlichkeit entfaltet. Dies betrifft die Individualkommunikation, gilt aber ebenfalls für die massenmediale Vermittlung individuell oder kollektiv geformter Gedankeninhalte. Letztere stellen wegen der ihnen notwendigerweise innewohnenden Meinungskomponente persönlichkeitsbedingte und 333

Vgl. zum folgenden bereits oben 3. Teil, 4. Abschn., I, 1.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

265

deshalb unvertretbare Leistungen d~. Sie sind daher einem Fremdeinfluß von vomherein nicht zugänglich, wenn ihre aus der Persönlichkeit des Äußernden resultierende Identität nicht verfälscht werden soll. Die Bindung an derartige höchstpersönliche Faktoren ist ein konstituierendes Merkmal des immateriellen Wettbewerbs und damit auch der publizistischen Konkurrenz. Die Kommunikationsträger können ihr geistiges Potential nur dann entfalten, wenn ihre geistige Unabhängigkeit gesichert ist und ihr Handeln keinen künstlichen, weil externen Beschränkungen unterliegt. Aus diesem Grund müssen die besonders gefährlichen staatlichen Einwirkungen auf ein Mindestmaß reduziert, wenn nicht sogar völlig ausgeschlossen werden. Derartige Interventionen reglementieren die geistige Entfaltungsfreiheit und damit das Wettbewerbsverhalten der Presseschaffenden in einschneidender Weise. Darüber hinaus immunisieren sie die Konkurrenten zugleich gegen den kommunikativen Einfluß der Leser. Die Pressetätigen können ihr publizistisches Angebot nicht am Kommunikationsbedarf der Rezipienten ausrichten, wenn ihr Verhalten einem inhaltsbestimmenden staatlichen Einfluß unterliegt. Schließlich muß das Gebot der Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Maßnahmen vor dem Hintergrund des für eine Demokratie unabdingbaren wettbewerblieh strukturierten Willensbildungsprozesses gesehen werden. Letzterer kann sich nur dann "frei, offen und unreglementiert vollziehen'o335, wenn alle Beteiligten und damit auch die Presseschaffenden vor manipulativen Eingriffen der öffentlichen Gewalt geschützt werden. Nur der ungehinderte geistige Wettbewerb ermöglicht die hemchaftsfreie Koordination der in einer pluralistischen Gemeinschaft notwendigerweise divergierenden Kommunikationsbedürfnisse. Jede Fremdbestimmung birgt die Gefahr in sich, daß die geistige Konkurrenz und damit auch die für das Gemeinwesen konstitutive freie geistige Auseinandersetzung zum Erliegen kommt.

II. Grundgesetz, publizistischer Wettbewerb und staatlicher Einfluß Entscheidend ist daher, ob und gegebenenfalls inwieweit das Grundgesetz 334

Jede Presseberichtserstattung ist von ihrem Wesen her notwendigerweise tendenziös. Siehe dazu oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 4, b. 335 BVerfGE 20,56/98.

266

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

den publizistischen Wettbewerb der Printmedien gegen wettbewerbsverzerrende staatliche Einflüsse schützt. 1. Pressefreiheit, Neutralität und Staatsunabhängigkeit

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Grundrechtsträgern eine allumfassende publizistische Entfaltungsfreiheit und garantiert ihnen damit zugleich die Möglichkeit, sich gegenüber ihren Mitbewerbern durch freie geistige Leistungskonkurrenz am Meinungsmarkt durchzusetzen. Damit wird die kommunikative Betätigung der Presseschaffenden in umfassender Weise gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt geschützt. Staatliche Maßnahmen sind jedoch nicht von vornherein unzulässig. Wie schon die in Art. 5 Abs. 2 GG statuierten Schranken verdeutlichen, normiert die Pressefreiheit kein absolutes Interventionsverbot Das Grundrecht verpflichtet den Staat aber zur Neutralität gegenüber allen kommunikativen Aktivitäten. Staatliche Instanzen müssen sich bei allen Maßnahmen, die den publizistischen Bereich berühren, grundsätzlich jeder steuernden Einflußnahme auf den Inhalt der massenmedialen Kommunikation enthalten336• Sie haben eine weitgehende Wettbewerbsneutralität zu wahren und sind daher zu einer möglichst schematischen Gleichbehandlung der am publizistischen Konkurrenzkampf beteiligten Grundrechtsträger verpflichtet. Diese Pflicht folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Die Bestimmung garantiert die Pressefreiheit, ohne tatbestandsimmanente Begrenzungen festzulegen. Deshalb besteht Einigkeit dahingehend, daß der Tatbestand der Pressefreiheit nicht durch wertende Qualifikationen verkürzt werden darf37. Der dem Freiheitsrecht zugrundeliegende Begriff "Presse" muß weit und formal ausgelegt werden338 und ist deswegen inhaltlichen Wertungen von vornherein unzugänglich. Das Grundrecht schützt "die kör336 Siehe etwa BVerfGE 50, 234/243; E v. 6.6.89, DVBI. 1989, S. 870. Gleiches gilt für die Rundfunkfreiheit: Vgl. BVerfGE 35, 202/222; E 73, 118/182. 337 So ausdrücklich W: Schmitt Glaeser, AfP 1981, S. 319. Gegen eine tatbestandliehe Verengung der Pressefreiheit wenden sich auch M. Antoni, in: Seifert / Hömig, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 12; R Groß, Presserecht, S. 56; I. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 12; U. Scheuner, VVDStRL 22, S. 68 f.; R Schnur, VVDStRL 22, S. 105 f.; H. Wmdsheimer, Die Information als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG, S. 100 f. 338

Dies betonen BVerfGE 34, 269/283; E 66, 116/134.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

267

perliehe Verbreitung von Gedankeninhalten jeglicher Art, ob diese wertvoll oder wertlos sind, zu idealen Zwecken oder in Gewinnerzielungsabsicht verbreitet werden, objektiv unterrichten oder Waren und Leistungen anpreisen, dem privaten oder dem öffentlichen Leben zugehören't339. Der Schutzbereich erfaßt daher alle nur denkbaren Geistesinhalte, unabhängig von deren Wert oder sittlichen Qualitäf"'. Er deckt alle kommunikativen Aktivitäten, ohne daß der Nachweis eines berechtigten oder legitimen Interesses an der Veröffentlichung erforderlich wäre. Die Gegenansicht, die der Unterhaltungs- und Sensationspresse den Schutz der Pressefreiheit von vornherein versagt, da sie keine politisch-kulturell-weltanschaulichen Geistesinhalte verbreite341, erscheint unhaltbar. Gegen eine derartige Differenzierung sprechen schon praktische Erwägungen, da die Abgrenzung schützenswerter Geistesinhalte gegenüber der reinen Unterhaltung und Sensation schwierig, vielfach sogar unmöglich ist342• Verfassungsrechtliche Kriterien bieten hier keine Entscheidungshilfe, zumal derartige Moralkonzeptionenangesichts des existierenden Wertepluralismus verschiedenen Deutungen zugänglich sind. Gewichtiger ist die Tatsache, daß eine derartige restriktive Interpretation des Normbereichs nach dem bereits Gesagten im Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine Stütze fmdet. Sie widerspricht zudem der personellen Offenheit dieses Grundrechts. Jede inhaltsbezogene elitäre Sicht benachteiligt weniger Gebildete und unterläuft damit den Menschenrechtscharakter der Pressefreiheit. In diesem Zusammenhang muß auch der grundrechtlich verbürgte kommunikative Einfluß der Leser berücksichtigt werden. Dieser wird bei einer inhaltlichen Restriktion der Pressefreiheit weitgehend negiert, da die Alternative allein in einer elitär verordneten Bedürfnishierarchie bestehen kann. Eine derartige staatli339 340

M. Bullinger, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 16.

Dies ist mittlerweile allgemein anerkannt. Vgl. nur BVerfGE 25, 2961307; E 50, 2341240; E 66, 1161134; E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 19. Gleiches gilt für die anderen Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Siehe dazu BVerfGE 30, 3361347; E 35, 2021222; E 61, 117. 341 In diesem Sinne äußern sich etwa von MangoldJ /Klein, Das Donner Grundgesetz , Art. 5, Anm. VI 3, S. 245; F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 141; A. Schük, in: Schüle /Huber, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 23. Vgl. auch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 394. 342 So im Ergebnis übereinstimmend BVerfGE 30, 336/347; P. Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 30; R Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 128; Th. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 480 FN 168.

268

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

ehe Geschmacksdiktatur verstößt jedoch gegen die von der Informationsfreiheit verfassungsrechtlich geschützte Rezipientensouveränität Dieser Umstand verdeutlicht zugleich den Widerspruch mit der demokratischen Komponente der Pressefreiheit. Jede inhaltliche Bewertung der Konkurrenzprodukte reglementiert den zur öffentlichen Meinung führenden Kommunikationsprozeß in einer mit dem Demokratieprinzip unvereinbaren Weise. Staatliche Instanzen können auf diesem Weg verbindlich festlegen, welche Inhalte überhaupt zum Gegenstand der für das demokratische Gemeinwesen konstituierenden geistigen Auseinandersetzung gemacht werden dürfen343• Gegen die restriktive Interpretation der Pressefreiheit spricht schließlich auch das in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG normierte Verbot der Vorzensur344. Eine derartige, das Geistesleben lähmende, präventive Staatskontrolle wäre die unabweisliche Folge einer auf der Tatbestandsebene durchgeführten inhaltlichen Differenzierung345• Hinsichtlich der Auswirkungen macht es keinen Unterschied, ob die Veröffentlichung eines Geistesinhalts von einer präventiven Genehmigung abhängig gemacht, oder ob der Grundrechtsschutz von vornherein ausschließlich nach staatlich festgelegten inhaltlichen Kriterien gewährt wird. Demzufolge sind alle denkbaren Gedankeninhalte in gleicher Weise schutzwürdig. Damit wirkt schon der Tatbestand der Pressefreiheit jeder inhaltlichen Ausgestaltung und Steuerung massenmedialer Kommunikation entgegen. Das Grundrecht verbietet ein staatliches Meinungsrichtertum. Staatliche Instanzen dürfen sich bei ihren wettbewerbsbezogenen Maßnahmen nicht tendenziell auf eine bestimmte geistige Richtung festlegen und diese bevorzugen oder benachteiligen. Sie sind vielmehr gehalten, der Pressefreiheit nach allen Richtungen Raum zu geben. Neben dem Tatbestand der Pressefreiheit verdeutlicht auch die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG die Neutralitätsverpflichtung des 343 Prägnant die kritische Stellungnahme von R Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 128. Ebenso von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 39. 344

Es ist allgemein anerkannt, daß Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG nur die Vorzensur erfaßt. Diesen Standpunkt vertreten etwa BVerfGE 33, 52171 f.; E 47, 1981236; E 73, 1181166; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 5, Anm. 6, S. 67; W. Schmitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 88. AndersA. Hamann I H. Lenz, Grundgesetz, Art. 5, Anm. B 8. 345 Ähnlich R Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNr. 128; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 39.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

269

Staates gegenüber publizistischen Wettbewerbsprozessen346• Das Grundgesetz hat mit der Schranke der allgemeinen Gesetze eine Vorentscheidung gegen die verfassungsrechtliche Statthaftigkeit von Sondergesetzen getroffen, die sich in ihrer objektiven Zielrichtung gegen das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Rechtsgut richten347• Demzufolge ist die Neutralität gegenüber den verbreiteten Kommunikationsinhalten das charakteristische Kennzeichen eines allgemeinen Gesetzes. Alle Begrenzungen, die sich gegen einen bestimmten Geistesinhalt richten, sind ohne weiteres verfassungswidrig, da sie eine sonderrechtliche Beschränkung der Pressefreiheit enthalten. In engem sachlichen Zusammenhang mit der Neutralitätsverpflichtung der öffentlichen Gewalt steht die Staatsunabhängigkeit der Presse, die gleichfalls von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert wird348• Mit der verfassungsmäßigen Verankerung der Pressefreiheit wurde die publizistische Betätigung grundsätzlich der privaten Hand überantwortet. Dieser Tätigkeitskreis bleibt reglementierenden Eingriffen der öffentlichen Gewalt weitgehend verschlossen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt die freie geistige Entfaltung in einem auf privater Initiative beruhenden Wettbewerb und verbürgt damit zugleich die Staatsunabhängigkeit der Presse349• Dafür spricht auch das in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG normierte Zensurverbot. Das Gebot der Staatsunabhängigkeit wird dort durch das ausdrückliche Verbot präventiver Staatskontrolle besonders akzentuiert. Demnach wäre es mit der Pressefreiheit unvereinbar, "die Presse oder einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern"350• Dies gilt auch für die Konkurrenz der Printmedien. Die Pressefreiheit verwehrt der öffentlichen Gewalt grundsätzlich die Möglichkeit, in den publizistischen Wettbewerb einzugreifen351 •

346

So auch G. Hermann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland,§ 97, S. 178 f.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 152. 347 Ausführlich dazu oben 3. Teil, 5. Abschn., IV, 1. 348

So im Ergebnis übereinstimmend M. Antoni, in: Seifert f Hömig, Grundgesetz, Art.

5, RdNr. 13; H. H. Klein, AfP 1977, S. 264; W. Leisner, Die Pressegleichheit, S. 43; M Löffler, Presserecht I,§ 3 LPG, RdNr. 32; R. Wimmer, NJW 1982, S. 2794. 349 Ähnlich H. H. Klein, AfP 19TI, S. 264. 350 351

BVerfGE 12, 205/260. Ebenso OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939. Vgl. BVerfGE 20, 162/175; E 66, 116/133.

270

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

2. Demokratie, Neutralität und Staatsunabhängigkeit Die staatliche Verpflichtung zur Wettbewerbsneutralität und die Staatsunabhängigkeit der Printmedien gründen sich nach dem bisher Gesagten auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Eine zentrale Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang aber auch der für eine freiheitliche Demokratie lebensnotwendige, grundrechtlich garantierte Volkswillensbildungsprozeß, in dem die sogenannte öffentliche Meinung geformt wird352• Die Willensbildung des Volkes, an der neben den anderen Kräften des Gemeinschaftslebens auch die Kommunikationsträger beteiligt sind, muß sich "frei, offen und unreglementiert vollziehen"353• Dieses Postulat ist auch bei der Abgrenzung von Volks- und Staatswillensbildungsprozeß zu beachten. Beide Willensbildungsprozesse sind einander auf mannigfache Art und Weise zugeordnet. Sie stehen in einem Verhältnis des Dialogs und der Wechselbezüglichkeit. Trotz vielfältiger Berührungspunkte, die sich zwangsläufig bei der Komplexität und Totalität des Gemeinschaftslebens ergeben, ist es ausgeschlossen, Volks- und Staatswillensbildung miteinander zu identifizieren354• Beide Arten der Willensbildung müssen prinzipiell voneinander getrennt werden355• Diese Unterscheidung ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung, die manipulierenden staatlichen Einflußnahmen weitgehend verschlossen bleibt. In einer freiheitlichen Demokratie muß sich die Willensbildung "vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen"356• Aus diesem Grund muß die Willensbildung des Volkes von Einwirkungen der öffentli-

352 353 354

Ausführlich zum Volkswillensbildungsprozeß oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 1. BVerfGE 20, 56198. So bereits BVerfGE 8, 1041113.

355 Grundlegend BVerfGE 20, 56198. Das Gericht ordnet die Willensbildung des Volkes Art. 21 Abs. 1 und die Bildung des Staatswillens Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zu. Vgl. zur prinzipiellen Unterscheidung der beiden Willensbildungsprozesse auch W. Schmin Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 28; K. Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5, S. 615 f. Kritisch P. Häberle, JuS 1967, S. 65 f., 66 f., der diesen Trennungsgedanken als wirklichkeitsfremd und spätliberal verwirft. 356 BVerfGE 20, 56199. Ebenso BVerfGE 44, 1251139; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939; W. Schmitt G/aeser, in: Isensee RdNr. 29.

I

Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31,

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

271

eben Gewalt grundsätzlich freigehalten werdenm. Entscheidend ist, "daß nicht durch ein Beherrschen Meinung gemacht werden, sondern - umgekehrt - daß vom Meinen her Einfluß auf das Herrschen genommen werden soll"lS8. Allein diese Staatsfreiheit entspricht dem demokratischen Grundgedanken, daß sich staatliche Herrschaft immer von unten nach oben konstituieren muß und nicht umgekehrt35.1. Der grundrechtlich garantierte Volkswillensbildungsprozeß kann aber nur dann von staatlichem Dirigismus freigehalten werden, wenn alle Beteiligten, und damit auch die Presseschaffenden, ungehindert von staatlicher Beherrschung oder Einflußnahme am Meinungsmarkt agieren können360 • Damit erlangt das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip eine grundlegende Bedeutung für das Verhältnis der öffentlichen Gewalt zur Presse. Die aufgezeigte Neutralitätspflicht und die Staatsunabhängigkeit der Printmedien gründen sich auf dieses Prinzip, da nur so eine staatsfreie Bildung der öffentlichen Meinung gesichert werden kann. Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen immer wieder darauf hingewiesen, daß eine "freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ... ein Wesenselement des freiheitlichen Staates" ist361 • Aus diesem Grund wird die öffentliche Gewalt zu einer weitgehenden Abstinenz im Bereich der Publizistik verpflichtet. Sie darf die Tätigkeit der Presse weder selbst übernehmen, noch einen steuernden oder reglementierenden Einfluß auf die verbreiteten Kommunikationsinhalte ausüben. Allein die Staatsunabhängigkeit der Presse garantiert die freie und offene Auseinandersetzung miteinander konkurrierender Printmedien.

111. Grundgesetz, Neutralität und Differenzierungsverbote Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität bewirkt ein striktes Differen357 358 359

Vgl. BVerfGE 20, 56/99. A . Amdt, Gesammelte juristische Schriften, S. 414 f.

Siehe auch W. Schmitt G/aeser, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 29, der diesen Gedanken als demokratische Kernidee charakterisiert. 360 Dieser Umstand ist in der Rechtsprechung immer wieder herausgestellt worden. Besonders deutlich BVerfGE 57, 295/320; E 73, 118/152; E 74, 297/324; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939. 361 BVerfGE 20, 162/174; ebenso BVerfGE 36, 321/340; E 50, 234/239; E 52, 283/296.

272

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

zierungsverbot. Letzteres verwehrt staatlichen Instanzen in mehrfacher Hinsicht die Möglichkeit, den geistigen Konkurrenzkampf der Presseerzeugnisse durch wertende Unterscheidungen zu beeinflussen362• 1. Differenzierung nach dem Presseinhalt

Dies betrifft in erster Linie alle Differenzierungen, die unmittelbar an den Inhalt der miteinander konkurrierenden Publikationen anknüpfen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG untersagt der öffentlichen Gewalt, den publizistischen Wettbewerb durch Inhaltsvorgaben oder -festsetzungen zu reglementieren. Der Tatbestand der Pressefreiheit darf nicht durch wertende Qualifikation verkürzt, der Grundrechtsschutz nicht von staatlicher Entscheidung abhängig gemacht werden. Auch der von herrschenden Vorstellungen abweichende Geistesinhalt wird geschützt, unabhängig davon, ob das Gemeinwesen von ihm profitiert. Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verwehrt dem Staat die Möglichkeit, durch inhaltliche Differenzierungen auf Aufbau und Erosion wettbewerbsimmanenter publizistischer Machtpositionen Einfluß zu nehmen. Diese Verpflichtung muß bei allen Aktivitäten beachtet werden, die den geistigen Konkurrenzkampf der Printmedien unmittelbar berühren. Unbeachtlich ist, ob es sich dabei um unmittelbare Eingriffe in den publizistischen Wettbewerb oder um mittelbare durch die Gewährung von Vergünstigungen handelt363• Derartige Maßnahmen können nicht danach ausgerichtet werden, ob die betreffenden Publikationen aus der Sicht der handelnden Stelle wertvoll oder wertlos, wichtig oder unwichtig, schädlich oder unschädlich, erwünscht oder unerwünscht sind. Die öffentliche Gewalt darf bei ihrer Tätigkeit keinesfalls zwischen "guten" und "schlechten" Presseinhalten unterscheiden. Deshalb ist es dem Staat verwehrt, einzelne wohlgefällige oder politisch nahestehende Presseorgane zu fördern und mißliebige zu benachteiligen. Die staatliche Pflicht zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität entzieht je-

362

Ausführlich zu den Differenzierungsverboten im Pressebereich W. Leisner, Die Pressegleichheit. 363 Vgl. BVerfG v. 6.6.89, DVBI. 1989, S. 870: "Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründet im Förderungsbereich für den Staat ... eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet".

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

273

der Diskussion über das Niveau von Kommunikationsinhalten von vornherein den verfassungsrechtlichen Boden364 •

2. Differenzierung zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung Die grundrechtlich verbürgte Neutralitätspflicht verbietet wertende Qualifikationen innerhalb des redaktionellen Teils, wirkt darüber hinaus aber auch einer unterschiedlichen Behandlung von redaktionellen Beiträgen und Werbung entgegen. Diese spezielle Ausformung der Neutralitätspflicht gründet sich auf den Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Die Bestimmung garantiert die Pressefreiheit, ohne tatbestandsimmanente Begrenzungen hinsichtlich der verbürgten Äußerungsinhalte festzulegen. Deshalb erfaßt das Grundrecht neben den redaktionellen Beiträgen zugleich die Veröffentlichung und Verbreitung von Inseraten365, so daß grundsätzlich der gesamte Inhalt eines Presseerzeugnisses in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, wie redaktioneller und Anzeigenteil jeweils innerhalb der einzelnen Publikationen gewichtet werden. Unschädlich ist, wenn die Werbung der eigentlichen Berichterstattung an Umfang gleichkommt oder diese sogar übertrifft. Pressefreiheit läßt sich "weder quantitativ noch qualitativ messenot366. Daher können sich auch diejenigen Kommunikationsträger auf das Grundrecht berufen, deren Zielsetzung in erster Linie darin besteht, ihren Lesern Anzeigen zugänglich zu machen. Die gesamte Werbepresse, deren quantitative und wirtschaftliche Bedeutung in den letzten Jahrzehnten überproportional gewachsen ist367, wird von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt. Dies betrifft die sogenannten Anzeigenblätter,

364

Das Gesagte gilt auch für den Bereich des privaten Rundfunks. Grundlegend W. Schmin Glaeser, DÖV 1986, S. 819 ff. 365

Dieser Garantiegehalt entspricht mittlerweile gesicherter Anschauung. Vgl. nur BVerfGE 21, 271/278; E 64, 108/114; R Groß, Presserecht, S. 52; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 40; /. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 22 a; K. Lange, DÖV 1973, S. 483. A. A. noch L. Fröhler, Werbefernsehen und Pressefreiheit, S. 22. 366

367

W. Schmin Glaeser, NJW 1971, S. 2014.

Siehe den Überblick zur Entwicklung der Anzeigenblätter bei K. Teckentrup, Festschrift für Bringmann, S. 2n f., und E. Spieler, Fusionskontrolle im Medienbereich, S. 34

274

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

die einen geringen redaktionellen Teil enthalten368, gilt aber auch für reine Offertenblätter3(9, welche ausschließlich Inserate abdrucken. Zwar besteht Einigkeit hinsichtlich des aufgezeigten Schutzumfangs der Pressefreiheit, doch beruht die Begründung jeweils auf unterschiedlichen Ansatzpunkten. Nach Ansicht des BVerfG "äußert der Verlag, der eine Anzeige drucken läßt, keine eigene Meinung; zu dem Inhalt der Anzeige verhält er sich neutral, eine Verantwortung für seine Richtigkeit übernimmt er nicht. Daß es im freien Belieben des Verlages steht, die Annahme gewisser, ihm nicht genehmer Anzeigen abzulehnen, ist praktisch ohne Bedeutung"370• Dementsprechend qualiftziert das Gericht Anzeigen als Nachrichten, läßt aber keinen Zweifel daran, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch die Verbreitung von Nachrichten und damit zugleich die Veröffentlichung von Inseraten schützf71• Diese Begründung überzeugt nicht, da fast jeder publizistische Inhalt zwangsläufig eine Meinungskomponente enthält. Letztere gründet sich auf die jeder Veröffentlichung eines Geistesinhalts vorausgehende Auswahlentscheidung der Presseschaffenden, die notwendigerweise mit einer auf der persönlichen Grundeinstellung der Auswählenden beruhenden Wertung verknüpft ist372• Nichts anderes gilt für die Veröffentlichung von Inseraten. Die Kommunikationsträger sind grundsätzlich nicht verpflichtet, bestimmte Werbeaufträge anzunehmen373• Daher nehmen die Verlage einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Ausgestaltung des Anzeigenteils374• Inserate werden regelmäßig auf Form und Inhalt überprüft. Diese Auswahlmöglichkeit gibt der subjektiven Wertung der Kommunikationsträger Raum. Der Abdruck einer Anzeige enthält daher zumindest immer eine konkludente 368 369

Vgl. W. Sclunitt Glaeser, NJW 1971, S. 2014.

So im Ergebnis übereinstimmend OLG Köln v. 28. 10. 83, NJW 1984, S. 1121; F. Kübler, Festschrift für Löffler, S. 181; /. von Münch, in: von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 5, RdNr. 22 a. 370 BVerfGE 21, 271/278. 371 BVerfGE 21, 271/279. Ähnlich von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 40. 372 Vgl. dazu oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 2. 373 Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Entscheidungssouveränität der Kommunikationsträger oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 3. 374 Diesen Einfluß verdeutlicht die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Ablehnung von Anzeigenaufträgen. Siehe etwa OLG Karlsruhe, v. 31. 3. 76, NJW 1976, S. 1209 f.; LG Passau v. 15. 10. 81, AfP 1982, S. 118 ff.; KG v. 25. 8. 82, NJW 1984, S. 1123 ff.; OLG Karlsruhe v. 27. 11. 86, NJW 1988, S. 341.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

275

Stellungnahme dahingehend, daß die Werbung der Grundrichtung der Publikation nicht widerspricht. Demzufolge können Inserate schon wegen ihrer Meinungskomponente nicht als reine Nachrichten qualifiziert werden. Ihnen wird der gleiche Grundrechtsschutz wie allen anderen meinungshaltigen Kommunikationsinhalten zuteil. Daneben sprechen noch eine Reihe weiterer Argumente dafür, daß der Tatbestand der Pressefreiheit auch die von den Printmedien verbreitete Werbung erfaßt. Die Veröffentlichung von Inseraten zählt zu den herkömmlichen und damit typischen Tätigkeiten der Kommunikationsträge~5, mit denen diese dem Informationsbedürfnis der Rezipienten Rechnung tragen. Der Anzeigenteil einer Publikation besitzt zudem eminente Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung, da er die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Verbreitungsgebiet des Presseerzeugnisses dokumentiert376. Schließlich muß auch die wirtschaftliche Bedeutung des Werbegeschäfts berücksichtigt werden. Die meisten Publikationen sind zur Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Lebensfähigkeit auf Werbeeinnahmen angewiesen. Aus diesem Grund ist der verfassungsrechtliche Schutz des Anzeigenteils zugleich eine unabdingbare Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Presse und damit letztlich für die Funktionsfähigkeit des publizistischen Wettbewerbs377• Demzufolge genießt die Werbung den gleichen verfassungsrechtlichen Schutz, wie er auch den anderen Kommunikationsinhalten zuteil wird. Die grundrechtlich verbürgte Neutralitätspflicht schützt die Kommunikationsträger auch in diesem Tätigkeitsbereich vor wettbewerbsverzerrenden Einwirkungen der öffentlichen Gewalt, die sich auf qualitative Differenzierungen gründen. Deshalb sind inhaltliche Differenzierungen innerhalb des Anzeigenteils einer Publikation von vornherein unzulässig. Staatliche Instanzen dürfen keine inhaltlichen Kriterien festlegen, mit deren Hilfe sie erwünschte von unerwünschten Inseraten abgrenzen und damit letztlich Einfluß darauf nehmen, welche Werbeinhalte verbreitet werden dürfen und welche nichf18. 375

Diese Tatsache hat das BVerfG mehrfach herausgestellt. Vgl. BVerfGE 21, 271/279; E 64, 108/114. 376 Dazu BVerfGE 21, 271/279; W. Schmitt Glaeser, NJW 1971, S. 2014; ders., AöR 97 (1972), S. 72; E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 107; Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 300. 3n Ebenso BVerfGE 64, 108/114. 378 Vgl. hienu auch BVerfGE 21,271/278 ff.

276

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verwehrt der öffentlichen Gewalt darüber hinaus zugleich die Möglichkeit, zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten zu differenzieren. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt dem gesamten Inhalt der Presseerzeugnisse den gleichen Grundrechtsschutz und wirkt insoweit jeder inhaltlichen Differenzierung innerhalb einer Publikation entgegen319• Staatlichen Instanzen ist es bei Durchführung ihrer Aktivitäten daher grundsätzlich untersagt, die in den Printmedien verbreiteten Werbeaussagen wie Kommmunikationsinhalte zweiter Wahl zu behandeln. Ungleichbehandlungen sind nur dort statthaft, wo sie aus verfassungsrechtlich legitimen Gründen geboten sind. So wird etwa eine unterschiedliche Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts für Presseangehörige im Bereich von redaktionellem und Anzeigenteil für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtef!Kl. Ausschlaggebend hierfür ist die Erwägung, daß der Kontroll- und meinungsbildenden Funktion der Printmedien bei redaktionellen Beiträgen ein größeres Gewicht zukommt als bei Werbeaussagen und überdies der Anzeigenteil der Publikationen häufig sogar zur Anbahnung illegaler Geschäftsbeziehungen benutzt wird. 3. Differenzierung nach der Herkunft der Publikation

Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verbietet staatlichen Instanzen jede Ungleichbehandlung der Kommunikationsträger, die an die Herkunft der miteinander konkurrierenden Presseerzeugnisse anknüpft. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt allen Grundrechtsträgem die gleiche publizistische Entfaltungsfreiheit. Das Grundrecht eröffnet einen Verhaltensspielraum für wettbewerbliebes kommunikatives Handeln, der jedermann in gleicher Weise zustehen soll381 • Demzufolge erfaßt der Normbereich der Pressefreiheit alle nur denkbaren Kommunikationsinhalte ohne Rücksicht auf die Person des Äußernden. Der Grundrechtsschutz wird unabhängig von der Quelle

379

380

Besonders deutlich Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 346.

Diesen Standpunkt vertreten etwa BVerfGE 64, 108/118; BFH, BStBL II 1980, S. 701. Vgl. auch die amtliche Begründung zum Zeugnisverweigerungsrecht für Presseangehörige, BT-Drucks. Vll/2539, S. 9.

381

So im Ergebnis übereinstimmend W. Leisner, Die Pressegleichheit, S. 127; M. Löff1er / R. Ricker, Handbuch des Presserechts, 10. Kapitel, RdNr. 17; R. Schalz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 140.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

277

der Aussage gewährf&. Deshalb ist beispielsweise der politische, religiöse, wirtschaftliche oder sonstige Standort der Publikation für das Eingreifen der Pressefreiheit ohne Bedeutung. Das Grundrecht sichert nicht nur die regierungstreue, sondern auch die oppositionelle Presse. Es schützt neben den unabhängigen auch abhängige Publikationen, die an Gruppeninteressen gebunden sind. Dabei ist es unbeachtlich, daß die gebundenen Presseerzeugnisse einseitig ausgerichtet sind und ihre Leser fast ausschließlich im Interesse der betreffenden Gruppe informieren. Der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verwehrt der öffentlichen Gewalt, Presseerzeugnisse wegen ihrer Herkunft gegenüber Publikationen anderer Herkunft zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Dieses Differenzierungsverbot muß bei staatlichen Eingriffen in den publizistischen Wettbewerb, aber auch bei der Gewährung von Vergünstigungen beachtet werden. Demzufolge kann die öffentliche Gewalt den publizistischen Wettbewerb der Printmedien nicht dadurch beeinflussen, daß sie politische wohlgefällige gegenüber kritischen Presseorganen einseitig begünstigt. Derartige Verhaltensweisen enthalten immer eine indirekte inhaltliche Einflußnahme, die mit der Pressefreiheit unvereinbar ist.

4. Sonstige Differenzierungen Die aufgezeigten Differenzierungsverbote besitzen eine besondere Bedeutung, erschöpfen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität aber nicht. Maßgeblich sind insoweit jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Staatliche Maßnahmen, die den publizistischen Wettbewerb der Printmedien reglementieren, können an die unterschiedlichsten Kriterien anknüpfen und insoweit jeweils eine Ungleichbehandlung der Konkurrenten bewirken. Als Beispiele seien hier nur Faktoren wie die Größe und der Umsatz eines Verlagsunternehmens, die Auflagenhöhe und der Marktanteil einer Publikation oder die Häufigkeit ihres Erscheinens genannt. Derartige Differenzierungen verstoßen jedoch nicht schlechthin gegen die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geforderte Neutralitätsverpflichtung des Staates. Entscheidend ist, ob und gegebenenfalls inwieweit sie auf den Inhalt der miteinander konkurrierenden Presseerzeugnisse einwirken. Mit der Pressefreiheit unvereinbar sind 382

67.

Dies unterstreicht B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S.

278

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

nur die Maßnahmen, die dem Staat eine direkte oder indirekte inhaltliche Einflußnahme eröffnen. Die übrigen Aktivitäten sind verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern sie auch dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Gleichheitssatz Rechnung tragen.

IV. Grundgesetz, Staatsunabhängigkeit und staatliche Pressetätigkeit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert neben der Neutralitätsverpflichtung der öffentlichen Gewalt zugleich die Staatsunabhängigkeit der Presse. Dieses Gebot besitzt eine entscheidende Bedeutung für die Frage der Statthaftigkeit einer wettbewerbliehen Eigenbetätigung des Staates im Pressewesen. 1. Die faktische Ausgangssituation Die öffentliche Hand ist nicht nur Objekt massenmedialer Kommunikationsinhalte, sondern häufig auch ein aktives Kommunikationssubjekt Neben zahlreichen anderen kommunikativen Aktivitäten betätigt sich der Staat auch im Medienwesen. Von Bedeutung ist hier vor allem die staatliche Publikationstätigkeit, die unter anderem die Verbreitung von Presseerzeugnissen umfaßt383• In diesem Bereich hat sich ein breitgefächertes Pressewesen entwickelt, das neben den Publikationen von Bund, Ländern und Gemeinden auch die Presseerzeugnisse anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Anstalten und Stiftungen umfaßt. Das Spektrum derartiger Publikationen ist äußerst komplex und vielschichtig. So erscheinen unter staatlicher Verantwortung beispielsweise Gesetz- und Verordnungsblätter, Amts- und Gemeindeblätter, periodisch verbreitete Tätigkeitsberichte, Kammerblätter sowie eine Vielzahl von Schriften, welche der Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung dienen. Die Themenpalette reicht von der Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen bis hin zu redaktionell gestalteten Beiträgen über aktuelle Fragen des Gemeinschaftslebens. Die staatlichen Publikationen werden vielfach aus Haushaltsmitteln fmanziert und dann unentgeltlieh verteilt, zum Teil aber auch entgeltlich vertrieben. Einige Presseer383 Einen Überblick über die publizistische Tätigkeit der öffentlichen Hand vermitteln H. Kohl, AfP 1981, S. 326 f.; R. Rkker, AfP 1981, S. 320.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

279

zeugnisse beteiligen sich zudem am wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Werbemarkt. Dies betrifft in erster Linie die Amts- und Gemeindeblätter, die sich häufig zu einem wesentlichen Teil aus dem Werbegeschäft fmanzieren und insoweit mit der lokalen Presse wirtschaftlich konkurrieren. Die Zahl aller einschlägigen Presseerzeugnisse und deren Auflage läßt sich nicht eindeutig quantifizieren, da für dieses Teilgebiet des Pressewesens bisher keine zusammenfassende Statistik existiert. Allein die Zahl der Amtsund Gemeindeblätter wird auf nahezu 3000 Titel geschätzt384 • Einige dieser Periodika sollen eine Auflagenstärke von mehreren 100.000 Exemplaren im Jahr erreichen. Bereits diese Zahlen verdeutlichen das Gewicht, welches der staatlichen Publizistik zukommt.

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeil staatlicher Presseaktivitäten Zweifelhaft ist, ob und gegebenenfalls inwieweit das Grundgesetz eine derartige publizistische Eigenbetätigung der öffentlichen Gewalt verfassungsrechtlich legitimiert. Dieser Problemkreis erweist sich als äußerst vielschichtig. Dementsprechend divergieren die zur Statthaftigkeit einer staatlichen Pressetätigkeit vertretenen Standpunkte. Sie reichen von der Annahme eines absoluten Funktionsverbots385 über eine einschränkende, differenzierende Ansicht386 bis hin zum anderen Extrem der vorbehaltlosen Befürwortung staatlicher Presseaktivitäten387•

384 385

Angaben nach H. Kohl, AfP 1981, S. 326. Siehe dazu R. Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, S. 32, 53. Ebenso H. D.

Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 215, hinsichtlich einer staatlichen Eigenbetätigung im sogenannten Vermittlungsbereich.

386

Diesen Standpunkt vertreten mit unterschiedlichen Akzentuierungen BVerfGE 12,

205l2f:j); M. Amoni, in: Seifert I Hömig, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 13; D. Czajka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 166 f.; Ch. Degenhart, Donner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 456; N. Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 121; E. Friesenhahn, Festgabe für Kunze, S. 35; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 5, RdNr. 25; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 53; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 48; ders., Presse, Pressefreiheit, in: EvStL, Sp. 2628; R. Rklcer, Festschrift für Löffler, S. 300 f.

387

Vgl. U. Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht, S. 769: "Wenn der Staat eigene Presseorgane herausgibt, so steht ihm das frei." Ähnlich B. Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, S. 37 FN 88.

280

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Unproblematisch ist allein die Frage der Grundrechtsfähigkeit staatlicher Instanzen. Diese können grundsätzlich nicht zu den Grundrechtsträgern gerechnet werden. Die Grundrechte regeln das Verhältnis des einzelnen zur öffentlichen Gewalt, indem sie dessen Freiheitssphäre vor staatlichen Eingriffen schützen. Damit ist es unvereinbar, wenn der Staat selber zum Nutznießer und Teilhaber der Grundrechte wird. Er ist der verpflichtete Adressat, nicht aber deren Inhaber. Dieser Grundsatz gilt insbesondere für die Pressefreiheit. Demzufolge können sich staatliche Instanzen nicht auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen, soweit sie eigene Publikationen herausgeben388• Dies betrifft die Tätigkeit von Bund und Ländern, aber auch die publizistischen Aktivitäten der kommunalen Gebietskörperschaften. Unbeachtlich ist, ob die öffentliche Gewalt unmittelbar in Erscheinung tritt oder durch ein aus dem hoheitlichen Bereich ausgegliedertes, privatwirtschaftlich strukturiertes Verlagsunternehmen tätig wird. Auch derartige private Organisationsformen begründen keine Grundrechtsfähigkeit Die publizistische Betätigung der öffentlichen Gewalt wird demzufolge nicht durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG legitimiert. Sie kann sogar gegen die Pressefreiheit verstoßen, da sie die grundrechtlich verbürgte Staatsunabhängigkeit der Presse unterminiert389• Die Argumente, die gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeil staatlicher Presseerzeugnisse sprechen, liegen auf der Hand. Derartige Aktivitäten bewirken eine latente Aushöhlung der Pressefreiheit und des Demokratieprinzips, da sie die von den privaten Presseerzeugnissen forcierte geistige Auseinandersetzung und damit letztlich die öffentliche Meinungsbildung durch ihre Teilnahme am publizistischen Wettbewerb verzerren, wenn nicht sogar verfälschen. Staatliche Presseorgane vertreten wegen ihrer Einbindung in das staatliche Gefüge ohnehin keine politisch divergierenden Auffassungen. Sie sind daher nicht geeignet, das Handeln der öffentlichen Gewalt zu kontrollieren und gegebenenfalls zu kritisieren. Jede staatliche Pressetätigkeit führt zu einer einseitigen Ausrichtung der angebotenen Kommunikationsinhalte. Ursächlich hierfür ist unter anderem die Einstellung der politischen Parteien gegenüber den Massenmedien. Diese neigen häufig dazu, dem Staatseinfluß faktisch zugängliche Massenkommunikationsmittel in mißbräuchlicher Weise zu Transmissionsrie388 Dies betonen Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 456; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 5, RdNr. 114; R. Ricker, Festschrift für Löffler, S. 297 f.; ders., AfP 1981, S. 323 f. 389

Ähnlich Ch. Degenhan, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 456.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

281

men parteilicher Gesinnung umzufunktionieren, um durch gezielte publizistische Einflußnahme die Herrschaft der jeweiligen Mehrheit zu stabilisieren390. Die Eigengesetzlichkeiten des Kampfes um politische Mehrheiten werden dabei zwangsläufig auf den Medienbereich übertragen, so daß kritischer Journalismus nur zu oft auf energischen Widerspruch stößt. Vor dem Hintergrund des grundrechtlich verbürgten publizistischen Wettbewerbs erscheint es daher bedenklich, wenn sich staatliche Publikationen am Meinungsmarkt etablieren. Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß jede staatliche Pressetätigkeit gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verstößt und damit prinzipiell verfassungsrechtlich unzulässig ist. Dem Grundgesetz kann kein derartiges absolutes Funktionsverbot entnommen werden. Gegen eine solche Sperrwirkung spricht schon der Umstand, daß die Verfassung zumindest partiell eine kommunikative Betätigung des Staates legitimiert. Dies trifft unzweifelhaft für den Bereich der Eigeninformation zu, der alle amtlichen Bekanntmachungen erfaßt. Als Beispiel sei hier nur die Verkündung von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen genannt. Deren Veröffentlichung in amtlichen Verkündungsblättern ist ohne weiteres statthaft, da elementare Existenzbedürfnisse des Staates im Vordergrund stehen und er um seiner Funktionsfähigkeit willen auf das Erscheinen derartiger Publikationen angewiesen ist. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Postulat der Rechtssicherheit an Bedeutung391 • Dieser Grundsatz fordert unter anderem, daß alle staatlichen Rechtssetzungsakte den Normunterworfenen bekannt gemacht werden. Aus diesem Blickwinkel erscheint eine publizistische Betätigung der öffentlichen Gewalt unumgänglich. Eine staatliche Pressetätigkeit, die sich auf die Verbreitung reiner Gesetzesblätter oder sonstiger amtlicher Verkündungsblätter beschränkt, unterliegt daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken392• 390

Es ist ein offenes Geheimnis, daß die politischen Parteien über ihre Vertreter in den Rundfunkräten der Landesrundfunkanstalten deren publizistische Aktivitäten in nicht unerheblichem Ausmaß steuern. Siehe dazu etwa die kritischen Stellungnahmen von M. Bullinger, JZ 1987, S. 259; J. Kaiser, Presseplanung, S. 31 ff.; E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 20; Ch. Starck, ZRP 1970, S. 217 ff. Auch das BVerfG (E 73, 118/171) kann nicht umhin, diesbezüglich "Schwächen• der binnenpluralistischen Organisation einzuräumen. 391 Ausführlich dazu R. Ricker, AfP 1981, S. 323. 392 In diesem Sinne äußern sich etwa Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1,

2, RdNr. 456; R. Groß, Presserecht, S. 51; H. D. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 75.

282

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Dabei ist irrelevant, ob diese Publikationen durch den Staat selbst oder durch vollständig in seiner Hand befmdliche, privatrechtlich organisierte Einrichtungen hergestellt und verbreitet werden. Als Beispiel sei hier nur die Bundesanzeiger GmbH genannt. Neben der Verkündung von Rechtsnormen besteht auch unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsarbeit ein legitimes Mitteilungsbedürfnis staatlicher Instanzen. Deren Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern vor dem Hintergrund des demokratischen Prinzips sogar geboten. Nur auf diese Weise kann die verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung gesichert, Verständnis für komplexe politische Entscheidungen geweckt und das Rechtsbewußtsein der Beteiligten geschärft werden393• Die staatlichen Organe können dem demokratischen Öffentlichkeitsprinzip dadurch Rechnung tragen, indem sie die Massenmedien über die einschlägigen Sachverhalte und deren Hintergründe hinreichend informieren. Es ist ihnen aber auch gestattet, innerhalb der vom Demokratieprinzip gesteckten Grenzen394 selber in dieser Richtung publizistisch tätig zu werden39S. Über die bisher aufgezeigten unzweifelhaften Fälle hinausgehend muß bei der Frage nach der Statthaftigkeit einer publizistischen Betätigung des Staates schließlich auch berücksichtigt werden, daß die privaten Presseschaffenden bei ihrer redaktionellen Auslese keinen rechtlichen Restriktionen unterworfen sind396• Sie sind daher grundsätzlich nicht verpflichtet, amtliche Verlautbarungen oder sonstige amtliche Äußerungen abzudrucken. Sie können diejenigen staatlichen Aussagen, welche der redaktionellen Linie des Verlagsunternehmens widersprechen, teilweise, aber auch gänzlich von der Verbreitung ausschließen. Demzufolge sind die Staatsorgane auf den good will der Pressetätigen angewiesen, wenn sie die Bürger über bestimmte Ereignisse informieren wollen. Fehlt dieser bei einigen Kommunikationsträgern, können letztere den Staat zumindest partiell von seinen Bürgern isolie393

Grundlegend BVerfGE 44, 125/147 f. Vgl. zur Zulässigkeil staatlicher Öffentlichkeitsarbeit auch BVerfGE 20, 56/100; E 63, 230/242 f.; W. Sehnlitt Glaeser, in: lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 31. Kritisch äußern sich demgegenüber A . Hamann j H. Lenz, Grundgesetz, Art. 5, Anm. 1. 394 Ausführlich BVerfGE 44, 125/141 ff. 395 So ausdrücklich R. Groß, Presserecht, S. 51. 396 Siehe zur verfassungsrechtlichen Entscheidungssouveränität der Presseschaffenden oben 3. Teil, 1. Abschn., II, 3.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

283

ren397• Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn die im Verlagswesen tätigen Personen und die jeweilige Parlamentsmehrheit verschiedene politische Ansichten vertreten. Eine derartige Isolierung der öffentlichen Gewalt kann sich daneben aber auch als mittelbare Folge der Lückenhaftigkeit des Kommunikationsnetzes vor allem in ländlichen Gebieten ergeben. So wurde die lokale Berichterstattung über kleine Gemeinden von den Printmedien in den letzten Jahrzehnten weitgehend vernachlässigt. Diese Entwicklung hat teilweise dazu geführt, daß die Bürger über das Handeln der Gemeindevertretung nicht ausreichend unterrichtet sind. In diesen Fällen muß die öffentliche Gewalt die Möglichkeit besitzen, sich mit eigenen Publikationen unmittelbar an die Bürger zu wenden. Die genannten Gründe sprechen dafür, der öffentlichen Hand einen eng begrenzten Handlungsspielraum für eine publizistische Eigenbetätigung einzuräumen. In diesem Rahmen ist ein Nebeneinander staatlicher und privater Kommunikationsträger und damit ein Trägerpluralismus denkbar. Derartige Mischstrukturen sind dem Grundgesetz nicht völlig fremd, sondern teilweise, insbesondere im geistig-kulturellen Bereich, sogar ein Charakteristikum der vom Grundgesetz statuierten Ordnung398•

3. Quantitative und qualitative Grenzen staatlieber Presseaktivitäten Demnach kann sich die öffentliche Hand zumindest partiell am publizistischen Wettbewerb der Printmedien beteiligen, muß dabei aber die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen beachten. Letztere besitzen ein ausschlaggebendes Gewicht für die Frage nach der Statthaftigkeit einer konkreten wettbewerbliehen Eigenbetätigung des Staates im Pressewesen. Staatliche Presseaktivitäten müssen die Freiheitsrechte privater Konkurrenten und die in Art. 20 GG normierten Strukturprinzipien respektieren. Von Bedeutung sind hier vor allem die Pressefreiheit und die Verfassungsentscheidung für das Demokratieprinzip. Wesentlich ist, daß die grundrechtlich verbürgte Staatsunabhängigkeit der Presse gewahrt und die Funktionsfähigkeit der publizistischen Konkurrenz der Printmedien erhalten bleibt. Eine publizistische Tätigkeit der öffentlichen Gewalt ist nur dann zulässig, wenn die vom 397 Dieser Umstand wird besonders von D . Cwjlw, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 166, herausgestellt. 398 Vgl. dazu Th. Oppermann, JZ 1981, S. 729 f.

284

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Grundgesetz dafür statuierten quantitativen und qualitativen Grenzen beachtet werden. Beim Überschreiten dieser Grenzen verstoßen die publizistischen Aktivitäten der öffentlichen Hand gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und können damit von den privaten Kommunikationsträgern abgewehrt werden399. In quantitativer Hinsicht kommt es entscheidend darauf an, daß staatliche Presseorgane nach Anzahl und Gewicht am Meinungsmarkt allenfalls eine untergeordnete Wettbewerbsstellung innehaben, der staatliche Einfluß sich demnach auf eine Minimalkonkurrenz beschränkt. Bei der staatlichen Pressetätigkeit muß es sich um eine "dosierte Randerscheinung't400 handeln, welche die privaten Verlagsunternehmen und damit den publizistischen Wettbewerb der Printmedien wegen der Fülle der vom Staat unabhängigen Presseerzeugnisse substantiell nicht berührt401 • Ob und wann die Grenzen einer derartigen marginalen Betätigung überschritten sind, richtet sich nach den Gegebenheiten des jeweils relevanten Teilmarktes. Unproblematisch sind beispielsweise staatliche Gesetz- und Verordnungsblätter oder kommunale Amtsblätter. Derartige Publikationen sind ohne weiteres statthaft402, da sie durch das Rechtsstaats- beziehungsweise Demokratieprinzip legitimiert werden. Sie bergen zudem keine Gefahr für die vom Grundgesetz geforderte Staatsunabhängigkeit der Presse in sich. Häufig fehlt es schon an einem Wettbewerbsverhältnis, weil keine privaten Verlagsunternehmen existieren, die mit vergleichbaren geistigen Inhalten um die Akzeptanz des gleichen Personenkreises werben. Etwas anderes gilt für diejenigen kommunalen Presseerzeugnisse, deren Inhalte sich nicht in der Verkündung von Rechtsnormen, amtlichen Bekanntmachungen oder Öffentlichkeitsarbeit der Gemeindeorgane erschöpfen. Derartige Publikationen sind regelmäßig nicht mit dem Postulat einer staatsfreien massenmedialen Kommunikation vereinbar und verstoßen demgemäß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG403 • Das Verdikt der Verfassungswidrigkeit resultiert aus der geringen Zahl von Konkur399

Besonders deutlich Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 456; M. Löffler, Presserecht I, § 7 LPG, RdNr. 56 a. 400

401

P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 48.

Grundlegend BVerfGE 12, 205/260. Ähnlich W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 170, P. Lerche, Presse, Pressefreiheit, in: EvStL, Sp. 2628. 402 So auch R Ricker, AfP 1981, S. 325. 403

Siehe dazu auch Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 456; R Ricker, Festschrift für Löffler, S. 300 f. A. A. R Wimmer, NJW 1982, S. 2797, der diesen Blättern eine die private Presse ergänzende Staatspflegefunktion einräumt.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

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renten und der damit verbundenen besonderen Wettbewerbssituation im örtlichen Bereich. Die Gemeindeblätter, die keiner nennenswerten Konkurrenz durch private Printmedien ausgesetzt sind, können ihre starke Ausgangsposition nutzen, um die öffentliche Meinung in der betreffenden Gemeinde zu beeinflussen. Besitzt das kommunale Presseerzeugnis gar ein publizistisches Monopo~ wird die Gefahr einer Einflußnahme auf den Volkswillensbildungsprozeß evident. Zudem sprechen auch wirtschaftliche Erwägungen gegen die Zulässigkeil dieser Gemeindeblätter. Sie stellen ein gravierendes Markthindernis für lokale Konkurrenten dar, wenn sie aus dem Gemeindehaushalt fmanziert und dann an alle Haushalte kostenlos verteilt werden. Diese Vorgehensweise verschafft ihnen einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorsprung vor entgeltlichen Konkurrenzprodukten404 • Derartige wirtschaftliche Markthindernisse wirken wegen des Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie wiederum auf die kommunikative Ebene zurück und vergrößern den ohnehin schon unzulässigen Einfluß der kommunalen Publikation. Die publizistische Tätigkeit der öffentlichen Gewalt unterliegt neben den aufgezeigten quantitativen zugleich qualitativen Schranken, welche die Art und Weise der Wettbewerbsteilnahme begrenzen. Von Bedeutung ist hier vor allem die dem Staat im kommunikativen Bereich obliegende Neutralitätspflicht Diese beschränkt nicht nur staatliche Interventionen in den publizistischen Wettbewerb der Printmedien, sondern reglementiert auch die publizistische Eigenbetätigung der öffentlichen Hand. Die öffentliche Gewalt muß sich bei allen Maßnahmen, die den publizistischen Bereich berühren, grundsätzlich jeder steuernden Einflußnahme auf den Inhalt der massenmedialen Kommunikation enthalten405 • Aus diesem Grund sind auch die staatlichen Presseorgane verpflichtet, ihr kommunikatives Angebot weitestgehend wettbewerbsneutral zu gestalten406• Der privaten Presse obliegen dagegen keine derartigen Ausgewogenheits- und Pluralitätsbindungen. Die durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich verbürgte geistige Wettbewerbsfreiheit nimmt Einseitigkeit, Parteilichkeit und Willkür der privaten Konkurrenten bewußt in Kauf. Im Gegensatz dazu darf die staatliche Publizistik nicht Partei für einzelne Meinungen und Richtungen ergreifen und diese in 404 405

Vgl. dazu R Rkker, AfP 1981, S. 325.

Siehe etwa BVerfGE 50, 234/243. Gleiches gilt für die Rundfunkfreiheit: Vgl. BVerfGE 35, 202/222; E 73, 118/182. 406 Prägnant W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 170.

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

einer einseitigen Art und Weise herausstellen. Die Neutralitätspflicht verwehrt staatlichen Presseorganen die Möglichkeit, durch eine zweckgefärbte redaktionelle Auslese nur bestimmte, erwünschte Ansichten zu propagieren. Sie sind vielmehr gehalten, auch auf die gegensätzlichen Anschauungen die gebotene Rücksicht zu nehmen. Deshalb wäre eine staatliche Meinungspresse, die sich allein mit einem Standpunkt identifiziert, von vornherein unzulässig407. Derartige Publikationen üben einen Einfluß aus, der weder den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, noch den Grundsätzen des Art. 20 GG gerecht wird. Darüber hinaus muß das Prinzip der Nichtidentifikation aber auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung der übrigen staatlichen Presseerzeugnisse beachtet werden. Aus diesem Grund sind die staatlichen Organe beispielsweise bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet, sich auf weitgehend wettbewerbsneutrale Kommunikationsinhalte zu beschränken. Entscheidend ist, daß die Freiheit und Offenheit des Volkswillensbildungsprozesses nicht durch wettbewerbsverzerrende Einwirkungen der öffentlichen Gewalt beeinträchtigt wird. Daher darf unter dem Deckmantel der Öffentlichkeitsarbeit keinesfalls offen oder versteckt für einzelne Parteien oder deren politische Ansichten geworben werden408• Diese Neutralitätspflicht gewinnt im Wahlkampf zunehmend an Gewicht. Die qualitativen Schranken staatlicher Publizistik begrenzen nicht nur den inhaltlichen Gestaltungsspielraum staatlicher Presseerzeugnisse. Sie reglementieren zugleich den Einsatz der Mittel, mit denen die öffentliche Gewalt die Ausgangsposition ihrer Publikationen im Wettbewerb fördern kann. Der Staat muß den berechtigten Interessen der privaten Verlagsunternehmen Rechnung tragen. Deshalb darf er seine Printmedien grundsätzlich nicht derart attraktiv gestalten, daß den privaten Mitbewerbern jede Chance genommen und deren Tätigkeit faktisch zum Erliegen kommt409• Entscheidend ist, daß die grundrechtlich verbürgte individuelle Entfaltungsfreiheit 407 So im Ergebnis übereinstimmend H. Ehmke, Festschrift für Amdt, S. 116; H. KohJ, AfP 1981, S. 330; W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 171. 408 ..

Grundlegend BVerfGE 44, 125/141 ff. Vgl. zu den Grenzen der Offentlichkeitsarbeit auch W. Sehnlitt Glaeser, in: lsensee f Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 31; R. Ricker, AfP 1981, S. 322. 409 Dieser für das Schulwesen entwickelte Grundsatz (BVerwGE 23, 347/349) muß auch für alle anderen Bereiche gelten, die durch ein Nebeneinander staatlicher und privater Träger gekennzeichnet werden.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

287

der Beteiligten durch staatliche Aktivitäten nicht in einer über die wettbewerbsimmanenten Risiken hinausgehenden Weise bedroht wird. Dies betrifft in erster Linie alle die Mittel, welche die publizistische Konkurrenz der Printmedien beeinflussen. Daher ist es dem Staat beispielsweise verwehrt, seine Publikationen bevorzugt mit Nachrichtenmaterial aus staatlichen Informationsquellen zu versorgen. Die direkte Verbindung zu den politischen Entscheidungszentren würde diesen Presseerzeugnissen die Exklusivität ihrer Meldungen, zumindest aber einen Aktualitätsvorsprung sichern und ihnen damit in mißbräuchlicher Weise einen Wettbewerbsvorsprung einräumen. Eine derartige Vorgehensweise beschränkt die publizistische Entfaltungsfreiheit privater Kommunikationsträger in einschneidender Weise. Sie verletzt die staatliche Neutralitätspflicht und verstößt damit gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG410• Die qualitativen Schranken begrenzen darüber hinaus auch den Einsatz wirtschaftlicher Mittel. Die öffentliche Hand darf ihren Publikationen keine unbegrenzte fmanzielle Deckung aus den Mitteln des Staatshaushalts gewähren, mit der Folge, daß diese ohne Rücksicht auf ökonomische Faktoren am Meinungsmarkt agieren können411 • Eine derartige Finanzausstattung staatlicher Presseerzeugnisse gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der in privater Trägerschaft betriebenen Konkurrenz, deren kommunikative Leistung durch den Umfang der verfügbaren Finanzmittel begrenzt wird. Da diese nicht beliebig vermehrt werden können, negiert eine unbegrenzte Finanzierungsgarantie für staatliche Printmedien letztlich die Funktionsfähigkeit der publizistischen Konkurrenz. Eine unverhältnismäßige ökonomische Absicherung staatlicher Presseorgane ist daher mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbar. Die aufgezeigten Restriktionen verdeutlichen, daß der wettbewerbliehen Eigenbetätigung des Staates im Pressewesen durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 20 GG enge Grenzen gezogen werden. Das Grundgesetz garantiert die herrschaftsfreie Koordination der in einer pluralistischen Gemeinschaft notwendigerweise divergierenden Kommunikationsbedürfnisse. Damit ist es 410

In diesem Sinne äußern sich etwa W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 169 f., und P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 48. Vgl. auch D. Cwjka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 167 f., der hier nur einen Verstoß gegen Art. 3 GG sieht. 411 Ähnlich W. Kunert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 169 f.; P. Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 48.

288

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

dem Staat von vornherein verwehrt, den publizistischen Konkurrenzkampf der Printmedien zu manipulieren. Dieser Grundsatz muß nicht nur bei staatlichen Interventionen, sondern auch bei allen Presseaktivitäten der öffentlichen Gewalt beachtet werden. Eine derartige Betätigung ist daher nur in einem eng begrenzten Rahmen statthaft.

V. Staatlicher Einfluß im publizistischen und allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb Pressefreiheit und Demokratieprinzip verpflichten den Staat zu einer umfassenden Neutralität gegenüber allen publizistischen Aktivitäten. Sie garantieren zugleich die Staatsunabhängigkeit der Presse. Auf diese Weise wirkt das Grundgesetz wettbewerbsverzerrenden staatlichen Einflüssen auf die geistige Konkurrenz der Printmedien weitgehend entgegen. Der Umfang dieses Schutzes wird vollends deutlich, wenn ihm die staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf den allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb gegenübergestellt werden. Die hierbei zutage tretenden Unterschiede gründen sich, wie schon bei der verfassungsrechtlichen Verbürgung der Zugangsfreiheit gezeigt412, auf die Verschiedenartigkeit der im jeweiligen Wettbewerbsprozeß tatbestandlieh berührten Freiheitsrechte. Die geistigen Freiheitsgarantien statuieren die maßgebliche Grundlage der publizistischen Entfaltungsfreiheit413. Demgegenüber wird die ökonomische Entfaltungsfreiheit im allgemeinen geschäftlichen Verkehr durch die in Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG verbürgten Wirtschaftsfreiheiten geschützt•1•. Die angeführten Grundrechte verfolgen divergierende Garantieziele und sind zudem ungleich strukturiert, wie die unterschiedlich abgestuften Regelungs- und Eingriffsvorbehalte verdeutlichen. Daraus resultieren Differenzen hinsichtlich der Einwirkungsmöglichkeiten der öffentlichen Gewalt, die sich vor allem bei deren Verpflichtung zur Wettbewerbsneutralität auswirken. Staatliche Maßnahmen, die den publizistischen Bereich berühren, müssen sich jeder steuernden Einflußnahme auf

412 413 414

Siehe dazu oben 3. Teil, 2. Abschn., II, 5. Allgemein dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., III, 1. Vgl. oben 2. Teil, 2. Abschn., III, 2.

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

289

den Inhalt der massenmedialen Kommunikation enthalten415• Im Gegensatz dazu nimmt der Staat in Abkehr vom liberalen Gedankengut des 19. Jahrhunderts einen weitgehenden steuernden Einfluß auf den Ablauf wirtschaftlicher Prozesse. Das Grundgesetz steht dem prinzipiell nicht entgegen. Die Wirtschaftsfreiheiten begründen keine Verpflichtung zur Wettbewerbsneutralität Sie eröffnen der öffentlichen Gewalt einen weiten Rahmen für wirtschaftspolitische Interventionen und Gestaltungen, innerhalb dessen das freie Spiel der Kräfte durch Lenkungsmaßnahmen korrigiert, gegebenenfalls sogar negiert werden kann416• Zwar gewährt etwa Art. 12 Abs. 1 GG allen Grundrechtsträgem unter anderem die Möglichkeit, über die Art und Weise einer wettbewerbliehen Betätigung ungehindert zu entscheiden. Doch können dieser Freiheit durch Berufsausübungsregelungen enge Grenzen gesetzt werden. Die Festsetzung derartiger Restriktionen steht nicht im freien Belieben des Gesetzgebers. Sie sind jedoch ohne weiteres statthaft, "soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen.417. "Berufsausübungsregelungen dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zurnutbar ist'o418• Dementsprechend kann der Staat jederzeit auf den Ablauf des ökonomischen Prozesses einwirken, soweit die berechtigten Interessen der Verbraucher, der Allgemeinheit, aber auch der Mitbewerber ein Einschreiten legitimieren. Die verhaltenskorrigierende offensive WirtSchaftslenkung und die defensive Wirtschaftsaufsicht dürfen unter den genannten Voraussetzungen auch einen das Wirtschaftsgeschehen determinierenden inhaltlichen Einfluß ausüben. So kann die öffentliche Gewalt beispielsweise Mengenbestimmungen treffen419, eine bestimmte Mindestqualität für die Konkurrenzprodukte festsetzen oder die Art und Weise des Verkaufs bestimmter Waren reglementieren. Derartige Inhaltsvorgaben oder -festsetzungen können Aufbau und Erosion wettbewerbsimmanenter Machtpositionen durch die einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner 415 416 417

Siehe oben 3. Teil, 6. Abschn., II. So auch BVerfGE 39, 210/226; E 46, 246/256; E 53, 135/145.

BVerfGE 7, 3nj378 LS 6a. Ebenso BVerfGE 9, 213/221 f.; E 10, 185/197; E 10, 354/362; E 21, 227/232; E 30, 1/32 f.; E 46, 246/256; P. BadJira, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 310; R Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. n . 418 BVerfGE 68, 193/218. Siehe auch BVerfGE 68, 155j1n; E 68, 272/282;·E 70, 1/28. 419 Vgl. nur BVerfGE 30, 292/312 ff. zur Bevorratungspflicht für Erdölerzeugnisse.

290

3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

Konkurrenten beeinflussen. Eine solche Ungleichbehandlung ist nicht schlechthin verfassungswidrig. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der Chancengleicheil verbietet zwar prinzipiell alle staatlichen Eingriffe, welche die rechtliche Ausgangssituation einzelner Beteiligter verändern und die daraus resultierende Chancenverteilung verfälscben4ro. Im Gegensatz zum publizistischen Konkurrenzkampf wirkt dieses Gebot jedoch im aUgemeinen geschäftlichen Verkehr nicht strikt egalitär. Es gestattet sachgerechte Differenzierungen, denen keine willkürlichen Erwägungen zugrundeliegen421. Publizistischer und allgemeiner wirtschaftlicher Wettbewerb differieren nicht nur hinsichtlich der staatlichen Verpflichtung zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität. Unterschiede zeigen sich auch bei der Frage nach der Zulässigkeil einer konkurrierenden Eigenbetätigung der öffentlichen Gewalt. Pressefreiheit und Demokratieprinzip garantieren die Staatsunabhängigkeit der Presse und setzen auf diese Weise staatlichen Presseaktivitäten enge Grenzen422• Etwas anderes gilt im allgemeinen ökonomischen Konkurrenzkampf. In diesem Bereich hat die nach altliberalem Gedankengut staatsfreie Wirtschaftsgesellschaft einen weitgehenden Autonomieverlust erlitten, da eine mit privaten Unternehmen konkurrierende staatliche Eigenwirtschaft unter der Geltung des Grundgesetzes nicht schlechthin verfassungsrechtlich unzulässig ist. Das allgemeine Subsidiaritätsprinzip, welches der privaten Initiative grundsätzlich den Vorrang vor staatlichen Aktivitäten einräumt, hat im Grundgesetz keinen Niederschlag gefunden und genießt deshalb nach herrschender Meinung keinen Verfassungsrang423• Eine dem Gemeinwohl verpflichtete unternehmerische Betätigung des Staates kann unter Umständen sogar verfassungsrechtlich geboten sein. Dies gilt im RegelfaU für die öffentlichen Unternehmen, die sich ausschließlich mit der Daseinsvorsorge oder der Bedarfsbeschaffung befassen424• Problematisch er420 421 422 423

Ausführlich oben 3. Teil, 3. Abschn., II. Allgemein dazu R. Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 132. Dazu im einzelnen oben 3. Teil, 6. Abschn., IV, 2 und 3.

So im Ergebnis übereinstimmend BVerwGE 39, 329/338; H. D. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsverfassungsrecht, § 16, RdNr. 24; M. Ronellenfitsch, in: lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts 111, § 84, RdNr. 33; R. Scholz, in: Duwendag, Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, S. 123. Abweichend H. Halblitzel, BayVBI. 1981, S. 73 f., der davon ausgeht, daß das Subsidiaritätsprinzip zumindest partiell in den Grundrechten verankert wurde. 424 R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNr. 379, charakterisiert diesen Tätig-

6. Abschn.: Öffentliche Gewalt und publizistischer Wettbewerb

291

scheint hingegen die gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand. Insoweit kommt es entscheidend darauf an, ob und gegebenenfalls inwieweit die Grundrechte der öffentlichen Eigenwirtschaft Grenzen setzen415• Die Wirtschaftsfreiheiten garantieren der Privatwirtschaft aber nicht die Ausschließlichkeit wirtschaftlichen Handelns. Allein der Bestand dieser Grundrechte begründet keinen entsprechenden allgemeinen Grundsatz für die Exklusivität privater Aktivitäten426• Ein genereller Konkurrenzschutz kann aus diesen Bestimmungen nicht hergeleitet werden427• Nach dem überkommenen Grundrechtsverständnis schützen weder Art. 2 Abs. 1 noch Art. 12 Abs. 1428 oder Art. 14 Abs. 1 GG429 private Unternehmen vor dem wirtschaftlichen Wettbewerb der öffentlichen Hand, da mit einer derartigen Betätigung kein Grundrechtseingriff verbunden ist. Die Grundrechte richten sich diesem Verständnis zufolge gegen intervenierende, nicht aber gegen konkurrierende Aktivitäten der öffentlichen Gewalt, welche die grundrechtlich verbürgte Entfaltungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte weder verbieten noch rechtlich einschränken430• Etwas anderes gilt nur dann, wenn die faktische Beeinträchtigung quantitativ oder qualitativ einer rechtlichen gleichkommt. Entscheidend ist, daß die ökonomische Wettbewerbsfreiheit der Beteiligten bei einer derartigen Fallgestaltung durch die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand in einer eingriffsgleichen Art und Weise beschnitten wird431 • Demzukeilskreis als unproblematisch. 425 Ausführlich dazu M. Ronellenjitsch, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 84, RdNrn. 34 ff.; R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNr. 382. 426 In diesem Sinne äußern sich etwa BVerwGE 39, 3291336; R. Breuer, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI,§ 148, RdNr. 58; 0 .-F. von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Kapitel, RdNr. 26. 427 Ebenso G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 97. 428

Siehe dazu BVerwGE 39, 3061336; E v. 20. 4. 77, NJW 1978, S. 1540; BayVGH v. 23. 7. 76, BayVBI. 1976, S. 630; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 14; H.-1. Papier, DVBI. 1984, S. 808. 429 Vgl. BayVGH V. 23. 7. 76, BayVBI. 1976, s. 630. 430 Im Schrifttum besteht aber zunehmend die Neigung, auch die konkurrierende Betätigung staatlicher Unternehmen wegen ihrer Auswirkungen als Grundrechtseingriff zu qualifizieren. In diesem Sinne äußern sich etwa K Grupp, ZHR 140 (1976), S. 380; R Scholz , in Duwendag: Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, S. 132. Für eine Erweiterung des traditionellen Grundrechtsverständnisses sprechen sich auch M. Ronellenjitsch, in: lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts 111, § 84, RdNr. 34, und G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 92 f., aus. 431 Ähnlich OVG Münster v. 2. 12. 85, DÖV 1986, S. 341; H. D. Jarass, in: Jarass I

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3. Teil: Die Strukturelemente des publizistischen Wettbewerbs

folge sind alle die staatlichen Verhaltensweisen unzulässig und damit verfassungswidrig, welche privaten Unternehmern jede Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen Betätigung nehmen. Als Beispiel sei hier nur der Fall genannt, daß staatliche Unternehmen unter massivem Einsatz von Haushaltsmitteln durch ruinöse Preisunterbietungen einen gezielten Verdrängungs- und Erdrosselungswettbewerb gegen ihre privaten Mitbewerber betreiben. Abgesehen von derart extremen Ausnahmesituationen können die Wirtschaftsfreiheiten prinzipiell keinen Grundrechtsschutz gegen die gewerbliche Betätigung des Staates vermitteln. Die skizzenhaft aufgezeigten Unterschiede verdeutlichen, daß sich der publizistische gegenüber dem allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb durch einen besonders weitreichenden Schutz gegen wettbewerbsverzerrende Aktivitäten der öffentlichen Gewalt auszeichnet. Pressefreiheit und Demokratieprinzip setzen derartigen Verhaltensweisen weit engere Grenzen, als die Wirtschaftsfreiheiten sie für den allgemeinen geschäftlichen Verkehr statuieren.

Pieroth, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 14; R. Breuer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, RdNr. 61.

Vierter Teil

Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bildet die maßgebliche Grundlage der Wettbewerbsfreiheit im Pressewesen. Nahezu jede Wettbewerbshandlung berührt zugleich andere Grundrechte, deren Garantieaussagen wiederum Reichweite und Umfang der wettbewerbliehen Entfaltungsfreiheit beeinflussen1• Neben den Freiheitsrechten zählen auch das Demokratie- und das Sozialstaatsprinzip zu den Grundbausteinen der Konkurrenz, da sie deren Rahmenbedingungen festlegen2• Durch das Zusammenspiel dieser Verfassungsnormen garantiert das Grundgesetz die im 3. Teil dieser Untersuchung aufgezeigten Strukturelemente des geistigen Wettbewerbs. Damit stellt sich die Frage, ob die Verfassung über diese Strukturprinzipien hinausgehend ein einheitliches Konzept für die Ordnung der publizistischen Konkurrenz der Printmedien festlegt, sich eventuell sogar für eine bestimmte Ausformung des geistigen Wettbewerbssystems entschieden hat.

1. Abschnitt

Verfassungsrechtliche Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung für den Markt der geistigen Freiheiten Auf der Grundlage eines verfassungsrechtlich vorgegebenen, in sich geschlossenen Ordnungssystems würde der Wettbewerb zu einer selbständigen Verfassungsinstitution erstarken. Die Konsequenzen liegen auf der Hand3 • 1

Ausführlich zu den einschlägigen geistigen und wirtschaftlichen Freiheiten oben 2. Teil, 2. Abschn., 111.

2

Allgemein dazu oben 2. Teil, 3. Abschn. 3 Vgl. hierzu auch H. D. Jarass, Wirtschaftsverwaltunprecht und Wirtschaftsverfassunprecht, § 4, RdNr. 4, und R. Stober, Wirtschaftsverwaltunprecht I, RdNr. 67, welche die Relevanz einer Systemgarantie für den Bereich des Wirtschaftsverfassunprechts aufzeigen.

294

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

Die normative Verankerung einer Wettbewerbsordnung entzieht dieses Lenkungssystem von vornherein der Disposition der öffentlichen Gewalt. Diese wäre bis in Einzelheiten hinein an die Festlegungen dieses Konzepts gebunden. Ihre Aktivitäten müßten sich innerhalb der verfassungrechtlich vorgegebenen Grenzen der Wettbewerbsordnung bewegen, könnten mithin auf ihre Systemkonformität überprüft werden. Jede Änderung dieses Lenkungssystems wäre gleichzeitig eine Verfassungsänderung und damit an die Voraussetzungen des Art. 79 GG gebunden.

I. Die offene Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes Die Frage nach einem verfassungsrechtlich vorgegebenen Strukturmodell für den Markt der geistigen Freiheiten zeigt unverkennbare Parallelen zu der Suche nach einer verfassungsrechtlichen Entscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem. Deshalb könnte sich die langjährige Diskussion um die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes in dem hier interessierenden Zusammenhang als fruchtbare Orientierungshilfe erweisen. Ein nicht unerheblicher Teil der Lehre folgerte ursprünglich aus einer Gesamtschau aller das Wirtschaftsleben berührenden Freiheitsrechte, daß das Grundgesetz ein ordnungspolitisch weitgehend geschlossenes System für die gesamte Wirtschaft fiXiert. Die betreffenden Autoren verdichteten die einschlägigen verfassungsrechtlichen Aussagen zu einer verbindlichen Entscheidung für das Modell der sozialen Marktwirtschaft und gelangten damit letztlich zu einer Systemgarantie für den ökonomischen Wettbewerb, wenn auch die Konzepte in Einzelheiten inhaltlich divergierten4 • Das volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen verhaftete Modelldenken konnte sich aber nicht durchsetzen. Die verfassungsrechtliche Fixierung einer Systemgarantie setzt eine eindeutige, generell übergreifende Entscheidung des Grundgesetzes voraus. Diese muß das Phänomen der ökonomischen Konkurrenz als Selbstzweck legitimieren und die Gemeinschaft für die Ordnung des Soziallebens auf dieses Strukturmodell festlegen. Der methodische Ansatz kann sich nur auf die Bestimmungen der Verfassung gründen. Ordnungstheoretische Modell4

Grundlegend H. C. Nipperdey, Die soziale Marktwirtschaft in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (1954). Ähnlich R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 20 VIII, RdNm. 60 f.; F. Klein, in: Schmidt-Bieibtreu I Klein, Grundgesetz, Einleitung VI, S. 117; A. Bleckmann, DIT 55, Band I, D 28, 42.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

295

vorstellungenerleichtern dabei das Verständnis, können letztlich aber nichts Endgültiges zur Klärung dieses Problemkreises beitragen. Derartige außerrechtliche Ordnungspostulate besitzen für sich genommen keine überpositive Rechtsgeltung, die unabhängig von den Normen der Verfassung Verbindlichkeit beanspruchen kanns. Ihren idealtypischen Eigengesetzlichkeilen kommt als solche keine juristische Verfassungskraft zu. Verfassungsrecht darf nicht an die Ungewißheiten volkswirtschaftlicher Modellvorstellungen gebunden werden, mit der Folge, daß der Staat auf die Durchsetzung dieser Ideen über die optimale oder richtige Ordnung des Gemeinschaftslebens festgelegt wird. Dies muß auch bei der Auslegung des Grundgesetzes beachtet werden. Dessen Normen sind weder ideologisch noch ordnungspolitisch eindeutig präfiXiert und versagen sich daher jedem Versuch, Systemvorstellungen über die optimale Struktur des Gemeinschaftslebens in das Verfassungsgefüge zu inputieren. Aus diesem Grund kann auch die Frage nach einem verfassungsrechtlich fiXierten Strukturmodell für den Bereich des Wirtschaftslebens nur im Wege der Verfassungsinterpretation geklärt werden6 • Die grammatikalische und die systematische Auslegung vermitteln keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, daß in den Verfassungsnormen eine Systemgarantie für den ökonomischen Wettbewerb verankert wurde. Ein Subverfassungssystem mit konkreten Grundsätzen für die Gestaltung der wirtschaftlichen Konkurrenz ist nicht nachweisbar. Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung, die den gesamten Bereich der Wirtschaft in Art. 151 ff. in einem besonderen Abschnitt regelte, widmet das Grundgesetz diesem Teilbereich des Gemeinschaftslebens kein eigenständiges Kapitel. Einzelne Bestimmungen sprechen diesen Bestandteil des Soziallebens ausdrücklich an oder befassen sich mittelbar mit dem Phänomen der ökonomischen Konkurrenz. Neben den Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten auf dem Gebiet der Wirtschaft, den Normen der Finanzverfassung und den Staatsfundamentalnormen des Art. 20 GG besitzen hier vor allem die grundrechtlich verbürgten 5

Siehe etwa BVerfGE 7, 3771400; E 14, 19123; H. Halblitzel, BayVBI. 1981, S. 70; W. Leisner, BB 1975, S. 2, R. Scholz, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, S. 27 f., zum Einfluß volkswirtschaftlicher Lehrmeinungen. Vgl. auch P. Badura, JuS 1976, S. 207; Baumbach /

Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 42; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 22 f.; U. Scheuner, in: ders., Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, S. 24 f.; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, S. 88 f.; H.-1. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 619. 6 Ausführlich dazu R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNrn. 72 ff.

296

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

Wirtschaftsfreiheiten eine eminente Bedeutung7 • Eine systematische Gesamtschau aller einschlägigen Bestimmungen rechtfertigt aber keine Systemformierung, welche letztlich eine eigenständige Garantie für den ökonomischen Wettbewerb begründet, da insoweit eine einheitliche Linie nicht ermittelt werden kann8• Vorschriften mit liberalwirtschaftlichem Gehalt und Normen mit zentralwirtschaftlichem Bezug stehen unverbunden nebeneinander. Das Grundgesetz enthält eine Reihe von Einzelfestlegungen für individuelle Freiräume und staatliche Restriktionen, verdichtet diese aber nicht zu einem in sich geschlossenen System mit klar erkennbaren Grundsätzen. Erste Anhaltspunkte, die gegen eine verfassungsrechtliche Garantie eines wettbewerbliehen Lenkungssystems für das Wirtschaftsleben sprechen, treten bei einer historisch-genetischen Auslegung zutage. Bei dieser Interpretationsmethode steht der historische Wille des Verfassungsgebers im Vordergrund, wie er in den Materialien zum Grundgesetz zum Ausdruck kommt. Diese legen es nahe, von einer Systemgarantie für die ökonomische Konkurrenz abzusehen. Der Parlamentarische Rat qualiftzierte das Grundgesetz angesichts der besonderen historischen Umstände der Verfassungsgebung als Provisorium, wie die Präambel und Art. 146 GG verdeutlichen. Er enthielt sich daher weitgehend einer umfassenden Regelung für alle Gebiete des Gemeinschaftslebens9 , die das Zustandekommen des Verfassungswerkes verzögert, wenn nicht gar gefährdet hätte. Die endgültige Gestaltung dieser Bereiche sollte einer gesamtdeutschen Verfassung vorbehalten bleiben. Charakteristisch für diese Grundhaltung sind die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Carlo Scbmidt, der sich bereits in der Plenarsitzung vom 8.9.1948 dagegen wehrte, "auch die Rechtsbestimmungen über die sogenannten Lebensordnungen, die so zahlreich über unsere Länderverfassungen hin verstreut sind: Wirtschaft, Kultur, Familie usw." in das Grundgesetz aufzunehmen10. Der Parlamentarische Rat ist dem weitgehend gefolgt, wie die zu7

Siehe etwa zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der wirtschaftlichen Konkurrenz im Pressewesen im einzelnen oben 2. Teil, 2. Abschn. Eine Analyse in- und ausländischer Verfassungstexte in Sachen Wirtschaft gibt P. Häberle, Jura 1987, S. Sn ff. 8 Gegen eine Systemformierung im Bereich der Wirtschaftsverfassung wenden sich etwa H. Bäumler, DÖV 1979, S. 329, und W. Leisner, BB 1975, S. 2. Ähnlich R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNr. 76. 9 Vgl. R. Mußgnug, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts I,§ 6, RdNr. 57; P. Badura, JuS 1976, S. 205; H.-J. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 619. 10 Zitiert nach K Stern, Staatsrecht IIII1, § 68 VII 1, S. 876 f.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

297

rückhaltende Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte im endgültigen Verfassungstext zeigt. Das Grundgesetz beschränkt sich im wesentlichen auf den Katalog der klassischen Individualrechte und enthält sich jeder dezidierten oder ideologisch einseitig fiXierten Grundentscheidung, die für bestimmte Bereiche des Gemeinschaftslebens ein ordnungspolitisch geschlossenes System statuiert. Gegen die Fixierung einer Systemgarantie für den ökonomischen Wettbewerb kann darüber hinaus der freiheitliche Charakter des Grundgesetzes, wie er vor allem in den Grundrechten zutage tritt, angeführt werden. Eine derartige Garantie ist auf die unbedingte rechtliche Festschreibung und Absicherung dieses Strukturmodells in die Zukunft hinein gerichtet. Der Gesetzgeber wäre auch bei extremen strukturellen Veränderungen verpflichtet, das Ordnungsprinzip Wettbewerb vor Aushöhlung und Beseitigung zu schützen. Die Konkurrenz müßte in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um jeden Preis aufrechterhalten werden, auch wenn sich infolge veränderter Gegebenheiten niemand mehr in diesem Lebensbereich betätigen will. Da die Wirtschaftsfreiheiten den Grundrechtsträgern unter anderem auch die Freiheit gewähren, sich jeder wettbewerbsorientierten Tätigkeit zu enthalten, würde die verbindliche Festlegung eines bestimmten Ordnungsmodells letztlich die grundrechtlich verbürgten Freiräume der Beteiligten aufheben11 • Deshalb widerspricht eine Systemgarantie, die alles menschliche Handeln im Dienste der ökonomischen Konkurrenz funktionalisiert, dem Sinngehalt der Freiheitsrechte. Diese werden um der persönlichen Freiheit, nicht um der wirtschaftlichen Konkurrenz willen geschützt12• Die Freiheit um der Konkurrenz willen schützen zu wollen, hieße die Grundrechte zu pervertieren. Eine Systemgarantie für die Wettbewerbswirtschaft würde schließlich sogar die normierende Kraft des Grundgesetzes aufs Spiel setzen13• Die Verfassung besitzt eine nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzte Ordnungsfunktion. Sie soll die Ordnung des Gemeinwesens immer wieder von neuem verwirklichen1\ so daß ihre bestimmende und regulierende Kraft 11

Dies unterstreichen P. Tettinger, 88 1977, S. 1618, und H.-1. Papier, in: Benda Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 610.

I

12 Ähnlich M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 196, für die Garantie einer Marktwirtschaft. 13 Siehe dazu 8VerfGE 50, 2901338. 14

K Stern, Staatsrecht I, § 4 111 2, S. 128, und H. Halblitzel, BayVBI. 1981, S. 100, spre-

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4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

auch unter den ständig wechselnden Bedingungen der politisch-sozialen Wirklichkeit gesichert werden muß. Neben anderen Faktoren ist hier vor allem der Zeitablauf und der damit verbundene soziale und technische Wandel von Bedeutung15• "Kontinuität der Verfassung ist nur möglich, wenn Vergangenheit und Zukunft in ihr verbunden werden"16• Deshalb kann eine Verfassung notwendigerweise "keine geschlossene Ordnung" festlegen17• Um die sich ständig wandelnden Problemlagen zu bewältigen, muß sie abgesehen von einem unerläßlichen Minimum sachlicher, organisatorischer und verfahrensmäßiger Fixierungen bis zu einem gewissen Grad unvollkommen und unvollständig bleiben18• Dies gilt auch für das Grundgesetz. Die Forderungen nach Elastizität und Flexibilität bewirken, daß sein Inhalt notwendigerweise in die Zukunft hinein offen bleiben muß19• Das betrifft vor allem die Bereiche des Gemeinschaftslebens, die den dynamischen Gestaltungskräften der Gesellschaft, mithin privater Initiative überantwortet werden. Dem trägt die Struktur der Freiheitsrechte Rechnung. Wegen ihrer Offenheit und Unbestimmtheit erscheinen die grundrechtliehen Festlegungen sinnvariabel20• Sie sind entwicklungsfähig und können deshalb alle Änderungen der Realität in sich aufnehmen und verarbeiten. Die Freiheitsrechte lassen die Frage des jeweils optimalen Organisationsmodells bewußt offen, um freier Auseinandersetzung, Entscheidung und Gestaltung Raum zu geben. Dem auch ökonomischen Freiheiten eigenen dynamischen Charakter wird eine Systemgarantie für den wirtschaftlichen Wettbewerb nicht gerecht. Wegen der besonderen Dyeben aus diesem Grund von einem unendlichen Normziel der Verfassung. Ähnlich P. Badura, JuS 1976, S. 207. 15 Ausführlich zur Zeitdimension P. Häberle, Zeit und Verfassung, S. 59 ff. 16 P. Häberle, Zeit und Verfassung, S. 62. 17 K Stern, Staatsrecht I, § 3 III 3 a, S. 83. 18 Siehe dazu K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNrn. 23, 37. Grundlegend K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 23. Der dynamische Charakter des Grundgesetzes wird auch von P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 214; H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 28, und K Stern, Staatsrecht I, § 3 III 4 b, S. 87, herausgestellt. 19

20 Dies betonen P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 214, 217 f., und H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 22. Vgl. auch P. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 80 f.; P. Häberle, Zeit und Verfassung, S. 68, 90; E. Friesenhahn, DJT 50, Band II, G. 2.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

299

namik aller ökonomischen Aktivitäten muß im wirtschaftlichen Bereich von vornherein auf ein statisch verfestigtes Ordnungsmodell verzichtet werden. Ein Grundrechtsverständnis, das die Dynamik und damit die Entwicklungsmöglichkeiten wirtschaftlichen Handeins außer acht läßt, vermag die Wirksamkeit der Freiheitsrechte unter veränderten historischen Verhältnissen nicht aufrechtzuerhalten. Als Ergebnis der Verfassungsinterpretation kann damit zusammenfassend festgehalten werden, daß das Grundgesetz keine Systemgarantie für die Wettbewerbswirtschaft enthält. Ein derartiges normativ verbindliches, in sich geschlossenes Strukturmodell für die Ordnung und Organisation des Wirtschaftslebens ist nicht nachweisbar. Demzufolge besitzt die bestehende Ausgestaltung der wettbewerblieh strukturierten Marktwirtschaft keine uneingeschränkte verfassungsrechtlich gesicherte Bestandskraft. "Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung ist zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche"21 • Dieser Sachverhalt wird allgemein durch die Formel von der offenen Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes gekennzeichnet22• Danach stehen wirtschaftspolitische Entscheidungen grundsätzlich im Ermessen der unterverfassungsrechtlichen öffentlichen Gewalt. Der Gesetzgeber kann jede ihm sachgemäß erscheinende Ordnungspolitik verfolgen, sofern er den im konkreten Fall jeweils einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes Rechnung trägt23• Gestaltungsfreiheit bedeutet deshalb nicht schrankenlose Ermächtigung. Ordnungsvorstellungen sind unter anderem dann nicht realisierbar, wenn sie mit den Grundrechten der Betroffenen und deren Schranken nicht zu vereinba21 BVerfGE 4, 7118. Ebenso E. Benda, in: Gernper, Marktwirtschaft und soziale Verantwortung, S. 197. 22 Grundlegend BVerfGE 50, 2901338. Siehe auch BVerfGE 4, 7117 f.; E 7, 3771400. Das Schriftturn ist dieser Auffassung weitgehend gefolgt. Vgl. nur P. Badura, JuS 1976, S. 208; H. Bäum/er, DÖV 1979, S. 328 f.; H. D. Jarass, Wirtschaftsverwaltung~örecht und Wirtschaftsverfassung~örecht, § 4, RdNr. 8; U. Karpen, Jura 1985, S. 191; U. Scheuner, in: ders., Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, S. 29; R. Scholz, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, S. 26 f.; ders. in: Duwendag, Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, S. 116 ff.; ders., in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNr. 77; R. Stober, Wirtschaftsverwaltung~örecht I, RdNr. 75. Siehe auch V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 107; R. Breuer, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI,§ 147, RdNr. 19; R. Scholz, Entflechtung und Verfassung, S. 85 f. Kritisch äußert sich H. H. Rupp, Grundgesetz und Wirtschaftsverfassung, S. 41 FN 68. 23 Deren Bedeutung unterstreicht E. Benda, in: Gernper, Marktwirtschaft und soziale Verantwortung, S. 189 f. Ausführlich zu den verfassung~örechtlichen Grenzen wirtschaftspolitischer Gesetzgebung P. Badura, AöR 92 (1967), S. 396 ff.

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

300

ren sind. Demnach besitzt der Gesetzgeber zwar keine allumfassende, aber dennoch eine weitreichende Entscheidungsautonomie bei der Gestaltung des Wirtschaftslebens24•

II. Verfassungsrechtliche Fixierung einer Systemgarantie rür den publizistischen Wettbewerb Es liegt nahe, die im Bereich des Wirtschaftsverfassungsrechts gewonnenen Ergebnisse auf den Markt der geistigen Freiheiten zu übertragen. Im Anschluß an die These von der offenen Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes könnte dann für den Bereich des Pressewesens von einer offenen publizistischen Ordnung gesprochen werden. Dies erscheint folgerichtig, soweit die öffentliche Gewalt durch eine Systemgarantie bis in Einzelheiten hinein an eine bestimmte Ausformung eines geistigen Wettbewerbsmodells gebunden werden soll. Das Ordnungssystem Wettbewerb wurde durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG weder zum Verfassungsprinzip erhoben, noch wird es in den Normen des Grundgesetzes ausdrücklich erwähnt. Die genannten grundsätzlichen Erwägungen, die zur Ablehnung eines ordnungspolitisch geschlossenen Wirtschaftssystems führten, beanspruchen auch im Pressewesen grundsätzlich Geltung. Gerade im geistig-kulturellen Bereich muß wegen der besonderen Dynamik, Relativität und Situationsbefangenheit aller kommunikativen Aktivitäten von vornherein auf ein statisch verfestigtes Ordnungsmodell verzichtet werden. Demzufolge normiert das Grundgesetz weder im Pressewesen noch im Wirtschaftsleben ein in sich geschlossenes wettbewerbliches Ordnungssystem. In beiden Teilbereichen des Soziallebens scheidet eine Systemgarantie bei der Beurteilung staatlicher Aktivitäten als eigenständiges Prüfungskriterium aus. Daher ist eine automatische Gleichsetzung von Systemwidrigkeit und Verfassungswidrigkeit unzulässig. Nicht jede staatliche Maßnahme, welche die Wettbewerbslage ändert und damit den Prinzipien einer Wettbewerbsordnung widerstreitet, kann pauschal als verfassungswidrig eingestuft werden.

24

Ähnlich K Stern, Staatsrecht III/1, § 68 VII 3, S. 884.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

301

111. Verfassungsrechtliche Determinanten einer publizistischen Wettbewerbsordnung Diese Zurückhaltung gegenüber der Festlegung eines in sich geschlossenen Lenkungssystems bedeutet keine Indifferenz, da der publizistische Wettbewerb der Printmedien eine eindeutige Grundlage in der Verfassung gefunden hat. Im Vordergrund steht Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Die Pressefreiheit gewährt allen Kommunikationsträgem unter anderem die Möglichkeit einer wettbewerbsorientierten Freiheitsentfaltung, da alle nur denkbaren, und damit auch wettbewerbliehe kommunikative Aktivitäten grundrechtlich garantiert werden25• Demzufolge sind die im Pressewesen Tätigen berechtigt, sich durch freie Leistungskonkurrenz am jeweiligen Meinungsmarkt durchzusetzen. Sobald sich mehrere Kommunikationsträger auf dem gleichen Meinungsmarkt betätigen, stehen sie sich in einem Wettbewerbsverhältnis gegenüber. Der daraus resultierende publizistische Wettbewerb ist in das System individueller verfassungsrechtlich geschützter Verhaltensweisen eingebunden. Er entsteht als soziale Breitenwirkung gleichsam automatisch, sobald die Beteiligten von ihrer grundrechtlich verbürgten publizistischen Entfaltungsfreiheit Gebrauch machen. Der Konkurrenzkampf ist daher die notwendige Folge jeder konkurrierenden Nutzung der Pressefreiheit durch eine Mehrzahl von Grundrechtsträgem26• Alle individuellen Betätigungen subjektiver Pressefreiheit statuieren in ihrer Gesamtheit das Phänomen der geistigen Konkurrenz. Wenn Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG jedermann das Recht zu wettbewerbliehen kommunikativen Aktivitäten einräumt, erhält auch die daraus resultierende Konkurrenz einen verfassungsrechtlichen Bezug27• Da die grundrechtlich verbürgte freiheitliche Betätigung zum publizistischen Wettbewerb führt, wird letzterer über den Grundrechtsschutz der Individuen 25 26

Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 1.

Auch der allgemeine wirtschaftliche Wettbewerb entsteht als Ergebnis miteinander konkurrierender Grundrechtsbetätigungen. In diesem Sinne äußern sich etwa P. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 71; H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 134, 149; R. Scholz, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, S. 44; ders., Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 128; ders., in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 12, RdNm. 80, 136; R. Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit,

s. 71.

27

Zu allgemein H. H. Rupp, Grundgesetz und Wirtschaftsverfassung, S. 21, der den Grundrechtsschutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs allein mit dessen Tendenz zur Optimierung ökonomischer Entfaltungsfreiheit begründet.

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4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

ebenfalls durch die Pressefreiheit mittelbar geschützt28• Damit erstarkt das Funktionsmodell Wettbewerb aber nicht zu einem eigenständigen, verfassungsrechtlich garantierten Ordnungselement, womit auf Umwegen wiederum die zuvor abgelehnte Systemgarantie29 begründet würde. Der Grundrechtsschutz wird nicht allein nach Maßgabe eines bestimmten Lenkungssystems gewährt. Es würde dem Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG widersprechen, wenn diesem Freiheitsrecht allein die Funktion eingeräumt würde, die ordnungstheoretischen Eigengesetzlichkeilen der Konkurrenz lediglich rechtlich nachzuvollziehen. Die Bedeutung der Verfassungsnormen erschöpft sich aber nicht in diesem mittelbaren Schutz der geistigen Konkurrenz, da sie für diesen Teilbereich des Gemeinschaftslebens weiterreichende Vorgaben fixieren. Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang die in Art. 20 GG zum Ausdruck kommende Verfassungsentscheidung für das Demokratieprinzip. Ein demokratischer Staat kann ohne geistige Auseinandersetzung nicht bestehen. Der für die Existenz des Gemeinwesens notwendige Konsens bildet sich in einer pluralistischen Gemeinschaft durch die freie Auseinandersetzung einander widerstreitender Interessen und Meinungen als Ergebnis eines dynamischen geistigen Wettbewerbsprozesses30• Damit wird die grundrechtlich gesicherte publizistische Konkurrenz der Printmedien ihrerseits in demokratische Zusammenhänge eingebunden, da sie einen Bestandteil des allumfassenden geistigen Wettbewerbs im gesellschaftlichen Kommunikationsgeflecht kennzeichnet. Der enge Zusammenhang zwischen publizistischem Wettbewerb und Demokratieprinzip gründet sich letztlich auf die Erwartung, daß die Konkurrenz das Gemeinwohl durch eine optimale Synthese zwischen den Zielen weitestgehender Freiheit der Beteiligten und größtmöglicher Ergiebigkeit aller individuellen Tätigkeiten für das Gemeinschaftsleben fördere1• Geistiger Wettbewerb und Demokratieprinzip beruhen insoweit auf der gleichen Grundidee. Daraus resultiert notwendigerweise ein gewisser 28

Im Schrifttum ist weitgehend anerkannt, daß der Tatbestand der Pressefreiheit auch die publizistische Konkurrenz der Printmedien erfaßt. Siehe etwa Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 374; H. J. Faller, DB 1983, S. 1029; J. Kaiser, Presseplanung, S. 62; M. Löffler/ R. Rkker, Handbuch des Presserechts, 87. Kapitel, RdNr. 3; R. Schatz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 152. 29 Vgl. oben 4. Teil, 1. Abschn. II. 30 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., I, 1. b. 31

Allgemein zu den mit dem Wettbewerbsmodell verknüpften Erwartungen oben 1. Teil, 2. Abschn., III.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

303

Gleichklang zwischen beiden Ordnungsprinzipien32• Eine freiheitliche demokratische Staatsordnung bedarf eines freien publizistischen Wettbewerbs, und umgekehrt. Autoritär geprägte Kommunikationssysteme sind unter der Geltung des Art. 20 GG undenkbar. Jede Fremdbestimmung birgt die Gefahr in sich, daß die für das Gemeinwesen konstitutive geistige Auseinandersetzung zum Erliegen kommt und damit letztlich die Grundpfeiler der freiheitlichen Demokratie gefährdet werden. Dies führt zu der Schlußfolgerung, daß der publizistische Wettbewerb der Printmedien gerade wegen seiner freiheitsverbürgenden Wirkungen zumindest in einem Kernbereich jeder staatlichen Disposition entzogen ist, soweit er zu den existentiellen Grundlagen eines demokratischen Gemeinwesens gerechnet werden muß. In die gleiche Richtung zielt der Sinngehalt der geistigen Freiheiten. Art. 1 Abs. 1 GG und die nachfolgenden Grundrechte verdeutlichen die grundlegende Bedeutung, welche die Verfassung dem Individualprinzip beimißt Mit der verfassungsrechtlichen Garantie individueller Freiräume entscheidet sich das Grundgesetz prinzipiell für die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltende Persönlichkeit und ihre Würde33• Dies gilt vor allem für die Kommunikationsgrundrechte, denen wegen ihres immateriellen Gehalts ein höchstpersönliches Moment innewohnt34• Sie gewähren den Grundrechtsträgern die Möglichkeit, ihre geistige Persönlichkeit nach eigenem Belieben zu verwirklichen und zählen deshalb zu den unentbehrlichen Voraussetzungen jeder eigenverantwortlichen Lebensgestaltung. Individualität, persönliche Initiative und Konkurrenz stehen daher im geistig-kommunikativen Bereich in einer besonders engen Beziehung. Diese gründet sich auf die Erkenntnis, daß der geistige Wettbewerb die größtmögliche Annäherung an die allgemein erwünschte Entfaltungsfreiheit aller Beteiligten garantiert.

32

Das Erfordernis der Homogenität zwischen freiheitlich demokratischer Grundordnung und freiheitlicher Ordnung des Gemeinschaftlebens wird besonders von K Stern, Staatsrecht III/1, § 68 VII3, S. 884; ders., FamRZ 1976, S. 130, herausgestellt. Vgl. auch U. Scheuner, in: ders., Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, S. 26: "Eine demokratische Verfassung kann nicht ein System vollständiger staatlicher Leitung der wirtschaftlichen Vorgänge festsetzen, ohne damit die Grundlage der Freiheit aufzugeben, auf denen sie ruht.• Weitergehend E. Hoppmann, Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 25, der die marktwirtschaftliche Ordnung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht als ökonomisches Äquivalent einer liberalen Demokratie charakterisiert. 33 Grundlegend BVerfGE 7, 198/205. 34 Siehe oben 2. Teil, 3. Abschn., II, 3.

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

304

Ursächlich dafür ist die dem Wettbewerbsprozeß eigene Dynam~. Sie wirkt freiheitsfördemd, da sie dem Aufbau endgültiger Machtpositionen und damit der Entstehung hierarchischer Abhängigkeitsverhältnisse entgegenwirkt. Der enge sachliche Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Freiheif6 beansprucht auch im Pressewesen Geltung, wo die publizistische Konkurrenz entscheidend dazu beiträgt, daß Presseschaffende und Leser jeweils ihre eigenen Interessen und Zielsetzungen in freiheitlichem Miteinander verfolg~n können. Dieser Umstand deutet darauf hin, daß eine wettbewerbsgesteuerte Kommunikationsordnung dem Sinngehalt des Art. 5 Abs. 1 GG in besonderem Maße gerecht wird. Über diese allgemeinen Erwägungen hinaus, ergeben sich weitergehende Festlegungen aus einzelnen Verfassungsgewährleistungen. Dabei steht die Pressefreiheit im Mittelpunkt. Wie alle anderen Erscheinungsformen des allgemeinen Wettbewerbsmodells37 stellt sich auch der publizistische Konkurrenzkampf als dynamischer, außengesteuerter Anpassungsprozeß mit Auslesefunktion dar. Die Auswahlfreiheit der Beteiligten, ein ungehinderter Marktzugang, Wahrung der Chancengleichheit, Respektierung der Entscheidungskompetenz, Dispositionsfreiheit beim Einsatz von Wettbewerbsparametern und die Forderung nach staatlicher Wettbewerbsneutralität und Staatsunabhängigkeit charakterisieren die Grundbedingungen der geistigen Konkurrenz, welche für das Entstehen und die Entfaltung eines derartigen Prozesses unentbehrlich sind. Der Garantiegehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sichert die bezeichneten fundamentalen Strukturprinzipien der publizistischen Konkurrenz und fiXiert auf diese Weise Grundbausteine einer Wettbewerbsordnung, die in ihren Kernzonen staatlicher Begrenzung verschlossen bleiben. So verwehrt das Grundgesetz dem Gesetzgeber etwa die Möglichkeit, den Marktzugang an die Einhaltung objektiver oder subjektiver Zulassungsvoraussetzungen zu binden38• Das Phänomen der Konkurrenz kann nicht allein Art. 5 GG zugeordnet werden. Je nach Fallgestaltung verleihen neben der Pressefreiheit auch andere Grundrechte diesen Strukturelementen zusätzliche Akzente. Als Beispiel sei hier nur an die Neutralitätspflicht 35

36

Dazu oben 1. Teil, 2. Abschn., II, 1.

Für den Bereich der ökonomischen Konkurrenz wird dieser Zusammenhang etwa von V. Emmerich, ZGR 1976, S. 173; ders., Kartellrecht, S. 5, herausgearbeitet. Vgl. auch H. Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft, S. 150. 37 Zu dessen Grundvoraussetzungen oben 1. T eil, 2. Abschn. 38 Dazu oben 3. Teil, 2. Abschn., II, 3.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

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des Staates erinnert, die im publizistischen Bereich durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert wird39• Bei der religiösen Presse40 tritt Art. 4 Abs. 1, 2 GG verstärkend und ergänzend hinzu. Die Religionsfreiheit verpflichtet die öffentliche Gewalt zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität41 und gewährt diesem Grundbaustein der Konkurrenz damit eine zusätzliche Absicherung gegen Restriktionen. Auf diese Weise stellt das Grundgesetz in dem hier interessierenden Sachzusammenhang in umfassender Weise sicher, daß sich die maßgeblichen religiösen Vorstellungen im publizistischen Wettbewerb frei von staatlicher Beeinflussung bilden können. Die bezeichneten Eckpfeiler der geistigen Konkurrenz sind dem gesetzgeberischen Ermessen weitgehend entzogen und bieten deshalb einen verläßlichen Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung staatlicher Interventionen. Maßnahmen mit ordnender, lenkender oder fördernder Zielsetzung sind nur dann statthaft, wenn sie die grundrechtliehen Vorgaben im konkreten Einzelfall beachten. Hier tritt der grundsätzliche Unterschied zwischen publizistischem und allgemeinem wirtschaftlichen Wettbewerb zutage. Im publizistischen Bereich bestehen gewisse ordnungspolitische Fixierungen in Form der zuvor genannten Strukturelemente. Im Gegensatz dazu eröffnet die vom Grundgesetz konzipierte offene Wirtschaftsordnung42 dem Gesetzgeber einen weit größeren Spielraum für wirtschaftspolitisch motivierte Eingriffe43 • Während die Verfassung im geistigen Bereich Strukturelemente der Konkurrenz verbindlich festlegt und damit zumindest partiell Systemelemente einer Wettbewerbsordnung punktuell garantiert, bleibt die Rechtslage im allgemeinen geschäftlichen Verkehr weiterhin offen44 • Ur39

40 41

Dazu oben 3. Teil, 6. Abschn., II und Ill. Allgemein zu deren Grundrechtsschutz oben 2. Teil, 2. Abschn., III, 1, a.

Dies ist allgemein anerkannt. Vgl. nur BVerfGE 24, 2361246; E 32, 981106; A. von Campenhausen, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 136, RdNr. 5; K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 382; R Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 4, RdNr. 19; von Mangoldt I Klein I Starck, GG, Art. 4, RdNr. 12; W. Schmitt Glaeser, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch

des Staatsrechts II, § 31, RdNr. 18. 42 Siehe dazu oben 4. Teil, 1. Abschn., I. 43 ÄhnlichE. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 18; Ch. Degenhort, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 372; ders., AfP 1987, S. 649; P. Lerche, in: Löffler, Der Staat als Mäzen der Medien, S. 14 f.; R Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 152. 44 Vgl. H. D. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsve rfassungsrecht, § 4,

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

306

sächlich hierfür ist der jeweils anders geartete Grundrechtsschutz, der sich auf die bereits mehrfach aufgezeigte Verschiedenartigkeit von geistigen und ökonomischen Freiheiten gründd5• Die jeweiligen Wettbewerbshandlungen besitzen zudem einen unterschiedlich starken sozialen Bezug, was sich wiederum bei der Bindung an das Sozialstaatsprinzip auswirkt46• Die ökonomischen Freiheiten stehen wirtschaftspolitischen Interventionen des Gesetzgebers prinzipiell offen gegenüber, da die grundrechtlich geschützte wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit keinen absoluten Stellenwert besitzt. Staatliche Restriktionen dürfen die wettbewerbsorientierte Entfaltungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte aber nicht in allen Bereichen negieren. Dem wirkt schon die in Art. 19 Abs. 2 GG normierte Wesensgehaltsgarantie entgegen. Eine Zentralverwaltungswirtschaft, welche das freie Unternehmertum vollständig beseitigt, wäre daher mit dem Grundgesetz unvereinbar47. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 GG setzen der Gestaltungsfreiheit insoweit eindeutige Grenzen, schließen darüber hinaus aber nicht jeden das Wirtschaftsgeschehen inhaltlich determinierenden Einfluß der öffentlichen Gewalt aus. Auf der Grundlage der ihnen eigenen Begrenzungs- und Eingriffsvorbehalte kann die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in vielfältiger Weise durch gesetzgeberische Gemeinwohlvorstellungen relativiert werden. Diese gründen sich auf das Sozialstaatsprinzip, welches dem Staat im allgemeinen geschäftlichen Verkehr wegen der besonderen Sozialgebundenheit der wirtschaftlichen Freiheiten weitreichende wettbewerbsrelevante Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet48• Ein freier wirtschaftlicher Wettbewerb kann zur Benachteiligung von sozial schwachen, nicht wettbewerbsfähigen MinRdNr. 13. Abweichend H. Ha/blitze/, BayVBI. 1981, S. 102 ff., der auch im Bereich der Wirtschaftsverfassung ordnungspolitische Fixierungen ermittelt. 45 Dazu im einzelnen oben 3. Teil, 2. Abschn., II, 5; 3. Abschn., II; 6. Abschn., V. 46 Ausrührlieh dazu 2. Teil, 3. Abschn., II.

47

Siehe etwa G. Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 2 Abs. I, RdNm. 44, 46; V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öUentlichen Unternehmen, S. 105; P. Badura, AöR 92 (1967), S. 404; E. Benda, in: Gemper, Marktwirtschaft und soziale Verantwortung, S. 195; F. Klein, in: Schmidt-Bieibtreu I Klein, Grundgesetz, Einleitung VI, S. 116; H.-1. Papier, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 614 f; H. J. Faller, DB 1983, S. 1030; U. Karpen , Jura 1985, S. 191; Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine GNndlagen, RdNr. 43. 48 Der Einfluß des Sozialstaatsprinzips im Wirtschaftsleben wird von H. D. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsverfassungsrecht, § 4, RdNr. 6, und R Scholz, in: Duwendag, Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, S. 119 f., besonders herausgestellt.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

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derheilen führen. Deshalb verbietet die Sozialstaatsklausel dem Staat, "den Wirtschaftsablauf sich ausschließlich nach dem Prinzip des laissez-faire, laissez-aller entwickeln zu lassen..49. Er hat die Aufgabe, stützend und korrigierend in das wirtschaftliche Geschehen einzugreifen, um den vom Sozialstaatsgebot geforderten sozialen Ausgleich herzustellen und den vom ökonomischen Wettbewerb nachteilig Betroffenen das notwendige Existenzminimum zu sichern. Sozialstaatliche Erwägungen berechtigen und verpflichten die öffentliche Gewalt unter anderem, marktbeherrschende Stellungen zu verhindern und die Funktionsfähigkeit des wirtschaftlichen Wettbewerbs zu schützen. Das Spektrum sozialstaatlich fundierter Gemeinwohlbelange ist äußerst breit. Dementsprechend vielgestaltig sind die Gründe, die eine Beschränkung der allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit legitimieren können. Gleiches gilt für die technischen Mittel, mit denen in den Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens eingegriffen wird. Das Grundgesetz gewährt dem Gesetzgeber bei der Festsetzung sozialstaatlicher Ziele und der zu ihrer Erreichung geeigneten Aktivitäten einen Beurteilungs- und Handlungsspielraum, ohne ihn auf die Einhaltung einer strikten Wettbewerbsneutralität zu verpflichten50• Unschädlich ist, wenn staatliche Reglementierungen der ökonomischen Konkurrenz die Wettbewerbschancen einzelner Unternehmer am Markt und damit die Wettbewerbslage verändern. Je nach Sachlage kann das freie Spiel der Kräfte durch wirtschaftspolitische Interventionen korrigiert, gegebenenfalls sogar negiert werden51 • Als Beispiel sei hier nur die Energiewirtschaft genannt. In diesem Wirtschaftssektor kommt dem Marktmechanismus allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Statthaftigkeit staatlicher Marktordnungen und Festpreissysteme wird weithin anerkannt. Im Gegensatz dazu besitzt die geistige Betätigung einen anderen Stellenwert als das wirtschaftliche Handeln. Dies verdeutlicht bereits der Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, der durch die Schranke der allgemeinen Gesetze sonderrechtliehen Reglementierungen der Pressefreiheit entgegenwirkr2 und damit gezielte Interventionen in den publizistischen Wettbewerb 49

K. Stern, Staatsrecht I, § 21 II 3, S. 905. Ebenso E . Benda, in: Gemper, Marktwirtschaft und soziale Verantwortung, S. 191 f.; R Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, RdNr. 83. 50 Zur Chancengleichheit im wirtschaftlichen Wettbewerb oben 3. Teil, 3. Abschn., II. 51 Vgl. BVerfGE 39, 210/226; E 46, 246/256; E 53, 135/145. 52 Dazu im einzelnen oben 3. Teil, 5. Abschn., IV, 1.

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4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

der Printmedien weitgehend verhindert. Die öffentliche Gewalt besitzt keine allgegenwärtige Ordnungszuständigkeit Sie muß sich prinzipiell jeder inhaltlichen Ausgestaltung und Steuerung massenmedialer Kommunikation enthaltenS3. Demzufolge verfügt auch der Gesetzgeber nicht über jenen weiten Gestaltungsspielraum wie im allgemeinen Wirtschaftsrecht. Das Soziaistaatsprinzip kann im Bereich der Geistesfreiheiten keine Restriktionen individueller geistiger Entfaltungsfreiheit rechtfertigen, da der soziale Bezug gering, die Intensität des grundrechtlich verbürgten Freiheitsschutzes aber hoch zu veranschlagen isf". Eine sozialstaatlich motivierte Wettbewerbspolitik fmdet daher in der Verfassung keine Grundlage. Im Gegensatz zum Wirtschaftsleben wird das Pressewesen von liberalen Vorstellungen beherrscht, die der Entfaltungsfreiheit der Beteiligten höchsten Rang einräumen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt einen Freiraum individueller publizistischer Tätigkeit mit allen daraus resultierenden persönlichen Risiken und Verantwortlichkeiten. Die als autonom vorausgesetzte Gemeinschaft soll ihre Kommunikationsbedürfnisse nach dem Belieben der beteiligten Gemeinschaftsmitglieder ordnen. Das physiokratische laissez-faire, laissez-aller besitzt hier noch seine volle Daseinsberechtigung. Demzufolge bleibt die publizistische Auseinandersetzung strukturellen Zugriffen der öffentlichen Gewalt weitgehend verschlossen. Veränderungen der bestehenden Wettbewerbssituation, welche die grundrechtlich gesicherten Strukturelemente der publizistischen Konkurrenz negieren, sind mit den von der Verfassung verbürgten geistigen Freiheiten von vornherein nicht vereinbar. Das Verbot imperativer Medienstrukturpolitik erfaßt den gesamten publizistischen Bereich, gilt aber auch für einzelne Pressegattungen. In beiden Fällen wirken die verfassungsrechtlich verankerten Strukturprinzipien der geistigen Konkurrenz jeder Umgestaltung entgegen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den ökonomischen Wettbewerb im Pressewesen, soweit derartige Korrekturen des wirtschaftlichen Anpassungsprozesses wegen des unmittelbaren Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie55 auf die publizistische Ebene zurückwirken können. Die kommunikative Freiheit darf keinesfalls mit Hilfe des wirtschaftspolitischen Instrumentariums aus den Angeln gehoben werden. Deshalb sind strukturelle Eingriffe in den 53

54

55

Vgl. auch BVerfGE 12, 205/260; OVG Berlin v. 25. 4. 75, NJW 1975, S. 1939. Siehe oben 2. Teil, 3. Abschn., II, 3. Dazu oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2.

1. Abschn.: Gewährleistung einer wettbewerbliehen Grundordnung

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Wirtschaftsablauf unzulässig, sobald sie den höchstpersönlichen Kernbereich publizistischer Entfaltung berühren. Damit verfügt der publizistische Konkurrenzkampf im Gegensatz zum allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb über einen besonders weitreichenden Grundrechtsschutz, der das wettbewerbliehe Verhalten der Kommunikationsträger weitgehend gegen externe staatliche Einwirkungen sichert. Deren Entfaltungsfreiheit kann nur in Ausnahmefällen punktuell beschränkt, nicht aber grundsätzlich relativiert werden. Prinzipiell kann der Staat nur dann auf den Ablauf des Wettbewerbsprozesses einwirken, soweit die Auswahlfreiheit der Leser, die publizistische Entfaltungsfreiheit einzelner Mitbewerber, die berechtigten Interessen der von der Presseberichterstattung Betroffenen oder überwiegende Belange der Gemeinschaft ein Einschreiten unabweisbar gebieten. Seine Rolle beschränkt sich im publizistischen Wettbewerb auf die Störungs- und Gefahrenabwehr. Im Interesse der Lauterkeit des geistigen Konkurrenzkampfes gilt es vor allem, jedem Mißbrauch der kommunikativen Entfaltungsfreiheit entgegenzutreten. Weitergehende Einflußnahmen verstoßen regelmäßig gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Allerdings lassen sich die Grenzen staatlicher Restriktionen nicht ein für allemal begriffsscharf fixieren, da das Spektrum denkbarer mißbräuchlicher Verhaltensweisen nicht von vornherein bestimmt werden kann. Insoweit kommt es entscheidend auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. Eine Gesamtschau aller verfassungsrechtlichen Vorgaben rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß das Grundgesetz eine wettbewerbliehe Grundordnung für das Pressewesen statuiert. Während sich die wirtschaftspolitischen Aussagen der Verfassung nicht zu einem einheitlichen Konzept für die gesamte Wirtschaft verdichten lassen, normiert das Grundgesetz im publizistischen Bereich gegen staatliche Interventionen weitgehend resistente fundamentale Strukturelemente einer Wettbewerbsordnung. Damit wird der geistige Wettbewerb in einem Kernbereich jeder staatlichen Disposition entzogen. Die wettbewerbliehe Ordnung kennzeichnet den Normalfall, von dem nur abgewichen werden darf, wenn besondere Umstände dies gebieten. Weiterreichende Aussagen lassen sich dem Grundgesetz dagegen nicht entnehmen. Deshalb scheitert jeder Versuch, die Strukturelemente der publizistischen Konkurrenz zu einer allgemeinverbindlichen Definition des Wettbewerbs zusammenzufassen, um staatliche Aktivitäten auf dieser Grundlage auf ihre verfassungsrechtliche Vereinbarkeit zu prüfen. Eine derartige Vorgehensweise begegnet bereits ordnungstheoretischen Bedenken.

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

310

Jede abschließende Festlegung vernachlässigt den dynamischen Charakter des Wettbewerbs. Komplexe Phänomene wie die geistige Konkurrenz können nicht in positiver Form auf einfache Begriffe reduziert werden, die notwendigerweise nicht alle Bedingungen, Wirkungsweisen und Folgen erfassen können56• In seiner Eigenschaft als Entdeckungsverfahren ist der Wettbewerb einer statischen Betrachtung von vornherein nicht zugänglich57• Aus verfassungsrechtlicher Perspektive sprechen die Erwägungen, die zur Ablehnung eines ordnungspolitisch geschlossenen Wettbewerbssystems für den Markt der geistigen Freiheiten führten58 auch gegen eine begriffliche Festlegung für das Phänomen der publizistischen Konkurrenz. Eine abschließende Definition würde die verfassungsrechtlich geschützten Freiräume der Kommunikationsträger einengen, wenn nicht gar aufhebenS'J. Das Grundgesetz überläßt den Beteiligten die Freiheit zur Gestaltung der Zukunft. Dem wird nur ein indeterminierter Wettbewerbsbegriff gerecht, der einem offenem Handlungssystem entspricht. Deshalb läßt sich das Phänomen der geistigen Konkurrenz über die verfassungsrechtlich gesicherten Strukturelemente hinaus nicht durch präzise Kriterien positiv defmieren. 2. Abschnitt

Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit Die wettbewerbsorientierte publizistische Betätigungsfreiheit der Presseschaffenden ist vielfältigen Gefährdungen ausgesetzt, welche die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsprozesses in Frage stellen. Diese gründen sich auf staatliche, daneben aber häufig auch auf private Aktivitäten. Angesichts der Mehrdimensionalität der Grundrechte stellt sich damit für die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall die Frage, ob und gegebenenfalls inwie56

Aus dem gleichen Grund vermeidet die herrschende Meinung im Wirtschaftsrecht jede Definition des ökonomischen Wettbewerbs. So im Ergebnis übereinstimmend Baumbach / Heferrnehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, RdNr. 7; E. Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 169; F. Riltner, Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht,

s. 6.

57 58 59

ÄhnlichE. Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 170. Siehe oben 4. Teil, 1. Abschn., I, II.

Diese Tendenz wird für das Phänomen des wirtschaftlichen Wettbewerbs von E. Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 169, und F. Rittner, Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 6, herausgearbeitet.

2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

311

weit derartigen Beeinträchtigungen der wettbewerbliehen Grundordnung entgegengewirkt werden kann. Maßgeblich dafür sind die verschiedenen Schutzwirkungen der jeweils berührten Freiheitsrechte, hier vor allem der Pressefreiheit.

I. Subjektive Dimension und publizistischer Wettbewerb Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt des Kommunikationsträgem ein subjektives Freiheitsrecht mit Abwehrcharakter60• Sie können sich daher gegen alle staatlichen Maßnahmen wehren, welche die wettbewerbsorientierte publizistische Entfaltungsfreiheit und die grundrechtlich gesicherten Strukturprinzipien der geistigen Konkurrenz in verfassungswidriger Weise beschränken. Diese Frontstellung gegenüber der öffentlichen Gewalt besitzt gerade bei den Kommunikationsgrundrechten und hier vor allem bei der Pressefreiheit bedeutendes Gewicht. Im Gegensatz zu anderen Lebensbereichen wird das Geistesleben durch einen weitgehenden Individualismus gekennzeichnet, der sich auf die charakteristischen Eigenarten einer Kommunikationsleistung gründet61 • Jeder Geistesinhalt bezieht seine Identität aus der Persönlichkeit des jeweiligen Kommunikationsträgers. Dementsprechend garantiert Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG mit der publizistischen Entfaltungsfreiheit zugleich eine Sphäre individueller Lebensgestaltung, der ein höchstpersönliches Moment innewohnt. Damit steht das Individuum im Mittelpunkt der Freiheitsgewährleistung. Diese sichert die Vorrangstellung des einzelnen und seiner Entscheidungs- und Handlungsautonomie. Aus diesem Grund reagiert die Pressefreiheit auf staatliche Interventionen in den geistig-kommunikativen Bereich besonders sensibel, da jede Reglementierung notwendigerweise dieses höchstpersönliche Moment negiert. Die öffentliche Gewalt muß die publizistische Entfaltungsfreiheit der Presseschaffenden unabhängig von deren kommunikativen Auswirkungen prinzipiell respektieren. Sie kann die Wettbewerbsfreiheit der Beteiligten folgerichtig unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 GG allenfalls in Ausnahmefällen beschränken.

60

61

Vgl. oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 3. Allgemein dazu oben 2. Teil, 3. Abschn., II, 1.

312

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

II. Objektiv-rechtliche Dimension und publizistischer Wettbewerb Die aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Pressefreiheit resultierenden Direktiven für Gesetzgeber und Gesetzesanwender entfalten im Verhältnis des Bürgers zum Staat, aber auch im Verhältnis der Privatpersonen untereinander Wirkung und umgeben die verfassungsrechtlich verankerten Strukturelemente der geistigen Konkurrenz mit zusätzlichen Sicherungen und Garantien.

1. Pressefreiheit, mittelbare Drittwirkung und publizistischer Wettbewerb Im Rechtsverkehr der Bürger untereinander können die Grundrechte keine direkte Geltung beanspruchen. Dem steht schon der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG entgegen, der Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung, nicht aber Private unmittelbar an die Grundrechte bindet. In die gleiche Richtung deutet Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, welcher der Koalitionsfreiheit ausdrücklich Wirkung gegenüber privaten Dritten einräumt. Diese Bestimmung wäre sinnlos, wenn alle Grundrechte verfassungsunmittelbare Wirkung gegenüber jedermann besitzen würden. Gewichtiger erscheint der Einwand, daß die direkte Geltung der Grundrechte im allgemeinen Rechtsverkehr zu einer unerträglichen Einschränkung der Privatautonomie führen und damit eine Reduzierung bzw. Aufhebung persönlicher Entfaltungsfreiheit bewirken würde62• Aus diesem Grund wird die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte nach anfänglichen Irritationen63 mittlerweile allgemein abgelehnt64 • Dies gilt im Gegensatz zu der in Art. 118 Abs. 1 S. 2 WRV

62

Dies betont K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 394. Siehe dazu bereits G. Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 1 Abs. 111, RdNr. 129.

63

Vor allem das BAG hat lange Zeit eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ausdrücklich befürwortet. Typisch hierfür BAGE 1, 2581262; E 4, 2401243; E 7, 2561260; E 24, 4381441. 64

Vgl. nur BVerfGE 66, 1161135; G. Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 1 Abs. 111, RdNm. 127 ff., Art. 2 Abs. I, RdNrn. 57 f.; H. D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz, Art. 1, RdNr. 20; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNrn. 354 f.; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, S. 245; Ch. Starck, JuS 1981, S. 243 f.

2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

313

ausdrücklich angeordneten Drittwirkung6S nunmehr auch für die in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Kommunikationsgrundrechte66• Daher kann auch die Pressefreiheit die Wettbewerbssituation der miteinander konkurrierenden Kommunikationsträger im Verhältnis zueinander nicht unmittelbar beeinflussen. Kein Verlagsunternehmen kann sich beispielsweise gegenüber den Wettbewerbshandlungen erfolgreicher Mitbewerber unmittelbar auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen, um seine Bestandssicherungsinteressen zu wahren und Konkurrenzschutz zu erlangen67• Die Konzeption des Grundgesetzes schließt jedoch nicht jegliche Drittwirkung aus. Die Grundrechte statuieren eine objektive Wertordnung, die eine Richtlinienfunktion für alle Bereiche der Rechtsordnung entfaltet. Ihre objektiv-rechtliche Seite beeinflußt daher nach absolut herrschender Meinung unter anderem die Anwendung und Auslegung des Privatrechts68• Dies betrifft Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe(j9, gilt aber auch für die anderen privatrechtliehen Vorschriften70• Interpretationsleitend ist jeweils der objektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte, beziehungsweise die darin zum Ausdruck kommende Wertentscheidung. Diese wirkt "über das Medium der das einzelne Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffe ... auf dieses Rechtsgebiet ein"71 und

65 Danach durfte der Grundrechtsträger in seiner Meinungsfreiheit durch kein Arbeits- oder Angestelltenverhältnis gehindert und von niemandem benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht. 66 Dies ist bei der Pressefreiheit weithin anerkannt. Siehe etwa BVerfGE 66, 1161135;

E. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 29 ff.; R. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. I, II, RdNrn. 168 ff.; M. Bullinger, in: lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 142, RdNr. 21. A. A. F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 52 ff., der von einer Fortgeltung des Art. 118 Abs. 1 S. 2 WRV ausgeht. So im Ergebnis auch M. Löffler, Presserecht I, RdNr. 290. 67 Ausführlich zum Bestandsschutz im Wettbewerb oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 4. 68 Besonders deutlich BVerfGE 7, 1981205; E. 25, 2561263; E 66, 1161135. Einen Überblick über die umfangreiche Rechtsprechung des BVerfG vermitteln H. D. larass, AöR 110 (1985), S. 376 ff., und F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2102. Siehe auch W. Sehnlitt Glaeser, AöR 113 (1988), S. 68 f. 69 So ursprünglich BVerfGE 7, 1981206. Grundlegend G. Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 1 Abs. III, RdNr. 132. 70

Prägnant BVerfGE 66, 1161135.

71

BVerfGE 73, 2611269.

314

4. Teil: Publizistischer Wettbewem und Grundgesetz

entfaltet so mittelbare Drittwirkung im Verhältnis der Privatrechtssubjekte untereinander. Auf dem Weg der mittelbaren Drittwirkung gewinnt auch die Pressefreiheit über die Abwehrfunktion gegen staatliche Eingriffe hinausgehend zusätzliches Gewicht im publizistischen Wettbewerb der Printmedien. Ihre "Ausstrahlungswirkung"72 sichert die publizistische Entfaltungsfreiheit der Presseschaffenden und die verfassungsrechtlich verbürgten Strukturelemente der Konkurrenz über das Medium des Privatrechts auch auf der horizontalen Ebene im Verhältnis der Kommunikationsträger untereinander gegen freiheitsbeschränkende Übergriffe Privater. Neben den Vorschriften des BGB sind hier vor allem die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts von Bedeutung, die wegen des aufgezeigten Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie73 mittelbar auch den Einsatz publizistischer Wettbewerbsparameter erfassen74• So wird der Pressefreiheit beispielsweise ein richtungsweisender Einfluß bei der Auslegung des Begriffs der guten Sitten in § 1 UWG eingeräumt?S. Die angestrebte Lauterkeit des Wettbewerbs erhält damit für den Bereich der Pressemärkte eine zusätzliche verfassungsrechtliche Akzentuierung, soweit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Strukturelemente der geistigen Konkurrenz verbürgt und auf diese Weise den Ablauf des Wettbewerbsprozesses beeinfluße6• Allein die wettbewerbsimmanente Benachteiligung einzelner Konkurrenten reicht aber nicht aus, um aus verfassungsrechtlichen Erwägungen einen sonst nicht begründeten Verstoß gegen§ 1 UWG anzunehmen77. Verfassungsrecht und einfaches Recht greifen demnach ineinander. Ausstrahlungswirkung bedeutet indessen nicht, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in diesem Zusammenhang die gleiche Wirkungskraft entfaltet wie in seiner Funktion als Abwehrrecht gegen staatliche Interventionen78, welche auch beige72 73 74 75

BVerfGE 7, 198/207; E 73, 261/269. Oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2. Siehe bereits oben 3. Teil, 5. Abschn., IV, 2, c.

Vgl. nur F. Kübler, Festschrift für Löffler, S. 179; W. Sachon, Wettbewemsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt, S. 187 f. 76 Ähnlich W. Sachon, Wettbewemsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt, S. 187 f. 77 Dies unterstreicht E. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 153. 78 So etwa BVerfGE 66, 116/135; H. D. Jarass, AöR 110 (1985), S. 378.

2. Abschn.: Verfassun~rechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

315

ringfügigen Eingriffen Hilfe bietet. Die objektiv-rechtliche Dimension wirkt nicht gleichermaßen stringent wie das subjektive Abwehrrecht Sie greift nur bei gravierenden Belastungen ein, so. daß unter Umständen lediglich ein Mindeststandard geistiger Entfaltungsfreiheit im Verhältnis der Wettbewerber untereinander gesichert werden kann. Die Tragweite des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muß für jeden Einzelfall gesondert ermittelt werden. Dabei gewinnt die determinierende und inhaltsbestimmende Kraft der Pressefreiheit vor allem dann an Bedeutung, wenn die publizistische Entfaltungsfreiheit einzelner Konkurrenten durch den Mißbrauch von Machtpositionen beeinträchtigt oder gar beseitigt wird. Ein derartiges Verhalten ist auf jeden Fall sittenwidrig, da es den allgemein anerkannten Wertvorstellungen des Grundgesetzes widerspricht. Deshalb müssen die Presseschaffenden unter dem Einfluß des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vor Boykottmaßnahmen geschützt werden, durch welche die geistige Auseinandersetzung durch den Einsatz wirtschaftlicher Druckmittel ausgeschaltet werden soll19• Darüber hinaus muß beispielsweise auch die für den Wettbewerbsprozeß unerläßliche Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit vor dem Zugriff gesellschaftlicher Kräfte oder Privater bewahrt werden80, da derartige Einflußnahmen die Entscheidungsautonomie der Kommunikationsträger und damit die Funktionsfähigkeit der geistigen Konkurrenz in schwerwiegender Weise beeinträchtigen.

2. Pressefreiheit, staatliche Schutzpflicht und publizistischer Wettbewerb In engem Zusammenhang mit der mittelbaren Drittwirkung der Pressefreiheit steht die Frage, ob und inwieweit der Staat durch dieses Grundrecht verpflichtet wird, den publizistischen Wettbewerb vor unstatthaften Behinderungen durch Private zu schützen. Dabei geht es um die staatliche Schutzpflicht im Verhältnis der Privatrechtssubjekte zueinander. Rechtsprechung und Schrifttum leiten aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte eine Rechtspflicht des Staates dahingehend ab, sich schützend und fördernd vor die verfassungsrechtlich gesicherten Rechtsgüter zu stellen und diese vor

79

Vgl. BVerfGE 25, 256/263 ff.; E 62, 231J/242. Ausführlich zu den Problemen des Boykottaufrufs oben 3. Teil, 5. Abschn., IV, 2, b, cc. 80 Siehe BVerfGE 66, 116/135. Dazu im einzelnen oben 3. Teil, 4. Abschn., II, 2.

316

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren81 • Die Grundrechte gebieten insoweit ein aktives Handeln der öffentlichen Gewalt. Die ursprünglich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG abgeleitete Verantwortung des Staates82 wird zunehmend auf andere Grundrechte ausgedehnt83• Diese Entwicklung erscheint folgerichtig, da der Schutz des einzelnen vor Übergriffen Dritter zu den unerläßlichen Grundbedingungen jeder Staatlichkeil zählt. Diese Schutzaufgabe wird seit jeher von staatlichen Gemeinwesen wahrgenommen und fügt sich daher in eine feststehende Rechtstradition ein84 • Sie ist eine notwendige Folge des staatlichen Gewaltmonopols. Wenn den Bürgern die Möglichkeit der Selbsthilfe gegen private Eingriffe in ihre Rechtsgüter verwehrt wird, muß der Staat diese Aufgabe übernehmen85• Dementsprechend wird staatlicher Grundrechtsschutz als "originäre Rechtspflicht" charakterisiert86• Im Grundgesetz tritt der Schutzauftrag besonders deutlich in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zutage, der ausdrücklich festlegt, daß alle staatliche Gewalt verpflichtet ist, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. In die gleiche Richtung deutet Art. 6 Abs. 1 GG, der für einen speziellen Teilbereich des Gemeinschaftslebens ebenfalls eine staatliche Schutzpflicht begründet. Die ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung dieser Schutzpflichtformeln zeigt, daß die staatliche Verantwortung für die grundrechtlich gesicherten Rechtsgüter in den Grundrechten selbst angelegt ist. Schutzpflicht und Eingriffsverbot aktualisieren jeweils zwei Pflichtaspekte desselben Grundrechts, denen jeweils ein subjektiver Anspruch des Grundrechtsträgers korrespondiert87• 81 Vgl. nur BVerfGE 39, 1/41; E 53, 50/57; E 56, 54/73; K. Hesse, in: Benda / MaihoCer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 103; ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 350. Allgemein dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 ff.; D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 88 ff.; K. Stem, Staatsrecht III/1, § 69 lV, S. 931 ff. 82 Grundlegend BVerfGE 39, 1/41. Ebenso BVerfGE 46, 160/164; E 53, 50/57; E 56, 54/73; E 77, 170/214. 83 So bereits BVerfGE 6, 55/76; E 34, 269/282. ln diesem Sinne äußern sich auch H. D. Jarass, AöR 110 (1985), S. 380; K. Stem, Staatsrechtlll/1, § 69 N 5, S. 944. 84 Einen geschichtlichen Überblick unter Berücksichtigung der ideengeschichtlichen Grundlagen vermittelt K. Stem, Staatsrecht 111/1, § 69 lV 2, S. 932 f. Siehe auch H. D. Jarass, AöR 110 (1985), S. 373. 85 Ähnlich H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 769; D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 104. 86 K. Srern, Staatsrecht III/1, § 69 lV 5, S. 946. 87 Die Erkenntnis, daß die objektive Schutzpflicht der Ergänzung durch einen subjek-

2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

317

Die grundrechtliehen Schutzpflichten begründen für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung Gefahren- und Störungsabwehrpflichten88. Sie determinieren das staatliche Handeln, lassen den zuständigen Staatsorganen aber im Regelfall einen weiten Einschätzungs-, Wertungsund Gestaltungsspielraum89• Dessen Reichweite wird im Einzelfall durch Art, Nähe und Ausmaß der drohenden Schäden, dem Rang der beteiligten Interessen und den bereits existierenden Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr bestimmt90• Die öffentliche Gewalt muß Gefährdungen umso eher entgegentreten, je mehr diese irreparable Schädigungen eines besonders hochwertigen Rechtsguts bewirken können. Deshalb wird der Schutzpflichtgedanke vor allem bei Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG herangezogen91, da den hier gesicherten Rechtsgütern besonderes Gewicht zukommt. Ein staatlicher Schutzauftrag kann daneben aber auch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleitet werden92• Dafür spricht vor allem die Erwägung, daß die geistigen Freiheiten und damit auch die Pressefreiheit wegen des ihnen eigenen höchstpersönlichen Charakters einen engen sachlichen Zusammenhang mit der im Grundgesetz zur Fundamentalnorm erhobenen Menschenwürde aufweisen. Diese personale Grundbeziehung verdeutlicht das Gewicht der durch Art. 5 Abs. 1 GG gesicherten Rechtsgüter und begründet ihre besondere Schutzbedürftigkeit Gerade in einem wettbewerblieh strukturierten Pressewesen scheint eine staatliche Schutzpflicht unerläßlich, um die Beteiligten und auch die Allgemeinheit vor den irreparablen Folgen privater Übergriffe zu bewahren. Der Schutzauftrag erstreckt sich auf die verfassungsrechtlich verbürgten Strukturelemente der geistigen Konkurrenz, da diese die Grundlage einer freien publizistischen Auseinandersetzung bilden. So muß beispielsweise die Unabhängigkeit der Kommunikationsträger gegenüber Eingriffen gesellschaftlicher Machtgruppen gesichert werden. Die tiven Schutzanspruch bedarf, hat sich mittlerweile durchgesetzt. Vgl. nur BVerfGE n, 210/214 f.; D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 216 f. 88 Von Störungsabwehrpflichten spricht etwa D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 101. 89 Dies betonen BVerfGE n, 170/214 f.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 421

ff.; K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 350; K Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 6, S. 950. Kritisch dazu D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 111. 90 91 92

Ähnlich BVerfGE 49, 89/142. Vgl. BVerfGE 39, 1/41; E 46, 160/164; E 53, 50/57; E 56, 54/73; E

n, 170/214.

Allgemein dazu Ch. Degenhart, Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 96.

318

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

öffentliche Gewalt ist zum Einschreiten gehalten, sofern diese Kräfte Gestaltung und Verbreitung einzelner Konkurrenzprodukte und damit letztlich den publizistischen Wettbewerb der Printmedien durch wirtschaftliche Druckmittel ausschalten wollen93• Darüber hinaus wird vom BVerfG allgemein eine Verantwortung des Staates dahingehend in Erwägung gezogen, "Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten"94 • Der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG resultierende Schutzauftrag verpflichtet die öffentliche Gewalt, jeder der grundrechtliehen Wertordnung widersprechenden Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich verbürgten publizistischen Entfaltungsfreiheit durch Privatpersonen entgegenzuwirken. Dieses Gebot richtet sich prinzipiell an alle Staatsorgane, trifft jedoch in erster Linie den Gesetzgeber95• Er muß die gesamte Rechtsordnung so gestalten, daß derartige Gefährdungen, soweit möglich, von vornherein verhindert werden. Seine Aufgabe besteht darin, ein operationales Konzept "praktischer Konkordanz"96 zu entwickeln, in dem die verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter aller Beteiligten Wirklichkeit gewinnen. Insoweit besteht derzeit kein HandlungsbedarF, da die einschlägigen Normen auf einfachgesetzlicher Ebene allen denkbaren Gefahrenkonstellationen Rechnung tragen und damit den staatlichen Schutzauftrag erfüllen. Von Bedeutung sind hier wiederum vor allem die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts. Mit deren Hilfe können im allgemeinen geschäftlichen Verkehr alle privaten Aktivitäten abgewehrt werden, welche den wirtschaftlichen und damit wegen des aufgezeigten98 Zusammenhangs von Publizistik und Ökonomie, mittelbar auch den publizistischen Wettbewerb der Printmedien in mißbräuchlicher Weise beeinträchtigen99• Gewicht besitzt daneben aber auch das in §§ 823 ff. BGB 93 94

Ähnlich BVerfGE 25, 2561268.

BVerfGE 20, 1621176. Eine derartige Verpflichtung postuliert auch E . Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinung.wielfalt, S. 104 f.

95 K Stern, Staatsrecht 11111, § 69 IV 6 c, S. 951, charakterisiert die Legislative als bevorz.ugten Adressaten aller Schutzpflichten. So auch H. D. Jarass, AöR 110 (1985), S. 378. 96 K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, RdNr. 72. 97 Siehe auch K Hesse, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 103, der darauf hinweist, daß die bestehende Rechtsordnung der Schutzpflicht des Staates in der Regel gerecht wird. 98 Oben 2. Teil, 1. Abschn., IV, 2. 99 Vgl. zur Bedeutung des Wettbewerbsrechts auch E. Mestmäcker, Medienkonzentra-

2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

319

normierte Recht der unerlaubten Handlungen. Dessen Bestimmungen schützen die Presseschaffenden gegen widerrechtliche Eingriffe in ihren Rechtskreis. Dabei ist unbeachtlich, ob die Verletzungshandlung von einem Mitbewerber oder anderen Privatpersonen ausgeht. So kann beispielsweise der Einbruch in die redaktionelle Geheimnissphäre durch außenstehende Dritte mit Hilfe von § 826 BGB, als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch durch § 823 Abs. 1 BGB abgewehrt werden. Die aufgezeigten Bestimmungen gewährleisten allerdings nur dann einen hinreichenden Schutz vor unzulässigen Übergriffen Privater, wenn sie vor Gericht durchgesetzt werden können. In diesem Zusammenhang gewinnt die der Rechtsprechung obliegende grundrechtliche Schutzaufgabe an Bedeutung100. Ihr fällt die Kontrolle der anderen Staatsorgane zu. Zudem müssen ihre Entscheidungen selbst wieder die Schutzpflicht verwirklichen. Deshalb sind die Gerichte bei der Streitentscheidung gehalten, den von der Pressefreiheit ausgehenden Impulsen Rechnung zu tragen und die grundrechtliche Wertordnung bei Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zu beachten101 • 3. Pressefreiheit, staatliche Funktionsverantwortung und publizistischer Wettbewerb Die objektiv-rechtliche Seite des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG besitzt maßgebliches Gewicht für die mittelbare Drittwirkung dieses Grundrechts und die Entwicklung staatlicher Schutzpflichten. Auf diese Weise gewinnt die Pressefreiheit eine nicht unerhebliche praktische Relevanz für die Beziehungen der am publizistischen Wettbewerb beteiligten Privatpersonen untereinander. Darin erschöpft sich die Bedeutung der objektiv-rechtlichen Dimension aber nicht. Sie wirkt sich über diese Dreiecks-Relationen hinausgehend zugleich im Verhältnis der Kommunikationsträger zum Staat aus. Insoweit begründet sie für die öffentliche Gewalt Handlungsgebote, die nicht an die Freiheitsgefährdung durch gesellschaftliche Kräfte anknüpfen. Damit ist die

tion und Meinungsvielfalt, S. 30. Skeptisch W. /Wnert, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, S. 121 ff. 100 Dazu K. Stern, Staatsrecht 111/1, § 69 1V 6, S. 950 f. 101 Siehe bereits oben 4. Teil, 2. Abschn., II, 1.

320

4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

staatliche Funktionsverantwortung102 für einen freiheitlichen publizistischen Wettbewerbsprozeß angesprochen. Grundrechte werden um ihrer Aktualisierung willen garantiert, die aber wiederum maßgeblich von der vorhandenen freiheitlichen Infrastruktur beeinflußt wird. Von Bedeutung sind hier vor allem die normativen Rahmenbedingungen der individuellen Freiheitsbetätigung. In ihrer Eigenschaft als Elemente objektiver Ordnung verpflichten die Grundrechte die öffentliche Gewalt, den zur Grundrechtsaktualisierung notwendigen rechtlichen Handlungsspielraum zu schaffen, zu erhalten und zu sichero103. Sie statuieren insoweit objektive Richtlinien und Impulse für die Entwicklung der gesamten Rechtsordnung auf unterverfassungsrechtlicher Ebene. Die staatliche Punktionsverantwortung trifft in erster Linie den Gesetzgeber. Er muß das für die Freiheitsbetätigung existentiell notwendige104 normative Gerüst zur Verfügung stellen. Gerade in dem hier interessierenden Zusammenhang gewinnt auch die objektiv-rechtliche Seite des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entscheidendes Gewicht für die Gestaltung der einfach-gesetzlichen Rechtsordnung. Das BVerfG hat die staatliche Funktionsverantwortung für den Bereich der Printmedien zumindest indirekt anerkannt, indem es den objektiv-rechtlichen Gehalt in der 4. Fernseh-Entscheidung dahingehend konkretisierte, daß "das Institut 'Freie Presse' ... den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Presse gewährleistet"105. Demnach begründet das Grundrecht eine globale Funktionsgarantie für ein freiheitliches Pressewesen. Diese Garantie soll die Fuoktionsfä102

Grundlegend zur staatlichen Funktionsverantwortung für ein freiheitliches Pressewesen P. Lerche, in: Löffler, Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 4 ff. Vgl. auch Ch. Degenhart, Donner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, RdNr. 452; R Scholz, in: Löffler, Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 74 f. Von der Funktionsverantwortung zu unterscheiden ist die bei einigen Grundrechten aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt abgeleitete weiterreichende Verpflichtung des Staates zur rechtlichen Ausgestaltung einer Freiheitssphäre. Dazu P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 180 ff.; H. D. Jarass, AöR 110 (1985), S. 390 ff. Siehe für den Bereich der Rundfunkfreiheit etwa BVerfGE 57, 2951320; E 73, 1181154 f. 103 Allgemein dazu K Hesse, in: Benda I Maihofer I Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 95 f.

104

P. Lerche, in: Löffler, Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 8, und R Scholz, in: Löffler, Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 75, beschränken die staatliche Funktionsverantwortung auf einen essentiellen Kembereich. 105 BVerfGE 73, 1181180. Ebenso M. Bullinger, AöR 108 (1983), S. 184; Ch. Degenhart,

AfP 1987, s. 649 f.

2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

321

higkeit der publizistischen Kommunikation sichern, nicht aber den Bestand einzelner Verlagsunternehmen oder Pressegattungen erhalten106• Sie beinhaltet eine staatliche Funktionsverantwortung, die sich vor allem auf die verfassungsrechtlich verbürgten Strukturelemente der geistigen Konkurrenz erstrecke07. Die öffentliche Gewalt muß bei ihren Aktivitäten die spezifischen Eigengesetzlichkeiten der publizistischen Kommunikation respektieren, die Rahmenbedingungen für eine freie geistige Auseinandersetzung erhalten und die Funktionsfähigkeit des geistigen Wettbewerbs wahren. Deshalb können zum Beispiel die in den Verfahrensgesetzen verankerten Zeugnisverweigerungsrechte für Presseangehörige oder die in Art. 118 Abs. 1 BetrVG normierte Tendenzschutzklausel, die jeweils Teilaspekte wettbewerblieber Strukturprinzipien auf der Ebene des einfachen Gesetzes umsetzen, als besonderer Ausdruck der staatlichen Funktionsverantwortung gekennzeichnet werden108• Die aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Pressefreiheit resultierenden Handlungsgebote wenden sich in erster Linie an den Gesetzgeber, der den fundamentalen Strukturprinzipien der geistigen Konkurrenz auf der unterverfassungsrechtlichen Ebene Rechnung tragen muß. Daraus folgt jedoch keine Pflicht, die gegebene Wettbewerbslage unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung um jeden Preis normativ zu konservieren. Eine derartige Bindung würde sogar dem freiheitlichen Charakter und dem Sinngehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG widersprechen109, da das Grundrecht unter anderem auch das Recht gewährt, sich jeder wettbewerbskonformen publizistischen Tätigkeit zu enthalten. Die gegenwärtige Ausgestaltung der geistigen Konkurrenz besitzt keine verfassungsrechtlich gesicherte Bestandskraft mit Ewigkeitswert. Die staatliche Funktionsverantwortung begründet zudem keinen Anspruch der Presseschaffenden auf bestimmte Vorkehrungen zur Sicherung des Wettbewerbs, da dem Gesetzgeber innerhalb der verfassungsrechtlich vorgegebenen Determinanten für einen wettbewerbliehen Ord-

106 Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt einzelnen Kommunikationsträgern kein Recht auf Besitzstandswahrung und Sicherung zukünftiger Funktionalität. Ausführlich dazu oben 2. Teil, 2. Abschn., I, 4. 107 Ähnlich Ch. Degenlulrt, AfP 1987, S. 649. 108 So auch P. Lerche, in: Löffler. Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 5. 109 Insoweit sind die gleichen Erwägungen maßgeblich, die zur Ablehnung einer Systemgarantie führten. Dazu oben 4. Teil, 1. Abschn., II.

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4. Teil: Publizistischer Wettbewerb und Grundgesetz

nungsrahmen110 ein, wenn auch begrenzter Handlungsspielraum verbleibt. Aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG kann sich aber dann die allgemeine Verpflichtung zu einem presseschützenden Vorgehen ergeben, wenn die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsprozesses existentiell bedroht scheint. So muß der Gesetzgeber beispielsweise die notwendigen Vorkehrungen zur Funktionserhaltung treffen, wenn vorangegangene staatliche Maßnahmen die fmanzielle Grundlage der Publizistik und damit mittelbar den publizistischen Wettbewerb der Printmedien überhaupt in Frage stellen111 •

111. Diskussionsperspektive Das Grundgesetz normiert keine in sich geschlossene Ordnung für den publizistischen Wettbewerb der Printmedien, welche die ordnungstheoretischen Eigengesetzlichkeiten der geistigen Konkurrenz lediglich rechtlich nachvollzieht. Deshalb mußte die Ermittlung ihrer tragenden Prinzipien und deren verfassungsrechtlichen Absicherung notwendigerweise fragmentarisch bleiben. Eine Wettbewerbsordnung für den Markt der geistigen Freiheiten ist im Grundgesetz zwar angelegt, nicht aber bis in Einzelheiten hinein ausgeformt. Sie gründet sich auf die Pressefreiheit, je nach Fallgestaltung daneben aber auch auf andere Freiheitsrechte und auf die Fundamentalnormen des Art. 20 Abs. 1 GG. Diese Normen schützen die publizistische Entfaltungsfreiheit der Kommunikationsträger in umfassender Weise und verbürgen zugleich fundamentale Strukturprinzipien der geistigen Konkurrenz. Das Grundgesetz stellt damit keine ausgebildete Dogmatik des Wettbewerbsrechts im allgemeinen und der Wettbewerbsbeziehungen im besonderen zur Verfügung, legt aber gleichwohl ein Grundgerüst rechtsverbindlicher Leitprinzipien fest, welche durch die öffentliche Gewalt nicht in Frage gestellt werden dürfen. In ihrer Eigenschaft als verfassungsrechtliche Determinanten einer wettbewerbliehen Grundordnung bieten die grundrechtlich verbürgten Strukturelemente der publizistischen Konkurrenz eine Leitlinie für künftiges staatliches Handeln im Pressewesen. Dies betrifft die technologisch bedingte Fortentwicklung des gesamten Medienmarktes, gilt aber auch 110 111

Siehe im einzelnen oben 4. Teil, 1. Abschn., 111.

So BVerfGE 73, 118/181 r., hinsichtlich der möglicherweise existenzbedrohenden Rückwirkungen des gesetzlich zugelassenen privaten Werbefunks auf die Presse.

2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit

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für spezielle Teilbereiche wie den Auf- und Ausbau staatlicher Informations- und Dokumentationssysteme. Gewichtiger erscheint der Umstand, daß der geistige Wettbewerb kein genuin presserechtliches Phänomen darstellt, sondern auch andere Bereiche wie beispielsweise das Rundfunkwesen beherrscht. Presse und Rundfunk besitzen die gleiche Bedeutung und die gleiche Funktion, sind zudem gleichermaßen in geistige und wirtschaftliche Funktionsabläufe eingebunden. Dies kann nicht ohne Rückwirkungen auf die Gewährleistungsstruktur des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bleiben. Deshalb müssen die in dieser Untersuchung aufgezeigten verfassungsrechtlichen Determinanten einer wettbewerbliehen Grundordnung mit der endgültigen Überwindung der Sondersituation über die bisher bestehenden Ansätze hinaus im Rundfunkwesen Beachtung fmden. Insoweit bedarf es einer Neubestimmung der Rundfunkfreiheit und ihrer Schranken, was sich wiederum hinsichtlich der einfachgesetzlichen Rechtslage auswirkt. Anstelle einer mehr oder minder intensiven gesetzlichen Reglementierung des Wettbewerbsprozesses müssen Normen treten, welche die Strukturprinzipien der geistigen Konkurrenz im Rundfunkwesen sichern und sich weitgehend auf Mißbrauchsabwehr beschränken. Staatliche Einflußnahmen sind danach nur noch in den Fällen zulässig, in denen es um die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, die Kontrolle von Machtmißbrauch oder den Schutz gefährdeter Individualinteressen geht.

Zusammenfassung 1. Die in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Freiheitsrechte bilden die Grundlage eines wettbewerblieh strukturierten Kommunikationsmarktes, der durch das Phänomen der geistigen Konkurrenz geprägt wird. Konturen und Bedeutung dieses Ordnungsprinzips liegen bisher im Verborgenen. Für den Bereich der geistigen Freiheiten stellt sich damit die Frage nach dem Begriff des geistigen Wettbewerbs, seinem verfassungsrechtlichen Gehalt, der Abgrenzung gegenüber ökonomischen Wettbewerbsprozessen und schließlich nach der Existenz eines verfassungsrechtlich verbürgten Wettbewerbsmodells für geistige Freiheiten. Aufgrund der ausgeprägten Unternehmensstruktur der Presse und ihrer Einbindung in geistige und wirtschaftliche Wettbewerbsprozesse bietet es sich an, diesen Fragen vornehmlich am Beispiel marktwirtschaftlich orientierter Presseunternehmen nachzugehen. 2. Ordnungstheoretische Grundlage der Konkurrenz ist die Tatsache, daß sich alle menschlichen Handlungen an den Bedürfnissen der Individuen orientieren. Diese lassen sich demnach als Prozesse der Bedürfnisbefriedigung umschreiben. Die pluralistische Gemeinschaft bedarf einer produktiven Ordnung, um die Vielfalt divergierender Bedürfnisse aufeinander abzustimmen. Diese Ordnung kann sich theoretisch auf ein hierarchisches Organisationsmodell gründen, aber auch auf der herrschaftsfreien Koordination der divergierenden Interessen beruhen. Vieles spricht dafür, daß die Wahl des konkreten Ordnungsmodells durch die wettbewerbliehe Grundhaltung der Individuen determiniert ist. 3. Das allgemeine Wettbewerbsmodell setzt begriffsnotwendig voraus, daß zumindest zwei Beteiligte nach dem gleichen Ziel streben. Da dieses nicht von allen erreicht werden kann, ist der Wettbewerb immer ein Verfahren des Leistungsvergleichs mit Auslesecharakter. Das Wettbewerbsverhältnis wird durch eine Sequenz von Aktivitäten gekennzeichnet, die durch bestimmte Impulse ausgelöst werden und die ihrerseits neue Impulse auslösen. Dieser dynamische Prozeß wird durch außenstehende Dritte gesteuert, die

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durch wertende Beurteilungen die Auslesefunktion der Konkurrenz aktualisieren. 4. Auf einer Vielzahl von Gebieten des sozialen Zusammenlebens ist der Wettbewerb das maßgebliche Strukturmodell. In Abhängigkeit von den spezifischen Eigenarten der zu ordnenden Bereiche hat das allgemeine Wettbewerbsmodell jeweils eine eigenständige Ausformung erfahren. Im Rahmen einer Systematisierung können im wesentlichen zwei idealtypische Fälle voneinander unterschieden werden: der materiell und der immateriell bestimmte Wettbewerb. Diese beiden Unterarten des allgemeinen Wettbewerbsmodells divergieren hinsichtlich der Art der jeweils im Vordergrund stehenden Leistungen, des Maßstabs des Leistungsvergleichs, der Bindung der Leistungen an die Person des jeweiligen Erbringers, des Wirkungswillens der Beteiligten sowie der Reziprozität der Austauschbeziehungen. Der wirtschaftliche Wettbewerb ist ein klassischer Unterfall des gegenständlichen, der geistige ein Unterfall des immateriellen Wettbewerbs. 5. Das Pressewesen wird seit jeher durch einen Dualismus der Wettbewerbsformen geprägt, da die Kommunikationsträger häufig zugleich in geistige und wirtschaftliche Wettbewerbsprozesse eingebunden sind. Die publizistische Konkurrenz kennzeichnet ein reales kommunikatives Beziehungsgefüge, welches sich mit Marktanalogien beschreiben läßt. Wesentlich ist, daß die Rezipienten als Empfänger eines Geistesinhalts und nicht als Käufer eines Wirtschaftsgutes angesprochen werden. Ihre bedürfnisorientierte Nutzungsentscheidung steuert Verlauf und Richtung des Wettbewerbsprozesses. Daneben konkurrieren die Kommunikationsträger auch auf wirtschaftlichem Gebiet miteinander. Die Presse ist ein Wirtschaftszweig wie jeder andere, auch wenn das Verhalten der Wettbewerber durch geistig-ideelle Zielsetzungen beeinflußt wird. Sie wird auf zwei verschiedenen Märkten tätig dem Kommunikations- und dem Werbemarkt, wo sie jeweils eine anders geartete Nachfrage mit einem anderen Angebot befriedigt. 6. Publizistischer und wirtschaftlicher Wettbewerb sind weder identisch, noch laufen sie notwendigerweise parallel. Sie können aber auch nicht vollständig voneinander isoliert werden. Im Regelfall stehen Publizistik und Ökonomie in einem Ergänzungs- und Abhängigkeitsverhältnis. Die wirtschaftlichen Aspekte beeinflussen die publizistische Ebene, welche wiederum auf die ökonomischen Grundlagen zurückwirkt.

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7. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt alle publizistischen Aktivitäten der Presseschaffenden und gewährt ihnen damit zugleich die Möglichkeit, sich durch freie geistige Leistungskonkurrenz am Meinungsmarkt durchzusetzen. Der verfassungsrechtlich verbürgte geistige Wettbewerb ist in das System individueller Grundrechtsbetätigungen eingebunden. Er kennzeichnet das Ergebnis der Wahrnehmung individueller geistiger Handlungsfreiheit durch eine Mehrzahl von Grundrechtsträgern. Die Pressefreiheit schützt daneben auch die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit und damit den ökonomischen Wettbewerb der Kommunikationsträger. Das Grundrecht•garantiert die erwerbswirtschaftliche Betätigung aber nur insoweit, als die ökonomischen Aktivitäten einen engen sachlichen Zusammenhang mit der publizistischen Kommunikation aufweisen. 8. Pressefreiheit bedeutet Wettbewerbsfreiheit. Der im publizistischen oder ökonomischen Konkurrenzkampf unterlegene Kommunikationsträger kann sich deshalb nicht auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen, um seine Bestandssicherungsinteressen zu wahren. Das Grundrecht schützt die Beteiligten weder in seiner institutionellen noch in seiner subjektiv-rechtlichen Dimension vor den Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber oder dem Auftreten neuer Konkurrenten. 9. Art. 5 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 GG besitzt im Bereich des publizistischen Wettbewerbs keine eigenständige Bedeutung. Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit stehen zueinander in einem Verhältnis partieller Konkurrenz. Die Pressefreiheit gewährt den Kommunikationsträgern einen speziellen Schutz für ihre Tätigkeit und verdrängt insoweit als Iex specialis die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit 10. Die Wettbewerbsfreiheit der Presseschaffenden gründet sich in erster Linie auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Jedoch kann das Phänomen der Konkurrenz nicht allein Art. 5 GG zugeordnet werden. Nahezu jede Wettbewerbshandlung berührt zugleich andere Grundrechte, deren Garantieaussagen wiederum Reichweite und Umfang der publizistischen und/oder wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit beeinflussen und ihr damit neue Akzente oder Inhalte verleihen. So garantieren beispielsweise die Religions-, Kunst-, Wissenschafts- oder Koalitionsfreiheit für abgegrenzte Teilbereiche des Geisteslebens jeweils spezielle Aspekte der publizistischen Entfaltungsfreiheit Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit berührt vielfach die allgemeine Handlungsfreiheit, die Berufsfreiheit oder die Eigentumsgarantie, welche ihrerseits grundlegende Bereiche wettbewerbliehen Handeins verbürgen.

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11. Der verfassungsrechtliche Standort der Wettbewerbsfreiheit liegt demzufolge häufig im Schnittpunkt mehrerer Freiheitsrechte. Da deren Garantiegehalte nicht strikt voneinander abgegrenzt werden können, stellt sich das Problem der Normenkonkurrenz im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes. Die Rechtsfigur der Spezialität bietet hier regelmäßig keine angemessene Lösung. Deshalb sind alle einschlägigen Grundrechte nebeneinander anzuwenden. Besitzen diese unterschiedlich abgestufte Regelungs- und Eingriffsvorbehalte, kann das Problem der Schrankenkonkurrenz nur situationsbezogen gelöst werden. Läßt sich im konkreten Fall ein eindeutiges Rangverhältnis zwischen den betroffenen Grundrechten ermitteln, richtet sich die rechtsfolgebestimmende Wirkung am stärksten Freiheitsrecht mit den engsten Schranken aus. Ansonsten müssen die Vorbehaltsschranken aller tatbestandlieh berührten Grundrechte nebeneinander berücksichtigt werden. 12. Die Position des Verfassungsrechts gegenüber publizistischen und wirtschaftlichen Wettbewerbsprozessen kann nicht ohne Rücksicht auf das Demokratieprinzip bestimmt werden. Zu den unverzichtbaren Bestandteilen der demokratischen Ordnung zählt die offene konkurrierende Meinungsund Willensbildung des Volkes. Diese äußert sich neben den Parlamentswahlen auch im grundrechtlich garantierten Volkswillensbildungsprozeß, in dem die für das demokratische Gemeinwesen unentbehrliche öffentliche Meinung im Rahmen eines wettbewerblieh strukturierten Kommunikationsprozesses immer wieder aufs neue geformt wird. An diesem Prozeß können sich neben anderen Kräften des Gemeinschaftslebens auch die Printmedien beteiligen. Letztere werden als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung charakterisiert, da sie das öffentliche Bewußtsein widerspiegeln, aber auch formen. Die faktische Bedeutung der Printmedien verdeutlicht den engen sachlichen Zusammenhang zwischen Demokratieprinzip und Pressefreiheit. Das Grundrecht verbürgt nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern gewährt zugleich ein Gestaltungsrecht, welches den Presseschaffenden die Mitwirkung am politischen Leben der Gemeinschaft ermöglicht. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung in einem umfassenden Sinn. Dies geschieht über das Medium des publizistischen Wettbewerbs, der damit seinerseits in demokratische Zusammenhänge eingebunden wird. Daraus kann aber wiederum nicht gefolgert werden, daß die Pressefreiheit allein von ihren demokratischen Funktionen her interpretiert werden kann. Ein einseitiges funktionales Grundrechtsverständnis ist wegen seiner freiheitsbeschränkenden Wirkun-

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gen abzulehnen. Die demokratische Komponente äußert keinen restriktiven Einfluß auf Art, Umfang und Intensität des Grundrechtsschutzes. Die Presseschaffenden sind weder verpflichtet, an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken, noch kann der Staat den publizistischen Wettbewerb unter Berufung auf das Demokratieprinzip in eine bestimmte Richtung lenken. Derartige Relativierungen der grundrechtlich verbürgten Wettbewerbsfreiheit sind von vornherein ausgeschlossen. 13. Neben dem Demokratie- ist auch das Sozialstaatsprinzip von Bedeutung. Diese Staatszielbestimmung verpflichtet und ermächtigt in erster Linie den Gesetzgeber, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Die Grundrechte begrenzen sozialstaatliche Aktivitäten und Egalisierungstendenzen, werden ihrerseits aber auch durch die das Sozialstaatsgebot konkretisierenden Gesetze beschränkt. Die Statthaftigkeit von Wettbewerbsinterventionen beurteilt sich im konkreten Einzelfall einerseits am Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit, andererseits nach der Intensität des grundrechtlich verbürgten Freiheitsschutzes. Aus diesem Grund kann der ökonomische Wettbewerb im Pressewesen im Interesse der Verlagsangestellten oder der Mitbewerber reglementiert werden. Demgegenüber bleibt der publizistische Wettbewerb staatlichen Eingriffen weitgehend verschlossen, da der grundrechtlieh geschützten geistigen Entfaltungsfreiheit ein höchstpersönliches Moment innewohnt. 14. Zu den fundamentalen Strukturprinzipien der geistigen Konkurrenz zählt die wechselseitige freie Auswahlentscheidung der Marktparteien. Dabei aktualisiert die nutzenorientierte Auswahlentscheidung der Rezipienten die Nachfrage nach massenmedialer Kommunikation und steuert auf diese Weise Verlauf und Richtung des Wettbewerbsprozesses. Die Leser besitzen eine weitgehende faktische Entscheidungsautonomie, die durch das Grundrecht der Informationsfreiheit in vollem Umfang verfassungsrechtlich abgesichert wird. Ungleichartige Nachfrageerwartungen bewirken eine inhaltliche Differenzierung und Segmentierung des publizistischen Angebots und zeitigen damit einen pluralistischen Effekt. Diese Tendenz wird durch die wirtschaftliche Orientierung der Presseunternehmen verstärkt. Demzufolge besteht ein enger Wirkungszusammenhang zwischen Anbieterwettbewerb, Rezipientensouveränität und PressevielfalL Letztere ist das Ergebnis der publizistischen Konkurrenz, welche die wirksamste Sicherung für die Erreichung dieses Zielwertes darstellt.

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15. Auf der anderen Seite ist die Selektion von Informationen zugleich ein notwendiger Bestandteil jeder Pressetätigkeit. Sie dient der Erarbeitung der zu veröffentlichenden Kommunikationsinhalte und bestimmt auf diese Weise das publizistische Angebot. Daneben ist sie aber auch für die Verwirklichung der individuellen Zielsetzungen der Presseschaffenden von Bedeutung. Diese besitzen ungeachtet des wettbewerbsimmanenten kommunikativen Einflusses der Leser eine weitgehende faktische Entscheidungsautonomie, die durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich abgesichert wird, soweit nicht entgegenstehende Interessen Dritter punktuelle Restriktionen gebieten. Die grundrechtlich verbürgte Selektionstätigkeit eröffnet den Presseschaffenden einen begrenzten Verhaltensspielraum, in dessen Rahmen sie die Rezipienten beeinflussen, wenn auch nicht unbegrenzt manipulieren können. Die Ergebnisse der Themenselektion verdeutlichen zugleich die redaktionelle Linie, die publizistische Grundhaltung der Kommunikationsträger. 16. Die Auswahlentscheidungen der Anbieter und Nachfrager von massenmedial vermittelter Kommunikation bedingen sich wechselseitig. Dieser Zusammenhang ändert aber nichts an dem Umstand, daß Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG selbständige Grundrechte normieren, die jeweils einen eigenständigen Gewährleistungsgegenstand erfassen. 17. Alle Erscheinungsformen der Konkurrenz setzen daneben begriffsnotwendig einen ungehinderten Marktzutritt der jeweiligen Wettbewerber voraus. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt als Ausfluß der verfassungsrechtlich verbürgten geistigen Wettbewerbsfreiheit eine allumfassende Zugangsfreiheit, die in ihrer konkreten Ausgestaltung weiter reicht als die korrespondierende Zutrittsfreiheit im allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb. Die Pressefreiheit garantiert die personelle Offenheit der publizistischen Kommunikation, ohne an Art und Intensität der Wettbewerbsteilnahme besondere Anforderungen zu stellen. Sie schützt auch die berufliche Mitwirkung, macht diese aber nicht zur Bedingung einer wettbewerbliehen Freiheitsbetätigung. Alle Verhaltensweisen, die mit dem Zugang zum Markt der geistigen Freiheiten verbunden sind, fallen in den Schutzbereich des Grundrechts. Dazu zählt auch die Gründung von Presseerzeugnissen und Verlagsunternehmen. Dem Gesetzgeber ist es prinzipiell verwehrt, den Marktzutritt von der Einhaltung subjektiver oder objektiver Zulassungsvoraussetzungen abhängig zu machen. Die grundrechtlich garantierte Zugangsfreiheit erfaßt neben der Entscheidung über das Ob auch die Entscheidung über die Dauer der Wettbewerbs-

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teilnahme, so daß jeder Kommunikationsträger zu einem frei gewählten Zeitpunkt von einer weiteren wettbewerbliehen Betätigung absehen kann. 18. Der Grundsatz der Chancengleichheit muß ebenfalls zu den unabdingbaren Strukturelementen geistiger Konkurrenz gerechnet werden. Er sichert das Ent- und Fortbestehen wettbewerblieber Anpassungsprozesse, indem er einer statischen Herrschaft einzelner Konkurrenten und der daraus resultierenden Geschlossenheit des Meinungsmarktes entgegenwirkt. Die Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet grundsätzlich alle staatlichen Wettbewerbsinterventionen, welche die rechtliche Ausgangssituation einzelner Beteiligter verändern und damit die Chancenverteilung verfälschen. Unter dem Einfluß der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Wertentscheidungen wird der Staat zu einer weitgehend schematischen Gleichbehandlung der am publizistischen Konkurrenzkampf beteiligten Grundrechtsträger verpflichtet. Dies betrifft die am Meinungsmarkt bereits etablierten Kommunikationsträger, gilt aber ebenfalls für die Marktzutrittsmöglichkeiten potentieller Wettbewerber. Letztere müssen im Verhältnis zu den etablierten Anbietem, aber auch im Verhältnis zueinander die gleichen rechtlichen Ausgangsbedingungen bei der kommunikativen Betätigung erhalten. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet aber nur die rechtliche, nicht die tatsächliche Gleichstellung der Betroffenen. Individuelle Leistungsunterschiede können weder durch Restriktionen wettbewerbsimmanenter Machtvorsprünge, noch durch einen Ausgleich faktischer Schwächen nivelliert werden. 19. Der publizistische Wettbewerb setzt neben der Handlungsfreiheit der Konkurrenten zugleich deren Selbstbestimmung bei der vorangehenden Planung ihrer Wettbewerbshandlungen voraus. Die Anbieter müssen alle wettbewerbsrelevanten Entscheidungen eigenständig und unbeeinflußt von staatlichen und nichtstaatlichen Kräften treffen können. Diese freie Selbstbestimmung wird durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umfassend gesichert. Die grundrechtlich verbürgte Tendenzfreiheit schützt die Entscheidung für oder gegen eine publizistische Linie vor unmittelbaren und mittelbaren staatlichen Restriktionen. Daher darf auch nichtstaatlichen Kräften kein Einfluß auf die Entschließungsfreiheit der Wettbewerber eingeräumt werden. Daneben schützt die verfassungsrechtlich garantierte Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit die Presseschaffenden vor einer die freie Entscheidungsfmdung hemmenden Offenlegung von Redaktionsintema.

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20. Zu den Grundvoraussetzungen der geistigen Konkurrenz zählt auch die Freiheit, Wettbewerbsparameter nach eigenem Belieben festzulegen und einzusetzen. In faktischer Hinsicht bleibt es dem Ermessen der Presseschaffenden überlassen, durch welche Maßnahmen sie auf ihre Leistungen aufmerksam machen und Präferenzen schaffen wollen. Preispolitik, redaktionelle Leistung und Werbung sind charakteristische, aber nicht die einzig denkbaren Wettbewerbsmittel. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Grundrechtsträgern mit der Wettbewerbsfreiheit zugleich die Freiheit zum Gebrauch wettbewerblieber Aktionsparameter. Restriktionen ergeben sich insoweit allein aus den in Art. 5 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich positivierten Begrenzungen, können daneben aber auch unmittelbar auf der Verfassung beruhen. Die Entfaltungsfreiheit der Kommunikationsträger endet grundsätzlich dort, wo die gleiche Freiheit der Mitbewerber, die Auswahlfreiheit der Leser oder die Belange der Gemeinschaft in mißbräuchlicher Weise beeinträchtigt werden. Derartige Verhaltensweisen fallen teilweise von vornherein nicht in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Im übrigen bestimmen die Begrenzungen des Grundrechts die Schranken des Einsatzes von Wettbewerbsparametern. Von Bedeutung sind hier vor allem die Normen des BGB, des StGB und des Wettbewerbsrechts. 21. Kommunikative Leistungen sind schließlich einem Fremdeinfluß von vornherein nicht zugänglich, wenn der ihnen innewohnende Wirkungswille nicht negiert und die aus der Persönlichkeit des Äußernden resultierende Identität nicht verfälscht werden soll. Der publizistische Wettbewerb ist nur dann funktionsfähig, wenn die Presseschaffenden unbeeinflußt von staatlicher Manipulation am Meinungsmarkt agieren können. Pressefreiheit und Demokratieprinzip verpflichten den Staat zur Neutralität gegenüber allen kommunikativen Aktivitäten. Sie garantieren zugleich die Staatsunabhängigkeit der Printmedien. Daraus folgt weder ein Interventions-, noch ein Funktionsverbot Staatliche Aktivitäten, die den publizistischen Konkurrenzkampfberühren, sind nicht von vornherein unzulässig. Die Verfassung wirkt aber allen wettbewerbsverzerrenden Einwirkungen entgegen, die Inhalt und Ablauf des Kommunikationsprozesses manipulieren. Sie garantiert damit eine weitgehend herrschaftsfreie Koordination der in einer pluralistischen Gemeinschaft notwendigerweise divergierenden Kommunikationsbedürfnisse. 22. Die aufgezeigten verfassungsrechtlich verbürgten Strukturelemente der geistigen Konkurrenz können nicht im Wege der Verfassungsinterpretation zu einer verbindlichen Entscheidung für ein bestimmtes Strukturmodell

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und damit letztlich zu einer Systemgarantie für den publizistischen W ettbewerb der Printmedien verdichtet werden. Einer derartigen Systemformierung steht neben dem historischen Willen des Verfassungsgebers vor allem der freiheitliche Charakter der Grundrechte und die normierende Kraft des Grundgesetzes entgegen. Letzteres enthält sich jeder einseitig fixierten Grundentscheidung für ein ordnungspolitisch geschlossenes System. 23. Diese Zurückhaltung kann aber nicht als Indifferenz gedeutet werden, da den verfassungsrechtlich gesicherten fundamentalen Strukturelementen der geistigen Konkurrenz eine begrenzte ordnungspolitische Fixierung entnommen werden kann. Sie begründen verfassungsrechtliche Determinanten für eine wettbewerbliehe Grundordnung, deren Vorgaben bei allen wettbewerbsbezogenen staatlichen Aktivitäten beachtet werden müssen. Diese strukturellen Eckpfeiler begrenzen vor allem den Handlungsspielraum des Gesetzgebers im Gegensatz zur offenen Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes in einem weitergehenden Umfang, da die Verfassung der geistigen Betätigung einen anderen Stellenwert beimißt als dem wirtschaftlichen Handeln. Im Geistesleben besitzt das physiokratische laissez-faire, laissez-aller noch seine volle Daseinsberechtigung. 24. Für die Aktualisierung der verfassungsrechtlich vorgegebenen ordnungspolitischen Fixierungen sind die Dimensionen der Pressefreiheit von Bedeutung. Das Grundrecht verbürgt in erster Linie ein subjektives Freiheitsrecht mit Abwehrcharakter. Die Kommunikationsträger können sich daher gegen alle Interventionen der öffentlichen Gewalt wehren, welche ihre wettbewerbsorientierten Aktivitäten in verfassungswidriger Weise reglementieren. Daneben besitzt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zugleich eine objektivrechtliche Seite, die bei diesem Grundrecht mit den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten institutionellen Inhalten gleichgesetzt werden muß. Die aus der objektiv-rechtlichen Dimension resultierenden Direktiven für Gesetzgeber und Gesetzesanwender entfalten im Verhältnis der Kommunikationsträger zum Staat, aber auch im Verhältnis der Privatpersonen zueinander Wirkung. Mittelbare Drittwirkung, staatlicher Schutzauftrag und staatliche Funktionsverantwortung verschaffen den verfassungsrechtlich verbürgten Strukturelementen der geistigen Konkurrenz ein zusätzliches Gewicht in der gesamten Rechtsordnung und begünstigen auf diese Weise das Entstehen eines freiheitlichen publizistischen Wettbewerbs.

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