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German Pages 216 [218] Year 2007
Beitrge zur Dialogforschung
Band 35
Herausgegeben von Franz Hundsnurscher und Edda Weigand
Stefanie Schnçring
Kommunikation im Spiegel der Unternehmenskultur Dialogisches Handeln und unternehmerische Zwecke
Max Niemeyer Verlag T+bingen 2007
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet +ber http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-75035-7
ISSN 0940-5992
7 Max Niemeyer Verlag, T+bingen 2007 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich gesch+tzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere f+r Vervielfltigungen, >bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbestndigem Papier. Satz: Johanna Boy, Brennberg Druck und Einband: AZ Druck und Datentechnik, Kempten
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Vorwort
„Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?“ „Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest.“ (Zitat aus: Lewis Carroll, Alice im Wunderland)
Die vorliegende Arbeit, die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2005/06 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster angenommen wurde, steht am Ende eines Weges, der nicht immer eben und überschaubar war, sondern durchaus die ein oder andere Steigung und Kurve aufwies, auf den ich jetzt aber dankbar und glücklich zurückblicke. Am Anfang stand die Entscheidung, ein Thema, das mir schon in meinem Studium sehr am Herzen lag, noch weiter- und tiefergehend zu bearbeiten. Nachdem ich mich in meiner Magisterarbeit mit unterschiedlichen Medien der Personalwerbung, und somit mit offiziellen Verlautbarungen der Unternehmenskommunikation auseinander gesetzt hatte, lag eine noch größere Herausforderung darin, die dialogische Interaktion im Unternehmensalltag genauer unter die Lupe zu nehmen. Jedoch wollte ich nicht jede Form von Kommunikation am Arbeitsplatz untersuchen, sondern den Fokus auf solche Formen und Inhalte richten, die entscheidende unternehmerische Zwecke und Aufgaben widerspiegeln. Da zudem von Anfang an geplant war, authentische Gespräche einzubeziehen, wurden die Probleme dieses Unterfangens sehr schnell deutlich. Neben der intensiven Einarbeitung in betriebswirtschaftliche Themenstellungen galt es Unternehmen zu finden, die einer Beobachtung, Aufzeichnung und Analyse ihrer Kommunikation zustimmten. Dass ich relativ schnell fündig wurde und mit zwei Unternehmen, einem deutschen Handelskonzern und einem mittelständischen Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, kooperieren konnte, stellte einen wesentlichen Schritt auf meinem Weg dar. Ich bin der Geschäftsführung dieser Unternehmen zu großem Dank verpflichtet, nicht nur für die Bewilligung der Aufzeichnung unterschiedlicher Besprechungen, sondern auch für viele wertvolle Hinweise aus dem eigenen Erfahrungsschatz. Doch was helfen Mengen an Sprachmaterial, wenn dieses nicht in einem übergeordneten theoretischen Rahmen verortet werden kann. Ich konnte hier auf die Theorie des Sprachgebrauchs zurückgreifen, die meine Betreuerin Frau Prof. Dr. Edda Weigand in den letzten Jahren immer weiter fortentwickelt hat. In vielen Gesprächen und produktiven Diskussionen hat mir Frau Prof. Dr. Edda Weigand immer wieder die Augen für Möglichkeiten wie Hindernisse auf meinem Weg geöffnet. Für die Jahre der intensiven und hilfreichen Zusammenarbeit möchte ich mich herzlich bedanken. Mein Dank gilt ferner meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt, der als konstruktivistischer Vordenker zu wesentlichen Erkenntnissen verholfen hat.
VI Viele Menschen sind mir auf meinem Weg begegnet und haben mich begleitet. Ihnen habe ich zu verdanken, dass ich immer wieder neue Energie gewonnen und eine Perspektive gesehen habe. Besonders geduldig und stets motivierend stand mir meine Weggefährtin aus Studienzeiten, Frau Marieluise Leonhardt, zur Seite. Mit Frau Dr. Yvonne Luft und Frau Dr. Verena Vogel konnte ich weit mehr als Erfolgs- und Leidensdruck der Promovierenden teilen. Das Oberseminar am Arbeitsbereich Sprachwissenschaft, allen voran Frau Didem Ozan und Herr Dr. Jörn Bollow, hat mich stets mit hilfreichen Anregungen und fachkundiger Kritik unterstützt. Der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster verdanke ich nicht nur eine unvergessliche Studien- und Promotionszeit, sondern auch ein Abschlussstipendium, das mir die letzte Wegstrecke erheblich erleichtert hat. Diese Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die Liebe und Unterstützung meiner Familie. Ohne ihr Vertrauen und ihre Geduld hätte ich diesen Weg nicht bewältigen können. Ein Mensch, der immer an mich geglaubt hat und der mit seinem Tatendrang und seinem Optimismus stets mein größtes Vorbild gewesen ist, hat leider nur den Anfang miterleben dürfen. Er war mir aber die ganze Zeit nahe, und so widme ich diese Arbeit meinem Vater Roland Schnöring.
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Inhaltsverzeichnis
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.1 Wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Exkurs Ratgeberliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.2 Kommunikationswissenschaftliche und soziologische Perspektiven . . . . . . . . 14 2.3 Linguistische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3 Allgemeine theoretische Grundlegung: Das Modell des dialogischen Handlungsspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ausgangspunkt: Eine Herausforderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Menschliche Interaktion und Kommunikation als Forschungsgegenstand . . . 3.2.1 Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Prinzipien der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Implikationen für die Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
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30 30 32 32 36 40
Theoretische Grundlegung der Kommunikation in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 43 4.1 Unternehmen in unserer Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4.2 Unternehmenskultur als Orientierungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2.1 Positionierung und Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4.2.2 Strukturen und Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.2.2 Menschen im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.3 Zwischenfazit: Leitlinien für das Handeln von und in Unternehmen . . . . . . . 70 4.4 Typen von dialogischen Handlungsspielen in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 72 4.4.1 Repräsentative Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.4.1.1 Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4.4.1.2 Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.4.1.3 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.4.2 Direktive Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.4.2.1 Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4.4.2.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4.4.2.3 Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.4.3 Explorative Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4.4.3.1 Erkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
VIII 4.4.3.2 Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.4.3.3 Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.4.4 Deklarative Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.5 Fazit: Erste Leitlinien für effektive Kommunikation in Unternehmen . . . . . . 113 5
Kommunikative Praxis in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.1 Die Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5.1.1 Hafe: Produkte fürs Auto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.1.2 Schick: Handel mit Schmuck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.2 Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.3 Analyse eines Gesprächs zur Entscheidungsfindung: Das ist ‘ne Entscheidung, die wir hier treffen müssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5.3.1 Anlass und Gesprächsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5.3.2 Dialogische Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5.3.2.1 Argumentation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5.3.2.2 Argumentation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5.3.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 5.4 Analyse eines Gesprächs zur Entscheidungslegitimation und Planung: Wir werden also konsequent aus betriebswirtschaftlichen Gründen aufzeigen, ob es Sinn macht oder nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5.4.1 Anlass und Gesprächsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.4.2 Dialogische Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.4.2.1 Von der Information zur Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.4.2.2 Von der Argumentation zur Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.4.2.3 Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5.4.2.4 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.4.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5.5 Analyse eines Gesprächs zur Optimierung der internen Koordination: Ich hab dann aber auch nicht lange lamentiert, sondern habe über die Lösung gesprochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.5.1 Anlass und Gesprächsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.5.2 Dialogische Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5.5.2.1 Von der Information zur Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5.5.2.2 Von der Information zur Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.5.2.3 Zwischen Argumentation und Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 5.5.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5.6 Analyse eines Gesprächs zur Überprüfung der internen Koordination: Gibt’s sonst noch was in den Projekten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
IX 5.6.1 Anlass und Gesprächsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5.6.2 Dialogische Handlungsspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.6.2.1 Erkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 5.6.2.2 Von der Überprüfung zur Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 5.6.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 5.7 Zusammenfassung der Analyseergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6
Schlussbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
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Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
X
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Einleitung
Entscheidungen treffen, Ziele und Mittel abwägen, den richtigen Weg finden – dies sind Herausforderungen, die sich für den Menschen als Individuum wie für die verschiedenen Gruppen und Institutionen in unserer Gesellschaft immer wieder aufs Neue stellen. Dabei sind wir in den verschiedenen Lebenslagen und Handlungsbereichen mit stetig zunehmender Komplexität konfrontiert: Entscheidungen in einem Bereich haben Auswirkungen auf andere, kaum jemand kann und will alleine entscheiden und isoliert handeln. Und so wächst die Bedeutung von Interaktion und Kommunikation unaufhaltsam. Niemand weiß das besser als der Manager oder Unternehmer, der gängigen Studien zufolge bis zu 90 Prozent seiner Zeit mit kommunikativen Tätigkeiten verbringt (vgl. Steinmann/Schreyögg 2000: 13). In dem Bewusstsein, dass die kommunikative Handlungskompetenz somit maßgeblichen Anteil am Erfolg seines Handelns hat, studiert er möglicherweise Kommunikationsratgeber oder besucht Kommunikationstrainings. Doch während er hier zumeist lernt, dass neben der Sachdimension die soziale Dimension bei jeder Sprechhandlung berücksichtigt werden sollte,1 stellt sich ihm zuallererst die Frage, wie die Kommunikation in seinem Unternehmen so zu gestalten ist, dass die komplexen Aufgaben und Ziele in diesem spezifischen Handlungsbereich erfolgreich bewältigt werden. Sein Wissen um ökonomische Zusammenhänge kann und sollte er in diesem Zusammenhang ebenso wenig ausblenden wie die konkreten Rahmenbedingungen, die er in seiner Organisation vorfindet. Diesen Komplex im Ganzen zu betrachten, ihn weitestgehend zu strukturieren, zu systematisieren und die wesentlichen Wechselwirkungen zu fokussieren, ist eine gleichermaßen anspruchsvolle wie lohnende Aufgabe. Denn erst vor diesem Hintergrund erscheint eine Bewertung und ggf. eine Optimierung der Kommunikation in einem Unternehmen wie auch der kommunikativen Handlungskompetenz eines Managers Erfolg versprechend. Dies ist eine grundlegende Annahme der vorliegenden Arbeit, die wesentliche Parameter identifizieren will, die das allgemeine wie das kommunikativ-dialogische Handeln in Unternehmen prägen. Darauf aufbauend können die Zwecke und Funktionen dialogischer Interaktion in der Institution Unternehmen adäquat dargestellt und authentische Kommunikation analysiert werden. Dazu sind Prämissen und Methoden erforderlich, die der Komplexität des Gegenstands gerecht werden. Auch wenn der Fokus im Folgenden auf Sprache und Kommunikation
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Diese Vorstellung – wenn hier auch überspitzt – bildet nach wie vor einen beliebten Ausgangspunkt für die populärwissenschaftliche Ratgeberliteratur sowie Kommunikationstrainings (vgl. auch den Exkurs im Rahmen des Forschungsüberblicks).
2 gerichtet wird, gilt es zu berücksichtigen, dass kommunikatives Handeln nicht in einem Vakuum stattfindet. Es ist vielmehr eingebettet in einen größeren kulturellen Zusammenhang, in diesem Fall die Institution des Unternehmens, und ohne ein Verständnis für dieses komplexe Ganze ist es nicht möglich, den Stellenwert dialogischer Interaktion zu begreifen. Um dem Rechnung zu tragen, sollen gleich zu Beginn, im Rahmen des Forschungsüberblicks, Vertreter unterschiedlicher Disziplinen zu Wort kommen. Die Ausführungen in Kapitel 2 dienen zum einen dazu, disziplinäre Abgrenzungs- sowie Verbindungslinien im Hinblick auf den Gegenstand Kommunikation in Unternehmen aufzuzeigen, mit dem sich neben der Linguistik vor allem die Wirtschaftswissenschaften und die Kommunikationswissenschaften auseinandersetzen. Zum anderen wird es in Kapitel 2 auch schon um die Frage gehen, wie sich das Verhältnis von Theorie und Empirie gestaltet. Denn auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass sich ein theoretischer Idealzustand eins zu eins in der Praxis wiederfindet, sollten sich doch Theorie und Praxis aneinander orientieren und so gegenseitig befruchten. Damit ist die Überleitung zu den für diese Arbeit zentralen Kapiteln 3 und 4 vollzogen. Die allgemein gehaltenen Überlegungen zum kommunikativen Handlungscharakter in Kapitel 3 führen hin zum Gegenstand dieser Arbeit, der dialogischen Interaktion in Unternehmen. Um den Rahmen abzustecken, werden in den Kapiteln 4.1 bis 4.3 zunächst kulturell bedingte Kennzeichen der Institution Unternehmen und Implikationen für das Handeln von und in Unternehmen skizziert. Dabei kommt ein Konzept der Unternehmenskultur zum Tragen, das typisch ökonomische Dimensionen wie Strategien und Strukturen ebenso berücksichtigt wie die Rolle des Menschen im Unternehmen. Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis für die Herausforderungen zu gewinnen, vor denen ein Unternehmen bzw. seine Funktionsträger stehen. Diese Einblicke werden anschließend für die Beschreibung verschiedener dialogischer Handlungsspiele benötigt. Ein Hauptziel der Arbeit besteht darin, die wesentlichen Typen kommunikativen Handelns in Unternehmen hinsichtlich ihrer Funktionen und Strukturen zu erklären (Kap. 4.4). Es handelt sich dabei nicht um eine abgeschlossene Typologie, sondern eine erste grundlegende Systematisierung, die offen ist für Ergänzungen und Konkretisierungen in zukünftigen Forschungsarbeiten. Gleichwohl wird der Anspruch erhoben, dass die Kategorien von dialogischen Handlungsspielen in Kapitel 4.4 die zentralen Zwecke und Aufgaben betrieblichen Handelns widerspiegeln. Nachdem der Fokus auf dialogische Interaktion, auf Handeln mittels Sprache, gerichtet wurde, weitet sich der Blick in Kapitel 4.5 zu einer Zusammenführung der vorgestellten Grundlagen. Nachdem ein umfassenderes Verständnis für den komplexen Gegenstandsbereich geschaffen wurde, ist es nun möglich, einen Schritt weiterzugehen und die Frage zu stellen, was in Bezug auf Kommunikation in Unternehmen als Maßstab für Effektivität anzusetzen ist. Diese Frage ist weder pauschal noch ohne individuelle Bewertungen zu
3 beantworten; es lassen sich jedoch Kriterien aufzeigen, die sowohl theoretisch fundiert als auch praktisch relevant sind. Die kommunikative Praxis ist dann Gegenstand der Analysen in Kapitel 5. Die Gespräche, die in zwei Unternehmen aufgezeichnet wurden, bilden eine umfassende Materialbasis für eine erste Überprüfung der entwickelten Systematik dialogischer Handlungsspiele. Im Rahmen der Analyse werden konkrete kommunikative Handlungen genauer untersucht und auf institutionelle wie individuelle Zwecke und Interessen zurückgeführt. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Im Zentrum dialogischer Handlungsspiele stehen die unterschiedlichen, interagierenden Menschen. Die Position des Wissenschaftlers kann daher immer nur die eines Beobachters sein. Gleichwohl spricht dies nicht per se für Praxisferne, da die Kriterien und Orientierungsprinzipien aus dem Gegenstand selbst entwickelt wurden.
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Forschungsüberblick
Der Forschungsbereich Kommunikation in Unternehmen liegt im Schnittfeld verschiedener Disziplinen. Entsprechend vielfältig sind die Interessen, Schwerpunkte und Methoden. Schon der Umgang mit Begriffen offenbart Differenzen und führt nicht selten zu Irritationen: Sind Termini wie ‚Unternehmenskommunikation‘, ‘Organizational Discourse’ und ‘Corporate Communication’ synonym? Ist ‚Mitarbeiterkommunikation‘ gleichzusetzen mit ‚Interner Kommunikation‘? Die Differenzierung von interner und externer Kommunikation kann als eine erste grobe Leitlinie gelten. Formen der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen, wie Werbung und PR, sind nicht Gegenstand dieser Arbeit und werden daher auch im Forschungsüberblick nicht weiter thematisiert.1 Demgegenüber umfasst die interne Unternehmenskommunikation „sämtliche kommunikativen Prozesse, die sich in einem Unternehmen zwischen dessen Mitgliedern abspielen“ (Mast 2002: 243). Diese allgemeine Definition soll als eine erste Annäherung genügen. M.E. ist sie vorteilhaft von solchen Erläuterungen abzugrenzen, die durch die Verwendung von Begriffen wie ‚Anspruchsgruppe‘ oder ‚Zielgruppe‘ suggerieren, dass es sich bei Formen der internen Kommunikation ausschließlich um geplante Kommunikationsmaßnahmen handelt, die zur Information der Mitarbeiter im Unternehmen genutzt werden. Diesen Eindruck vermitteln neben der populären Ratgeberliteratur auch eine Reihe von praxisnahen Abhandlungen, in denen unter Erscheinungsformen und Maßnahmen der Mitarbeiterkommunikation u. a. Mitarbeiterzeitschriften, Rundbriefe etc. erscheinen (vgl. Klöfer/Nies 2003). Ich spreche im Rahmen dieser Arbeit bewusst von Kommunikation in Unternehmen und nicht von Unternehmenskommunikation, um nicht dem Missverständnis Vorschub zu leisten, dass offizielle und institutionalisierte Formen der Kommunikation mit Mitarbeitern zur Diskussion stehen. Es geht hier also nicht um einzelne Kommunikationsinstrumente, sondern vielmehr um verschiedene Kommunikationshandlungen in einem Unternehmen.2 Auch wenn diese Annahme der linguistischen Ausrichtung der Arbeit geschuldet ist, korrespondiert sie durchaus mit Ansätzen wirtschaftswissenschaftlicher, soziologischer oder kommunikationswissenschaftlicher Provenienz, auf die im Folgenden zunächst der Fokus gerichtet werden
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Einen umfassenden Beitrag zur Unternehmenskommunikation mit Schwerpunkt auf ihren externen Formen stellt die kommunikationswissenschaftliche Arbeit von Derieth (1995) dar. Aus den zahlreichen Beiträgen zum Marketing sei Bruhn (1995) hervorgehoben, der ein Konzept ‚Integrierte Unternehmenskommunikation‘ vorstellt, das die Integration der Kommunikationsmaßnahmen und der unterschiedlichen Anspruchsgruppen zum Ziel hat. Vgl. zum handlungstheoretischen Kommunikationsverständnis, das dieser Arbeit zugrunde liegt, die Ausführungen in der theoretischen Grundlegung.
5 soll. Die vorgestellten Ansätze und Modelle sind dabei als eine Auswahl zu verstehen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann in einem derartig produktiven Bereich nicht erhoben werden.3 Vielmehr soll gezeigt werden, wo Unterschiede liegen, wo aber auch Gemeinsamkeiten und fächerübergreifende Verbindungslinien existieren.
2.1
Wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven
Handeln in Unternehmen stellt die originäre Forschungsdomäne der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Betriebswirtschaftslehre, dar. Gleichwohl wurde der Kommunikation dort erst in den letzten Jahren ihr heute herausragender Stellenwert zuteil. Inzwischen spricht man von Kommunikation als einer zentralen Ressource, einem Erfolgsfaktor oder gar ‚Werttreiber‘ (vgl. Hubbard 2004). Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Interaktion mit Kunden oder anderen externen Anspruchsgruppen. Auch bei den eigenen und potentiellen Mitarbeitern wird Kommunikationsfähigkeit als eine ‚Schlüsselkompetenz‘ vorausgesetzt (vgl. Stangel-Meseke 1994). Der phrasenhafte Gebrauch dieser Schlagworte erweckt den Eindruck, dass es sich eher um Modeerscheinungen als um wissenschaftlich fundierte Konzepte handelt. Sicherlich täte man ihr Unrecht, würde man einer ganzen Disziplin eine unreflektierte Begriffsverwendung vorwerfen. Gleichwohl basieren viele wirtschaftswissenschaftliche Ansätze noch immer auf dem recht simplen, linearen Sender-Empfänger-Modell, demzufolge Kommunikation einem Transmissionsvorgang gleichkommt.4 Kritik an dieser Vorstellung wurde bereits hinreichend geäußert (vgl. Hahne 1998). Im Folgenden gilt es vielmehr, einerseits einen Überblick über die unterschiedlichen Forschungsbereiche zu geben, die sich innerhalb der Wirtschaftswissenschaften mit Kommunikation auseinandersetzen, andererseits innerhalb dieser Bereiche solche Ansätze zu identifizieren, die Anschlussmöglichkeiten für die Linguistik bieten. Als Wegbereiter für die Debatte um die Interaktion in Organisationen5 können Richard Cyert, James March und Herbert Simon gelten, die im Rahmen eines verhaltens-
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Mittlerweile gibt es eine Reihe von überblicksartigen Darstellungen (vgl. Brünner 2000, Hahne 1998). Jedoch können auch sie nie mehr als einen Momentausschnitt bieten. Gleiches gilt für Bibliographien wie die von Pogarell (1988), die mittlerweile als überholt gelten dürfte. Dieses Modell geht auf das mathematisch-technische Kommunikationskonzept von Shannon/ Weaver (1949) zurück. Ich benutze die Begriffe ‚Unternehmen/Unternehmung‘ und ‚Organisation‘ weitgehend synonym, wobei eine Unternehmung eine Organisation darstellt, die wirtschaftlichen Prinzipien verpflichtet ist (vgl. dazu auch Kap. 4.1).
6 wissenschaftlichen Paradigmas erste Impulse zu einer modernen Theorie der Unternehmung lieferten (vgl. Schoppe et. al 1995).6 Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz ist als eine Alternative zur bis dahin vorherrschenden neoklassischen Theorie zu betrachten, die Wirtschaftssubjekten ein ausschließlich rationales Nutzenmaximierungsverhalten unterstellt. Demgegenüber proklamiert Simon (1957) das Konzept der bounded rationality: Entscheidungssituationen könnten von den Akteuren nur in eingeschränktem Maße begriffen werden; bei der Entscheidungsfindung begnügten sie sich mit heuristischen Methoden, weil ihnen nie alle Informationen zugänglich seien. Cyert/March (1963) bestimmen in Abkehr von neoklassischen Prämissen eine Unternehmung als Koalition aus Individuen, in der unter Unsicherheit Ziele definiert, Konflikte gelöst und unternehmerische Entscheidungen getroffen werden. Die Organisationsziele werden als Resultat eines Prozesses betrachtet, in dem die Organisationsmitglieder auf Basis ihrer verschiedenen Ziele gemeinsam Ziele für die Organisation aushandeln (vgl. Berger/Bernhard-Mehlich 1999: 145). Hier wird der direkte Zusammenhang zum Thema der vorliegenden Arbeit deutlich, denn das Aushandeln von Zielen ist zweifellos eine Form kommunikativer Interaktion. Auch wenn der Fokus in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zumeist auf die kognitive Handlung des Entscheidens gerichtet wird, würdigen bereits Cyert/March (1963: 30) den Kommunikationsprozess, wenn sie konstatieren: “It is primarily through bargaining [kursiv; S.S.] within this active group that what we call organizational objectives arise”.7 Die verhaltenswissenschaftlichen Annahmen hatten vor allem Einfluss auf die Organisationsforschung als einen Bereich, der sich mit der organisationsstrukturellen Dimension von Unternehmungen beschäftigt.8 Organisieren wird im klassischen Sinne als „strukturierende Gestaltung“ (Kosiol 1962: 20) des Aufbaus und der Abläufe in einem Unternehmen verstanden.9 In dieser Konzeption spielt Kommunikation noch eine untergeordnete Rolle und wird vielfach auf den Austausch von Informationen reduziert. Eine verhaltenswissenschaftlich inspirierte Perspektive, die wie Schoppe et al. (1995: 236) Organisationen als „zielorientierte soziale Gebilde“ oder auch als „kollektive Denk- und Handlungssysteme“ begreift, weist mit Aussagen wie “language is organization and organization is language” (Westwood/Linstead 2001: 16) Sprache und Kommunikation dagegen eine zentrale Bedeutung im Organisationsgeschehen zu. Diese organisationswissenschaftliche Ausrichtung
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Vgl. vor allem das Standardwerk A Behavioural Theory of the Firm von Cyert/March (1963). Und so gilt für aktuelle Entwicklungen in der Entscheidungsforschung, dass das Hauptanwendungsfeld entscheidungstheoretischer Erkenntnisse heute weniger die Entscheidung an sich ist, sondern vielmehr die Gestaltung von Informationsgewinnungsprozessen mit ihren sozialen und organisatorischen Rahmenbedingungen (vgl. Hahne 1998: 59). Vgl. Kosiol (1962) als Klassiker der Organisationsforschung, ferner für einen Überblick Frese (1998). Vgl. dazu auch die Erläuterung zu Organisationsformen in Kap. 4.2.2.
7 unterscheidet sich fundamental von der klassischen Konzeption, die – sofern sie überhaupt Fragen der Kommunikation thematisiert – Gestaltungsempfehlungen beabsichtigt. Demgegenüber gelangte das Spannungsfeld von Gestaltungsmöglichkeiten und Selbstentwicklung einer Organisation in den letzten Jahren immer mehr ins Blickfeld. Die Modellierung eines Unternehmens als soziales System erweitert das Spektrum an Fragestellungen erheblich. Es geht nicht mehr ausschließlich um die Makroperspektive (Wie lassen sich neue Organisationsformen beschreiben? Wie ist der Wandel einer Organisation zu erklären?), sondern verstärkt um die Interaktion der Organisationsmitglieder. Die enge Verbindung zu anderen sozialwissenschaftlichen Paradigmen fördert interdisziplinäre Projekte, für die eine Kombination unterschiedlicher Theorien und Methoden kennzeichnend ist.10 Auf grundlegende soziologische und kommunikationswissenschaftliche Ansätze wird an späterer Stelle zurückzukommen sein; im Kontext der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ist Folgendes hervorzuheben: Es stellt einen wesentlichen Fortschritt in der Theoriebildung dar, dass das traditionelle Verständnis, demzufolge Organisieren der Gestaltung eines Steuerungsinstrumentariums gleichkommt, zugunsten eines Paradigmas abgelöst wird, das die Komplexität des Phänomens anerkennt. So konstatiert Broekstra (1998: 154): “A holistic approach is required that pays heed to the integrity and self-asserting tendencies of the whole system of organization”. Die Erkenntnis, dass eine Organisation ein komplexes System darstellt, darf jedoch nicht dazu führen, dass unterschiedliche Phänomene gleichgesetzt werden: Organisieren ist nicht identisch mit Kommunizieren, und eine Organisation konstituiert sich nicht ausschließlich aus kommunikativen Handlungen. Schlussendlich unterliegen die Ansätze der Gefahr, dass Begriffe nicht mehr trennscharf definiert und verwendet werden, was m. E. nicht zielführend ist, wenn es darum geht, das Verhältnis von Organisation und Kommunikation zu klären. Neben der Organisationsforschung stellt die Managementforschung ein weiteres wirtschaftswissenschaftliches Forschungsgebiet dar, in dem Kommunikation in Unternehmen zum Thema gemacht wird. Als eine Querschnittsfunktion befasst sich die Managementwissenschaft mit Fragen der Unternehmensführung sowie der Personalführung, wobei sie ebenfalls auf verhaltenswissenschaftliche und systemtheoretische sowie verstärkt auf evolutorische Modelle rekurriert.11 Angesichts der Fülle an Publikationen, die Kommunikation
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In diesem Kontext ist auch eine verstärkte Annäherung zwischen Organisationswissenschaftlern und Linguisten festzustellen, wie gemeinsame Tagungen (vgl. die Tagung Communication in Organizations in Mannheim im Jahre 2001) sowie Publikationen belegen (vgl. Müller/Kieser 2003). Für eine Darstellung aktueller theoretischer Managementforschung sowie praktischer Mangementkonzepte vgl. Gerhard (1997). Als Standardwerke seien ferner Steinmann/Schreyögg (2000) sowie Staehle (1999) genannt. Da auf grundlegende Fragestellungen des Managements im Rahmen der theoretischen Grundlegung ausführlicher eingegangen wird, möchte ich von einer entsprechenden Diskussion an dieser Stelle absehen.
8 nur am Rande behandeln, erscheint eine Konzentration auf diejenigen Ansätze sinnvoll, die hier ihren Schwerpunkt haben und entsprechend auch sprachtheoretische Überlegungen evozieren. Bei den vier im Folgenden vorgestellten Konzepten handelt es sich um die in meinen Augen theoretisch fundiertesten Analysen aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich, die weit über einfache Kommunikationsmodelle hinausgehen und als Wegbereiter für einen interdisziplinären Diskurs gelten können. Im Rahmen seiner Beiträge zu einer ‚Angewandten Führungslehre‘, in deren Zentrum die Frage nach dem Umgang mit Komplexität steht, vergleicht Kirsch (1997, 2001) seine Theorie der Entscheidungsprozesse mit der Theorie des kommunikativen Handelns nach Habermas, um „das Potential der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ für die Betrachtung von Entscheidungsprozessen zu nutzen“ (1997: 43). Ausgangspunkt bildet die Habermas’sche Differenzierung von ‚strategischem‘ (erfolgsorientiertem) Handeln auf der einen Seite und ‚kommunikativem‘ (verständigungsorientiertem) Handeln auf der anderen Seite. Kirsch bemängelt diese strikte Dichotomie und stellt dahinterliegende Annahmen in Frage. So moniert Kirsch (ebd.: 109) m. E. zu Recht, „daß Habermas möglicherweise [...] vorschnell Sprechhandlungen in allererster Linie in ihrer koordinationswirksamen Funktion betrachtet“ und erfolgsorientierte Interaktion für Habermas nicht Bestandteil des kommunikativen Handelns ist. Betrachtet man allerdings den Sprachgebrauch in alltäglichen wie auch in institutionellen Kontexten, wird deutlich, dass hinter den kommunikativen Ansprüchen menschliche Interessen stehen, die den Geltungsansprüchen der Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit häufig zuwiderlaufen und eben jene von Habermas ausgeschlossene Erfolgsorientierung aufweisen.12 Kirsch bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf Habermas, er bedient sich darüber hinaus einer Reihe weiterer Konzepte aus den Sozialwissenschaften und der (Sprach-)Philosophie. So beruft er sich z. B. auf Wittgensteins Sprachspielkonzept, wenn er den Kontextpluralismus als zentrale Herausforderung für eine moderne Führungslehre benennt. Anknüpfend an Kirsch begreift Ulrich (1993: VI) Managementsysteme als Konstrukte, die „in Sprachstrukturen eingebettet [sind], die deren handlungs- und wahrnehmungsorientierende Kraft begründen“. Das Spannungsfeld zwischen Grundlagenforschung einerseits und praxisorientierter Aktionsforschung andererseits zeichne sich durch unterschiedliche Lebens- und Sprachformen aus, woraus häufig Übersetzungsprobleme resultierten (vgl. ebd.: 44). Zur Beschreibung unterschiedlicher Sprachspiele und -formen rekurriert Ulrich auf das Modell einer generativen Grammatik, wie es von Chomsky (1965) ausgearbeitet
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Hinzuzufügen ist, dass Habermas’ Position als philosophisch-soziologisch zu charakterisieren ist. Habermas’ Augenmerk gilt nicht Sprache im Gebrauch; er vertritt einen in vielerlei Hinsicht idealistischen Diskursbegriff. So sind z. B. auch die Sprechakte, die Habermas (1981) klassifiziert, von vornherein als ‚reine‘ Typen gedacht.
9 wurde. Neben einem Lexikon, das definierte Begriffe einer Planungssprache enthält, sowie Regeln für die Verknüpfung dieser Begriffe, hält Ulrich (1993: 129) Heuristiken für angebracht, „die [...] an den Lebens- und Sprachformen des Unternehmens anknüpfen“. Ulrichs Ansatz ist wie der von Kirsch in weiten Teilen als eine metatheoretische Reflexion zu betrachten, die von sprachlich verfassten Grundstrukturen ausgehend das Verhältnis von Managementwissenschaft und -praxis zu bestimmen versucht. Zwar betont der Autor an vielen Stellen die Anwendung in konkreten Situationen und berührt damit die genuine Fragestellung einer linguistischen Pragmatik. Wenn es aber um sprachliche Äußerungen geht, so geschieht dies im Rahmen strukturalistischer Prämissen, die m. E. für den Gegenstand Sprache im Gebrauch ungeeignet sind. Auf eine spezifische Form kommunikativen Handelns, nämlich auf Argumentationen bezieht sich von Werder (1994). Der Autor greift den entscheidungsorientierten Ansatz auf, demzufolge die primäre Funktion des Managers in der Steuerung der Unternehmensaktivitäten durch Entscheidungen besteht. Allerdings bleiben der Prozess der Begründung von Zielaussagen sowie die Generierung alternativer Maßnahmen im entscheidungstheoretischen Paradigma unberücksichtigt. Hier setzt von Werder mit seinem Konzept der ‚Argumentationsrationalität‘ an. Ziel ist die Reduzierung von Ungewissheit und Konfliktstoff durch argumentative Fundierung (vgl. ebd.: 88). Für die Erklärung von Entscheidungsvorbereitungen in Projektteams rekurriert der Autor auf eine argumentative Dialogstruktur, die auf dem Argumentationsschema von Toulmin (1958) basiert. Von Werder entwickelt darauf aufbauend einen umfangreichen Kriterienkatalog zur Rationalitätsmessung, der sich an der Tiefe von Begründungen, ihrer Stichhaltigkeit etc. orientiert. Mit Argumentationen wird ein Typ von Diskursen fokussiert, auf den ich im Verlauf meiner Arbeit noch zurückkommen werde. Daher soll an dieser Stelle keine kritische Diskussion einzelner Annahmen erfolgen. Zu Argumentationen in Managementteams liegen meines Wissens noch keine linguistischen Arbeiten vor, eine weitergehende linguistische Perspektivierung wäre hier wünschenswert. Ähnlich wie von Werder versteht Niedermaier (1998) Management als Argumentationsfeld aus einer Vielzahl von Diskursarten. Er richtet den Fokus allerdings nicht auf die Struktur von Argumentationen, sondern auf Diskursarten, die für ein Unternehmen ‚strategische Bedeutung‘ besitzen.13 Wie Kirsch bemängelt auch Niedermaier (ebd.: 71), das dem Habermas’schen Ansatz inhärente Konsens-Ideal stelle keinen geeigneten Ausgangspunkt für die Untersuchung authentischer Interaktion und Kommunikation dar. Dabei komme vor
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Strategien erfüllen nach Niedermaier (1998: 8) folgende Merkmale: Es sind lebensweltliche Handlungsorientierungen mit dem Charakter von Prinzipien; den Prinzipien wird ein politischer Wille attribuiert; die Prinzipien betreffen die Fähigkeiten des Unternehmens; bei den Beteiligten liegt ein gemeinsames Wissen über die zuvor genannten Voraussetzungen vor.
10 allem die politische Dimension des Handelns in Organisationen zu kurz. In Anlehnung an Toulmin (1958), Lyotard (1983/1987) und Wittgenstein (1958/1967) entwickelt er einen Diskursbegriff, für den nicht primär die Ziele des jeweiligen Diskurses, sondern vielmehr die ihm zugrunde liegenden Regelwerke14 ausschlaggebend sind. Bei der Differenzierung von drei Diskurstypen spielt die inhaltlich-thematische Dimension daher zunächst keine Rolle. Entscheidend ist das formale Kriterium, demzufolge Diskurse entweder auf bekannten Regeln basieren (‚Effizienzdiskurse‘) oder neue Regelwerke einführen (‚Innovationsdiskurse‘).15 Einen dritten Typ repräsentiert der ‚Legitimationsdiskurs‘, der im Prozess, z. B. zur Stützung eines Effizienzdiskurses, zum Einsatz kommen kann.16 Diskurse stehen in enger Verbindung zu Strategien, da Niedermaier (ebd.: 217) sie ebenfalls als „Handlungsorientierungen“ charakterisiert. Weiterhin differenziert Niedermaier ‚Episoden‘, die unterschiedliche Phasen eines Diskurses zusammenfassen, wobei das Ziel bzw. der Zweck das entscheidende Definitionsmerkmal darstellt. Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird sich noch zeigen, dass es Anschlussmöglichkeiten an eine Modellierung dialogischer Handlungsspiele in Unternehmen gibt, die u. a. mit der Kategorie des Zwecks zusammenhängen. Im Ganzen stellt die Arbeit von Niedermaier eine gelungene Synthese unterschiedlicher Perspektiven auf das organisationale Geschehen dar. Mit seiner Herangehensweise erfasst der Autor allerdings keine konkreten sprachlichen Handlungen. Dies ist wiederum eine Aufgabe für die linguistische Forschung. Anders als in den vier vorgestellten Konzepten, in deren Zentrum sprachtheoretische Überlegungen stehen, geht es in den meisten Arbeiten aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften bzw. der Managementforschung um eine Funktionalisierung von Kommunikation vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen in der Unternehmensführung. Ein Beispiel stellt die Dissertation von Mohr (1997) dar, deren Fragestellung lautet: Wie ist unternehmensinterne Kommunikation zu gestalten, damit sie den Erfolg von Veränderungsprozessen erhöht?17 Im Rahmen einer ersten Annäherung an das Phänomen Kommunikati-
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Der Regelbegriff ist für Niedermaier von zentraler Bedeutung. Er geht davon aus, dass den Prozessen in Organisationen Regeln zugrunde liegen, die situationsübergreifend und intersubjektiv Geltung haben. In Anlehnung an Wittgenstein will er Regeln als ‚Wegweiser‘ verstanden wissen, die interaktiv konstituiert werden (vgl. Niedermaier 1998: 123ff.). Planungs- und Rationalisierungsgespräche sind demnach Effizienzdiskursen zuzuordnen, die Explorationsphase in Strategieentwicklungsgesprächen stellt dagegen einen Innovationsdiskurs dar. Zu weiteren Differenzierungen von Diskurstypen vgl. Watson (1995), der im Rahmen einer empirischen Studie den discourse of empowerment, skills and growth und den discourse of control, jobs and costs ableitet sowie McCloskey (1983), der den offiziellen und den inoffiziellen Diskurs der Ökonomen untersucht. Mit sog. ‚strategischen Konversationen‘ beschäftigt sich Westley (1990). Change Management gilt heute als eine zentrale Herausforderung, der sich Unternehmen in einer globalisierten, rasch wandelnden Wirtschaft stellen müssen. Die Bedeutung der Kommunikation im organisatorischen Wandel betonen vor allem Kieser et al. (1998).
11 on rekurriert der Autor vor allem auf die sprachpsychologischen Kommunikationsmodelle von Watzlawick et al. (1969) sowie Schulz von Thun (1981), die den Beziehungsaspekt menschlicher Kommunikation betonen.18 Interessant und relevant für den Kontext der vorliegenden Arbeit ist allerdings eher die Frage nach den Funktionen, die Kommunikation in Unternehmen hiernach wahrnimmt. Mohr (1997: 184) bemängelt, dass es vielen Systematiken an Eindeutigkeit fehle bzw. Funktionen wie Information und Koordination nicht vergleichbar seien. Er präferiert die Systematik von Conrad (1985), der eine auf Überzeugung und Einflussnahme gerichtete Steuerungsfunktion, eine soziale Beziehungsfunktion sowie eine Mehrdeutigkeiten und Unsicherheiten reduzierende Ambiguity-Management-Funktion unterscheidet. An dieser Struktur orientiert sich Mohr, der drei kommunikative Schwerpunkte im Rahmen des Veränderungsmanagements identifiziert. Dies ist zum Ersten ‚Unternehmenskommunikation‘, verstanden als Übermittlungsprozess von Informationen, der vor allem technisch zu optimieren sei,19 zum Zweiten ‚Überzeugende Kommunikation‘, die auf den Entscheidungsbereich zielt und eine positive Einstellung ggü. geplanten Veränderungsvorhaben erzeugen soll, und zum Dritten ‚Mobilisierende Kommunikation‘, deren aktivierende und richtungsweisende Wirkung durch Führung, Visionen und Teamarbeit gefördert werden könnte. Aufgrund der in der Literatur eher allgemein gehaltenen Verbesserungsvorschläge sieht Mohr (ebd.: 205) seine Aufgabe darin, „konkrete Ansatzpunkte zur Verbesserung der Kommunikation“ zu erarbeiten. Sein Verständnis von effizienter Kommunikation bemisst sich an einer erwünschten Einstellungsänderung auf Seiten der Mitarbeiter unter Berücksichtigung ihrer individuellen Interessen und Ideen (vgl. ebd.: 202). Im Hinblick auf die Bestimmung einzelner Determinanten, die für Effizienz bürgen sollen, sind allerdings Zweifel angebracht. Die an ‚Sender‘ und ‚Empfänger‘ gerichteten Verbesserungsvorschläge basieren auf den erwähnten kommunikationspsychologischen Ansätzen. Auch wenn Mohr Kommunikation als dialogischen Prozess begreift, zeigt die Zusammensetzung verschiedener Determinanten, die noch dazu in keinem konsistenten Verhältnis zueinander stehen, dass ein methodologischer Schlüssel zum Kommunikationsbegriff fehlt. Gleichwohl möchte ich hervorheben, dass viele Probleme eindimensionaler Ansätze hier zumindest erkannt und zentrale Dimensionen kommunikativer Interaktion, wie Funktionen oder Interessen, berücksichtigt werden.
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Die Axiome von Watzlawick (z. B. das viel zitierte ‚Man kann nicht nicht kommunizieren‘) sowie das kommunikationspsychologische Nachrichtenmodell von Schulz von Thun (‚Vier Seiten einer Nachricht‘) sind besonders bei Praktikern und Kommunikationstrainern beliebt, da sie als eingängig und leicht vermittelbar gelten. Vgl. dazu auch den folgenden Exkurs. Ich halte es für ungünstig, dass Mohr den allgemeinen Begriff ‚Unternehmenskommunikation‘ hier für eine Funktion der Kommunikation, die Information, wählt.
12 Die Arbeit von Mohr wurde hier ausführlicher diskutiert, insofern sie paradigmatisch für einen Großteil der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ist, in der die Analyse des IstZustands in konkrete Gestaltungsempfehlungen mündet.20 Der Status einer Angewandten Wissenschaft impliziert, dass die Beiträge im Schnittfeld unterschiedlicher Disziplinen angesiedelt sind. Bei vielen Publikationen zur internen Kommunikation oder Managerkommunikation handelt es sich außerdem um Herausgeberschriften, in denen Fachleute aus Unternehmen und Beratungsfirmen zu Wort kommen (vgl. Klöfer/Nies 2003, Witt 1993). Die Modellierung des Verhältnisses von Theorie und Praxis richtet sich größtenteils nach der anvisierten Leserschaft. Insbesondere wenn als Rezipienten Praktiker aus Unternehmen oder Studierende mit einem Interesse an entsprechenden Berufszweigen angesprochen werden, stehen theoretische Ansätze eher unverbunden neben praktischen Handlungsempfehlungen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass wichtige Aspekte lediglich aneinander gereiht werden, es allerdings an Bezugnahmen auf das Ganze mangelt.21 Der Schritt zur populärwissenschaftlichen Ratgeberliteratur ist nicht weit, wie der folgende Exkurs zeigen soll.
Exkurs Ratgeberliteratur Der Markt für Ratgeberliteratur ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Da Sprache das „Handwerkszeug“ (Weisbach 2003: X) in vielen Berufen darstellt, erscheinen in regelmäßigen Abständen neue Trainingsbücher oder Leitfäden, die, wie der Untertitel des Ratgebers von Knechtel (2003), ein „Fundament für eine effektive Kommunikation und Kooperation“ versprechen. Grundlage für fast alle Ratgeber sind kommunikationspsychologische Modelle wie die von Watzlawick et al. (1969) oder Schulz von Thun (1981). Ergänzt werden sie häufig um eine Konzeption aus der Psychotherapie, die sog. Transaktionsanalyse (vgl. Berne 1967). Ihr zufolge basiert das menschliche Verhalten auf drei Ich-Zuständen: dem Eltern-Ich, dem Erwachsenen-Ich und dem Kind-Ich, die sich in Worten, Gesten, Tonfall, Haltung und Handlungen widerspiegeln sollen. Kommunikationsstörungen werden durch die Kollision unterschiedlicher Ich-Zustände erklärt, und der Gesprächserfolg erscheint davon abhängig, ob es gelingt, den in der jeweiligen Situation adäquaten auszuwählen (vgl. Knechtel 2003: 52ff., Weisbach 2003: 127ff.; LeMar 1997: 152ff.). Die Entwicklung eines Bewusstseins
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Ein großes Gewicht kommt in diesen Arbeiten daher auch einem Empirieteil zu, in dem Hypothesen überprüft und/oder mit Hilfe unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Verfahren neue Erkenntnisse generiert werden. Vgl. zu einem entsprechenden Vorgehen z. B. Noll (1996). So wird auch der Zusammenhang zwischen Betriebswirtschaft bzw. wirtschaftlicher Unternehmensführung und kommunikativem Handeln zumeist nicht deutlich, wie auch Witt/Witt (1993: 84f.) bemängeln.
13 für eigene Verhaltensweisen und communication skills22 wird als ein erster Schritt zu einer effektiveren Kommunikation betrachtet. In einem nächsten Schritt wenden sich die Ratgeber den unterschiedlichen Formen der Kommunikation im institutionellen Kontext zu. Vielfach stehen aber auch weiterhin Persönlichkeitstypen, Rollen- und Erwartungshaltungen, Beziehungsstrukturen und Machtphänomene im Mittelpunkt – mithin eher psychologisch und soziologisch interessante Phänomene als ein differenziertes Verständnis von dem, was kommunikative Interaktion ausmacht.23 Mitarbeitergespräche, Konferenzen und Tagungen, Workshops und Seminare, teamübergreifende Besprechungen, Meetings – die Liste der Formen institutionalisierter face-toface-Kommunikation in Unternehmen ist lang. Während sich einige Ratgeber der diversen Formen annehmen (vgl. Mast 2000), konzentrieren sich andere auf ausgewählte Arten.24 Als die am häufigsten genutzte institutionalisierte Gesprächsform kann die Besprechung gelten, was nicht zuletzt auch der Umfang an Ratgeberliteratur zu diesem Bereich zeigt (vgl. u. a. Kirckpatrick 1989, Kellner 1995, Blom 1999). Die Bezeichnungen ‚Besprechung‘ und ‚Sitzung‘ werden meist synonym verwendet, wobei sich mittlerweile auch im deutschen Sprachraum der englische Begriff Meeting eingebürgert hat. Die Definitionen variieren nur in Nuancen; entscheidende Definitionsmerkmale sind allerdings nicht die allgemeinen Rahmenbedingungen, wie Teilnehmerzahl, Institutionalisierung etc., sondern vielmehr Funktionen und Zwecke. Die Feststellung Brünners (2000: 183), Besprechungen stellten keine klar konturierte und abgegrenzte Diskursart dar, weil die Zwecksetzungen heterogen seien, spiegelt sich in der Ratgeberliteratur wider. Blom (1999: 24) identifiziert als Funktionen einer Sitzung Begegnungsmöglichkeit, Austausch von Informationen, Treffen von Entscheidungen, Kontrolle, Motivation fürs Team sowie Policy Making; Kirckpatrick (1989: 23ff.) listet Vermittlung von Informationen, Einholung von Informationen, Lösung eines Problems, Motivation, Instruktion und Fortbildung als unterschiedliche Zwecke einer Besprechung auf. Diese und ähnliche Listen sind Setzungen, die auf Erfahrungen und Plausibilität gründen mögen, die aber nicht systematisch hergeleitet und theoretisch begründet werden. Die angeführten Kriterien für effektive und effiziente Besprechungen beziehen sich stets auf die Zielerreichung, daneben wird die Zufriedenheit der Mitarbeiter als ein Effektivitätsmaßstab betrachtet (vgl. Kirckpatrick 1989: 28f., Kellner 1995: 41).
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Darunter werden die Fähigkeit zum aktiven Zuhören, zum konstruktiven Feedback, aber auch zur Interpretation von Mimik und Gestik verstanden. Vgl. Adler/Elmhorst (2002), Hybels/Weaver (1998), Knechtel (2003). Entsprechend fallen die Handlungsempfehlungen aus. Nach Knechtel (2003: 115) bietet sich z. B. die Frage „Ist die Kommunikation vorwiegend sachlich und distanziert oder herzlich und gefühlsbetont?“ für die Analyse von Kommunikationsprozessen in einer Gruppe an. Ein erstes Differenzierungskriterium stellt dabei die Anzahl der beteiligten Personen dar. So werden Mitarbeitergespräche als Zwei-Personen-Gespräche getrennt behandelt von Gruppengesprächen wie Besprechungen oder Workshops.
14 Kirckpatrick entwickelt einen sog. ‚Effizienzkoeffizienten‘, indem er die ideale und die tatsächliche Zeitdauer sowie die anvisierten und die erreichten Ziele zueinander ins Verhältnis setzt. Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass Tipps zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Besprechungen das Gros der Ratgeberliteratur zu institutionalisierten Gesprächsformen ausmachen.25 Sofern sie überhaupt kommunikative Handlungen einbeziehen, sind die Aussagen allenfalls pauschal gehalten und erinnern an allgemeine Konversationsmaximen, wie sie von Grice (1975) formuliert wurden, z. B.: „Formulieren Sie klar und eindeutig und vermeiden Sie Unstimmigkeiten“ (Mast 2000: 110). Da sie zumeist von Praktikern für Praktiker verfasst worden sind, vermitteln die Ratgeber zwar ein gewisses Gefühl für die Form und Funktion von Gruppengesprächen in institutionellen Kontexten, für Beziehungsgefüge und Machtstrukturen sowie Probleme in der Interaktion und Kommunikationsstörungen. Zugleich beruhen sie jedoch primär auf Erfahrung und Plausibilität, so dass der Erkenntnisgewinn – selbst für Praktiker – als gering einzustufen ist. Die impliziten Kommunikationsmodelle basieren entweder auf dem Sender-EmpfängerModell von Shannon/Weaver oder auf eingängigen, aber simplifizierenden Modellen wie dem sog. ‚Vier Ohren-Modell‘ von Schulz von Thun, womit sie die Komplexität menschlicher Kommunikation nicht adäquat abbilden.
2.2
Kommunikationswissenschaftliche und soziologische Perspektiven
Im ersten Teil des Forschungsüberblicks ist bereits angeklungen, dass die Modelle und Methoden einer Disziplin nicht ausreichen, um dem Thema Kommunikation in Unternehmen gerecht zu werden. So erklärt sich auch der Rekurs auf Ansätze, die jenseits des eigenen Fachgebiets liegen. Gleichwohl variiert der Stellenwert unterschiedlicher Konzepte in Abhängigkeit von der fachlichen Richtung. Im Folgenden sollen theoretische Perspektiven aufgezeigt werden, die Kommunikation als soziales Phänomen fokussieren und Kommunikation in Unternehmen im Spannungsfeld der Akteur-Struktur-Debatte ansiedeln. Eine ausführliche Zusammenfassung verschiedener Perspektiven auf die Kommunikation in Unternehmen leistet Theis-Berglmaier (2003). Um theoretische Konstrukte der 25
Dies gilt auch für die entsprechenden Publikationen aus dem angloamerikanischen Raum. Vgl. Tropman (2003), der das Meeting Masters Research Project an der Universität Michigan dokumentiert und aus diesem vermeintlichen Best-Practice-Projekt Erfolgsfaktoren und Handlungsimperative ableitet.
15 Kommunikationswissenschaft als einer „stark empirisch geprägten Wissenschaft“ (ebd.: 23) herauszuarbeiten, differenziert sie zunächst sechs grundsätzliche Positionen im Bereich der Kommunikationsforschung. Dies sind neben der schon erwähnten Transmissions- bzw. mechanistischen Perspektive ein psychologisch orientierter Ansatz, eine pragmatische Richtung sowie die symbolisch-interpretative, die system-interaktive und die system-evolutionäre Position. Der detaillierten Erläuterung der jeweiligen Paradigmen folgen Konsequenzen für die Forschung im Bereich der Organisationskommunikation. Dabei gelingt es der Autorin, sowohl Forschungsschwerpunkte zu identifizieren als auch kritische Aspekte aufzuzeigen, z. B. die Senderzentriertheit, die ausschließliche Berücksichtigung psychologischer Variablen oder die Reduzierung von Kommunikation auf einen Prozess der Symbolvermittlung. Als problematisch betrachtet Theis-Berglmaier (ebd.: 71ff.) vor allem empirische Studien, die weniger auf theoretischen Konzepten als vielmehr auf Plausibilitätsannahmen beruhen, zumal die Gestaltungsempfehlungen zumeist nur einen Aspekt im komplexen Kommunikationsprozess thematisieren. Durch ihre Argumentation evoziert Theis-Berglmaier das bereits erwähnte Spannungsfeld einer auf den einzelnen Akteur konzentrierten Sichtweise einerseits und einer Strukturen fokussierenden Perspektive andererseits. Es sind vor allem systemtheoretische Ansätze, die sich für die Generierung und Erhaltung von Strukturen interessieren. Die Leistung von Kommunikation besteht für sie in erster Linie in der Strukturierung durch Selektion bestimmter Themen (vgl. Giesecke 1988: 47). Dieser Theorierichtung, die auf Luhmanns Theorie sozialer Systeme basiert, geht es nicht um das kommunikative Handeln einzelner Personen, sondern um die Aufrechterhaltung eines sozialen Systems, wie es z. B. eine Organisation darstellt, durch Kommunikation.26 Personen gelten als Repräsentanten einer bestimmten Gruppe, so dass ihr Handeln höchstens als Rollenhandeln, das durch typische Einstellungen geprägt ist, interessiert. In diesem Sinne werden auch Besprechungen oder Konferenzen als Systeme modelliert, „bei denen sich bei regelmäßiger Wiederkehr im Zeitablauf spezifische Erwartungen und Regeln herausbilden“ (Theis-Berglmaier 2003: 143). Zu Recht wird bemängelt, dass der Stellenwert der unterschiedlichen Akteure und ihrer Interessen und Ziele in systemtheoretischen Ansätzen zu kurz kommt.27 In ihrem Plädoyer für eine optionsorientierte Kommunikationsperspektive betont Theis-Berglmaier demgegenüber die Rolle von Freiräumen (Optionen) auf Seiten der Kommunikationspartner. Der Fokus wird damit von der Musterhaftigkeit und Regelorientierung vieler Paradigmen, seien sie eher auf den Akteur oder auf das System bezogen, hin zu Interessen und Intentionen
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Vgl. auch Derieth (1995), die ihre Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen der externen Unternehmenskommunikation systemtheoretisch einbettet. Den entscheidenden Vorteil sieht Derieth (ebd.: 17) darin, dass „die Systemtheorie Komplexität als eine maßgebliche Größe eines Systems ernst nimmt und Verfahren zur Kontrolle derselben anbietet“. Vgl. zu entsprechender Kritik aus konstruktivistischer Sicht Schmidt (1996: 65ff.).
16 der Handelnden gelenkt. Dies sind m. E. zentrale Bausteine einer Theorie kommunikativen Handelns, auf die ich im Rahmen der theoretischen Grundlegung noch ausführlich zu sprechen komme. Theis-Berglmaier ergänzt die Analyse kommunikationswissenschaftlicher Ansätze um einen Überblick zur Organisationsforschung.28 Dabei stellt sie (ebd.: 154) den engen Bezug dieses Forschungszweiges zur Soziologie heraus, der auf vergleichbare Erkenntnisinteressen zurückgeführt wird: Das spezifisch Soziologische sei die Beschreibung von Aggregaten anstatt von Individuen. Durch die Ausrichtung auf soziale Gebilde ist der Gegenstandsbereich der Soziologie äußerst komplex, was einerseits Spezialisierungen bedingt, andererseits aber auch interdisziplinäre Projekte fördert. Gleichsam entdecken Vertreter anderer Disziplinen, so auch der Kommunikationswissenschaft oder der Linguistik, Möglichkeiten des Anschlusses an soziologische Prämissen und Modelle (vgl. Zerfaß 1996, Menz 2000). Sie beziehen sich hauptsächlich auf Konzepte, die die Dualität von Akteur und Struktur thematisieren und in ein entsprechendes Konzept von Organisation einbinden, in dem auch kommunikative Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. Wesentlichen Einfluss haben in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Anthony Giddens und Karl Weick, die in aller Kürze skizziert werden sollen. Kennzeichnend für den Strukturierungsansatz von Giddens ist die Wechselbeziehung zwischen handelnden Akteuren und Strukturen. Strukturen sind für ihn einerseits das Produkt von Interaktion, andererseits stellen sie die Regeln und Ressourcen dar, durch die interaktives Handeln erst möglich wird. Kommunikation wird von Giddens (1984: 104) als eine Handlung konzipiert, „bei der die Absicht (oder eine der Absichten) des Handelnden mit der Verwirklichung einer Informationsvermittlung an andere verbunden ist“. Entscheidend ist auch hier die Annahme von Regeln normativen Charakters, die für Giddens jegliche Interaktion, vor allem die in institutionellen Zusammenhängen wie Organisationen bzw. Unternehmen, bestimmen.29 Ähnlich wie Giddens fokussiert Weick (1995) die wechselseitige, dynamisch-prozesshafte Beziehung zwischen individuellem Handeln und sozialen Mustern und Strukturen. Weick (1995: 11) zieht den Verbalausdruck organisieren dem Organisationsbegriff vor und definiert Organisieren als „durch Konsens gültig gemachte Grammatik für die Reduktion von Mehrdeutigkeit mittels bewußt ineinandergreifender Handlungen“. In seinem Konzept spielen sog. ‚Interakte‘, das sind miteinander verknüpfte Aktivitäten der Organisations-
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Da entsprechende Tendenzen bereits in Kapitel 2.1 skizziert wurden, werden die Organisationsansätze hier nicht mehr eigens aufgeführt. Vgl. für eine ausführliche Darstellung Theis-Berglmaier (2003: 153–281). Die drei zentralen Charakteristika einer Institution sind für Giddens (1979) Bedeutungsmuster/ Deutungsschemata, Herrschaft und Legitimation.
17 mitglieder, eine zentrale Rolle. Im Rahmen dieser Struktur kommt Kommunikation als interaktiv-dialogischem Prozess wesentliche Bedeutung zu (vgl. Menz 2000: 57). Weick differenziert allerdings Kommunikation nicht von anderen Formen und Funktionen des Handelns und belässt es bei der Zuschreibung einer allgemeinen Sinngebungs- bzw. Gestaltungsfunktion.30 Für Giddens wie für Weick stehen die Bedingungen im Vordergrund, die soziales Handeln in einer Organisation ermöglichen. Durch die Integration von Akteur und System bieten die Konzepte Vorteile ggü. einer systemtheoretischen Position, die Kommunikation in ihrer Funktion für soziale Systeme von psychischen Systemen (Individuen) trennt.31 Der Interaktivität des Handelns tragen die Ansätze explizit Rechnung, wobei konkrete Interaktionszusammenhänge nicht näher betrachtet werden. Während Giddens mit der Funktion der Informationsvermittlung nur einen möglichen Zweck kommunikativen Handelns anspricht, betont Weick den realitätskonstituierenden Charakter von Sprache und Kommunikation. Die Werke sind allerdings als Metatheorien bzw. nach Weick (1995: 333) als „Epistemologie des Organisierens“ zu kennzeichnen und nicht „als erschöpfende Beschreibung von ganzen Organisationen samt all ihren Komplexitäten“ (ebd.). In diesem Sinne stellen sie die Grundlage für empirisch fundierte Forschungsvorhaben dar und regen zur Weiterentwicklung bestimmter Aspekte an.32 Unter sozialtheoretischen Gesichtspunkten wendet sich dann auch Hahne (1998) dem kommunikativen Handeln in Organisationen zu. Für die von Giddens hergeleiteten Strukturmomente Herrschaft, Legitimation, Deutungsmuster und Prägung erarbeitet Hahne kommunikationsrelevante Aspekte, von denen er sich eine Integration der individuell-kognitiven sowie der kollektiv-institutionellen Dimension verspricht. Machtbeziehungen sowie das Spiel mit formellen und informellen Normen und Regeln erfahren dabei besonderes Interesse. In dem als interdisziplinär ausgewiesenen Beitrag wird auch der linguistische Forschungsstand kritisch reflektiert und der Reduktionismus einer Reihe sprachwissenschaftlicher Konzepte bemängelt. Ob allerdings die Untersuchung konkreter kommunikativer Ereignisse allein das „methodische Rückgrat“ (ebd.: 314) darstellen kann, ist m. E. mit einem Fragezeichen zu versehen. Um sich einerseits nicht in der Komplexität zu verlieren und andererseits nicht nur einzelne Aspekte additiv zusammenzufügen, erscheinen vielmehr
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In der sog. ‚Organisationsformel‘ wird die Funktion der Gestaltung (des Gesagten) durch die Funktionen der Selektion (Belegung des Gesagten mit Sinn) sowie der Retention (Speicherung des Gesagten als Wissen) komplettiert (vgl. Weick 1995: 195). So charakterisiert Weick (1995: 51) selbst seinen Ansatz als sozialpsychologisch und fordert, dass „Organisationen als Standorte sowohl individuellen als auch kollektiven Verhaltens analysiert werden sollten“. Vgl. u. a. die soziolinguistische Forschung, die sich grundlegend auf Giddens bzw. Weick bezieht (vgl. auch Kap. 2.3).
18 solche Konzepte und Methodologien erfolgsversprechend, die zunächst ein theoretisch fundiertes Verständnis für den Gegenstand im Ganzen entwickeln. In diesem Sinne ist die Arbeit von Zerfaß (1996) hervorzuheben, der auf Basis sozialtheoretischer, kommunikationswissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Grundlagen eine Theorie der Unternehmenskommunikation entwickelt. Auch wenn es ihm in erster Linie um Öffentlichkeitsarbeit und damit um eine Form externer Unternehmenskommunikation geht, werden im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes grundlegende Überlegungen und Konzepte präsentiert, die anschlussfähig für den Bereich der internen Organisationskommunikation sind. Der skizzierte kommunikationstheoretische Bezugsrahmen baut auf sozialtheoretischen Überlegungen auf. Leitend ist für Zerfaß (ebd.: 144) die Prämisse, „daß kommunikative Aktivitäten ebenso wie andere Handlungen dem Wechselspiel von Handeln und Struktur unterliegen“. Der Autor wendet sich gegen Ansätze der Sprechakttheorie oder Universalpragmatik, die von konkreten Handlungszusammenhängen abstrahieren und interkulturell gültige sprachliche Strukturen aufzuzeigen versuchen. Sein Ziel ist vielmehr die Explikation von Schemata,33 die (kommunikatives) Handeln in unserer Kultur prägen. Kommunikation wird von Zerfaß (ebd.: 150) als ein Handlungsprozess modelliert, in dem die Akteure „Symbolkomplexe mit sozialintegrativer Kraft in Anspruch nehmen, um ihre Absichten oder Situationen zu verändern“. Wesentlich für weitere Überlegungen ist, dass das Handlungskonzept auf der Korrelation von Zwecken und Mitteln sowie auf dem Interessenbegriff gründet. So erklärt Zerfaß (ebd.: 209): Kommunikative Aktivitäten sind Handlungen, und als handelnde Akteure trachten wir stets danach, bestimmte Interessen zu realisieren, die sich entweder auf individuelle Bedürfnislagen oder soziale Erwartungshaltungen zurückführen lassen.
Unter dieser Prämisse stellt betriebswirtschaftliches Handeln ein Steuerungshandeln dar, das auf die Koordination und Integration divergierender Handlungen und Interessen in Unternehmen zielt (vgl. ebd.: 244). Als entscheidenden Parameter für jede erwerbswirtschaftliche, der Gewinnorientierung verpflichteten Aktivität, identifiziert Zerfaß (ebd.: 242) die Unternehmensstrategie, „die die spezifische Positionierung einer Unternehmung im arbeitsteiligen Prozeß der Gesamtwirtschaft zum Ausdruck bringt“. Von diesem Bezugspunkt ausgehend sollten auch die Kommunikationshandlungen in einer Organisation beschrieben werden. Eine erste Leitlinie gibt die Differenzierung von strukturierender Kommunikation einerseits und koordinierender Kommunikation andererseits vor, wobei erstere die Voraussetzung für die Formulierung und Realisierung strategischer Konzepte schaffe, letztere der Abstimmung der Organisationsmitglieder diene (vgl. ebd.: 294ff.).
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Für Zerfaß (ebd.: 95ff.) stellen Schemata wiederkehrende Muster dar, die dafür verantwortlich sind, dass wir Handlungen und Ereignisse überhaupt verstehen. Als solche sind sie eng an die jeweilige Kultur, verstanden als Ensemble bestimmter sozialer Regeln und Ressourcen, geknüpft.
19 Im Hinblick auf einzelne Kommunikationssequenzen34 skizziert Zerfaß das seiner Meinung nach allgegenwärtige Spannungsfeld von persuasiver, argumentativer und informativer Kommunikation im organisatorischen Kontext. Darüber hinaus legt er (ebd.: 180) eine vorläufige Typologie „situationsverhaftete[r] Kommunikationssequenzen“ vor, für die das interaktive Moment eine wesentliche Rolle spielt.35 Auch in diesem Argumentationszusammenhang zeigt sich das Bestreben nach einer tieferen Durchdringung und Strukturierung des Gegenstands. Darüber hinaus macht Zerfaß deutlich, dass Theoretisieren kein Selbstzweck sein darf, indem er die Ausführungen mit Handlungsempfehlungen für das Kommunikationsmanagement beendet, die nun aber – anders als in den Fällen der populärwissenschaftlichen Ratgeberliteratur – auf einem theoretischen Fundament stehen. Der Schritt von der Reflexion und Erläuterung hin zur Bewertung der Praxis wird dagegen in den meisten soziologischen Arbeiten bewusst vermieden. Vor allem ethnographische und ethnomethodologische Studien berufen sich auf die Nicht-Hintergehbarkeit der Teilnehmerperspektive und fokussieren stattdessen die Frage, wie sich eine Sozialordnung in aktuellen Handlungssituationen stets aufs Neue konstituiert. Um ein besseres Verständnis für Prozesse des Interagierens und Kommunizierens zu gewinnen, rekurrieren sie auf Methoden der qualitativen Sozialforschung, beispielsweise die teilnehmende Beobachtung. Die der soziologischen Theoriebildung inhärente Akteur-Struktur-Debatte spielt in diesem Zusammenhang wiederum eine zentrale Rolle. Beispielhaft möchte ich die Arbeit von Boden (1994) nennen, die an die Ansätze von Weick und Giddens anknüpft, darüber hinaus aber auch an ethnomethodologische Arbeiten. Für dieses Forschungsparadigma sind Formen von institutional talk ein zentraler Untersuchungsgegenstand, was im Rahmen des Überblicks zur linguistischen Forschung noch deutlicher wird. Boden geht davon aus, dass der Mechanismus des turn-taking, also des gesprächsorganisierenden Sprecherwechsels, konstituierend für Organisationen als soziale Gebilde ist. Die strukturelle Organisation von Gesprächen, auf die in der Konversationsanalyse ethnomethodologischer Prägung besonderer Wert gelegt wird,36 stellt für Boden das Organisationsprinzip schlechthin dar. Struktur und Ordnung manifestieren sich für die Mitglieder einer Organisation gemäß dieser local logic in aktuellen, alltäglichen Handlungszusammenhängen. An konkreten Beispielen, Besprechungen in amerikanischen Firmen, veranschaulicht die Autorin ihre Thesen. Kennzeichnend für diese meetings sind für Boden (ebd.: 84) der geplante Charakter, die Rollenverteilung sowie die Funktion für die Organisation. Als zen-
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Unter ‚Kommunikationssequenzen‘ versteht Zerfaß (ebd.: 171) alles, was über Mitteilungs- und Verstehenshandlung als Konstituenten einer Kommunikationshandlung hinausgeht. Zerfaß (ebd.: 179f.) differenziert Manipulation, Instruktion, Werbung, Verhandlung, Unterweisung und Beratung. Entscheidendes Kriterium ist für ihn dabei der Modus der wechselseitigen Beeinflussung und Akzeptanzgenerierung. Vgl. auch die Darstellung in Kap. 2.3.
20 trales Merkmal hebt sie jedoch die formale turn-taking-Struktur hervor. Auch wenn Boden mit ihrem Konzept von structure-in-action das Dynamisch-Prozesshafte betont und die Rolle der handelnden Akteure aufwertet, ist sie m. E. dem formalen Strukturgedanken zu stark verhaftet. Der turn-taking-Mechanismus ist ein Phänomen, das die Wechselseitigkeit des Handelns und Kommunizierens lediglich auf einer oberflächlichen Ebene beschreibt. Resümierend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich für die Sozialwissenschaften eine Reihe von Fragestellungen ergeben, wenn Organisationen als soziale Gebilde perspektiviert werden. Nach wie vor steht die Modellierung des Verhältnisses von individuellen Akteuren und ihren Interessen einerseits und kollektiven Sozialsystemen und ihren Strukturen andererseits im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Aussagen zur Funktionsweise und Qualität von Kommunikation sind zumeist pauschal gehalten. Mit Interessen, kommunikativen Aushandlungsprozessen, Formen und Zwecken einzelner Diskursarten etc. werden allerdings Phänomene angesprochen, die auch für die Linguistik von zentraler Bedeutung sind.
2.3
Linguistische Perspektiven
Die skizzierten Theorien und Konzepte, die Aspekte der Kommunikation in Unternehmen thematisieren, haben gezeigt, dass immer wieder Fragestellungen einer linguistischen Pragmatik berührt werden. Als wesentliche Aufgabe der Linguistik wird hier die Erklärung des komplexen Sprachgebrauchs betrachtet.37 Das Potential linguistischer Forschung liegt somit in Modellen und Methoden, die eine Analyse kommunikativen Handelns ermöglichen. Dabei gilt, wie bereits für die ersten Teile des Forschungsüberblicks, dass die Möglichkeiten und Ziele entsprechender Analysen unmittelbar von den zugrunde liegenden Annahmen und methodologischen Zugangsweisen abhängen. Wenn im Folgenden einige Arbeiten zur Kommunikation in Unternehmen vorgestellt und kritisch reflektiert werden, orientiert sich die Einordnung an den entsprechenden theoretischen Grundlagen und Modellen. Diese können hier lediglich umrissen werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede – gerade auch im Hinblick auf die eigene Konzeption – hervorzuheben. Erschwert wird eine Systematisierung dadurch, dass theoretische Richtungen oft eng beieinander liegen bzw. unscharf differenziert werden und viele Autoren sich überdies unterschiedlicher Modelle und Methoden bedienen. Wie Brünner (2000: 35) bemerkt, stammt ein Großteil der linguistischen Literatur zu Kommunikation in Organisationen aus der Diskurs- sowie der Konversationsanalyse. Be-
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Vgl. hierzu auch Kapitel 3, Allgemeine theoretische Grundlegung.
21 sonders im angloamerikanischen Raum sind dies beliebte Ansätze, auf denen eine Vielzahl von Forschungsprojekten und Analysen basieren.38 Auf die enge Anbindung an soziologische Prämissen und Fragestellungen wurde bereits verwiesen (vgl. Kap. 2.2). Entsprechend werden konversationsanalytische Studien auch der soziolinguistischen Forschung zugerechnet, die als „Wissenschaftsdisziplin im Überschneidungsfeld von Linguistik und Soziologie [...] die soziale Bedeutung des Sprachsystems und des Sprachgebrauchs, das wechselseitige Bedingungsgefüge von Sprach- und Sozialstruktur“ (Bußmann 1990: 692) in den Blick nimmt (vgl. Müller 2002).39 Studien in der soziolinguistischen Tradition richten ihr Augenmerk auf unterschiedliche Faktoren, die soziale Wirklichkeit konstituieren sollen. Dazu gehören u. a. unterschiedliche Rollen von Organisationsmitgliedern, hierarchische Beziehungsgefüge sowie korrespondierende Machtverhältnisse. Kennzeichnend für die Arbeiten ist, dass sie auf die unterschiedlichsten Konzepte soziologischer und linguistischer Provenienz zurückgreifen. Dies sind neben den bereits erwähnten Ansätzen von Giddens und Weick vor allem das Face-Konzept, wie es von Goffman (1955) entwickelt wurde. Die Herstellung sozialer Beziehungen im Gespräch, verstanden als Prozessierung von Selbst- und Fremdbildern, weist Goffman zufolge einen engen Bezug zu sprachlichen Strategien der Höflichkeit und Indirektheit auf. Darauf Bezug nehmend wendet sich Poro (1999) der Frage zu, wie beziehungsrelevante Handlungen in Arbeitsbesprechungen beschrieben werden können. Ein kooperatives Arbeitsklima entsteht ihrer Meinung nach durch das Kommunizieren von positiven Bildern bzw. das Entschärfen von negativen Bildern. Als Merkmale kooperativen Sprachgebrauchs identifiziert sie: Loben, Fishing for Compliments, Indirektheit, Scherzen und Lachen. Für unkooperativen Sprachgebrauch stehen Ironie, Ausweichen, Verweigern, Widersprechen und Abschotten. M.E. werden hier Phänomene ganz unterschiedlicher Art, d. h. komplexe Sprechhandlungen, rhetorische Mittel etc., aufgelistet, die nur durch den Bezug zum allgemeinen Thema Beziehungsrelevanz zusammengehalten werden. Dies gilt für den überwiegenden Teil der linguistischen Studien, die sich an einer primär soziologischen Fragestellung orientieren, die da lautet: Wie erleben und organisieren die Mitglieder einer soziokulturellen Gemeinschaft ihre Aktivitäten im Arbeitsalltag? Müller (1997) ordnet seine Arbeit zu sprachlichen Formen sozialer Kontrolle in innerbetrieblichen Arbeitsbesprechungen ebenfalls in einen soziolinguistischen Bezugsrahmen ein. Er greift bei den Analysen auf unterschiedliche Methoden der Gesprächsanalyse40 zu-
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Vgl. u. a. die Arbeiten von Bargiela-Chiappini/Harris (1997a/b) sowie das umfangreiche Handbuch von Jablin/Putnam (2001). Entsprechende Ein- bzw. Zuordnungen fallen allerdings individuell unterschiedlich aus und verwirren häufig mehr als zu erhellen. Vgl. zu einer abweichenden Einschätzung z. B. Putnam/Fairhurst (2001), die Soziolinguistik und Konversationsanalyse voneinander trennen. Ich gebrauche ‚Gesprächsanalyse‘ hier als neutralen Terminus für die Analyse von Gesprächen, möchte aber darauf hinweisen, dass gesprächsanalytische Forschung eng mit den Prämissen und
22 rück, auf die ich noch näher eingehen werde. Dabei wird kommunikatives Handeln in erster Linie im Hinblick auf einen soziologisch relevanten Aspekt, nämlich Kontrollverhalten bzw. Macht, betrachtet. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass jeder Teilnehmer an einer Besprechung sprachliche Mittel nutzt, die ein Steuerungs- oder Kontrollpotential besitzen, dass die konkreten Realisierungen, bezogen auf Direktheit, Wortwahl etc. jedoch von der Position des Sprechers abhängen. Als zentrale Eckpunkte in seinem ‚Konstitutionsmodell sozialer Strukturiertheit in arbeitsweltlichen Gruppengesprächen‘ benennt Müller (ebd.: 36) erstens die konkrete Situation, zweitens die Position bzw. Machtbefugnisse sowie drittens gesprächstyp-, themen- und teilnehmerspezifische Vorgaben, hier als ‚Kontrollpotential‘ bezeichnet. Diese drei Faktoren bilden für Müller (ebd.: 339) das „Mindestmaß für die Analyse sozialen [kursiv; S.S.] Handelns im Unternehmen“. Neben Beziehungs- und Machtaspekten sowie damit einhergehenden Konflikten – Phänomene, die das Verhalten der Akteure betreffen – wird die Betrachtung von ganzen Organisationen und entsprechenden kollektiven Denk- und Handlungsmustern in letzter Zeit immer stärker eingefordert (vgl. Müller 2002). So erklärt sich die Flut an Publikationen, die Organisationen als kulturelle Gebilde begreifen und linguistische Manifestationen kultureller Spezifika zu erklären versuchen. Besonders beliebt sind in diesem Zusammenhang intra- und interkulturelle Vergleiche. Bargiela-Chiappini/Harris (1997a) schlagen ein Modell für die Analyse interkultureller Kommunikation vor, in dem neben den Systemen der Einzelsprachen allgemeine Diskurstypen sowie die Unternehmenskultur und die Besonderheiten der nationalen Kulturen Berücksichtigung finden. Die meisten Untersuchungen stellen Kommunikationsstile und -strategien in nationalen Kulturen gegenüber, die größere Differenzen erwarten lassen. So werden Besprechungen in Japan und Amerika (vgl. Yamada 1997) oder in England und Italien (vgl. Bargiela-Chiappini/Harris 1997b) verglichen und Konfliktpotential für den Fall einer multikulturellen Besprechung oder Verhandlung identifiziert.41 Üblicherweise betonen die Autoren Unterschiede im Hinblick auf Direktheit und Höflichkeit, die durch die Analyse unterschiedlicher Sprachhandlungen belegt werden (vgl. Bilbow 1997, Mulholland 1997, Neumann 1997). Im Kontext einer Arbeit, für die die kulturelle Dimension des Handelns und Interagierens von zentraler Bedeutung ist (vgl. Kap. 3 und 4), stellt sich an einer solchen Stelle immer auch die Frage nach dem Kulturbegriff bzw. entsprechenden linguistischen Indikatoren. Bargiela-Chiappini/Harris (1997b: 18) sehen hier “the source of a novel approach to communication as the complex interaction of meanings and symbols through which reality
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Methoden der beiden Forschungsrichtungen Konversations- und Diskursanalyse verbunden ist. Untersucht werden vor allem Phänomene, denen soziale Signifikanz zugeschrieben wird. Vgl. auch den Sammelband zu Verhandlungen von Ehlich/Wagner (1995), in dem kulturelle Unterschiede in Geschäftsverhandlungen thematisiert werden.
23 is interpreted and continually constructed by social actors”. Die Betonung des symbolischinterpretativen Moments spiegelt sich in den analysierten sprachlichen Mitteln wider. Lexikalische Ausdrücke, Metaphern, Pronomina und deiktische Ausdrücke allgemein gelten als Indikatoren für (unternehmens-)kulturelle Spezifika. Die Unternehmenskultur wird in einen Bezugsrahmen eingeordnet, der sich für Bargiela-Chiappini/Harris (ebd.: 153) aus sprachlichen Mustern, Hierarchie- und Machtverhältnissen sowie dem organisationalen Umfeld, dem historischen Kontext und der Kultur der Gesellschaft konstituiert. Ähnlich argumentiert auch Andreas Müller (2000), der Schlüsselbegriffe und Interaktionsregeln für spezielle Genres als ‚soziale Leitlinien‘ beschreibt, die im kulturellen Gedächtnis eines Unternehmens verankert seien. Für die soziolinguistisch geprägten Ansätze ist demnach bezeichnend, dass Kultur als ein Produkt sozialer Interaktion verstanden wird, als ein Konglomerat von Verhaltensregeln, das in Diskursen zum Ausdruck kommt und durch sprachliche Indizien repräsentiert wird. Die allgemeine Sinngebungsfunktion steht dabei im Vordergrund.42 Trotz vergleichbarer Fragestellungen rekurrieren die Arbeiten aus dem großen Bereich der Soziolinguistik auf unterschiedliche linguistische Ansätze und Methoden. Die meisten Analysen basieren auf konversations- und diskursanalytischen Verfahren. Anhand von konkreten Beispielen soll im Folgenden dargelegt werden, was jene Zugangsweisen auszeichnet und wo Kritikpunkte zu sehen sind. Als eine Forschungsrichtung, die sich aus der soziologischen Ethnomethodologie entwickelte, ist die Konversationsanalyse an der strukturellen Organisation von Gesprächen interessiert. Meier (1997: 19) fasst ihr Programm folgendermaßen zusammen: Konversationsanalytische Arbeit zielt darauf ab, die Prinzipien und Verfahren zu bestimmen, auf deren Grundlage die an einem sozialen Geschehen beteiligten Personen ihr eigenes Handeln, das Handeln anderer und auch die Handlungssituation im Vollzug ihres Tuns sinnhaft strukturieren, koordinieren und als intersubjektiv erfahrbare, ‚gelebte Geordnetheit‘ hervorbringen.
Eine ausformulierte, einheitliche Methodologie liegt der konversationsanalytischen Forschung nicht zugrunde. Die typische Vorgehensweise ist an der Empirie orientiert und wird von Meier (ebd.: 21f.) wie folgt skizziert: Entdeckung eines potentiellen Ordnungselements43 im Rahmen einer voraussetzungslosen Betrachtung des Datenmaterials; Anlegen einer Sammlung von Fällen, in denen das Element auftritt; Entwicklung einer Hypothese über
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In der Organisationskulturforschung findet sich mit der symbolischen Perspektive ein vergleichbarer Ansatz (vgl. Hein 1990). Ich werde mich in der vorliegenden Arbeit von einer solchen Sichtweise abgrenzen und stärker ökonomisch geprägte Aspekte in ein Konzept von Unternehmenskultur integrieren (vgl. Kap. 4.2). Dabei kann es sich sowohl um einzelne Partikeln als auch um komplexere Äußerungsformen handeln.
24 ein entsprechendes strukturelles Interaktionsproblem.44 Grundlegend für die Arbeiten ist der Ansatz von Sacks/Schegloff/ Jefferson (1978), die sich auf den gesprächsorganisierenden Sprecherwechsel, das sog. turn-taking, Beiträge zur Gesprächseröffnung und -beendigung sowie sog. adjacency pairs, das komplementäre Verhältnis von Äußerungen zweier Sprecher, z. B. Frage-Antwort-Sequenzen, konzentrieren. Um die Besonderheiten und die spezifischen Regeln des Sprachgebrauchs in Institutionen zu erfassen, werden entsprechende Gesprächsformen mit der Kommunikation in alltagssprachlichen Kontexten verglichen. Lenz (1989) bezieht sich in seiner Untersuchung zur Fachkommunikation in technischen Besprechungen fast ausschließlich auf die methodologischen Prinzipien der Konversationsanalyse. Der Fokus liegt auf den Besonderheiten des turn-taking, wobei Lenz’ Analysen ergeben, dass der größte Unterschied zur Alltagskonversation in der Länge der Gesprächsbeiträge liegt. Ähnlich oberflächlich muten auch die Ausführungen zum topic talk an, die eine Berücksichtigung inhaltlich-thematischer Phänomene implizieren, letztendlich aber ebenfalls auf formale Kennzeichen des Gesprächs hinauslaufen. Ein weiteres Beispiel für konversationsanalytische Forschung stellt die Arbeit von Meier (1997) dar, der die Verfahren und Praktiken beschreiben möchte, die Arbeitsbesprechungen von anderen Formen der Mehr-Personen-Interaktion, z. B. Gesprächen im Freundeskreis oder in der Familie, unterscheiden. Zentrales Merkmal für die institutionalisierte Gesprächsform der Besprechung ist nach Meier die durchgängige Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf ein gemeinsames Thema, ein Phänomen, das er mit dem Begriff der ‚Fokussierung‘ fasst.45 Als sprachliche Indikatoren für entsprechende Formen der Aufmerksamkeitsbindung werden vor allem Partikeln analysiert, z. B. so als Markierung einer Zäsur und Initiierung einer neuen Handlung oder also als Zeichen für eine thematische Fokussierung. Auf Grundlage dieser strukturierenden Verfahrensweisen rekonstruiert Meier (ebd.: 130f.) eine zyklische Ablaufstruktur für Besprechungen, die vom Fokussieren über das Initiieren zum Diskutieren und schlussendlich zum Formulieren führt. Darüber hinaus versucht er über Vorschläge, Argumentationen und Entscheidungen die inhaltliche Dimension der Gesprächsform zu erfassen. Allerdings werden diese komplexen Handlungen nicht systematisch theoretisch hergeleitet und begründet, sondern lediglich mit Bezug auf die Äußerungsform bzw. im Hinblick auf gesprächsstrukturelle Phänomene analysiert. Die von Hundsnurscher (1980: 90) geübte Kritik an der Konversationsanalyse, der inhaltliche Aspekt und damit das eigentliche Charakteristikum einzelner Gesprächstypen müssten einem solch formal-empirischen Ansatz verschlossen bleiben, erscheint in diesem Zusammenhang berechtigt. Meier spezifiziert weder die inhaltliche Dimension von Themen
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Probleme der Interaktionsorganisation sind z. B. Äußerungen, durch die ein Gesprächsende signalisiert werden soll. In Anlehnung an Goffman (1961).
25 in Besprechungen, noch benennt er Merkmale von Institutionen, die über die Ausprägung von muster- und regelhaften Interaktionsabläufen hinausgehen. Gespräche im institutionalisierten Kontext primär auf Prinzipien wie das der Fokussierung zurückzuführen, stellt eine zu starke Vereinfachung dar und wird der Komplexität des Gegenstands nicht gerecht. Kommunikation in Unternehmen weist Funktionen auf, die durch eine formale Analyse letztlich nicht erfasst werden können. Aus diesem Grunde wenden sich Vertreter einer diskursanalytischen Richtung den Zwecken und Funktionen zu, die bestimmte Diskurstypen auszeichnen.46 Ähnlich wie den Konversationsanalytikern geht es auch ihnen darum, musterhafte Abläufe zu rekonstruieren, die sich jedoch nicht auf die oberflächliche Ebene der Gesprächsorganisation beziehen, sondern die vielmehr die sozialen Zwecke eines Gesprächstyps und der ihm zugehörigen Sequenzen erfassen sollen.47 Für die Forschung im Bereich der institutionellen Kommunikation bedeutet dies in erster Linie, das Profil der wichtigsten Diskurstypen zu schärfen, indem tiefenstrukturelle sprachliche Handlungsmuster aus konkretem Datenmaterial erschlossen und unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Als die am besten untersuchten Gesprächstypen können Verkaufsgespräche, Verhandlungen und Besprechungen gelten.48 Da Besprechungen auch Gegenstand meiner Analysen sind, möchte ich mich im Folgenden auf zwei umfangreiche diskursanalytische Studien zu Besprechungen in Unternehmen konzentrieren, die m. E. sehr deutlich zeigen, wo Möglichkeiten und Grenzen dieser Richtung liegen. Dannerer (1999: 50) definiert in einem ersten Schritt innerbetriebliche Besprechungen als „geplante, formelle, kooperationsbezogene Zusammenkunft von mindestens zwei MitarbeiterInnen zur Bearbeitung von einem oder mehreren im voraus bestimmten Themen“. Ziel
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Was den Begriff ‚Diskursanalyse‘ betrifft, liegt keine eindeutige Definition vor. Unter einen weit gefassten Oberbegriff fällt ganz allgemein die Analyse von Diskursen. Als Diskurse gelten in erster Linie mündliche Gesprächsformen, in Abgrenzung zu schriftlichen Texten. Darüber hinaus zeigen sich vor allem nationale Unterschiede. Die britische Discourse Analysis in der Tradition von Sinclair/Coulthard (1975) hebt die Bedeutung des context of situation hervor. In Deutschland wird der Begriff der Diskursanalyse im Sinne einer Methode zur Analyse empirischer Gespräche in gesellschaftlichen, insb. institutionellen Kontexten verstanden und ist als solcher zentral für den Ansatz der Funktionalen Pragmatik (vgl. Brünner/Graefen 1994). Im Folgenden beziehe ich mich vor allem auf die deutsche Forschungsrichtung. „Die Konversationsanalyse geht davon aus, daß soziale Gegebenheiten von den Interaktanten in Konversationen produziert werden, und konzentriert sich darauf, das Wie solcher Konstitutionsprozesse in der Interaktion zu untersuchen. Die Diskursanalyse betont demgegenüber die Vorgeformtheit des sprachlichen Handelns durch gesellschaftliche Zwecke und institutionelle Bedingungen und zielt darauf, das Wozu, die Zweckgerichtetheit des Handelns zu rekonstruieren“ (Brünner/Graefen 1994: 13). Konkrete Arbeiten zu Verkaufsgesprächen und Verhandlungen zwischen Unternehmen werde ich im Kontext meiner Arbeit, die sich auf Kommunikation innerhalb eines Unternehmens konzentriert, nicht diskutieren. Vgl. zu einem Überblick über einzelne Forschungsbeiträge Brünner (2000).
26 ihrer Analyse ist die Erfassung zentraler Handlungsmuster. Darauf aufbauend sollen Lehrund Lernmethoden für den Fremdsprachenunterricht entwickelt werden. Die an formalen Kriterien orientierte Definition spezifiziert Dannerer im Weiteren unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Zwecks. Danach dienen Besprechungen der Koordination der gemeinsamen Arbeit unter sachlich-technischen und hierarchisch-ökonomischen Aspekten mit dem Ziel des kollektiven Problemlösens (vgl. ebd.: 290).49 Als konstitutive Handlungsmuster werden identifiziert: Besprechungseröffnung, Besprechungsbeendigung, Informieren, Dissens-Austragen und Aufgaben-Festlegen. Jedes Muster wird daraufhin noch in kleinere Musterpositionen, z. B. Begrüßung – Identifikation der Teilnehmer – Themenbenennung, unterteilt. Den Vorteil einer Beschreibung auf Basis von Handlungsmustern sieht Dannerer in der Verallgemeinerung und stärkeren Strukturierung. Sprachliche Mittel erscheinen als Realisierungsphänomene an der Oberfläche, wobei unterschiedliche Verwendungsweisen als Indikator für institutionelle Rahmenbedingungen, wie Arbeitsteilung oder Machtrelationen in Unternehmen, gelten. Im Rahmen einer didaktischen Aufbereitung wird die Erarbeitung konkreter sprachlicher Mittel, die zur Realisierung von Handlungsmustern dienen können, als wesentlich betrachtet. Dannerer ergänzt ihre Analysen durch eine Befragung der Sitzungsteilnehmer. Sie (ebd.: 311) stellt fest, dass die Unzufriedenheit mit der Effizienz von Besprechungen damit zusammenhängt, dass diese nur nach expliziten, vor allem sachlich-technischen Ergebnissen bewertet werden und die Teilnehmer Beziehungsaspekte, wie sie in der hierarchisch-ökonomischen Dimension zum Ausdruck kommen, nicht als Ziele berücksichtigen. Allerdings bleibt es bei dieser Aussage, konkrete Kriterien für eine Bewertung bzw. Verbesserung werden nicht abgeleitet. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was durch die detaillierten Muster gewonnen ist, zumal diese ausdrücklich kein Phänomen von Sprache im Gebrauch darstellen. In diskursanalytischen Arbeiten tut sich m. E. eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf: Die Relevanz empirischer Daten wird einerseits stark betont, andererseits beruht die Vorstellung vom Gegenstand noch auf einem Sprachmodell, für das eine künstlich konstruierte Tiefenebene von zentraler Bedeutung ist. Menz (2000) rekurriert im Rahmen seiner Analysen unterschiedlicher Besprechungen ebenfalls auf zentrale Konzepte der Diskursanalyse, vor allem auf den Musterbegriff. Allerdings betrachtet er reine Musteranalysen nicht als ausreichend, sondern setzt sie in Beziehung zu Rollenfaktoren, Entscheidungsstrukturen und Vorstellungen über Kommunikation in den Unternehmen. Darüber hinaus bemängelt Menz (ebd.: 3), dass der Zusammenhang von kommunikativem Handeln in Organisationen und den Organisationen selbst noch nicht
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Dannerer orientiert sich hier an Brünners Dichotomie von sachlich-technischen Aspekten der Wirtschaftskommunikation einerseits und hierarchisch-ökonomischen Aspekten andererseits (vgl. u. a. Brünner 2000: 11ff.). Brünner führt auf diese Differenzierung zwischen einer eher sachlichen und einer eher interessen- und machtgeleiteten Form der Kommunikation viele Konflikte in Organisationen zurück.
27 ausreichend geklärt sei. Daher stellt er die Frage in den Mittelpunkt, wie Zwecke des Organisierens über sprachliche Handlungen realisiert werden. Sein Organisationskonzept beruht auf Überlegungen von Giddens und Weick (vgl. Kap. 2.2) und orientiert sich am Spannungsfeld von Fremd- und Selbstorganisation. Prozesse der Selbstorganisation, verstanden als spontanes Entstehen von Ordnung bzw. Herausbildung von Mustern, werden als wesentlich für das erfolgreiche Überleben einer Organisation betrachtet. Mit der Fokussierung von sprachlichen Formen, die als Indikatoren für solche Selbstorganisationsprozesse gelten, setzt sich Menz von der diskursanalytischen Forschungstradition ab, in deren Arbeiten überwiegend der Ausdruck von Kontrolle und Macht – als Parameter der Fremdorganisation – im Vordergrund steht. Demgegenüber erläutert Menz in seinen Analysen unterschiedliche Verfahren sprachlicher Vagheit, markiert durch Modalverben, Tempus, Modus, indefinite Pronomina, Satzabbrüche etc., sowie das Verfolgen bzw. Abbrechen von Mustern und die Toleranz von Ambiguität. In der Kombination von Kommunikationsformen der Selbst- und der Fremdorganisation spiegelt sich für Menz (ebd.: 294) das zentrale Funktionsprinzip von Organisationen wider: im Wandel stabil zu bleiben. Menz’ Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass er das komplexe Ganze als Ausgangspunkt wählt und eine Verbindung von Mikro- und Makroebene, von sprachlichem Handeln und strukturell-organisatorischen Bedingungen anstrebt. Gleichwohl setzt genau an diesem Punkt meine Kritik an, denn die Institution des Unternehmens wird bei ihm nicht funktional definiert, sondern aus allgemeinen theoretischen Überlegungen zum Organisieren begründet.50 Dem zentralen Zweck eines Unternehmens, der aus spezifisch wirtschaftlichen Interessen resultiert, wird nicht Rechnung getragen. Zwar begreift Menz individuelle Interessen und institutionelle Bedingungen als wechselseitig voneinander abhängige Konstrukte, der Interessenbegriff wird aber weder spezifiziert, noch wird seine Bedeutung für ein Unternehmen erkannt. Was das methodische Vorgehen betrifft, kritisiert Menz einerseits reine Musteranalysen, die von a priori vorgegebenen Mustern ausgehen. Indem er von ‚Erneuerung‘ oder ‚Anpassung‘ spricht, bezieht er sich andererseits aber gleichfalls auf eine vorgängige Struktur.51 Darüber hinaus sind mit den Dimensionen der Analyse, wie Rollenbeziehungen, Entscheidungsstrukturen und Konzeptualisierungen von Kommunikation, zwar wesentliche Punkte benannt; es stellt sich aber die Frage, ob dies die entscheidenden Faktoren sind, die einen wirklich integrierten Zugriff auf das Ganze erlauben. Zum Ende des Forschungsüberblicks möchte ich die Kritik an den vorherrschenden linguistischen Paradigmen im Bereich des Forschungsfelds Kommunikation in Unterneh-
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Vgl. Menz (2000: 69): „Ziel jeglichen Organisierens ist es, Rezepte anzuwenden für Dinge, die eine Person allein nicht tun könnte. D.h. Organisieren ist eine kollektive Tätigkeit und richtet sich auf die Reduktion von Mehrdeutigkeit, was durch Einklammerung des Erlebnisstromes geschieht“. Vgl. auch Menz (2002).
28 men noch einmal zusammenfassend darstellen, um im Anschluss meine eigene Perspektive zu skizzieren. Den State of the Art bildet nach wie vor eine soziologisch geprägte Analyserichtung, die interaktive und kommunikative Prozesse im Hinblick auf Phänomene mit besonderer sozialer Signifikanz, z. B. hierarchische Beziehungsverhältnisse, beschreibt und erklärt. Vor allem in der konversationsanalytischen Tradition steht man theoretischen Vorüberlegungen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Obwohl hier mittlerweile Weiterentwicklungen zu beobachten sind, die insbesondere die Integration von handlungsorientierten Konzepten betreffen, ist der strenge Datenbezug weiterhin kennzeichnendes Merkmal gesprächsanalytischer Forschung. Dies trifft auch auf die Arbeiten der diskursanalytischen Richtung zu, die allerdings die gesellschaftliche Ausarbeitung und den Zweckcharakter sprachlicher Interaktion verstärkt betonen. Das Hauptproblem ist, dass sie ihre Systematiken nicht am komplexen Phänomen begründen, sondern anhand von abstrakten Mustern entwickeln. Zweckbestimmtheit zeigt sich jedoch nicht in Mustern,52 sondern ist ein konstitutives Prinzip im realen kommunikativen Handeln. Gesprächssortenzentrierte Ansätze, die sich an einzelnen Diskurstypen ‚abarbeiten‘, werden der Komplexität des Phänomens Sprache im Gebrauch in meinen Augen nicht gerecht. Die Schwierigkeit der definitorischen Bestimmung eines Diskurstyps scheint dabei den Verfechtern eines diskursanalytischen Verfahrens durchaus bewusst zu sein: „Besprechungen stellen keine klar konturierte und abgegrenzte Diskursart dar, weil ihre Zwecksetzungen sehr heterogen sind“ (Brünner 2000: 183). Daraus wird dann gefolgert, dass zunächst unterschiedliche Aspekte der Kommunikation, wie die Bearbeitung von Konflikten oder der Ausdruck von Macht, zu betrachten seien – m. E. ein Zirkelschluss, denn ohne ein Verständnis für das komplexe Ganze ist der Aussagewert von Einzelaspekten gering. Gleiches gilt für die detaillierten Musteranalysen, denn auch dabei droht der Blick für das Ganze leicht verloren zu gehen. Dieses aufzuschlüsseln ist aktuell eine, wenn nicht die wesentliche Herausforderung und zugleich notwendige Voraussetzung für weitere linguistische Projekte, die sich auf Kommunikation in Unternehmen beziehen. Hier scheint mir außerdem eine mögliche Lösung für Verständigungsprobleme zu liegen, die in der Debatte um Theorie vs. Empirie immer stärker zugespitzt wurden und zu einseitigen Favorisierungen oder sogar Verabsolutierungen geführt haben. In Theorie wie Empirie gilt jedoch die folgende Erkenntnis: Eine grundlegende Leistung des Menschen besteht in der Orientierung angesichts der Komplexität. Des Weiteren stellt sich in jedem Handlungsbereich die Frage nach Weiterentwicklung bzw. Optimierung. Vor dieser Frage schrecken Linguisten zumeist zurück bzw. diskutieren ausweichend methodologische Konzepte und Beschreibungsmodi. Statt sich ihrem Gegenstand, dem menschlichen Sprachgebrauch, zuzuwenden, entfernen sie sich auf diese Weise aber gerade von seinen
52
Zu dieser Annahme vgl. Brünner (2000: 22).
29 konstitutiven Funktionsprinzipien. Für den weiteren Verlauf meiner Arbeit betrachte ich es daher als wesentliche Herausforderung, Interaktion und Kommunikation in Unternehmen im funktionalen Gesamtzusammenhang zu betrachten und Prinzipien der Orientierung sowie der Optimierung aufzuzeigen.
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3
Allgemeine theoretische Grundlegung: Das Modell des dialogischen Handlungsspiels
Eine wesentliche Kritik an den linguistischen Arbeiten, die Kommunikation in Unternehmen zum Gegenstand haben, betrifft das eklektizistische Vorgehen, bezogen auf die allgemeine Themen- bzw. Aufgabenstellung sowie die verwendeten Konzepte und Methoden. Bevor ein weiterer Ansatz für die Untersuchung kommunikativer Interaktion in Unternehmen präsentiert werden kann, besteht die vordringliche Aufgabe darin, diesbezüglich Klarheit zu schaffen, d. h. wesentliche Annahmen zu erläutern, die den nachfolgenden Ausarbeitungen zugrunde liegen. Zentrale Punkte, wie das Verständnis von Sprache und Kommunikation oder das Verhältnis von Theorie und Empirie, wurden bereits benannt und stellen auch im Folgenden Leitfragen dar. Ziel ist dabei nicht die Herleitung und Entwicklung eines neuen Kommunikationsbegriffs. Vielmehr beziehe ich mich auf ein bereits existentes Modell, das der Sprachverwendung generell gerecht zu werden verspricht und das sich als Grundlage für die Untersuchung von Sprache im Gebrauch in unterschiedlichen Handlungsfeldern eignet.
3.1
Ausgangspunkt: Eine Herausforderung
Wie die Ausführungen im Forschungsüberblick gezeigt haben, ist die Untersuchung institutioneller Kommunikation für die Linguistik schon längst kein weißer Fleck mehr auf der Wissenschaftslandkarte. Mit ihren methodischen Werkzeugen fühlen sich die Vertreter der Disziplin gerüstet für weitere empirische Projekte.1 Warum also eine weitere Arbeit, die zunächst eine Systematisierung dialogischer Interaktion in Unternehmen leisten möchte? Dass dies nach wie vor eine zentrale Herausforderung darstellt, mag ein Blick auf die allgemeine Forschungslage innerhalb der Linguistik verdeutlichen. Um hier nicht unnötig weit auszuholen, möchte ich auf zwei maßgebliche Paradigmen verweisen, mit denen sich u. a. Weigand (demn. a) kritisch auseinandersetzt.
1
Vgl. Brünner (2000: 35), die konstatiert: „Im Hinblick auf die mündliche Wirtschaftskommunikation fehlt es vor allem noch an korpusbasierten, empirischen linguistischen Arbeiten“.
31 Als “searchers after hidden laws” charakterisiert Weigand (ebd.) in Anlehnung an Searle (1972) die Vertreter eines klassischen Theorietyps, die regelhafte Zusammenhänge und Muster fokussieren. Auf diese Ebene hinter den tatsächlichen Realisierungen bezieht sich der Begriff der Kompetenz. Bei der Gegenposition, die bereits im Forschungsüberblick vorgestellt wurde, handelt es sich um Ansätze, die von einem Primat der Empirie ausgehen und so viele empirisch registrierbare sprachliche Daten wie möglich erfassen wollen. Als ihr Verdienst kann gelten, dass sie den Blick auf den authentischen Text lenken. Ich wähle bewusst den Ausdruck Text und nicht Gespräch, obwohl sich die Vertreter dieser Position vor allem um die Gesprächsanalyse verdient machen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sie ein Gespräch adäquat erfassen können, wenn sie zwar die sprachlichen Phänomene minutiös beschreiben, weitere Dimensionen kommunikativen Handelns, wie Kognition und Perzeption, aber nicht integrieren. Für das konkrete individuelle Sprechereignis, die Performanz, sind diese menschlichen Fähigkeiten unerlässlich, andernfalls wird der Gegenstand wiederum künstlich zurechtgeschnitten (vgl. Weigand 2004b). Sowohl beim searching after hidden laws als auch beim searching in authentic texts entsteht somit eine Kluft zwischen konstruierten Systemen einerseits und der sog. Realität andererseits, zwischen idealer Kompetenz und tatsächlicher Performanz (vgl. Weigand demn. a). Dies ist gerade auch im Hinblick auf die so häufig geforderte Annäherung zwischen Wissenschaft und Praxis eine recht unbefriedigende Perspektive. Der Kern des Problems liegt in einem Denken in Dichotomien (Kompetenz vs. Performanz, Theorie vs. Empirie), das vom eigentlichen Gegenstand Sprachgebrauch in seiner Komplexität ablenkt. In dieser Hinsicht lauten zentrale Fragen: Kann es Kommunikation unabhängig von Menschen geben? Was ist der Schlüssel zum Verständnis dialogischer Interaktion? Wie lässt sich Komplexität in diesem Zusammenhang fassen?2 Dies sind Fragen, die sich nicht allein durch eine noch so genaue Beobachtung der Empirie beantworten lassen. In Abwandlung einer Aussage von Dirk Baecker (2003a: 140) gilt vielmehr: „Wichtig ist nur, und deswegen ‚Theorie‘, daß man genauer als bisher um das Funktionieren von Kommunikation [eigentlicher Wortlaut: um die Funktion von Unbestimmtheit] weiß“.
2
Grundsätzlich beschreibt Komplexität die „immanente Vielschichtigkeit eines Systems, dessen Variablen eine Vielzahl heterogener Beziehungen aufweisen“ (Bliss 1998: 5). In diesem Sinne hat das Konzept der Komplexität in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen, trifft es doch auf eine Vielzahl von Phänomenen unserer Zeit zu. Mittlerweile gibt es sogar eine eigene Forschungsrichtung unter dem Oberbegriff ‚Komplexitätsforschung‘. Populär wurde diese Richtung durch Arbeiten, die am Santa Fe Institute entstanden sind. Zu den bekanntesten Vertretern zählen der Nobelpreisträger Murray Gell-Mann, Stuart Kauffman u. a. Ihr Credo lautet: “We are able to observe surface complexity arising out of deep simplicity” (Lewin 1992: 14).
32 An das grundsätzliche Ziel, die Funktionsweise von Sprache im Gebrauch zu verstehen und adäquat darzustellen, schließen sich weitere Herausforderungen an, die nicht unmittelbar zu bewältigen sind. Wie ich im Folgenden darlegen werde, sind wir mittlerweile in der Lage, sog. dialogische Handlungsspiele in ihren Grundstrukturen zu beschreiben. Eine systematische Herleitung der Menge an komplexen Handlungsspielen wurde noch nicht geleistet und stellt in den nächsten Jahren eine, wenn nicht die Herausforderung für die Linguistik dar.3 Indem spezifische Handlungsbereiche wie die Wirtschaft, das Recht, die Medien etc. untersucht werden, lässt sich weiteres Wissen über Sprache als natürliches Phänomen gewinnen, das letztendlich der systematischen Beschreibung des Sprachgebrauchs in seiner ganzen Komplexität zugute kommt.
3.2
Menschliche Interaktion und Kommunikation als Forschungsgegenstand
Damit die Reflexionen zu Anfang dieses Kapitels nicht auf einer theoretisch-abstrakten Ebene verbleiben, ist der Fokus im Folgenden auf den Gegenstand ‚Sprachgebrauch‘ zu richten. In einem ersten Schritt gilt es zu klären, was wir hier überhaupt beschreiben wollen und welche Merkmale unser Objekt auszeichnen. Der zweite Schritt der Theoriebildung besteht in der Ableitung einer Methodologie, die sich am Gegenstand orientiert und insofern ein Bindeglied zwischen Theorie und Empirie darstellt.
3.2.1 Prämissen Wenn sowohl die ausschließliche Konzentration auf eine ideale Kompetenz als auch die reine Beschreibung der Performanz der Komplexität der menschlichen Kommunikation nicht gerecht werden, sind neue Konzepte gefragt, die eine Beschreibung und Erklärung des Sprachgebrauchs ermöglichen. Würde sich die Linguistik dabei lediglich auf die verbalen Realisierungen beschränken, könnte sie „Sprache als natürliches soziales Phänomen“ (Weigand 2003: 7) nicht adäquat erfassen. Denn prinzipiell geht es nicht um Sprache als unabhängiges Konstrukt, sondern um Sprache, wie sie von Menschen gebraucht wird.
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In diesem Zusammenhang möchte ich auf die kontinuierliche Weiterentwicklung des Modells des dialogischen Handlungsspiels durch Weigand selbst verweisen (vgl. Weigand 2003, Weigand demn. a).
33 Dabei kann die Fähigkeit zu sprechen nicht getrennt werden von anderen menschlichen Fähigkeiten, wie den Fähigkeiten zu denken oder wahrzunehmen (vgl. Weigand 2003: 4). Zentral für das dieser Arbeit zugrunde liegende Kommunikationsverständnis ist somit in erster Linie die Orientierung an den komplexen, integrativ genutzten menschlichen Fähigkeiten. In diesem Zusammenhang überwindet Weigand (vgl. 2001b, 2003, demn. a) die Dichotomie von Kompetenz und Performanz mit dem Konzept der Kompetenz-in-der-Performanz als “complex integrated ability of human beings to orientate themselves in dialogic interaction” (Weigand demn. a). In der dialogischen Interaktion, d. h. in der Performanz, zeigt sich, dass Menschen kompetent sind, mit Komplexität umzugehen, insofern sie sich trotz individuell unterschiedlicher Hintergründe und Erfahrungen erfolgreich verständigen.4 Bevor wir uns nun der Frage zuwenden, wie dies möglich ist und welche Orientierungsprinzipien konkret in Anspruch genommen werden, ist zu erläutern, mit Hilfe welcher Einheit die Kompetenz-in-der-Performanz beschrieben werden kann. Den wesentlichen Schlüssel zum Verständnis des komplexen Objekts bilden weitere Annahmen über den Menschen. Als soziales, zweckorientiertes und interessengeleitetes Wesen steht er im Mittelpunkt. So ist der Mensch erstens kein Einzelwesen, sondern seit jeher angewiesen auf andere und daher bestrebt, seine Position in einer sozialen Gruppe zu behaupten.5 In der Konsequenz erfüllen Sprache und Kommunikation zweitens keinen Selbstzweck, sondern dienen grundsätzlich der Verständigung mit anderen Menschen. Verständigung ist dabei weder mit kognitivem Verstehen noch mit Konsens gleichzusetzen, sondern meint vielmehr ein Klarstellen der jeweiligen Positionen bzw. ein Aushandeln von Meinen und Verstehen (vgl. Weigand 2003: 8). Neben dem grundlegenden Zweck der Verständigung gibt es eine Vielzahl spezifischer Zwecke, die sich sowohl auf kurze dialogische Sequenzen als auch auf komplexere Interaktionszusammenhänge beziehen.6 Menschliche Interessen schließlich gründen im Selbsterhaltungstrieb sowie der individuellen Sicht und Bewertung von Welt. Auch wenn sie grundsätzlich verallgemeinerbar sind, stellen sie in der konkreten Situation individuell ausgeprägte Triebfedern menschlichen
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Das Verständnis von Kompetenz-in-der-Performanz ist anschließbar an den Kompetenzbegriff, wie ihn Baecker (2003b: 185) fasst, nämlich als „Fähigkeit, mit einer relativ begrenzten Anzahl von Regeln eine relativ komplexe Palette von Verhaltensmöglichkeiten generieren zu können“. Weigand (demn. a) bezeichnet dieses Streben als “survival need”. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Zwecke einander bedingen und über- bzw. untergeordnet sind. Wenn z. B. als übergeordneter Zweck des Managements die effektive Führung eines Unternehmens angenommen wird, so lässt sich dieser Zweck weiter herunterbrechen in Zwecke wie Planung, Kontrolle etc. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden diese komplexen Zusammenhänge stets berücksichtigt, der Fokus liegt allerdings auf den spezifischen Zwecken dialogischen Handelns.
34 Verhaltens dar.7 Als vielschichtiges Konstrukt reichen Interessen von Grundbedürfnissen bis hin zu institutionsspezifischen Interessen, wie dem Interesse des Politikers, Zustimmung für seine Position zu gewinnen bzw. letztlich gewählt zu werden.8 Interessen integrieren daher persönliche Bedürfnisse und Wünsche auf der einen Seite und soziale Erwartungen auf der anderen Seite, womit auch sie den Menschen als soziales Wesen auszeichnen (vgl. van der Wilk 1991).9 Mithin handelt es sich um eine Größe, die nicht vernachlässigt werden darf, wenn man sich mit Kommunikation beschäftigt, die aber zugleich nicht leicht zu erschließen ist, weil Interessen in den meisten Fällen nicht explizit zum Ausdruck gebracht werden. Sie stellen vielmehr eine “force behind” (Weigand demn. a) dar und prägen als solche das menschliche Handeln maßgeblich. In Folge dieser grundlegenden Annahmen kann die Einheit, mit deren Hilfe menschlicher Sprachgebrauch zu beschreiben ist, weder eine symbolische Einheit wie ein einzelnes Lexem noch eine monologische Einheit wie ein einzelner Sprechakt sein. Mit dem Konzept des dialogischen Handlungsspiels führt Weigand (2000: 7) eine kulturelle Einheit ein, “a unit of our cultural world which comprises the different communicative worlds of the interlocutors”.10 Im Zentrum eines Handlungsspiels stehen interagierende Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Hintergründen und Erfahrungen, die ihre Positionen
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Individuell ausgeprägt heißt nicht, dass nur einem Individuum Interessen zugeschrieben werden können. Es gibt darüber hinaus kollektive Interessen, z. B. auf Ebene einer Partei, einer Firma o.ä. In diesem Sinne würde ich auch vom Interesse der Partei oder dem Interesse des Unternehmens sprechen – nicht, weil ich diesen einen Subjektstatus zubillige, sondern weil ich davon ausgehe, dass zumindest im Kern ein gemeinsames Interesse der beteiligten Personen existiert. In Bezug auf diese unterschiedlichen Kollektive variieren die Interessen in Abhängigkeit vom Handlungsfeld (Politik, Wirtschaft etc.). Den engen Bezug zu Situationen bzw. Handlungskontexten stellt auch Zerfaß (1996: 88) heraus, für den Interessen ein Wollen bezeichnen, das sich auf bestimmte Lebensweisen und Handlungskontexte richtet und als solches die Identität des/der Handelnden prägt. Im vielschichtigen Interessenkomplex sind zwangsläufig Interessenkollisionen anzunehmen. Z.B. können die Karriereinteressen eines einzelnen Politikers den Interessen seiner Partei zuwiderlaufen. Vgl. die Bedürfnispyramide von Maslow (1954), die neben physiologischen Grundbedürfnissen auch Bedürfnisse sozialer Art, wie Kontakt und Anerkennung, erfasst. Die Spiel-Metapher wurde in Bezug auf Sprache und Kommunikation erstmals von Wittgenstein (1958/1967) gebraucht, der von Sprachspielen spricht. In einer vergleichbaren Wendung, nämlich als Kommunikatives Handlungsspiel wurde der Begriff des Handlungsspiels in den 70er Jahren von Siegfried J. Schmidt im Rahmen seiner Texttheorie verwendet. Schmidt (1976: 46) definiert: „Ein kommunikatives Handlungsspiel ist eine abgrenzbare Kommunikations‚geschichte’ [...] bzw. eine zeitlich und räumlich abgrenzbare Menge von Kommunikationsakten“. Viele seiner Annahmen, so z. B. die Einbindung sprachlicher Kommunikation in soziale Interaktion, können nach wie vor nur unterstrichen werden und sind kompatibel mit den hier skizzierten Prämissen. Wenn ich im Folgenden von Handlungsspielen spreche, so beziehe ich mich grundsätzlich auf das Modell des dialogischen Handlungsspiels nach Weigand, in dem die kulturelle Dimension des kommunikativ-sprachlichen Handelns noch stärker akzentuiert wird.
35 kommunikativ-dialogisch aushandeln. Individuelle Interessen sollen demzufolge ebenso Berücksichtigung finden wie kulturelle Ausdifferenzierungen, z. B. unterschiedliche Werte und Ideologien in verschiedenen Gesellschaften und ihren zentralen Handlungsbereichen, wie der Wirtschaft, dem Recht usw. Wesentlich für die Bestimmung eines dialogischen Handlungsspiels ist der interaktive Zweck. Dies gilt sowohl für minimale Handlungsspiele aus Aktion und Reaktion als auch für komplexe Handlungsspiele, die sich über längere Sequenzen erstrecken und ein mehr oder weniger hohes Maß an kultureller Handlungskompetenz voraussetzen. Um das Konzept des Handlungsspiels genauer zu charakterisieren, möchte ich den Blick auf die beiden Bestandteile des Kompositums lenken. Der erste Teil bestimmt Kommunikation als Form des Handelns, wobei die Zuordnung von Zweck und Mitteln eine Handlung konstituiert (vgl. Weigand 1991: 81).11 Diese allgemeine Definition gilt für sprachliche wie für nicht-sprachliche Handlungen. Um ein Produkt herzustellen, werden entsprechende Werkzeuge benötigt; will ich mein Gegenüber zu einer bestimmten Handlung veranlassen, so fordere ich ihn mittels Sprache dazu auf. Allerdings sind die kommunikativen Mittel nicht ausschließlich sprachlicher Natur, auch die kognitiven und perzeptiven Fähigkeiten des Menschen spielen beim kommunikativen Handeln eine zentrale Rolle (vgl. Weigand 2003: 4). Die Berücksichtigung der unterschiedlichen, integrativ verwendeten Fähigkeiten widerspricht von vornherein der Annahme eines wohlgeformten, regelbasierten Dialogs, wie sie z. B. in der Dialoggrammatik vertreten wird (vgl. Hundsnurscher 1980).12 Im Handlungsspiel reichen Regeln allein nicht aus, um erfolgreiche Verständigung in prinzipiell unzähligen Kommunikationssituationen zu erklären. Demgegenüber zeichnen andere Erfolgskriterien, die für ein Spiel wesentlich sind, wie Kreativität und Anpassungsfähigkeit an neue Situationen und Spielzüge, ein dialogisches Handlungsspiel aus.13 Im Folgenden wird es darum gehen, Prinzipien zu identifizieren, die den Kommunikationspartnern dabei Orientierung bieten.
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Handlungstheoretische Konzepte liegen in diversen Wissenschaften vor, wobei die Forschungsinteressen variieren, je nachdem ob psychologische oder soziale Aspekte im Vordergrund stehen. Vgl. grundlegend die Darstellungen von Lenk (1980) und Münch (1982) sowie den Sammelband von Stoecker (2002). Dabei kann es als Verdienst der Dialoggrammatik gelten, den kommunikativen Zweck als Schlüsselkonzept für die Beschreibung kommunikativer Interaktion bestimmt zu haben. Vgl. dazu auch Neuberger (1988), für den das Potential der Spiel-Metapher darin besteht, dass sie Regeln wie Innovationen, Subjektivität wie Interaktivität, rationale Planung wie Spontaneität zulässt.
36 3.2.2 Prinzipien der Kommunikation Wenn Menschen in dialogischen Handlungsspielen ihre Positionen aushandeln, folgt daraus, dass der sprachlichen Interaktion immer eine gewisse Offenheit bzw. Unbestimmtheit inhärent ist (vgl. Weigand 2003: 5). Konventionen14 und rational begründbare Erwartungen mögen zwar kommunikative Ansprüche stützen und sprachliches Handeln zu einem Teil erklären. Gleichzeitig entscheiden die Interaktionspartner aber aufgrund situativer Umstände, mit welchen kommunikativen Strategien sie ihre Ziele am besten erreichen können. Als ein offenes, auf den realen Sprachgebrauch gerichtetes Modell negiert das Modell des dialogischen Handlungsspiels den Status von Regeln und Konventionen nicht, nimmt jedoch Wahrscheinlichkeitsprinzipien als essentielles Merkmal kommunikativen Handelns an. Es handelt sich dabei um unterschiedliche ‚Techniken‘, die Menschen nutzen, um sich angesichts der Komplexität zu orientieren (vgl. Weigand 2000: 8). Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, nicht aber mit absoluter Sicherheit, ist zu erwarten, dass sie ihr Verhalten an diesen Prinzipien ausrichten.15 Der Offenheit des Dialogs entsprechend sind individuelle Schlussfolgerungen und situative Besonderheiten konstitutiver Bestandteil des Prinzipienkonzepts. Was daran m. E. bemerkenswert ist und in der linguistischen Theoriebildung seinesgleichen sucht, ist die gleichzeitige Relevanz für die Kommunikationsforschung. Die Prinzipien stellen methodologische Werkzeuge bzw. Heuristiken dar, die Orientierung bei der Analyse authentischen Sprachgebrauchs bieten. Mit der bereits erwähnten Charakterisierung sprachlichen Handelns als Zuordnung von Zwecken und Mitteln ist nach Weigand (2000, 2003) ein erstes konstitutives Prinzip des Sprachgebrauchs erfasst, das sie als Handlungsprinzip bezeichnet. Mit jedem Sprechakt wird ein Zweck erfüllt und dazu werden kommunikative Mittel, d. h. sprachliche, kognitive und perzeptive Mittel, eingesetzt. Die funktionale Seite einer Sprechhandlung repräsentiert die von Searle (1969) entwickelte Formel F(p). Während F die Handlungsfunktion, z. B. eine bitte oder behauptung beschreibt, drückt die Proposition p aus, auf was sich die bitte oder behauptung bezieht, den sog. Weltausschnitt.16 Zusätzlich führt Weigand in ihrem neuesten Entwurf (vgl. Weigand demn. a.) noch die übergeordnete Kategorie interest ein, da, wie oben erläutert, Interessen die Triebfeder menschlichen Handelns darstellen.17
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Im Gegensatz zu Regeln, die sprecherunabhängige, verallgemeinerbare Konstrukte darstellen, haben Konventionen für eine bestimmte Gruppe Gültigkeit (vgl. Weigand 2000: 8). Insofern unterscheiden sich Wahrscheinlichkeitsprinzipien auch von den normativen Grice’schen Konversationsmaximen. Vielfach geht diese Differenzierung verloren bzw. verschwimmt in dem allgemeinen Begriff des Themas. Dieser erfasst, wenn überhaupt, nur die Proposition, trägt dem funktionalen Charakter sprachlichen Handelns also nicht ausreichend Rechnung. Vgl. auch Fußnote 6, Kapitel 5. Vgl. dazu auch die handlungstheoretische Begründung von Zerfaß (1996: 87 ff.), für den kon-
37 (Fig. 1) Sprechakt als kommunikative Handlung Interesse [Kommunikativer Zweck (Weltausschnitt)] ↔ kommunikative Mittel
Der entscheidende Unterschied zu einem regelhaften Zusammenhang besteht darin, dass die Zuordnung von Zwecken und Mitteln kein Fixum darstellt. Vielmehr kann ein kommunikativer Zweck mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden und auch die kommunikativen Mittel sind nicht eins zu eins auf die Zwecke bezogen. Es ist eben jene Flexibilität, die ein Wahrscheinlichkeitsprinzip auszeichnet. Als zweites konstitutives Prinzip trägt das dialogische Prinzip der grundsätzlichen Dialogizität des Sprachgebrauchs Rechnung. Nicht der einzelne Sprechakt, sondern die Abfolge von Aktion und Reaktion konstituiert das kleinste kommunikativ autonome Handlungsspiel. (Fig. 2) Aktion ↔ Reaktion
Aktion und Reaktion sind jedoch nicht nur als formale Abfolge von Äußerungssequenzen in Form von Rede und Gegenrede zu verstehen. Ein funktionaler Dialogbegriff impliziert demgegenüber, dass jeder Sprechakt an einen Kommunikationspartner gerichtet ist, insofern mit ihm initiativ ein Anspruch gestellt oder reaktiv ein Anspruch erfüllt wird.18 Die Abhängigkeit von Aktion und Reaktion drückt sich in einer dialogischen Sprechakttaxonomie (vgl. Weigand 2003) wie in (Fig. 3) dargestellt aus:19 (Fig. 3) direktive ↔ repräsentative ↔ explorative ↔ deklarative ↔
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zusagen akzeptieren antworten (bestätigen)
krete Zwecke immer mit Interessenlagen verknüpft sind. Oppenheimer (1991: 9) konstatiert: “Fundamental to any action is the presence of desires that constitute the motive to act”. Auch formal monologische Texte sind in diesem Sinne gerichtet. So zielt z. B. ein literarischer Text auf eine Reaktion bei den Lesern; im Rahmen eines Selbstgesprächs tritt ein Mensch in einen inneren Dialog mit sich selbst ein. Weigand baut mit dieser Typologie sprachlicher Handlungen auf dem Ansatz von Searle (1975) auf, der fünf Klassen (Repräsentative, Direktive, Kommissive, Expressive, Deklarative) unterscheidet. Allerdings liegen seiner Differenzierung weder konsistente Kriterien zugrunde, noch lässt sich eine dialogische Ausrichtung erkennen. Diese ist jedoch fundamental für den Ansatz von Weigand (2003). Dementsprechend zielen die Ansprüche des Sprechers auf Wahrheit (Repräsentativ), auf Wissen (Explorativ) und auf Wollen (Direktiv) auf eine entsprechende Reaktion des Kommunikationspartners. Einen Sonderfall bilden die Deklarative, bei denen etwas qua Äußerung geschaffen werden soll, Aktion und Reaktion also zusammenfallen. Ich werde mich im Rahmen meiner Herleitung dialogischer Handlungsspiele in Unternehmen an den fundamentalen Funktionsklassen orientieren und verweise hier auf die ausführliche Erläuterung in Kapitel 4.4.
38 Das dritte konstitutive Prinzip, das Kohärenzprinzip, schließt unmittelbar an die Überlegung an, dass Menschen in der Kommunikation nicht ausschließlich mit sprachlichen Äußerungen agieren, sondern zugleich perzeptive und kognitive Mittel zum Einsatz kommen. Insbesondere durch kognitive Leistungen, wie die Fähigkeit Schlussfolgerungen zu ziehen oder den Kommunikationspartner einzuschätzen, wird Kohärenz gestiftet, auch wenn diese auf der verbalen Ebene allein nicht gegeben ist. Ein beliebtes Beispiel stellt in diesem Zusammenhang die folgende Sequenz dar: A: Es läutet. – R: Ich bin im Bad.
Die Reaktion ist hier als indirekte Ablehnung der ebenfalls indirekten Aufforderung, die Tür zu öffnen, zu verstehen. Auch wenn es sich nicht um eine sprachlich direkt realisierte Ablehnung handelt, sind die Interaktionspartner aufgrund von situationsadäquaten Schlussfolgerungen – der Antwortende kann die Tür nicht öffnen, weil er sich unter der Dusche befindet – in der Lage, sich zu verständigen. Kohärenz ist somit keine Eigenschaft des Textes,20 sondern an die Fähigkeiten des Menschen und sein Bestreben gebunden, Sinn zu stiften und Verständigung zu erzielen. Neben den drei universellen Grundprinzipien übernimmt eine weitere Kategorie von Wahrscheinlichkeitsprinzipien eine regulative Funktion im kommunikativen Handeln. Was sich reguliert, sind auf den ersten Blick adversative Kräfte bzw. Eigenschaften menschlichen Verhaltens. Dies sind erstens Gefühl und Verstand und zweitens Effektivität und Respekt.21 Im Hinblick auf das erste Paar zeichnet sich in den Wissenschaften allgemein die Tendenz ab, Rationalität nicht mehr als einzigen und idealen Maßstab für menschliches Agieren zu begreifen. Ganz im Gegenteil sind in letzter Zeit verstärkt Konzepte gefragt, die die emotionalen Anteile im Menschen würdigen.22 In Abkehr von der klassischen Dichotomoie von emotio und ratio berufen sie sich auf die untrennbare Verbindung von Gefühl und Verstand, wie sie schon im Gehirn des Menschen angelegt ist (vgl. Damasio 2000). Diese Grundbedingung menschlichen Seins hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Kommunikation, in der Emotionen und verstandesmäßiges Kalkül sich gegenseitig beeinflussen, wobei mal das eine, mal das andere überwiegt. In der konkreten Ausgestaltung ist dieses Wechselspiel nicht zuletzt von kulturellen Bedingungen abhängig. Was als angemessenes Sprachverhalten zählt und inwieweit z. B. die Demonstration von Gefühlen akzeptiert
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In der Linguistik wird der Kohärenzbegriff zumeist in einer entsprechenden Weise gebraucht, indem sprachliche Elemente wie Partikeln oder Pronomina Kohärenz signalisieren sollen. M.E. ist der Begriff ‚Respekt‘ als Pendant zu ‚Effektivität‘ eher geeignet als der Begriff der ‚Höflichkeit‘, weil ‚Respekt‘ ein umfassenderes Konzept umschreibt. Vgl. zu linguistischen Perspektiven Weigand (2004) (ed.). Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht setzt sich Simon (1983) mit der Rolle der Vernunft im Leben des Menschen auseinander. Schreyögg/Sydow (2001) widmen dem Thema Emotionen und Management im Rahmen ihrer Reihe zur Managementforschung einen eigenen Band.
39 wird, variiert aufgrund der Werte und Traditionen in den unterschiedlichen Kulturen (vgl. Weigand 2004a: 18f.). Entsprechende Konventionen und Verhaltensregeln sind gerade bei der Analyse von dialogischen Handlungsspielen in institutionellen Zusammenhängen, wie in Unternehmen, zu berücksichtigen. Denn auch wenn gilt, dass „die Grundeinstellung zu Emotionen im Allgemeinen und zu Emotionen in Organisationen im Besonderen [...] wesentlich positiver geworden [ist]“ (Schreyögg/Sydow 2001: vii), zählen am Arbeitsplatz nach wie vor kontrolliertes Verhalten und sachliche Argumentation. Das zweite regulative Prinzip ist im Hinblick auf den Gegenstand dieser Arbeit von noch größerer Relevanz. Menschen verfolgen individuelle Interessen und sind bestrebt, ihre ureigenen Ziele zu realisieren. Damit ihnen dies gelingt, versuchen sie die ihnen zur Verfügung stehenden kommunikativen Mittel so wirksam wie möglich einzusetzen. Darauf bezieht sich der Begriff der Effektivität, wie er auch den folgenden Ausführungen zugrunde liegt. Wirksamer bzw. effektiver Sprachgebrauch ist aber nicht nur auf die Durchsetzung der eigenen Interessen bezogen. Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und als solches Bedürfnisse und Ziele seines Gegenübers zu respektieren hat. Im Handlungsspiel regulieren sich somit die Interessen von ego einerseits und alter andererseits. Weigand (demn. a) fasst das dynamische Zusammenspiel von Effektivität und Respekt als rhetorisches Prinzip. Dies ist durch ihren Rhetorikbegriff zu begründen, für den die Effektivität des Sprachgebrauchs das entscheidende Definitionsmerkmal darstellt (vgl. Weigand 1999). Da schon dem dialogischen Grundprinzip des Anspruch-Stellens Effektivität innewohnt, kann es letztlich keinen nicht-rhetorischen Sprachgebrauch geben. Vielmehr gilt: “Wherever there is ‘meaning’, there is ‘persuasion’” (Burke 1950: 172). Gleichwohl ist zu beachten, dass sich abhängig von kulturellen Traditionen und Wertvorstellungen Konventionen und Interaktionsregeln entwickelt haben, die als Maßstab für höfliches Sprachverhalten in einer Gesellschaft gelten. Vor allem im fern-östlichen Kulturkreis ist der Respekt gegenüber dem Anderen bzw. seiner Position in der sozialen Hierarchie von derart zentraler Bedeutung, dass dafür sogar eigene grammatische Kategorien zur Verfügung stehen (vgl. Cho 2005). Demgegenüber hat in den westlichen Kulturen die Autonomie des Individuums schon immer eine große Rolle gespielt und individuelle Leistungen werden entsprechend honoriert. Doch sei auch in diesem Zusammenhang vor simplen Dichotomien gewarnt. So ist z. B. im Hinblick auf moderne Arbeitsformen in der westlichen Wirtschaft Teamwork, die Zusammenarbeit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz, mehr als nur ein Schlagwort und hier stellt sich selbstverständlich die Frage, wie im kommunikativen Handeln ein Interessenausgleich erzielt werden kann. Einen dritten Typ von Prinzipien bilden die sog. exekutiven Prinzipien. Während sich die konstitutiven Prinzipien auf die kleinste kommunikativ autonome Einheit, die Abfolge von Aktion und Reaktion, beziehen, sind die exekutiven Prinzipien dafür verantwortlich, wie aus dieser Einheit größere Sequenzen bzw. komplexe Handlungsspiele entstehen. Es
40 geht mithin um kommunikative Strategien, die den Handlungsverlauf bestimmen und in denen sich wiederum die Interessen der Interaktionspartner widerspiegeln. Kennzeichnend für komplexe Handlungsspiele sind vielschichtige Interessenlagen. Ich werde dies in Bezug auf Kommunikation in Unternehmen in den nächsten Kapiteln erläutern und möchte hier den politischen Bereich als Beispiel bemühen. Der Politiker, der in einem Fernsehinterview Rede und Antwort steht, sollte auf der einen Seite parteipolitische Interessen und Ziele vermitteln. Auf der anderen Seite ist er bestrebt, eine gute Figur zu machen und Sympathien zu gewinnen. Gerade im Medium Fernsehen zählt die überzeugende Präsentation. Sie kann jedoch in Konflikt zum senderspezifischen Programmauftrag geraten, an dem sich der Interviewer zu orientieren hat. Frage und Antwort können daher nie losgelöst vom Ganzen betrachtet werden, und der Blick auf das Ganze verrät Frage- und Antwortstrategien, die nicht nur für den Einzelfall Gültigkeit haben, sondern als charakteristische Merkmale des Politikerinterviews gelten können (vgl. Bollow demn.). Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass es das Zusammenspiel von konstitutiven, regulativen und exekutiven Prinzipien ist, das die Komplexität des Sprachgebrauchs widerspiegelt, authentische Kommunikation aber zugleich der Analyse zugänglich macht.
3.3
Implikationen für die Forschung
Mit ihrer „Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln“ fordern Ulrich/Probst (1990) eine Abkehr vom analytischen Denken, das zunächst das Ganze in Teile zerlegt und diese getrennt voneinander erklärt, sowie eine Hinwendung zum synthetischen Denken, das die Teile von vornherein in ihrer Funktionalität für das Ganze betrachtet. In den letzten Teilkapiteln wurde ein Modell kommunikativen Handelns skizziert, das diesem Anspruch gerecht wird, indem es verschiedene Dimensionen integriert: Sprache und Kognition, universelle menschliche Bedürfnisse und kulturelle Ausdifferenzierungen, Regeln für das menschliche Zusammenleben und die Freiheit, diese kreativ zu modifizieren. Weder idealistische Konzepte noch empirische Analysen allein rechtfertigen die Linguistik als „Humanwissenschaft“ (Weigand 2003: 4) – dies tut vielmehr ihr komplexer Gegenstand. Als anpassungsfähige, konstruktive Wesen sind die Menschen von Anfang an in der Lage gewesen, mit Komplexität umzugehen und ihre Kompetenz-in-der-Performanz beständig zu entwickeln und zu verbessern. Die Frage, ob sich nicht auch die Wissenschaft dieser Herausforderung stellen sollte, mutet da schon fast rhetorisch an. Mit dem Konzept der Wahrscheinlichkeitsprinzipien, das Orientierungshilfe in der dialogischen Interaktion bietet, steht dem Linguisten ein neuartiges Hilfsmittel zur Verfügung. Soweit er bei der
41 Beschreibung und Erklärung dialogischer Interaktion auf diese Prinzipien rekurriert, sollte ihm allerdings bewusst sein, dass er selbst in der Rolle des Beobachters agiert und im Endeffekt nur die Sprecher selbst wissen, wie ihre Äußerungen gemeint sind. Genauso wie die Kommunikationspartner Mutmaßungen und Schlussfolgerungen anstellen, setzt auch der Wissenschaftler seine kognitiven Fähigkeiten ein. Er steht dem Objekt seiner Forschung nicht voraussetzungslos gegenüber, sondern trägt Fragen an den Gegenstand heran. Dies möchte ich im Hinblick auf mein Projekt kurz erläutern, um auf diese Weise zugleich einen Ausblick auf die folgenden Kapitel zu liefern. Grundlegende Fragen lauten: Welche Funktionen hat Kommunikation in Unternehmen? und Wie funktioniert Kommunikation in Unternehmen? Kommunikative Handlungen sind neben praktischen Handlungen, wie der Herstellung von Produkten, nur eine, wenn auch eine wesentliche Form des Handelns in Unternehmen. Als solche werden sie zum Spiegel unternehmerischer Interessen und Entscheidungen. Nötig ist daher zunächst ein grundsätzliches Verständnis für das, was ein Unternehmen als Ganzes auszeichnet. Als wesentliche Erklärungskategorie ziehe ich dabei das Interesse heran, das hinter dem wirtschaftlichen Agieren steht, wie wir es in unserer Kultur kennen und erleben. Dieses Interesse manifestiert sich zum einen in Zwecksetzungen bzw. strategischen und operativen Zielen, zum anderen in organisatorischen Abläufen und Strukturen (vgl. Kap. 4.2). Erst vor diesem Hintergrund können dialogische Handlungsspiele in Unternehmen adäquat beschrieben werden. Wesentlich ist ihre Funktion für das komplexe Ganze. So muss in einem Unternehmen, das sich am Markt behaupten will, zumindest das Management über die aktuelle Situation informiert sein und die Mitarbeiter müssen wissen, was zu tun ist, um die derzeitige Position beizubehalten oder zu verbessern. Damit korrespondieren kommunikative Handlungen des Informierens und des Anweisens, die sich in einer dialogischen Sprechakttaxonomie verorten lassen. Mit Hilfe eines derartigen Gerüsts ist ein erster Zugriff auf den Gegenstand Kommunikation in Unternehmen möglich. Hinsichtlich realer, komplexer Handlungsspiele sind aber nicht nur das Handlungsprinzip und das dialogische Prinzip zu berücksichtigen, sondern zugleich regulative und exekutive Prinzipien in Betracht zu ziehen. Denn abhängig von der Strategie und Organisation eines Unternehmens können dialogische Handlungsspiele Variationen aufweisen, die durch den Bezug auf das Ganze bzw. das, was ich im Folgenden als Unternehmenskultur bezeichne, zu erklären sind. Dies betrifft den Umgang mit Emotionen ebenso wie die Frage, wer seine Interessen im Falle des Problem- oder Konfliktlösens durchsetzen kann und wie er dies argumentativ begründet. Es versteht sich gleichsam von selbst, dass die Beschreibung dialogischer Handlungsspiele in Unternehmen nicht zu leisten ist, wenn nicht Erkenntnisse aus anderen Disziplinen, wie der Betriebswirtschaftslehre oder der Kommunikationswissenschaft, integriert werden. Mein Plädoyer für einen interdisziplinären Ansatz ist daher keiner Modewelle in den Wissenschaften geschuldet, sondern durch den Gegenstand begründet. Grundlegende wie auch
42 erste konkrete Erkenntnisse und Implikationen sollten im Rahmen der allgemeinen theoretischen Grundlegung deutlich geworden sein, so dass bereits eine Brücke zum Gegenstand dieser Arbeit, dialogischen Handlungsspielen in Unternehmen, geschlagen ist.
43
4
Theoretische Grundlegung der Kommunikation in Unternehmen
Talk und Action sind nach Brunsson (1989) die konstitutiven Dimensionen für das Entscheidungsverhalten in Organisationen. Eine Perspektive von talk as action wurde in Kapitel 3 entwickelt. Dabei waren es allgemein gehaltene Bemerkungen zum Handlungscharakter von Kommunikation, durch die zwar deutlich geworden sein sollte, was unter action bzw. talk zu verstehen ist, die allerdings den Gegenstand Kommunikation in Unternehmen höchstens gestreift haben. Im Folgenden wird der Fokus auf dialogische Handlungsspiele in Unternehmen gerichtet, d. h. kommunikatives Handeln in einem kulturell-institutionellen Rahmen beschrieben und erläutert. Den Rahmen stellt die Institution des Unternehmens als wirtschaftlich-rechtlich organisiertes Gebilde dar, das bestimmte Funktionsmechanismen aufweist, welche es von anderen Systemen unserer Gesellschaft unterscheidet. Daher besteht der erste Schritt in einem Zugriff auf das ökonomische Kalkül, an dem sich Unternehmen in unserer Kultur orientieren. Ohne ein Verständnis dafür, was Wirtschaft heißt, ist es m. E. nicht möglich, die Anforderungen an die Interaktion und Kommunikation in einem Unternehmen adäquat darzustellen. Als hilfreich und sinnvoll erweist sich der Rekurs auf wirtschaftswissenschaftliche Kategorien, wie Zwecke, Ziele und Strategien. Doch erschöpft sich das spezifische „Wirklichkeitsmodell“1 einer Organisation nicht in strategischen Zielen. So wenig es ein Unternehmen an sich gibt, schlägt jede Beschreibung fehl, die in diesem Umfeld den Menschen als kulturelles Wesen außer Acht lässt. Es geht mithin auch darum, Werte und Prinzipien aufzuzeigen, die das Handeln und Kommunizieren in einem Unternehmen prägen. Genau dieser Aspekt wurde bis dato mit dem Begriff Unternehmenskultur gefasst, wobei ich mich deutlich von dieser Konzeption abgrenzen möchte, da m. E. ‚harte‘ Faktoren wie Strategie und Struktur ebenfalls kulturell geprägt und somit Indikator für die Unternehmenskultur sind. Unter dieser Prämisse begreife ich Unternehmenskultur als einen Orientierungsrahmen, an dem Menschen ihr Handeln mehr oder weniger bewusst ausrichten. Nachdem wesentliche Merkmale des Handlungsfelds erläutert wurden, werden unterschiedliche Typen dialogischer Handlungsspiele in Unternehmen fokussiert. Sie stehen in Bezug zu den Zwecken und Zielen, die ein Unternehmen verfolgt. Zugleich spiegeln sie kulturelle und soziale Entwicklungen wider, da bestimmte gesellschaftliche und unter-
1
Als „Wirklichkeitsmodell“ begreift Schmidt (2004: 75) „das aus Handeln und Kommunizieren hervorgegangene und durch Praxis und Kommunikation systematisierte kollektive Wissen der Mitglieder einer Gesellschaft, das über gemeinsam geteilte Erwartungen und Unterstellungen [...] deren Interaktionen ko-orientiert“.
44 nehmenskulturelle Konventionen in die Wahl der kommunikativen Strategien und Mittel eingehen. Diese Komplexität abzubilden ist Ziel der folgenden Teilkapitel.
4.1
Unternehmen in unserer Gesellschaft
Das Objekt, auf das im Folgenden der Fokus gerichtet wird, ist der Betrieb2 als „planvoll organisierte Wirtschaftseinheit [...], in der Sachgüter und Dienstleistungen erstellt und abgesetzt werden“ (Wöhe 2002: 2). Diese klassische, gleichwohl allgemeine Definition gilt es im Folgenden genauer zu spezifizieren, um ein grundlegendes Verständnis für die „Logik des Geschäfts“ (Baecker 2003: 199) zu gewinnen. Dazu ist zunächst zu klären, was das Tätigkeitsfeld der Wirtschaft auszeichnet. Nach dem sog. Wirtschaftlichkeitsprinzip beschreibt wirtschaftliches oder ökonomisches Handeln “[the] optimal allocation of scarce resources” (Douma/Schreuder 1998: 2). Es geht letzten Endes immer um die Frage, wie Bedürfnisse mit knappen Mitteln möglichst optimal befriedigt werden können.3 Um dieses Problem im Interesse und Sinne aller Beteiligten, d. h. prinzipiell aller Mitglieder einer Gesellschaft, zu lösen, wurden Unternehmen als wirtschaftliche Institutionen geschaffen. Vorrangige gesellschaftliche Aufgabe der Unternehmen ist demzufolge die Produktion und Distribution von Gütern, „die der Bedürfnisbefriedigung anderer Akteure dienlich sind“ (Zerfaß 1996: 239). Mit dieser Charakterisierung sind essentielle Merkmale des wirtschaftlichen Handelns allgemein erfasst, die aber im Hinblick auf die Kultur des Wirtschaftens, wie wir sie in unserer marktwirtschaftlichen Gesellschaft kennen, spezifiziert werden können. Marktwirtschaftlich formuliert ist die Anbieter/Nachfrager-Interaktion die kleinste Einheit der Wirtschaft (vgl. Baecker 2003: 205). Das Spielfeld des Marktes ist in aller Regel ein Wettbewerbsfeld, auf dem mehrere Anbieter auf mehrere Nachfrager treffen. Die Kräfteverhältnisse entsprechen dabei heutzutage zumeist einem Käufermarkt: Aufgrund des Angebotsüberhangs konkurrieren mehrere Anbieter um potentielle Käufer.
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Wöhe (2002: 12f.) fasst den Betrieb als Oberbegriff, der für alle Produktionswirtschaften gilt, das Unternehmen als Unterbegriff i. S. eines Betriebs in der spezifischen Wirtschaftsordnung der Marktwirtschaft. Da ich mich im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich auf das marktwirtschaftliche System beziehe, werde ich im Folgenden von Unternehmen bzw. Unternehmung reden (beide Ausdrücke werden in der BWL synonym verwendet). Zerfaß (1996: 238) weist dabei zu Recht darauf hin, „daß Knappheit keine Eigenschaft ist, die bestimmten Gütern ontologisch anhaftet“. Es geht vielmehr um ein komplexes Zusammenspiel und Aushandeln von Bedürfnissen, sozialen Werten und Fähigkeiten.
45 Den zentralen Koordinationsmechanismus auf einem Markt stellt der Preis dar.4 Die Art der Abstimmung ist somit einem Aushandlungsprozess vergleichbar, da nicht von vornherein zentrale Pläne vorgegeben werden, sondern die Akteure über eine gewisse Entscheidungsfreiheit verfügen und ihr Verhalten an den konkreten Bedingungen des Marktes ausrichten. Korndörfer (1999: 11) fasst die Merkmale der modernen westlichen Wirtschaftsordnung in der nachstehenden Definition zusammen: Eine marktwirtschaftliche Ordnung ist demnach dadurch charakterisiert, daß die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten ihre Pläne in freier Wahl aufstellen können und daß die Preise als eigentliches Ordnungsinstrument gelten. Daneben setzt die Marktwirtschaft Privateigentum an Produktionsmitteln und Konsumgütern voraus.
Autonomes Handeln nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip impliziert jedoch nicht, dass Wirtschaften in einem regellosen, rechtsfreien Raum stattfindet. Zum einen regulieren staatliche Gesetze das wirtschaftliche Verhalten,5 zum anderen existieren eine Reihe systemimmanenter Spielregeln.6 Die Metapher der Spielregel steht in unmittelbarem Bezug zum Unternehmen als Institution. Nach North (1992: 3) lassen sich Institutionen als „Spielregeln einer Gesellschaft“ beschreiben; North (ebd.: 4) präzisiert: Institutionen vermindern die Unsicherheit, indem sie für eine gewisse Ordnung in unserem täglichen Leben sorgen. Sie schaffen Richtlinien für menschliche Interaktion, damit wir wissen (oder leicht in Erfahrung bringen können), wie wir uns verhalten müssen.
Damit vertritt er einen weiten Institutionsbegriff, der sich auf alle Phänomene bezieht, die in irgendeiner Form Regelungen implizieren.7 Demgegenüber sind m. E. für eine Institution i. e. S. die folgenden Merkmale kennzeichnend: Institutionen zeichnen sich zum einen durch ihre spezifischen Zwecke für die Gesellschaft aus. Im Falle der Unternehmen sind dies, wie erläutert, die Produktion und Distribution von Gütern. Zum anderen beruhen Institu-
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Diese Definition beruht auf dem neoklassischen Gleichgewichtsmodell, nach dem es immer genau einen Gleichgewichtspreis gibt. Aus mehreren Gründen wird dieses Modell dem realen Wirtschaftsgeschehen nicht gerecht (vgl. Göbel 2002: 29). Aber auch unter der Voraussetzung eines unvollkommenen Marktes, auf dem Anbieter Preisspielräume nutzen und Nachfrager nicht nur auf Preisunterschiede reagieren, gilt der Preis nach wie vor als zentraler Indikator des Tauschmechanismus. Vgl. dazu die empirische Studie von Simon (1992), die den Preis als das wichtigste Wettbewerbsinstrument identifiziert. Vgl. Wettbewerbsregeln, die Monopol- oder Kartellbildungen vermeiden sollen sowie arbeitsrechtliche Regelungen, die dem Schutz der Arbeitnehmer dienen. Entsprechend sieht von Weizsäcker (1993: 4725) zwei Perspektiven auf die Wirtschaftsordnung, die sich jedoch gegenseitig ergänzen sollten: einerseits das System der staatlichen Regelsetzung für die Wirtschaft, andererseits das System von Regeln, „das sich als spontane Ordnung im Zeitverlauf entwickelt“. Vgl. auch Göbel (2002), nach der eine Institution ein Regelsystem darstellt. Allerdings fallen für sie darunter nicht nur Regeln i. e. S., sondern auch Bräuche, Traditionen und Gewohnheiten – also alles, was einen Orientierungsrahmen vorgibt.
46 tionen auf einer gesetzlichen oder vertraglichen Ordnung, aufgrund derer den Mitgliedern bestimmte Statusfunktionen zugewiesen werden (vgl. Searle 2001: 151).8 In Analogie zu den in Kapitel 3.2.2 erläuterten Prinzipien kommunikativen Handelns, an denen sich Kommunikationspartner in der dialogischen Interaktion orientieren, schaffen Prinzipien ökonomischen Handelns Orientierung auf dem ‚Spielfeld des Marktes‘. Als „Grundprinzipien ökonomischer Organisation“ (Jost 2000b: 35) können dabei Tausch und Arbeitsteilung gelten. In einem Umfeld, das durch Komplexität und Unsicherheit gekennzeichnet ist, sind aber noch weitere Regelsysteme nötig, um die Zusammenarbeit und den Tausch zu regulieren. Für ein Unternehmen als wirtschaftliche Institution ist hier zum einen die Hierarchie von entscheidender Bedeutung, zum anderen der Vertrag.9 Vertragliche Prinzipien, bspw. in der Gestalt von Arbeitsverträgen, stellen gleichsam ein Regulativ zum hierarchischen Prinzip dar, das für die effiziente Koordination der Aktivitäten in einem Unternehmen unerlässlich ist.10 Darüber hinaus existieren weitere spezifische ‚Spielregeln‘, die u. a. auf folgende Fragen Antwort geben: Wie sind Geschäftsbeziehungen gestaltet? Welche Haltung nimmt das Unternehmen gegenüber Wettbewerbern ein? Sie sind den exekutiven Prinzipien des kommunikativen Handelns vergleichbar und unter Bezugnahme auf die Unternehmenskultur zu erklären (vgl. Kap. 4.2). Ihre konkrete Anwendung zeigt sich u. a. in dialogischen Handlungsspielen, wie sie im Zentrum dieser Arbeit stehen. Als Akteure am Markt benötigen Unternehmen Richtlinien und Verfahrensregeln – aber reichen diese als Antriebskraft für wirtschaftliches Handeln? So gestellt, mutet die Frage rhetorisch an, doch modifiziert zu: Was ist die Triebfeder der Unternehmenstätigkeit? gewinnt sie an Brisanz und provoziert unterschiedliche Reaktionen. Naheliegend erscheint die Feststellung von Hilke (1993: 2778): „das Marktverhalten eines Anbieters [ist] zunächst einmal entscheidend geprägt von der Zielsetzung, die er verfolgt“. Hilke (ebd.) fährt fort: „Dabei bedarf es zur Formulierung einer Zielsetzung bereits der Präzisierung in dreierlei Hinsicht“. Die Zielgröße ist also alles andere als ein eindeutiges Kriterium und so wichtig sie für ein Unternehmen auch ist, so kontrovers wird sie in Theorie und Praxis diskutiert. Zwei kritische Punkte erscheinen mir im Kontext dieser Arbeit wesentlich: Wer setzt die Ziele für ein Unternehmen fest? und: Gibt es ein (quantifizierbares) Oberziel, das für alle Unternehmen gilt?
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Dies unterscheidet eine Institution von sozialen Gruppierungen wie Freundeskreisen oder Nachbarschaften, denen man als Person ohne eine bestimmte Statusfunktion angehört. Über Hierarchie und Verträge wird ein Unternehmen in den derzeit populären wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen der Industrieökonomik definiert. Vgl. insbesondere den Transaktionskostenansatz (vgl. Coase 1937, Williamson 1975) sowie den Principal-Agent-Ansatz (vgl. Pratt/Zeckhauser 1985). Vgl. zur Hierarchie als Koordinationsinstrument auch Kap. 4.2.2.
47 Auch wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit schon des Öfteren das Unternehmen als Subjekt erschien, schließe ich mich grundsätzlich der Position eines methodologischen Individualismus an, der das Geschehen von Organisationen letztlich auf Handlungen von Individuen als Akteuren zurückführt (vgl. Kirsch 1997: 33). Im Mittelpunkt eines handlungstheoretischen Ansatzes steht der Mensch, der einerseits ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen und Zielen ist, andererseits ein soziales Wesen, das Interesse an der Bildung von Kollektiven und Institutionen hat und in diesen Zusammenschlüssen bestimmte Rollen bzw. Statusfunktionen übernimmt.11 In diesem Sinne lassen sich hinsichtlich der Ziele in einem Unternehmen Individualziele eines Akteurs, Ziele für die Unternehmung (von einem Organisationsteilnehmer formuliert und in den Entscheidungsprozess eingebracht) und Ziele der Unternehmung (autorisierte Ziele) unterscheiden (vgl. Kirsch 2001: 489f.). Diese Differenzierung impliziert, dass bestimmte Gruppen bei der Zielformulierung ein Vorrecht haben, vor allem diejenigen, die als Eigentümer auftreten, die also das Unternehmen maßgeblich finanzieren und die größten Rechte wie auch Risiken tragen (vgl. Thommen/Achleitner 2003: 100). Unternehmen in unserer Marktwirtschaft werden von anderen Organisationen, wie öffentlichen Betrieben oder sog. Non-Profit-Organisationen, vor allem dadurch abgegrenzt, dass sie „Güter der Fremdbedarfsdeckung produzieren und verteilen, um Gewinne zu erzielen“ (Zerfaß 1996: 240). Als Hauptziel erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit gilt in aller Regel der Gewinn (vgl. Roventa/Aschenbach 2003: 123). Da an eine Zielgröße Anforderungen wie Operationalisierbarkeit, Angabe von Zielausmaß und Zeitbezug usw. gestellt werden (vgl. Adam 1996: 100ff.), besteht inhaltlicher Konkretisierungsbedarf, der sowohl zu Kontroversen als auch zu unterschiedlichen Begriffsfassungen geführt hat. Die Kontroversen betreffen vor allem die Frage des Zielausmaßes: Ist Gewinnmaximierung ein realistisches und legitimes Ziel oder begnügen sich die Unternehmen nicht vielmehr mit ausreichenden Gewinnen? Unter der Annahme, dass Menschen sich nicht völlig rational verhalten und ihnen nicht immer die bestmögliche Alternative zugänglich ist, erscheint das satisfying als die realistischere Alternative, was Firmen aber nicht davon abhält, Profitmaximierung zumindest anzustreben (vgl. Wöhe 2002: 3). Im Rahmen des Zielsystems einer Unternehmung wird der Gewinn als Formalziel bezeichnet. Formalziele sind am Erfolg der betrieblichen Tätigkeit ausgerichtet, weisen also auf Resultate des Umsatzprozesses hin. Dabei stehen neben dem Gewinn Erfolgsziele wie die Rentabilität (Verhältnis von Gewinn und eingesetztem Kapital), die Produktivität
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Damit grenze ich mich dezidiert von neoklassischen Ansätze ab, für die das Individuum ausschließlich Eigeninteressen verfolgt, so dass soziale Aspekte nicht berücksichtigt werden. Vgl. zur Kritik an dieser Position vor allem die evolutorische Ökonomik, die nach Bluhm (1991: 121) versucht, den „homo oeconomicus wieder zum ganzen Menschen zu machen, der in der Wirtschaft handelt“. Vgl. dazu auch Biervert/Held (1991).
48 (Verhältnis von Output und Input) oder die Wirtschaftlichkeit (Verhältnis von Ertrag und Aufwand) (vgl. Thommen/Achleitner 2003: 104ff.). Den Formalzielen untergeordnet sind Sachziele, die das Was des Leistungsprozesses zum Ausdruck bringen, z. B. Produkt- und Marktziele. Auf weitere Differenzierungen und Konkretisierungen, wie spezifische Bereichsziele, möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, weil dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Deutlich werden sollte vielmehr, dass der Zielbegriff sich auf inhaltliche Merkmale bezieht, insofern einem unternehmensspezifischen Aushandlungs- und Entwicklungsprozess unterliegt und nicht die allgemeine Triebkraft darstellen kann, die hinter dem wirtschaftlichen Handeln von Unternehmen steht. Ziele sind nicht der Ursprung, sondern „Ergebnisse bewußten Handelns“ (Corsten 1995: 1072) bzw. eine in die Zukunft gerichtete „Handlungsaufforderung“ (Schmidt 1993: 4794). In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird daher zusätzlich die Kategorie des Zwecks bemüht, wobei Zwecke den Zielen übergeordnet sind bzw. zur Ableitung von Zielen dienen (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2003a, Rall/König 2003).12 In Kapitel 3.2.1 wurde im Hinblick auf kommunikatives Handeln der Zweck als ein interaktives Konstrukt beschrieben. Diese Konzeption erweist sich als übertragbar, da auch die Unternehmenszwecke eine Ausrichtung des Unternehmens an seiner Umwelt implizieren.13 Zwei Auffassungen sind dabei zu unterscheiden. Die eine apostrophiert nachhaltige Wertsteigerung als einen langfristigen, dem Formalziel Gewinn übergeordneten Zweck (vgl. Kramer 2002, Welge/AhLaham 2001). Diese Perspektive beruht auf dem sog. Shareholder-Value-Ansatz, „dementsprechend [...] der Zweck eines Unternehmens vorrangig darin gesehen [wird], Wert für seine Eigentümer zu schaffen – den Shareholder Value zu maximieren“ (Hungenberg 2000: 27). Aufgrund der Tatsache, dass viele Unternehmen mittlerweile als Aktiengesellschaften agieren, sind neue Eigentumsstrukturen entstanden und die Gruppe der Eigentümer, zu der auch Banken oder Privatpersonen zählen können, ist ungleich komplexer geworden. Für diese Gruppe Werte zu schaffen, stellt einen allgemeinen Zweck der Unternehmenstätigkeit in unserer modernen Marktwirtschaft dar.14
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Hier bietet sich ein Beispiel für Begriffsverwirrung: Zwecke werden Zielen zwar übergeordnet, das Ganze dann aber als Zielsystem der Unternehmung bezeichnet. Während zu Anfang dieses Kapitels der Zweck des Unternehmens i. S. der gesellschaftlichen Funktion des Wirtschaftssystems perspektiviert wurde, geht es im Folgenden um den konkreten Zweck, den ein einzelnes Unternehmen verfolgt. Demgegenüber regen sich Stimmen, die eine Vernachlässigung anderer Anspruchsgruppen, z. B. der Arbeitnehmer, fürchten, wenn ein Unternehmen sich primär an seinen Shareholdern orientiert. Wie Wöhe (2002: 76ff.) aufzeigt, läuft eine Unternehmenspolitik, die alle Anspruchsgruppen oder Stakeholder gleichermaßen zu befriedigen versucht, allerdings Gefahr, dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb nicht standzuhalten. Vgl. auch Fußnote 27 sowie die weitere Diskussion um den Gewinnbegriff.
49 Die zweite Auffassung orientiert sich dagegen eher am einzelnen Unternehmen. Der Unternehmenszweck als „Existenzgrund für die Zukunft“ (Nagel/Wimmer 2003: 247) wird mit der Frage erfasst: „Womit und wodurch will das Unternehmen Wert schaffen?“ (Kluge 2003: 927). Damit liegt der Fokus auf dem Verhalten am Markt, insbesondere auf der Anbieter-/Nachfrager-Beziehung. Dieser zweiten Begriffsfassung schließe ich mich im Rahmen der vorliegenden Arbeit an. So verstanden spiegelt sich der Zweck in der Unternehmenskultur wider und bietet einen konkreten Bezugspunkt bei der Analyse von Interaktions- und Kommunikationsprozessen in einem Unternehmen. Zugleich weist die oben zitierte Frage von Kluge auf den Wert hin, der in diesem Sinne aber eine dem Unternehmenszweck übergeordnete Kategorie darstellt. Es wäre ein Zirkelschluss, würde man hierfür wiederum den Zielbegriff bemühen. Ziele als Handlungsaufforderungen werden aus dem Zweck als Existenzgrund abgeleitet. Für die übergeordnete Kategorie, die den Antriebsmotor erwerbswirtschaftlichen Handelns darstellt, bietet sich der Begriff des Interesses an. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur findet dieser Begriff so gut wie keine Verwendung, wohl aber im juristischen Diskurs, in dem das Unternehmensinteresse einen unternehmensrechtlich relevanten Sachverhalt bezeichnet, zugleich aber als unbestimmter Rechtsbegriff gilt (vgl. Salm 1986: 128ff.).15 Wie bereits in Kapitel 3.2 erläutert wurde, liegt in Interessen die eigentliche Motivation für menschliches Handeln begründet. Da sie auf Menschen bzw. Interessengruppen zurückzuführen sind, stellt sich, wie schon hinsichtlich der Unternehmensziele, die Frage, ob man überhaupt ein Unternehmensinteresse unterstellen kann. Ich möchte den Begriff als solchen vermeiden, da er eine Entität impliziert, die hier nicht zum Ausdruck kommen soll. Mir geht es um Interesse/n als Konzept, das erklärt, warum sich Unternehmen als wirtschaftliche Institutionen Zwecke und Ziele setzen. Dass in Unternehmen vielfältige Interessen aufeinandertreffen, die sowohl gruppenspezifisch als auch individueller Art sind, versteht sich von selbst und ist gerade im Hinblick auf Interaktion und Kommunikation von Bedeutung (vgl. dazu die weiteren Ausführungen, vor allem die Analysen in Kapitel 5). Zugleich handelt es sich jedoch um ein Handlungsfeld, für das gemeinsame Spielregeln gelten und daher auch eine gemeinsame Grundorientierung angenommen werden kann.16 Konstitutiv für ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist die Gewinnorientierung. Dabei geht es nicht um die Frage, ob und wie viel Gewinn als Ziel vorgegeben ist, sondern um die „Logik des Geschäfts“ (Baecker 2003: 199), derzufolge ein Unternehmen am Markt nur agieren kann, wenn es sich am ökono-
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Vgl. zur Diskussion um das Unternehmensinteresse aus juristischer Perspektive Koch (1983), Jürgenmeyer (1984), Salm (1986), Bonin (2003), für die Position des Ökonomen Kuhner (2004). Dass der Begriff in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur kaum verwendet wird, kann mit Vorurteilen ggü. dem juristischen Begriff und seinen Implikationen zusammenhängen. Vgl. dazu die Aussage Bonins (2003: 183): „Das Unternehmensinteresse erweist sich vielmehr als Versuch, eine Orientierung bezüglich der Interessenpluralität im Unternehmen anzubieten“.
50 mischen Interesse win orientiert.17 Wie die Ausführungen zum Zielbegriff sowie zu den Prinzipien ökonomischen Handelns gezeigt haben, ist die Gewinngröße aus ökonomischer Sicht zentral. Zu Diskussionen führt sie erst, wenn inhaltliche Festlegungen vorgenommen werden. Demgegenüber betont Baecker (1998: 4), dass das Gewinnkriterium noch nichts festlegt, sondern einen „Problembezugspunkt“ bildet. In diesem Sinne entspricht win einer force behind, die im konkreten Handeln in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität zum Ausdruck kommen kann. Am deutlichsten wird dies am Gewinn als monetärer Größe. Genauso gut sind aber das Streben nach Marktanteilen oder der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter auf jene Triebfeder zurückzuführen. win als Interesse treibt nicht nur die Anteilseigner an, die direkt von den wertmäßigen Zuwächsen profitieren, sondern ist im Rahmen der Marktwirtschaft auch kompatibel mit anderen Interessen, wie dem Interesse des Arbeitnehmers an einem frei wählbaren und möglichst sicheren Arbeitsplatz oder dem Interesse des Gläubigers an guten Renditen. win impliziert ein Fortschrittsdenken, wie es dem Menschen in unserer modernen Wirtschaft entspricht.18
4.2
Unternehmenskultur als Orientierungsrahmen
Wesentliche Rahmenbedingungen ökonomischen Handelns, die sowohl mit einer entwickelten Wirtschaftsordnung als auch mit allgemein menschlichen Interessen korrespondieren, wurden in Kapitel 4.1 erläutert. Die Schlüsselkategorien Interessen, Zwecke, Ziele, Institution und Markt erlauben einen ersten Zugriff auf das komplexe Ganze. Dialogische Handlungsspiele als kulturelle Einheiten zu begreifen, erfordert aber im Vorfeld weitere Differenzierungen und Konkretisierungen. Während der Kulturbegriff im vorigen Kapitel auf allgemeine Prinzipien des wirtschaftlichen Handelns in der modernen westlichen Gesellschaft bezogen war, mithin eine Makroperspektive implizierte, wird der Fokus im Folgenden auf das Unternehmen als solches gerichtet. Bei der Frage, was die Identität eines
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Der englische Begriff und die Schreibweise in Kapitälchen sollen Gewinn als Interessenkategorie markieren. Der Deutschlandchef der Unternehmensberatung McKinsey, Jürgen Kluge (2003: 931), stellt in diesem Zusammenhang fest: „Dafür müssen sie [die europäischen Unternehmen; S.S.] allerdings in einem entscheidenden Punkt von den Amerikanern lernen: Sie dürfen sich nicht länger davor ‚fürchten‘, Gewinne erwirtschaften zu wollen. Was in den USA ein selbstverständliches Ziel wirtschaftlichen Handelns ist, hat in Europa, gerade auch in Deutschland, noch immer etwas Anrüchiges. Dass ein Unternehmen Gutes – etwa in Form von Arbeitsplätzen – aber nur tun kann, wenn es wirtschaftlich erfolgreich ist – diese Erkenntnis hat sich in Europa bis heute nicht überall durchgesetzt“.
51 Unternehmens ausmacht, stößt man unweigerlich auf den Begriff der Unternehmenskultur, der in den letzten Jahren in Theorie und Praxis kontrovers diskutiert wurde.19 Im Rahmen dieser Arbeit ist es weder möglich noch nötig, die Begriffsgeschichte sowie die unterschiedlichen Begriffsfassungen detailliert nachzuzeichnen.20 Einige grundsätzliche Anmerkungen mögen genügen, um die Kernpunkte der Debatte zu erfassen und mein Verständnis von Unternehmenskultur hinreichend abzugrenzen. In Anlehnung an das bekannte Konzept des amerikanischen Organisationspsychologen Edgar Schein gehen die meisten Ansätze davon aus, dass Kultur im Allgemeinen bzw. die Kultur eines Unternehmens im Besonderen auf gemeinsam geteilten Grundannahmen und Werten21 beruht. Ergänzt werden diese beiden Elemente in dem von Schein (1995) entwickelten Modell um die Ebene der symbolischen Artefakte, zu denen Rituale und Bräuche, Geschichten und Mythen, aber auch Architektur und Kleidung zählen.22 Als Manifestationen von Unternehmenskultur fungieren somit vor allem symbolisch aufgeladene Ausdrucksformen, zu deren ‚Entschlüsselung‘ der Rekurs auf grundlegende Normen und Denkhaltungen nötig wird. Es verwundert nicht, dass Unternehmenskultur aufgrund dieser Modellierung in der Praxis lediglich dem zwischenmenschlichen Bereich des Betriebsklimas zugeordnet oder als Marketingstrategie funktionalisiert wird (vgl. Ellebracht et al. 2002: 317). Zutreffend bemerkt Staehle (1989: 51), dass die symbolischen und interpretativen Konzepte eine Beliebigkeit implizieren, die für die Wirklichkeit in Wirtschaftsorganisationen untypisch ist. Daher geht auch die Diskussion, ob ein Unternehmen eine Kultur hat, eine Kultur ist oder eine Kultur macht,23 m. E. am eigentlichen Gegenstand vorbei. Wenn schon von Unternehmenskultur die Rede ist, sollten vielmehr Dimensionen ins
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Schmidt (2004: 9) weist darauf hin, dass die Betriebswirtschaftslehre inzwischen das Ende der Debatte um die Unternehmenskultur proklamiert. Gleichwohl besitzt das Thema in der Praxis noch zentrale Bedeutung, wie u. a. eine Befragung von Kolbeck (2001) zeigt. Vgl. für überblicksartige Darstellungen Hein (1990), Dierkes/von Rosenstiel/Steger (1993), Neubauer (2003). Werte sind ein beliebtes Konstrukt in Psychologie und Soziologie, insofern sie an der Schnittstelle von Individuum und Gesellschaft liegen (vgl. Klein 1991: 25). Auch wenn sich bislang keine einheitliche Definition durchsetzen konnte, wird zumeist auf Kluckhohn (1951: 395) rekurriert, für den Werte als „Auffassung vom Wünschenswerten“ Handlungsmöglichkeiten eingrenzen. Grundsätzlich handelt es sich bei Werten um eher abstrakte Ideale, wie Autonomie, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit etc. Das Ebenenmodell taucht in modifizierter Form in fast jeder Diskussion um die Unternehmenskultur auf. Beliebt ist z. B. die Darstellung der Ebenen in Form eines Eisbergs, wobei der über der Wasseroberfläche befindliche Teil die sichtbaren Kulturelemente versinnbildlichen soll. Hatch (1993) ordnet die Ebenen in einem Kreislauf an und betont so die dynamischen Wechselwirkungen. Vgl. Sackmann (2000: 144) zur Gegenüberstellung des Variablenansatzes (Unternehmen hat Kultur), des Metaphernansatzes (Unternehmen ist Kultur) und eines dynamischen Konzepts, das auf Gestaltungsmöglichkeiten zielt.
52 Spiel kommen, die dem ökonomischen Kalkül entsprechen, wie es in Kapitel 4.1 skizziert wurde.24 In diesem Sinne gibt Schmidt (2004) der Debatte eine ganz neue Richtung, wenn er im Untertitel seines aktuellen Buches die Unternehmenskultur als „Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen“ charakterisiert. Die Abgrenzung von bis dato geläufigen Konzepten und Vorstellungen spiegelt sich bereits in der Terminologie wider. Für Schmidt (ebd.: 77) stellt Kultur ein ‚Programm‘ dar, das die relevanten Kategorien und Differenzierungen bzw. deren Gewichtung und Bewertung in einer Gesellschaft regelt. Genauso wenig wie es kulturlose Gesellschaften gibt, existieren kulturlose Unternehmen: „Unternehmen entstehen auf der Grundlage ihrer Kulturprogramme und diese Kulturprogramme entstehen zusammen mit dem Unternehmen“ (ebd.: 112). Nach Schmidt liefert das jeweilige Kulturprogramm als ‚Problemlösungsprogramm‘ Lösungen für Probleme, die sich in einem bestimmten Handlungsbereich stellen. Vor dem Hintergrund der Ausführungen in Kapitel 4.1 kann diese allgemeine Definition folgendermaßen konkretisiert werden: Unternehmenskultur ist für die grundlegende Frage zuständig, wie Unternehmen ihr Interesse win realisieren. Die Bezeichnung ‚Orientierungsrahmen‘, die ich dem Programmbegriff vorziehe, impliziert diese zentrale Funktion der Unternehmenskultur und ist anschlussfähig an das Modell des dialogischen Handlungsspiels, wie es in Kapitel 3 dieser Arbeit vorgestellt wurde. Denn während sich im Hinblick auf die häufig genannten Teilfunktionen Koordination, Motivation und Integration (vgl. Raab 1989) die Frage stellt, ob und wie diese Wirkungen bei den Mitgliedern eines Unternehmens erzielt bzw. direkt auf die Unternehmenskultur zurückgeführt werden können,25 trägt der Oberbegriff der ‚Orientierung‘ der Sozialität wie der Individualität Rechnung: Einerseits entsprechen identitätsbildende Maßnahmen für das Unternehmen als Ganzes, andererseits Richtlinien für das Verhalten des Einzelnen der grundlegenden Orientierungsleistung von Unternehmenskultur. Zwar betont Schmidt (2004: 77), dass Kulturprogramme sich langfristig als „durchaus lernfähig“ erweisen, allerdings impliziert der Programmbegriff als solcher eine gewisse Starre bzw. Inflexibilität – Aspekte, die der Dynamik kultureller Entwicklung nicht gerecht werden. Ferner wird mit einem Programm leicht eine sekundäre Überformung bzw. Institutionalisierung assoziiert, womit etwas Entscheidendes aus dem Blick gerät: Dass es sich bei Kultur nicht um ein bewusstseinspflichtiges, künstlich geschaffenes Phänomen handelt, sondern um die natürliche – bzw. kultürliche – Art und Weise, wie sich Menschen
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Vgl. zu Versuchen einer ökonomischen Perspektivierung Beyer/Fehr/Nutzinger (1995), die in ihrem mikroökonomischen Unternehmenskultur-Ansatz die Ebene der Grundüberzeugungen durch normative Zielvorstellungen in Unternehmen ersetzen und als Elemente der sichtbaren Ebene Arbeits-, Führungs- und Beteiligungsformen nennen. Auf dieses Problem weist als erster Schmidt (2004) hin; bis dato wurden die Funktionen von Unternehmenskultur m. W. unreflektiert vorausgesetzt.
53 in einem bestimmten Umfeld verhalten. Entsprechende Orientierungen können in einem zweiten Schritt durchaus festgeschrieben werden, doch ist dies nicht zwangsläufig Voraussetzung, um von Kultur reden zu können. Das Bild des Rahmens scheint mir daher mit den hier vertretenen Annahmen besser vereinbar zu sein. Die Unternehmenskultur fungiert als ‚Rahmen‘, in dem Interaktion und Kommunikation in einem Unternehmen stattfinden. Sie orientiert menschliches Handeln, das im Wesentlichen konstruktiv und adaptiv ist, so dass Regeln und Regularitäten nur begrenzt Gültigkeit haben und darüber hinaus Wahrscheinlichkeitsprinzipien als Techniken der Orientierung in einem komplexen Umfeld in Anspruch genommen werden. Die Unternehmenskultur dient dazu, Komplexität handhabbar zu machen, indem sie die Dimensionen umfasst, die die Akteure im Handlungsbereich Unternehmen als „lebenspraktisch wichtig“ (Schmidt 2004: 75) erfahren. Schmidt (ebd.: 113) gibt fünf Dimensionen an, die für ihn Bestandteil des Unternehmenskulturprogramms sind und für die ökonomisch relevante Entscheidungen getroffen werden müssen. Dabei geht es erstens um das Verhältnis des Unternehmens zu seiner Umwelt, zweitens um das Menschenbild, drittens um die Organisationsformen, viertens um die Modellierung von Kommunikation und fünftens um die Einstellung zu Gefühlen und moralischen Orientierungen. In leicht modifizierter Form werde ich mich im Folgenden an diesen Dimensionen orientieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Überlegung, wie ein Unternehmen als wirtschaftliche Institution sich erfolgreich am Markt behaupten kann. Ausgangspunkt und Weg markieren die Positionierung bzw. Strategie. Diese erste Dimension, über die eine Unternehmenskultur beobachtbar und beschreibbar wird, entspricht dem Verhältnis des Unternehmens zu seiner Umwelt, wie Schmidt es versteht, wobei ich Termini bevorzuge, die mit dem Sprachgebrauch in der wirtschaftlichen Theorie und Praxis korrespondieren. Eng verknüpft mit der Strategie sind Fragen der Struktur bzw. Organisationsform. Dabei geht es einerseits um Aspekte der Makroorganisation, die die Weichen für die Grundausrichtung des gesamten Systems stellen (z. B. durch die Bildung von Geschäftsbereichen in einem Großunternehmen), andererseits um die konkrete Aufbau- und Ablauforganisation in einem Unternehmen. Durch die drei weiteren Dimensionen in Schmidts Konzept wird der Fokus auf die Art und Weise gerichtet, wie in Unternehmen mit Menschen und mit menschlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen umgegangen wird. Führungsgrundsätze und Maßnahmen der Personalentwicklung repräsentieren die formale Seite. Fragen der Mitarbeitermotivation sind darüber hinaus aber auch eng verknüpft mit informellen und indirekten Koordinationsmechanismen, wie Vertrauen, Zusammengehörigkeitsgefühl etc. Diese Elemente der Unternehmenskultur sind m. E. nicht mit einem griffigen Begriff zu fassen, so dass die eher allgemeine Überschrift Menschen im Unternehmen bevorzugt wird. Es handelt sich hier um eine Dimension, die nicht nur eine unverzichtbare Ergänzung der ersten beiden
54 darstellt, sondern die zugleich in besonders enger Verbindung zu dialogischen Handlungsspielen steht, insofern sich entsprechende Werte und Verhaltensstandards primär auf die dialogische Interaktion in Unternehmen beziehen.26 Die nachfolgenden Darstellungen gewähren grundlegende Einblicke in die skizzierten Dimensionen der Unternehmenskultur, ihre universelle Bedeutung sowie unternehmensspezifische Variationen, wie sie vor allem in den Analysen in Kapitel 5 noch sichtbar werden. Hier sollte aber bereits deutlich werden, dass Unternehmenskultur als integratives Konzept das dynamische Zusammenspiel von Zielen und Zwecken, Strategie und Struktur sowie internen und externen Abläufen und Beziehungen widerspiegelt, womit sie eine Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen darstellt.
4.2.1 Positionierung und Strategien Kultur steht in engem Bezug zur Identität, insofern diese darauf beruht, „sich aufgrund von Vergleichen mit anderen selbst bestimmen zu können“ (Baecker 2003: 209). Vor diese Herausforderung sieht sich auch ein Unternehmen gestellt, das auf dem Spielfeld des Marktes auf Wettbewerber, Lieferanten und Kunden trifft. Der Begriff der ‚Positionierung‘ beschreibt die Beziehung zu den verschiedenen Stakeholdern27 und spiegelt das Verhältnis des Unternehmens zu seiner Umwelt wider (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2003b). Im Vordergrund steht dabei der Unternehmenszweck, wie er bereits in Kapitel 4.1 thematisiert wurde. Als Existenzgrund bezieht sich der Zweck auf die Position im Markt. Jedes Unternehmen muss dabei Antworten auf die folgenden Fragen finden: Was ist unser Produkt? Wer sind unsere Kunden? Wie sollen wir unser Produkt unseren Kunden anbieten? (vgl. Ellebracht et al. 2002: 166). Offiziellen Ausdruck findet der Zweck in der Mission. In der Form des Leitbildes (engl. Mission Statement) wird die Mission häufig schriftlich fixiert und so eine gemeinsame, verbindliche Orientierung propagiert. Neben dem Unternehmenszweck enthält die Mission bzw. das Leitbild Aussagen zu Werten und Verhaltensstandards sowie zur Strategie (vgl. Campbell et al. 1992). Die Kategorie der Werte wird von Kaplan/Norton (2001: 67)
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Drei ganz ähnliche Merkmale – Zielgerichtetheit, Strukturiertheit und Interaktivität – bestimmen auch nach Bronner (2005: 230) die Voraussetzungen und Grenzen von Entscheidungsprozessen in Organisationen. Im Gegensatz zum Shareholder-Konzept, das die Perspektive nur einer Anspruchsgruppe, der Eigenkapitalgeber, fokussiert, geht das Stakeholder-Konzept davon aus, dass unterschiedliche Interessengruppen Einfluss auf die Entscheidungen im Unternehmen nehmen. Welge/Al-Laham (2001: 175) fordern trotz möglicher Konflikte der Konzepte „eine Synthese aus Shareholder Value und Stakeholder Value-Maximierung i. S. eines ganzheitlichen Konzeptes“.
55 mit der globalen Formulierung „An was wir glauben“ umschrieben.28 In diesem Zusammenhang kann ein Unternehmen beispielsweise seine Kundenorientierung oder umweltfreundliches Verhalten in den Mittelpunkt stellen. Konkretisierung finden die globalen Werte in entsprechenden Verhaltensnormen. Unternehmen, denen die Mitarbeiterorientierung besonders wichtig ist, verweisen beispielsweise gerne auf hohe Ausbildungsstandards oder institutionalisierte Maßnahmen der Personalentwicklung (vgl. Kap. 4.2.3). Geradezu identische Formulierungen in offiziellen Unternehmensleitbildern sind ein Indiz dafür, dass die schriftlich fixierte Unternehmensphilosophie häufig wenig über die konkreten Praktiken in den Unternehmen aussagt.29 Für den Beobachter ergeben sich jedoch erste Anhaltspunkte im Hinblick auf die Unternehmenskultur. Daher kann ein Unternehmen es sich weder leisten, kein Profil zu zeigen, noch darf die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu groß werden. Die Wurzeln für den Existenzgrund eines Unternehmens liegen in der Vergangenheit, die Frage ‚Wozu ist das Unternehmen da?‘ stellt sich in der Gegenwart. Dem Interesse win, das als zentraler Antriebsmotor wirtschaftlichen Agierens identifiziert wurde, entspricht allerdings im Besonderen ein in die Zukunft gerichtetes Denken. Um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können, gilt es neue Handlungsmöglichkeiten zu eruieren, einen „Raum der Möglichkeiten“ (Baecker 2003: 152) zu definieren und damit die Weichen für zukünftiges Handeln zu stellen. Nach Nagel/Wimmer (2002: 31) erfüllt die Auseinandersetzung mit der Frage „Wie soll es in Zukunft weitergehen?“ die Funktion einer strategischen Orientierung. Der Strategiebegriff ist eine feste Größe in der ökonomischen Theorie und Praxis,30 wo ihn eine reichhaltige Metaphorik auszeichnet. Kaplan/Norton (2001: 67) sprechen von der Strategie als „Spielplan“, Sjurts (2000: 112) bezeichnet sie als „Handlungsplan“, für Ellebracht et al. (2002: 169) steckt die Strategie den „Rahmen“ ab und Mintzberg (1994) identifiziert gleich fünf Perspektiven bzw. Strategiearten: Strategien als Pläne, als Muster, als Positionierung, als Denkhaltung/Perspektive und als Manöver. Darüber hinaus liegen militärische Konnotationen nahe, so dass mit dem Strategiekalkül u. a. Wettbewerb und
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Hier wird deutlich, dass unter Werten weniger ethische Werte als vielmehr sämtliche Leitlinien des Handelns verstanden werden. Meynhardt (2003: 67) weist darauf hin, dass der Wertbegriff eng mit dem Kulturbegriff verbunden ist, insofern die von den Menschen geschaffene Wirklichkeit als Produkt von dynamischen Bewertungsprozessen erscheint. Analysen von Unternehmensleitbildern finden sich bei Matje (1996) sowie Knassmüller (2003). Zur kritischen Lektüre dieser „Verlautbarungsform“ (Scholz/Hofbauer 1990: 29) vgl. Schmidt (2004: 185–196). Vgl. die zahlreichen Beiträge zum Strategischen Management, wobei als grundlegende Einführungen u. a. Hungenberg (2000), Bea/Haas (2001), Welge/Al-Laham (2001) und Camphausen (2003) zu nennen sind.
56 Macht assoziiert werden (vgl. Rall/König 2003).31 Obgleich keine einheitliche Definition vorliegt, konvergieren die betriebswirtschaftlichen Ansätze darin, dass es sich bei Strategien um „vorgelagerte und übergeordnete Entscheidungen über den Mitteleinsatz bei vorgegebenen Zielen“ (Dietel/Seidl 2003: 26) handelt. Strategische Entscheidungen legen aus einer übergeordneten, ganzheitlichen Perspektive die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens fest (vgl. Hungenberg 2000: 6), wobei die Kombination von Zielen einerseits und Maßnahmen zur Zielerreichung andererseits das konstitutive Merkmal jeder Strategie darstellt. Ellebracht et al. (2002: 87) fassen die generelle Leistung von Strategien folgendermaßen zusammen: Strategien organisieren das Erreichen der Ziele, sie beschreiben den Weg, legen die Regeln der Vorgehensweise fest und bestimmen die konkreten Operationen.
Im Hinblick auf die langfristige, strategische Ausrichtung des Unternehmens lassen sich verschiedene Strategiearten differenzieren. Dies ist erstens die Unternehmensstrategie auf Gesamtunternehmensebene, die sich auf die grundlegende Frage bezieht: „Mit welchen Produkten will man in Zukunft auf welchen Märkten vertreten sein?“ (Ruppert 2001: 28). Zweitens entstehen durch Segmentierung des Unternehmens strategische Geschäftsfelder, die z. B. durch unterschiedliche Produkte oder Marktsegmente voneinander abgegrenzt werden und für die entsprechende Geschäftsstrategien zu formulieren sind (vgl. Backhaus 1999: 199ff.).32 Des Weiteren dienen Funktionalstrategien, wie eine Marketingstrategie oder eine Produktstrategie, der Konkretisierung der Unternehmens- bzw. Geschäftsstrategie. Auf Ebene der Funktionalstrategien sind Maßnahmen zur Koordination und Kooperation besonders wichtig, damit im Sinne der übergeordneten Strategien agiert wird. Die Differenzierung nach dem organisatorischen Geltungsbereich ist eine notwendige Überlegung im Rahmen strategischer Planung. Darüber hinaus können Strategien nach inhaltlichen Kriterien unterschieden werden. Dabei geht es grundsätzlich um die Entscheidung, wie in den einzelnen Geschäftsfeldern Wettbewerb bestritten werden soll (vgl. Sjurts 2000: 13). Wettbewerbsvorteile lassen sich wirtschaftlich entweder in niedrigeren Kosten
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Vgl. zum Vergleich des militärischen und des unternehmerischen Strategiebegriffs Oetinger (2003). Simon (1993: 4692) hält diesen Vergleich allerdings für fragwürdig: „Militärstrategien sind in aller Regel auf die Vernichtung des Gegners ausgerichtet, Wettbewerbsstrategien sollten dagegen Wertschöpfung im Auge haben“. Als Vorteile einer Segmentierung in strategische Geschäftseinheiten nennen Müller-Stewens/ Lechner (2003a: 165): Zielgenauigkeit, Wettbewerbsvorteile auf entsprechenden Märkten sowie erhöhte Motivation aufgrund der Eigenverantwortlichkeit der Geschäftseinheiten. Die unternehmerische Betätigung in unterschiedlichen Produkt-Markt-Bereichen wird als Diversifikation bezeichnet; es handelt sich um ein Phänomen, das besonders häufig im Mittelpunkt von Strategiewechseln steht (vgl. Wolf 2000: 342ff.).
57 oder in einem höheren Wert für den Kunden begründen (vgl. Müller, Arnim 2000: 18). Dementsprechend stehen sich als generische, d. h. idealtypische Strategien nach dem bekannten Konzept von Porter (1985) die Strategie der Kostenführerschaft und die Strategie der Differenzierung gegenüber.33 Im ersten Fall versucht das Unternehmen, Kostenvorteile optimal auszuschöpfen, um so zum kostengünstigsten Anbieter zu werden. Durch eine Differenzierungsstrategie konzentriert sich das Unternehmen auf ein bestimmtes Segment, z. B. eine Produktlinie oder eine Kundengruppe, um dort durch Leistung und Qualität eine Differenzierung vom Wettbewerb zu erreichen. Mit den strategischen Grundorientierungen korrespondieren unterschiedliche Maximen für das Verhalten gegenüber den unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Beispielsweise wirkt sich eine starke Kostenfokussierung insbesondere auf die Beziehung zu den Zulieferanten aus, denen bei Preisverhandlungen nur wenig Spielraum zugestanden wird. Falls die Einzigartigkeit der Leistung im Vordergrund steht, bemühen sich Unternehmen stärker um ihre Kunden sowie um eine gezielte Pflege des Unternehmensimages (vgl. Wolf 2000: 362f.). Die konsequente Ausrichtung am Kundennutzen erfordert in jedem Fall, dass ein Unternehmen sich auf seine Kernkompetenzen besinnt, d. h. Strategien danach bestimmt und bewertet, ob sie den eigenen Fähigkeiten und Technologien entsprechen.34 Auf Grundlage der Analysen, die Ausgangslage und Entwicklungsmöglichkeiten reflektieren sowie die allgemeine Stoßrichtung festlegen, kommt es zur Bestimmung eines Zielsystems, das so zu formulieren ist, „dass Fortschritt gemessen werden kann“ (Rall/König 2003: 18). Wie bereits in Kapitel 4.1 erläutert, ist ein Zielsystem ein komplexes Konstrukt, das die Interdependenzen von Produkt-, Erfolgs- und Liquiditätszielen bis hin auf die Ebene der Ziele für einzelne Funktionsbereiche berücksichtigt.35 Da sich die strategischen Ziele auf einen längeren Planungszeitraum beziehen und eine gewisse Flexibilität gewährleisten müssen, finden sich diesbezüglich häufig allgemeine Aussagen wie „Stärkung der Wettbewerbsposition“ oder „Schaffung neuer Erfolgspotentiale“ (Wöhe 2002: 113). Im Endeffekt müssen aber auch diese qualitativen Größen wieder auf Sach- und Formalziele zurückgeführt werden, die einen messbaren wertmäßigen Zuwachs darstellen, sei dieser monetär oder in anderen quantitativen Größen, wie Marktanteil oder Produktmenge, abbildbar. Im
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Da es sich um idealtypische Strategien handelt, ist in der Praxis auch von Mischformen auszugehen. Dennoch konnte Wolf (2000) in einer empirischen Untersuchung nachweisen, dass im Zeitraum von 1955 bis 1995 die Kostenführerschafts- sowie die Differenzierungsstrategie das Wettbewerbsverhalten der deutschen Unternehmen grundsätzlich bestimmt haben. Das Konzept der Kernkompetenzen geht auf Prahalad/Hamel (1990) zurück, die damit in den 90er Jahren die Diskussion um die Umgestaltung von Unternehmensprozessen, das sog. Business Reengineering, angestoßen haben. Vgl. den Katalog möglicher Unternehmensziele bei Welge/Al-Laham (2001: 112). Neben marktund ergebnisorientierten Zielen führen sie auch Macht- und Prestigeziele, soziale Zielge ggü. Mitarbeitern und gesellschaftsbezogene Ziele auf.
58 Sinne einer „konzeptionellen Gesamtsicht der Unternehmenspolitik“ (Kirsch 2001: 495) werden aus den Oberzielen der Unternehmung Rahmenvorgaben für die Geschäfts- und Funktionsbereiche abgeleitet. Diese betreffen beispielsweise das Produktionsprogramm oder die Vertriebsstrategie. Im Zuge operativer Planung sind die entsprechenden Ziele und Maßnahmen dann weiter zu konkretisieren bzw. mit Hilfe von Kennzahlen zu erfassen. So stellt z. B. die Kapazitätsauslastung der Maschinen ein Indiz dafür dar, ob die Produktionsleistung im richtigen Verhältnis zum Mitteleinsatz steht; Umsatzzahlen für definierte Gebiete können daraufhin überprüft werden, ob sie allgemeinen Absatzzielen dienen. In der Praxis gehen Strategie und Umsetzung letztendlich Hand in Hand, was im Rahmen jedes strategischen Planungsprozesses zu berücksichtigen ist. Daher sind Ansätze der Unternehmensführung gefragt, die dem integrativen Zusammenspiel von Zielen und Maßnahmen Rechnung tragen.36 Besonders gefordert ist die Unternehmensspitze, für die die Idee einer konzeptionellen Gesamtsicht mehr als nur ein Lippenbekenntnis sein sollte. Was Ellebracht et al. (2002: 87f.) für die Praxis der systemischen Unternehmensentwicklung fordern, gilt m. E. für strategisches Management generell: Management systemischer Unternehmensstrategie ist kein organisiertes und geordnetes Spiel mit festen Regeln. Es ist der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten, den Trends und dem Zufall. Es erfordert Wissen über Chaos und Ordnung. Anpassungsfähigkeit und Vorausdenken.
Da der Prozess der Strategiebildung und -umsetzung mit Unsicherheiten behaftet ist, gewinnen Konzepte an Bedeutung, die nicht absolute Machbarkeit suggerieren, sondern Prinzipien anbieten, an denen sich die Unternehmensführung orientieren kann. Nach Nagel/Wimmer (2002) zeichnet sich evolutionäre Strategieentwicklung, die der Komplexität und Dynamik der heutigen Wirtschaft gerecht wird, durch folgende Grundprinzipien aus: – Das Topmanagement steuert die Prozesse indirekt, indem es durch die Unternehmensziele einen Orientierungsrahmen vorgibt, die Entscheidungen über Maßnahmen auf untergeordneten Ebenen aber dem mittleren Management überlässt. – Verzahnung und Integration von Strategie und Umsetzung erfordern permanente Kommunikation. – Das Unternehmen ‚lernt‘, sich und sein Verhältnis zur Umwelt zu reflektieren. Diese Ausrichtung strategischen Managements impliziert eine erhöhte Aufmerksamkeit für den Prozess der Strategiebildung, der zum großen Teil durch kommunikative Handlungen konstituiert wird. Im Rahmen der Systematisierung dialogischer Handlungsspiele in Unternehmen ist zu zeigen, welche Typen kommunikativer Handlungen hinsichtlich strategischer
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Vgl. vor allem das Konzept der Balanced Scorcard, das von Kaplan/Norton (2001) entwickelt wurde. Als Rahmengerüst, das die Strategie zur Wertbildung aus vier Perspektiven – Finanzen, Kunden, interne Geschäftsprozesse, Lernen und Entwicklung – beleuchtet, stellt die Balanced Scorecard ein Instrument dar, das Ziele und entsprechende Maßnahmen eruiert.
59 Fragen von besonderer Bedeutung sind. Hier sollen daher einige grundsätzliche Anmerkungen genügen. Da die Zielfindung und -formulierung in den Unternehmen nicht in den Händen von Einzelpersonen liegt, sondern zumeist ein Team mit der Unternehmensführung betraut ist, gewinnt der strategische Prozess den Charakter eines Aushandlungsprozesses, in dem verschiedene Interessen und Ansichten kommunikativ ausgehandelt werden müssen (vgl. Roventa 1983: 67). Die Devise lautet, Ziele für das Unternehmen zu finden; gleichwohl kommen stets auch persönliche Interessen der Beteiligten ins Spiel, die vor allem in Machtkonstellationen begründet sind. Zu einer beständigen Herausforderung für das Top-Management wird darüber hinaus die Werbung um Unterstützung für die Strategien, die als Richtlinien für das Unternehmen vorgegeben wurden. In mehrdeutigen Situationen sind einerseits kommunikative Strategien der Rechtfertigung und Legitimation gefragt (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2003b), andererseits sind im Sinne der Handlungsfähigkeit des Unternehmens eindeutige Vorgaben und Anweisungen unerlässlich. Insofern schließen sich Argumentation und Persuasion nicht aus: Es gilt überzeugend zu vermitteln, dass eine Strategie für das Unternehmen gut und richtig ist – auch wenn bzw. gerade weil die Zukunft nicht antizipierbar ist.37
4.2.2 Strukturen und Organisationsformen Die zweite wesentliche Dimension der Unternehmenskultur trägt der Tatsache Rechung, dass „die in den Zielen fixierte und in der Produktmarkt-Strategie konkretisierte Gesamtaufgabe einer Unternehmung [...] zu umfangreich [ist], als daß sie wirtschaftlich oder auch technisch [...] sinnvoll von einer Person allein ausgeführt werden könnte“ (Schreyögg 2003: 113). Aufgrund der Komplexität der Interaktion in Unternehmen ist ein System von Regelungen, eine Struktur, vonnöten. Zwei Missverständnissen sollte an dieser Stelle direkt begegnet werden. Erstens ist das Verhältnis von Strategie und Struktur nicht als eindimensionaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu verstehen, wie das vielzitierte Diktum von Chandler (1962) structure follows strategy nahelegt.38 Die Unternehmensstrategie ist zwar der zentrale Referenzrahmen für jede Struktur, doch stehen beide in einem interaktionistischen Verhältnis und sind nicht sequentiell planbar, sondern vielmehr aufeinander abzustimmen (vgl. Bogaschewsky/Rollberg 1998: 22). Zweitens impliziert der Strukturbegriff
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Vgl. dazu auch das folgende Zitat von Kieser et al. (1998: 175): „Managen bedeutet vor allem, eine ‚Rhetorik‘ zu praktizieren, die die Mitarbeiter überzeugt. Management ist ein Sprachspiel, mit dem Interpretationen dessen zu kreieren sind, was ist, was sein sollte und was zu dessen Erreichung getan werden muß“. Die pointierte Abwandlung von Rumelt (1974) structure follows fashion zeigt vielmehr, dass derartig eingängige Thesen rezeptartig verbreitet werden, weil sie gerade der Mode entsprechen.
60 eher Statik als Dynamik und scheint damit den Herausforderungen der Unternehmenspraxis nicht zuträglich zu sein. Wesentlich ist daher die Ergänzung durch den Prozessbegriff, der sich in diesem Zusammenhang auf die Arbeitsabläufe in einem Unternehmen bezieht. Wie Schreyögg (2003: 121) konstatiert, ist ein Prozess ohne Struktur ebenso wenig denkbar wie Strukturen ohne Prozesse. Um von einem Prozess reden zu können, sind zumindest Anfangs- und Endpunkt anzugeben, die in sich bereits eine Minimalstruktur darstellen. Zugleich können keine Strukturen geformt werden, ohne die Prozessabläufe zu kennen. Die Art und Weise, wie Strukturen und Prozesse gestaltet sind, spiegelt sich in den Organisationsformen eines Unternehmens wider.39 Nach einem Klassiker der Organisationstheorie, Kosiol (1962: 21), ist das Wesen der Organisation in der „integrativen Strukturierung von Ganzheiten“ zu sehen. Auch wenn Kosiol selbst noch von einem dichotomen Denken in Strukturen und Prozessen ausgeht, lenkt er den Blick bereits auf das komplexe Ganze. Mithin geht es bei der Organisationsgestaltung nicht nur um die formale Strukturierung der Aufgaben, sondern zugleich um die Integration von Individuum und Organisation, die Interaktion von Organisation und Umwelt sowie Phänomene des Wandels (vgl. Schreyögg 2003: 21). Im Rahmen dieses Kapitels soll der Fokus dezidiert auf die Innensicht, d. h. auf die Strukturierung und Durchführung der Aktivitäten im Unternehmen gerichtet werden. Beginnen möchte ich dabei mit einer kurzen Erläuterung der wesentlichen Grundprinzipien organisatorischer Gestaltung. Auch wenn die Organisationsform in hohem Maße raum- und zeitbezogen und folglich in einem ständigen Wandlungsprozess ist, lassen sich die zentralen Fragen, die Organisationslehre und -praxis bewegen, in zwei Punkten zusammenfassen: Es geht zum einen um Differenzierung, zum anderen um Koordination bzw. Integration.40 Die Notwendigkeit zur Differenzierung leitet sich unmittelbar aus dem Prinzip der Arbeitsteilung ab, auf dem
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Die Wahl des Begriffs ‚Organisationsform‘ zeigt an, dass ich mich hier auf bestimmte Aspekte von Organisationen konzentriere. Der Organisationsbegriff selbst wird in der Umgangssprache wie auch in der Wissenschaft mehrdeutig verwendet. So begreift ein instrumenteller Organisationsbegriff Organisation als Instrument der Führung bzw. Mittel zur Steigerung der Effizienz, ein institutioneller Organisationsbegriff ist ganzheitlicher angelegt und lenkt den Blick auf die Organisation als soziales Gebilde (vgl. Schreyögg 2003: 4ff.). In diesem Sinne ist der Organisationsbegriff weiter gefasst als der Unternehmensbegriff, weil auch nicht-erwerbswirtschaftliche Institutionen als Organisationen zählen. Jost (2000a: 10) präzisiert ökonomische Organisationen als „Gebilde, in denen verschiedene Menschen miteinander interagieren, um individuelle und kollektive ökonomische Ziele zu verwirklichen“. Indem ich die Gestalt(ung) von Prozess und Struktur fokussiere, grenze ich die Perspektive ein, zumal mein Blick hier auf die Organisationsform als eine Dimension der Unternehmenskultur gerichtet ist. Differenzierung und Koordination werden einhellig als organisatorische Grundprinzipien benannt (vgl. Kieser/Walgenbach 2003: 101). Strukturflankierend kommt die Motivation hinzu (vgl. Frese 1998, Werder/Grundei 2000). Jost (2000a, b) und Picot et al. (2002) nennen Koordination und Motivation als die zentralen Bestandteile des Organisationsproblems. Diese Verknüpfung von organisatorischer und personeller Betrachtung ist als positiv zu werten. Gleichwohl beschränke
61 das wirtschaftliche Handeln in Unternehmen beruht (vgl. Kap. 4.1). Diese Arbeitsteilung gilt es im Rahmen der Organisation so zu gestalten, dass ein Unternehmen Spezialisierungsvorteile gewinnt (vgl. Picot 2003). Zwar stellt die Differenzierung nach Aufgaben, Stellen, Abteilungen, Geschäftsbereichen etc. ein konstitutives Strukturelement dar, allerdings begibt sich ein Unternehmen dadurch automatisch in ein Dilemma: Im Endeffekt sind die ausdifferenzierten Teilbereiche wieder zusammenzuführen, um die übergeordneten Ziele erreichen zu können. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Begriff der ‚Koordination‘ auf die wechselseitige Abstimmung der Teile im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel (vgl. Frese 1998: 10). Noch stärker betont der Begriff der ‚Integration‘, den manche Autoren dem Koordinationsbegriff vorziehen (vgl. Steinmann/Schreyögg 2000), dass dieses Grundprinzip organisatorischer Gestaltung eine ganzheitliche Perspektive impliziert. Zur Diskussion stehen also nicht kurzfristige Koordinationsmaßnahmen, sondern die längerfristige Gestaltung von Interdependenzen. Organisation nach Maßgabe der Prinzipien der Differenzierung sowie der Koordination findet auf unterschiedlichen Ebenen und in horizontaler wie in vertikaler Richtung statt. Im Folgenden wird ein Überblick über die entsprechenden wesentlichen Organisationsformen gegeben. Bevor ich auf unterschiedliche Strukturierungsarten eingehe, sollen allgemeine Anmerkungen zur Aufbau- und Ablauforganisation ein grundlegendes Verständnis für die Strukturen und Prozesse in einem Unternehmen schaffen. Die Differenzierung in Aufbau- und Ablauforganisation geht wiederum auf Kosiol (1962) zurück. Im Rahmen der Aufbauorganisation werden die Gesamtaufgaben eines Unternehmens in arbeitsteilige Aufgaben zerlegt; Teilaufgaben werden zu Stellen41 kombiniert und diese werden unter der Leitung einer Instanz42 in einer Abteilung zusammengefasst. Demgegenüber beschreibt die Ablauforganisation die Gestaltung von Arbeitsprozessen, d. h. die raum-zeitliche Verknüpfung der Teilaufgaben, die in der Aufbauorganisation festgelegt wurden (vgl. Kugeler/Vieting 2000: 187). Wie bereits dargelegt, lassen sich Struktur und Prozess, Aufbau und Ablauf, nicht ohne weiteres trennen, so dass auch in der Unternehmenspraxis die Aufgabenanalyse vielfach im Sinne einer Prozessanalyse funktioniert.43 Dabei
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ich mich hier auf die strukturbildenden Momente Differenzierung und Koordination, da Fragen der Motivation im nächsten Unterkapitel behandelt werden. Eine Stelle bezeichnet die zusammengefassten Aufgaben, die einer Person zugeordnet werden (vgl. Thom 1992: 2322ff.). Instanzen zeichnen sich durch Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse sowie eine entsprechende Verantwortung für einen gesamten Stellenkomplex aus (vgl. Kieser/Walgenbach 2003: 89ff.). Die horizontale Gliederung nach Prozessen orientiert sich am Konzept der ‚Wertkette‘, das auf Porter (1985) zurückgeht. Die zusammenhängenden Aktivitäten in einem Unternehmen werden in einer Wertschöpfungskette abgebildet, und jedes Produkt durchläuft diese Kette vom Anfang bis zum Ende, d. h. prinzipiell von der Eingangslogistik bis zum Kunden. Das prozessorientierte Denken hat in Unternehmen an Auftrieb gewonnen, als die arbeitsteilige Koordination zu man-
62 wird beispielsweise die Produktentwicklung als ein Prozess betrachtet, der mit einer Idee beginnt und mit der Herstellung eines Prototypen endet; der Verkauf umfasst die Phase von der Anwerbung bis zur Auftragserteilung, etc. Um die verschiedenen Prozesse effizient und effektiv zu gestalten und den zeit- und kostenaufwendigen Abstimmungsbedarf gering zu halten, hat die Analyse nach Prozessen vor allem das Ziel, Arbeitsabläufe nicht unnötig zu zerteilen (vgl. Schreyögg 2003: 121). Auch wenn der Blick immer mehr auf die Abläufe und damit auf die horizontale Dimension der Unternehmung gerichtet wird, sind die Formen der organisatorischen Arbeitsteilung und -vereinigung letztlich in einem vertikalen, hierarchischen Gefüge verankert. Das System von Über- und Unterordnung spiegelt sich in der allgemeinen Organisationsstruktur eines Unternehmens wider, die üblicherweise in der Form eines Organigramms graphisch abgebildet wird. Grundsätzlich orientiert sich die Bildung von Organisationsformen entweder an Funktionen oder an Objekten. Kennzeichnend für die funktionale Organisationsform ist eine Spezialisierung nach Sachfunktionen auf der zweiten Hierarchieebene, d. h. auf der Ebene unter der Unternehmensleitung. Als Kernfunktionen eines Industriebetriebs sind Beschaffung, Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing, Finanzierung und Personal zu nennen, wobei den beiden letztgenannten eine unterstützende Funktion im Prozess der Leistungserstellung zukommt.44 Traditionell bildet ein Funktionsbereich eine Abteilung. (Fig. 4)
Unternehmensleitung
Beschaffung
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FuE
Produktion
Marketing
gelnder Flexibilität und zunehmender Entfremdung vom Kunden führte (vgl. Helbig 2003: 10). Als Business Reengineering wurde es zu einer beliebten Methode im Rahmen von Reorganisationsprozessen (vgl. Hammer/Champy 1993). Der Stellenwert der einzelnen Funktionsabteilungen variiert vor allem in Abhängigkeit von der Branche. In Dienstleistungsunternehmen entfällt die Kernfunktion der Produktion; kundennahe Servicefunktionen gewinnen hier an Gewicht. Handelsbetriebe werden ebenfalls nicht selbst produzierend tätig, sie führen Fertigfabrikate von Endproduzenten der endgültigen Verwendung zu (vgl. Barth 1999: 2). Entsprechend kommt der Absatzpolitik in Handelsbetrieben eine erfolgsentscheidende Rolle zu.
63 Produkte, Märkte oder Güter sind das entscheidende Differenzierungskriterium, wenn sich die Organisationsform an Objekten orientiert. Unternehmen, die mehrere Produkte bzw. Produktgruppen herstellen, bevorzugen die sog. divisionale Organisation, auch Spartenorganisation oder Geschäftsbereichsorganisation genannt. Das Gesamtunternehmen wird auf der Ebene unter der Unternehmensleitung nach Produkten bzw. alternativ nach Absatzgebieten oder Kundengruppen in weitgehend selbstständige Geschäftsbereiche unterteilt, wobei auf den nachfolgenden Ebenen wiederum die funktionale Gliederung in Kraft treten kann. Die Organisation nach Funktionen bzw. nach Geschäftseinheiten korreliert stark mit der Größe eines Unternehmens. Picot et al. (2002: 302) halten die Funktionsbereichsorganisation vor allem geeignet für kleine bis mittlere und prinzipiell überschaubare Unternehmen. Die Entscheidungsrechte sind hier weitgehend auf der obersten Hierarchieebene zentralisiert. Je heterogener das Produktprogramm wird, desto schwieriger gestaltet sich allerdings die funktionsübergreifende Koordinationsleistung. Bei der Geschäftsbereichsorganisation werden die Entscheidungsrechte dezentral auf die Geschäftsbereiche verteilt; die Ausrichtung der Gesamtunternehmensstrategie sowie die allgemeine Finanzierungsfunktion, d. h. die Allokation der verfügbaren finanziellen Ressourcen, obliegen der Unternehmensspitze, die überdies die Geschäfts- und Zentralbereichsleiter überwacht (vgl. Picot et al. 2002: 331).45 Grundlegend für die interne Struktur eines Unternehmens ist damit auf der einen Seite die Kooperation in und zwischen Abteilungen, auf der anderen Seite die Leitung des Ganzen und der einzelnen Teilbereiche. Die Anzahl der Leitungsebenen setzt sich unter der Unternehmensleitung und den Geschäfts- bzw. Zentralbereichsleitern fort. Mit Begriffen wie ‚Kontroll-‘ oder ‚Leitungsspanne‘46 werden dabei die Quantität und Qualität einer weisungsbefugten Instanz beschrieben. Nach wie vor dominiert das Einlinienprinzip, demzufolge jeder Mitarbeiter einen direkt weisungsbefugten Vorgesetzten hat. Andere Arbeitsformen, wie Projektteams oder die Matrixorganisation,47 führen hier allerdings zu flexibleren, allerdings auch stärker abstimmungsbedürftigen Regelungen. Darüber hinaus
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Mit einer divisionalen Struktur wird vor allem die Organisationsform des Konzerns in Verbindung gebracht. Ein Konzern konstituiert sich aus mehreren Unternehmen, die rechtlich selbstständig, wirtschaftlich aber unselbstständig sind, also einer einheitlichen Leitung bedürfen (vgl. Wehling et al. 1992: 9; Anesini 1991: 12ff.). Die Leitung erfolgt häufig durch eine Holding-Gesellschaft, die nicht unmittelbar in die Produktion oder den Vertrieb der einzelnen Tochterunternehmen involviert ist, jedoch die gesamtunternehmerische Verantwortung trägt. Anzahl der einer Leitungsstelle bzw. Instanz direkt unterstellten Mitarbeiter (vgl. Staerkle 1992: 1231). Die Matrixorganisation setzt auf der zweiten Hierarchieebene an und bezeichnet die Gleichzeitigkeit von zwei Autoritätslinien mit unterschiedlicher Ausrichtung (vgl. Scholz 1992b). Z.B. hat ein Mitarbeiter einen Vorgesetzten in seiner funktionalen Abteilung, einen weiteren im Hinblick auf ein bestimmtes Produkt.
64 wird die Forderung nach flachen Hierarchien verstärkt geltend gemacht und mit mehr Flexibilität, einer höheren Kommunikationsdichte und geringeren Kosten begründet (vgl. Schreyögg 2003: 163f.).48 Viele Unternehmen haben erkannt, dass ihre Ablauforganisation von hierarchischen Strukturen überlagert und behindert wird und Ressortegoismen die Gesamtoptimierung verhindern (vgl. Töpfer 1996: 23). Neben klassischen Hierarchien gewinnen daher Formen horizontaler Integration immer mehr an Bedeutung. So werden z. B. problembezogene Arbeitsgruppen mit Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen gebildet, um auf diese Weise eine frühzeitige Abstimmung zu gewährleisten. Kommunikative Interaktion bietet in diesem Zusammenhang erhebliche Chancen, stellt aber zugleich eine stete Herausforderung dar. Einerseits besteht die Möglichkeit, gemeinsam effiziente und effektive Lösungen zu erarbeiten und damit Prozesse zu optimieren, andererseits werden unterschiedliche Interessen evident, die im Sinne übergeordneter Ziele kommunikativ ausgehandelt werden müssen. Die bestehenden Strukturen im Kleinen wie im Großen bieten einen Orientierungsrahmen, indem sie sowohl den Mitarbeitern als auch externen Beobachtern signalisieren, wo Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse zusammenlaufen, ob zentralistische oder dezentralistische Elemente überwiegen, etc. Dabei gilt es mit Frese (2000a: 6) zu bedenken, dass Organisationsformen nicht auf dauerhafte Ordnung zielen, sondern vielmehr auf die Lernfähigkeit eines Unternehmens.
4.2.3 Menschen im Unternehmen Die im vorigen Teilkapitel skizzierten Organisationsformen geben einem Unternehmen und seinen Mitgliedern zwar einerseits Orientierung, da sie den Umgang mit Komplexität erleichtern, andererseits „abstrahieren sie häufig vom Menschen, um die Funktion der Organisation logisch und widerspruchsfrei zu formulieren“ (Baecker 2003: 203). Der ‚Faktor Mensch‘ wird dann erst nachträglich in Stellen ‚eingebaut‘, womit allerdings verkannt wird, „daß Menschen die einfachste Struktur sind, die wir kennen, die in der Lage ist, Komplexität zu verarbeiten“ (ebd.: 202). Die Chance, das einzigartige Potential der Mitarbeiter zu nutzen, stellt für Unternehmen immer auch eine große Herausforderung dar. Schließlich haben sie es hier mit Individuen zu tun, deren Interessen den in Strukturen und Prozessen der Organisation ‚geronnenen‘ Werten, wie Standardisierung, Formalisierung und Hierarchiebildung, häufig diametral entgegenstehen. Jenseits von Interessenkonstellationen
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Flache Hierarchien und ähnlich positiv konnotierte Aspekte der Organisationsform werden auch gerne in Unternehmensleitbildern propagiert. Ernst genommen handelt es sich dabei nicht um eine „Frage der Menschenfreundlichkeit, sondern der Optimierung der Wertschöfpung“ (Schmidt 2004: 178).
65 ist die im Folgenden zu thematisierende Dimension der Unternehmenskultur bezogen auf die praktizierte Führung, Mechanismen und Maßnahmen der Motivation, das Ausmaß an Offenheit, Formen der Mitbestimmung etc. Im Rahmen dieser Arbeit können entsprechende Themen nur angerissen werden, wobei der Fokus auf solche Phänomene zu richten ist, die Folgen für das praktische und kommunikative Handeln in Unternehmen haben. Die erste zentrale Frage, die jedes Unternehmen in diesem Kontext für sich klären muss, lautet: Welche Mitarbeiter brauchen wir? Prinzipiell handelt es sich dabei um ein strategisches Thema, da jedes Unternehmen langfristig ausreichend Mitarbeiter benötigt, um funktionsfähig zu bleiben. Hinsichtlich Quantität und Qualifikation bestehen allerdings Unterschiede, die zudem einem historischen Wandlungsprozess unterliegen. So sind beispielsweise für produktionsorientierte Tätigkeiten in der industriellen Fertigung mittlerweile immer mehr Spezialisten gefragt, die komplexe Fertigungsabläufe überblicken und zusätzlich Personalverantwortung übernehmen können. Ein besonders starkes Wachstum verzeichnen derzeit Dienstleistungsbranchen, in denen vor allem hochqualifizierte Kräfte benötigt werden (vgl. Weidig et al. 1999). Gleiches gilt für den Bereich Organisation und Management, d. h. für Führungspositionen in Unternehmen. Mitarbeiter, die entsprechende Stellen besetzen, sollten als Generalisten in der Lage sein, komplexe Aufgaben zu übernehmen, wobei unternehmerische Gestaltungskompetenz, umsetzungsorientierte Handlungskompetenz und verschiedene Sozialkompetenzen, wie Kommunikations-, Team- und Kooperationsfähigkeit, eine zentrale Rolle spielen.49 Diese allgemeinen, zugleich umfassenden Anforderungen machen deutlich, dass es in der heutigen Wirtschaftswelt immer mehr um den ganzen Menschen geht. Das Anspruchsniveau wächst, was Kompetenzen, aber auch Einsatzbereitschaft und Zeit, d. h. zeitliches Engagement, betrifft. Schon bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter zeigt sich, dass die Selektion, will sie langfristig erfolgreich sein, nicht nur vom Unternehmen ausgeht. Ebenso machen die potentiellen Arbeitnehmer bestimmte Erwartungen und Wertvorstellungen geltend. Im Zuge des allgemeinen gesellschaftlichen Wertewandels orientieren sich immer mehr Menschen an sog. postmaterialistischen Werten, die sich auf die ‚höheren‘ Bedürfnisse, wie soziale Achtung und Selbstverwirklichung, beziehen.50 Damit geht eine qualitative Verschiebung der Ansprüche an die Arbeit einher, die eine Neubewertung arbeitsinhaltlicher Elemente zur Folge hat (vgl. von Rosenstiel/Nerdinger 1995: 133). In einer Reihe von empirischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass z. B. Selbstentfaltungswerte, die mit einer interessanten Arbeitstätigkeit und guten
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Zu verschiedenen individuellen und beruflichen Kompetenzdimensionen vgl. Stephan (2002). Aktuelle Anforderungsprofile für Nachwuchskräfte finden sich z. B. bei Wollschning-Strobel (1999), Wunderer/Dick (2000) und Rastetter (1996). Die Klassifizierung der Werte geht auf die Bedürfnispyramide von Maslow (1954) zurück. Vgl. zum Wertewandel allgemein Inglehart (1977) und Klages (1984), zu Auswirkungen des Wertewandels auf die Arbeitswelt vor allem von Rosenstiel (1993).
66 Weiterbildungsmöglichkeiten korrelieren, ein immer größeres Gewicht einnehmen (vgl. von Rosenstiel et al. 1993, Watermann 2000). Grundsätzlich sind folgende Bedürfnisse bzw. Interessen bezogen auf die berufliche Arbeit relevant: materielle Absicherung in Form von Geld und anderen Leistungen, Sicherheit des Arbeitsplatzes, Status, Zugehörigkeit, Leistung, Macht und Selbstverwirklichung (vgl. Jost 2000a: 34ff.). Um den Menschen mit seinen Interessen und Vorstellungen erfolgreich integrieren zu können, muss ein Unternehmen ein angemessenes Gegenangebot offerieren. Dieses bezieht sich einerseits auf monetäre Gegenleistungen, andererseits auf Formen der Tätigkeit und Zusammenarbeit sowie auf Entwicklungsmöglichkeiten. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, auf jeden Aspekt detailliert einzugehen.51 Vielmehr möchte ich einige allgemeine Themen reflektieren und illustrieren, durch die deutlich werden dürfte, dass die besondere Herausforderung darin besteht, ein Spannungsfeld von individuellen und kollektiven Interessen und Zielen zu gestalten. In einer komplexen Organisation wie einem Unternehmen stellt es eher die Regel als die Ausnahme dar, dass Interessen einander zuwiderlaufen und Zielkonflikte entstehen. Veränderungsprozesse im größeren Umfang, z. B. vor dem Hintergrund drohender Betriebsschließungen, stellen für die Unternehmenskultur eine wirkliche Herausforderung dar. Aber auch im normalen Unternehmensalltag erweisen sich Verhaltenserwartungen vielfach als nicht kompatibel. Die Ziele der Organisation und die Ziele ihrer Mitglieder in Einklang zu bringen, stellt wohl eine Idealvorstellung dar, realistischerweise ist aber zumindest ein Höchstmaß an Übereinstimmung anzustreben, damit der einzelne Mitarbeiter produktiv und motiviert seinen Beitrag zum Ganzen leistet. Motivation ist in diesem Zusammenhang weit mehr als ein ‚Mythos‘.52 Der Terminus bezieht sich auf psychische Vorgänge, „die für die Auswahl und Stärke der Aktualisierung von Verhaltenstendenzen bestimmend sind“ (Häcker/Stapf 2004: 614). Es geht also in erster Linie um die innere (Handlungs-)Bereitschaft einer Person, die handlungsaktivierend wirkt. Gleichzeitig wird mit Motivation die Art und Weise bezeichnet, wie Verhaltensbereitschaft geweckt, erzeugt oder gesteigert werden kann.53 Diese Dialektik von Selbst- und Fremdsteuerung gilt es zu bedenken, wenn in den Unternehmen Maßnahmen und Instrumente der Mitarbeitermotivation zur Diskussion stehen. Extrinsische Gratifikation, z. B. in Form von individuellen, flexiblen Entlohnungssystemen, sollte idealerweise durch intrinsische
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Hierzu sei vor allem auf Darstellungen im Rahmen des Personalmanagements verwiesen. Vgl. grundlegend Bühner (1997), Scholz (2000). Mythos Motivation lautet der Titel eines Managementbestsellers, in dem der Trainer und Berater Reinhard Sprenger die gängige Praxis der Motivation in den Unternehmen scharf kritisiert (vgl. Sprenger 1999). Sprenger (1999: 22) präferiert für diese zweite, einen Ablauf kennzeichnende Dimension der Motivation den Begriff ‚Motivierung‘. Für ihn (ebd.) verhält sich „Motivation [...] also zur Motivierung wie das Warum zum Wie“.
67 Motivation ergänzt werden, d. h. durch Anreize, die in der Aufgabe oder Sache selbst, in Erfolgsaussichten u. ä. begründet liegen. Die Aktivierung der inneren Leistungsbereitschaft ist dabei in hohem Maße von den situativen Rahmenbedingungen abhängig, hier insbesondere von der Führung und Zusammenarbeit im Unternehmen.54 Führung als „ziel- und ergebnisorientierte, aktivierende und wechselseitige, soziale Beeinflussung zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in und mit einer strukturierten Arbeitssituation“ (Wunderer 2003: 4) gilt neben Planung, Organisation und Kontrolle als zentrale Managementfunktion. Im Rahmen dieses Kapitels wird der Fokus auf die direkte, interaktive Menschenführung gerichtet, also auf die Führung von Mitarbeitern durch Vorgesetzte.55 Zentrale Aufgabe des Vorgesetzten ist es, den Mitarbeiter dahingehend zu motivieren, dass dieser sein Potential an Wissen, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zugunsten der gemeinsamen Zielerreichung einsetzt (vgl. von Rosenstiel/Comelli 2003: 277). Der Begriff der ‚Führungsbeziehung‘ macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass es um wechselseitige Einflussgestaltung geht. Entsprechend kann es auch nicht einen ‚richtigen‘ Führungsstil geben; Führungsverhalten und -stil variieren in Abhängigkeit von der Situation und den beteiligten Personen. Die bis dato identifizierten und klassifizierten Führungsstile stellen in diesem Sinne keine allgemeingültigen Regeln dar, sondern sie beinhalten vielmehr Prinzipien, die der Führungskraft Orientierung für ihr Handeln geben. Studien haben gezeigt, dass in der Unternehmenspraxis ein kooperativer sowie ein delegativer Führungsstil bevorzugt werden (vgl. Wunderer 2003: 18). Der kooperative Führungsstil zeichnet sich durch eine hohe Interaktionsdichte aus; Mitarbeitergespräche, Coaching und die gemeinsame Konfliktregelung sind typische Elemente entsprechender Führungsbeziehungen. Beim delegativen Führungsstil werden den Mitarbeitern noch mehr Freiräume gewährt, was aber auch bedeutet, dass ein hinreichendes Maß an gemeinsamer Abstimmung erforderlich ist. Sowohl der kooperative als auch der delegative Führungsstil implizieren, dass der Delegierende ein hohes Maß an Vertrauen in seine Mitarbeiter setzt. Mit dem Vertrauen ist ein Konstrukt benannt, das in den letzten Jahren in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion an Relevanz gewonnen hat.56 Graeff (1998: 56)
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In die gleiche Richtung argumentiert Dera (2003: 86ff.), für die Motivation dann zustande kommt, wenn die Motive der Organisationsmitglieder an die Handlungsprogramme der Organisation gebunden werden. Im Englischen wird begrifflich differenziert zwischen management i. S. von Unternehmensführung und leadership i. S. von Mitarbeiterführung. Zu Maßnahmen der allgemeinen Unternehmensführung, z. B. zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens oder zur Gestaltung grundlegender Organisationsformen, vgl. Kap. 4.2.1 und 4.2.2. Vgl. vor allem Ansätze der Neuen Institutionenökonomik, die sich mit Verhandlungssituationen beschäftigen, in denen die Beteiligten dem Aufbau von Vertrauen Vorrang vor der Regelung durch Verträge geben. Zur aktuellen Bedeutung des Vertrauenskonzepts in den Wirtschaftswissenschaften vgl. Sell (2004).
68 stellt fest: „Vertrauen dient auch in Arbeitsbeziehungen dazu, Orientierung zu geben und die Qualität des Verhältnisses zu beurteilen“. Vor allem implizite, nicht festgeschriebene Vereinbarungen, die gegenüber standardisierten Regelungen immer mehr an Bedeutung gewinnen, beruhen auf Vertrauen (vgl. Hoeckels 2000: 213). Die positiven Effekte, die dem Vertrauen zugeschrieben werden, sind allerdings nicht ohne ‚Investitionen‘ zu erreichen. Vertrauensbildung beschreibt einen längeren Prozess, in dem die Interaktionspartner einander idealiter als fair, integer, loyal, offen und konsistent erleben (vgl. Butler 1991). Im Sinne einer grundsätzlichen unternehmenskulturellen Orientierung reicht das Vertrauensklima über das interpersonale Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter hinaus, weil es die positive, vertrauensvolle Einschätzung des Gesamtunternehmens betrifft. Wie eine Reihe von Studien gezeigt haben, wird das Vertrauen in das Unternehmen gefördert, wenn die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass ihre Persönlichkeit im Mittelpunkt des Arbeitsprozesses steht, d. h. Personen- und nicht Strukturorientierung dominiert (vgl. Graeff 1998: 96). Ein Indiz für eine entsprechende Personenorientierung stellt die Personalentwicklung dar. Es handelt sich dabei wiederum um eine Aufgabe, die auf der Ebene der Personalführung ansetzt, z. B. durch regelmäßige Mitarbeitergespräche, die aber darüber hinaus auch unternehmensweit institutionalisiert werden kann. Die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter fördern und zu ihrer beruflichen wie auch persönlichen Entwicklung beitragen, halte ich für einen wesentlichen unternehmenskulturellen Aspekt. Hier spiegeln sich zentrale Werte, wie Gerechtigkeit, Dominanz von Selbst- bzw. Fremdgestaltung usw., wider, die integrierende, aber auch ausschließende Effekte haben. Bereits die komprimierte Darstellung von Phänomenen, die dem Umgang mit Menschen im Unternehmen gelten, macht deutlich, dass es stets um interaktive Beziehungen geht. Zur Führung gehören zwei: Führender und Geführter; Motivation und Vertrauen beruhen einerseits auf Angeboten des Unternehmens, andererseits aber auch auf Einstellungen der Mitarbeiter; Personalentwicklung läuft ins Leere, wenn sie nicht an den Bedürfnissen und Interessen der Arbeitnehmer ausgerichtet ist. Evident werden komplexe Wechselverhältnisse erst recht im Rahmen der Zusammenarbeit im Unternehmen. Im Gegensatz zu den formalen Organisationsstrukturen, die allgemeine Rahmenbedingungen für die Kooperation vorgeben (vgl. Kap. 4.2.2), verlangt die hier thematisierte Perspektive auf die Unternehmenskultur einen anderen Fokus: Es geht um das Verhalten von und in Gruppen.57 Im Hinblick auf das Verhältnis von konkurrierenden und kooperativen Verhaltensmustern in Unternehmen gelangt Wunderer (2003: 477) zu folgender Schlussfolgerung:
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Der Gruppenbegriff ist in diesem Kontext der allgemeinste. Nach Dera (2003: 110) bildet eine Gruppe eine raum-zeitliche Einheit, die sich durch ein gewisses Gemeinschaftsgefühl auszeichnet. Für Teams sind ausgeprägte informale Merkmale kennzeichnend.
69 Organisationsstrukturen sowie westliche Organisationskulturen fördern eher konkurrierendes als kooperatives Verhalten zwischen selbständigen Organisationseinheiten und ihren Mitarbeitern. Demgegenüber dominieren für die Zusammenarbeit innerhalb von Organisationseinheiten eher kooperative Normen [...].
Als größtes Konfliktfeld gilt die Zusammenarbeit von Personen und Gruppen, die unterschiedlichen Organisationseinheiten angehören. Für Wunderer (ebd.: 30) sind die meisten Konflikte in einer mangelnden Orientierung an gemeinsamen Zielen, in einer mangelnden Kenntnis der Probleme anderer Abteilungen und nicht zuletzt im Nicht-Wollen, d. h. Widerständen auf Seiten der Beteiligten, begründet.58 Hinzu kommt, dass im wettbewerblichen Umfeld des Unternehmens mikropolitisches Verhalten, das dem Aufbau und Einsatz von Macht dient, ein alltäglich beobachtbares Phänomen darstellt (vgl. Neuberger 1995). So typisch diese Konfliktfelder für ein Unternehmen auch sind, so unterschiedlich können die ‚Spielregeln‘ ausfallen, die im Rahmen der spezifischen Unternehmenskultur den Umgang mit Konflikten bestimmen. In Unternehmen, in denen Konsens eine allgemeine Leitlinie darstellt, wird u. U. so lange verhandelt, bis ein konsensfähiger Kompromiss gefunden ist. In anderen Fällen klären sich Verteilungskonflikte eher durch Koalitionsbildung oder durch das Urteil von Führungspersönlichkeiten. In diesem Zusammenhang spielt auch der Umgang mit Emotionen eine wichtige Rolle. Zwar hat sich die Erkenntnis, dass der Mensch nicht ‚rational halbiert‘ werden kann, mittlerweile in Forschung und Praxis durchgesetzt und Emotionen werden als eine mächtige Triebfeder menschlichen Handelns betrachtet (vgl. auch Kap. 3). Gleichwohl ist der Ausdruck von Emotionen in institutionellen Kontexten keineswegs beliebig. Wiederum sind es primär die Vorgesetzten bzw. die Unternehmensleitung, die in ihrer Vorbildfunktion den Mitarbeitern signalisieren, ob sie eher dem Prinzip ‚Halte Emotionen zurück‘ oder ‚Bringe zum Ausdruck, was dich bewegt‘ folgen sollen. Gerade in Situationen hoher Komplexität, in denen lineares analytisches Denken nicht mehr ausreicht, ist es allerdings ratsam, positive Emotionen zu stärken, insofern sie die Motivation und damit auch die Selbstbindung des Menschen an das Unternehmen erhöhen können. Durch die skizzenhaften Ausführungen in diesem Teilkapitel sollte bereits deutlich geworden sein, dass Menschen in Unternehmen – wenn auch nicht immer explizit, so doch zumindest implizit – in Theorie und Praxis stets Thema sind. Es geht dabei um Verhaltensmuster in hierarchischen wie in kooperativen Beziehungen, um den Status von Gefühlen und Werten, um Mechanismen der Fremd- sowie der Selbstbindung usw. Das folgende Zitat von Wendt (1999: 56) fasst meine Auffassung zu dieser Dimension der Unternehmenskultur pointiert zusammen:
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Vgl. auch Schottmayer (2003), der sich mit Subkulturen im Betrieb, möglichen Konflikten und Lösungsmöglichkeiten beschäftigt.
70 Welches ist nun das für die heutige Zeit angemessene Menschenbild? – Die bisherigen Ausführungen sollten gezeigt haben, daß uniforme Ansätze, die den Menschen auf ein bestimmtes Bedürfnis reduzieren (z. B. materialistische Motivation bei Theorie X), nicht den komplexen Erfordernissen der Realität entsprechen. [...] Das Gesagte schließt nicht aus, daß es auch künftig Beschäftigte geben wird, die eher den traditionellen, einfachen Menschenbildern entsprechen. Dennoch sollte das Leitbild der modernen Organisation der komplexe Mensch sein. [...] Ähnlich wie die Naturwissenschaft Anfang des Jahrhunderts eine Abkehr vom traditionell mechanistisch-materialistischen Weltbild und dem Ideal der Rationalität vollzogen hat, muß nun auch das Management Abschied von einseitig rationalistischen Modellen wie dem des Taylorismus nehmen.
4.3
Zwischenfazit: Leitlinien für das Handeln von und in Unternehmen
Ausgangspunkt für die Darstellungen in Kapitel 4 war die Forderung, dass zunächst ein adäquates Verständnis für den Gegenstand im Ganzen entwickelt werden sollte, bevor dialogische Handlungsabläufe näher beschrieben und erläutert werden können. Das komplexe Ganze ist in diesem Zusammenhang das Unternehmen als wirtschaftliche Institution, das sich aufgrund der kulturellen Prägung an spezifischen Leitlinien und Prinzipien orientiert. Eine verallgemeinerbare Grundorientierung stellt für Unternehmen in unserer westlichkapitalistischen Gesellschaft das Interesse win dar: Ohne diese Antriebskraft wäre die Funktionsfähigkeit im wettbewerblichen Umfeld langfristig nicht gewährleistet. Bei der Frage, wie Unternehmen dieses Interesse realisieren, zeigen sich allerdings Unterschiede, die in der Unternehmenskultur begründet liegen. Diese Arbeit basiert auf einem Verständnis von Unternehmenskultur, das sich von der üblichen Konzeption abgrenzt, derzufolge Unternehmenskultur auf abstrakte Werte und ihre symbolischen Erscheinungsformen reduziert wird. Aufgrund der Schwierigkeit, die abstrakte Inhaltsseite zu erfassen, wurde bis dato recht einseitig die Ausdrucksseite fokussiert, d. h. Logos, Mythen und Geschichten etc. Eine wesentliche Schlussfolgerung lautete daher, dass typisch ökonomische Dimensionen im Rahmen des Konzepts Unternehmenskultur verstärkt Berücksichtigung finden sollten. Eine entsprechende Systematisierung erfolgte nach intensiver Beschäftigung mit der Funktionsweise von Unternehmen. Die Erläuterung der in meinen Augen zentralen Dimensionen wurde stets von dem Ziel geleitet, Parameter zu identifizieren, die für das Handeln von und in Unternehmen kennzeichnend sind. Die erste Dimension, Positionierung und Strategien, berührt Fragen, die mit Zielen und Zwecken zusammenhängen, die sich also direkt aus dem Interesse win ableiten und somit die Basis des Wirtschaftens bilden. Da Strategien die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens betreffen, ist ihre Formulierung und Durchsetzung im Wesentlichen Aufgabe der
71 Unternehmensleitung. Die Art und Weise, wie Wettbewerb bestritten werden soll, variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Allerdings können die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, die Generierung von Kundennutzen und die Gestaltung effizienter Wertschöpfungsprozesse als grundlegende Herausforderungen an jede Unternehmensstrategie identifiziert werden. Das Plädoyer für die Konzentration auf eigene Kernkompetenzen wurde dadurch verstärkt, dass Strategiebildung und -umsetzung letztlich eng zusammenhängen, der Erfolg einer Strategie mithin maßgeblich davon abhängt, ob sie in Zielvorgaben bis auf die untersten Ebenen hinunter operationalisiert worden ist. Um Gestaltungsprinzipien im Inneren ging es unter der Überschrift Organisationsformen in Kapitel 4.2.2. Die Notwendigkeit zur Strukturierung ergibt sich aus Differenzierungserfordernissen einerseits und Koordinationserfordernissen andererseits. Grundlegend für die interne Struktur eines Unternehmens sind die vertikale Dimension der Leitung sowie die horizontale Dimension der Kooperation. Wie diese Funktionen ausgestaltet sind – ob beispielsweise zentralistische Elemente überwiegen oder Entscheidungsrechte weitgehend dezentralisiert worden sind – stellt ein wesentliches unternehmenskulturelles Indiz dar. Unternehmerischer Erfolg hängt allerdings nicht nur von effektiven Strategien und effizienten Strukturen ab, sondern maßgeblich davon, ob die Mitarbeiter motiviert sind, im Interesse des Unternehmens zu agieren. Im Hinblick auf den Menschen im Unternehmen geht es mithin um eine äußerst komplexe Dimension der Unternehmenskultur, die sich auf die Art und Weise bezieht, wie das Spannungsfeld von individuellen Bedürfnissen einerseits und Interessen des Unternehmens andererseits gestaltet werden kann. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es sich bei den identifizierten Gestaltungsprinzipien und -parametern nicht um einzelne Werkzeuge handelt, durch die Unternehmen sich zu einer wie auch immer gearteten ‚Erfolgskultur‘ verhelfen können. Unternehmenskultur, wie sie hier verstanden wird, liefert drei zentrale Referenzpunkte, nämlich Strategie – Struktur – Menschen, die gleichsam unterschiedliche Perspektiven auf ein Unternehmen erlauben. Es sollte deutlich geworden sein, dass diese Dimensionen nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern als integrierter Komplex die Institution Unternehmen kennzeichnen. Da die vorliegende Arbeit auf handlungstheoretischen Prämissen basiert, seien zum Ende dieses Kapitels die wesentlichen Implikationen für das Handeln in Unternehmen zusammengefasst, um so auch den Übergang zum nächsten Kapitel zu bereiten, in dem der Fokus auf das dialogisch-kommunikative Handeln gerichtet wird. Konstitutiv für den Handlungsbereich des Unternehmens ist die Zuordnung von Menschen zu Rollen bzw. Funktionen, die mittelbar zur Erreichung ökonomischer Interessen und Ziele beitragen. In der Funktion als Manager, Abteilungsleiter, Meister etc. kombinieren und koordinieren die Mitglieder einer Organisation praktische Handlungen wie die Herstellung von Produkten, mentale Handlungen wie Entscheidungen sowie unterschiedliche kommunikative Handlungen. Mithin sind die Anforderungen an die Handlungskompetenz
72 grundsätzlich hoch, wobei das Management die Gruppe im Unternehmen repräsentiert, die ein besonders hohes Maß an Komplexität zu bewältigen hat, kommt ihr doch die Hauptverantwortung der effektiven Führung des Unternehmens zu. Diese Aufgabe präsentiert sich zuallererst als “mental challenge” (vgl. Weigand demn. b) und findet Ausdruck in komplexen Zwecken wie Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle.59 Aufgrund der immanenten Komplexität und Unsicherheit gibt es dabei nicht immer den einen richtigen Weg bzw. eindeutige Zusammenhänge zwischen Handlung und Erfolg. Die Kompetenz-in-der-Performanz zeigt sich vielmehr darin, dass einerseits aufgrund rationaler Analysen, andererseits aufgrund von Erfahrung bzw. practical reasoning unter den gegebenen Bedingungen geplant, organisiert, geführt, kontrolliert usw. wird (vgl. ebd.). Dabei bewegen sich die Handelnden „in einem Spannungsfeld von Aktion und Reflektion, das nicht beliebig zu einer Seite hin aufgelöst werden kann“ (Schirmer 2004: 814). Einzelne Handlungen, seien sie mental-kognitiver, praktischer oder kommunikativ-dialogischer Art, sind stets in einen komplexen Wirkungszusammenhang eingebettet, wobei die Bezugnahme auf ökonomische Parameter und Prinzipien für die Beschreibung und Erklärung nicht nur hilfreich, sondern geradezu unabdingbar ist. In den vorangegangenen Kapiteln standen die ökonomischen Inhalte im Mittelpunkt. Ausgehend davon stellen sich für das kommunikativdialogische Handeln die folgenden Fragen: Wo und wie spiegeln sich die ökonomischen Interessen und Zwecke im dialogischen Handeln wider? bzw.: Wie wird dialogisch mit ökonomischen Interessen und Zwecken verfahren? (vgl. Weigand demn. b)
4.4
Typen von dialogischen Handlungsspielen in Unternehmen
Durch die Ausführungen in den vorherigen Kapiteln, die dazu dienten, ein grundlegendes Verständnis für die Institution des Unternehmens zu schaffen, wurde deutlich, dass es sich um einen Bereich handelt, in dem komplexe Interaktionsprozesse stattfinden: Praktisches, mental-kognitives und kommunikatives Handeln sind Teil eines integrierten Ganzen. Dieses kann gleichsam aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. So nehmen beispielsweise Vertreter der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin eine Systematisierung der allgemeinen Managementfunktionen Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kon-
59
Mit diesem „Amalgam aus [...] Teilfunktionen“ (Wolf 2005: 82) werden nach der klassischen Managementlehre die zentralen Aufgaben des Managements beschrieben. Vgl. Faylor (1916), Kootz/O’Donnell (1955).
73 trolle vor.60 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit interessiert dabei primär die Frage, wie sich ein Phänomen wie das der Planung in der dialogischen Interaktion niederschlägt. Aus diesem Grund werde ich meine Erläuterung des kommunikativ-dialogischen Handelns in Unternehmen auf linguistischen Handlungskategorien gründen. Das in Kapitel 3 skizzierte Modell des dialogischen Handlungsspiels stellt das ‚Gerüst‘ dar, das es erlaubt, kommunikatives Handeln systematisiert zu beschreiben. Aufgabe des folgenden Hauptkapitels wird es somit sein, Typen von dialogischen Handlungsspielen zu bestimmen, die in ihrer Funktion und Form typisch für die interessengeleitete Kommunikation in der Institution Unternehmen sind. Den Ausgangspunkt der nachfolgenden Perspektive markieren nicht, wie sonst allgemein üblich,61 einzelne Diskurstypen, d. h. Besprechungen, Mitarbeitergespräche o.ä. Ich gehe von Handlungsspielen als kulturellen Einheiten aus, die in einem funktionalen Zusammenhang stehen und ein mehr oder weniger hohes Maß an Komplexität aufweisen, je nachdem, wie sich ein entsprechender Aushandlungsdiskurs gestaltet. In authentischen Gesprächen wie den oben genannten tauchen Handlungsspiele bruchstückhaft auf; sie sind nicht eins zu eins mit einem Gespräch gleichzusetzen, sondern stehen in einem größeren Zusammenhang, der vielfach über das einzelne Gespräch hinausgeht. Bei den aufgezeichneten Gesprächen, die als Fallbeispiele für die Analysen in Kapitel 5 genutzt werden, handelt es sich um Besprechungen, d. h. um institutionalisierte Mehrpersonengespräche. Daher wird auch im Rahmen der theoretischen Grundlegung primär auf entsprechende Beispiele rekurriert. Da Handlungsspiele als kulturelle Einheiten konzipiert sind, werde ich mich bei der Erläuterung stets am unternehmenskulturellen Rahmen orientieren, der in Kapitel 4.2 dargelegt wurde. Als wesentliche Handlungsbedingungen gehen die Elemente und Besonderheiten der Unternehmenskultur, d. h. Strategien, hierarchische Strukturen, Formen der Kooperation usw. stets in die kommunikativen Zwecke wie in die Mittel ein. Allerdings stellen diese Aspekte nicht die entscheidenden Kriterien für eine Differenzierung dialogischer Handlungsspiele dar.62 Dies sind vielmehr die unterschiedlichen interaktiven
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Zu Recht merkt Schirmer (2004: 816) an, dass „die Managementfunktionen [.] ausreichend abstrakt konzipiert [sind], um diverse Formen beobachtbaren Verhaltens darunter zu subsumieren“. Allerdings bleibe im Weiteren zu erforschen, „wie diese Funktionen auf der Verhaltensebene erfüllt werden“. Vgl. bspw. Brünner (2000), die eine Unterteilung in Verkaufsgespräche – Reklamationsgespräche – Servicegespräche – Besprechungen etc. vornimmt. An ähnlichen Kategorien orientieren sich die meisten Arbeiten, wie schon die Titel indizieren. Vgl. u. a. Dannerer (1999). Vgl. dazu auch Weigand (2003: 24f.): „Handlungsbedingungen sind immer gegeben; in vielfältiger Art bilden sie den kulturellen Rahmen des Handlungsspiels. [...] Sie stellen keine eigene Komponente neben den Zwecken und den sprachlichen Mitteln der Äußerungsform dar, sondern sind von Anfang an konstitutiv für die kulturelle Einheit des Handlungsspiels, in dem dialogisches Handeln sich abspielt.“
74 Zwecke, die grundlegenden Wahrheits-, Wissens- und Wollensansprüchen entsprechen und die sich insofern in einer dialogischen Sprechakttaxonomie verorten lassen.63 Welche kommunikativen Ansprüche in Unternehmen zum Tragen kommen und wie sie dialogisch ausgehandelt werden, ist in den weiteren Unterkapiteln zu klären. In diesem Sinne erfolgt nun eine Integration des zugrunde liegenden Kommunikationsmodells und der für den ökonomischen Handlungsbereich konstitutiven Rahmenbedingungen.64 Die Komplexität des Gegenstands im Ganzen, d. h. des Unternehmens, in dem Prozesse und Strukturen in Wechselbeziehung zueinander stehen, spiegelt sich im Kleinen, in der konkreten kommunikativen Interaktion, wider. In der Empirie wird sich zeigen, wie unterschiedliche dialogische Handlungsspiele zusammenhängen. Schließlich beschreibt das Konzept des Handlungsspiels keine formalen Einheiten, die über raum-zeitliche Kriterien, wie eine Mindestlänge o. ä., abzugrenzen wären. Handlungsspiele sind funktionale Einheiten, für die wir als kompetente Sprecher nur insoweit Grenzen angeben können, als wir unseren Zweck der Verständigung erreicht haben. Ob dies der Fall ist, obliegt letztlich der individuellen Bewertung, vor allem der Sichtweise der Beteiligten. Aufgrund verallgemeinerbarer Prinzipien kommunikativen Handelns, die bereits in Kapitel 3 skizziert wurden und nun auf ein konkretes Handlungsfeld bezogen werden, erscheint es gleichwohl möglich, erste Leitlinien für effektive Kommunikation aufzuzeigen. Im Rahmen der Darstellung der einzelnen Handlungsspiele sollte bereits deutlich werden, wie sich erfolgreiche Verständigung gestaltet. Im Anschluss werden diesbezügliche Erkenntnisse in einem abschließenden Kapitel zusammenfassend dargelegt. Mit Information, Argumentation, Anweisung und Erkundung werden zu Beginn der Ausführungen gleichsam grundlegende Typen betrachtet, d. h. dialogische Handlungsspiele, die relativ problemlos einer dialogischen Sprechakttaxonomie entnommen werden können und die für den Sprachgebrauch allgemein vielfach schon beschrieben worden sind.65 Man könnte sie auch als Basistypen bezeichnen und im Laufe der folgenden Unterkapitel wird deutlich werden, dass sie im Wesentlichen die Voraussetzung für sprachliches Handeln
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Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.2. Es sei betont, dass die Handlungsspiele, die in dieser Arbeit vorgestellt werden, nicht den Sprachgebrauch allgemein repräsentieren. Aus der Menge an Handlungsspielen wurden vielmehr diejenigen ausgewählt, denen im Kontext des Unternehmens besondere Relevanz zugesprochen werden kann. Ich halte die Orientierung an Wahrheits-, Wissens- und Wollensansprüchen nicht zuletzt deswegen für sinnvoll, weil diese Ansprüche allgemein menschliche Interessen widerspiegeln und insofern auch für eine Theorie des menschlichen Handelns allgemein genutzt werden können. Als ein offenes Modell erlaubt das Modell des dialogischen Handlungsspiels durchaus unterschiedliche Gewichtungen, was die Vielfalt der Handlungsbedingungen und ihren Einfluss auf die Handlungsspiele betrifft. So spielt z. B. das interpersonale Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter beim Anweisen eine größere Rolle als z. B. beim Informieren, so dass es in dem entsprechenden Unterkapitel tiefergehend diskutiert wird. Vgl. die Literaturangaben in den einzelnen Unterkapiteln.
75 allgemein sowie auch und gerade für die dialogische Interaktion in Unternehmen darstellen. Der Komplexitätsgrad erhöht sich, wenn Handlungsspiele der Planung, der Motivation, der Verhandlung, der Überprüfung und der Problemlösung vorgestellt werden.66 Hier kommt auch der Bezug zum ökonomischen Kontext schon deutlicher zum Ausdruck. Im Zentrum steht aber immer, d. h. auch schon bei den zuerst genannten Typen, die Frage, zu welchen Zwecken ein entsprechendes Handlungsspiel im Unternehmen stattfindet bzw. in welcher Beziehung es zu den Zwecken und Aufgaben in einem Unternehmen steht. Da der Fokus auf Handeln mittels Sprache gerichtet ist, gilt es ferner, typische kommunikative Prinzipien und Mittel zu erläutern. Die theoretischen Reflexionen werden stets anhand von authentischen Beispielen aus den von mir aufgezeichneten Gesprächen illustriert, um von vornherein die Anschlussfähigkeit an die kommunikative Praxis zu gewährleisten, die dann im Mittelpunkt der Analysen in Kapitel 5 steht.
4.4.1 Repräsentative Handlungsspiele Wie oben begründet, werde ich mich an den fundamentalen Funktionsklassen sprachlichen Handelns orientieren, um die Arten von Handlungsspielen zu systematisieren, die in Unternehmen stattfinden. Den Auftakt machen die repräsentativen Handlungsspiele, die nicht nur die größte Klasse darstellen, sondern auch insofern besondere Relevanz besitzen, als sie „der materiellen und ideellen Kooperation in Praxis und Reflexion [dienen]“ (Weigand 2003: 96). Was dies für den Handlungsbereich des Unternehmens bedeutet, gilt es nun genauer zu untersuchen. Aus dem Komplex der repräsentativen Handlungsspiele werden diejenigen herausgegriffen, die die Hauptstränge des kommunikativ-dialogischen Handelns in Unternehmen abbilden. Dies ist nicht nur theoretisch zu begründen, sondern zeigt sich auch bei der Analyse authentischer Gespräche. Repräsentative Handlungsspiele zeichnet grundsätzlich aus, dass der Sprecher ein bestimmtes Bild von der Welt präsentiert, das der/die Kommunikationspartner prüfen und letztendlich akzeptieren soll/en. Konstitutives Merkmal ist also ein Wahrheitsanspruch, der im Verlauf eines komplexen Handlungsspiels auf unterschiedliche Art und Weise ausgehandelt werden kann. So entstehen Verständigungsdiskurse, in denen sich die Beteiligten darüber verständigen, „was für wahr angenommen werden kann“ (Weigand 2003: 94).
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Dies soll nicht implizieren, dass Information, Argumentation usw. einfache Handlungsspiele wären. Auch sie sind in ihren Voraussetzungen und Strukturen, und vor allem als kulturelle Einheiten, bereits hinreichend komplex.
76 4.4.1.1 Information Das einleitende Zitat verweist darauf, dass der erste Typ repräsentativer Handlungsspiele, der in dieser Arbeit behandelt wird, von zentraler Bedeutung für den Sprachgebrauch allgemein ist. Darüber hinaus führt die Aussage vor Augen, dass der Sprachgebrauch nur selten auf einer festen Zuordnung von sprachlichen Zeichen und Bedeutung beruht. Spinner verwendet den Informationsbegriff in einem globalen, primär kognitiv motivierten Sinne (Information als Wissen). Er schließt sich damit einer Tradition an, die – ausgehend von der mathematischen Theorie der Kommunikation nach Shannon/Weaver (1949) – Psychologen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Informatiker u. a. inspiriert hat, sämtliche Verständigungsprozesse (ob sprachlicher oder nicht-sprachlicher Art) als Informationsverarbeitungsprozesse zu deuten. Der Terminus ‚Information‘ hat jedoch bis heute keine einheitliche Definition erfahren, er ist vielmehr in Zusammensetzungen wie ‚Informationsgesellschaft‘ oder ‘information overload’ zu einem beliebten Schlagwort der Alltagssprache geworden. Häufig wird Information mit Kommunikation gleichgesetzt, fast immer wird Informieren/Information als eine wesentliche Dimension in jedem Kommunikationsprozess angeführt.67 Demgegenüber richtet ein handlungstheoretischer Ansatz, wie er dieser Arbeit zugrunde liegt, den Fokus auf den spezifisch funktionalen Kern, der dialogische Handlungsspiele vom Typ Information u. a. für den Handlungsbereich des Unternehmens interessant macht. In Anlehnung an Weigand (2003: 110) erfasse ich ein Handlungsspiel der Information über informierende Sprechakte, sog. nuntiative, bei denen der Gesichtspunkt der Neuigkeit dominiert: „Sie teilen dem Kommunikationspartner etwas mit, das für ihn aus der Sicht des Sprechers neu ist...“.68 Anders als beispielsweise Rolf (1983), der alle repräsentativen Sprechakte als Informationshandlungen versteht und diese über die propositionale Einstellung des Hörers definiert (‚der Hörer soll glauben, dass p‘), geht Weigand vom zentralen initiativen Sprechakt und dessen Funktion aus. Funktional betrachtet zielt ein nuntiativ auf eine Stellungnahme des kommentierens, wobei der Kommentar in den meisten Fällen nicht sprachlich realisiert wird. Es genügt ein einfaches Zur-Kenntnis-Nehmen, wobei auch dann erwartbar ist, dass der Kommunikationspartner sein zukünftiges Handeln an der neuen Situation ausrichten wird. Einen starken Bezug zur Zukunft weist z. B. die Handlungsankündigung auf, die, sofern sie initiativ verwendet wird, zu den nuntiativen Untermustern zählt.
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Vgl. dazu auch die Ausführungen im Forschungsüberblick. Insofern der propositionale Gehalt der Äußerung sich auf die Welt bezieht, wie sie sich den Kommunikationspartnern aktuell darstellt, unterliegt diesem Typ von Repräsentativen ein einfacher Wahrheitsanspruch. Im Gegensatz zu assertiven bzw. Behauptungen ist aber kein weiterer Nachweis erforderlich.
77 Der zeitliche Bezug bietet m. E. eine nützliche Orientierungshilfe im weiten Feld der informierenden Handlungsspiele. Da ist zum ersten der Bericht über vergangene Aktionen und/oder Entscheidungen zu nennen, d. h. eine Sprechhandlungssequenz, in der ein Sprecher über Entwicklungen der Vergangenheit informiert. Im Kontext des Unternehmens sind dies beispielsweise Ergebnisberichte, die Quartalszahlen u. ä. enthalten. Zweitens stehen Situationen mit unmittelbarem Gegenwartsbezug, beispielsweise der Fortschritt in Projekten oder Probleme in einem Bereich des Unternehmens, im Mittelpunkt informierender Handlungsspiele. Information im hier verstandenen Sinne bildet somit die Grundlage für viele Besprechungen, in denen die Beteiligten zunächst aufgefordert sind, über Neuigkeiten aus ihren Abteilungen oder Projekten Bericht zu erstatten. Den dritten Komplex bilden die oben erwähnten Handlungsankündigungen. Auch sie basieren letztlich auf einer bereits getroffenen Entscheidung, ihre Proposition bezieht sich allerdings auf die Zukunft, was durch die Futurform des Verbs zumeist sprachlich eindeutig markiert ist (Wir werden so ’ne Art Chat einrichten, Einkaufsbesprechung Schick 0428f.).69 Interessant ist im Zusammenhang mit propositionalen Merkmalen noch das folgende Phänomen: Im Rahmen eines Handlungsspiels vom Typ Information können die Sprecher auch auf andere Handlungsspiele, z. B. auf einen Planungs- oder Argumentationsdiskurs, Bezug nehmen, insofern es sich dabei um relevante Neuigkeiten handelt. Aber was bedeutet ‚relevante Neuigkeit‘ eigentlich? Das Adjektiv relevant impliziert zum einen, dass Informationen keine objektiven Daten darstellen, sondern die individuelle Sicht bzw. Bewertung des Sprechers einem entsprechenden Handlungsspiel gleichsam inhärent ist. Zum anderen werden Informationen in einem Unternehmen nicht um des Neuigkeitswertes willen verbreitet, sondern unter der Maßgabe, dass sie koordiniertes Handeln im Unternehmensinteresse ermöglichen. Es geht um Informationen mit Handlungsrelevanz, die letztendlich dazu dienen, dass die Mitarbeiter aufgrund eines situationsadäquaten Wissensstandes ihre Arbeit verrichten können.70 Aus diesem Grund kann Information als eine gegenseitige Verpflichtung betrachtet werden, die sowohl horizontale als auch vertikale Kommunikationsprozesse im Unternehmen betrifft. Zuerst ist die Unternehmensleitung in die Pflicht genommen, da auf dieser Ebene häufig Informationen vorliegen, die den Mitarbeitern im Betrieb nicht ohne weiteres zugänglich sind. Zugleich benötigt das oberste Führungsorgan Informationen über die Umsetzung bzw. Umsetzbarkeit der Strategien im operativen Geschäft. Die Mitarbeiter agieren in Gruppen, Abteilungen etc., die zwecks Koordination ebenfalls auf Informationen angewiesen sind. Ein formales Erfolgskriterium
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Das authentische Sprachmaterial wird im Folgenden durch Kursivschrift gekennzeichnet; die Zahlen kennzeichnen die Zeilen der Transkripte. Ähnlich versteht auch Dannerer (1999: 87) Information als bewusste Weitergabe von Wissen, das für die anderen von Bedeutung sein könnte.
78 stellt in diesem Zusammenhang die aktuelle und umfassende Weitergabe der Neuigkeiten dar. Dafür bieten sich regelmäßige Besprechungen an, die die zeitnahe Information einer größeren Gruppe gewährleisten. Doch sind dies letztlich Rahmenbedingungen, für die eigentliche Wirksamkeit der Handlungsspiele spricht die Verständigung mittels kommunikativer Mittel und Prinzipien. Im Folgenden soll anhand von Beispielen aus meinem Materialkorpus aufgezeigt werden, wie sich ihr Zusammenspiel in Handlungsspielen des Informierens gestaltet. In einer Sitzung mit seinen Bereichsleitern informiert der Geschäftsführer über die Ertragsentwicklung im letzten Quartal. Dabei verbindet er nicht nur die Informationen seinerseits bereits mit Kommentaren und Bewertungen (Mit dem wir in der Summe denk ich sehr zufrieden sein können, GF-Sitzung Schick 0006f.), sondern er fragt auch explizit nach Kommentaren seiner Mitarbeiter (Ich weiß nicht, ob Sie im Einzelnen da noch mal ’nen bisschen kommentieren wollen. Gibt’s da noch Anmerkungen Ihrerseits?, ebd. 0043ff.). Ein komplexes Handlungsspiel der Information, das über die minimale Einheit von Aktion und Reaktion hinausgeht, eröffnet somit den Raum für kommunikative Strategien des Nachfragens und Erklärens. Dem Zweck ‚Mitteilung einer Neuigkeit‘ ist geradezu inhärent, dass sich die Kommunikationspartner mit der Information zunächst auseinandersetzen und sie kognitiv ‚verarbeiten‘ müssen. Bereits vorhandenes Wissen bzw. die eigene Situationskenntnis werden genutzt, um die Informationen einzuordnen und zu bewerten. Entgegen Ansätzen, die Information als Black Box mit einem fest definierten Inhalt verstehen, möchte ich im Rahmen dieser Arbeit den Aspekt der Bewertung besonders hervorheben. Aus der Handlungsrelevanz ist zu folgern, dass Informationen weit mehr als objektive Daten darstellen. Daher sind auch Aushandlungsprozesse, die den Wert der Informationen bestimmen und sie in einen Kontext einordnen, eher die Regel als die Ausnahme. Häufig tragen schon die Sprecher selbst dafür Sorge, indem sie beispielsweise reflektieren, warum etwas passiert ist bzw. warum etwas gemacht wurde/wird.71 Zur Erklärung sei das folgende Beispiel angeführt (vgl. GF-Sitzung Schick 0605–0692): Der Geschäftsführer eines Handelsunternehmens informiert die Führungskräfte, welche Maßnahmen im Top-Management in Bezug auf günstige Einkaufskonditionen für die eigenen Mitarbeiter verabschiedet wurden. Er begründet die Entscheidungen, lässt aber auch weitere Diskussionen zu – wahrscheinlich
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Vor allem dem zweiten Fall (Warum wurde/wird etwas gemacht?) entspricht die kommunikative Handlung des Rechtfertigens/Legitimierens. Rechtfertigungen sind als sequenzabhängige Repräsentative zu charakterisieren, durch die nicht initiativ ein Anspruch gesetzt wird, sondern die gemäß ihrer funktionalen Bestimmung auf einen Repräsentativ vom Typ Vorwurf antworten (vgl. Weigand 2003: 162f.). Ein Vorwurf wird hier höchstens antizipiert. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Mitarbeiter immer schon in dem Wissen kommunizieren, dass sie für ihre Handlungen im Unternehmen rechenschaftspflichtig sind. Im Kontext eines komplexen Handlungsspiels dominiert dessen funktionaler Charakter, in diesem Fall der der Information.
79 in dem Wissen, dass die Sachlage und verschiedene Optionen in einem vorherigen Handlungsspiel der Planung schon gut durchdacht wurden und es keine wesentlichen Modifikationen mehr geben sollte. Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es im Rahmen der Konzeption informierender Handlungsspiele einen Informationsbegriff zu überwinden gilt, der von einer fixen Repräsentation von Wissensbeständen ausgeht. Was als Neuigkeit präsentiert wird, unterliegt einem letztlich individuellen Bewertungsprozess. Auf Grundlage der Kenntnisse über ein Unternehmen, die zum Teil verallgemeinerbar sind, zum Teil aber auch vom einzelnen Unternehmen bzw. der aktuellen Situation abhängen, bestimmt sich die Handlungsrelevanz der Informationen. In einem komplexen Handlungsspiel überprüfen die Gesprächspartner dieses Kriterium und verständigen sich darüber, welche Implikationen die Neuigkeiten für ihr weiteres Handeln haben. 4.4.1.2 Argumentation72 Auch der zweite zu erläuternde Typ repräsentativer Handlungsspiele nimmt eine wesentliche Stellung im Sprachgebrauch allgemein ein: Es handelt sich um das Handlungsspiel der Argumentation. Konstitutives Merkmal für eine Argumentation i. S. eines dialogischen Handlungsspiels sind unterschiedliche Auffassungen bzw. Zweifel, die im Hinblick auf eine geäußerte Behauptung bestehen.73 D.h. ein Sprecher erhebt einen einfachen Wahrheitsanspruch, für den er Gründe (Argumente) anführen muss, um ihn gegen Widerstände akzeptabel zu machen. Da die Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit des Sprechers für eine erfolgreiche Argumentation äußerst wichtig, wenn nicht sogar erfolgsentscheidend sind, lässt sich an argumentativen Handlungsspielen besonders gut aufzeigen, was es bedeutet, von einem “mixed game” (vgl. Weigand 2006) zu sprechen. Denn gerade dieser Typ kommunikativen Handelns zielt auf die effektive Durchsetzung von Interessen und bedient sich dazu der
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Die Singularform wurde primär aus Gründen der Plakativität gewählt sowie um Redundanzen zu vermeiden. Der Singular sollte nicht implizieren, dass es nur ein Handlungsspiel der Argumentation gibt. In Abhängigkeit von der Proposition, d. h. dem Weltausschnitt, auf den sich die Handlungsfunktion bezieht, finden vielmehr unterschiedlichste Handlungsspiele der Argumentation statt (im Text auch als argumentative Handlungsspiele oder Handlungsspiele des Argumentierens bezeichnet). Auf einige wesentliche wird im Rahmen der theoretischen Erläuterung eingegangen, andere werden im Rahmen der Analysen Erwähnung finden. Eine systematische Beschreibung der Menge argumentativer Handlungsspiele in Unternehmen wäre Aufgabe für eine eigene Arbeit. Hier geht es zunächst um das Phänomen als solches. Vgl. auch den Ansatz von van Eemeren et al. (2002), für die eine Argumentation mit einer difference of opinion beginnt. Eine solche muss nicht offen geäußert werden. Es ist auch möglich, dass ein Sprecher antizipiert bzw. implizit unterstellt, dass es Gegenpositionen gibt bzw. geben könnte.
80 ganzen Palette kommunikativer Mittel und Prinzipien. Rationale Begründungen sind die eine Seite, jedoch funktioniert Persuasion nicht allein kraft Logik, Verstand oder Vernunft.74 Wie die Begriffe ‚Überzeugungskraft‘ und ‚Glaubwürdigkeit‘ implizieren, sind ebenso individuelle Bewertungen und Einschätzungen auf Seiten der Kommunikationspartner im Spiel. Auf mehr oder weniger subtile Art und Weise, d. h. durch Appelle an Verstand und Gefühl, versuchen sie Zustimmung für ihre Positionen zu gewinnen. Daher ist Argumentation eng verknüpft mit Rhetorik i. S. kommunikativer Prinzipien und Mittel, die dafür sorgen, dass ein Sprecher seine Interessen und Ansprüche durchsetzen kann.75 Auf Grundlage dieser allgemeinen Einführung ist im folgenden Kapitel zunächst zu klären, welche Rolle dialogische Handlungsspiele des Argumentierens im wirtschaftlichen Kontext spielen bzw. in welchen Konstellationen und zu welchen konkreten Zwecken sie in Unternehmen stattfinden. Danach wird auf einige typische Prinzipien bzw. Strategien in Argumentationsdiskursen76 zurückzukommen sein. In Kapitel 4.2.1 wurde die Positionierung eines Unternehmens als eine konstitutive Dimension der Unternehmenskultur benannt. Was nach außen als wohlformuliertes Leitbild kommuniziert wird, stellt intern einen Aushandlungsprozess dar, in den in erster Linie die Unternehmensführung involviert ist. Da diese in der Regel von mehreren Personen ausgeübt wird, die nicht zwangsläufig einer Meinung sind, die aber eine gemeinsame Position im Sinne des Unternehmens finden müssen, haben argumentative Handlungsspiele hier eine besondere Relevanz. Sie dienen sowohl der Verständigung über die Ist-Situation als auch über die Soll-Situation, beispielsweise der Festlegung von Zielen (vgl. von Werder 1994). In einem zahlenfokussierten Kontext, wie ihn die Wirtschaft darstellt, zählen dabei vor allem rational nachvollziehbare Argumente, die auf Zahlen und mehr oder weniger ‚objektiven‘ Fakten beruhen. So wird die Behauptung ‚Das Unternehmen ist in einer schlechten Lage‘ wohl kaum damit begründet, dass das Unternehmen in einer Image-Umfrage auf den hinteren Plätzen wiederzufinden ist, sondern vielmehr mit Umsatzeinbrüchen oder gar
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Daher würde ich mich von van Eemeren et al. (2002) abgrenzen wollen, für die eine Argumentation sich in erster Linie durch reasonableness auszeichnet. Vgl. dazu auch Weigand (1999), die ihrem Modell des dialogischen Handlungsspiels einen weiten Begriff von ‘Persuasion’ zugrunde legt, der das allgemein menschliche Streben nach Durchsetzung der eigenen Interessen betrifft. Zwar lassen sich nach Weigand (ebd.: 57) Persuasion aufgrund von Rationalität (im Falle repräsentativer Handlungsspiele) und Persuasion aufgrund von Macht (im Falle direktiver Handlungsspiele) differenzieren. Gleichwohl gilt in der Realität: “Even convincing people is based on using some power either in a positive or negative form” (Weigand 2001: 66). Der Diskursbegriff wird hier im Sinne längerer dialogischer Sequenzen verwendet, deren interne Struktur vor allem durch den spezifischen initiativen Sprechakt bestimmt ist. Entsprechend geht es in einem Argumentationsdiskurs primär darum, den Kommunikationspartner von der Wahrheit des ausgedrückten Sachverhalts zu überzeugen (vgl. Weigand 2003: 168). Vgl. zum Diskursbegriff und seinen unterschiedlichen Verwendungsweisen Weigand (1994).
81 Verlusten. Ebenso wie die Behauptungen enthalten auch die Begründungen individuelle Bewertungen, vor allem, wenn Begriffe nicht fest definiert sind bzw. Interpretationsspielräume evozieren. Beispielsweise unterliegt der Aussage ‚Das Unternehmen ist in einer schlechten Lage, weil es nicht mehr wettbewerbsfähig ist‘ eine bestimmte Vorstellung von dem, was ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ heißt. Argumentative Aushandlungsprozesse führen u. a. dazu, dass implizite Annahmen offen gelegt und individuelle Positionen auf diese Weise erst geklärt werden, bevor danach eine gemeinsame, nach außen verbindliche Position eingenommen werden kann.77 Entscheidend ist auf der Ebene der Unternehmensführung, dass die Entscheidungsträger das Unternehmen als Ganzes im Blick haben. So werden Gründe leichter akzeptiert und erweisen sich in diesem Sinne als effektiv für ein Handlungsspiel des Argumentierens, wenn sie auf das grundlegende Interesse win zurückgeführt werden können, das als gemeinsames Interesse von Unternehmen und ihren Mitgliedern unterstellt werden kann.78 Aufgrund der Tatsache, dass auch die Mitarbeiter im Unternehmen eigene Interessen bzw. Gruppen-/Abteilungsinteressen vertreten, ergibt sich in den Bereichen jenseits der Unternehmensführung ein ebenfalls nicht unerheblicher Argumentationsbedarf. Allerdings ist in diesem Kontext besondere Vorsicht bei der Bestimmung der Handlungsspiele geboten. Kennzeichnend ist nämlich häufig weniger der Zweck der Argumentation i. S. der Überzeugung des/der Kommunikationspartner/s als vielmehr der Zweck der Verhandlung i. S. eines gegenseitigen Gebens und Nehmens oder der direktive Zweck der Anweisung (vgl. Kap. 4.4.2.3 und 4.4.2.1). Auch in diesen Fällen gilt es zwar einen Kommunikationspartner zu überzeugen, jedoch nicht primär, um sich mit ihm auf eine Sicht von Welt zu einigen als ihn vielmehr zum Handeln zu bewegen.79 Um von einem Handlungsspiel der Argumentation sprechen zu können, muss dagegen aus dem funktionalen Gesamtzusammenhang der Äußerungen ersichtlich sein, dass ein Wahrheitsanspruch zur Disposition steht, der angezweifelt wird bzw. werden könnte und für den nun Nachweise beizubringen sind. Wenn man daraufhin die kommunikative Interaktion zwischen Führungskräften und Mitarbeitern auf unteren Hierarchieebenen betrachtet, ist es aufgrund funktionaler und hierarchischer Unterschiede für letztere grundsätzlich schwieriger, den Auffassungen ihrer Vorgesetzten eigene Meinungen entgegenzusetzen bzw. Zweifel an Vorgaben des Managements zu äußern. Anders sieht dies aus, wenn Führungskräfte mit Aufstiegsambitionen, insbesondere aus dem mittleren Management, bestrebt sind Profil zu zeigen. Argumentation kann in diesen Fällen individuellen Karriereinteressen zuträglich sein, vor allem, wenn der Anspruch mit ‚guten‘
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Vgl. dazu deklarative Handlungsspiele, mit denen Verbindlichkeiten geschaffen werden (Kap. 4.4.4). Zum Begründungscharakter von Zielaussagen vgl. von Werder (1994: 314). Auch in diesen Typen von Handlungsspielen können Argumente vorgebracht werden, die dann jedoch den spezifischen Wollensanspruch stützen.
82 Argumenten begründet werden kann, die Führungskraft über die nötige Durchsetzungskraft verfügt und/oder im Unternehmen bereits Vertrauen genießt. Jenseits dieser durchaus verallgemeinerbaren, letztlich aber individuellen Motivationen für die Argumentation in Institutionen sei der Blick hier noch einmal auf den allgemeinen Zweck gelenkt, den dieser Typ von Handlungsspielen für ein Unternehmen erfüllt. Hinsichtlich der Unternehmensführung wird, wie oben erläutert, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen als notwendiger Schritt betrachtet, um die zukünftige, gemeinsame Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Dies trifft prinzipiell auch auf argumentative Handlungsspiele in den Bereichen des Unternehmens zu, die mit der Umsetzung der Strategien betraut sind. Experten auf einem Gebiet, sei es die Produktionstechnologie, die Informationstechnik o. ä., nehmen gegenüber einem Sachverhalt häufig konträre Positionen ein, wodurch die notwendige Kooperation erschwert oder sogar verhindert wird. Argumentieren kann in diesen Fällen äußerst effektiv sein, sofern es zu einer für alle Seiten akzeptablen Sichtweise führt und weiteres gemeinsames Handeln ermöglicht.80 Nachdem die zentralen Zwecke argumentativer Handlungsspiele skizziert wurden, die sowohl dem Unternehmensinteresse als auch individuellen Interessen entsprechen, sei zum Ende noch kurz auf die wesentlichen Prinzipien bzw. kommunikativen Strategien eingegangen, die diesen Typ repräsentativer Handlungsspiele auszeichnen.81 Für das komplexe Handlungsspiel der Argumentation ist eine längere Sequenzstruktur charakteristisch, die häufig über die Grundstruktur Behauptung – Gegenthese – Begründung hinausgeht. Die Begründung kann als unzureichend empfunden werden, möglicherweise enthält sie implizite Voraussetzungen, sog. Präsuppositionen, und/oder sie basiert auf falschen Prämissen. In einer Besprechung, die Teil meines Materialkorpus ist, geht beispielsweise eine Führungskraft davon aus, dass 22% vom Umsatz für Personalkosten zur Verfügung stehen. Ein Kollege interveniert mit Das geht nicht (GF-Sitzung Schick 1676). Im Weiteren zeigt er auf, dass die 22% seiner Meinung nach einen unrealistischen Wert darstellen, weil bestimmte Kostenblöcke darin nicht enthalten sind. Insofern hat er in einem Handlungsspiel der Argumentation die besseren Karten in der Hand, weil er einen umfassenderen Blick auf die Sachlage demonstriert. Argumentationsdiskurse verlaufen in der Praxis weniger nach einem logischen Schema, vielmehr orientieren sich die Kommunikationspartner an kognitiven Prinzipien, die einer-
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In diesem Sinne unterscheiden sich argumentative Handlungsspiele in Unternehmen von der Argumentation in anderen Kontexten, z. B. in politischen Talkshows. Zwar sind die Kommunikationspartner hier wie dort bestrebt, ihre Meinungen bzw. Interessen durchzusetzen und ‚klare‘ Verhältnisse zu schaffen. In Unternehmen wird aber eine viel stärkere Kompromissbereitschaft vorausgesetzt, weil es letztlich um die Handlungsfähigkeit des Ganzen geht. Im Rahmen der Analysen wird darauf sowie auf konkrete kommunikative Mittel im Detail zurückzukommen sein.
83 seits als kommunikative Strategien konkret im Handlungsverlauf zu identifizieren sind, die andererseits auf subtile Art und Weise die Wahl der kommunikativen Strategien und Mittel beeinflussen. Üblich sind z. B. Sequenzen des Insistierens, d. h. der Sprecher wiederholt bzw. forciert seine Behauptung oder Begründung im Falle der Nicht-Akzeptanz.82 Weiß er auf eine Gegenthese nicht zu reagieren, orientiert er sich evtl. am Prinzip des Ausweichens (Evasion). Zu beachten ist jedoch stets, dass argumentative Handlungsspiele in Unternehmen unter der folgenden, mehrfach erwähnten Bedingung geführt werden: Es gilt die Balance zwischen der Durchsetzung individueller Interessen und der Berücksichtigung des Unternehmensinteresses zu wahren. Daher zeigt einerseits das Prinzip ‚Mache deinen Einfluss/deine Macht geltend‘, andererseits ‚Orientiere dein Verhalten am Wohle des Ganzen‘ Wirkung. Hat das erste Prinzip Priorität, so wird es dem Sprecher vor allem darauf ankommen, Zweifeln möglichst wenig Raum zu geben. Eine stärkere Gewichtung des zweiten impliziert dagegen, dass man eher bereit ist, seine Ansprüche zu modifizieren oder davon abzurücken, wenn die Gegenthesen stärker wiegen. Dem Prinzipiencharakter gemäß handelt es sich allerdings nicht um eine Entweder-Oder-Regel, es ist gerade die ausgewogene Orientierung, die erfolgreiches Argumentieren im Unternehmen ausmacht. 4.4.1.3 Planung Mit Information und Argumentation wurden in den letzten beiden Teilkapiteln repräsentative Handlungsspiele erfasst, durch die die Sprecher einen Weltausschnitt bzw. eine Position/Entscheidung präsentieren. Zwei Fixpunkte, auf die dabei im Kontext des Unternehmens Bezug genommen wird, sind durch den Ist-Zustand einerseits und den SollZustand andererseits markiert. Vorausgesetzt, dass im Hinblick auf den Ist-Zustand kein Nachbesserungsbedarf besteht,83 kann der Blick nach vorne gerichtet werden. Nun stellt sich die Frage, wie Zukunft gestaltet werden soll. Es ist unmittelbar einsichtig, dass eine solche Frage kommunikativ verhandelt wird und dies in einem komplexen Handlungsspiel geschieht. Die Bezeichnung für ein solches Handlungsspiel ist allerdings nicht so unmittelbar einer dialogischen Sprechakttaxonomie zu entnehmen, wie dies bei der Information oder der Argumentation der Fall war. Dem zukunftsbezogenen Gestaltungscharakter auf der einen Seite sowie dem dialogischen Prozesscharakter auf der anderen Seite entspricht am ehesten der Begriff der ‚Planung‘, wie wir ihn in unterschiedlichen Zusammenhängen verwenden. Besondere Bedeutung kommt ihm im Kontext der Wirtschaft zu, in der man
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Vgl. zum Insistieren auch Franke (1983), der sich dem Phänomen allerdings unter der Annahme nähert, dass es sich dabei um ein Handlungsmuster handelt. Vgl. demgegenüber das Handlungsspiel der Problemlösung, das von einer problematischen Situation ausgeht, für die zunächst noch eine Lösung zu finden ist (vgl. Kap. 4.4.3.3).
84 mittels Planung „Unternehmensziele besser als mit intuitivem Handeln verwirklichen will“ (Küpper 2004: 1149).84 Während in der betriebswirtschaftlichen Literatur primär Planung als Teil des Führungssystems sowie unterschiedliche Instrumente der Planung in den Blick genommen werden, soll der Fokus im Rahmen einer linguistischen Arbeit auf die Merkmale gerichtet werden, die ein dialogisches Handlungsspiel der Planung auszeichnen. Bevor ich unterschiedliche Bereiche im Unternehmen benenne, in denen ein solches Handlungsspiel stattfinden kann, möchte ich, wie auch in den vorherigen Kapiteln, zunächst reflektieren, was den funktionalen Kern ausmacht. Kennzeichnend dafür ist das dialogische Aushandeln von unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten bzw. -optionen mit dem Ziel, Einigung über die Art und Weise des zukünftigen Vorgehens zu erreichen.85 Es versteht sich von selbst, dass der Schritt vom Ausgangspunkt zum Zielpunkt nicht mit einem Mal bzw. in einem minimalen Handlungsspiel aus Aktion und Reaktion vollzogen wird. Vielmehr kommen unterschiedliche kommunikative Ansprüche zum Tragen, z. B. Wissensansprüche in der ersten Phase, in der unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten evtl. noch eruiert werden müssen. Gleichwohl ist der übergeordnete Anspruch, der interaktiv verhandelt wird, m. E. ein Wahrheitsanspruch, gilt es doch Einigung über die Gestaltung von Welt zu erzielen. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, einen zentralen Sprechakt zu benennen, der einen wesentlichen Indikator für dieses komplexe dialogische Handlungsspiel darstellt.86 Ich
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Neueren Managementansätzen zufolge wird allerdings nicht mehr vom primacy of planning und einem damit verbundenen linearen und konsistenen Steuerungsdenken ausgegangen. Bedingt durch verstärkte Unsicherheit und prinzipielle Unplanbarkeit gewinnen alternative Steuerungslogiken, z. B. durch Führung bzw. neue Organisationsformen, an Bedeutung (vgl. Schreyögg 2004). Damit ist der in dieser Arbeit vertretene Ansatz kompatibel, demzufolge dialogisches Handeln nicht eindimensional und musterhaft erfasst wird, sondern Wahrscheinlichkeitsprinzipien und der Aushandlungscharakter dialogischer Interaktion im Mittelpunkt stehen. Dies sollte auch bei den folgenden Erläuterungen zum dialogischen Handlungsspiel der Planung deutlich werden. Während Fritz (1982: 226) in seiner Definition des Handlungszusammenhangs Gemeinsam Planen das Suchen und Diskutieren von Handlungsmöglichkeiten und damit den dialogischen Prozess in den Vordergrund rückt, kommt in der Definition von Weigand (demn. b) der übergeordnete Zweck eher zum Ausdruck. Für sie heißt planning “setting up the future goal and deciding about the measurements to be taken” (ebd.). Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie Praktiker in Unternehmen die Funktion der Planung verstehen. In der Wochenzeitschrift Die ZEIT fand sich am 28. April 2005 ein Interview mit der Werberin Karen Heumann von der international renommierten Agentur Jung von Matt. Heumann wurde nach dem Kennzeichen des sog. Planning (zu deutsch: strategische Planung) befragt, das mittlerweile auch in Werbeagenturen Einzug gehalten hat. Sie bestätigte die Feststellung des Interviewers, Planning sei „das Aufdecken und Recherchieren von Optionen [kursiv; S.S.] und die Überprüfung ihrer Tragfähigkeit“ – eine Definition, die sich weitgehend mit meinem Begriffsverständnis deckt. Einen zentralen Sprechakt als Indikator aufzuführen, verspricht vor allem heuristischen Gewinn, wird so doch der funktionale Akzent eines Typs von Handlungsspielen in Abgrenzung von an-
85 schließe mich hier Fritz (1982) an, für den der Vorschlag den Kern eines Handlungsmusters ‚Gemeinsam Planen‘ bildet.87 Als Untermuster der Repräsentativa charakterisiert Weigand (2003: 159) den Vorschlag folgendermaßen: „Vorschläge dagegen behaupten nicht, sie erwägen, was zweckmäßig sein könnte“. Das Konzept ‚Zweckmäßigkeit‘ verweist auf den Unterschied zu Handlungsspielen vom Typ Argumentation, die im Wesentlichen das Durchsetzen einer Position gegen Widerstände bzw. Zweifel intendieren. Bei der Planung steht hingegen das gemeinsame Erwägen von Handlungsmöglichkeiten im Vordergrund. Sobald es dann darum geht, Ziele oder Maßnahmen festzulegen bzw. diesbezügliche Entscheidungen zu treffen, kommen verstärkt Argumente oder auch deklarative Sprechakte, mit denen Verbindlichkeiten geschaffen werden (vgl. Kap. 4.4.4), zum Tragen. Schon durch die Einführung dürfte deutlich geworden sein, dass Handlungsspiele vom Typ Planung komplex sind und einer genauen Analyse bedürfen. Authentische Realisierungen, die nicht zuletzt auf unternehmenskulturelle Besonderheiten zurückgeführt werden können, werden im Rahmen der theoretischen Grundlegung zu illustrativen Zwecken berücksichtigt. Primär soll jedoch herausgearbeitet werden, welchen Stellenwert dialogische Handlungsspiele der Planung grundsätzlich in Unternehmen haben. Im Anschluss werden einige allgemeine Bemerkungen zur Form und Struktur von Planungsdiskursen das Unterkapitel abrunden. Angesichts der Komplexität der Umwelt und der Schwierigkeit, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren, ist auf oberster Ebene die Unternehmensleitung gefordert, verschiedene Zukunftsszenarien zu entwerfen, die den Weg vom Ist zum Soll beschreiben. Wie in Kapitel 4.2.1 dargelegt, empfiehlt sich für den Prozess der Strategiefindung eine gewisse Offenheit und Kreativität, neue Ideen sind ein grundlegendes Element (vgl. Deiß 2003). Vor allem in den frühen Phasen sind noch keine definitiven Festlegungen gefragt, stattdessen tragen die Interaktionspartner mit Hilfe von Techniken wie dem Brainstorming zunächst ihre Vorschläge zusammen.88 Im Hinblick auf die Unternehmensführung beziehen sich die Vorschläge vor allem auf den Inhalt bzw. das Ausmaß von Zielen sowie auf Maßnahmen größerer Reichweite, sowohl hinsichtlich des Entscheidungsbereichs als auch des Zeithorizonts. Fragen der operativen Ausführung stehen in Gesprächen, die als Strategiegespräche ausgewiesen werden, demgegenüber nicht an.
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deren deutlich. In komplexen dialogischen Sequenzen können auch unterschiedliche Sprechakte zum funktionalen Gesamtcharakter des Handlungsspiels beitragen. Dezidiert grenze ich mich jedoch von Fritz’ Vorstellung ab, Vorschlagen sei ein Muster, das regelhaft rekonstruiert werden könnte. Für mich ist der Vorschlag ein Typ von Sprechakten, dem aufgrund seiner Funktion eine herausragende Stellung in einem dialogischen Handlungsspiel der Planung zukommt. Kennzeichnend für das Brainstorming ist, dass die Vorschläge nicht sofort diskutiert und bewertet werden.
86 Strategiefindung bzw. -planung ist eine wesentliche Funktion des Managements, jedoch bei weitem nicht der einzige Kontext, in dem dialogische Handlungsspiele der Planung stattfinden. Der interaktive Zweck, demzufolge es um die Gestaltung zukünftigen Handelns geht, macht ihre weitgehende Bedeutung für die dialogische Interaktion in Unternehmen aus. So kann die Geschäftsführung in einer Sitzung mit den Abteilungsleitern ein entsprechendes Handlungsspiel initiieren, um zunächst verschiedene Handlungsoptionen zu eruieren. Eine definitive Entscheidung wird in diesem Kontext allerdings häufig offen gehalten bzw. auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Hierzu ein konkretes Beispiel aus dem Materialkorpus, das dieser Arbeit zugrunde liegt: In einem Handelsunternehmen sollen die Lager so weit es geht geräumt werden. Eine Maßnahme stellt in diesem Zusammenhang der Abverkauf von Marken in den Geschäften dar. Nun sind die Abteilungsleiter gefordert, Vorschläge zu unterbreiten, welche Marken sie als geeignet betrachten. Die Vorschläge werden zur Kenntnis genommen, wobei der Geschäftsführer durch seine Äußerung Gut, gucken wir mal (Einkaufsbesprechung Schick 0128) zu verstehen gibt, dass er sich die Entscheidung letztlich vorbehält. Im Anschluss daran wären konkrete Schritte des Abverkaufs zu diskutieren. Als Beteiligte an einem entsprechenden operativen Planungsdiskurs kommen Personen in anderen Funktionen in Frage, in diesem Fall beispielsweise die Bereichsleiter sowie die Filialleiter. Im Unterschied zu den Führungskräften, denen die Verantwortung für die Gesamtkoordination zukommt, verständigen sich die Mitarbeiter in den unterschiedlichen Bereichen und Abteilungen im Rahmen von Handlungsspielen der Planung vor allem über Maßnahmen, die die Koordination ihrer eigenen Handlungen betreffen. Oftmals herrscht dabei unmittelbarer Handlungsdruck, weil die Ziele im operativen Geschäft kurzfristig zu erreichen sind. Entsprechend gestaltet sich die Reflexion von alternativen Optionen weniger offen und kreativ als dies bei strategischen Fragen der Fall ist. Wenn beispielsweise in einem Unternehmensbereich in Kürze ein Kundenbesuch stattfinden wird, ist im Rahmen eines Planungsgesprächs über den grundsätzlichen Zweck dieses Ereignisses nicht mehr zu diskutieren. Nun gilt es vielmehr den Tagesablauf zu gestalten, d. h. einen Verlaufsplan zu entwickeln. Dabei können die Interaktionspartner durchaus an Punkte stoßen, die der argumentativen Aushandlung bedürfen, weil unterschiedliche Vorstellungen zum Tragen kommen. Aufgrund der Dringlichkeit sollte die Planung allerdings zügig zum Abschluss gebracht werden. In diesem Sinne ist der Vorgesetzte gefordert, wesentliche Maßnahmen als Beschlüsse zu verkünden bzw. konkrete Anweisungen abzuleiten. Der Erfolg des Handlungsspiels wird letztlich daran gemessen, ob die Beteiligten den Kundenbesuch ohne Probleme bewältigen. Dafür müssen sie sich darüber verständigen, was zu tun ist und wie es zu tun ist. In Bezug auf den Erfolg bzw. die Effektivität spielt bei Handlungsspielen der Planung das Kriterium der Praktikabilität eine wesentliche Rolle (vgl. Fritz 1982: 228). Dies ist nicht immer unmittelbar einsichtig bzw. hängt von individuellen Bewertungen ab. Was
87 der eine aufgrund seiner Erfahrung als praktikable Lösung betrachten mag, stellt für den anderen möglicherweise ein risikoreiches Unterfangen dar. Daher ist es auch in einem Handlungsspiel der Planung unter Umständen angeraten und wichtig, Positionen zu markieren und Zweifel bzw. Widerstände argumentativ auszuräumen. Mit Fragen der Zweckmäßigkeit einerseits und der Bewertung andererseits sind weitere Phänomene verbunden, die die kommunikativen Mittel und Prinzipien in einem Handlungsspiel der Planung betreffen. So spricht Fritz (1982: 238) von „verschieden starke[n] Vorschlagstypen“, je nachdem, wie sich ein Sprecher festlegen kann bzw. will. Typische Ausdrucksformen, die dem deliberativen Charakter entsprechen, sind Formulierungen mit Modalverben oder Adverbien, wie in den folgenden Beispielen: (1) Aber die anderen könnten wir ja laufen lassen. (Einkaufsbesprechung Schick 0199) (2) ...sollte man vielleicht noch mal ’n bisschen Druck machen. (ebd. 0746f.) (3) Und klarer Favorit wäre... (ebd. 0216) Die Äußerungen indizieren eine gewisse Vorsicht; die Sprecher wollen sich (noch) nicht auf eine Position festlegen. Zu diesem Befund passen auch das Personalpronomen wir in (1) und das unbestimmte Pronomen man in (2): Sie implizieren, dass es um gemeinsame Handlungsoptionen geht, für die zu diesem Zeitpunkt noch keine personellen Verantwortlichkeiten getroffen werden müssen. Den Vorschlägen derjenigen, die im Unternehmen über Entscheidungsbefugnisse verfügen, unterliegt demgegenüber häufig ein assertives oder normatives Moment, das eine gewisse Sicherheit suggeriert und mit dem Bewusstsein der eigenen (Macht-)Position korrespondiert (vgl. Formulierungen mit dem Modalverb sollen). Ferner bedingt die Nähe zu direktiven Sprechakten, dass sich die Führungskräfte gerne dieses Typs bedienen, um das weitere praktische Handeln vorzubereiten.89 Wenn sie den Mitarbeitern dabei zugleich signalisieren, dass sie deren Vorschläge in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen, kann sich eine nicht unerhebliche Motivationswirkung entfalten (vgl. obiges Beispiel aus dem Handelsunternehmen). Dass die Erläuterungen im Rahmen der theoretischen Grundlegung notwendigerweise skizzenhaft bleiben müssen, liegt in der Komplexität der Handlungsspiele begründet, aufgrund derer es m. E. auch nicht möglich ist, eine verallgemeinerbare Struktur der dialogischen Sequenzen zu rekonstruieren.90 Dies kann in einer Arbeit, die von Wahrscheinlichkeitsprinzipien und dem Aushandlungscharakter dialogischer Interaktion ausgeht, auch
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Einige Autoren, z. B. Hindelang (1978) ordnen Vorschläge deshalb auch den direktiven Sprechakten zu. Dagegen verweist Weigand (2003: 158) auf die funktionale Bestimmung der Illokution, woran sich zeigt, „dass Vorschläge keinesfalls direkt eine Handlung initiieren wollen, allenfalls als Konsequenz, nachdem der Vorschlag akzeptiert wurde“. Dies war im Falle der Argumentation insofern leichter möglich, als dieser Typ von Handlungsspielen primär mit der Struktur Behauptung – Gegenthese – Begründung assoziiert wird.
88 nicht das Ziel sein. Gleichwohl möchte ich zum Ende dieses Teilkapitels zumindest noch einige Züge aufführen, die als Reaktion auf einen Vorschlag erwartbar sind, stellt dieser Sprechakt doch einen wesentlichen Indikator für ein Handlungsspiel der Planung dar. Sowohl die sofortige Zustimmung als auch die direkte Ablehnung sind im Kontext eines Handlungsspiels der Planung im Unternehmen eher unwahrscheinlich, „ist es [doch] gerade das Entscheidende, daß ein Vorschlag unter die Lupe genommen, diskutiert, problematisiert wird“ (Fritz 1982: 259). Entsprechend äußern die Kommunikationspartner am ehesten Zweifel und Bedenken, die sich auf die oben erwähnte Praktikabilität bzw. Zweckmäßigkeit beziehen. Zum Teil sind entsprechende Kriterien bereits aus Erfahrung gewonnen, zum Teil beruhen sie auf persönlichen Einschätzungen und können nur in der Zukunft bzw. im Rahmen der operativen Umsetzung bestätigt bzw. widerlegt werden. Hier schließt sich gleichsam der Kreis, zeigt sich doch, dass Planen, insbesondere im kommunikativen Sinne, weniger mit Gewissheiten als vielmehr mit Erfindung bzw. Aushandlung von Optionen zusammenhängt. Wie Fritz (1982: 66) feststellt, liegt der Doppelwert der Planung in ihrem heuristischen Charakter – Welche Möglichkeiten haben wir? – auf der einen Seite und dem Entscheidungscharakter – Auf welche Möglichkeit einigen wir uns? – auf der anderen Seite. Auf diese Balance gilt es im Rahmen der Analysen authentischer Beispiele in Kapitel 5 näher einzugehen. An dieser Stelle möchte ich ein kurzes Zwischenfazit ziehen. Mit Argumentation, Information und Planung wurden zentrale Funktionen des kommunikativen Handelns in Unternehmen erfasst. Führungskräfte wie Mitarbeiter sind gefordert, Informationen auszutauschen, unterschiedliche Positionen klarzustellen und Verständigung über die Art und Weise zukünftigen Handelns zu erzielen. Durch diese Aushandlungsdiskurse wird eine wesentliche Grundlage geschaffen, um das Unternehmen und seine Teilbereiche strategisch und operativ ausrichten zu können. Im Rahmen der Erläuterungen konnten sowohl Interdependenzen der Handlungsspiele als auch Korrespondenzen zu den Zwecken und Aufgaben im Bereich eines Unternehmens aufgezeigt werden. Die übergeordnete Handlungsfunktion, die eine erste Orientierungshilfe vorgeben sollte, spiegelte sich in den spezifischen Zwecken wider und erwies sich damit als adäquates Kriterium für eine Systematisierung der Kommunikation in Unternehmen. In den folgenden Unterkapiteln wird diese Methodik fortgesetzt und so die Menge der Handlungsspiele weiter ergänzt.
4.4.2 Direktive Handlungsspiele Neben den repräsentativen kommt den direktiven Handlungsspielen im Hinblick auf das koordinierte Handeln im Unternehmen erhebliche Bedeutung zu. Die fundamentale Funktionsklasse der Direktive wird durch einen Wollensanspruch abgegrenzt, der sich auf ei-
89 ne künftige Handlung oder ein Verhalten des Kommunikationspartners bezieht. Weigand (2003: 90) bezeichnet Direktive als „weltverändernde Sprechakte“, da die Handlung oder das Verhalten zu einer Veränderung des gegenwärtigen Weltzustands führt. Während für ein minimales Handlungsspiel die Einheit aus direktivem Sprechakt (Aktion) und Handlungszusage (Reaktion) konstitutiv ist, handelt es sich bei komplexen Handlungsspielen in den meisten Fällen um längere Sequenzen. Sie werden durch einen direktiven Sprechakt eingeleitet, wobei der mit diesem Sprechakt gesetzte Wollensanspruch kommunikativ ausgehandelt wird, bevor es zu einer endgültigen Reaktion kommt. Da der Sprecher letztendlich bestrebt ist, seinen Anspruch durchzusetzen, bietet sich für diese Sequenzen der Begriff ‚Durchsetzungsdiskurs‘ an (vgl. Hundsnurscher 1980: 92).91 Im Rahmen einer dialogischen Konzeption versteht es sich von selbst, dass auch die Reaktionen der Kommunikationspartner zu berücksichtigen sind. Sie haben vor allem die Bedingungen zu klären, unter denen sie eine positive oder negative Handlungszusage treffen können. Direktive sind in Bezug auf die spezifischen Wollensansprüche weiter zu differenzieren. Da sich hieraus Implikationen für komplexe dialogische Handlungsspiele in Unternehmen ergeben, möchte ich die abgeleiteten Funktionsklassen im Folgenden kurz skizzieren. Nach Weigand (2003: 105ff.) ist der mit dem Wollensanspruch verbundene Anspruch auf Erfüllung das wesentliche Kriterium, um drei direktive Illokutionsklassen voneinander abzugrenzen. Wenn der Sprecher keinen Erfüllungsanspruch geltend machen kann, die Ausführung der Handlung also letztlich im Belieben des Kommunikationspartners liegt, handelt es sich um bittende Sprechakte, sog. petititve. Besteht demgegenüber ein Anspruch auf Erfüllung, lassen sich die Illokutionen des Befehlens und des Aufforderns differenzieren. Im Falle befehlender Sprechakte, sog. iussive, stehen dem Sprecher Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Interdependenz von Befehlen und Gehorchen setzt als wesentliche Handlungsbedingung ein hierarchisches Verhältnis von Über- bzw. Unterordnung zwischen den Sprechern voraus. Diese Bedingung ist für den institutionellen Kontext des Unternehmens konstitutiv, so dass dieser Sprechakttyp in Unternehmen eine hohe Relevanz besitzen dürfte. Auffordernde Sprechakte, sog. monitive, sind dagegen nicht auf Sanktionsmöglichkeiten zu stützen, vielmehr wird hier eine gewisse Kooperationsbereitschaft der Sprecher angenommen. Die Interdependenz zwischen der Illokution der Aufforderung und dem propositionalen Merkmal kooperativen Handelns impliziert, dass im Interesse aller Beteiligten gehandelt wird. Diese Prämisse lässt auf ein Verhältnis der Interaktionspartner schließen, das tendenziell als gleichberechtigt zu charakterisieren ist. So wendet man sich
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Durchsetzungsdiskurse nach Direktiven können von Verständigungsdiskursen nach Repräsentativen dadurch abgegrenzt werden, dass letztere überzeugen, erstere überreden wollen (vgl. Weigand 1999). Diese Differenzierung ist aus heuristischen Gründen beizubehalten, auch wenn davon ausgegangen werden muss, dass das primär rationale Überzeugen ebenfalls Elemente des emotionalen Überredens enthält und vice versa. Vgl. Fußnote 75.
90 an einen Kollegen mit einer Bitte oder einer Aufforderung, während eine Dienstanweisung des Chefs an seine Mitarbeiter eher der iussiven Illokution entspricht. Bei dieser Zuordnung handelt es sich um eine erste Orientierungshilfe, die für den spezifischen Kontext allerdings weiterer Konkretisierungen bedarf. Es spielt z. B. eine Rolle, wie die Kommunikationspartner ihre Situation einschätzen, ob sie beispielsweise eine Handlung als Gefälligkeit oder als notwendige Aufgabe betrachten. Diese „Zone der Unschärfe“ (Weigand 2003: 107) steigert zwar einerseits die Komplexität um ein Vielfaches, andererseits entspricht sie der realen Kommunikation und insofern einem Ansatz, der den Anschluss zwischen Theorie und kommunikativer Praxis herzustellen versucht. Im Rahmen der theoretischen Grundlegung direktiver Handlungsspiele in Unternehmen wird ähnlich verfahren wie schon bei den repräsentativen. Auf Grundlage des Bezugs zur direktiven Illokution sind Typen von Handlungsspielen zu benennen, die koordinierte Interaktion in der Institution Unternehmen ermöglichen. Im Vordergrund steht also wiederum der Zweck für das Unternehmen als Ganzes unter Berücksichtigung individueller Eigeninteressen seiner Mitglieder. Neben dieser Korrelation interessiert das Zusammenspiel von Funktion und Form, d. h. die Art, wie dialogische Sequenzen im Rahmen direktiver Handlungsspiele gestaltet sein können. Insbesondere für den letzten Punkt werden authentische Beispiele herangezogen. 4.4.2.1 Anweisung In den Ausführungen zur Organisation in Kapitel 4.2.2 wurden neben den Grundprinzipien der Aufgabendifferenzierung und -koordination die damit einhergehenden Entscheidungsund Weisungsbefugnisse als maßgebliche Merkmale einer wirtschaftlichen Organisation benannt. So konstatieren Picot et al. (2002: 247): Die Gestaltung der zwischen Organisationseinheiten bestehenden Weisungs- bzw. Anordnungsrechte konkretisiert die durch die Aufgabenverteilung und Verteilung der Entscheidungsrechte entstandene Struktur.
Die Stellen in einem Unternehmen sind nach dem Gesichtspunkt der Weisungsbefugnis miteinander verbunden, wobei in Abhängigkeit von der organisatorischen Struktur eine Stelle entweder nur von einer übergeordneten Instanz Anweisungen erhalten darf (Einliniensystem) oder aber von mehreren Instanzen, je nach Aufgabe (Mehrliniensystem) (vgl. Kap. 4.2.2). Termini wie ‚Instanz‘ und ‚Stelle‘ implizieren, dass hier zunächst vom Menschen abstrahiert wird. Entsprechend kritisiert auch Vahle (1990: 26), dass mit dem Begriff der ‚Weisungsbefugnis‘ noch kein Bezug zum konkreten Verhalten hergestellt sei. Diesen Bezug leiste der Begriff der ‚Anweisung‘, den Vahle (ebd.: 45) wie folgt definiert: „Anweisungen sind Vorgaben eines weisungsbefugten Mitarbeiters an einen anderen Mitarbeiter, die für die Art und Weise der Erfüllung bestehender Aufgaben zusätzliche, kon-
91 krete Angaben beinhalten“. Durch diese Definition wird allerdings primär eine inhaltliche Konkretisierung der Vorgaben vorgenommen. Wie auch beim Informationsbegriff kann leicht der Eindruck entstehen, dass es sich beim Anweisen um ein monologisches Phänomen handelt. Handlungstheoretisch betrachtet ist diese Konzeption defizitär, weil sie den Zweck nicht genauer spezifiziert und das interaktive Moment nicht in den Blick nimmt. Im Folgenden soll der Fokus daher auf Merkmale direktiver Handlungsspiele gerichtet werden, durch die die Anweisung als ein Typ kommunikativen Handelns in Unternehmen an Kontur gewinnt.92 Wie oben ausgeführt, spielt bei der Differenzierung direktiver Handlungsspiele das Kriterium des Erfüllungsanspruchs eine wesentliche Rolle. In einem Unternehmen ist vertraglich geregelt, welche Aufgaben ein Mitarbeiter zu erfüllen hat, daraus leitet sich die Kompetenz und Verantwortung des Stelleninhabers ab. Verantworten muss er sich in erster Linie dafür, ob er die ihm gestellte Aufgabe zielentsprechend erfüllen konnte. Falls dies der Fall ist, kann er entlastet werden, falls nicht, drohen negative Sanktionen (vgl. Wöhe 2002: 149). Dabei kann es sich im gravierendsten Fall um Entlassungen handeln, darüber hinaus stehen aber noch eine Reihe weiterer Sanktionsmechanismen zur Verfügung, wie beispielsweise das Aufschieben oder Verhindern fälliger Beförderungen. Die Kriterien Erfüllungsanspruch plus Sanktionsmöglichkeit verweisen auf den iussiven Charakter direktiver Handlungsspiele in Unternehmen. Dafür spricht ferner das hierarchische Gefüge: Es liegt im Kompetenz- und Verantwortungsbereich der Führungskräfte, dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter im Interesse des Unternehmens bestimmte Handlungen ausführen.93 Gemäß der genannten Funktion ist kommunikativen Handlungen des Anweisens jedoch auch ein monitives Moment zu Eigen: Letztendlich sollen alle Beteiligten im gemeinsamen Interesse des Unternehmens kooperativ handeln oder, wie Hindelang (1978: 459) es ausdrückt: „Die Ausführung von X ist ein notwendiger Schritt zur Erreichung des gemeinsam angestrebten Ziels [kursiv; S.S.] oder eine für die weitere reibungslose Fortsetzung der Kooperation erforderlichen Handlung“.94 Trotz der nach wie vor konstitutiven hierarchischen
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Im Kontext dieser Arbeit soll nicht weiter darauf eingegangen werden, ob und wie es möglich ist, Anweisungen von Anordnungen, Weisungen, Befehlen etc. abzugrenzen. Es handelt sich dabei um Versuche einer umfassenden Aufforderungstypologie, wie sie beispielsweise Hindelang (1978) und Schilling (1999) vorlegen. Im Rahmen einer Arbeit, in der komplexe Handlungsspiele und nicht einzelne Sprechhandlungen im Mittelpunkt stehen, lenken diese zum Teil künstlichen Differenzierungen m. E. vom eigentlichen Gegenstand ab. Zur Begründung der Wahl des Anweisungsbegriffs vgl. die weiteren Ausführungen. Zentrale propsitionale Merkmale einer Anweisung betreffen daher nicht nur das Wie, sondern auch das Was, d. h. die auszuführende Handlung selbst. Bis auf die Tatsache, dass die Handlung ausführbar sein muss, gibt es kaum Einschränkungen bzgl. des propositionalen Gehalts: Handlungsspiele des Anweisens ziehen sich wie ein roter Faden durch den organisationalen Alltag. Hindelang (1978) unterscheidet in diesem Sinne bindende Weisungen in institutionellen Hierarchieverhältnissen von nicht-bindenden Anweisungen, für die s. E. eine gleichberechtigte Koope-
92 Grundstruktur definieren sich die Mitarbeiter heute nicht mehr ausschließlich über formale Autorität und Positionsmacht in der Hierarchie, vielmehr gewinnt ein kooperativer Führungsstil immer mehr an Bedeutung (vgl. Kap. 4.2.3). In diesem Sinne werden Entscheidungskompetenzen weitgehend delegiert und direkte persönliche Weisungen durch andere Koordinationsarten abgelöst, wie beispielsweise Arbeitsgruppen, die für eine bestimmte Aufgabe oder die generelle Abstimmung über Abteilungsgrenzen hinweg zuständig sind (vgl. Kap. 4.2.2). Aufgrund ihrer Verantwortung für das Ganze können sich die Gruppenmitglieder gegenseitig Anweisungen erteilen, die dann jedoch eher den Charakter von Aufforderungen haben oder Verhandlungen gleichkommen.95 Dies gilt auch, wenn die Interaktionspartner auf der gleichen Hierarchieebene stehen, also z. B. mehrere Abteilungsleiter miteinander kommunizieren. Wöhe (2002: 150) weist auf eine weitere Tendenz hin, die für direktive Handlungsspiele vom Typ Anweisung in diesem Zusammenhang relevant ist: Auf höheren Stufen der Hierarchie treten Fragen der direkten Menschenführung gegenüber sachlichen Fragen zurück. Es ist also anzunehmen, dass die Geschäftsführung mit ihren Führungskräften seltener über die Form und Funktion von Anweisungen interagiert bzw. entsprechende Handlungsspiele eher dem monitiven Charakter entsprechen. Um dies im Einzelfall entscheiden zu können, ist eine genaue Analyse des unternehmenskulturellen Handlungsrahmens erforderlich. So kann sich eine ausgeprägte Teamkultur, in der Anweisungen vermieden werden, auch als kontraproduktiv erweisen, weil bei der ausgiebigen Suche nach gemeinsamen, kompromissfähigen Lösungen das umgehend erforderliche praktische Handeln zu kurz kommt. Darauf werde ich im Rahmen der Analyse eines authentischen Beispiels in Kapitel 5 noch näher eingehen. Nachdem Handlungsspiele des Anweisens ausgehend von den Strukturen eines Unternehmens legitimiert wurden, gilt es im Folgenden die Struktur eines Anweisungsdiskurses genauer zu betrachten. Gemäß der arbeitsvertraglichen Regelungen ist der Aushandlungsspielraum für den Mitarbeiter, der der Anweisung eines Vorgesetzten Folge zu leisten hat, eher gering. Entsprechend werden Anweisungen häufig kommentarlos zur Kenntnis genommen bzw. mit einer kurzen sprachlichen Reaktion positiv bestätigt. Eine Ablehnung ist prinzipiell zum einen aus Gründen des Nicht-Wollens, zum anderen aus Gründen des Nicht-Könnens möglich. Zwar stellt sich der Fall, dass Mitarbeiter aus Motivationsgründen
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ration der Interaktionspartner ausschlaggebend ist. Ich verstehe Anweisungen im Kontext dieser Arbeit als dienstliche Anweisungen in der Institution des Unternehmens. Den Anweisungsbegriff ziehe ich nicht zuletzt deshalb vor, weil er den Bezug auf einen Kommunikationspartner und einen Weltausschnitt impliziert: Ich weise jemanden an, etwas zu tun. Ich halte es im Rahmen der Arbeit jedoch nicht für angebracht, eine eigene Kategorie ‚Handlungsspiele des Aufforderns‘ aufzuführen, da sie nicht eine für den institutionellen Kontext typische Funktion abbilden. Von wesentlicher Bedeutung sind hier letztlich Anweisungen, wobei der iussive Grad von mäßig/gering bis stark variieren kann. Zu Verhandlungen vgl. Kap. 4.4.2.3.
93 ablehnen, als ungewöhnlich dar, gleichwohl finden sich auch dafür Beispiele. In einem der von mir aufgezeichneten Gespräche reagiert eine Mitarbeiterin mit der Äußerung Außerdem bin ich keine Verkäuferin (Einkaufsbesprechung Schick 1155) auf den Beschluss, dass die Mitarbeiter aus der Unternehmenszentrale Dienst in den Filialen verrichten sollen. Sie bringt damit sowie durch vergleichbare Äußerungen im weiteren Gesprächsverlauf ihre Weigerung zum Ausdruck, die in einem Nicht-Wollen begründet liegt. Das Problem des Vorgesetzten ist, dass er den Beschluss nicht deutlich als Anweisung weitergegeben, sondern ihn als Vorschlag bzw. Wunsch kaschiert hat (Nächster Wunsch [...] war, Einkaufsbesprechung Schick 1099f.). Auch sein weiteres Verhalten erscheint äußerst defensiv bzw. von dem Bestreben geprägt, den Anspruch im Nachhinein rational zu begründen. Dagegen insistiert die Mitarbeiterin auf ihrer Position und sie erfährt letztendlich auch noch Unterstützung durch ihre Kollegen. In der aktuellen Gesprächssituation kommt es somit zu einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse; die Strategie des Anweisenden trägt nicht zu einem effektiven Anweisungsdiskurs bei: Am Ende ist nicht deutlich, wie weiter gehandelt werden soll und es ist zu vermuten, dass das Thema zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden muss. An dem Beispiel lässt sich u. a. zweierlei aufzeigen: Erstens ist ein Handlungsspiel des Anweisens in der Realität häufig mit anderen Handlungsspielen (Planung, Information etc.) verschränkt, so dass „die einzelnen Züge strategisch hinsichtlich ihres Bezugs zur Gesamtintention der beiden Kommunikationspartner und zur Situation bewertet werden [müssen]“ (Weigand 2003: 171).96 Zweitens besitzen direktive Handlungsspiele des Anweisens eine besondere Brisanz, weil sie in den Handlungsspielraum eines anderen Menschen eingreifen.97 Aus dieser Tatsache resultieren bestimmte Anforderungen an die Wahl der kommunikativen Mittel. Allgemein spielen Strategien der Höflichkeit beim direktiven kommunikativen Handeln eine wesentliche Rolle (vgl. Cho 2005). Direkte Sprechakte, z. B. in der Form des Imperativs, gilt es zu vermeiden, weil der Sprecher dem Kommunikationspartner damit in einer allzu schroffen, vereinnahmenden Weise gegenübertreten würde. Dagegen wird häufig indirekt aufgefordert, beispielsweise durch einen explorativen Sprechakt der Form: Könnten Sie morgen mit Herrn X über unser Problem sprechen?98 Diese vorsichtige Ausdrucksweise verringert die Gefahr, dass der Angesprochene sogleich
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Die Gesamtintention ist nicht thematisch oder anhand von formal-zeitlichen Kriterien, wie einer Sitzungseinheit, zu bestimmen. Sie bezieht sich auf den gemeinsamen interaktiven Zweck, der in jedem Gespräch immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Dass Direktive zu Lasten des Hörers gehen, führen u. a. House/Kasper (1987) aus, die Aufforderungen unter der Prämisse betrachten, dass sie den Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Kommunikationspartners linguistisch kompensieren können. Zum Vermittlungsmechanismus zwischen direkten und indirekten Sprechakten vgl. Weigand (2003: 233ff.).
94 eine Abwehrhaltung einnimmt. Zugleich erhöht sich für den Sprecher die Chance, seine Absicht zu erreichen, wenn er sich höflich und diplomatisch verhält. Insbesondere für monitive Sprechakte, d. h. für den Fall eines prinzipiell kooperativen Handelns, bieten sich außerdem Formulierungen wie Lassen Sie uns... an, die Sprecher und Hörer integrieren und sie gemeinsam in die Verantwortung nehmen. Auch die Partikel bitte gilt ausdrucksseitig als Indikator für Höflichkeit, selbst wenn sie häufig rein floskelhaft verwendet wird. Als vorläufiges Zwischenfazit ist an dieser Stelle festzuhalten, dass Handlungsspiele des Anweisens die hierarchische Grundstruktur eines Unternehmens widerspiegeln und insofern Machtkonstellationen und -interessen bei der Analyse berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus verbindet sich mit den in Anweisungen konkretisierten Weisungsbefugnissen eine Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, die Aktion wie Reaktion gleichermaßen betrifft. Im Sinne eines rhetorisch geschickten Vorgehens mildern Prinzipien und Strategien der Höflichkeit den iussiven Charakter von Anweisungen, wobei allerdings darauf zu achten ist, dass der Angewiesene die Verpflichtung zur Ausführung auch als solche versteht.
4.4.2.2 Motivation In Kapitel 4.4.2.1 wurde dargelegt, dass Handlungsspiele des Anweisens mit einer Einschränkung des Handlungsspielraums korrelieren. Im Rahmen der Ausführungen zur Unternehmenskultur wurde dagegen aufgezeigt, dass – theoretisch wie empirisch abgesichert – gerade die Eröffnung von Handlungsspielräumen eine Steigerung der Zufriedenheit und des Leistungswillens der Mitarbeiter zur Folge hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welcher Typ von Handlungsspielen gleichsam komplementär zu Handlungsspielen des Anweisens dafür Sorge trägt, dass die Mitarbeiter ihr Handlungspotential – freiwillig – zur Entfaltung bringen. Für die weiteren Ausführungen rekurriere ich auf einen Begriff, der disziplinübergreifend für die Interaktion von Motiven, Anreizen und zielführendem Verhalten verwendet wird, den Begriff der ‚Motivation‘. Motivation als „zum Handeln bewegende Kraft“ (Comelli/von Rosenstiel 2003: 45) kennzeichnet, wie in Kapitel 4.2.3 bereits aufgezeigt, nicht nur intrapsychische Prozesse und Beweggründe, sondern insbesondere in der Form des Verbalausdrucks motivieren ein absichtsvolles Handeln vor dem Hintergrund folgender Fragen: „Wie bekomme ich die maximale Arbeitsleistung meiner Mitarbeiter? – Wie kann ich der inneren Kündigung vorbeugen? – Wie motiviere ich meine Leute dazu, Überstunden zu machen?“ (Sprenger 1999: 22). Wie kein anderer Typ ist die Motivation am Verhalten des Interaktionspartners ausgerichtet; es gilt so Einfluss zu nehmen, dass seine Interessen angesprochen und integriert werden. Unter handlungstheoretischen Gesichtspunkten stellt sich dies als eine besondere Herausforderung an die kommunikative Kompetenz dar. Folglich haben wir es auch mit
95 unterschiedlichen Typen von Sprechakten und Dialogsequenzen zu tun, die grundsätzlich dem Zweck dienen, die Mitarbeiter zum Engagement im und für das Unternehmen zu bewegen. Diese Formen kommunikativen Handelns werden im Folgenden als Handlungsspiele der Motivation gefasst und in ihren Grundzügen erläutert. Als wesentliche Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen für die Motivation in Unternehmen gelten allgemein Vertrauen, Offenheit und Respekt (vgl. Dera 2003: 104). Damit sich eine Kultur des Vertrauens entwickeln kann, sind die Führungskräfte gefordert, den Entwicklungsprozess der einzelnen Mitarbeiter zu begleiten. Entsprechend werden gemeinsam Ziele vereinbart und der Leistungsstand überprüft (vgl. Stroebe/Stroebe 2003). Im Hinblick auf das kommunikativ-dialogische Handeln spielen dabei vor allem solche Äußerungen eine Rolle, durch die eine Verhaltensbewertung vorgenommen wird. Korrespondierende kommunikative Handlungen sind das Loben bzw. das Tadeln als Untermuster der Repräsentativa, bei denen die Proposition eine Wertung enthält (vgl. Weigand 2003: 164f.). Die motivierende Wirkung des Lobs ist darauf zurückzuführen, dass es eine positive Bewertung darstellt. Dadurch wird ein Anreiz geschaffen, weiterhin so zu handeln, wie vom Umfeld positiv anerkannt. Im Gegensatz dazu handelt es sich für den Mitarbeiter bei Tadel bzw. Kritik um „Momente, die seinen inneren Widerstand auslösen, sein Selbstbild gefährden und seinen Leistungswillen dämpfen können“ (Neuberger 2001: 210). Wie Neuberger (2001: 193f.) aufzeigt, kann die Misserfolgsmeldung aber auch „energetisierende“ Effekte haben, was m. E. vor allem auf die Art und Weise zurückzuführen ist, wie Kritik kommunikativ realisiert wird. Während Anerkennung „um so effektiver ist, je unmittelbarer und deutlicher sie ausgesprochen wird“ (ebd.: 226), hängt für effektiv geäußerte Kritik, die eine positive Ausgangsbasis für die künftige Zusammenarbeit schaffen oder wiederherstellen soll, viel von einer höflich-diplomatischen Kommunikationsstrategie ab. Gleichwohl muss deutlich sein, dass in entscheidenden Punkten vom Mitarbeiter eine Verhaltensänderung verlangt wird. Um ihn dahingehend zu motivieren, bietet sich die sog. konstruktive Kritik an, die nicht nur Probleme aufdeckt, sondern darüber hinaus der gemeinsamen Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen dient. Der damit einhergehende Motivationseffekt liegt vor allem darin begründet, „dass jene Entscheidungen um so eher engagiert ausgeführt werden, die man selbst gefällt oder aktiv beeinflusst hat“ (ebd.: 220). Der zuletzt angesprochene Punkt macht wiederum deutlich, dass wir es bei einem Handlungsspiel nicht mit einem standardisierten Prozess zu tun haben. Hier findet sich ein Problemlösungsdiskurs eingebettet in ein Kritikgespräch, das ich der Motivation zuordne, insofern es einer Aktivierung der Handlungsbereitschaft dient. In der Praxis kommt es dazu beispielsweise häufig in Mitarbeitergesprächen. Unabhängig von diesem Diskurstyp erfolgt die Äußerung von Anerkennung bzw. Kritik typischerweise in der folgenden Konstellation: Ein Vorgesetzter bewertet das Verhalten oder die Leistungen seiner Mitarbeiter. Der Rangunterschied ist für die Motivation gleichermaßen von Bedeutung wie eine wei-
96 tere Rahmenbedingung in der Institution Unternehmen: die Korrelation von Leistung und Be-/Entlohnung. Auf diese primär inhaltliche Dimension der Motivation (Was motiviert?) konzentriert sich ein Großteil der Forschung, sie bildet allerdings nicht den Schwerpunkt einer linguistischen Arbeit.99 Vielmehr ist der Fokus hier auf den handlungstheoretisch begründeten funktionalen Kern des Motivierens zu richten, der durch die oben erläuterten repräsentativen Sprechakte noch nicht hinreichend erfasst ist. Im Endeffekt geht es um Persuasion, d. h. um die Fähigkeit eines Vorgesetzten, seine Mitarbeiter stets aufs Neue zu (besonderen) Leistungen zu bewegen. Die individuelle Ansprache ist die eine Seite, hinzu kommt eine Unternehmenskultur, die eine entsprechende Denkhaltung der Mitarbeiter fordert und fördert. Dazu ein Beispiel aus meinem Materialkorpus: In einer Besprechung mit den Führungskräften lässt der Geschäftsführer die Geschäftsentwicklung und Aktionen des vergangenen Jahres Revue passieren. Bei allem Lob äußert er mit Blick auf die Konkurrenz auch: Wir müssen da die Warenhäuser angreifen und sagen: Wir holen uns das zurück (GF-Sitzung Schick 0314f.). Die Semantik des Verbs angreifen kommt dem offensiven Herausforderungscharakter nahe. Man hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt und möchte diese erfüllen. Dies wird als Notwendigkeit betrachtet, zugleich aber auch als ganz neues Lustgefühl (GF-Sitzung Schick 0505). Vergleichbare Äußerungen sind ein Indikator dafür, dass in diesem Unternehmen das Übertreffen der Wettbewerber als motivierend, d. h. handlungsaktivierend, empfunden wird. Eine derartige Kultur zieht in der Folge auch eher Mitarbeiter an, die für ihre persönliche Karriere ähnliche Ziele verfolgen und sich auf diese Weise motivieren lassen. Wie lässt sich nun ein Handlungsspiel des Motivierens in der kommunikativen Interaktion identifizieren? Im Rahmen eines komplexen Handlungsspiels kann nicht eine Äußerung allein den entscheidenden Indikator darstellen. Der direktive Charakter korreliert auch nicht automatisch mit einem Imperativ der Form: Zeigen Sie doch mal, dass Sie das können! Vielmehr werden häufig indirekte Formen gewählt, wie das oben zitierte Wir müssen [...] angreifen oder Ja, es wäre also super, wenn Sie auch noch mal ’n bisschen Gas geben (GF-Sitzung Schick 0482f.). Durch den Konjunktiv markiert, liegen Handlung bzw. Ergebnis noch im Bereich des Möglichen, der Sprecher nimmt die positiven Folgen aber vielfach schon vorweg. Der Weg zum Ziel wird dabei meistens nicht detailliert vorgegeben (vgl. die bildliche Aufforderung Gas geben), was die Motivation von der Anweisung unterscheidet: Während letztere eher dem hierarchischen Kontrollgedanken verpflichtet ist, soll das motivierende Handeln nicht zuletzt dazu dienen, Engagement und Eigeninitative
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Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Phänomens ‚Motivation‘ möchte ich daher auf die einschlägige wirtschaftspsychologische Literatur verweisen, z. B. Comelli/von Rosenstiel (2003), von Rosenstiel (2001).
97 der Mitarbeiter zu fördern. Dies unterstreichen in den von mir aufgezeichneten Gesprächen die Führungskräfte selbst, wenn sie auf Situationen referieren, die i. E. motivierende Effekte haben, weil sie Mitarbeitern Gestaltungsspielräume eröffnen oder zum eigenverantwortlichen Handeln animieren. Typisch für Motivationsdiskurse sind des Weiteren die oben bereits erwähnten Bewertungen aus Sprechersicht. Im Sinne einer effektiven Motivation integrieren sie einerseits die Vergangenheit bzw. Gegenwart (vgl. Sprechakte des Lobens), andererseits die für die Herausforderung entscheidende Zukunftsperspektive. Bezeichnend ist darüber hinaus der Gebrauch des Personalpronomens wir, häufig sogar in der emphatischen Form wir zusammen oder wir alle. Wie Weigand (2003: 137) explizit betont, kann sich eine Herausforderung auch an eine ganze Gruppe richten, wie im oben skizzierten Beispiel der Fall: Der Geschäftsführer spricht die gesamte Führungsriege an, darunter auch seine eigene Person. Die hierarchische Statusdifferenz der Sprecher, die ein wesentliches situatives Merkmal bei Lob bzw. Kritik darstellt, wird hier gleichsam neutralisiert, stattdessen Gemeinschafts- bzw. Solidaritätsgefühl geweckt. Schließlich ist die individuell anerkannte Leistung des Einzelnen die eine Seite, die gemeinsame Leistung in der Gruppe, Abteilung o. ä. die andere, gleichermaßen unverzichtbare Seite des Handelns im institutionellen Kontext. Dies spiegelt sich in der kommunikativen Interaktion wider, so dass Handlungsspiele vom Typ Motivation auch in einem Mehr-Personen-Gespräch, z. B. in einer Besprechung, ihren Platz haben. Die von mir aufgezeichneten Gespräche belegen, dass insbesondere die Führungskräfte in dem Wissen handeln, dass ihre Mitarbeiter umso engagierter am Geschehen teilnehmen, je mehr sie sich als Teil des Unternehmens fühlen.100 Nach den ersten Überlegungen im Rahmen dieses Teilkapitels ist festzuhalten, dass Motivation als ein Prozess, „in dem die Menschen ihre von individuell geprägten Bedürfnissen und Werten produzierte Energie auf ein Ziel hinlenken“ (Stroebe/ Stroebe 2003: 9), nicht nur der grundsätzlichen Zielorientierung des Unternehmens entspricht, sondern zugleich einem Typ kommunikativen Handelns, der den Mitarbeiter als Individuum wie als Teil einer Gruppe unmittelbar anspricht. Wesentliches Element ist das Loben, da diese Art von Erfolgsbestätigung positive Effekte auf Zufriedenheit, Leistungsbereitschaft und Engagement hat. Persuasion ist vor allem gefragt, wenn in schwierigen Situationen, wie vor dem Hintergrund drohender Betriebsschließungen, von den Mitarbeitern Engagement für das Unternehmen gefragt ist. Hier ist der Schritt zum Handlungsspiel der Verhandlung nicht weit, das im nächsten Kapitel genauer betrachtet wird.
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Vgl. vor allem die Analyse der Einkaufsbesprechung Schick, Kap. 5.5.
98 4.4.2.3 Verhandlung Nachdem mit der Anweisung und der Motivation zwei komplementäre Typen der kommunikativen Interaktion in Unternehmen behandelt wurden, die einen recht weiten Spielraum von einfachen bis hin zu komplexen Dialogstrukturen abdecken, soll der Fokus im Folgenden auf ein direktives Handlungsspiel gerichtet werden, das sich im Allgemeinen durch ein hohes Maß an Komplexität auszeichnet: die Verhandlung. Sie wird in der linguistischen Literatur mal als „komplexes sprachliches Handlungsmuster“ (Brünner 2000: 148), mal als “activity of social decision making on substantive matters” (Firth 1995: 3) beschrieben und hat Anlass zu einer Vielzahl von Publikationen gegeben.101 Im Folgenden sollen Verhandlungen als Handlungsspiele untersucht werden,102 wobei es im Rahmen dieser Arbeit um ihre Formen und Funktionen für die interne Kommunikation von Unternehmen geht.103 Was die grundlegenden Charakteristika von Verhandlungen betrifft, besteht weitgehend Konsens im Hinblick auf die Definition von Fisher/Ury (1984: 11), die dem Harvard Negotiation Project entstammt:104 Verhandeln ist eine Grundform, Gewünschtes von anderen Leuten zu bekommen. Es ist wechselseitige Kommunikation mit dem Ziel, eine Übereinkunft zu erreichen, wenn man mit der anderen Seite sowohl gemeinsame als auch gegensätzliche Interessen hat.
Diese Begriffsbestimmung verweist auf den direktiven Charakter, der Verhandlungen zu Eigen ist: Man möchte jemanden dazu bewegen, etwas zu geben, wobei man allerdings auch bereit sein muss, selber etwas dafür zu geben. Jenseits dieser funktionalen Bestimmung nennt die Definition von Fisher/Ury einen wesentlichen Aspekt, der im Rahmen einer jeden Verhandlung zu berücksichtigen ist: den Interessensaspekt. Osterkamp (1999:
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Eine ganze Reihe von Wissenschaften beschäftigt sich mit dem Verhandeln, insofern es einen wesentlichen Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens in den verschiedenen Lebensbereichen (Recht, Wirtschaft, Politik etc.) darstellt. Im Rahmen einer linguistischen Arbeit möchte ich auf die entsprechenden neueren Publikationen verweisen, vor allem auf die Sammelbände von Ehlich/ Wagner (1995), Firth (1995) (ed.) und Weigand/Dascal (2001). Von Verhandlungen als Handlungsspielen ist das Aushandeln von Sprecherpositionen abzugrenzen, das als solches einen konstitutiven Bestandteil des kommunikativen Handelns allgemein darstellt (vgl. Kap. 3 sowie Weigand 2001c). Nicht berücksichtigt werden daher externe Verhandlungen, z. B. mit Lieferanten oder Kunden, die in Unternehmen einen hohen Stellenwert besitzen. Insofern sie sich in den grundlegenden funktionalen Merkmalen ähneln, können interne und externe Verhandlungen aber auch als zwei Untertypen des Verhandelns betrachtet werden, bei denen die Handlungsbedingungen variieren. Beim Harvard Negotiation Project handelt sich um ein weltweit renommiertes Forschungsprogramm an der Law School der Harvard Universität. Die dort gewonnenen Erkenntnisse zur ‚Kunst des Verhandelns‘ stammen primär aus empirischen Analysen von simulierten und authentischen Verhandlungen im Rechts-, Wirtschafts- und im zwischenstaatlichen Bereich. Zu den bekanntesten Vertretern zählen der Jurist Roger Fisher, der Konfliktberater William Ury und der Ökonom Howard Raiffa.
99 51) grenzt Verhandlungen dadurch von der Problemlösungskommunikation ab, dass es den Beteiligten an der optimalen Befriedigung der jeweils eigenen Interessen gelegen ist, die im Falle des Verhandelns zumindest zu einem gewissen Teil konfligieren. Auch die Vertreter des Harvard Negotiation Project identifizieren unterschiedliche Bedürfnisse bzw. Interessen als die eigentlichen Beweggründe, die es hinter den bewussten Positionen der Akteure zu identifizieren gelte. So argumentieren Fisher/Ury (1984: 68f.), dass Interessen zwar divergieren mögen, dass sie aber viel leichter ausgeglichen werden können als starre Positionen, weil sie häufig gar nicht gegensätzlicher Natur sind, sondern einander sogar in gewisser Weise ergänzen. So hat beispielsweise ein Arbeitnehmer Interesse an einem höheren Einkommen, um seinen Lebensstandard halten oder steigern zu können. Der Arbeitgeber hat hingegen das Interesse, dass die Mitarbeiter ihre Aufgaben erfüllen und zum Gewinn des Unternehmens beitragen. Auch wenn diese Interessen unterschiedlicher Art sind, sind sie nicht zwangsläufig konfliktär. Ausgleich finden sie beispielsweise in einem Arbeitsvertrag, der regelt, dass der Arbeitnehmer für besondere Leistungen eine gesonderte Vergütung erhält. Dies ist ganz im Sinne des gegenseitigen Gebens und Nehmens, das als konstitutive Bedingung einer effektiven Verhandlung gilt. Gemäß der Korrelation von Geben und Nehmen fokussieren dialoganalytische Konzeptionen bei der Beschreibung von Verhandlungsdiskursen vor allem die Sprechhandlung des Anbietens. So stellt für Hundsnurscher (2001: 78f.) die Struktur offer – accept das minimale Muster eines Verhandlungsdialogs dar, der durch weitere Züge (reject – resign, insist – give in etc.) erweitert werden könne. Abgesehen davon, dass die von Hundsnurscher konzipierte grammar of bargaining ein vorgegebenes Muster postuliert, durch das der prinzipiell offene Prozess des Verhandelns m. E. nicht adäquat erfasst werden kann, wird man einem komplexen Handlungsspiel vom Typ Verhandlung nicht gerecht, erfasst man das Angebot als eine einzelne Äußerung. Vielmehr ist Weigand (2003: 150) zuzustimmen, die ein komplexes Angebot wie folgt beschreibt: Beides zusammen erst, das Ankündigen einer Handlung und die dafür verlangte Gegenleistung, machen das Angebot aus. Dabei wird die repräsentative Illokution der Handlungsankündigung gewissermaßen als Druckmittel zur Durchsetzung der auf eine Gegenleistung gerichteten direktiven Illokution verwendet.
Somit sind Verhandlungen allgemein über Angebote und (vorläufige) Vereinbarungen zu strukturieren. Gleichwohl ist der Verlauf einer Verhandlung nicht zu antizipieren, er hängt von einer Vielzahl von Parametern ab, vor allem von kognitiven Strategien und Schlussfolgerungen der Interaktionspartner. Folglich kann es keine allein gültige Verhandlungsstrategie geben, „[s]ie muss vielmehr in der Praxis für die jeweils aktuelle Verhandlungssituation erarbeitet werden“ (Klein 2004: 1584). Aus heuristischen Gründen werden allerdings auch in den praxisnahen Publikationen zum Verhandeln immer wieder die gleichen Strategien aufgeführt, die sich an den Interessen und Zielen der Verhandlungsteil-
100 nehmer orientieren. Je nach Gewichtung der Interessenlagen ergeben sich folgende Basisstrategien, die in einer Verhandlung zumeist nicht in Reinform, sondern kombiniert zum Einsatz kommen (vgl. Lewicki et al. 1998: 61ff.): – Vermeidung (lose – lose): – Anpassung (lose to win) – Konkurrenz (win – lose) – Kooperation (win – win) Grundsätzlich sollte es Ziel einer jeden Verhandlung sein, ein Ergebnis zu erreichen, von dem alle Parteien profitieren. Diese Situation wird als Win-Win-Situation bezeichnet, was allerdings nicht heißen soll, dass die Verhandlungspartner ihren maximalen Gewinn erreichen. Damit beide profitieren, müssen sie auch zu Zugeständnissen bereit sein, ein erfolgreiches Handlungsspiel vom Typ Verhandlung zeichnet sich nach Weigand (2001c: 74) durch Kompromissbereitschaft aus: Being prepared for a compromise, i. e. being prepared to give something for getting something [kursiv ; S.S.], is the necessary starting point from which it will be possible to negotiate the conditions.
Gleichwohl begegnen sich die Verhandlungspartner in der Realität nicht unbedingt von vornherein mit Kompromissbereitschaft oder diese bezieht sich nur auf bestimmte Teile des Verhandlungsgegenstands. Eine Geschäftsverhandlung findet häufig unter kompetitiven Bedingungen statt: Das Ergebnis ist wichtiger als die Beziehung; dem ökonomischen Kalkül gemäß soll die Ergebnisdimension maximiert werden. Dabei gibt es eine Vielzahl von Taktiken, um den ‚Gegner‘ zu zermürben bzw. zu schwächen. Weigand (2001c: 67ff.) charakterisiert sie als “principles of negative use of power”, worunter die Simulation von Macht, Drohungen oder sogar Erpressung fallen. Kurzfristig mögen sich diese Taktiken für den ‚Sieger‘ als effektiv erweisen. Jedoch überwiegen langfristig die negativen Effekte: Vertrauensverlust, Machtkämpfe etc. Aus dem allgemeinen Interaktionszusammenhang – Menschen arbeiten in einer bzw. für eine Institution und wollen dafür eine Gegenleistung erhalten – folgt, dass es in Unternehmen eine Vielzahl von Verhandlungssituationen gibt, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vollständig und detailliert erfasst werden können. Gleichwohl möchte ich im Folgenden einige typische Situationen aufzeichnen, die zeigen, in welchen Strukturen und unter welchen Handlungsbedingungen die oben skizzierten Verhandlungsstrategien im Unternehmen zum Einsatz kommen. Typische Verhandlungssituationen in einem Unternehmen stellen Gespräche zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung dar, da diese Gruppen die Interessen unterschiedlicher Parteien – Arbeitgeber auf der einen Seite, Arbeitnehmer auf der anderen Seite – vertreten. Die Macht ist dabei nicht so einseitig zugunsten der Arbeitgeber verteilt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag: Es gibt Unternehmen, in denen der Betriebsrat eine machtvolle
101 Position innehat und entsprechend agiert. Verhandlungen zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat sind in gewisser Weise Teamverhandlungen, insofern jede Partei aus mehreren Personen besteht. Im Falle einer offiziellen Verhandlung, wie sie für Gespräche zwischen den genannten Gruppen üblich ist, tritt allerdings häufig ein Gruppensprecher auf, der die jeweilige Gesamtgruppe repräsentiert und diszipliniert. Schwierigkeiten, die schon bei einer Verhandlung zwischen zwei Parteien auftreten, potenzieren sich, wenn mehrere Mitglieder aus verschiedenen Funktionsbereichen eines Unternehmens zusammenkommen. Neben den Interessen der jeweiligen Abteilungen treten dabei nicht selten individuelle Interessen zu Tage. In einem der von mir aufgezeichneten Gespräche vertritt beispielsweise eine Mitarbeiterin die Position, es seien gegenüber einem anderen Unternehmensbereich schon genügend Zugeständnisse gemacht worden und nun seien die anderen damit an der Reihe (vgl. Einkaufsbesprechung Schick 1122ff.). Sie hält an ihrer Position fest, hinter der immer stärker ihr eigenes Interesse zum Vorschein kommt: Persönlich ist sie nicht bereit, Forderungen aus dem anderen Bereich zu erfüllen, auch wenn dies durchaus im Sinne der erwünschten Kooperation und somit im Unternehmensinteresse wäre. Mit der Größe einer Verhandlungsgruppe wächst weiterhin die Gefahr, dass die Beteiligten nicht zu einer Einigung kommen, der Verhandlungsprozess ist immer weniger zu kontrollieren. Eine mögliche Strategie besteht darin, Koalitionen zu schließen, um so eine gewisse Stärke zu erlangen. Dadurch wird aber zugleich eine kooperative Verhandlungsführung erschwert. Als hilfreich kann sich in solchen Situationen eine unparteiische, neutrale Person erweisen, die den Prozess als Vermittler lenkt. Bei Besprechungen tritt häufig der Geschäftsführer als solcher auf, was problematisch sein kann, weil er in den meisten Fällen selbst ein genuines Interesse am Verhandlungsergebnis hat. Das Credo von Verhandlungen, möglichst viel für sich zu bekommen, zugleich zu wissen, dass man zu Zugständnissen bereit sein muss, macht diesen Typ von Handlungsspielen aber nicht nur relevant für die Interaktion in und zwischen Gruppen, sondern auch zwischen Einzelpersonen im Unternehmen. Typische Beispiele sind Gehaltsverhandlungen oder auch Mitarbeitergespräche, in denen Angebote für die berufliche und persönliche Entwicklung des Mitarbeiters unterbreitet, zugleich bestimmte (Mehr-)Leistungen eingefordert werden. Lewicki et al. (1998: 150) stellen fest, dass die Angestellten auf der einen Seite häufig eine Anpassungs- oder Vermeidungsstrategie wählen, weil sie von einer unterlegenen Position oder festgefahrenen Situation ausgehen. Auf der anderen Seite hängt die interaktive Verhandlungsstrategie maßgeblich vom Verhalten der Führungskräfte ab: Versuchen diese ihre Macht mehr oder weniger subtil einzusetzen – indem sie z. B. durch ihre Äußerungen dem Mitarbeiter signalisieren, dass sich für ihn Nachteile ergeben, wenn er eine gewünschte Handlung nicht ausführt – oder sind sie zu Zugeständnissen bzw. Gegenangeboten bereit? Auf beiden Seiten zeigt sich rhetorisches Geschick u. a. darin, dass Forderungen direkt mit einem Angebot verbunden werden, so dass dem Kommunikations-
102 partner die Zustimmung leichter fällt und der initiative Anspruch letzten Endes durchgesetzt werden kann. Nach dieser Einführung in Handlungsspiele vom Typ Verhandlung soll hier festgehalten werden, dass dieser komplexe Typ, bei dem die Interessensdimension, Machtverhältnisse und die Einbettung in den situativen Kontext von besonderer Relevanz sind, kaum als sprachliches Handlungsmuster zu bezeichnen ist. Maßgeblich sind vielmehr kognitive Strategien, die es aus dem Handlungsverlauf zu rekonstruieren gilt, soweit dies dem außenstehenden Beobachter möglich ist. Zwar stellen Angebote einen wesentlichen Bestandteil von Verhandlungsdiskursen dar, in ihrer konditionierten Form dienen sie aber letzten Endes der Durchsetzung des eigenen Wollensanspruchs. Gleichwohl werden Verhandlungen dem Kooperationsprinzip gerecht, weil die Verhandlungspartner in dem Wissen kommunizieren, dass sie einander brauchen und das Interesse des Unternehmens letztlich immer noch übergeordnet ist. Handlungsspiele des Verhandelns komplettieren danach einen Bereich von dialogischen Handlungsspielen, der unmittelbar mit dem praktischen Handeln im Unternehmen verbunden ist. Während repräsentative Handlungsspiele in Phasen der Vorbereitung und Reflexion dominieren, sind direktive Handlungsspiele näher am Geschehen i. S. der Implementierung von Zielen und Maßnahmen im Arbeitsprozess. So vielfältig die Arbeitsschritte auch sein mögen, die zur Zielerreichung beitragen: Letztendlich werden sie durch kommunikative Handlungen angestoßen, wobei Anweisung, Motivation und Verhandlung die in meinen Augen wesentlichen direktiven Typen darstellen, die es im Hinblick auf die Kommunikation in Unternehmen zu berücksichtigen gilt.
4.4.3 Explorative Handlungsspiele Neben den direktiven Handlungsspielen lässt sich eine weitere Klasse von Handlungsspielen in einem ersten Schritt durch einen spezifischen Wollensanspruch abgrenzen. Hier bezieht sich das Wollen allerdings nicht auf eine praktische Handlung des Kommunikationspartners, es ist vielmehr als ein Wissen-Wollen zu charakterisieren. Entsprechend ordnet Weigand (2003) Handlungsspiele, die durch einen derartigen Wissensanspruch definiert sind, einer eigenen Klasse zu, die sie explorative nennt. Kennzeichnend für ein exploratives Handlungsspiel sind Fragehandlungen, die der Welterkundung dienen. D.h. ein Sprecher äußert, dass ihm Wissen über die Welt bzw. einen Weltausschnitt fehlt – ein Defizit, das ihn in der Folge unter Umständen am weiteren Handeln hindert. Explorative Sprechakte zielen auf antworten, und ein komplexes exploratives Handlungsspiel muss ebenfalls daraufhin analysiert werden, ob ein Wissensanspruch erfüllt bzw. beantwortet werden konnte.
103 Für eine weitere Differenzierung der Explorative bezieht sich Weigand (2003: 99ff.) auf den Zweck des Wissensanspruchs. Von den drei abgeleiteten Typen, die sie unterscheidet, interessieren hier vor allem zwei: Zum einen Fragehandlungen, die auf Wissen zielen, durch die der Sprecher also primär weitere Fakten und Meinungen einholen will (sog. repräsentative Fragehandlungen), zum anderen Fragehandlungen, die um des weiteren Handelns willen gestellt werden (sog. direktive Fragehandlungen).105 Ich werde mich vor allem bei dem ersten zu erläuternden Handlungsspiel, das ich als Handlungsspiel der Erkundung bezeichne, an die Differenzierung anlehnen, entspricht dieser Typ doch weitestgehend der Kategorie repräsentativer Fragehandlungen. Die zwei weiteren Typen, Überprüfung und Problemlösung sind schon wesentlich komplexer und eher auf die spezifischen Handlungsbedingungen im Unternehmen zugeschnitten. Auch wenn hier andere Sprechhandlungen, wie Argumente oder Behauptungen, Verwendung finden, korreliert der übergeordnete Zweck mit einem Wissensanspruch. Wie entsprechende dialogische Aushandlungsprozesse gestaltet sein können, ist in den folgenden Unterkapiteln zu erläutern. 4.4.3.1 Erkundung Eine Auseinandersetzung mit Wissen im Unternehmen droht ähnlich wie die Diskussion um das Schlagwort ‚Information‘ leicht auszuufern oder gar beliebig zu werden, ist doch das sog. Wissensmanagement mittlerweile zu einem allseits gefragten Managementkonzept geworden.106 Während es beim Wissensmanagement primär um die Frage geht, wie das Wissen der Mitarbeiter so aufbereitet, kommuniziert und dokumentiert werden kann, dass das Unternehmen als Ganzes davon profitiert, konzentriere ich mich im Folgenden auf einen gleichsam vorgelagerten Schritt, nämlich die Art und Weise, wie die Akteure im Unternehmen ihr Wissen in der kommunikativen Interaktion zuallererst eruieren.107 Der Verbalausdruck eruieren impliziert den vorbereitenden Charakter, wobei ich für diesen Typen von kommunikativen Handlungsspielen den oben bereits erwähnten Begriff der ‚Erkundung‘ präferiere. Zu diesem Handlungsspiel zählen primär Fragehandlungen, die Weigand (2003: 102f.) als repräsentativ einstuft, weil sie auf Information in Form von Fakten oder Interpretation zielen.108 In diesem Sinne dient ein Handlungsspiel der
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Bei der dritten abgeleiteten Klasse dient das Wissen der Antwort dazu, einen deklarativen Zustand zu schaffen bzw. zu bestätigen. Beispiel: „Nehmen Sie die Wahl an?“ – „Ja, ich nehme an.“ Vgl. aus dem großen Angebot an Literatur zu dem Thema aktuell und grundlegend Wilkesmann/ Rascher (2005) sowie Haun (2002). Ebenso wenig wie Informationen verstehe ich Wissen im Sinne einer ‘Black Box’. Vielmehr handelt es sich um ein dynamisches, kognitives Konstrukt, das die individuelle Weltsicht in entscheidendem Maße prägt. Im Gegensatz zu Handlungsspielen vom Typ Information wird die Neuigkeit bei der Erkundung nicht initiativ, sondern reaktiv, im Rahmen eines Antwortsprechakts, vermittelt.
104 Erkundung der Befriedigung von individuellen oder kollektiven Wissensansprüchen, die sich in Zusammenhang mit dem Unternehmen allgemein, der Arbeit im Unternehmen etc. stellen. Für eine weitere Präzisierung dieses allgemeinen Zwecks bietet sich wiederum die Bezugnahme auf die strategische Leitungsfunktion einerseits und die operative Ausführungsfunktion andererseits an. Jeder Strategiefindungsprozess beginnt mit Fragen. Bevor eine Strategie festgelegt, bevor Vorschläge überhaupt diskutiert werden können, benötigt die Unternehmensführung Informationen über die Bedingungen, unter denen das Unternehmen in Zukunft vermutlich agieren wird. Ob sie die Informationen bei externen Experten bzw. Beratern einholt oder durch interne Ressourcen ermitteln lässt: Der Wissensanspruch ist konstitutiv, wenn es um strategische Weichenstellungen für ein Unternehmen geht. Insofern sind auch die Fragen dem Inhalt nach unternehmensübergreifend vergleichbar: Wie gestalten sich aktuelle Trends in Technik und Gesellschaft? Wie verhält sich der Wettbewerb? Wie verhalten sich die Kunden? Solche Fragen zielen auf Informationen in Form von Fakten bzw. begründeten Meinungen, die als Basis für die weitere Verständigung über strategische Optionen genutzt werden (vgl. das Handlungsspiel der Planung). Im operativen Geschäft ist der unmittelbare Handlungsdruck wesentlich stärker. Zwar werden auch in diesem Zusammenhang Informationen erfragt, die sich auf die allgemeine Geschäftspolitik beziehen, jedoch drängen sich im Unternehmensalltag, d. h. bei der Vorbereitung und Durchführung konkreter Aufträge und Projekte, zumeist ganz andere Fragen auf. Da sich die Mitarbeiter auf unteren Hierarchieebenen auf ihre konkreten Aufgaben konzentrieren und ihnen der Überblick über den Prozess, mögliche Interdependenzen und getroffene Vereinbarungen oftmals fehlt, ist ihr Wissensanspruch nicht nur legitim, sondern die entsprechende Äußerung zugleich notwendig für die reibungslose Interaktion und Kooperation. Erkundet wird beispielsweise die Situation in einem anderen Bereich oder in einer anderen Abteilung, wobei im Hintergrund Implikationen für das eigene Handeln stehen. Hierzu folgendes Beispiel aus einer von mir aufgezeichneten Besprechung: Ein Mitarbeiter stellt im Hinblick auf den Besuch bei einem Kunden die Frage in den Raum: Fährt da nur die Entwicklung [Entwicklungsabteilung; S.S.] jetzt hin? (Entwicklungsbesprechung Hafe 0550). Aufgrund der situativen Rahmenbedingungen – der Fragende ist vertraut mit dem Kunden bzw. kennt sich in dem Projekt aus – ist berechtigterweise zu schlussfolgern, dass er Orientierung für das eigene Handeln sucht, im Sinne von: Soll ich da auch mitfahren? Bestünde in diesem Punkt weiterhin Unsicherheit, könnte möglicherweise der Kundenbesuch nicht effektiv vorbereitet und durchgeführt werden. An diesem Beispiel wird deutlich, dass explorative Handlungsspiele, die der Erkundung dienen, in einer immer komplexer werdenden Unternehmenswelt an Bedeutung gewinnen. Gleichwohl zeigen sich nicht selten Unsicherheiten bei der Realisierung. Diese mögen einerseits aus der Befürchtung resultieren, sich durch die eigene Unwissenheit eine Blöße zu
105 geben. Andererseits können Mitarbeiter oft nicht einschätzen, ob sie sich mit ihren Fragen ‚zu weit aus dem Fenster lehnen‘. Typische Indikatoren für eine solche mit Unsicherheit behaftete Erkundungsstrategie stellen die Rechtfertigung gestellter Fragen (Weil da bin ich jetzt schon öfters so gefragt worden, Entwicklungsbesprechung Hafe 0049ff.) oder vorsichtige Nachfragen, z. B. Ist da was rausgekommen, was erzählt werden darf? (ebd. 0028) dar. Eine derart defensive Kommunikationsstrategie korreliert mit unternehmenskulturellen Besonderheiten, u. a. auch mit dem hierarchischen Status bzw. entsprechenden Machtverhältnissen: Einen Mitarbeiter auf einer unteren Hierarchieebene kostet es wahrscheinlich eher Überwindung, seinen kommunikativen Anspruch, und sei es ein berechtigter Wissensanspruch, zum Ausdruck zu bringen. Hier sind nicht zuletzt die Führungskräfte gefordert, zum Erkunden zu motivieren. Wesentlich ist an dieser Stelle in der theoretischen Grundlegung jenseits aller Unterschiede bei der praktischen Realisierung vor allem die Erkenntnis, dass Handlungsspiele vom Typ Erkundung durch ihren Zweck der Befriedigung von Wissensansprüchen mittelbar zur Bewältigung von Komplexität beitragen. Management wie Mitarbeiter verschaffen sich Orientierung für ihr weiteres Handeln, wobei sie dieses Wissen für zukünftige Handlungsspiele der Planung, der Problemlösung etc. nutzen können.
4.4.3.2 Überprüfung Von der Erkundung lässt sich ein zweiter Typ explorativer Handlungsspiele abgrenzen, für den ich den Terminus ‚Überprüfung‘ wähle. In der Gegenüberstellung evozieren die Begriffe ‚Erkundung‘ vs. ‚Überprüfung‘ bereits zentrale Unterschiede: Vorbereitung und eine gewisse Neugier auf der einen Seite, Nachsteuerung und Kontrolle auf der anderen Seite. Das klassische Kontrollproblem ist schon einige Male, vor allem in Verbindung mit direktiven Handlungsspielen des Anweisens zur Sprache gekommen. Mittlerweile stehen eine Reihe von Instrumenten, z. B. im Bereich des Rechnungswesens, zur Verfügung, die dafür Sorge tragen sollen, dass der auf optimale Zielrealisierung ausgerichtete Führungsprozess reibungslos verläuft. Jenseits ausgefeilter Kennzahlensysteme ist allerdings für die unmittelbare Interaktion vielmehr von Interesse, wie sich das kommunikative Handeln gestaltet, durch das die Führungskräfte rechtzeitig registrieren, ob sich das Unternehmen, die Abteilung oder die Mitarbeiter noch auf dem Weg zum Ziel befinden. Da der Kontrollbegriff in diesem Zusammenhang zu stark erscheint, präferiere ich für diesen Typ von Handlungsspielen den Begriff der Überprüfung. Als der zentrale Sprechakt ist ein Explorativ zu betrachten, weil hier ein Sprecher in erster Linie wissen will, ob bestimmte Aufgaben erfüllt wurden, woraus dann sekundär spezifische Wollensansprüche entstehen können. Aufgrund der funktionalen und hierarchischen
106 Bedingungen im Unternehmen ist ein dialogisches Handlungsspiel vom Typ Überprüfung sozusagen mit einem Erfüllungsanspruch verbunden. Da ein bestimmtes Ziel oder eine Aufgabe in der Vergangenheit festgelegt wurde, müssen diejenigen, die hierfür die Verantwortung übernommen haben, entsprechende Nachfragen auch beantworten. Die Vorsilbe nach impliziert einen zentralen Unterschied zu Handlungsspielen vom Typ Erkundung: Während der Fokus beim Erkunden auf den Neuigkeitswert der Antworten gerichtet ist, legitimiert beim Überprüfen der Bezug zum vorherigen praktischen oder kommunikativen Handeln den gegenwärtigen Wissensanspruch. Daraus folgt, dass auch der Aushandlungsspielraum wesentlich geringer ist als beispielsweise bei der Erkundung. Einer Antwort auszuweichen ist kaum möglich, weil die Handlung oder das Ereignis, worauf der Sprecher mit seiner Äußerung Bezug nimmt, im Einflussbereich des/der Kommunikationspartner/s liegt, der/die gleichsam rechenschaftspflichtig ist/sind. Mit Hilfe authentischer Beispiele aus meinem Materialkorpus möchte ich im Folgenden aufzeigen, wo in Unternehmen dieser Typ kommunikativen Handelns besondere Relevanz besitzt und welche kommunikativen Strategien diesbezüglich zum Einsatz kommen. Wenn sie auch nicht immer explizit gestellt wird, so unterliegt die Frage ‚Sind wir auf dem richtigen Weg?‘ bzw. ‚Kommen wir mit unseren vereinbarten und bis dato umgesetzten Maßnahmen zum Ziel?‘ implizit jedem Gespräch, in dem es um die strategische Positionierung des Unternehmens geht. Im Prinzip richtet sich diese Frage an die Gruppe der Führungskräfte, zumal diese den Eigentümern Rechenschaft schuldig sind: Haben sie ihren Teil dazu beigetragen, dass das Unternehmen seine Ziele bisher erreicht hat bzw. erreichen kann?109 Wenn dies nicht der Fall ist, muss sich ein Manager, nicht selten in der Öffentlichkeit, rechtfertigen bzw. Begründungen für negative Abweichungen beibringen. Obgleich die Überprüfung des Verhaltens einzelner Führungskräfte in der ShareholderValue-orientierten Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt,110 finden Handlungsspiele des Überprüfens im kommunikativen Nahbereich, d. h. in der face-to-face-Kommunikation am Arbeitsplatz oder in einer Besprechung, primär zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern statt. Die hierarchische Statusdifferenz, die mit den oben erwähnten Weisungsbefugnissen bzw. Ausführungspflichten kor reliert, stellt eine konstitutive Rahmenbedingung für diesen Typ kommunikativen Handelns dar. Klassischerweise ist es somit auch der Geschäftsführer, der in einer der von mir aufgezeichneten Sitzungen (GF-Sitzung Schick 0473ff.) mit folgender Äußerung auf einen Über prüfungsdiskurs referiert:
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Zur Verbindlichkeit von Zielen im Unternehmen vgl. auch Kapitel 4.4.4 zu deklarativen Handlungsspielen. Man denke hier nur an die Skandale um das Fehlverhalten einzelner Manager.
107 Wir fassen nach, insbesondere bei so wertigen Sachen wie Moritzen wird Keller ab Dienstag dann Filialen anrufen und sagen: Hast du schon geschickt? Wir sind da voll jetzt dran, dass das schnellstens zurückgeht, die Ware.
Der Geschäftsführer nimmt sich mit der Handlungsankündigung Wir fassen nach selbst in die Pflicht nachzuhaken, ob bestimmte vereinbarte Aktivitäten durchgeführt wurden. Wie ein solcher Wissensanspruch in der konkreten Situation realisiert werden kann, zeigt ein Beispiel, das einer wöchentlichen Besprechung entnommen wurde, an der die Geschäftsführung und Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen des Unternehmens teilgenommen haben.111 Mit der Äußerung Das war’s dann soweit schließt einer der Beteiligten seinen Bericht über Aktivitäten und Projekte ab. Auf das Thema der Inventur vorbereitung ist er jedoch noch nicht zu sprechen gekommen. Insofern ist die folgende Äußerung des Geschäftsführers auch nicht als Nachfrage in einem Informationsdiskurs, sondern als Eröffnung eines Handlungsspiels der Überprüfung zu interpretieren: Kurze Frage: Inventurvorbereitung. Beleginventur. Sie haben mir was geschickt. Läuft alles?
Der Geschäftsführer geht davon aus, dass der Angesprochene weiß, worauf hier Bezug genommen wird, so dass eine stichpunktartige Themennennung ausreicht. Auf diese Weise wird der Explorativ Läuft alles? vorbereitet, der im spezifischen Kontext – konkrete Aktivitäten wurden bereits verabredet bzw. durchgeführt – der Kontrolle bzw. Überprüfung dient. Sollte die Antwort auf einen derart berechtigten Wissensanspruch negativ oder unbefriedigend ausfallen, können die Beteiligten unterschiedliche kommunikative Strategien nutzen, die zu mehr oder weniger komplexen Aushandlungsdiskursen führen. Wenn nicht alles läuft wie gewünscht, sieht sich der Angesprochene evtl. zur Verantwortung gezogen, so dass er sich in Antizipation eines Vorwurfs zu rechtfertigen beginnt. Einerseits signalisiert er damit Verantwortung für sein Verhalten, andererseits gerät er dadurch selbst schnell in die Defensive. Der Sprecher kann darauf zum einen die Überprüfung durch weitere Fragen forcieren; er kann zum anderen aber auch schon Überlegungen anstellen, wie im Weiteren am besten zu verfahren ist. Ganz in diesem Sinne schließt sich in den von mir aufgezeichneten Gesprächen häufig eine Phase der Analyse und Reflexion an, in der die Interaktionspartner gemeinsam nach ‚vernünftigen‘, sachgerechten Lösungen suchen (vgl. das Handlungsspiel der Problemlösung). Unmittelbar anschlussfähig an die Überprüfung ist aber auch ein Anweisungsdiskurs, wie das folgende Beispiel zeigen soll:112
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Das Beispiel wurde einer Sitzung entnommen, die nicht als Analysegegenstand für die vorliegende Arbeit ausgewählt wurde. Aus diesem Grund sind die Zitate nicht gesondert durch Zeilenangaben ausgewiesen. Auch dieses Beispiel stammt aus einer Besprechung, die schlussendlich nicht Eingang in die Analyse gefunden hat.
108 GF: Wir haben gesagt ein neues /äh/ Software Release kommt heute an, wird getestet und geht zum 1.9. an alle Filialen bezüglich Kasse. Ist das so im Timing. Haben wir das schon bekommen? MA: Also konkret fährt Frau Meißner am Mittwoch hin [...]. [längerer Diskurs, in dem ausgehandelt wird, ob Mittwoch ausreichend ist] GF: Na gut, ich sag mal Sie können ja dann Montag Filialen anrufen und sagen: Ist das Problem erledigt....
Beide, Geschäftsführer wie Mitarbeiter, verhalten sich hier rhetorisch äußerst geschickt. Der Mitarbeiter gibt nicht direkt einen negativen Bescheid, er zeigt stattdessen durch die Handlungsankündigung, dass bereits Maßnahmen ergriffen wurden, um alsbald wieder im Plan zu liegen. Dies nimmt der Geschäftsführer auf und so entstehen konkrete Anweisungen für das weitere Handeln. Es sollte durch diese wenigen Beispiele bereits deutlich geworden sein, dass Handlungsspiele des Überprüfens wesentliche Korrektivfunktionen erfüllen, die in der Form kein noch so ausgeklügeltes Kennzahlensystem übernehmen kann. Im Rahmen des kommunikativen Handelns ist es nämlich möglich, nicht nur festzustellen, was passiert ist, sondern auch, warum etwas passiert ist. Die Analyse des Was ist die eine Seite, die andere Seite ist das Wie, das sich in den kommunikativen Strategien der Kommunikationspartner widerspiegelt: Wird der Eindruck vermittelt, es werde nach Schuldigen gesucht, weil Vorwürfe und Rechtfertigungen dominieren, oder wird vielmehr ein Überprüfungsdiskurs zügig abgeschlossen, um daraufhin gemeinsam bestmögliche Alternativen zu diskutieren? Diese Herausforderung verweist darauf, dass wir es bei der Überprüfung mit einem Typ dialogischer Handlungsspiele zu tun haben, der in der konkreten Interaktion nie allein auftritt, der allerdings seinen spezifischen Beitrag zum Ganzen der Kommunikation in Unternehmen leistet. 4.4.3.3 Problemlösung Das nächste und zugleich letzte explorative Handlungsspiel, das im Rahmen dieser Arbeit behandelt wird, schließt unmittelbar an die Überlegungen aus dem vorherigen Kapitel an. Während bei der Überprüfung der Blick zurück, auf das vergangene Handeln, gerichtet wird, sei im Folgenden noch einmal eine zukunftsgewandte Perspektive eingenommen. Im Hinblick auf Möglichkeiten zukünftigen Handelns bzw. die gemeinsame Gestaltung von Zukunft spielt das in Kapitel 4.4.1.3 erläuterte Handlungsspiel der Planung eine wesentliche Rolle. Während bei der Planung das ‚Ist‘ gleichsam unproblematisch feststeht und daraufhin das ‚Soll‘ und Wege zum ‚Soll‘ dialogisch ausgehandelt werden, sei hier nun ein Anfangszustand angenommen, der als Problem interpretiert wird.113 Dies ist in
113
Aufgrund vielfältiger Verwendungsmöglichkeiten gilt es den Problembegriff genauer zu explizieren. Nimmt man einen weit gefassten Problembegriff an, sind Menschen beständig mit Problem-
109 Unternehmen allgemein der Fall, wenn sich bei der Umsetzung geplanter Maßnahmen Schwierigkeiten zeigen. In einer solchen Situation steht die Fragestellung ‚Was machen wir, um wieder auf Kurs zu kommen?‘ im Mittelpunkt. Die Interaktionspartner, die dem Tatbestand zunächst ratlos gegenüberstehen, suchen Orientierung für ihr weiteres Handeln: Sie wollen unmittelbar wissen, was sie tun sollen, um das spezifische Problem zu lösen. Mittelbar trägt allerdings auch die Problemlösung wieder zur Zielerreichung bei, so dass Planungs- und Problemlösungsdiskurse in Unternehmen vielfach parallel verlaufen und als dialogische Handlungsspiele vergleichbare Strukturen und Phänomene aufweisen. Schließlich zielen beide Typen letztlich darauf ab, dass die Beteiligten wissen, was in Zukunft zu tun ist. Jedoch werden Handlungsspiele der Problemlösung in sehr viel stärkerem Maße von Fragen geprägt, die sich in Anbetracht einer problematischen Situation stellen, und deren Beantwortung vordringlich ist. Die einführenden Bemerkungen implizieren, dass es eine Vielzahl von Anlässen gibt, die Problemlösungsdiskurse nötig machen. Eine systematische Beschreibung möglicher Problemkonstellationen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vielmehr sollen im Folgenden einige typische Situationen dargestellt werden, wobei der Fokus auf den Merkmalen liegt, die m. E. ein dialogisches Handlungsspiel der Problemlösung auszeichnen. Den Ausgangspunkt in diesem Handlungsspiel markiert, wie oben ausgeführt, eine kritisch bewertete bzw. als Problem betrachtete Situation. Diese kann durch unterschiedliche Sprechhandlungen evoziert werden, wobei Feststellungen der Art Wir schaffen hier nicht die Performance (GF-Sitzung Schick 1321f.) dominieren. Daraufhin treten die Gesprächspartner mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Phase der Ergründung ein, für die WarumFragen kennzeichnend sind. Dazu das folgende Beispiel: In einem Handelsunternehmen diskutieren die Manager der beiden oberen Führungsebenen, warum einige Filialen nicht im Plan-Soll liegen. In diesem Zusammenhang stellt der Geschäftsführer die Frage Warum verdienen wir kein Geld? (GF-Sitzung Schick 1958f.). Im Kontext des unternehmerischen Handelns ist dies eine zentrale Frage, die auf das grundlegende Interesse win zurückverweist. Im Plan war ein bestimmter Umsatzwert fixiert worden; nun zeigt sich, dass die Zielerreichung gefährdet ist, weil es hohe Abschreibungen gibt, die Konkurrenz vor Ort stark ist etc. Erst nachdem unterschiedliche Gründe aufgeführt und gewichtet wurden, wird
stellungen konfrontiert bzw. müssen Probleme lösen. Diese Perspektive fokussiert die kognitive Leistung eines Individuums und entsprechend ist das Konzept des Problemlösens im allgemeinen Sinne in der Psychologie äußerst populär (vgl. Wessells 1994: 337–377). Von einem derart weit gefassten Problembegriff möchte ich mich im Rahmen meiner Arbeit distanzieren und mich dem Begriffsverständnis von Küpper (2004: 1152) anschließen, demzufolge ein Problem vorliegt, „wenn ein Zustand als unbefriedigend [kursiv; S.S.] empfunden wird“. Der Fokus liegt in meiner Arbeit auf dem interaktiven Prozess der Problemlösung i. S. der Generierung von Handlungsalternativen angesichts eines als negativ bewerteten Ausgangszustands.
110 gemeinsam überlegt, welche Handlungsmöglichkeiten sich anbieten, um die Filiale wieder ‚auf Kurs zu bringen‘.114 Während die Lösung für das obige, komplexe Problem in den Bereich der Unternehmensleitung fällt, stellen sich für die Mitarbeiter im Betriebsalltag ganz andere Probleme. Diese tangieren vor allem das unmittelbare praktische Handeln, d. h. sie kommen während der Implementierung vereinbarter Maßnahmen und Ziele zum Tragen. Die explorative Analysephase ist unter diesen Umständen zumeist obsolet, würde dadurch doch ein zu hohes Maß an zeitlichen Ressourcen gebunden. Wenn beispielsweise Maschinen ausfallen, ist möglicherweise die termingerechte Belieferung eines Kunden gefährdet. In so einem Fall wird häufig kurzfristig ein Treffen einberufen, in dem ohne den formellen Rahmen einer Sitzung beratschlagt werden muss, wie die Beteiligten das Problem gemeinsam lösen können. Um die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, d. h. den Produktionsprozess am Laufen zu halten, müssen Vor- und Nachteile zügig abgewogen und pragmatische Entscheidungen getroffen werden. Einen Vorteil haben dann vor allem dezentrale Organisationen, in denen kleine Bereiche selbstständig für ihre Entscheidungen verantwortlich sind, so dass Vorschläge, die in diesem Rahmen akzeptiert wurden, nicht noch von höherer Ebene abgesegnet werden müssen, sondern alsbald mit der Umsetzung begonnen werden kann. Wie schon beim Handlungsspiel der Planung spielt das Kriterium der Praktikabilität bzw. Zweckmäßigkeit hinsichtlich der vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten eine wesentliche Rolle. Es ist in diesem Kontext sogar von noch größerer Bedeutung, weil angesichts der negativen Ausgangssituation ein stärkerer Handlungsdruck besteht. Im Hinblick auf das dialogische Handlungsspiel der Problemlösung ist einem weiteren Phänomen Rechnung zu tragen, das die funktionale Differenz zu Handlungsspielen vom Typ Planung verdeutlicht. Der problematische Zustand, mit dem die Beteiligten konfrontiert sind, evoziert nicht selten ein Gefühl der Ratlosigkeit, man ist im wahrsten Sinne des Wortes ‚planlos‘. Auf die zentrale Frage ‚Was kann ich tun?‘ werden daher nicht nur Vorschläge, sondern oftmals Ratschläge erwartet. Indirekt wird durch einen Ratschlag ein direktiver Sprechakt vollzogen (vgl. Weigand 2003: 105), was in Anbetracht des unmittelbaren Handlungsdrucks auch angezeigt ist. Als kompetente Instanzen in Fragen der Umsetzung und damit auch als gefragte Kommunikationspartner in einem Handlungsspiel der Problemlösung erweisen sich diejenigen, die über das nötige Wissen verfügen. Dies sind oftmals Spezialisten, die sich weniger über ihre hierarchische Position als vielmehr über funktionales Know-how definieren und auf deren Rat unter problematischen Umständen
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Dies impliziert Steuerung und Kontrolle – Merkmale, die auch Handlungsspiel der Überprüfung eine wesentliche Rolle spielen. Doch während es beim Überprüfen darum geht festzustellen, ob man sich noch auf dem Weg zum Ziel befindet, steht beim Problemlösen bereits fest, dass dies nicht mehr der Fall ist, so dass tatsächlich nachgesteuert werden muss – und die Frage ist, was nun zu geschehen hat.
111 gerne zurückgegriffen wird. In diesem Zusammenhang steht auch die folgende Entwicklung: Unternehmen bzw. ihre Entscheidungsträger wenden sich verstärkt an externe Berater, um von ihnen Rat einzuholen. Dieses Phänomen ist hier insofern von Interesse, als die externen Berater oftmals in Projektteams mit Mitarbeitern aus dem Unternehmen gemeinsam an der Lösungsfindung arbeiten.115 Insbesondere wenn die Probleme mehrere Bereiche betreffen und eine schnelle Beseitigung unwahrscheinlich erscheint, gestaltet sich die Problemlösung als ein vielschichtiger Aushandlungsprozess, in dem unterschiedliche Interessen zum Ausdruck kommen. So weisen Umfragen darauf hin, dass schon bei der Schaffung eines gemeinsamen Problemverständnisses in den Unternehmen Defizite bestehen (vgl. Sommerlatte 2000: 168ff.). In solchen Fällen sind zunächst einmal argumentative Verständigungsdiskurse gefragt, bevor die übergeordnete Frage ‚Was kann man tun, um das Problem zu lösen?‘ angegangen werden kann. Zu beachten ist dabei eine ausgewogene Balance zwischen Ratschlägen auf der einen Seite und gemeinsamer Aushandlung von Handlungsoptionen auf der anderen Seite, könnte der Eindruck der Bevormundung doch demotivierende Effekte haben. Auch wenn der Erfolg eines Handlungsspiels der Problemlösung letztlich daran gemessen wird, ob sich die Beteiligten über Korrekturmaßnahmen verständigt haben, kann die Kommunikation darüber hinaus auch dazu beitragen, dass sich der Prozess der Umsetzung effektiv und effizient gestaltet, indem die Ratgebenden ihre Unterstützung anbieten. So wird auch die ohnehin problematische Ausgangssituation nicht noch weiter verschärft bzw. die weitere Kooperation durch zusätzliche Interessenkonflikte belastet. Bevor ich zu der letzten Funktionsklasse übergehe, sei hier ein kurzes Fazit zu explorativen Handlungsspielen in Unternehmen gezogen. Als mehr oder weniger komplexe Handlungsspiele dienen Erkundung, Überprüfung und Problemlösung dazu, praktisches Handeln vor- und nachzubereiten, indem die Dialogpartner bestimmte Wissensansprüche befriedigen. Während es bei der Erkundung darum geht, durch gezieltes Fragen einen Raum von Möglichkeiten einzugrenzen, soll durch Nachfragen im Rahmen der Überprüfung kontrolliert werden, inwieweit die Mitarbeiter ihren Aufgaben und Pflichten nachgekommen sind. Auch die Problemlösung steht unter dem Anspruch der Nachsteuerung. Angesichts einer Problemsituation sind die Beteiligten an diesem Handlungsspiel zugleich immer auch aufgefordert, Lösungen i. S. effektiver Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft zu finden. In diesen Phasen ähneln sich Problemlösung und Planung, vor allem im Hinblick auf Strategien der Persuasion, durch die versucht wird, die anderen letztendlich von den eigenen Ideen und Lösungen zu überzeugen.
115
Vgl. Hoffmann (1991: 40), der Unternehmensberatung als eine „von einem unabhängigen, eigenverantwortlichen Berater individuell für eine Klientenorganisation marktmäßig erbrachte Dienstleistung“ definiert, „welche darauf ausgerichtet ist, in einem interaktiven Prozeß gemeinsam mit dem Klienten ein Lösungskonzept für eine komplexe betriebswirtschaftliche Problemstellung zu erarbeiten“.
112 4.4.4 Deklarative Handlungsspiele Die Deklarative stellen eine Sonderklasse im kommunikativen Handeln dar, weshalb sie hier auch zuletzt und in aller Kürze behandelt werden. Bei deklarativen Sprechakten wird ein Anspruch, und zwar ein Wollensanspruch, in dem Moment erfüllt, in dem er gesetzt wird, Aktion und Reaktion fallen quasi zusammen. Beliebtes Beispiel ist die Schiffstaufe: Qua Äußerung Ich taufe dich auf den Namen ‘Queen Elizabeth’, die in einem bestimmten institutionellen Kontext stattfindet, trägt das Schiff den Namen. Selbstverständlich geht einem solchen Akt auch ein mentaler und/oder kommunikativer Prozess voraus, in dem überlegt bzw. dialogisch ausgehandelt wird, welcher Name gewählt werden soll. Mit der Äußerung wird diese Entscheidung dann für verbindlich erklärt. Dieses ‚für verbindlich Erklären‘ beschreibt auch den Kern deklarativer Handlungsspiele in Unternehmen.116 Ich möchte hier besonders auf Kapitel 4.1 verweisen, in dem grundlegende institutionsspezifische Spielregeln skizziert wurden. In diesem Rahmen wurde u. a. der Vertrag als ein maßgebliches Gestaltungsinstrument benannt. Durch die Unterzeichnung eines Vertrags wird eine Festlegung vorgenommen; dieser Anspruch ist eindeutig als deklarativ einzustufen. Damit korreliert die Zuordnung zu einer bestimmten Statusfunktion, z. B. die Ernennung zum Geschäftsführer, Produktionsleiter etc., die zumeist auch schriftlich dokumentiert wird. Die Form der Verschriftlichung impliziert einen erhöhten Grad an Verbindlichkeit, ebenso wie eine offizielle Zeremonie. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch ein situativer Status geschaffen werden kann. Korrespondierende Handlungen sind die Eröffnung einer Sitzung oder eines Gesprächs. Sie müssen nicht zwangsläufig durch die explizit performative Wendung Die Sitzung ist eröffnet markiert sein. Eine Sitzung aus meinem Materialkorpus wird beispielsweise durch die Äußerung Ich würd vorschlagen, dass wir direkt in die Agenda einsteigen (GF-Sitzung Schick 0001f.) eröffnet. Dadurch etabliert der Geschäftsführer den situativen Status einer offiziellen Gesprächsform. Somit sind den Deklarativen einige formalisierte, institutionstypische Handlungen zuzuschreiben, die u. a. dazu dienen, Kooperation durch Verbindlichkeiten abzusichern (vgl. Weigand 2003: 96). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Geschäftsführer erklärt Unser Ziel ist rund X Millionen (GF-Sitzung Schick 0529f.). Diese Zielgröße mag zuvor in einem Handlungsspiel der Planung argumentativ ausgehandelt worden sein, nun wird sie aber gleichsam als Richtgröße fixiert. Durch Funktion und Status ist dieser deklarative Akt der Person des Geschäftsführers möglich, ja, er wird sogar von ihr gefordert. Schließlich erwarten die unterschiedlichen Anspruchsgruppen eine verbindliche Aussage,
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Da hierfür kein treffenderer Ausdruck zur Verfügung steht, behandle ich im Weiteren deklarative Handlungsspiele unter der Überschrift der allgemeinen Funktionsklasse.
113 an der das Unternehmen bzw. seine Führung gemessen werden kann.117 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diejenigen, die deklarative Handlungsspiele initiieren, sich in jedem Fall im Vorfeld absichern müssen, damit im Nachhinein Verbindlichkeiten auch als solche wahrgenommen und nicht weiter hinterfragt werden. Nur unter der Voraussetzung, dass entsprechende sprachliche und kontextuelle Handlungsbedingungen gegeben sind, ist von der Effektivität eines dialogischen Handlungsspiels vom Typ Deklarativ auszugehen. Sekundär lassen sich aus den deklarativen Wollensansprüchen dann weitere Wollensansprüche ableiten, die die Ausführung von (praktischen) Handlungen zur Zielerreichung intendieren, und die somit im Rahmen direktiver Handlungsspiele beschrieben werden können. Entsprechende Interdependenzen gilt es im Rahmen der Analysen im folgenden Hauptkapitel herauszuarbeiten.
4.5
Fazit: Erste Leitlinien für effektive Kommunikation in Unternehmen
Im Mittelpunkt von Kapitel 4 stand das Unternehmen als Handlungsbereich, für den ein hohes Maß an Komplexität kennzeichnend ist: Wirtschaftliches Handeln ist Teil des gesellschaftlichen Handelns, es ist bezogen auf ein komplexes Umfeld mit unterschiedlichen Interessengruppen, und es integriert praktisches, mental-kognitives und kommunikativsprachliches Handeln. Als zentraler Bezugspunkt wurde das Interesse win ausgewiesen, auf das letztlich das Agieren von und in Unternehmen zurückgeführt werden kann. Um dieses Interesse realisieren zu können, benötigt ein Unternehmen einen Orientierungsrahmen, der sich aus den Dimensionen Strategie – Struktur – Mensch konstituiert. Damit korrespondieren die Funktionen und Aufgaben, die von den Mitgliedern eines Unternehmens zu verrichten sind. Für das Management sind dies die zentralen Leitungsfunktionen der Planung, Organisation, Personalführung und Kontrolle, während es für die Mitarbeiter auf unteren Ebenen der Hierarchie primär die operative Ausführung ist. Einen wesentlichen Teil dieses komplexen Ganzen stellt das kommunikativ-dialogische Handeln dar. Auch für diesen Bereich scheint eine Systematisierung aus theoretischer wie praktischer Perspektive wünschenswert. Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie die allgemeinen Zwecke ökonomischen Handelns im kommunikativen Handeln realisiert werden
117
Dies gilt in besonderer Weise für Aktiengesellschaften: Das Urteil der Analysten, die das Unternehmen bewerten und Empfehlungen für oder gegen den Aktienkauf aussprechen, gründet sich u. a. auf Verlautbarungen aus den Unternehmen.
114 bzw. welche Zwecke kommunikativen Handelns den ökonomischen Interessen und Aufgaben gerecht werden. Mit dem Modell des dialogischen Handlungsspiels wurde ein Konzept vorgestellt, mit dessen Hilfe das kommunikativ-dialogische Handeln in Unternehmen strukturiert werden kann, und zwar ausgehend von den Wahrheits-, Wissens- und Wollensansprüchen, die jeder Art von (dialogischer) Interaktion unterliegen. Insofern sind die aufgeführten Handlungsspiele hinreichend allgemein, um eine Übertragung auf die dialogische Interaktion in verschiedenen Bereichen eines Unternehmens, sei es auf Managementebene, sei es im Bereich der operativen Ausführung, zu gestatten: Argumentation spielt sowohl eine gewichtige Rolle in Strategiefindungsdiskursen als auch in Koordinationsgesprächen. Zugleich wurde durch die Fundierung auf Wahrheits-, Wissens- und Wollensansprüchen der Tatsache Rechnung getragen, dass kommunikatives Handeln immer menschliches Handeln ist, das auf grundlegende Bedürfnisse und Interessen zurückgeführt werden kann. Menschen als unterschiedliche Individuen halten sich zwar weitgehend an Spielregeln der Gesellschaft oder Institution, werden zugleich aber von eigenen, individuellen Interessen geleitet. Der letzte Punkt ist vor allem im Hinblick auf einen Aspekt zentral, der unwillkürlich ins Spiel kommt, wendet man sich dem Handeln von und in Unternehmen zu: dem Kriterium des Erfolgs respektive der Effektivität. Im Allgemeinen und u. a. auch in den Wirtschaftswissenschaften wird der Effektivitätsbegriff im Sinne der Zielerreichung verwendet.118 Ob das Ziel Kostensenkung erreicht wurde, ist zweifellos festzustellen. Ob es aber auch das ‚richtige‘ Ziel war? Zielverhalten ist einerseits konstitutiv für menschliches Handeln im Allgemeinen und unternehmerisches Handeln im Speziellen, es beruht aber andererseits von vornherein auf Wertsetzungen. Hinzu kommt, dass die Frage ‚Was will ich und erreiche ich das?‘ noch zu komplettieren ist durch die Frage: ‚Wie erreiche ich das?‘. Für diese Korrelation von Zielen und Mitteln bzw. Ertrag und Aufwand steht der Begriff der ‚Effizienz‘.119 Für beide Konstrukte gilt, dass es mit zunehmender Komplexität immer schwieriger wird, Erfolgskriterien zu definieren und Gestaltungsempfehlungen zu geben, zumal immer mehr Variablen zur Zielerreichung beitragen.120 Offensichtlich ist dies z. B. im Marketing als Funktionsbereich, für den die ‚Kommunikationspolitik‘ von entscheidender Bedeutung ist. Hier stellt sich manches Zurechnungsproblem: Welchen (quantifizierbaren) Anteil hatte z. B. die Werbekampagne beim Absatz eines Produktes?
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Vgl. dazu Scholz (1992a). Prägnant lässt sich die Unterscheidung von Effektivität und Effizienz mit den beiden Fragen Druckers (1966) fassen: Are we doing the right things? (Effektivität); Are we doing things right? (Effizienz). Auf dieses Problem verweist auch Bünting (1995: 93f.), der sich in seiner Arbeit mit der organisatorischen Effektivität von Unternehmen auseinandersetzt. Er konstatiert allerdings, dass auch bei der Operationalisierung von Zielen die übergeordnete Zielsetzung des Unternehmens zumindest implizit stets mitberücksichtigt wird.
115 Wieviel schwieriger ist es vor diesem Hintergrund dann erst, den Erfolg kommunikativer Handlungen zu bestimmen, in dessen Mittelpunkt der ‚unberechenbare Faktor‘ Mensch steht. Viele wissenschaftliche Ansätze stellen sich aus diesem Grund dem Problem der Bewertung erst gar nicht bzw. verlagern es auf die Seite der Diskursteilnehmer.121 Auf der anderen Seite werden immer mehr Stimmen laut, die mit linguistischen Methoden durchgeführte Analysen von Kommunikationsprozessen fordern, „so dass sie [die Prozesse; S.S.] beurteilbar werden“ (Brünner 2002: 25). Die Kriterien, die bis dato in linguistischen Konzepten und Modellen zum Tragen kommen, scheinen mir allerdings aus verschiedenen Gründen unzureichend zu sein. Entweder verbleiben sie auf einer theoretisch-abstrakten Ebene, die nur schwer an die Praxis des Sprachgebrauchs anschließbar ist,122 oder aber sie basieren auf Modellen, die einseitig und fast ausschließlich psychologische Variablen berücksichtigen. So stellen in vielen Ratgebern, die bereits im Rahmen des Forschungsüberblicks kritisch reflektiert wurden, Offenheit und Vertrauen gleichsam Garanten für eine erfolgreiche Kommunikation dar. Erfolgreich für wen und für was, fragt sich allerdings. Denn was für zwischenmenschliche Beziehungen allgemein gelten mag, erweist sich im wettbewerblichen Umfeld des Unternehmens mitunter als kontraproduktiv. Dort gilt es nicht selten Entscheidungen unter Zeitdruck zu fällen, so dass verbindliche Zusagen und klare Anweisungen einem kooperativen Planungsdiskurs vorzuziehen sind. Weil kommunikatives Handeln in Unternehmen Teil eines komplexen Umfelds ist, ist auch die Zuschreibung von Effektivität nicht ohne den Rekurs auf die Rahmenbedingungen möglich. Als wesentliche Parameter, die es hier zu berücksichtigen gilt, sind zu nennen: – unternehmenskulturelle Spezifika, die sich in Strategien und Strukturen manifestieren; – der unmittelbare Kontext, d. h. die Situation, in der sich das Unternehmen/der Geschäftsbereich etc. befindet; – die Interaktionspartner und ihre Interessen; – der Gesprächsinhalt. Bei der Analyse kommunikativen Handelns kann nicht bestimmt werden, inwiefern es zur Erreichung von Zielen beiträgt, die in der weiteren Zukunft liegen. Hier lassen sich erst im Nachhinein Rückschlüsse ziehen, wobei auch dann die Zurechnung auf einzelne Gespräche
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Paradigmatisch sind im Bereich der Linguistik die Ansätze ethnographischer bzw. ethnomethodologischer Prägung. Vgl. dazu auch die Ausführungen im Forschungsüberblick, Kap. 2.3. Vgl. hierzu das Konzept kommunikativer Effizienz nach Roelcke (2002: 55): „Kommunikative Effizienz besteht dann, wenn Intension mit Information und Instruktion als Kommunikationsergebnis und Extension mit Elementen und Relationen als Kommunikationsaufwand einerseits und Kompetenz mit Intelligenz und Instrument als Kommunikationsfähigkeit und Konzentration mit Intention und Interesse als Kommunikationsbereitschaft andererseits in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen“.
116 bzw. Handlungsspiele aufgrund der erwähnten Interdependenzen zwischen praktischem und kommunikativem Handeln problematisch sein dürfte. Im Rahmen dieser Arbeit stellt sich dagegen die Frage, wie wir mit den Gesprächen selbst umgehen. Was heißt Effektivität bezogen auf ein dialogisches Handlungsspiel?123 Mein Verständnis von erfolgreicher bzw. effektiver Kommunikation beruht auf dem skzzierten handlungstheoretischen Ansatz nach Weigand (2000, 2003) und ist am besten mit dem Begriff der Wirksamkeit zu umschreiben. Maßgeblich ist der Aspekt des Zielverhaltens, wobei im Hinblick auf das dialogische Handeln im Unternehmen eher von der interaktiven Kategorie des Zwecks auszugehen ist. In diesem Sinne unterstreiche ich die Aussage von Lintemeier/Wiegers (1994: 124): „Die Klarheit des Gesprächszwecks ist die Voraussetzung für die Effektivität von Gesprächen“.124 Mit Recht sprechen sie von einer Voraussetzung, denn in Abhängigkeit vom Zweck eines dialogischen Handlungsspiels sind auch die eingesetzten Mittel, d. h. sprachliche Mittel und kognitive Strategien, unterschiedlich wirksam. Bevor einzelne dialogische Züge und Sequenzen vor dem Hintergrund des interaktiven Zwecks einer Bewertung zugänglich sind, ist allerdings zu fragen, inwiefern das Handlungsspiel überhaupt ‚in den Rahmen‘ passt, d. h. ob die kommunikativen Ansprüche den betriebswirtschaftlichen Anforderungen und Inhalten entsprechen. Um ein Beispiel anzuführen: Wenn ein neuer Auftrag dringend erledigt werden muss, entspricht diesem praktischen Handlungszweck idealerweise ein Anwiesungsdiskurs. In einer Besprechung, in der der abgeschlossene Auftrag zum Thema gemacht wird, sind hingegen Handlungsspiele der Information und der Überprüfung angebracht, die ihrem funktionalen Charakter entsprechend eine maßgebliche Rolle in Phasen der Reflexion und Nachbereitung spielen. Der funktionale Charakter der Handlungsspiele stellt für mich einen Schlüssel dar, wenn es um die Ableitung von Erfolgskriterien bzw. -prinzipien geht.125 Wie im Rahmen der Erläuterung in Kapitel 4.4 aufgezeigt wurde, besitzt jedes Handlungsspiel sozusagen einen funktionalen Kern, beispielsweise Mitteilung von handlungsrelevanten Neuigkeiten im Falle der Information. Daraus ergeben sich Implikationen für den propositionalen Gehalt
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Ich differenziere im Rahmen der Arbeit nicht weiter zwischen Effektivität und Effizienz, sondern spreche grundsätzlich von Effektivität, wenn ich auf ein Maß für Erfolg rekurriere. Zudem stellt Effektivität das übergeordnete Konstrukt dar, wie auch das Begriffsverständnis von Schröder (2000: 171) zeigt: Für ihn heißt Effektivität „das Richtige richtig tun“. Aufgrund meiner Modellierung von Handlungsspielen dürfte klar sein, dass ich mich hier nicht auf den formalen Gesprächsbegriff beziehe, sondern vielmehr von dialogischen Handlungsspielen spreche. Klarheit verstehe ich im Sinne der Verständigung in Aktion und Reaktion. Ich präferiere hier den Prinzipienbegriff, der in der bisher verwendeten Bedeutung auch dem Phänomen effektiver Kommunikation eher gerecht wird als beispielsweise die Rede von ‚Erfolgsfaktoren‘ oder ‚Erfolgskriterien‘. Erfolgsprinzipien heißt, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, nicht aber mit absoluter Sicherheit davon auszugehen ist, dass die Kommunikation als erfolgreich bewertet wird.
117 der Äußerungen sowie für die Gestaltung der kommunikativen Strategien und Mittel. Dies soll am Beispiel der Planung kurz verdeutlicht werden. Durch komplexe Handlungsspiele vom Typ Planung legen die Kommunikationspartner Ziele fest und verständigen sich über Möglichkeiten des weiteren Handelns; zentraler Sprechakt ist der Vorschlag. Darauf bezogen ist ein Erfolgskriterium die Realisierbarkeit, die es zu überprüfen gilt. Kooperatives Vorgehen und Flexibilität sind hier noch stärker gefordert als beim Handeln von Einzelpersonen: Wenn die Sprecher auf ihren Positionen insistieren und keine Bereitschaft zeigen, sich mit den Vorschlägen der Kommunikationspartner auseinanderzusetzen, sinken auch die Chancen, sich auf Maßnahmen zu einigen, die weiterhin koordiniertes Handeln ermöglichen. Verantwortlich für den Erfolg eines dialogischen Handlungsspiels sind letztlich alle Beteiligten. Eine besondere Verantwortung kommt allerdings denjenigen zu, die das Handlungsspiel initiieren, das sind im Regelfall die Führungskräfte. Ihre Kompetenz-inder-Performanz zeigt sich darin, dass sie mit sich ständig ändernden Bedingungen umzugehen wissen. Dies ist Voraussetzung für erfolgreiches unternehmerisches Handeln, aber auch für kommunikativ erfolgreiches Führungsverhalten. Die Einschätzung: Welches Handlungsspiel ist der Situation angemessen? gehört ebenso dazu wie die Übersicht über den Gesprächsverlauf und die Prinzipien, die dem Handlungsspiel adäquat sind. Prinzipiell gilt es die Balance zu wahren zwischen der Durchsetzung eigener Interessen auf der einen Seite sowie der Berücksichtigung der Interessen anderer und/oder gemeinsamer Interessen auf der anderen Seite. Weder sollten divergierende Interessenlagen ignoriert werden, noch wäre es möglich und effektiv, die maximale Interessenbefriedigung aller Beteiligten anzustreben. Dies widerspricht den Bedingungen des wettbewerblichen Umfelds, in dem stets Handlungsdruck besteht, wobei letztlich dem ökonomischen Imperativ Folge zu leisten ist. Ein gewisses Maß an Bestimmtheit, das sich u. a. daran festmachen lässt, ob die Manager ihre kommunikativen Ansprüche durchsetzen können, ist somit ein grundlegender Erfolgsfaktor. Die ‚Kunst‘ besteht dann darin, kommunikative Mittel und Prinzipien einzusetzen, die den Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, dass auch ihren Bedürfnissen und Interessen Rechnung getragen wird. So stellen in einem Anweisungsdiskurs Strategien der Höflichkeit ein Korrektiv zu den direktiven Ansprüchen dar, die prinzipiell in den Handlungsspielraum des Angewiesenen eingreifen. Oder es wird komplementär ein Handlungsspiel vom Typ Motivation genutzt, um die positive Handlungsbereitschaft der Mitarbeiter zu stimulieren. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle: Die Orientierung an den Prinzipien des Sprachgebrauchs, angefangen von den konstitutiven Prinzipien der Verständigung in Aktion und Reaktion über regulative Prinzipien der Effektivität bzw. der Höflichkeit bis hin zu exekutiven Prinzipien, die z. B. Argumentationen überzeugend gestalten, schafft eine erste Leitlinie für erfolgreiche Kommunikation. Maßgeblich zu berücksichtigen ist aber die Integration
118 des kommunikativen Handelns in das Handlungsumfeld des Unternehmens: Der kommunikative Anspruch bzw. das initiierte Handlungsspiel müssen den betriebswirtschaftlichen Inhalten und Anforderungen entsprechen. Wenn man die dialogischen Sequenzen in Bezug zur Gesamtintention eines Handlungsspiels betrachtet, so stößt man unwillkürlich auf individuelle Strategien der Interaktionspartner, die Aufschluss darüber geben, welche Interessen diese verfolgen. Zu einer Gesamtbeurteilung gehört daher auch die weitgehende Berücksichtigung der individuellen Ziele der Manager und Mitarbeiter. All dies zusammengenommen spricht gegen ‚Konzepte von der Stange‘ und für eine individuelle Beratung in Fragen, die das Kommunikationsverhalten und entsprechende Verbesserungspotentiale betreffen. Aufgrund der gewonnenen Einblicke in das Handlungsfeld des Unternehmens und in den Handlungscharakter von Sprache ist es möglich, dieser Herausforderung zu begegnen, wie ich im Rahmen der Analysen in Kapitel 5 aufzeigen möchte.
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5
Kommunikative Praxis in Unternehmen
Nachdem mit den theoretischen Vorüberlegungen Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden konnten, die Kommunikation in Unternehmen zu systematisieren, zu erklären und hinsichtlich ihrer Effektivität zu bewerten, steht im Weiteren die praktische Realisierung von dialogischen Handlungsspielen im Mittelpunkt. Ziel ist es, zu demonstrieren, wie die Handlungsspiele der Argumentation, Planung etc. in der Performanz, also der Praxis der Unternehmen, funktionieren. Vorausgesetzt wird dabei, dass die kommunikative Praxis gewissermaßen ‚chaotische‘, ungeordnete Züge trägt und aus diesem Grund auch dialogische Handlungsspiele in authentischen Gesprächen nur bruchstückhaft auftreten. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Realisierungsmöglichkeiten in der Empirie prinzipiell unbegrenzt sind, ist nicht beabsichtigt, hier im strengen Sinne repräsentative Ergebnisse zu präsentieren. Um der Komplexität der kommunikativen Praxis gerecht zu werden, erscheint vielmehr die Konzentration auf einige wenige Beispiele sinnvoll und effektiv.1 Gleichwohl handelt es sich um typische Beispiele, was nicht zuletzt ihr Stellenwert in der Unternehmenspraxis beweist: Besprechungen, wie sie im Folgenden analysiert werden, sind ein wesentlicher Bestandteil des Alltags in jedem Unternehmen. Daher ist zu erwarten, dass sich hier auch die unterschiedlichen Typen kommunikativen Handelns in verschiedenen Kombinationen wiederfinden, wobei ihre Ausgestaltung vor allem von unternehmenskulturellen Rahmenbedingungen abhängt. Diese weitestgehend zu erfassen und in die Argumentation zu integrieren, stellt eine wesentliche Herausforderung der Analyse dar. Wie schon im Rahmen der theoretischen Grundlegung sollen das Verhältnis der dialogischen Handlungsspiele zu Zwecken, Strategien und Strukturen eines Unternehmens sowie Variationen in Abhängigkeit von der konkreten Situation und den beteiligten Interaktionspartnern deutlich werden. Einleitend soll jedoch zunächst kurz skizziert werden, welche Unternehmen ausgewählt wurden, um danach in einem Kapitel zur Methodik die Vorgehensweise, angefangen von der Kontaktierung der Unternehmen bis hin zur Analyse, zu erläutern.
1
Dies empfehlen auch Gesprächsanalytiker wie Deppermann (2001: 28): „Die Qualität von gesprächsanalytischen Untersuchungen beruht in erster Linie auf der detaillierten Analyse von Einzelfällen und nicht auf großen Stichproben“.
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5.1
Die Unternehmen
Das Handeln von Unternehmen als gewinnorientierten Institutionen beruht auf einer Reihe von prinzipiellen Funktionsmechanismen, zu denen die Korrelation von Angebot und Nachfrage, die Positionierung am Markt, die Aufbau- und Ablauforganisation etc. zählen (vgl. die Ausführungen in Kap. 4.1 und 4.2). Bezüglich dieser Rahmenbedingungen sind konkrete Entscheidungen zu treffen, die sich in der jeweiligen, einzigartigen Unternehmenskultur manifestieren (vgl. Kap. 4.2). Um unternehmenskulturelle Unterschiede und ihre Auswirkungen auf die dialogische Interaktion nicht nur theoretisch zu behaupten, sondern sie anhand praktischer Beispiele nachzuweisen, war es für die vorliegende Arbeit erforderlich, Unternehmen auszuwählen, die möglichst wenige Gemeinsamkeiten aufweisen. Ein erstes wesentliches Differenzierungsmerkmal ist in diesem Zusammenhang der Unternehmenszweck, d. h. die Frage, mit welchen Produkten das Unternehmen auf welchem Markt vertreten ist. Die Wahl fiel einerseits auf einen klassischen Industriebetrieb, der nicht Endkunden, sondern andere Firmen mit seinen Produkten beliefert, andererseits auf ein Handelsunternehmen, das nicht selbst Güter produziert, sondern diese zukauft und dann direkt an die Konsumenten weiterverkauft. Da es sich im ersten Fall um Teile für die Automobilindustrie, im zweiten um hochwertigen Schmuck handelt, sind die Produkte nicht vergleichbar. Mit Unterschieden im Hinblick auf den Unternehmenszweck gehen Unterschiede in der Aufbau- und Ablauforganisation einher: So gibt es in dem Handelsunternehmen keine Produktion, anderen funktionalen Bereichen, wie Einkauf oder Marketing, kommt dafür größeres Gewicht zu. Des Weiteren weisen die Unternehmen ihre eigenen, historisch gewachsenen Traditionen auf, die u. a. auch Einfluss auf den Umgang und die kommunikative Interaktion der Mitarbeiter haben. Für die Konzentration auf zwei Firmen sprechen nicht zuletzt forschungspraktische Gründe. So wäre es in zeitlicher und qualitativer Hinsicht kaum möglich, weitere Analyseobjekte zu berücksichtigen. Darüber hinaus kommt erschwerend hinzu, dass man auf die Kooperation der Unternehmen angewiesen ist. In den beiden ausgewählten Fällen signalisierten die Geschäftsführer frühzeitig Interesse an einer wissenschaftlichen Untersuchung bestimmter Kommunikationsabläufe in ihren Unternehmen. Gleichwohl wurde verständlicherweise darum gebeten, eine weitgehende Anonymisierung vorzunehmen. In erster Linie betrifft dies Namen, die zur Identifikation des Unternehmens beitragen könnten, wie Firmen-, Produkt- oder Personennamen. Darüber hinaus waren solche Daten zu modifizieren, die Aufschluss über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens liefern. Unter dieser Prämisse sind auch die nun folgenden Firmenporträts zu lesen.
121 5.1.1 Hafe: Produkte fürs Auto Das Unternehmen Hafe ist ein mittelständischer2 Betrieb, der mit rund 300 Beschäftigten Teile für die Automobil- und Automobilzulieferindustrie entwickelt und produziert. Nach der Gründung Ende der 1930er Jahre lag die Unternehmensführung mehrere Jahrzehnte lang in den Händen von zwei Unternehmerpersönlichkeiten, dem Gründer und seinem Nachfolger, der dem Unternehmen über 30 Jahre vorstand. Ende der 1990er Jahre wurde die Geschäftsführungsposition erstmals doppelt besetzt, wobei sich bald eine Arbeitsteilung zwischen einem technischen und einem kaufmännischen Geschäftsführer herausbildete. Seit 2002 gibt es wieder nur noch einen Geschäftsführer, der selbst zur Inhaberfamilie gehört. Vor allem der Wechsel von der letzten Unternehmerpersönlichkeit zu einer Führungskonstellation, die sich eher durch funktionales Know-how als durch langjährige unternehmerische Erfahrung auszeichnete, hat im Unternehmen Spuren hinterlassen. Zwar ist das Verhältnis zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitern nach wie vor sehr persönlich, jedoch nicht im Sinne des vorher gepflegten patriarchalischen Führungsstils als vielmehr nach Maßgabe der Prinzipien einer kooperativen Führung. Dieser Wandlungsprozess ist nach Aussage des heutigen Geschäftsführers noch nicht abgeschlossen, was sich u. a. daran zeige, dass viele der schon länger beschäftigten Mitarbeiter lieber auf Anweisungen von oben warteten anstatt eigene Vorschläge einzubringen. Im Hinblick auf die strategische Positionierung sowie die internen organisatorischen Abläufe versucht man bei Hafe, den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Die Strategie des Unternehmens besteht darin, mit den Kunden, das sind i.d.R. führende Automobilhersteller bzw. -zulieferer, langjährige Entwicklungspartnerschaften einzugehen. Vom Beginn einer Kundenanfrage an arbeitet das Entwicklungsteam eng mit den Werkstoff- und Produktionsfachleuten im eigenen Unternehmen sowie mit Mitarbeitern des Kunden zusammen. Gefragt ist technisches Know-how, zumal die Produktion heute mit modernen, hoch-technologisierten Maschinen und hochwertigen Werkstoffen durchgeführt wird. Hafe bezeichnet sich als Systemlieferant, d. h. es werden nicht nur einzelne Teile, sondern komplette Systeme, die aus mehreren Komponenten bestehen, wie beispielsweise Schließsysteme, entwickelt und produziert. Eine besondere Herausforderung für das Unter-
2
Für die mittelständische Unternehmung gibt es keine allgemein anerkannte Definition; vielmehr werden bestimmte quantitative und qualitative Merkmale zugrunde gelegt. Thomas (1994: 16) fasst sie wie folgt zusammen: „Eine mittelständische Unternehmung ist nach quantitativen Kriterien als klein oder mittel einzustufen [bis 50 Mitarbeiter → Kleinunternehmen; bis 500 Mitarbeiter → Mittelunternehmen; S.S.]. Nach qualitativen Merkmalen wird sie als wirtschaftlich und rechtlich selbständige Unternehmung geführt. Sie wird entscheidend geprägt durch die enge Verflechtung zwischen Unternehmer und Unternehmung“.
122 nehmen stellt der zunehmende Wettbewerb in einer globalisierten Wirtschaft dar. Je mehr günstige und mittlerweile auch qualitativ ausgezeichnete Firmen aus Osteuropa und Asien als Alternative zu den deutschen Lieferanten zur Verfügung stehen, desto stärker müssen diese sich durch Qualität und Service abheben. Aus diesem Grund werden auch bei Hafe die internen organisatorischen Abläufe beständig auf ihre Effizienz und Effektivität hin überprüft und Verbesserungspotentiale diskutiert. Darauf wird im Rahmen der Analysen näher einzugehen sein.
5.1.2 Schick: Handel mit Schmuck Auch bei Schick handelt es sich um ein Traditionsunternehmen, das auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken kann. Deutschlandweit ist Schick mit Juweliergeschäften vertreten, in denen die Kunden hochwertigen Schmuck und Uhren erhalten. Koordiniert werden die Filialen von der Unternehmenszentrale aus, in der die Zentralbereiche (Einkauf, Marketing, Finanzwesen, IT, Personal) sowie die Geschäftsführung ihren Sitz haben. Derzeit liegt die Geschäftsführung in den Händen von drei Personen. Sie tragen die Verantwortung für die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen, sind letzten Endes aber den Inhabern (und gleichzeitigen Finanzgebern) des Unternehmens rechenschaftspflichtig. Schick bezeichnet sich als serviceorientiertes Unternehmen, was nicht nur nach außen, also gegenüber den Kunden, sondern auch im Hinblick auf die internen Prozesse demonstriert werden soll. Die Aufgaben, die in der Unternehmenszentrale wahrgenommen werden, dienen letztlich dem Verkauf in den Filialen; einer der Geschäftsführer spricht von den Zentralbereichen als Dienstleister der Filialen. So werden hier beispielsweise Marketingkampagnen entwickelt, angefangen von der Gestaltung des Werbematerials bis hin zur internen Hauszeitschrift. Wesentlich für die erfolgreiche Positionierung am Markt sind neben dem Außenauftritt die Abläufe und Prozesse im Unternehmen, die in hohem Maße zu dessen Wirtschaftlichkeit beitragen. In diesem Rahmen gilt es, das Warenwirtschaftssystem optimal zu gestalten sowie Bestände und Sortimente fortlaufend zu aktualisieren. Mithilfe dieser Maßnahmen möchte Schick noch weiter expandieren und Standorte für sich erschließen, die eine hohe Rendite versprechen. Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten, wie sie für den Anfang der 2000er Jahre kennzeichnend waren, stellt diese Strategie eine besondere Herausforderung für das Management dar. Als ein Unternehmen, das dem personalisierten Verkauf bzw. der Kundenberatung hohe Priorität beimisst, setzt Schick auf Mitarbeiter mit Verkäufermentalität, die zudem Gespür für modische Trends zeigen. So erklärt sich auch, dass viele junge Mitarbeiter beschäftigt werden, denen im Gesamtunternehmen diverse Entwicklungsmöglichkeiten angeboten
123 werden. Es gibt speziell auf den Führungsnachwuchs zugeschnittene Programme, die die Teilnehmer z. B. auf die Filial- oder Bereichsleitung vorbereiten. Die Gespräche, die im Folgenden Gegenstand der Analyse sind, wurden in der Unternehmenszentrale der Firma Schick aufgezeichnet.
5.2
Methodische Vorbemerkungen
Im Rahmen der allgemeinen theoretischen Grundlegung wurde bereits die Frage diskutiert, wie sich die Linguistik mit ihrem Gegenstand, Sprache im Gebrauch, auseinandersetzt (vgl. Kap. 3.1). Dabei sollte deutlich geworden sein, dass eine dem Objekt adäquate Vorgehensweise weder ausschließlich abstrakte Regelsysteme bemühen noch sich in empirischen Daten verlieren darf. Dies stellt eine besondere Herausforderung bei der Analyse authentischer Kommunikation dar. Zunächst stellt sich allerdings das Problem, überhaupt an authentische Gespräche zu gelangen und diese für die Analyse aufzubereiten. Brünner (2000: 23f.) führt folgende Gründe dafür an, dass es nach wie vor schwierig ist, Zugang zu Gesprächsdaten aus dem Bereich der Wirtschaftskommunikation zu erhalten: – Informationsdefizite und Unverständnis ggü. den Zielen, Methoden und Ergebnissen linguistischer Untersuchungen; – Furcht vor Störung der Arbeit und der gewohnten Routinen durch die Datenerhebung; – juristische, datenschutzrechtliche Bedenken; – Misstrauen gegen Betriebsfremde, die evtl. negative Informationen über den Betrieb nach außen tragen; – Angst vor unvorhergesehenen negativen Ergebnissen der Untersuchung. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, habe ich von vornherein das persönliche Gespräch gesucht, wobei zunächst Personen anzusprechen sind, die im Unternehmen Einfluss genießen, d. h. in der Regel die Geschäftsleitung. Ihr Einverständnis ist entscheidend, allerdings müssen die betroffenen Mitarbeiter aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen Gesprächsaufnahmen ebenfalls gutheißen. Auch wenn dies nach der grundsätzlichen Zustimmung der Unternehmensführung in der Regel kein Problem darstellt, trifft man zu Beginn der Aufnahmesituation häufig noch auf Skepsis. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Mitarbeiter sich beobachtet fühlen und befürchten, einen negativen Eindruck zu hinterlassen. Ihnen ist zuzusichern, dass kein unmittelbares, auf individuelle Personen bezogenes Feedback an die Geschäftsführung erfolgt. Weiterhin erweist es sich als förderlich, wenn den betroffenen Mitarbeitern eine Gegenleistung in Form von Verbesserungs-
124 vorschlägen für die eigene Praxis angeboten wird. Da Kommunikationsberatung nicht standardisiert erfolgen sollte, sondern auf den unternehmenskulturellen Rahmen, situative Rahmenbedingungen und individuelle Gesprächsteilnehmer abzustimmen ist, korrespondiert dieses Anliegen mit den Annahmen und Methoden meiner Arbeit. Zur weiteren Ausführung des konkreten Vorgehens möchte ich den Verlauf meines Forschungsprojektes hier kurz skizzieren. Im Frühjahr 2003 nahm ich Kontakt zu mehreren Unternehmen auf, indem ich zunächst um ein Gespräch mit der Geschäftsleitung bat. Bei den beiden bereits vorgestellten Unternehmen Hafe und Schick wurde ich zu entsprechenden Gesprächen eingeladen. Von vornherein zeigten die Geschäftsführer Interesse an dem Vorhaben. Im Fall Hafe hatten kürzlich vorgenommene interne Umstrukturierungen zu Veränderungen in den Kommunikationsabläufen geführt, und der Geschäftsführer erhoffte sich Vorschläge, wie die Kommunikation effizienter und effektiver gestaltet werden könnte. Im Fall Schick war wirksame Kommunikation bereits offiziell zum wesentlichen Bestandteil der Unternehmenswerte deklariert worden, und man versprach sich nun eine Überprüfung des realen betrieblichen Geschehens. Vereinbart wurde, dass ich an Besprechungen teilnehmen sollte, bei denen es sich um die wesentlichen kommunikativen Ereignisse im Unternehmensalltag der beiden Firmen handelt. Mein Wunsch war, möglichst unterschiedliche Sitzungen mitzuerleben, um einen umfassenden Eindruck von der Kommunikationskultur der Unternehmen zu gewinnen. Da sich die bis dato veröffentlichten empirischen Arbeiten zur Kommunikation in Unternehmen primär auf Gespräche beziehen, in denen operative Fragen und Probleme im Betrieb im Vordergrund stehen, bestand darüber hinaus ein besonderes Interesse an Gesprächen auf oberen Unternehmensebenen, die strategische Themen zum Inhalt haben. Dafür hat es sich als hilfreich erwiesen, dass meine Erstkontakte Vertreter der Unternehmensleitung waren, die auch diesem Anliegen positiv gegenüberstanden. Der Zeitraum der Aufzeichnungen erstreckte sich von September 2003 bis Januar 2004. Bei Schick war in dieser Zeit die Teilnahme an drei Besprechungen (Geschäftsführungssitzung, Jour Fixe und Abteilungsbesprechung in der Abteilung Einkauf) möglich; bei Hafe wohnte ich zwei Gesprächen zwischen der Geschäftsleitung und den Bereichsleitern zunächst als Zuschauerin bei, bevor ich diese und in der Folge zwei weitere Sitzungen in der Entwicklungsabteilung aufzeichnen konnte. Darüber hinaus hatte ich in beiden Unternehmen die Gelegenheit, im Vor- und Nachfeld mit den Beteiligten zu sprechen, Fragen zum Unternehmen, zum Stellenwert der Gespräche etc. zu stellen und auf diese Weise zentrale Rahmendaten zu eruieren. Für die Aufzeichnung wurde ein Mini-Disc-Gerät, verbunden mit einem hochwertigen digitalen Mikrofon, gewählt, das sich durch folgende Qualitäten auszeichnet: Erstens ist es klein und handlich und kann bei den Aufnahmen so auf bzw. unter dem Tisch positioniert
125 werden, dass es den Gesprächsteilnehmern gar nicht auffällt,3 zweitens ist durch den digitalen Wiedergabemodus das Gesprochene bei der Wiedergabe sehr gut zu verstehen, und drittens wird die weitere Bearbeitung dadurch erleichtert, dass die Äußerungen sekundengenau nachverfolgt werden können. Was den Prozess der Aufnahmen betrifft, so kann ich Brünner (2000: 25) zustimmen, die konstatiert: „Die Aufnahmesituation ist oft nur zu Beginn im Bewusstsein präsent, später nur noch punktuell“. In den Besprechungen, an denen ich teilgenommen habe, fokussierten die Beteiligten ihre Aufmerksamkeit alsbald auf das Gespräch. Dabei hatte es nicht den Anschein, dass sie ihr Verhalten kontrollierten. Im Anschluss an die Aufnahme der Gespräche stellte sich die Frage nach der Bearbeitung der Daten und ihrer Aufbereitung für die Analyse. Die notwendige Transkription erfordert einen hohen zeitlichen Aufwand und sowohl die Auswahl des Materials als auch die Art und Weise der Transkription müssen sorgfältig geprüft werden. Eine Auswahl ist aus forschungspraktischen Gründen unumgänglich, da allein ein knapp einstündiges Gespräch rund 30 Textseiten ergibt. Hochgerechnet auf eine Sitzung, die über fünf Stunden dauert (vgl. die Geschäftsführungssitzung bei Schick), ergäbe das 150 Seiten – viel Material, das aber dennoch nicht als repräsentativ bezeichnet werden kann, bezieht es sich doch auf lediglich eine Besprechung. Der Anspruch auf Repräsentativität im strengen Sinne ist m. E. auch nicht aufrechtzuerhalten, zumal in der Performanz prinzipiell unbegrenzt viele Realisierungsmöglichkeiten denkbar sind. Dem Forscher ist jedoch ein umfassendes Wissen über seinen Gegenstand zuzutrauen, das er durch die theoretische Auseinandersetzung sowie praktische Erfahrungen auch jenseits der unmittelbar projektbezogenen Daten gewonnen hat, und das ihm hilft, diese einzuordnen und allgemeine Schlüsse zu ziehen.4 So wurden für die vorliegende Arbeit vier m. E. typische Sitzungen ausgewählt, zwei pro Unternehmen. In der Analyse gestaltet sich die Reihenfolge wie folgt: 1. Führungskräftesitzung Hafe (Kap. 5.3) 2. Geschäftsführungssitzung Schick (Kap. 5.4) 3. Einkaufsbesprechung Schick (Kap. 5.5) 4. Entwicklungsbesprechung Hafe (Kap. 5.6) Die mehrstündige Geschäftsführungssitzung und die Einkaufsbesprechung wurden in Teilen transkribiert, die anderen Sitzungen im Ganzen.
3 4
Aus diesem Grund wurden Videoaufnahmen ausgeschlossen, die für meine Fragestellung auch keinen zusätzlichen Nutzen gebracht hätten. In diesem Sinne stellt Weigand (2004b: 380) fest: “Empirical ‘data’ as such do not mean anything”. Wenn der Mensch sich mit einem komplexen Phänomen auseinandersetze, formuliere er stets Fragen und Hypothesen, auch schon während er das Objekt beobachte.
126 Für die Transkription stehen mittlerweile hochkomplexe Verfahren und Techniken zur Verfügung, um die genauen Formen des Gesprochenen zu bewahren.5 Jedes prosodische Merkmal kann durch ein bestimmtes Zeichen markiert, jede umgangssprachliche oder dialektale Form eins zu eins in die Schriftsprache übertragen werden. Dadurch ergeben sich m. E. aber eher Probleme als Chancen. Erstens sind die Transkripte kaum noch lesbar. Zweitens – und der Grund ist wesentlich gewichtiger – kann selbst bei größter Genauigkeit doch nicht alles erfasst werden, was in einem Gespräch geschieht. So sind die diversen perzeptiven und kognitiven Mittel nie vollständig zugänglich. Drittens hängt es von der genauen Fragestellung ab, ob es nötig ist, eine Pause sekundengenau anzugeben oder die Tonhöhen zu kennzeichnen. Wenn ich mich im Rahmen meiner Arbeit z. B. mit Argumentationsstrukturen beschäftige, zählt vielmehr eine gewisse Übersichtlichkeit, die es erleichtert, sich in einem ohnehin komplexen Mehrpersonengespräch zu orientieren. D. h., dass die Untersuchungsziele, die sich aus der Perspektive des jeweiligen Forschers ergeben und somit immer schon eine gewisse Bewertung implizieren, das entscheidende Kriterium für die Aufbereitung der empirischen Daten darstellen. Damit ist nicht gemeint, dass mit den Daten willkürlich oder gar fahrlässig verfahren würde. Wenn der Wortlaut unverständlich ist, so sollte dies gekennzeichnet werden, ebenso ist zu vermerken, wenn die wortwörtliche Äußerung nur erahnt werden kann. Auch auffällig lange Pausen oder Abbrüche sind zu markieren. Vor dem Hintergrund der Fragestellung ‚Wie gestalten sich dialogische Handlungsspiele in Unternehmen?‘ ist es allerdings ungleich wichtiger, diesbezüglich relevante Daten zu erfassen. Das geschieht in Form der Partiturschreibweise, in der einzelne Züge den unterschiedlichen Sprechern zugeordnet und Überschneidungen des Gesprochenen kenntlich gemacht werden können. Um der Lesbarkeit und Verständlichkeit willen orientiert sich die Transkription an der orthographisch korrekten Schriftsprache und den üblichen Interpunktionsregeln. Nachdem die wesentlichen organisatorischen und methodischen Vorarbeiten und Voraussetzungen geklärt wurden, sei zum Ende dieses Teilkapitels die Vorgehensweise in der Analyse erläutert. Konfrontiert mit den Schwierigkeiten, die bei der Analyse authentischer Kommunikation entstehen, habe ich eine paraphrasierende Beschreibung an manchen Stellen für nötig gehalten; nicht zuletzt, um dem Leser, der sich nicht die Mühe machen mag, die Gespräche genau zu studieren, Orientierungshilfe zu geben. Gleichwohl standen sowohl
5
Als die bekanntesten Transkriptionssysteme im deutschsprachigen Raum gelten GAT (Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem) (vgl. Selting et al. 1998) sowie das von Ehlich/Rehbein entwickelte HIAT (Halbinterprative Arbeitstranskription) (vgl. u. a. Ehlich/Rehbein 1976). Mittlerweile wurde auch spezifische Software entwickelt, die die Bearbeitung von Audiodaten gestattet. Sie ist allerdings noch fehlerhaft, zudem abhängig von den Systemvoraussetzungen des Computers. Auf die weitere technische Unterstützung habe ich daher verzichtet und die Gespräche mithilfe von Kopfhörern, die an das Aufnahmegerät angeschlossen werden können, verschriftlicht.
127 die Beschreibung als auch die Erklärungen unter den in den vorherigen Kapiteln erläuterten theoretischen Ansprüchen an Handlungsspiele in Unternehmen. Die Analyse prüft deren bruchstückhafte Realisierungsvarianten anhand von vier authentischen Gesprächen. Dazu wird zunächst kurz auf die Rahmenbedingungen, d. h. die Teilnehmerstruktur, den Stellenwert der Sitzung im Unternehmensalltag etc. eingegangen. In einem nächsten Schritt ist der Gesprächsverlauf im Sinne der aufeinander folgenden Themen6 zu skizzieren. Da in den Besprechungen viele, zum Teil komplexe Themen abgehandelt werden, erscheint es aus heuristischen und pragmatischen Gründen angebracht, einen thematischen Komplex zu fokussieren. Die Perspektive der Analyse ist dabei allerdings nicht themenzentriert. Vielmehr gilt es die Gestaltung und Entwicklung dialogischer Handlungsspiele in der Performanz, d. h. der Praxis der Unternehmen, nachzuvollziehen. Da es sich um authentisches Material handelt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ganze Palette an Handlungsspielen abgedeckt wird. Für die Analysen wurden vier verschiedene Sitzungen ausgewählt, so dass hier unterschiedliche Akzentuierungen zu erwarten sind. Auch wenn sich eine Orientierung am chronologischen Gesprächsverlauf als sinnvoll erweist, sollen immer wieder Querverbindungen zu anderen Gesprächsabschnitten hergestellt werden. Schließlich gilt es Phänomene zu identifizieren, die in gewisser Weise zu verallgemeinern, d. h. zumindest bezeichnend für das vorliegende Material sind. Auf der einen Seite soll von der Komplexität des Materials nicht unzulässig abstrahiert werden, auf der anderen Seite ist eine Beschränkung auf eine Auswahl möglichst repräsentativer Beispiele unumgänglich.7 In jedem Unterkapitel werden anhand ausgewählter Gesprächsauszüge exemplarisch kommunikative Strategien und Mittel herausgearbeitet. Eine Bewertung i. S. der Frage nach rhetorisch geschicktem kommunikativen Handeln orientiert sich zum einen an gesprächsinternen Merkmalen wie der Reaktion der Kommunikationspartner, zum anderen am Kontext, d. h. den Rahmenbedingungen und Strukturen betrieblichen Handelns. Zum Ende der einzelnen Analysen soll noch einmal der Bogen
6
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Der Begriff des Themas wird hier im Sinne einer übergeordneten Proposition verstanden. Ein Thema kann von unterschiedlichen Handlungsfunktionen, die sich aus den pragmatischen Ansprüchen ableiten, dominiert sein. Letztere werden im Rahmen der Konzeptionalisierung dialogischer Handlungsspiele in den Mittelpunkt gestellt. Gleichwohl korrelieren Thema und Handlungsfunktion miteinander, was ja auch in Searles Formel F(p) zum Ausdruck kommt, in der F die Handlungsfunktion, p die davon abhängige Proposition beschreibt. Vgl. auch Fußnote 16, Kapitel 3. Grundsätzlich wird versucht, so viel Material wie möglich einzubeziehen, d. h. längere Passagen aus den Transkripten in den Text zu integrieren, zumal darauf verzichtet wurde, die Transkripte komplett als Anhang mitzuveröffentlichen. Zur Zitationsweise sei ferner angemerkt, dass die längeren Passagen original aus den Transkripten übernommen wurden, während Äußerungen eines Sprechers bzw. Teile von Äußerungen kursiviert im Fließtext erscheinen bzw. aus Gründen der Lesbarkeit wie auch zur Akzentuierung abgesetzt wurden.
128 zum Anfang, d. h. zu den Zielen der Sitzung sowie den unternehmenskulturellen Rahmenbedingungen, gespannt werden.
5.3
Analyse eines Gesprächs zur Entscheidungsfindung: Das ist ’ne Entscheidung, die wir hier treffen müssen
Bei dem ersten zu analysierenden Gespräch handelt es sich um eine Führungskräftesitzung, die im Herbst 2003 beim Automobilzulieferer Hafe stattgefunden hat.
5.3.1 Anlass und Gesprächsverlauf Einmal wöchentlich, üblicherweise Freitag vormittags, kommt bei Hafe der Kreis der Führungskräfte, zu dem der Geschäftsführer sowie die Bereichsleiter zählen, für ca. anderthalb Stunden zusammen. Bei den Bereichsleitern handelt es sich um die Leiter der Abteilungen Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Rechnungswesen sowie Qualitätswesen. Unter den sechs anwesenden Personen befindet sich eine Frau, die dem Bereich Rechnungswesen vorsteht. Da die Teilnehmer die beiden obersten Führungsebenen repräsentieren, hat die Sitzung für das Unternehmen Hafe strategische Bedeutung. Auf der Tagesordnung stehen stets die folgenden Punkte: Aktuelles, Strategisches, Bereichsübergreifendes. Daraus lassen sich als allgemeine Ziele ableiten: – Die Führungskräfte sollen am Ende der Sitzung über die aktuelle Lage des Unternehmens informiert sein; – sie wissen um zukünftige Herausforderungen und Probleme; – sie haben weiterführende Schritte und Maßnahmen abgestimmt. Die aufgezeichnete Sitzung lässt sich nach thematisch-inhaltlichen Kriterien in vier Blöcke unterteilen, von denen die ersten beiden mehr als zwei Drittel der Zeit in Anspruch nehmen. Zu Beginn geht es um eine aktuelle Kundenanfrage: Die Führungskräfte stehen vor der Entscheidung, ob ein Angebot für ein neuartiges Produktpaket unterbreitet werden soll, wodurch sich für das Unternehmen möglicherweise neue strategische Optionen eröffnen. Nachdem die Gesprächspartner diesbezüglich eine erste Verständigung erzielt haben, initiiert der moderierende Geschäftsführer einen Themenwechsel: Der Blick wird nach innen, auf die Prozessabläufe bei Hafe gerichtet. Hintergrund ist die Überlegung, ob durch die Zusammenarbeit mit einem externen Berater Optimierungspotentiale in der Produktion
129 ausgeschöpft werden können. Über diesen Punkt sowie damit verbundene Implikationen für das Unternehmen (notwendige Einbindung von Mitarbeitern, Vertragsgestaltung etc.) wird ausgiebig diskutiert. Im Anschluss spricht der Vertriebsleiter noch den Investitionsplan für das Jahr 2004 an. Einen entsprechenden Vorschlag haben zwei der Bereichsleiter bereits in schriftlicher Form unterbreitet. Allerdings konnte dieser noch nicht hinreichend begutachtet werden, um eine qualifizierte Stellungnahme seitens der Geschäftsleitung zu gestatten. Dafür wird ein neuer Termin festgelegt. Zum Ende bleibt noch Zeit, den Stand bzw. Probleme in zwei aktuellen Projekten8 darzustellen und notwendige Maßnahmen zu diskutieren.
5.3.2 Dialogische Handlungsspiele Im Rahmen der Analyse möchte ich mich auf den ersten Teil der Sitzung konzentrieren, in dem strategisch relevante Entscheidungen zu treffen sind. Die Wahl dieses Schwerpunkts ist dadurch begründet, dass der Strategiebildung im betrieblichen Kontext eine zentrale Bedeutung zukommt. Wie in der theoretischen Grundlegung erläutert, erfolgt die Verständigung über Positionierung und Strategie eines Unternehmens im Rahmen von Handlungsspielen der Argumentation (vgl. Kap. 4.4.1.2). Dafür bietet die Führungskräftesitzung ein gutes Beispiel. 5.3.2.1 Argumentation I Den Ausgangspunkt bildet eine aktuelle Kundenanfrage, über die der Leiter der Forschungsund Entwicklungsabteilung, Dr. Hunt,9 die Beteiligten zunächst informiert. Für ein neues Fahrzeug namens Multivan werden Lieferanten für ein umfangreiches Teilevolumen gesucht, wobei der Kunde, ein internationaler Automobilhersteller, einen sog. Konzeptwettbewerb ausgeschrieben hat: Die Zulieferfirmen sollen zuerst ein Angebot für eine Entwicklung unterbreiten. Kommt es zum Auftrag, werden die Entwicklungskosten vom Auftraggeber übernommen, so dass sich das Kostenrisiko für den Zulieferer erheblich minimiert. Indem Dr. Hunt seine Ausführungen mit dieser Erläuterung beginnt, beweist er rhetorisches Geschick: Er nimmt potentiellen Kritikern im Vorhinein die berechtigte Sorge, dass die Entwicklungskosten als sunk costs10 das Unternehmen belasten könnten und stimmt seine
8 9 10
Wenn hier von Projekten geredet wird, so sind damit immer spezifische Kundenaufträge, z. B. ein Schließsystem für Kunde XY gemeint. Die Personennamen sind wie Firmen-, Orts- und Produktnamen Kunst- bzw. beliebig gewählte Namen. Bei sunk costs handelt es sich um betriebswirtschaftliche Kosten, die in der Vergangenheit (hier während der Entwicklungsphase) zu Auszahlungen geführt haben und in Gegenwart oder Zukunft nicht mehr beeinflusst werden können.
130 Kollegen auf diese Weise positiv auf das Thema ein. Damit eröffnet der Entwicklungsleiter ein Handlungsspiel vom Typ Argumentation, denn nun geht es darum, das Für und Wider gegeneinander abzuwiegen bzw. die Gesprächspartner von dem Projekt zu überzeugen. 0099 0100 0101 0102 0103 0104 0105 0106 0107 0108 0109 0110 0111 0112 0113 0114 0115 0116 0117 0118 0119 0120 0121 0122 0123 0124 0125 0126 0127 0128 0129 0130 0131 0132 0133 0134 0135 0136 0137 0138
DH
Ja. Also eigentlich müsste der Weg dahin... dahin...sowieso dahingehn. Nur /äh/ hat man mit denen ja bisher erst mal keinen Kontakt. Das heißt also die Brücke ist auch noch nicht geschlagen. Also ich nehme mal an /ehm/... Der...der Weg ist ja immer der: Die gucken, was haben wir für Teile, mergen die mal ins Modell und dann wird irgendwann auf die Suche gegangen nach ‘nem Lieferanten dazu. /Ehm/ und da mal /äh/ da auf die zuzugehen, macht mit Sicherheit Sinn. /Ehm/ als Vorteile sind hier zu sehen: Einmal, dass wir den Heckklappenantrieb Adler entwickelt haben für den Dextra, aber da mit ‘nem Auftrag nicht zum Zug gekommen sind. Haben also /äh/ Investitionen schon getätigt. Und /äh/ ich, beziehungsweise wir – wenn ich mal Herrn Linke und Herrn Vorn dazunehmen darf - /ehm/ sehen also einfach die Möglichkeit, dass man so ‘ne Entwicklung hier dann eben doch auch unterbringt und die Erfahrungen. Also einmal aus den Entwicklungen, die wir...wo wir investiert haben, die wir jetzt nicht in dem Fahrzeug haben, aber auch natürlich die Entwicklung, /äh/ die wir ja nun sehr hoch finanziert haben beim Dextra S4. /Ehm/ dann haben wir ‘nen neuen Markt mit den Nutzfahrzeugen. Weil das einfach /ehm/... Wir waren wohl mal mit Bauteilen drin, aber jetzt schon seit langen Jahren nicht mehr. /Ehm/ so dass das ‘n stückweit ‘n zusätzliches Geschäft ist. /Äh/ und was es eben interessanter macht, was die Einkaufsdaten angeht – was ja bei Wolf auch relativ kritisch ist mit Verhandlungen – ist eben ‘n wirklich von Wolf...von Wolf Mainz getrennter Einkauf in Hagen. So dass da auch wirklich andere Ergebnisse auch rauskommen können. Aber das wird man dann natürlich auch irgendwo sehen müssen. /Äh/ und wie gesagt insgesamt die /äh/ die Teileumfänge mit ‘nem ganzen Anteil Bauteile – also Scharniere eben,
131 0139 0140 0141 0142 0143 0144 0145 0146 0147 0148 0149 0150
DH
Fanghaken eventuell – wo wir entsprechendes Know-how ganz sicher haben. Kontra: Es kostet erst mal schlicht und ergreifend Zeit. Diese Vorentwicklung würde über EDB laufen, so dass /ehm/ wir hier keine Ressourcen belegen. Das kostet dann natürlich hier /äh/ Invest in die Vorentwicklung. ‘n Risiko gibt es in dem Sinne erst mal nicht. Weil, wenn wir das machen – entweder wir kommen zum Zug, dann haben wir die Chance, einzusteigen, können das aber dann mit besserem Wissen /ehm/ sauber beurteilen. [...]
Dr. Hunt hat sich auf dieses Handlungsspiel gut vorbereitet. Seine Ausführungen sind strukturiert, u.a gibt er explizit zu verstehen, wann er ein neues Pro- oder Kontra-Argument anführt (vgl. 0110, 0141). Zunächst stellt er seine eigene Meinung scheinbar zurück. So gebraucht er in den Äußerungen, die die Argumentation einleiten (0107–0110) kein persönliches Agens. Im Weiteren verwendet Dr. Hunt stets das Personalpronomen wir, einmal korrigiert er sich sogar entsprechend: Und /äh/ ich, beziehungsweise wir – wenn ich mal Herrn Linke und Herrn Vorn dazunehmen darf... (0114ff.)
Damit signalisiert er, dass im Führungsteam bereits eine gewisse Übereinkunft besteht. Darüber hinaus versucht er, seine Argumente so neutral wie möglich vorzutragen und die Fakten für sich bzw. das Unternehmen sprechen zu lassen. Die vier Argumente, die zu Beginn genannt werden, erfüllen diesen Anspruch: – Erstens hat man bei Hafe für eines der angefragten Teile bereits eine ähnliche Vorentwicklung für einen anderen Kunden durchgeführt und könnte die Erfahrungen nun nutzen; – zweitens würde sich für das Unternehmen ein neuer Markt erschließen; – drittens besteht eine gute Ausgangsposition für Verhandlungen, weil auf der Kundenseite neue Ansprechpartner für das Projekt verantwortlich sind; – viertens ist im Hinblick auf das gesamte angefragte Teilespektrum bereits erhebliches Know-how im Unternehmen vorhanden. Hinsichtlich der internen Voraussetzungen sowie der externen Gegebenheiten sprechen also genügend Gründe dafür, ein Angebot abzugeben. Mit einem schlichten Kontra leitet Dr. Hunt zu möglichen Gegenargumenten über (0141f.). Aufgrund der Tatsache, dass ein Entwicklungspartner zur Verfügung steht, würden nicht übermäßig viele Ressourcen gebunden,
132 es sei, abgesehen vom zeitlichen Engagement, lediglich mit gewissen Entwicklungskosten zu rechnen (die allerdings, wie oben erwähnt, später verrechnet werden könnten). Interessant im Hinblick auf Argumentationsstrategien ist der darauf folgende Zug. Neben Kosten-Nutzen-Überlegungen sind für den wirtschaftlichen Kontext Chancen-Risiken-Abwägungen kennzeichnend. Das Stichwort ‚Risiko‘ fällt auch in dem Beitrag des Entwicklungsleiters. Allerdings verwendet er es nicht als Argument gegen ein Angebot – wie man es nach dem vorherigen Kontra-Argument durchaus erwarten könnte. Vielmehr wird mit der Äußerung ’n Risiko gibt es in dem Sinne erst mal nicht (0146) möglichen Gegenstimmen im Vorfeld begegnet. Spätestens jetzt ist klar, dass Dr. Hunt sich mit seinem Beitrag für die Angebotsabgabe ausspricht, weil seiner Meinung nach – und jetzt gebraucht er auch erstmals die Wendung meiner Meinung nach – die Chancen größer sind als die Risiken. Mit der rhetorischen Frage Und die Frage ist, können wir uns erlauben, da...da wirklich nicht mitzuziehn? (0167f.) wirft er noch einmal seine Überzeugungskraft in die Waagschale. Zusätzlich stellt er abschließend fest, dass ein anderer potentieller Auftrag momentan noch in der Schwebe ist. Damit impliziert er, dass das Unternehmen Hafe auf weitere Aufträge angewiesen ist und es sich nicht leisten kann, den Multivan-Auftrag auszuschlagen. Eine Person am Tisch teilt diese Schlussfolgerung allerdings nicht uneingeschränkt. Der Geschäftsführer, Gerd Freund, interveniert mit der Äußerung: Gut, aber wir sind ja hier jetzt ganz was anderes. Das dürfen wir ja nicht vergleichen miteinander. (0182–0185)
Da er nun am Zug ist, macht er seine Position in dem Handlungsspiel der Argumentation geltend. Freund unterstützt das Argument seines Mitarbeiters, Hafe hätte durch den Auftrag die Chance, einen neuen Markt zu erschließen. Darüber hinaus stellt sich s.E. aber eine weitere Frage, ob nämlich in Zukunft der Antrieb (ein Produkt, das auch in dem Anfragepaket für den Multivan enthalten ist) ein zusätzliches Standbein (0219) für das Unternehmen darstellen soll (vgl. 0217ff.). Diese Entscheidung ist als eine strategische Grundsatzentscheidung zu betrachten, die ebenfalls im Rahmen eines Handlungsspiels der Argumentation zu behandeln ist (vgl. Kap. 5.3.2.2). Der Geschäftsführer merkt an, dass man zwar schon erste Erfahrungen im Hinblick auf die Entwicklung von Antrieben vorweisen könne, allerdings noch erhebliches Wissen fehle, so dass zunächst einmal Erkundungs- bzw. Problemlösungsdiskurse angebracht wären, um zu klären: Was müssen wir dann für die Zukunft hier auch noch schaffen, damit wir da nicht, ja, blauäugig weiterhin drangehen? (0219–0222)
Freund ist bezüglich der Grundsatzentscheidung selbst unsicher, was sich in seinem Kommunikationsverhalten widerspiegelt:
133 Ist... ist wirklich ’ne offene Frage, keine... Ist für mich... Ich /äh/ also ich möchte mit der Aussage jetzt hier nicht ’ne Wertung getroffen haben. (0260–0263)
Dementsprechend werden keine stichhaltigen Argumente vorgebracht, recht pauschal werden das Innerbetriebliche hier (0217) sowie mögliche Wettbewerbsnachteile als Dinge, die wir berücksichtigen müssen (0271f.) angeführt. Im Weiteren wird deutlich, dass Handlungsspiele in der Realität tatsächlich chaotische Züge aufweisen, denn es bleibt unklar, worauf sich die Argumentation nun eigentlich bezieht. Mit der als Strukturierungshilfe gedachten Formulierung Das zweite ist... (0227) schlägt Freund zunächst einen Bogen zu der aktuellen Anfrage, hinsichtlich derer er Produkt- und Gewährleistungshaftung zu bedenken gibt. Erst dann richtet er den Fokus wieder auf das Strategiethema. Er mahnt die Berücksichtigung möglicher Risiken an und schlägt vor, im Rahmen der nächsten Strategietagung ausführlich darüber zu diskutieren. Seine Frage: Aber vielleicht der direkte erste Kontakt, Herr Vorn, zu der Ausführung. Was... wie sehen Sie das von Ihrer Seite? (0285ff.)
bezieht sich allerdings wiederum auf das Multivan-Projekt. Zumindest nehmen der Vertriebsleiter und in der Folge auch seine Kollegen, die ebenfalls namentlich adressiert werden, entsprechend Stellung. Ihre Argumente unterstützen die des Entwicklungsleiters: Vorhandenes Know-how sowie die Chance, den Fuß in die Tür zu kriegen (0334) sprechen i. E. dafür, den Multivan-Auftrag anzunehmen. Bis hierher spielen sich die Gesprächspartner den Ball zu, bevor die Nachfrage des Geschäftsführers Was ist... was ist mit der Frage, die ich gerade gestellt habe? (0363f.) darauf verweist, dass dem Gesprächsverlauf aus seiner Sicht ein Missverständnis unterlag. Er wollte seine Mitarbeiter animieren, zu der Frage Stellung zu nehmen: Wie sehen Sie denn, /äh/ ja ich sag mal für die Zukunft Antrieb im Hause Hafe? (0364f.)
Tatsächlich hatte er die Frage in der Form vorher nicht gestellt, sondern Vertriebsleiter Vorn nach seiner Meinung zu der Ausführung, also zum Multivan gefragt. Im Gespräch kann dieses Missverständnis allerdings aufgelöst werden. Jedoch wird an dieser Stelle noch keine endgültige Entscheidung für oder gegen das Multivan-Projekt getroffen, sondern zunächst der zweite Argumentationsdiskurs fortgesetzt. 5.3.2.2 Argumentation II Das zweite Handlungsspiel der Argumentation, das unmittelbar aus dem ersten hervorgeht, findet zu dem Zweck statt, eine Entscheidung in einer strategischen Grundsatzfrage vorzubereiten. In diesem Handlungsspiel vertreten die Beteiligten von vornherein ihre individuellpersönlichen Meinungen. Das zeigt bereits die erste Stellungnahme von Entwicklungsleiter Dr. Hunt, der nun wesentlich häufiger das Personalpronomen ich gebraucht. Seine Position
134 ist differenzierter als in der Argumentation zuvor. Wiederum führt er den Erfahrungsschatz bei Hafe als Vorteil an, hinsichtlich des Wissens der Mitarbeiter in seiner eigenen Abteilung hegt er allerdings Bedenken, die er auch sogleich mit der indirekten Forderung verbindet: Also da muss definitiv was passieren (0381). Als Leiter der Entwicklungsabteilung hat Dr. Hunt großes Interesse an qualifizierten Mitarbeitern, und er nutzt die Chance, seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen, zumal dieser gut in die Argumentation passt. Darüber hinaus greift Hunt das Produkthaftungsargument des Geschäftsführers auf, das für ihn in der Zukunft Anlass zu einem Handlungsspiel der Planung gibt: Da sollte man... oder sollten Herr Quebeck und ich uns mal zusammensetzen und wirklich auch mal überlegen: Mit welchen Schritten kann man das mal absichern? (0391–0394)
Durch die nachträgliche Korrektur vom unpersönlichen man zum personalisierten wir bzw. ich wird der Äußerung der Charakter eines Angebots verliehen. Verbunden mit der indirekten Forderung ergibt sich eine Verhandlungssituation: Ich/wir bringe/n meine/unsere Expertise für das Unternehmen ein; ich/wir brauche/n dann aber auch ausreichend qualifizierte Mitarbeiter.11 Ohne explizite Aufforderung ergreifen daraufhin auch die anderen Bereichsleiter das Wort. Der Chance, mit ’nem neuen Produkt [...] vernünftig ins Rennen zu kommen (0413f.) stehen ihres Erachtens nach die bekannten Schwachstellen im Unternehmen gegenüber. Die Abteilungsleiterin für das Rechnungswesen gibt zu bedenken, dass die strategische Grundsatzfrage noch nicht abschließend beantwortet werden könne, weil zuvor weitere Handlungsspiele vom Typ Planung bzw. Problemlösung erforderlich seien, um beispielsweise fertigungstechnische Lösungen zu erörtern. Ebenso verweist der Vertriebsleiter auf die Notwendigkeit eines Argumentationsdiskurses, in dem Verständigung darüber erzielt werden sollte, ob man im Entwicklungsbereich weiterhin mit einem Kooperationspartner zusammenarbeiten will. Darüber hinaus stehe noch eine Grundsatzentscheidung im Bereich der Produktion aus, die seiner Meinung nach im Kreis der Führungskräfte zu fällen ist: Wollen wir die ganze Wertschöpfung selbst machen? Oder wollen wir [...] mit Partnern zusammenarbeiten...? (0471–0475)
Dahinter steht die Überlegung, dass durch Kooperationen Synergieeffekte zum Tragen kommen und sukzessive eigenes Wissen aufgebaut werden kann. Nach Meinung des Geschäftsführers ist damit ein gutes Stichwort (0478) geliefert, und er selbst unterbreitet auch sogleich einen Vorschlag für weitere Schritte: Das kann in der Anfangsphase /äh/ dahin gehen, dass man sagt: Wir bauen uns Partner auf... (0478ff.)
11
Die Frage nach den ‚richtigen‘ Mitarbeitern wird in dem Gespräch noch des Öfteren gestellt, u. a. im Hinblick auf die Anstellung eines weiteren Einkäufers.
135 Wohl wissend, dass er einen wichtigen Punkt in die Diskussion eingebracht hat, stellt der Vertriebsleiter fest, dass sich ein potentieller Partner bereits mit einer Arbeitsprobe vorgestellt hat. Dadurch stößt er einen Zwischendiskurs an, in dem er sowie der Entwicklungsleiter und der Geschäftsführer die Arbeitsprobe bewerten. Letzterer erkennt allerdings rechtzeitig, dass man damit das Handlungsspiel der Argumentation verlässt. Entsprechend seiner Moderatorenrolle fordert er daher seine Gesprächspartner auf, den Zweck des aktuellen Diskurses nicht aus dem Blick zu verlieren:12 Wir müssen aber hierbleiben jetzt (0509). Darauf reagiert Vorn mit: So. Nee, also. Um abzuschließen: Ja (0510). Ob seine Reaktion nun ein positives Votum für das Multivan-Projekt oder aber für die strategische Grundsatzoption darstellt, ist aus dem Gesprächsverlauf heraus an dieser Stelle wiederum nicht ersichtlich. Sein Kollege Dr. Hunt sieht daher Anlass für eine explizite Differenzierung der zwei unterschiedlichen Stränge, die dem Gespräch bis dahin unterlagen: ... das ist ein Thema für die Strategietagung. [...] die Entscheidung, die wir heute brauchen, ist /äh/: (.) Gehen wir hier13 rein? Machen wir das? (0512–0518)
Hunt hält die grundsätzliche Strategiefrage noch nicht für entscheidungsreif, insistiert allerdings, dass bezüglich des Multivan-Projekts eine Entscheidung getroffen wird. Der Geschäftsführer unterstützt diese Forderung durch ein zustimmendes Ja, und nachdem auch die letzte in der Runde, Bereichsleiterin Elter, ihr Votum abgegeben hat, schließt er den Argumentationsdiskurs mit einer Handlungsankündigung, die nunmehr deklarativen Charakter trägt: Ok. Gehen wir den Schritt. Machen wir. Den ersten. (0529f.)
Bezeichnend ist der Gebrauch des Personalpronomens wir. Die Entscheidungsfindung und -begründung stellt sich in der vorliegenden Besprechung – unabhängig von den einzelnen Handlungsspielen – als eine Gemeinschaftsleistung dar. Offensichtlich ist Geschäftsführer Freund an der expliziten Bestätigung durch seine Führungsmannschaft gelegen. Dies wird im Laufe des Gesprächs immer wieder deutlich. Als zu einem späteren Zeitpunkt, in der Diskussion um die Zusammenarbeit mit einem externen Berater, Bereichsleiterin Elter moniert Hier sind in einigen Köpfen ja schon viele Entscheidungen gefallen (1526f.), reagiert Freund leicht ironisch mit der Feststellung Da kann noch gar keine Entscheidung fallen. Du bist doch die Bereichsleiterin (1528f.). Wichtig ist ihm, dass bezüglich der für das Unternehmen richtungsweisenden Entscheidungen Konsens besteht. Zum einen liegt
12
13
Mit vergleichbaren metakommunikativen Äußerungen greift er immer wieder lenkend in den Gesprächsverlauf ein, so u. a. als man von einem Handlungsspiel der Argumentation (Entscheidung pro/contra Berater) immer mehr in einen konkreten Problemlösungsdiskurs abdriftet und Freund anmahnt: Wir gehen aber wie gesagt gerade ins Detail. Grundsatz (1134f.). Das Adverb hier bezieht sich auf die Entscheidung für oder gegen das Multivan-Projekt.
136 Freund augenscheinlich viel an einem partnerschaftlichen Verhältnis zu seinen wichtigsten Mitarbeitern.14 Zum anderen obliegt ihm als Geschäftsführer aber auch die Kontrolle über das Unternehmen und seine Entwicklung, daher kann er sich kaum neutral, sondern muss er sich klar im Unternehmensinteresse verhalten. In diesem Sinne beharrt er auf seinen kommunikativen Ansprüchen, was die nachfolgende Sequenz aus einem späteren Teil der Sitzung beispielhaft verdeutlicht: 1147 1148 1149
GF
Weicht mir nicht immer meinen Fragen aus. Wir stehen alle dahinter und wir sehen da zu, dass das zum Erfolg kommt. [Das] möchte ich hier
1150
LV
1151
GF
1152
LV
[Ja.]
1153
PL
[Ja.]
1154
LV
Deutliches „Ja”.
1155
GF
Ja? Gut.
[Ja.] hören [jetzt.]
Der Geschäftsführer fordert hier sehr bestimmt das Engagement seiner Führungsmannschaft ein. Auch an anderen Stellen insistiert er nachdrücklich auf einem gemeinsamen Votum, indem er beispielsweise nachfragt: Endgültige Entscheidung getroffen? Hierfür? (1519). Freunds Verhalten ist umso verständlicher, als im Unternehmen Hafe lange Zeit eine Führungsstruktur vorherrschend war, in der im Wesentlichen eine Person an der Unternehmensspitze Entscheidungen getroffen und durchgesetzt hat, während die Mitarbeiter wenig Eigenverantwortung und dementsprechend auch wenig Anreiz zur Eigeninitiative hatten. Ein kooperativer Führungsstil, wie ihn Geschäftsführer Freund anstrebt, kann nicht von einem auf den anderen Tag durch- bzw. umgesetzt werden.15 Kennzeichnend für die Übergangsphase sind vielmehr dialogische Sequenzen wie die oben zitierte, in der die Balance zwischen insistierendem Forderungscharakter einerseits und Konsensbestreben andererseits zum Ausdruck kommt. Grundsätzlich wird jedoch an der zugrunde gelegten Besprechung deutlich, dass die Führungskräfte bestrebt sind, im Interesse des Unternehmens zu agieren. In dem hier untersuchten Handlungsspiel der Argumentation beweisen sie jedenfalls einen umfassenden 14 15
Dies wird auch daran deutlich, dass Freund die Führungskräfte in der zweiten Person Plural anredet. Dies wurde auch im Rahmen der Gespräche deutlich, die ich mit dem Geschäftsführer persönlich geführt habe.
137 Blick auf das betriebliche Geschehen, der nicht nur nach innen gerichtet ist, sondern auch Optionen an der Grenze zwischen Organisation und Markt, wie beispielsweise die Kooperation mit anderen Firmen, berücksichtigt. Dies ist der Persuasion zuträglich, die sich hier als rationale Überzeugungskunst manifestiert. Allerdings müssen die vorgeschlagenen Möglichkeiten noch weiter eruiert werden, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann.16
5.3.3 Resümee Nachdem anhand exemplarischer Äußerungssequenzen die Gestaltung und Entwicklung dialogischer Handlungsspiele in einer Führungskräftebesprechung dargestellt wurde, soll hier noch einmal der Bogen zum Anfang des Kapitels gespannt werden. Es gilt zu reflektieren, wie den allgemeinen Zielen Rechnung getragen wird und ob die Interaktionspartner die nötige Zweckorientierung beweisen, sowohl im Hinblick auf das konkrete Gespräch als auch das Handeln im Unternehmen allgemein. Da der übergeordnete Zweck in der Entscheidungsfindung liegt, wird die Besprechung dominiert von Handlungsspielen der Argumentation, deren Komplexität dadurch bedingt ist, dass individuelle und kollektive Interessen, Unternehmensstrategie und -struktur Berücksichtigung finden. Die Argumente, die für oder gegen eine Entscheidung angeführt werden, tragen dem Zweck des Unternehmens Hafe – am Automobilzuliefermarkt als Entwicklungspartner für komplexe Projekte zu agieren – ebenso Rechnung wie den internen organisatorischen Bedingungen (Know-how ist vorhanden, es besteht aber Optimierungspotential bzgl. der internen Prozesse, der Mitarbeiterqualifikation etc.). Die Führungskräfte demonstrieren durch ihre Äußerungen, dass ihnen Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen bewusst sind. Sofern sie einerseits entsprechende Umsicht zeigen, andererseits konsequent auf konkrete (Verbesserungs-)Maßnahmen drängen (wovon sie ihr eigenes Handeln nicht ausnehmen), dürfte ihnen bei Hafe Erfolg beschieden sein. Schließlich ist es diese Grundhaltung, die der Geschäftsführer im Laufe der Besprechung mehrfach einfordert. Dies impliziert, dass das repräsentative Handlungsspiel der Argumentation als sekundär direktiv zu charakterisieren ist. Vor allem der Geschäftsführer, aber auch die ein oder andere Führungskraft, nutzt Argumente persuasiv, d. h. um die Mitarbeiter und Kollegen zu weiteren mentalen und/oder praktischen Aktionen zu bewegen. Auch wenn die Verständigung über zukünftige Handlungsoptionen im Mittelpunkt steht, sollte darüber das ebenfalls zu Anfang erwähnte Ziel der Abstimmung nicht in Vergessen-
16
Darin besteht auch ein wesentlicher Unterschied zu dem ersten Argumentationsdiskurs: Die Entscheidung für das Multivan-Projekt fällt in der Sitzung.
138 heit geraten. Hierzu ist festzustellen, dass die Bereichsleiter auf ihrer Ebene offensichtlich bereits kooperieren und auch für die Zukunft entsprechende Angebote machen. Für den Kreis der Führungskräfte kann ein kollegiales Verhältnis angenommen werden. Das Verhalten des Geschäftsführers orientiert sich dabei am Grundsatz des Primus inter Pares. Sein Bestreben, jeden Bereichsleiter einzubeziehen, seine zustimmende Reaktion, wenn von einem der Bereichsleiter eine Forderung an ihn gerichtet wird – all dies deutet darauf hin, dass er an einem partnerschaftlichen Verhältnis zu seinen Führungskräften interessiert ist. Bezeichnend dafür sind seine letzten Worte in dieser Sitzung: Und ich hatte, muss ich sagen, gerade so zwischendurch den Eindruck, dass hier und da auf einmal hier was zusammenwächst. Wurden solche...auf einmal solche Hilfestellungen gegeben. Fand ich gut. (2459–2463)
Die Äußerung ist in erster Linie unter Motivationsgesichtspunkten zu betrachten. Wahrscheinlich bezieht Freund sich mit der Feststellung, es seien Hilfestellungen geleistet worden, auf die im letzten Teil des Gesprächs von mehreren Seiten eingebrachten Vorschläge im Hinblick auf ein aktuelles Kundenprojekt. Der Geschäftsführer zollt aber weniger der Problemlösungskompetenz seiner Mitarbeiter Anerkennung als vielmehr der Art und Weise, wie diese im Gespräch und hoffentlich auch in der praktischen Umsetzung kooperieren. Die Metapher des Zusammenwachsens stellt einen treffenden bildlichen Ausdruck für die Situation des Unternehmens einerseits und für die Gesprächssituation andererseits dar. Das Unternehmen befindet sich an einer Stelle in seiner Entwicklung, an der sich die Frage nach Wachstumsmöglichkeiten stellt. In dieser Hinsicht sind noch viele Entscheidungen zu treffen – die ein oder andere wird im Besprechungsverlauf genannt bzw. weiteren dialogischen Handlungsspielen anheim gestellt. Indem sie sich gegenseitig von ihren Positionen und Lösungsvorschlägen überzeugen, wachsen dabei letztlich auch die Führungskräfte als Team zusammen.
5.4
Analyse eines Gesprächs zur Entscheidungslegitimation und Planung: Wir werden also konsequent aus betriebswirtschaftlichen Gründen aufzeigen, ob es Sinn macht oder nicht
Die zweite zu analysierende Besprechung fand Anfang 2004 im Handelsunternehmen Schick statt. Es handelt sich um ein sog. Geschäftsführungs-Meeting.17
17
So die interne Bezeichnung im Unternehmen. Ich spreche im Folgenden synonym von Geschäftsführungssitzung bzw. Geschäftsführungsbesprechung.
139 5.4.1 Anlass und Gesprächsdauer Teilnahmeberechtigt an der Geschäftsführungssitzung bei Schick, die normalerweise einmal monatlich abgehalten wird, sind neben den drei Geschäftsführern drei Vertriebsleiter, die für die Filialen in den Regionen Nord, West und Süd zuständig sind.18 Weiterhin ist der Einkaufsleiter anwesend. Da die Geschäftsführer in ihrer Funktion nicht nur die kaufmännische Gesamtverantwortung tragen, sondern zugleich den Zentralbereichen Marketing und Vertrieb sowie dem Einkauf vorstehen, repräsentiert der Teilnehmerkreis die beiden obersten Managementebenen im Unternehmen.19 Aufgrund der Tatsache, dass die Vertriebsleiter einer intensiven Reisetätigkeit nachgehen und auch die Geschäftsführer oftmals durch andere Termine gebunden sind, kommt es nicht selten dazu, dass ein Geschäftsführungs-Meeting verschoben werden muss. Dies trifft auch auf die analysierte Besprechung zu, so dass der Berichtszeitraum nunmehr zwei Monate umfasst. Entsprechend weit ist auch der zeitliche Rahmen: Das Meeting erstreckt sich über fünf Stunden.20 Allgemein lassen sich die wesentlichen Ziele wie folgt fassen: – Die Führungskräfte sind am Ende der Sitzung über die aktuelle Geschäftslage informiert; – sie haben weiterführende Maßnahmen zur zielgerichteten Unternehmensentwicklung diskutiert bzw. beschlossen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Maßnahmen strategischen Charakters, die die mittel- bis langfristige Entwicklung des gesamten Unternehmens betreffen. In der analysierten Sitzung bilden sich drei thematische Schwerpunkte heraus. Als erster Punkt steht die Geschäftsentwicklung21 im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres auf der Agenda. Der vorsitzende Geschäftsführer informiert die Beteiligten, wie sich die unterschiedlichen betrieblichen Kennzahlen (Umsatz, Rohertrag etc.) derzeit darstellen. Daraufhin folgt eine kurze Analyse der unterschiedlichen Regionen. Im zweiten Block werden Maßnahmen für die weitere zielgerichtete Entwicklung des Unternehmens diskutiert. Für ein Handelsunternehmen wie die Firma Schick liegen wesentliche Optimierungspotentiale in den Filialen. Entsprechend verständigt man sich in diesem Teil, der rund 40 Minuten 18 19
20 21
Die Filialen im Osten Deutschlands sind auf die Regionen Nord und Süd aufgeteilt. Für das Handelsunternehmen Schick haben die Absatzregionen folglich eine ungleich höhere Bedeutung als für den Industriebetrieb Hafe, der auf der Ebene unter der Unternehmensleitung rein funktional (nach Abteilungen) strukturiert ist. Die Sitzung wurde nicht komplett, sondern in Teilen transkribiert, die insgesamt 70 Minuten umfassen. Der Terminus ‚Geschäftsentwicklung‘ ist hier im allgemeinen Sinne zu verstehen, d. h. er bezieht sich nicht auf die Entwicklung einzelner Geschäfte, sondern auf die Entwicklung des Unternehmens insgesamt.
140 umfasst, hauptsächlich über den Ist- und Soll-Zustand einzelner Filialen.22 Basis ist die Klassifizierung in A-, B-und C-Filialen,23 wobei vor allem die letzte Kategorie Anlass zur Diskussion gibt, weil sie solche Geschäfte umfasst, die hinter den Erwartungen zurückbleiben. Der dritte Themenblock betrifft die Zentralbereiche Einkauf und Marketing. Auch hier gilt es den Stand bzw. Probleme in aktuellen Projekten darzustellen und weiterführende Maßnahmen zu beschließen.
5.4.2 Dialogische Handlungsspiele Im Rahmen der folgenden Analyse konzentriere ich mich auf den zweiten Teil der Sitzung. Dadurch lässt sich ein weiteres Beispiel dafür gewinnen, wie strategische Entscheidungen dialogisch ausgehandelt werden, denn die Frage, ob man Filialen schließen oder weiter investieren soll, ist Gegenstand der längerfristigen, strategischen Geschäftspolitik. Selbstverständlich ist die Geschäftspolitik im Ganzen nicht über einen begrenzten Gesprächsausschnitt zu begreifen. Zur Orientierung und besseren Einordnung in den Gesamtkontext soll zunächst kurz auf den ersten Teil der Sitzung eingegangen werden.24 Das erzielte Ergebnis, die sich daraus ergebenden Folgen und letztlich auch die Art und Weise, wie damit kommunikativ-dialogisch verfahren wird, bilden eine entscheidende Grundlage für das zukünftige Handeln im Allgemeinen und den Gesprächsverlauf im Besonderen. 5.4.2.1 Von der Information zur Motivation Als Vorsitzender der Geschäftsführung bilanziert Geschäftsführer Ring zu Anfang der Sitzung, wie sich das Geschäft für Schick im letzten Quartal entwickelt hat. Er stellt dem erreichten Ergebnis die Planzahlen gegenüber und verbindet die Beschreibung direkt mit einer Bewertung: Wir hatten uns noch mal auf die Agenda geschrieben die Geschäftsentwicklung für das erste Geschäfts.../äh/ Quartal des neuen Geschäftsjahres [...]. Mit dem wir in der Summe denk ich wirklich sehr zufrieden sein können. (0002–0006)
22 23
24
Vorgeschaltet ist noch das Thema Warenrückrufaktion, das allerdings auch das Warenmanagement in den Filialen betrifft und daher diesem Themenblock zugeordnet wird. Entsprechende Rankingskalen finden in der Wirtschaft häufig Verwendung. So werden bspw. auch Produkte als A-, B- oder C-Produkte eingestuft, wobei die A-Kategorie die Spitzengruppe, die B-Kategorie das Mittelfeld und die C-Kategorie den Rest beschreibt. Im ersten Teilkapitel wird somit auch noch keine genaue Analyse längerer Äußerungssequenzen vorgenommen. Vielmehr werden Phänomene herausgegriffen, die bezeichnend für die Besprechung sind und auf die auch im Weiteren zurückgekommen wird.
141 Nach einer kurzen Erläuterung der Umsatzentwicklung richtet Ring Lob und Dank an die Führungskräfte: Also insofern noch mal großes Kompliment und Dankeschön an Sie alle. (0022f.)
Bei der Analyse der unterschiedlichen Regionen stellt sich die Lage dagegen schon differenzierter dar: Vor allem im Osten haben die Geschäfte ihr Umsatzziel vielerorts nicht erreichen können. Die Vertriebsleiter wissen dies zum größten Teil zu begründen. Darüber hinaus üben sie indirekt Kritik an bestimmten strategischen Vorgaben (Wenn der Umsatz nicht stimmt, totsparen können wir uns dann auch nicht. Das bringt’s nicht, 0076ff.) oder sie bringen bereits Verbesserungsvorschläge ein (Es ist ganz wichtig für die Ostfilialen ’n extra Warenprogramm zu haben, 0111). Schon hier wird deutlich, dass die Vertriebsleiter sich ihren Regionen und Filialen einerseits eng verbunden fühlen (vgl. den Gebrauch des Personalpronomens in der 1. Pers. Plural), sie sich aber anderseits auch mit dem Gesamtunternehmen identifizieren. Dies belegen zum einen Äußerungen wie Glaube an uns und Glaube an unser Sortiment, ne? Das hat ja enorm zugenommen (0203f.). Zum anderen beziehen Geschäftsführung und Vertriebsleiter gemeinsam Position gegenüber dem Wettbewerb, insbesondere distanzieren sie sich von ‚Rabattschlachten‘, wie sie zu der Zeit kennzeichnend für den Handel waren (vgl. 0289–0315). Am Übergang von der Ist-Analyse zu den Soll-Maßnahmen zeigt sich das Top-Management offensichtlich bemüht, die Führungskräfte als Team zu motivieren. Nachdem Geschäftsführer Groß aufgefordert hat, noch mal ’n bisschen Gas [zu] geben (0483), lenkt Geschäftsführer Ring den Blick auf das gemeinsam (0488) zu erreichende Ziel. Dabei beweist er rhetorisches Geschick: Mit der Äußerung Aber ich sag mal, trotzdem glaube ich können wir heute schon sagen – wie in den letzten Jahren auch – dass wir unser Bestandsziel gemeinsam schaffen werden. (0486–0489)
gibt er eine persönliche (Ziel-)Einschätzung ab. Durch den Einschub wie in den letzten Jahren auch wird dieser allerdings der Charakter einer Feststellung verliehen. Dass sich Prognosen in der Vergangenheit immer wieder bewahrheitet haben, wird als Garant für eine erneute Bestätigung in der Zukunft gewertet. M. E. liegt hier ein überzeugendes Beispiel für persuasiven Sprachgebrauch vor, zumal die Äußerung eine ‚Gelenkstelle‘ im Gesprächsverlauf markiert: Von nun an gilt es das kommende Jahr zu planen, d. h. weitere Ziele und Maßnahmen zu erörtern und festzulegen. Die Beteiligten handeln in dem Wissen, dass es sich dabei um eine Herausforderung handelt, und Geschäftsführer Ring fasst die Situation folgendermaßen zusammen: Und jetzt beginnt natürlich das viel Spannendere, nämlich die Ergebnisverteidigung. Das ist ein ganz neues Lustgefühl. Tut aber viel mehr weh. (0502–0506)
142 Einerseits wird hier ein Neubeginn evoziert, andererseits impliziert die Metapher Ergebnisverteidigung,25 dass die Messlatte bereits vorgegeben wurde. In diesem Sinne stellen betriebliche Kennzahlen einen entscheidenden Orientierungsmaßstab dar, wie die folgende Feststellung von Geschäftsführer Ring unterstreicht: Aber alles hängt letzten Endes in erster Linie erst mal vom Umsatz und Rohertrag (ab). (0584f.)
Bezüglich dieser Kennzahlen wurde bereits im Kreis der Unternehmensleitung eine Einigung erzielt. Ähnlich verhält es sich mit strategischen Maßnahmen, die Ring als Befreiungsschlagmaßnahmen (0588) tituliert. Zumindest die generelle strategische Linie steht also schon fest; jetzt gehe es darum, dass wir unsere Befreiungsschlagmaßnahmen konsequent umsetzen (ebd.). Ganz auf dieser Linie liegen die dialogischen Handlungsspiele, die es im Folgenden genauer zu betrachten gilt. Sie stehen alle in Bezug zum Thema Filialentwicklung, das – wie bereits betont – für das Unternehmen Schick von strategischer Relevanz ist. 5.4.2.2 Von der Argumentation zur Planung Die zielgerichtete Ausrichtung der Filialen ist ein komplexer Zweck, da hier ganz unterschiedliche Situationen und Konstellationen Berücksichtigung finden müssen. Dies spiegelt sich in den dialogischen Handlungsspielen wider. Grundlegend für die weitere Analyse ist somit die Annahme, dass wir es mit unterschiedlichen Typen von Handlungsspielen zu tun haben, die in der Performanz nah beieinander liegen. Dem soll einerseits Rechnung getragen werden, indem unmittelbar aufeinander folgende Handlungsspiele in einem Unterkapitel zusammengefasst werden. Andererseits gilt es Klarheit im Hinblick auf den funktionalen Charakter eines Handlungsspiels zu gewinnen, was nur gelingt, wenn die Ebene der Performanz erweitert wird um die der Kompetenz, so dass zur Erläuterung dialogischer Sequenzen auf den Kontext des betrieblichen Handelns zurückgegriffen wird. Relevant wird dieser Zusammenhang gleich zu Beginn des Themenkomplexes. Mit den Filialen, die in absehbarer Zeit geschlossen werden sollen, kommen direkt die größten Problemfälle zur Sprache.26 Man könnte annehmen, dass dies im Rahmen eines Hand-
25 26
Es ergeben sich Assoziationen zum militärischen Kontext, ähnlich wie beim bildhaften Ausdruck Befreiungsschlag, der kurz darauf verwendet wird (vgl. 0588). Vorgeschaltet ist eine kurze Informationssequenz, von Geschäftsführer Ring mit den Worten eingeleitet: Also, ich wollt Sie noch mal updaten zum Thema /ehm/ Filialen (0734). Der Gebrauch des englischsprachigen Verbs updaten impliziert, dass bereits eine gemeinsame Basis an Informationen vorausgesetzt wird. Nun geht es darum, die Gesprächsteilnehmer auf den neuesten Stand zu bringen.
143 lungsspiels der Problemlösung geschieht, doch wäre dieser Schluss vom Inhalt auf den Gesprächszweck kurzsichtig. Da die Schließungen bereits beschlossen wurden (vgl. 0740f.), stellt sich die Frage ‚Was machen wir, um die Filialen auf Kurs zurückzubringen?‘ gar nicht mehr. Der Aufgabe, die es nun kommunikativ zu bewältigen gilt – gemeinsam zu überlegen, wie bei den Schließungen am zweckmäßigsten zu verfahren ist – entspricht vielmehr ein Handlungsspiel der Planung (vgl. Kap. 4.4.1.3). Die Unternehmensleitung selbst macht deutlich, dass Handlungsspiele der Problemlösung keine Aussicht auf Erfolg haben. Als Vertriebsleiter West einen ‚Rettungsversuch‘ unternimmt, indem er vorschlägt, mit einer einmaligen Abschreibung Investitionen zu senken und eine Filiale zurück auf Kurs zu bringen, hält Geschäftsführer Ring mit betriebswirtschaftlichen Argumenten dagegen: 0767 0768 0769 0770 0771 0772 0773 0774 0775 0776 0777 0778 0779 0780 0781 0782 0783
AW
Ja, wir haben uns... Herr Süd und ich haben uns heute morgen länger noch mal drüber unterhalten. Wenn das jetzt so’n Thema ist, dass man vielleicht aus Herzblutgründen nicht schließen will, das Teil. Gibt es denn die Möglichkeit, dass man sagt: Das Problem, was wir ja dort haben, sind die großen Investitionen. Also wir kommen mit dem Umsatzvolumen, was wir jetzt haben, kommen wir einfach nicht richtig zurecht, ja. Uns wird es gelingen innerhalb der nächsten Jahre um ein, zwei, drei Prozent noch zu steigern. Es wird normal laufen, aber es wird nicht den großen Sprung geben. Gibt es ‘ne Möglichkeit, dass wir mit dem Geld, was wir da zur Verfügung haben, mit ‘ner einmaligen /äh/ Abschreibung oder irgend etwas unsere Investitionen senken? Und dadurch dann...
0784 0785 0786 0787 0788 0789 0790 0791 0792
KR
Es ist...es ist Folgendes, /ehm/ Herr West. Das ist genau ja die Krux gegenüber den Wirtschaftsprüfern. Weil wir müssen zwei Dinge sehen. Wir haben im Jahresabschluss... Also, das gibt steuerlich Probleme. Und zwar wie folgt: Wir haben... Ich mein, das Thema ist auf der einen Seite ich sag mal in Anführungsstrichen dieses Herzblut. Was ich nachvollziehen kann [und aber auch...]
0793
AW
[Ja, ich hab das nicht, (xxx)]
144 0794 0795 0796 0797 0798 0799 0800 0801 0802
KR
Nee, ich wollte nur sagen... Nee, wie gesagt dieses Herzblut, was jemand haben kann für so einen Standort. Kann ich nachvollziehen, von der Seite. Betriebswirtschaftlich können wir das überhaupt nicht mittragen. So, und wir müssen darauf beharren, wenn ‘ne Entscheidung jetzt dann getroffen wird, an dem Standort festzuhalten, ja? Dann müssen wir dieses Delta in irgend ‘ner Form ausweisen. [...]
Dem Handlungsspiel der Planung wird ein Handlungsspiel der Argumentation vorgeschaltet, das dem Zweck dient, die Position, die die Geschäftsführung eingenommen hat, noch einmal zu bekräftigen. Anlass dazu gibt in diesem Fall die Auseinandersetzung mit einer offensichtlich einflussreichen Person im Unternehmen, die die Schließung mindestens einer Filiale aus Herzblutgründen (0770) verhindern will. Einer emotional geführten Argumentation begegnet Geschäftsführer Ring, indem er deutlich macht, dass sie betriebswirtschaftlichen Rechnungen nicht standhalten würde: Betriebswirtschaftlich können wir das überhaupt nicht mittragen. (0797f.)
Dieses Argument dient im ökonomischen Kontext als das letztlich entscheidende, gegen das kaum etwas eingewendet werden kann. Hier ist allerdings auch nicht der Raum für einen ‚echten‘ argumentativen Aushandlungsdiskurs, schließlich ist der Beschluss der Standortschließung bereits gefallen. Zutreffend wäre es daher, hier von einer ‚rekonstruierten‘Argu mentation zu sprechen, zumal die Position gegenüber den Firmeninhabern schon vertreten wurde (vgl. 0846–0851). Bemerkenswert ist, wie die Geschäftsleitung nun auf einer ökonomisch begründeten, konsequenten Haltung insistiert. So fordert Geschäftsführer Ring seine Kollegen und sich selbst auf: Ja gut, aber dann müssen wir in Zukunft dieses Standing und diese Konsequenz besitzen und sagen: Wir lassen die Finger davon. So. Definitiv. (0877–0880)
Konsequenz ist anscheinend nicht nur in diesem Zusammenhang ein Schlüsselwort. Die mit einer Forderung verbundene Feststellung von Geschäftsführer Groß: Also das...das Thema, was wir da an der Stelle haben, ist im Prinzip ja – das muss man auch noch mal so kommunizieren – das Thema der Konsequenz. (0834–0837)
impliziert, dass nicht mangelhaftes Management, sondern unzureichende Konsequenz in der Umsetzung von Beschlüssen Ursache für viele Probleme im Unternehmen sein dürfte. Durch repräsentative Sprechakte, in denen das starke Modalverb müssen dominiert, unterstreicht die Geschäftsleitung, dass Beschlussfassungen als verbindliche Leitlinien zu gelten
145 haben (vgl. 0856, 0859). Gerade bei einem so brisanten Thema wie der Filialschließung, die mit Kündigungen und ähnlichen Unannehmlichkeiten verbunden ist, müssen sich die Verantwortlichen darüber verständigen, ob alle erdenklichen Argumente und Gegenargumente berücksichtigt wurden. Schließlich existieren neben der oben angesprochenen Filiale noch andere Schließungskandidaten, bei denen es ähnliche Diskussionen geben könnte. Um letztlich ineffektiven weiteren Aushandlungsdiskursen zuvorzukommen, verfolgt die Geschäftsführung eine Strategie des ‚Fakten schaffens‘:27 Beschlüsse sollen schriftlich dokumentiert und kommuniziert werden, um eine höhere Verbindlichkeit zu gewährleisten. Geschäftsführer Ring stellt in diesem Sinne fest: Nee, es ist Folgendes: Ich muss schriftlich den Beschluss haben, dass der [Filiale; S.S.] zu dem Termin gekündigt wird. (0965ff.)
Erst nach der verbindlichen Beschlussfassung dürfen beispielsweise die betroffenen Mitarbeiter informiert werden. Dies ist Aufgabe der Vertriebsleiter, während die Geschäftsführer diejenigen sind, die offizielle Kündigungen aussprechen können. Somit spiegelt sich die hierarchisch-funktionale Aufbauorganisation in der Ablauforganisation wider. Die Argumentation geht dann gleichsam fließend in die Planung über. Nachdem das Stichwort ‚Ausverkauf‘ gefallen ist, leitet Geschäftsführer Groß mit der metakommunikativen Äußerung: Und was wir generell jetzt hier beschließen sollten, ist, was wir mit diesen Filialen, die wir jetzt hier auf der Liste haben, machen in Richtung Ausverkauf. (1063–1066)
die eigentliche Planung ein, die dem Zweck dient, die Gestaltung des Ausverkaufs zu erörtern und entsprechende Maßnahmen zu beschließen. Aufgrund der Tatsache, dass konkrete Maßnahmen in Form von Ausverkäufen bereits eingeleitet wurden, dominieren in diesem Teil Feststellungen; die Gesprächsteilnehmer haben eine genaue Vorstellung von den weiteren Schritten:28 1068 1069 1070
LN
Also ich habe zum Beispiel in Fandsbek, sag ich mal die Hälfte der Fenster mach ich Ausverkauf. So.
1071
AW
Siegen haben wir auch [auf...]
1072 1073 1074
LN
[Hannover] Straße ein Drittel der Fenster Ausverkauf. Sonst krieg ich ja gar keine Umsätze [erfasst.]
27 28
Vgl. die Feststellung von Geschäftsführer Ring: Ich muss Fakten schaffen (0968). Die Ortsangaben wurden abgeändert, ebenso die Zahlen.
146 1075 1076 1077 1078 1079 1080
AW
[Ja.] Also wir haben Siegen auch fast alles auf Ausverkauf. Wir haben noch ein bisschen Kernsortiment drin, wobei wir das, wenn...wenn das jetzt der Termin da ist, rausnehmen werden. Dann werden wir nur noch auf Rot machen.
Auch wenn die Vertriebsleiter die Experten für die operativen Maßnahmen vor Ort sind, bringen die Geschäftsführer – hier insbesondere Groß – durch gezielte Nachfragen indirekt Vorschläge für mögliche Handlungsalternativen ein:
1081
NG
Aber was..was ist denn mit Bielefeld?
1082
LN
Bielefeld ist nichts für Ausverkauf. Das...
1083 1084
NG
Nee? Echt nicht? Nicht bei der Klientel da oben? Vielleicht (lockt) der dann mal?
1085 1086
LN
Gut, machen wir die Fenster...die Fenster machen wir Ausverkauf rein.
Ein längerer Aushandlungsdiskurs entwickelt sich dabei nicht, vielmehr wird relativ schnell Verständigung erzielt. Nach einem kurzen Zwischendiskurs (Wie soll mit ungeplanten Kontrollbesuchen in den Filialen umgegangen werden?) beendet Geschäftsführer Groß das Handlungsspiel mit der metakommunikativen Äußerung Ja, das war das zum Thema Filialen (1143). 5.4.2.3 Problemlösung Damit ist das Filialthema allerdings noch nicht abgeschlossen. Geschäftsführer Ring kommt nun auf die Neueröffnungen des vergangenen Jahres zu sprechen. Grundlage ist wiederum der Blick zurück, auf das Ergebnis, das die im Jahr 2003 neu eröffneten Filialen erwirtschaftet haben. Die Bilanz fällt gemischt, im Großen und Ganzen aber eher negativ aus, und für Geschäftsführer Ring stellt sich die Frage: Was tun wir an den Standorten an Maßnahmen, um das in Richtung Renta zu bewegen? (1176ff.)
Ausgehend von diesem zentralen explorativen Sprechakt sind die folgenden Sequenzen Beispiel für ein Handlungsspiel der Problemlösung, das die typischen Phasen aufweist:
147 1. Feststellung einer negativen Ausgangssituation 2. Analyse (Wie konnte es dazu kommen?) 3. Suche nach Handlungsalternativen Das Wie, d. h. die konkrete Gestaltung der Handlungsoptionen steht hier (noch) nicht zur Debatte; zunächst ist Verständigung darüber zu erzielen, was überhaupt getan werden kann, um die Ziele noch weitestgehend zu erreichen. Bei der Ist-Analyse ergreifen die Vertriebsleiter mit der metakommunikativen Äußerung Darf ich dazu was sagen?/Kann ich kurz was dazu...? (1194 u. 1263) das Wort. Sie stellen sich weitgehend vor ihre Filialen, indem sie beispielsweise negative Abweichungen durch ungünstige äußere Umstände erklären (1196–1209). In jedem Fall sehen sie realistische Verbesserungspotentiale – wenn bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen worden sind und vor allem die langfristige Entwicklung berücksichtigt wird: 1263
FS
[(Kann) ich kurz was dazu...]
1264
KR
ja
1265 1266 1267 1268 1269 1270 1271 1272 1273 1274 1275 1276 1277 1278 1279 1280 1281 1282 1283
FS
...dazu sagen? Seite zwei, Einkaufscenter. Wir haben’s ja schon mal gemerkt mit dem Einkaufscenter in Siegburg, dem ECE-Center, was total beschissen gestartet ist. Und wir haben in beiden Filialen richtig Potential. Wir sind fast ohne Werbung gestartet momentan. Wir haben zu wenig gemacht, wir haben gedacht, nur mit Mitarbeitern, mit guten Mitarbeitern schaffen wir das und greifen richtig an. Und wir brauchen dort auch so’n, ich sag mal Kommunikationsgenie als Filialleiter, der sich da wirklich in diese ganze mittelständische Szene einbringt und dort halt der Juwelier vor Ort ist. Das haben wir in beiden Orten noch nicht geschafft; da sind wir aber dran. Die Zahl, die da steht, die so zu schaffen, seh ich nicht. Aber ich seh ja diese Entwicklung, in Siegburg in zwei, drei Jahren sowas zu schaffen.
Geschäftsführer Ring spitzt die Diskussion wiederum auf eine betriebswirtschaftlich motivierte Grundsatzentscheidung zu:
148 1284 1285 1286 1287 1288 1289 1290 1291 1292 1293 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300 1301 1302 1303 1304 1305 1306 1307 1308
KR
Gut, heißt aber... Worum’s mir nur an der Stelle geht... Und ich denke, wie gesagt, es kann ja immer...man hat immer ‘ne Fehleinschätzung dabei, darum geht’s ja gar nicht. Nur wir diskutieren ja über diese C-Filialen, wo wir jetzt mit viel Geld Filialen eben schließen. Ja? Die wir zum Teil ja auch neu eröffnet haben. Und die Frage ist: Wie kommen wir eben da hin, da ‘ne Renta /äh/ so abzugeben, wo wir sagen: Das ist Fakt, was anderes kommt nicht bei raus. Und dann steht da ‘n EVA, der ist negativ. Und dann muss man entscheiden: Will man strategisch mit ‘nem negativen EVA so für so’n Objekt kämpfen. Weil wir sagen: Wir sehen das für die nächsten fünf oder zehn Jahre. /Ehm/ und lebt damit, dass man fünf Jahre auch negative Deckungsbeiträge erwirtschaftet, im Zweifel. Ich sag mal, kann ja ‘ne strategische Entscheidung sein. Oder aber /äh/ wir sagen, wir lassen die Finger davon aus eben Renditegründen. Ich glaube nur einfach, wir müssen uns dann damit bekennen. Ich weiß, dass in der Vergangenheit immer mal so Ansätze waren, auch wenn die Investitionen höher waren, dass man gesagt hat: Na ja, da machen wir noch mal beim Umsatz 100.000 drauf. [...]
Unabhängig von den einzelnen Problemfällen, die bis dato diskutiert wurden, sieht die Geschäftsleitung – wie oben bereits erläutert – ein grundsätzliches Problem in mangelhafter Konsequenz in Bezug auf den Prozess von der Entscheidungsfindung bis hin zur Umsetzung. Im Endeffekt geht es ihr um prinzipielle ‚Spielregeln‘,29 die das praktische wie das kommunikative Handeln im Unternehmen betreffen. Die Rentabilitätsrechnung stellt dabei ein Mittel zum Zweck dar, insofern Kennzahlen wie der sog. Equity Value Added (kurz EVA) dem Bestreben nach einigermaßen objektiven Daten und Fakten entgegenkommen (vgl. Kap 4.1). Transparenz paart sich hier mit Konsequenz, da die Manager sich gegenseitig darin bestätigen, dass sie im Falle von Interessenkonflikten in Zukunft ihre Linie deutlicher vertreten wollen. Dies zeigt sich in der Fortsetzung der oben begonnenen Sequenz:
29
Vgl. auch die Äußerung von Geschäftsführer Groß: Ich glaube, dass wir auch in Richtung Vorstand noch mal ganz klar kommunizieren müssen, wie hier so unsere Spielregeln sind (1335ff.).
149 1310 1311 1312 1313 1314 1315 1316 1317 1318 1319
KR
Frühjahr letzten Jahres hatte ich einige solcher Diskussionen gehabt ja auch mit Herrn Werner, wo es dann drum ging: Ja, also... Ich weiß. Ja? Gerade was Aalen anging. Ich glaub da hatten wir am Anfang auch mal ‘ne andere Umsatzgröße stehen. Und die wurde dann hinterher noch mal ‘n bisschen erhöht im Umsatz. So, und ich glaube, da müssen wir einfach für unsere Beschluss... Also, da können wir uns nicht mehr drauf einlassen. Denn hinterher [wird...] Hinterher
1320
LN
1321 1322 1323
KR
fragt keiner was und dann heißt es einfach: Wir schaffen hier nicht die Performance. Also hier müssen wir einfach anders werden, besser werden.
1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330
NG
Ich sehe auch den Umstand, dass wir ab und zu vielleicht auch mal wirklich dann so ‘ner ECE ‘ne Absage erteilen müssen. Damit die auch noch mal sehen, dass die Mieten, die sie für uns ansetzen, zum Teil wirklich zu hoch sind. Wir können da nachher noch mal separat, Herr Ring, zwei...zwei Fälle besprechen, Passau [und]
1331
KR
1332 1333
NG
Saarbrücken. Da haben wir ja noch was offen. [Nach]her noch mal zusammensetzen.
1334
KR
[ja]
1335 1336 1337 1338 1339 1340 1341 1342
NG
Aber... Ich glaube, dass wir auch in Richtung Vorstand noch mal ganz klar kommunizieren müssen, wie hier so unsere Spielregeln sind. Ich werd das selber schon mal im Vorfeld auch mit Herrn Hölter machen, der versucht uns Münster permanent irgendwie unterzuschieben, ja. Wo wir auch jetzt in der letzten Woche gesagt haben: Jetzt reicht’s. So und /äh/ [da...]
1343
LN
1344 1345
NG
[Hinterher...]
[ja]
[Ich hatte...] Da müssen wir konsequent wirklich draufhalten jetzt. Sonst bringt uns das um.
Zum einen wird hier auf einen betriebsinternen Konflikt angespielt, zum anderen bezieht sich Geschäftsführer Groß auf Verhandlungen mit externen Anspruchsgruppen, in diesem
150 Fall mit dem Einkaufscenter-Management. Wie sich auch an späterer Stelle zeigt, waren in der Vergangenheit schon des Öfteren Geschäfte Verhandlungsgegenstand, die dann nicht die erwünschte Rendite erbracht haben. Im Zuge seiner Argumentation entwickelt Groß mehr und mehr eine klare Position – vom vorsichtigen Äußern der eigenen Meinung Ich sehe auch den Umstand, dass wir ab und zu vielleicht auch mal... (1324f.) hin zur deutlichen Forderung Da müssen wir konsequent wirklich draufhalten jetzt (1344f.). Auf diese Weise geht der Problemlösungsdiskurs in ein Handlungsspiel der Planung über, denn von nun an verständigen sich die Gesprächsteilnehmer darüber, was in Zukunft getan werden soll. 5.4.2.4 Planung Im Rahmen der theoretischen Grundlegung wurde das Festlegen von Zielen und Maßnahmen für die Zukunft als allgemeiner Zweck eines Handlungsspiels der Planung ausgewiesen (vgl. Kap. 4.4.1.3). Optionen für die Zukunft stehen im Folgenden auch auf der Agenda der Geschäftsführungssitzung. Die entsprechende Einstiegsfrage von Geschäftsführer Groß: Sollen wir noch mal eben die Wunschstandorte für dieses Jahr irgendwo festlegen? (1387f.)
ist dabei nicht durch einen Wissensanspruch motiviert, vielmehr wird dem Gespräch hier eine neue Zweckrichtung gegeben: Von nun an dominiert ein repräsentativer Wahrheitsanspruch, der sich auf die Expansion des Unternehmens bezieht. Nach seiner das weitere dialogische Handeln vorbereitenden Äußerung unterbreitet Groß sogleich selbst einen ersten Vorschlag: Also ich schreib mal eben Ahrensstraße auf, ja? (1388f.). Seine Gesprächspartner schließen sich an und vervollständigen die von Groß angelegte Liste um weitere Standorte. Der Diskurs hat zu Anfang noch den Charakter eines Brainstorming, wobei bald auch Bewertungen mit ins Spiel kommen (vgl. Das ist out, 1399; Ulm ist furchtbar, oder?, 1436). Dass man nicht ganz unvorbereitet in die Planung geht, zeigt eine Landkarte, auf der die Geschäftsführung bereits die i. E. nach attraktiven Standorte markiert hat. Nachdem Groß mit der Feststellung: Das sind 10 Standorte. Die geb ich jetzt morgen dem Hölter und sag dem Hölter, wir wollen nichts anderes mehr haben. (1447ff.)
das Handlungsspiel anscheinend schon zu einem Abschluss bringen will, entwickelt sich noch ein längerer Aushandlungsdiskurs. Im Hinblick auf weitere, potentiell interessante Standorte melden die Vertriebsleiter nämlich Zweifel an, hier gilt es, die Tragfähigkeit der Optionen sorgfältig zu prüfen:
151 1479 1480 1481 1482 1483 1484
AW
1485
FS
1486 1487
AW
als Weyt sofort. Überhaupt keine Frage. Aber es reicht uns ja nicht. [Das ist das Problem.]
1488 1489 1490
NG
[Warum, haben die] ‘ne günstigere Kostenstruktur? Haben die weniger qualifiziertes Personal?
1491
SB
Nee, Ladenbau [vor allem.]
1492
AW
1493 1494
FS
Ladenbau. Warenlager. Die haben ja nur die Ware, die sie draußen stehen haben.
1495
AW
Ladenbau. Warenlager. Personal würd ich sagen.
1496
LN
Weniger Personal.
1497
NG
Also Heidenheim ja oder nein?
1498
Wissen Sie, was ich das Problem sehe. Das ist nämlich das typische Beispiel. /Äh/ Weyt arbeitet ja mit ‘ner ganz anderen Kostenstruktur. Die sind dort erfolgreich. Bloß für uns reicht’s nicht. Wir würden das... Wir würden mehr machen, auf jeden Fall [mehr Umsatz] [ja klar]
[Ladenbau.]
(-)
1499
LN
Da ist gute Finanzkraft, also...
1500 1501
AW
Ja, aber ich glaub halt, Herr Norder, wenn... Ich glaub das sind [zu wenig Einwohner. Das...]
1502 1503
LN
[Wenn wir sagen, dass wir das drauf] konzentrieren, dann würd ich sagen nein.
1504
AW
Ja.
1505
NG
Ok.
Wiederum fragt die Geschäftsleitung gezielt nach, und die Vertriebsleiter befriedigen den Wissensanspruch ebenso umgehend. Offensichtlich wird ihnen die Kompetenz vor Ort zugestanden, so dass sie an der Entscheidung für oder gegen einen potentiellen Standort beteiligt werden sollen. Obgleich es sich zunächst einmal um Wunschstandorte handelt und dementsprechend weitere Entscheidungszyklen zu erwarten sind, impliziert die oben zitierte Äußerung von Geschäftsführer Groß, dass das Ziel der Planung nicht lediglich in der Vorbereitung, sondern schon in der Festlegung von Entscheidungen liegt. Das zeigt sich auch in der folgenden Sequenz:
152 1650 1651 1652 1653
KR
Das ist der Punkt. Wir haben... Wir haben vielleicht noch mal eins. Wir haben da so’n paar Parameter aufgestellt, wo wir gesagt haben: Was sind die Mindest[anforderungen?]
1654
NG
[Sollten wir verabschieden.]
1655 1656 1657 1658 1659 1660
KR
Vielleicht sollten wir die auch in dem Kreis noch mal kurz diskutieren. Also, wir haben gesagt, im Grunde genommen muss unser strategischer Ansatz sein, dass jeder Standort, den wir neu aufmachen, mindestens 1 Million Nettoumsatz im ersten vollen Jahr macht.
Vorausgegangen war zunächst ein kurzer Zwischendiskurs, in dem die Geschäftsleitung noch einmal bekräftigt hatte, dass im Falle negativer Umsatzentwicklungen Filialschließungen in Zukunft konsequent durchgesetzt werden sollen (vgl. das Handlungsspiel der Problemlösung in Kapitel 5.4.2.3). Daraufhin waren weitere Standortvorschläge eingebracht worden, und zwar basierend auf der oben erwähnten Vorplanung. Geschäftsführer Groß unternimmt einen zweiten Versuch, die konkrete Standortplanung abzuschließen, indem er ankündigt: Gut, also ich sag morgen dem Hölter: Reicht jetzt. Keine mittleren Städte mehr, qualifizierte Objekte. (1632ff.)
Planung und Problemlösung sind hier eng miteinander verknüpft, insofern den Gesprächspartnern bewusst ist, dass vergangene Verhaltensweisen zu Fehlentwicklungen geführt haben, die es in Zukunft zu verhindern gilt. Aus diesem Grund sieht man sich veranlasst, allgemeine Parameter aufzustellen, die fortan die Grundlage für Standortentscheidungen bilden sollen. Während Geschäftsführer Ring von einer Diskussion der Kriterien spricht und dadurch impliziert, dass es sich um einen Diskurs handelt, in dem die Beteiligten ihre mehr oder weniger unverbindliche Meinung kundtun können, sieht Groß den Zweck der weiteren dialogischen Interaktion darin, die Kriterien endgültig zu verabschieden (vgl. 1654). Damit betont er erneut den Verbindlichkeitscharakter, der für die Kommunikation bei Schick offensichtlich ein wesentliches Erfolgskriterium darstellt. Im Folgenden geht es dementsprechend nicht mehr darum, zusätzliche Optionen ins Spiel zu bringen, schließlich wurden die Kriterien schon einmal besprochen und Richtgrößen festgelegt. Das Gespräch wird vielmehr genutzt, um deren Tragfähigkeit zu überprüfen. Dabei setzt die Geschäftsleitung auf das Wissen und die Erfahrung der Führungskräfte. Deren Argumente finden auch wirklich Berücksichtigung, wie die folgende Sequenz verdeutlicht:
153 1679 1680
KR
[Also, in den 22% bei 1 Million] Euro netto. [Ich] geh jetzt bewusst von 1 Million aus.
1681
LN
[ja]
1682 1683 1684 1685 1686
KR
Kommen wir mit 22% in der Regel nicht hin, wenn die Miete – und das ist ja der nächste Punkt – bis maximal 10% ist mit Nebenkosten. Ja? [Bei ‘ner Investition... Bei ‘ner Investition...]
1687
LN
[Dann müssen wir den Umsatz hochsetzen. ]
1688 1689 1690
KR
Ja, so das ist der Punkt. [Der Umsatz, (der nachher kommt, der rechnet sich sicherlich anders.) Aber...]
1691
[]
1692 1693 1694 1695 1696
LN
Ja, dann (haben wir...sagen wir) kann die Million nicht die Messlatte sein. Also, Sie kommen mit 20% in sein Geschäft: Herr Wirtz, Sie können Ihren Laden nicht unterhalten das ganze Jahr.
1697 1698
KR
Münster stand ja – (ich guck mal kurz in die (x) rein) – das ging.
1699
LN
Ja, gerechnet.
1700
AW
Gerechnet ja und wenn...
1701
FN
Ist möglich. [Ist schon möglich. Mit fünf (VAK)]
1702
KR
1703
AW
Aber nicht in der Filialgröße.
1704
KR
Wenn Sie 5 ½ VAK haben, sind Sie bei...
1705
FN
Pro-Kopf-Leistung 200.000 Euro.
1706 1707
KR
1708 1709
LN
[5 ½ - wenn Sie 5 ½ haben...]
...maximal 200.000 Euro. Also, das ist für mich jetzt wirklich [(heiß) gerechnet.]
Personalkosten – einer der entscheidenden Parameter – wurden mit 20% kalkuliert, und Geschäftsführer Ring bestätigt, dass dieser Prozentsatz in ersten Rechnungen zu einem positiven Ergebnis geführt habe. Die Vertriebsleiter melden jedoch Zweifel an, ob ein Geschäft unter dieser Annahme wirklich zu unterhalten ist. Die Pro-Kopf-Leistung, die
154 dann zu erzielen wäre, erscheint Vertriebsleiter Norder heiß gerechnet (1709). Geschäftsführer Groß lässt sich überzeugen und willigt ein: Können wir 21% nehmen? Da sind Sie glücklicher mit? (1711f.). Ihm ist es dabei natürlich weniger am persönlichen Wohlbefinden des Vertriebsleiters gelegen als vielmehr an einer auf Expertise gründenden, realisierbaren Kennzahl. Ähnlich wie mit den Personalkosten verhält es sich mit Mietkosten und Investitionen, wobei hier kein Nachbesserungsbedarf gesehen wird, sondern die Vertriebsleiter die Entscheidung der Geschäftsleitung bestätigen. Der nächste Schritt besteht nun darin, weitere Entscheidungsträger über die Zielgrößen zu informieren bzw. sie für verbindlich zu erklären. Geschäftsführer Ring stellt sein Bewusstsein für den funktionalen Charakter des kommunikativ-dialogischen Handelns unter Beweis: 1767 1768 1769
NG
1770
LN
1771 1772
KR
1773 1774
NG
[Herr Ring, sollen wir das mal...] Sollen wir das mal ins Board bringen? Diese vier Punkte. [Ja? Dass das erst mal...] [Ja, (verabschieden)] Ja, was heißt verabschieden? Wir sagen, dass es verabschiedet ist, ja? [Also, wir informieren.] [Ja, wir sagen, dass verabschiedet ist.]
Von einer erneuten argumentativen Auseinandersetzung soll abgesehen werden, sie wäre weder im Interesse der Geschäftsleitung noch im Sinne effektiven unternehmerischen Handelns. Im Anschluss findet ein weiterer Problemlösungsdiskurs statt, da man noch einmal auf die sog. C-Filialen zurückkommt, also diejenigen, die die geringsten Erträge erwirtschaften. Unter ihnen finden sich nicht nur Schließungskandidaten oder aussichtslose Fälle, sondern auch solche Geschäfte, die im Rahmen einer Umsatzforcierung (1783) nach vorne gebracht werden sollen, für die man, mit Rings Worten, kämpfen (1784) will. Da die Analyse keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zutage fördern würde, sondern es im Endeffekt zur Wiederholung von Phänomenen käme, die in den vorherigen Unterkapiteln schon erläutert wurden (Thema Konsequenz, Orientierung an Kosten-Nutzen-Argumenten etc.), möchte ich hier einen vorläufigen Schlussstrich ziehen und die Analyse mit einem kurzen Zwischenfazit beenden.
155 5.4.3 Resümee Aus einer komplexen Geschäftsführungssitzung wurde für die exemplarische Analyse ein Teil ausgewählt, der die wesentlichen Herausforderungen vor Augen führt, vor denen das Management eines Handelsunternehmens steht. So gilt es einerseits, äußeren Umständen und Entwicklungen wie veränderten Kundenwünschen, Wettbewerbsstrategien etc. Rechnung zu tragen. Andererseits wird deutlich, dass nur Aussicht auf Erfolg hat, wer eine konsequente, ökonomisch begründete Position vertritt. Entscheidungen von größerer Tragweite, wie sie Standortfragen darstellen, erfordern besondere Umsicht beim Durchdenken und dialogischen Aushandeln von Problemkonstellationen und Handlungsalternativen. Entscheidende Vorarbeiten wurden bereits geleistet, und die Geschäftsführung nutzt die Sitzung, um bereits getroffene Beschlüsse zu legitimieren. Von Legitimation kann man insofern sprechen, als zum einen betriebswirtschaftlich fundierte Begründungen vorgetragen werden, zum anderen die notwendige Verbindlichkeit eingefordert wird. Nicht nur in dieser Hinsicht werden die Top-Manager ihrer Führungsrolle gerecht. Darüber hinaus nutzen sie die Besprechung, um die Führungskräfte der zweiten Hierarchieebene am Entscheidungsprozess partizipieren zu lassen. So sind die Vertriebsleiter aufgefordert, Entscheidungen noch einmal auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen und ggf. Korrekturbedarf geltend zu machen. Dass entsprechende Vorschläge ernsthaft berücksichtigt und auch unterschiedliche Interessen kollegial ausgehandelt werden, spricht für eine partizipative Führungs- und Unternehmenskultur. Dies dürfte letztlich der Motivation, auch im Prozess der Umsetzung, zugute kommen. Im Sinne eines nach innen und außen geschlossenen Auftretens ist die folgende Äußerung von Geschäftsführer Ring zu interpretieren: Deswegen wollten wir eigentlich nur, dass wir eine Sprache sprechen, wenn wir gefragt werden, wo wir hinwollen. (1764ff.)
Wie auch an anderen Stellen im Gespräch demonstriert Ring hier ein klares Bewusstsein für die Bedeutung, die Sprache und Kommunikation für das Management haben. Von einer professionellen dialogischen Interaktion im Management der Firma Schick zeugen die Handlungsspiele, die nicht nur das Spektrum von der Information über die Motivation bis hin zur Planung abdecken, sondern die auch eine logische Reihenfolge und innere Strukturierung aufweisen. Obwohl die komplexe Standortfrage Gegenstand unterschiedlicher Handlungsspiele ist, orientieren sich die Führungskräfte im Gespräch durchgängig an einem roten Faden, nämlich an ökonomisch relevanten Kennzahlen, die unmittelbar auf das Unternehmensinteresse win zurückzuführen sind.
156
5.5
Analyse eines Gesprächs zur Optimierung der internen Koordination: Ich hab dann aber auch nicht lange lamentiert, sondern habe über die Lösung gesprochen
Nachdem die ersten beiden Analysen Gespräche auf der oberen Managementebene zum Gegenstand hatten, soll im Folgenden die dialogische Interaktion in funktionalen Teilbereichen eines Unternehmens in den Mittelpunkt rücken. Bei der folgenden, in Auszügen analysierten Besprechung handelt es sich um eine Zusammenkunft von Mitarbeitern, die der Einkaufsabteilung der Firma Schick angehören.
5.5.1 Anlass und Gesprächsverlauf Für ein Handelsunternehmen wie die Firma Schick erfüllt der Einkauf wesentliche Funktionen, fallen hier doch weitgehende Entscheidungen über das Warenprogramm. So ist auch zu erklären, dass einer der Geschäftsführer zugleich als Einkaufsleiter für das Warensortiment Uhren verantwortlich ist. Neben ihm nehmen der Einkaufsleiter für den Schmuckbereich sowie drei Produktmanager an der Sitzung teil. Aufgrund ihrer Entscheidungsbefugnis für einen definierten Bereich gehören sie zum mittleren Management. Ihrer Funktion entsprechend haben sie ihren Sitz in der Unternehmenszentrale. Dies ist insofern zu vermerken, als in Bezug auf das Warenprogramm und die Warenbevorratung die stete Koordination mit den Filialen, d. h. den Mitarbeitern in den Geschäften vor Ort, unerlässlich ist. Darauf wird im Weiteren ausführlich einzugehen sein. Nach Aussage des Geschäftsführers besteht der allgemeine Zweck der regelmäßig stattfindenden Einkaufsbesprechung weniger in der Information,30 vielmehr sollen die Mitarbeiter ihre unterschiedlichen Anliegen zur Diskussion stellen können.31 Gleichwohl gibt es eine Agenda, die das Gespräch ebenso strukturiert wie der Moderator. In der Besprechung, die der folgenden Analyse zugrunde liegt, fällt die Moderatorenrolle Einkaufsleiter Hansen zu. Hansen eröffnet die Sitzung mit Informationen zur Umsatzentwicklung, differenziert nach den unterschiedlichen Geschäftsbereichen bzw. Warengruppen. Bei der Vorausschau auf den kommenden Monat kommt ein Problem hinsichtlich der Warendisposition zur Sprache, das Anlass gibt, die Warenbevorratung der Filialen genauer in den Blick zu nehmen.
30 31
Der Geschäftsführer versteht Information nicht i. S. eines Handlungsspiels, sondern offensichtlich als Gegenpol zu einer interaktiv-dialogischen Kommunikation. Dies wurde in einem persönlichen Gespräch nach der Sitzung geäußert.
157 Der eigentliche Hauptteil der Sitzung beginnt mit dem Bericht über ein Strategiemeeting der Bereichsleiter.32 Als einziger aus der Runde hat Geschäftsführer Born daran teilgenommen, und er stellt nun insbesondere Folgen für die Abteilung Einkauf bzw. das Unternehmen Schick als Ganzes dar. Aus den Wünschen, Anforderungen und Beschlüssen, die Born referiert, resultiert weitergehender Handlungsbedarf, der Anlass zu Handlungsspielen der Planung und Problemlösung gibt. Da in diesem Rahmen mehr als zwanzig unterschiedliche Themen – angefangen von der Kommunikation zwischen Zentrale und Filialen bis hin zum Weihnachtsgeschäft – genannt und/oder zur Diskussion gestellt werden, nimmt dieser Teil ungefähr zwei Drittel der gesamten Sitzungsdauer ein. Danach bleibt noch Zeit, Preisanpassungen zu erörtern, geplante Werbemaßnahmen darzustellen und den Aktionsplan für die letzten drei Monate des Jahres zu skizzieren.
5.5.2 Dialogische Handlungsspiele Im Rahmen der folgenden Analyse wird der Fokus auf den Hauptteil der Sitzung gerichtet, in dem es darum geht, konkrete Probleme zu lösen, sie sich im Hinblick auf die Interaktion und Koordination im Unternehmen Schick stellen. Damit bietet dieser Teil eine gute Ergänzung zur stärker strategisch motivierten Diskussion in der Geschäftsführungssitzung (Kap. 5.4) dar. Einsteigen möchte ich jedoch mit erläuternden Bemerkungen zum Beginn der Sitzung, da hier bereits deutlich wird, dass das Ziel nicht in der Informationsvermittlung im klassischen Sinne, d. h. top-down und ohne Reaktionsmöglichkeiten für die Rezipienten, liegt. 5.5.2.1 Von der Information zur Planung Die allererste, knappe Feststellung von Einkaufsleiter Hansen 167 000 Euro plus zum Vorjahr (0001) wird von Produktmanager Kowal sogleich mit der rhetorischen Frage Wer hätte das gedacht? (0002) kommentiert. Auch bei der nachfolgenden Analyse der Geschäftsentwicklung geben alle Beteiligten direkt und offen ihre Kommentare ab (vgl. Katastrophe ist das, 0044; Wer macht denn so...so’n Quatsch?, 0046). In der Verbindung von Beschreibung und Bewertung identifizieren sie weiteren, konkreten Handlungsbedarf. So setzt Hansen mit Das heißt... (0103) zu einem Planungsdiskurs an. Jedoch wird er von Produktmanagerin Petri mit der Frage: Was ist denn mit der Disposition der Marken, der Tiefenbestückung – lassen wir das jetzt laufen oder nicht? (0104ff.) unterbrochen. Nach den
32
Bei den Bereichsleitern handelt es sich um Führungskräfte, die für mehrere Filialen verantwortlich sind.
158 zuvor geäußerten Wahrheitsansprüchen wird mit dem Wissensanspruch ein neuer Anspruch in die dialogische Interaktion eingebracht und auf diese Weise eine Zäsur markiert. Die Gesprächspartner können auf die Frage nur schwerlich nicht reagieren. Petri setzt bereits zu einer Begründung der von ihr genannten Entscheidungsalternativen an, wird ihrerseits aber von Hansen unterbrochen: 0109
HH
Nee, das ist zu viel.
0110
NP
Aber halb, das ist [ein Ding der Unmöglichkeit.]
0111 0112 0113 0114
HH
[Das ist... Wir würden dann] für die automatische Nachversorgung mit einem Schwung über 3 Millionen (Etat) investieren, und das halte ich schon für (zu viel).
0115 0116
NP
Ja, wir haben’s ja nach Marken aufgeschlüsselt, dass wir dann...
0117
HH
Dass man...
0118 0119
NP
So viel wie wir’s brauchen, aber auf Markenebene machen.
0120 0121 0122 0123 0124
HH
Dass man eine Marke jetzt mal pusht und die anderen laufen lässt. Gut, wir haben natürlich jetzt auch hohe Aufträge plaziert durch die Neuheiten, ne? Und ich glaube, nächste Woche kommt ja noch mal eine, ne?
0125 0126 0127
NP
Ja, aber das wird ja nicht in diesem Volumen sein wie Sie sich das gedacht haben, um... [um die Läger zu steuern.]
0128 0129 0130
HH
[Gut, gucken wir mal...] gucken wir noch mal rein. Die Aufschlüsselung haben wir ja? Zu welcher Marke würden Sie tendieren?
Der Wissensanspruch wurde in diesem Sinne nur genutzt, um einen Gesprächseinstieg zu finden; im Weiteren unterliegt dem Diskurs ein Wahrheitsanspruch i. S. des ‚so könnte es sein‘, der kennzeichnend für ein Handlungsspiel der Planung ist. Der Einkaufsleiter versichert sich dabei des Wissens seiner Mitarbeiterin und holt erste Vorschläge ein, wobei s. E. noch nicht der richtige Zeitpunkt für eine Entscheidung gekommen ist. Wie kurz darauf deutlich wird, müssen dafür weitere Fakten und Zahlen berücksichtigt werden, die momentan nicht vorliegen (vgl. 0131f.). Sobald dies der Fall ist, sollte man nach Geschäftsführer Born die wichtigsten [Marken] noch mal hochfahren [...], dass da nichts anbrennt (0178ff.).
159 ‚Hochfahren von Marken‘ ist das Stichwort, das Produktmanagerin Petri wieder an ihren ursprünglichen Anspruch erinnert. Nun wird deutlich, dass ein Handlungsspiel der Planung noch keine Aussicht auf Erfolg hat, wenn nicht das folgende Problem berücksichtigt wird: Die Lieferanten sind unter Umständen noch gar nicht in der Lage, die Filialen schon mit Waren zu beliefern, weil der Liefertermin ursprünglich erst für den Oktober geplant war. 0183 0184 0185 0186 0187
NP
[Ja, ne, das ist ja die Frage.] Das ist ja die Frage. Also dieses Hochfahren der Topartikel ist ja geplant, das ist ja auch besprochen mit den einzelnen Lieferanten. Es war allerdings erst am 6.10. geplant.
0188
SB
hm
0189 0190
NP
Weil der September ja an und für sich für eine [Weihnachts]bevorratung doch noch ein bisschen
0191
SB
[ja]
0192
NP
früh ist.
0193
SB
Ja.
Petri beweist Umsicht, was die Umsetzbarkeit möglicher Maßnahmen betrifft. Bei der Planung gilt es stets einem komplexen Interaktionsgefüge sowie der zeitlichen Entwicklung (in diesem Fall hat bereits ein Planungsdiskurs stattgefunden) Rechnung zu tragen und ggf. Probleme zu beseitigen. Dies wird auch im unmittelbaren Anschluss deutlich, als Kollegin Tepe mit der Frage Da schließt sich dann ja direkt die Frage (an), was passiert denn jetzt am 1.10., wenn dann alle Wareneingänge da sind? (0238ff.) zu einem nächsten Problem überleitet. Dass ein solches zur Sprache kommen wird, steht zumindest nach der direkten Reaktion ihres Kollegen Kowal, einem schlicht und ergreifenden Bumm (0241), außer Zweifel. Im Weiteren spricht Tepe die Schwierigkeiten offen an, die sie in der Zusammenarbeit mit dem Bereich Logistik/ Wareneingang erlebt. Dabei kann sie auf das Verständnis ihrer Vorgesetzten und Kollegen setzen (vgl. das wiederholte Ich weiß des Geschäftsführers, 0273/0276). Geschäftsführer Born verkündet, dass noch weitere Abstimmungsgespräche mit Kollegen aus der Abteilung und der Geschäftsleitung geführt werden müssen, dass da nichts anbrennt (0315f.). 5.5.2.2 Von der Information zur Problemlösung Mit den folgenden Worten leitet Moderator Hansen zum Hauptthemenblock über:
160 0324 0325 0326 0327 0328 0329 0330 0331
HH
0332
SB
0333 0334 0335
HH
Okay. So, nächster Punkt auf der Agenda ist das Strategiemeeting der Bereichsleiter in Köln. Vom 22. bis zum 23. hat da ein Meeting stattgefunden. Eingeladen hat der Herr Kaiser seine Vertriebsund Bereichsleiter. Und dort ist glaube ich anderthalb Tage sehr intensiv gesprochen und diskutiert worden. Herr Born wollen Sie [(xxx) teilgenommen haben,] [Gerne, (kann ich machen).] das mal zusammenfassen? Weil da sind auch etliche relevante Punkte für uns bei rausge[sprun]gen, ne?
Diese und die nachfolgenden Sequenzen sind m. E. Bestandteil eines anderen Handlungsspiels als die zuvor beschriebenen Aushandlungsdiskurse.33 Sie dienen einem eigenen Zweck und stehen in einem Gesamtzusammenhang, der dann auch über dieses authentische Gespräch hinausgeht. Dies soll im Rahmen der folgenden Analyse verdeutlicht werden. Geschäftsführer Born beginnt den Bericht, um den ihn Moderator Hansen gebeten hat, mit den Worten: 0336 0337 0338 0339 0340 0341 0342 0343 0344 0345 0346 0347 0348 0349
33
SB
[ja] Also ich sag erst mal, das Meeting fand in einer ausgesprochen konstruktiven und guten Atmosphäre statt, das heißt in einer Stimmung, die nicht so sehr auf Vergangenheit, sondern vielmehr auf Zukunft letztlich ausgerichtet war. Und das war gut. Die Bereichsleiter hatten die Möglichkeit alle Themen anzusprechen, die sie bedrücken oder die sie meinen, die verändert werden können zum Guten bei Schick. Das führte dazu, dass wir keine Agenda hatten, also keine Tagesordnung, sondern frei im Prinzip einfach, durch ‘nen Moderator allerdings, das Thema durchgezogen haben und gesagt haben: Jetzt fangen Sie mal an, was liegt
Es könnte kritisch angemerkt werden, dass es sich hier ja eigentlich um dialogische Teilsequenzen handelt, die zu einem übergeordneten Gesprächszweck beitragen. Nun gehe ich aber davon aus, dass die Einheit des Handlungsspiels umfassender ist als ein authentisches Gespräch, und dass (nur) Teile von (unterschiedlichen) Handlungsspielen in authentischen Gesprächen auftauchen. Es entspricht dem Phänomen daher aber m. E. eher, wenn ich diese Teile auch Handlungsspielen zuordne und sie nicht lediglich als dialogische Sequenzen behandle.
161 0350 0351 0352 0353 0354 0355
Ihnen denn so auf der Seele? Das war für die Bereichsleiter natürlich ‘ne völlig neue Erfahrung, weil sie einmal ihre Themen, die aus ihrer Sicht wichtigen Themen ansprechen konnten, ohne dass einer immer in eine Richtung moderiert. Das war sehr gut.
Den Ausgangspunkt für das Bereichsleitertreffen stellte eine als unbefriedigend empfundene Situation dar; ein Hauptzweck der Gespräche bestand somit in der Problemlösung i. S. der Verständigung über Verbesserungsmaßnahmen (vgl. Kap. 4.4.3.3). Born bewertet es als erfolgskritische Voraussetzung, dass die Beteiligten offen und frei über Themen ihres Interesses reden konnten. Hier deutet sich bereits an, was im Laufe der vorliegenden Sitzung verschiedentlich zum Tragen kommt: Ein zentrales Problem für das Unternehmen als Ganzes besteht in unterschiedlichen bzw. konfligierenden Sichtweisen und Interessen. Für umso wichtiger erachtet Born es, dass die Bereichsleiter eben das Gefühl hatten, sie nehmen an der Unternehmensstrategie von Schick sehr erheblich teil (0373–0376). Er selbst spricht von einem psychologischen Effekt (0379f.), wobei ich in diesem Zusammenhang den Begriff der Motivation präferiere. Im Sinne eines Handlungsspiels der Motivation ist auch die folgende Äußerungssequenz zu verstehen: Das fand alles in ’ner sehr netten Stimmung statt und wir gingen da raus alle und haben gesagt: So, jetzt greifen wir...greifen wir richtig an. (0382–0385)
Wie schon in der Geschäftsführungssitzung bringt die Geschäftsleitung damit einerseits Teamgeist, andererseits eine offensiv-kämpferische Haltung zum Ausdruck (vgl. Kap. 5.4). Außerdem rekurriert Geschäftsführer Born auf einen Aspekt, der für das Handeln im Unternehmen prinzipiell von großer Bedeutung ist: Also wir wollen da auch ’ne gewisse Verbindlichkeit natürlich drin haben; dass gesagt wird: das und das und das ist alles angesprochen worden, was ist bis dahin umgesetzt. (0404–0408)
Er bringt damit auf den Punkt, was auch in der Geschäftsführungsbesprechung stets Thema war: Einmal getroffene Entscheidungen weisen einen hohen Verbindlichkeitsgrad auf, d. h. sie müssen in praktische Handlungen umgesetzt werden. Hintergrund für seine Äußerung ist die Entscheidung, das Bereichsleitermeeting von nun an in regelmäßigen Abständen durchzuführen, wobei der primäre Zweck in der Überprüfung liegen soll. Die zitierte Äußerung stellt eine Handlungsankündigung dar, der man in diesem Kontext, insbesondere weil die Verbindlichkeit derart betont wird, deklarativen Status zusprechen kann.34 In diesem Sinne
34
Vgl. Weigand (2003: 83): „Ein zentraler Bereich deklarativer Sprechakte ist es, soziale Beziehungen, Verbindlichkeiten zu schaffen, die materielles und sprachliches Handeln absichern“.
162 unterstreicht Born auch wiederholt Aber da werden wir nachfassen... (0466). Durch diese Handlungsankündigung nimmt Born die Unternehmensleitung, d. h. sich selbst und seine Kollegen, in die Pflicht. Seine Äußerungen stehen hier im Zusammenhang eines Handlungsspiels der Problemlösung, zu dem interne Kommunikationsprobleme Anlass geben: SB
[...] Dann das Thema „Kommunikation mit dem Servicecenter“. Es wurde festgestellt, dass es tolle Dienstleister gibt im Servicecenter und dass es Dienstleister gibt, die nicht so genau mit dem Begriff ‚Dienstleistung’ umgehen können. Und da ist also auch der Wunsch, dass noch mal in den Bereichen, in den Abteilungen kommuniziert wird, wie wichtig dieses Thema ist. Es geht in der Regel gar nicht so sehr um den Inhalt des Gesprächs, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie bestimmte Dinge kommuniziert werden; wobei, noch mal...sehr differenziert jetzt noch mal festgestellt werden muss, welche Bereiche sind diejenigen, die da optimieren müssen. So konkret ist man da nicht reingegangen, [(xxx)]
0461 0462 0463
HH
[Also, die war ja...] die war ja ziemlich allgemein gehalten, ne? So wie ich das verstanden habe.
0464 0465 0466 0467 0468 0469 0470 0471 0472
SB
Genau, also es sind keine konkreten Abteilungen genannt worden und keine konkreten Mitarbeiter genannt worden. Aber da werden wir nachfassen und das erfragen, wer denn da...wo’s denn da noch Optimierungspotential gibt. Zumal wir ja wissen, dass die Filialbefragungen außerordentlich positiv waren. Insofern müssen wir da jetzt gucken, wo sind da die Abweichungen.
0445 0446 0447 0448 0449 0450 0451 0452 0453 0454 0455 0456 0457 0458 0459 0460
Geschäftsführer Born spricht einerseits von tolle[n] Dienstleistern (0447), andererseits von Dienstleistern, die nicht so genau mit dem Begriff Dienstleistung umgehen können (0448f.). Seine Strategie, das Positive zu bestärken (vgl. auch 0468ff.) und das Negative abzuschwächen, ist ebenfalls unter Motivationsgesichtspunkten zu erklären (vgl. Kap. 4.4.2.2). Da zunächst einmal geprüft werden muss, wer überhaupt von der Kritik betroffen ist, wäre die Fortsetzung eines Handlungsspiels der Problemlösung im Rahmen der Einkaufs-
163 besprechung nicht effektiv. So beendet Born dieses Thema mit der Ankündigung einer schriftlichen Filialbefragung, durch die man eruieren will, wo’s denn hakt (0497/99). Die schriftliche Kommunikation im Unternehmen Schick ist auch im Weiteren Gegenstand des Gesprächs. Im Hinblick auf die interne Hauszeitschrift ‚Schick Aktuell‘ sehen nicht nur die Bereichsleiter Handlungsbedarf. Mit der rhetorischen Frage Ich glaube wir sind hier alle immer unzufrieden, dass die Resonanz auf die ‚Schick Aktuell‘ so gering ist, ne? (0501ff.) stößt Born in der vorliegenden Besprechung ein Handlungsspiel der Problemlösung an, an dem sich die Produktmanager wiederum aktiv beteiligen können. Zunächst verständigen sie sich darüber, wie in der Berichterstattung eine ausgewogene Balance zwischen Sachlichkeit und Emotionalität erzielt werden könnte. Tendenz eher kürzer und knapper (0527f.) findet allgemeine Zustimmung, und der Geschäftsführer macht diesbezüglich einen konkreten Verbesserungsvorschlag. Mit der Einstellungsbekundung Ich glaub das ist auch ein ganz wichtiger Punkt (0556f.) setzt er allerdings noch keinen Abschlusspunkt in dem dialogischen Handlungsspiel der Problemlösung. 0562 0563 0564
NP
Und /ehm/, was ich ja schon mal angesprochen hatte: dieses Zusammenbringen ’Schick Aktuell’ mit den Anlagen.
0565
SB
hm
0566 0567 0568
NP
Die Filiale kriegt ‘ne blaue Box und... Also ich muss ehrlich sagen, ich hab noch nie ‘ne blaue Box in der Filiale live geöffnet.
0569
SB
ja
0570
NP
Aber unter Umständen wird die ja überquellen.
0571
SB
hm
0572 0573 0574 0575 0576
NP
Das heißt, da liegt irgendwo die ’Schick Aktuell’ und irgendwo liegen die Anlagen dazu drin. Steht auf den Anlagen eigentlich dann auch drauf: Rüber zur ’Schick Aktuell’ Nummer 37.3 oder...?
0577 0578 0579 0580 0581
SB
Nein, da müssen wir uns sicher noch mal alle disziplinieren, denn wir produzieren ja auch die Anlagen, dass das da draufsteht, ne? (xxx). Das sind ja alles unsere Listen, die dann da als Anlage [kommen.]
164 0582 0583 0584 0585
NP
[Ja.] Oder kann man das nicht auch so machen, dass derjenige, der die ’Schick Aktuell’ verteilt, dann auch direkt die Anlagen in ‘ne Hülle tut, dass das alles komplett...
0586 0587
SB
Müssten wir mal mit der Logistik [reden, inwieweit...]
0588 0589
NP
0590 0591 0592 0593
SB
[...in die Hände der Filialleitung kommt?] ...inwieweit das unten möglich ist. Das kann ich jetzt nicht so beurteilen. Oder aber den Hinweis darauf zu geben, zu sagen: siehe ’Schick Aktuell’.
Produktmanagerin Petri nutzt die Gelegenheit, ein weiteres Problem anzusprechen, das sich im Zusammenhang mit der internen Hauszeitschrift stellt. Nachdem ihre Vermutung, dass die Hauszeitschrift und zusätzliche Beilagen nicht ordentlich zusammengeführt werden, bestätigt wurde, unterbreitet sie einen Vorschlag, wie dies zweckmäßig geschehen könnte. In den ersten Zügen der Sequenz führt sie ihre Äußerungen allerdings nicht zu Ende, sondern wird immer wieder von Geschäftsführer Born unterbrochen. Er antizipiert, was seine Mitarbeiterin verbalisieren dürfte und zieht Schlussfolgerungen im Hinblick auf weiteren Handlungsbedarf. Demzufolge stehen nun zunächst Gespräche mit Kollegen aus der Logistikabteilung an. Produktmanager Kowal stellt fest, dass in der Logistikabteilung bereits Maßnahmen ergriffen wurden, um Ordnungsproblemen Herr zu werden. Das kann Born nur bestätigen. Zu beachten ist der nun folgende Zug: Produktmanagerin Petri kommt noch einmal auf ihre nicht zu Ende geführte Äußerung (0574ff.) zurück. Allerdings formuliert sie nun nicht mehr vorsichtig-fragend, sondern sie stellt fest und begründet sogleich: 0612 0613 0614
NP
Außerdem kann das gar nicht draufstehen, welche Anlage das ist, weil die ’Schick Aktuell’, die kriegen [wir ja...]
0615
OK
0616 0617 0618
NP
...erst jetzt. Die hab ich heute noch nicht in der Post. Aber die Anlage musst [ich schon ver]teilen.
0619
OK
[Die ist schon gedruckt.]
[Wird vorher] gedruckt.
165 0620 0621
NP
Also geht das gar nicht. Ich weiß ja gar nicht, welcher Punkt mein Beitrag wird.
Damit muss sie zwar einerseits ihren eigenen Vorschlag revidieren, andererseits weist sie gerade rechtzeitig darauf hin, dass man in weiteren Klärungsgesprächen von veränderten Prämissen auszugehen hat. Die Zusammenführung von Hauszeitschrift und Beilagen ist nicht so leicht umsetzbar wie gedacht. Dieses Problem ist nun nicht mehr nur ein Thema für die Logistik, sondern zugleich eine Angelegenheit, der sich nach Meinung Borns die Unternehmensleitung annehmen sollte (vgl. Auch Thema Ring,35 0625). 5.5.2.3 Zwischen Argumentation und Verhandlung Da Born selbst Mitglied der Unternehmensleitung ist, stellt sich die Frage, wie er entsprechende Interessen in der vorliegenden Sitzung vertritt. Erschwert wird seine Situation dadurch, dass er zudem einerseits dem Einkaufsgremium angehört, andererseits in der Sitzung als Sprachrohr der Bereichsleiter fungiert. Hinweise auf seine Beziehung zu dieser Gruppe geben Äußerungssequenzen wie die folgende: 0968 0969 0970 0971 0972 0973 0974 0975 0976 0977 0978 0979 0980 0981 0982 0983 0984
35
SB
Hab dann über ein Herz von Lust gesprochen, hab dann über verschiedene andere Aktionen gesprochen und habe über den Schickbogen gesprochen, den da. Wo sie der Meinung sind, wir wollen da aber 5000 Stück haben. Ich hab gesagt: Ich find’s ja toll, dass ihr euch jetzt auch Gedanken um die konkrete Stückzahl macht. Wir verkaufen im Moment am Tag fünf Stück. Jetzt können Sie sich mal ausrechnen, wie lange der reicht, wenn wir da jetzt mit 5000 Stück disponieren. – Ja, aber wir haben doch kaum noch welche. Ich sag: Wir haben noch 300 Stück und die sind in 90% der Fälle verfügbar. Jetzt sag ich: Aus fünf mach ich jetzt sechs. Wenn den alle Filialen gehabt hätten, was ist dann, mmh? Wie viel verkauft ihr dann?
Ring ist der Name eines Geschäftsführers.
166 Also völlig irrational da zum Teil. Wobei wir bei bestimmten preiswerten Artikeln dieser Argumentation keinen Vorschub mehr leisten sollten. Wir sollten uns eher deutlicher (x), als wir das in der Vergangenheit gemacht haben.
0985 0986 0987 0988 0989
Born wechselt hier in die erlebte Rede und führt damit anschaulich vor Augen, wie er argumentativ eine Gegenposition zu den Bereichsleitern aufgebaut hat. In diesem Zusammenhang wird zugleich deutlich, dass man von Seiten der Unternehmensleitung die Notwendigkeit sieht, Unternehmensinteressen noch bestimmter zu vertreten. Wenn Born auf sein Kommunikationsverhalten im Rahmen des Bereichsleitermeetings rekurriert, hebt er seine Zielstrebigkeit und Lösungsorientierung hervor: ... ich hab dann aber auch nicht lange lamentiert, sondern habe über die Lösung gesprochen (0931ff.). Zielstrebigkeit und Lösungsorientierung gilt es insbesondere bei Interessenkonflikten zu demonstrieren. Ob dies gelingt bzw. wie unterschiedliche Interessen die Interaktion in Unternehmen beeinflussen, soll im Folgenden anhand eines längeren Aushandlungsdiskurses untersucht werden. Zum Hintergrund: Die Bereichsleiter haben im Rahmen des Strategiemeetings ihrem Wunsch36 (1099) Ausdruck verliehen, dass die Produktmanager sechs Tage im Jahr in den Filialen mitverkaufen. Geschäftsführer Born unterstützt dies mit den Worten Halte ich für absolut machbar (1103). Unvorbereitet trifft ihn augenscheinlich die Reaktion von Produktmanagerin Tepe: 1099 1100 1101 1102 1103 1104
SB
Nächster Wunsch, und ich glaube realisierbarer Wunsch der Bereichsleiter war, dass jeder Produktmanager sechs Tage im Jahr in den Filialen mitverkauft. Halte ich für absolut machbar. Mitverkauft.
1105
KT
Warum?
1106
SB
Hm?
1107
KT
Warum?
36
Als Wunsch, und damit im repräsentativen Sinne (vgl. Weigand 2003: 107), klassifiziert Born den Anspruch der Bereichsleiter. Wie sich im Folgenden zeigen wird, liegt ein wesentliches Problem darin, dass die Produktmanager dies anders sehen.
167 1108 1109 1110 1111
SB
Um Solidarität zu zeigen, um mitzubekommen, was die Kunden wollen und den Filialen ein Gefühl zu geben, dass wir die bei deren Themen unterstützen. Und man [lernt da so viel bei.]
1112 1113
KT
1114
SB
Bitte?
1115
KT
Dafür brauch ich doch nicht verkaufen.
1116
SB
Doch.
1117 1118
KT
Nee, find ich nicht gut, find ich keine gute Idee.
1119
SB
Doch.
1120
KT
Nee.
1121
SB
Find ich ‘ne sehr gute Idee.
1122 1123 1124
KT
Dann würd ich vorschlagen, dass die Bereichsleiter dann hier hinkommen und uns beim Artikellisten helfen.
[Und dafür brauch ich] doch nicht verkaufen.
Born führt sogleich eine Reihe von Argumenten an, die für den Anspruch der Bereichsleiter sprechen (vgl. 1128–1137). Er verwendet dabei zunächst das unpersönliche Gerundium (um... zu...), dann das Personalpronomen in der ersten Person Plural, zum Ende wiederum das unpersönliche, verallgemeinernde Pronomen man. Während er zu diesem Zeitpunkt noch um Neutralität bemüht ist, wird an der Widerrede seiner Mitarbeiterin schon deutlich, dass diese im Prinzip ein persönliches Problem mit der Tätigkeit des Verkaufens hat,37 und dass ihrem Widerstand nicht mit rationalen Argumenten beizukommen ist. Zwar charakterisiert sie, ähnlich wie Born, den Anspruch der Bereichsleiter hier noch als Idee, später spricht sie dann allerdings von einer Forderung (1287f.). Und im Sinne einer Gegenforderung ist die mit einer explizit performativen Wendung eingeleitete Äußerung Dann würd ich vorschlagen, dass die Bereichsleiter dann hier hinkommen und uns beim Artikellisten helfen (1122ff.) zu verstehen. Aus dem Kontext heraus wird ersichtlich, dass hier funktional betrachtet nicht der deliberative Charakter eines Vorschlags, sondern der direktive Charakter einer Forderung überwiegt. Mit dem Kommentar:
37
Von einem Handlungsspiel der Problemlösung zu sprechen, wäre m. E. der Situation nicht angemessen. Das Problem ist hier nicht in einer Abweichung vom Plan begründet, sondern persönlich-psychologisch motiviert.
168 Also das ist ja nun... das ist ja nun wirklich abwegig. [...] Es geht darum, dass wir draußen vor Ort zeigen, dass wir ein Team sind [...] (1126–1129)
impliziert Geschäftsführer Born, dass die Mitarbeiterin den Charakter des Handlungsspiels verkennt. Recht hat er insofern, als das Handlungsspiel im Rahmen der Einkaufsbesprechung nicht mit dem Zweck initiiert wurde, gegenseitiges Geben und Nehmen dialogisch auszuhandeln. Gleichwohl steht eine Verhandlungssituation zumindest implizit im Hintergrund, denn die Mitarbeiter reagieren i. E. nach mittelbar auf einen direktiven Anspruch der Bereichsleiter. Dies ist, wie sich im Laufe der Analyse zeigen wird, für den Geschäftsführer das Hauptproblem. Mit seiner Initiative hat er einen Wahrheitsanspruch gesetzt, genauer eine persönliche Position bezogen (vgl. 1103). Und so entwickelt sich zunächst ein Argumentationsdiskurs, in dem sich zwei Meinungen zu einem Sachverhalt gegenüberstehen. Der Geschäftsführer wiederum scheint zu verkennen, dass es um mehr als einen Sachverhalt geht. Dies erschließt sich, wenn man Folgendes betrachtet: Zum einen signalisiert Produktmanagerin Tepe – und später auch ihre Kollegin Petri – durch wiederholtes Das tun wir ja (1131, 1138) bzw. Machen wir (1173f.), dass der Anspruch der Bereichsleiter bereits erfüllt wird. Zum anderen insistiert Tepe immer wieder auf ihrem ganz persönlichen Berufsethos. Dagegen ist der Geschäftsführer prinzipiell machtlos, gleichwohl unternimmt er wiederholt Überzeugungsversuche, wie die folgende Äußerungssequenz zeigt: 1145 1146
SB
[Warum denn nicht?] Ist doch nichts...nichts Verbotenes.
1147 1148
KT
Nee, ich wüsste’s nicht. Weil das ist ‘ne Zeit, die ich da investiere, einen Tag, die...
1149 1150
SB
Das ist ‘ne gute Investition, die [ist sehr gut investiert.]
1151 1152 1153 1154 1155
KT
[Die könnte ich...] Diese Informationen, die ich da sammle, die krieg ich auch durch Gespräche raus, dafür brauch ich nicht verkaufen. [Außerdem bin ich] keine Verkäuferin.
1156
SB
[Weiß ich nicht.]
1157 1158
KT
Dann wär ich Verkäuferin geworden [(oder Filialleiter).]
169 1159 1160 1161 1162
SB
[Aber sich da] im Verkaufsraum mit aufzuhalten, Kunden zu bedienen, Verkäufer zu fragen, das ist wichtig, [das ist (ganz)...]
1163 1164 1165
KT
[In der Filiale aufhalten], mit Mitarbeitern sprechen, mit Kunden sprechen, herzlich gerne. Aber mit Verkaufen hab’ ich ‘n Problem.
1166
SB
Also, ich seh das [nicht...]ich seh das nicht
1167
KT
1168
SB
[Hab ich nicht gelernt.] als Problem. [...]
Als er merkt, dass er damit nicht weiterkommt, versucht er zu vermitteln und den Anspruch der Bereichsleiter zu modifizieren: Aber gut. Also ich sag mal, wichtig ist draußen sein, Fragen stellen, sich... draußen unterstützen [...]. (1168ff.)
Hier könnte der Diskurs einen Abschluss finden, jedoch meldet sich nun auch Produktmanagerin Petri zu Wort. Durch ihre Frage unterstützt sie indirekt die Gegenforderung, die ihre Kollegin Tepe am Anfang gestellt hatte: Was ist die Solidarität der Bereichsleiter oder der Filialen uns gegenüber? (1176f.) Geschäftsführer Born skizziert daraufhin ein konkretes Beispiel für eine Gemeinschaftsaktion von Zentrale und Filialen, woraufhin nun auch Einkaufsleiter Hansen in das Gespräch eingreift. 1192 1193 1194 1195 1196 1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203
HH
Also die Idee...die Idee sich auch mal, wenn man in den Filialen ist, hinter den Tresen zu stellen und den ein oder anderen Kunden zu bedienen oder mit ihm ein Gespräch zu führen, kommt einfach daher, dass ein.../äh/ ja, ich sag mal, der wichtigste Mensch in unserem Unternehmen der Verkäufer ist. Nicht der Filialleiter, nicht der Bereichsleiter, nicht der Vertriebsleiter. Und man erreicht mit einer solchen Geste – und letztlich ist es ja nichts anderes – ich meine, sicher sind wir nicht die besten Verkäufer...
1204 1205
KT
Nee, ich bin ein lausiger [Verkäufer, kann ich Ihnen direkt sagen.]
170 1206 1207 1208 1209 1210 1211 1212
HH
1213 1214
SB
[Aber...aber mit einer solchen] Geste erreicht man zumindet eine Nähe zu unseren Verkäufern. Jetzt gar nicht mal jetzt die Signalwirkung der Bereichsleitung oder den Filialleitern gegenüber. Es ist der Verkäufer, der dann sagt: Oh, guck mal, die Leute aus der Zentrale, aus dem Einkauf, [ja...] [Die machen] hier mit.
Hansen versucht ebenfalls zu vermitteln. Er argumentiert mit der Unternehmenskultur und Unternehmensphilosophie des Unternehmens Schick, derzufolge die Dienstleistung des Verkaufs eine Kernkompetenz darstellt. Seine kommunikative Strategie lässt sich als Entschärfungsstrategie charakterisieren: Er betont den symbolischen Wert der Handlung (vgl. Ich glaube worum’s da geht ist die Geste und so hab ich das auch verstanden und nicht anders..., 1236ff.) und lenkt den Fokus weg von der problematischen Beziehungskonstellation Produktmanager – Bereichsleiter. Stattdessen stellt er den einfachen Mitarbeiter und den ihm gegenüber erbrachten Solidaritätsbeweis in den Mittelpunkt. Diese Strategie greift Produktmanager Kowal auf, der sich zu diesem Thema das erste Mal zu Wort meldet: 1239 1240 1241 1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248 1249 1250
OK
Also ich sag mal so... Ich will da nicht jetzt... Ich komm aus dem Bereich. Wenn ich in den Filialen grundsätzlich bin – gerade wenn ich nicht angemeldet bin – mach’ ich das auch sehr gerne. Ich setz mich gerne hin im Service. Wo ich eher so’n Nachholbedarf habe, sehe ich an unseren Mitarbeitern, die dann immer schimpfen auf die Filialen, die auch immer kein Verständnis haben. Dass da mal /ehm/ von der Geschäftsführung auch gesagt wird: So und wir möchten von euch, dass ihr mal eine gewisse (An)zahl an Stunden auch in die Filiale geht.
1251 1252 1253
SB
So hab ich das verstanden, dass Sie das dann auch auf Ihre Mitarbeiter übertragen und dann sagen...
171 1254 1255 1256 1257 1258 1259
OK
1260
SB
1261 1262 1263
OK
Da seh ich eher die große Notwendigkeit. Also wir sind draußen, wir gucken, wir hören uns mal ‘n Verkaufsgespräch an, (manchmal gehen wir) auch dazwischen. Aber (unsere Damen), auch Logistik, wie auch immer... Abteilungen, die sollten [mal auch] in den Verkauf reingehen [ganz genau das] und gucken von neun Uhr morgens bis zwanzig Uhr abends, was da so alles passiert und nicht passiert. [...]
Nach Auffassung Kowals müsste die Forderung andere Mitarbeitergruppen im Unternehmen viel eher betreffen, und er fordert die Geschäftsleitung indirekt zu entsprechenden Handlungsanweisungen auf. Born unterstützt den Wollensanspruch seines Mitarbeiters und weist ihn an: Koordinieren Sie das doch mal mit Ihren Mitarbeitern (1270f.). Der Geschäftsführer stellt fest, dass es bereits gute Beispiele für gemeinschaftliche Aktionen gibt und spricht in dem Zuge Mitarbeiterin Tepe noch einmal direkt an: Und, Frau Tepe, der Unterschied ist auch der: Wir sind ein Dienstleister für die Filialen und die Filialen sind kein Dienstleister für uns. Das ist so. (1276–1279)
Hiermit bezieht auch er sich auf einen Leitsatz aus den Unternehmensgrundsätzen der Firma Schick, der Auswirkungen auf die Strukturen wie den Umgang der Mitarbeiter untereinander haben sollte. In Verbindung mit dem bekräftigenden Das ist so (1279) wirkt die Feststellung erst recht unumstößlich. Die Produktmanagerin fühlt sich dadurch offensichtlich angegriffen, zumindest aber zu einer erneuten Stellungnahme herausgefordert: Ich behaupte einfach, wir sind mehr als sechs Tage draußen (1282f.). Mit der explizit performativen Wendung Ich behaupte einfach... wird hier im Prinzip eine Feststellung eingeleitet, doch sieht Tepe sich wohl veranlasst, auf diese Weise ihre Position in der Argumentation erneut zu unterstreichen. Jeder Versuch, zu vermitteln, ist von nun an zum Scheitern verurteilt. Selbst als Einkaufsleiter Hansen zugesteht, dass das Problem der Interessenfronten in einem Handelsunternehmen gleichsam normal ist, verteidigt Tepe wiederum ihre Person bzw. die Gruppe der Produktmanager: 1344 1345 1346 1347 1348
KT
[Nee, aber Entschuldigung. Wir leisten] unseren Dienst als Dienstleister von morgens neun – der eine ‘n bisschen eher, der andere ‘n bisschen später – bis abends siebzehn Uhr.
172 1349 1350
HH
Nee, [nee, jetzt keine...jetzt keine (x)Haare spalten, neenee.]
1351 1352 1353
KT
[Man tut ja grade...] Es wird ja grade so getan, als ob wir hier sitzen und uns eigentlich nur erholen und draußen arbeitet (xxx).
1354
HH
Nee, [überhaupt nicht.]
Mit den Unterstellungen, die nun ins Spiel gebracht werden, verliert das Handlungsspiel immer mehr an Kontur. Der Geschäftsführer zeigt sich nach wie vor redlich bemüht, auf den in seinen Augen ursprünglichen Anspruch zurückzuführen: Es war einfach nur der Wunsch da, dass man draußen sich vor Ort mal zeigt. (1363ff.)
Für die Produktmanager geht es aber schon lange nicht mehr um entsprechende Inhalte. Daher beharrt Tepe auf ihrem Das machen wir doch schon (1372), und das Gespräch entwickelt sich immer mehr zu einem Schlagabtausch. Die Strategie der Geschäftsleitung, abzuschwächen und zu entschärfen, an Vernunft wie an Solidaritätsgefühl zu appellieren, erbringt nicht den erwünschten Erfolg. Für die Produktmanager ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen dem, was von ihnen gefordert wird und dem, was sie in der Zusammenarbeit mit den Filialen tagtäglich erleben, nur noch deutlicher geworden.38 Was wird daraus aber nun für das dialogische Handeln deutlich? Zum einen besteht ein grundsätzliches Problem darin, dass die Interaktanten von divergierenden kommunikativen Ansprüchen ausgehen und auf diese Weise Verständigung konterkariert wird. Im Endeffekt ist ihnen dies selbst bewusst, wie die nachfolgende Sequenz zeigt: 1451 1452 1453 1454 1455 1456 1457
HH
So, und da ist jetzt ein Punkt genannt worden, wo man die Idee hatte, dass das weiterhelfen könnte. Und das fanden alle anderen gut, inklusive uns, außer Ihnen im Moment. So, und d as hat doch mit einfordern nichts zu tun. Das ist ‘ne Idee, die dazu beitragen könnte halt, [‘nen Graben zuzumachen.]
1458 1459
NP
[Das ist ‘n Beschluss.] Das ist jetzt nicht [so...] Das ist ‘n Beschluss, nicht nur ‘ne
38
In diesem Sinne verweist Produktmanagerin Tepe auf die Arbeitsleistung, die sie und ihre Kollegen in der Zentrale erbringen, und sie mokiert sich über dieses Genöle von den Filialen (1357f.).
173 1460
HH
[Bitte?]
1461
NP
Idee. Das ist ‘n Beschluss.
1462
SB
Ja, genau.
1463
OK
Jetzt ist’s amtlich, ne.
1464 1465
HH
Gut, ich sag mal, die Idee ist diskutiert worden und dann für gut befunden worden, [ne.]
1466
SB
1467 1468 1469
HH
[richtig] Ok. Ohne dass wir dabei waren. Aber deshalb ist sie ja nicht schlecht. (-)
Produktmanagerin Petri spricht von einem Beschluss und stellt damit den deklarativen Charakter in den Vordergrund. Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Entscheidung getroffen wurde, hätte diese nicht mehr zum Gegenstand der argumentativen Auseinandersetzung werden dürfen. In dem Maße, in dem der Grundsatzkonflikt an Gewicht gewonnen hat, verstärkte sich der Verhandlungscharakter. Aber auch eine erfolgreiche Verhandlung war von Beginn an aussichtslos. Weder kann die Geschäftsführung hier die Rolle der Bereichsleiter einnehmen, noch ist dies ihre Aufgabe. Vielmehr wären deklarative und direktive Elemente zu stärken. Diese finden sich nur selten,39 was vermutlich mit der Unternehmenskultur bei Schick zusammenhängt, für die flache Hierarchien und Teamwork kennzeichnend sind. Das Bestreben der Geschäftsleitung, versöhnlich und ausgleichend auf die nicht immer spannungsfreie Interaktion im Unternehmen einzuwirken, zeigt sich auch im weiteren Gesprächsverlauf. Die Produktmanager – durch den vorherigen Aushandlungsdiskurs mutiger geworden – bringen nun beispielsweise ohne große Umschweife zum Ausdruck, dass i. E. an zwei verschiedenen Strängen gezogen wird (1495f.) bzw. jetzt irgendwo zwei Parteien da [sind] (1527f.). Hintergrund ist die Anpassung der Prämien, von der die Produktmanager als einzige Gruppe im Management noch nicht profitieren. Während für sie hier ein Zielund Interessenkonflikt besteht, betont Born, dass wir in die gleiche Richtung argumentieren (1506f.). Er bezieht sich auf eine sachlich begründete Entscheidung, die mit dazu geführt hat, eine Änderung der Prämienregelung zu beschließen. Auch wenn in dieser Hinsicht ein übergeordnetes gemeinsames Ziel bestehen sollte, schätzen die Produktmanager die Lage vor Ort anders ein, wie die folgende Äußerung Petris zeigt: 39
Vgl. die Anweisung, die Geschäftsführer Born an Produktmanager Kowal weitergibt: Koordinieren Sie das doch mal mit Ihren Mitarbeitern, dass die (auch ein paar) Tage im Jahr draußen sind (1270f.).
174 Also kein Bereichsleiter hat ’n Interesse dran, am 31.12. die Bestände hinzukriegen. Da können wir uns auf den Kopf stellen. Da können wir noch zwölf Tage mitverkaufen, wird dann auch nichts helfen. (1499ff.)
Aufgrund ihrer Argumentation, die im Weiteren von ihrem Kollegen Kowal unterstützt wird, hat der erwünschte Motivationseffekt so (noch) keine positiven Effekte für das Unternehmen. Hinter der Argumentation steht das Interesse der Produktmanager, dass endlich auch die eigenen Prämien erhöht werden. In ihrem Sinne verkündet Geschäftsführer Born: Nee, also wir müssen das harmonisieren. Auch Ihre Tantiemen werden natürlich auf den 30.9. umgestellt, ist doch logisch. Muss doch sein. (1543ff.)
Nachdem der vorherige Aushandlungsdiskurs ausgeartet war, besinnt sich Einkaufsleiter Hansen nun frühzeitig auf seine Moderatorenrolle. Wir müssen das jetzt hier nicht zu Ende diskutieren. [...] Wir reden da mal drüber. Ich hab da glaub ich ’ne ganz gute Idee. (1546–1550)
Er schließt das Thema ab, kündigt jedoch zugleich an, dass man sich über weiteren Handlungsbedarf verständigen wird. Dies erscheint umso wahrscheinlicher und Erfolg versprechender, als Hansen gleichzeitig mit angibt, bereits eine konkrete Idee zu haben. Die weiteren auf der Agenda stehenden Themen sind weniger brisant, vor allem weil die Beteiligten nicht unmittelbar-persönlich betroffen sind. Außerdem handelt es sich zum größten Teil um positiv besetzte Themen, wie z. B. eine große Marketingaktion in der Weihnachtszeit oder Werbung in einer bekannten Publikumszeitschrift. In diesem Zusammenhang bietet sich eine gute Gelegenheit, Information mit Motivation zu verbinden. Denn die Neuigkeiten, die Geschäftsführer Born zu berichten weiß, geben Anlass zu Kommentaren wie Das ist natürlich toll (2163) oder Es ist wirklich ’n Traum (2191f.). Darüber hinaus äußern die Produktmanager von sich aus eine Reihe von Ideen, die Anklang bei der Einkaufsleitung finden und zumindest so weit verabschiedet werden, dass man konkrete Maßnahmen bis zur nächsten Besprechung vereinbart.
5.5.3 Resümee Die Handlungsspiele, die im Rahmen der Einkaufsbesprechung bei Schick vorzufinden sind, zeichnen sich durch das starke Engagement aller Beteiligten aus, was grundsätzlich positiv zu bewerten ist. In diesem Sinne ist die Äußerung des Geschäftsführers zu unterstreichen, die Führungskräfte hätten hier die Möglichkeit, ihre Anliegen und Interessen zum Ausdruck zu bringen. Dabei kommen unvermeidlich auch Probleme zur Sprache, die vor allem die Interaktion mit anderen Funktionsbereichen und/oder Mitarbeitern betreffen.
175 Grundsätzlich wird den Mitarbeitern Raum für ihre Meinungen und Emotionen gegeben, wobei hier Konflikte zu den Prinzipien der Ziel- und Lösungsorientierung angelegt sind. In dem Maße, in dem es den Produktmanagern gelingt, ihre kommunikativen Ansprüche durchzusetzen, gerät die Unternehmensleitung – und auch die Gesprächsleitung – in die Defensive. Verkompliziert wird die Situation in der vorliegenden Sitzung dadurch, dass zusätzlich auf die Ansprüche einer nicht anwesenden Gruppe von Mitarbeitern referiert wird. Die Geschäftsleitung hat eine nicht einfache Doppelrolle: Einerseits tritt sie als Vermittler auf, andererseits muss sie die Unternehmensinteressen vertreten. So entwickelt sich an einer Stelle eine unnötig lange Diskussion: Zunächst wird versucht zu vermitteln, abzuschwächen und zu entschärfen. Das Handlungsspiel gewinnt dann aber immer mehr an Eigendynamik und letztendlich werden unterschiedliche Ansprüche ausgehandelt, hinsichtlich derer man keine befriedigende Lösung finden kann. Deutlich wird zudem, dass aufgrund vielfältiger funktionaler wie persönlicher Beziehungskonstellationen vor der operativen Durchführung vereinbarter Maßnahmen noch Mitarbeiter aus anderen Bereichen zur Kooperation zu bewegen sind. Es wäre interessant, hier noch einmal genauer hinzusehen, um festzustellen, ob und wie die Balance zwischen Sachlichkeit und Emotionalität, die für das Unternehmen Schick offensichtlich auf mehreren Feldern Thema ist, in der dialogischen Interaktion gewahrt bleibt.
5.6
Analyse eines Gesprächs zur Überprüfung der internen Koordination: Gibt’s sonst noch was in den Projekten?
Die letzte Analyse bezieht sich auf eine Besprechung, die in der Entwicklungsabteilung der Firma Hafe stattgefunden hat.
5.6.1 Anlass und Gesprächsverlauf Intern wird diese Besprechung als EW-Teamsitzung bezeichnet, da hier das Team der Entwicklungsabteilung, bestehend aus Zeichnern und Konstrukteuren unter dem Vorsitz von Abteilungsleiter Dr. Hunt, zusammensitzt.40 Der wöchentliche Rhythmus wird soweit möglich beizubehalten versucht, um die folgenden Ziele zu gewährleisten:
40
An der vorliegenden Sitzung nehmen neun Personen teil.
176 – Die Mitarbeiter sind zeitnah über den aktuellen Stand in den unterschiedlichen Projekten informiert; – sie haben Probleme gelöst, die den reibungslosen Prozessablauf verhindern; – sie haben sich über nächste Schritte und Maßnahmen verständigt. Entsprechend stehen operative Details im Hinblick auf verschiedene Produkte, ihre Konstruktion und Produktion, im Mittelpunkt. Da durch die Besprechung zeitliche Ressourcen gebunden werden und die Mitarbeiter so schnell wie möglich an ihre Arbeit zurückkehren sollen, ist der zeitliche Rahmen auf eine Stunde begrenzt. Wenn möglich, versucht man diese Zeit weiter zu unterschreiten. Im Falle der vorliegenden Sitzung kommt eine Besonderheit hinzu, die dieses Bestreben noch unterstützt. Vor der EW-Teamsitzung hat bereits eine Sondersitzung stattgefunden, an der im Wesentlichen die gleichen Mitarbeiter beteiligt waren. Im Rahmen dieser Sondersitzung wurden Vorbereitungen für ein Audit getroffen, das am nächsten Tag bei Hafe stattfinden soll.41 So wichtig in diesem Punkt die Präsentation nach außen, gegenüber dem Kunden, ist, haben die Gesprächsteilnehmer zugleich die Möglichkeit der Überprüfung durch Externe für eine interne Überprüfung ihrer Prozessabläufe genutzt. Daran schließt die EW-Teamsitzung gleichsam nahtlos an, wie in der folgenden Analyse gezeigt werden soll. Abteilungsleiter Dr. Hunt eröffnet die Besprechung mit einer kurzen Wochenvorschau. Zwar liegen keine Informationen aus dem Führungskreis vor, doch greifen die Mitarbeiter das Stichwort ‚Führungskreis‘ auf, um diesbezüglich zwei konkrete Nachfragen zu stellen. Dadurch entwickelt sich ein kurzer Zwischendiskurs, auf den in der Analyse näher einzugehen ist. Nachdem Dr. Hunt bereits zum Hauptteil der Sitzung, den unterschiedlichen Projekten, übergeleitet hat, fällt ihm noch das Thema Urlaubsplanung ein, das wiederum Anlass zu einem kurzen Zwischendiskurs gibt. Danach verständigen sich die Gesprächsteilnehmer über den aktuellen Stand und Probleme in den derzeit anstehenden Projekten.42 Die Besprechung endet mit der Planung der abteilungsinternen Weihnachtsfeier.
5.6.2 Dialogische Handlungsspiele Durch die Analyse ausgewählter Sequenzen, vor allem aus dem Hauptteil der Sitzung, soll im Folgenden die Korrelation von kommunikativ-dialogischem Handeln einerseits und praktischem Handeln bei Hafe andererseits herausgestellt werden.
41
42
Eine Auditierung ähnelt einer Zertifizierung, wird jedoch nicht von unabhängigen Gutachtern, sondern vom Kunden selbst durchgeführt, der vor der Auftragsvergabe seine Zulieferanten überprüft. Ein Projekt bezieht sich auf eine Kundenanfrage bzw. ein Produkt/Produktpaket. Es umfasst den Prozess von der Anfrage über die Konstruktion und Produktion bis hin zur Auslieferung.
177 5.6.2.1 Erkundung Abteilungsleiter Hunt eröffnet die Sitzung mit einer Wochenvorausschau. Entsprechende Termininformationen nutzen die Mitarbeiter zu Nachfragen, wobei mit dem Besuch bei einem Kunden ein Thema angesprochen wird, das Dr. Hunt lieber nach hinten schieben (0015) möchte, anstatt jetzt schon in die konkrete Planung einzusteigen. Er betrachtet es zunächst als seine Aufgabe, allgemeine Informationen weiterzugeben, wobei er konstatieren muss: Über Informationen aus’m Führungskreis /äh/ da gibt’s im Moment nix... nix Neues (0024f.). Auf die Nachfrage, ob bereits über die Strategietagung berichtet werden darf (0027ff.), erklärt Hunt, dass seitens der Geschäftsführung noch keine Entscheidung getroffen worden sei, was gesagt werden soll. Damit rechtfertigt der Abteilungsleiter seine Zurückhaltung in diesem Punkt, wobei er zugleich verspricht, Informationen, die die Abteilung betreffen, so schnell wie möglich weiterzugeben. Die Informationspolitik bei Hafe ist dann auch Gegenstand der folgenden Diskussion. Mitarbeiterin Scholl leitet mit der metakommunikativen Äußerung (0043) ein Handlungsspiel der Erkundung ein: 0043 0044 0045 0046
FS
0047
Ich hatte eigentlich mal eine Frage. Hier kursiert ein Gerücht, dass Überstunden nicht mehr bezahlt werden sollen ab nächstem Jahr. Ist da schon irgendwie was...? (-)
0048
DH
Das geht nicht.
0049
FS
Gut. Das ist einfach nur [... Weil da] bin ich
0050
?
0051 0052 0053
FS
jetzt schon öfters so gefragt worden und ich sag: Ja, das weiß ich auch nicht. Ich kann da nichts zu sagen [aber...]
0054 0055 0056 0057
DH
[Nee, es hat...] Es hat ja jeder schlicht und ergreifend ‘nen Arbeitsvertrag. Und Sie können nicht von jetzt auf gleich sagen /äh/ Überstunden werden nicht mehr [bezahlt. Das...]
0058 0059
FS
[Ein Gerücht?]
[Gut, also] es ist wirklich erst mal ‘ne Ente.
178 0060 0061 0062 0063
DH
/Äh/ das geht... Das geht also zumindest mal nicht ohne /äh/ in irgendeiner Weise die Mitarbeiter sag ich mal da im Boot zu haben. Zumindest nach meinem Wissen. /Ehm/...
0064 0065 0066
TS
Es sollten diese fünf Stunden gestrichen werden. Da ist der Betriebsrat dran. Das hab ich mal gehört.
0067 0068 0069 0070
FS
Ach, ich dachte, das bringen wir einfach mal so hier auf’n Tisch, weil alles erzählt... Fragen Sie mal. Gut, ok.
Scholl bezieht sich auf das im Unternehmen kursierende Gerücht, Überstunden sollten nicht mehr bezahlt werden. Nun will sie wissen, ob dies von offizieller Seite bestätigt werden kann. Ihren Wissensanspruch bringt sie äußerst vorsichtig durch die nicht zu Ende geführte Frage (0045f.) vor. Es entsteht eine kurze Pause, bis ihr Vorgesetzter mit der Feststellung Das geht nicht (0048) reagiert. Scholl nimmt dies nicht nur erleichtert zur Kenntnis, sie rechtfertigt zusätzlich ihre Initiative im Gespräch dadurch, dass sie von anderer Seite gefragt worden sei bzw. weil alles erzählt (0068). Ihre Äußerungen sind ein Indikator für eine Kommunikationskultur, die durch Herrschaftsdenken geprägt ist – nur bestimmte Personen haben das Recht zur Information – und in der Gerüchte und Misstrauen leichtes Spiel haben. Diese Einschätzung deckt sich mit Aussagen des Geschäftsführers, die meisten Mitarbeiter hätten noch eine Unternehmensführung miterlebt, die ihre verbindlichen Entscheidungen weitgehend allein getroffen hätte. Folglich sind die Angestellten es nicht gewöhnt, Eigeninitiative zu zeigen, was sich sowohl in der praktischen Interaktion als auch im kommunikativ-dialogischen Handeln widerspiegelt. Im Laufe der Analyse wird sich dies an weiteren Beispielen nachweisen lassen. An dieser Stelle sei jedoch der Blick zurück auf das Handlungsspiel gelenkt. Entwicklungsleiter Hunt begründet seine Reaktion damit, dass die Angestellten durch arbeitsvertragliche Regelungen geschützt seien. Darüber hinaus unternimmt er einen Solidarisierungsversuch: Das geht also zumindest mal nicht ohne /äh/ in irgendeiner Weise die Mitarbeiter sag’ ich mal da im Boot zu haben. Zumindest nach meinem Wissen. (0060ff.)
Gleichwohl setzt Mitarbeiter Seiter noch einmal nach, der sogar von konkreten Maßnahmen gehört haben will. Seine Kollegin ist allerdings mit der Antwort ihres Vorgesetzten zufrieden, sie sieht keinen Anlass für einen weiterführenden Aushandlungsdiskurs. Stattdessen rechtfertigt sie zum Ende noch einmal ihren Wissensanspruch als solchen: Ach, ich dachte, das bringen wir einfach mal so hier auf’n Tisch (0067f.).
179 5.6.2.2 Von der Überprüfung zur Problemlösung Konstitutiv für die dialogische Interaktion im Hauptteil der Sitzung ist die Frage von Dr. Hunt: ... gibt’s sonst noch was in den Projekten? (0159f.)
In ihrer Form und Funktion ist die EW-Teamsitzung an einem übergeordneten Wissensanspruch orientiert. Im Gegensatz zum Handlungsspiel der Erkundung im ersten Teil, das durch eine Mitarbeiterin initiiert wurde, ist es nun der Vorgesetzte, der im Namen des Unternehmens wissen will, wo die Abteilung mit ihren Projekten steht. Durch diese Konstellation von Zweck und Statusfunktion ist es m. E. angebracht, hier von einem Handlungsspiel der Überprüfung zu sprechen. Prinzipiell sind auf die Frage Hunds zwei Antwortmöglichkeiten denkbar: Zum einen können sie feststellen, dass alles nach Plan läuft. Dann findet das Handlungsspiel entweder sofort einen Abschluss, weil die nächsten Schritte bereits feststehen und kein Aushandlungsbedarf besteht, oder es wird zur weiteren Planung übergegangen. Zum anderen ist es nicht unwahrscheinlich, dass man im Zuge der Überprüfung auf Probleme stößt, zu deren Lösung ein Mitarbeiter allein nicht in der Lage ist. Um solche Fälle, in denen ein Handlungsspiel der Überprüfung in ein Handlungsspiel der Problemlösung übergeht, soll es im Weiteren gehen. Als Abteilungsleiter trägt Dr. Hunt eine besondere Verantwortung, die Prozessabläufe zu kontrollieren. Dementsprechend liegt die Initiative größtenteils bei ihm, so auch in der folgenden Sequenz: 0190 0191
DH
Nehmen wir mal so hin. Irgendwas war noch mit dem Dextra Double-Scharnier?
0192 0193 0194
TS
Da soll ‘ne Untersuchung gemacht werden für den neuen Double, weil das hat wohl ‘ne zu geringe Aushebesteifigkeit, das alte.
0195 0196
DH
Aha, und das fällt ihnen jetzt auf, wo der Wagen...
0197 0198 0199
TS
Weiß ich nicht. Bei Erprobungsfahrten hat sich wohl die Haube angehoben. Wie ja damals auch beim S4 war. Und...
0200
?
Macht man ja nicht.
0201
TS
Und... Ja, der neue Double. Und darauf...
0202
DH
Ach beim neuen jetzt?
180 0203
TS
Beim neuen.
0204 0205
DH
Ja gut, das kann natürlich auch sonstwo dran liegen.
0206 0207 0208 0209
TS
Die wollen da gerne das Scharnier von dem alten Double in den neuen übernehmen. Und das hat also wohl für diese Hauben[(geometrie zu wenig (x)Beständigkeit.)]
0210 0211
DH
0212 0213 0214 0215 0216 0217 0218 0219
TS
Keine Ahnung. Ich hab das also nur von dem Herrn Vorn auf den Tisch gekriegt, ich hab das aus’m KVS geladen und dann hab ich halt nur die Info gekriegt, ich soll das noch mal untersuchen oder soll auch mal das 3D0-Scharnier da reinbauen und mal gucken, wie das damit aussieht. Termin? Keine Ahnung.
0220 0221
FS
[Hör mal, ich hab doch noch ‘n Protokoll dazu geschrieben, oder?]
0222 0223
?
[Bei Herrn Vorn ist das doch immer sofort, oder nicht?]
0224
TS
Wahrscheinlich [vorgestern.]
0225
?
0226 0227 0228
TS
Mehr kann ich da nicht zu sagen. Ich hab auch kein...kein Besprechungsprotokoll oder sowas. Das ist alles nur mündlich.
0229
FS
Mhm. Ich hatte sowas...
0230
TS
Von daher hab ich auch keine Terminschiene.
0231
DH
Dann [/äh/...]
0232 0233
FS
[Ist doch was wegen dem Double verschickt worden.]
0234 0235 0236 0237 0238
DH
Versuchen Sie ihn noch mal telefonisch zu erreichen. Um da über Termine zu reden. Bis wann das denn sein muss. Und ich sag mal, /ehm/ wir müssen halt verschiedene andere Dinge umstoßen, wenn wir’s vor KW 2 haben wollen, ne. [...]
[Und wie ist das terminlich?]
[gestern]
181 Die Frage (0190f.), mit der Hunt ein neues Thema einführt, indiziert, dass in einem Projekt Handlungsbedarf besteht. Nun möchte der Abteilungsleiter wissen, was genau Sache ist. Verantwortlich für eine Antwort fühlt sich Mitarbeiter Seiter: Da soll ’ne Untersuchung gemacht werden für den neuen Double, weil das hat wohl ’ne zu geringe Aushebesteifigkeit, das alte. (0192ff.)
Seiters Antwort impliziert, dass es ein Problem gibt, wobei er selbst nichts Genaues wisse (vgl. den wiederholten Gebrauch der Partikel wohl). Indem er die, d. h. Mitarbeiter des Kunden, zum handelnden Subjekt erklärt, weist Seiter die Verantwortung für den Prozess von sich. In der Reaktion auf weitere Nachfragen seines Vorgesetzten bleibt Seiter bei der Aussage Keine Ahnung (0212, 0219). Wiederum weist er die Verantwortung denjenigen zu, von denen er Arbeitsanweisungen43 erhalten hat. Seine Äußerungen lassen auf fehlende Verbindlichkeit, gepaart mit der schon festgestellten mangelhaften Eigeninitiative, schließen. So wurden Informationen nur mündlich und ohne Angabe von Terminen kommuniziert. Aus diesem Grund sieht sich Abteilungsleiter Hunt veranlasst, eine Arbeitsanweisung an seinen Mitarbeiter weiterzugeben: Er soll telefonisch mit dem Kunden Kontakt aufnehmen, d. h. das direkte Gespräch suchen. Hunts Wortwahl evoziert die gewünschte Verbindlichkeit: Bis wann das denn sein muss. [...] wir müssen halt verschiedene andere Dinge umstoßen. (0236ff.)
Indem er zu einem anderen Projekt überleitet, signalisiert Hunt, dass für ihn damit der Punkt erledigt ist – nicht jedoch für seinen Mitarbeiter, der nun, da er in seinem eigenen Handeln betroffen ist, weiteren direktiven Ansprüchen zuvorzukommen versucht. 0246 0247 0248
TS
Ja, obwohl, wenn ich jetzt die Sache da mit dem Audit... Da geht heute und morgen fast für drauf.
0249
DH
Nee...
0250 0251 0252 0253 0254 0255 0256 0257 0258
TS
Ja, heute auf alle Fälle. Den ganzen Kram raussuchen. Und ich bin halt noch arg mit der Kinematic am Basteln. Weil ich’s wirklich halt nur auf Lackierlack machen kann. Und ich noch nicht so ganz weiß, wie ich ‘ne Kinematic mit zwei Freiheitsgraden hinkrieg. Weil’s da halt so’n Fünfgelenk(x) ist. Und da bin ich noch dran. [...]
43
Seiter selbst spricht von einer Information, wobei dem funktionalen Charakter nach eigentlich eine direktive Handlungsaufforderung vorliegt.
182 0280 0281 0282 0283 0284 0285 0286
TS
Und dann hab ich jetzt grad noch ‘nen Auftrag von dem Herrn (x) gekriegt. Also den kann ich terminlich auf alle Fälle nicht erfüllen. 4F5Schließkeil, der soll diese Woche geändert werden. Das hab ich auch zum Herrn x jetzt grad schon gesagt, dass ich das auf alle Fälle diese Woche nicht mehr unterkrieg.
Als primäre Begründung für eine Ablehnung direktiver Ansprüche führt Seiter Überlastung an. Damit ist er nicht allein, denn im weiteren Verlauf der Sitzung stellt sich dies immer wieder als ein Problem dar, durch das der Fortschritt in den Projekten gefährdet ist (vgl. 0500ff.). Mit der rhetorischen Frage Wir haben alle keine Zeit, ne? (0525) macht Entwicklungsleiter Hunt in einem vergleichbaren Zusammenhang an späterer Stelle deutlich, dass dieses Argument letztlich von jedem Unternehmensmitglied angeführt werden könnte. Gleichwohl wäre das praktische wie das kommunikative Handeln kaum als effektiv zu bezeichnen, würde man es bei dieser Aussage belassen. Vielmehr gilt es in entsprechenden Situationen Flexibilität und Kreativität zu beweisen, z. B. verschiedene andere Dinge um[zu]stoßen (0237f.). Wie eng die unterschiedlichen Projekte miteinander verbunden sind, und dass Maßnahmen für das eine Projekt Auswirkungen auf andere haben, zeigt sich im unmittelbaren Anschluss an den obigen Aushandlungsdiskurs. Auf die Äußerung von Mitarbeiter Seiter reagiert sein Kollege Issel mit der Frage Was ist eigentlich mit dem Schließkeil 8PAnton jetzt? (0287f.). Ähnlich wie Dr. Hunts Frage in 0190f. impliziert Issels Frage Handlungsbedarf im Hinblick auf ein konkretes Produkt. Anders als Hunt belässt Issel es jedoch nicht bei der Frage, sondern er weist durch seine folgenden Äußerungen direkt auf eine Problemkonstellation hin: 0287 0288 0289 0290 0291
AI
Was ist eigentlich mit dem Schließkeil 8P4Anton jetzt? Der sollte... Da wurde Alarm gemacht, dass wir dieses Jahr auf jeden Fall noch bemustern werden nach ‘ner Zeichnung und jetzt die Zeichnung hatte Matthias angefangen aber...
0292 0293
TS
Die Zeichnung haben wir. Die ist jetzt nur nicht wieder so wie die Teile aus dem Werkzeug sind.
0294
AI
Genau.
0295 0296 0297
TS
Weil da führt jetzt diese Schräge runter. Und da müsste diese Schräge unten wieder eingezeichnet werden.
183 0298 0299 0300
AI
Und das funktioniert wohl auch nicht, weil wir da diese 1,5 Millimeter im Höhensprung... [(dass wir da alles...)]
0301 0302 0303 0304 0305 0306 0307
TS
[Und das Problem ist aber] mit den Grundplatten. Ich hab jetzt das Modell geändert, dass wir den...den Bügel auf der gleichen Höhe haben. Da hattest Du ja... Unten waren ja anderthalb Millimenter Luft. Und ich hab jetzt den Sprung in der Grundplatte geändert, [damit der Bolzen an der Stelle stehen bleibt.]
0308 0309 0310
SO
[Ich hatte einfach den...] Ich hatte einfach den Bolzen in dem Bereich um anderthalb Millimeter länger gemacht.
0311 0312 0313 0314
AI
Das Problem ist, das ist jetzt nicht mehr konform, ne. Teil zu Zeichnung oder wie auch immer oder zur Forderung. (Und daher Platz hast Du ja gar nicht.) Das geht ja gar nicht.
0315 0316
TS
Also ich hatte jetzt die Grundplatte geändert vorm Druck. Dass man im Druck nachsetzen würde.
Wie zu vermuten, handelt es sich hier um ein Problem, das ein Produkt bzw. eine Verfahrensweise betrifft. Für die Produktion eines Schließkeils liegen unterschiedliche Kundenanforderungen vor, so dass das bereits produzierte Musterteil nun nicht mehr konform zur ursprünglichen Zeichnung ist. An der dialogischen Interaktion wird deutlich, dass die Gesprächsteilnehmer in ihrem praktischen Handeln konkret betroffen sind. So wissen sie ihre praktischen Handlungen sehr genau zu beschreiben. Abteilungsleiter Hunt demonstriert im weiteren Gesprächsverlauf durch gezielte Nachfragen sein Produkt- bzw. Prozesswissen: Ist da ’ne Scheibe drunter? (0329) Dann sind die Schließbügel wieder hochgemacht? (0335)
So macht er sich ein genaueres Bild von der Lage, was dazu führt, dass weitere Probleme zur Sprache kommen. In der Dynamik des Gesprächs erschließt sich außerdem die Komplexität der Interaktionsstrukturen.
184 0329
DH
Ist da ‘ne Scheibe drunter?
0330 0331 0332 0333 0334
SO
Also auf den ersten Musterteilen hatten wir ‘ne Scheibe druntergelegt und die neuen Teile, die wir davon bestellt haben, die sind auch schon so bestellt. 100 Stück oder 200 Stück. Für die Bemusterung.
0335
DH
Dann sind die Schließbügel wieder hochgemacht?
0336 0337
SO
Ja. Also [diese Teile liegen genau in der gleichen Lage wie vorher.]
0338 0339
DH
[Das heißt der Schließbügel sitzt...] sitzt in der richtigen Höhe.
0340
AI
Also, das... Das wussten wir nicht, ne?
0341
TS
Das war mir jetzt nicht bekannt.
0342 0343
AI
Ja. [Mir nämlich auch nicht.]
0345
DH
[Ja, dann ist es aber in Ordnung.]
Mitarbeiter Osterkamp bezieht sich mit seiner Feststellung in (0330–0334) auf den Auftrag an einen Kooperationspartner, der in Anspruch genommen wird, wenn die Produktion bei Hafe ausgelastet ist, d. h. vor allem für die Produktion von Werkzeugen und Musterteilen. Seine Kollegen bestätigen sich gegenseitig, dass ihnen die Information fehlte, in welcher Ausführung die Teile bei dem Unterlieferanten, der Firma Patte, in Auftrag gegeben wurden. In diesem Fall stellt ihr Nicht-Wissen zwar kein größeres Problem dar, weil die Teile offensichtlich in der richtigen Ausführung bestellt wurden. Anders ist dies aber in Bezug auf den folgenden Prozess, die Auslieferung der Teile: 0378 0379 0380 0381 0382 0383 0384 0385 0386 0387
TS
0388 0389
DH
Es sind Serienteile sind ja...oder von Patte sind am Freitag zwanzig Stück gemacht worden, die hat der Herr Vorn heute auch mit. Und Herr Patte hat am Freitag noch fleißig weitergemacht mit Teilen beziehungsweise heute. Also es sollten noch insgesamt fünfzig Teile gemacht werden. /Äh/ da wollte sich der Thorsten drum kümmern, wann die jetzt kommen. Ich weiß nicht, ob die jetzt [heute oder morgen hier eintrudeln.] [(xxx) dann werden die heute verbaut.]
185 0390 0391 0392
FS
Hör mal, Moment mal, Patte-Teile? [Sind am Freitag gekommen und die hat der Herr x noch abgeholt und hat die rübergebracht.]
0393 0394
AI
[Dann wär’s doch gut, sag ich mal, wenn Vorn die (xxx).] [Sonst, also...] Ist doch so bescheuert
0395
DH
0396
AI
wieder, oder?
0397
TS
Das sind die, die Vorn mit hat heute.
0398
FS
Ach so, ja gut.
0399 0400 0401
AI
Wir sitzen hier auf heißen Kohlen und dann kommen die ersten Teile und dann sind sie schon wieder weg.
0402
DH
Klassischer Fehler. [Ich hab aber selber...]
0403 0404
AI
0405 0406 0407 0408 0409 0410 0411
DH
Ich hab aber selber auch nicht dran gedacht. Ich hätte am Freitag anrufen sollen, dass wir mal fünf Stück hier behalten. Aber wir kriegen heute neue. Aber grundsätzlich wär es besser gewesen von der ersten Charge dann auch schon welche zu haben. [Jetzt haben] wir wieder die Situation, dass wir
0412
AI
[Ja, dann hätten wir auch schon...]
0413
DH
nicht wissen, was der Kunde da eigentlich hat.
0414
AI
ja
0415
DH
Weil wir selber nicht gemessen...
0416
AI
Das obendrein, genau.
0417
DH
Weil wir selber nicht mehr gemessen haben.
0418 0419
SO
Und wenn die heute anrufen oder morgen und sagen: Ändert das vollkommen...
0420
DH
Ja, wir wissen überhaupt nichts. [...]
[Ist ja beknackt.]
[Den Fehler machen wir selber.]
Überrascht reagieren die Anwesenden, als sie von einer Mitarbeiterin erfahren, dass die Schließkeile schon geliefert wurden und ein Mitarbeiter der Vertriebsabteilung sie bereits zu einem Kundenbesuch mitgenommen hat. Entwicklungsleiter Hunt bringt seinen Ärger zum Ausdruck und kommentiert die Lage folgendermaßen:
186 Jetzt haben wir wieder die Situation, dass wir nicht wissen, was der Kunde da eigentlich hat. (0411ff.)
Im Weiteren spitzt er zu: Ja, wir wissen überhaupt nichts (0420). Ebenso wie sein Mitarbeiter Issel weiß er, dass man – und er persönlich – sich den Vorwurf gefallen lassen muss, Informationen nicht eingeholt bzw. weitergegeben und folglich notwendige Maßnahmen unterlassen zu haben – was anscheinend keinen Einzelfall darstellt.44 Angesichts des unmittelbaren Handlungsdrucks ist für Ursachenanalysen aber wenig Zeit. Für den weiteren Prozess, d. h. die Teile, die noch zur Bemusterung anstehen, gibt Dr. Hunt Anweisungen an seine Mitarbeiter weiter, die nun die notwendig erscheinende betriebsinterne Koordination betreffen (vgl. 0424ff.). Mit seiner Forderung Ich möchte möglichst schnell die Kennlinie haben (0432f.) macht er deutlich, dass er selbst nun in den weiteren Prozess involviert werden will. Er handelt gemäß seiner Funktion als Vorgesetzter bzw. Abteilungsleiter, die eine besondere Verantwortung zur Überprüfung mit sich bringt. Gleiches gilt für das Weisungsrecht, von dem er hier Gebrauch macht. Doch sollte nicht der Eindruck einer autoritären Führungsbeziehung entstehen. In der vorliegenden Sitzung wird vielmehr deutlich, dass Hunt sich selbst als Mitglied des Entwicklungs-Teams sieht. So signalisiert er Verständnis für die Probleme seiner Mitarbeiter oder er motiviert das Team: Wie war das: Auf den letzten 100 Metern sind wir stark (0278f.). Der Motivation ist es außerdem zuträglich, dass Hunt seinen Mitarbeitern bestimmte Entscheidungen überlässt (vgl. Ja, machen Sie das ruhig. Also überlass ich Ihnen, 0567f.). Ferner wird ihnen die Möglichkeit gegeben, im Rahmen der Besprechung zu verschiedenen Aufgaben und Problemen Stellung zu nehmen und sich auf diese Weise der eigenen und fremder Kompetenzen zu versichern (vgl. Aber das ist doch eher ne Aufgabe sag ich mal für unsern Prototypenbau..., 0674f.).45 Hunt greift ein, wenn die unternehmerische Umsicht es gebietet, d. h. vor allem, wenn es um die Ressourcen Zeit und Geld geht (vgl. Ja, die sind teuer, ne. Vorsicht, 0584). In seiner Rolle als Moderator und seiner Funktion als Abteilungsleiter stellt er des Weiteren Entscheidungen zurück, die an Ort und Stelle noch nicht getroffen werden sollen (vgl. Müssen wir gleich noch drüber reden, 0518; ... und dann müssen wir entscheiden, 0706f.).46
44
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Die Äußerung Aber es weiß noch keiner was Genaues (0174f.) indiziert in diesem Zusammenhang ein generelles Problem für das Unternehmen Hafe: Es fehlen offensichtlich des Öfteren Informationen, so dass Aufgaben nicht korrekt oder gar nicht ausgeführt werden können. So kommt es gegen Ende noch zu einem längeren Aushandlungsdiskurs, in dem sich die Gesprächsteilnehmer darüber verständigen, welche Unterlagen sie einem Kunden zur Verfügung stellen können, d. h. welchen Teil ihres Know-hows sie schützen wollen. Damit zeigt sein Verhalten in der Entwicklungsbesprechung Parallelen zu dem in der Führungskräftesitzung, weil er auch dort differenziert, was an Ort und Stelle oder aber erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden kann.
187 Da die Handlungsspiele, die sich im weiteren Verlauf der Sitzung entwickeln, in ihrer Form und Funktion keine entscheidenden Differenzen zu den analysierten Passagen aufweisen und die weitere Analyse keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erbringen würde, möchte ich an dieser Stelle mit einem kurzen Zwischenfazit die vierte und letzte Analyse abschließen.
5.6.3 Resümee Die EW-Teamsitzung bietet ein Beispiel für dialogische Interaktion, die eng mit dem praktischen Handeln im Unternehmen verknüpft ist. Auch wenn die Mitarbeiter für den Zeitraum einer Stunde ihren Arbeitsplatz verlassen und in einem Besprechungsraum zusammensitzen, bringen sie Anliegen vor, die Gegenstand ihrer aktuellen Beschäftigung sind. Ausgangspunkt ist die Frage ‚Wo stehen wir mit unseren Projekten?‘ Dementsprechend werden die dialogischen Handlungsspiele von einem übergeordneten Wissensanspruch dominiert, der sekundär direktiv motiviert ist. Die Beiträge der Mitarbeiter lassen darauf schließen, dass Kompetenz i. S. von Wissen, wie Aufgaben auszuführen sind, im Hinblick auf das eigene Aufgabenfeld vorhanden ist. In der Performanz, d. h. in der aktuellen Anwendung, braucht es aber darüber hinaus Wissen um vor- und nachgelagerte Prozesse. Dieses wird primär kommunikativ gewonnen, wobei die kommunikative Initiative bei Hafe offensichtlich zumeist von den Führungskräften ausgeht. Im Zweifelsfall bleiben die Mitarbeiter eher beim Eingeständnis ihrer eigenen Unwissenheit bzw. Ahnungslosigkeit, als sich einem dialogischen Aushandlungsprozess zu stellen. Eigene Ansprüche werden zumeist vorsichtig, bisweilen defensiv-rechtfertigend formuliert. Eine besondere Herausforderung für den Vorgesetzten besteht somit darin, starre Aufbau- und Ablaufhierarchien aufzubrechen und allen Beteiligten neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Dies scheint bereits insofern zu gelingen, als in der analysierten Sitzung Problemstellungen interaktiv behandelt werden. Dabei geht es u. a. auch um Entscheidungskompetenzen und Prozessverantwortung. Im Zuge veränderter Organisationsstrukturen (Beispiel Projektmanagement) wird ein verantwortungsvoller und sicherer Umgang mit anderen Organisationen, Organisationseinheiten und Personen im eigenen wie im fremden Unternehmen immer wichtiger – dies deutet sich auch in der EW-Teamsitzung an. Sie bietet m. E. einen adäquaten Rahmen, um den Umgang mit unterschiedlichen kommunikativen Ansprüchen zu trainieren, wobei selbstverständlich die Ziele und Zwecke nicht aus dem Blick geraten dürfen. In der vorliegenden Sitzung werden trotz der Kürze der Zeit eine Reihe von Projekten und Problemen angesprochen und am Ende sind die offensichtlich notwendigen weiteren Maßnahmen vereinbart worden.
188
5.7
Zusammenfassung der Analyseergebnisse
In den vorangehenden Kapiteln wurde die kommunikative Praxis in Unternehmen auf Grundlage der im Theorieteil entwickelten Typologie dialogischer Handlungsspiele untersucht. Im Anschluss an die Analysen einzelner Gespräche soll ein zusammenfassender Vergleich die wesentlichen Ergebnisse herausstellen. Gemäß der Leitfrage dieser Arbeit, wie ökonomische Zwecke und Strukturen dialogisches Handeln in Unternehmen prägen, sind vor allem Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Abhängigkeit von unternehmenskulturellen Rahmenbedingungen hervorzuheben. Unter der Prämisse, dass dem individuellen unternehmenskulturellen Kontext stets Rechnung zu tragen ist, können die Erkenntnisse gleichwohl in gewisser Weise generalisiert und allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden. Bei den Analysen der Gespräche mit Beteiligung des Top-Managements war eine Konzentration auf den Zweck der Entscheidungsfindung festzustellen. Für den Industriebetrieb Hafe heißt das im konkreten Fall, Verständigung über maßgebliche strategische Optionen zu erzielen. Im Rahmen einer Führungskräftesitzung konnten Handlungsspiele der Argumentation identifiziert werden, in denen die Führungskräfte zum einen aushandeln, ob ein neuer Auftrag angenommen werden soll, zum anderen, ob ein neues Produkt für das Unternehmen ein zusätzliches ‚Standbein‘ werden könnte. Dabei rekurrieren sie vor allem auf Chancen und Risiken, um ihre Positionen zu begründen. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Frage nach der Souveränität im Umgang mit den unterschiedlichen Prozessen. Diesbezügliche Skepsis macht sich u. a. daran bemerkbar, dass die Führungskräfte selbst noch viele Fragen haben, sich bisweilen defensiv-rechtfertigend verhalten und in einigen Punkten noch keine definitive Entscheidung treffen möchten. Auf der anderen Seite signalisieren sie aber auch, dass sie um die Notwendigkeit wissen, schnell und flexibel auf den Markt zu reagieren. In der dialogischen Interaktion spiegelt sich ein entsprechender Handlungs- und Entscheidungsdruck wider. So zeigt sich der Geschäftsführer einerseits stets bestrebt, die Meinungen seiner Mitarbeiter bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Andererseits drängt er auf baldige Entscheidungen und sein bestimmtes Auftreten trägt nicht unerheblich dazu bei, dass das Gespräch zielorientiert verläuft. Unter dieser Bedingung erfüllt ein Handlungsspiel der Argumentation eine wesentliche Funktion für ein Unternehmen: Es bereitet konsensfähige Entscheidungen vor, weil die Akteure sich vorab über das Für und Wider ihrer Handlungsoptionen verständigen können. Die Zielorientierung stellt einen Maßstab dar, an dem sich auch das betriebliche Handeln bei Schick messen lassen muss. Der analysierten Geschäftsführungssitzung sind bereits Gespräche und Entscheidungen vorausgegangen, die der Festlegung von verbindlichen Zielen dienten. Nunmehr steht man kurz vor der Umsetzung, so dass Verständigung über
189 den weiteren Weg bzw. strategische Maßnahmen zu erzielen ist. Auch wenn bereits Ziele und Richtlinien vorgegeben werden können, nutzt die Unternehmensleitung eine Sitzung mit ihren Führungskräften u. a. dazu, die Vorgaben zu legitimieren. D. h. hier kommen ebenfalls Begründungen zum Tragen, wobei diese primär an ökonomischen Kosten-Nutzen-Überlegungen orientiert sind. Das strukturierte Vorgehen innerhalb der Besprechung hängt mit den unterschiedlichen Überlegungen zusammen, die sich in erster Linie aus den Fragen: ‚Was ist unsere Filialpolitik?‘ sowie ‚Wie verfahren wir mit den Filialen?‘ ergeben. Aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung in der Vergangenheit stehen die Zeichen auf Wachstum, womit auch die in der Analyse festgestellten kommunikativen Mittel und Strategien korrespondieren. So spricht offensive Herausforderung aus dialogischen Handlungsspielen und Sequenzen, die der Mitarbeitermotivation oder auch der Planung des weiteren Vorgehens dienen. Als das derzeit zentrale Problemfeld stellt sich die konsequente Umsetzung vereinbarter Maßnahmen heraus. Verschärfend kommt hinzu, dass in einem Handelsunternehmen die Interessen der Zentrale und die der Filialen nicht immer kompatibel sind (vgl. die analysierte Einkaufsbesprechung). Die Unternehmensleitung ist sich dessen bewusst und fordert mit Bestimmtheit die Orientierung an ökonomisch begründeten Kriterien und Maßstäben, wie z. B. unterschiedlichen Kostenarten, ein. Professionalität spiegelt sich zum einen im ökonomischen Wissen wider, zum anderen aber auch darin, dass zusätzliche Erfahrungswerte von denjenigen eingeholt werden, die die Geschäfte vor Ort besser kennen und beurteilen können. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die kommunikativen Ansprüche der Geschäftsführung von den Führungskräften im oberen und mittleren Management unterstützt werden, erfüllen dialogische Handlungsspiele in Unternehmen über ihren primären Zweck hinaus die Funktion, Übereinstimmung der Interessen zu erzielen bzw. zu demonstrieren. Ein zentraler Unterschied zu der Führungskräftesitzung bei Hafe ist darin zu sehen, dass die Interessenkonkordanz bei Schick gleichsam ‚natürlich‘ im Gespräch zum Ausdruck kommt, während in dem mittelständischen Betrieb ein höherer metakommunikativer Steuerungsaufwand von Seiten des Geschäftsführers betrieben wird, um expliziten Konsens zu generieren. Man könnte im Fall Schick auch von einer ausreichenden Disziplinierung durch die Rahmenbedingungen sprechen, die bei Hafe so (noch) nicht gewährleistet ist, weswegen der Geschäftsführer des Öfteren nachfragen und insistieren muss. Dies hängt nicht zuletzt mit der historisch gewachsenen Führungskultur und -struktur zusammen: Bei Hafe ist der Übergang von einer stärker patriarchalischen Führung zu einem kooperativdelegativen Führungsstil zum Zeitpunkt der analysierten Sitzung noch nicht vollständig vollzogen, Schick hat diesen Prozess bereits hinter sich. Gleichwohl würde der Ausspruch des Geschäftsführers der Firma Hafe: Wir stehen alle dahinter und wir sehen da zu, dass das zum Erfolg kommt (Führungskräftesitzung Hafe, 1147ff.) wahrscheinlich auch von der Unternehmensleitung der Firma Schick unterschrieben. Konsequenz in der Umsetzung
190 vereinbarter Entscheidungen stellt für beide Organisationen, wie wohl für die meisten Unternehmen, eine zentrale Herausforderung dar. Hier eröffnet sich ein Feld für deklarative Handlungsspiele, die Verbindlichkeiten schaffen, ferner für direktive Handlungsspiele vom Typ Anweisung. Zu vermerken ist, dass sich in den beiden betrachteten Unternehmen die Geschäftsführer selbst explizit mit in die Pflicht nehmen, wenn es um konkrete weitere Schritte und Maßnahmen geht. In diesem Sinne folgen sie einem Prinzip der systemischen Strategieentwicklung, das da lautet: Verzahnung von Strategie und Umsetzung, wobei der Kommunikation eine Schlüsselrolle zukommt (vgl. Kap. 4.2.1). In diesem Sinne können auch in einer Sitzung mit Beteiligung der oberen Managementebene durchaus Handlungsspiele der Problemlösung stattfinden. Die Führungskräfte stellen dadurch unter Beweis, dass sie am operativen Geschehen Anteil nehmen. Allerdings gilt es dabei Umsicht zu beweisen, d. h. sich nicht in Details zu verlieren, sondern stets den Bogen zu den übergeordneten Zielen und Strategien zu schlagen. Erfolgt in den beiden Führungskräftesitzungen eine mehr oder weniger direkte Auseinandersetzung mit Unternehmenszielen, ist dies nicht Sinn und Zweck der dialogischen Handlungsspiele in den funktionalen Grenzen einer Abteilung. In diesem Zusammenhang dominieren Fragen der internen Koordination und Kooperation. Um den kommunikativdialogischen Umgang mit entsprechenden Problemstellungen genauer zu untersuchen, wurden für die Analyse zwei Abteilungsbesprechungen ausgewählt, die gewissermaßen typisch für die Unternehmen sind: Bei Hafe kommt der Entwicklung bzw. Konstruktion der unterschiedlichen Produkte sowie der damit korrespondierenden Expertise der Mitarbeiter maßgebliche Bedeutung zu, weil hier die Grundlage für die weiteren Prozesse geschaffen wird. Vergleichbares gilt für den Einkauf der Firma Schick, der durch die Auswahl von Produkten wesentliche Vorarbeiten für die nachfolgenden Verkaufsstrategien leistet. Daher sind die Mitarbeiter durchaus gefordert, über die Grenzen ihres Bereichs hinauszublicken, d. h. Implikationen ihres Handelns für andere Gruppen, intern wie auch extern, zu berücksichtigen. Einigermaßen überraschend mag das Ergebnis wirken, dass in einem mittelständischen Unternehmen wie dem Industriebetrieb Hafe, in dem die Mitarbeiter sich nahezu alle persönlich kennen, Defizite im Hinblick auf den Informationsfluss zu konstatieren sind. So wie die Angestellten einerseits ein ums andere Mal zugeben, dass ihnen Informationen fehlen, zeigen sie andererseits wenig Initiative, diese Informationen selbst einzuholen. Als fürchteten sie Konsequenzen, ziehen sie sich lieber auf ihren abgesteckten Verantwortungsbereich zurück. Zur Erklärung kann hier wiederum auf die historisch gewachsene Unternehmensbzw. Führungskultur verwiesen werden, die der Entwicklung eigenverantwortlichen unternehmerischen Handelns bisher nicht gerade förderlich war. Es ist interessant festzustellen, wie sich dies im kommunikativ-dialogischen Handeln niederschlägt: Die wenigsten Mitarbeiter vertreten ihre Ansprüche und Interessen über einen längeren Zeitraum. Dies macht
191 es dem Abteilungsleiter und Moderator zwar leicht, Sitzungen effizient i. S. eines guten Zeitmanagements zu gestalten. Gleichwohl ist das Spektrum effektiver Mitarbeiterführung damit nicht ausgeschöpft. Schließlich geht es in der modernen Arbeitswelt verstärkt um motivatorische Aspekte im Sinne der Herausbildung und Weiterentwicklung individueller Handlungskompetenzen. Der Entwicklungsleiter der Firma Hafe weiß um diese Herausforderung, und so wird in dem analysierten Gespräch auch deutlich, dass er seine Mitarbeiter zu eigenen Schritten ermutigen will.47 Als derjenige, der die Hauptverantwortung für Erfolg und Misserfolg in seinem Funktionsbereich trägt, zeigt er aber zugleich auch Grenzen auf, die durch ökonomische Kosten-Nutzen-Überlegungen begründet sind. So kommt hier unternehmerisches Denken zum Tragen, das den Mitarbeitern, die sich auf ihre Konstruktionstätigkeit konzentrieren, ansonsten weitgehend fremd sein dürfte. Anders sieht dies bei den Einkäufern der Firma Schick aus. Ihre Tätigkeit ist nicht nur in hohem Maße kommunikativ, sie tragen als Produktmanager auch ein höheres Maß an Eigenverantwortung. Jedoch sind auch sie in komplexe Strukturen eingebunden, was Auswirkungen auf den praktischen und kommunikativen Umgang hat. Die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen, vor allem mit der Filialleitung, stellt offensichtlich ein zentrales Problemfeld dar, das zumindest in der betrachteten Sitzung offensiv angegangen wird. Gewohnt nach ihrer Meinung gefragt zu sein, sprechen die Mitarbeiter offen über ihre Ansichten, um ihre eigenen Ansprüche und Interessen durchzusetzen. Dagegen argumentiert die um Interessenausgleich bemühte Abteilungs- und Geschäftsleitung mit Verhaltensgrundsätzen und Werten, die in der Unternehmensphilosophie verankert sind. Ganz oben steht in dem Handelsunternehmen der Dienstleistungs- und Servicegedanke, der nicht nur nach außen, sondern auch intern gelebt werden soll. Daraus resultieren hohe Anforderungen an die Interaktionskompetenz, wozu auch der Umgang mit Konflikten zählt. Ein offener Umgang mit Konflikten, wie er sich in der analysierten Abteilungsbesprechung zeigt, ist prinzipiell zu begrüßen. Gleichwohl wurde bei der Analyse deutlich, dass kommunikative Strategien, die lediglich auf Ausgleich und Verständnis zielen, kontraproduktiv wirken können, insofern Widersprüche zwischen Anspruch und Realität in den Augen der Betroffenen dann erst recht zum Vorschein kommen. In diesem Zusammenhang verhalten sich die Mitarbeiter im Prinzip ähnlich wie die Angestellten bei Hafe, weil auch sie sich auf ihr Aufgaben- und Kompetenzfeld zurückziehen, um den kommunikativen Ansprüchen zu begegnen, die man an sie richtet. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass wir es bei den Produktmanagern der Firma Schick mit jungen, sehr gut ausgebildeten Kräften zu tun haben, die aller Wahrscheinlichkeit nach stärkeren Antrieb aus ihrer individuellen Karrieremotivation erfahren. Der Umfang ihrer Arbeit stellt für sie nicht so sehr ein Problem
47
In einem persönlichen Gespräch hat er die Mitarbeitermotivation als eine für ihn zentrale Aufgabe benannt.
192 dar, und sie stellen prinzipiell höhere Ansprüche, was zum einen die Art der Tätigkeit, zum anderen pekuniäre Anreize betrifft. Beides wird in der analysierten Sitzung zur Sprache gebracht. Auch wenn in diesem Zusammenhang individuelle Ziele und Interessen die dialogische Interaktion bestimmen, zeigt sich grundsätzlich, dass den Mitarbeitern daran gelegen ist, die Kooperation und Koordination innerhalb des Unternehmens zu optimieren. Ihr gemeinsames Interesse gilt einem professionellen Auftritt nach außen, vor allem gegenüber den Kunden. Sie haben einen guten Überblick über die Gesamtsituation, was durch die Informationspolitik befördert wird. Der Geschäftsführer berichtet über eine Reihe von Neuigkeiten, wobei er wiederum Stellungnahmen und weitergehende Vorschläge seitens der Einkäufer zulässt. Dies scheint im Unternehmen Schick eine durchgängige Kommunikationsstrategie zu sein: Führungskräfte, auch auf mittleren Ebenen, sollen das Gefühl haben, dass sie in gewissem Maße an der Unternehmenspolitik partizipieren. Nach der exemplarischen Analyse kann festgehalten werden, dass das Zusammenspiel von ‚harten‘, ökonomisch bedingten und ‚weichen‘, auf den Menschen bezogenen Faktoren, bestimmend für die dialogische Interaktion in allen Bereichen eines Unternehmens ist. Darüber hinaus war stets die Orientierung an einem übergeordneten Gesprächszweck zu erkennen – Grundvoraussetzung für die effektive Integration eines Gesprächs in die betrieblichen Abläufe und Prozesse. Eine weitere Grundvoraussetzung wurde erfüllt: Die Gesprächsteilnehmer wussten sich zu den angesprochenen Themen zumindest zu äußern. Sicherlich hängt das kommunikative Engagement zu einem nicht unerheblichen Anteil von der individuellen Persönlichkeit ab, die hier nicht im Fokus der Analyse stand. Gleichwohl zeigt sich in dem dynamischen Aushandlungsprozess von Aktion und Reaktion, inwieweit nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern ganze Teams oder Abteilungen daran gewöhnt sind, kommunikative Ansprüche in ihrem eigenen wie im Interesse des Unternehmens zu vertreten. Denn auch dies ist zu berücksichtigen: Viele Mitarbeiter sind nicht nur intern, sondern auch extern mit unterschiedlichen kommunikativen Herausforderungen konfrontiert. Auch aus diesem Grund ist noch einmal nachdrücklich zu unterstreichen, dass ein Überblick über die aktuelle Unternehmenssituation dazu beiträgt, die dialogische Interaktion im Ganzen effektiver zu gestalten. Hier schließt sich der Kreis, der mit dem Überblick über die allgemeine Situation der Unternehmen Hafe und Schick in Kapitel 5 seinen Ausgang nahm. Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten hinsichtlich unternehmenskultureller Merkmale und ihre entsprechenden Implikationen für die dialogische Interaktion wurden in den Analysen herausgearbeitet und in der Zusammenfassung noch einmal akzentuiert. Zum Ende des empirischen Teils sei festgehalten, dass in den ausgewählten Gesprächen die Palette dialogischer Handlungsspiele – von der Information über die Motivation bis zur Überprüfung – genutzt wurde, um die Aufgaben und Herausforderungen zu bewältigen, die sich für die Mitarbeiter wie für das Management in Unternehmen ergeben.
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6
Schlussbemerkungen
Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag zum Diskurs über Kommunikation in Unternehmen, der in den letzten Jahren in Theorie und Praxis an Bedeutung gewonnen hat. Sie steht damit in einem Spannungsfeld verschiedener Disziplinen, Konzepte und Modelle, die mit oftmals unterschiedlichen Prämissen und Methoden dem Gegenstand in seiner Komplexität und Vielfalt begegnen. In der Auseinandersetzung mit wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen einerseits und linguistischen Erkenntnissen andererseits wurde zunächst ein Verständnis vom Gegenstandsbereich im Ganzen, dem Agieren von und in Unternehmen, entwickelt, um vor diesem Hintergrund authentisches Kommunikationsverhalten zu untersuchen. Die Funktion und Bedeutung von Kommunikation in Unternehmen kann m. E. nicht adäquat beschrieben und erklärt werden, wenn nicht typisch ökonomische Dimensionen Berücksichtigung finden. Deren Erläuterung wurde in der vorliegenden Arbeit ein zentraler Stellenwert eingeräumt, zumal viele linguistische Arbeiten sich nur am Rande damit auseinandersetzen. Kennzeichnend für die Institution des Unternehmens sind unternehmerische Interessen und Ziele, die sich in Strategien und Strukturen manifestieren, und die als solche die dialogische Interaktion von und in Unternehmen maßgeblich prägen. Auch wenn oder gerade weil das übergeordnete Interesse win eine Triebkraft darstellt, die vielfach unausgesprochen im Hintergrund steht, sorgt es immer wieder dafür, dass Unternehmen sich am Markt behaupten bzw. dem Wettbewerb standhalten. Effektive Strategien und effiziente Strukturen sind somit wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur, unverzichtbar ist aber letztlich der Mensch, ob als strategischer Vordenker oder als operativ Ausführender. Neben dem fachlichen Wissen sind dabei heute verstärkt soziale und kommunikative Kompetenzen gefragt, die gleichsam eine Doppelfunktion erfüllen: Sie tragen einerseits zur effektiven Kooperation bei, gewährleisten andererseits aber auch, dass der Mitarbeiter als Individuum seine Ansprüche und Interessen in der Institution Unternehmen so gut wie möglich durchsetzen und befriedigen kann. Im Prozess der dialogischen Interaktion treffen zwar unterschiedliche kommunikative Ansprüche aufeinander, ein gemeinsamer interaktiver Zweck steckt jedoch einen Rahmen ab und gibt den Gesprächspartnern Orientierung. Für das kommunikativ-dialogische Handeln in Unternehmen können eine ganze Reihe solcher Zwecke unterschiedlicher Komplexität bestimmt werden. Um eine gewisse Systematisierung zu erreichen, wurde auf die fundamentalen Funktionsklassen sprachlichen Handelns zurückgegriffen. Demnach bestimmt sich der Charakter sog. dialogischer Handlungsspiele primär danach, ob sie als Repräsentative der Darstellung bzw. Bestätigung, als Direktive der Veränderung, als Explorative der
194 Eruierung oder als Deklarative der Schaffung von Weltzuständen dienen. Diese grundlegenden Funktionen sind auf das kommunikative wie das allgemeine Handeln in Unternehmen übertragbar: Unternehmen bzw. die im Namen des Unternehmens Handelnden müssen sich positionieren, um daraufhin weitere Schritte und Maßnahmen zu veranlassen, und sie sind darauf angewiesen, beständig ihr Handeln und Wissen zu überprüfen bzw. neues Wissen zu generieren. Auch in diesem Sinne ermöglicht der zugrunde gelegte handlungstheoretische Ansatz eine Integration unterschiedlicher Bereiche und Anforderungen mit dem Ziel, das Ganze, d. h. die Institution Unternehmen, nicht aus dem Blick zu verlieren. Ausgehend von diesen Prämissen war es möglich, verschiedene Typen dialogischer Handlungsspiele zu differenzieren, die in ihrer Form und Funktion typisch für die Kommunikation in Unternehmen sind. Mit Information, Argumentation, Planung, Anweisung, Motivation, Verhandlung, Erkundung, Überprüfung, Problemlösung sowie den Verpflichtung schaffenden deklarativen Handlungsspielen wurde eine breite Palette unterschiedlich komplexer Handlungsspiele vorgestellt. M. E. decken sie die wesentlichen kommunikativen Aufgaben in einem Unternehmen ab, und zwar sowohl bezogen auf die Führungsfunktionen als auch die Ausführungsfunktionen. Wohlgemeint handelt es sich dabei um eine erste, grundlegende Systematisierung dialogischer Handlungsspiele in Unternehmen, die offen ist für Differenzierungen und Konkretisierungen in weiteren Arbeiten. Die Darstellung der allgemeinen Zwecke, die ein Handlungsspiel in einem Unternehmen erfüllt, wurde ergänzt um Prinzipien und kommunikative Mittel, die in diesem Kontext aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich zum Tragen kommen. Da die Frage nach dem Erfolg bzw. der Effektivität kommunikativen Handelns letztendlich nicht mit Zahlen messbar, sondern eine Frage der Bewertung ist, sollten hier keine regelhaften Erfolgszusammenhänge oder gar ‘Erfolgsrezepte’ präsentiert werden. Kommunikative Kompetenz als eine Kompetenz-in-der-Performanz zeigt sich vielmehr darin, dass die Kommunikationspartner in ihrem Umfeld mit wechselnden Bedingungen und Situationen umzugehen wissen. Um exemplarisch zu verdeutlichen, was es heißt, mit unterschiedlichsten Bedingungen und Situationen mehr oder weniger kompetent umzugehen, schloss sich an die theoretische Grundlegung ein empirischer Teil an. Basierend auf der Modellierung dialogischer Handlungsspiele wurden vier unterschiedliche Besprechungen in zwei verschiedenen Unternehmen analysiert. Auch wenn Handlungsspiele in authentischen Gesprächen nur bruchstückhaft realisiert werden bzw. sich der Zusammenhang eines Handlungsspiels über ein einzelnes Gespräch hinaus erstreckt, wurde m. E. auch hier deutlich, welche Handlungsspiele welchen ökonomischen Zwecken und Interessen entsprechen. Allgemein kann festgehalten werden, dass die Handlungsspiele der Argumentation und der Planung in Phasen der Strategie- und Entscheidungsfindung dominieren, während im Rahmen der operativen Umsetzung der direktive und der explorative Charakter sprachlichen Handelns von größerer Bedeutung sind. Doch handelt es sich hier allenfalls um Tendenzen, die in
195 weiteren Arbeiten genauer zu untersuchen wären. Ziel der vorliegenden Arbeit war es demgegenüber von vornherein, einen Überblick über einen komplexen Handlungsbereich zu schaffen. Um der Komplexität des Gegenstands Genüge zu leisten, konnte nicht jeder Aspekt detailliert erfasst werden. Gleichwohl möchte ich noch einmal betonen, dass die Kategorien von Handlungsspielen hinreichend allgemein sind, um die dialogische Interaktion in unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens zu erfassen. So sind bspw. Handlungsspiele der Motivation sowohl im Rahmen einer Führungskräftesitzung als auch in einer Abteilungsbesprechung angezeigt. Die Realisierung in der Performanz ist von vielen Faktoren abhängig, die zu berücksichtigen sehr viel leichter fällt, wenn man einen unternehmenskulturellen Orientierungsrahmen zugrunde legen kann. Im empirischen Teil der Arbeit fand sich so zum einen das theoriegeleitete methodische Vorgehen bestätigt, zum anderen wurde sehr gut deutlich, wie konkret ökonomische Überlegungen einerseits und individuelle Interessen andererseits Einfluss auf die dialogische Interaktion nehmen. Persuasion ist eine mächtige Wirkkraft, deren Potential auch nach den Erkenntnissen dieser Arbeit vor allem von Führungskräften erkannt und genutzt wird. Auch hier wäre eine weitergehende Analyse, z. B. von Überzeugungsstrategien in unterschiedlichen Kontexten (Strategiegespräch, Konfliktgespräch etc.), möglich und aus wissenschaftlicher wie praktischer Perspektive wünschenswert. Gleiches gilt für einzelne Prinzipien kommunikativ-dialogischen Handelns, die hier eher am Rande zur Sprache gekommen sind, so z. B. Prinzipien der Emotionalität und/oder der Rationalität. Grundsätzlich ist eine Balance dieser scheinbar dichotomen Prinzipien anzustreben. Genauer zu eruieren wäre z. B., ob es dabei Präferenzen in Abhängigkeit von kulturellen Rahmenbedingungen gibt. Im Kontext einer globalisierten Wirtschaft ist in diesem Zusammenhang nicht nur an unternehmenskulturelle Unterschiede zu denken, sondern auch an nationale Differenzen. In Zeiten länderübergreifender Kooperationen und Fusionen zeigt sich die kommunikative Kompetenz wesentlich im Umgang mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. In diesem Forschungsbereich bietet sich das Modell des dialogischen Handlungsspiels, für das Kultur keine zusätzliche Variable, sondern einen unverzichtbaren Bestandteil darstellt, als idealer theoretischer Rahmen an. Anspruch und Ziel meiner Arbeit war es, einen neuen Rahmen für die Untersuchung dialogischer Interaktion in Unternehmen zu skizzieren. Was bleibt, sind der Wunsch und die Hoffnung, dass die Ergebnisse Anschlussmöglichkeiten für weitere Forschungsvorhaben wie auch für die Unternehmenspraxis bieten. Ein anderer, ein neuer Blick auf das, was alltäglich in vielen verschiedenen Unternehmen kommunikativ geleistet wird, könnte vor Ort selbst zum Ausgangspunkt genommen werden, die Kompetenz-in-der-Performanz weiter zu entwickeln – im Sinne der Unternehmen wie der beteiligten Mitarbeiter.
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