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German Pages [432] Year 2013
QUELLEN UND STUDIEN AUS DEN LANDESARCHIVEN MECKLENBURG-VORPOMMERNS herausgegeben von Kathleen Jandausch, Matthias Manke, Martin Schoebel und René Wiese Band 14
MARTIN BUCHSTEINER
VON STÄDTEN, GÜTERN UND DÖRFERN KOMMUNALE STRUKTUREN IN MECKLENBURG-SCHWERIN 1918–1945
2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Franz Jüttner: „Zum neuen Jahr!“ Aus: Mecklenburger Nachrichten. Nationales Volksblatt, 1. Januar 1920, S. 1.
© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-21103-5
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/11 von der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation angenommen. Als Gutachter waren die Professoren Mario Niemann, Werner Müller und Werner Buchholz tätig. Auf dem Weg zur Promotion haben mich viele Personen begleitet und unterstützt. Allen fühle ich mich gleichermaßen dankbar verpflichtet, einige aber möchte ich hier gesondert erwähnen. Heinz Koch danke ich ganz herzlich für die konstruktiven Gespräche und die ehrliche Kritik an den ersten Entwürfen der Arbeit. Das Verständnis für die vielen Besonderheiten Mecklenburgs wuchs auch durch die vielen Unterhaltungen mit Gerhard Heitz, dem ich für die anregende Begleitung, die nicht erst mit dem Promotionsprojekt begann und mit diesem auch nicht endete, sehr dankbar bin. Danken möchte ich auch Matthias Manke, der mich im Landeshauptarchiv Schwerin auf einige Aktenbestände aufmerksam machte und deren unkomplizierte Nutzung ermöglichte. Ihm ist darüber hinaus die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns“ und die redaktionelle Betreuung des Bandes zu danken. Für die stets freundliche und zuvorkommende Betreuung unter den damals schwierigen Bedingungen der Sanierung des Archivs sei an dieser Stelle auch allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landeshauptarchivs Schwerin herzlich gedankt. Sehr wohlwollend unterstützten mich ferner die Angehörigen des Universitätsarchivs Rostock, die mir das Arbeiten so angenehm wie nur möglich gestalteten. Eine ganz besondere Erwähnung verdient schließlich Heide Haarländer. Sie stellte mir im Bücherspeicher der Universitätsbibliothek Rostock nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern auch mehrere Regalmeter zur Verfügung, so dass die Landtagsprotokolle, Regierungsblätter und Staatskalender immer griffbereit waren. Alle an sie herangetragenen Wünsche wurden stets schnell und unkompliziert erfüllt. Ohne ihre Hilfe hätte die Arbeit an der Dissertation sicher nicht so schnell abgeschlossen werden können. Dank gebührt ferner Antje Strahl und meinem Großvater Hans Buchsteiner, die die mühevolle Aufgabe des Korrekturlesens übernahmen. Wesentlich zum Gelingen des Forschungsvorhabens trug darüber hinaus die finanzielle Förderung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung bei. Ein großer Dank gilt nicht zuletzt der Familie, der großen und der kleinen. Ohne ihren Rückhalt und ihr Verständnis wäre das vorliegende Buch nicht zustande gekommen. Rostock, im September 2012
Martin Buchsteiner
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1 Fragestellung und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2 Forschungsstand und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Teil 1: Vom Großherzogtum zum Freistaat. Mecklenburg-Schwerin auf dem Weg zur Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Revolution und Staatsumwälzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Mecklenburg-Schwerin am Vorabend der Novemberrevolution . . . . . . . . . . 2.2 Erhebungen und Massenproteste in den Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Abdankung des Großherzogs und Aufhebung der Stände . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Gründung, Etablierung und Auflösung der Rätebewegung . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Arbeiter- und Soldatenräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Bauern- und Landarbeiterräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 26 32 40 40 58
Teil 2: Zwischen Tradition und Erneuerung. Die Kommunalverwaltung in Mecklenburg-Schwerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Die Stadtgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Stellung der Städte vor 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Exkurs: Der Mecklenburgische Städtetag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Erste demokratische Wahlen zu den Bürgerausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Aufhebung der Sonderrechte der Seestädte Rostock und Wismar . . . . . . . . . 4. Die Städteordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Vorarbeiten und erste Diskussionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Parlamentarische Debatte und Inkraftsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Einzelne Aspekte und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Landgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Zur Verfassungs- und Verwaltungsstruktur des platten Landes vor 1918 . . . . 5.2 Die gemeindlich nicht verfassten Landesteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Erste Vorarbeiten zur Verfassungs- und Gebietsreform in den Territorien der Ritterschaft und der Klöster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Die Gemeindebildung in den Kämmereigebieten der Städte . . . . . . . . 5.3 Das Domanium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Zur kommunalen Verwaltung vor 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Erste demokratische Wahlen zu den Gemeindevertretungen . . . . . . . . 5.3.3 Pläne zur Neuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Landgemeindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Vorarbeiten und erste Diskussionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Parlamentarische Debatte und Inkraftsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69 70 76 82 87 87 94 107 113 113 118 118 126 130 130 132 154 168 168 175
8 Inhalt 6.3 Die Einteilung des platten Landes in Gemeindebezirke . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Letzte Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Die Bildung von Wahl- und Gemeindebezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Einzelne Aspekte und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Wahl, Legislatur und Mandate der politischen Gremien . . . . . . . . . . . 6.4.2 Hand- und Spanndienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Deutsche Gemeindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196 196 199 213 213 226 233
Teil 3: Aspekte der Kommunalverwaltung des platten Landes . . . . . . . . . . . . 247 8. Die finanzielle Ausstattung der Landgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Einnahmen und Ausgaben der Güter, Pachthöfe und Dorfgemeinden vor 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Zur Frage der Dotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Einnahmen und Ausgaben. Eine Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Die finanzpolitische und wirtschaftliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Der finanzpolitische Wandel während der Inflation . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Die Beschränkung der kommunalen Finanzhoheit . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Die kommunalen Finanzen während des Nationalsozialismus . . . . . . . 9. Das Schulzenamt und die Schulzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Soziale Herkunft und berufliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Ideologisch-weltanschauliche Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Das Verhältnis zu den Gutsbesitzern und Pächtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Fachliche Qualifikation und Amtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Das Schulzenamt während des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247 247 249 266 266 274 285 298 306 306 311 317 323 330 340 340 359
Anhang Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen, Graphiken und Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orts- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung 1. Gegenstand der Arbeit 1.1 Fragestellung und Aufbau Anfang November 1918 verließ mit Friedrich Franz IV., wie die Landeszeitung titelte, das „älteste Fürstengeschlecht Europas den Thron“.1 Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, seit Februar 1918 zugleich Reichsverweser von Mecklenburg-Strelitz, war wie alle Monarchen des Deutschen Reichs durch die Revolution gestürzt worden, die den Ersten Weltkrieg beendete und zur Gründung der Weimarer Republik führte. Durch die im August 1919 verabschiedete Reichsverfassung, die die konstitutionelle Monarchie abschaffte und eine parlamentarisch-demokratische Ordnung begründete, wurden sämtliche Länder verpflichtet, eine „freistaatliche Verfassung“ einzuführen, die auf dem allgemeinen, gleichen, geheimen und unmittelbaren Wahlrecht beruhte.2 Für Mecklenburg-Schwerin, das im Grunde „kein Staat, sondern ein Nebeneinander ständischer Gebilde“ war,3 bedeutete dies zugleich den Aufbau einer einheitlichen Landesverwaltung. Bis dato leiteten sich staatsrechtliche Befugnisse aus dem Eigentum an Grund und Boden ab. Sie wurden von den drei „einzigen vollwertigen“ Grundherren, dem Landesherrn, der Ritterschaft und der als Landschaft bezeichneten Gesamtheit der mecklenburgischen Städte, wahrgenommen. 4 Hieraus resultierte nicht nur ein die Verfassung und Administration prägender Dualismus zwischen den Ständen und dem Landesherrn, sondern auch eine Dreiteilung des Landes. In den einzelnen Gebieten entwickelten sich eigenständige Rechtsnormen und kommunale Verwaltungsstrukturen. Innerhalb der Städte variierten sie in Bezug auf die Zusammensetzung und Rechte der Gemeindevertretungen sowie den Einfluss des Landesherrn. In der Ritterschaft „fehlte eine Gemeindeorganisation“. Der Gutsbesitzer war „in seiner Eigenschaft als Eigentümer zugleich staatliche Obrigkeit“ und „der Privatbetrieb [...] staatliche Verwaltungseinheit“.5 Neben bzw. über diesen hatten sich Kommunalverbände, die ritterschaftlichen Ämter, etabliert. Die Gutsbesitzer eines solchen Bezirks trafen sich regelmäßig zu Konventen, denen ein Deputierter 1 LZM, 16. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 16. Nov. 1918. Tatsächlich sind die Welfen bereits seit dem 9. Jahrhundert bekannt und gelten bis heute als das nachweislich älteste Fürstenhaus. Vgl. etwa Fleckenstein: Welfen, S. 71–136. 2 Die Verfassung des Deutschen Reiches. Vom 11. August 1919, in: RGBl. T. 1, Nr. 152, 14. Aug. 1919, S. 1383–1418, hier S. 1386–1387, Art. 17. Zu den Maßnahmen bei Nichtbefolgung vgl. ebd., Art. 13 und 15. 3 MZ, 28. März 1919. 4 Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 46. 5 Koch: Novemberrevolution, S. 6.
10 Einleitung sowie ein Sekretär, der Einnehmer, vorstanden.6 Seit 1821 gliederte sich das Gebiet der Ritterschaft zudem in 34 ritterschaftliche Polizeiämter.7 Im Domanium, dem landesherrlichen Besitz, war 1865/69 eine Gemeinde-Ordnung eingeführt worden, die allerdings zwischen Dorf- und Hofgemeinden unterschied. Die Aufsicht über diese führten die Domanialämter. Sie umfassten jedoch „keine territorial geschlossenen Gebiete“, sondern waren „entsprechend den Besitzverhältnissen geographisch mit den städtischen Gütern“, den der Kontrolle des Landesherrn und der Stände unterstehenden Klosterämtern und den „ritterschaftlichen Ämtern verschachtelt“.8 In Anlehnung an den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn ließe sich von einem mecklenburgischen „Bunt“ sprechen.9 Die Überführung der ständischen in eine moderne bürgerliche Verwaltung begann jedoch nicht erst mit der Novemberrevolution, sondern bereits Anfang des 19. Jahrhunderts. Mit dem Beitritt zum Deutschen Bund 1866/67 und der Reichseinigung 1871 erhöhte sich der Druck auf das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin.10 Durch die Schaffung reichseinheitlicher Rechtsnormen und die Übertragung von Verwaltungsaufgaben wurde das Land zur Errichtung zusätzlicher Institutionen und Behörden verpflichtet. Erwähnt seien hier etwa die Amtsgerichte, die Aushebungskommissionen des Militärs, einzelne Medizinalbehörden und nicht zuletzt die Wahlkommissionen für die Reichstagswahl. Da sich diese „auf reichsgesetzlicher Grundlage“ fußenden Institutionen und Behörden nicht in die „ständische Gliederung [...] einbauen“ ließen, mussten „jeweils selbständige Verwaltungsbezirke“ geschaffen werden.11 Eine territoriale Übereinstimmung mit anderen Verwaltungs einheiten konnte nur in wenigen Fällen erreicht werden.12 Auf diese Weise entstand „ein immer komplizierter und undurchsichtiger werdender Verwaltungsaufbau“, der dadurch, dass auch „bei der Zusammensetzung der Mittelbehörden [...] das ständische Prinzip [...] zur Anwendung“ kam, noch „verworrene[r]“ wurde. Die so über Jahrzehnte geschaffene, „insgesamt wahrscheinlich auch kostenaufwendige Verwaltungsstruktur“13 war, so das Urteil des Rostocker Juraprofessors Max Wenzel, „ein wunderliches, aus Altem und Neuem gemischtes Gebilde“.14 Eine von den Ständen unabhängige Verwaltung entstand erst im November 1918 mit der Gründung der Arbeiter- und Soldatenräte. Sie entmachteten die Gutsbesitzer und städtischen Obrigkeiten und übernahmen die ihnen obliegenden Aufgaben im Bereich der Polizei und Versorgung. Das dem Landesherrn zugesprochene und von den fortschrittlichen Kräften „so häufig angerufene“ Recht der Manutenenz, d. h. das 6 7 8 9 10 11 12
Vgl. dazu Staatskalender, 1917, T. 1, S. 571–573. Vgl. Patrimonialgerichtsordnung. 21. Juli 1821, in: Raabe: Gesetzsammlung, Bd. 2, S. 243–248. Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 22. Zitiert nach Treitschke: Geschichte, Bd. 2, S. 383. Vgl. dazu allgemein John: Spannungsfeld. Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 13. Zum Prozess der Integration neuer Verwaltungsstrukturen vgl. etwa Buchsteiner: Medizinalverwaltung. 13 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 22–24. 14 Wenzel: Mecklenburg, S. 23.
Gegenstand der Arbeit
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Recht, Gesetze zu erlassen, die für das ganze Land Gültigkeit besaßen, bis sie in einem Schiedsverfahren bestätigt oder verworfen wurden, hatte „auf anderem Wege eingegriffen“.15 Der Versuch des Großherzogs, sich in den Dienst des neuen Staates zu stellen, scheiterte. Die Arbeiter- und Soldatenräte organisierten in MecklenburgSchwerin insofern nicht nur die Auflösung des Militärs und der Monarchie, sondern schufen, mehr noch als in den meisten anderen Ländern des Deutschen Reichs, die Grundlage der politischen Neuordnung. Die vorliegende Arbeit beginnt aus diesem Grunde mit einer recht ausführlichen Schilderung der Revolution sowohl auf Landesebene als auch im kommunalen Bereich. Mit dem Zusammentritt des verfassunggebenden Landtags im Februar 1919 begann eine neue Phase, in der die Ergebnisse der Revolution, Demokratie und Selbstverwaltung, rechtlich festgeschrieben wurden. Noch vor der Verfassung wurde die Städteordnung verabschiedet, fast zeitgleich mit ihr dann die Landgemeinde- und die Amtsordnung. Dass der neue Staat im Vergleich zum alten, ständischen System „keine generelle Veränderung“ bedeutete, wie Kurt Müller 1972 behauptete,16 verkennt völlig, dass das Eigentum an Grund und Boden nicht mehr – weder auf Landes- noch auf kommunaler Ebene – die Grundlage politischer Herrschaft bildete.17 Tatsächlich können „die neuen parlamentarischen Verfassungsverhältnisse“, wie Heinz Koch 1986 urteilte, „weder formal, rechtlich noch politisch in eine Beziehung zur vor 1918 geltenden Landesverwaltung gebracht werden“. Sie hatten mit der ständischen Ordnung „nichts mehr gemeinsam“.18 Dass, so Manfred Hamann 1962, „zwischen der alten und der neuen Verfassung [...] eine Lücke“ klafft, „die keine verbindende Brücke überspannt“,19 ist allerdings unzutreffend.20 Bereits 1963 hatte Jürgen Burkhardt auf „Feudalreste“ aufmerksam gemacht, die den Freistaat Mecklenburg-Schwerin prägten.21 Auf gewisse Kontinuitäten wies auch Koch hin, der die Institutionen der mittleren Verwaltungsebene als „Zwischenformen“ ständischer und parlamentarischer Herrschaft bezeichnete.22 Hier ist also zunächst zu fragen, ob tatsächlich, wie der „Rostocker Anzeiger“ im November 1918 proklamierte, „jeglicher Einfluss der Ritterschaft und der Konservativen [...] ausgeschaltet“ worden war,23 oder ob und in welchem Maße er sich erhalten konnte. Geprüft werden soll in diesem Zusammenhang auch die von Anke John 1997 aufgestellte These, die Weimarer Demokratie sei in Mecklenburg „ohne eine langfristige und planvolle Umgestaltung des monarchischen Obrigkeitsstaates durch15 MZ, 9. Nov. 1918. 16 Müller: Nachkriegskrise, S. 12–13. 17 Zur Kritik an Müller vgl. auch Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 141. Dort heißt es: „Müller verengt die Rolle der Eigentumsverhältnisse und negiert die Variationsmöglichkeiten in den Formen der Machtausübung.“ 18 Ebd., S. 142 und S. 146. 19 Hamann: Mecklenburg, S. 169. 20 Vgl. dazu auch Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 141. Dort heißt es: „Hamann negiert die unveränderten Eigentumsverhältnisse als verbindendes Glied zwischen alter und neuer Verfassung.“ 21 Vgl. Burkhardt: Feudalreste. 22 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 4. 23 RoA, 12. Nov. 1918.
12 Einleitung gesetzt“ worden.24 Aufschluss gibt hier vor allem eine Betrachtung der Städte- und der Landgemeindeordnung. Den teilweise auf Reformvorhaben der großherzoglichen Regierung zurückgreifenden Vorarbeiten, der parlamentarischen Debatte, Einführung, Umsetzung und Modifikation, widmet sich der zweite Teil der vorliegenden Arbeit. Um traditionelle Elemente der Verwaltung leichter erkennen zu können, steht am Anfang der Betrachtungen zu den Städten und den Gemeinden bzw. Ortschaften des platten Landes jeweils ein Kapitel zur Organisationsstruktur vor 1918. Zur leichteren Orientierung ist der Arbeit zudem ein Glossar angehängt. Geprüft werden soll ferner, in welchem Maße die Städte- und die Landgemeindeordnung das parlamentarische Prinzip umsetzten und inwieweit es ihnen gelang, die Dreiteilung des Landes zu überwinden. Wie in Bezug auf den Umbau des Staats muss auch mit Blick auf die Gemeindebildung von einem doppelten Prozess gesprochen werden. Neben bzw. parallel zur Einführung von Demokratie und Selbstverwaltung erfolgte die Bildung von Gemeindebezirken. Als Ziel der Kommunalgebietsreform bezeichnete der Landtag die grundlegende Umgestaltung der territorialen Einteilung des Landes. In der vorliegenden Arbeit werden beide Prozesse voneinander getrennt behandelt. Dort, wo Zusammenhänge bestehen, wird jedoch auf sie eingegangen bzw. sind sie durch Bezüge gekennzeichnet. 1933, nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten, wurde die Verwaltung zentralisiert und mit der Deutschen Gemeindeordnung 1935 auch in den Kommunen das Führerprinzip eingeführt. Anders als in anderen Ländern des Reiches war in Mecklenburg-Schwerin die Einsetzung eines Reichskommissars, der unter Umgehung der bestehenden demokratischen Institutionen den Nationalsozialisten die Macht übertrug,25 nicht notwendig. Wie auf den Umbau der Verwaltung reagiert bzw. ob und inwieweit ihm vorgegriffen wurde, bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit. 1934, mit dem Anschluss von Mecklenburg-Strelitz erfuhr das Land und damit auch das Untersuchungsgebiet eine Ausdehnung. Im Interesse der Lesefreundlichkeit ist auf eine Konkretisierung im Titel jedoch verzichtet worden. Die Analyse der Verwaltungsstrukturen Mecklenburg-Strelitz’ zwischen 1918 und 1934 verdient aufgrund der vielfältigen Unterschiede und Eigenheiten – auf einige wird im Rahmen der Arbeit hingewiesen – eine selbständige Untersuchung. Überblickt man die drei Reformphasen, so fallen drei gänzlich unterschiedliche Verwaltungsprinzipien auf, die sich in den administrativen Strukturen der jeweiligen politischen Systeme widerspiegeln. Sie sind in rein schematischer Form in den Abbildungen 1–3 im Anhang dargestellt. Die vorliegende Arbeit, die den Übergang vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat zum institutionalisierten Flächenstaat untersucht, leistet insofern nicht nur einen Beitrag zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, sondern auch zur Transformationsforschung. Eine Einordnung der Umbrüche in die verschiedenen politikwissenschaftlichen Modelle allerdings unterbleibt.26 Vom Standpunkt des Historikers aus erscheint die Frage interessanter, ob „die späte 24 John: Spannungsfeld, S. 251. 25 Vgl. dazu allgemein Bracher u. a.: Machtergreifung, S. 136–144. 26 Vgl. dazu allgemein Merkel: Systemtransformation.
Gegenstand der Arbeit
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Überwindung des Ständesystems“,27 die, wie John bemerkte, „die strukturellen Defizite der Weimarer Republik in besonderem Maße zu Tage“ treten ließ,28 allein für den schnellen Aufstieg der NSDAP verantwortlich gemacht werden kann oder ob dessen Ursachen nicht auch in der Art und Weise, in der sich die Transformation vollzog und in dem Umfang, den sie erreichte, begründet lag. Diesem Punkt widmet sich, neben den einzelnen Kapiteln zur Entwicklung der Städte- und der Landgemeindeordnung, insbesondere der dritte Teil der Arbeit, der die finanzielle Ausstattung der Landgemeinden sowie die Stellung der Schulzen in den Jahren 1918 bis 1945 untersucht. Hier lässt sich einerseits der Einfluss des Reichs zeigen, dem 1919/20 die Steuerhoheit übertragen worden war, andererseits die Frage nach der dem ländlichen Großgrundbesitz gebliebenen Macht klären. Auf eine Analyse der städtischen Finanzen und Bürgermeister wurde aus arbeitsökonomischen Gründen verzichtet. Sie verdient eine eigenständige Untersuchung. Ob und in welchem Maße die Städte nach der Auflösung der Landschaft Einfluss auf die Politik ausübten, ist in einem eigenen Kapitel untersucht worden. Neben den geschichtswissenschaftlichen Aspekten gibt es aktuell-politische Bezüge, die eine Beschäftigung mit der Kommunalverwaltung Mecklenburg-Schwerins zwischen 1918 und 1945 rechtfertigen. Erwähnt sei hier etwa die Diskussion um das Konzept der örtlichen Daseinsvorsorge und die damit verbundene Ausweitung des kommunalen Betätigungs- und Gestaltungsspielraums29 oder an die Debatte um die 2003 geplante Kreisgebietsreform, die 2007 als mit den Grundsätzen der Demokratie nicht vereinbar vom Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommerns zurückgewiesen worden war.30 Die Frage nach der optimalen Kommunalverfassung, die auch nach dem Inkrafttreten der Kreisgebietsreform im September 2011 bestehen bleibt, kann der Historiker freilich nicht beantworten. Ein Blick in die Vergangenheit kann jedoch Hinweise für die Zukunft liefern.
1.2 Forschungsstand und Quellenlage Innerhalb der Geschichtswissenschaft ist die Rechts- und Verfassungsgeschichte eine relativ alte Disziplin.31 Verhältnismäßig neu ist indes das Interesse an der Selbstverwaltung als spezifischem Verfassungsprinzip und ihrer kommunalen Ausprägung.32 Seit Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erschienen nur wenige Arbeiten, die die Kommunalverwaltung einzelner Staaten bzw. Länder untersuchten.33 27 John: Spannungsfeld, S. 265. 28 Ebd., S. 251. 29 Vgl. dazu allgemein Hellermann: Daseinsvorsorge. 30 Vgl. etwa Büchner u. a.: Kreisgebietsreform. 31 Zur Genese des Fachs vgl. etwa Böckenförde: Leitbilder. 32 Vgl. dazu etwa Neuhaus: Selbstverwaltung. Vgl. auch Lederer: Selbstverwaltung. 33 Vgl. u. a. Heffter: Selbstverwaltung; Klabouch: Die Gemeindeselbstverwaltung; Boese: Gemeinde- und Kreisebene; Rössler: Selbstverwaltung in Oldenburg; Fassbender: Selbstverwaltung der östlichen Provinzen Preußens; Heil: Rheinland-Pfalz; Küpper: Selbstverwaltung in Ungarn;
14 Einleitung Ende der 1990er Jahre rückten dann verstärkt auch die Städte in den Blick der Forschung.34 Literatur zu einzelnen Landkreisen oder gar Gemeinden hingegen findet sich nach wie vor kaum.35 Wenig erforscht sind ebenfalls die Akteure der Kommunalpolitik bzw. kommunalpolitischer Reformen. Die vorhandenen Arbeiten beschäftigen sich vor allem mit den Verwaltungsbeamten36 bzw. – und dies mag etwas überraschen – der Programmatik der KPD.37 Eigenständige Untersuchungen zu den finanziellen Rahmenbedingungen sind noch seltener.38 Die sich durch die Analyse und den Vergleich von Verwaltungsstrukturen bietende Möglichkeit, Transformationsprozesse darstellen zu können, ist von der Forschung bislang ebenfalls wenig genutzt worden.39 Betrachtet man die aufgeführte Literatur genauer, fällt auf, dass sich „im Vergleich zum fast schon ‚überforschten‘ 19. Jahrhundert [...] erheblich weniger Darstellungen zur Weimarer Republik und zum NS-Staat“ finden lassen.40 Die vorliegende Arbeit kann daher nur auf wenige Studien zurückgreifen. Dies gilt umso mehr, da die Verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin, wie erwähnt, ganz anders als im Reich waren. Die Rechtsnormen für die Zeit vor 1918 finden sich in der Gesetzessammlung von Heinrich Friedrich Wilhelm Raabe dokumentiert, in den Standardwerken von Hugo Böhlau und Erich Schlesinger beschrieben sowie in weiteren Abhandlungen erläutert.41 In Bezug auf die Kommunalverwaltung des Domaniums sind der Kom-
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Schmidt: Gemeindedemokratie im mittel- und süddeutschen Raum; Arend: Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen. Vgl. u. a. Schmuhl: Bürgerliche Eliten; Droste: Selbstverwaltung in Düsseldorf; Nauck: Selbstverwaltung in Siegen; Fischer: Bürgertum in Kurhessen; Rügge: Rat der Stadt Herford; Neitmann: Stadtbürgertum; Grzywatz: Selbstverwaltung in Berlin und Preußen; Włodarczyk: Selbstverwaltung in Danzig und Stettin; Schinke: Selbstverwaltung in Schwäbisch Hall. Für Ausnahmen vgl. u. a. Bei der Wieden und Lokers: Selbstverwaltung im Landkreis Stade; Belling: Gemeinden in Sachsen; Rudert und Zuckert: Gemeindeleben; Strauss: Dorfbücher von Userin; Bock: Selbstverwaltung im Landkreis Karlsruhe; Hirschfeld: Territorialherrschaft und Selbstverwaltung; Gorka: Kreisselbstverwaltung in Baden; Rötepohl-Bahlmann: Selbstverwaltung in Goldenstedt. Vgl. u. a. Jenkner: Landrat in Schleswig-Holstein; Groeben: Landräte in Ostpreußen; Klein: Preußische Landräte; Volkmann: Helmstedter Landräte; Wilke: Landräte der Kreise Teltow und Niederbarnim; Breitkopf: Oberamtmänner und Landräte; Buchsteiner: Ämterbesetzung in Pommern; Krone: Plauen; Kuropka: Amtshauptmänner und Landräte im Landkreis Vechta; Mahlerwein: Ländliche Elitenbildung in Rheinhessen; Meier: Brandenburgisches Stadtbürgertum; Eifert: Preußische Landräte; Mecking: Kommunalbeamte; Wolff: „Stadtmütter“; Weil: Bürgermeister und Landräte im Kreis Annaberg; Wallraff: Landräte in den Kreisen Düren und Jülich. Vgl. u. a. Hermann: Kommunalpolitik der KPD; Wünderich: Arbeiterbewegung und Selbstverwaltung; Hesselbarth: Thüringer KPD zur Gemeinde- und Kreisordnung. Für Ausnahmen vgl. u. a. Hansmeyer: Kommunale Finanzpolitik; Hansmann: Kommunalfinanzen; Barghorn: Finanzen norddeutscher Kleinstädte und Landgemeinden. Vgl. u. a. Blazek: Bezirksregierung Hannover; Sahrhage: Stadt und Landkreis Herford; Wagner: Partizipation in Ostelbien; Richter: Mitteldeutschland im 20. Jahrhundert. Gusy: Verfassungsgeschichte. Für Arbeiten mit dem Schwerpunkt Nationalsozialismus vgl. u. a. Becker-Jákli: Nationalsozialismus und Regionalgeschichte; Mecking: Stadtverwaltung im Nationalsozialismus; Gotto: Nationalsozialistische Kommunalpolitik. Vgl. Raabe: Gesetzsammlung; Böhlau: Mecklenburgisches Landrecht. Vgl. auch Sachsse: Landständische Verfassung Mecklenburgs.
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mentar zur revidierten Gemeindeordnung von Max Baller und die Darstellung des leitenden Domanialbeamten Gottfried Bierstedt zu nennen.42 In ihrer Tradition stehen die nach 1918 „für den praktischen Gebrauch“ geschriebenen Kommentare zur Städte- und zur Landgemeindeordnung, die durch den Rostocker Rechtsanwalt und Stadtverordnetenvertreter Hugo Sawitz bzw. den Oberverwaltungsgerichtsrat Georg Klien verfasst wurden.43 Ergänzungen liefern Beiträge vor allem in der „Mecklenburgischen Zeitschrift für Rechtspflege“ sowie kleinere selbständige Abhandlungen oder Aufsätze.44 Die zeitgenössische Diskussion der Verfassung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin und seiner Verwaltungsstruktur findet sich z. T. auch in den Zeitschriften „Staats- und Selbstverwaltung“, „Kommunale Umschau“, „Die Gemeinde“ und „Zeitschrift für Kommunalwirtschaft“ dokumentiert. Sie bieten zugleich die Möglichkeit eines Vergleichs mit anderen Ländern des Reichs.45 Aufschluss geben ferner einige juristische und rechtshistorische Dissertationen, die an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock eingereicht wurden. Sie beschäftigen sich u. a. mit einzelnen Institutionen und Elementen der Gemeindeverwaltung, einzelnen Rechtsbereichen, dem Verhältnis des Staates zur Kirche und den Sonderrechten der Seestädte.46 In der Mehrzahl wurden die Arbeiten durch die Professoren Edgar Tatarin-Tarnheyden und Max Wenzel betreut, die sich selbst zu Fragen der Verfassung und Verwaltung Mecklenburg-Schwerins äußerten. 47 Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch die an der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen eingereichte Dissertation von Hans Bernhard Becker, der den Finanzausgleich innerhalb des Landes vor und nach 1918 analysierte.48 1937 legte der Landrat des Kreises Ludwigslust, Arthur Staecker, eine erste geschichtliche Darstellung zur Entwicklung des Kreisverwaltungsrechts in Mecklenburg vor, die z. T. auch auf die Landgemeinden und Städte eingeht.49 Ein Jahr später folgte eine in Halle an der Saale entstandene historische Untersuchung zur mittelalterlichen Selbstverwaltung in den mecklenburgischen Landstädten.50 1944 reichte Liselotte Krahn ihre Dissertation zur Entwicklung der mecklenburgischen Landge42 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung; Bierstedt: Amtsführung. 43 Klien: Landgemeindeordnung. Vgl. Sawitz: Städteordnung. 44 Vgl. u. a. Kretschmann: Städteordnungen; Schlesinger: Einteilung des Freistaates in Ämter. Vgl. auch Haff: Vom Ständestaat zum Freistaat; Schlesinger: Verwaltungsorganisation; Ihlefeld: Landräte. 45 Vgl. dazu auch Hensel: Kommunalrecht. 46 Vgl. Block: Erbbaurecht; Simonis: Volksbegehren und Volksentscheid; Tabel: Jagdpachtvertrag; Holstein: Jagdrecht; Jacobs: Befugnisse des Vorstandes; Külper: Polizei; Rotke: Privilegien der Stadt Rostock; Studemund: Kirche; ders.: Staat und Kirche; Boneß: Beanstandungsrecht; Kliefoth: Polizeiverordnungsrecht; Stempel: Mecklenburg-Schwerinsche Ämter; Ballerstaedt: Landtag und Regierung; ders.: „Sonderrechte“ der Seestadt Wismar. 47 Tatarin-Tarnheyden: Mecklenburg-Schwerinsche Verwaltungsreform; ders.: Amtsverwaltung in Mecklenburg-Schwerin; ders.: Amtshauptmann in Mecklenburg-Schwerin; Wenzel: Verfassungen. 48 Vgl. Becker: Finanzausgleich in Mecklenburg-Schwerin. 49 Vgl. Staecker: Kreisverwaltungsrecht in Mecklenburg. 50 Vgl. Struck: Selbstverwaltung in den mecklenburgischen Landstädten.
16 Einleitung meinden im Zeitraum von 1933 bis 1939 ein.51 Sie schloss in gewisser Weise an eine Reihe ökonomischer, wirtschaftsgeographischer und soziologischer Untersuchungen an, die ab Mitte der 1920er Jahre an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock entstanden waren.52 Die mecklenburgische Geschichtsschreibung selbst widmete sich bis 1945, wohl auch aufgrund der zeitlichen Nähe, gänzlich anderen Feldern.53 Ab den 1950er Jahren entstanden für einzelne Regionen und Städte kleinere Darstellungen zur Revolution und revolutionären Nachkriegskrise. Sie legten ihren Fokus auf die Entwicklung der KPD und liefern, dem Dogma der marxistischen Geschichtswissenschaft folgend, eine recht einseitige Darstellung.54 Dies gilt auch für die überregional konzipierten Arbeiten von Hans Meiritz55 sowie eine Reihe von Broschüren und Festschriften, die im Auftrag der Bezirksleitungen der SED als Agitations- und Propagandaschriften erschienen.56 Obwohl die Ereignisse des Novembers 1918 die größten verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Veränderungen in Mecklenburg-Schwerin auslösten, fehlt bis heute eine kritische Untersuchung. Die ausführlichste Darstellung der Revolution in Mecklenburg findet sich nach wie vor in der 1920 von Otto Vitense vorgelegten Geschichte Mecklenburgs.57 Der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte wurde sich zunächst nur in Form archivischer Bestandsbeschreibungen gewidmet.58 1986 legte Heinz Koch seine Dissertation B vor, die die Funktion und Entwicklung des bürgerlichen Parlamentarismus in Mecklenburg-Schwerin zwischen 1917 und 1923 untersuchte. Wenn auch von typischen Formulierungen der DDR-Historiographie und einer Fixierung auf die USPD/KPD nicht frei, liefert sie eine erste differenzierte Darstellung der we sentlichen politischen Diskussionen und Entscheidungen des Landtags sowie eine umfassende Analyse seiner Zusammensetzung und der der Regierungen. Auf die Städte-, die Landgemeinde- und die Amtsordnung geht Koch jedoch nicht gesondert 51 Vgl. Krahn: Mecklenburgische Gemeinden 1933/39. 52 Vgl. etwa Dube: Aushebungsbezirk Ludwigslust; Westphal: Aushebungsbezirk Waren; Schüler: Aushebungsbezirk Doberan; Selle: Aushebungsbezirk Parchim; Wegner: Großgrundbesitz in Mecklenburg-Schwerin; Hagen: Mecklenburg-Südwest; Heydemann: Struktur Stadtraum Rostock; Lübbers: Mecklenburg-Südost; Kerst: Stadtformen Mecklenburgs. 53 Vgl. dazu Kasten: Politik und Landesgeschichte. 54 Vgl. Preuß: Novemberrevolution im Kreis Grevesmühlen; Polzin: Novemberrevolution in Rostock; Daug: Novemberereignisse in Barth; Oelke: Novemberrevolution im Kreis Waren; Vgl. auch Bley: Dokumente. 55 Vgl. u. a. Meiritz: Revolutionäre Massenpartei; ders.: Oktoberrevolution und MecklenburgSchwerin. 56 Vgl. u. a. Bezirksleitung der SED Rostock: Arbeiter berichten; SED-Bezirksparteiorganisation Schwerin: Novemberrevolution; SED-Bezirksparteiorganisation Schwerin: 70 Jahre Roter Oktober; Redmer: KPD in Mecklenburg. 57 Vgl. Vitense: Mecklenburg, S. 576–599. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Kolumnensammlung des Herausgebers der „Mecklenburger Nachrichten“ Hellmuth Dietzsch, die in gewisser Weise die erste, freilich nicht kritische Monographie darstellt. Vgl. Dietzsch: Naturgeschichte der mecklenburgischen Revolution. 58 Vgl. Steinmann und Cordshagen: Staatsverwaltung in Mecklenburg; Schlombs: Bestände der Kreisverwaltungen.
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ein.59 Dies ist auch für die in der Bundesrepublik erschienenen Arbeiten festzustellen.60 Eine gewisse Ausnahme bildet hier allerdings die 1976 durch Helge Bei der Wieden vorgelegte Zusammenstellung einiger grundlegender Verfassungs- und Verwaltungsreformen sowie statistischer und biographischer Daten einzelner Verwaltungseinheiten zwischen 1815 und 1945.61 Nach 1990 hat sich die Landesgeschichtsschreibung, sowohl durch aktuell-politische Fragen als auch Jubiläen – wie 1.000 Jahre Mecklenburg und 250 Jahre Landesgrundgesetzlicher Erbvergleich – inspiriert, verstärkt der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte zugewendet.62 Die kommunale Ebene blieb allerdings außerhalb des Fokus. Lediglich Hamann widmete sich in einem zweiseitigen Aufsatz der Geschichte der mecklenburgischen Kreis- und Gemeindeverwaltungen von 1918 bis 1945.63 Im Zuge der durch das Land Mecklenburg-Vorpommern geplanten Kreisgebietsreform lieferten Erich Röper und etwas später Björn Rothe einen Abriss zur Geschichte der Kommunalverwaltung.64 Im Jahr 2000 erschienen zwei Aufsätze, die sich mit einzelnen administrativen Bereichen und Akteuren beschäftigten.65 Für die Zeit des Nationalsozialismus liegt seit 2009 eine Edition zu den Tagungen des Gauleiters mit den NS-Führungsgremien des Gaues Mecklenburg vor. Sie dokumentiert allerdings vor allem die Innensicht der Partei.66 Ergänzt wird die Edition durch das 2011 erschienene Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, das einen fulminanten Überblick bietet und in eindrucksvoller Weise zeigt, wie wichtig die Analyse der kommunalen Ebene ist.67 Die vorliegende Arbeit basiert in erster Linie auf Akten des Landeshauptarchivs Schwerin. Herangezogen wurden die Bestände der Ministerien des Innern, der Finanzen und der Landwirtschaft. Hinzu kamen die des Staatsministeriums und des Kabinetts III. In den genannten Beständen finden sich nicht nur die Prozesse der Gesetzesentstehung dokumentiert, sondern auch Eingaben über Probleme bei der 59 Vgl. Koch: Parlamentarismus. 60 Vgl. Hamann: Mecklenburg; Pagel: Mecklenburg; Madaus: Novemberrevolution in Mecklenburg; Brandt: Staatsgrundgesetz von 1849; ders.: Verfassung für das alte Mecklenburg. 61 Vgl. Bei der Wieden: Mecklenburg. Vgl. auch ders.: Regierungen und Minister. 62 Vgl. u. a. Schröder: Sawitz und die Stadtverfassung Rostocks; Baumgartner: Landesverwaltung Mecklenburg-Schwerins; Schwabe: Verfassungen in Mecklenburg; Botzenhart: Staatsbankrott oder Verfassungsoktroi?; Stiftung Mecklenburg: Demokratiegeschichte; John: Spannungsfeld; Ehlers und Keipke: Auf dem Weg zur Demokratie; Madaus: Verwaltung in Mecklenburg. Mrotzek: Verfassung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin; Bei der Wieden: Mecklenburgische Verfassungsgeschichte; Brunner: Landesregierung und Besatzungspolitik; Manke und Münch: Landesgrundgesetzlicher Erbvergleich; Freitag: Regierungssystem Mecklenburg-Schwerins; Kasten: Gesellschaftlicher und politischer Wandel. 63 Vgl. Hamann: Mecklenburgische Kreis- und Gemeindeverwaltungen. 64 Vgl. Röper: Kreisreform und Landschaftsverbände in Mecklenburg-Vorpommern; Rothe: Kreisgebietsreform. 65 Vgl. Geistefeldt: Forstverwaltung in Mecklenburg; Kasten: Frauen in der Stadtverwaltung Schwerin. 66 Vgl. Buddrus und Fritzlar: Tagungen des Gauleiters. 67 Buddrus und Fritzlar: Städte Mecklenburgs im Dritten Reich. Vgl. dazu auch die Rezensionen von Hermann Langer und Erika Schwarz.
18 Einleitung Umsetzung der durch den Landtag verabschiedeten Rechts- und Verwaltungs normen. Zur Ermittlung personenbezogener Angaben wurden Akten in den Beständen Ministerium des Innern (1946–1952) und NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit eingesehen. In diesem Zusammenhang sind auch Recherchen im Universitätsarchiv Rostock und bei der Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Rostock durchgeführt worden. Die im Landeshauptarchiv Schwerin lagernden Bestände der mecklenburgischen Kreisverwaltungen 1918/21 bis 1945 wurden nur exemplarisch ausgewertet. Die Überlieferung, die aufgrund der Aktenvernichtung im März und April 1945 „insgesamt sehr lückenhaft“ ist,68 enthält vor allem Akten, die „für die agrargeschichtliche Forschung“ interessant sind. Hinzu kommt, dass das zu findende „Schriftgut über die Gemeinden“ einen „relativ geringen Informationswert“ besitzt, wenn es um die Darstellung allgemeiner Zusammenhänge und Entwicklungstendenzen geht; Relevantes enthalten als „Doppel- bzw. Ersatzlieferung“ die Bestände der einzelnen Fachministerien.69 In den Stadtarchiven des Landes Mecklenburg-Vorpommern fanden sich häufig keine oder nur eine Akte zur Umsetzung der Landgemeindeordnung in den ehemaligen Kämmereiortschaften. Es wurde deshalb – mit Ausnahme der Stadt Rostock – auf eine größere Nutzung der Bestände verzichtet. In Bezug auf die Städteordnung ließen sich die Reaktionen anhand der Diskussionen auf dem Städtetag und der Eingaben an die einzelnen Ministerien nachzeichnen. Im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde fanden sich in den Beständen Reichsministerium des Innern und Reichskanzlei einige wenige Akten zur Verfassung und Verwaltung in Mecklenburg-Schwerin. Sie dokumentieren in erster Linie jedoch nur die Verhältnisse bzw. beziehen sich auf die Reich-Länder-Reform, die Anke John in ihrer Habilitationsschrift untersucht hat.70 Anforderungen der Reichsbehörden an das Land Mecklenburg-Schwerin sowie diesbezügliche Schreiben der Landesregierung sind im Landeshauptarchiv Schwerin überliefert. Neben Akten wurden, insbesondere für den Zeitraum 1918 bis 1921, sechs überregionale Tageszeitungen des Landes ausgewertet. Sie lieferten Fakten zur Entstehung und Verbreitung der Revolution, die sich aufgrund der Selbstorganisation der Bevölkerung und der Spontanität der Aktionen nur selten und zumeist in Form von Erinnerungsprotokollen in den Akten finden ließen. Freilich sind Zeitungsmeldungen und -artikel aufgrund ihrer politischen Ausrichtung mit „einer gewissen Vorsicht zu benutzen“.71 Zur Durchsicht gelangten die agrarisch-rechtsnationalen „Mecklenburger Nachrichten“, die „Mecklenburgische Volkszeitung“ als Parteiorgan der mecklenburgischen Sozialdemokratie, die konservative, deutsch-völkische „Mecklenburger Warte“, die liberal-demokratische „Mecklenburgische Zeitung“ und der national68 69 70 71
Schlombs: Kreisverwaltungen, S. 186. Vgl. dazu auch Cordshagen: Aktenvernichtung. Schlombs: Kreisverwaltungen, S. 188–189. Vgl. John: Weimarer Bundesstaat. Mommsen: Zeitung als historische Quelle, S. 11.
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liberale „Rostocker Anzeiger“. Herangezogen wurde ferner die in Mecklenburg- Strelitz beheimatete „Landeszeitung für beide Mecklenburg“.72 Eine wichtige Quelle stellten ferner das Reichsgesetzblatt und das Regierungsblatt dar, in dem die Gesetze und Verordnungen des Landes Mecklenburg-Schwerin abgedruckt wurden. Sie geben Aufschluss über den rechtlichen Rahmen und verdeutlichen indirekt die gesellschaftlichen Probleme, auf die mit den einzelnen Bestimmungen zu reagieren versucht wurde. Von großem Wert waren auch der Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsche Staatskalender und dessen Nachfolger, das Staatshandbuch. Sie enthalten eine Auflistung der einzelnen Verwaltungsbehörden, ihrer territorialen Bezirke und der leitenden bzw. in Teilen auch der dort angestellten Personen. Darüber hinaus geben sie Auskunft über die Rechtsform und Ausstattung der einzelnen Ortschaften und Gemeinden. Leider erschien der Staatskalender 1918 das letzte Mal und das Staatshandbuch nur in unregelmäßigen Abständen, so dass sich Veränderungen nicht detailliert, sondern lediglich über einen größeren Zeitraum nachweisen lassen. Die in der Amtlichen Beilage zum Regierungsblatt veröffentlichten Personalstandsnachrichten können diese Lücke nur sehr bedingt schließen. Eine, wie bereits Koch nachwies, „reichhaltige und aussagekräftige Quelle“ stellten schließlich die Landtagsprotokolle und Drucksachen dar, die „lückenlos vorliegen“. Sie dokumentieren nicht nur die Entstehung und Abänderung einzelner Gesetze und Verordnungen, sondern liefern auch eine je nach politischer Couleur ausfallende Bewertung der Verhältnisse im Land. Da im Parlament freie Rede vor geschrieben war – „wenn ein Abgeordneter ablas, ist das aus den Zwischenrufen erkennbar“ –, führte das mitunter zu heftigen, teilweise ins Persönliche gehenden Debatten.73 Der Autor hofft mit der vorliegenden Arbeit einen Beitrag sowohl zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte als auch zur allgemeinen Landesgeschichte leisten zu können. Sollte die Studie zur weiterführenden Beschäftigung mit einzelnen der angesprochenen Themenkomplexe oder zu Vergleichstudien anderer Länder des Reichs anregen, so ist ihr Zweck erfüllt.
72 Zur Entstehung und Entwicklung der einzelnen Blätter vgl. Bachmann: Presse beider Mecklenburg. 73 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 7.
Teil 1: Vom Großherzogtum zum Freistaat. MecklenburgSchwerin auf dem Weg zur Demokratie 2. Revolution und Staatsumwälzung 2.1 Mecklenburg-Schwerin am Vorabend der Novemberrevolution Wie in den meisten Ländern des Deutschen Reichs mehrten sich auch in den größeren Städten Mecklenburg-Schwerins mit zunehmender Dauer des Krieges die Lebens mittelunruhen und politischen Streiks.1 Neben einem baldigen Frieden forderten die Beteiligten vor allem eine Demokratisierung des Wahlrechts und der Verfassung. Die großherzogliche Regierung indes hielt am ständischen Staatsprinzip fest und sah die Ausübung öffentlicher politischer Gewalt als ein persönliches Privileg an, das auf sich aus dem Grundbesitz herleitenden, patrimonialen Rechten bzw. der Mitgliedschaft in einer solche Rechte ausübenden Kooperation beruhe.2 Zur Ausübung politischer Macht waren damit neben dem Großherzog nur die Eigentümer der etwa 600 landschaftsfähigen Güter des mecklenburgischen und wendischen Kreises, die sogenannte Ritterschaft,3 und die zumeist vom Landesherrn ernannten oder bestätigten Obrigkeiten der 42 Städte,4 die unter dem Begriff Landschaft zusammengefasst wurden,5 berechtigt. Die zwischen der Regierung und den Ständen vor dem Krieg begonnenen Verhandlungen zur Reform des auf dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 17556 basierenden politischen Systems Mecklenburg-Schwerins waren 1914 mit dem Rücktritt des Staatsministers Graf Carl von Bassewitz-Levetzow eingestellt worden. Die Änderung des Preußischen Wahlrechtes und die Osterbotschaft des Kaisers 7 führten jedoch zu einer Wiederaufnahme.8 1 Eine Untersuchung zum Einfluss des Ersten Weltkrieges auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung sowie auf die Verfassungs- und Verwaltungsstruktur Mecklenburgs steht noch aus. Bislang liegen lediglich zwei Studien zur Stadt Rostock sowie kleinere Aufsätze zu einzelnen Teilaspekten vor. Vgl. Festerling: Rostock; Strahl: Rostock; dies.: Kultur im Ersten Weltkrieg; Kröhnert und Karge: Mecklenburg und der Erste Weltkrieg. 2 Vgl. etwa Sachsse: Verfassung, S. 6. Vgl. auch Kap. 5.1, S. 121. 3 Zur Ritterschaft zählten auch die landstandsfähigen Güter des stargardschen Kreises, die, da sie zum Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz gehörten, hier jedoch nicht berücksichtigt wurden. 4 Lediglich in zehn Städten wurden die Bürgermeister und Magistratsmitglieder frei gewählt. Vgl. Hacker: Stadtverfassung. Vgl. auch John: Spannungsfeld, S. 156–157. Zur Abhängigkeit der kleineren Landstädte von der Ritterschaft vgl. Panckow: Bewährte Institutionen, S. 50–51. 5 Hierzu zählten neben den beiden Seestädten Rostock und Wismar je 20 Städte des mecklenburgischen und des wendischen Kreises mit ihren Vorderstädten Parchim und Güstrow. Die Städte des stargardschen Kreises wurden, da sie zum Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz gehörten, nicht berücksichtigt. 6 Für eine Edition und den aktuellen Forschungsstand vgl. Manke und Münch: Erbvergleich. 7 Vgl. allgemein Bergstraesser: Osterbotschaft. 8 Vgl. Nicholas: Verfassungskampf in Mecklenburg, S. 737.
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Die Zusammensetzung der vom 14. bis 17. Juni 1917 in Schwerin tagenden allgemeinen Verfassungsversammlung mag manchem Zeitgenossen ein Zeichen dafür gewesen sein, dass die sogenannte „Neuorientierung“ auch auf Mecklenburg-Schwerin übergreifen würde.9 Neben den Vertretern der Stände waren erstmals auch Vertrauenspersonen der einzelnen Wirtschaftskammern und politischen Parteien geladen.10 Die Erwartung, Regierung und Stände würden „wohl kaum zögern, eine [...] etwas zeitgemäßere Verfassung noch rechtzeitig unter Dach zu bringen“, um „den gewiß bald heranbrausenden Stürmen wenigstens für eine Weile Widerstand“ leisten zu können,11 erschien angesichts des Rückgriffs auf die Verfassungsvorlagen der Vorkriegszeit jedoch wenig gerechtfertigt. Die seit 1907 auf Anregung der Städte diskutierte Ergänzung des ständischen Landtages durch die Bildung eines dritten Standes, der – über die Vorschläge der Jahre 1872 und 1874 hinausgehend – nicht nur aus Vertretern des Domaniums, sondern auch aus Repräsentanten der hauptsächlichsten Berufsgruppen12 und einigen, durch ein Dreiklassenwahlrecht mit hohem Zensus zu wählenden Abgeordneten der Städte und des Landes gebildet werden sollte,13 war nicht nur „äußerst kompliziert und schwer durchschaubar“,14 sondern knüpfte auch direkt an das anachronistisch gewordene „landständische Verfassungssystem des 19. Jahrhunderts“ an.15 Gleichwohl hätte die Annahme der Reformvorschläge einen Bruch mit dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich bedeutet, da die politische Teilhabe nicht mehr ausschließlich an das sogenannte „echte“, d. h. mit staatsrechtlichen Befugnissen ausgestattete Eigentum an Grund und Boden gebunden,16 sondern auch einzelnen Personen gewährt worden wäre. Die Idee, Vertreter des Domaniums hinzuzuziehen, trug allerdings lediglich den veränderten Besitzverhältnissen Rechnung. Ab 1867 waren im landesherrlichen Gebiet einzelne Höfe und Güter vererbpachtet und damit Eigentumsrechte an Privatpersonen übertragen worden.17 Die Partizipation einzelner Mitglieder ausgewählter landloser Bevölkerungskreise
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Vgl. etwa Wienandt: Neuorientierung. Vgl. John: Spannungsfeld, S. 244. Balck: Verfassungsverhältnisse, S. 36. Die einzelnen Vorlagen der Jahre 1909 bis 1918 sahen, in unterschiedlichen Zahlenverhältnissen, eine Beteiligung gewählter Vertreter der Handels-, Handwerks- und Landwirtschaftskammern, der Landesuniversität, der Geistlichkeit der lutherischen Landeskirche und der übrigen Berufsstände mit Hochschulbildung vor. Zur öffentlichen Diskussion einer berufständischen Verfassung vgl. Klinggräff: Landesverfassung; Oertzen: Berufständische Verfassung; Bülow: Verfassungsfrage; Dietzsch: Bevölkerung und Landesvertretung; Gierke: Berufsgruppen. 13 Zu den Entwürfen vgl. Brückner: Verfassungsvorlagen. 14 John: Spannungsfeld, S. 244. 15 Botzenhart: Verfassungsoktroi, S. 379 und S. 385–386. 16 Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 30–32. Vgl. auch Stegemann: Verfassung, S. 19. 17 Vgl. dazu etwa Mager, Friedrich: Geschichte des Bauerntums und der Bodenkultur im Lande Mecklenburg, Berlin 1967, S. 364–366. Die These einer Reform aus juristischer Notwendigkeit stützt u. a. auch eine Denkschrift des Staatsministers Adolf Langfeld aus dem Jahr 1906, die Botzenhardt zitiert. Vgl. Botzenhart: Verfassungsoktroi, S. 379.
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hätte indes die Einführung einer Repräsentativverfassung bedeutet;18 freilich einer, die der breiten Masse – nach wie vor – „keinerlei Teilnahme, nicht einmal das Recht auf Kenntnisnahme“ zugestand.19 Dass die Reformvorschläge, so progressiv sie für die mecklenburgischen Verfassungsverhältnisse auch sein mochten, „weit hinter den Forderungen ihrer Gegenwart“ zurückstanden,20 verdeutlichen zahlreiche Petitionen der Intelligenz sowie der Beamten- und Arbeiterschaft, die für ein allgemeines Wahlrecht eintraten.21 Ende Februar 1918, mit dem Freitod des unverheirateten und kinderlosen Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz, Adolf Friedrich VI., wurde die Behandlung sämtlicher Verfassungsfragen erneut ad acta gelegt. Die großherzogliche Regierung Mecklenburg-Schwerins wollte zunächst die Frage der Thronnachfolge und damit die der Selbständigkeit des Strelitzer Landesteils klären.22 Für die Bevölkerung trug die daraufhin eingeleitete Suche nach dem in russischen Diensten stehenden Herzog Karl Michael, der als legitimer Nachfolger seinen bereits bekundeten Verzicht urkundlich zu bestätigen hatte,23 „mehr den Charakter einer Verschleppung als einer Förderung“ ihrer politischen Emanzipation. Dieser Eindruck verfestigte sich, als wenig später Verhandlungen zur Aufhebung der im Hamburger Vergleich von 1701 vollzogenen Landesteilung begonnen wurden, deren Abschluss der „Neuordnung der Verfassungsverhältnisse vorangehen“ sollte.24 Dem Schweriner Staatsminister Adolf Langfeld erschien es erst nach der „Vereinigung beider Großherzogtümer in einem Staate gerechtfertigt“, zwei gleichberechtigte Kammern einzuführen, von denen die eine ständisch, die zweite durch allgemeine Wahlen mit einem abgeschwächten Mehrstimmenrecht gebildet werden sollte.25 Die „festgefahrene Wahlrechtslage in Preußen“26 und das Ende der dortigen Reformen bedeuteten jedoch auch das Aus für diese Überlegungen.27 Die Wiederaufnahme des Reformprojektes erfolgte erst, nachdem im Reich die „Revolution von oben“ durchgeführt und Max von Baden zum Reichskanzler ernannt worden war.28 Doch während in Bayern, Hessen, Sachsen und Württemberg Verfassungsänderungen vorgenommen wurden,29 empfing der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin die als „Mittelspersonen zwischen dem Landesherrn und den Ständen“30 fungierenden sieben Landräte des wendischen und mecklenburgischen 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 126–127. Sachsse: Verfassung, S. 6. Vgl. auch Gewerkschafts-Kartell Rostock: Sibirien, S. 22–23. Botzenhart: Verfassungsoktroi, S. 385–386. Vgl. dazu John: Spannungsfeld, S. 246, Anm. 862. Vgl. Voß: Adolf Friedrich VI. Vgl. Langfeld: Erinnerungen, S. 288. LZM, 9. Okt. 1918. LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 1: Langfeld an StM, 12. März 1918 (Hervorhebung im Original). Gierke: Wahlrecht. LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 69–73: Denkschrift Langfeld, 24. Juli 1918. Ritter: Niederlage der Militärs, S. 53–57. Zur mecklenburgischen Wahrnehmung der Reformen vgl. LZM, 24. und 29. Okt. 1918; LZM, 1. Nov. 1918. 30 Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 92.
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Kreises,31 um sich deren Petition, „jedem weiteren Streben nach Erweiterung der Parlamentsherrschaft einen Damm entgegenzusetzen“,32 überreichen zu lassen.33 Am gleichen Tage, dem 19. Oktober 1918, traf sich Staatsminister Langfeld im Berliner Reichstagsgebäude mit den mecklenburgischen Abgeordneten der Fortschrittlichen Volkspartei, Hans Sivkovich und Hermann Pachnicke, die die Regierung vor „Streiks, Sabotage u. anderem Aehnlichen“ warnten und sie von einem „schwächlichen Kompromiß mit den Ständen“ abzubringen suchten.34 Obwohl auch über die „als überaus gedrückt“ geschilderte Stimmung innerhalb der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterschaft informiert,35 verwies Langfeld auf den für den 25. November ausgeschriebenen ständischen Landtag. Eine „Gefahr von Unruhen usw. seitens der mecklenburgischen Bevölkerung“ befürchte er nicht.36 Für den nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Peter Stubmann hatte der alte Landtag bereits jegliche Legitimation verloren. Er forderte, eine selbständige Klärung der Verfassungsfrage für Mecklenburg-Strelitz und die Entscheidung für oder wider die Selbständigkeit des Landes einem frei gewählten Landtag zu übertragen.37 Die Schweriner Regierung lehnte dies jedoch ab. Das gleiche Schicksal ereilte den daraufhin eingereichten Vorschlag, einen „Vorlandtag [...] auf Grund des Reichtagswahl-
31 Das Direktorium der Landtage und Landeskonvente bestand aus insgesamt acht Landräten; jeweils vier des Herzogtums Güstrow und des Herzogtums Schwerin. Obwohl das Herzogtum Güstrow durch den Hamburger Vergleich von 1701 unter dem Herzogtum Mecklenburg-Schwerin und dem neu entstandenen Herzogtum Mecklenburg-Strelitz aufgeteilt worden war, bewahrte die Union der Stände die alte Struktur. Gleichwohl erhielt der Strelitzer Landesherr das Recht, einen Landrat des Herzogtums Güstrow, den des stargardschen Kreises, zu ernennen. Vgl. Heitz: Hamburger Landesteilung. Vgl. auch Staatskalender, 1918, S. 586–587. 32 Zitiert nach John: Spannungsfeld, S. 247. Am 23. Oktober 1918 forderte auch der ritterschaftlichen Konvent Grevesmühlen das Staatsministerium auf, „alle Bestrebungen der Demokratie, die Not des Landes für ihre Sonderzwecke ausnutzen, mit Entschiedenheit zurückzuweisen“. MW, 9. Nov. 1918. 33 Nicholas: Verfassungskampf, S. 738. Vgl. dazu auch LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Friedrich Franz IV. an Bossart, 22. Okt. 1918. 34 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 67: Aktennotiz Langfeld, 19. Okt. 1918. 35 Ebd., Bl. 66: Schwalbe an Langfeld, 19. Okt. 1918. Der Rostocker Universitätsprofessor Ernst Schwalbe informierte Langfeld über eine „längere Unterredung mit dem Parteisekretär der sozialdemokratischen Partei Kröger“ und gab zu bedenken, dass eine „zeitgemäße Verfassung [...] geeignet sei, die Stimmung hier in Arbeiterkreisen sehr zu heben“. Ebd. Wilhelm Kröger selbst betonte: „Es ist ja sicher ein großer Fortschritt, wenn die Absichten der Regierung verwirklicht werden, aber die Forderungen der Arbeiterschaft sind damit nicht erfüllt. Wenn die Regierung neben der zweiten Kammer, die aus allgemeinen Wahlen hervorgehen soll, noch die erste Kammer setzen will, wird die unsern schärfsten Protest herausfordern.“ Ebd., Bl. 68: Kröger an Schwalbe, 24. Okt. 1918. 36 Ebd., Bl. 67: Aktennotiz Langfeld, 19. Okt. 1918. Tatsächlich sollte auf dem am 21. Oktober 1918 für Malchin ausgeschriebenen ständischen Landtag unter Punkt 4 eine „Beratung über Änderung der Verfassung“ stattfinden. MN, 26. Okt. 1918. Vgl. dazu auch John: Spannungsfeld, S. 246. 37 Vgl. LZM, 9. Okt. 1918. Zur öffentlichen Diskussion um den Anschluss „ohne Anhörung der Bevölkerung“ vgl. LZM, 6. Okt. 1918, 15. Okt. 1918 und 20. Okt. 1918.
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rechts“ einzuberufen.38 Unerfüllt blieb schließlich auch die Bitte des Landesausschusses der Nationalliberalen Partei, eine „das Vertrauen des ganzen Volkes“ genießende Verfassungskommission einzusetzen.39 Mit diesen als erneute „Verschleppungs versuche“40 gewerteten Entscheidungen mehrten sich die kritischen Stimmen. In der Presse wurde gar der Rücktritt Langfelds, „dessen ganzes bisheriges Streben dahin gegangen“ sei, der Bevölkerung „möglichst viele Rechte vorzuenthalten“, gefordert.41 Die kurze Zeit später, am 4. November 1918, – vermutlich auf Drängen des Strelitzer Staatsministers Heinrich Bossart42 – erfolgte Bekanntgabe Langfelds, die „vorbereitenden Arbeiten“ für die Aufnahme von Verhandlungen zur Einführung eines Zweikammersystems seien „im vollen Gange und [...] bald beendet“,43 wirkten vor diesem Hintergrund nicht vertrauensbildend, sondern geradezu provokativ.44 Nur zwei Tage zuvor hatten sowohl die Güstrower Versammlung des Mecklenburgischen Landeswahlvereins der Fortschrittlichen Volkspartei45 als auch eine in der Rostocker Philharmonie tagende öffentliche Volksversammlung „gegen die Einführung einer ersten Kammer [...] den schärfsten Protest“46 erhoben, sich für ein „aus den Mehrheitsparteien gebildetes Ministerium“47 ausgesprochen und die „sofortige Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts“ gefordert.48
38 LZM, 18. Okt. 1918. 39 LZM, 29. Okt. 1918. Für die am 27. Oktober 1918 in Güstrow stattgefundene Versammlung sowie die dort verabschiedete Resolution vgl. auch MN, 29. Okt. 1918; MW, 30. Okt. 1918; MZ, 26. und 29. Okt. 1918; RoA, 29. Okt. 1918. Die Sozialdemokraten kritisierten, dass die „Nationalliberalen im Gegensatz zu ihrem vorjährigen Beschluß heute wieder der Meinung [sind], die Verfassungsreform solle mit dem Ständetag gemacht werden“. MVZ, 28. Okt. 1918. 40 LZM, 31. Okt. 1918. 41 MVZ, 31. Okt. 1918. Vgl. auch LZM, 19., 30. und 31. Okt. 1918; MN, 21. und 22. Okt. 1918. Rücktrittsforderungen fanden sich ferner im „Berliner Tageblatt“, im „Hamburger Correspondent“ und im „Hamburger Fremdenblatt“. 42 Vgl. LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 209: StM Strelitz an StM, 31. Okt. 1918. Vgl. dazu auch Bellmann: Bossart. 43 MN, 4. Nov. 1918; MZ, 5. Nov. 1918. Für das Manuskript vgl. LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 217. Zum Verfassungsvorschlag selbst vgl. Langfeld: Erinnerungen, S. 289. 44 Vgl. MVZ, 6. Nov. 1918. Dort heißt es: „Man will tatsächlich der künftigen Volksvertretung eine Erste Kammer auf die Nase setzen. Die alten ‚Stände‘ sollen in der Ersten Kammer als ‚Aufpasser‘ weiterwirken. Das mecklenburgische Volk wird nicht stumm bleiben können, zu dem, was die mecklenburgische Regierung vorhat.“ Aus Sicht der Landeszeitung stellte die Verfassungsvorlage „selbst in unserem bisher noch so ruhigen Lande ein Spiel mit dem Feuer“ dar. LZM, 3. Nov. 1918. Vgl. auch LZM, 6. Nov. 1918. 45 Für die Versammlungen sowie die Reden der Reichstagsmitglieder Hugo Wendorff und Hans Sivkovich vgl. LZM, 5. Nov. 1918; MN, 5. Nov. 1918; MZ, 5. Nov. 1918; RoA, 5. und 6. Nov. 1918. 46 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 211: Kröger an Langfeld, 4. Nov. 1918. 47 RoA, 6. Nov. 1918. 48 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 211: Kröger an Langfeld, 4. Nov. 1918.
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2.2 Erhebungen und Massenproteste in den Städten Wie bereits in der Revolution von 184849 zeigten sich auch die Auswirkungen der Novemberrevolution im Agrarland Mecklenburg-Schwerin zuerst in den großen Städten, von wo aus sie nach und nach im Lande Verbreitung finden sollten. Wie zu zeigen sein wird, ist dies allerdings kein Beweis für die eingangs erwähnte These einer nach Mecklenburg-Schwerin hineingetragenen Revolution. Die sich in den einzelnen Städten, insbesondere in Rostock und Schwerin, zeigende unterschiedliche Reaktion verweist auf eine Eigenständigkeit, die auch in dem zeitgenössischen Begriff der Staatsumwälzung deutlich wird. Gleichwohl muss gerade mit Blick auf das aus lösende Moment in Rostock und in Wismar dem Einfluss von außen die entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Am 5. November 1918, wenige Stunden nachdem die „Torpedoboote der SchulHalbflottille aus Kiel“ in den Warnemünder Hafen eingelaufen waren, beriefen deren Obermaats „eine große Demonstrationsversammlung“ ein.50 Nach der Beratung, auf der die Matrosen der Flugzeugstation sowie die Mannschaften der 7. Halb- und der Vorpostenhalbflottille „West“ beschlossen, weder „in See zu gehen [...], noch länger unter Aufsicht der jüngeren Offiziere den Dienst zu tun“, verließen einige Soldaten Warnemünde „mit dem letzten Abendzug“ in Richtung Rostock.51 Kurz darauf, am Morgen des 6. November 1918, waren dort bereits „allerlei Sicherungsmaßnahmen [...] gegen ein Uebergreifen der Warnemünder Vorgänge“ auf die Stadt beschlossen,52 der Zugverkehr nach Warnemünde bis auf weiteres eingestellt und den Angehörigen des Militärs das Verlassen der Kasernen und der Besuch öffentlicher Versammlungen verboten worden.53 Der Versuch, die Bewegung zu isolieren, schlug jedoch bereits gegen zehn Uhr fehl, als die auf der Rostocker Neptunwerft stationierten Matrosen mit Motorbooten zu einer in Warnemünde stattfindenden Versammlung, in der über Forderungen „wegen besserer Behandlung, längeren Urlaubs und Fortfall des Grüßens“ diskutiert werden sollte, abgeholt wurden.54 Nur eine halbe Stunde später legten „sämtliche Arbeiter“ der Werft und der dortigen Maschinenfabrik, insgesamt etwa 1.700 Personen, „die Arbeit nieder“ und „zogen in langen Scharen nach dem Gewerkschaftshause der Philharmonie“.55 An der dort abgehaltenen Kundgebung nahmen bald auch Mitglieder der Marinemannschaften, die „teilweise zu Fuß, teil49 Vgl. Manke: Aufbruch im Ständestaat, S. 141. Zur Politisierung der Landbevölkerung und ihren Einfluss vgl. ebd., S. 145. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Rakow: Revolution und Konterrevolution 1848–1850. 50 LZM, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 7. Nov. 1918; MZ, 6. Nov. 1918. 51 RoA, 8. Nov. 1918. Mit „den älteren Offizieren“ wollten die „Matrosen verkehren, wenn sie sich mit den Mannschaften solidarisch erklärten“. LZM, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 7. Nov. 1918. 52 RoA, 8. Nov. 1918. 53 Vgl. RoA, 7. und 8. Nov. 1918. 54 RoA, 8. Nov. 1918. Vgl. dazu auch LZM, 8. Nov. 1918; MN, 7. Nov. 1918; MVZ, 8. Nov. 1918; MW, 8. Nov. 1918.; MZ, 6. Nov. 1918. Die Zeitangabe variiert in den Berichten zwischen neun und zehn Uhr. 55 MN, 7. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 8. Nov. 1918; RoA, 7. Nov. 1918.
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weise mit einem Torpedoboot von Warnemünde“ nach Rostock gelangt waren, teil.56 Die Versammelten, die ihre Sympathie mit den Kieler Matrosen bekundeten, verlangten Frieden, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts und eine bessere Versorgung mit Lebensmitteln. Der spontan geäußerte Plan, dem Rat der Stadt die verabschiedete Resolution durch einen Demonstrationszug zum Neuen Markt zu überbringen, wurde auf Drängen von Franz Starosson, der als sozialdemokratisches Mitglied des Bürgerausschusses „schnell hinzugerufen“ worden war und sich für die Forderungen einzusetzen versprach, wieder fallengelassen.57 Man einigte sich jedoch auf einen Umzug durch die Stadt, der, da „die Polizei sich zurückhielt [...], in Ruhe vonstatten“ ging. „Kurz nach Tisch“ legten daraufhin auch die Beschäftigten der Maschinenfabrik Dolberg „die Arbeit nieder und zogen in geschlossenem Zug“ zur Philharmonie.58 Am Abend des 6. November organisierten sich schließlich auch die Rostocker Infanterieeinheiten. Auf Anregung der Warnemünder Matrosen trafen sich etwa 1.500 Vertrauensleute in einem Lokal in Gehlsdorf,59 um sich über die Bildung des Warnemünder Soldatenrates und dessen militärpolitische Forderungen, die „mit dem Schiff der 4. Torpedoboot-Flottille sowie sämtlichen Kommando-Behörden in Warnemünde besprochen und von diesen genehmigt“ worden waren, informieren zu lassen.60 Im Anschluss an die Versammlung, die zwei Abgeordnete des Soldatenrates und einen Offizier nach Berlin entsandte, um die dortige Anerkennung der veränderten Machtverhältnisse zu erwirken, durchzogen zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung „bewaffnete Patrouillen [...] bis in die späten Abendstunden die Straßen“ Rostocks.61 Zur selben Zeit, als auf den Schiffen in Warnemünde „hier und da rote Flaggen“ gehisst wurden,62 marschierte auch in Schwerin das Militär „mit der roten Fahne und
56 Vgl. RoA, 8. Nov. 1918. Nachdem ein Sonderzug, der die Arbeiter um 16.15 Uhr zurück in die Stadt bringen sollte, in Rostock eingetroffen war, stieg auch die Beteiligung der Matrosen an der Versammlung in der Philharmonie. Vgl. RoA, 7. und 8. Nov. 1918. 57 MVZ, 7. Nov. 1918. Starosson war seit 1898 Redakteur der „Mecklenburgischen Volkszeitung“ und seit 1903 Mitglied des Rostocker Bürgerausschusses. Vgl. MN, 11. Nov. 1918. Zur Haltung der SPD vgl. auch den durch die Partei am 6. Nov. 1918 veröffentlichten Aufruf, keine Streiks durchzuführen. Vgl. MVZ, 6. Nov. 1918. 58 LZM, 8. Nov. 1918. 59 Vgl. RoA, 8. Nov. 1918; MVZ, 8. Nov. 1918. Die Angabe des Versammlungsortes variiert; es wird sowohl Wilcks Gesellschaftshaus als auch der Lindenhof genannt. 60 RoA, 8. Nov. 1918. Neben der Forderung, jedem Kommando einen Soldatenrat als Beirat beizugeben und den Engeren Ausschuss als ständiges Gremium mit Sitz auf der S.M.S. „München“ an Land zu belassen, traten die Matrosen für die Wahl einer Kommission zur Dienstregelung, „gleiche Kost für alle“, eine „Sicherstellung der Sundbewachung und der Ernährung“, die Abschaffung der Grußpflicht für die Marine in Warnemünde, ein Verbot des Waffentragens in Warnemünde, die „Freilassung sämtlicher Arrestanten mit einigen Ausnahmen, z. B. der wegen Diebstahl“ und die Kompetenz des Soldatenrats, bei „Streitigkeiten“ zu entscheiden, ein. Generell stand der Soldatenrat Warnemünde auf den „Grundlinien des Soldatenrates in Kiel“. Ebd. 61 RoA, 8. Nov. 1918. 62 LZM, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 7. Nov. 1918.
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[...] Gewehren“ durch die Stadt.63 Unter Beteiligung einer „Anzahl von Arbeitern“ hatte es am Morgen des 6. November Kundgebungen organisiert, die „ohne schwere Zusammenstöße und ohne Blutvergießen“ blieben.64 Fast gleichzeitig waren „mehrere Kompanien des Ersatzbataillons“, mit „geladenen Gewehren und einigen Maschinengewehren bewaffnet“, aus ihren „zum Teil an der Stadtgrenze gelegenen Quartieren“ zur Fabrik der Fokker-Flugzeugwerke gezogen und hatten die dort eintreffenden „Fabrikarbeiter zum Streik“ gezwungen.65 In einem gemeinsamen Demonstrationszug bewegten sie sich anschließend zum Schelfmarkt und zum Arsenal, wo sie die Freilassung einiger Gefangener erwirkten. Gegen 13 Uhr versammelten sich die Truppen der Garnison und „eine größere Zahl von Zivilpersonen“66 – unter ihnen nicht nur die Beschäftigten der Fokker- und Perzina-Werke, sondern „auch ein Teil des Bürgertums“67 – „vor dem Kriegerdenkmal am Alten Garten“.68 Hauptredner war der Kommandeur der stellvertretenden 34. Infanteriebrigade, Freiherr von Liliencron, der sich in seiner zur „Ruhe und Besonnenheit“ ermahnenden Ansprache bereit erklärte, „etwaige Wünsche der Truppen entgegenzunehmen“.69 Von den Vertretern der sich in den Fabriken bereits gebildeten Arbeiterausschüsse ermutigt,70 forderten die Soldaten, die sich ebenso wie „das nicht minder interessierte Publikum der größten Ordnung, die auch bei den Ansprachen einzelner leidenschaftlich vorgehender Redner nicht gestört wurde“, befleißigten,71 die Bildung eines Soldatenrates. Noch am Abend des 6. November wurde in Schwerin, anders als in Rostock, wo sich lediglich die Warnemünder Matrosen ein politisches Gremium geschaffen hatten, ein Arbeiter- und Soldatenrat gewählt.72 Mit seinen Forderungen trat allerdings auch er nur an die Militärbehörden heran.73 Die noch während der letzten Tage diskutierten
63 MZ, 6. Nov. 1918. Langfeld sah die Ursache des Aufstandes in dem Versuch der Kieler Matrosen, die Revolution durch Abgeordnete „über die einzelnen Garnisonstädte zu verbreiten“. So, vermutete er, „war sie auch nach Schwerin gekommen“. Langfeld: Erinnerungen, S. 383. Friedrich Franz IV. berichtete, dass die Bewegung, die „zunächst nur auf militärischen Beschwerden fußte, bald aber auf das politische Gebiet übergriff“, von „den hiesigen Ersatztruppenteilen“ ausging und „schnell Unterstützung durch die Vertreter der hiesigen Arbeiterschaft“ fand. LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Großherzog an EA, 16. Nov. 1918. Für die Auslösung der Ereignisse in Schwerin vgl. auch Koch: Parlamentarismus, Bd. 2, S. 26, Anm. 5. 64 MN, 6. Nov. 1918; MZ, 6. Nov. 1918. Vgl. auch RoA, 8. Nov. 1918. Gleichwohl wurde das „Knattern der Schüsse“ gehört. MZ, 13. Nov. 1918. 65 LZM, 10. Nov. 1918. 66 LZM, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 8. Nov. 1918; MZ, 6. Nov. 1918. 67 MVZ, 8. Nov. 1918. 68 LZM, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 8. Nov. 1918; MZ, 6. Nov. 1918. 69 MW, 8. Nov. 1918. Vgl. auch LZM, 8. Nov. 1918. 70 MVZ, 8. Nov. 1918. 71 MN, 6. Nov. 1918. Die sozialdemokratische Presse lobte, dass sich „die Polizei [...] nirgends aufgedrängt“ hatte. MVZ, 8. Nov. 1918. 72 Den engeren Ausschuss des Arbeiter- wie auch des Soldatenrats bildeten zehn Personen. Bei den Soldaten wurden je zwei Abgeordnete der 60. und 76. Infanteriebrigade sowie der Fliegerbeobachtungsschule und vier Delegierte der 89. Infanteriebrigade gewählt. Vgl. MZ, 16. Dez. 1918. 73 Vgl. MZ, 6. Nov. 1918. Vgl. auch RoA, 8. Nov. 1918.
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Verfassungsfragen waren erstaunlicherweise in den Hintergrund geraten.74 Dies sollte sich jedoch – zumindest teilweise – nur einen Tag später, am 7. November 1918, ändern. In beiden Städten waren große Versammlungen geplant, auf denen die neu entstandenen politischen Gremien die Anwesenden per Akklamation zur Legiti mation der Ereignisse des Vortages auffordern und ihnen Informationen über ihr künftiges Handeln geben wollten. Kurz zuvor, in der Nacht zum 7. November, war in Güstrow die „Abordnung eines auswärtigen“ – vermutlich des Schweriner – „Soldatenrates“ erschienen und hatte „die Uebergabe der [...] Garnison“ gefordert.75 Nachdem der vorgesetzte Offizier versprochen hatte, sich den Wünschen der Mannschaften zu fügen,76 erfolgte am nächsten Morgen die Bildung eines Soldatenrates.77 Ein Gleiches geschah in Wismar, wo bereits im Laufe des 6. November drei aus Kiel kommende Torpedoboote und das Marineschulschiff „Oron“ in den Hafen eingelaufen waren78 und ein „Automobil mit roten Fahnen und mit Matrosen besetzt die Stadt durcheilt“ hatte.79 Sowohl bei der Konstituierung der Räte als auch bei den einen Tag später, am 8. November, stattfindenden Versammlungen konnte damit in Güstrow und Wismar auf die Erfahrungen in Rostock und Schwerin, wo die Ereignisse zeitgleich und in gewisser Weise isoliert voneinander verlaufen waren, zurückgegriffen werden. Mehr noch, dadurch, dass sich die auf den dort abgehaltenen Volksversammlungen vorgestellten politischen Programme ganz wesentlich voneinander unterschieden, waren die Entscheidungen der nachfolgend entstandenen Räte für oder wider das Schweriner bzw. das Rostocker Modell richtungweisend. An der am 7. November 1918 in Rostock „vor den Tribünen des Rennplatzes“80 bei den Barnstorfer Tannen stattgefundenen Versammlung, zu der der Soldatenrat der Rostocker Garnison aufgerufen hatte,81 nahmen „mehrere tausend Personen“, darunter Soldaten, „Marinemannschaften und Zivilisten“, teil.82 Nachdem der Vorsitzende des Rats, Sergeant Corth,83 darüber informiert hatte, dass der Rostocker Befehlshaber, Oberleutnant Peters, die Stadt innerhalb von 24 Stunden verlasse, forderte er das Gelöbnis ein, in der Stadt Ruhe und Ordnung zu halten. Als Antwort erscholl, so die 74 So hatte die Sozialdemokratie noch am 4. November 1918 zu einer Massenkundgebung aufgerufen, auf der gegen die konservative Verfassungsvorlage protestiert werden sollte. Vgl. MVZ, 6. Nov. 1918. Die für den 6. November 1918 in Rostock geplante Veranstaltung fiel jedoch aufgrund der Ereignisse aus. 75 MN, 8. Nov. 1918. Vgl. auch RoA, 8. Nov. 1918. 76 Vgl. LZM, 9. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 9. Nov. 1918; MVZ, 9. Nov. 1918. 77 Vgl. MN, 11. Nov. 1918; MVZ, 12. Nov. 1918; MW, 12. Nov. 1918; RoA, 12. Nov. 1918. 78 Vgl. RoA, 9. Nov. 1918. 79 MW, 8. Nov. 1918. Darüber hinaus waren aus Sicht der Presse „Unruhen nicht zu melden“. MN, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 9. Nov. 1918; RoA, 8. und 9. Nov. 1918. Insgesamt, so urteilte die „Mecklenburger Warte“, wurde „mit Ruhe und Besonnenheit vorgegangen“. MW, 10. Nov. 1918. 80 MN, 8. Nov. 1918. 81 Vgl. LZM, 9. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 8. Nov. 1918. 82 MN, 8. Nov. 1918. 83 Vgl. MZ, 9. Nov. 1918.
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Landeszeitung, „ein tausendstimmiges ‚Ja‘“.84 Daraufhin wurde das am Abend zuvor verfasste Programm, das im Wesentlichen den Forderungen des Warnemünder Soldatenrates folgte,85 verlesen. Den Inhalt zusammenfassend, betonte dessen Vorsitzender Groß: „Wir wollen keinen Krawall, keinen Umsturz, keine Revolution, sondern nur eine Bekämpfung und Niederzwingung des Übermilitarismus.“86 Dass der Boden einer reinen Heeresreform nicht verlassen werden sollte, verdeutlichten auch die Beschlüsse, „nirgends Fahnen“ zu hissen und, um das eigene Handeln legitimieren zu lassen, beim Kriegsministerium in Berlin einen allgemeinen Befehl zu erwirken, der in allen Garnisonen des Reiches die Bildung von Soldatenräten forderte.87 Noch am gleichen Tag wurden die Arbeiten auf der Neptun-Werft und in der Dolbergschen Maschinenfabrik wieder aufgenommen und Post und Eisenbahn von der über sie verfügten Sperre befreit.88 Der Grund hierfür wie generell für den Verzicht, politische Fragen auf die Tagesordnung zu setzen, lag möglicherweise auch in dem Gerücht, dass Fronttruppen im Anmarsch seien, um die „Bewegung zu stören“.89 Das ausschlaggebende Moment indes ist, wie sich im Vergleich mit den Ereignissen in Schwerin zeigen lässt, woanders zu suchen. In der Residenzstadt wirkte die am 7. November im Konzertsaal des Hoftheaters abgehaltene Versammlung, an der „Abordnungen der Truppenteile und der Arbeiter“ teilnahmen,90 wie ein Fanal. Nachdem die Mitglieder des Arbeiterrats – für die Presse „durchweg unbekannte Namen auswärtiger Personen“91 – vorgestellt und die Soldaten durch den provisorischen Soldatenrat zur Wahl von Vertrauensmännern aufgefordert worden waren,92 wurde ein Zehn-Punkte-Programm verlesen, das in seiner politischen Ausrichtung und Radikalität den Einfluss des Arbeiterrats deutlich erkennen ließ.93 So forderte die Schweriner Versammlung nicht nur die Übertragung der Polizeigewalt und der Zuständigkeit für die Lebensmittelverteilung auf den Arbeiter84 LZM, 9. Nov. 1918. 85 Die einzelnen Programmpunkte lauteten: 1. Wahl einer provisorischen Leitung des Soldatenrats, 2. Wahl einer Kommission zur Regelung des Dienstes, 3. gleiche Kost für alle und Abschaffung der Offiziersküche, 4. „unbedingte Sicherstellung der Front und der Ernährung“, 5. Abschaffung der Grußpflicht, 6. Verbot des Waffentragens außer Dienst, 7. „Freilassung aller Arrestanten, mit einigen Ausnahmen“, 8. Anerkennung des Soldatenrats als Organ bei der Lösung von Streitigkeiten, 9. Befreiung des engeren Ausschusses des Soldatenrats vom Dienst und Überlassung eines Büros in Rostock (Kröpeliner Straße 18), 10. Der Soldatenrat handelt auf Grundlage der Soldatenräte in Kiel und Warnemünde. Ebd. 86 Ebd. Zu den Mitgliedern des Warnemünder Soldatenrats vgl. MVZ, 9. Nov. 1918. 87 LZM, 9. Nov. 1918. 88 Vgl. MN, 8. Nov. 1918; RoA, 8. Nov. 1918. 89 RoA, 8. Nov. 1918. Vgl. dazu auch RoA, 9. Nov. 1918. 90 LZM, 9. Nov. 1918. 91 MZ, 7. Nov. 1918. Für die Mitglieder des Engeren Ausschusses des Arbeiterrats vgl. MVZ, 13. Nov. 1918. 92 MN, 7. Nov. 1918. Für die Namen der Gewählten, unter denen sich auch der spätere Staatsminister Heinrich Dethloff und der spätere Landtagsabgeordnete Hans Fuchs befanden, vgl. MN, 9. Nov. 1918; MZ, 9. Nov. 1918. 93 Dieser grundlegende Unterschied zwischen dem Rostocker und dem Schweriner Programm ist bislang unbekannt geblieben; selbst Peter Hintze, der 1957 einen Aufsatz zum „Charakter“ der
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und Soldatenrat, sondern verpflichtete diesen mit dem letzten Programmpunkt, „nach Möglichkeit alle Wege zum Sozialismus und Kommunismus einzuschlagen“.94 Ganz konkret erhielt das Gremium den Auftrag, „sofort Schritte zu unternehmen, die den Rücktritt der mecklenburgischen Regierung (des jetzigen Ministeriums) zum Ziele haben“ sollten.95 Gleichzeitig wandte sich der Arbeiter- und Soldatenrat mit Aufrufen an die Bevölkerung, der sie die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie das Vorgehen gegen jegliche „Ausschreitungen“ zusicherte. 96 Anders als in Rostock sollte die Arbeit in den Rüstungsbetrieben jedoch erst am folgenden Tag, dem 8. November, wiederaufgenommen werden.97 Bereits am selben Tag fuhren Abgeordnete des Schweriner Soldatenrates „auf einer Lokomotive mit roter Fahne“98 nach Parchim und leiteten in der dortigen Garnison die Wahl eines Soldatenrates ein.99 Innerhalb von nur zwei Tagen waren damit, abgesehen von Ludwigslust, sämtliche Garnisonen und darüber hinaus ein Großteil der in Mecklenburg-Schwerin stationierten Truppen der militärischen Befehlsgewalt entzogen worden.100 Die großherzogliche Regierung hingegen arbeitete nach wie vor an der Verfassungsvorlage für den ständischen Landtag. Allerdings machte der Strelitzer Staatsminister Bossart seinen Schweriner Amtskollegen Langfeld darauf aufmerksam, dass, anders als durch diesen vorgesehen, die Zahl der Abgeordneten der ersten, ständischen Kammer nicht größer sein dürfe als die der zweiten, könne an
Arbeiter- und Soldatenräte Mecklenburgs veröffentlichte, übersah ihn. Vgl. Hintze: Räte in Mecklenburg. 94 LZM, 9. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 8. Nov. 1918; MZ, 7. Nov. 1918. In Bezug auf das Heer wurden, wie auch in Rostock, die Unterstellung der Offiziere unter den Soldatenrat, die Freilassung aller Militär- und Zivilpersonen mit Ausnahme der Schwerverbrecher, gleiches Essen für Offiziere und Mannschaften, eine „auskömmliche Entlohnung und Unterstützung der Kriegerfrauen“ sowie eine „Erleichterung der Urlaubserteilung“ und der „Versetzung in die Heimat“ gefordert. Ebd. 95 MZ, 7. Nov. 1918. 96 LZM, 9. Nov. 1918. Im ersten Aufruf heißt es: „Die Soldaten haben die Führung ihrer Angelegenheiten selbst in die Hand genommen. Die bestehende Ordnung ist dadurch nicht aufgelöst.“ MZ, 7. Nov. 1918; RoA, 9. Nov. 1918. Ein zweiter Appell informierte über die Verhaftung einiger „Uebeltäter [...] darunter auch Soldaten“, die sich „unter Ausnutzung der gestrigen Aufregungen [...] zu Ausschreitungen [haben] hinreißen lassen“. Ebd. 97 Vgl. LZM, 9. Nov. 1918; MZ, 7. Nov. 1918. 98 LZM, 9. Nov. 1918. Nach Angaben der „Landeszeitung“ handelte es sich allerdings um Warnemünder Matrosen. Der Parchimer Korrespondent der „Mecklenburger Nachrichten“ hingegen berichtete von Vertretern des Schweriner Soldatenrats. Vgl. MN, 9. Nov. 1918. 99 Vgl. MN, 9. Nov. 1918; MVZ, 10. Nov. 1918; MW, 12. Nov. 1918; MZ, 9. Nov. 1918. Über die Ereignisse heißt es: Nach einem langen „Umzug durch die Stadt“, der unter „Vorantragen einer roten Fahne nach der Dragonerkaserne“ führte, wurden die auf der dort stattfindenden Versammlung vorgetragenen Forderungen den Offizieren übergeben und eine Versammlung im Hotel Graf Moltke einberufen. Ebd. Vgl. auch Augustin: Parchim, S. 188. Zum Fortgang der Erhebung vgl. MN, 12. Nov. 1918; MVZ, 13. Nov. 1918. 100 Nach Aussage eines Abgeordneten des Schweriner Soldatenrats sollten sowohl die Güstrower Mannschaften als auch die Parchimer Dragoner nach Schwerin „herangezogen“ werden, um die dortige Bewegung „zu unterdrücken“. Nach Verhandlungen mit dem Soldatenrat seien sie jedoch umgekehrt bzw. hätten sich diesem angeschlossen. Vgl. MVZ, 9. Nov. 1918.
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dernfalls doch „der Anschein erweckt“ werden, als solle das „Schwergewicht in die erste Kammer verlegt werden, was unter den jetzigen politischen Verhältnissen“ zu vermeiden sei.101 Am Plan, den Entwurf bis zur Einberufung des Landtages zurückzuhalten, hielt allerdings auch er fest. Aus Sicht des Magistrats der Stadt Schwerin indes würde, da die Bevölkerung „mit verdoppelter Ungeduld und gewaltigem Ungestüm die endliche Erfüllung ihres Wunsches“ erwarte, „jeder Tag des Zögerns die Bewegung in unaufhaltsam revolutionäre Bahnen reißen“, während „jeder Tag früheren entgegenkommenden Handelns die Bewegung in den Bahnen der Ordnung erhalten“ könne. Dem daraufhin gestellten Antrag, „sofort einen außerordentlichen Landtag einzuberufen“,102 der allein über die Zusammensetzung eines neuen Landtages beschließen sollte,103 schloss sich wenig später auch die Stadt Rostock104 und mit deren Bürgermeister Adolf Becker auch eines der neun Mitglieder des Engeren Ausschusses, dem höchsten Gremium der mecklenburgischen Ritter- und Landschaft, an.105 Unterstützung erhielt der Vorschlag zudem seitens der mecklenburgischen Sozialdemokratie, die jedoch verlangte, dass der Landtag „in längstens zweimal 24 Stunden“ die Einführung des Einkammersystems und des demokratischen Wahlrechts beschließen und „den alten Ständetag [...] begraben“ müsse.106 Die Fortschrittliche Volkspartei hingegen setzte, durch den Parteikollegen und Vizekanzler Friedrich von Payer protegiert, auf direkte Verhandlungen mit dem Großherzog. Noch am Nachmittag des 7. November war der mecklenburgische Reichstagsabgeordnete Sivkovich zum Beauftragten der Reichsregierung ernannt worden und gemeinsam mit seinem Kollegen Hugo Wendorff nach Schwerin abgereist.107
2.3 Abdankung des Großherzogs und Aufhebung der Stände Die entscheidende Voraussetzung für den am 8. November eingeleiteten „Verfassungswandel“ war nicht die große Nähe zwischen Regierung und Herrscherhaus, sondern der in den ersten Tagen der noch zwischen einem militärinternen und einem politisch diffusen Protest pendelnden Streik- und Ausstandsbewegung deutlich gewordene revolutionäre Anspruch der Schweriner Arbeiter- und Soldatenräte.108 Der historische Tag begann um neun Uhr mit einer Versammlung der Schweriner Garnisonstruppen vor dem Kriegerdenkmal am Alten Garten. Von dort zogen sie und „zahlreiche Zivilpersonen, größtenteils Arbeiter“,109 vor das Regierungsgebäude, 101 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 215: Bossart an Langfeld, 7. Nov. 1918. 102 Ebd., Bl. 213–214: Bürgermeister und Rat der Stadt Schwerin an StM, 7. Nov. 1918 (Hervorhebung im Original). 103 Vgl. LZM, 10. Nov. 1918; MZ, 9. Nov. 1918. 104 Vgl. RoA, 9. Nov. 1918. 105 Vgl. Staatskalender, 1917, T. 1, S. 570. 106 MVZ, 9. Nov. 1918. 107 Vgl. RoA, 9. Nov. 1918. Vgl. auch LZM, 9. und 15. Nov. 1918. 108 LZM, 10. Nov. 1918; MZ, 9. Nov. 1918. 109 LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Bericht Langfeld, 8. Nov. 1918.
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wo sie die Einführung eines Einkammersystems und des demokratischen Wahlrechts forderten.110 Darüber hinaus verlangten sie ein Gespräch der Regierung mit einer „Deputation des Arbeiter- und Soldatenrates“. Während der wenig später geführten Verhandlungen, an denen sämtliche Minister und die drei Ministerialdirektoren teilnahmen, forderte der stellvertretende Soldatenratsvorsitzende, der Gewerkschafter und spätere Finanzminister Heinrich Dethloff, die sofortige Einführung des parlamentarischen Systems und die Zustimmung des Arbeiter- und Soldatenrates zu allen Erlassen der Regierung. Unterstützung erhielt er dabei durch den Vertreter des Arbeiterrats, Wilhelm Haller, und die hinzugekommenen Reichstagsabgeordneten Hugo Wendorff und Hans Sivkovich. Das Staatsministerium indes wollte lediglich die beiden Parlamentarier „bei etwaigen hier ausbrechenden Streikunruhen [...] vermitteln“ lassen und erklärte sich ansonsten, auf eine fehlende Legitimation durch den Großherzog verweisend, für nicht zuständig.111 Den bereits gefassten Beschluss sich zu vertagen, hob jedoch nur wenig später das Erscheinen des Großherzogs Friedrich Franz IV. auf. Noch bevor er mit seinen Ministern zusammentraf, wandte er sich vom Balkon des Regierungsgebäudes an die draußen versammelte Menge und erklärte, die „Wünsche der Soldaten“ entgegennehmen und, „soweit es im Bereich der Möglichkeit liege“, erfüllen zu wollen. Gleichzeitig mahnte er, darauf hinweisend, dass die „Heimatfront“ den kämpfenden Soldaten „nun, wo es sich bis zum Waffenstillstand vielleicht nur noch um Stunden“ handele, nicht „unbesonnen in den Arm“ fallen dürfe, zu Ruhe und Ordnung. In Bezug auf die Verfassungsfrage schließlich verlangte er Zeit, um nicht nur die Forderungen „der in der Garnison Schwerin befindlichen Mecklenburger“, sondern auch „die Wünsche aus anderen Städten und Orten zu hören“.112 Die daraufhin nach Aussage der Presse zu vernehmenden „Beifallsäußerungen“113 erntete Friedrich Franz IV. wohl weniger für die erneute Vertröstung als vielmehr für die Gesprächsbereitschaft. Den offiziellen Beginn der Verhandlungen verkündete Friedrich Franz IV. wiederum persönlich nach einer kurzen Besprechung mit dem Staatsministerium in der großen „offenen Säulenhalle des Regierungsgebäudes“.114 Eingeleitet wurde die Beratung durch die „Entgegennahme der Entschließung des Großherzogs im Sitzungssaale des Staatsministeriums“.115 Dieser folgend beschlossen die Beteiligten den Rücktritt des Ministeriums Langfeld,116 die Bildung eines provisorischen Ministeriums, in dem sämtliche der „Mecklenburg angehörigen Parteien der ‚Linken‘ des Reichstags“ ver110 Vgl. LZM, 10. Nov. 1918; MW, 10. Nov. 1918. 111 LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Bericht Langfeld, 8. Nov. 1918. Vgl. dazu auch Langfeld: Erinnerungen, S. 384–385. 112 MN, 8. Nov. 1918. Vgl. auch MZ, 8. Nov. 1918. 113 LZM, 10. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 10. Nov. 1918. 114 LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Bericht Langfeld, 8. Nov. 1918. 115 MW, 10. Nov. 1918. Für die Erklärung des Großherzogs vgl. LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Bericht Langfeld, 8. Nov. 1918. Vgl. auch Langfeld: Erinnerungen, S. 389. 116 Die Entlassung erfolgte auf eigenen Wunsch und, so Langfeld, zum Bedauern des Großherzogs. Vgl. ebd. Fuchs, Mitglied des Soldatenrats und ab 1919 Landtagsabgeordneter der USPD, hingegen berichtete, Friedrich Franz IV. hätte der Entlassung mit den Worten zugestimmt: „Ich bin von meinem Ministerium belogen und betrogen. Ich wußte nicht, daß die Stimmung des Volkes
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treten sein sollten,117 und die Einführung einer auf den Grundsätzen des parlamentarischen Systems beruhenden Verfassung.118 Die Aufhebung des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs und die Auflösung der Stände als öffentlich-rechtliche Korporation hingegen wollte man dem Großherzog überlassen, da er einerseits auf Grund des ihm im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich zugesprochenen absoluten Gesetzgebungsrechts hierzu befugt war,119 andererseits dadurch „eine gewisse Legalität beim Übergang von einem System in das andere“ gewahrt werden konnte.120 Bereits am nächsten Tag, dem 9. November, ernannte Friedrich Franz IV. das sogenannte Volksministerium,121 das Sivkovich, auf Vorschläge des Schweriner Arbeiter- und Soldatenrats zurückgreifend, aus Vertretern der Fortschrittlichen Volks partei, der Sozialdemokratie und der beiden Räte gebildet hatte122 und das sich damit quasi „auf mehr als zwei Drittel der bei den Reichstagswahlen 1912“ abgegebenen Stimmen stützte.123 Dass die Konstituierung der Regierung erfolgte, obwohl die Verhandlungen über eine Beteiligung sowohl der Nationalliberalen Partei als auch der Unabhängigen Sozialdemokratie noch nicht abgeschlossen waren,124 mag verwundern, verdeutlicht jedoch nur den Druck, unter den sich die Akteure gesetzt sahen. Um die Bevölkerung über den politischen Wechsel und die geplanten Maßnahmen zur Demokratisierung des Landes zu informieren, fanden am 10. November 1918 in Rostock und Schwerin Volksversammlungen statt. Im „Bühnenraum, wie auch im Konzertsaal des Hoftheaters“ Schwerin stellten sich die neuen Minister, mit
so war, ich bin nicht aufgeklärt worden.“ MN, 31. Dez. 1918. Diese Darstellung erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich. 117 LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Bericht Langfeld, 8. Nov. 1918. Gemeint waren die Nationalliberale Partei, die Fortschrittliche Volkspartei, die Sozialdemokratische Partei und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei. 118 Vgl. Allerhöchster Erlaß vom 8. November 1918, betreffend Einführung einer auf den Grundsätzen des parlamentarischen Systems beruhenden Landesverfassung, in: Rbl. Nr. 194, 9. Nov. 1918, S. 1491. Für den Entwurf vgl. LHAS, 5.12-1/1, Nr. 457, Bl. 239. Zur Bekanntgabe in der Presse vgl. etwa MN, 9. Nov. 1918; RoA, 10. Nov. 1918. 119 Vgl. dazu Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 43 und S. 135. 120 Heck: Landtag, S. 89. Die rechtliche Dimension und symbolische Bedeutung ignorierend, bezeichnet Lothar Machtan die Einbindung des Großherzogs völlig zu Unrecht als „Polittheater“. Machtan: Abdankung, S. 347. 121 Vgl. Bekanntmachung vom 9. November 1918, in: Rbl. Nr. 195, 12. Nov. 1918, S. 1493. Vgl. dazu auch Bekanntmachung vom 11. November 1918, in: ebd., S. 1493–1494. 122 Vgl. LZM, 10. Nov. 1918; MN, 9. und 11. Nov. 1918; LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Bericht Langfeld, 8. Nov. 1918. Der ursprüngliche Beschluss, insgesamt zwölf kommissarische Staatsräte zu ernennen, die paritätisch von „den Abgeordneten und den Vorsitzenden der einheimischen Parteiorganisation“ gewählt werden sollten, war damit hinfällig geworden. Der Vorschlag Sivkovichs auf „Zuziehung einer beschränkten Anzahl berufsständischer Abgeordneter“ war bereits während der Verhandlungen am 8. November 1918 abgelehnt worden. Vgl. ebd. Vgl. auch MVZ, 10. Nov. 1918. 123 LZM, 15. Nov. 1918. 124 Vgl. MVZ, 11. Nov. 1918. Die Nationalliberalen hatten sich, nachdem ihnen seitens der anderen Parteien „ganz präzise Forderungen vorgelegt“ worden waren, Bedenkzeit auserbeten. RoA, 12. Nov. 1918.
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Ausnahme Starossons, der in Rostock sprach, der Bevölkerung vor. Als erster Redner dankte der zum Vorsitzenden des Volksministeriums bestimmte Reichstagsabgeordnete Wendorff „dem Großherzog, daß er sich in diesen Kampf“ für eine Neuordnung der politischen Verhältnisse „hineingestellt“ hatte und betonte, eine mecklenburgische Nationalversammlung ankündigend, dass das Volksministerium „nichts anderes sein“ wolle „als Platzhalter, als Türöffner für die neue Zeit“.125 Als nächstes trat der gebürtige Schweriner Heinrich Erdmann, der seit 1887 Mitglied der SPD war und als Vertreter des Arbeiterrats im Ministerium saß, auf. Seine Nominierung sollte als Zeichen dafür, „daß hier in Schwerin, in Mecklenburg [...] nicht die Revolution von draußen hereingetragen [...], sondern von drinnen entstanden ist“, verstanden werden.126 Anschließend sicherte der ins Volksministerium berufene Delegierte des Soldatenrats Dethloff die Unterstützung des Militärs bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu. Als letzter Redner betrat Sivkovich die Bühne. Er dankte „in erster Linie“ den Schweriner Soldaten, „die durch ihr entschlossenes Vorgehen eine schnelle Entscheidung der Verfassungsfrage im Geiste der neuen Zeit erzwungen“ hätten, und dies „geordnet, ruhig, von jeder Ausschreitung und von jedem Lärm frei“.127 Den großherzoglichen Erlass vom 8. November als „Sterbeurkunde des alten ständischen Mecklenburg“ bezeichnend,128 kündigte er neben der Konstituante auch die Durchführung von kommunalen Wahlen auf der Grundlage des unmittelbaren und geheimen Wahlrechts an.129 Gleichzeitig sicherte Sivkovich jedoch den Beamten des Staates und der Gemeinden ein Verbleiben im Amte zu.130 Die gewährte Sicherheit allerdings stand in Widerspruch mit der durch die Ankündigung der Wahlen indirekt bekanntgegebenen Umwandlung der Magistrats- und Schulzenstellen von lebenslänglichen Leitungsfunktionen zu Wahlämtern. Tatsächlich sollten sich aus diesem Gegensatz, wie noch zu zeigen sein wird, Probleme ergeben, die nicht nur zu Rechtsstreitigkeiten, sondern auch zu Protest- und Streikbewegungen führten.131 Im Anschluss an die Schweriner Versammlung ordnete der dortige Soldatenrat, der beteuerte, dass es ihm „völlig“ fernliege, „ein Schreckensregiment über die Zivil-
125 MN, 11. Nov. 1918. 126 Erdmann wurde erst, nachdem seine Mitgliedschaft in der Regierung, die ganz offensichtlich nur aus Mecklenburgern bestehen sollte, beschlossen worden war, in den Arbeiterrat aufgenommen. Für ihn musste ein anderes Mitglied austreten. Seine offizielle Wahl erfolgte am 10. November 1918. Vgl. ebd. 127 LZM, 15. Nov. 1918; MZ, 13. Nov. 1918. Vgl. auch RoA, 15. Nov. 1918. 128 MZ, 13. Nov. 1918; RoA, 15. Nov. 1918. Weiter heißt es dort: „Der 8. November 1918 wird immer einer der wichtigsten Tage der mecklenburgischen Geschichte blieben. An ihm ist dank dem Eingreifen des mecklenburgischen Volks der alte Ständestaat zu Grabe getragen und der Grund zu der neuen freiheitlichen Entwicklung Mecklenburgs gelegt worden.“ Ebd. Ein Vertreter des Warnemünder Soldatenrats hatte am Vortag den 6. November als Gedenktag der mecklenburgischen Revolution vorgeschlagen. Vgl. RoA, 10. Nov. 1918. 129 Vgl. LZM, 15. Nov. 1918. 130 Vgl. MN, 11. Nov. 1918. Zur Umsetzung vgl. Bekanntmachung vom 13. November 1918, betreffend die Beamten, in: Rbl. Nr. 198, 15. Nov. 1918, S. 1501. 131 Vgl. dazu Kap. 4.2, S. 111–112 sowie Kap. 5.3.2.2.
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bevölkerung“ zu errichten,132 eine allgemeine Waffenabgabe an133 und unterstützte damit den durch das Volksministerium gewagten „Balanceakt zwischen Revolution und Evolution“.134 Begünstigt wurde dieser Versuch durch den am folgenden Tag, dem 11. November, bekanntgegebenen Eintritt der Nationalliberalen Partei in die Regierung.135 Mit der Ernennung des Ministerialbeamten Friedrich Stratmann136 wurde nämlich nicht nur die in diesem Zusammenhang auf der Rostocker Versammlung gegebene Erklärung des Staatsministers Starosson, „selbstredend keinen Konservativen“ aufzunehmen,137 dementiert, sondern zugleich die großherzogliche Verwaltung in den Transformationsprozess einbezogen und das Schicksal der Monarchie, für deren Erhalt, freilich im Rahmen einer konstitutionellen Bindung, die Nationalliberalen eintraten, offen gelassen. Gerade mit dieser Entscheidung war jedoch auch der Verzicht auf eine Regierungsbeteiligung der USPD, deren Vertreter Joseph Herzfeld allerdings schon am Vortag die in Rostock durch Starosson ausgesprochene Einladung „für sich und für die unabhängige sozialdemokratische Partei“ abgelehnt hatte,138 verbunden. Dass das Volksministerium bereit und gewillt war, ohne den Großherzog zu regieren, zeigt die am 11. November ohne dessen ausdrückliche Zustimmung erfolgte Abkündigung des ständischen Landtags139 sowie das einen Tag darauf an den Engeren Ausschuss der Ritter- und Landschaft adressierte Schreiben, in dem es mitteilte, dass die „Landstände und ständischen Kooperationen [...] durch die Entwicklung der politischen Verhältnisse beseitigt“ seien und „das neuernannte Staatsministerium [...] die Leitung des Bundesstaats Mecklenburg“ übernehme. Sämtliche Behörden, „bei deren Verwaltung die Landstände bisher mitgewirkt haben“, sollten zwar „einstweilen in bisheriger Weise bei Bestand und in Tätigkeit“ bleiben, „jedoch allein dem bisher zuständigen Ministerium“ unterstehen. Zur Durchsetzung der politischen Ent machtung des Engeren Ausschusses wurde zudem die Übertragung der „Verwaltung des Landkastens und der übrigen ständischen Kassen“ an das Finanzministerium bekanntgegeben.140 Mit dieser Erklärung und dem einen Tag später im Rostocker Ständehaus geleisteten Eid der ritter- und landschaftlichen Beamten, „die Geschäfte [...] unter Verantwortlichkeit gegenüber dem Staatsministerium getreulich weiterzufüh-
132 MZ, 11. Nov. 1918. 133 Vgl. MVZ, 13. Nov. 1918; MZ, 11. Nov. 1918. 134 Heck: Landtag, S. 89. Bereits am Abend war in Schwerin nach Angaben der Presse „das private Leben [...] in seine altgewohnten Bahnen zurückgekehrt“. MZ, 13. Nov. 1918. 135 Vgl. Bekanntmachung vom 11. November 1918, in: Rbl. Nr. 195, 12. Nov. 1918, S. 1493– 1494. Vgl. auch MZ, 11. Nov. 1918. 136 Stratmann war Ministerialrat im Ministerium der Finanzen und bis dato Vorsitzender der Landesbehörde für Volksernährung. Vgl. Staatskalender, 1918, T. 1, S. 77 und S. 565. 137 MVZ, 11. Nov. 1918. 138 LZM, 16. Nov. 1918; MN, 11. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 15. Nov. 1918; MW, 17. Nov. 1918. Vgl. ferner Müller u. a.: SPD in Mecklenburg und Vorpommern, S. 85–86. 139 Vgl. Bekanntmachung vom 11. November 1918, betreffend Zurücknahme der Einberufung des Landtages zum 25. d. Mts., in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 68, 13. Nov. 1918, S. 349. 140 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 221, Bl. 1: StM an EA, 12. Nov. 1918.
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ren“,141 waren zwar die Stände nicht aufgelöst, jedoch der „ständisch-monarchische [...] Machtdualismus“142 beendet und damit eine wesentliche Voraussetzung für den Übergang vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat zum modernen institutionalisierten Flächenstaat geschaffen worden.143 Nach außen sichtbar wurde dieser historische Akt durch die Abordnung eines Doppelpostens. Die „zum Schutze der im Ständehaus untergebrachten Landeskassen“ abgestellten Soldaten144 verdeutlichten darüber hinaus die bestehenden Befürchtungen vor einer reaktionären Verschwörung145 und markierten gleichzeitig einen entscheidenden Wechsel in der Politik des Volksministeriums. Wider die am 8. November mit Friedrich Franz IV. getroffene Vereinbarung handelnd, hatte es einem entsprechenden Erlass des Großherzogs vorgegriffen und ihm damit die Chance, im Prozess der Staatsumwälzung als Autorität und Partner auftreten zu können, genommen. Einen Alleingang stellte ebenfalls die fast zeitgleich erfolgte Beschlagnahme des Domanialkapitalfonds146 und der klösterlichen Kassen in Dobbertin, Malchow, Ribnitz und Rostock dar, die, so Sivkovich, das „finanzielle Rückgrat des neuen mecklenburgischen Staates bilden“ sollten.147 Der nur einen Tag zuvor, am 12. November, durch Friedrich Franz IV. geäußerte Wunsch, bei der Vorbereitung und Durchführung des „Volksstaates [...] im Rahmen der Rechte mitzuarbeiten, welche dem Fürsten im parlamentarisch verwalteten Staate zustehen“, blieb damit unerfüllt. Der Grund dafür lag wohl auch in der gleichzeitig erfolgten Erklärung, auf die fürstliche Steuerfreiheit und den Thron von Mecklenburg-Strelitz verzichten zu wollen, was die Frage nach der Notwendigkeit eines Großherzogs für Mecklenburg-Schwerin provozierte.148 Unter dem Eindruck der Besetzung des Ständehauses und der bereits im Reich vollzogenen Entwicklung for141 Ebd., Bl. 2: Eidformel mit Unterschriften, 13. Nov. 1918. Für Namen und Funktion der ritterund landschaftlichen Beamten vgl. auch Staatskalender, 1918, S. 588. Zu den Unterzeichnern gehörte auch der ritterschaftliche Syndikus, der Geheime Justizrat Eduard Dahlmann. 142 Buchsteiner: Mecklenburg, S. 21. 143 Zur Begrifflichkeit vgl. grundlegend Mitteis: Verfassungsgeschichte. 144 MVZ, 16. Nov. 1918. Vgl. auch MZ, 15. Nov. 1918; RoA, 15. Nov. 1918. Zur Begründung der Aktion durch Sivkovich vgl. auch LZM, 22. Nov. 1918; MN, 19. Nov. 1918. 145 Die Furcht vor einer möglichen Reorganisation der Stände bestand noch im Oktober 1919. Das damals umlaufende Gerücht, „einzelne Mitglieder“ der Ritterschaft hätten den Leiter der Geschäftsstelle Rostock, den ehemaligen Landessyndikus Rudolf Tiedemann, „unter der Hand“ gebeten, ihnen Räume im Ständehaus zur Verfügung zu stellen, um dort einen Konvent abhalten zu können, erwies sich jedoch als haltlos. LHAS, 5.12-1/1, Nr. 221, Bl. 7: Tiedemann an StM, 30. Sept. 1919. 146 Vgl. Bekanntmachung vom 12. November 1918, betreffend Verwaltung des Domanialkapitalfonds, in: Rbl. Nr. 197, 14. Nov. 1918, S. 1499. Zur Bedeutung des die Kauf- und Ablösegelder des vererbpachteten großherzoglichen Besitzes verwaltenden Fonds vgl. Balck: Domanial-Capital-Fonds. Vgl. auch Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 51. 147 LZM, 22. Nov. 1918. Bekanntmachung vom 18. November 1918, betreffend die Landesklöster, in: Rbl. Nr. 205, 22. Nov. 1918, S. 1525–1526; Bekanntmachung vom 11. Februar 1919, betreffend das Kloster zum Heiligen Kreuz in Rostock, in: Rbl. Nr. 34, 14. Feb. 1919, S. 180. Vgl. auch MN, 19. Nov. 1918; MZ, 19. Nov. 1918. 148 MN, 13. Nov. 1918. Nach Aussage Langfelds war die Rede vom Volksministerium „diktiert“ worden. Langfeld: Erinnerungen, S. 391. Belege für die Behauptung ließen sich in den Akten jedoch nicht finden.
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derten am 13. November sowohl der Schweriner als auch der Rostocker Arbeiterund Soldatenrat die Ausrufung der Republik.149 Nur einen Tag später unterzeichnete Friedrich Franz IV. die ihm vom Volksministerium vorgelegte Verzichtserklärung.150 Obgleich „seit Tagen mit dieser Tatsache zu rechnen“ gewesen war, wirkte die Nachricht der Abdankung gerade vor dem Hintergrund der nur einen Tag zuvor abgegebenen Erklärung des Großherzogs, die „in vielen Kreisen anderen Vermutungen Raum“ gegeben hatte, überraschend.151 Wenn auch die „ernste Absicht“ des Großherzogs, „sein Mecklenburg einer gesicherten, freiheitlichen Entwicklung entgegenzuführen“,152 bezweifelt werden kann – es fehlte bis zum Schluss die Bereitschaft, die Stände kraft eigenen Rechts zu entmachten –,153 so war er doch eine wichtige Integrationsfigur. Die Zustimmung zum Thronverzicht verweigernd, trat die Nationalliberale Partei noch am selben Tag aus der Regierung aus.154 Damit war nicht nur der Balanceakt, sondern, nach knapp 72 Stunden, auch die Idee einer breiten Koalition gescheitert. Dass, anders als vielleicht zu erwarten, größere Proteste ausblieben,155 lag wohl nicht nur an den verän149 Vgl. MN, 13. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 14. Nov. 1918; MW, 14. Nov. 1918; MZ, 13. Nov. 1918. 150 Vgl. Bekanntmachung vom 21. November 1918, betreffend den Thronverzicht des Großherzogs, in: Rbl. Nr. 206, 23. Nov. 1918, S. 1527. Nach Aussage Friedrich Franz IV. sah sich das Volksministerium zur Vorlage gezwungen, da mit „Generalstreik“ gedroht und die „Gefahr blutiger Unruhen“ beschworen wurde. Weiter behauptete er, nicht nur der nationalliberale Stratmann, sondern auch Sivkovich habe einer Abdankung „dringend“ widerraten. LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Friedrich Franz IV. an Bossart, 22. Nov. 1918. Vgl. auch ebd.: Friedrich Franz IV. an Rantzau, 28. Dez. 1918. Entsprechende Äußerungen Sivkovichs sind in den Akten jedoch nicht überliefert. Später suchte Friedrich Franz IV. den „Verzicht“, der – was in konservativen Kreisen „aufs schmerzlichste“ bedauert wurde – allein dem Begriff nach den Anschein einer gewissen Freiwilligkeit vermittelte, in eine durch die „Waffengewalt ungesetzlicher Körperschaften“ erzwungene Absetzung umzudeuten, die rechtlich nicht bindend sei. Ebd.: Friedrich Franz IV. an Rantzau, 28. Dez. 1918. Vgl. auch ebd.: Friedrich Franz IV. an Bossart, 22. Nov. 1918; MW, 16. Nov. 1918. Zu den bis in die 1930er Jahren erhobenen Ansprüchen des Großherzogs auf den Thron vgl. Kasten: Friedrich Franz IV., S. 273 und S. 283–285. Heinz Koch urteilt ähnlich: „Der Großherzog ‚verzichtete‘ [...] nicht auf seinen Thron, sondern der Thron wurde umgestürzt“, fügt jedoch hinzu: „Mit dieser Maßnahme traten die Arbeiter- und Soldatenräte ein weiteres Mal als legislatives Machtorgan in Erscheinung“. Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 47. Eine vermittelnde Einschätzung liefert Hans Bernitt. Er schreibt, der Großherzog habe sich im November 1918 „bequemt“, den Thron zu verlassen. Bernitt: Mecklenburg, S. 281. 151 RoA, 15. Nov. 1918. 152 LHAS, 5.2–1, Nr. 533: Friedrich Franz IV. an EA, 16. Nov. 1918; MZ, 14. Nov. 1918. 153 Vgl. dazu auch Kasten: Friedrich Franz IV., S. 264. 154 Vgl. Rücktritt des Staatsministers Dr. Stratmann, in: Rbl. Nr. 199, 16. Nov. 1918, S. 1503. Ob einer fehlenden Mitteilung wurde – mit Ausnahme des „Rostocker Anzeigers“ – in der Presse allerdings keine Verbindung zwischen der Abdankung des Großherzogs und dem Rücktritt Stratmanns hergestellt. Vgl. RoA, 16. Nov. 1918. Stratmanns „Ersetzung durch einen Vertrauensmann der nationalliberalen Partei“ sollte, so die Nationalliberale Partei, „nicht in Frage“ kommen. MN, 16. Nov. 1918; MZ, 16. Nov. 1918. 155 Selbst in der Presse fand sich lediglich ein Appell, der vom Rittergutsbesitzer Helmold von Plessen stammte und dazu aufrief, die „außerhalb von Recht und Gesetz“ stehende Regierung zu boykottieren. MN, 23. Nov. 1918.
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derten Machtverhältnissen, sondern auch an der Bitte des Monarchen, die mit dem Thronverzicht von ihrem Eid entbundenen Beamten156 mögen „im Amte [...] verbleiben und ihre Dienste der Volksregierung zum Besten von Volk und Vaterland weiterhin zur Verfügung [...] stellen“.157 Ein letztes Mal nahm Friedrich Franz IV. damit die ihm anfänglich zugedachte Aufgabe wahr, ausgleichend zwischen den Vertretern des alten und des neuen Systems zu wirken.158 Knapp drei Wochen später, am 3. Dezember 1918, hob die Volksregierung die Stände „als Körperschaften des öffentlichen Rechts“ auf.159 Die Abwicklung der Behörden des Engeren Ausschusses, die dem höchsten ritter- und landschaftlichen Beamten, dem Landessyndikus Rudolf Tiedemann, übertragen worden war, dauerte indes bis zum Frühjahr 1921.160 Die zur Wahrnahme der korporativen Angelegenheiten der Stände gegründeten Körperschaften privaten Rechts, wie die städtische und ritterschaftliche Brandversicherungsgesellschaft, die Ratswitwenkasse und der Ritterschaftliche Kreditverein wurden allerdings nicht aufgelöst.161 Als Relikt der ständischen Organisation bestanden darüber hinaus auch einzelne Verwaltungsbegriffe wie „Rittergut“ oder „Rittergutsbesitzer“ fort. Von ihrem ursprünglichen Inhalt längst befreit, wurde ihr Gebrauch im amtlichen Dienstverkehr erst 1926 auf Initiative der aus SPD und DDP gebildeten Regierung untersagt.162 Durch die radikale Umgestaltung des politischen Systems Mecklenburg-Schwerins, deren entscheidende Höhepunkte die Ernennung des Volksministeriums, die
156 Vgl. Erlaß vom 14. November 1918 an alle Beamten, in: Rbl. Nr. 199, 16. Nov. 1918, S. 1502. 157 Bekanntmachung vom 21. November 1918, betreffend den Thronverzicht des Großherzogs, in: Rbl. Nr. 206, 23. Nov. 1918, S. 1527. 158 Bereits wenige Stunden nach Bekanntgabe des Erlasses schlossen sich die unteren und mittleren Regierungsbeamten im Verein mecklenburgischer Regierungsbeamter zusammen und erklärten, „vollständig auf dem Programm des neuen Volksstaates“ zu stehen und „an der Neuordnung der wirtschaftspolitischen Verhältnisse mitarbeiten“ zu wollen. MN, 15. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 26. Nov. 1918; Bieber: Bürgerräte, S. 144. 159 Vgl. Bekanntmachung vom 3. Dezember 1918, betreffend Aufhebung der Stände, in: Rbl. Nr. 215, 5. Dez. 1918, S. 1581–1582. 160 Vgl. Bekanntmachung vom 10. Februar 1921, betreffend Aufhebung des Ministeriums, Abteilung Rostock, des Landkastens und der Schuldentilgungskasse zu Rostock, in: Rbl. Nr. 35, 28. Feb. 1921, S. 337–338. 161 Vgl. Bekanntmachung vom 3. Dezember 1918, betreffend Aufhebung der Stände, in: Rbl. Nr. 215, 5. Dez. 1918, S. 1581–1582. Voraussetzung des Fortbestands war jedoch eine Satzungsänderung und die Änderung des Korporationsnamens. Da keine Frist gesetzt wurde, konnte sich die Umbenennung, die beim Ritterschaftlichen Kreditverein erst 1943 erfolgte, allerdings hinziehen. Vgl. Bekanntmachung vom 11. Oktober 1943 über Übergangsbestimmungen zur Satzung der Mecklenburgischen Landschaft, in: Rbl. Nr. 36, 19. Okt. 1943, S. 207. Für die Satzungsänderungen vgl. Bekanntmachung vom 19. November 1921, betreffend Änderung der Satzung des mecklenburgischen ritterschaftlichen Kreditvereins, in: Rbl. Nr. 124, 1. Dez. 1921, S. 995–996. Bekanntmachung vom 9. Juli 1943, über Änderung der Satzung des mecklenburgischen Ritterschaftlichen Kreditvereins, in: Rbl. Nr. 26, 21. Juli 1943, S. 151–171. 162 Bekanntmachung vom 30. November 1926 über Formen des Geschäftsverkehrs, in: Rbl. Nr. 75, 10. Dez. 1926, S. 567.
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Abdankung des Großherzogs und die Auflösung der Stände darstellten, war der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich, der über mehr als 150 Jahre gegen liberale und demokratische Reformen verteidigt werden konnte, innerhalb nur eines Monats, wie Sivkovich auf der Schweriner Volksversammlung vom 10. November 1918 formulierte, „zerrissen“ worden.163 Um die neu geschaffenen politischen Verhältnisse zu stabilisieren, mussten sowohl die öffentliche Sicherheit als auch die Energie- und Lebensmittelversorgung aufrechterhalten werden. Da in Mecklenburg-Schwerin eine umfassende staatliche Verwaltung nur im Domanium existierte, bestand die vordringlichste Aufgabe dabei in der Schaffung kommunaler Strukturen, die insbesondere die das Gebiet der Ritterschaft kennzeichnende geringe institutionelle Ausstattung zu überwinden hatte. Die entscheidende Voraussetzung dafür bildete die Auflösung der auf den ritterschaftlichen Gütern bestehenden Einheit von Wirtschaftsbetrieb und politischer Verwaltung, die, wie erwähnt, auf patrimonialen Rechten beruhte und den jeweiligen Eigentümer zur staatlichen Obrigkeit werden ließ. Da sich diese Personalunion gerade mit Blick auf die während des Krieges staatlich zentralisierte Lebensmittelversorgung zunehmend als problematisch erwiesen hatte, drängte, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, insbesondere die städtische Bevölkerung auf eine Absetzung der Gutsbesitzer als Vorsteher der lokalen Behörden. Die Frage, in welchem Umfang die Entmachtung erfolgen solle und wer die entsprechenden Aufgaben zu übernehmen habe, wurde durch das Volksministerium jedoch nicht diskutiert. Sie blieb zunächst der Initiative sowohl der Landeszentrale für Volksernährung und ihren lokalen Behörden als auch der sich in den Städten gründenden Arbeiter- und Soldatenräte überlassen.
2.4 Gründung, Etablierung und Auflösung der Rätebewegung 2.4.1 Arbeiter- und Soldatenräte Während sich in Schwerin Arbeiter- und Soldatenrat fast gleichzeitig gründeten, erfolgte in den anderen Garnisonsstädten die Wahl der Arbeiterräte mit einiger Verzögerung. In ihrer Programmatik unterschieden aber auch sie sich. In Wismar etwa forderte der am 7. November 1918 im Gewerkschaftshaus gewählte Arbeiterrat, ähnlich dem Schweriner Gremium, die Übernahme der Lebensmittelverteilung und der Polizeigewalt.164 Die wenig später, wie in den beiden anderen Städten auch, auf
163 LZM, 13. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 12. Nov. 1918. 164 Vgl. MN, 9. Nov. 1918; MVZ, 10. Nov. 1918; MW, 10. Nov. 1918. Darüber hinaus trat der Arbeiterrat für die Einführung des 8-Stunden-Tages, eine bessere Entlohnung und die „Beseitigung unbeliebter Vorgesetzter“ ein. Die restlichen der neun Forderungen des Soldatenrats beschäftigten sich mit militärpolitischen Fragen. Orientiert hatte sich der Arbeiter- und Soldatenrat nach eigener Aussage an den Grundsätzen der Kieler Matrosen. Vgl. auch MN, 9. Nov. 1918; MVZ, 10. Nov. 1918; MW, 10. Nov. 1918; MZ, 13. Nov. 1918.
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Initiative der Soldatenräte gegründeten Arbeiterräte in Güstrow, Parchim und Rostock hingegen beschränkten sich auf die Unterstützung der militärpolitischen Appelle und suchten, ihre Mithilfe bei der Ernährungssicherung anbietend, die Anerkennung der städtischen Obrigkeit.165 Von den Garnisonsstädten ausgehend entstanden kurz darauf Arbeiter- und Soldatenräte in Boizenburg und Neustadt.166 Neben der Demobilisierung sorgte in den meisten Städten die zum Teil katas trophale Lebensmittelversorgung für eine Kooperation der Verwaltung mit den neu geschaffenen Gremien, die, eigenes Recht schaffend, gegen die Unterschlagung von Lebensmitteln vorgingen.167 Zu den Maßnahmen zählte zum einen die Besetzung der Bahnhöfe, die, wie in Parchim, Rostock und Schwerin, anfänglich zum Schutz vor gegenrevolutionären Aktionen des Militärs erfolgt war,168 dann aber als wirksames Mittel gegen die sogenannten Hamsterer genutzt wurde, die von der Stadt aufs Land hinausfuhren, um dort Lebensmittel einzutauschen oder direkt von den Feldern und aus den Vorratsräumen zu stehlen.169 Zum anderen kam es zu Kontrollen auf den Gütern und Höfen, bei denen die zumeist bewaffnet auftretenden Vertreter der örtlichen Arbeiterund Soldatenräte auch mit Standgerichten, einer militärischen Zwangsverwaltung oder
165 Vgl. MN, 11. und 16. Nov. 1918; MVZ, 9. bis 12. und 15. 11.1918; MW, 12. Nov. 1918; MZ, 9. und 12. Nov. 1918. RoA, 10. und 12. Nov. 1918. In Rostock etwa konnte durch Verhandlungen mit dem Polizeisenator eine Anerkennung des Arbeiterrats, dem Unterstützung durch die städtischen Ordnungskräfte zugesagt wurde, erreicht werden. Vgl. MN, 11. Nov. 1918; MVZ, 11. und 12. Nov. 1918; RoA, 12. Nov. 1918. Vgl. dazu auch Strahl: Rostock, S. 153. Dies galt auch für die ebenso wie in Parchim erfolgte militärische Besetzung von „Post und Bahnhof“. MVZ, 10. Nov. 1918. Vgl. auch MZ, 9. Nov. 1918. 166 Vgl. MVZ, 16. und 20. Nov. 1918; MZ, 14. Nov. 1918; MN, 16. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. 167 In welchem Ausmaß die Täuschung der Lebensmittelbehörden erfolgte, verdeutlichen die ab dem Frühjahr 1919 in regelmäßigen Abständen in der Presse erschienenen Statistiken. Im Kommunalverband Stavenhagen etwa waren durch vier Güter insgesamt 416 Zentner Kartoffeln unterschlagen worden. Vgl. MN, 8. Mai 1919. Ein noch größeres Defizit bestand bei der Anzeige und Ablieferung von Viehbeständen. Allein zwischen März und April 1919 wurden die Geburt von 656 Kälbern sowie der Besitz von 238 Kühen und 17 Schweinen vor den Kreisbehörden geheim gehalten. Durch Schwarzhandel oder Geheimschlachtungen waren der staatlichen Lebensmittelversorgung im gleichen Zeitraum 32 Kälber, 173 Kühe und 210 Schweine entzogen worden. Vgl. MVZ, 16. Mai 1919; MZ, 16. Mai 1919. 168 Vgl. MVZ, 9. und 10. Nov. 1918; MZ, 9. Nov. 1918. 169 In welcher Größenordnung auf den Bahnhöfen Lebensmittel beschlagnahmt wurden, zeigen einzelne Berichte der Presse. Im Mai 1919 etwa waren u. a. 73.742 Pfund Kartoffeln, jeweils ca. 1.330 Pfund Roggen und Hafer, 6.369 Pfund Fleischwaren, 661 Pfund Butter und 27.532 Eier konfisziert worden. Vgl. MVZ, 15. Juni 1919. Dass die Kontrollen durch die Räte die Unterstützung der Bevölkerung fanden, lässt das Beispiel Boizenburg erkennen. Als dort die Mitglieder des Arbeiterrats, eine „stärkere Revision des Gepäcks“ fordernd, durch die Bahnassistenten „mit Gewalt“ entfernt wurden, kam es zu spontanen Arbeitsniederlegungen und einer Demonstration, an der fast die gesamte Arbeiterschaft Boizenburgs teilnahm. Die Forderung, die Bahnassistenten zu entfernen und eine Abteilung des Arbeiterrats als Hilfspolizei anzustellen, wurde allerdings von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung abgelehnt. MVZ, 15. Juni 1919. In Plau und Sternberg hingegen ließen die Arbeiter- und Soldatenräte Hamsterer einfach verhaften. Vgl. MVZ, 1. und 2. Feb. 1919.
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gar der Enteignung von Betrieben drohten,170 wenn ihnen der Zutritt zu den Gebäuden verwehrt wurde oder eine Verletzung der Ablieferungspflichten nachgewiesen werden konnte.171 Daneben etablierten die Räte aber auch eigene Systeme der Verteilung. In Grabow etwa führte der dortige Arbeiter- und Soldatenrat Lebensmittelkarten für den bis dato unter der Hand gehandelten Fisch ein.172 Auf diese Weise erwiesen sie sich nicht nur als ein wirksames Mittel gegen die in der Landwirtschaft vielfach herrschende Ansicht, „daß mit dem Eintritt der neuen Regierungsform die bisherigen Lebensmittelvorschriften außer Kraft getreten seien“,173 sondern ermöglichten es auch, dass schon bald wesentlich mehr Nahrungsmittel dem einheimischen Verbrauch zugeführt werden konnten, als es noch zur Zeit des Krieges möglich gewesen war.174 Wie sehr die Regierung der Arbeiter- und Soldatenräte zur Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung bedurfte, zeigt der Auftritt des Vorsitzenden der Landesbehörde für Volksernährung, Friedrich Wilhelm Chrestien, auf der gemeinsamen Versammlung der Arbeiter- und Soldatenräte Mecklenburg-Schwerins am 14. November 1918 in Schwerin. In seiner Rede forderte er die 62 Delegierten „dringend“ auf, die Kreisbehörden zu unterstützen.175 Neben der Abkommandierung und Werbung von Soldaten für die anstehende Kartoffel- und Rübenernte176 bat Chrestien ins besondere um Mithilfe bei der Erstellung eines Viehkatasters, vor allem für die ritterschaftlichen Güter.177 Zur Koordinierung der Zusammenarbeit kündigte er an, in 170 Vgl. MN, 16. Nov. 1918. In dem dort abgedruckten Aufruf des Arbeiter- und Soldatenrats, vermutlich Schwerins, heißt es in Bezug auf eine mögliche Enteignung: „Es stehen uns viele kriegsbeschädigte Landwirte zu Verfügung, deren größte Sehnsucht die eigene Scholle bildet“. 171 Vgl. LZM, 12. Nov. 1918. Für größeres Aufsehen sorgte etwa der Fall des Gutsbesitzers Erwin Hüniken auf Weitendorf, der in Verdacht stand, Geheimschlachtungen durchgeführt zu haben. Als er sich weigerte, den Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrats Brüel auf das Gut zu lassen, organisierte der Rat einen Protestzug nach Weitendorf. Dort angekommen wurde Hüniken gedemütigt und unter Waffengewalt zur Anerkennung des Arbeiter- und Soldatenrats gezwungen. Vgl. MN, 5. Okt. 1919. Die Aktion wurde wenig später durch den Zentralen Arbeiter- und Soldatenrat in Schwerin offiziell bedauert. Vgl. MVZ, 4. Okt. 1919. 172 Vgl. MW, 21. Jan. 1919. Darüber hinaus setzten sich die Räte auch, wie etwa in Marlow, für eine Einhaltung der beschlossenen Verteilungsgrundsätze ein. Vgl. MN, 15. Nov. 1918; MW, 17. Nov. 1918; MZ, 16. Nov. 1918. 173 Bekanntmachung vom 19. November 1918 zum Ernährungssystem, in: Rbl. Nr. 205, 22. Nov. 1918, S. 1526. 174 Im Kreis Parchim beispielsweise wurde fünfmal soviel Milch abgeliefert wie vor den Kontrollen. Vgl. MZ, 16. Dez. 1918. Vgl. dazu auch Koch: Volksernährung, S. 29. 175 MN, 16. Nov. 1918. Vgl. auch LZM, 17. Nov. 1918; MVZ, 14. und 19. Nov. 1918; MW, 16. Nov. 1918; RoA, 16. Nov. 1918. 176 Wenig später forderte der Arbeiter- und Soldatenrat Schwerin die Landwirte auf, binnen 24 Stunden anzuzeigen, ob sie die „diesjährige Ernte“ mit „eigenen Kräften“ einbringen konnten oder nicht. LZM, 19. und 24. Nov. 1918; MN, 15. Nov. 1918. 177 Da während des Krieges ein solches Verzeichnis fehlte, wurde die „Verheimlichung“ von Kälberund Ferkelgeburten möglich. Dies wiederum führte dazu, dass „zur Aufrechterhaltung der Volksernährung viele Milchkühe, die der Bauernbevölkerung gehörten, abgeschlachtet“ wurden und die Milch- und Fetterzeugung „beständig“ sank. MZ, 30. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 7. Dez. 1918. Zur Verbesserung der Fleischversorgung wurde nach 1918 zudem der verstärkte Abschuss von Hasen, Schwarz- und Rotwild angeordnet. LZM, 22. Nov. 1918. Vgl. MN, 19. Nov. 1918.
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jede Kreisbehörde ein Mitglied des für den jeweiligen Kommunalverband zu wählenden Arbeiter- und Soldatenrats als Beisitzer aufzunehmen.178 Die Versammlung, die das Angebot einer Kooperation annahm, beschloss daraufhin, dem Vorschlag des Staatsministers Dethloff folgend, einen Zentralen Arbeiter- und Soldatenrat zu gründen, der „Hand in Hand“ mit der Landesbehörde für Volksernährung zusammen arbeiten sollte.179 Die geplante Integration der Räte in das staatliche Ablieferungs- und Verteilungssystem war allerdings an vier Voraussetzungen gebunden. Zum ersten war eine Le galisierung der Kontrollen, insbesondere der auf den ritterschaftlichen Gütern, notwendig. Tatsächlich wurde nur vier Tage später, am 18. November 1918, die Polizeigewalt der ritterschaftlichen Gutsbesitzer aufgehoben und damit die Aufhebung des ständischen Prinzips im kommunalen Bereich eingeleitet.180 Fortan endete „der Machtbereich der Gendarmen“ und aller durch diese legitimierten Kontrolleure nicht mehr „vor den Gutstoren [...], sondern [...] erstreckt sich bis in die Scheunen, Ställe und Keller der Gutsbesitzer“.181 Zum zweiten bedurften die Räte einer logis tischen und finanziellen Unterstützung, die sowohl von den staatlichen Behörden für Volksernährung als auch von den einzelnen Kommunen gewährt werden sollte. So wurde vielen Räten ein Geschäftszimmer zur Verfügung gestellt182 und einzelne Mitglieder erhielten Einladungen zu den Sitzungen von Bürgerausschuss und
178 MN, 15. und 16. Nov. 1918. Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung blieb allerdings aus. Es findet sich lediglich ein indirekter Verweis. Vgl. Bekanntmachung vom 30. November 1918, betreffend die Kreisbehörden für Volksernährung, in: Rbl. Nr. 214, 2. Dez. 1918, S. 1579. Vgl. dazu auch MN, 2. Jan. 1919. Nachgewiesen werden kann indes die bereits einige Tage vor der Versammlung erlassene Verpflichtung, „einen Arbeiter als [...] Mitglied aufzunehmen“, allerdings auch nur, wenn „dazu seitens der Landeskommission der Gewerkschaften Mecklenburgs ein Vorschlag gemacht“ wurde. Bekanntmachung vom 11. November 1918, betreffend Aufrechterhaltung der Volksernährung, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 68, 13. Nov. 1918, S. 349–350, hier S. 350. Belegt ist die Abordnung eines Vertreters des Güstrower und des Hagenower Rats an die jeweilige Kreisbehörde. Vgl. MN, 15. Nov. 1918; MVZ, 16. und 26. Nov. 1918; MZ, 14. und 18. Nov. 1918; RoA, 19. Nov. 1918. 179 MN, 15. Nov. 1918. Über die Frage, ob Rostock oder Schwerin der Sitz der „Zentralstelle“ sein sollte, entbrannte eine längere Diskussion, die mit dem Beschluss „einer kleinen Mehrheit“, in Schwerin eine kommissarische Geschäftsstelle einzurichten, endete. MVZ, 19. Nov. 1918. Vgl. dazu auch MVZ, 13. Nov. 1918. 180 Vgl. Bekanntmachung vom 18. November 1918, betreffend die Ausübung der Polizeigewalt der ritterschaftlichen Gutsobrigkeiten, in: Rbl. Nr. 203, 19. Nov. 1918, S. 1521. Die entsprechende Befugnis ging auf die Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken über. Sie waren bereits 1914 durch das großherzogliche Ministerium des Innern ernannt worden, um in Fällen einer kriegsbedingten Abwesenheit des Gutsherrn die diesem obliegenden obrigkeitlichen Aufgaben wahrzunehmen. Vgl. Verordnung vom 6. August 1914, betreffend die Vertretung der in Anlaß der Mobilmachung an der Ausübung ihrer obrigkeitlichen Rechte verhinderten Gutsherren, in: Rbl. Nr. 57, 7. Aug. 1914, S. 440. Vgl. dazu auch Kap. 5.1, S. 125. 181 MZ, 16. Dez. 1918. 182 Geschehen war dies etwa in Stavenhagen und Teterow. Vgl. MN, 5. Dez. 1918; MVZ, 22. Nov. 1918.
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Magistrat.183 Der wohl integrierteste Rat war der Güstrows, dessen Vertreter nicht nur an den Sitzungen des Magistrats und der Kreisbehörde für Volksernährung, sondern auch an denen des Domanialamts und des ritterschaftlichen Polizeiamts teilnahmen.184 Eine solche Aufgabenfülle war freilich nur durch hauptamtliche Mitglieder zu bewältigen. Aus diesem Grunde verpflichtete das Volksministerium bereits Anfang Dezember 1918 sämtliche Staats- und Kommunalbehörden, den bei ihnen tätigen Mitgliedern der örtlichen Arbeiter- und Soldatenräte den entgangenen Lohn und eine angemessene Aufwandsentschädigung zu zahlen.185 Neben diesen staatlichen Maßnahmen bedurfte es zur erfolgreichen Umsetzung der geplanten Kooperation drittens einer Vernetzung der Arbeiter- und Soldatenräte, bei der die Schaffung einer Zentrale erst den Anfang bildete. Dem Appell, „ihre genauen Adressen“ an das in Schwerin eingerichtete Büro einzusenden,186 kamen die Räte in kürzester Zeit nach.187 Damit wurde nicht nur eine Koordinierung, sondern auch eine Kontrolle und Disziplinierung der örtlichen Gremien möglich. 188 183 In dieser Hinsicht privilegiert waren die Räte der Städte Bützow, Güstrow, Hagenow, Rostock, Parchim und Schwerin. Vgl. LZM, 25. Dez. 1918; MN, 19., 22. und 23. Nov. 1918; MVZ, 12., 13. und 16. Nov. 1918; MZ, 12., 13., 21. und 23. Nov. 1918; MZ, 7. Dez. 1918; RoA, 13.,14., 23. und 24. Nov. 1918. In Parchim waren im Gegenzug zwei Mitglieder des Bürgerausschusses in den Arbeiter- und Soldatenrat aufgenommen worden. Vgl. MVZ, 12. Nov. 1918. Eine gegenseitige Information wurde auch in Güstrow angestrebt und dem Magistrat die Teilnahme an den Sitzungen des Arbeiter- und Soldatenrats gewährt. Vgl. MN, 15. Nov. 1918; MVZ, 16. Nov. 1918; MZ, 14. Nov. 1918. 184 Vgl. MN, 15. Nov. 1918; MVZ, 16. und 26. Nov. 1918; MZ, 14. und 18. Nov. 1918; RoA, 19. Nov. 1918. 185 Vgl. MN, 4. Dez. 1918; MZ, 4. Dez. 1918. In Teterow etwa wurde den Mitgliedern des Arbeiterund Soldatenrats eine Aufwandsentschädigung in Höhe von zehn Mark pro Tag aus der Stadtkasse gezahlt. Vgl. MVZ, 4. Dez. 1918. Nachdem, wie etwa in Grabow oder Rostock, einzelne Bürgerausschüsse die Übernahme der Geschäfts- und Verwaltungskosten der Räte, die ihrer Ansicht nach zu hoch bemessen seien und „große Verwirrungen in die städtischen Finanzen“ bringen würden, abgelehnt hatten, legte das Volksministerium Anfang Januar 1919 einheitliche Sätze fest. Vgl. Bekanntmachung vom 8. Januar 1919, betreffend Entschädigung der Arbeiter- und Soldatenräte, in: Rbl. Nr. 7, 11. Jan. 1919, S. 32. Zu den Protesten und für das Zitat vgl. MZ, 29. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. In Grabow hatte der Rat die Geschäftskosten mit 2.000 Mark, den Bedarf für die laufende Verwaltung mit täglich 102 Mark veranschlagt. Vgl. ebd. 186 Bekanntmachung Arbeiter- und Soldatenrat Schwerin, 23. Nov. 1918, in: MZ, 23. Nov. 1918. Dort wo es keine Geschäftsstellen gab, wurden „alle in Arbeit stehenden Kameraden“ aufgefordert, einen Vertrauensmann zu wählen, „mit welchem wir in Verbindung treten können“. Ebd. 187 Bereits am 16. November 1918 meldeten die „Mecklenburger Nachrichten“: „Sämtliche Arbeiter- und Soldatenräte des Landes sind bereits miteinander in Verbindung getreten und werden in allernächster Zeit in Schwerin tagen. [...] Damit ist dann die Zentrale in Mecklenburg geschaffen.“ MN, 16. Nov. 1918. 188 Vgl. Bekanntmachung Zentraler Arbeiter- und Soldatenrat, 23. Nov. 1918, in: LZM, 28. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 28. Nov. 1918. Demnach waren „sämtliche örtlichen Arbeiter- und Soldatenräte für beide Mecklenburg [...] der Zentrale in Schwerin“ unterstellt und alle „Verhaftungen, Beschlagnahmungen usw.“, die durch lokale Organe vorgenommen wurden, an deren Zustimmung gebunden. Wenig später wurden sämtliche Räte zur Anerkennung der Unabhängigkeit der Justiz verpflichtet. Vgl. MZ, 30. Nov. 1918. Vgl. auch Bekanntmachung vom 27. November 1918, betreffend die Unabhängigkeit der Gerichte, in: Rbl. Nr. 212, 28. Nov. 1918, S. 1557–1558. Einer
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Als viertes schließlich galt es, „überall, wo angängig, sofort Arbeiter- und Soldatenräte“ zu gründen.189 Tatsächlich setzte bereits, nachdem zur Delegiertenversammlung nach Schwerin geladen worden war, eine verstärkte Aktivität bei der Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten ein. In vielen Fällen ging die Initiative dabei von Abgesandten der Arbeiter- und Soldatenräte in Schwerin und Rostock aus. So konstituierten sich etwa in Bad Doberan, Satow und Warnemünde Räte im Anschluss an eine durch „mehrere Vertreter des Rostocker Soldatenrates“ abgegebene Erklärung.190 Ein Gleiches galt für die Stadt Laage. Der dortige Hauptredner, Wilhelm Dittrich, war zugleich für die Gründungen der Arbeiterräte in Gehlsdorf, Kröpelin, Malchow und Neubukow verantwortlich.191 Eine ebenfalls rege und erfolgreiche Agitationstätigkeit entfaltete der Landsturmmann Blunk, auf den die Arbeiterratswahlen in Bützow, Dömitz und Sülze zurückzuführen sind.192 Mit Unterstützung des Schweriner Arbeiter- und Soldatenrats entstanden die Räte in Dargun, Wittenburg, Zarrentin und Sternberg, von wo die Bewegung wenig später auf Brüel übergriff.193 Ihr Erfolg lässt sich nicht zuletzt auf die Mobilität der Mitglieder zurück führen, verfügten die Räte doch über die Kraftfahrzeuge des Großherzogs, die „stark strapaziert“ wurden.194 Darüber hinaus entstanden eine ganze Reihe von Räten durch Anstöße lokaler Akteure, zu denen vor allem Ortsgruppen der Gewerkschaften195 und Sozialdemokratie,196 aber auch Vertreter von Handel und Handwerk zählten.197 der ersten Fälle, in den die Schweriner Zentrale eingriff, ereignete sich in Sternberg. Dort hatten sich sowohl der Bürgermeister der Stadt als auch die Gutsbesitzer des Umlandes über den scharfen Ton, in dem der dortige Arbeiter- und Soldatenrat gegen diejenigen vorging, die ihren Ablieferungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen waren, beim Zentralen Arbeiter- und Soldatenrat beschwert. Der setzte daraufhin das Sternberger Gremium ab und ordnete dessen Neuwahl an. Vgl. MZ, 19. Dez. 1918. Erwähnt sei hier auch die durch den Zentralen Arbeiter- und Soldatenrat erfolgte Verhaftung und Aburteilung dreier Personen, die in Boizenburg auf dem Rathaus erschienen waren und, sich als Abgeordnete des Soldatenrats Bergedorf ausgebend, „den Anschluß an ihre Sache, Waffen und das Hissen der roten Fahne“ gefordert hatten. Vgl. MW, 16. Nov. 1918. 189 MVZ, 19. Nov. 1918. 190 MVZ, 16. Nov. 1918. Vgl. MVZ, 14. und 23. Nov. 1918; RoA, 28. Nov. 1918; MZ, 16. Nov. 1918. Vgl. dazu auch MVZ, 4. Dez. 1918. 191 Vgl. MVZ, 28. Nov. 1918; MVZ, 4. und 10. Dez. 1918; RoA, 22. Nov. 1918. 192 Vgl. MVZ, 16., 19. und 26. Nov. 1918; MZ, 16. Nov. 1918. 193 Vgl. MVZ, 26. Nov. 1918; MVZ, 4. Dez. 1918; MZ, 25. Nov. 1918; MZ, 11. Dez. 1918; RoA, 23., 26. und 30. Nov. 1918; RoA, 3. Dez. 1918. 194 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 13, Bl. 2–3: Protokoll Stratmann und Krassmann, 9. Dez. 1918. Vgl. dazu auch MVZ, 9. Nov. 1918; RoA, 10. und 14. Nov. 1918. 195 Als Beispiele seien die Arbeiterräte in Gadebusch und Malchin genannt, deren Abgesandte wenig später die konstituierende Versammlung des Arbeiterrats in Stavenhagen leiteten. Vgl. MVZ, 17., 22., 26. und 28. Nov. 1918; MZ, 15. und 24. Nov. 1918; RoA, 26. Nov. 1918. 196 Auf diese Weise erfolgte etwa die Gründung der Arbeiterräte in Röbel und Waren. Vgl. MVZ, 14. Nov. 1918; MVZ, 8. Dez. 1918; RoA, 10. Dez. 1918. Zum Arbeiterrat der Stadt Waren vgl. auch MVZ, 15. Juli 1919; Borchert und Kniesz: Sozialdemokraten in Waren, S. 32–36. Der SPD-Ortsgruppenleiter Eduard Ellrich initiierte wenig später die Gründung eines Arbeiter- und Soldatenrats in Gielow bei Malchin. Vgl. MVZ, 20. Nov. 1918. 197 Eine solche Gründung lässt sich u. a. für Crivitz und Goldberg nachweisen. Vgl. MZ, 14. und 22. Nov. 1918. Für die Konstituierung der Arbeiterräte in Grevesmühlen, Ludwigslust und
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Dies widerlegt nicht nur die These der von außen herein getragenen Revolution, sondern verweist zugleich auf das Bedürfnis, neben den Bürgerausschuss, dessen Zusammensetzungen durch den Grundbesitz, die Zugehörigkeit zu Berufsgruppen oder ein bestimmtes Einkommen diktiert war,198 eine Vertretung zu setzen, die vor allem die bislang ausgeschlossene städtische Bevölkerung repräsentiert. Dieser Anspruch variierte jedoch zwischen den Arbeiter- und Soldatenräten, die infolge des Auftritts auswärtiger Agitationsredner entstanden, und denen, die durch Repräsentanten örtlicher Interessenvereinigungen gegründet worden waren. Neben einer Dominanz von Vertretern der Arbeiterschaft fällt in den erstgenannten Fällen ein – in Krakow durch den Abgeordneten des Güstrower Arbeiterrats, Ludwig Deike, gar in „schroffer Weise“ direkt eingeforderter – Ausschluss der bürgerlichen Parteien auf.199 Allerdings gelang es in Krakow, anders als in Malchow, wo die Wahlen tatsächlich „unter Ablehnung der Bürgerlichen“ stattfanden,200 einen „aus allen Schichten“ gebildeten Arbeiterrat durchzusetzen.201 In Grabow entschied sich die Bevölkerung ebenfalls gegen den Willen des auswärtigen Agitators und wählte statt eines Arbeiterrats eine elfköpfige Kommission, die mit der Stadt verhandeln sollte.202 Hier, wie auch in Dargun und Gadebusch – Städte, in denen Vertreter des Bürgertums durch Ergänzungswahlen in den Arbeiter- und Soldatenrat aufgenommen worden waren203 – blieben zudem parteipolitische Richtungskämpfe, wie sie für einige der durch ortsfremde Propagandisten geschaffenen Räte nachweisbar sind,204 aus. Vor dem Hintergrund des sich gegen das Bürgertum richtenden Räteexportes sowohl aus Rostock und Schwerin als auch aus Güstrow und Parchim wuchs die Kritik an den Revolutions organen, die, so die Annahme einer Bützower Gegenveranstaltung, „aus Reichsmitteln und folglich auch aus Beiträgen der bürgerlichen Kreise“ finanziert, nur „Partei-
eterow, die ebenfalls auf lokale Initiativen zurückgingen, vgl. MN, 16. Nov. 1918; MVZ, T 22. Nov. 1918; RoA, 15. Nov. 1918. 198 Vgl. Hacker: Stadtverfassungen. Zu den Gemeinsamkeiten der Bürgervertretungen vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 76–77. 199 MZ, 16. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 17. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. 200 RoA, 22. Nov. 1918. 201 MZ, 16. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 17. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. Dies galt auch für die Räte in Crivitz und Waren sowie bedingt für den in Güstrow, in den Vertreter „aus den verschiedensten Werkstättenbetrieben und Berufständen der Stadt“ gewählt worden waren. Vgl. MVZ, 14., 15., 20. und 26. Nov. 1918; MZ, 14. und 16. Nov. 1918. Für das Zitat vgl. MN, 16. Nov. 1918. Vgl. auch RoA, 13. Nov. 1918. Eine Beteiligung bürgerlicher Personen an den Arbeiterund Soldatenräten stellt keine Eigenheit der Verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin dar, sondern ist auch für Hessen, Ostpreußen, Pommern, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen nachgewiesen. Vgl. Bieber: Bürgerräte, S. 54. 202 Vgl. MZ, 15. Nov. 1918. 203 Vgl. MVZ, 27. Nov. 1918; RoA, 24. Nov. 1918; RoA, 3. Dez. 1918. 204 In Hagenow führten die Zwistigkeiten zwischen Mehrheitssozialisten und Unabhängigen gar zur Auflösung des durch den Parchimer Soldatenrat gegründeten Gremiums. Vgl. MN, 18. Nov. 1918; MN, 11. Dez. 1918; MVZ, 26. Nov. 1918; MZ, 18. Nov. 1918; RoA, 19. Nov. 1918. Überliefert sind indes auch Bemühungen um eine Vereinigung beider Flügel. Vgl. MVZ, 26. Nov. 1918; MVZ, 1., 5. und 10. Dez. 1918; MZ, 4. Dez. 1918; RoA, 23. Nov. 1918.
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Agitationsreden“ hielten und danach trachteten, „im Kleinen die Diktatur des Proletariats“ aufzurichten.205 Zur Wahrung des mit den Rätegründungen verbundenen Gedankens, die „bisher nicht organisierten Schichten der erwerblichen und gewerblichen Berufsstände sowie alle sonst keinem bestimmten Beruf angehörigen Personen“ an der „Neuregelung der wirtschafts-politischen Verhältnisse“ teilhaben zu lassen,206 entstanden insbesondere dort, wo sich die Arbeiter- und Soldatenräte nicht unter Beteiligung breiter Bevölkerungskreise oder sämtlicher politischer Richtungen gebildet hatten, Volks- und Bürgerräte.207 Dass diese Gremien nicht gegen den Willen, sondern durchaus mit Unterstützung der Arbeiter- und Soldatenräte initiiert werden konnten, zeigt u. a. die Wahl des Volksrats in Plau. Hier hatte sich der Vorsitzende des Soldatenrats mit Erfolg für die Aufnahme eines Geistlichen sowie eines männlichen und weiblichen Delegierten der Gemeindevertretung eingesetzt.208 In Wismar ging man noch einen Schritt weiter und beschloss unter der „Bedingung der gleichen Stimmenzahl“ die Bildung eines vereinigten Arbeiter- und Volksrats.209 Ambivalenter gestaltete sich das Verhältnis zwischen den beiden Gremien, wenn statt der Volks- reine Bürgerräte geschaffen werden sollten.210 Allein in Bützow scheint die Anerkennung durch den örtlichen Arbeiterund Soldatenrat sofort erfolgt zu sein.211 Bei einem Vergleich der in der Mehrzahl als runde Tische entstandenen Volks- und Bürgerräte mit den sich als Kontroll- und Exekutionsorgane etablierenden Arbeiter- und Soldatenräten fallen nicht nur die unterschiedliche Zielstellung sowie die soziale Herkunft und Parteizugehörigkeit der 205 MN, 22. Nov. 1918. 206 LZM, 14. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 13. Nov. 1918. 207 Die Aufnahme Bürgerlicher in die Arbeiter- und Soldatenräte war indes kein Garant dafür, dass sich nicht auch in den betreffenden Städten derartige Gremien bildeten. In Waren etwa wurde im Juli 1919 ein Bürgerrat gewählt. Vgl. MVZ, 15. Juli 1919. Vgl. dazu auch MZ, 25. Sept. 1919. Zur Konzeption der Volksräte, zu deren Gründung der Freiburger Rechtsanwalt Erwin Cuntz bereits im September 1917 reichsweit aufgerufen hatte, vgl. Cuntz: Volksrat. 208 Vgl. MN, 19. Nov. 1918; MN, 11. Dez. 1918; MW, 24. Nov. 1918; MZ, 18. Nov. 1918; MVZ, 26. Nov. 1918. Volksräte gründeten sich darüber hinaus in Goldberg, Grevesmühlen, Ribnitz und Vellahn. Vgl. MN, 29. Nov. 1918; MZ, 22. und 25. Nov. 1918; RoA, 15. und 30. Nov. 1918. In Ribnitz wurde der Volksrat allerdings wenig später wieder aufgelöst. Vgl. RZ, 10. Dez. 1918. 209 MN, 19. Nov. 1918. Vgl. MN, 28. Nov. 1918; MW, 15., 19. und 26. Nov. 1918; MZ, 18. Nov. 1918; RoA, 28. Nov. 1918. 210 In Güstrow wurde die Zusammenarbeit durch den örtlichen SPD-Vorsitzenden Diefenbach vom Ausschluss des christlichen Arbeitersekretärs abhängig gemacht. In Parchim, Rostock, Satow, Schwerin und Sülze blieb den Bürgerräten eine Partizipation an den Entscheidungen der Arbeiter- und Soldatenräte gänzlich verwehrt. Vgl. MN, 12., 21., 22. und 25. Nov. 1918; MVZ, 14., 16., 20. und 24. Nov. 1918; MVZ, 14. Dez. 1918; MZ, 12., 13., 15., 16., 22. und 23. Nov. 1918; MZ, 18. Dez. 1918; RoA, 16., 20. und 22. Nov. 1918; RoA, 1. und 5. Dez. 1918. Vgl. auch Brunner u. a.: Sozialdemokratie in Güstrow, S. 63. Die Ablehnung scheint, wie die konservative Presse vermutete, in den meisten Fällen im „Mißtrauen“ begründet gewesen zu sein, „daß die Vertreter der besitzenden Klassen einen Gegensatz zu dem Arbeiterrat bilden würden“. MN, 19. Nov. 1918. Ähnliche Ressentiments bestanden auch in anderen Teilen Deutschlands. Vgl. Klein und Scherer: Bürgerräte. 211 Vgl. MZ, 21. Nov. 1918; RoA, 26. Nov. 1918.
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Mitglieder auf, sondern auch eine voneinander abweichende Haltung zur politischen Partizipation der Frauen. Während sich die Arbeiter- und Soldatenräte ohne Mitwirkung, in Teilen gar unter Ausschluss von Frauen konstituierten,212 fanden sich in fast allen Volks- und Bürgerräten weibliche Mitglieder, die oftmals auch in den Beiräten oder im Vorstand vertreten waren.213 Nicht zuletzt durch den auch hierin zum Ausdruck kommenden Willen der Bevölkerung, aktiv an der Staatsumwälzung teil nehmen zu wollen, gelang es in Mecklenburg-Schwerin, radikalen Bestrebungen den Boden zu entziehen.214 Bereits Ende November 1918 erklärte der Schweriner Ar beiter- und Soldatenrat, sich gegen die zunehmende Propagandatätigkeit der USPD wendend, „nicht eine Herrschaft der Gewalt, sondern eine des Rechts und der Gleichheit“ aufbauen zu wollen. Gleichzeitig kündigte er seine Auflösung für den Zeitpunkt an, zu dem der verfassunggebende Landtag und in den Kommunen Vertretungen gewählt seien, „die allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zur Mitarbeit sichern“.215 Wenige Tage später, am 28. November 1918, verpflichtete das Volksministerium die Städte, bis spätestens Ende Dezember die alten Bürgerausschüsse aufzulösen und durch demokratisch gewählte Bürgervertretungen zu ersetzen.216 Notwendig erschien diese Anordnung nicht zuletzt, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, hatte sich doch lediglich in Krakow der Arbeiter- und Soldatenrat auf „das schon vorher vom Magistrat genehmigte Programm“ zur Änderung der städtischen Verfassung gestellt.217 In den meisten Städten Mecklenburg-Schwerins, wo Bürgerausschuss und Magistrat zu diesem Zweck die „Einsetzung einer gemeinschaftlichen Kommitte“ planten,218 kam es hingegen immer wieder zu durch die Räte organisierten Volksversammlungen, die durch Kundgebungen oder legitimierte Ausschüsse ihre Forderungen nach einer Demokratisierung der Stadtverfassung an die Magistrate und Bürgerausschüsse herantrugen.219 Wenig friedlich ging es dabei in Neustadt zu, wo eine Abordnung der dort stationierten „Ersatz-Eskadron mit aufgepflanztem Bajonett“ das Rathaus stürmte, einzelne Mitglieder des Magistrats verhaf212 Vgl. MN, 28. Nov. 1918; RoA, 28. Nov. 1918. 213 Vgl. dazu MN, 12., 19., 21., 22., 25., 28. und 29. Nov. 1918; MN, 11. Dez. 1918; MVZ, 14., 16., 20., 24. und 26. Nov. 1918; MVZ, 14. Dez. 1918; MW, 15., 19., 24. und 26. Nov. 1918; MZ, 12., 13., 15., 16., 18., 21., 22., 23. und 25. Nov. 1918; MZ, 18. Dez. 1918; RoA, 15., 16., 20., 22., 26., 28. und 30. Nov. 1918; RoA, 1. und 5. Dez. 1918. Der Wunsch der Frauen, spe ziell der „Frauen des Bürgertums“, sich aktiv an der politischen Neuorientierung zu beteiligen, dokumentierte sich insbesondere im „Zusammenschluß aller Schweriner Frauenvereinigungen“, der nicht nur dort, sondern auch in Doberan und Rostock zur Bildung eines Frauenrates führte. MVZ, 26. Nov. 1918. Vgl. MVZ, 5. Dez. 1918; MZ, 23. Nov. 1918; MZ, 2. und 5. Dez. 1918; RoA, 27. Nov. 1918; RoA, 12. Dez. 1918. 214 Zur Reaktion der Bevölkerung bzw. einzelner Mitglieder der Räte auf die „gegen die ‚bürgerliche‘ Republik Mecklenburg“ gerichtete Versammlungen der USPD vgl. LZM, 19. Nov. 1918; MVZ, 17. Nov. 1918; MZ, 2., 6., 19. und 23. Dez. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. 215 MN, 21. Nov. 1918. 216 Vgl. Bekanntmachung vom 28. November 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 213, 30. Nov. 1918, S. 1560. Vgl. dazu auch Kap. 3.3. 217 MZ, 16. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 17. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. 218 MN, 15. Nov. 1918. 219 Vgl. exemplarisch den Bericht über die Parchimer Volksversammlung, in: MN, 12. Nov. 1918.
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tete und dort, ebenso wie auf „der Post, dem neuen Schloß und dem Bahnhofe“, die rote Fahne hisste.220 In Crivitz wurde die Führung der Stadtgeschäfte – „unter engster Fühlungnahme mit dem Soldatenrate Schwerin“ – gar komplett durch den „aus 16 Genossen bestehende[n] Arbeiterrat“ übernommen.221 Einen dritten Weg wählte der Arbeiter- und Soldatenrat Rostock, der über mehrere Vertreter im Bürgerausschuss verfügte und sich mit diesem gemeinsam für die Wahl einer Konstituante einsetzte.222 Der daraufhin seitens des Magistrats beim Volksministerium eingereichte Protest223 blieb, die erwähnte Entscheidung vom 28. November in gewisser Weise vorwegnehmend, unbeantwortet. Hinzu kam, dass sich die Regierung bereits den Beschluss des Schweriner Arbeiter- und Soldatenrats, allen „mecklenburgischen Städte[n] eine zeitgemäße Städteordnung zu geben“, zu eigen gemacht und damit quasi jeglichen lokalen Reforminitiativen eine Absage erteilt hatte.224 Zur Ausarbeitung einer einheitlichen Städteordnung brauchte es jedoch Zeit, so dass, um Ausschreitungen zu verhindern, zunächst eine Neuwahl der Bürger ausschüsse auf demokratischer Grundlage unumgänglich erschien.225 Wahlen zu den Magistraten und auf dem platten Lande allerdings wurden durch das Volksministerium noch nicht diskutiert. Den Erfolg der Anordnung verdeutlicht die kurz darauf, am 29. und 30. November 1918, in Schwerin tagende zweite Delegiertenkonferenz der Arbeiter- und Sol datenräte Mecklenburg-Schwerins, die sich hinter das Volksministerium stellte. Die Entscheidung für den parlamentarischen Weg unterstrich der Beschluss, in der reichsweit geführten Diskussion der Räte für die „Einberufung der Nationalversammlung“ und gegen „jegliche Diktatur“ einzutreten.226 Gleichzeitig forderte die Versammlung jedoch die „Durchführung der sozialistischen Forderung“ und lehnte sämtliche im Nachgang der Arbeiter- und Soldatenratsgründungen entstandenen Räte „als Mit- oder Nebenregierungen“ ab.227 Innerhalb der nächsten Wochen verloren derartige Positionen jedoch an Rückhalt. Die Ursache hierfür lag zum einen in der Bekanntgabe des Termins für die Wahl des verfassunggebenden Landtags,228 zum 220 MN, 16. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 20. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918. 221 MVZ, 23. Nov. 1918. Vgl. auch MZ, 16., 22. und 23. Nov. 1918; RoA, 22. Nov. 1918. 222 Vgl. MN, 15. Nov. 1918; MZ, 16. Nov. 1918; RoA, 16. und 23. Nov. 1918. 223 Vgl. MVZ, 16. Nov. 1918. 224 MZ, 9. Nov. 1918. In Schwerin sprach sich der Arbeiter- und Soldatenrat deshalb ganz bewusst gegen „irgendwelche Beeinflussung“ der zwischen Magistrat und Bürgerausschuss begonnenen Verfassungsverhandlungen aus. Tatsächlich wurden diese wenig später, nachdem „Nachrichten vorlagen, daß das Ministerium alsbald Richtlinien“ zur Einführung demokratischer Stadtverfassungen ausarbeiten werde, eingestellt. MZ, 21. Nov. 1918. 225 Vgl. MN, 15. Nov. 1918; RoA, 17. Nov. 1918; Bekanntmachung vom 23. November 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 207, 23. Nov. 1918, S. 1529–1530. 226 LZM, 4. Dez. 1918. Vgl. auch MN, 2. Dez. 1918; MW, 1. Dez. 1918; MZ, 30. Nov. 1918. Zur inhaltlich-konzeptionellen Seite der insbesondere zwischen SPD und USPD geführten Auseinandersetzung vgl. etwa Brüseke: Linksopposition, S. 207–209. 227 MW, 3. Dez. 1918. 228 Vgl. Verordnung vom 7. Dezember 1918 über Wahlen zum verfassunggebenden Landtag Mecklenburg-Schwerins, in: Rbl. Nr. 219, 9. Dez. 1918, S. 1603–1608, hier S. 1608, § 24.
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anderen in der Rückkehr eines Großteils der einheimischen Regimenter, in deren Folge oftmals programmatische Diskussionen geführt und die Soldatenräte neu gewählt wurden.229 Vor diesem Hintergrund erscheint es verwunderlich, dass das Volksministerium den USPD-Politiker Ludwig Barbasch, der wenige Tage zuvor als Vertrauensmann der Flieger im Engeren Ausschuss des Schweriner Soldatenrates zurücktreten musste,230 mit in die Regierung aufnahm.231 Tatsächlich scheint durch die Besetzung des den Unabhängigen bekanntlich bereits am 8. November 1918 zugestandenen Ministerpostens der Versuch einer Einbindung der anti-parlamentarischen Opposition gemacht worden zu sein. Das Experiment scheiterte jedoch ebenso wie die Integration der monarchisch-konservativen Kräfte. Der Grund dafür lag in den bewaffneten Auseinandersetzungen, die in Berlin zwischen dem Militär und den Anhängern einer Räteregierung ausgebrochen waren.232 In deren Folge kam es, ebenso wie in vielen anderen Städten des Reichs,233 auch in Schwerin zum Versuch linksradikaler Kräfte, die Macht zu übernehmen. Die Putschisten, zu deren Führern auch der Staatsminister Barbasch zählte, konnten sich jedoch nicht behaupten.234 Mit ihrer Niederlage endete auch die Regierungsbeteiligung der USPD 235 und begann die Auflösung der Arbeiter- und Soldatenräte als politische Gremien. Ausgelöst wurde der Prozess durch die vom Soldatenrat des in Altona stationierten 9. Armeekorps aufgestellte Forderung, die Bremer Räterepublik, die auf Befehl der Reichsregierung militärisch aufgelöst werden sollte, durch die Entsendung von Freiwilligen zu unterstützen.236 Die in den Garnisonsstädten Mecklenburg-Schwerins einberufenen Vollversammlungen lehnten, mit Ausnahme der in Wismar,237 das 229 Zur Auseinandersetzung innerhalb des Schweriner Soldatenrates vgl. LZM, 18. Dez. 1918; MN, 28. Nov. 1918; MN, 9. und 12. Dez. 1918; MW, 13. Dez. 1918; MZ, 14. Nov. 1918; MZ, 7., 9., 11., 12., 14., 16., 23. und 24. Dez. 1918; MZ, 7. und 8. Feb. 1919. Zu den Ereignissen in Rostock und Wismar vgl. MN, 3. Dez. 1918; MZ, 16. Dez. 1918; MVZ, 22. und 24. Dez. 1918. 230 Vgl. MZ, 16. Dez. 1918. Vgl. auch LZM, 14. Dez. 1918; MW, 14. Dez. 1918; MZ, 23. Dez. 1918. 231 Vgl. Bekanntmachung vom 13. Dezember 1918, betreffend Ergänzung des Staatsministeriums, in: Rbl. Nr. 225, 14. Dez. 1918, S. 1659. Zur Kritik des Beschlusses vgl. LZM, 14. Dez. 1918; MZ, 16. und 19. Dez. 1918. 232 Vgl. Waldmann: Spartakus, S. 194–196. Vgl. dazu auch Luban: Januaraufstand. 233 Größere Erhebungen fanden in Bremen, Delmenhorst, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig, München und Stuttgart statt. Vgl. dazu etwa Bütner: Novemberrevolution in Dresden, S. 81–87; Sommer: Bremer Räterepublik; Matull: Düsseldorfer Arbeiterbewegung, S. 103–105; Günther: Revolution in Oldenburg, S. 155–157; Cordes: Revolution in Baden und Württemberg, S. 110–112; Kolb und Schönhoven: Räteorganisationen in Württemberg, S. 139– 141; Füllner: Spartakisten-Herrschaft in Braunschweig. 234 Der Januar-Putsch ist in der Landesgeschichtsschreibung bisher nicht thematisiert worden, dabei bieten insbesondere die zeitgenössischen Tageszeitungen eine Fülle an Informationen. 235 Vgl. Bekanntmachung vom 10. Januar 1919, betreffend Enthebung des Staatsministers Dr. Barbasch aus seinem Amte, in: Rbl. Nr. 8, 11. Jan. 1919, S. 39. 236 Vgl. MZ, 6. Feb. 1919. Vgl. allgemein Kuckuk: Räterepublik in Bremen. 237 Noch bevor der Soldatenrat den Abtransport der Truppe nach Bremen organisieren konnte, ließen jedoch die Offiziere den Soldatenrat „verhaften und Post, Bahnhof und Kasino besetzen“. Dem folgte eine Gegenaktion eines durch den Arbeiterrat unterstützten Teils der Truppe. Erst
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Hilfsgesuch einmütig ab.238 Sowohl in Güstrow als auch in Schwerin folgte der Entscheidung eine Neuwahl des Soldatenrats.239 Auf der Konferenz sämtlicher in Schwerin stationierter Truppen wurden mit der Wiederwahl des bisherigen Vorsitzenden August Krüger, der für den „gänzlichen Abbau des Rätesystems“ eintrat,240 die Weichen für ein „reibungsloses Überleiten“ der Revolution in den Parlamentarismus gestellt.241 Als ersten Schritt sah Krüger dabei die Trennung der Soldaten- von den Arbeiterräten an. Gleichzeitig kündigte er jedoch an, „im Sinne der Revolution“ weiterarbeiten zu wollen, „bis die gesetzgebende Körperschaft“ eine Entscheidung herbeigeführt habe.242 In Rostock hingegen gab der Soldatenrat „auf Beschluß des engeren Ausschusses seine Tätigkeit als wirtschaftliche und politische Behörde auf“.243 Noch weiter ging man in Parchim. Hier löste sich der Soldatenrat, wenige Wochen nachdem der Vorsitzende zurückgetreten war, gänzlich auf.244 Dies geschah, da sich die „bisherigen Truppenteile durch Demobilisierung aufgelöst“ hatten, auch in Grevesmühlen, Stavenhagen und Wismar.245 In Warnemünde, wo bekanntlich der
einen Tag später konnten durch das Eingreifen des Schweriner Soldatenrats Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden. Vgl. LZM, 8. Feb. 1919; MN, 12. Feb. 1919; MVZ, 8. und 13. Feb. 1919; MW, 6., 7. und 11. Feb. 1919; MZ, 6. und 7. Feb. 1919; RoA, 7. Feb. 1919. Für das Zitat vgl. MW, 6. Feb. 1919. Vgl. auch MW, 23. und 26. Sept. 1919. 238 Vgl. MW, 8. und 9. Feb. 1919; MN, 12. Feb. 1919; MZ, 10. und 12. Feb. 1919. Lediglich eine Quelle berichtet darüber, dass das Hamburger Telegramm in Schwerin „begeistert aufgenommen“ worden sei. MZ, 7. Feb. 1919. Dass im Gegenteil zumindest eine gewisse Skepsis bestand, zeigt der Beschluss, eine Kommission zur Klärung des Sachverhalts nach Bremen zu entsenden. Vgl. MZ, 8. Feb. 1919. 239 Vgl. MN, 9. und 12. Feb. 1919; MW, 8. Feb. 1919; MZ, 8. und 21. Feb. 1919. In Schwerin war dies zudem durch die Stationierung des Generalkommandos des 9. Armee-Korps notwendig geworden. Vgl. MW, 23. Feb. 1919. Kurze Zeit darauf beschlossen auch die Vertreter der Soldatenräte der Garnisonen Parchim, Rostock, Schwerin und Wismar, dort, wo „Truppen des 9. A.-K. und Truppen der 17. I.-D. zusammen liegen, sich durch möglichst taktvolles Vorgehen gegenseitig auszugleichen“, d. h. Nach- bzw. Neuwahlen durchzuführen. MW, 20. Feb. 1919. Bei der Verlegung des Stabs von Altona nach Schwerin scheint es sich um eine Reaktion auf die Niederwerfung der Bremer Räterepublik, bei der sich der Soldatenrat des 9. Armeekorps gegen die Regierung und auf Seiten der Räterepublik gestellt hatte, gehandelt zu haben. So behauptete etwa das Mitglied des Schweriner Arbeiterrats Löwe: „Weil dem 9. A.-K. in Altona der Boden zu heiß geworden ist, kommt es nach Schwerin.“ MZ, 21. Feb. 1919. 240 MN, 14. Feb. 1919. Krüger erhielt trotz der „heftigsten Angriffe [...], die in der schärfsten, persönlich werdenden Form von den Mitgliedern des Zentralrates geführt“ worden waren, nur neun Gegenstimmen. MN, 14. Feb. 1919. Vgl. auch MN, 13. Feb. 1919; MVZ, 15. März 1919; MZ, 12. Feb. 1919. 241 MW, 20. Feb. 1919. 242 MVZ, 15. Feb. 1919. 243 LZM, 5. März 1919. Vgl. auch LZM, 13. März 1919; MVZ, 4. März 1919; MW, 7. März 1919; MZ, 4. und 13. März 1919; RoA, 12. März 1919. 244 Vgl. LZM, 9. Feb. 1919; MN, 8. März 1919; MZ, 7., 12. und 15. Feb. 1919; MZ, 7. und 8. März 1919. 245 LZM, 5. Feb. 1919; LZM, 4. März 1919; MN, 4. März 1919; MW, 2. März 1919; MVZ, 4. März 1919; MZ, 3. März 1919; RoA, 13. März 1919.
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erste Soldatenrat Mecklenburg-Schwerins gegründet worden war, einigte man sich auf eine Reduzierung der Mitgliederzahl.246 Das Ende der Soldatenräte in Mecklenburg-Schwerin bestimmten somit zwei Faktoren. Einerseits waren die Räte durch die fortschreitende Demobilisierung ihrer eigentlichen Aufgabe entledigt,247 andererseits wurden sie in der Bevölkerung zunehmend als „Bedrohung der politischen Freiheit“ wahrgenommen.248 Wenige Wochen vor Eröffnung des verfassunggebenden Landtags machte sich „von allen möglichen Seiten eine Hetze gegen die A.- und S.-Räte bemerkbar“. Der Vorsitzende des Schweriner Soldatenrats Krüger hingegen warb um Vertrauen und bat, sich bis zur Eröffnung der Konstituante zu gedulden. Die Arbeiter- und Soldatenräte, die von Anfang an „nur ein Kontrollrecht“ ausgeübt und sich „einschneidender Eingriffe in die Verwaltung“ enthalten hätten, würden zeigen, dass sie „anständig zu sterben wissen“. Noch seien sie aber verpflichtet, „den militärischen Schutz zu garantieren“. 249 Dass die Revolutionsorgane dazu jedoch nicht in der Lage waren, zeigt der am 20. Februar 1919 erfolgte Putschversuch einiger, zum Teil bereits während der Ereignisse Anfang Januar aktiver Soldaten und Zivilisten, der von der Presse in ironischer Weise als „würdiger Auftakt“ der nur einen Tag später beginnenden Landtagsverhandlungen bezeichnet wurde.250 Auf der für den Abend desselben Tages geplanten öffentlichen Vollversammlung des Schweriner Arbeiterrats, auf der sich das Gremium feierlich dem Landtag unterstellen wollte, stand damit plötzlich die Frage der Zukunft der Räte im Vordergrund. Während der Vorsitzende Karl Moltmann erklärte, dass für die Räte „als politischer Machtfaktor [...] kein Platz mehr“ sei, wandte sich der Unabhängige Hans Fuchs „ganz gewaltig gegen den Abbau des Rätesystems“ und trat für die Errichtung einer „Klassendiktatur“ ein. Eine dritte Position nahm Rudolf B erendt ein, der, über die Position Moltmanns, die Räte zu einem „wirtschaftliche[n] Sprachorgan der Arbeiterschaft“ werden zu lassen, hinausgehend, ihren „Einbau in die Regierungsstellen“ forderte. Eine Einigung konnte die Versammlung nicht erzielen; stattdessen wurde der Antrag, Neuwahlen vorzunehmen, angenommen. Das Fazit: „Wir stehen auf dem Boden des mecklenburgischen Landtags“, das der Vorsitzende zum Abschluss der Diskussion formulierte, wirkte vor diesem Hintergrund mehr als Beschwörung denn als Konsens.251
246 Vgl. RoA, 8. März 1919. 247 Den Bedeutungsverlust der Räte zeigen auch die in der Presse veröffentlichten Beschränkungen der Befugnisse. So durften die Räte beispielsweise keine Fahrscheine mehr für Züge ausstellen und wurden die mit der „Inschrift ‚Soldatenrat‘ versehenen Dienstsiegel“ gegenüber der Generaleisenbahndirektion „für ungültig erklärt“. MN, 7. Juni 1919; MW, 18. April 1919. 248 Vgl. RoA, 13. Feb. 1919. 249 Krüger: Arbeiter- und Soldatenräte; MZ, 14. Feb. 1919. 250 MVZ, 23. Feb. 1919. Zu den Ereignissen vgl. LZM, 23. und 25. Feb. 1919; MVZ, 23. Feb. 1919; RoA, 23. Feb. 1919; RoA, 29. März 1919. 251 MZ, 21. Feb. 1919. Tatsächlich wurde Schwerin nur eine Woche später noch einmal durch den Ruf: „Die Revolution ist vor der Tür!“ aufgeschreckt, doch auch diesmal konnten sich die Aufrührer, unter ihnen Fuchs, nicht durchsetzen. MW, 28. Feb. 1919. Vgl. LZM, 5. März 1919; MN, 28. Feb. 1919; MN, 4. März 1919; MW, 9. März 1919; MZ, 1. März 1919.
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Nur einen Monat später, am 23. März 1919, stellten sich auf einer Konferenz in Schwerin sämtliche Arbeiterräte des Landes hinter die Position Berendts und forderten das Volksministerium auf, ihren Mitgliedern in den Kreisbehörden für Volksernährung und bei den Demobilmachungsämtern das volle Stimmrecht zu übertragen sowie die Arbeiterräte als „wirtschaftspolitische[n] Faktor“ in die Verfassung einzubauen.252 Tatsächlich beschloss die Regierung wenig später, dass die von den Räten „eingerichtete Zentralstelle [...] und die von dieser [...] bei der Landesbehörde und den Kreisbehörden für Volksernährung bestellten Vertrauensmänner und Kontrolleure [...] bis auf weiteres als Glieder“ der jeweiligen Behörde von Bestand bleiben und als „Kontrollstelle bei der Kreisbehörde für Volksernährung“ bezeichnet werden sollten.253 Gleichzeitig ging sie jedoch auch auf Distanz zu den Räten. Zur Konferenz, zu der sie geladen worden war, hatte sie „keinen Vertreter entsandt, [...] nicht einmal geantwortet“.254 An Bedeutung verloren die Räte nach und nach auch in den Städten, wo ihre Arbeit zunehmend als „unnötig“ angesehen und mit der Einstellung der bislang gewährten Unterstützung begonnen wurde.255 Noch im März, wenige Tage nach den demokratischen Wahlen zu den Bürgerausschüssen, beendete der Arbeiterrat Wismar seine „Bürotätigkeit“256 und löste sich der Arbeiterrat in Neustadt auf.257 Neben einer mangelnden Unterstützung sorgten zudem ein sinkendes Interesse und eine steigende Unzufriedenheit mit der Arbeit der Räte für deren Auflösungen.258 Gleichwohl lassen sich auch gegenläufige Trends ausmachen. So kam es in einigen Städten und 252 Vgl. MVZ, 25. März 1919. An der Konferenz nahmen insgesamt 53 Delegierte teil. Vgl. ebd. 253 Bekanntmachung vom 26. März 1919, betreffend Kontrollstellen bei der Landesbehörde und den Kreisbehörden für Volksernährung, in: Rbl. Nr. 58, 29. März 1919, S. 301. Vgl. dazu auch MN, 1. April 1919. In Bezug auf eine verfassungsrechtliche Anerkennung indes wollte das Volksministerium seine Entscheidung von der Entschließung des Reiches abhängig machen. Vgl. Wendorff, in: Landtag, 1920, 13. Sitzung, 9. April 1919, Sp. 338–339. 254 MVZ, 25. März 1919. 255 MVZ, 8. Feb. 1919. In Grevesmühlen etwa wurde die Übernahme der Geschäftskosten des Arbeiterrats durch die Stadtverordnetenversammlung einstimmig abgelehnt, in Gadebusch nur noch einem Mitglied eine Aufwandsentschädigung gezahlt und in Ludwigslust dem Gremium das Dienstzimmer im Magistratsgebäude genommen. Vgl. MZ, 22. Juli 1919; MZ, 19. Sept. 1919; RoA, 18. Juli 1919. In Parchim verzichtete der Arbeiterrat zunächst auf eine Entschädigungszahlung an den Vorsitzenden. Vgl. LZM, 14. Feb. 1919; MN, 8. Aug. 1919; MN, 25. Sept. 1919; MZ, 2. Aug. 1919. 256 LZM, 4. März 1919. Vgl. auch MN, 4. März 1919; MVZ, 4. März 1919; MW, 2. März 1919; MZ, 3. März 1919. 257 Anlässlich der letzten Sitzung des Arbeiterrats, die feierlich im Rathaus abgehalten wurde, lobte der Senator Hermann Züchtig die Tätigkeit des Rates, dem es gelungen sei, „fast alle Wünsche der Einwohnerschaft zu erfüllen“. MN, 7. März 1919. Vgl. auch MVZ, 6. März 1919; MZ, 6. März 1919. Im August 1919 wurde die Idee eines Arbeiterrats, allerdings als wirtschaftspolitisches Gremium, wiederbelebt. Wahlberechtigt waren insgesamt 400 organisierte Arbeiter, von denen jedoch nur 251 von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. Vgl. MZ, 13. Aug. 1919. 258 In Gadebusch etwa musste eine durch den Arbeiter- und Bauernrat einberufene Diskussionsversammlung, da kaum Rückmeldungen kamen, vertagt werden. Vgl. MVZ, 17. April 1919. Proteste gegen einzelne Räte wurden nicht mehr seitens der Landwirte, sondern, wie etwa in Rostock, durch Arbeitslose oder Hausfrauen vorgebracht. Vgl. RoA, 25. und 28. Feb. 1919.
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Ortschaften zu Solidaritätsbekundungen259 und Neuwahlen.260 Den veränderten Verhältnissen Rechnung tragend, beschränkte der Zentrale Arbeiter- und Soldatenrat im Juli 1919 erneut den Aufgabenbereich der Räte. Den „Richtlinien über die künftige Tätigkeit“ entsprechend, sollten nur noch Beschwerden angenommen und bei Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vermittelt werden. Als Grundlage der Räte kämen demnach, so formulierte es auch ein Beschluss des Rostocker Arbeiterrats, nur noch die Gewerkschaften in Frage.261 Neben dem Rückgang der Aufgabenfelder, dem mit der Ankündigung des verfassunggebenden Landtags verbundenen Legitimationsverlust und der Diskreditierung durch die Putschversuche ist das Ende der Rätebewegung in Mecklenburg-Schwerin vor allem auf ein Erstarken der Selbstverwaltungsbestrebungen in den Städten, in denen bekanntlich – einer Anordnung des Volksministeriums entsprechend – bis zum Ende des Jahres 1918 demokratische Wahlen zu den Bürgerausschüssen stattgefunden hatten,262 zurückzuführen. So forderte in Schwerin der frühere Staatsminister Stratmann ganz direkt, dass die Kontrolltätigkeit des Arbeiter- und Soldatenrats beim Magistrat eingestellt werde, da es sich hierbei um einen „Eingriff in die Selbstverwaltung der Stadt“ handele.263 Tatsächlich zog der Arbeiter- und Soldatenrat wenig später sein Mitglied im Magistrat, Wilhelm Haller, zurück.264 Ähnliches geschah auch in Parchim, wo sich der Arbeiterrat „durch die gewählten Körperschaften als überholt“ betrachtete.265 Nachdem die Stadtverordnetenversammlung, aus ganz ähnlichen Motiven wie Stratmann, die Anstellung eines Mitglieds des Arbeiterrats beim Magistrat abgelehnt hatte, wurde auch in Bützow die Zusammenarbeit beendet.266 Mit den Wahlen und der damit verbundenen Begründung verfassungsrechtlicher Zustände verloren die als Organe der Revolution entstandenen Räte zudem ihre Legitimität. Deutlich wird dies in der Anfrage des Gehlsdorfer Gemeindevertreters Marquardt, „auf Grund welchen Rechts der Arbeiterrat neben dem Gemeinde vorstand seine Tätigkeit ausübe“. Seiner Ansicht nach war nur die „demokratische Gemeindeverwaltung“ befugt, eine Kontrollinstanz einzusetzen. Gegen die Räte als Aufsichtsbehörde sprach zudem, dass in vielen Kommunen „dieselben Herren“, die Mitglieder der Arbeiterräte waren, auch in den Bürgervertretungen saßen und sich 259 Eine Volksversammlung gegen die Einstellung der Entschädigungszahlungen an die Mitglieder des Arbeiterrats ist etwa für Wittenburg belegt. Vgl. LZM, 14. Juni 1919; MZ, 3. Juni 1919. Für den Arbeiterrat engagierten sich auch die Crivitzer, die dem Gremium einen Büroraum im Rathaus zur Verfügung stellten. Vgl. MZ, 7. Okt. 1919. 260 Wahlhandlungen fanden u. a. in Arendsee, Boizenburg, Brunshaupten, Malchin, Neubukow, Parchim, Ribnitz und Waren statt. Vgl. MN, 8. Aug. 1919; MN, 25. Sept. 1919; MVZ, 24. April 1919; MVZ, 11. und 30. Juli 1919; MVZ, 21. Aug. 1919; MVZ 18. Sept. 1919; MZ, 2. Aug. 1919. 261 MVZ, 30. Juli 1919. Der Beschluss des Gremiums erfolgte gegen die Stimmen der USPD, die daraufhin ihre Zusammenarbeit aufkündigte und Neuwahlen forderte. Vgl. ebd. 262 Vgl. Kap. 3.3. 263 MZ, 13. Feb. 1919. 264 Vgl. MZ, 15. Feb. 1919. 265 LZM, 14. Feb. 1919. 266 Vgl. MZ, 15. Feb. 1919.
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der Arbeiterrat „als Kontrollorgan für die Gemeindeverwaltung [...] selbst kontrol lieren“ würde.267 Durch die Gründung lokaler Einwohner- und Sicherheitswehren, zu denen die Reichsregierung im Frühjahr 1919 aufgerufen hatte, wurden die Räte erneut einer ihnen während der Revolution zugefallenen Funktion entledigt.268 Allein für Grabow lässt sich die Einbeziehung des örtlichen Arbeiterrats nachweisen.269 Die privaten Milizen, die „gemäß den Vorschriften des Reichswehrministeriums und des Ministeriums des Innern auf breitester demokratischer Grundlage“ errichtet werden sollten, unterstanden der Kontrolle der Vorsitzenden der Kreisbehörden.270 Vorwiegend auf Initiative der alten Ortsobrigkeiten, d. h. der Magistrate und Gutsbesitzer, errichtet, verstanden sie sich häufig jedoch nicht nur als Ordnungsmacht, sondern insbesondere als Schutztruppe gegen sozialistische bzw. kommunistische Bestrebungen.271 Durch die Entdeckung illegaler Waffenlager einzelner Wehren, „namentlich vom fla267 MVZ, 1. Mai 1919. In Dömitz etwa waren zwei der sechs Bürgervertreter zugleich Mitglied des dortigen Soldatenrats. Vgl. MZ, 31. Dez. 1918. 268 Zum Aufruf, Wehren in Mecklenburg-Schwerin zu gründen, vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 165: Wendorff an Magistrate und Kreisbehörden für Volksernährung, 22. März 1919. Vgl. auch Wendorff, in: Landtag, 1920, 25. Sitzung, 17. Juni 1919, Sp. 865–866. Zur Konstituierung einzelner Wehren vgl. exemplarisch LZM, 15. April 1919; LZM, 28. und 29. Juni 1919; MN, 26. und 28. Juni 1919; MN, 23. Juli 1919; MVZ, 28. März 1919; MVZ, 11. Juli 1919; MVZ, 15. Aug. 1919; MW, 16. April 1919; MW, 1. Juli 1919; MZ, 19. und 26. März 1919; MZ, 1. April 1919; RoA, 27. und 28. März 1919; RoA, 18. April 1919; RoA, 2. Mai 1919; RoA 29. Juni 1919; RoA, 2. und 11. Juli 1919. In einigen Orten wie Bützow, Rostock, Schwaan und Wismar wurde der Antrag, eine Bürgerwehr aufzustellen, u. a. mit Verweis auf die in der Nähe stationierten Garnisonen abgelehnt. Vgl. LZM, 13. Mai 1919; MVZ 1. Aug. 1919; MVZ 4. Sept. 1919; MW, 6., 9. und 14. Mai 1919; MZ, 4. Feb. 1920; MZ, 3. April 1920; MZ, 8. Mai 1919; MZ, 25. Okt. 1919; RoA, 21. Mai 1919; RoA, 26. Okt. 1919; RoA, 5. Feb. 1920. Auf dem Lande scheiterten die Bemühungen teilweise an den notwendigen Finanzen. Erwünscht war hier oftmals auch nur eine stärkere Kontrolle der Chausseen durch die staatlichen Organe. Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 165, Bl. 42–46: Sitzung des Landes-Bauern- und Landarbeiterrat, 4. April 1919, Protokoll Schumann. 269 Vgl. MZ, 26. März 1919. 270 Wendorff, in: Landtag, 1920, 25. Sitzung, 17. Juni 1919, Sp. 865–866. Vgl. auch LHAS, 12-4/2, Nr. 165: MdI an Kreisbehörden für Volksernährung, Magistrate der Städte, DA, KA und Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter, 28. Mai 1919. Für die Richtlinien des Reiches vgl. ebd.: RMdI an StM, 25. April 1919. 271 Die vermutlich erste Bürgerwehr Mecklenburg-Schwerins wurde in Parchim als „Anti-Spartakustruppe“ gegründet. MZ, 26. März 1919. Vgl. auch MN, 20. März 1919; MW, 20. März 1919. Gegen „links“ richtete sich auch der Beschluss des Bürgerausschusses Teterow, eine „Ordnungswehr“ zu schaffen. Bereits im März 1919 hatte dort der Stadtverordnete Wilhelm Weinaug davor gewarnt, dass eine „zweite Revolution“ drohe und dazu aufgerufen, nicht „machtlos“ zu bleiben. MVZ, 21. März 1919. Vgl. MN, 20. Juli 1919; MW, 17. Juli 1919; MVZ, 14. Aug. 1919. Ähnlich wurde auch bei der Gründung der Einwohnerwehren in Güstrow und Hagenow argumentiert. Vgl. MN, 23. Juli 1919; MW, 24. Juli 1919; MZ, 1. März 1919; MZ, 17. Juni 1919. Deutlich wird die politische Ausrichtung der Wehren auch in der Besetzung der leitenden Positionen mit Personen, die dem rechtskonservativen Lager angehörten, und der Beteiligung von Kriegervereinen. Vgl. LZM, 1. Juni 1919; MN, 1. Juni 1919; MVZ, 3. Sept. 1919; MZ, 31. Mai 1919; RoA, 13. April 1919. Für die Zusammensetzung der Einwohnerwehren auf den Gütern vgl. exemplarisch MVZ, 5. Feb. 1920.
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chen Lande“,272 alarmiert, forderte der Arbeiterrat Schwerin bereits im September 1919 eine „vollständige Entfernung der Kriegervereine und Einwohnerwehren“, die als „schwere Gefährdung der gegenwärtigen Verfassung“ empfunden wurden.273 Private Sicherheitsorgane sollten, so auch der Beschluss der Anfang Oktober tagenden Konferenz sämtlicher Arbeiterräte des Landes, nur dann genehmigt werden, wenn ihre Gründung durch alle Einwohner gewünscht und in ihr alle politischen Strömungen und sozialen Gruppen vertreten seien.274 Mit dieser Entscheidung verloren allerdings auch die Räte ihre Existenzberechtigung. Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick darauf, dass, wie oben geschildert, „in manchen Städten [...] die Arbeiterräte eingegangen“ waren, verwundert es nicht, dass die Delegierten eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Räte herbeizuführen wünschten.275 Angesichts der noch wenige Tage zuvor „wegen der Lebensmittelschwierigkeiten“ im Lande aufgetretenen „Unruhen“276 und der Bekanntgabe von „42 oder 43“ neuen Arbeiterräten277 trat Berendt, wie bereits im Februar 1919, dafür ein, die Räte als Kontrollorgane in der Verfassung Mecklenburg-Schwerins zu verankern. Notwendig seien die Räte insbesondere, um in einzelnen Betrieben die Einhaltung tariflicher Bestimmungen, wie etwa die Einhaltung des Acht-Stunden-Tags, zu kontrollieren. Bestärkt wurde Berendt in seiner Forderung durch das Gerücht, die Konstituante in Mecklenburg-Strelitz beabsichtige, den Räten ein solches Mitwirkungsrecht zu gewähren. Der Unabhängige Fuchs hingegen lehnte den Vorschlag, der die Räte aus seiner Sicht zu einer „Spitzelorganisation“ degradieren würde, ab und drängte erneut zur politischen Machtübernahme. Für Moltmann hatten die Räte ausgedient; ihre Aufgabe könne nur noch darin bestehen, „Aufklärung in das Volk zu tragen und es 272 MVZ, 23. Aug. 1919. Für einzelne Funde vgl. etwa MVZ, 13. Mai 1920; MVZ, 23. Aug. 1919; MVZ, 5. Sept. 1919. 273 MVZ, 3. Sept. 1919. 274 Vgl. MVZ, 9. Okt. 1919. Ferner sollten sämtliche Wehren den Kreisbehörden unterstellt und von diesen „zu einheitlichen Organisationen zusammengeschlossen“ werden. Ebd. Aus Sicht des Justizministers, des SPD-Politikers Fritz Henck, sahen die „Freunde von links [...] in Wirklichkeit Gespenster“. MVZ, 11. Okt. 1919. Gleichwohl wurde eine Kommission eingesetzt, die, aus zwei Regierungsvertretern und vier Mitgliedern des Arbeiterrats bestehend, sämtliche in Mecklenburg-Schwerin durch den Staat an Einwohnerwehren ausgegebene Waffen registrieren sollte. Vgl. MVZ, 3. Sept. 1919. Dass die Einwohnerwehren nicht immer „auf dem Boden der Regierung“ standen, wie Wendorff noch im Juni 1919 behauptete, zeigt die Entwaffnung der Wehren in Mueß, Rukieten und Tramm. Vgl. Stelling, in: Landtag, 1920, 43. Sitzung, 9. Okt. 1919, Sp. 1408–1409. Vgl. dazu auch MW, 14. und 17. Feb. 1920; MZ, 13. und 17. Feb. 1920; MZ, 12. Juni 1919; RoA, 24. Sept. 1919; RoA, 13. Feb. 1920. Für das Zitat vgl. Wendorff, in: Landtag, 1920, 25. Sitzung, 17. Juni 1919, Sp. 865–866. 275 MW, 19. Sept. 1919. Zum Delegiertenschlüssel vgl. MVZ, 20. Sept. 1919. 276 MVZ, 9. Okt. 1919. Zu den großen Demonstrationen in Rostock, Stavenhagen und Waren vgl. LZM, 24., 26. und 29. Juni 1919; LZM, 2. Juli 1919; MN, 10. Sept. 1919; MW, 16. Sept. 1919. 277 MVZ, 9. Okt. 1919. Hierbei handelte es sich höchstwahrscheinlich nur um die Anzeige der neugewählten Gremien und der bei den Kreisbehörden für Volksernährung angestellten lokalen Kontrolleure. Die Annahme ergibt sich aus der Erklärung des Zentralen Arbeiterrats, wonach die Personalkosten der neugegründeten Räte durch die Landesbehörde für Volksernährung getragen wurden. Vgl. ebd.
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für den Sozialismus reif zu machen“. Anders als noch im Februar gelang diesmal eine Einigung. Am 5. Oktober 1919 beschlossen die Arbeiterräte Mecklenburg-Schwerins, „politisch nicht mehr [...] tätig“ zu sein. Auf „wirtschaftlichem Gebiete“ hingegen wollten sie ihre „Kontrolltätigkeit im Interesse der gesamten Volksernährung weiter ausüben“.278 Nur einen Tag später trat der Zentrale Arbeiterrat mit dem Volksministerium in Gespräche zur Regelung der künftigen Zusammenarbeit ein. Vereinbart wurde zum einen, die Kontrollstellen bei den Kreisbehörden für Volksernährung bis auf weiteres von Bestand zu lassen, zum anderen die Aufstellung einer Sicherheitspolizei, die das Ende der privaten Milizen bedeutete und das Gewaltmonopol zurück in die Hände des Staates gab.279 Das offizielle Ende der Räte erfolgte am 1. März 1920, als die Bestimmung zur Leistung von Entschädigungszahlungen ihrer bei den einzelnen Landes- und Kommunalbehörden tätigen Mitglieder außer Kraft trat.280 Wenige Tage später wurde durch den Kapp-Lüttwitz-Putsch, der die Ergebnisse der Staatsumwälzung rückgängig zu machen suchte, die Frage der Räte nochmals virulent. Nach dem Scheitern des Staatsstreichs, zu dem, wie im Reich, so auch in Mecklenburg-Schwerin sämtliche Bevölkerungsschichten beigetragen hatten, gelang es jedoch, die neu geschaffenen Strukturen schnell wieder aufzulösen.281 Überblickt man die Entstehung und Entwicklung der Arbeiter- und Soldatenräte Mecklenburg-Schwerins, die fast ausschließlich in den Städten,282 dann aber oftmals für das Umland mit gegründet wurden,283 fällt insbesondere der beständig geäußerte Anspruch, sowohl verfassungsändernd und Staatsrecht setzend als auch staatstragend zu wirken, auf. So waren die Räte, wie es Wendorff anlässlich der ersten Sitzung des Landtages am 21. Februar 1919 formulierte, „nicht nur die Schöpfer der Revolution“, sondern hatten sich „je länger, je mehr [...] zu ihren Schützern“ herausgebildet und dafür gesorgt, dass die „schweren Zeiten der Erschütterung so verhältnismäßig erträglich [...] dahingegangen“ waren.284 Durch die Schaffung einer das ganze Land erfassenden Organisations- und Verwaltungsstruktur, die den Räten innerhalb kürzester Zeit gelang, waren sie nicht nur im Bereich der Demobilisierung, sondern vor 278 MVZ, 9. und 12. Okt. 1919. 279 Vgl. Gesetz, betreffend Aufstellung einer Sicherheitspolizei in Mecklenburg-Schwerin. Vom 24. Oktober 1919, in: Rbl. Nr. 169, 6. Nov. 1919, S. 927–928. Zur Struktur vgl. Fuchs: Ordnungspolizei; Stelling, in: Landtag, 1920, 45. Sitzung, 21. Okt. 1919, Sp. 1490; Gladischefski, in: Landtag, 1920, 48. Sitzung, 24. Okt. 1919, Sp. 1537–1539. Vgl. auch LZM, 7., 11. und 29. Jan. 1920; MVZ, 23. und 29. Jan. 1920; MVZ, 8. und 14. Feb. 1920; MW, 28. Okt. 1919; RoA, 25. Sept. 1919. 280 Vgl. Bekanntmachung vom 16. Februar 1920, betreffend Entschädigung der Arbeiterräte, in: Rbl. Nr. 26, 28. Feb. 1920, S. 169. 281 Vgl. allgemein Mrotzek: Kapp-Lüttwitz Putsch. Vgl. auch Polzin: Kapp-Putsch. 282 Ausnahmen bildeten u. a. die Fleckengemeinden und die Ostseebäder Arendsee, Brunshaupten und Graal. In Domanialdörfern, auf Höfen und Gütern konnten Arbeiterräte kaum nachgewiesen werden. Vgl. Anm. 196. 283 Im engeren Ausschuss des Arbeiterrats Hagenow etwa saßen fünf Delegierte der Stadt und jeweils einer der umliegenden Orte in Hagenow-Heide und Hagenow-Land. Vgl. MN, 18. Nov. 1918; MVZ, 26. Nov. 1918; MZ, 18. Nov. 1918; RoA, 19. Nov. 1918. Zur Vertretung des Umlands vgl. auch MN, 25. Sept. 1919; MVZ, 4. Dez. 1918. 284 Wendorff, in: Landtag, 1920, 1. Sitzung, 21. Feb. 1919, Sp. 2.
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allem auch bei der Sicherung der Lebensmittelversorgung und der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung unverzichtbar geworden. Das Bestreben der Revolutionsorgane, zur Grundlage der Verfassung oder zumindest in diese aufgenommen zu werden, scheiterte indes. Neben der eigenen Diskreditierung lag die Ursache hierfür vor allem in der durch die Räte inspirierten oder direkt initiierten Gründung von kommunalen Organen der Selbstverwaltung wie den Volks- und Bürger-, aber auch den Bauern- und Landarbeiterräten, die, eine Demokratisierung der bestehenden politischen Gremien einfordernd, den Übergang zum Parlamentarismus einleiteten. Durch die Wahl von Mitgliedern der lokalen Arbeiter- und Soldatenräte in die Bürgervertretungen gelang es allerdings zugleich, diese zu integrieren; wenn auch nicht verfassungsrechtlich verankert, so waren sie doch personell vertreten. Dies galt auch in Bezug auf staatliche Behörden. Neben der Einrichtung der Kontrollstellen bei den Kreisbehörden für Volksernährung wurden Mitglieder der Räte auch in leitende Funktionen übernommen.285 Dieses Vorgehen scheint mit dafür verantwortlich gewesen zu sein, dass linksradikale Strömungen scheiterten und die Arbeiter- und Soldatenräte, ihre Beschränkung auf die Funktion einer Ordnungs- und Kontroll behörde akzeptierend, den Aufbau des neuen Staates mehrheitlich unterstützten. 2.4.2 Bauern- und Landarbeiterräte Anders als die Arbeiter- und Soldatenräte, deren Gründung spontan erfolgte, entstanden die Bauern- und Landarbeiterräte auf Anordnung von Reichsregierung und Reichsernährungsamt. Durch sie sollte, so der entsprechende Aufruf vom 12. No285 So wurden sowohl der Schweriner Bildhauer August Wiegandt als auch der aus Wismar stammende Gastwirt Paul Schwanke, beide Vertreter des Zentralen Arbeiterrats, zu Hilfsarbeitern im Ministerium ernannt. Zwei weitere Mitglieder des Gremiums, Karl Baecker und Rudolf Berendt, erhielten leitende Funktionen in der Landeskohlenstelle bzw. der Landesbehörde für Volksernährung. Nachgewiesen ist zudem die Ernennung von aktiven Mitgliedern lokaler Arbeiterräte zu Vorstehern der Kreisbehörden für Volksernährung. Hierbei handelte es sich u. a. um Wilhelm Höcker, Karl Köhler und August Krüger. Vgl. Bekanntmachung vom 6. Mai 1919, betreffend Bestellung eines stellvertretenden Vorsitzenden und Mitgliedes der Landesbehörde für Volksernährung, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 31, 17. Mai 1919, S. 152; Bekanntmachung vom 20. Juni 1919, betreffend Ernennung von Mitgliedern des Zentral-Arbeiterrats zu Hülfsarbeitern bei den Ministerien, in: Rbl. Nr. 102, 24. Juni 1919, S. 545; Bekanntmachung vom 21. Juli 1919, betreffend Bestellung zum Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Rostock, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 53, 26. Juli 1919, S. 240; Bekanntmachung vom 21. Juli 1919, betreffend Bestellung zum Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Ribnitz, in: Ebd.; Bekanntmachung vom 30. Oktober 1919, betreffend Bestellung eines stellvertretenden Vorsitzenden der Kreisbehörde für Volksernährung zu Grabow, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 89, 4. Nov. 1919, S. 413; Bekanntmachung vom 14. November 1919, betreffend Bestellung zum Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Güstrow, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 96, 22. Nov. 1919, S. 457; Bekanntmachung vom 28. November 1919, betreffend Bestellung eines Vertreters des Kommissars für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Ludwigslust, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 100, 2. Dez. 1919, S. 482. Vgl. auch LZM, 26. Juni 1919; MN, 27. Juli 1919; MW, 25. Juni 1919; MVZ, 25. Juni 1919; MVZ, 18. Sept. 1919; MZ, 17. Mai 1919; RoA, 22. Juli 1919.
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vember 1918, zum einen die Volksernährung, zum anderen, als Garant einer „ungehinderte[n] Fortführung der ländlichen Betriebe“, Ruhe und Ordnung auf dem Lande sichergestellt werden. Über Wahlmodus und Struktur der Gremien wurde indes nichts bestimmt, sondern lediglich bemerkt, dass es sich um „freiwillige selbstgeschaffene Orts- und Gemeindeausschüsse“ handeln solle.286 In Mecklenburg-Schwerin nahm der Landwirtschaftslehrer der Ackerbauschule Dargun, Hermann Wuttke, zugleich Hilfsarbeiter bei der Kreisbehörde für Volksernährung in Hagenow,287 den Aufruf der Reichsregierung zum Anlass, ein 11-PunkteProgramm aufzustellen, das neben einer grundsätzlichen Änderungen der Agrarverfassung Mecklenburgs288 die Schaffung einer einheitlichen Kommunalverfassung forderte. Als erste Schritte bezeichnete Wuttke dabei einerseits die Einführung der freien Selbstverwaltung in den domanialen Dorfgemeinden, andererseits die Aufhebung der auf den Rittergütern lastenden obrigkeitlichen Rechte und damit verbunden die Ablösung der ritterschaftlichen Bauern und ihre Zusammenfassung zu besonderen Dorfgemeinden. Deren Grundlage hätten, so Wuttke, die Bauernräte zu bilden. Bei deren Konstituierung wiederum empfahl er, sich auf den Mecklenburgischen Landwirtschaftlichen Verein zu stützen, dessen Organisation „nur weiter nach unten ausgebaut werden“ müsste, bis „in jeder Gemeinde ein Bauernrat vorhanden“ sei, der die „Erfassung und Ablieferung der Landeserzeugnisse an die Verteilungsstellen“ übernehmen könne. Als geeignet sah Wuttke zudem die bestehende „Ein- und Verkaufsgenossenschaft“ an, die „sich mühelos als Grundlage für einen zu bildenden Bauernrat benutzen“ ließe.289 Tatsächlich zeigten jedoch weder der Verein noch die Genossenschaften Ambitionen, eine bäuerliche Bewegung zu initiieren. Der Grund dafür lag zum einen in ihrer für diese Aufgabe zu geringen Verbreitung, zum anderen in der starken Differenzierung der ländlichen Bevölkerung. Neben den ritterschaftlichen Bauern gab es landlose Einlieger oder Landarbeiter, über einen kleinen Garten verfügende Häusler, ferner Büdner, die Flächen von bis zu acht Hektar bewirtschafteten, Pächter domanialer Höfe und nicht zuletzt die Pächter und Besitzer der großen Rittergüter, die aufgrund ihrer unterschiedlichen sozialen und rechtlichen Stellung ganz verschiedene Interessen verfolgten.290
286 Zitiert nach MVZ, 15. Nov. 1918. Vgl. auch MZ, 13. Nov. 1918. 287 Vgl. Staatskalender, 1918, S. 480. 288 Zu den grundlegenden Forderungen zählten hierbei die Abschaffung der Erbpachtverhältnisse, die freie Verfügung über Grund und Boden sowie die Ablösung der auf dem Grund und Boden ruhenden Reallasten wie Kirchen-, Pfarr- und Schullasten. Darüber hinaus trat Wuttke für eine „Aufteilung der großen Besitzungen auf gesetzlicher Grundlage“ ein, die dem „Grundsatz: Ueber 1.000 Morgen sollen nicht in einer Hand vereinigt sein“ folgen müsse. Wuttke: Bauernräte. Vgl. dazu auch die Throneingabe des Vereins für domaniale Interessen vom Oktober 1918, in: LZM, 23. Okt. 1918; MW, 26. Okt. 1918; MVZ, 27. Okt. 1918. 289 Wuttke: Bauernräte. Zur Struktur und Tätigkeit des Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Mecklenburgischen landwirtschaftlichen Vereins vgl. etwa LHAS, 5.12-4/2, Nr. 153. 290 Vgl. Bollbrügge: Landvolk. Vgl. auch Mager: Bauerntum.
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Der „erste Bauernrat Mecklenburgs“, der am 18. November 1918 in der Gemeinde Lankow im Domanialamt Schwerin gegründet wurde, entstand spontan. Allerdings sah die konstituierende Versammlung dessen Aufgabe weniger in der Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung, sondern trat, wie es auch durch Wuttke angeregt worden war, für eine Demokratisierung der Gemeindeverwaltung ein. Die freie und allgemeine Wahl des bislang staatlich ernannten Gemeindevorstehers „auf eine begrenzte Reihe von Jahren“ fordernd, beschloss sie „einstimmig“, den amtierenden Schulzen, sollte er „der neuen Zeit nicht Rechnung tragen“, sofort abzusetzen und kommissarisch den die „einzelnen Interessengruppen“ des Dorfes vertretenden Bauernrat mit der Geschäftsführung zu betrauen.291 Zur Stärkung ihrer Position warb die Versammlung beim Arbeiter- und Soldatenrat Schwerin erfolgreich um „Mitarbeit und Schutz“.292 Wie bei den Arbeiter- und Soldatenräten lassen sich auch in Bezug auf die Bauern- und Landarbeiterräte zwei unterschiedliche Gründungsmuster erkennen. Neben lokalen Akteuren293 traten, dem bisherigen Modell des Räteexports folgend, auch die Arbeiter- und Soldatenräte der umliegenden Städte, die die paritätisch aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzten Bauernräte „als Notbehelf der regierungslosen Zeit“ akzeptierten,294 als Initiatoren hervor.295 Gleichwohl blieb das Verhältnis zwischen den vorwiegend städtischen Revolutionsorganen und den neu entstandenen Gremien der ländlichen Verwaltung ambivalent. Deutlich wird dies insbesondere am Beispiel des Bauern- und Landarbeiterrats Zarrentin, der, weil „Gutsbesitzer usw. hereingekommen“ seien, vom Arbeiter- und Soldatenrat in Wittenburg „nicht anerkannt und für ungültig erklärt“ worden war.296 Die wenig später in Anwesenheit des Vorsitzenden des Wittenburger Soldatenrats und eines Mitglieds des Schweriner Arbeiterrats vorgenommene Neuwahl hingegen, die den aus Lübeck stammenden SPD-Parteisekretär Franz, der nur einen Tag zuvor die Gründung einer
291 MN, 19. Nov. 1918. Der Schulze Erbpächter Friedrich Fischer zeigte sich kompromissbereit. Er wurde wenig später Mitglied der Kommission zur Gründung eines Bauernrats im Amtsgerichtsbezirk Schwerin. Vgl. LZM, 29. Nov. 1918. 292 MZ, 18. Nov. 1918. 293 Hierzu zählen etwa die Gründungen in Garlitz, Kuhstorf, Lübesse und Viez sowie die des Bauernrats der Stadt Marlow, in dessen Vorstand drei Ackerbürger, ein Pastor und ein Vorarbeiter saßen. Vgl. MN, 22. und 23. Nov. 1918; MN, 3. Dez. 1918; MVZ, 24. Nov. 1918; MZ, 23. Nov. 1918; RoA, 24. und 26. Nov. 1918; RoA, 4. Dez. 1918. 294 MVZ, 4. Dez. 1918. 295 Nach einer Rede des Schweriner Musketiers Jerring, der die „Notwendigkeit der Bodenreform“ betonte, kam es beispielsweise in Brüel zur Konstituierung eines Bauernrates. MVZ, 26. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 24. Nov. 1918; MW, 3. Dez. 1918; MW, 12. Feb. 1919; MZ, 25. und 26. Nov. 1918; RoA, 23. und 24. Nov. 1918. Auf die Agitation von Mitgliedern der Arbeiterund Soldatenräte sind ferner die Gründungsversammlungen in Dassow und Granzin zurückzuführen. Vgl. MN, 30. Nov. 1918; MZ, 26. Nov. 1918; RoA, 1. Dez. 1918. 296 MVZ, 4. Dez. 1918. Vgl. auch MN, 25. Nov. 1918; RoA, 26. und 30. Nov. 1918; RoA, 3. Dez. 1918.
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sozialdemokratischen Ortsgruppe in Zarrentin veranlasst hatte,297 zum Vorsitzenden bestimmte, wurde freudig begrüßt.298 Die Sozialdemokraten kritisierten insbesondere, dass der Name Bauernrat nur ein „Deckmantel“ sei, während tatsächlich „das alte Mächteverhältnis“ zwischen Landarbeitern und Guts- bzw. Hofbesitzern nicht im Sinne einer tariflichen Gemeinschaft oder gar einer kommunalen Selbstverwaltung aufgelöst, sondern aufrechterhalten wurde.299 So kam es immer wieder zu Interventionen der Sozialdemokraten bzw. der durch sie angerufenen Arbeiter- und Soldatenräte, die die Bildung von Bauern- und Landarbeiterräten, die der Vorsitzende der Ortsgruppe Grevesmühlen und spätere Amtshauptmann des gleichnamigen Amtes, Heinrich Sauer, mit „abfälligen Worten“ als „Mißgeburt“ bezeichnete, zu beeinflussen oder gar zu verhindern suchten.300 Im Umland der Stadt Rostock, wo die Initiative zur Gründung von Bauern- und Landarbeiterräten ebenfalls vom Arbeiter- und Soldatenrat ausging, wurde indes auf eine freie Wahl gesetzt und seitens des durch den Arbeiter- und Soldatenrat ernannten provisorischen Bauernrats301 eine konstituierende Versammlung der „Landwirte aller Besitzgrößen“ einberufen.302 Der Aufforderung, „bei der Neuordnung der Verhältnisse“ mitzuarbeiten, kamen „annähernd 2.000 Landleute“ der Amtsgerichtsbezirke Doberan, Ribnitz und Rostock nach. Ziel der Zusammenkunft, die am 19. November 1918 in der Rostocker Philharmonie stattfand, war sowohl die Wahl von Gremien für die einzelnen Bezirke als auch die eines „Vereinigten Bauernrats“. Ihnen sollte die Aufgabe, „Orts- und Gutsausschüsse“ zu bilden, übertragen werden.303 Zum Vorsitzenden des Vereinigten Bauernrats wurde Hans Ohloff, stellvertretender Vorsitzender der Mecklenburgischen Landwirtschaftkammer304 und Präsident des Mecklenburgischen Landwirtschaftlichen Vereins, gewählt.305 Auf diese Weise konnten, Wuttkes Anregungen folgend, bereits bestehende Strukturen genutzt werden, was mit Blick auf die fehlende Basis nützlich erschien.306 Dass das Rostocker Modell als erfolgreich angesehen wurde, zeigen die wenig später in einigen Amtsgerichtsbezirken abgehaltenen 297 Vgl. MVZ, 28. Nov. 1918. 298 Vgl. MVZ, 4. Dez. 1918. 299 MVZ, 30. Nov. 1918. 300 MN, 29. Nov. 1918. In Grevesmühlen etwa löste der Arbeiter- und Soldatenrat die konstituierende Versammlung einfach auf und verhinderte so die Wahl des dortigen Bauernrats. Vgl. MW, 26. und 29. Nov. 1918; RoA, 6. Dez. 1918. 301 Vgl. RoA, 16. Nov. 1918. Vgl. dazu auch MN, 23. Nov. 1918. Vgl. auch RoA, 26. Nov. 1918. 302 MN, 16. Nov. 1918; MVZ, 16. Nov. 1918. 303 MN, 23. Nov. 1918; MVZ, 22. Nov. 1918; RoA, 22. Nov. 1918. Bereits in der Einladung war allerdings dazu aufgefordert worden, „überall Vorschläge zur Bildung von Bauernräten zu machen“. MN, 16. Nov. 1918; MVZ, 16. Nov. 1918. 304 Für die 1916 eingerichtete Kammer vgl. Bormann: Landwirtschaftskammer; Krug: Landwirtschaftskammer. 305 Vgl. MN, 21. Nov. 1918; MVZ, 22. Nov. 1918. Vgl. Staatskalender, 1918, S. 74 und S. 485. 306 So verfügte der Bauernrat etwa über eine eigene Geschäftsstelle und ein eigenes Informationsblatt. Vgl. MVZ, 22. Nov. 1918. Überliefert ist eine Nummer vom 23. November 1918, in der sich Informationen zur Lohngestaltung, zur „Schaffung von Wohnungsgelegenheiten auf dem Lande“, zur Einrichtung von Sammelstellen für die „lückenlose Ablieferung der landwirtschaftli-
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konstituierenden Versammlungen.307 Neben den dortigen Arbeiter- und Soldatenräten trat dabei die Mecklenburgische Landwirtschaftskammer als Initiator auf. Nur einen Tag vor der Rostocker Zusammenkunft, am 18. November, hatte sie „zur sofortigen Bildung von Bauernräten“ aufgerufen und gleichzeitig „in allen Amtsgerichtsbezirken geeignete Herren“ mit der Vorbereitung einer Gründungsversammlung beauftragt.308 Die Entscheidung für die insgesamt 43 Amtsgerichtsbezirke als kommunale Gliederung der Bauern- und Landarbeiterräte ergab sich höchstwahrscheinlich aus der dort im Bereich der Justiz bereits teilweise aufgehobenen staatsrechtlichen Dreiteilung des Landes, durch die ein einheitlicher Verwaltungsraum geschaffen worden war.309 Gleichzeitig war damit der ursprüngliche Gedanke, Räte in den Ortschaften zu bilden und diese dann, dem Rätegedanken entsprechend, zentrale Gremien bilden zu lassen, obsolet geworden. Tatsächlich blieb es teilweise bei den von oben erfolgten Gründungen oder wurde sich, wie etwa im Amtsgerichtsbezirk Malchow, im Lokalen auf Räte für die einzelnen Kirchspiele beschränkt.310 Das gleiche Phänomen lässt sich auch mit Blick auf die Wahl von regionalen Bauern- und Landarbeiterräten beobachten. Lediglich in Teilen schritten die Delegierten der Amtsgerichtsbezirke so wie in Rostock zur Konstituierung von Räten für die Kommunalverbände,311 die 1916 als Bezirke der Kreisbehörden für Volksernährung geschaffen worden waren und wie die Amtsgerichtsbezirke einheitliche Verwaltungsgebiete darstellten.312 Das Engagement der Landwirtschaftskammer bei den Gründungen der Bauernund Landarbeiterräte erwies sich jedoch als problematisch, da dem Selbstverständnis des Verbands entsprechend weniger die Demokratisierung und Selbstverwaltung des platten Landes, als vielmehr die Interessenswahrung der landwirtschaftlichen Produzenten im Vordergrund stand. Deutlich wird dies etwa am Vorschlag des von der
chen Erzeugnisse an die staatlichen Verteilungsstellen“ und zu den Höchstpreisen finden. Zur Umsetzung der einzelnen Forderungen, hieß es, stelle der Arbeiter- und Bauernrat des Kommunalverbandes „die in seinen Händen befindliche bewaffnete Macht zur Verfügung“. LHAS, 5.123/1, Nr. 1019. 307 Nachgewiesen sind solche Versammlungen für die Amtsgerichtsbezirke Dargun, Goldberg, Güstrow, Malchin, Malchow, Neukalen, Stavenhagen, Teterow, Waren und Wismar. Vgl. MN, 27. und 29. Nov. 1918; MN, 26. Nov. 1918; MN, 5. und 7. Dez. 1918; MW, 3. und 30. Dez. 1918; MZ, 22. Nov. 1918; RoA, 26., 27. und 30. Nov. 1918; RoA, 1. und 3. Dez. 1918. 308 MN, 21. Nov. 1918. 309 Zur Diskussion und Einführung der Amtsgerichtsbezirke in Folge der Reichsjustizgesetze von 1877 vgl. John: Spannungsfeld, S. 100–109. Ein ähnliches Phänomen stellten u. a. im Bereich des Gesundheitswesens die Medizinalbezirke dar. Einheitliche Verwaltungsräume bildeten ferner die zwölf Aushebungsbezirke der Militärverwaltung. Vgl. dazu auch Kap. 1.1, S. 10. 310 Vgl. MN, 5. Dez. 1918. 311 Belegt ist dies für den Kommunalverband Wismar. Vgl. MN, 2. Dez. 1918; MVZ, 1. Dez. 1918; MW, 30. Nov. 1918; MZ, 3. Dez. 1918; RoA, 3. Dez. 1918. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die Gründung des Kreisbauern- und Landarbeiterrats im Kommunalverband Hagenow, die auf Initiative der dortigen Kreisbehörde für Volksernährung erfolgte. Vgl. MZ, 26. Nov. 1918; RoA, 28. Nov. 1918. 312 Vgl. Bekanntmachung vom 29. Juli 1916 zur Ausführung der Bundesratsverordnung vom 29. Juni 1916 über Brotgetreide und Mehl aus der Ernte 1916, in: Rbl. Nr. 118, 1. Aug. 1916, S. 701–709, besonders S. 703, §§ 4–7.
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Landwirtschaftskammer ernannten Arbeitsausschusses zur Konstituierung eines Kreisbauernrats für den Kommunalverband Schwerin. Demnach sollte das Gremium aus jeweils zehn Gutsbesitzern, Hofpächtern, Büdnern, Häuslern und Arbeitern bestehen. Gegen diese Regelung, die eine Dominanz der Arbeitgeber begründet hätte, protestierte der Lankower Bauernrat und wandte sich hilfesuchend an den Arbeiterund Soldatenrat Schwerin. Dessen Mitglied Rubensohn verurteilte das Vorhaben „in scharfen Worten“, da es, so die vereinfachende Kritik, „geeignet sei, die Herrschaft der Ritter durch Knute und Peitsche zu stärken, während der A.- und S.-Rat die unteren Klassen frei machen wolle“.313 Die Sozialdemokratie ging noch einen Schritt weiter und lehnte sämtliche „nach den Richtlinien der Landwirtschaftskammer“ gebildeten Organisationen ab.314 Dass der Vorschlag des von der Landwirtschaftskammer eingesetzten Arbeitsausschusses, dem – bewusst oder unbewusst – das berufsständische Prinzip der Gemeindeversammlungen der domanialen Dorfgemeinden zu Grunde lag, aufgrund der erwähnten sozialen Differenzierung durchaus den Befindlichkeiten der ländlichen Bevölkerung hätte entgegenkommen können, zeigt die Wahl des Bauern- und Landarbeiterrats in Jarmstorf im Domanialamt Gadebusch. Wahlvorschläge für die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer wurden hier „überhaupt nicht gemacht, sondern die einzelnen Gruppen wählten unter sich“.315 Auf der konstituierenden Versammlung, in der jede domaniale Dorfgemeinde durch einen Erbpächter, einen Büdner, einen Häusler und einen Arbeiter, jeder domaniale Pachthof und jedes ritterschaftliche Gut durch dessen Besitzer und einen Arbeiter vertreten war,316 sprach sich die Mehrheit allerdings gegen den Vorschlag der Landwirtschaftskammer aus. Der Anregung Rubensohns folgend beschloss das Plenum eine Kommission mit der Festsetzung des Wahlmodus’ zu beauftragen, die aus je einem Guts- bzw. Hofbesitzer, je einem Erbpächter und Büdner sowie zwei Häuslern, drei Landarbeitern und einem Vertreter des Schweriner Arbeiter- und Soldatenrates gebildet werden sollte.317 Die Arbeit des Ausschusses endete allerdings, noch bevor sie begonnen hatte, erließ doch kurz darauf das Volksministerium gemeinsam mit dem Zentralen Arbeiter- und Soldatenrat grundsätzliche Bestimmungen zur Wahl von Bauern- und Landarbeiterräten, die auf den bereits am 21. November veröffentlichten Richtlinien des Reichsernährungsamtes aufbauten. Demnach hatte jedes Gremium aus mindestens sechs Personen zu bestehen, die „zu gleichen Teilen“ aus im „Hauptberuf selbständigen Landwirten“ einerseits und Landarbeitern bzw. nicht landwirtschaftlich tätigen Personen der Landbevölkerung andererseits zu wählen waren. Zur Grundlage der Bauern- und Landarbeiterräte wurden die staatlichen Verwaltungsbezirke bestimmt. Ausgenommen allerdings waren seitens des Reiches die Gutsbezirke, die, ihre spätere Auflösung in Mecklenburg-Schwerin wie in den meisten Ländern des Reiches vorwegnehmend, 313 MZ, 28. Nov. 1918. Vgl. auch MVZ, 30. Nov. 1918; MVZ, 1. Dez. 1918. 314 MVZ, 30. Nov. 1918. 315 MVZ, 15. Dez. 1918. 316 Vgl. MN, 22. Nov. 1918; MZ, 27. Nov. 1918. Mit je zwei Ackerbürgern waren auf der Versammlung auch die Städte Crivitz und Schwerin vertreten. Vgl. ebd. 317 Vgl. LZM, 29. Nov. 1918. Zur Diskussion vgl. auch MN, 27. Nov. 1918; MZ, 28. Nov. 1918.
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einer benachbarten Ortschaft angeschlossen werden sollten. 318 Der Verwaltungsgliederung des jeweiligen Landes entsprechend, hatten die Räte Kommunal- und Landesorgane zu bilden. In Mecklenburg-Schwerin wurde dabei auf die zwölf Kommunalverbände zurückgegriffen. Sinnvoll erschien dies nicht zuletzt, um den Apparat der Räte, auch mit Rücksicht auf die Bereitschaft der Landbevölkerung, derartige Funk tionen zu übernehmen, möglichst zu begrenzen. Den Vorsitz der Kreisbauern- und Landarbeiterräte hatte jeweils ein Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrats der Stadt zu übernehmen, die Sitz der zuständigen Kreisbehörde für Volksernährung war. Die Leitung des Landesgremiums wurde einer Doppelspitze, bestehend aus einem Vertreter des Ministeriums und der Landesbehörde für Volksernährung, übertragen.319 Die konstituierende Sitzung des Landesbauern- und Landarbeiterrats war für den 4. Januar 1919 vorgesehen.320 Im Anschluss an die Bildung der Bauern- und Landarbeiterräte sollte die „Zuständigkeit in Angelegenheiten der Landwirtschaft von den A.- und S.-Räten“ auf diese übergehen. Ihre Aufgabe bestand damit in erster Linie in der „Mitwirkung und Beratung bei Erfassung und Schutz der vorhandenen Lebensmittel“ sowie der „Bekämpfung des Schleichhandels“. Daneben sollten sie Vorschläge zum Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe, etwa durch die Sicherung von Saatgut und die „Förderung des Genossenschaftswesens“, erarbeiten und bei der „Aufnahme der entlassenen Kriegsteilnehmer und der Beschaffung von Arbeit und Wohnung für diese“ mitwirken.321 Die kommunalen Gremien als auch das Landesorgan waren berechtigt, jeweils einen Vertreter an die zuständige Kreis- bzw. Landesbehörde für Volksernährung zu entsenden.322 Der sowohl im ersten Aufruf des Rats der Volksbeauftragen als auch im Programm Wuttkes und in den spontanen Bauernratsgründungen MecklenburgSchwerins erkennbare Anspruch, die Räte nicht nur zu Keimzellen einer Demokrati318 Bekanntmachung vom 9. Dezember 1918, betreffend die Wahl von Bauern- und Landarbeiterräten, in: Rbl. Nr. 224, 13. Dez. 1918, S. 1655–1657. Zur Auflösung der Gutsbezirke im Rahmen der Kommunalgebietsreform vgl. Kap. 5.2.1 und Kap. 6.3. 319 Vgl. Bekanntmachung vom 9. Dezember 1918, betreffend die Wahl von Bauern- und Landarbeiterräten, in: Rbl. Nr. 224, 13. Dez. 1918, S. 1655–1657. Vgl. dazu auch MN, 13. Nov. 1918; MVZ, 15. Nov. 1918; MW, 19. Nov. 1918; MZ, 13. Nov. 1918. 320 Vgl. MVZ, 31. Dez. 1918. Wahlen entsprechend der neuen Bestimmungen sind u. a. für die Kommunalverbände Rostock und Schwerin belegt. Vgl. MN, 4. Dez. 1918; MW, 24. Dez. 1918; MVZ, 31. Dez. 1918; MZ, 4. Dez. 1918. 321 Bekanntmachung vom 11. Januar 1919, betreffend Bauern- und Landarbeiterräte, in: Rbl. Nr. 9, 13. Jan. 1919, S. 41–42. In der Bekanntmachung wurde zudem die Höhe der an die Mitglieder der einzelnen Gremien zu zahlenden Entschädigung festgelegt. Vgl. dazu auch Bekanntmachung vom 7. Juni 1919 zur Abänderung der Bekanntmachung vom 11. Januar 1919, betreffend Bauern- und Landarbeiterräte, in: Rbl. Nr. 95, 11. Juni 1919, S. 519. 322 Vgl. MZ, 26. Nov. 1918; RoA, 28. Nov. 1918. Eine gesetzliche Regelung ließ sich nicht ermitteln. Bereits vor Erlass der Bestimmungen zur Wahl der Bauern- und Landarbeiterräte allerdings waren die Kreisbehörden für Volksernährung zur Aufnahme eines Vertreters „des kleineren bäuerlichen Grundbesitzes [...], der ihnen von den der Kreisbehörde zugeteilten Mitgliedern des Arbeiter- und Soldatenrates benannt“ werden sollte, verpflichtet worden. Bekanntmachung vom 30. November 1918, betreffend die Kreisbehörden für Volksernährung, in: Rbl. Nr. 214, 2. Dez. 1918, S. 1579.
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sierung des platten Landes, sondern auch einer kommunalen Selbstverwaltung werden zu lassen, war damit ad acta gelegt worden. Ein Grund dafür mögen die wenige Tage vor Erlass der Bekanntmachung initiierten Vorarbeiten zur Durchführung einer Verfassungs- und Gebietsreform gewesen sein, die u. a. auf die Durchführung von demokratischen Wahlen zielten und deshalb den Aufbau von Räten als Nebenregierungen auf lokaler Ebene nicht erwünscht erscheinen ließen.323 Die Verpflichtung zur paritätischen Besetzung der Bauern- und Landarbeiterräte mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie die Beschränkung der Gremien auf wirtschaftliche Fragen verschlechterte die Beziehungen zu den Arbeiter- und Soldatenräten. Zeigen lässt sich dies am Beispiel des Vereinigten Bauernrats Doberan, Ribnitz, Rostock, der die Anerkennung des Programms des Rostocker Arbeiter- und Soldatenrats verweigerte und dessen Forderung, eine „Gegenrevolution“ auch „mit den Waffen in der Hand zu unterdrücken“, ablehnte. Auf der Vollversammlung des Arbeiter- und Soldatenrats am 14. Dezember 1918 protestierten daraufhin mehrere Delegierte gegen eine Beteiligung der Gutsbesitzer an den Räten und verlangten den Ausschluss der Mitglieder des Bauern- und Landarbeiterrats von den Sitzungen des Arbeiter- und Soldatenrats, an denen sie, wie die Vertreter des Rostocker Bürgerrats, mit beratender Stimme teilnahmen. Der Antrag scheiterte zwar, dem Bauern- und Landarbeiterrat wurde aber auf unabsehbare Zeit das volle Stimmrecht und die Teilnahme an „den engeren Sitzungen“ verweigert.324 Ein weiteres Problem stellte die Bestimmung des Reichsernährungsamtes dar, wonach nur ortsansässige Personen in die Bauern- und Landarbeiterräte gewählt werden durften.325 Auf diese Weise wurden, so die Klage einer Versammlung der Häusler und Landarbeiter des Kommunalverbands Schwerin, nicht nur die „befähigtsten Land bewohner“, sondern auch ihre „geistigen Führer“ in den städtischen Arbeiter- und Soldatenräten, der Gewerkschaft und den Parteien von einer Mitwirkung in den Bauern- und Landarbeiterräten ausgeschlossen.326 Dass der Rückzug der Arbeiterund Soldatenräte aus den Gremien durch das Volksministerium gewollt war, verdeutlicht die Absetzung der Mitglieder, die bis dato den Vorsitz der Kreisbauern- und Landarbeiterräte zu übernehmen hatten, bzw. des im Landesbauern- und Landarbeiterrat sitzenden Vertreters Anfang Februar 1919. Die neue Regelung, die eine freie Wahl des Vorsitzenden vorsah, schloss die betreffenden Arbeiter- und Soldatenräte allerdings nicht gänzlich aus, sondern gestand ihm das Recht, mit beratender Stimme an den Sitzungen teilzunehmen, zu.327
323 Vgl. dazu Kap. 5.2.1 und 5.3.2. 324 MZ, 14. Dez. 1918. 325 Vgl. Bekanntmachung vom 9. Dezember 1918, betreffend die Wahl von Bauern- und Landarbeiterräten, in: Rbl. Nr. 224, 13. Dez. 1918, S. 1655–1657, hier S. 1656. 326 MZ, 14. Dez. 1918. 327 Vgl. Bekanntmachung vom 3. Februar 1919, betreffend Abänderung der Bekanntmachung vom 9. Dezember 1918, betreffend Wahl von Bauern- und Landarbeiterräten, in: Rbl. Nr. 32, 13. Feb. 1919, S. 161–162.
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Ein Jahr später, im Februar 1920, endete die staatliche Förderung der Bauernund Landarbeiterräte und begann ihre Auflösung als Behörde des Landes,328 die sich jedoch bis Ende Mai 1921 hinzog.329 Sucht man abschließend den Erfolg der Bauern- und Landarbeiterräte Mecklenburg-Schwerins zu bemessen, so muss das Urteil differenziert ausfallen. In Bezug auf die Sicherung der Lebensmittelversorgung beschränkten sich die Gremien fast ausschließlich auf Berichtstätigkeiten bzw. verstanden sich, betrachtet man die Protokolle ihres Landesgremiums, lediglich als Kontrollorgan und Schlichtungsausschuss der Behörden für Volksernährung.330 Die geplante Mitwirkung bei Beratung und Erfassung von Ablieferungsbeständen indes wurde nicht realisiert. Dies lag nicht zuletzt daran, dass sich, so die Einschätzung der Landesbehörde für Volksernährung, die Bauern- und Landarbeiterräte „immer mehr auf den Standpunkt“ stellten, dass die „Landwirte nicht abzuliefern brauchen, wenn die [...] Preise nicht erhöht werden“.331 Die Kontrolle der Nahrungsmittelproduzenten oblag zum großen Teil den Arbeiter- und Soldatenräten, die zudem die ebenfalls den Bauern- und Landarbeiterräten zugewiesene Aufgabe der Vermittlung von Arbeitskräften übernahmen.332 Dass es den Arbeiter- und Soldatenräten dabei nicht nur um einzelne Ernte- oder Ablieferungskampagnen ging, verdeutlicht der Appell „Vermeidet die großen Städte. Ihr findet anderwärts bessere Ernährung und Unterkunft“, der sich sowohl an die aus dem Kriege kommende Landbevölkerung als auch an die städtischen Arbeiter richtete und für eine „dauernde Beschäftigung in der Landwirtschaft“ warb.333 Um den Anreiz zu erhöhen setzten sich die Räte, die Aufgaben der Bauern- und Landarbeiterräte übernehmend, für Ansiedlungsprojekte und eine Verbesserung der ländlichen Arbeitsverhältnisse ein.334 Neben Mindest- und Akkordlöhnen, die auf Initiative des Volksministeriums zwischen Vertretern der Landarbeiter und Mitgliedern der Land328 Vgl. Bekanntmachung vom 6. Februar 1920 zur Abänderung der Bekanntmachung vom 11. Januar 1919, betreffend Bauern- und Landarbeiterräte, in: Rbl. Nr. 22, 21. Feb. 1920, S. 117. Die Finanzierung erfolgte fortan durch Mitgliedsbeiträge, die nach Hektargröße des Betriebes gestaffelt waren. Vgl. dazu auch Bekanntmachung vom 12. Juni 1920 zur Ergänzung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1920, betreffend Bauern- und Landarbeiterräte, in: Rbl. Nr. 98, 16. Juni 1920, S. 804. 329 Vgl. Bekanntmachung vom 24. Mai 1921, betreffend Auflösung der Kreis-Bauern- und Landarbeiterräte und des Landes-Bauern- und Landarbeiterrates, in: Rbl. Nr. 70, 28. Mai 1921, S. 603. 330 Vgl. dazu LHAS, 5.12-4/2, Nr. 166 und Nr. 167. Als Schlichtungsausschuss trat der Rat immer dann in Erscheinung, wenn die zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgehandelten Tarifverträge gebrochen worden waren oder einzelnen Gütern seitens der Kreisbehörden für Volksernährung die Zwangsbewirtschaftung angedroht wurde. Vgl. ebd. 331 Landesbehörde für Volksernährung an Landes-Bauern- und Landarbeiterrat, 15. Juni 1919, LHAS, 5.12-4/2, Nr. 165. 332 Neben den Arbeiter- und Soldatenräten engagierten sich auch die Arbeitsämter der Landwirtschaftskammer. Für den Aufruf der Güstrower Behörde, heimkehrende Soldaten mögen sich dort melden, vgl. RoA, 1. Dez. 1918. 333 MZ, 30. Nov. 1918. 334 Die Voraussetzungen hierfür waren bereits durch die seitens des Reichs angeordnete Aufhebung der Gesindeordnung und des eingeschränkten Koalitionsrechts der Landarbeiter gegeben. Vgl. Aufruf des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche Volk. Vom 12. November 1918, in: RGBl. T. 1, Nr. 153, 1918, S. 1303–1304.
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wirtschaftskammer in Schwerin ausgehandelt wurden, ging es auch um die Verbesserung der Lage der größtenteils aus Polen und Russland stammenden Saisonarbeiter, die während des Krieges dem stellvertretenden Generalkommando in Altona unterstellt und durch ein Verbot des Stellenwechsels „den Gutsherren auf Gnade und Ungnade“ ausgeliefert worden waren.335 Im Anschluss an die Wiederherstellung der Freizügigkeit, die durch den Arbeiter- und Soldatenrat Rostock bereits verkündet und wenig später durch das Volksministerium gesetzlich festgeschrieben wurde,336 erhielten auch sie Anspruch auf einen Mindestlohn.337 Der damit verbundenen Gefahr eines plötzlichen Arbeitskräftemangels in der Landwirtschaft traten allerdings sowohl die Arbeiter- und Soldatenräte als auch die Bauern- und Landarbeiterräte entgegen. Tatsächlich gelang es im Aushebungsbezirk Güstrow und in der Umgebung von Stavenhagen, die als Schnitter bezeichneten ausländischen Arbeiter solange „zum Verbleiben zu bewegen, bis die zum Teil noch nicht geborgenen Hackfrüchte eingeheimst“ worden waren.338 Mit Blick auf die Schaffung kommunaler Strukturen indes waren die Räte im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfolgreicher. Durch sie wurden einerseits demokratische Prinzipien in die Landbevölkerung getragen, andererseits zwar nicht flächendeckend, aber in einzelnen Gemeinden Formen der Selbstverwaltung eingeführt. Da, anders als bei den Arbeiter- und Soldatenräten Wahlvorschriften des Reiches, die eine paritätische Besetzung der Gremien mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern forderten, berücksichtigt werden mussten und – gemessen an der ursprünglichen Konzeption – ein relativ eng abgestecktes Tätigkeitsfeld vorgegeben war, konnten derartige Initiativen allerdings nicht ausgebaut werden und beschränkten sich die Räte auf wirtschaftliche Fragen. Gleichwohl gelang es ihnen, den Forderungen der Land bevölkerung nach einer Demokratisierung Ausdruck zu verleihen. Auf diese Weise beförderten sie die im Gegensatz zu anderen Ländern des Deutschen Reiches in Mecklenburg-Schwerin recht frühzeitig begonnene verfassungs- und verwaltungsrechtliche Neuordnung des platten Landes.
335 MVZ, 20. und 30. Nov. 1918. 336 Vgl. MVZ, 30. Nov. 1918; Bekanntmachung vom 9. Dezember 1918, betreffend Arbeitsstellenwechsel ausländischer Arbeiter, in: Rbl. Nr. 221, 11. Dez. 1918, S. 1618–1619. 337 Der festgesetzte Mindestlohn lag bei 3,50 Mark täglich. Vgl. Bekanntmachung vom 16. Dezember 1918, betreffend ausländische Schnitter, in: Rbl. Nr. 230, 19. Dez. 1918, S. 1693. Vgl. dazu auch MVZ, 19. Dez. 1918. 338 MZ, 10. Dez. 1918. Vgl. MN, 2. Dez. 1918; MZ, 3. Dez. 1918; RoA, 3. Dez. 1918.
Teil 2: Zwischen Tradition und Erneuerung. Die Kommunalverwaltung in Mecklenburg-Schwerin 3. Die Stadtgemeinden 3.1 Die Stellung der Städte vor 1918 Wie die Rittergüter stellten auch die Städte Mecklenburg-Schwerins eigene Rechtskreise dar. Im Gegensatz zur Ritterschaft standen die Mitglieder der als Landschaft bezeichneten Korporation der Städte allerdings schon immer stärker unter dem Einfluss des Landesherrn. Sich Vorteile bei der Steuererhebung sowie Schutz und Unterstützung gegen die Ritterschaft versprechend, hatten sie sich bereits im 17. Jahrhundert der herzoglichen Verwaltung unterstellt.1 Der damit verbundene Eingriff in das freie Stadtregiment beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Gewährung von Einblicken in Einnahmen und Ausgaben, sondern hatte auch verfassungsrechtliche Folgen. Aus dieser Zeit rührt etwa die Ernennung bzw. Bestätigung der Bürgermeister durch den Landesherrn, die 1918 noch in 32 Städten vorgeschrieben war.2 Neben dem Herrschaftsanspruch bestand seitens des Monarchen der Wunsch nach einer einheitlichen Verwaltung. Die 1708 eingereichte Vorlage einer allgemeinen Ordnung für die städtischen Verfassungen scheiterte jedoch an den Widerständen der Städte. Erst 55 Jahre später, 1763, gelang es mit der Steuer-, Polizei- und städtischen Kämmereikommission, eine „umfassende Mittelbehörde über den Städten“ zu errichten.3 Auf ihr Betreiben wurde eine Reihe von Bürgermeistern aus ihren Ämtern entlassen und durch studierte Personen ersetzt.4 Erst im Juli 1827 erhielten die Städte das innere Regiment und die selbständige Verwaltung ihres Vermögens zurück.5 Die Oberaufsicht über das Städtewesen allerdings verblieb bei der Regierung. Das dort eingerichtete Special-Department für städtische und PoliceiAngelegenheiten hatte bei „Missbräuchen aller Art [...], übler Verwaltung oder
1 Vgl. Struck: Städtepolitik, S. 312. Zur Durchführung der Haushaltsaufsicht wurde 1676 das Amt des Oberakzisemeisters geschaffen. 1702 übernahmen vier Steuerkommissare dessen Aufgaben, zu denen auch die Durchsetzung des Ansiedlungsverbots von Handwerkern auf dem platten Lande gehörte. Vgl. ebd. 2 Vgl. dazu Hacker: Stadtverfassungen. 3 Struck: Städtepolitik, S. 310–311. Vgl. dazu auch Wick: Absolutismus in Mecklenburg, S. 149; Boll: Culturgeschichte Mecklenburgs, Bd. 2, S. 206. 4 Vgl. Struck: Städtepolitik, S. 323–324. Eine Untersuchung bzw. statistisch-biographische Auswertung des Elitewandels steht noch aus. 5 Vgl. Struck: Land und Städte, S. 271; Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 73. Die Kommission selbst bestand als Steuer- und Zoll-Kollegium, dem durch Verordnung vom 31. Mai 1825 die Oberaufsicht über die Landzölle übertragen wurde, weiter. Vgl. Staatskalender, 1826, T. 1, S. 54. Die Angabe Strucks, die Behörde habe von 1763 bis 1827 bestanden, ist insofern nicht ganz zutreffend.
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schlechter Wirtschaft mit dem Stadtvermögen“ einzuschreiten.6 Darüber hinaus erarbeitete die Abteilung Vorschläge zur Vereinheitlichung der städtischen Verfassungen, die allerdings unberücksichtigt blieben.7 Gemeinsam war den Verfassungen lediglich die Anstellung des Bürgermeisters auf Lebenszeit und die Verpflichtung, diesen Posten mit einem Juristen zu besetzen.8 Eine erneute Chance, die unterschiedlichen Rechtskreise zugunsten einer modernen und effizienten Verwaltung aufzuheben, schien die Reichsverfassung vom 16. Januar 1871 zu bieten. Während der gesetzgeberische Druck des sich konstituierenden Nationalstaates im Bereich des Justiz- und Finanzwesens umfangreiche Reformen einleitete und altständische Rechte beseitigte,9 blieb der politische Aufbau der städtischen Verwaltung allerdings unangetastet. Dies änderte sich erst mit der Einführung der Weimarer Verfassung, deren Art. 17 die einzelnen Bundesstaaten bekanntlich verpflichtete, das Modell der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie zu übernehmen.10 Zu diesem Zeitpunkt hatte in Mecklenburg-Schwerin die Revolution schon Tatsachen geschaffen und das Volksministerium, sich an die Spitze der städtischen Reformbewegung stellend, freie Wahlen zu den Bürgerausschüssen angeordnet. Damit war zugleich der Anspruch, eine einheitliche Städteordnung einzuführen, dokumentiert.
3.2 Exkurs: Der Mecklenburgische Städtetag Neben einer Reform der städtischen Verfassungen führte die Staatsumwälzung auch zu einer Änderung der politischen Stellung der Städte innerhalb des Landes. Waren sie vor der Revolution neben der Ritterschaft als gleichberechtigtes Korps auf dem ständischen Landtag vertreten, so hatten sie dieses Privileg mit der Auflösung der Stände als öffentlich-rechtliche Korporation verloren.11 Aufgehoben war damit zugleich die Vormachtstellung der Städte Güstrow und Parchim, die als sogenannte Vorderstädte des wendischen bzw. des mecklenburgischen Kreises bei der politischen Entscheidungsfindung der Landschaft ein besonderes Gewicht besessen hatten.12 Die Privilegien der Seestädte Rostock und Wismar indes bestanden, als Vereinbarung zwischen diesen und dem Landesherrn geschlossen, einstweilen fort.13 Politisch allerdings hatten auch sie ihre Bedeutung verloren. 6 Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 73. Vgl. Staatskalender, 1828, T. 1, S. 26. 7 Vgl. Struck: Land und Städte, S. 274. Vgl. dazu auch Bericht der zur Prüfung staatsrechtlicher Gegenstände bestellten Committe über die XLI. E. A.-Proposition, betreffend Regulierung der Städteverfassung. 15. Dezember 1851, in: Raabe: Gesetzsammlung, Bd. 4, S. 873–893. 8 Vgl. Kommunale Rundschau, 20. März 1912. Vgl. auch Hacker: Stadtverfassungen. 9 Vgl. John: Spannungsfeld, S. 256; Manke: Steuersystem, S. 144–145. 10 Vgl. Die Verfassung des Deutschen Reiches. Vom 11. August 1919, in: RGBl. T. 1, Nr. 152, 14. Aug. 1919, S. 1383–1418, hier S. 1386–1387, Art. 17. 11 Vgl. Bekanntmachung vom 3. Dezember 1918, betreffend Aufhebung der Stände, in: Rbl. Nr. 215, 5. Dez. 1918, S. 1581–1582. 12 Vgl. Evers: Parchim, Vgl. auch Bei der Wieden: Mecklenburg, S. 131–133 und S. 146–148. 13 Vgl. dazu Kap. 3.4.
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Um ihre Interessen unter den veränderten Bedingungen wirkungsvoll vertreten zu können, schlossen sich die Städte bereits am 6. Dezember 1918, nur drei Tage, nachdem die Auflösung der Stände bekanntgegeben worden war, zum Mecklenburgischen Städtetag zusammen. Unter ihnen befanden sich, ganz im Sinne der von den Ständen seit 1523 betonten Zusammengehörigkeit beider Länder, auch die Städte Mecklenburg-Strelitz’.14 Die Gründung konnte so schnell erfolgen, weil schon vor dem Ersten Weltkrieg ein Zusammenschluss der Städte als Kooperation der Einwohner diskutiert worden war, der sich bewusst gegen die als undemokratisch empfundene Vereinigung in der ständischen Organisation wandte. Die Initiative, diese als „Bürgermeistertage“ bezeichneten Sitzungen der Landschaft durch gemeinsame Besprechungen der Magistrate und Bürgerausschüsse zu ergänzen, ging von Bürgervereinen aus, die sich in einzelnen Städten gegründet hatten. Sie wollten die Position der Bürgerausschüsse stärken und „die Bürgermeister zu Zusammenkünften mit den Stadtverordneten“ zwingen.15 Deutlich wird dieser Anspruch auch bei Betrachtung der Zusammensetzung der am 11. Februar 1912 in Güstrow abgehaltenen Versammlung zur Konstituierung eines Mecklenburgischen Städtetags: Ingesamt nahmen 67 Stadtverordnete und nur neun Magistrate teil.16 Während der Beratung, die sieben Jahre nach der Gründung des Deutschen Städtetags erfolgte,17 wurden zudem Vorschläge einer einheitlichen Städteordnung, die der Vorsitzende des Verbandes der mecklenburgischen Bürgervereine, Ernst Otto Reisner, und der Neubrandenburger Stadtverordnete Karl Meltz unterbreitet hatten, diskutiert und einer Kommission überwiesen.18 Der geplante Zusammenschluss scheiterte kurze Zeit später am Widerstand der Bürgermeister, die die Idee auf dem Frühjahrskonvent der Landschaft ablehnten.19 Mit der Staatsumwälzung änderte sich jedoch die Meinung. Die neuerliche Initiative ging von Otto Weltzin aus, der, seit 1911 Syndikus der Stadt Schwerin, während der Revolutionstage zum dortigen Bürgermeister gewählt worden war. 20 Nachdem die „ständische Verfassung [...] dahin und mit ihr [...] die Korporation der Städte ihre Bedeutung verloren“ hatte, war der Zusammenschluss der Städte für
14 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 625, Bl. 6–8. 15 MZ, 15. Aug. 1912. 16 Vgl. Kommunale Rundschau, 20. März 1912. Auffällig ist ferner, dass lediglich 23 Städte zur Entsendung von Delegierten aufgefordert und 19, darunter die beiden Seestädte, die Vorderstädte Güstrow und Parchim sowie die Garnisons- und Residenzstadt Ludwigslust, von vornherein ausgeschlossen worden waren. Vgl. dazu Tabelle 1 im Anhang. Möglicherweise war dabei die ablehnende Haltung dem Vorhaben gegenüber oder einfach die Tatsache, dass dort keine Bürgervereine existierten, ausschlaggebend. 17 Vgl. Metzger: Städtetag; Ziebill: Kommunalpolitik. Von den Städten der mecklenburgischen Großherzogtümer zählte zu diesem Zeitpunkt lediglich Rostock zu den Mitgliedern. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 624. 18 Vgl. Kommunale Rundschau, 20. März 1912. Für die Zusammensetzung des Ausschusses vgl. Tabelle 2 im Anhang. 19 Vgl. MZ, 15. Aug. 1912. 20 Vgl. LZM, 28. Nov. 1918; MN, 27. Nov. 1918; MW, 28. Nov. 1918; Staatskalender, 1912, T. 1, S. 548.
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Weltzin eine „zwingende Notwendigkeit“ geworden, um den städtischen „Interessen an maßgebender Stelle Gehör und Nachdruck zu verschaffen“.21 Neben Weltzin trat auf der bereits erwähnten Versammlung am 6. Dezember 1918 auch der Bürgermeister der Stadt Neustrelitz, Friedrich Albrecht, für die sofortige Gründung eines Mecklenburgischen Städtetags ein. Mit Blick auf die in Mecklenburg-Strelitz für den 15. Dezember 1918 anberaumte Wahl zur verfassunggebenden Versammlung wollte er damit auch ein Signal gegen die drohende Landesteilung setzen.22 Wilhelm Behn, seit 1901 Bürgermeister der Stadt Dömitz,23 hingegen wollte die Entscheidung den neuen, demokratisch gewählten Gremien überlassen und regte, ebenso wie der Bürgermeister der Stadt Fürstenberg, eine Vertagung des Vorhabens an. Zugleich kritisierte Behn, dass in der vorläufigen Satzung die Zahl der Vertreter einer Stadt und damit das Gewicht ihrer Stimme innerhalb des Städtetags von der Einwohnerzahl abhängig gemacht wurde.24 In diesem Punkte sei, so Behn und einige andere Stadtvertreter, die Regelung der landständischen Konvente „viel demokratischer“ gewesen. Mit Ausnahme der Vorderstädte hatte jede Stadt das gleiche Stimmgewicht. Der Antrag, jeder Stadt zwei Stimmen zu geben, scheiterte jedoch am Widerspruch der Delegierten.25 Angenommen wurde die Fassung des Entwurfs. Dies führte dazu, dass die „kleineren Städte“, wie der Bützower Stadtverordnete Schoof 1930 kritisierte, „auf dem Mecklenburgischen Städtetag nichts zu melden“ hatten. Da auch „im Gremium des Vorstandes die größten Städte“ dominierten, wurde „über ihre gewiß beachtenswerten Anträge“ oft „rücksichtslos lächelnd zur Tagesordnung übergegangen“.26 Neben diesem Gegensatz führten, allerdings nur während der ersten Jahre, zudem die unterschiedlichen Interessen zwischen den Mitgliedern der alten und der neugewählten Stadtobrigkeiten27 sowie das Verhältnis von Bürgervertretern und Bürgermeistern zu Diskussionen.28 Im November 1918 indes war die Frage des Delegiertenschlüssels nur zweitrangig. Vor dem Hintergrund der seitens des Volksministeriums für die Stadt Schwerin erlassenen Wahlordnung wurde die Debatte von der Sorge eines allgemeinen Verfas21 MZ, 7. Dez. 1918. Vgl. auch LZM, 7. Dez. 1918; MW, 7. Dez. 1918; RoA, 7. und 8. Dez. 1918. 22 Vgl. MZ, 7. Dez. 1918. 23 Vgl. Staatskalender, 1902, T. 1, S. 511. 24 Vgl. MZ, 7. Dez. 1918. Zum Delegiertenschlüssel vgl. AHR, 1.1.3.8, Nr. 361: Vorstand des Mecklenburgischen Städtetags an Mitglieder des Mecklenburgischen Städtetags, 28. Feb. 1919. 25 MN, 7. Dez. 1918. Vgl. auch MW, 7. Dez. 1918; MZ, 7. Dez. 1918; RoA, 7. und 8. Dez. 1918. 26 Bützower Zeitung, 4. Aug. 1930. 27 So sahen etwa Anfang des Jahres 1919 einige Ratsherren den Städtetag ob der „vielfach eingetretenen Veränderungen in der Zusammensetzung der Magistrate“ nicht in der Lage, „die Interessen aller Magistratsmitglieder genügend zu wahren“, und regten die Gründung einer „privaten Vereinigung der Bürgermeister (unter Zulassung weiterer geeigneter Magistratsmitglieder)“ an. AHR, 1.1.3.8, Nr. 361: Aufruf der Bürgermeister Capobus (Parchim), Kluge (Güstrow) und Pries (Neubrandenburg), 18. Feb. 1919. 28 Zur Beilegung des Streits wurde auf dem Städtetag im März 1919 der Vorschlag, die Delegationen der einzelnen Städte paritätisch zusammenzusetzen und bei ungerader Zahl „dem Bürgerausschuß das Recht der größeren Stimmenzahl“ zuzugestehen, angenommen. MN, 9. März 1919. Vgl. auch MZ, 8. März 1919. Hierbei handelte es sich jedoch nur um eine Empfehlung. Eine entsprechende Satzungsänderung ließ sich nicht nachweisen.
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sungsoktrois beherrscht und, um diesem entgegenzuwirken, auf die schnelle Gründung des Städtetags und die Annahme der vorläufigen Satzung gedrängt.29 Der Konstituierung am 6. Dezember 1918 in Schwerin, der mit Ausnahme der Vertreter von Crivitz, Krakow, Neukalen und Schönberg, denen keine ausreichende Vollmacht erteilt worden war, alle Delegierten zugestimmt hatten, folgte noch am selben Tag die Wahl des Vorstands.30 Den Vorsitz übernahm Otto Weltzin, der dieses Amt bis 1927 innehaben sollte.31 Bis Mai 1919 traten sämtliche Städte Mecklenburgs dem Bund bei.32 Der Einfluss des Städtetags auf die Landespolitik blieb jedoch gering. Verantwortlich dafür waren zum einen, insbesondere während der Debatte um die Städteordnung, innere Differenzen, die eine einheitliche Position verhinderten, zum anderen die Zurückhaltung von Regierung und Landtag, die in der Vereinigung eine Interessenvertretung sahen und sie entsprechend behandelten. So wurden die Städte etwa bei der Einführung einer durch sie zu tragenden einmaligen Kriegsteuerungszulage für die Lehrer der städtischen Volks- und Bürgerschulen schlicht übergangen.33 Lediglich zweimal, 1919 während der Verhandlungen der Städteordnung und 1922 anlässlich der Diskussion eines Landesfinanzausgleichs, gelang es dem Städtetag, vor einem Landtagsausschuss gehört zu werden. Das ihm während der ersten Jahre gewährte Privileg, schon vor der parlamentarischen Debatte Einsicht in einzelne Gesetzesentwürfe, etwa zur Landgemeinde- und zur Amtsordnung, nehmen zu können, endete 1922.34 Während der Staat auf dem Gebiet der Verwaltung immer mehr an Autonomie zu gewinnen suchte,35 beschränkte sich der Mecklenburgische Städtetag 29 Vgl. MN, 7. Dez. 1918; MW, 7. Dez. 1918; MZ, 7. Dez. 1918; RoA, 7. und 8. Dez. 1918. Die Initiative zur Änderung der Schweriner Wahlordnung war, so die Kritik der „Mecklenburgischen Zeitung“, vom Arbeiter- und Soldatenrat „diktatorisch“ verlangt und durchgesetzt worden. In dem Kommentar heißt es, die Sorgen der Städte aufgreifend, weiter: „Was heute in Schwerin möglich war, droht vielleicht morgen schon allen Städten des Landes“. MZ, 7. Dez. 1918. 30 Der Vorstand wurde aus drei Magistratsmitgliedern, drei Stadtverordneten und drei Personen, bei denen die kommunale Funktion nicht ausschlaggebend war, gewählt. Vgl. MN, 7. Dez. 1918. Vgl. dazu auch Tabelle 3 im Anhang. Die Regelung der Zusammensetzung des Vorstandes wurde bereits im Juni 1919 geändert. Künftig hatten, so der Antrag des Rostocker Stadtverordneten Wilhelm Dittrich, die drei Stadtverordneten im Vorstand zugleich Mitglieder der SPD zu sein. Der Antrag des Ribnitzer Stadtverordneten Bruno Joseph, wonach sechs des auf zwölf Personen erweiterten Gremiums Mitglieder der SPD sein sollten, war zuvor abgelehnt worden. Vgl. MN, 22. Juni 1919. Diese Änderung wurde später stillschweigend wieder zurückgenommen. 31 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626. 32 Vgl. MN, 9. März 1919; MZ, 28. Mai 1919. 33 Zum Protest gegen die Bestimmung, die vom Städtetag als „schwerer Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Städte“ gewertet wurde, vgl. LZM, 26. Jan. 1919; MN, 26. Jan. 1919; RoA, 25. Jan. 1919. Für das Zitat vgl. MZ, 24. Jan. 1919. Zum Erlass vgl. Bekanntmachung vom 4. Dezember 1918, betreffend die Gewährung laufender und einmaliger Kriegsteuerungszulagen bezw. Kriegsbeihilfen an die im Dienst stehenden und die im Ruhestand lebenden früheren Lehrer und Lehrerinnen an den Volks- und Bürgerschulen der Städte, sowie an Witwen dieser Lehrer, in: Rbl. Nr. 221, 11. Dez. 1918, S. 1624–1629. 34 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 625, Bl. 194: Mecklenburgischer Städtetag an StM, 20. März 1923. 35 Vgl. dazu etwa Bekanntmachung vom 15. Juni 1921, betreffend Inanspruchnahme der Städte durch die Staatsbehörden, in: Rbl. Nr. 80, 30. Juni 1921, S. 686.
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zunehmend auf ganz praktische Probleme der Kommunalpolitik, ohne dabei allerdings die großen gesellschaftlichen Fragen der Zeit auszublenden.36 Einen neuerlichen Einschnitt markierte die Gründung eines Städtetags für Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1925.37 Damit wurde, den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Unterschieden der beiden mecklenburgischen Staaten Rechnung tragend, zugleich das letzte Relikt ständischer Tradition aufgehoben. Der Anspruch einer gesamtmecklenburgischen Interessenvertretung allerdings blieb bestehen, wie das Bemühen, eine gemeinsame Anstalt zur Ausbildung und Schulung kommunaler Beamter zu errichten oder eine einheitliche Haushaltsführung durchzusetzen, dokumentiert.38 Im Jahr 1932 trat der Mecklenburgische Städtetag mit der Forderung, „die Finanzhoheit der Gemeinden und damit das Hauptmoment der Selbstverwaltung“ wiederherzustellen, letztmalig als eigenständige Organisation in Erscheinung.39 Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Durchsetzung des zentralistischen Führerprinzips wurde die Interessenvereinigung zu einem Mittel, staatliche Anweisungen umzusetzen. Zu diesem Zweck wurden in den durch die NSDAP geschaffenen und als Gau bezeichneten parteipolitischen Verwaltungsbezirken Gemeindetage gebildet, in die die einzelnen kommunalen Spitzenverbände überführt werden sollten. Im Gau Mecklenburg-Lübeck nahm der Gemeindetag seine Tätigkeit am 1. August 1933 auf und gehörte damit zu einer der ersten Unterabteilungen des am 15. Dezember 1933 gegründeten Deutschen Gemeindetags.40 Am gleichen Tag wurden „sämtliche Organisationen der Vergangenheit: Ämtertag, Städtetag, Bürgermeisterzusammenschluss usw. aufgehoben“ und das Gremium zur „einzige[n] Vertretung der Kreise, Städte und Landgemeinden“ erklärt.41 Tatsächlich diente es jedoch nicht der Artikulation kommunaler Interessen, sondern hatte, so der Vorsitzende Willi Burmeister, in erster Linie „dafür zu sorgen, dass in der gesamten Staatsverwaltung das Gedankengut Adolf Hitlers, seine Gesetze und Verordnungen, 100 %ig ausgeführt und in die Tat umgesetzt werden“.42 Im Dezember 1934 übernahm mit Richard Crull der Leiter des Amtes für Kommunalpolitik bei der Gauleitung Mecklenburg-Lübeck die Leitung des nunmehr als Landesdienststelle Mecklenburg des Deutschen Gemeindetags bezeichneten Mecklenburgischen Gemeindetags.43 Auf diese Weise war, wie der Reichsorganisationslei36 Vgl. dazu Tabelle 4 im Anhang. 37 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 49: Weltzin, Otto: 12. Mecklenburgischer Städtetag in Schwerin. Sonderdruck der MZ. Anlage zu Mecklenburgischer Städtetag an StM, Abt. Sozialpolitik, 21. Juni 1930. 38 Vgl. MZ, 8. Juni 1929. 39 MZ, 12. Nov. 1932. 40 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 144: „Aufgaben des Deutschen Gemeindetages“, ca. 1934; Gesetz über den Deutschen Gemeindetag. Vom 15. Dezember 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 142, 16. Dez. 1933, S. 1065–1067. 41 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 149: Burmeister an MdI, 17. Okt. 1933. 42 Ebd., Bl. 165–173: Ausschuss der Bürgermeister im Mecklenburgischen Gemeindetag, Sitzungsprotokoll, 2. Dez. 1933. 43 Vgl. ebd., Bl. 288: Crull an Hauptamt für Kommunalpolitik, 11. Dez. 1934. Für die Mitglieder des Vorstands vgl. Tabelle 5 im Anhang.
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ter im Hauptamt für Kommunalpolitik, Karl Fiehler, betonte, „wieder einmal in einem Gau die erforderliche Personalunion“ zwischen Parteigliederung und staatlicher Verwaltung hergestellt worden.44 Das Ziel, diese Verbindung weiter auszubauen, verfolgte auch die durch Crull wenig später begonnene Neustrukturierung des Mecklenburgischen Gemeindetags. Waren bislang Tagungen der getrennt voneinander in sogenannten Arbeitsgemeinschaften organisierten Bürgermeister und Landräte üblich, wurden auf der Grundlage zweier Landkreise künftig auch gemeinsame Versammlungen der kommunalen Akteure abgehalten. Neben den Bürgermeistern der Städte und Fleckengemeinden sowie der betreffenden Landräte nahmen hieran auch die Kreisleiter und Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik der NSDAP sowie ein Vertreter des Staatsministeriums teil.45 Durch die Bestimmung des Reichsinnenministeriums, sowohl auf Gau- als auch auf Kreisebene keine Versammlungen mehr zu organisieren, verlor der Gemeindetag ab September 1939 zunehmend an Bedeutung.46 Gleichzeitig gewannen jedoch die Vertreter der kommunalen Verwaltung an Einfluss. In der folgenden Zeit organisierte die Abteilung Inneres des Staatsministeriums für sie „in regelmäßigen kürzeren Zeitabständen“ Besprechungen, auf denen „kriegswirtschaftliche, darüber hinaus aber auch finanzielle Fragen behandelt“ wurden.47 Ab 1943 fanden auf Initiative der Landesdienststelle auch wieder Bürgermeister tagungen statt, auf denen u. a. über die Ernennung von Ersatzmännern für einberufene Gemeinderäte, die Energie- und Lebensmittelversorgung, die Zusammenarbeit mit der Hitler-Jugend und den Umgang mit „umquartierten Personen“ diskutiert wurde.48 Durch den vorstehenden Exkurs zum Mecklenburgischen Städtetag, der zugleich einen Beitrag zu den Formen städtischer Interessenvertretung in den Jahren zwischen 1900 und 1945 liefert, konnte gezeigt werden, dass die Städte als landespolitischer Machtfaktor in dem Maße an Bedeutung verloren, in dem es dem Staat gelang, seine Verwaltung zu zentralisieren. Während ihnen zwischen 1918 und 1933 die Möglichkeit, als Interessenverband Einfluss auf die Landespolitik zu nehmen, gewährt wurde, fiel dieses letzte Privileg mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Innerhalb 44 Ebd., Bl. 287: Reichsorganisationsleiter, Hauptamt für Kommunalpolitik an Gauamt für Kommunalpolitik Mecklenburg-Lübeck, 15. Dez. 1934. 45 Ebd., Bl. 303: Deutscher Gemeindetag, Landesdienststelle Mecklenburg an Landräte, Bürgermeister, Kreisleiter, 23. Nov. 1935. 46 Vgl. ebd., Bl. 405: RMdI an Deutscher Gemeindetag, 14. Sept. 1939; ebd., Bl. 428: StM, Abt. Inneres an Deutscher Gemeindetag, Landesdienststelle Mecklenburg, 9. April 1940; ebd., Bl. 423: RMdI an Deutscher Gemeindetag, 29. Jan. 1940. Die letzte Sitzung fand Anfang Dezember 1938 statt. Vgl. ebd., Bl. 414: Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Inneres, 2. Dez. 1939. 47 Ebd., Bl. 419: StM, Abt. Inneres an RMdI, 8. Jan. 1940. Hinzu kam eine „alle 14 Tage“ stattfindende Besprechung „mit dem Leiter des Bezirkswirtschaftsamtes Stettin“, an der die Landräte und Oberbürgermeister teilnehmen konnten und es auch „weitgehend“ taten. Ebd. 48 Ebd., Bl. 430–431: Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Innere Verwaltung, 9. Okt. 1943. Vgl. auch ebd., Bl. 432–433: Amt für Kommunalpolitik, Crull an Kreisleiter, Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister, 6. Okt. 1943; ebd., Bl. 434–436: Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Innere Verwaltung, 26. April 1944.
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nur weniger Jahre waren die Städte Mecklenburg-Schwerins damit – pointiert formuliert – von einem Verfassungsorgan zu ausführenden Behörden der staatlichen Verwaltung geworden.
3.3 Erste demokratische Wahlen zu den Bürgerausschüssen Der bereits erwähnte Protest des Rostocker Magistrats gegen den gemeinsamen Beschluss von Bürgerausschuss und Arbeiter- und Soldatenrat, für die Stadt eine Kon stituante wählen zu lassen,49 veranlasste das Volksministerium Ende November 1918, sämtlichen Magistraten des Landes die Anordnung von Wahlen „nach den bisherigen Vorschriften“ zu untersagen. Stattdessen sollte eine neue, durch den verfassunggebenden Landtag zu verabschiedende Wahlordnung eingeführt werden, die auf den Grundsätzen allgemein, gleich, geheim und direkt basieren würde.50 Bis dies geschehen sei, hatten die „nach den bisherigen Bestimmungen wegen Ablaufs der Amtszeit ausscheidende[n] Mitglieder der Bürgervertretung [...] bis auf weiteres im Amte“ zu bleiben. Nur in Ausnahmefällen, wie etwa in Rostock, wo „nach Lage der Verhältnisse [...] die Wahl einer konstituierenden Versammlung nicht aufzuschieben“ sei, erklärte sich das Volksministerium bereit, „einer vorläufigen Regelung“ die Genehmigung zu erteilen.51 Mit der Bestimmung wurden nicht nur die lokalen Verfassungsinitiativen beendet, sondern auch die seitens der Bevölkerung kritisierten, undemokratischen Herrschaftsverhältnisse aufrechterhalten. In Güstrow etwa hatte der Bürgerausschuss die von der Mehrheit der Einwohner geforderte Einführung des demokratischen Wahlrechts mit „Rücksicht auf die Bekanntmachung des Ministeriums“ abgelehnt.52 Vor diesem Hintergrund sah sich die Regierung wenige Tage später genötigt, konkret zu werden und in allen Städten des Landes Wahlen zu den Bürgerausschüssen anzuordnen, die „sobald wie möglich, spätestens am 29. Dezember 1918, unter Anwendung der neuen Richtlinien“ stattfinden sollten.53 Als Muster für die in den einzelnen Städten zu erarbeitenden Wahlordnungen empfahl das Ministerium die durch Magistrat und Bürgerausschuss der Stadt Schwerin verabschiedete Regelung. Der entsprechende Entwurf, mit dessen Annahme am 2. Dezember 1918 „Schwerin als erste Stadt in ganz Mecklenburg ein nach demokratischen Grundsätzen aufgebautes Wahlsystem“ erhielt,54 war nicht durch die beiden politischen Gremien, sondern seitens einer Kommission erarbeitet worden. In dieser saßen 49 Vgl. dazu Kap. 2.4.1, S. 53. 50 Bekanntmachung vom 23. November 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 207, 23. Nov. 1918, S. 1529–1530. 51 RoA, 17. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 15. Nov. 1918. Zu den Grundsätzen, auf denen die lokalen Bestimmungen zu beruhen hatten, vgl. Bekanntmachung vom 23. November 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 207, 23. Nov. 1918, S. 1529–1530. 52 MZ, 18. Nov. 1918. 53 Bekanntmachung vom 28. November 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 213, 30. Nov. 1918, S. 1560. Vgl. auch MN, 28. Nov. 1918. 54 MZ, 30. Nov. 1918.
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neben Vertretern der Stadt Abgeordnete des Volksministeriums, des Arbeiter- und Soldatenrats sowie Delegierte der Städte Parchim und Wismar, deren Vorschläge aber aufgrund langwieriger interner Beratungen nicht berücksichtigt werden konnten. Einer der größten Erfolge für die Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrats bestand in der Aufhebung der Forderung, die Städte in mehrere Wahlbezirke einzuteilen. Eine solche Bestimmung hätte das Wahlrecht nicht nur verkompliziert, sondern auch zu einer Benachteiligung der bevölkerungsreichen und damit zumeist jener Stadtteile geführt, in denen vorwiegend Arbeiter und ihre Familien wohnten.55 Neben Euphorie löste die Ankündigung demokratischer Wahlen aber auch, vor allem in der Verwaltung, eine gewisse Skepsis aus. So „wünschenswert [...] die baldige Vornahme“ demokratischer Wahlen sei, so problematisch war die „Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit“, die die städtischen Behörden vor „keine leichte Aufgabe“ stellte.56 Insbesondere die Stadt Wismar sah sich „mit dem besten Willen nicht im Stande, die vorstehend angeordnete Frist innezuhalten“. Einerseits fehlten die vom Volksministerium als Muster bestimmten Vorschriften, „deren Zugang [...] verheißen, aber noch nicht erfolgt“ sei, andererseits glaubte man, die „bei kurz gesetzten Fristen [...] nach unserer Überzeugung“ eintretende, aber „sicherlich nicht gewollte Beschränkung der Ausübung des Wahlrechtes“ nicht verantworten zu können. Es würden, so fürchtete die Stadtobrigkeit, „besonders und wohl mit Recht die aus dem Felde Heimkehrenden über einen durch Fristablauf bewirkten Ausschluß von der Wahl unwillig werden und das Verfahren anfechten, vielleicht gar mit Erfolg“. Den daraus abgeleiteten Vorschlag, die Bürgerausschusswahlen „frühestens am 12. Januar kommenden Jahres“ vorzunehmen, lehnte das Volksministerium jedoch ab.57 Stattdessen wurde, um den rückkehrenden Frontsoldaten die Teilnahme an den Wahlen zu ermöglichen, die bestehende Vorschrift, wonach das Wahlrecht an einen mindestens dreimonatigen Aufenthalt in der betreffenden Gemeinde gebunden war, auf gehoben und all jenen „mecklenburg-schwerinsche[n] Staatsangehörigen, die seit dem 1. Oktober 1918 aus dem Soldatenstande entlassen“ waren und sich „zur Zeit der Wahl in der Stadt“ aufhielten, das volle Wahlrecht zugestanden.58 Der Parteilosen Vereinigung, die für den Bürgerausschuss der Stadt Schwerin kandidierte, ging diese Regelung nicht weit genug, blieben doch alle erst kurz vor dem Wahltage zurückkehrenden Soldaten, die nicht mehr in die Wählerlisten aufgenommen werden konnten, weiterhin ausgeschlossen. Für diese forderte die Vereinigung die Einrichtung eines speziellen Wahllokals, in dem die „Bescheinigung ihres Truppenteils“ als Legitima-
55 Vgl. MZ, 3., 5. und 6. Dez. 1918. Unterstützung erhielten die Delegierten der Räte durch die Staatsminister Dethloff, Erdmann und Sivkovich. Gleichwohl war es möglich, „mehrere Stimmbezirke mit besonderen Wahllokalen“ einzurichten. MZ, 23. Dez. 1918. 56 MZ, 2. Dez. 1918. 57 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 685, Bl. 20: Magistrat Stadt Wismar an MdI, 5. Dez. 1918 (Hervorhebung im Original). 58 Bekanntmachung vom 14. Dezember 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 227, 16. Dez. 1918, S. 1669. Vgl. auch MZ, 14. Dez. 1918.
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tion ausreichend sein sollte.59 Tatsächlich erließ das Volksministerium auch hier eine Ausnahmeregelung.60 Neben den formalen, administrativen Problemen galt es zudem, die potentiellen Wähler über das neue Wahlsystem aufzuklären. Diese Aufgabe übernahm u. a. die Presse, die ihren Lesern das Verfahren anhand von Zahlenbeispielen zu verdeutlichen suchte.61 Die gleichsam ad hoc durchzuführenden Bürgerausschusswahlen lösten jedoch das Problem einer Verfassungsänderung auf kommunaler Ebene nicht. Im Gegenteil, in Rostock verschärften sie die bestehenden „großen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rat und dem A.- und S.-Rat“, die darüber stritten, ob eine Konstituante oder eben nur ein neuer Bürgerausschuss zu wählen sei. Damit verbunden war die Frage der künftigen Stellung des Magistrats, der in einer Konstituante nur eine beratende Stimme, gegenüber dem Bürgerausschuss jedoch weiterhin sein Vetorecht haben würde. Die herrschenden Machtverhältnisse klarstellend, drohte Julius Asch, Mitglied des Bürgerausschusses und des Arbeiter- und Soldatenrats, „den Rat zu entfernen, sollte er [sich] noch länger [...] widersetzen“.62 Die Entscheidung indes führte das Volksministerium herbei, das sämtliche neu gewählten Bürgerausschüsse zu verfassunggebenden Körperschaften erklärte.63 Damit wurden, obgleich die Regierung, wie gezeigt, die Einführung einer einheitlichen Städteordnung plante, dem Druck der Arbeiter- und Soldatenräte nachgegeben und lokale Gesetzesinitiativen wieder befördert. Wenige Tage nach dieser Entscheidung, am 22. Dezember 1918, fanden in Dömitz und Krakow die ersten demokratischen Bürgerausschusswahlen MecklenburgSchwerins statt.64 In Krakow, wo SPD, DDP und Bürgerverein um die Stimmen konkurrierten, errang die Sozialdemokratie mit sechs von neun Mandaten eine deutliche Mehrheit im Parlament.65 In Dömitz hingegen kam es zu einem Patt zwischen Sozialdemokratie und bürgerlichen Parteien.66 Dabei waren die Wahlen durch „persönliche Rücksprache“ des SPD-Ortsgruppenleiters, Franz Schröder, mit dem Volksministerium extra auf den 22. Dezember verlegt worden. Auf diese Weise suchte man sich die Stimmen der „durchweg landfremden“ Arbeiter der Dömitzer Sprengstoffwerke zu sichern, denen zum 21. Dezember gekündigt worden war.67 Wider Erwar59 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 685, Bl. 24: Wahlleiter Schwerin an MdI, 17. Dez. 1918. 60 Vgl. Bekanntmachung vom 17. Dezember 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 230, 19. Dez. 1918, S. 1690–1691. Vgl. auch MN, 4. Jan. 1919; MZ, 18. Dez. 1918. 61 Vgl. dazu exemplarisch MZ, 3. Dez. 1918. 62 MZ, 11. Dez. 1918. Vgl. auch RoA, 11. Dez. 1918. 63 Vgl. MVZ, 14. Dez. 1918. Eine offizielle Bekanntmachung der durch Julius Asch in der Bürger ausschusssitzung zitierten Erklärung fand sich allerdings nicht. Die einsetzenden Arbeiten an einer Verfassung, die nicht nur für Rostock nachgewiesen sind, lassen die Aussage jedoch glaubwürdig erscheinen. Vgl. auch Kap. 4.1, S. 93–97. 64 Vgl. LZM, 25. Dez. 1918; MZ, 24. Dez. 1918. 65 Vgl. MN, 27. Dez. 1918. 66 Vgl. MN, 27. Dez. 1918. Unter der Bezeichnung bürgerliche Parteien sind die DDP und die Partei der Beamten und Privatangestellten subsumiert. Vgl. ebd. 67 MZ, 31. Dez. 1918. Die Arbeiter waren während des Krieges nach Dömitz geholt worden. Sie stammten überwiegend aus dem süddeutschen Raum. Vgl. dazu etwa Karge: Rüstungsproduk-
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ten erlangten die Sozialdemokraten weder in Dömitz noch in 19 weiteren Städten eine Mehrheit. In zwölf Städten gelang es den bürgerlichen Parteien, die gleiche Zahl an Mandaten zu erringen, in 15 Städten stellten sie, teilweise mit deutlichem Abstand, die Mehrheit.68 Dass die Sozialdemokratie, mit Ausnahme von Wismar,69 besonders „in den größeren Städten eine Niederlage erlitt“ – in Schwerin zog das Bürgertum „beinahe mit zwei Drittel Majorität“ in den Bürgerausschuss ein –,70 mag angesichts des Einflusses, den die Arbeiter- und Soldatenräte gerade in diesen Städten hatten, verwundern. Wie gezeigt war es jedoch genau diese Machtfülle, die den bürgerlichen Parteien den Zulauf brachte. Berücksichtigt werden muss zudem, dass bis 1918 bekanntlich nicht nur die Arbeiterschaft, sondern eben auch Großteile des Bürgertums von der politischen Partizipation ausgeschlossen worden waren. Die „kommunale Rechtlosigkeit“ führte somit nicht nur zu einem „Aufschwung der Sozialdemokratie“, sondern erfasste sämtliche Parteien.71 Der Sozialdemokratie stand kein geschlossener Bürgerblock oder eine bürgerliche Liste gegenüber. Im Gegenteil, es konkurrierten mehrere Gruppierungen um die Wähler des bürgerlichen Lagers. Lediglich in Neukalen und Teterow wurde, durch die „Mecklenburgische Zeitung“ den „kleinen Städte[n] im Land“ als „sehr nachahmenswert“ empfohlen,72 ein gemeinsamer Wahlvorschlag sämtlicher Parteien eingereicht.73 In den meisten Städten warben jedoch neben den Parteien des Reichstags vor allem die lokalen Bürgervereine sowie Parteien bzw. Vereinigungen, die einzelne Berufs- oder soziale Gruppen vertraten, um die Stimmen des Bürgertums.74 Dass die SPD von dieser Splitterung nicht profitierte, ist allerdings kein spezifisches Phänomen der ersten demokratischen Kommunalwahl in Mecklenburg-Schwerin, sondern lässt sich auch
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tion. Die Rücksprache mit dem Volksministerium war notwendig, da durch die Vorverlegung die Auslegung der Wahllisten nicht wie vorgeschrieben acht Tage vor der Wahl erfolgen konnte. Ebd. Vgl. auch LZM, 28. Dez. 1918. Vgl. dazu Graphik 1 im Anhang. Für das dortige Wahlergebnis vgl. auch MN, 30. Dez. 1918. LZM, 31. Dez. 1918. Sozialdemokratie und Räte reagierten auf diese Niederlage mit dem Vorwurf, bei den Wahlen hätte es Unregelmäßigkeiten gegeben. Die Einsprüche wurden jedoch zurückgewiesen. Vgl. MZ, 31. Dez. 1918. MVZ, 31. Dez. 1918. MZ, 30. Dez. 1918. Die Teterower Liste umfasste vier Arbeiter und zwölf Bürgerliche. Von diesen waren jeweils drei Ackerbürger und Handwerker sowie jeweils zwei Beamte, Kaufleute und Vertreter „aus der allgemeinen Bürgerschaft“. MZ, 30. Dez. 1918; MZ, 31. Dez. 1918. Nach Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Vereinigung wurde eine zweite Liste aufgestellt, die jedoch ebenfalls sowohl die Arbeiterschaft als auch das Bürgertum repräsentierte. In den Bürgerausschuss zogen schließlich vier Arbeiter und zwölf Bürgerliche ein. Vgl. ebd. In Neukalen trat die Liste der Vereinigten Ackerbürger und Arbeiter gegen einen bürgerlichen Block an. Gewählt wurden hier acht Kandidaten der Vereinigung und vier des bürgerlichen Wahlvereins. Vgl. LZM, 1. Jan. 1919. In Bützow etwa gründete sich eine Partei der Eisenbahnbeamten, in Grabow eine der Angestellten, Beamten und Lehrer und in Malchin eine des Handwerks. Hier hatten sich ferner der dortige Handelsverein sowie eine Wahlvereinigung der Frauen und eine der Soldaten zur Wahl gestellt. Vgl. MN, 30. Dez. 1918.
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für Brandenburg und Sachsen nachweisen.75 Möglicherweise war es den einzelnen, sich in Abgrenzung zu den etablierten Parteien als unpolitisch gebenden Gruppierungen gelungen, Stimmen der Arbeiterschaft zu binden.76 Neben der Differenzierung lässt sich in Mecklenburg-Schwerin jedoch auch das Bemühen nachweisen, einen „Zusammenschluß sämtlicher bürgerlicher Parteien“ zu organisieren.77 Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Auflösung der Nationalliberalen Partei, die, wie etwa in Rostock und Schwerin, zum Anlass genommen wurde, eine Vereinigung mit der Fortschrittlichen Volkspartei anzustreben.78 Tatsächlich gründeten sich in vielen Städten des Landes wenig später Ortsgruppen79 der aus dem reichsweiten Zusammenschluss hervorgegangenen Deutschen Demokratischen Partei. Ihnen gelang es, nicht nur Mitglieder der beiden Parteien,80 sondern auch eine „überwältigende Mehrheit des Bürgertums“ zu mobilisieren,81 die in der neuen Partei eine Art „Schutz- und Trutzorganisation“ gegen linksradikale Bestrebungen erblickte.82 Für die konservative Presse hatte das Wahlergebnis „mit unbestreitbarer Deutlichkeit“ gezeigt, dass „die bürgerlichen Wähler bei eifriger Wahlbeteiligung nicht nur in der Lage sind, den sozialdemokratischen die Stange zu halten, sondern sie im Wahlkampfe glatt zu schlagen“.83 Mit Blick auf die Ergebnisse der Kommunalwahlen schaute der Herausgeber der „Mecklenburger Nachrichten“, Hellmuth Dietzsch, voller Zuversicht auf die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, die einen Monat später, am 26. Januar 1919, stattfinden sollten.84 Auf den Winter 1918 würde, so 75 Vgl. Bieber: Bürgertum, S. 347. 76 Nachweisen lässt sich diese Vermutung lediglich für Güstrow, wo der am 28. November 1918 gegründete demokratische Arbeiter- und Bürgerverein mit dem Arbeiter- und Soldatenrat zusammenarbeitete. Vgl. MN, 2. Dez. 1918. Neben diesem konkurrierten die Deutsche Bürger- und Arbeiterpartei, der Bürgerverein und die SPD um die Stimmen der Wähler. Vgl. MN, 30. Dez. 1918. 77 RoA, 19. Nov. 1918. 78 Vgl. RoA, 24. Nov. 1918; RoA, 3. Dez. 1918. Vgl. dazu auch LZM, 20. und 27. Nov. 1918. Die Exponenten der Fortschrittlichen Volkspartei, Sivkovich und Wendorff, fürchteten anfänglich allerdings eine „bürgerliche Mischmaschpartei“ ohne Einfluss und gaben bekannt, den „Traum“ einer „große[n] allgemein-bürgerliche[n] Partei [...] nicht mitträumen“ zu wollen. MVZ, 28. Nov. 1918. 79 Nachgewiesen werden konnten solche in Brüel, Crivitz, Grabow, Güstrow, Ludwigslust, Parchim, Rehna, Rostock, Schwerin, Sternberg, Teterow und Warin. Vgl. MN, 31. Dez. 1918; MZ, 27. Nov. 1918; MZ, 2., 3., 6., 7., 10. und 14. Dez. 1918; RoA, 29. und 30. Nov. 1918; RoA, 3. und 6. Dez. 1918. Die Gründungen erfolgten, wie die der Arbeiter- und Soldatenräte, häufig im Anschluss an Agitationsversammlungen. Als Redner trat oftmals der Schweriner Malermeister E. Heimfoth auf, der bereits im Bürgerrat der Stadt Schwerin aktiv gewesen war. Vgl. ebd. 80 Teile des konservativen Flügels traten allerdings aus und, wie in Güstrow und Rostock, der DNVP oder der DVP bei. Vgl. LZM, 14. Dez. 1918; MN, 2. Dez. 1918. 81 Kasten: Parteien, S. 116. 82 MZ, 2. Dez. 1918. 83 MN, 30. Dez. 1918. 84 Vgl. Verordnung vom 7. Dezember 1918 über die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag in Mecklenburg-Schwerin, in: Rbl. Nr. 219, 9. Dez. 1918, S. 1603–1608. Ursprünglich war der 15. Dezember 1918 als Wahltermin in Aussicht genommen. Die „technischen Vorarbeiten“ sowie
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hoffte er, ein „Frühling“ folgen, der „nicht in der Unkrautblüte des roten gemeinen Mohns, sondern im alten ehrlichen Duft und Odem frucht-frischer Aecker“ erstrahlen werde.85 Je näher jedoch die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag rückten, desto größer wurden die Differenzen innerhalb des bürgerlichen Lagers und desto mehr schwanden die Chancen einer von der DNVP angeregten einheitlichen bürgerlichen Liste,86 die schließlich zugunsten einer Listenverbindung von DNVP, DVP, Dorfbund und Mittelstandspartei aufgegeben wurde.87 Grund dafür war nicht zuletzt die Ankündigung der Vertreter der DDP, auch künftig mit den Sozialdemokraten, mit denen man bereits im Volksministerium erfolgreich zusammengearbeitet hatte, regieren zu wollen. Neben den genannten Parteien warben zudem der katholische Zentrumsverein und der Volksbund kirchentreuer evangelischer Christen um die Stimmen des Bürgertums.88 Anders als auf kommunaler Ebene sollte sich die Differenzierung des bürgerlichen Lagers bei den Landtagswahlen für die Sozialdemokratie positiv auswirken, und das bis 1929.89 Mit den Bürgerausschusswahlen, bei denen eindeutig für das Ende der revolutionären Zeit und damit auch der Herrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte votiert worden war, stabilisierten sich jedoch die politischen Verhältnisse in den Städten nicht. Nach wie vor drängten Teile der Bevölkerung auf eine Änderung der Verfassung und kehrten, im Bestreben diese herbeizuführen, zu revolutionären und außerparlamentarischen Aktionen zurück. So erklärte etwa in Dömitz die sozialdemokratische Fraktion, unterstützt vom örtlichen Arbeiter- und Soldatenrat, eine Woche nach der Bürgerausschusswahl, bei der sie bekanntlich nur die Hälfte der Mandate errungen hatte, sowohl den Bürgermeister als auch die Senatoren für abgesetzt.90 In vielen anderen Städten kam es zu Protestbewegungen und Forderungen nach Neuwahlen.91
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„der allgemeine Wunsch, den aus dem Felde Heimkehrenden soweit nur irgend denkbar, die Ausübung des Wahlrechts zu sichern“, hatten jedoch, anders als bei den Kommunalwahlen, zu einer Verlegung geführt. LZM, 22. Nov. 1918. Vgl. auch MN, 19. Nov. 1918; MVZ, 17. und 20. Nov. 1918. Gleichwohl wurden, wie bei den Bürgerausschusswahlen, auch Ausnahmeregelungen für Soldaten erlassen. Vgl. Verordnung vom 7. Januar 1919, betreffend Abänderung des § 3 der Verordnung vom 7. Dezember 1918 über die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag in Mecklenburg-Schwerin (Rbl. Nr. 219, S. 1603 ff.), in: Rbl. Nr. 4, 8. Jan. 1919, S. 15. Vgl. auch MZ, 23. Jan. 1919. MN, 31. Dez. 1918. Vgl. MZ, 30. Dez. 1918. Für das Bemühen der Vertreter der verschiedenen Handwerksverbände, eine gemeinsame Kandidatenliste aufzustellen, vgl. LZM, 31. Dez. 1918. Vgl. Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 77 und Bd. 2, S. 46, Anm. 3. Vgl. LZM, 21. Dez. 1918; MVZ, 19. Dez. 1918; MW, 4. Dez. 1918. Vgl. dazu Kasten: Parteien, S. 131. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9475: Ortsgruppe der DDP an StM, 11. Dez. 1918. Vgl. auch LZM, 4. Jan. 1919; MZ, 31. Dez. 1918. Die so geschaffenen Tatsachen wurden im Mai 1919 durch das Staatsministerium anerkannt. Vgl. Bekanntmachung vom 9. Mai 1919, betreffend vorläufige Regelung der Verhältnisse beim Magistrat zu Dömitz, in: Rbl. Nr. 82, 14. Mai 1919, S. 437–438. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 87: Verzeichnis der Anträge auf vorzeitige Beendigung der Wahldauer der Stadtverordnetenversammlungen in den Städten, 22. Okt. 1919. Vgl. dazu auch Kap. 4.2.
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3.4 Aufhebung der Sonderrechte der Seestädte Rostock und Wismar Mit der Bekanntgabe erster Informationen zum Verfassungsentwurf des Volksministeriums Anfang Februar 1919 wurden nicht nur die Vorarbeiten zur Schaffung einer einheitlichen Städteordnung, sondern auch die geplante Aufhebung der Sonderrechte der Seestädte Rostock und Wismar publik.92 Nur wenige Tage später, am 17. Februar, trat der Bürgerausschuss der Stadt Rostock zu einer Sitzung zusammen, um mögliche Schritte gegen die Entscheidung, ihr die in Jahrhunderten erworbenen Privilegien ohne Anhörung und offenbar entschädigungslos nehmen zu wollen, zu diskutieren.93 Im Ergebnis beschloss die Versammlung eine Eingabe an das Volksministerium, in der der Aufhebung einiger Sonderrechte, etwa in Bezug auf die politische Sonderstellung innerhalb der mittlerweile aufgelösten ständischen Organisation, ohne weiteres zugestimmt, gleichzeitig aber die Aufrechterhaltung anderer Privilegien gefordert wurde.94 Hierbei handelte es sich in erster Linie um das freie Stadt regiment und das Gesetzgebungsrecht, die das Aufsichtsrecht des Staates auf ein Eingreifen bei „Mißständen“ beschränkten.95 Ferner verlangte der Bürgerausschuss, der Stadt das Patronat über sämtliche Schulen, das Eigentumsrecht am Hafen, das Fischereirecht an der Warnow sowie die Verwaltung der Hospitäler Sankt Georg und Zum Heiligen Geist zu belassen. Mit Blick auf die Einnahmen der Stadt sollten zudem das Erbrecht, die Gerichtsbarkeit und das Begnadigungsrecht, das Recht, Apotheken zu konzessionieren, sowie schließlich die jährliche Zuweisung des Landes von insgesamt 125.000 Mark erhalten bleiben.96 Für den Fall, dass das Volksministerium diese Forderungen ablehnen sollte, bestand der Bürgerausschuss, der den jährlichen Einnahmeverlust der Stadt auf ca. 280.000 Mark bezifferte,97 auf einer Entschädigung. Für sämtliche Privilegien verlangte man die Ortschaften Marienehe und Schmarl sowie die Übernahme der Schullasten, die allein für die höheren Schulen eine halbe Million Mark betrugen. Neben der Resolution beschloss das Gremium
92 Vgl. dazu etwa MN, 12. Feb. 1919. 93 Vgl. RoA, 19. Feb. 1919. 94 Vgl. MN, 21. Feb. 1919. Vgl. auch AHR, 1.1.3.8, Nr. 360: Bürgermeister und Magistrat Stadt Rostock an StM, 20. Feb. 1919. 95 MN, 21. Feb. 1919. Vgl. dazu auch LZM, 2. März 1919. Dort hieß es diesbezüglich: „Die Stadt und ihre Vertretung [wollen] in weitgehendstem Maße frei von laufender staatlicher Beaufsichtigung und Bevormundung“ sein und „in ihren Angelegenheiten freieste Selbstbestimmung und Selbstverwaltung ohne irgendwelche Einmischung und Teilnahme der Landesregierung“ ausüben. 96 Hierbei handelte es sich zum einen um die Beteiligung an den Lotterieeinkünften des Landes, zum anderen um Zahlungen, die 1870, als Rostock im Rahmen einer neuen Steuervereinbarung auf einzelne Privilegien verzichtet hatte, ausgehandelt worden waren. Vgl. Die Aufhebung der Sonderrechte der Städte Rostock und Wismar, in: RoA, 16. Feb. 1919. Vgl. auch die Zusammenstellung in: AHR, 1.1.3.8, Nr. 360. 97 Allein die mit der Aufhebung der Gerichtsbarkeit verbundene Übertragung von Grundbuchamt, Nachlass- und Vormundschaftssachen an das Land bedeutete für die Stadt eine Einbuße von 147.000 Mark. Vgl. ebd. Bedeutend waren in diesem Zusammenhang freilich auch die „kleineren Privilegien“ wie Mühlen-, Fischerei-, Apotheken- u. a. Gerechtsamkeiten. MN, 9. März 1919.
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zugleich die Einsetzung einer „Ratskommission“, die die Resolution weiterleiten und Verhandlungen mit der Volksregierung führen sollte.98 Kurz darauf, Anfang März, wandte sich auch die am 25. Februar in Wismar als Reaktion auf die Ankündigung, die Sonderrechte aufzuheben, gebildete Kommission, in der vier Mitglieder des Magistrats und zehn des Bürgerausschusses vertreten waren,99 mit einer Eingabe an das Staatsministerium. Gefordert wurde auch hier der Erhalt vieler Privilegien, die, von kleineren Abweichungen abgesehen, mit denen Rostocks identisch waren.100 Hinsichtlich der Argumentation indes bestanden Unterschiede. Während die Vertreter Rostocks in erster Linie auf die Bedeutung der Stadt für das Land und die damit verbundenen finanziellen Ausgaben verwiesen, die durch die „Sonderstellung nicht nur ihre natürliche Erklärung, sondern auch ihre Deckung“ fanden,101 kritisierte die Eingabe der Stadt Wismar die Aufhebung der Privilegien, bei denen es sich um einen „gegen Entgelt erworbenen vertragsmäßigen Anspruch [...] gegen den alten Mecklenburgischen Staat handelt, welchen der neue Freistaat“ zu übernehmen und nicht „leichthin ab[zu]schütteln“ habe, als unrechtmäßigen „Gewaltakt“. Den seitens der Volksregierung vorgebrachten „Einwand, dass ebenso wie die Ritter- und Landschaft, so auch die Seestädte ihre Privilegien einbüßen müssten“, hielten sie für „unbegründet“, handelte es sich doch „gar nicht um diejenigen Privilegien, welche die Seestädte mit der Landschaft gemeinsam haben“, sondern um solche, die darüber hinausgingen „und deswegen eine gesonderte Prüfung und Berücksichtigung“ verdient hätten.102 Der seitens des Volksministeriums bereits am 29. November 1918 erklärte Verzicht auf die Steuerfreiheit der sogenannten Eximierten, zu denen nicht nur die Landesbeamten, sondern auch deren Frauen und unverheiratete Töchter zählten,103 wurde nicht als Kompromiss gewertet. Die der Stadt zufließenden zusätzlichen Steuereinnahmen entsprachen, so eine Berechnung der Stadt, lediglich der Hälfte des Landeszuschusses.104 Wenige Tage später, am 7. März 1919, bekamen die Vertreter Rostocks Gelegenheit, der Regierung und den Mitgliedern des Verfassungsausschusses des Landtags 98 MN, 21. Feb. 1919. Vgl. MVZ, 16. März 1919; MZ, 1. März 1919; RoA, 1. und 14. März 1919. Für die Arbeit der Kommitte vgl. AHR, 1.1.3.8, Nr. 360: Protokoll, 20. Feb. 1919. 99 Vgl. MN, 28. Feb. 1919; MW, 27. Jan. 1919. 100 Bewahrt werden sollten u. a. das Gesetzgebungsrecht, das freie Stadtregiment, das Patronat über sämtliche Schulen, das Erbrecht, die Eigentumsrechte am Hafen und am Fahrwasser sowie das Fischereirecht bis hoch zum „Alten Schweden“ sowie die Verwaltung der geistlichen Hebungen. Ferner wurde auf der Fortzahlung des jährlichen Landeszuschusses von 30.000 Mark bestanden. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 646, Bl. 7–17: Gemeinschaftliche Kommission betr. Privilegien der Seestadt Wismar an StM, 3. März 1919. Vgl. auch MN, 7. März 1919; MW, 9. März 1919; MZ, 7. März 1919. 101 AHR, 1.1.3.8, Nr. 360: Bürgermeister und Magistrat Stadt Rostock an StM, 20. Feb. 1919. 102 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 646, Bl. 7–17: Gemeinschaftliche Kommission betr. Privilegien der Seestadt Wismar an StM, 3. März 1919 (Hervorhebung im Original). 103 Darüber hinaus waren die Eximierten auch von der städtischen Gerichtsbarkeit ausgenommen. Vgl. allgemein o. A: Eximirten. 104 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 646, Bl. 7–17: Gemeinschaftliche Kommission betreffend die Privilegien der Seestadt Wismar an StM, 3. März 1919.
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ihre Standpunkte darzulegen.105 Dass nicht gleich auch Abgeordnete der Stadt Wismar geladen worden waren, mag verwundern, doch obgleich gemeinsame Interessen bestanden und bereits Mitte Februar beide Seestädte Gelegenheit zu einer „gemeinsamen Kundgebung“ erhalten hatten,106 war eine Zusammenarbeit unterblieben. Im Vorfeld der Beratung in Schwerin nahm der Rostocker Mediävist Hermann ReinckeBloch, der zugleich als Mitglied des Verfassungsausschusses an der Sitzung teilnahm, Stellung zu den Sonderrechten der Stadt Rostock.107 Die anschließenden Gespräche führten zu keiner Annäherung; es blieb bei einer Darlegung der einzelnen Positionen.108 Einen Monat darauf, im April, beschäftigte sich schließlich der Verfassungsausschuss mit den Privilegien.109 Nur wenige Tage zuvor hatte sich der ehemalige Staatsminister Adolf Langfeld in die Debatte eingeschaltet und in einem Gutachten Partei für die Forderungen der Seestädte ergriffen. Er lehnte eine Aufhebung der Sonderrechte im Rahmen der Verfassung ab und trat für den Fortbestand der finanziellen Vereinbarungen ein.110 Im Verfassungsausschuss hingegen hatte niemand Interesse daran, die Privilegien aufrechtzuerhalten, da Mecklenburg-Schwerin, so die einhellige Meinung, mit „Rücksicht auf die kommende Zeit [ein] durch und durch [...] einheitliches Gebilde“ werden müsse.111 Dem Argument, die Sonderrechte stünden außerhalb des Verfassungsrechts und fielen damit nicht in den Kompetenzbereich des Ausschusses, wurde entgegengehalten, dass, nachdem „sämtliche staatliche Hoheitsrechte auf das Volk übergegangen“ seien, dieses und in seiner Vertretung der Landtag über die Gewährung solcher als Privilegien zu entscheiden habe. Aus diesem Grunde müsse die „Verfassung mit den damit verbundenen Uebergangsbestimmungen“ eine entsprechende Regelung enthalten.112 Im Staatsgrundgesetz von 1849 fehlte, obgleich die Seestädte bereits einem Verzicht zugestimmt hatten, eine entsprechende endgültige Bestimmung. Für die Freienwalder Schiedskommission war dies ein Grund dafür gewesen, die Verfassung wieder aufzuheben und die Wiedereinführung des ständischen Systems
105 Vgl. AHR, 1.1.3.8, Nr. 360: Magistrat Stadt Rostock an Landtag, 11. März 1919. 106 Ebd.: MVZ an Magistrat Stadt Rostock, 16. Feb. 1919. 107 Vgl. ebd.: Redemanuskript Ratssyndikus Linck, März 1919. Vgl. auch ebd.: Magistrat Stadt Rostock an Landtag, 11. März 1919; MZ, 6. und 10. März 1919; RoA, 9. März 1919. 108 Aus Sicht der Regierung etwa hieß es, der Vortrag der Rostocker Delegation sei „einseitig in [der] Hervorhebung ihrer Leistungen“ gewesen und habe „einen Hinweis auf [...] Gegenleistungen vermissen“ lassen. Bericht des Verfassungs-Ausschusses des verfassunggebenden Landtages des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 45. 109 Zur Grundlage der Verhandlungen vgl. Gesetz über Einführung der Mecklenburg-Schwerinschen Verfassung mit Übergangsbestimmungen, in: Ebd., Drs. Nr. 44. 110 Vgl. Langfeld: Sonderrechte. 111 LZM, 12. April 1919. So wurde etwa in Bezug auf das „Patronat über die Rostocker Schulen“ betont, dass es „jetzt, wo die Einheitlichkeit des gesamten Schulwesens angestrebt und vorbereitet werde [...], nicht als Hemmschuh solcher Entwicklung Bestand behalten“ dürfe. Bericht des Verfassungs-Ausschusses des verfassunggebenden Landtages des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 45. 112 Ebd.
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anzuordnen.113 Inwieweit dies bei den Beratungen 1919 eine Rolle spielte, lässt sich jedoch nicht nachweisen. Der Vorschlag einzelner Ausschussmitglieder der DDP und SPD, bis zur Einführung einer allgemeinen Städteordnung „das bisherige Verhältnis der Städte Rostock und Wismar von Bestand zu lassen“, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Parlamentarier verwiesen in der Beratung immer wieder darauf, dass es sich bei den Privilegien um Rechte handele, die dem Land als Hoheitsträger und Fiskus zustünden. Lediglich das Privileg der Fischerei und Ufernutzung wurde als Privatrecht eingestuft und sollte nicht mit in die Verfassung aufgenommen werden.114 Von sämtlichen Sonderrechten hielt der Ausschuss schließlich allein das Recht, Ortssatzungen ohne Genehmigung des Ministeriums zu erlassen, aufrecht. In der Begründung des Antrags, der sich gegen den Regierungsentwurf richtete, hieß es, die Einführung eines Aufsichtsrechts würde „politisch einen Rückschritt“ bedeuten. Kann dem zwar mit Blick auf die freie Selbstverwaltung, die den Städten übertragen werden sollte, zugestimmt werden, so stellte die Entscheidung, mit der die geplante Vereinheitlichung aller städtischen Verfassungen des Landes aufgegeben wurde, allerdings auch keinen Fortschritt dar. Dies galt ebenfalls für den Beschluss, die seitens der Regierung geforderte Aufhebung der städtischen Gerichtsbarkeit von der Zustimmung Rostocks und Wismars abhängig zu machen. Hierbei handelte es sich allerdings nur um eine Übergangsregelung. Die Freiwilligkeit sollte, sobald der Staat die Schullasten übernehmen bzw. aufgrund der freien Wahl eine Person ohne juristische Ausbildung zum Bürgermeister gewählt werden würde, dem Zwang weichen.115 Wie mit den beiden vorstehenden Entscheidungen lehnte der Ausschuss auch in Bezug auf die Frage einer Entschädigung den Vorschlag der Regierung ab und trat, den Vertretern der DVP folgend, für einen weitergehenden „Ausgleich“ ein. Dieser könne etwa darin bestehen, Kosten für die Instandhaltung der Häfen zu übernehmen. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass das Volksministerium auf die Steuerfreiheit der Beamten „bedingungslos“ verzichtet hatte, was die Abgeordneten für einen „schweren taktischen Fehler“ hielten, der sie nun zu diesem Zugeständnis nötigte.116 In der zweiten Lesung des Regierungsentwurfs korrigierte der Ausschuss seine Entscheidung. Jedes einzelne Privileg, hieß es nun, „hört überhaupt auf zu bestehen und verwandelt sich nicht etwa in einen Anspruch auf Entschädigung“. Der Grund für die Änderung des Standpunkts lag in der Befürchtung einen Präzedenzfall zu schaffen, der die Regierung zwänge, die „Unsumme von Sonderrechten des alten 113 Vgl. MZ, 9. April 1919. Vgl. dazu allgemein auch Stegemann: Wahlsysteme, S. 51; Baudis: Revolution. 114 Bericht des Verfassungs-Ausschusses des verfassunggebenden Landtages des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 45. Dies galt auch für die Frage der Verwaltung der Hospitäler, allerdings nur, weil hier die Aufsicht bereits beim Staat lag. Vgl. ebd. 115 Vgl. MN, 10. April 1919; MW, 10. April 1919; MVZ, 11. April 1919. 116 Bericht des Verfassungs-Ausschusses des verfassunggebenden Landtages des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 45. Vgl. auch LZM, 8. März 1919; LZM, 12. April 1919; MN, 10. April 1919; MVZ, 11. April 1919; MW, 10. April 1919; RoA, 7. März 1919; RoA, 8. April 1919.
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ständischen Staates“, die mit der Verfassung ihr Ende fand, finanziell auszugleichen. Dies würde „die Kräfte des neuen Freistaates übersteigen“ und war damit, ohne die eigene Stellung zu schwächen, „praktisch unmöglich“. Gleichwohl wurde den Seestädten mit der Verpflichtung, die Überschüsse der Einnahmen aus der Gerichtsbarkeit zur „Minderung des Steuerbedarfs des Landes“ zu verwenden, eine indirekte Entschädigung gewährt. Auf diese Weise würden, so hieß es, die Einwohner Rostocks und Wismars das „an Staatssteuern ersparen, was sie bisher infolge der Ueberschüsse aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit an Stadtabgaben ersparten“.117 Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass mit den Privilegien zugleich auch ein Teil der damit verbundenen Ausgaben fortfiel.118 Mit Beschluss des Landtags vom 3. Juli 1919 wurden die Sonderrechte der Seestädte Rostock und Wismar offiziell aufgehoben119 und damit die Vereinheitlichung der Landesverwaltung vorangetrieben. Der Versuch der Stadt Rostock, hiergegen rechtliche Schritte einzuleiten, wurde Anfang 1923 mit Blick auf die „inzwischen eingetretene Geldentwertung“ aufgegeben und sämtliche in diesem Zusammenhang erstellten Schriftstücke „zu den Akten“ gelegt.120 Die im Frühjahr 1919 seitens der Regierung geäußerte Hoffnung, sämtliche Sonderrechte entschädigungslos aufheben zu können, trat allerdings auch nicht ein. So stimmte auf Landesebene einerseits das Parlament für eine „recht großzügige Abfindung“ des Großherzogs,121 andererseits verpflichtete das Reichsgericht den Freistaat zur Anerkennung der Ansprüche der Klosterdamen und Anwärterinnen.122 Auf kommunaler Ebene erwies sich die den Seestädten gegenüber noch erfolgreich vertretene Haltung ebenfalls als nicht durchsetzbar. Die auf Lebenszeit angestellten Magistrate und Schulzen erreichten, wie noch zu zeigen sein wird, durch Klage bzw. Streik eine teilweise Anerkennung ihrer Forderungen.123
117 Bericht des Verfassungs-Ausschusses des verfassunggebenden Landtages des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 45. 118 In Rostock etwa verzichtete das Land auf die Zahlung des jährlichen Zuschusses der Stadt zum dortigen Landgericht in Höhe von 25.000 Mark. Vgl. ebd. 119 Vgl. AHR, 1.1.3.8, Nr. 360: Vorsitzender Verfassunggebender Landtag an Bürgermeister und Magistrat Stadt Rostock, 20. Juli 1919. Rechtsgültig wurde die Entscheidung allerdings erst knapp ein Jahr später nach der dritten Lesung der Verfassung und der Einführungsgesetze. Vgl. Gesetz über Einführung der Mecklenburg-Schwerinschen Verfassung mit Übergangsbestimmungen vom 17. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 92, 10. Juni 1920, S. 671–679, hier S. 674, Art. 8. 120 AHR, 1.1.3.8, Nr. 360: Aktennotiz Stadtverwaltung, April 1923. 121 Kasten: Friedrich Franz IV., S. 277. Für den Vertrag vgl. Bekanntmachung vom 17. Mai 1920, betreffend Vertrag zwischen dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin und dem ehemaligen Landesherrn, betreffend die Auseinandersetzung über die vermögensrechtlichen Verhältnisse vom 17. Dezember 1919 sowie die von dem ehemaligen Landesherrn und den Mitgliedern der vormals landesherrlichen Familie abgegebenen Verzichts- und Anerkennungserklärungen, in: Rbl. Nr. 92, 10. Juni 1920, S. 679–721. 122 Vgl. dazu Pettke: Kloster- und Verfassungsfrage, S. 240–256. 123 Vgl. dazu Kap. 4.1, S. 111–112 und Kap. 5.3.2.2.
4. Die Städteordnung 4.1 Vorarbeiten und erste Diskussionen Die Städteordnung stellte, im Vergleich etwa zur Aufhebung der Stände, die erste konstruktive Verwaltungsreform innerhalb der Staatsumwälzung MecklenburgSchwerins dar. Der Ankündigung des Volksministeriums im November 1918, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten, folgte im Dezember jedoch, wie gezeigt, die Rückübertragung der Initiative an die Städte. Im Anschluss an die Bürgerausschusswahlen begannen u. a. in Güstrow, Rostock und Wismar Verhandlungen zur Ausarbeitung einer Verfassung.1 Nur wenige Wochen später, am 18. Februar 1919, verabschiedete der Bürgerausschuss Schwerins die erste demokratische Stadtverfassung des Landes.2 Hierbei handelte es sich allerdings nur um eine vorläufige Satzung, die anscheinend in erster Linie mit dem Ziel, die Arbeit von Regierung und Landtag zu beeinflussen, beschlossen worden war. Deutlich wird dieses Anliegen auch in der Ende Februar mit Blick auf die Landtagseröffnung verabschiedeten Resolution des Mecklenburgischen Städtetags. In der Entschließung, die insgesamt 23 Städte Mecklenburg-Schwerins unterzeichnet hatten,3 wurde in erster Linie eine „viel größere Bewegungsfreiheit“ in Fragen der Selbstverwaltung gefordert. So sollten zum einen den Städten die „obrigkeitlichen Aufgaben“, wie etwa die der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nicht durch „bloßen Machtspruch“ der Regierung, sondern nur im Rahmen einer „Anhörung der Einwohnerschaft oder ihrer Vertreter“ genommen werden können. Zum anderen gestanden die Städte dem Staat lediglich ein Aufsichtsrecht bei formal- und verwaltungsrechtlichen Fragen zu. Eingeschränkt wurde dieses zusätzlich durch die Forderung, Streitigkeiten zwischen dem Magistrat und dem Bürger ausschuss nicht durch die Regierung, sondern entweder im Wege eines neu einzuführenden Verwaltungsstreitverfahrens oder durch eine „Kommission [...], bestehend aus den im Amte befindlichen Magistratsmitgliedern und einer gleichen Zahl von Bürgerausschussmitgliedern“, entscheiden zu lassen. Zur Durchsetzung ihres Ziels, die „Selbstverwaltung der Städte [...] für die Zukunft fester [zu] veranker[n]“, bat die Resolution abschließend, vor der Beschlussfassung „über die Richtlinien der Stadtordnungen [...] die Meinung eines Beirates von Sachverständigen“, der aus dem Vor1 Vgl. MN, 17. Jan. 1919; MW, 4. März 1919; MZ, 21. Feb. 1919; RoA, 16. Jan. 1919; RoA, 4. April 1919. 2 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 42–44: Vorläufige Stadtverfassung für die Hauptstadt Schwerin, 18. Feb. 1919. Dem Entwurf zufolge blieb der Magistrat „Obrigkeit“ der Stadt, verlor allerdings der Bürgervertretung gegenüber seine obrigkeitlichen Rechte. Die Aufgaben des Staates beschränkte die Vorlage „auf die Beobachtung der Gesetze und die Wahrung der Staatsinteressen“. Ebd. Vgl. auch MZ, 7. März 1919. 3 Vgl. MZ, 21. Feb. 1919. Der Aufruf war von 15 Städten nur seitens des Magistrats und lediglich in acht Städten durch Magistrat und Bürgerausschuss unterzeichnet worden. Neben Rostock und Wismar fehlten u. a. auch Waren und Ribnitz sowie die südwestlich gelegenen Städte Boizenburg, Hagenow und Wittenburg in der Liste der den Aufruf unterstützenden Städte. Vgl. ebd.
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stand des Städtetages sowie weiteren Magistrats- und Bürgerausschussmitgliedern bestehen sollte, zu hören.4 Nur eine Woche später, am 28. Februar 1919, übersandte Hugo Sawitz, der für die DDP im Bürgerausschuss der Stadt Rostock saß, dem mit der Ausarbeitung der Regierungsvorlage betrauten Ministerialrat Otto Melz den Entwurf der Rostocker Stadtverfassung mit der Bitte, diesen als Grundlage einer allgemeinen Städteordnung zu nehmen.5 Tatsächlich hielt es Melz für „notwendig, daß die Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg nach Möglichkeit die Bestimmungen“ enthalte, „die namentlich auch den größeren Städten vernünftig“ erschienen. Zugleich machte er in seinem Antwortschreiben aber auch deutlich, dass „der Erlass besonderer Städteordnungen für die einzelnen Städte nicht erforderlich“ sei und diese mit der Einführung eines allgemeinen Gesetzes aufgehoben werden würden.6 Diese Ankündigung bedeutete erneut, nun jedoch endgültig das Ende lokaler Verfassungsinitiativen. Dass Melz, der sich im wesentlichen an der preußischen Städteordnung orientierte, allerdings an einem Ausgleich interessiert war, zeigt seine an den Städtetag gerichtete Bitte, ihm den dort diskutierten Entwurf zuzusenden.7 Obwohl die durch den Schweriner Bürgermeister, Otto Weltzin, und den Vorsteher des dortigen Bürgerausschusses, Joachim Saschenbrecker, erarbeitete und sich „stark an die bereits für Schwerin zur Verabschiedung gekommene Stadtverfassung“ anlehnende Vorlage8 lediglich im Vorstand kurz vorgestellt, seitens des Gremiums und der Mitglieder jedoch nicht legitimiert worden war, kam Weltzin dem Wunsch sofort nach.9 Dieser Alleingang verwundert umso mehr, als nur fünf Tage später, am 8. März 1919, ein außerordentlicher Städtetag stattfinden sollte und bereits im Vorfeld der Schweriner Entwurf sehr kontrovers diskutiert worden war. Für den Wismarer Gustav Michaelis etwa, der für die DDP im Landtag saß, enthielt er, um als „Ideal einer freiheitlichen Stadtverfassung“ gelten zu können, „noch zuviel von dem alten Obrigkeits- und Polizeistaat“. Insbesondere kritisierte er die starke Stellung des Bürgermeisters, die diesen zu einem „Stadttyrannen in Reinkultur“ mache. Als positives Vorbild bezeichnete er die englische Kommunalverfassung,10 die eine Doppelspitze, bestehend aus einem ehrenamtlichen Bürgermeister als Repräsentanten der Gemeinden und einem hauptamtlichen Leiter der Stadtverwaltung, vorsah.11 Für den Schweriner Entwurf indes trat der 4 Ebd. 5 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 57: Sawitz an Melz, 28. Feb. 1919. Vgl. auch MZ, 13. Juni 1919; RoA, 6. April 1919. Für den Entwurf selbst vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 58–70. Vgl. dazu auch den Kommentar von Sawitz, in: RoA, 9. Mai 1919. 6 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 82: Melz an Sawitz, 2. März 1919. 7 Vgl. MZ, 8. März 1919; RoA, 9. März 1919. 8 MZ, 7. März 1919. 9 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 76: Weltzin an Melz, 3. März 1919. Vgl. auch MW, 9. März 1919; MVZ, 11. März 1919. Für den Entwurf vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 77–80; MZ, 8. März 1919. 10 Michaelis: Städteordnung. 11 Vgl. etwa Gneist: Communal-Verfassung. Für die deutsche Entsprechung, die 1810 durch den Freiherrn vom Stein entwickelte Magistratsverfassung, vgl. allgemein Peters: Kommunalverfassung, S. 281–283.
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inisterialbeamte und Oberkirchenrat Wilhelm Brückner ein, der vor einer „ÜberM spannung des kollegialen Prinzips“ warnte.12 Auf dem außerordentlichen Städtetag erfuhr der durch Weltzin und Saschen brecker eingebrachte Entwurf denn auch keine einfache Bestätigung, sondern eine ausführliche Diskussion. Lediglich in Bezug auf die durch Weltzin formulierten „Grundsätze“, die das „breiteste Wahlrecht zum Bürgerausschuss“ und die Beschränkung des staatlichen Aufsichtsrechts auf Fälle „mißbräuchlicher Verwaltung“ betrafen, herrschte Einigkeit. Für Meinungsverschiedenheiten sorgten hingegen insbesondere die Bestimmungen über Wahlmodus und Kompetenzen des Magistrats. 13 Während Weltzin dem Gremium eine weitgehende Autonomie einräumen und ihn lediglich in finanziellen Fragen an die Zustimmung des Bürgerausschusses binden wollte,14 trat Johann Michaelis’ der für die DVP im Wismarer Stadtparlament saß, dafür ein, den Magistrat in einen beratenden Ausschuss des Kommunalparlaments umzufunktionieren. Der Antrag wurde jedoch „mit knapper Mehrheit“ abgelehnt.15 In Bezug auf die Wahl der Magistratsmitglieder, die dem Entwurf entsprechend durch den Bürgerausschuss erfolgen sollte, gingen die Vorschläge ebenfalls auseinander. So schlug Eduard Ellrich, der die SPD im Bürgerausschuss der Stadt Waren vertrat, vor, sämtliche Ratsmitglieder durch die Einwohner wählen zu lassen, während, der Anregung Michaelis’ folgend, lediglich der Bürgermeister direkt, die übrigen Mitglieder des Magistrats aber durch den Bürgerausschuss gewählt werden sollten. Da eine Einigung nicht erzielt werden konnte, wurde, auf Initiative des Bürgermeisters der Stadt Wesenberg, Hans Berg, beschlossen, die Entscheidung den politischen Gremien der einzelnen Kommunen zu überlassen.16 Kurz darauf brachte Bruno Joseph, Mitglied im Bürgerausschuss der Stadt Ribnitz, die eigentlich drängende und über allem schwebende Frage auf die Tagesordnung. Er stellte „den radikalen“ Antrag, „die bestehenden Magistrate“ aufzulösen. Friedrich Albrecht, Bürgermeister der Stadt Neustrelitz, reagierte auf diese über die Intention der Versammlung hinausgehende Forderung, mit deren Annahme sich der Städtetag jedoch an die Spitze der Reformbewegung hätte stellen können, mit der Bitte, die Bürgermeister mögen sich in dieser Frage enthalten. Berg hingegen suchte erneut den Ausgleich und beantragte das Recht der Wiederwahl sowie für den Fall einer Abwahl die Zusicherung einer finanziellen Versorgung der auf Lebenszeit angestellten Magistrate. Die Pension sollte auf Grundlage ihres bisherigen Dienstalters 12 13 14 15
Brückner: Städteordnung. MZ, 8. März 1919. Vgl. auch RoA, 9. März 1919. Vgl. MZ, 10. März 1919. MN, 11. März 1919; RoA, 11. März 1919. Unterstützung erhielt Michaelis u. a. durch die Vertreter Hagenows, die sämtlich dem Bürgerausschuss angehörten, und einige Delegierte Rostocks. Der dortige Ratssyndikus, Hans Linck, hingegen hatte sich gegen den Antrag ausgesprochen. Vgl. ebd. 16 Vgl. LZM, 11. März 1919; MZ, 10. März 1919. Geeinigt wurde sich lediglich darauf, im Falle einer Wahl durch die Bevölkerung nicht mehr als acht Bewerber durch den Bürgerausschuss aufstellen zu lassen. Vgl. ebd. Aufgegriffen wurde die Forderung Ellrichs nachweislich nur durch die SPD-Ortsgruppe in Wittenburg, die gegen die im August 1919 vorgenommene Wahl des Magistrats durch den Bürgerausschuss protestierte. Vgl. MZ, 21. Aug. 1919.
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ermittelt, bei einer Weigerung, sich der Wahl zu stellen, jedoch um ein Viertel gekürzt werden. Ohne die Stimmen der anwesenden Bürgermeister nahm der Städtetag den Vorschlag an.17 Es blieb allerdings bei einem bloßen Stimmungsbild. Beschlossen wurde weder ein konkreter Termin noch die bloße Verpflichtung, eine Wahl vornehmen zu wollen. Stattdessen diskutierte die Versammlung, wie im Falle von Uneinigkeiten zwischen Bürgerausschuss und Magistrat zu entscheiden sei. Hierbei trat die Mehrheit der Delegierten, dem Grundsatz einer möglichst beschränkten Staatsaufsicht folgend, für interne Konfliktlösungsstrategien ein. Die Vorschläge variierten jedoch auch hier in Abhängigkeit von der dem Bürgerausschuss und Magistrat beigemessenen Bedeutung.18 Mit dem Beschluss, die Entscheidung den einzelnen Mitgliedern zu überlassen, erwies sich der Städtetag erneut als handlungsunfähig. Dabei hätte die durch die Vertreter der Stadt Parchim angeregte Schaffung eines Verwaltungsgerichtshofs eine Alternative dargestellt19 und die Chance geboten, den Städtetag bzw. städtische Vertreter in einem staatlichen Gremium zu platzieren und ihnen Kompetenzen zu sichern. Mit den erwähnten Änderungen wurde der Entwurf des Vorstands angenommen und – in Ergänzung der Vorlage Weltzins und Saschenbreckers – dem Ministerium übersandt.20 Der für die Einberufung des außerordentlichen Städtetages ausschlaggebende Wunsch, der Regierung gegenüber Einigkeit zu demonstrieren, blieb allerdings unerfüllt. Verantwortlich dafür war nicht nur der Verzicht, sich auf einheitliche Regelungen zu einigen, sondern auch die Tatsache, dass der Entwurf nur unter den Delegierten, nicht aber in den parlamentarischen Vertretungen der einzelnen Städte eine Mehrheit fand und damit dem Willen eines Großteils der städtischen Bevölkerung widersprach. Verantwortlich für dieses Missverhältnis war, so der sozialdemokratische Abgeordnete des Rostocker Bürgerausschusses Wilhelm Dittrich, die Zusammensetzung des außerordentlichen Städtetags. Sie sei „auf Grund der alten Zeit“ zustande gekommen und damit nicht repräsentativ.21 Im Bericht der Hagenower Delegierten vor dem Bürgerausschuss hieß es, der Entwurf sei „nicht im freiheit lichen Sinne“ ausgefallen, weil durch das Übergewicht der Magistratsmitglieder „die Beschlüsse [...] im Sinne der Bürgermeister gefaßt worden“ wären. Aus diesem Grunde sei es auch, so die Delegierten, die sich dabei auf „Aeußerungen von Landtagsmitgliedern“ beriefen, „nicht zu erwarten“, dass „die auf dem Städtetag beschlossene Städteordnung von der Regierung als Grundlage einer solchen angesehen werden würde“.22 In Parchim reagierte der Bürgerausschuss auf den Bericht der Delegierten mit der Forderung, eine Kommission einzusetzen, die die „abweichende[n] 17 Vgl. LZM, 11. März 1919. Vgl. auch RoA, 11. März 1919. 18 Vgl. MZ, 10. März 1919. Die Vertreter Wismars etwa wollten in solchen Fällen die Entscheidung allein dem Bürgerausschuss überlassen. Vgl. ebd. 19 Vgl. MN, 11. März 1919; MZ, 10. März 1919. 20 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 126: Mecklenburgischer Städtetag an StM, 19. März 1919. Zugleich bat der Städtetag darum, ihm die Städteordnung vor deren Einbringung in den Landtag vorzulegen. Vgl. ebd. 21 MN, 11. März 1919. Vgl. auch MVZ, 11. März 1919. 22 MN, 26. März 1919. Vgl. auch MVZ, 23. März 1919.
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Wünsche“ der Stadt formulieren und dem „Landtage zur Berücksichtigung [...] unterbreiten“ sollte.23 Inwieweit der Entwurf des Städtetags von den Vorstellungen der einzelnen Städte abwich, verdeutlicht schließlich eindrucksvoll die am 16. April 1919 auf Initiative des Bürgerausschusses der Stadt Sternberg nach Güstrow einberufene Versammlung, an der 36 Delegierte aus 19 Städten teilnahmen.24 Aus ihrer Sicht war mit der Vorlage weder den „Verhältnissen der Kleinstädte“ entsprochen, noch „den Forderungen der Bürgerschaft [...] genügend Rechnung“ getragen worden.25 Insbesondere wurden die den Magistraten zugesprochenen Kompetenzen kritisiert. Den Antrag Michaelis’ wieder aufnehmend, beschloss die Versammlung, das Gremium in „ein vorbereitendes und ausführendes Organ“ umzufunktionieren.26 Konkret sollten das Vetorecht gestrichen und die Möglichkeit geschaffen werden, einzelne Beschlüsse, die durch den Rat abgelehnt worden waren, in gemeinsamer Sitzung nochmals zu beraten. Ferner einigte sich die Versammlung, damit das Neue der Stadtverfassung nach außen sichtbar werde, darauf, den Magistrat in Rat und, auf das demokratische Wahlrecht verweisend, die Bürgervertretung in Stadtverordnetenversammlung umzubenennen. Gleichzeitig setzten die Delegierten aber auch auf Kontinuität und forderten, an dem Zusatzantrag Bergs orientierend, die amtierenden Magistratsmitglieder auf, sich zur Wahl zu stellen. Die Legislatur legten sie, im Gegensatz zum Entwurf des Städtetags, der einen Unterschied zwischen besoldeten und unbesoldeten Senatoren machte, jedoch einheitlich auf sechs Jahre fest. Sämtliche Beschlüsse wurden anschließend einer siebenköpfigen Kommission übergeben, die den so veränderten Entwurf des Städtetags der Regierung übergab.27 Fast zeitgleich sandte das Ministerium des Innern die dort erarbeitete Vorlage, die in der Bezeichnung der kommunalen Organe der Sprachregelung der Güstrower Versammlung folgte, mit der Bitte um Stellungnahme an die einzelnen Fachministerien. Diskutiert wurde durch diese vor allem die Stellung des Rats. So verwies das unter Führung des Sozialdemokraten Heinrich Dethloff stehende Finanzministerium darauf, dass ihm über die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung nicht obrig keitliche Rechte, sondern nur ein Dienstaufsichtsrecht zugestanden werden könne.28 Im Justizministerium hingegen wurde kritisiert, dass mit der Entscheidung, die Mitglieder des Rats frei zu wählen, dem Gremium bestimmte Aufgaben, etwa auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für deren Erledigung die Befähigung zum Richteramt notwendig war, nicht übertragen werden konnten.29
23 MZ, 27. März 1919. 24 Vgl. MVZ, 20. April 1919. 25 LZM, 25. April 1919. Vgl. auch MN, 23. April 1919; MVZ, 20. April 1919; MZ, 22. April 1919; RoA, 18. April 1919. 26 MN, 23. April 1919. Vgl. auch MVZ, 20. April 1919. 27 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 232: Larisch an StM, Mai 1919. Für die Mitglieder der Kommission vgl. Tabelle 6 im Anhang. 28 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 294: MdF an MdI, 2. Mai 1919. 29 Vgl. ebd., Bl. 296: MdJ an MdI, 8. Mai 1919.
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Grundsätzlich setzte sich der Sozialdemokrat und Minister ohne besonderen Aufgabenbereich, Franz Starosson, mit dem Entwurf auseinander. Seiner Meinung nach fehlte dem Gesetz eine Präambel, die zugleich „eine programmatische Erklärung [...] über die Selbstverwaltung der Städte, beziehungsweise über das Maß des Aufsichtsrechts der Regierung“ enthalten müsse. Ferner unterstützte er die auf der Güstrower Tagung erhobene Forderung, die Mitglieder des Rats nicht auf zwölf, sondern auf sechs Jahre zu wählen und sprach sich gegen die „Verwendung des Begriffes Bürgerrecht“ aus, da dieser „so sehr an die Käuflichkeit des Bürgerrechts und das, was wir endgültig begraben haben“ erinnere.30 Melz folgte diesem Gedanken und ersetzte den Ausdruck durch die Formulierung „wahlberechtigte Gemeindeangehörige“.31 In Bezug auf die Wahldauer der Ratsmitglieder indes sah er sich nicht mehr in der Lage, eine Änderung vorzunehmen, da die Stadtverfassung Schwerins, die eine Legislatur von zwölf Jahren vorsah, bereits genehmigt worden war.32 Ohne den Wunsch des Städtetags, ihm den Entwurf vor der parlamentarischen Debatte zukommen zu lassen, zu berücksichtigen, ging der Regierungsentwurf am 5. Juni 1919 dem Landtag zu.33 Zeitgleich erhielten ihn der Rostocker Stadtverordnete Sawitz und der Schweriner Magistratsschreiber Wilhelm Behrens.34 Nur wenige Tage später erschien auch in der Presse ein Abdruck der Gesetzesvorlage.35 Dem Entwurf nach sollte den Stadtgemeinden ein umfangreiches Selbstverwaltungsrecht übertragen und dem Staat lediglich ein Aufsichtsrecht zugestanden werden. Dieses erstreckte sich jedoch nicht nur, wie seitens der Städte gefordert, auf Fälle des Missbrauchs der Verwaltung, sondern sah die Bestätigung von Ortssatzungen und sämtlichen Kreditanträgen vor. Gegen die Entscheidungen des Staates konnte jedoch Klage erhoben werden. Die Zuständigkeit wurde einem zu gründenden Landesverwaltungsrat übertragen, der dem Ministerium des Innern angegliedert werden und sich aus zwei Regierungsvertretern und drei Landtagsabgeordneten zusammensetzen sollte.36 Auf diese Weise würde, da die gewählten Mitglieder zugleich Vertreter der Städte sein könnten, dafür „Gewähr“ geboten, dass die „Grundsätze der Selbstverwaltung auch für die Tätigkeit des Landesverwaltungsrats maßgebend“ seien.37 Ein „Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des Landesverwaltungsrates“, etwa im 30 Ebd., Bl. 231: Starosson an Melz, 7. Mai 1919. 31 Ebd., Bl. 292: Melz an Starosson, 5. Juni 1919. Gänzlich verzichtet werden konnte auf den Begriff des Bürgerrechts jedoch nicht. So blieb er – freilich neu definiert – u. a. im Abschnitt zu den bürgerlichen Ehrenrechten und in der Formulierung „Ehrenbürgerrecht“ erhalten. Vgl. Gesetz, betreffend Städteordnung. Vom 18. Juli 1919, in: Rbl. Nr. 121, 30. Juli 1919, S. 673–694, hier S. 675, §§ 8 bis 10. 32 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 292: Melz an Starosson, 5. Juni 1919. 33 Vgl. ebd., Bl. 278: StM an Landtag, 5. Juni 1919. Für die Regierungsvorlage vgl. ebd., Bl. 279– 290. Vgl. auch Entwurf der Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 75. 34 Melz an Sawitz und Behrens, 5. Juni 1919. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 293. 35 Vgl. dazu etwa MN, 9. Juni 1919; MVZ, 8. und 11. bis 13. Juni 1919. 36 Vgl. Entwurf der Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 75. 37 MVZ, 13. Juni 1919.
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Rahmen eines Verwaltungsgerichtsverfahrens, war im Entwurf nicht vorgesehen.38 Entgegenkommen zeigte die Regierung zudem im Rahmen der Übergangsbestimmungen, die die Übertragung der freiwilligen Gerichtsbarkeit an den Staat an die Zustimmung von Rat und Stadtverordnetenversammlung band.39 Übereinstimmungen zwischen den Vorstellungen des Städtetags und der Regierungsvorlage bestanden ebenfalls in Bezug auf die politischen Gremien. Aus Sicht Saschenbreckers hatte Melz hier gar „manche Paragraphen [...] wörtlich oder fast wörtlich übernommen“. In sofern waren – mit Blick auf die nicht erfüllte Bitte, einen Sachverständigenrat bei der Erarbeitung des Regierungsentwurfs hinzuzuziehen – „die vom Schweriner Bürgerausschuss und vom Städtetag geleisteten Vorarbeiten doch nicht ohne Nutzen gewesen“.40 Saschenbrecker übte in seinen Anmerkungen zum Entwurf allerdings auch Kritik. Diese richtete sich insbesondere gegen das erweiterte Aufsichtsrecht des Staats, die Möglichkeit, die Gültigkeit der Wahlen zu den städtischen Vertretungen durch das Landesverwaltungsgericht prüfen zu lassen – ein Recht, das seiner Auffassung nach den Gremien selbst zustand – und das Verbot der Listenverbindung. Alles Punkte, die übrigens bereits einige Tage zuvor, am 16. Juli 1919, auf einer vermutlich in Parchim abgehaltenen Versammlung, an der etwa die Hälfte der Bürgermeister des Landes teilgenommen hatte, bemängelt worden waren. Von Saschenbrecker nicht aufgegriffen wurden die Forderungen, den Landesverwaltungsrat zum einen nur mit einem Vertreter des Ministeriums und zwei Landtagsabgeordneten zu besetzen, zum anderen um je einen gewählten Vertreter der Räte bzw. der Stadtverordnetenversammlungen der Städte des Landes zu ergänzen. Eine Änderung sollte, so die Versammlung, schließlich auch die Bestimmung, die das Ruhegehalt der ausscheidenden und sich nicht zur Wahl stellenden Magistratsmitglieder um ein Viertel reduzierte, erfahren.41 Der in den verschiedenen Entwürfen und Resolutionen sehr deutlich gewordene Wunsch einzelner Städte bzw. städtischer Zusammenschlüsse und Akteure, aktiv an der Neuordnung der eigenen Verfassungs- und Verwaltungsverhältnisse mitzuwirken, wurde, wie zu zeigen sein wird, mit dem Beginn der parlamentarischen Debatte nicht aufgegeben. Sowohl inner- als auch außerhalb des Landtags suchten sie weiterhin Einfluss auf die Gestaltung der Städteordnung zu nehmen.42
38 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 649, Bl. 106: Schlesinger an Feindt, 2. Jan. 1923. Vgl. dazu auch Kap. 6.4.2, S. 245. 39 Vgl. Entwurf der Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 75. 40 Saschenbrecker: Städteordnung. 41 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 313–315: Bürgermeister Stadt Parchim an Landtag, 18. Juni 1919. Nicht anwesend waren u. a. Vertreter der Stadt Rostock. 42 Wie viele Bürgermeister und Mitglieder der Bürgervertretungen der Städte als Abgeordnete im Verfassunggebenden Landtag saßen, konnte aus arbeitsökonomischen Gründen nicht ermittelt werden. Voraussetzung hierfür wäre ein, auch in vielerlei anderer Hinsicht notwendiges, biographisches Lexikon der Landtagsabgeordneten Mecklenburg-Schwerins. Für die außerparlamentarischen Aktivitäten der Vertreter der Städte vgl. Kap. 4.2.
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4.2 Parlamentarische Debatte und Inkraftsetzung Die Landtagsverhandlungen zur Regierungsvorlage begannen am 18. Juni 1919. Bereits während der ersten Lesung machte der Ministerpräsident, Hugo Wendorff, auf die Bedeutung der Städteordnung im Transformationsprozess Mecklenburg-Schwerins, der sowohl den Wandel vom Personenverbands- zum Territorialstaat als auch vom monokratischen zum demokratischen Herrschaftsprinzip umfasste, aufmerksam. Für ihn war der Entwurf „Teil des Gesamtverfassungswerkes“.43 Gleichzeitig verwies er darauf, dass die Vorlage kein „Homunkulus“ sei, sondern die Regierung die Entwürfe „der Stadt Schwerin, der Stadt Rostock [und] des Städtetages der kleinen Städte in Mecklenburg [...] berücksichtigt und verwandt“ habe.44 Die Gemeinsamkeiten zwischen lokalen Verfassungsinitiativen und der Gesetzesvorlage hervorhebend, betonte Wendorff die wenige Tage zuvor getroffene Entscheidung des Rostocker Bürgerausschusses, den Magistrat nicht in einen Ausschuss zu verwandeln, sondern ihm, dem Regierungsentwurf folgend, als Behörde einen Teil seiner Kompetenzen zu belassen.45 Wie unterschiedlich die Positionen der einzelnen Städte und Parteien jedoch gerade in dieser Frage waren, verdeutlicht der Zwischenruf des sozialdemokratischen Abgeordneten Ellrich, der aus Waren stammte und, auf die dortige Verfassungsvorlage verweisend, eine geringere Machtbefugnis der Räte forderte.46 In der anschließenden Aussprache, die eher untypisch erst am nächsten Tage erfolgte, warb der ebenfalls aus Waren stammende Abgeordnete Martin Wilbrandt (DDP) für eine stärkere Berücksichtigung der dortigen Stadtverfassung und regte an, auch in der Städteordnung des Landes die Möglichkeit aufzunehmen, den Bürgermeister direkt wählen zu lassen. Auf diese Weise würde, so Wilbrandt, die Stellung des Rates als „ausführendes Organ des Volkswillens“ gefestigt und nach außen hin sichtbar werden.47 Hermann Lüdemann, der sozialdemokratische Redner, lehnte dies mit dem Hinweis, dass lediglich die Position des Bürgermeisters gestärkt werden würde, ab. Er forderte stattdessen, die Befugnisse des Bürgermeisters zu beschneiden und im Rat das Kollegialitätsprinzip einzuführen, das bereits die Magistrate „namentlich in den größeren Städten“ Mecklenburg-Schwerins ausgezeichnet habe.48 Lüdemann suchte mit seiner Anregung allerdings nicht Kontinuität zu wahren; sie entsprach den Vorstellungen der Sozialdemokraten von der Stellung des Ministerpräsidenten 43 Wendorff, in: Landtag, 1921, 26. Sitzung, 18. Juni 1919, Sp. 921. 44 Ebd., Sp. 924. Der Entwurf des Städtetags fand keine bzw. lediglich als Vorlage der Stadt Schwerin Erwähnung. Als Entwurf des „Städtetages der kleinen Städte“ galt die Resolution der Güstrower Tagung. Für Hugo Sawitz, der nach dem Inkrafttreten der Städteordnung diese zusammen mit einem Kommentar herausgab, hatte indes allein die bekanntlich durch ihn erarbeitete Verfassung der Stadt Rostock einen „maßgebenden Einfluß“ ausgeübt. Sawitz: Städteordnung, S. XII. 45 Vgl. Wendorff, in: Landtag, 1921, 26. Sitzung, 18. Juni 1919, Sp. 924. Konkret ging es um das Recht, das Eigentum und die Anstalten der Stadt zu verwalten sowie deren Beamte anzustellen. Vgl. ebd. 46 Vgl. dazu Wendorff, in: Landtag, 1921, 26. Sitzung, 18. Juni 1919, Sp. 924–925. 47 Wilbrandt, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 936. 48 Vgl. Lüdemann, in: Ebd., Sp. 932–933.
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als primus inter pares und zielte insofern auf eine Übereinstimmung zwischen Städteordnung und Landesverfassung.49 Dass die Forderung nach direkter Demokratie allerdings auch innerhalb der SPD bestand, zeigt die Resolution der Ortsgruppe Goldberg, die „Wahl der Ratsmitglieder [...] nicht durch die Bürgervertretung“, sondern, dem Beschluss der Güstrower Tagung folgend, „durch die Einwohnerschaft, nach dem Reichswahlgesetz“ vornehmen zu lassen.50 Anders als SPD und DDP traten die Vertreter der konservativen Parteien, DNVP und DVP, für eine Erweiterung der Befugnisse des Rats und des Bürgermeisters ein.51 Gerechtfertigt sei dies, so der Deutschnationale Fritz Dettmann, da „die Zusammensetzung der künftigen Stadträte eine wesentlich andere sein“ werde als bislang. Durch das demokratische Wahlverfahren würde das Gremium „aus Mitgliedern aller Parteien“ und „erfahrene[n] Kommunal-Politiker[n]“ bestehen.52 Der durch Dettmann angesprochene Wandel der städtischen Elite beschäftigte auch Lüdemann, der die Rentenregelung für die Magistratsmitglieder kritisierte. Seiner Meinung nach sollte denjenigen, die sich nicht zur Wahl stellen wollten, eine Pension nur dann gezahlt werden, wenn sie keine anderweitige Anstellung fänden oder in einer solchen ein deutlich niedrigeres Gehalt bezögen.53 Eine generelle Entschädigung für den Verlust der Sonderrechte ablehnend, folgte Lüdemann der Position, die die Regierung bereits in der Frage der Privilegien der Seestädte eingenommen hatte.54 In der ersten Lesung äußerten sich die Abgeordneten auch zur Rolle des Rats als Organ der Selbstverwaltung und als staatliche Behörde. Die dem Gremium übertragene „obrigkeitliche Gewalt“ wurde dabei allgemein akzeptiert. Lediglich die DDP kritisierte, dass sich aus der im Entwurf gewählten alten Begrifflichkeit eine „Diszi plinar-Befugnis“ gegenüber den Bürgern ergebe, die strikt abzulehnen sei.55 Thema tisiert wurden ferner eine finanzielle Unterstützung der Fleckengemeinden56 sowie Zusammensetzung und Stellung des Landesverwaltungsrats, den die Städte, wie gezeigt, nur unter Vorbehalt akzeptiert hatten. Hier bewies der DNVP-Abgeordnete
49 Vgl. dazu etwa Mrotzek: Verfassung, S. 77–95, besonders S. 92. 50 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 308: Sozialdemokratischer Verein Goldberg an MdI, 15. Juni 1919. 51 Insbesondere forderten sie für den Rat das Recht, Initiativanträge zu unterbreiten und für den Bürgermeister die Möglichkeit, die Arbeitsausschüsse zu besetzen. Vgl. Dettmann, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 938; Reincke-Bloch, in: Ebd., Sp. 940. 52 Dettmann, in: Ebd., Sp. 938. 53 Vgl. Lüdemann, in: Ebd., Sp. 933. 54 Vgl. dazu Kap. 3.4, S. 90. 55 Wilbrandt, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 935. Das angesprochene Recht des Magistrats, ungebührliches Handeln der Bürger zu bestrafen, leitete sich allerdings, anders als durch die DDP angenommen, nicht aus seiner Stellung als Ortsobrigkeit ab, sondern hatte sich als Gewohnheitsrecht entwickelt. Vgl. Böhlau: Landrecht, Bd. 3, S. 134–139, § 193. 56 Vgl. Franz, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 942–943; Neumann, in: Ebd., Sp. 943. In den folgenden Beratungen, sowohl des Verfassungsausschusses als auch des Plenums, wurde diese Frage jedoch nicht weiter diskutiert.
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Dettmann politischen Weitblick. Er empfahl, im Landesverwaltungsrat den „Einfluß des Landtages durch [eine] Vermehrung der Landtagsmitglieder“ zu stärken und kam damit, die Wahrscheinlichkeit, dass Vertreter der Städte in das Gremium delegiert werden würden, erhöhend, der Forderung des Städtetags entgegen. Dessen Bitte, einem Vertreter die Möglichkeit zu geben, vor dem Verfassungsausschuss Stellung zur Städteordnung nehmen zu dürfen, hingegen lehnten die Mitglieder des Gremiums,57 die Ende Juni 1919 zu einer ersten Beratung zusammengekommen waren, „einstimmig ab“.58 Allerdings wollte man dort, auf Anregung von SPD und DDP, vorerst keine „bindende[n] Beschlüsse“ fassen, sondern das Urteil der Kommission des Städtetags, die auf dessen erster ordentlicher Versammlung aus dem Vorstand sowie neun frei gewählten Personen gebildet worden war, abwarten.59 Dieser Beirat, der wenige Tage später, am 25. Juni 1919, im Schweriner Rathaus tagte, formulierte drei größere Kritikpunkte. Zum einen bemängelte er das Verhältnis zwischen Stadtverordnetenversammlung und Rat. Aus Sicht der Mitglieder sollten Ortssatzungen, Verfügungen über städtisches Vermögen und Vertragsabschlüsse nicht wie vorgesehen nur durch das kommunale Parlament, sondern gemeinsam mit dem Rat beschlossen werden. Ganz in diesem Sinne einer Kooperation der Gremien wurde auch das dem Rat zugesprochene Recht, Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung die Ausführung zu versagen, abgelehnt. In Fällen, in denen die beiden Organe unterschiedlich votierten, sollte die Entscheidung entweder in einer gemeinsamen Beratung beider Gremien oder durch Volksabstimmung getroffen werden. Der zweite Kritikpunkt betraf das Aufsichtsrecht des Staates, das, so die Forderung, zu beschränken sei. Den Landesverwaltungsrat wünschte man lediglich als beraten57 Für eine Zusammenstellung der Mitglieder des Verfassungsausschusses vgl. Tabelle 7 im Anhang. 58 Gladischefski, in: Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1164. Dem Beamtenbund Mecklenburg-Schwerins wurde ebenfalls eine Absage erteilt. Auf Weisung des Landtags hatte der Ausschuss hingegen die Petition des Beamtenbundes, den Entwurf einer Städteordnung des Städtetags sowie die auf der Versammlung der Magistrate am 16. Juni 1919 beschlossene Resolution entgegengenommen. Überwiesen worden war dem Gremium zudem eine Interpellation der Bürgervertretung der Stadt Malchin und eine Zusammenstellung der Abänderungsvorschläge der DNVP. Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. Zum Antrag des Beamtenbundes, bei den „Kommissionsberatungen [...] Sachverständige aus allen städtischen Beamtengruppen [...] hinzuzuziehen“, vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 306: Vereinigung der städtischen Beamten von Mecklenburg-Schwerin an Melz, 11. Juni 1919. In der Begründung hieß es, nur so könne dem „bekannten Einwand der Städte“, die Berücksichtigung der Wünsche der Beamten stelle einen „Eingriff in ihr Selbstverwaltungsrecht“ dar, „wirksam entgegen[ge]treten“ werden. Ebd. 59 Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. Seitens der Delegierten war zuvor eine Diskussion des Regierungsentwurfs, eine Petition an den Landtag und die Einberufung eines außerordentlichen Städtetags abgelehnt worden. Bei der anschließenden Wahl der Kommission wurden sieben Stadtverordnete, von denen vier nachweislich der SPD angehörten, und drei Ratsmitglieder gewählt. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 323–326: Sitzungsprotokoll, 25. Juni 1919; MZ, 20., 22. und 24. Juni 1919. Vgl. dazu auch Tabelle 8 im Anhang.
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des Gremium, das nicht mehr innerstädtische Gegensätze, sondern vor allem politische Konflikte zwischen den Städten und dem Staat auszugleichen hatte. In Bezug auf die Zusammensetzung des Landesverwaltungsrates schlug die Kommission, sich dem Entschluss der Bürgermeistertagung vom 16. Juni anschließend, vor, zwei durch den Städtetag zu ernennende Mitglieder hinzuzunehmen. Den dritten Kritikpunkt bildeten die Anstellungsbedingungen der Ratsmitglieder. Hier forderte man, den unbesoldeten Stadträten eine Aufwandsentschädigung zu zahlen und eine Regelung, die eine Wiederwahl der alten Magistratsmitglieder auch auf Lebenszeit ermögliche. Um die Mitglieder des Verfassungsausschusses persönlich über die Vorstellungen und Forderungen der Städte zu informieren, bat die Kommission, einen Vertreter an den Verhandlungen des Verfassungsausschusses teilnehmen zu lassen. Die Wahl fiel dabei auf Wilhelm Brückner, der im Vorstand des Städtetags saß und als Ministerialrat im Justizministerium tätig war.60 Bei seiner grundsätzlichen Haltung bleibend, verwehrte der Verfassungsausschuss jedoch auch diesen Wunsch.61 Hinzu kam, das sich infolge der Entscheidung des Landtags, den städtischen Lehrern eine Teuerungs zulage zu zahlen, das Verhältnis zwischen dem Staat und den Städten, die sich, auf ihre Finanzlage verweisend, z. T. weigerten den Beschluss umzusetzen,62 verschlechtert hatte. Ein Indiz dafür, dass dies mit ein Grund für die Entscheidung des Verfassungsausschuss gewesen war, liefert der Aufruf des Vorstands des Städtetags, der den Landtagsbeschluss als „sachlich [...] voll gerechtfertigt“ bezeichnete und dazu aufforderte, die Proteste, die ohne „Aussicht auf Erfolg [...] nur noch Unruhe in die Bevölkerung hineintragen“ würden, einzustellen.63 Dabei hatten die Städte mit ihrer Weigerung eigentlich auf eine ganze Reihe von Problemen aufmerksam machen wollen. An erster Stelle stand dabei die Frage einer Neuorganisation des Schulwesens, die bereits auf dem außerordentlichen Städtetag im März 1919 auf die Tagesordnung gesetzt worden war. Die beiden Antragsteller, Brückner und Saschenbrecker, hatten damals die Bildung einer gemeinsamen Kommission, bestehend aus Vertretern der Städte und der Regierung, vorgeschlagen.64 Hierzu war es jedoch nicht gekommen.65
60 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 323–326: Sitzungsprotokoll, 25. Juni 1919; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 646, Bl. 18–25. Vgl. auch MZ, 3. Juli 1919. Zur Biographie Brückners vgl. Koch: Parlamentarismus, Bd. 2, S. 189; Deutsches biographisches Jahrbuch, 10 (1931), S. 320. 61 Vgl. Weltzin: Städtetag. 62 Vgl. dazu etwa das Eingesandt des Vorsitzenden der Fachabteilung Kommunalbeamte des Beamtenbundes Mecklenburg-Schwerin, F. Bremer, in: MZ, 6. März 1920. 63 MVZ, 28. Juni 1919. 64 Vgl. RoA, 11. März 1919. 65 Das erste der insgesamt drei Gesetze zur Neuordnung des Schulwesens, das sogenannte Volksschulunterhaltungsgesetz, wurde erst Ende 1920 verabschiedet. Bis dahin waren sämtliche Kosten durch die Städte zu tragen. Erst mit dem Gesetz übernahm der Staat die Personalkosten – allerdings nicht gänzlich. Den Bestimmungen des Landesabgabengesetzes zufolge hatten die Kommunen als Gegenleistung 40 Prozent des Anteils, den sie von der Reichseinkommen- und Körperschaftsteuer erhielten, an den Staat abzuführen; mehr als ein Viertel der in der Gemeinde erwachsenen Personalausgaben durften jedoch nicht abgezogen werden. Vgl. Evermann und Wahls: Schulrecht und Lehrerrecht, S. 9–74, besonders S. 30.
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Ferner fehlten einheitliche Grundsätze der Besoldung,66 was umso mehr erstaunt, als die Regierung solche bereits auf dem platten Lande eingeführt hatte.67 Im Verfassungsausschuss wurden derartige Fragen ebenfalls nicht debattiert. Dies verwundert, da alle Parteien grundsätzlich für eine Vereinheitlichung der Verwaltung eintraten und die Forderung, die Kompetenzen des Staats zu beschränken, ablehnten. Sie alle waren, wie es ein Vertreter der SPD formulierte, dagegen, dass „aus den 42 Städten 42 selbständige Republiken“ werden.68 Was die Zusammensetzung des Landesverwaltungsrats betraf, folgten die Parteien der Anregung Dettmanns und schlugen eine Erhöhung der Zahl der Landtagsabgeordneten von drei auf sechs vor. Die Stellung des Parlaments im Gremium stärkend wurde ferner beschlossen, den Referenten des Ministeriums nur noch mit beratender Stimme teilnehmen zu lassen.69 Neben der Staatsaufsicht diskutierte der Verfassungsausschuss den durch den Regierungsentwurf beabsichtigten Kompetenzzuwachs der städtischen Parlamente. Bereits im Vorfeld hatte der Bürgerausschuss der Stadt Waren kritisiert, dass auf diese Weise das Organ der eigentlichen Intention entgegen, nicht „hervorragend“ gestellt, sondern „in eine denkbar unglückliche Lage“ gebracht werden würde, weil insbesondere in den kleineren Städten persönliche Befindlichkeiten eine „verantwortliche und berufsmäßige Bearbeitung“ der Stadtgeschäfte verhindern würden. Aus diesem Grunde sei, wie bereits durch die Kommission des Städtetags gefordert, eine Rückübertragung von Kompetenzen an den Rat nötig.70 Die Mitglieder des Verfassungsausschusses folgten diesem Einwand und verlangten bei der Veräußerung städtischen Vermögens, bei der Kreditaufnahme und bei größeren Ausgaben die Zustimmung des Rats zu den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung.71 Den Vorschlag der Kommission des Städtetags, dem Rat das Recht zuzusprechen, „in städtischen Angelegenheiten Ausgaben bis zu einem festzusetzenden Betrage ohne Genehmigung der Stadtverordnetenversammlung“ tätigen zu können, lehnte der Verfassungsausschuss 66 Aus Sicht des Beamtenbunds herrschten „nirgends [...] solche Unterschiede in den Gehaltszahlungen wie bei den städtischen Beamten“. So hatten etwa „einige Gemeinden ihre Beamten ohne weiteres den Staatsbeamten gleichgestellt“, während „andere nur einen Bruchteil“ zahlten. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 318–319: Beamtenbund für Mecklenburg-Schwerin an StM, 20. Juli 1919. 67 Vgl. Nörenberg: Landschulwesen, S. 83. 68 Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. Die Äußerung stammte vermutlich von Lüdemann, der bereits im Landtag dafür plädiert hatte, das Selbstverwaltungsrecht nicht soweit auszugestalten, dass „lauter kleine Republiken“ entstünden. Gleichwohl warnte Lüdemann vor einem zu umfänglichen Aufsichtsrecht des Staates. Lüdemann, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 932–933. 69 Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. Der Vorschlag der Kommission des Städtetags, den die SPD anfänglich unterstützt hatte, war damit abgelehnt worden. 70 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 345–347: Bürgerausschuss Stadt Waren an StM, 27. Juni 1919. Zur internen Diskussion der Eingabe vgl. MN, 3. Juli 1919; MW, 4. Juli 1919. 71 Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111.
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hingegen ab. Möglicherweise fürchtete man die Etablierung eines zweiten Haushalts, der der Kontrolle der Stadtverordnetenversammlung entzogen wäre. Die Anregung der Bürgervertreter Warens, aus deren Mitte „zwei Magistratsbeigeordnete“ zu wählen und diesen „alle Rechte von Magistratsmitgliedern“ zuzusprechen, hätte dies verhindern und grundsätzlich einen Austausch der beiden Gremien befördern können. Die Idee, ein solches Doppelmandat zu schaffen, ging höchstwahrscheinlich auf das während der Revolution einzelnen Vertretern sowohl der Arbeiter- und Soldaten- als auch der Bürger- und Volksräte gewährte Recht, an den Sitzungen der Magistrate teilzunehmen, zurück.72 Obwohl das Amt des Beigeordneten Anfang Dezember 1918 in die Verfassung der Stadt Waren aufgenommen worden war und sich, nach Angaben des dortigen Bürgerausschusses, „durchaus bewährt“ hatte,73 lehnte der Verfassungsausschuss den Vorschlag ab.74 Während in diesen Fragen weitgehende Einigkeit bestand, sorgten die Bestimmungen des Regierungsentwurfs, die die Zusammensetzung und den Wahlmodus des Rats betrafen, für eine größere Debatte. Diskutiert wurde etwa, ob die Legislatur der besoldeten Stadträte – wie durch Starosson und die Güstrower Tagung angeregt – von zwölf auf sechs Jahre verkürzt und damit an die der unbesoldeten Stadträte angeglichen werden sollte. Die Entscheidung blieb den einzelnen Städten überlassen. Dies galt auch für das Verhältnis von besoldeten und unbesoldeten Stadträten. Der Antrag der DNVP, zur Wahrung von Professionalität und Kontinuität der Verwaltung die Zahl der besoldeten Räte „nicht geringer zu bemessen“ als die der unbesoldeten, lehnte die Mehrheit der Mitglieder des Verfassungsausschusses, wohl auch mit Rücksicht auf die finanzielle Lage insbesondere der kleineren Städte, ab. Deutliches Zeichen für den Willen, etwas Neues zu schaffen, war die Änderung der Amtsbezeichnung. Auf Antrag der DVP, deren Vertreter darauf hinwiesen, dass Stadtrat der Titel der um 1806 durch die großherzogliche Regierung ernannten städtischen Beamten war, wurde die Bezeichnung Senator eingeführt.75 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch der durch die Mitglieder des Verfassungs ausschusses neu in die Städteordnung eingebrachte Absatz, der auf eine Petition der demokratischen Frauengruppe Schwerins zurückging und ausdrücklich auf das Recht, Frauen zu Senatorinnen zu wählen, verweist.76 Eine kontroverse Auseinandersetzung im Rahmen der Debatte über Stellung, Wahl und Zusammensetzung des Rats löste erneut die Vorgabe des Regierungsentwurfs, den Bürgermeister durch die Stadtverordnetenversammlung wählen zu lassen,
72 Vgl. dazu Kap. 2.4.1, S. 48. 73 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 345–347: Bürgerausschuss Stadt Waren an StM, 27. Juni 1919. Für einen Abdruck der Stadtverfassung Warens vgl. ebd., Bl. 351. 74 Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. 75 Vgl. ebd. Mit Verweis auf die „alte Zeit“ wurde übrigens auch der Antrag der DNVP, statt der Formulierung „wahlberechtigter Einwohner“ den Begriff „Bürger“ zu wählen, abgelehnt und damit die Fassung des Regierungsentwurfs bestätigt. Ebd. 76 Ebd.
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aus. Während DDP und DVP ebenso wie der Bürgerausschuss der Stadt Waren77 für eine Direktwahl eintraten, sprach sich SPD strikt dagegen aus. Zum einen sah sie „der wildesten Agitation Tor und Tür“ geöffnet und war überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen den Stadtverordneten und dem Rat „unendlich erschwert“ werde, wenn „man ihnen [...] Leute aufdränge, die ihnen nicht gefielen“, zum anderen widersprach die Direktwahl, wie bereits erwähnt, ihrer Vorstellung vom Rat als Kollegialbehörde.78 Beide Vorschläge fanden jedoch, ebenso wie der Kompromissvorschlag der DVP, die Einwohner nur „aus 3 von den Stadtverordneten vorgeschlagenen Herren“ wählen zu lassen, keine Mehrheit. In der zweiten Lesung wurde, nachdem zunächst der Regierungsentwurf bestätigt worden war, dann doch die Möglichkeit der Direktwahl in die Städteordnung aufgenommen. Die konkrete Entscheidung blieb den Städten überlassen.79 In Bezug auf die Stadtverordnetenversammlung folgte der Verfassungsausschuss den Bestimmungen des Regierungsentwurfs. Der Vorschlag der Bürgervertreter der Stadt Waren, das Gremium alle zwei Jahre zur Hälfte und alle vier Jahre gänzlich neu wählen zu lassen,80 blieb unberücksichtigt. Ausschlaggebend dabei war nicht zuletzt die im Entwurf enthaltene Möglichkeit, die Legislatur durch Volksentscheid vor zeitig zu beenden. Mit dem gleichen Argument konnten in der zweiten Lesung der Städteordnung die Vertreter der SPD davon überzeugt werden, ihren Antrag, Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung, sofern sie nicht den Etat oder die Steuern betrafen, durch Volksentscheid aufzuheben, wieder zurückzuziehen. Tatsächlich suchte die SPD das plebiszitäre Element nicht aus grundsätzlich parteiprogrammatischen Überlegungen heraus zu stärken, sondern wollte kurzfristig ein „Gewalttätigkeiten“ vorbeugendes „Ventil [...] schaffen“. Notwendig sei dieses, da ihrer Meinung nach „die jetzige Zusammensetzung“ der einzelnen Bürgerausschüsse „nicht mehr die Mehrheit im Volk habe“.81 Warum die Sozialdemokraten allerdings nicht im Rahmen der Übergangsbestimmungen dafür eintraten, mit der Einführung der Städteordnung eine Neuwahl der Bürgerausschüsse zu verbinden, erscheint verwunder77 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 345–347: Bürgerausschuss Stadt Waren an StM, 27. Juni 1919. 78 Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. Bereits in der Frage der Kompetenzen des Bürgermeisters als Vorsitzender des Rats hatte die SPD sich gegen die im Regierungsentwurf vorgesehene besondere Stellung ausgesprochen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Der geplanten Regelung, den Bürgermeister zum Dienstvorgesetzten der Ratsmitglieder, Beamten und Angestellten der Stadt zu ernennen, stimmte die Partei indes zu. Hiergegen votierte allein die DVP. In zweiter Lesung wurde das Recht dann jedoch, einem Antrag der DDP folgend, dem gesamten Rat übertragen. Vgl. ebd. 79 Ebd. Als erste Stadt Mecklenburg-Schwerins führte, einem Antrag der Einwohner folgend, Plau die Regelung ein. Vgl. MW, 7. Aug. 1919. Wenig später übernahm auch Wittenburg die Direktwahl. Vgl. MZ, 19. Aug. 1919. 80 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 345–347: Bürgerausschuss Stadt Waren an StM, 27. Juni 1919. 81 Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111.
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lich. Dies gilt umso mehr, als genau dies für die Magistrate beschlossen worden war. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bis dato lediglich die Einwohner Grabows eine vorzeitige Beendigung der Legislatur des Bürgerausschusses beantragt82 und sich Proteste, die den „Einfluß der Straße auf die Stadtverwaltung“ verdeutlichten, nur in Teterow und Güstrow ereignet hatten.83 Durchsetzen konnte sich die SPD mit der Forderung, die Kompetenzen des Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung zu beschneiden. In Fällen der Stimmgleichheit sollte seine Stimme nicht entscheidend sein, sondern der Antrag als verneint gelten bzw. bei Wahlakten gelost werden.84 Einen weiteren Schwerpunkt in den Verhandlungen des Verfassungsausschusses bildete die Stellung des Rats als Obrigkeit der Stadt. In erster Linie ging es hierbei jedoch um die Begrifflichkeit. Der Argumentation der DDP und des Warener Bürgerausschusses85 folgend, wurde „angesichts des Unheils, welches die vermeinte obrigkeitliche Stellung der Magistrate und ihr aus dieser hervorgeleitetes Strafrecht vor dem 9. November 1918 in den Städten angerichtet“ hatte, die im Entwurf gebrauchte alte Bezeichnung gestrichen und die Formulierung „Organ der Staatsverwaltung“ gewählt.86 Erst in zweiter Lesung diskutierten die Mitglieder die zu übertragenden bzw. abzugebenden Aufgaben. Dabei folgten sie im wesentlichen den Bestimmungen des Regierungsentwurfs87 und stimmten, entgegen den Wünschen der Städte, für einen Verzicht auf die freiwillige Gerichtsbarkeit. Ausschlaggebend waren dabei nicht die zu erwartenden Mehreinnahmen des Staats, sondern die andernfalls notwendige Beschränkung bei der Wahl des Bürgermeisters und der Ratsmitglieder, für dessen Amt nur Personen mit der Befähigung zum Richteramt würden kandidieren können.88 Wenige Tage nachdem der Verfassungsausschuss getagt hatte, begann im Parlament die zweite Lesung der Städteordnung. Ingesamt war zwischen erster Beratung, den Ausschusssitzungen und der erneuten Verhandlung nicht einmal ein Monat vergangen. Tatsächlich fühlten sich sowohl die Parlamentarier als auch die Mitglieder 82 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 87: Verzeichnis der Anträge auf vorzeitige Beendigung der Wahldauer der Stadtverordnetenversammlungen in den Städten, 22. Okt. 1919. 83 Knebusch, in: Landtag, 1921, 38. Sitzung, 18. Juli 1919, Sp. 1284. 84 Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. 85 Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 345–347: Bürgervertretung Stadt Waren an StM, 27. Juni 1919. 86 Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. Die Begründung entstammt der Eingabe des Bürgerausschusses Waren, die während der Debatte verlesen wurde. Aus Sicht des Regierungsvertreters Melz handelte es sich jedoch nur um „grundlose Befürchtungen vor der Rückkehr der alten Zeit und des alten Obrigkeitsstaates“. Ebd. 87 Konkret wurden dem Rat die Geschäfte der Orts-, Bau-, Gewerbe- und Gesundheitspolizei übertragen. Vgl. ebd. Dass die Übernahme von Staatsaufgaben nicht überall erwünscht war, zeigt der Einspruch der Stadt Goldberg gegen die Funktion des Rats als Baubehörde. Dem 1925 geäußerten Wunsch, diese Aufgabe abzugeben, wurde jedoch nicht entsprochen. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644, Bl. 207: MdI an Rat Stadt Goldberg, 16. März 1925. 88 Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111.
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des Verfassungsausschusses unter Druck gesetzt. So hatte Wilbrandt bereits während der ersten Lesung im Landtag darauf hingewiesen, dass auf die Städteordnung „vielleicht noch mehr gewartet“ werde, „als auf die Verfassung“ selbst und aus Sicht der Bevölkerung das Parlament „zu langsam“ und „auch nicht energisch genug“ arbeite, „nichts fertig“ bringe und „schließlich alles beim Alten“ bliebe.89 Gleich zu Beginn der Sitzung forderte sein Parteikollege, Karl Gladischefski, die Städteordnung „noch in dieser Woche unter Dach und Fach“ zu bringen.90 Seine Fraktion war es jedoch, die noch eine Reihe von Änderungsanträgen einbrachte. Fast alle anderen stammten von der Sozialdemokratie, die den Ansichten ihres Koalitionspartners häufig widersprach. Die konservativen Parteien hielten sich in diesem „Kampf der streitenden Brüder“ weitgehend zurück.91 Ein erster Gegensatz zwischen den beiden Regierungsparteien zeigte sich bereits in der Frage, ob eine Verpflichtung zur Übernahme städtischer Wahl- und Ehrenämter geschaffen werden müsse. Während die DDP dies kategorisch ablehnte,92 verwies die SPD darauf, dass gerade in den kleineren Landstädten häufig Personen fehlten, die freiwillig politische Verantwortung übernahmen oder dafür geeignet seien.93 Gleichzeitig böte die Bestimmung, so der Abgeordnete Bernhard Gierke, die Möglichkeit Unabhängige und Kommunisten auszuschließen.94 Die DNVP, die auf diese Weise wohl gewonnen werden sollte, wies den Antrag der SPD indes als „Bloßstellung des ganzen demokratischen Grundsatzes weitgehender Volksherrschaft“ zurück.95 In der Abstimmung unterlagen schließlich beide Anträge. Es blieb bei dem im Verfassungsausschuss ausgehandelten Kompromiss, der die Entscheidung den einzelnen Städten überließ.96 Die nächste Kontroverse lösten die Bestimmungen zur Stadtverordnetenversammlung aus. Hier erhob die DDP Einspruch gegen die für das Volksbegehren zum Volksentscheid über die vorzeitige Auflösung des Gremiums notwendige Stimmenzahl. Sie war auf ein Viertel festgelegt worden und bot damit, aus Sicht der Partei, „Anlass zur steten Störung“. Sie forderte eine Unterstützung des Volksbegehrens durch drei Viertel der wahlberechtigten Einwohner,97 konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen.98 Dies galt auch für den Antrag, die Beschlussfähigkeit des Gremiums durch die Anwesenden festlegen zu lassen, statt, wie vorgesehen, die Teilnahme der Hälfte der Mit89 Wilbrandt, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 934. Vgl. dazu auch den Leserbrief von Wilhelm König, in: MVZ, 12. Juni 1919. 90 Gladischefski, in: Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 938. 91 Knebusch, in: Ebd., Sp. 1190. 92 Vgl. Witte, in: Ebd., Sp. 1166. Vgl. auch Hecht, in: Ebd., Sp. 1167–1168; Wilbrandt, in: Landtag, 1921, 27. Sitzung, 19. Juni 1919, Sp. 936. 93 Vgl. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. 94 Vgl. Gierke, in: Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1166–1167. 95 Dettmann, in: Ebd., Sp. 1167. 96 Vgl. ebd., Sp. 1169. Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111. 97 Hecht, in: Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1171–1172. 98 Vgl. Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1172.
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glieder zur Voraussetzung zu nehmen.99 Inwieweit es sich bei dem Vorschlag um ein Eingeständnis der DDP, dass im kommunalen Bereich die Bereitschaft, politische Verantwortung zu tragen, geringer sei, handelte, lässt sich nicht nachweisen. Dass Unterschiede zwischen Landes- und Lokalpolitik gemacht wurden, zeigt jedoch die Ablehnung des Antrags der DNVP, die Regelung zum Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung an die des Landtags anzupassen.100 Die Entscheidung blieb, wie im Verfassungsausschuss beschlossen, an eine Mehrheit von lediglich einem Viertel der Stadtverordneten gebunden.101 Das zweite innerhalb der Städteordnung vorgesehene politische Gremium, der Rat, wurde ebenfalls lebhaft diskutiert. Dabei ging es zum einen um die Amtsbezeichnung, die, einem Antrag der DDP entsprechend, durch die Städte selbst festgelegt werden sollte.102 Dies hätte jedoch ganz augenfällig die Bestrebung, eine e inheitliche Verfassungs- und Verwaltungsstruktur zu schaffen, konterkariert.103 Auf Anregung des deutschnationalen Abgeordneten Magnus Knebusch und „im Interesse der deutschen Sprache“104 wurde deshalb die Amtsbezeichnung Stadtrat gewählt.105 Im weiteren ging es ebenfalls um eine Formulierung, nämlich um die des Rates als Ortsobrigkeit. Die Auseinandersetzung wurde jedoch nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch innerhalb der DDP geführt. So trat etwa der Rostocker Getreidehändler William Cohn dafür ein, den Rat in seiner Eigenschaft „als Organ der Staatsverwaltung“ als „Ortsobrigkeit der Stadt“ zu bezeichnen.106 Der Gymnasiallehrer Wilbrandt hingegen war mit Blick auf die in seiner Heimatstadt Waren verabschiedete Verfassung der Überzeugung, dass „der erste Satz [...] sehr gut fehlen“ könne.107 Diese Auffassung entsprach der der Sozialdemokraten, während die anderen Mitglieder der DDP, die „ruhig und kaltblütig das sagen und drucken“ wollten, was den „Tatsachen“ entspräche,108 durch DVP und DNVP unterstützt wurden.109 Der Antrag der SPD wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt; die moderne, etwas umständliche Formulierung setzte sich durch.110 Uneinigkeit innerhalb der Demokratischen Partei herrschte auch in Bezug auf die Stellung des Bürgermeisters. Während Karl Friedrich Witte für eine Erweiterung der Kompetenzen, insbesondere für ein Dienstaufsichtsrecht gegenüber den Stadträten, eintrat,111 sah Gustav Michaelis durch den Antrag seines Parteikollegen dem „Autori 99 Vgl. Witte, in: Ebd., Sp. 1175–1176; Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1176. Gegen den Antrag sprach u. a. der Regierungsvertreter Melz, der vor der unbeschränkten Machtfülle, die der Minderheit erwachsen würde, warnte. Vgl. Melz, in: Ebd., Sp. 1176. 100 Für den Antrag und dessen Begründung vgl. Metterhausen, in: Ebd., Sp. 1177. 101 Vgl. Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1178. 102 Vgl. Witte, in: Ebd., Sp. 1172–1173. 103 So indirekt auch Melz, in: Ebd., Sp. 1173. 104 Knebusch, in: Ebd., Sp. 1173. 105 Vgl. Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1174. 106 Cohn, in: Ebd., Sp. 1180–1181. 107 Wilbrandt, in: Ebd., Sp. 1181. 108 Witte, in: Ebd., Sp. 1183. 109 Vgl. Knebusch, in: Ebd., Sp. 1182; Reincke-Bloch, in: Ebd., Sp. 1182. 110 Vgl. Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1184. 111 Vgl. Witte, in: Ebd., Sp. 1185–1187.
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tätssystem [des] alten Obrigkeitsstaat[s] [...] eine kleine Hintertür“ geöffnet.112 Gemeinsam mit der SPD wollte er den Bürgermeister nur zum Dienstherrn der städtischen Beamten und Angestellten, aber ausdrücklich nicht der Ratsmitglieder, ernennen und setzte sich mit diesem Kompromiss durch.113 Die Anstellungsbedingungen für das Amt des Bürgermeisters sorgten schließlich für eine letzte größere Auseinandersetzung. Konkret ging es um die bereits erwähnten Pensionsansprüche der alten Magistratsmitglieder, die im Rahmen der Übergangsbestimmungen geregelt werden sollten. Hierbei bestanden erneut unterschiedliche Positionen zwischen den Koalitionspartnern DDP und SPD, die so Mehrheiten bei den anderen Parteien suchen mussten. Für die Demokraten war dies nicht leicht, da ihr Vorschlag, den sich nicht zur Wahl stellenden Magistraten mindestens die Hälfte des früheren Gehalts als Pension zu belassen,114 der DNVP nicht annehmbar erschien. Sie forderte eine Rente in Höhe von 75 Prozent des bisherigen Einkommens bzw. ein entsprechendes, auf Jahre zu bemessendes Wartegeld.115 Dem gegenüber stand der Antrag der SPD, der eine Rentenzahlung nur dann vorsah, wenn die Magistrate ohne Anstellung blieben oder in einer solchen einen wesentlich geringeren Lohn erhielten.116 Gegen den Vorschlag der DVP, die Angelegenheit noch einmal an den Verfassungsausschuss zu verweisen,117 wurde schließlich der Antrag der SPD, der lediglich eine Ausgleichung der Härten vorsah, sich aber nicht konkret festlegte, angenommen.118 Zwei Tage später, am 18. Juli 1919, trat der Landtag in die dritte Lesung der Städteordnung ein. In der allgemeinen Diskussion wandte sich die DNVP gegen die „schrankenlose Übernahme des parlamentarischen Systems auf die Stadtverwaltung“ und sprach sich indirekt für ein Jurastudium als Zugangsvoraussetzung für das Amt des Bürgermeisters aus.119 Unterstützung erhielt die Partei dabei seitens der DVP, die zudem aufgrund der nur begrenzten Amtsdauer der Ratsmitglieder „Schwierigkeiten geweckt“ sah.120 Während sich die konservativen Parteien jedoch auf die Äußerung von Bedenken an der Professionalität der neuen Stadtverwaltungen beschränkten, brachten SPD und DDP Anträge ein, die die in zweiter Lesung angenommene Änderung in Bezug auf die Stellung des Bürgermeisters gegenüber städtischen Beamten und Angestellten rückgängig machen sollten. Erneut standen sich in dieser als „Kernpunkt“ der 112 Michaelis, in: Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1189. Irrtümlicherweise ist im Protokoll nicht vom Antrag Witte, sondern vom Antrag Dittrich die Rede. 113 Vgl. ebd. Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1190. Zur Position der SPD vgl. Dittrich, in: Ebd., Sp. 1187–1188. Seitens der konservativen Parteien sprach lediglich die DVP für den Antrag Witte. Vgl. dazu Reincke-Bloch, in: Ebd., Sp. 1188–1189. 114 Vgl. Witte, in: Ebd., Sp. 1192. 115 Vgl. Metterhausen, in: Ebd., Sp. 1193–1195. 116 Vgl. Dittrich, in: Ebd., Sp. 1192–1193. 117 Vgl. Reinke-Bloch, in: Ebd., Sp. 1195–1196. 118 Vgl. Landtag, 1921, 35. Sitzung, 16. Juli 1919, Sp. 1197–1198. 119 Knebusch, in: Landtag, 1921, 38. Sitzung, 18. Juli 1919, Sp. 1277. Dieser Anregung folgte im August 1919 die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Wittenburg, die mit sieben gegen fünf Stimmen für eine juristische Qualifikation als Voraussetzung für die Kandidatur zum Bürgermeisteramt votierte. Vgl. MN, 21. Aug. 1919; MZ, 19. Aug. 1919; RoA, 20. Aug. 1919. 120 Reincke-Bloch, in: Landtag, 1921, 38. Sitzung, 18. Juli 1919, Sp. 1283.
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Städteordnung bezeichneten Frage Teile der DDP, die diesmal sogar zwei getrennte Anträge einbrachte, gegenüber.121 Am Ende setzte sich die seitens der SPD unterstützte Position Wilbrandts, die im Verfassungsausschuss beschlossene Regelung wieder einzuführen, durch.122 Damit wurde in konsequenter Anwendung des Kollegialsystems der Rat als Institution zum Dienstherrn aller städtischen Beamten und Angestellten, inklusive der Ratsmitglieder, erklärt und die in zweiter Lesung verabschiedete „Halbheit“ aufgehoben.123 Eine Änderung wurde zudem innerhalb der Bestimmungen zum Ruhegehalt der ausscheidenden Magistrate beschlossen. Hier hatten sowohl SPD als auch DNVP ausführlichere Bestimmungen erarbeitet, die nun Gesetz wurden.124 Der Entscheidung folgte jedoch eine längere Debatte, in der insbesondere der Bürgermeister von Waren, Karl Klockow, gegen die vorgesehene Kürzung der Pension eintrat, da auf diese Weise die Magistrate, insbesondere die, die sich nicht zur Wahl stellen wollen, wider die Grundsätze der Demokratie „für ihre Ueberzeugung bestraft“ werden würden.125 Doch weder seine, noch die dem Verfassungsausschuss vorgetragenen Argumente eines Sternberger Senators konnten verhindern,126 dass die „vermögensrechtlichen Ansprüche der lebenslänglich und unkündbar angestellten Magistratsmitglieder durch die Enthebung von ihren Aemtern“ geändert wurden.127 Als jedoch einige Ratsherren vor das Oberlandesgericht zogen, entschloss sich die Regierung 1923, zumindest die nicht wiedergewählten Magistrate finanziell besser zu stellen.128 Mit der Veröffentlichung der in dritter Lesung durch den Landtag angenommenen Städteordnung im Regierungsblatt war das Reformwerk noch nicht abgeschlossen.129 Zum einen fehlten die Ausführungsbestimmungen des § 17, der die vorzeitige Beendigung der Legislatur der Stadtverordnetenversammlung regelte, zum anderen 121 Wilbrandt, in: Ebd., Sp. 1292. Für die Anträge vgl. Asch, in: Ebd., Sp. 1288; Witte, in: Ebd., Sp. 1290. 122 Vgl. Landtag, 1921, 38. Sitzung, 18. Juli 1919, Sp. 1292. Vgl. dazu auch Dittrich, in: Ebd., Sp. 1290–1291. 123 Vgl. Landtag, 1921, 38. Sitzung, 18. Juli 1919, Sp. 1292. Für das Zitat vgl. Witte, in: Ebd., Sp. 1290. 124 Vgl. Landtag, 1921, 38. Sitzung, 18. Juli 1919, Sp.1293–1297. 125 Klockow: § 26 Städteordnung. Vgl. dazu auch ders.: Randbemerkungen; Leitner: § 67; RoA, 2. Okt. 1919. Zur Reaktion Klockows auf den Artikel Leitners vgl. MN, 7. Okt. 1919; RoA, 7. Okt. 1919. 126 Vgl. MN, 5. Juli 1919. 127 Sawitz: Städteordnung, S. 148. Zur Abweisung der Ansprüche Klockows vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 434–453: Klockow gegen den Freistaat, Abschrift des Urteils, 5. Juni 1919. 128 Vgl. Gesetz zur Ergänzung des § 67 Abs. 4 der Städteordnung vom 18. Juli 1919 (Rbl. S. 673). Vom 5. Juli 1923, in: Rbl. Nr. 85, 12. Juli 1923, S. 478–479. Notwendig war die hier beschlossene, sehr weitgehende Regelung allerdings nicht, hatte das Oberlandesgericht den Ratsherren doch lediglich die während ihrer Dienstzeit gewährten Teuerungszulagen, nicht aber eine „Aufbesserung der Bezüge nach den Grundsätzen der Besoldungsgesetze“ zugesprochen. LHAS, 5.123/1, Nr. 644, Bl. 113: MdI an MdJ, 9. Nov. 1922. Vgl. dazu auch Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege, Rechtswissenschaft, Verwaltung, 39 (1921), S. 178–180. Zur parlamentarischen Debatte vgl. Landtag, 1925, Bd. 2, 88. Sitzung, 31. Mai 1923, Sp. 4785; Landtag, 1925, Bd. 2, 92. Sitzung, 29. Juni 1923, Sp. 4972. 129 Vgl. Gesetz vom 18. Juli 1919, betreffend Städteordnung, in: Rbl. Nr. 121, 30. Juli 1919, S. 673–694.
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eine einheitliche Wahlordnung für das Gremium. Während das Gesetz zum Volksentscheid bereits im Oktober 1919 als Ergebnis kontroverser Debatten des Landtags verabschiedet werden konnte,130 wurden die im Dezember 1919 erlassenen vorläufigen Bestimmungen zur Neuwahl der Bürgerausschüsse erst am 24. Juni 1921 durch ein umfängliches Wahlgesetz ersetzt.131 Zu diesem Zeitpunkt war die Einführung der Städteordnung in den einzelnen Kommunen längst abgeschlossen. Begonnen worden war der Prozess am 15. August 1919 in der Stadt Brüel, wo Bürgerausschuss und Magistrat der Verfassungsänderung in gemeinsamer Sitzung zustimmten.132 Da dies auch in den anderen Städten des Landes notwendig war, lässt sich das Inkrafttreten des Gesetzes, anders als etwa bei der Landgemeindeordnung, nicht an einem Datum festmachen. Dies verweist zum einen auf die besondere Bedeutung, die den Städten beigemessen wurde, war zum anderen aber auch der Tatsache geschuldet, dass jede Stadt eine Ortssatzung zu beschließen hatte, die die innerhalb der Städteordnung offen gelassenen Fragen, etwa in Bezug auf die Wahl des Bürgermeisters, klären musste. In diesem Zusammenhang wurde häufig der Landesverwaltungsrat angerufen und gebeten, in den sich aus der Auslegung einzelner Paragraphen ergebenen Diskussionen zu vermitteln.133 Als letzte Stadt scheint Wismar seine Verfassung geändert zu haben; noch im Februar 1920 verhandelten die dortigen politischen Gremien mit einzelnen Mitgliedern des Landesverwaltungsrats.134 Trotz des relativ langen Zeitraums der Inkraftsetzung gelang es noch vor der Verabschiedung der Landesverfassung im Mai 1920, sämtlichen Städten eine einheitliche demokratische Ordnung zu geben. Vor diesem Hintergrund ist dem Postulat Sawitz’, die Städteordnung habe „unter den Gesetzen, die das alte ständische Mecklenburg in einen modernen, freiheitlichen Staat umwandeln, [...] einen besonders bedeutsamen Platz“ und überrage „an unmittelbarer praktischer Bedeutung vielleicht sogar das grundlegende Verfassungsgesetz“, voll zuzustimmen.135 In gewisser Weise ermöglichte sie einen, wenngleich auch nur sehr kurzen, Testlauf des parlamentarischen Systems, der nicht ohne Einfluss auf die Verfassungsverhandlungen blieb, und verhinderte, wie schon die frühzeitige Bestimmung, Neuwahlen zu den Bürgerausschüssen durchzuführen, eine politische Radikalisierung innerhalb der (städtischen) Bevölkerung.
130 Vgl. Gesetz vom 22. Oktober 1919, zur Ausführung des § 17 Absatz 2 der Städteordnung, in: Rbl. Nr. 166, 31. Okt. 1919, S. 913–920. Zur Position des Mecklenburgischen Städtetags vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 79: Mecklenburgischer Städtetag an MdI, 12. Okt. 1919. Zur parlamentarischen Debatte vgl. Kap. 4.3, S. 115–118. 131 Vgl. Wahlordnung vom 24. Juni 1921 für die Wahl der Stadtverordneten (§ 15 der Städteordnung vom 18. Juli 1919), in: Rbl. Nr. 83, 12. Juli 1921, S. 707–721. Vgl. dazu auch Landtag, 1925, Bd. 1, 17. Sitzung, 21. Juni 1921, Sp. 590–592; Landtag, 1925, Bd. 1, 20. Sitzung, 24. Juni 1921, Sp. 730–740. 132 Vgl. MW, 17. Aug. 1919. 133 Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr.1: MdI an MdL, 4. Sept. 1919; MN, 10. Sept. 1919. 134 Vgl. MN, 17. Feb. 1920. 135 Ankündigung zu Hugo Sawitz: Die Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin vom 18. Juli 1919, in: MVZ, 28. März 1920.
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4.3 Einzelne Aspekte und Probleme Bis zu ihrer Aussetzung im Jahr 1935 erfuhr die als eines der drei „Grundgesetze“136 des Landes Mecklenburg-Schwerin bezeichnete Städteordnung einige Modifikationen, an denen sich der zwischen 1918 und 1935 vollziehende Wandel von demokratischer zu autoritärer und schließlich diktatorischer Machtausübung exemplarisch nachweisen lässt.137 Dies gilt ebenso für die nur diskutierten Änderungsanträge, die Wahlmodus und Legislatur der Stadtverordnetenversammlung betrafen. Die umgesetzten Neuregelungen, bei denen es sich teilweise nur um die Wiederherstellung der Fassung des Regierungsentwurfs von 1919 handelte, berührten die Stellung von Bürgermeister und Rat. Im Rahmen der Diskussion des Wahlmodus’ stand die Frage, wie die Zahl der Mandate zu bemessen sei, im Vordergrund. Im Regierungsentwurf war sie an die Höhe der Einwohnerzahl gebunden.138 Mit dieser arithmetischen, einen einheitlichen Delegiertenschlüssel schaffenden Regelung139 sollten die historisch gewachsenen, jedoch anachronistischen und willkürlich erscheinenden Bestimmungen der einzelnen Städte aufgehoben und ein überprüfbares und flexibles System eingeführt werden. Für die meisten Kommunen war damit paradoxerweise eine teilweise erhebliche Reduzierung der Mandate vorgesehen, ein Großteil hatte allerdings auch, abweichend von der Regelung, eine Ergänzung der Sitze vorzunehmen.140 Opportun erschien dies zum einen aufgrund des erkennbaren Wunsches der Bevölkerung nach einer möglichst breiten politischen Partizipation, zum anderen weil, so die Überzeugung, mit weniger als elf Stadtverordneten die mit der Städteordnung übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden konnten.141 In Verfassungsausschuss und Landtag, die die Regelung ohne Widerspruch annahmen, wurde lediglich darüber diskutiert, was mit den Mandaten, die bei den ersten demokratischen Wahlen zu den Bürgerausschüssen im Dezember 1918 noch vergeben wurden, nun aber dem Gesetz nach überzählig waren, geschehen sollte. Da eine Neuwahl der Bürger ausschüsse bzw. eine erste Wahl der Stadtverordnetenversammlung mit Einführung der Städteordnung, wie erwähnt, nicht vorgesehen war und adäquate Auswahlverfahren fehlten, einigte man sich auf einen Bestandsschutz „bis zum Schluß des Jahres 1921“, d. h. bis zum Ende der Legislatur.142 136 Schwanke, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4979. Bei den beiden anderen Grundgesetzen handelte es sich, so Schwanke, um die Landgemeindeordnung und die Verfassung. Vgl. ebd. 137 Zur Aussetzung vgl. Mecklenburgische Überleitungsverordnung zur Deutschen Gemeinde ordnung. Vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 49–50, hier S. 50. Vgl. auch Kap. 7. 138 Vgl. Entwurf der Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 75. 139 Vgl. Tabelle 9 im Anhang. 140 Vgl. Tabelle 10 im Anhang. 141 Vgl. Wendorff, in: Landtag, 1921, 26. Sitzung, 18. Juni 1919, Sp. 922. 142 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 279–290: StM an Landtag, 5. Juni 1919.
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Bereits im Mai 1923 stand die Zahl der Mandate erneut zur Diskussion. Auf dem Städtetag in Wismar wurde die Bildung einer vierköpfigen Kommission zur Prüfung der gesetzlichen Vorgabe beschlossen. Seine Arbeit nahm das Gremium allerdings erst ein knappes Jahr später, im April 1924, nach Bestätigung der Zusammensetzung durch den Städtetag in Grabow auf.143 Eine der debattierten Positionen verdeutlicht die im August 1924 an das Ministerium des Innern gerichtete Eingabe des Rats der Stadt Teterow. Demnach habe „in den meisten Städten die vermehrte Zahl der Stadtverordneten nicht nur direkt durch Gewährung einer Entschädigung [...], sondern hauptsächlich“ dadurch, dass „fast alle zur Vorlage kommenden Sachen [...] in eingehenden Kommissionsberatungen [...] vorbereitet werden“ müssten, zu „größeren Geldausgaben“ geführt. Um dieses zeit- und kostenintensive Verfahren zu vermeiden, schlug der Rat der Stadt Teterow vor, die Mindestzahl der Mandate von elf auf neun zu reduzieren und die sich an der Einwohnerzahl orientierende Staffelung entsprechend anzupassen. Als Höchstzahl waren 35 statt der bislang 43 Sitze vorgesehen.144 Eine Antwort des Ministeriums des Innern blieb jedoch aus. Möglicherweise wollte man dort erst die Ergebnisse der Kommission des Städtetags abwarten. Die entschied sich nur einen Monat später, im September 1924, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Im Falle einer Reform der Städteordnung allerdings sei man bereit, neue Er wägungen anzustellen, „diesen Punkt allein vorweg zu nehmen“ sei jedoch „nicht zweckmäßig und auch nicht notwendig“.145 Ein Jahr später, 1925, tauchte der Vorschlag, die Zahl der Mandate zu beschränken, erneut, diesmal sogar auf der Tagesordnung des Landtags, auf. Im Rahmen der Haushaltsdebatte hatte die DVP den Antrag gestellt, das Staatsministerium „in Gemeinschaft mit den Selbstverwaltungskörpern“ eine Herabsetzung der Zahl der Stadtverordneten prüfen zu lassen.146 Sowohl die deutschnationale Regierung als auch der Städtetag lehnten eine Verminderung der Mandate jedoch als „untunlich“ ab;147 von der Angelegenheit drang „nichts [mehr] zu Ohren“.148 Eine Reduzierung der Abgeordnetenzahlen erfolgte erst 1933 im Rahmen des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich.149 143 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644, Bl. 198: Stadtverordnetenvorsteher Schwerin an MdI, 8. Sept. 1924. In der Kommission waren die Vorsteher der Stadtverordnetenversammlungen Crivitz, Schwerin und Wismar vertreten. Als viertes Mitglied gehörte Karl Moltmann dem Gremium an. Er war zu dieser Zeit stellvertretender Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung Schwerin. Der Grund für die Verzögerung mag u. a. in der Ergänzung um einige Stadtverordnete gelegen haben. Ernannt worden waren diese jedoch nicht durch den Städtetag, sondern durch eine in Güstrow tagende Versammlung der Stadtverordnetenvertreter des Landes. Vgl. ebd. 144 Ebd., Bl. 196: Rat Stadt Teterow an MdI, 23. Aug. 1924. 145 Ebd., Bl. 199: Mecklenburgischer Städtetag an MdI, 18. Sept. 1924; ebd., Bl. 198: Stadtverordnetenvorsteher Schwerin an MdI, 8. Sept. 1924. 146 Schulz, in: Landtag, 1926, 39. Sitzung, 26. März 1925, Sp. 2019. 147 Ebd., Bl. 230: StM an MdI, 6. Okt. 1925; ebd., Bl. 221: Mecklenburgischer Städtetag an MdI, 3. Juli 1925. Vgl. auch ebd., Bl. 212: Rat Stadt Wismar an StM, 29. April 1925; Das freie Wort, 23. April 1925. 148 Walter, in: Landtag, 1926, 69. Sitzung, 4. Feb. 1926, Sp. 3342. 149 Vgl. Dritte Bekanntmachung vom 10. April 1933 über Ausführung des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich, in: Rbl. Nr. 23, 20. April 1933, S. 148. Vgl. dazu auch Kap. 7.
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Eine ebenfalls langjährige Diskussion lösten auch die Bestimmungen des § 17 der Städteordnung zur vorzeitigen Beendigung der Legislatur der Stadtverordnetenversammlung aus. Im Jahr 1919 wurden nachweislich in elf Städten Volksbegehren durchgeführt, von denen neun zur Anordnung von Volksentscheiden führten.150 Für die folgenden Jahre sind keine statistischen Erhebungen überliefert. Dass eine allgemeine Übersicht tatsächlich nicht geführt wurde, verdeutlicht nicht zuletzt die abschlägige Antwort des Ministeriums des Innern auf die Anfrage des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Lee Seifert Greene, der 1931 als Student der Universität Wisconsin eine Arbeit über Volksabstimmungen in Deutschland plante.151 Einen Einblick gewähren lediglich die dokumentierten Entscheidungen des Landesverwaltungsrats bzw. des Ministeriums des Innern in Streitfällen. Demnach ging die Zahl der Volksbegehren und -entscheide kontinuierlich zurück.152 Ob es sich hierbei tatsächlich um einen Trend oder nur um einen Rückgang der nicht ordnungsgemäß ablaufenden Verfahren handelte, muss vorerst ungeklärt bleiben. Fest steht indes, dass gerade in den Anfangsjahren Volksbegehren und Volksentscheid politisch instrumentalisiert wurden.153 In Güstrow etwa initiierten die konservativen Parteien ein Referendum, um die aus SPD und DDP gebildete Stadtverordnetenversammlung aufzulösen, und nahmen dabei billigend in Kauf, dass „mehrere hundert“ Unterschriften nicht eigenhändig geleistet wurden.154 Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die parlamentarische Debatte zur Ausführungsverordnung des § 17 zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung, bei der paradoxerweise gerade die konservativen Parteien für ein möglichst offenes Verfahren eintraten. SPD und DDP hingegen sprachen sich für eine stärkere Reglementierung aus, die Missbräuche vermeiden sollte, nach Ansicht der DNVP jedoch nur die „Angst vor der Volksfreiheit“ zeige, die unter beiden Parteien herrsche.155 Da sich die Diskussion auf diese Frage beschränkte, konnte, nachdem ein Kompromiss gefunden worden war, das Ausfüh-
150 Vgl. Tabelle 11 im Anhang. Vgl. auch Stelling, in: Landtag, 1920, 44. Sitzung, 10. Okt. 1919, Sp. 1442. 151 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 125: MdI an Greene, 1. Juli 1931. Für das Werk selbst vgl. Greene: Direct legislation. 152 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648 und Nr. 649. Demnach fanden 1920 drei, 1921 und 1925 jeweils zwei und 1928 und 1929 jeweils ein Volksbegehren statt. In Ludwigslust wurden 1920 zwei Volksbegehren kurz nacheinander durchgeführt. Kurz nacheinander, 1920 und 1921, stimmte auch die Bevölkerung von Gnoien ab. Vgl. ebd. 153 Vgl. dazu Gierke, in: Landtag, 1920, 44. Sitzung, 10. Okt. 1919, Sp. 1443; Hecht, in: Ebd., Sp. 1445. Dass auch später Neuwahlen aus parteipolitischen Gründen erwogen wurden, zeigt die dem Rat der Stadt Dömitz gegenüber geäußerte Drohung der KPD aus dem Jahr 1926. Nachdem der Wahlprüfungsausschuss ihren Kandidaten, den zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilten Wilhelm Böhme, abgelehnt hatte, kündigte die Partei an, durch die Ortgruppe Dömitz ein Volksbegehren initiieren zu lassen. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644, Bl. 248: Wenzel an Rat Stadt Dömitz, 27. April 1926. 154 RoA, 14. Okt. 1919. 155 Knebusch, in: Landtag, 1920, 44. Sitzung, 10. Okt. 1919, Sp. 1444.
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rungsgesetz allerdings zügig verabschiedet und damit die bestehende provisorische Regelung aufgehoben werden.156 Neben dem Problem der Manipulation barg ein Verfahren nach § 17 weitere Schwierigkeiten. Dies galt insbesondere in Bezug auf die Arbeit der städtischen Verwaltung, hatte sich doch die Stadtverordnetenversammlung, sobald ein Referendum beantragt worden war, „aller Geschäfte von Bedeutung zu denen u. a. auch die Wahl und Pensionierung von Ratsmitgliedern“ gezählt wurden, zu enthalten.157 Zur Wahrung dieses Gebots der Lauterbarkeit der Verwaltung war in der vorläufigen Regelung zum § 17 die Entsendung von Regierungskommissaren – hierbei handelte es sich stets um ein Mitglied des Landesverwaltungsrats und einen Beamten des Ministeriums des Innern – vorgesehen.158 Im Ausführungsgesetz selbst wurde hierauf jedoch verzichtet. Tatsächlich finden sich denn auch in den Akten vereinzelt Eingaben gegen Beschlüsse der zur Disposition gestellten Stadtverordnetenversammlung.159 Die durch die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Legislatur des Gremiums bedingten „fortgesetzten Wahlen“ brachten „nicht nur zum Nachteil des Gemeindewesens eine dauernde Unruhe in die Verwaltung, sondern [...] kosten auch regel mäßig viel Geld“. Als besonders problematisch erwies sich in diesem Zusammenhang eine Abstimmung in Teterow, wo „Wahlberechtigte Stimmenzettel mit ‚Ja‘ abgegeben“ hatten, weil sie der Meinung waren, „dadurch für die Beibehaltung der Stadtverordnetenversammlung zu stimmen“.160 Vor dem Hintergrund fortwährender Störungen,161 einer „unerwünschte[n] Verzögerung der Geschäfte“ und steigender Kosten kritisierte der Wismarer Bürgermeister Hans Raspe auf dem Städtetag 1923 die Bestimmungen des § 17 als „eine Ueberspannung des an sich richtigen Gedankens“ und forderte eine Erhöhung der für die Einleitung des Volksbegehrens notwendigen Stimmenzahl.162 Die Regierung, bestehend aus SPD, DDP und Dorfbund, indes sah keine Veranlas-
156 Vgl. Landtag, 1920, 46. Sitzung, 22. Okt. 1919, Sp. 1508. Für das Gesetz vgl. Gesetz vom 22. Oktober 1919, zur Ausführung des § 17 Absatz 2 der Städteordnung, in: Rbl. Nr. 166, 31. Okt. 1919, S. 913–920. Zur provisorischen Regelung vgl. Bekanntmachung vom 25. August zu § 17, Abs. 2 der Städteordnung, in: Rbl. Nr. 141, 1. Sept. 1919, S. 803. 157 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 649, Bl. 20: MdI an Rat Stadt Malchin, 23. Dez. 1919. 158 Vgl. Bekanntmachung vom 25. August zu § 17, Abs. 2 der Städteordnung, in: Rbl. Nr. 141, 1. Sept. 1919, S. 803. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 64: Landesverwaltungsrat, August 1919. 159 In Boizenburg und Plau etwa suchten die Stadtverordneten, obgleich das Referendum bereits eingeleitet worden war, noch eine Neuwahl der Stadträte vorzunehmen. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 649, Bl. 177: Blohm an MdI, September 1925; ebd., Bl. 286: MdI an Rat Stadt Plau, 3. Jan. 1928. 160 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 109–111: Magistrat Stadt Teterow an MdI, 11. März 1920. 161 Vgl. dazu ebd., Bl. 116: Rat Stadt Neustadt an Vorstand Mecklenburgischer Städtetag, 22. Juni 1923. Dort heißt es, „bei einiger Nachhaltigkeit der unzufriedenen Elemente“ könne „eine andauernde Beunruhigung der Stadtverordneten sowie der Stadtbevölkerung eintreten“. Tatsächlich durfte nur während der auf den Antrag folgenden sechs Monate bzw. sechs Monate vor Ende der regulären Legislatur kein Abwahlverfahren eingeleitet werden. Vgl. Gesetz vom 22. Oktober 1919, zur Ausführung des § 17 Absatz 2 der Städteordnung, in: Rbl. Nr. 166, 31. Okt. 1919, S. 913–920, hier S. 920, § 22. 162 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 115: Mecklenburgischer Städtetag an MdI, 9. Juli 1923.
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sung, eine Neuregelung vorzunehmen.163 Eine Änderung der Bestimmungen zur Stadtverordnetenversammlung erfolgte lediglich in Bezug auf den Wahltermin, der, einem Beschluss vom Mai 1929 folgend, ab 1931 nicht mehr durch die einzelnen Städte, sondern zentral durch das Ministerium des Innern festgesetzt wurde.164 In seinem Referat auf dem Städtetag in Wismar hatte Raspe nicht nur eine Neuregelung des § 17, sondern auch des Verhältnisses von Stadtverordnetenversammlung und Rat gefordert. Seiner Ansicht nach sollten dem Rat mehr Kompetenzen zugestanden werden, d. h. in mehr Bereichen der städtischen Selbstverwaltung seine Zustimmung zu Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung notwendig sein. Die wenige Monate später, am 30. September 1923, in Güstrow tagende Versammlung der Stadtverordnetenvertreter des Landes lehnte diesen Vorschlag jedoch „einmütig und energisch ab“.165 Tatsächlich blieb es bei den bestehenden Bestimmungen. Eine Neuerung hingegen erfuhr die Legislatur der unbesoldeten Stadträte, die 1928, wie in allen anderen Ländern des Reichs üblich,166 an die Amtszeit der Stadtverordnetenversammlung gebunden und damit grundsätzlich von sechs auf drei Jahre beschränkt wurde.167 Während der Debatte im Landtag hatte die Deutschvölkische Freiheitsbewegung eine Ausdehnung der Legislatur der Stadtverordnetenversammlung auf sechs Jahre angeregt. Sie konnte sich mit dem Argument, Stetigkeit in der Verwaltung zu schaffen, aber nicht durchsetzen.168 Für mehr Demokratie hingegen trat die KPD ein, die – an der diskutierten Frage vorbei – eine „Urwahl der besoldeten Stadträte“ forderte.169 Beide Anträge wurden, ebenso wie der der Bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft der Mitte, die unbesoldeten Stadträte den Grundsätzen der Verhältniswahl nach zu bestimmen,170 abgelehnt.171 Die letzte und zugleich den eingangs erwähnten Wandel von demokratischer zu autoritärer Machtausübung beschließende Änderung der Städteordnung erfolgte 163 Ebd., Bl. 117: MdI an Mecklenburgischer Städtetag, 21. Juli 1923 164 Vgl. Gesetz zur Abänderung der Wahlordnung für die Wahl der Stadtverordneten. Vom 22. Mai 1929, in: Rbl. Nr. 30, 28. Mai 1929, S. 163. Vgl. dazu auch Landtag, 1928, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 2711–2713. Gemeinsam wurde in allen Städten des Landes erstmalig am 16. Nov. 1930 gewählt. Vgl. Bekanntmachung vom 27. September 1930 über Stadtverordnetenwahlen 1930, in: Rbl. Nr. 42, 3. Okt. 1930, S. 233. 165 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644, Bl. 176: Stadtverordnetenvorsteher Güstrow an MdI, 16. Okt. 1923. 166 Vgl. Behrens, in: Landtag, 1928/29, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 1694. 167 Vgl. Landtag, 1928/19, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 1890–1893. Für das entsprechende Gesetz vgl. Gesetz zur Änderung der Städteordnung vom 18. Juli 1919 (Rbl. S. 673). Vom 5. Dezember 1928, in: Rbl. Nr. 69, 14. Dez. 1928, S. 459. Im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Gremiums hatten dementsprechend auch die unbesoldeten Stadträte zurückzutreten. Gegen das Gesetz stimmten lediglich die Deutschvölkische Freiheitsbewegung und die Wirtschaftspartei. Vgl. Landtag, 1928/29, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 1890–1893. 168 Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 319: Mecklenburgischer Städtetag an MdI, 5. Juni 1928. Dem Entwurf grundsätzlich zustimmend, warnte der Verband der Städte davor, dass insbesondere in den kleineren Städten „ein häufigerer Wechsel der unbesoldeten Stadträte oft nicht ohne Schwierigkeiten für ihre Verwaltung bleiben“ werde. Ebd. 169 Schade, in: Landtag, 1928/29, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 1695–1696. 170 Vgl. Haller, in: Ebd., Sp. 1888. 171 Vgl. Landtag, 1928/29, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 1893.
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1931. Sie betraf die Stellung des Bürgermeisters und wurde Mecklenburg-Schwerin durch das Reich oktroyiert. Mit der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden waren dem Bürgermeister in Fragen der Finanzen weitgehende Kompetenzen übertragen worden.172 Diese seitens der KPD als „Notverordnung über die Bürgermeisterdiktatur“ bezeichnete Änderung der Städteordnung173 nahm die deutschnationale Regierung zum Anlass, die Machtbefugnisse des Vorsitzenden des Rats umfassend auszubauen. So sollte ihm, den Gedanken der Regierungsvorlage von 1919 wiederaufnehmend, die Dienstaufsicht über alle städtischen Beamten und Angestellten sowie die Geschäftsverteilung im Rat übertragen werden.174 Mit dem Entwurf, der einen „persönlich verantwortliche[n] Mann“ an die Spitze der Stadtverwaltung stellte, wurde, so der Abgeordnete der NSDAP, Friedrich Steinfatt, das „parlamentarische System“ grundsätzlich in Frage gestellt.175 Mehr noch, die beabsichtigte Aufhebung des Kollegialitätsprinzips widersprach einer nicht nur in den mecklenburgischen, sondern auch in vielen anderen deutschen Stadtverfassungen bestehenden Tradition.176 So waren etwa „in Rostock gerade die älteren Herren, die schon vor der Schaffung der Städteordnung in Amt und Würden waren, geradezu entsetzt darüber, daß jetzt eine Änderung vorgenommen werden soll“.177 Im Rechtsausschuss noch mit Stimmengleichheit abgelehnt,178 wurde die Regierungsvorlage jedoch in der anschließenden Landtagssitzung angenommen.179 Im April 1933 erließ die Regierung schließlich ein Gesetz, das die Direktwahl des Bürgermeisters untersagte und dessen Wahl, ebenso wie die der Stadträte, an eine Bestätigung des Ministeriums des Innern band.180 Damit war der „Boden“ der Städteordnung, als den Wendorff 1919 die „freieste [...] Selbstverwaltung“ bezeichnet hatte,181 gänzlich verlassen worden. Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 1935 wurde sie dann, wie erwähnt, vollständig aufgehoben.
172 Vgl. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden, in: RGBl. T. I, Nr. 58, 26. Aug. 1931, S. 453. Vgl. Verordnung des Staatsministeriums vom 10. September 1931 zur Ausführung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden, in: Rbl. Nr. 50, 11. Sept. 1931, S. 249. Vgl. auch Bekanntmachung der neuen Fassung der Verordnung des Staatsministeriums vom 10. September 1931 zur Ausführung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden. Vom 8. März 1932, in: Rbl. Nr. 15, 11. März 1932, S. 49. 173 Warnke, in: Landtag, 1932, 40. Sitzung, 16. Okt. 1931, Sp. 4103. Vgl. auch Goldenbaum, in: Landtag, 1932, 47. Sitzung, 25. Feb. 1932, Sp. 4670. 174 Vgl. Schlesinger, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4970–4971. 175 Steinfatt, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4983. 176 Vgl. dazu etwa Grzywatz: Selbstverwaltung in Berlin und Preußen. 177 Schwanke, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4972. 178 Vgl. Schwanke, in: Landtag, 1932, 51. Sitzung, 3. Mai 1932, Sp. 5047. 179 Vgl. Landtag, 1932, 52. Sitzung, 4. Mai 1932, Sp. 6015. Für das entsprechende Gesetz vgl. Gesetz zur Änderung der Städteordnung. Vom 14. Mai 1932, in: Rbl. Nr. 29, 25. Mai 1932, S. 115–116. 180 Vgl. Gesetz zur Behebung von Mißständen in der gemeindlichen Verwaltung. Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 150–152, hier S. 151, §§ 6–7. Vgl. dazu auch Kap. 7. 181 MZ, 20. Juni 1919.
5. Die Landgemeinden 5.1 Zur Verfassungs- und Verwaltungsstruktur des platten Landes vor 1918 Während die Städte Mecklenburg-Schwerins, wenngleich auch nur in begrenztem Maße, über Rechte der politischen Selbstverwaltung verfügten, blieb den ländlichen Siedlungen diese Freiheit teilweise bis 1918 verwehrt. Die einzelnen Ortschaften und Dörfer galten jedoch als eigenständige Verwaltungseinheiten und ihre Einwohner als politisch repräsentiert.1 Abgesehen von dieser grundsätzlichen Übereinstimmung2 bestanden zwischen der Verfassungs- und Verwaltungsstruktur in den Gebieten des Domaniums, der Ritterschaft und der sogenannten übrigen Landbegüterten3 vielfältige Unterschiede. In der Ritterschaft etwa waren die Eigentümer der landstandsfähigen Güter Mitglieder des ständischen Landtags und vertraten dort, so die juristische Interpretation seit dem 19. Jahrhundert, die als Hintersassen bezeichneten Einwohner ihres Besitzes und dessen Pertinenzen.4 Hierbei handelte es sich freilich um keine Repräsentation im demokratischen Sinne. Der Rittergutsbesitzer war weder verpflichtet, „Instruktionen von seinen Hintersassen“ entgegenzunehmen noch „über sein Verhalten auf den Landtagen [...] Rechenschaft“ abzulegen.5 Diese staatstheoretische Konstruktion eines Teilnahmerechts, die jedoch keinerlei Anspruch auf ein solches schuf, könnte auch auf die Bevölkerung des Domaniums angewandt werden, deren oberster Repräsentant dann der Landesherr gewesen wäre. Dieser Auffassung folgend, blieben lediglich die Einwohner in den Gebieten der übrigen Landbegüterten von der politischen Partizipation ausgeschlossen. Tatsächlich übernahm jedoch sowohl hier als auch in Ritterschaft und Domanium die jeweilige Ortsobrigkeit die Vertretung nach innen und außen. Der grundlegende Unterschied zwischen den einzelnen Ortschaften bestand im Bereich der kommunalen Verwaltung. In den Territorien der Ritterschaft sowie in Teilen der Gebiete der übrigen Landbegüterten war der Eigentümer eines Guts zu1 Vgl. Düberg: Ständewesen und Gemeindeordnung, S. 33–34. 2 Vgl. dazu auch von LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 100: Abercron an MdI, 19. April 1919. Dort heißt es: „So verschieden die Verhältnisse in den ritterschaftlichen und domanialen Teilen des Landes bisher gewesen sind [...] in einer Beziehung waren sie wenigstens gleich: im Allgemeinen bildete jede Ortschaft ihren eigenen obrigkeitlichen bezw. Gemeindebezirk.“ 3 Zu diesen zählen die 47 Klostergüter, die 46 Güter des Rostocker Distrikts, die 14 Landgüter der Herrschaft Wismar sowie die im Eigentum der Städte stehenden Kämmerei- und die zu den städtischen Kirchen gehörenden Ökonomiegüter. Sie waren sämtlich nicht landstandsfähig, d. h. ihre Eigentümer von der Teilnahme am ständischen Landtag ausgeschlossen. Vgl. etwa Stegemann: Wahlsysteme, S. 20–21. 4 Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 83. Bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft galten die Hintersassen lediglich „als Zubehör [...], gleichsam als Wirtschaftsinventar“. Nach 1820 wurde die Landstandschaft „nicht mehr als Vertretung des Grund und Bodens, sondern als eine, der obrigkeitlichen Stellung entfliessende Personalvertretung“ interpretiert. Ebd., S. 31 und S. 83. 5 Ebd., S. 85.
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gleich Ortsobrigkeit und den Hintersassen jegliches Mitbestimmungsrecht vorenthalten.6 Für das Domanium hingegen existierte eine gemeindliche Verfassung, die Jahre später und in modifizierter Form auch auf die Klosterortschaften übertragen wurde. Bis ins 19. Jahrhundert hinein stand das Domanium allerdings „unter rein und uneingeschränkt beamtlicher Verwaltung“.7 Neben den Frei- und Lehnschulzen, die als Vertreter des Landesherrn bereits im 12. Jahrhundert den ländlichen Siedlungen vorstanden,8 sorgten seit Mitte des 15. Jahrhunderts die Beamten und Angestellten der als Vogteien bzw. Ämter bezeichneten Verwaltungsbezirke9 für eine Zentralisierung staatlicher Macht. Diese Entwicklung durchbrach die aus der Revolution von 1848 hervorgegangene Mecklenburgische Abgeordnetenkammer, die in allen Teilen des Landes die kommunale Selbstverwaltung einzuführen beschloss.10 Die Pläne scheiterten jedoch mit dem Freienwalder Schiedsspruch von 1850, der bekanntlich alle demokratischen Ambitionen beendete.11 Die Frage, ob und in welchem Umfang einzelne, bislang staatliche Angelegen heiten den unteren Verwaltungseinheiten übertragen werden konnten, blieb indes auf der Tagesordnung. Nur wenige Jahre später, 1856 und 1859, wurde in insgesamt neun Domanialämtern der Versuch unternommen, die Armenpflege durch die einzelnen Ortschaften selbst ausüben zu lassen. Mit der Einführung der „GemeindeOrdnung“ am 31. Juli 1865 übertrug die großherzogliche Regierung diese Aufgabe schließlich allen ländlichen Siedlungen des Domaniums. Gleichzeitig erließ sie Regeln zur „formellen Constituierung von Gemeinden“. Als erstes war dabei die Bildung von Gemeindebezirken, die u. a. durch die Zusammenlegung von Dörfern mit benachbarten Pachthöfen geschaffen werden sollten, vorgesehen. Anschließend sollte
6 Eine Ausnahme bildeten sieben Ortschaften, die über eine Kommunalverfassung verfügten. Hierbei handelte es sich zum einen um die Gemeinde Steder, zum anderen um die landstandsfähigen Rittergüter Buchholz, Grabow, Niendorf, Rossow, Wendisch Priborn und Zielow. Diese waren „durch Einziehung des ursprünglichen Hoffeldes zum Bauernfeld in den Allodial- bezw. Lehnbesitz desjenigen Rittergutes und derjenigen Gutsherrlichkeit gekommen [...], deren Hintersassen die einzelnen Bauern ursprünglich waren“. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. Zur kommunalen Verwaltung der übrigen Landbegüterten vgl. Kap. 5.2.2, S. 155. 7 Schröder: Gemeindeordnung, S. 1. 8 Vgl. Bierstedt: Amtsführung, S. 1–2. Eine allgemeine Regelung der Aufgaben der Schulzen erfolgte erst Anfang des 18. Jahrhunderts. Demnach war der nun dem jeweiligen Amt unterstellte Schulze für die Fürsorge und Aufsicht über die Ortsarmen, die Schul- und Kirchenbauten sowie für die Eintreibung der weltlichen und geistlichen Abgaben zuständig. Vgl. dazu Des Durchläuchtigsten Fürsten und Herrn, Hn. Friederich Wilhelms, Herzogen zu Mecklenburg, [...] Schultzen- und Baur-Ordnung, wornach sich ein jeder in den Fürstl. Amts-Dörffern, bey Vermeydung schwerer Straffe zu achten, Schwerin 1702. 9 Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 52. 10 Vgl. Berichte des Verfassungsausschusses und des Gemeindeordnung-Ausschusses der Mecklenburgischen Abgeordnetenkammer 1848/49, Schwerin 1849. Vgl. auch Benque: Gemeinde-Ein theilung. 11 Vgl. etwa Brandt: Staatsgrundgesetz.
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mit dem Aufbau der Selbstverwaltung begonnen werden12 – ein Muster, das, wie zu zeigen sein wird, auch während des Transformationsprozesses zwischen 1918 und 1921 Anwendung fand. Als Organe der kommunalen Verwaltung wurden 1865 der Gemeindevorstand und die Dorfversammlung eingeführt. Den Vorsitz des Gemeindevorstands, der landesherrlich bestätigt werden musste, übernahm der Schulze, dem zwei „Gemeinde-Angehörige [...] der vorhandenen Haupt-Classen des Grundbe sitzes“ als Schöffen beigeordnet wurden. Eine Beschränkung auf den Grundbesitz erfolgte auch in Bezug auf die Dorfversammlung, der neben den Mitgliedern des Gemeindevorstands die Eigentümer der Zeit- bzw. Erbpachthöfe sowie Delegierte der Büdner und Häusler angehörten. Im Gremium vertreten waren darüber hinaus die ortsansässigen Geistlichen, die landesherrlichen Forstbeamten und der Schullehrer. Ausdrücklich von der politischen Partizipation ausgeschlossen wurden alle, die, wie etwa Einlieger und Tagelöhner, über kein eigenes Heim verfügten, ferner Frauen, unter Vormundschaft stehende Personen und solche, die rechtskräftig verurteilt worden waren.13 Vier Jahre später, mit Erlass der revidierten Gemeinde-Ordnung vom 29. Juni 1869, wies die Regierung den Kommunen weitere Aufgaben zu, u. a. im Bereich des Schulwesens, des Straßenbaus und des Brandschutzes. Gleichzeitig wurden detaillierte Bestimmungen zum Haushalt der Gemeinden sowie zu den Kompetenzen von Gemeindevorstand und Dorfversammlung erlassen.14 Möglicherweise wird aus diesem Grunde bis heute der Beginn kommunaler Selbstverwaltung im Domanium oftmals auf das Jahr 1869 datiert,15 obgleich hier, wie gezeigt, bereits seit 1865 eine Kommunalverfassung galt. Zur Finanzierung der übertragenen Lasten erhielten die Gemeinden Ländereien, die bislang als sogenannte Einliegerkompetenzen genutzt wurden, d. h. als kleine Parzellen vor allem an landlose Bevölkerungsgruppen verpachtet worden waren und auch als solche übernommen werden sollten.16 12 Schröder: Gemeindeordnung, S. 6. Für die Verordnung vgl. ebd., S. VII–XVIII. Vgl. auch Pressentin: Gemeindebildung. 13 Schröder: Gemeindeordnung, S. IX–XII. 14 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, besonders S. 20–95. 15 Vgl. etwa Vitense: Mecklenburg, S. 500. Dort wird lediglich das Gesetz von 1869 erwähnt und dieses schlicht als Gemeinde-Ordnung bezeichnet. Vgl. auch Staecker: Mecklenburg, S. 297. Für die neuere Literatur vgl. Rothe: Kreisgebietsreform, S. 38. Selbst Erich Schlesinger, der Experte für das mecklenburgische Verwaltungsrecht, erwähnte 1919 in einer Denkschrift für die Regierung nur die Verordnung von 1869. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum MecklenburgSchwerin, Januar 1919. 16 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 63. Die Größe der übertragenen Ländereien richtete sich u. a. nach „der Zahl und wirthschaftlichen Bedeutung der vorhandenen Besitzstellen, günstigen oder ungünstigen Absatzverhältnissen, [der] Zahl der besitzlosen Familien, [der] Gelegenheit zur nachhaltigen Bewerthung persönlicher Arbeitskraft [und] ungewöhnlichen Lasten“. In der Regel erhielten die Gemeinden jedoch fünf Prozent „der nutzbaren Fläche der Feldmark“. Zur Wahrung einer gewissen Gleichheit waren hiervon zuvor die Ländereien der älteren Erbpächter, der herrschaftlichen Forsten und die Gewässer abgezogen worden. War auf der Feldmark nicht genügend Land vorhanden, übertrug man den Gemeinden Flächen der sogenannten Amtsreservate. Wo auch dies nicht möglich war, wurde ihnen eine Rente gezahlt. Ebd., S. 63–64.
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Sechs Jahre nach Erlass der Gemeindeordnung lieferte der Pastor Johann Rehwoldt aus Tarnow die erste „Darstellung der communalen Selbstverwaltung in einem mecklenburgischen Dorf“. Aus seiner Sicht hatte sich die Verwaltungsreform grundsätzlich bewährt. Gleichwohl schlug er einige Verbesserungen vor. Neben der Zahlung einer Aufwandsentschädigung für die Schöffen ist hierbei insbesondere die Anregung, Vertreter der Tagelöhner in die Dorfversammlung aufzunehmen, hervorzuheben.17 Ihre Umsetzung hätte einen Bruch mit dem auch in die Kommunalverfassung des Domaniums aufgenommenen ständischen Prinzip bedeutet, das bekanntlich das Recht der politischen Partizipation Eigentümern von Grund und Boden vorbehielt. Die kleine Schrift Rehwoldts fand jedoch kaum Widerhall. Knapp 40 Jahre später, 1912, wurde, wie schon angedeutet, auch in den Gebieten der Klöster eine Gemeindeordnung eingeführt, die dem Wortlaut nach teilweise der des Domaniums entsprach.18 Vier Jahre darauf, 1916, debattierte erstmals der ständische Landtag über eine Kommunalverfassung, die – mit Ausnahme des Domaniums – für das gesamte platte Land gelten sollte. Die Initiative hatte die groß herzogliche Regierung ergriffen. Ihr Entwurf sah, wie 1865, zunächst die Schaffung von Gemeindebezirken vor. In den Gebieten der Ritterschaft sollten, wenn „auf den einzelnen Gutsfeldmarken [...] fünf oder mehr Besitzstellen“ vorhanden waren, diese eine „selbständige Dorfsgemeinde“ bilden. Güter mit „vier oder weniger“ Pertinenzen indes plante man zu einer „Gutsgemeinde“ zusammenzuschließen. Dort, wo „überhaupt keine Besitzstellen“ existierten, war vorgesehen, „das Gut für sich“ zu lassen und zur „Gutsgemeinde“ zu erklären. In Bezug auf die anderen Landesteile wurde bzw. konnte aufgrund der weniger komplexen Siedlungsstruktur auf eine derartige Differenzierung verzichtet werden. Hier sollte, „innerhalb der Grenzen ihrer Feldmark“, aus jeder Ortschaft eine selbständige Gemeinde werden. Ein Unterschied zwischen den Gebieten der Ritterschaft und den der übrigen Landbegüterten wurde jedoch nicht nur bei der Gemeindebildung, sondern auch innerhalb der Kommunalverfassung gemacht. So bezeichnete der Regierungsentwurf außerhalb der Ritterschaft die jeweiligen Ortsobrigkeiten als untere Aufsichtsbehörden, während er innerhalb dieses Gebiets die Aufgabe ritterschaftlichen Kreisbehörden übertrug. Diese sollten auf der territorialen Grundlage der Aushebungsbezirke geschaffen werden und aus drei Mitgliedern, „nämlich aus einem vom Ministerium des Innern bestellten Vorsitzenden“ und zwei „auf Vorschlag des Engeren Ausschusses vom Ministerium des Innern auf 5 Jahre“ ernannten Gutsbesitzern bestehen.19 Auf diese Weise wären zum einen dort, wo Pertinenzen eine selbständige Gemeinde bilden würden, 17 Rehwoldt: Communale Selbstverwaltung, S. 16–18 und S. 58. 18 Vgl. Kloster-Gemeindeordnung vom 21. Dezember 1912, in: Rbl., Nr. 66, 27. Dez. 1912, S. 571–586. Zur Einführung und Diskussion vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1002. 19 Kommittenbericht, S. 3–4. Für die einzelnen Bestimmungen der Ordnung vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 988: Allerhöchstes Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches Reskript vom 29. November 1916 mit Entwurf einer Verordnung betreffend Gemeindeordnung für die ländlichen Ortschaften außerhalb des Domaniums (Landgemeindeordnung) mit Begründung. Der Entwurf stammte von Landdrost Gottfried Bierstedt. Vgl. ebd., Bl. 49–57: Arbeitsausschuss für innere Kolonisation, Referat Bierstedt, 12. Juli 1916.
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diese dem Einfluss des Eigentümers des zugehörigen Hauptguts entzogen, zum anderen die Gutsbesitzer, ebenso wie die Dorf- und jede andere Gutsgemeinde, dem Ministerium des Innern, d. h. der großherzoglichen Regierung unterstellt. Die Umsetzung der Reform hätte zumindest auf kommunaler Ebene einen ersten Schritt zur Überwindung der Dreiteilung des Landes und zur Schaffung einer einheitlichen Verwaltungsstruktur bedeutet. Den Hintergrund dieser versteckten Verfassungsreform bildeten vermutlich die ab 1914 zur Einführung einer zentralistisch organisierten Kriegswirtschaft seitens des Reichs ausgelösten Verwaltungsreformen. Als Vorbild der geplanten Neuregelung des Aufsichtsrechts etwa kann das im August 1914 geschaffene Amt des landesherrlichen Kommissars für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken bezeichnet werden, der im Falle der Einberufung des Gutsbesitzers zum Militär dessen obrigkeitliche Rechte übernehmen konnte.20 Die Ritterschaft lehnte den Regierungsentwurf jedoch ab.21 Ausschlaggebend war dabei neben der geplanten Unterstellung unter das Ministerium des Innern die im Gesetz vorgesehene Verpflichtung der Gutsbesitzer, den Kommunen unentgeltlich Land zur Verfügung zu stellen.22 Dem Beispiel des Domaniums folgend hätten dort Arbeiter und Kleinhandwerker angesiedelt und die Pachteinnahmen zur Finanzierung der kommunalen Aufgaben genutzt werden sollen.23 Das Scheitern der Regierungsvorlage war ein letzter Sieg der Stände gegenüber den Bestrebungen der großherzoglichen Administration, Einfluss auf die Gebiete außerhalb des Domaniums zu gewinnen und die bestehende Verwaltungsstruktur zu vereinheitlichen. Den sich spätestens seit dem 19. Jahrhundert in Mecklenburg-Schwerin vollziehenden Wandel vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat zum modernen institutionali20 Vgl. Verordnung vom 6. August 1914, betreffend die Vertretung der in Anlaß der Mobilmachung an der Ausübung ihrer obrigkeitlichen Rechte verhinderten Gutsherren, in: Rbl. Nr. 57, 7. Aug. 1914, S. 440. Die Bestellung eines Vertreters in Fällen, in denen der Gutsbesitzer die ihm zustehenden obrigkeitlichen Rechte durch Abwesenheit oder ausschließende Bestimmungen nicht wahrnehmen konnte bzw. durfte, oblag der großherzoglichen Verwaltung schon vor 1914. Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 169. Neu war die Schaffung einer eigenen Behörde. Diese Differenzierung fehlt bei Heinz Koch, der mit den Kommissaren erstmals die Möglichkeit des Staates geschaffen sieht, obrigkeitliche Rechte im ritterschaftlichen Gebiet auszuüben. Vgl. Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 23. 21 Vgl. Niederschrift vom 27. April 1917 über die Verhandlungen des durch ritter- und landschaftliche Deputierte verstärkten Engeren Ausschusses betreffend den Entwurf einer Landgemeindeordnung, Rostock 1917. Zur öffentlichen Diskussion vgl. MVZ, 3., 6. und 22. Dez. 1916; MZ, 2. Dez. 1916. 22 Um „in manchen Fällen eine gewisse Entlastung der Ortsobrigkeiten“ herbeizuführen, hatte die großherzogliche Finanzverwaltung allerdings eine Summe von 300.000 Mark bereitgestellt. Die Entscheidung, wer Anspruch auf eine Entschädigung hatte, sollte im Einvernehmen mit der Ansiedlungskommission, der auch Vertreter der Land- und Ritterschaft angehörten, getroffen werden. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 988: Allerhöchstes Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches Reskript vom 29. November 1916 mit Entwurf einer Verordnung betreffend Gemeindeordnung für die ländlichen Ortschaften außerhalb des Domaniums (Landgemeindeordnung) mit Begründung, Schwerin 1916. 23 Kommittenbericht, S. 4. Geplant war die Übertragung von jeweils einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 988, Bl. 59–62: Arbeitsausschuss für innere Kolonisation, Referat Meerheimb, 12. Juli 1916.
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sierten Flächenstaat konnten sie jedoch nicht verhindern. Notwendig für den Abschluss des Transformationsprozesses war allerdings die Novemberrevolution, die die Machtverhältnisse radikal änderte und damit die Voraussetzung für eine tatsächliche Staatsumwälzung schuf.
5.2 Die gemeindlich nicht verfassten Landesteile 5.2.1 Erste Vorarbeiten zur Verfassungs- und Gebietsreform in den Territorien der Ritterschaft und der Klöster Bereits einen Monat nach Beginn der Revolution, am 7. Dezember 1918, forderte das Ministerium des Innern die Kommissare der ritterschaftlichen Landgüter in den zwölf Aushebungsbezirken auf, „baldigst Vorschläge“ zur Bildung selbständiger Gemeindebezirke in den ritterschaftlichen Gebieten des Landes einzureichen. Die Kommissare der Aushebungsbezirke Güstrow, Parchim, Ribnitz und Waren erhielten zudem, ebenso wie die Vorsteher der Klosterämter Dobbertin, Malchow und Ribnitz, den Auftrag, Empfehlungen für die Gemeindebildung in den betreffenden klösterlichen Territorien zu erarbeiten.24 Maßgebend für die Vorschläge zur Neustrukturierung, die, wie 1865, der Einführung der Selbstverwaltung vorausgehen sollte, war ein seitens des Ministeriums des Innern erlassenes Programm. Im Unterschied zur Regierungsvorlage von 1916 sollte „grundsätzlich [...] die Bildung selbständiger Gutsbezirke“ vermieden werden.25 Mit dieser Bestimmung, die mit dem jahrhundertealten Verwaltungsprinzip des ritterschaftlichen Gebiets brach, suchte die Regierung zugleich zu verhindern, dass der Gutsbesitzer, als Eigentümer des Bodens, des Wirtschaftsbetriebs und sämtlicher Immobilien, auch nach der politischen Emanzipation der innerhalb des Gutsbezirks lebenden und von ihm abhängigen Personen alleiniger Träger der Entscheidungsgewalt blieb. „Umwälzend“, wie es der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Malchin, Carl von Abercron, formulierte,26 war die dem Zusammenhang von ökonomischer und politischer Macht Rechnung tragende Anordnung jedoch nicht nur für Mecklenburg-Schwerin. Wenig später, am 31. Dezember 1918, wurden auch in Sachsen die Gutsbezirke als politische Verwaltungseinheit abgeschafft. 27 Knapp zwei Jahre später, 1920, führte die Regierung der Provinz Sachsen eine entsprechende gesetzliche Regelung ein,28 die 1927/28 auch in Preußen und Schleswig-
24 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 985: MdI an Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken und MdI an KA Dobbertin, Malchow und Ribnitz, 7. Dez. 1918. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 1. Für den Entwurf vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 1–3. 25 Ebd. 26 Ebd., Bl. 100: Von Abercron an MdI, 19. April 1919. 27 Vgl. dazu etwa Korfelt: Gutsbezirke in Sachsen, S. 41. Vgl. dazu allgemein auch Nabert: Großgrundbesitz in Sachsen. 28 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644, Bl. 324–325: StM Provinz Sachsen an MdI, 30. Juli 1928.
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Holstein Anwendung fand.29 Lediglich in Mecklenburg-Strelitz hielt man an den Gutsbezirken fest;30 ihre Auflösung wurde erst 1934 in Folge des Anschlusses des Landes an Mecklenburg-Schwerin verfügt.31 Sich an der Vorlage von 1916 orientierend sah das Regierungsprogramm zur Neustrukturierung ferner den Zusammenschluss von Gütern mit benachbarten Bauern- oder Erbpachtstellen, den sogenannten Pertinenzen, zu einer Gemeinde vor. Bei „vorhandener Gemengelage ehemals ritterschaftlichen Besitzes mit domanialen Besitzteilen“ regte das Ministerium, in gewisser Weise an die Empfehlung von 1865 anknüpfend, an, Güter mit Domanialdörfern zu vereinigen. Sollte beides nicht möglich sein, hatten „mehrere Güter zu einem Gemeindebezirk“ zusammengefasst zu werden. Abhängig war die Entscheidung jedoch nicht nur von der Siedlungsstruktur, sondern auch von der Entfernung der Ortschaften zueinander und der dort lebenden Einwohnerzahl. Generell sollte „die Grösse der unter Beachtung der vorstehenden Gesichtspunkte in Vorschlag zu bringenden Gemeindebezirke [...] eine Durchführung der gemeindlichen Selbstverwaltung im Rahmen der bislang den Domanialgemeinden zugewiesenen Aufgaben“ gewährleisten. Vor diesem Hintergrund erschienen dem Ministerium die „bereits bestehenden Schul- und sonstigen Zweckverbände“ als „geeignete Grundlage“. Möglich sollte deshalb denn auch „die Verlegung eines Gutes in den Bereich eines anderen Aushebungsbezirkes“ sein. Eine entsprechende Empfehlung hatte jedoch erst „nach zuvoriger Verständigung zwischen den beteiligten Kommissaren bzw. Klosterämtern“ zu erfolgen.32 Insgesamt waren 1.321 Ortschaften, die ganz unterschiedliche Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen besaßen,33 zu sich selbst verwaltenden Gemeinden zu ver einigen. Die sich aus der Zusammenlegung der verschiedenen Herrschafts- und Machtbereiche ergebenden Probleme wurden zunächst jedoch ausgeblendet. Die Kommissare und Klosterämter hatten bei ihren Vorschlägen zur Einteilung des platten Landes in Kommunalbezirke, wie erwähnt, lediglich die politische Richtlinie und statistische Daten zu berücksichtigen. Legt man, wie seitens des Ministeriums des Innern angeregt, die Schulbezirke der Neustrukturierung zu Grunde, wären auf einem Gebiet von etwa 6.025 km2 515 Gemeinden zu bilden;34 das entspräche Verwaltungseinheiten von durchschnittlich knapp 12 km2.
29 Vgl. etwa Scheliha: Gutsbezirke in Preußen. Vgl. auch Schaumann: Auflösung der Gutsbezirke. Für Schleswig-Holstein vgl. Hobe-Gelting: Gutsbezirke in Schleswig-Holstein. 30 Vgl. Wenzel: Mecklenburg , S. 27. 31 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 936, Bl. 750–751: Protokoll Verhandlung Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, 14. Dez. 1933. Umgesetzt wurde der Beschluss jedoch erst mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 1935. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 281 und Bl. 439: Von Lingelsheim an Reichsstatthalter, 27. April und 17. Sept. 1935. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 65: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. Unterricht, 24. April 1936. 32 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 985: MdI an Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken und MdI an KA Dobbertin, Malchow und Ribnitz, 7. Dez. 1918. 33 Vgl. Tabelle 12, 13 und 14 im Anhang. 34 Vgl. Statistik für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, 1910, S. 5. Vgl. auch Staatskalender, 1917, T. 2, S. 184. Da einzelne Güter einen Schulbezirk für sich bildeten, ist die Zahlen-
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In den Empfehlungen der Kommissare und Klosterämter wurden die durch das Ministerium des Innern erarbeiteten Kriterien jedoch nicht einfach umgesetzt, sondern um eigene Prinzipien erweitert oder gar durch diese ersetzt. So basierte der Vorschlag des Kommissars für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Güstrow, Ernst Havemann, statt auf den Schulbezirken auf der Zugehörigkeit der Ortschaften zu den einzelnen Kirchspielen.35 Auf diese Weise würden, so die Intention, innerhalb der neuen Gemeinden auch die Unterschiede zwischen Domanium, ritterschaftlichem und klösterlichem Gebiet aufgehoben werden.36 Bewusst oder unbewusst übernahm der Entwurf Havemanns die Struktur der kommunalen Administration Englands und Dänemarks, wo die Identität zwischen geistlicher und staat licher Verwaltungseinheit eine lange Tradition hatte.37 In Mecklenburg-Schwerin indes bildeten nicht unbedingt die Kirchdörfer, sondern hauptsächlich Standorte von Mühlen oder Schmieden die Zentren des platten Landes.38 Wohl weniger aus diesem Grunde als vielmehr ob der notwendig werdenden „umfängliche[n] Verhand lungen“39 lehnte das Ministerium des Innern den Vorstoß ab und forderte einen „neuen Einteilungsentwurf“, der sich, dem „Wunsch des Herrn Ministerialrat Kolbow“ entsprechend, an den Schulverbänden orientiere.40 Während die Anregung Havemanns in Mecklenburg-Schwerin keine Berücksichtigung fand, folgte man ihr, freilich ohne direkten Bezug, 14 Jahre später, 1932, in Oldenburg.41 Tatsächlich hätte eine Kommunalgebietsreform auf Grundlage der Kirchspiele eine konsequente Umsetzung der Richtlinien des Ministeriums des Innern garantiert. Durch den Bezug auf die Schulbezirke hingegen konnten zum einen „vielfach“ nur die ritterschaftlichen Güter zusammengelegt werden42 und war zum anderen die Möglichkeit gegeben, „einzelne Güter, die Schulen für sich allein haben, als selbständige Gemeindebezirke“ zu etablieren.43 Gegen die „bestehenden Einschulungsverhältnisse“ sprach zudem, so Walter Lübcke, Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Waren, dass die Schulstandorte „vielfach nicht nach rein sachlichen Gesichtspunkten, sondern als Notbehelf“ geschaffen worden waren.44 Im Rostocker Distrikt etwa hatte der Gutsbesitzer von Beselin aufgrund „persönlicher Differenzen“ mit der Gutsobrigkeit von Hohen Schwarfs eine eigene Schule errich 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
angabe freilich nicht ganz korrekt. Der Staatskalender gibt über die Einteilung des Landes in Schulbezirke jedoch keine Auskunft, so dass vorerst die angegebene Anzahl zur Grundlage genommen werden muss. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 127–128: Entwurf einer Gemeindeeinteilung im Aushebungsbezirk X Güstrow, ohne Datum. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 12–18. Zur Einteilung des Landes in Kirchspiele vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 231–276, besonders S. 242–245. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 6–9: Havemann an MdI, 17. Dez. 1918. Vgl. etwa Arnold-Baker: Parish administration; Priebs: Dorfbezogene Politik in Dänemark. Vgl. Buchsteiner: Zentralörtliches System, S. 53. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 6–9: Havemann an MdI, 17. Dez. 1918. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 20: Havemann an MdI, 2. Aug. 1919. Vgl. Kollmann: Bildung von Landgemeinden. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 20: Havemann an MdI, 2. Aug. 1919. Ebd., Bl. 100: Von Abercron an MdI, 19. April 1919. Ebd., Bl. 151: Lübcke an MdI, 28. Mai 1919.
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tet.45 Der durch Lübcke eingereichte Entwurf folgte deshalb „in erster Linie [...] dem Gesichtspunkt enger räumlicher Verbindungen und gleicher Verkehrsverhältnisse“.46 Ebenso verfuhr der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Ribnitz, Hans Schlie, der „bei der Abgrenzung der einzelnen Bezirke [...] bestehende Beziehungen“ und die „Belegenheit der Ortschaften zueinander“ berücksichtigte.47 Eine weitere Ergänzung erfuhren die Kriterien des Ministeriums des Innern durch die Berücksichtigung bestehender Eigentumsverhältnisse. So bat der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Malchin, von Abercron, „unter allen Umständen“ dafür Sorge zu tragen, „daß mehrere Güter, die in einer Hand vereinigt sind und örtlich zusammenliegen, einen selbständigen Gemeindebezirk bilden“.48 Noch einen Schritt weiter ging der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Grevesmühlen, Paul Bade, der vorschlug, das Gut Bössow-Osthof, das „seit langen Zeiten“ dem Inhaber des Erbpachthofs Wohlenhagen gehörte, mit diesem zu einer Gemeinde zusammenzuschließen.49 Die sich hinter diesen Empfehlungen verbergende Absicht verdeutlicht der Einspruch der Obrigkeit der in einer Hand vereinigten Güter Matgendorf, Perow, Schwetzin, Tellow und Groß Wüstenfelde. In ihrem Schreiben an den zuständigen Kommissar, Havemann, beklagte die Eigentümerin, dass durch die beabsichtigte Zusammenlegung von Matgendorf mit Perow und Tellow sowie von Schwetzin mit Wüstenfelde Wirtschaftsbetrieb und Verwaltung des Güterkomplexes „völlig auseinandergerissen“ werden würden. Hinzu käme, da durch die Einführung der Selbstverwaltung eine „ständig steigende Arbeitslast“ zu erwarten sei, die aus Sicht der Eigentümerin notwendige Anstellung eines „besonderen Beamten“, die in jeder der beiden Gemeinden zu erfolgen hätte und als „zu kostspielig“ kritisiert wurde. Aus diesem Grunde forderte sie die Zusammenlegung der fünf Güter zu einer Gemeinde und die Übertragung der „Geschäfte des Ortsvorstehers“ an den Eigentümer bzw. den „zu dessen ständigem Vertreter“ ernannten „Gutssecretär“.50 Havemann hingegen wies den Einspruch ab. Grundsätzlich trat er dafür ein, in einer Hand vereinigte Güter nicht miteinander, sondern mit den jeweils umliegenden Ortschaften fusionieren zu lassen und den Zusammenschluss nur zu gestatten, wenn die Güter im Eigentum verschiedener Personen standen.51 Abgesehen von der Annahme der Güterverwaltung, dass die „Geschäfte des Ortsvorstehers“ auch nach Einführung der Selbstverwaltung durch die alte Obrigkeit und nicht durch einen gewählten „Laien“ ausgeübt werden würden, zeigt das Beispiel erneut das Bestreben des bereits lange Jahre in der Großherzoglichen Verwaltung tätigen 45 Ebd., Bl. 45: Haack an MdI, 22. Jan. 1919. Der Streit war u. a. deshalb entstanden, weil Hohen Schwarfs „im Besitz einer Frau“ war. Ebd. Vgl. dazu auch Staatskalender, 1917, T. 2, S. 175. 46 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 151: Lübcke an MdI, 28. Mai 1919. 47 Ebd., Bl. 48: Schlie an MdI, 25. Jan. 1919. 48 Ebd., Bl. 100: Von Abercron an MdI, 19. April 1919. 49 Ebd., Bl. 131: Bade an MdI, 30. April 1919. 50 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999: Güterverwaltung Matgendorf, Perow, Schwetzin, Tellow und Groß Wüstenfelde an Havemann, 9. Juli 1920. 51 Vgl. ebd., Bl. 20: Havemann an MdI, 2. Aug. 1919.
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Havemann,52 die ständischen Strukturen aufzulösen. Gleichzeitig verweist das Beispiel darauf, dass die seitens der Kommissare und Klosterämter erarbeiteten Einteilungsentwürfe in der Bevölkerung bekannt waren und diskutiert wurden. Tatsächlich lassen die an das Ministerium des Innern eingesandten Berichte zwei unterschiedliche Verfahren bei der Entwicklung ihrer Empfehlungen erkennen. So entstanden die Vorschläge einerseits als reine Produkte der Amtsstuben, andererseits, und dies weit häufiger, unter Einbeziehung der Gutseigentümer. Nachweisen lässt sich die bürokratische Neustrukturierung lediglich für die Aushebungsbezirke Wismar53 und Ludwigslust.54 Hier gab der zuständige Kommissar für die ritterschaftlichen Güter, Maximilian SchmidtSibeth, allerdings den Gutsherren später noch einmal „Gelegenheit zur Äusserung“.55 Eine Änderung des im Dezember 1918 eingereichten Entwurfs erfolgte jedoch nicht. Bei der Mitwirkung der lokalen Obrigkeiten reichte die Palette von reiner Information bis zur Entgegennahme konkreter Vorschläge. Der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Rostock, Hermann Haack, etwa hatte die Gutsbesitzer „in Kenntnis gesetzt“.56 Havemann plante dies ebenfalls und bat um Abschriften der im Ministerium des Innern erarbeiteten Richtlinien. Da der Wunsch abgelehnt wurde, verzichtete er jedoch – wohl im Interesse der vorgesetzten Behörde – auf eine Einbeziehung.57 Nach der Zurückweisung seines eingereichten Entwurfs allerdings beteiligte er die Gutsbesitzer. In einem Rundschreiben klärte Havemann sie über die Grundsätze der geplanten Kommunalgebietsreform auf und bat, von der Praxis abweichende Wünsche ermöglichend, den Ort, nach dem eingeschult werde, anzugeben.58 Im Aushebungsbezirk Parchim bat der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter, Gottfried Bierstedt, ganz offen um Vorschläge.59 Ähnlich verhielt sich sein Kollege im Aushebungsbezirk Grevesmühlen, Bade, der die Wünsche einzelner Gutsbesitzer, die teilweise „Vereinbarung[en] unter sich“ getroffen hatten, berücksichtigte.60 Im Aushebungsbezirk Waren führte der Kommissar für die ritterschaftli-
52 Ernst Havemann wurde 1853 als Sohn des Amts-Sekretärs Havemann in Dargun geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Rostock und Leipzig arbeitete er zunächst als Advokat. 1878 trat er als Auditor in die großherzogliche Kommunalverwaltung ein. Dem folgte eine typische Karriere, deren erster Höhepunkt 1891 die Ernennung zum leitenden Beamten des Domanialamtes Boizenburg bildete. 1914 wurde Havemann als leitender Beamter an das Domanialamt Güstrow versetzt und zum landesherrlichen Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Güstrow ernannt. Seit 1915 war er zudem Vorsitzender der Kreisbehörde für Volksernährung Güstrow. Vgl. UAR, 1. Aug. 0, Jg. 1872; UAR, 1.09.0, StA Havemann, Ernst; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 936. 53 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 42–43: Burchard an MdI, 7. Jan. 1919. 54 Vgl. ebd., Bl. 7–8: Schmidt-Sibeth an MdI, 13. Dez. 1918. 55 Ebd., Bl. 11–12: Schmidt-Sibeth an MdI, 20. Sept. 1919. 56 Ebd., Bl. 45: Haack an MdI, 22. Jan. 1919. 57 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 2: MdI an Havemann, 13. Dez. 1918.; ebd., Bl. 6–9: Havemann an MdI, 17. Dez. 1918. 58 Vgl. exemplarisch ebd., Bl. 56: Havemann an Gutsobrigkeit Karow, 5. Juli 1919. Nachweisen lässt sich die Versendung des Rundschreibens an insgesamt 33 Güter. Vgl. ebd., Bl. 59–123. 59 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 51: Bierstedt an MdI, 20. März 1919. 60 Ebd., Bl. 130–131: Bade an MdI, 23. Feb. und 30. April 1919.
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chen Gebiete, Lübcke, gar direkte „Verhandlungen mit den beteiligten Obrigkeiten“.61 Nachweisen lässt sich diese Form der Partizipation auch im Aushebungsbezirk Doberan, wo der zuständige Beamte, Hermann von Oertzen, „mit verschiedenen Gutsbesitzern wegen der zweckmässigen Abgrenzung der zu bildenden Gemeinden Rücksprache“ hielt. Dabei ging es, im Unterschied zu den vorgenannten Fällen, nicht nur um Einzelheiten der territorialen Neustrukturierung. So wurde an von Oertzen „wiederholt die Frage [...] gerichtet, zu welchem Zweck die Gemeinden gebildet werden sollten“, hinge hiervon doch die Größe der einzelnen Bezirke ab. Seien „in erster Linie politische Rücksichten massgebend“, könnten sie relativ klein bleiben, während bei der Schaffung von Zweckverbänden zur Finanzierung staatlicher und kommunaler Aufgaben „breitere [...] Grundlagen“ erforderlich wären. Darüber hinaus kritisierten die Gutsbesitzer grundsätzlich, dass auf den in ihrem „alleinigen Eigentum“ stehenden Gütern „Gemeindeverfassung und Selbstverwaltung auf der Grundlage des allgemeinen, geheimen und unmittelbaren Wahlrechts“ eingeführt werden sollten, da sie doch bisher „alle Gemeindelasten ganz allein getragen haben, und es schwerlich die Absicht der Regierung sein könne, auch die Arbeiter auf den Gütern zur Tragung der Kosten heranzuziehen“. Eine solche Entscheidung würde, so die Ortsobrigkeiten, deren Abwanderung in die Städte begünstigen. Ihnen politische Rechte zuzugestehen, ohne sie an den Lasten zu beteiligen, würde indes „das auf den meisten Gütern noch bestehende gute und vertrauensvolle Verhältnis zwischen den Gutsherren und den Arbeitern [...] empfindlich“ stören.62 Das Ministerium des Innern suchte diese sich aus dem Ungleichgewicht von politischer und ökonomischer Macht ergebenden Probleme bekanntlich durch die Zusammenlegung mit anderen Ortschaften zu vermeiden. Tatsächlich sorgte jedoch gerade die in den Richtlinien zur Kommunalgebietsreform gegebene Anregung, ritterschaftliche Orte mit domanialen Gemeinden zu verbinden, für Bedenken.63 Aufgrund der auf den Gütern lebenden Altenteiler etwa hätten die Dorfgemeinden, so der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Schwerin, Ferdinand von Bülow-Trummer, insbesondere im Bereich der Armenpflege „größere Gemeindelasten“ zu tragen. Seine Empfehlung, wie 1865 im Domanium nun die in der Ritterschaft zu gründenden Gemeinden „angemessen“ mit Land zu dotieren,64 wurde jedoch als verfrüht gegeben zurückgewiesen.65 Die Frage selbst blieb indes virulent und führte sowohl während 61 Ebd., Bl. 151: Lübcke an MdI, 28. Mai 1919. Zur Diskussionsveranstaltung waren „die Besitzer der Güter, die Pächter und das [...] Klosteramt eingeladen“ worden. Ebd., Bl. 96: KA Malchow an MdI, 1. Mai 1919. 62 Ebd., Bl. 38: Von Oertzen an MdI, 28. Dez. 1918 (Hervorhebung im Original). 63 Vgl. ebd., Bl. 11–12: Schmidt-Sibeth an MdI, 20. Sept. 1919. 64 Ebd., Bl. 119: Von Bülow-Trummer an MdI, 12. Juli 1919. 65 Vgl. ebd., Bl. 131: Bade an MdI, 30. April 1919. Dass gerade die Entscheidung für oder gegen eine Dotierung entscheidend für die Bildung von Gemeinden sein konnte, zeigt der Einspruch der Obrigkeiten des Ritterguts Bössow-Westhof und des Domanialdorfs Bössow, die der geplanten Vereinigung nur dann ihre Zustimmung geben wollten, wenn Bössow-Westhof – dem mit 5,4 Hektar kleinsten Gut Mecklenburg-Schwerins – Land zugesprochen werden würde. Vgl. ebd., Bl. 131: Bade an MdI, 30. April 1919; ebd., Bl. 106: Krüger und Rieck an MdI, 22. April 1919.
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der parlamentarischen Debatte der Landgemeindeordnung als auch nach deren Inkrafttreten zu einigen Diskussionen.66 Während die meisten Kommissare sich darauf beschränkten, dem Ministerium des Innern gemeinsam mit den Entwürfen ihre Bedenken mitzuteilen, lehnte es von Oertzen, selbst Rittergutsbesitzer, schlicht ab, Vorschläge zur Bildung von Gemeindebezirken einzureichen. Solange die aufgetauchten grundsätzlichen Fragen sowie die sich aus der Praxis ergebenden Widersprüche innerhalb der Richtlinien nicht geklärt seien, weigerte er sich, einen Entwurf zu präsentieren.67 Auf Druck des Ministeriums des Innern, das, ohne den Verhandlungen des Landtags vorzugreifen, keine weitergehenden Entscheidungen treffen konnte, reichte jedoch auch von Oertzen seine Empfehlungen ein.68 Neben den Richtlinien, den Verkehrs- und den Eigentumsverhältnissen bildete die Bevölkerungszahl ein weiteres Kriterium bei der Schaffung von Gemeindebezirken. Bewusst oder unbewusst der Anregung Lübckes folgend, sahen die Entwürfe hauptsächlich Gemeindebezirke mit mindestens „300 Seelen und tunlichst nicht über 600“ Einwohnern vor.69 Ausnahmen nach oben stellten lediglich der Vorschlag des Kommissars für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Ribnitz, Schlie, sowie die durch von Abercron bzw. Bade empfohlenen Gemeindebezirke Ivenack und Klütz dar. Für die Konstituierung der 1.599 Einwohner umfassenden Gemeinde Ivenack sprach, dass die neun bäuerlichen Ortschaften „bisher einheitlich“ vom Gut Ivenack aus verwaltet worden waren und bereits ein ritterschaftliches Amt gebildet hatten.70 Bei der 1.179 Einwohner zählenden Ortschaft Klütz, die zum Gut Bothmer gehörte, handelte es sich um eine sogenannte Fleckengemeinde, die über besondere Rechte und eine an das Niveau einer Kleinstadt reichende Infrastruktur verfügte.71 Ähnlich wie von Abercron und Bade argumentierte auch Schlie, der darauf verwies, dass es sich dort, wo die Bevölkerungszahlen „etwas hoch“ erscheinen, „ausschließlich um reine Höfe handelt, deren Verwaltung verhältnismäßig einfach“ sei.72 Nach unten indes konnte der durch Lübcke gegebene Richtwert von 300 Einwohnern nicht immer eingehalten werden. Bedingt war dies häufig durch die isolierte Lage der einzelnen Ortschaften und das „Bedenken der schwierigen Zusammenarbeit bei größeren Entfernungen“. Dessen ungeachtet bat der Klosterhauptmann des Klosters Dobbertin, Helmuth von Prollius, die Gemeindebezirke, um „leistungs 66 67 68 69 70
Vgl. Kap. 8.2. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 38: Von Oertzen an MdI, 28. Dez. 1918. Ebd., Bl. 54–55: Von Oertzen an MdI, 2. April 1919. Ebd., Bl. 113: Lübcke an MdI, 23. April 1919. Vgl. Tabelle 15 im Anhang. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 100: Von Abercron an MdI, 19. April 1919. Vgl. auch Staatskalender, 1917, T. 2, S. 125–126; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 101: Zusammenstellung der ländlichen Gemeinden in den ritterschaftlichen Gebieten des Aushebungsbezirkes Malchin, 19. April 1919. Tatsächlich folgte das Ministerium des Innern der Empfehlung und genehmigte die Gemeindebildung. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 101. 71 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 125–129: Bade an MdI, 25. April 1919. Das Ministerium des Innern folgte auch diesem Vorschlag, erweiterte den Gemeindebezirk jedoch noch um sechs Ortschaften. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 20. 72 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 48: Schlie an MdI, 25. Jan. 1919.
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fähig[e]“ Kommunen zu schaffen, mindestens so groß fassen zu dürfen, dass sie „über 200 Seelen“ verfügen.73 Tatsächlich scheint daraufhin eine Richtlinie herausgegeben worden zu sein, nach der eine Entfernung von fünf Kilometern zwischen den einzelnen Ortschaften des Gemeindebezirks zulässig war.74 Anders als bei den Entwürfen zur Gemeindeeinteilung des ritterschaftlichen Gebietes hatten die Kommissare Bierstedt, Havemann, Lübcke und Schlie bei der Neustrukturierung der Klosterämter ganz offiziell die Ansichten der ebenfalls mit der Erarbeitung von Vorschlägen beauftragten Grundherrschaft zu berücksichtigen.75 Die umfänglichsten Verhandlungen wurden im Klosteramt Dobbertin geführt, wo von Prollius eine „Anhörung“ sämtlicher Ortschaften organisierte.76 Interessant erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere die Auseinandersetzung zwischen den Klosterdörfern Garden und Lohmen, die zeigt, dass auch die Zusammenlegung bereits gemeindlich verfasster Ortschaften nicht ohne Weiteres möglich war. So wehrte man sich in Garden gegen die Fusion mit Lohmen, da die Gemeinde „binnen kurzem durch Kleinsiedlung erheblich“ wachse und „eine Menge Lasten“ zu tragen habe, „die Garden nicht interessierten und für die Garden nicht bezahlen wolle“. Hinzu käme, dass das größere Lohmen in der Dorfversammlung ein „derartiges Uebergewicht“ erlangen würde, dass an die „Verwirklichung Gardener Interesssen gar nicht zu denken sei“.77 Die Bewohner Lohmens hingegen traten dafür ein, „möglichst viele Ortschaften“ zu einer Gemeinde zusammenzuschließen. Gleichzeitig „kam aber auch zur Sprache, daß Lohmen, mit seinen jetzt 233 Einwohnern und seinen Aussichten auf Vergrößerung gut eine selbständige Gemeinde bilden könne“.78 Bei einem abschließenden Vergleich der Zahlen der vor 1918 in den ritterschaftlichen und klösterlichen Gebieten bestehenden selbständigen Ortschaften und der Summe der durch die Kommissare vorgeschlagenen Gemeindebezirke fällt auf, dass die indirekte Vorgabe des Ministeriums des Innern, eine Reduzierung um knapp ein Drittel vorzunehmen, mehr als erfüllt worden war.79 Ob die Zusammenfassung der bestehenden 1.321 Verwaltungseinheiten zu den vorgeschlagenen 430 Kommunalbezirken erfolgen würde, blieb jedoch bis zum Ende der parlamentarischen Debatte der Landgemeindeordnung ungewiss. Dies lag auch an den kritischen Einwänden der Kommissare, die sich in den Argumentationen, insbesondere der Landtagsabgeordneten der konservativen Parteien, für bzw. gegen einzelne Paragraphen des Gesetzes wiederfanden.80 73 Ebd., Bl. 161: KA Dobbertin an MdI, 24. Juni 1919. 74 Vgl. ebd., Bl. 177: KA Malchow, 17. Dez. 1919; ebd., Bl. 169: KA Dobbertin an MdI, 9. Dez. 1919; ebd., Bl. 176: KA Ribnitz an MdI, 19. Dez. 1919. 75 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 985: MdI an Kommissare der ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken und MdI an KA Dobbertin, Malchow und Ribnitz, 7. Dez. 1918. Für die Vorschläge vgl. Tabelle 16 im Anhang. 76 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 14: KA Dobbertin an Havemann, 13. Sept. 1919. 77 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 166: Eingabe Garden (Abschrift). 78 Ebd., Bl. 167–168: KA Dobbertin an MdI, 28. Nov. 1919. 79 Vgl. Tabelle 15 im Anhang. 80 Vgl. Kap. 6.
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5.2.2 Die Gemeindebildung in den Kämmereigebieten der Städte Am 23. Januar 1919, knapp einen Monat nachdem die ersten demokratischen Wahlen zu den Bürgerausschüssen stattgefunden hatten, wandte sich das Ministerium des Innern auch an die Magistrate der Städte und forderte von diesen Vorschläge zur Bildung von Gemeindebezirken in den „zum Bereiche der Städte gehörenden Gebietsanteilen des platten Landes“.81 Gemeint waren damit die im Eigentum der Städte stehenden Güter und Ortschaften. Die für diese Territorien gängige Bezeichnung Kämmereien tauchte jedoch nur im Entwurf des Rundschreibens auf. Sie wurde, anscheinend als nicht mehr zeitgemäß empfunden, in der endgültigen Fassung gestrichen und durch die obige Formulierung ersetzt. Von der Neustrukturierung waren insgesamt 208 sowohl auf als auch außerhalb der städtischen Feldmarken gelegene Ortschaften betroffen. Während unter den 102 zur Feldmark zählenden Siedlungen lediglich drei eine Gemeindeverfassung besaßen, verfügten von den 106 außerhalb der Feldmark befindlichen Ortschaften bereits 46, darunter 39 Kämmerei- bzw. Ökonomiegüter, über eine solche.82 Es scheint, als sollte die geplante Kommunalgebietsreform hier vorrangig der Umsetzung der in der Richtlinie des Ministeriums des Innern für die Bildung von Gemeindebezirken in den ritterschaftlichen und klösterlichen Gebieten aufgestellten politischen Maxime, keine Gutsgemeinden entstehen zu lassen, dienen. Tatsächlich sahen die Städte durch die „beabsichtigte Neuordnung“ allein das ihnen „streitlos zustehende freie Stadtregiment aufs Schwerste verletzt“. Das „Bedürfnis“, in den Vororten eine Gemeindeverfassung einzuführen, bestand nicht.83 Einen Grund dafür offenbart das Schreiben des Magistrats der Stadt Waren, der darauf hinwies, dass die Bevölkerung der dortigen Kämmereigüter „die gleichen Rechte wie die eigentlichen Bewohner der Stadt“ habe und „abgesehen von den Gutstagelöhnern“ der dort geltenden Steuerordnung unterläge.84 Eine Partizipation der Kämmereibewohner „an der städtischen Selbstverwaltung und allen Wahlen“ bestand ebenfalls in Gadebusch, Neustadt, Penzlin und Plau. Statt einer Gemeindebildung regten die dortigen Magistrate deshalb eine Eingemeindung an.85 Eine Ausweitung des Stadtbezirks forderten auch die Magistrate der meisten anderen 81 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 57: MdI an die Magistrate der Städte, 23. Jan. 1919. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 985. Dass das Ministerium des Innern sämtliche Magistrate anschrieb, obwohl von den 42 Städten Mecklenburg-Schwerins nur 30 Kämmereigebiete besaßen, führte nicht nur zu einigen Irritationen, sondern verdeutlicht auch, dass die Anweisung entweder übereilt oder schlicht aufgrund mangelnder Kenntnis der Verhältnisse gegeben worden war. Vgl. dazu Staatskalender, 1917, T. 2, S. 185–230. Für Fehlanzeigen vgl. etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 111: Magistrat Stadt Lübz an MdI, 23. April 1919; ebd., Bl. 132: Magistrat Stadt Dömitz an MdI, 29. April 1919. 82 Vgl. Tabelle 17, 18 und 19 im Anhang. Die Gründe hierfür liegen möglicherweise in der Übernahme von Rechten, die den Gütern und Ortschaften vor ihrer Übernahme durch die Städte zugestanden worden waren. Eine Untersuchung zu diesem Themenfeld steht allerdings noch aus. 83 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 79: Magistrat Stadt Wismar an MdI, 6. März 1919. 84 Ebd., Bl. 77: Magistrat Stadt Waren an MdI, 27. Feb. 1919. 85 Ebd., Bl. 105: Magistrat Stadt Plau an MdI, 24. April 1919. Vgl. ebd., Bl. 78: Magistrat Stadt Gadebusch an MdI, 1. März 1919; ebd., Bl. 116: Magistrat Stadt Neustadt an MdI, 22. April 1919; ebd., Bl. 104: Magistrat Stadt Penzlin an MdI, 19. April 1919.
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Städte.86 Aus ihrer Sicht mussten die Kämmereien mit der Stadt „verwaltungsrechtlich [...] verbunden“ bleiben,87 da sie über „kein Gemeinde-Vermögen“ verfügten88 und „zu klein“ waren, um „als selbständige Gemeinden ins Leben treten zu können“.89 Ganz anders sahen dies zum Teil die Bewohner der betroffenen Ortschaften, die durch die Verwaltungsreform nicht nur politische Veränderungen erwarteten. So rechneten etwa die Einwohner von Kessin bei Rostock mit einer „besseren und gerechteren Regelung [d]er Ackerverhältnisse“.90 Im benachbarten Schlage forderte man gar konkret, der Gemeinde die Flächen, die „zur Zeit [...], da Schlage noch ein Rittergut war“, zum Ort gehörten, zurückzugeben. Darüber hinaus beanspruchte man die Einnahmen aus dem Kanonzins und „den Gemeindeländereien Bruch, Wiesen und Moor“.91 Während in diesen beiden Fällen die ökonomische Grundlage für die Einführung der Selbstverwaltung geschaffen werden sollte, bestand man in Quetzin bei Plau „nur aus Spekulationsgründen“ auf der Eigenständigkeit und stimmte, nachdem eine Änderung der Pachtverhältnisse beschlossen worden war, der Eingemeindung zu.92 Neben einer Ausdehnung des Stadtbezirks befürworteten die Magistrate jedoch auch die Bildung von Gemeindebezirken. Erwogen wurde sie nicht nur, wenn, wie in Grabow, die Kämmereiortschaften eigene Verwaltungsstrukturen besaßen und bereits „einen Ortsarmenverband für sich“ bildeten,93 oder, wie in Hagenow, „keine städtischen Steuern“ zahlten,94 sondern generell dann, wenn sie von der Stadt zu weit entfernt lagen und „eine städtische Bebauung“ der Flächen „in absehbarer Zeit“ nicht in Frage kam.95 Besonders deutlich wird die sich hier dokumentierende ökono86 Vgl. u. a. ebd., Bl. 114: Magistrat Stadt Bützow an MdI, 23. April 1919; ebd., Bl. 73: Magistrat Stadt Laage an MdI, 7. Feb. 1919; ebd., Bl. 71 und Bl. 76: Magistrat Stadt Schwerin an MdI, 5. und 7. Feb. 1919; ebd., Bl. 156: Magistrat Stadt Sternberg an MdI, 18. Juni 1919; ebd., Bl. 93: Magistrat Stadt Teterow an MdI, 17. April 1919. 87 Ebd., Bl. 73: Magistrat Stadt Laage an MdI, 7. Feb. 1919. 88 Ebd., Bl. 74: Magistrat Stadt Boizenburg an MdI, 3. Feb. 1919. 89 Ebd., Bl. 78: Magistrat Stadt Gadebusch an MdI, 1. März 1919. Vgl. u. a. ebd., Bl. 69: Magistrat Stadt Grevesmühlen an MdI, 30. Jan. 1919; ebd., Bl. 66: Magistrat Stadt Warin an MdI, 28. Jan. 1919; ebd., Bl. 75: Magistrat Stadt Wittenburg an MdI, 6. Feb. 1919. 90 AHR, 1.1.10, Nr. 4554: Einwohner Kessin an Kämmerei Rostock, Mai 1919. Vgl. auch ebd.: Einwohner Kessin an Kämmerei Rostock, 27. Dez. 1919. Dort hieß es: „So wie uns damals berichtet wurde, sollen wir ja in nächster Zeit die Gemeinde-Ordnung selbst haben. Daher bitten wir, ob die Verpachtung und Vertheilung von Acker nicht schon der Gemeinde übertragen werden kann.“ Die Kämmerei lehnte das Gesuch mit der Begründung ab, „alle dafür in Betracht kommenden Flächen [seien] noch verpachtet“. Ebd.: Aktennotiz Kämmerei, 7. Jan. 1920. 91 Ebd.: Dümmler an StM, 19. Jan. 1920. 92 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 611: Magistrat Stadt Plau an MdI, 29. Nov. 1920. 93 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 148: Magistrat Stadt Grabow an MdI, 22. Mai 1919. Neben der Dorfversammlung sah die Kommunalverfassung einen Gemeinderat vor, der durch den Schulzen und ihm beigeordnete Exekutivorgane, dem „Strafbauern bezw. Strafbüdner“, gebildet wurde. Ebd. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 596: Magistrat Stadt Grabow an MdI, 3. Sept. 1920. 94 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 122: Magistrat Stadt Hagenow an MdI, 25. April 1919. 95 Ebd., Bl. 140–141: Magistrat Stadt Rostock an MdI, 16. Mai 1919. Vgl. auch AHR, 1.1.10, Nr. 4554: Aktennotiz Becker, 19. Mai 1919.
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mische Argumentation auch in der Haltung des Magistrats der Stadt Grabow, der der Konstituierung selbständiger Gemeinden nur zustimmen wollte, wenn ihm die „bisherigen Aufkünfte [...] aus den Kämmereidörfern“ direkt oder durch Umfinanzierung erhalten blieben.96 Wie durch das Ministerium des Innern in Bezug auf die Schaffung von Gemeindebezirken in den Gebieten der Ritterschaft und der Klöster vorgeschlagen, orientierten sich auch die Magistrate bei ihren Empfehlungen an den bestehenden Schuloder sonstigen Zweckverbänden.97 Hieraus ergaben sich jedoch zwei Probleme. Zum einen konnten die Pläne auf den Widerstand der einzelnen Ortschaften selbst stoßen. So wehrte sich etwa die Gemeinde Rövershagen bei Rostock gegen eine Zusammenlegung mit Torfbrücke und sämtlichen Heideortschaften, da diese „größtenteils 6–10 km“ entfernt lagen. Hinzu käme, so der Ortsausschuss, dass die projektierte Großgemeinde zu „über 90 %“ aus Arbeitnehmern bestehen und der „kleine Rest der Arbeitgeber [...] unmöglich imstande“ sein würde, die „Lasten und Abgaben zu tragen“. Mehr noch, durch eine notwendige „stärkere Heranziehung der Arbeiter“ würden schließlich auch noch „die jungen, kräftigen Arbeiter nach wirtschaftlich besser gestellten Ortschaften auswandern“ und nur die „Unterstützungsbedürftigen in der Gemeinde verbleiben“. Statt des anvisierten, „den Interessen der Ortsbewohner in keiner Weise Rechnung“ tragenden Gemeindebezirks schlug der Ortsausschuss deshalb eine Zusammenlegung mit Purkshof und Oberhagen, die zur Kirchgemeinde Rövershagen gehörten und auch nach dort einschulten, vor.98 Der Magistrat der Stadt Rostock hingegen nahm den Einwand zum Anlass, die Bildung selbständiger Gemeinden so lange auszusetzen, bis der Landtag die Landgemeindeordnung verabschiedet und mit ihr die Frage der finanziellen „Ausstattung“ der Kommunen geklärt habe.99 Das zweite Problem, das einer Neustrukturierung auf der Grundlage bestehender Zweckverbände direkt widersprach, ergab sich aus der Anweisung des Ministeriums des Innern, „das städtische Gebiet [...] für sich bestehen“ zu lassen.100 So scheiterten in Güstrow, Malchin, Parchim und Wismar die geplanten Zusammenlegungen mit 96 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 148: Magistrat der Stadt Grabow an MdI, 22. Mai 1919. 97 Vgl. etwa ebd., Bl. 74: Magistrat Stadt Boizenburg an MdI, 3. Feb. 1919; ebd., Bl. 148–150: Magistrat der Stadt Grabow an MdI, 22. Mai 1919; ebd., Bl. 115: Magistrat Stadt Malchin, 22. April 1919; ebd., Bl. 123–124: Magistrat Stadt Parchim an MdI, 28. April 1919; ebd., Bl. 82–83: Sitzung Magistrat Stadt Ribnitz, Protokoll, 12. März 1919 (Abschrift); ebd., Bl. 80: Zusammenstellung der zu bildenden Gemeindebezirke in den Gebieten der Stadt Wismar, 7. März 1919; ebd., Bl. 140–141: Magistrat Stadt Rostock an MdI, 16. Mai 1919. Vgl. dazu auch AHR, 1.1.10, Nr. 4554: Kämmerei und Hospitalverwaltung Stadt Rostock an Magistrat Stadt Rostock, 10. Mai 1919; MVZ, 22. Mai 1919. 98 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 142: Ortsausschuss Gemeinde Rövershagen an MdI, 11. Juli 1919. Vgl. auch AHR, 1.1.10, Nr. 4554: Einwohner Rövershagen an Kämmerei der Stadt Rostock, 13. Juni 1919. 99 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 147: Magistrat Stadt Rostock an MdI, 18. Okt. 1919. Vgl. auch AHR, 1.1.10, Nr. 4554: Aktennotiz Stadtverwaltung, 25. Juni 1919. 100 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1000, Bl. 6–9: Havemann an MdI, 17. Dez. 1918. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 112: Magistrat Stadt Malchow an MdI, 19. April 1919.
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Ortschaften aus der Ritterschaft oder dem Domanium.101 Ausschlaggebend war dabei wohl in erster Linie die ablehnende Haltung der betroffenen Eigentümer bzw. Dörfer, die einer Fusion nur zustimmen wollten, wenn ihnen die Stadt einen „namhaften Betrage zur Entschädigung“ böte.102 Umgesetzt werden konnte hingegen der Vorschlag des Magistrats der Stadt Gadebusch, die Erbpachtstelle Buchholz der gleichnamigen domanialen Dorfgemeinde zuzulegen.103 Überblickt man die Diskussion zur Gemeindebildung in den Kämmereien, fällt ein Missverhältnis zwischen der Forderung der Städte nach einer möglichst freien Selbstverwaltung und der Verweigerung derselben gegenüber den eigenen Vororten auf. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass die entsprechenden Entwürfe seitens der Magistrate, die erst im Laufe der Zeit neugewählt wurden, erarbeitet werden sollten. Hinzu kam das Bestreben, die Ländereien und die damit verbundenen Einnahmen für die Stadt erhalten zu wollen, das sowohl bei den Bürgerausschüssen als auch bei den Räten ausschlaggebend war. Die Intention, die Kommunalgebietsreform zur Erweiterung des Stadtbezirks zu nutzen, verdeutlicht insbesondere der Vorschlag des Magistrats der Stadt Malchow, die benachbarten Ortschaften Biestorf und Lenz einzugemeinden, obwohl diese nicht zur Kämmerei gehörten, mehr noch, Malchow über eine solche gar nicht verfügte.104 Im August 1920 trug das Ministerium des Innern den Empfehlungen der Städte Rechnung und erklärte sämtliche auf der städtischen Feldmark liegenden Ortschaften zu Teilen des jeweiligen Stadtbezirks. Gleichzeitig bestimmte es jedoch, dass alle Ortschaften außerhalb der städtischen Feldmark Landgemeinden werden sollten, denen die Städte Ländereien zur Finanzierung der Gemeindeaufgaben übergeben sollten.105 Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der Städte, die ihren Gemeindebezirk immer weiter ausdehnten. Waren es 1919 insgesamt 121 Ortschaf-
101 Zu den entsprechenden Empfehlungen vgl. etwa ebd., Bl. 136: Magistrat Stadt Güstrow an MdI, 15. Mai 1919; ebd., Bl. 123–124: Magistrat Stadt Parchim an MdI, 28. April 1919; ebd., Bl. 80: Zusammenstellung der zu bildenden Gemeindebezirke in den Gebieten der Stadt Wismar, 7. März 1919. Einige der Vorhaben konnten jedoch später realisiert werden. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, passim. 102 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 138: Lehmitz an Havemann, 12. Mai 1919. 103 Vgl. ebd., Bl. 78: Magistrat Stadt Gadebusch an MdI, 1. März 1919. Vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 26 und S. 189; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 161. 104 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 112: Magistrat Stadt Malchow an MdI, 19. April 1919. Biestorf und Lenz waren Pertinenzen des Erbpachthofs Adamshoffnung, bei dem es sich wiederum um ein inkammeriertes ritterschaftliches Gut handelte. Beziehungen zwischen den beiden Orten und Malchow bestanden lediglich im Falle Biestorfs, wo eine Abteilung des Forstamts der Stadt untergebracht war. Vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 80 und S. 199–200. Für eine Zulegung des Erbpachthofs Lenz sprach möglicherweise die dort beabsichtigte Aufsiedlung. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 181. Die Idee der Eingemeindung wurde jedoch nicht umgesetzt. 105 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 594: MdI an Räte der Städte Boizenburg, Grabow, Güstrow, Parchim, Plau, Ribnitz, Rostock, Tessin, Waren, Wismar, Wittenburg, 23. Aug. 1920. Die Bestimmung galt ferner auch für die Klostergemeinden. Vgl. ebd., Bl. 613: MdI an MfL, 23. Aug. 1920.
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ten, die eingemeindet worden waren,106 stieg deren Zahl bis 1939 auf 178.107 Das politische Ziel der Regierung Wendorff, die Kämmereien aufzulösen, war zwar erreicht, die Absicht, in diesen Gebieten selbstverwaltete Gemeinden zu schaffen, indes durch städteplanerische Ambitionen unterlaufen worden.
5.3 Das Domanium 5.3.1 Zur kommunalen Verwaltung vor 1918 Wie oben gezeigt, fehlten in den Gebieten außerhalb des Domaniums staatliche Verwaltungsbezirke. Hier übten bekanntlich die Grundbesitzer die „mit ihrem Grund und Boden verknüpft[en]“ staatsrechtlichen Befugnisse aus, was zu der dargestellten Vielfalt der Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen führte. Innerhalb des landesherrlichen Territoriums hingegen gab es eine die „kommunale Verwaltung regelnde Gemeindeverfassung“, die den ländlichen Ortschaften sowohl staatliche Aufgaben übertrug als auch Rechte der Selbstverwaltung gewährte. Die Kommunalverfassung von 1869, die mit Ausnahme der Insel Poel und der fünf domanialen Fleckengemeinden in allen Ortschaften des Domaniums galt, enthielt den Landgemeinden jedoch obrigkeitliche Befugnisse vor. Sie wurden durch die Großherzoglichen Domanialämter ausgeübt. Gleichwohl bestanden auch unter den domanialen Landgemeinden Unterschiede. So gab es Hofgemeinden, Dorfgemeinden und kombinierte Hof- und Dorfgemeinden, deren Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen zum Teil erheblich voneinander abwichen. In der Hofgemeinde etwa oblagen alle sich aus der Gemeindeverwaltung ergebenden Rechte und Pflichten dem Inhaber des Pachthofs.108 Die Gemeindelasten allerdings konnten auch auf die übrigen Gemeindemitglieder verteilt werden.109 106 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, passim. Eine statistische Gegenüberstellung der bestehenden Kämmereiortschaften und der Vorschläge zur Eingemeindung bzw. zur Gemeindebildung ist aufgrund fehlender Zahlen nicht möglich. Die Empfehlungen der Magistrate der Städte Goldberg, Krakow, Ludwigslust, Neubukow, Röbel und Schwaan konnten in den Akten des Landeshauptarchivs Schwerin nicht ermittelt werden. 107 Vgl. Staatshandbuch, 1939, T. 2, passim. Einen großen Anteil an der Gesamtsumme hatten dabei die Städte Rostock, Schwerin und Wismar. Vgl. ebd., S. 5–11. Zum Prozess der Eingemeindung vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 684, 765, 766, 849/1, 4080, 4081, 4248, 4259, 4261, 4270, 4272, 4279, 4974, 5322, 5753, 6112, 6177, 6557, 6559 und Nr. 6765. Für die Ausdehnung des Stadtbezirks Schwerin vgl. auch Kasten: Eingemeindung. 108 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. Anders als die Eigentümer ritterschaftlicher Güter waren die Inhaber eines Pachthofs jedoch „nicht rechtsfähig“, d. h. nicht selbständige Träger von Rechten und Pflichten, sondern lediglich, ohne staatliche Beamte zu sein, ausführende Organe der landesherrlichen Kommunalverwaltung. Sie konnten jederzeit abberufen und durch einen Vertreter ersetzt werden. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Schlesinger, Erich: Zusammenstellung der ländlichen Gemeinden und Siedlungen des Landes, 12. Dez. 1918. Vgl. auch Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 12 und S. 19. 109 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919.
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In der Dorfgemeinde hingegen bestanden zwei politische Gremien: der Gemeindevorstand und die Dorfversammlung. Die „Leitung und Beaufsichtigung des Gemeindewesens sowie die Ausführung aller Geschäfte der Gemeindeverwaltung“ wurden hier einem „vom Landesherrn auf Lebenszeit, wiewohl unter Vorbehalt halbjähriger Kündigung frei ernannt[en]“ Schulzen übertragen.110 Ihm zur Seite standen einige – meist zwei – Schöffen. Durch den Gemeindevorstand unter „Berücksichtigung der vorhandenen Hauptklassen des Grundbesitzes“ aus dem Kreis der „im Gemeindebezirk selbständig wohnhaften Gemeindeangehörigen“ gewählt, mussten sie vom zuständigen Domanialamt bestätigt werden.111 Zur Übernahme des auf sechs Jahre festgesetzten Schöffenamtes bestand eine allgemeine Pflicht. Staatliche und kirchliche Beamte, ehemalige Schöffen sowie Personen, die körperlich beeinträchtigt oder über 60 Jahre alt waren, sprach die Gemeindeordnung jedoch frei.112 Der Gemeindevorstand, der die Gemeinde nach innen und außen vertrat, entschied mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit war das Votum des Schulzen ausschlaggebend.113 Kontrolliert wurde das Gremium durch die Dorfversammlung, in der, einem lokal unterschiedlichen Modus entsprechend, die Eigentümer der zum Gemeindebezirk gehörigen Grundstücke saßen. In der Regel war „jeder Besitzer einer Erb- oder Zeitpachthufe [...] und eines ähnlichen oder größeren Grundstückes“ persönlich vertreten, die Büdner und Häusler hingegen entweder nur durch Abteilungen, die nach bestimmten Fristen wechselten, oder Beauftragte, die unter Leitung des Schulzen aus ihrer Mitte gewählt wurden.114 Neben den Grundbesitzern gehörten der Dorfversammlung der Gemeindevorstand und mit beratender Stimme die im 110 Ebd. An anderer Stelle der Denkschrift heißt es, die Schulzen seien „von der Dorfversammlung auf Lebenszeit gewählt“ und nur „in einigen Gemeinden vom Landesherrn zu bestätigen“. Ebd. Eine entsprechende rechtliche Bestimmung konnte jedoch nicht ermittelt werden. Zur Ernennung der Schulzen vgl. auch Bierstedt: Amtsführung, S. 5–7. 111 Bierstedt: Amtsführung, S. 5–7. Im Anschluss an die Konstituierung der Gemeinde wurden die Schöffen allerdings „frei“ durch das Domanialamt ernannt. Erst bei Erledigung einer so besetzten Schöffenstelle hatten die bleibenden Mitglieder des Gemeindevorstands das Recht, dem Domanialamt einen Kandidaten zu präsentieren. Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 80. Zur Bestätigung der Schöffen vgl. auch Bierstedt: Amtsführung, S. 8–9. Die sich bei Schlesinger ebenfalls findende Behauptung, die Schöffen seien „von der Dorfversammlung gewählt“, lässt sich als Rechtsnorm nicht nachweisen. Für das Zitat vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. 112 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 80–81. Bei Schlesinger heißt es, die Schöffen würden „auf Lebenszeit oder für einen bestimmten Zeitabschnitt“ gewählt. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. 113 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 82–86. 114 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. Vgl. auch Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 86–92. In den Fleckengemeinden hingegen wurden die Vertreter der Dorfversammlung nach „einer bestimmten Anzahl klassenweise“, d. h. nach Steuer- bzw. Grundbesitzklassen, gewählt. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919.
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Gemeindebezirk wohnhaften staatlichen und kirchlichen Beamten an.115 Auf Anordnung des Gemeindevorstandes zusammentretend, hatte die Dorfversammlung u. a. über die Schaffung „verbindlicher Ordnungen“, den Verkauf und Ankauf von Grundstücken, die Änderungen des Gemeindebezirks und der Abgabenordnung sowie über die Errichtung oder „erhebliche Reparaturen“ kommunaler Gebäude zu entscheiden.116 Wie im Gemeindevorstand wurde auch in der Dorfversammlung mit einfacher Mehrheit entschieden. Personen, deren Grundstück „die übrigen an wirtschaftlicher Bedeutung“ überragte, konnten jedoch mehr als eine Stimme haben.117 Die kombinierten Hof- und Dorfgemeinden waren verfassungs- und verwaltungsrechtlich ähnlich wie die Dorfgemeinden strukturiert, allerdings bestand hier eine Ausnahme, die es erlaubte, „dem Zeit- oder Erbpächter des Hofes das Schulzenamt dauernd“ zu übertragen. Möglich war zudem, „ihm, wie einem Dorfschulzen, die polizeilichen Geschäfte eines Ortsvorstehers für seine Hoffeldmark“ zuzuweisen,118 wodurch er nicht nur an Unabhängigkeit gegenüber der Dorfgemeinde gewann, sondern automatisch auch Mitglied des Gemeindevorstands wurde.119 5.3.2 Erste demokratische Wahlen zu den Gemeindevertretungen 5.3.2.1 Vorbereitung und Diskussion Wenige Wochen nach Durchführung der ersten demokratischen Wahlen zu den Bürgerausschüssen der Städte entschloss sich die Regierung, in den Gemeinden des Domaniums demokratische Wahlen durchführen zu lassen. Ausgenommen bleiben sollten jedoch die Hofgemeinden, da hier, wie oben erwähnt, keine Gemeindevertretungen bestanden und eine „grundlegende Änderung der Gemeindeverwaltung im Domanium“, die auf Grundlage der zu schaffenden Landgemeindeordnung erfolgte, dem verfassunggebenden Landtag vorbehalten bleiben sollte. In den Flecken-, Dorfund kombinierten Dorf- und Hofgemeinden hingegen hatten die Gemeindevertretungen „mit dem 10. Januar 1919 außer Wirksamkeit“ zu treten. Dass die Entscheidung, anders als noch bei den Bürgerschaftswahlen, nicht nur die Dorfversammlung, sondern auch den Gemeindevorstand aufzulösen, im Volksministerium nicht unumstritten war, zeigt die wiederholte Bearbeitung der Vorlage. So war zunächst nur eine Neu115 Als Repräsentanten des Staates und der Kirche nahmen die großherzoglichen Forstbeamten, ein Lehrer sowie der Pastor und der Küster an den Sitzungen der Dorfversammlung teil. Ausdrücklich ausgeschlossen waren Frauen sowie unter Pflegschaft stehende oder „wegen einer entehrenden Strafe“ rechtskräftig verurteilte Personen; ferner solche, „denen durch vom Amt bestätigten Dorfbeschluss das Recht der Teilnahme an der Dorfversammlung entzogen“ worden war. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. 116 Ebd. Vgl. auch Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 92–95. 117 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich:] Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919. Der Besitz „mehrerer Stellen und das Zusammentreffen verschiedener Berechtigungsgründe in einer Person“ begründeten hingegen „kein mehrfaches Stimmrecht“. Ebd. 118 Ebd. 119 Vgl. Bierstedt: Amtsführung, S. 26–27.
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wahl der Dorfversammlung vorgesehen, von der allerdings die Mitglieder des Gemeindevorstands ausgenommen waren. Erst später wurde eingefügt, dass auch sie zurückzutreten, als Gemeindevorstand jedoch „bis auf weiteres in ihrem Amte“ zu bleiben hatten. Dieser letzte Passus verschwand dann in einer dritten Überarbeitung. 120 Durch die sich in den Korrekturen dokumentierende Diskussion verschob sich schließlich die Herausgabe der Verordnung, so dass die Auflösung von Dorfversammlung und Gemeindevorstand auf den 23. Februar 1919 verschoben werden musste.121 Anders als bei den Bürgerausschusswahlen wurde für die Wahlen zu den Gemeindevertretungen keine einheitliche Wahlordnung erlassen, sondern den Domanialämtern lediglich die damals erarbeitete Bestimmung als Muster übersandt. Sich hieran orientierend, hatten die leitenden Beamten Satzungen herauszugeben, die „Abweichungen [...], welche mit Rücksicht auf einfachere ländliche Verhältnisse praktisch erscheinen“, enthalten konnten. Änderungen „grundsätzliche[r] Einzelheiten“ waren jedoch nicht gestattet. Anschließend sollten die Vorstände der betreffenden Gemeinden zu einer Besprechung geladen und „über das Wahlverfahren und die sonst er forderlichen Maßnahmen“ unterrichtet werden.122 Insbesondere, so forderte das Ministerium des Innern, hatten ihnen die leitenden Beamten „an Rechenbeispielen tunlichst auf Wandtafeln oder dergl. die Ausrechnung des Wahlergebnisses, d. h. die Verteilung der Mandate, ausreichend klar“ zu machen.123 Nur wenige Tage später, am 30. Januar 1919, fand im Domanialamt Toiten winkel eine Versammlung statt, auf der den Schulzen „an Hand einer vom Amte entworfenen Berechnung [...] die Unterverteilung der Stimmen bei verbundener und nichtverbundener Liste des Näheren erörtert“ und die Zahl der Mandate für die Dorfversammlungen festgelegt wurde. Gleichzeitig nutzten die Gemeindevorstände die Gelegenheit, um Bedenken zu äußern und Wünsche zu formulieren. So regte etwa der Schulze der Gemeinde Gehlsdorf an, die Zeit der Abstimmung um zwei Stunden, von 16 auf 18 Uhr auszudehnen.124 Tatsächlich wurde die Entscheidung wenig später durch das Ministerium des Innern den einzelnen Gemeinden übertragen.125 Diskutiert wurde im Domanialamt Toitenwinkel zudem, ob die sogenannten 120 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Entwurf einer Verordnung zur Durchführung von Gemeindewahlen im Domanium, Dezember 1918/Januar 1919. 121 Vgl. Verordnung vom 11. Januar 1919, betreffend Wahlen von Schulzen und Gemeindekörperschaften in den Dorfsgemeinden und den zu einer Gemeinde verbundenen Höfen und Dorfschaften im Domanium sowie von Ortsvorstehern und Gemeindekörperschaften in den Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 8, 11. Jan. 1919, S. 37–38. Vgl. auch Verordnung vom 17. Januar 1919, betreffend das Wahlverfahren zu den Dorfsversammlungen der Dorfsgemeinden und der zu einer Gemeinde verbundenen Höfe und Dorfschaften im Domanium sowie zu den Gemeindeversammlungen der Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 16, 22. Jan. 1919, S. 77–86. 122 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Entwurf einer Verordnung zur Durchführung von Gemeindewahlen im Domanium, Dezember 1918/Januar 1919. 123 Ebd.: MdI an DA, 23. Jan. 1919. 124 Ebd.: Protokoll Amtsversammlung DA Toitenwinkel, 30. Jan. 1919. Dieser Vorschlag kam ebenfalls aus der Fleckengemeinde Zarrentin. Vgl. ebd.: Lemcke an MdI, 29. Jan. und 14. Feb. 1919. Vgl. auch ebd.: DDP-Ortsgruppe Zarrentin an MdI, 5. Feb. 1919. 125 Vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, Februar 1919.
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Nebenschulzen, die, vom Amt ernannt, in den einzelnen Ortsteilen einer Gemeinde die Obrigkeit vertraten und Mitglieder des Gemeindevorstandes waren, ebenfalls zurücktreten mussten oder nicht.126 In der Verordnung vom 11. Januar 1919 hieß es lediglich, dass eine Bestellung von Nebenschulzen nicht erfolge.127 Das Ministerium des Innern stellte es jedoch auch hier ins Ermessen der einzelnen Gemeinden und bestimmte, der ursprünglichen Fassung widersprechend, dass „der für die Gesamtgemeinde gewählte neue Schulze [...] für die Ortschaften seines Gemeindebezirkes [...] Beauftragte bestellen“ könne.128 Mit dieser Entscheidung lehnte das Ministerium des Innern zugleich den Vorschlag des zweiten leitenden Beamten des Domanialamtes Bützow, Otto Suhm, den Nebenschulzen künftig durch die Gemeindeversammlung wählen zu lassen, ab.129 Während der parlamentarischen Debatte der Landgemeindeordnung indes wurde die Anregung Suhms noch einmal aufgenommen.130 Die dabei diskutierte Frage, ob und wie die Dorfversammlung die einzelnen Ortsteile der Gemeinde zu repräsentieren habe, lag auch dem Einwand des leitenden Beamten des Domanialamtes Wismar, Walter Studemund, zu Grunde. Aus seiner Sicht war die „unmittelbare Anwendung“ der Verordnung vom 11. Januar, insbesondere mit Blick auf die Insel Poel, „sehr bedenklich“, da auf diese Weise eine „große Anzahl“ der dortigen Ortschaften nicht im Gemeinde-Vorstand vertreten wäre. Sein Vorschlag, jedem Ort eine bestimmte Anzahl von Mandaten zuzuteilen und „Wahlen [...] innerhalb der einzelnen Bezirke“ durchzuführen,131 blieb jedoch unberücksichtigt.132 In Pustohl, einem Ortsteil der Gemeinde Rühn im Domanialamt Bützow, wählten die Einwohner aufgrund ähnlicher Bedenken kurzerhand einen eigenen Schulzen. Das Ministerium des Innern setzte diesen jedoch sofort wieder ab.133 126 Vgl. ebd.: Protokoll Amtsversammlung DA Toitenwinkel, 30. Jan. 1919. Im Domanialamt Toitenwinkel betraf dies drei Gemeinden. Vgl. ebd. 127 Vgl. Verordnung vom 11. Januar 1919, betreffend Wahlen von Schulzen und Gemeindekörperschaften in den Dorfsgemeinden und den zu einer Gemeinde verbundenen Höfen und Dorfschaften im Domanium sowie von Ortsvorstehern und Gemeindekörperschaften in den Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 8, 11. Jan. 1919, S. 37–38, hier S. 38, Art. 3, Abs. 2. 128 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an DA Toitenwinkel, 10. Feb. 1919. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Gemeindevorstand Alt Meteln, 10. Feb. 1919. Eine entsprechende Änderung der Verordnung erfolgte allerdings nicht. Rechtskräftig wurde die Entscheidung erst mit Erlass der Landgemeindeordnung am 20. Mai 1920. Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 27–28, § 22. 129 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an Suhm, 1. Aug. 1919. Suhm hatte seinen Vorschlag mit der „Neigung der ländlichen Bevölkerung, auch in rein sachlichen Massnahmen autoritativer Persönlichkeiten persönliche Rücksichten und parteiische Stellungnahme zu erblicken“, begründet und davor gewarnt, dass „wenn man dem Schulzen die Auswahl seines Vertreters überlässt, Unzuträglichkeiten und Streitigkeiten nicht ausbleiben“ würden. Hinzu käme, sollte „der vom Schulzen erteilte Auftrag jederzeit widerruflich sein, [...] sehr leicht der Fall eintreten“ könne, das „öfter ein Wechsel in der Person des Beauftragten“ eintrete, der dann zu „schwierigen Auseinandersetzungen“ über die Nutzung der als „Nebenschulzenkompetenzen“ bezeichneten Ländereien, aus denen dieser sein Gehalt erhielt bzw. selbst erwirtschaftete, führe. Ebd.: Suhm an MdI, 7. Juli 1919. 130 Vgl. Kap. 6.2, S. 192–193. 131 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Studemund an MdI, 3. Feb. 1919. 132 Vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, 9. Feb. 1919. 133 Vgl. ebd.: Einwohner Pustohl an MdI, 19. April 1919.
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Für Unklarheiten sorgte ferner die Bestimmung, die Zahl der Mandate der neuen Dorfversammlung habe der der „alten [...] unter Einschluß der Mitglieder des Gemeindevorstandes“ zu entsprechen.134 Strittig war dabei, ob die „nur zum Erscheinen Berechtigten z. B. Lehrer, Pastoren, Förster und dergl.“ zum Gemeindevorstand zu zählen und damit zu berücksichtigen seien. Aus Sicht des leitenden Beamten des Domanialamtes Boizenburg, Adolf Wildfang, sollten sie nicht mitgezählt werden, sondern „in bisheriger Weise“ an den Sitzungen und darüber hinaus auch an der Wahl des Schulzen teilnehmen.135 Das Ministerium des Innern wies diesen Vorstoß zurück und erklärte in einem Runderlass, dass die Staats- und Kirchenbeamten als Mitglieder des alten Gemeindevorstands zu gelten und sich die Zahl der Mandate entsprechend zu erhöhen habe.136 Knapp zwei Wochen später erfolgte jedoch eine Einschränkung, die allerdings nur die Fleckengemeinden betraf. Hier waren lediglich die „beiden Ortsvorsteher“, nicht aber der Obervorsteher zur Berechnung der Mandate heranzuziehen. Der Grund dafür lag in einer Änderung der Verordnung vom 11. Januar, die die dort noch vorgesehene Neuwahl des Obervorstehers zurücknahm.137 Einen ganz praktischen Einwand brachten die Schulzen des Domanialamtes Boizenburg vor. Sie kritisierten, dass sowohl die Art und Weise der Bekanntmachung der Wahl als auch die Einhaltung der Fristen „schwerlich möglich“ sei, da sie eilweise noch die „Wahlabschlüsse [...] für Nationalversammlung“ und Landtag sowie die „Erhebung der Personenstandsaufnahme“ abzuschließen hatten.138 Das Ministerium des Innern nahm diese Bedenken ernst und genehmigte statt der öffentlichen die „ortsübliche“ Bekanntmachung; die gesetzten Fristen allerdings mussten eingehalten werden.139 Die „Kürze der Zeit“, die zur Vorbereitung der Wahl blieb, beschäftigte auch die Schulzen des Domanialamtes Wittenburg. Schwierigkeiten bei der „Beschaffung der Wahlumschläge“ fürchtend, schlugen sie vor, die „von den Wahlen zur Nationalversammlung und [zum] Landtag übrig gebliebenen Wahlumschläge“ verwenden zu dürfen.140 Um den Aufwand zu minimieren, regten die leitenden Beamten der Domanialämter Doberan und Wittenburg schließlich an, in Gemeinden, in denen nur ein Wahlvorschlag 134 Verordnung vom 11. Januar 1919, betreffend Wahlen von Schulzen und Gemeindekörperschaften in den Dorfsgemeinden und den zu einer Gemeinde verbundenen Höfen und Dorfschaften im Domanium sowie von Ortsvorstehern und Gemeindekörperschaften in den Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 8, 11. Jan. 1919, S. 37–38, hier S. 38, Art. 2, Abs. 2. 135 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Wildfang an MdI, 29. Jan. 1919. 136 Ebd.: MdI an DA, 31. Jan. 1919. 137 Verordnung vom 8. Februar 1919, betreffend Abänderung der Verordnung vom 11. Januar 1919 über Wahl von Schulzen und Gemeindekörperschaften usw. (Rbl. Nr. 8) sowie der Verordnung vom 17. Januar 1919 über das Wahlverfahren zu den Dorfsversammlungen usw. (Rbl. Nr. 16), in: Rbl. Nr. 30, 11. Feb. 1919, S. 153–154, hier S. 153. Vgl. dazu auch Kap. 5.3.2.2. 138 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Wildfang an MdI, 29. Jan. 1919. 139 Ebd.: MdI an DA, 31. Jan. 1919. 140 Ebd.: Lemcke an MdI, 29. Jan. 1919. Als „selbstverständlich“ galt ihnen, dass auf den Umschlägen „neben den vorhandenen Stempel der Gemeindestempel“ gesetzt werden müsse und „in derselben Gemeinde nicht Umschläge verschiedener Beschaffenheit verwendet“ werden dürfen. Ebd. Eine Antwort des Ministeriums ließ sich nicht ermitteln.
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eingereicht werde, keine Wahl durchzuführen.141 Dieser Gedanke, der 1927 in die Wahlordnung für die Wahl der Gemeindevertreter aufgenommen werden sollte,142 fand 1919 keine Zustimmung. Genehmigt wurde lediglich die Bitte, in kleineren Gemeinden die Wahlhandlung, sobald „sämtliche Stimmen abgegeben“ worden waren, auch vor Ablauf der in der Wahlordnung festgesetzten Zeit schließen zu dürfen.143 Neben den Unklarheiten und praktischen Einwänden sorgte die Verordnung zur Durchführung demokratischer Wahlen jedoch auch, so der Bericht des leitenden Beamten des Domanialamtes Warin, Hermann Burchard, für „außerordentlich große Bedenken und Befürchtungen“. So wurde etwa kritisiert, dass das Volksministerium, seine Rolle als Wegbereiter der Demokratie verlassend, diese „derartig einschneiden de[n] Maßnahmen“ angeordnet und sie nicht dem verfassunggebenden Landtag überlassen habe. Noch schwerer wog indes, dass die auf Lebenszeit ernannten Schulzen mit dem Erlass der Verordnung kurzerhand entlassen worden waren. Den, so Burchard, „alten verdienten Beamten“, die während des „Krieges unter den müheseligsten Verhältnissen ihres schweren und undankbaren Amtes im Interesse des deutschen Vaterlandes gewaltet“ hätten, müsse dies wie ein „Fußtritt“ erscheinen. Hinzu kam, dass in einer Zeit, „wo die Ernährungslage eine so überaus ernste“ sei, eine Neubesetzung des u. a. auch mit der Umsetzung von Ablieferungs- und Verteilungsmaßnahmen beauftragten Gemeindevorstands große Probleme mit sich bringen werde. Zum einen weil es unklar sei, ob sich „in der heutigen Zeit, wo an die Arbeitskraft der Schulzen die denkbar größten Anforderungen gestellt werden, sich überhaupt Jemand zur Annahme der Wahl bereit“ fände, zum anderen die gewählten erst eingearbeitet werden müssten. Burchard bat aus diesem Grunde die Schulzen solange im Amt zu belassen, „bis die Ernährungsschwierigkeiten behoben“ wären.144 Der leitende Kommunalbeamte vertrat damit eine Position, auf die sich am 14. Januar 1919 die Vorsitzenden der Kreisbehörden für Volksernährung, zu denen auch Burchard zählte,145 geeinigt hatten. In einem Schreiben an das Ministerium des Innern lobten sie die Arbeit der Schulzen, die „den Behörden treu zur Seite gestanden [...] und [...] sich im allgemeinen bei der Durchführung der Ernährungsvorschriften hervorragend bewährt“ hätten und warnten vor einer Neubesetzung des Amtes mit aus freien Wahlen hervorgegangenen Personen, die insbesondere „für die Durchführung der Ablieferungen katastrophal[e]“ Folgen haben würde.146 Der zuständige Ministerialbeamte 141 Ebd.: Lemcke an MdI, 14. Feb. 1919; ebd.: Von Oertzen an MdI, 7. Feb. 1919. 142 Vgl. Kap. 6.4.1, S. 237–239. 143 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Aktennotiz MdI, Februar 1919. 144 Ebd.: Burchard an MdI, 17. Jan. 1919. 145 Vgl. Staatskalender, 1918, S. 566. 146 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Landesbehörde für Volksernährung an MdI, 15. Jan. 1919. Vgl. dazu auch ebd.: Landesbehörde für Volksernährung an MdI, 24. Jan. 1919. Dort heißt es, durch die „neuen uneingearbeiteten und vielleicht auch völlig unfähigen, ihre Stellung nur der schwankenden Volksgunst verdankenden Schulzen“ käme es zu einer „Beeinträchtigung“ bei der „restlosen“ Erfassung der beschlagnahmten Lebensmittel. Vgl. auch Mecklenburg-Schwerins neue Staatsform, in: RoA, 13. Feb. 1919; MN, 15. Jan. 1919. Zu den in der Landgemeindeordnung von 1869 enthaltenen qualifizierenden Merkmalen für das Schulzenamt vgl. Baller: GemeindeOrdnung, S. 12; Bierstedt: Amtsführung, S. 6.
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im Ministerium des Innern, Franz Hilmar Waechter, folgte der Argumentation und setzte sich „im Interesse der unter den obwaltenden Verhältnissen dringend erforderlichen Sicherung der [...] Volksernährung“ beim Staatsministerium für eine Aussetzung der Verordnung ein.147 Für das Staatsministerium hingegen waren die geäußerten „Bedenken [...] nicht [...] zutreffend“. Man ging davon aus, dass entweder die „tüchtige[n] Schulzen und Obervorsteher wiedergewählt“ oder „geeignete Persönlichkeiten“ das Amt übernehmen und durch ihre Vorgänger „ausreichend“ eingeführt werden würden. Zudem hinge die „Sicherung der Ablieferung“ nicht nur von den Schulzen ab, sondern sei auch durch die „Tätigkeit der Bauern- und Landarbeiterräte zu erwarten“.148 Dass gerade dies jedoch nicht der Fall war, konnte bereits gezeigt werden, allerdings erfuhren die Behörden für Volksernährung bekanntlich die Unterstützung der Arbeiter- und Soldatenräte, so dass das Vertrauen des Staatsministeriums nicht unberechtigt war.149 Die Annahme der Regierung, durch eine Aussetzung der Wahlen würden politische Streiks, Boykotte oder Revolten ausbrechen, die zu einer weit größeren „Beeinträchtigung der Produktion führen“ würden,150 erscheint indes unbegründet. Sie überschätzt das Streben nach politischer Partizipation der domanialen Bevölkerung, von der nur ein relativ kleiner Teil, in erster Linie die Landlosen und Frauen, ausgeschlossen war. Grundlage der Beurteilung der Situation durch das Staatsministerium, so scheint es, bildete die Entwicklung in den Städten, wo, wie gezeigt, eine Radikalisierung drohte, die durch die Durchführung von Wahlen verhindert werden konnte.151 Nach Ansicht der Landesbehörde für Volksernährung beruhte die Einschätzung der Regierung auf „völlig irrigen Voraussetzungen“. Vor allem bezweifelte sie die Wiederwahl in der Verwaltung bewährter Schulzen, da sich „gerade die ernergischsten und tüchtigsten [...] der Volksgunst nicht erfreu[t]en“. Statt auf „die Brauch barkeit als Schulze, auf Schreibgewandtheit, auf Fähigkeit zu Buch-, Listen- und Kassenführung, auf Energie und Charakterfestigkeit“ zu achten, würden die Einwohner schlicht eine ihnen „bequemer[e]“ Person wählen, die die „von der Mehrheit gewünschte politische Gesinnung“ habe.152 Hoffnung, dass diese durch ihren Vorgänger, der seine Absetzung als „schreienden Undank“ empfände, eingearbeitet werden würden, hatte die Landesbehörde ebenfalls nicht. Das Hauptargument der Regierung schließlich, die Durchführung von Wahlen sei „von vielen Gemeinden dringend erwünscht“ und ihre Rücknahme, nicht die Abhaltung, löse eine Ernährungskrise aus, entkräftete sie mit dem Hinweis, dass lediglich „kleine und kleinste Produzenten – Häusler und Arbeiter“ an Wahlen interessiert seien, sie aber „für die 147 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Aktennotiz Waechter, 15. Jan. 1919. 148 Ebd.: StM an Landesbehörde für Volksernährung, 17. Jan. 1919. 149 Vgl. Kap. 2.4.2, S. 70–71. 150 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: StM an Landesbehörde für Volksernährung, 17. Jan. 1919. 151 Vgl. dazu Kap. 3.3. 152 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Landesbehörde für Volksernährung an MdI, 24. Jan. 1919. Vgl. dazu auch Giese: Schulzenfrage. Dort heißt es, die Schulzen hätten sich „durch die Durch führung der Ablieferungs-Anordnungen viele Feinde unter den weniger einsichtigen Leuten“ geschaffen. Vgl. auch MN, 12. Feb. 1919.
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Ablieferung von Nahrungsprodukten [...] nicht oder doch nur im geringsten Maße in Betracht“ kämen.153 Ungeachtet der vielen Einwände hielt die Regierung an ihrer Position fest und löste damit den ersten politischen Streik gegen den sich konstituierenden neuen Staat aus. 5.3.2.2 Der Schulzenprotest Anders als in den Städten wurden bei den Wahlen im Domanium, wie erwähnt, nicht nur die Kommunalparlamente, sondern auch der Gemeindevorstand gewählt. Der Grund dafür, dass man in den Städten die Magistrate bis zur Einführung der Städteordnung im Juli 1919 im Amt beließ, die Ortsobrigkeiten im Domanium hingegen vor Einführung einer Kommunalverfassung absetzte, lag wohl zum einen in der den Bürgerausschüssen im Dezember 1918 noch zugesprochenen Funktion, Konstituante der jeweiligen Stadt zu sein,154 zum anderen in der Stellung der Schulzen, die im Gegensatz zu den Magistraten landesherrliche Beamte waren. Eine Absetzung der politischen Elite erschien vor diesem Hintergrund legitim und wenig problematisch. Tatsächlich führte die Entlassung der lebenslänglich angestellten Schulzen jedoch zu einer Protestwelle, die die Regierung zwar nicht zu stürzen, aber zu Zugeständnissen zu zwingen vermochte. Waren vor Erlass der Verordnung vom 11. Januar 1919, so die Einschätzung des 1893 gegründeten Landesschulzenvereins,155 noch die meisten Gemeindevorsteher bereit, an der Einführung demokratischer Verhältnisse mitzuwirken und in den „wohlverdiente[n] Ruhe[stand]“ einzutreten, änderte sich dies mit ihrer Bekanntgabe. Nur wenige Tage später, am 19. Januar 1919, protestierte der Vorstand des Berufsverbands in einem Schreiben an das Ministerium des Innern gegen die Bestimmung, die die Schulzen, „mit einem Fußtritt entfern[e]“, obwohl diese „auch unter der jetzigen Regierung ihre Arbeitskraft bei täglich verstärktem Anfordern zur Verfügung gestellt“ und eine solche Behandlung „wahrlich nicht verdient“ hätten. Kritisiert wurde insbesondere, dass die Kündigung, das bestehende Recht „in unerhörter Weise“ brechend, zum 23. Februar ausgesprochen worden war.156 Aufgrund des quasi feudalen Besoldungssystems – den Schulzen wurde zur Entschädigung ihres Arbeitsaufwands ein Stück Land, seltener die Erträge direkt von diesem und nur in bestimmten Fällen Bargeld überwiesen – sah die revidierte Gemeindeordnung von 1869 eine Entlassung nur zu Johannis oder Michaelis, also im Juni oder September vor, wenn „eine gerechte Verteilung der Früchte“ und sonstiger landwirtschaftlicher
153 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Landesbehörde für Volksernährung an MdI, 24. Jan. 1919. 154 Vgl. Kap. 3.3, S. 82. 155 Für das Gründungsdatum vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdF, Abt. D. u. F. an Großherzog, 9. Feb. 1918. 156 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Vorstand Landesschulzenverein an MdI, 19. Jan. 1919. Vgl. auch Verordnung vom 11. Januar 1919, betreffend Wahlen von Schulzen und Gemeindekörperschaften in den Dorfsgemeinden und den zu einer Gemeinde verbundenen Höfen und Dorfschaften im Domanium sowie von Ortsvorstehern und Gemeindekörperschaften in den Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 8, 11. Jan. 1919, S. 37–38, hier S. 38.
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Produkte möglich war.157 Durch die im Frühjahr vorgesehene Kündigung indes drohten den Schulzen, da eine Entschädigung für die eingebrachte Saat und die noch vorhandenen Vorräte ausgeschlossen worden war,158 erhebliche finanzielle Verluste. Für die Gemeindevorsteher war die durch den Landesschulzenverein sowohl in juristischer als auch moralischer Hinsicht als „rücksichtslos“ bezeichnete Regierungsverordnung ein „Schlag ins Gesicht“, der, wolle man sich „nicht jeden Ehrgefühls bar erklären“, eine Reaktion erfordere. Zunächst entschied man sich für eine Protestnote, in der gefordert wurde, die „unglückliche Verfügung [...] schnellstens“ aufzuheben und die Einführung einer neuen Gemeindeordnung dem verfassunggebenden Landtag zu überlassen. Die in dem Schreiben enthaltene Warnung, andernfalls würde „der ganze Verwaltungsapparat [...] stocken, die Volksernährung [...] gefährdet, u. Zucht u. Ordnung [...] leiden“,159 sollte wenig später als Drohung formuliert werden. Unterstützt in ihrer Kritik wurden die Schulzen zum einen durch die Vorsitzenden der Behörden für Volksernährung, zum anderen von den mittleren Domanialbeamten, die „vom ältesten bis zum jüngsten ausnahmslos Widerspruch“ gegen die Verordnung einlegten. Die um die leitenden Beamten der Domanialämter Crivitz, Güstrow, Lübz, Schwerin und Toitenwinkel entstandene Initiative kritisierte, ebenso wie der Landesschulzenverein, dass hier „Macht vor Recht“ gehe und forderte eine Aufhebung der als „Gewaltmaßnahme“ charakterisierten Verordnung, die nicht nur „bei allen Beamten“, sondern „überhaupt bei allen rechtlich denkenden Menschen die alleräußerste Erbitterung und die Überzeugung gänzlicher Rechtlosigkeit“ hervorrufe. Anders als der Landesschulzenverein zeigten sich die leitenden Domanial beamten jedoch kompromissbereit. Sie schlugen vor, die Schulzen entweder, wie in Bezug auf die Magistrate geplant, erst mit Einführung der Landgemeindeordnung abzusetzen, da dann ohnehin „viele von ihnen“ freiwillig abtreten würden, um einer „skrupellos und in wilder Agitation“ geführten Wahl zu entgehen, oder den Termin der Kündigung auf Michaelis 1919 festzulegen. Auf diese Weise müsste, worauf man andernfalls bestünde, um den Schulzen die Möglichkeit zu geben, sich „wirtschaft157 Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 12–14; Bierstedt: Amtsführung, S. 13–18. Zur monetären Besoldung der Schulzen vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Berechnung über das Diensteinkommen der Schulzen, zw. 1900 und 1905. Demnach erhielten die Schulzen in Gemeinden mit bis zu 100 Einwohnern 100 Mark. Für jeden weiteren Einwohner wurden zusätzlich 50 Pfennig gezahlt. 1905 wurde die Vergütung der Schulzen in Gemeinden mit über 100 Einwohnern erhöht. Fortan erhielten sie 100 Mark für die ersten 100 Einwohner und je 50 Mark pro weitere 100. Generell hatten die Schulzen Anspruch auf eine Entschädigung der Reisekosten in Höhe von 30 bis 90 Mark. Vgl. ebd.: Rundschreiben MdF, Abt. D. u. F.: Diensteinkommen der Schulzen an Großherzogliche Ämter, 22. Nov. 1905. Für das Zitat vgl. MN, 26. Jan. 1919. Vgl. dazu auch RZ, 23. Jan. 1919. 158 Vgl. Verordnung vom 11. Januar 1919, betreffend Wahlen von Schulzen und Gemeindekörperschaften in den Dorfsgemeinden und den zu einer Gemeinde verbundenen Höfen und Dorfschaften im Domanium sowie von Ortsvorstehern und Gemeindekörperschaften in den Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 8, 11. Jan. 1919, S. 37–38, hier S. 38. Dort heißt es: „Etwaige zivilrechtliche Ansprüche der bisherigen nicht wieder gewählten Obervorsteher und Schulzen gegen die Landesverwaltung und die Gemeinden werden aufgehoben.“ 159 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Vorstand Landesschulzenverein an MdI, 19. Jan. 1919.
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lich ein[zu]richten“, für Saat und Ernte keine Entschädigung gezahlt werden. Diese exakt zu berechnen wäre dadurch, dass momentan alle Erträge der Schulzendienstländereien, „das ungedroschene Korn, Heu, Stroh, Kartoffeln usw.“, eingelagert und mit denen der privaten Besitzstellen des Amtsinhabers „vermischt“ seien, ohnehin unmöglich. Mit diesem „Notantrag“, so stellten die Domanialbeamten ausdrücklich fest, sollte jedoch keineswegs die Rechtswirksamkeit der Kündigung anerkannt werden.160 Ob juristische Schritte, wie bekanntlich seitens einiger Magistrate geplant, unternommen werden würden, ließen sie offen. Ein breites Echo fand die Schulzenfrage auch in der Presse. Insbesondere die konservativen Blätter nutzten die Auseinandersetzung zwischen der Regierung und ihren Beamten, um die provisorische Regierung und den sich konstituierenden neuen Staat zu desavouieren. So hieß es etwa in den „Mecklenburger Nachrichten“: „Was hat man früher gescholten über die ‚absolute‘ Regierung im Domanium und was tut die jetzige Regierung? Sie regiert noch viel absoluter und entläßt mit einem Federstrich viele altgediente und in Jahren emsiger Arbeit ergraute Schulzen.“161 Ferner wurde hervorgehoben, dass, anders als angekündigt, mit der Verordnung vom 11. Januar keine einheitliche Verwaltung, sondern „für das Domanium [nur] wieder andere Verhältnisse“ geschaffen worden waren.162 Die „Mecklenburger Warte“ hingegen kritisierte, dass sich die Regierung mit der Verordnung vom 11. Januar eines „Wort- und Rechtsbruches schuldig gemacht“ habe. Anders als die Domanialbeamten beanstandete sie jedoch nicht die Miss achtung der Kündigungsfrist, sondern die hier erfolgte Rücknahme der „alle[n] Beamte[n] des Staates und der Gemeinden“ am 13. November 1918 gegebenen Garantie, auch unter der neuen Regierung im Amt zu bleiben.163 Durch die Entlassung der Schulzen, die als Mittel zur Disziplinierung der gesamten Beamtenschaft gewertet wurde, sollten, so das Presseorgan der Völkischen Arbeitsgemeinschaft in der DNVP, „vollendete Tatsachen“ geschaffen und ein „Beispiel für spätere Einrichtungen“ gegeben werden.164 Die „Mecklenburger Nachrichten“ indes sahen den Grund für die „durchgreifende Umwälzung“ im Versuch der Regierung, „den politischen Gegner [...] zu schädigen“. Angesichts der „politischen Bearbeitung der Massen“, insbesondere der „nicht Angesessenen, nicht Besitzenden und nicht Gebildeten“, würde nämlich, so die Befürchtung, eine rasche Durchführung der Wahlen „der radikalen, also der sozialdemokratischen oder linksdemokratischen Richtung“
160 Ebd.: Bierstedt, von Blücher, Eichbaum, Havemann und Mau an MdI, 19. Jan. 1919. Ein Abdruck erfolgte in: LZM, 6. Feb. 1919; MN, 4. Feb. 1919. 161 MN, 17. Jan. 1919. Der dienstälteste Schulze Mecklenburg-Schwerins, L. Weitendorf, stand der Gemeinde Wendelstorf im Domanialamt Neubukow seit 60 Jahren vor. Vgl. RoA, 7. Mai 1919. Er gehörte damit zu den ersten in Mecklenburg-Schwerin ernannten Schulzen. Vgl. dazu Kap. 5.1, S. 104–105. 162 MN, 24. Jan. 1919. Vgl. auch MW, 24. Jan. 1919. 163 MW, 25. Jan. 1919. Für die erwähnte Verordnung vgl. Bekanntmachung vom 13. November 1918, betreffend die Beamten, in: Rbl. Nr. 198, 15. Nov. 1918, S. 1501. 164 MW, 24. Jan. 1919. Vgl. auch MW, 25. Jan. 1919.
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die Mehrheit bringen.165 Die konservative Presse beschränkte sich jedoch nicht auf Kommentare, sondern forderte unter dem Motto: „Beamte, laßt euch das nicht gefallen!“,166 ganz konkret dazu auf, „den Schulzenacker nicht zu räumen und schon eventuell vor dem Räumungstermin Feststellungsklage auf Fortdauer des Nutzungsrechts zu erheben“.167 Die „Mecklenburgische Volkszeitung“, das Organ der mecklenburgischen Sozialdemokratie, hingegen erblickte den eigentlichen Skandal in dem oben dokumentierten Versuch ihres politischen Gegners, den Protest der Schulzen „in aufreizender Weise auszuschlachten“. Aus ihrer Sicht würde die Rücknahme der in den Gemeinden „schon seit langem, und je länger umso stürmischer“ geforderten Wahlen ein „wüste[s] Durcheinander“ und eine „unbeschränkte Selbsthilfe“ provozieren.168 Das Problem der durch die kurzfristige Kündigung entstehenden finanziellen Verluste fand keinerlei Erwähnung. Wie die Resolutionen der Kommunalbeamten blieb auch die Diskussion in der Presse zunächst folgenlos. Nach wie vor hielt das Staatsministerium an der Annahme fest, die „Mehrzahl der Bewohner der ländlichen Gemeinden“ wolle „durchweg [...] die derzeitigen Schulzen durch Wahlschulzen ersetzt wissen“ und drängte dem Landesschulzenverein gegenüber auf eine „beschleunigte [...] Ausführung der Verordnung vom 11. Januar“. Im Entwurf des Schreibens erkannte das Staatsministerium „die Verdienste, welche sich die Schulzen in der Kriegszeit um die Volksernährung erworben haben, durchaus“ an. Möglicherweise aus Sorge, dieser Satz könne als Schwäche der Regierung gewertet werden, verschwand die Formulierung jedoch aus der endgültigen Fassung.169 Auf der in Güstrow tagenden Hauptversammlung des Berufsverbands sorgte dieses starre und durch die Auslassung wenig diplomatisch formulierte Festhalten an der Verordnung für heftige Empörung. Noch am selben Tag, dem 31. Januar 1919, erklärte der Vorstand des Landesschulzenvereins, dass die Beamten für den Fall, dass die Regierung die Forderung, die „wahlen zur dorfversammlung bis zum oktober d. j.“ auszusetzen, nicht erfülle, ihre „entlassung nicht abwarten sondern ihr amt bereits am 3 febr. in ehren niederlegen“ werden.170 Zu gleicher Stunde zeigte sich in Schwerin das Staatsministerium kompromissbereit. Die Einwände der mittleren Domanialbeamten aufnehmend, gab es diesen gegenüber bekannt, „daß den demnächst nicht wiedergewählten und somit aus ihrem Amte ausscheidenden Schulzen“, deren Leistungen für die Volksernährung im Übrigen ausdrücklich gewürdigt wurden, „die Nutzung ihrer Schulzenkompetenzen sowie der Bezug ihrer sonstigen festen Einnahmen aus dem Schulzenamt bis zum 1. Oktober d. Js. verblei165 MN, 17. Jan. 1919. Vgl. auch MN, 24. und 26. Jan. 1919; RZ, 23. Jan. 1919. 166 MW, 24. Jan. 1919. 167 Giese: Schulzenfrage. 168 MVZ, 25. Jan. 1919. 169 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an Vorstand Landesschulzenverein, 31. Jan. 1919. Gestrichen worden war auch der, den Wunsch der Bewohner der ländlichen Gemeinden einschränkende, Zusatz: „da hier angenommen werden muss, [...]“. Ebd. 170 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Vorstand Landesschulzenverein an StM, 31. Jan. 1919 (Telegramm). Vgl. dazu auch RoA, 6. Feb. 1919.
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ben solle“.171 Nach Erhalt des oben zitierten Telegramms des Landesschulzenvereins nahm das Staatsministerium dieses Zugeständnis jedoch kurzerhand zurück. In Erwiderung „auf die Depesche vom gestrigen Tage“ hieß es: Man sei „sachlichen Erklärungen und Einwendungen jederzeit zugänglich [...], Beleidigungen und Drohungen“ hingegen könnten die Entscheidungen „in keiner Weise beeinflussen“, im Gegenteil würde es „bei der Verordnung über die Neuwahl [...] sein Bewenden“ behalten. Von den Schulzen erwarte man schlicht die Erfüllung der Amtspflichten und warnte „nachdrücklich vor den disziplinarischen und sonstigen Folgen einer eigenmächtigen, vorzeitigen Amtsniederlegung“.172 Unterstützung erhielt die Regierung dabei durch den Landes-Arbeiter- und Soldatenrat, der damit drohte, „Dorfschulzen und sonstige Ortsvorsteher, welche ihre Tätigkeit vor dem 24. Februar einstell[t]en, wegen Gefährdung der allgemeinen Volksernährung“ zu verhaften.173 Für die „Mecklenburger Nachrichten“, die die Rücktrittsdrohung als Streik verstanden wissen wollten, stellte die Versagung dieses elementaren Rechts eine „schamlose Vergewaltigung freier Staatsbürger“ dar, die der „Gipfel unverschämter Anmaßung“ der Revolutionsorgane sei und einen „Entrüs tungssturm im Lande hervorrufen“ müsse, der den Arbeiter- und Soldatenräten „endlich einmal einen urkräftigen Beweis [...] ihrer absoluten Ueberflüssigkeit“ gebe.174 Mehr noch als die indirekt geforderten Massenproteste verdeutlichten die Reaktionen der Schulzen die den Gremien noch zukommende politische Bedeutung. Während der stellvertretende Gemeindevorsteher von Bad Kleinen, Gustav Hasemeister, dem Landes-Arbeiter- und Soldatenrat noch „recht dringend“ empfahl, sich „nicht als Vorspann für verfahrene Regierungskarren benutzen zu lassen“,175 bezeichnete es der Schöffe der Gemeinde Ostorf im Domanialamt Schwerin, August Bade, schlicht als absurd, dass „Leute, die sich Arbeiter- und Soldatenrat nennen, also offenbar schon seit 3 Monaten keinen Beruf ausgeübt“ hatten, „den im Beruf sich abarbeitenden Schulzen ‚Verhaftung‘“ androhten. Statt sich einschüchtern zu lassen, legte er, den Dienst „unter den Bajonetten des Zentral-Arbeiter- und Soldatenrates“ ablehnend, einfach sein Amt nieder.176 Damit folgte er der einen Tag zuvor, am 5. Februar 1919, vom Landesschulzenverein herausgegebenen „Losung, [...] als Antwort auf die bekannte ministerielle Verfügung sogleich allgemein die Ämter niederzulegen“.177 Tatsächlich sollen die Schulzen dieser Aufforderung „wohl zum größten Teil“ nachgekommen sein.178 Überprüfen lässt sich dies jedoch nicht. In den Akten findet sich 171 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: StM an Bierstedt, von Blücher, Eichbaum, Havemann und Mau, 1. Feb. 1919. 172 Ebd.: StM an Vorstand Landesschulzenverein, z. H. Heinrich Ihde, 1. Feb. 1919. Vgl. dazu auch LZM, 5. Feb. 1919; MN, 2. Feb. 1919; MVZ, 4. Feb. 1919; MZ, 1. Feb. 1919; RoA, 2. Feb. 1919. 173 LZM, 6. Feb. 1919; MN, 5. Feb. 1919. 174 MN, 5. Feb. 1919. 175 Hasemeister, Gustav: [Leserbrief ], in: MN, 7. Feb. 1919. 176 Bade, August: [Leserbrief ], in: MN, 6. Feb. 1919. Vgl. auch MZ, 5. Feb. 1919. 177 LZM, 8. Feb. 1919; MZ, 5. Feb. 1919. Vgl. RoA, 8. Feb. 1919. 178 LZM, 8. Feb. 1919.
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lediglich eine Quelle, deren Angaben allerdings zweifelhaft sind, handelt es sich hierbei doch um ein Telegramm des leitenden Beamten des Domanialamtes Warin, Burchard, der sich bekanntlich für die Aussetzung der Wahlen engagiert hatte. Bereits einen Tag vor Bekanntgabe des Aufrufs des Landesschulzenvereins telegrafierte er sowohl dem Ministerium des Innern als auch der Abteilung für Landwirtschaft, Domänen und Forsten des Ministeriums der Finanzen: „schulzen haben ämter niedergelegt betrieb stockt bitten aufhebung der v. o. betr neuwahl der gemeindevorstände und körperschaften zu veranlassen.“179 In der politischen Auseinandersetzung freilich spielte die konkrete Zahl der Rücktritte keine allzu große Rolle. Entscheidend war hier das gesetzte Zeichen: Innerhalb kürzester Zeit konnten aus in der sozialdemokratischen Presse noch ironisch als „rebellionslustig“ bezeichneten Schulzen180 „rebellierende“ Beamte werden.181 Bereits am 5. Februar 1919 sicherte der Staatsminister Fritz Henck, allerdings vor behaltlich der „Zustimmung seiner in Weimar aufhältlichen Kollegen“ Hugo Wendorff, Hans Sivkovich und Franz Starosson, den amtierenden Gemeindevorstehern die „Nutzung der Dienstländereien und barer Einkünfte [...] bis Herbst“ zu und erwartete im Gegenzug die „sofortige Beilegung des Streiks“.182 Der Vorstand des Landesschulzenverbands wandte sich jedoch erst drei Tage später, am 8. Februar, an das Staatsministerium. In der abgegebenen Erklärung hieß es, man sei grundsätzlich bereit, „die Wahlen zu den Gemeindevertretungen abzuhalten“, verlange aber, die Schulzen „bis zum Zusammentritt des Landtages“ im Amte zu belassen und die Entscheidung über ihre Kündigung dem Parlament zu übertragen.183 Nach Rücksprache mit den an der Nationalversammlung teilnehmenden Mitgliedern des Staatsministeriums184 nahm die Regierung noch am gleichen Tag eine Änderung der Verordnung vom 11. Januar vor. Den gegenüber den mittleren Domanialbeamten bereits vor geschlagenen Kompromiss wieder aufgreifend, wurde an der Neuwahl des Gemeindevorstands festgehalten, den amtierenden Schulzen jedoch erst „zum 1. Oktober 1919“ gekündigt. Gleichwohl war es ihnen freigestellt, „schon früher zurückzutreten“. Um finanzielle Verluste oder komplizierte Auseinandersetzungen über Ernte und Saat fortan zu vermeiden, verlegte die Verordnung schließlich den Termin zukünftiger Wahlen zu den Gemeindevertretungen auf Oktober und erklärte den „1. Januar des auf die Wahl folgenden Jahres“ zum Beginn der Legislatur des Schulzen. Während in Bezug auf die Landgemeinden lediglich der Minimalforderung der Schulzen entsprochen wurde, verzichtete die Regierung in den Fleckengemeinden
179 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Burchard an MdI und MdF, Abt. D. u. F., 4. Feb. 1919. 180 MVZ, 4. Feb. 1919. 181 MZ, 5. Feb. 1919. 182 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Burchard an Schulzen DA Warin. Anlage zu Burchard an MdI, 5. Feb. 1919. Für die als Abgeordnete Mecklenburg-Schwerins an der Nationalversammlung in Weimar teilnehmenden Staatsminister vgl. Handbuch Nationalversammlung, S. 266, 268 und S. 285–286. 183 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Vorstand des Landesschulzenvereins an MdI, 8. Feb. 1919. 184 Vgl. MZ, 11. Feb. 1919.
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gänzlich auf eine Wahl der Gemeindevorsteher.185 Die Entscheidung war bereits am 1. Februar, d. h. vier Tage vor Ausrufung des Boykotts durch den Landesschulzen verein, bekanntgegeben worden.186 Verantwortlich hierfür war das Votum der Staatsminister Sivkovich und Wendorff.187 Sie argumentierten, einer Eingabe der Fleckengemeinden Dargun, Dassow, Lübtheen, Neukloster und Zarrentin folgend, damit, dass das Amt der „Obervorsteher deren Hauptberuf“ bildete, während es sich „bei den Schulzen lediglich um eine ehrenamtliche Stellung“ handelte. Auf „Lebenszeit angestellt“, würden sie „im Falle der Nichtwiederwahl brotlos“ werden.188 Um eine für den Fall der Nichtwiederwahl notwendige Pensionsregelung vorläufig zu umgehen, sollte die Wahl der Obervorsteher, deren Wunsch entsprechend, im Rahmen der Städteordnung bestimmt werden.189 Nur wenige Tage nachdem die Regierung ihre „Zugeständnisse“ erlassen hatte, beschloss der Vorstand des Landesschulzenvereins „die Arbeit wieder aufzuneh men“.190 Offiziell wurde jedoch keine Verbindung zwischen der Verordnung und der Beendigung des Boykotts hergestellt. Ausschlaggebend sei allein, so der Verband, dass die „Fortdauer des Streiks die in einzelnen Gemeinden bereits unhaltbar gewordenen Zustände zum Schaden der Allgemeinheit verschärfen“ würde. In Bezug auf die Amtsenthebung hingegen wurde angekündigt, „die rechtliche Zuständigkeit des Ministeriums“ durch eine Eingabe an den verfassunggebenden Landtag prüfen lassen zu wollen.191 Tatsächlich war der auf diese Weise zwischen der Regierung und ihren Beamten geschlossene „Kompromiß“192 in erster Linie kein Ausgleich zwischen den Beteiligten, sondern das Ergebnis interner Verständigungen. In der Regierung ging der Riss quer durch die Koalition. So hatten sich etwa die Minister der DDP von Anfang an gegen die Wahl der Schulzen ausgesprochen, „aus patriotischen Gründen jedoch nicht die Kabinettsfrage gestellt“, sondern zunächst das durch die SPD vertretene Konzept mitgetragen. Am 5. Februar suchte die Partei dann jedoch über die ihr nahestehende „Mecklenburgische Zeitung“ Gespräche herbeizuführen und gestand ein, dass sich das Staatsministerium den Schulzen gegenüber „im offiziellen Tone 185 Verordnung vom 8. Februar 1919, betreffend Abänderung der Verordnung vom 11. Januar 1919 über Wahl von Schulzen und Gemeindekörperschaften usw. (Rbl. Nr. 8) sowie der Verordnung vom 17. Januar 1919 über das Wahlverfahren zu den Dorfsversammlungen usw. (Rbl. Nr. 16), in: Rbl. Nr. 30, 11. Feb. 1919, S. 153–154. 186 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: StM an DA Dargun, Grevesmühlen, Lübtheen, Warin und Wittenburg, 1. Feb. 1919. 187 Vgl. ebd.: Sivkovich an MdI, 9. Feb. 1919. 188 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Obervorsteher der Flecken Dargun, Dassow, Lübtheen, Neukloster und Zarrentin an StM, 30. Jan. 1919. Zu den Unterschieden in der Kommunalverfassung der Flecken- und Landgemeinden vgl. allgemein Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 12–14; Bierstedt: Amtsführung, S. 13–18. 189 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an Franz, 9. Feb. 1919. Vorausgegangen war dem Schreiben die Klage des Vorsitzenden des Arbeiterrats Zarrentin, Paul Franz, der im Namen der Einwohner das „Recht, den Obervorsteher nach unserer Wahl zu bestimmen, gewahrt wissen“ wollte. Ebd.: Franz an Starosson, 5. Feb. 1919. Vgl. auch ebd.: Franz an MdI, 5. Feb. 1919. 190 MZ, 12. Feb. 1919; RoA, 12. Feb. 1919. 191 LZM, 14. Feb. 1919. Vgl. auch RoA, 14. Feb. 1919. 192 MZ, 12. Feb. 1919; RoA, 12. Feb. 1919.
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zumindest [...] etwas unzart vergriff[en]“ und der Landes-Arbeiter- und Soldatenrat durch seine Äußerung „ohne Zweifel die Erregung auf den Höhepunkt“ gebracht hätte.193 Gleichzeitig wandte sich, wie erwähnt, der sozialdemokratische Justizminister Henck in einem Alleingang an die Schulzen und setzte sich anschließend gemeinsam mit den Ministern der DDP, Wendorff und Sivkovich, für eine Änderung der Verordnung vom 11. Januar ein. Einen Alleingang gab es andererseits auch auf Seiten des Landesschulzenverbandes. Nach Auskunft des Vorstandes waren sämtliche nach dem 31. Januar an die Regierung gerichtete Schreiben durch dessen Mitglied, den Schulzen Heinrich Ihde aus Sülstorf, „ohne Wissen [und] zu Unrecht im Namen des Hauptvorstandes“ verfasst worden.194 Freilich handelte es sich beim Protest der Schulzen um mehr als nur eine private Fehde zwischen Ihde und der SPD. Der Konflikt um die Durchführung demokratischer Wahlen im Domanium offenbarte grundlegende Differenzen in Bezug auf die Neugestaltung der Landesverwaltung, etwa in der Frage der Qualifikation leitender Beamter, und eröffnete damit die später vor allem parlamentarisch geführte Diskussion der durch die Regierung eingebrachten Verfassungs- und Verwaltungsgesetze.195 Die angekündigte Eingabe des Landesschulzenvereins indes blieb aus. Gleichwohl erlebte der Schulzenprotest ein parlamentarisches Nachspiel. Ursache dafür war der § 63 des Verfassungsentwurfs, der eine Bestätigung der seit dem 14. November 1918 erlassenen Regierungsverordnungen durch den Landtag vorsah. 196 In der am 9. Mai 1919 im Verfassungsausschuss erfolgten Beratung gestand die DDP ein, dass durch die Verordnungen „in bürgerliche Rechte eingegriffen“ worden war und die „Maßnahmen“ bis zum Zusammentritt des Landtages hätten aufgeschoben werden müssen. Dieser Auffassung, der sich die DNVP vorbehaltlos anschloss, stellte der anwesende Regierungsvertreter „die Notwendigkeit der Verordnung“ entgegen und legitimierte das Vorgehen mit dem „Recht der Revolution, die nicht vor juristischen Spitzfindigkeiten Halt mache“. Erst durch die Ankündigung demokratischer Wahlen, so die Sicht der Regierung, sei es gelungen, „die Landbevölkerung zu beruhigen, [...] ihre Ablieferungsfreudigkeit zu stärken [und] die Versorgung der Städte mit Lebensmitteln“ zu sichern. Bedauert werden könne nur, dass die Verordnung nicht auf die Gebiete der Ritterschaft und der Klöster ausgedehnt werden konnte. Hinzu käme schließlich, dass die Schulzen, im Gegensatz zu den Obervorstehern, von deren Wahl aus diesem Grund Abstand genommen worden war, bekanntlich „nicht Beamte im landläufigen Sinne“ waren. Die „Beunruhigung“, die unter den Schulzen geherrscht und sämtliche Beamte erfasst habe, sei, so der Regierungsvertreter, nur „künstlich“ gewesen und durch „zum Teil [...] unverantwortliche [...], leider aber auch [...] beamtete [...] Persönlichkeiten“ gestiftet und geschürt worden.197 Diese Einschätzung ignoriert freilich, dass sich der Protest zu einem großen Teil auch an den drohenden 193 MZ, 5. Feb. 1919. 194 RoA, 14. Feb. 1919. 195 Vgl. dazu Kap. 6.2. 196 Vgl. Reincke-Bloch, Hermann: Bericht über die Beratung des § 63 des Verfassungsentwurfes, betreffend den Antrag Knebusch (Drs. Nr. 2), in: Verfassungsgebender Landtag, Drs. Nr. 89. 197 Ebd. Vgl. auch Reincke-Bloch, in: Landtag, 1921, 20. Sitzung, 2. Juni 1919, Sp. 638–642.
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finanziellen Verlusten der durch die Vergabe von Ackerland entschädigten Schulzen entzündet hatte. Die Aufhebung ihrer rechtlichen Ansprüche sorgte auch deshalb für solch heftige Kritik, weil den Schulzen, „obgleich gerade sie infolge der zahllosen Kriegsmaßnahmen auf dem Gebiete der Verteilung der Lebensmittelkarten, Statistik pp. eine über den Umfang ihrer Friedenstätigkeit weit hinausgehende ganz gewaltige Arbeitslast“ zu bewältigen hatten,198 mit Ausnahme einer Einmalzahlung im Februar 1918199 eine Erhöhung der Aufwandsentschädigung verwehrt worden war.200 Wie bereits während des Konflikts wurde auch durch die Mitglieder des Ver fassungsausschusses in erster Linie „die Dringlichkeit der Verordnung in Abrede“ gestellt. Begründet werden konnte das geringe Interesse an einer Wahl der Gemeindevorsteher nun nach deren Durchführung mit dem Hinweis darauf, dass, so die Vertreter von DDP und DNVP, etwa „90 % der Schulzen wiedergewählt“ worden seien.201 Da durch die Abänderung der Verordnung Anfang Februar den Schulzen jedoch keine finanziellen Verluste entständen und ihre Rechte gewahrt worden waren, erklärte sowohl der Verfassungsausschuss202 als auch wenig später der Landtag die Verfügung vom 11. Januar 1919 für rechtsgültig.203 Die Frage einer modernen sowie den Anforderungen entsprechenden Vergütung des Dienstes der Gemeindevorsteher allerdings blieb auf der Tagesordnung. Zur Durchsetzung einer ihrer Forderungen, die Tätigkeit bei den Kreisbehörden für Volksernährung zu vergüten, drohten die Schulzen der Domanialämter Dömitz, Grabow und Neustadt bereits Ende Februar 1919 mit einer weiteren Arbeitsniederlegung.204 Der auf ein neues, durch den wirkungsvollen Protest erlangtes Selbstverständnis und -bewusstsein der Beam-
198 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdF, Abt. D. u. F. an Großherzog, 9. Feb. 1918. 199 Vgl. ebd.: Rundschreiben MdF, Abt. D. u. F. an DA, 25. Feb. 1918. Demnach erhielten die Schulzen einer Gemeinde mit bis zu 300 Einwohnern 100 Mark, bei bis zu 500 Einwohnern 150 Mark und ab 500 Einwohnern 200 Mark. Vgl. dazu auch ebd.: MfL an StM, 10. Dez. 1919. 200 Vgl. Stelling, in: Landtag, 1920, 66. Sitzung, 4. Feb. 1919, Sp. 2020. Insbesondere forderten die Schulzen eine Vergütung der ihnen seitens der Kreisbehörden für Volksernährung auferlegten Arbeiten. Vgl. Markwart, in: Ebd. 201 Reincke-Bloch, Hermann: Bericht über die Beratung des § 63 des Verfassungsentwurfes, betreffend den Antrag Knebusch (Drs. Nr. 2), in: Verfassungsgebender Landtag, Drs. Nr. 89. Vgl. auch Knebusch, in: Landtag, 1921, 4. Sitzung, 26. Feb. 1919, Sp. 31. Überprüfen lässt sich diese Angabe jedoch nicht, da entsprechende Berichte der einzelnen Domanialämter in den Akten nicht überliefert sind. Eine Auswertung anhand des Staatskalenders, in dessen zweitem Teil die Namen der Gemeindevorsteher aufgelistet sind, ist nicht möglich, da die Reihe mit dem Jahr 1918 endet und das die Tradition aufgreifende Staatshandbuch erstmals 1923 erschien. Vgl. dazu auch Kap. 5.3.2.3. 202 Vgl. Reincke-Bloch, in: Landtag, 1921, 20. Sitzung, 2. Juni 1919, Sp. 638–642. Zur Berichterstattung der Presse vgl. MN, 17. Mai 1919; MVZ, 20. Mai 1919; MZ, 16. und 19. Mai 1919; RoA, 18. Mai 1919. 203 Vgl. Landtag, 1921, 20. Sitzung, 2. Juni 1919, Sp. 648. Vgl. dazu auch Bekanntmachung vom 12. Juni 1919, betreffend die Gesetzeskraft der seit dem 9. November 1918 ergangenen Verordnung und Bekanntmachung des Staatsministeriums, in: Rbl. Nr. 100, 20. Juni 1919, S. 539. 204 Vgl. LZM, 27. Feb. 1920; MN, 27. Feb. 1920; MZ, 26. Feb. 1920.
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ten deutenden Ankündigung folgte jedoch keinerlei Aktion; der Berufsverband selbst beschränkte sich auf parlamentarische Mittel.205 5.3.2.3 Zur Durchführung und zu den Ergebnissen Anders als in den Städten kam es bei den Kommunalwahlen im Domanium häufiger zu Verzögerungen und Annullierungen der Ergebnisse. In Mühl-Rosin im Doma nialamt Güstrow etwa waren sämtliche in der „Verordnung vom 17. Januar 1919 vorgeschriebenen Vorbereitungen“ einfach unterblieben.206 In anderen Gemeinden wurde die gesetzte Frist, innerhalb der z. B. die Gemeindeversammlung einen Wahlvorstand zu wählen hatte, nicht eingehalten und die Wahl „auf diese Art und Weise [...] ungültig“.207 Aus Sicht des sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Wilhelm Hansen waren die formalen Fehler nicht das Ergebnis von Unachtsamkeiten, die durch die Arbeitsbelastung der Gemeindevorstände entschuldbar gewesen wären, sondern ganz bewusst herbeigeführt. Für Hansen stellte diese Art der Wahlbeeinflussung eine „Vergewaltigung der Kleinen Leute“ dar, die nur aufgrund ihrer „Unkenntnis“ der Wahlordnung möglich sei.208 Tatsächlich lässt sich in der Gemeinde Sandhof im Domanialamt Lübz ein absichtliches Vorenthalten von Informationen nachweisen. Statt die Wahlordnung öffentlich bekanntzugeben, wurde hier lediglich ein „Zettel [...] mit aus dem Regierungsblatt herausgeschriebenen Paragraphen [...] von Haus zu Haus“ herumgereicht209 – ein Verfahren, das jedoch, wenn es als ortsüblich galt, nicht beanstandet werden konnte. Gleichwohl ist die Begründung, mit der das zuständige Domanialamt die Beschwerde abwies, bemerkenswert, wurde hier doch nicht allein auf die rechtliche Grundlage Bezug genommen, sondern ausdrücklich hervorgehoben, dass der Einwand nur eine „erneute Machenschaft des Revierförsters Plagemann“ sei, der schon „seit Jahren [...] offen und heimlich gegen den Schulzen Aude [...] wühle“.210 Ebenfalls als Intrige abgetan wurde die Klage eines Einwohners im Domanialamt Warin, demnach der amtierende Schulze seiner Gemeinde ihm keine Auskunft zum 205 Vgl. dazu etwa Eingabe des Vorstandes des Mecklenburgischen Landesschulzenvereins, betreffend Vergütung der Schulzen für die durch die Volksernährung auferlegten Arbeiten, in: Landtag, 1920, 84. Sitzung, 30. April 1920, Sp. 2562–2564; Landtag, 1920, 89. Sitzung, 20. Mai 1920, Sp. 2731–2732; MN, 13. Juli 1920; RoA, 11. Juli 1920. Anfang Mai 1920 folgte die Regierung dem Vorschlag und entschied, dass den Schulzen „für die besondere Arbeit, welche sie im Interesse der Volksernährung“ leisteten, eine Entschädigung zustehe. Um diese finanzieren zu können, wurde den Gemeinden gestattet „für die Ausstellung und Verteilung von Mahl- und Schrotkarten Gebühren in derselben Höhe“, wie sie die Kreisbehörden verlangten sowie einen Zuschlag auf den Verkauf von Vieh zu erheben. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdI an Kreisbehörden für Volksernährung, 10. Mai 1920. Vgl. dazu auch Giese, in: Landtag, 1920, 89. Sitzung, 20. Mai 1920, Sp. 2731–2732. 206 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: DA Güstrow an MdI, 12. Feb. 1919. 207 Ebd.: Hermann an MdI, 16. Feb. 1919. Vgl. auch ebd.: Krull an MdI, 24. Feb. 1919; ebd.: Hansen an MdI, 15. April 1919; ebd.: Arbeiter-Vereinigung Satow an MdI, 10. März 1919. 208 Ebd.: Hansen an MdI, 14. Mai 1919. 209 Ebd.: Häusler Sandhof an MdI, 12. Feb. 1919. 210 Ebd.: DA Lübz an MdI, 17. Feb. 1919.
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Wahltermin erteile.211 Aus Sicht des zuständigen Beamten, Werner Eichbaum, war die Behauptung des Beschwerdeführers, die „alte Gemeinde-Vertretung [wolle] gegen die jetzige Regierung in ihrem alten System fortwirtschaften [...] geradezu lächerlich“. Ihm gegenüber hatte der amtierende Schulze „schon vor Erlass der Wahlgesetze“ mehrfach „teils mündlich, teils schriftlich [darum] gebeten, [...] die Verwaltung des Schulzenamtes baldigst wieder los“ zu werden. Die „Schwierigkeiten [...] bei der Durchführung der Wahl“ waren, so die Einschätzung Eichbaums, auf Differenzen innerhalb der Gemeinde zurückzuführen.212 Eine mögliche Ursache derartiger Zwistigkeiten verdeutlicht die Eingabe der Büdner, Häusler und Einlieger der Gemeinde Krusenhagen im Domanialamt Wismar. Hier hatten sich die genannten Gruppen zunächst auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag geeinigt, diesen aber, nachdem die Häusler mit den Büdnern „in Zwiespalt“ geraten waren, wieder zurückgezogen. Da die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, fehlte der Liste der Erbpächter plötzlich die Konkurrenz. Um deren Wahlvorschlag „nicht allein durchzulassen“, baten die Büdner, Häusler und Einlieger, die zurückgezogene Liste wieder zuzulassen. Während das Domanialamt, an den Vorschriften der Wahlordnung festhaltend, diese Bitte ablehnte,213 genehmigte das Ministerium des Innern die Wiederherstellung des Wahlvorschlags.214 Dieses Beispiel verdeutlicht zum einen die häufige Absenz politischer Parteien, die statt (gesamt)gesellschaftlicher Programme persönliche und ökonomische Interessen in den Vordergrund rücken ließ. Zum anderen veranschaulicht es die ambivalente Haltung des Ministeriums des Innern, das sich aufgrund des Fehlens demokratischer Erfahrungen bereit zeigte, Ausnahmen zuzulassen, um damit die politische Partizipation bislang ausgeschlossener Kreise zu ermöglichen. Auffallend ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass, anders als bei den Wahlen zu den Bürger ausschüssen der Städte und dem verfassunggebenden Landtag, bei den Wahlen zu den Gemeindevertretungen des Domaniums für heimkehrende Frontsoldaten keine besonderen Anmeldefristen galten.215 Klagen gegen den Ausschluss ehemaliger Militärangehöriger sind jedoch nur aus zwei Gemeinden überliefert.216 Formale Fehler und Differenzen unter den Gemeindemitgliedern waren indes nicht die einzigen Probleme. Im Vorfeld der Wahlen kam es auch zu Versuchen direkter Manipulation. In der Gemeinde Behnkenhagen im Domanialamt Ribnitz 211 Vgl. ebd.: Lahs an MdI, 2. April 1919. Vgl. auch ebd.: Einwohner Klein Raden an MdI, 9. April 1919. 212 Ebd.: Eichbaum an MdI, 5. Mai 1919. 213 Ebd.: Hansen an MdI, 20. Feb. 1919. Vgl. dazu auch ebd.: Büdner, Häusler und Einlieger Krusenhagen an MdI, 13. Feb. 1919. 214 Vgl. ebd.: MdI an Hansen, 21. Feb. 1919. 215 Für die Bestimmungen zur Bürgerausschuss- und Landtagswahl vgl. Bekanntmachung vom 14. Dezember 1918, betreffend Wahlen zu den Bürgervertretungen, in: Rbl. Nr. 227, 16. Dez. 1918, S. 1669; Verordnung vom 7. Januar 1919, betreffend Abänderung des § 3 der Verordnung vom 7. Dezember 1918 über die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag in MecklenburgSchwerin (Rbl. Nr. 219 S. 1603 ff.), in: Rbl. Nr. 4, 8. Jan. 1919, S. 15. 216 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Arbeiter- und Soldatenrat Parchim an Bierstedt, 5. Feb. 1919; ebd.: Vick an MdI, 11. Feb. 1919. Vgl. auch ebd.: Richert an MdI, 11. und 12. Feb. 1919; ebd.: DA Toitenwinkel an MdI, 19. Feb. 1919.
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etwa ließ der Schulze die Mitglieder der Dorfversammlung einen Wahlvorschlag unterschreiben, der die bisherigen Gemeindevertreter umfasste. Als kurz darauf sowohl die Büdner als auch die Häusler auf einer eigenen Liste bestanden, weigerte er sich, möglicherweise Konkurrenz fürchtend, die damit obsolet gewordene gemeinsame Liste zurückzunehmen.217 Der Gemeindevorsteher der Gemeinde Qualitz im Domanialamt Bützow hatte, um seine Chancen einer Wahl zu steigern, sich kurzerhand gleich selbst auf zwei Wahlvorschläge setzen lassen.218 Neben dem regen Interesse der Gemeindeangehörigen an der Durchführung demokratischer Wahlen, das sich in den Eingaben und Beschwerden dokumentiert, lässt sich jedoch auch Gleichgültigkeit nachweisen. So verzichteten z. B. die Büdner und Häusler der Gemeinde Loitz im Domanialamt Warin auf die Einreichung eigener Wahlvorschläge.219 Im Domanialamt Crivitz umging ein Schulze dieses Problem, indem er, der alten Ordnung folgend, beide Gruppen je sechs Vertreter zur Dorfversammlung wählen ließ. Die so entstandenen Listen präsentierte er dann den Einwohnern als Wahlvorschläge.220 Im Domanialamt Lübz wurde in mehreren Gemeinden schlicht eine „geringere Anzahl von Mitgliedern zur Dorfsversammlung gewählt“, als durch die Gemeindesatzung bzw. die Verordnung vom 11. Januar 1919 festgelegt worden war. Hinzu kam, dass einzelne Kandidaten „die auf sie gefallene Wahl nicht annahmen“.221 In der Gemeinde Tollow im Domanialamt Warin schließlich stellte sich niemand zur Wahl, und wurde so die alte Dorfversammlung zur neuen Gemeindevertretung erklärt. Gegen seinen Willen bestätigte diese den amtierenden Schulzen, der dann kurz darauf, im Mai 1919, zurücktrat.222 Da auch zur Neuwahl keine Vorschläge eingereicht wurden, musste das Domanialamt zunächst den ersten Schöffen mit der Führung der Geschäfte beauftragen.223 Erst durch Verhandlungen des Ministeriums des Innern mit den Einwohnern der Gemeinde und dem bisherigen Schulzen gelang es, den Dorflehrer zur Aufstellung einer Liste zu bewegen und den zurückgetretenen Schulzen, der dieses Amt bereits seit 20 Jahren innehatte, zu überzeugen, die Geschäfte einstweilen weiterzuführen.224 Dass das bereits im Vorfeld von Burchard angesprochene Problem, Kandidaten für das Schulzenamt zu finden, durchaus bekannt war, zeigen die Schreiben zweier Altonaer Magistratsbeamten, die sich, für den Fall, dass „geeignete Bewerber nicht zur Stelle“ seien oder sich „nach Lage der Verhältnisse eine Besetzung [...] durch Verwaltungsbeamte“ empfehle, direkt beim Ministerium des Innern als Schulzen bewarben.225 In den Gemeinden selbst scheinen ebenfalls Ortsfremde um das Amt des 217 Vgl. ebd.: Möller an MdI, 11. Feb. 1919. 218 Vgl. ebd.: Arbeiter- und Soldatenrat Bützow an MdI, 25. Feb. 1919. 219 Vgl. ebd.: MdI an Burchard, 21. Feb. 1919. 220 Ebd.: Protokoll Vernehmung Ahrens, 11. April 1919 (Abschrift). Anlage zu DA Crivitz an MdI, 11. April 1919. Vgl. dazu auch MVZ, 30. März 1919. 221 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Bierstedt an MdI, 8. März 1919. 222 Vgl. ebd.: Burchard an MdI, 21. März 1919. 223 Vgl. ebd.: Burchard an MdI, 5. Mai 1919. 224 Vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, 22. Mai 1919. 225 Ebd.: Dollmann an MdI, 20. Feb. 1919. Vgl. ebd.: Schrader an MdI, 18. Feb. 1919.
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Gemeindevorstehers kandidiert zu haben.226 So stellte sich etwa in der Gemeinde Witzin im Domanialamt Warin ein Sozialdemokrat aus Sternberg, der durch die dortige Ortsgruppe nominiert worden war, als Kandidat zur Wahl.227 Inwieweit es sich hierbei um einen Einzelfall handelte, lässt sich nicht nachweisen. Er ist jedoch Zeichen und Beleg für das Bestreben der mecklenburgischen Sozialdemokratie, durch die demokratischen Wahlen zu den Gemeindevertretungen des Domaniums auch auf dem platten Land an Einfluss zu gewinnen. Deutlich wird dies auch in einem Bericht des leitenden Beamten des Domanialamtes Crivitz, Eichbaum, der das Ministerium des Innern darüber informierte, dass die SPD „eine lebhafte Agitation“ betreibe und ihre „Mitglieder [...] von Anfang an besser über ihre Rechte und die bestehenden Bestimmungen unterrichtet“ gewesen seien als die der anderen Parteien.228 Der Versuch der SPD, in den Landgemeinden Fuß zu fassen, erzeugte jedoch auch Widerstände. In der Gemeinde Zietlitz im Domanialamt Crivitz etwa entschied der Wahlausschuss die Abstimmung zugunsten des amtierenden Schulzen, obwohl der Kandidat der SPD nachweislich die Mehrheit der Stimmen errungen hatte.229 Eine Wahlfälschung beklagte die Partei auch im benachbarten Goldenbow. Hier kam es aufgrund der Beschwerde des Ortsvereins Crivitz zu einer Wiederholung der Wahl, die zunächst mit einem Patt endete, durch den freiwilligen Verzicht des amtierenden Schulzen jedoch zum Sieg des sozialdemokratischen Bewerbers führte.230 Mit welchem Erfolg sich die SPD insgesamt an den Gemeindewahlen beteiligte, lässt sich nicht ermitteln. Nimmt man die wenigen Notizen, die in der „Mecklenburgischen Volkszeitung“, dem Presseorgan der Sozialdemokratie, über die Wahl eines Genossen informierten, zur Grundlage, scheint ihr Einfluss auf dem platten Land allerdings nicht gewachsen zu sein.231 Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass sich in der Presse generell nur wenige Artikel, die über die Kommunalwahlen berichteten, finden.232 Informiert wurde lediglich darüber, dass im Domanialamt Hagenow die „meisten“, im Domanialamt Neustadt „in der großen Mehrzahl“, und in den Domanialämtern Gadebusch und Stavenhagen „fast ausnahmslos“ die amtierenden Schulzen gewählt worden seien.233 Aus den Domanialämtern selbst ist nur ein Schreiben überliefert. Demnach hatten sich im Domanialamt Boizenburg „ungefähr die Hälfte der Schulzen [...] nicht wieder zur Wahl“ gestellt und waren „daher 14 neue Schulzen gewählt“ worden. Ferner hieß es, von den bisherigen Gemeindevorstehern seien bereits alle bis auf einen, der sein Amt erst zum Oktober niederlegen wolle, zurück 226 Vgl. dazu etwa ebd.: Arbeiter-Vereinigung Satow an MdI, 10. März 1919. 227 Vgl. RoA, 12. Feb. 1919. 228 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Eichbaum an MdI, 1. Mai 1919. 229 Vgl. MVZ, 24. Aug. 1919. 230 Vgl. MW, 18. Juni 1919. 231 Vgl. exemplarisch MVZ, 12. März 1919. Berichtet wird hier über die Wahl eines Sozialdemokraten zum Schulzen der Gemeinde Zernin im Domanialamt Bützow. 232 Vgl. etwa MN, 8. März 1919; MVZ, 8. März 1919; RoA, 7. März 1919; RoA, 7. Mai 1919; RoA, 28. Okt. 1919. 233 MN, 4. März 1919; MW, 5. März 1919; MZ, 1. und 3. März 1919; RoA, 28. Feb. 1919; RoA, 4. März 1919.
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getreten.234 Wenngleich zur Kommunalwahl keine umfassende Statistik vorliegt, verdeutlichen die zu ermittelnden Zahlen doch einen Trend, der aufgrund der unter schiedlichen Struktur der fünf Domanialämter235 durchaus als repräsentativ bezeichnet werden kann. Vor diesem Hintergrund erscheint die bekanntlich durch Vertreter von DDP und DNVP im Verfassungsausschuss geäußerte Annahme, 90 Prozent der Schulzen seien im Amt bestätigt worden,236 übertrieben. Die Auszählung der fünf Domanialämter ergibt eine Quote von 78,7 Prozent.237 Weit weniger Angaben als hier lassen sich in Bezug auf die Ergebnisse der Wahlen zu den Dorfversammlungen machen. Die eine Pressenotiz, die über die Wahlen in der Gemeinde Tramm im Domanialamt Crivitz berichtet, verdeutlicht allerdings recht anschaulich die Folgen der ersten demokratischen Wahl zu den Gemeindevertre tungen des Domaniums. Bestand die Vertretung des 14 Bauern-, 23 Büdner- und 93 Häuslerstellen umfassenden Dorfs vor 1919 dem Zensus entsprechend aus 14 Bauern, zwei Büdnern und drei Häuslern, gehörten ihr nach Durchführung der Wahl nur noch vier Bauern, dafür aber vier Büdner und elf Häusler an.238 Der sich ändernden sozialen Zusammensetzung der Dorfversammlung folgte in einigen Fällen die Abwahl der amtierenden, zumeist dem Stand der Bauern angehörigen Schulzen. Im Domanialamt Dömitz beispielsweise wurden neben Bauern auch Büdner und Häusler, in der Gemeinde Vielank gar ein Landarbeiter zu Gemeindevorstehern gewählt.239 Die gleichberechtigte Partizipation aller Einwohner des Dorfes, die einen radikalen Bruch mit dem bislang geltenden ständischen Prinzip darstellte, barg, wie bereits an den teilweise bewusst herbeigeführten formalen Fehlern, den Differenzen unter den Einwohnern und den erwähnten Manipulationen gezeigt, einige politische Sprengkraft, die in letzter Konsequenz zu Neuwahlen führte.240 Vor diesem Hintergrund greift die Einschätzung des leitenden Beamten des Domanialamtes Stavenhagen, von Abercron, bei den Wahlprotesten handele es sich um „nichts weiter als [...] Racheakt[e] der im Wahlkampf unterlegenen Partei[en]“, die es für ihre „unabweisbare sittliche und vaterländische Pflicht“ hielten, der „siegreichen Partei möglichst Schwierigkeiten zu bereiten und sie zu verdächtigen“,241 zu kurz. Tatsächlich scheint es, als habe von Abercron in erster Linie das parlamentarische System selbst kritisieren wollen. 234 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Wildfang an MdI, 10. Mai 1919. 235 Vgl. dazu Buchsteiner: Zentralörtliches System. 236 Vgl. Reincke-Bloch, Hermann: Bericht über die Beratung des § 63 des Verfassungsentwurfes, betreffend den Antrag Knebusch (Drs. Nr. 2), in: Verfassungsgebender Landtag, Drs. Nr. 89. Vgl. dazu auch Kap. 5.3.2.2, S. 155. 237 Vgl. MN, 4. März 1919; MW, 5. März 1919; MZ, 1. und 3. März 1919; RoA, 28. Feb. 1919; RoA, 4. März 1919; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Wildfang an MdI, 10. Mai 1919; Staatskalender, 1917, T. 2, passim. 238 MVZ, 28. Feb. 1919. Vgl. dazu auch Staatskalender, 1917, T. 2, S. 14. Dort sind 17 Bauern-, 23 Büdner- und 90 Häuslerstellen erwähnt. 239 Vgl. MN, 8. März 1919; MVZ, 8. März 1919; RoA, 7. März 1919. 240 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Von Matthiessen an MdI, 23. April 1919; ebd.: Eichbaum an MdI, 8. Sept. 1919. 241 Ebd.: Von Abercron an MdI, 6. März 1919.
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Die politische Bedeutung der Kommunalwahl veranschaulicht darüber hinaus besonders deutlich die sich bis in den August 1919 hineinziehende Auseinandersetzung um die Abstimmung in der Gemeinde Wöbbelin im Domanialamt Neustadt. Sie ist zugleich ein weiteres Beispiel für den Versuch der SPD, sich auf dem platten Land zu etablieren und den sich dagegen richtenden Widerstand. Ausgelöst wurde der Konflikt durch die Zurückweisung des sozialdemokratischen Wahlvorschlags aus formalrechtlichen Gründen. Gegen die Entscheidung, die erst nach der Wahl getroffen worden war und zur Folge hatte, dass sämtlich auf die Partei entfallenen Stimmen ungültig wurden, legte die SPD Beschwerde beim zuständigen Domanialamt ein. In der Begründung verwies sie jedoch auf die nicht fristgerecht erfolgte Aus legung der Wählerlisten und suchte „bei dieser Gelegenheit“, quasi als Ausgleich, die Gültigkeit ihrer beanstandeten Wahlzettel „durchzudrücken“. Der leitende Beamte, Max von Matthiessen, hingegen betonte, dass die Nichteinhaltung der Frist einen bei „sehr vielen Gemeindewahlen“ aufgetretenen „Mangel“ darstelle, der, „da die Vorbereitungsfrist zu kurz bemessen und das ganze Verfahren überstürzt“ gewesen sei, hingenommen werden müsse. Die Frage, ob der sozialdemokratische Wahlvorschlag und damit die auf diesen entfallenen Stimmen gültig seien, ließ er indes unbeantwortet und übertrug die Entscheidung der gewählten Dorfversammlung. Ein Eingreifen der „Aufsichtsbehörden [...] zu Gunsten der Regierungspartei“ hielt er für „misslich“. 242 Das Ministerium des Innern folgte dieser Einschätzung und stimmte der Verfügung zu. In der Dorfversammlung wurde daraufhin der Einspruch der SPD abgelehnt.243 Hiergegen wiederum legte die Partei beim Ministerium des Innern Beschwerde ein. Wider Erwarten hob dieses die zuvor getroffene Anordnung auf und ordnete eine Neuwahl an. In der Begründung hieß es, „das Ergebnis der Gemeindewahl [sei] unparteiisch betrachtet, ausserordentlich unbefriedigend“, da ein „grosser Teil der Wahlberechtigten wegen eines nach gesetzlicher Vorschrift zwar beachtlichen, sachlich aber unbedeutenden Formfehlers in der Gemeindeversammlung keine Vertretung gefunden“ hätte.244 Diese Einschätzung allerdings war, anders als im oben erwähnten Fall der Gemeinde Krusenhagen, „irrig“. Infolge der Wahl stellten in Wöbbelin die „Häusler und Einlieger die absolute Mehrheit“ in der Dorfversammlung.245 Dessen ungeachtet beharrte das Ministerium des Innern auf Neuwahlen.246 Bei der Durchführung wiederholten sich jedoch die bekannten Vorgänge. Der Wahlvorstand wies, diesmal allerdings bereits im Vorfeld der Abstimmung, den sozialdemokratischen Wahlvorschlag aus formalen Gründen zurück. Das Domanialamt Neustadt lehnte eine Entscheidung der Beschwerde ab. Das Ministerium des Innern intervenierte und der Wahlvorschlag wurde für gültig erklärt. Bei der Wahlprüfung, die im Anschluss an die Abstimmung, aus der die SPD als Sieger hervorgegangen war, erfolgte, hob der Wahlvorstand die Entscheidung jedoch auf, wies den sozialde242 Ebd.: Von Matthiessen an MdI, 11. März 1919. 243 Vgl. ebd.: Von Matthiessen an MdI, 2. Mai 1919. 244 Ebd.: MdI an von Matthiessen, 30. Mai 1919. 245 Ebd.: Lietz an StM, 29. Juni 1919. 246 Vgl. ebd.: StM an Lietz, 10. Juli 1919.
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mokratischen Wahlvorschlag zurück und erklärte die auf die Partei entfallenen Stimmen für ungültig. Der daraufhin eingeleitete Protest beim Domanialamt blieb, da, so die Partei, von Matthiessen offensichtlich „sehr wenig Interesse und Arbeitslust für die Sache“ habe,247 erfolglos.248 Erneut nahm sich das Ministerium des Innern des Falls an. In einer gemeinsamen Zusammenkunft mit dem Domanialamt und dem Gemeindevorstand wurde die Entscheidung des Wahlvorstands aufgehoben und das Ergebnis der Wahl bestätigt. Die Auseinandersetzung indes dauerte fort. Sie wurde nun jedoch um die Schulzenwahl geführt und endete ebenfalls mit einem Schiedsspruch des Ministeriums des Innern.249 Spannungen zwischen der Dorfversammlung und dem Schulzen ergaben sich jedoch nicht nur aufgrund politischer Differenzen. Insbesondere dort, wo der amtierende Gemeindevorsteher gewählt worden war, entstanden „vielfach [...] Reibereien und Unzuträglichkeiten“, die teilweise erst durch den Rücktritt des Schulzen beendet werden konnten.250 Konflikte barg auch die bereits mit der Wahl erfolgte Amtsent hebung. So verweigerte beispielsweise ein abgewählter Schulze „die Herausgabe der Akten und des Dienstsiegels“ mit der Begründung, er sei vom „Großherzog auf Lebenszeit berufen“ worden und damit noch immer „rechtmäßiger Dorfschulze“. „Wochenlang“, bis zum Eingreifen der Aufsichtsbehörde, regierten zwei Schulzen.251 Über zwei Gemeindevorsteher verfügten in gewisser Weise generell all jene Gemeinden, deren bisheriger Schulze von der Möglichkeit, sein Amt erst zum Oktober 1919 niederzulegen, Gebrauch machte. Problematisch war dies weniger mit Blick auf politische Kompetenzen, als vielmehr in Bezug auf die Gemeindefinanzen. Gegen die unfreiwillige Mehrausgabe, die der Gemeinde aus der Vergütung des alten und des neuen Schulzen erwuchs, richteten die im Domanialamt Warin gelegenen Ortschaften Glasin, Lübberstorf und Perniek eine Eingabe an den Landtag. Darin baten sie, die bis zum Oktober im Amt bleibenden, nicht gewählten bisherigen Schulzen durch den Staat zu entschädigen.252 Das Ministerium des Innern lehnte dies, ebenso wie Übergangsbestimmungen oder zeitweilige Bestellungen, ab und regte eine vorzeitige Amtseinführung des gewählten Schulzen an.253 Damit leistete es der alten Auseinandersetzung zwischen Regierung und Schulzen Vorschub. Eine Wiederbelebung des Protests blieb jedoch aus. Dafür fanden sich individuelle Lösungen. Im Domanialamt Warin etwa ging man zu einer „anteilige[n] Nutzung der Schulzenkompetenz“ über.254 247 Ebd.: Schmidt an MdI, 15. Juli 1919. 248 Vgl. ebd.: Schmidt an MdI, 30. Juni 1919. 249 Vgl. ebd.: MdI an Gemeindevorstand Wöbbelin, 19. Juli 1919; ebd.: Protokoll Verhandlung Gemeindevorstand Wöbbelin, MdI, DA Neustadt, 22. Juli 1919. Vgl. auch ebd.: MdI an Schmidt, 24. Juli 1919. Der so ins Amt gekommene Häusler und spätere Bauunternehmer Karl Bobzin führte dieses nachweislich bis 1929. Vgl. MZ, 9. Aug. 1919; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 136; Staatshandbuch, 1925, T. 2, S. 91; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 103. 250 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Studemund an MdI, 6. Mai 1919. 251 Neumann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 40. Sitzung, 14. Feb. 1922, Sp. 1472. 252 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Gemeindevorstände Glasin, Lübberstorf, Perniek an Landtag, 20. April 1919. 253 Ebd.: MdI an Fensch, 26. Mai 1919. 254 Ebd.: Eichbaum an MdI, 27. Sept. 1919.
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Die Ankündigung der ersten demokratischen Wahlen zu den Gemeindever tretungen des Domaniums sorgte, anders als die Wahlen zu den Bürgerausschüssen der Städte, für heftige Proteste und verdeutlichte die innerhalb der Regierungskoalition bestehenden Differenzen. Bei der Durchführung ereigneten sich, ebenfalls im Gegensatz zu den Städten, häufiger Verzögerungen und formale Fehler, die zur Annullierung des Wahlergebnisses führen konnten. Gleichwohl ist hierbei zu berücksichtigen, dass in einzelnen Städten nach der Wahl Volksbegehren zur vorzeitigen Beendigung der Legislatur des Bürgerausschusses bzw. der Stadtverordnetenversammlung gestellt wurden. Konflikte zwischen dem Gemeindevorstand und dem kommunalen Parlament waren, wie oben gezeigt, ebenfalls kein Alleinstellungsmerkmal der Demokratisierung des Domaniums. Eine parlamentarische Streitkultur zu erlernen war gleichermaßen Aufgabe der Bewohner von Stadt und Land. 5.3.3 Pläne zur Neuordnung Am 15. April 1919, wenige Wochen nach Durchführung der ersten demokratischen Wahlen zu den Gemeindevertretungen des Domaniums, informierten das Ministerium des Innern und die Abteilung Landwirtschaft, Domänen und Forsten des Ministeriums der Finanzen die leitenden Beamten der Domanialämter über die geplante Neuordnung der „domanialen Landgemeinden des Freistaates Mecklenburg-Schwerin“. Den der beabsichtigten Kommunalgebietsreform in den ritterschaftlichen und klösterlichen Gebieten zugrunde gelegten Gedanken aufgreifend, sollten zum einen die „Einzel-Hofgemeinden“, in denen bekanntlich keine Dorfversammlungen bestanden, zum anderen die bislang gemeindlich nicht verfassten Ortschaften – hierbei handelte es sich vor allem um Förstereien, Schmieden und Mühlen – mit benachbarten Dorfgemeinden zusammengeschlossen werden.255 Eine „Verbindung mit ritterschaftlichen oder zum städtischen Besitz gehörigen Landgemeinden“ war, im Gegensatz zu den für die ritterschaftlichen und klösterlichen Gebiete geltenden Grundsätzen vom 7. Dezember 1918, dabei jedoch „nicht beabsichtigt“.256 Umfassende Richt linien, wie sie für die Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform in den Territorien außerhalb des Domaniums erlassen worden waren, gab es darüber hinaus nicht. Neben konkreten Empfehlungen, die gemeinsam mit Verzeichnissen zur Zahl der Hofgemeinden, deren Einwohnern und der Entfernung zum nächsten Ort eingesandt werden sollten, hatten die mittleren Domanialbeamten auch Vorschläge zur Dotierung der neuen Gemeinden mit Land einzureichen.257 Die „von den Ämtern eingeforderten Angaben“ sollten zusammen mit den Berichten der Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken, der Klosterhauptleute und der Räte der Städte das „Material“ zur „Ausarbeitung einer Landgemeindeordnung 255 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 981, Bl. 37: MdI, MfL an DA, 15. April 1919 (Hervorhebung im Original). Von der Neuordnung ausgenommen waren die Landesanstalten Dreibergen, Gehlsheim und Sachsenberg. 256 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 981, Bl. 65–67: DA Güstrow an MfL, 29. April 1919. 257 Vgl. ebd., Bl. 37: MdI, MfL an DA, 15. April 1919. Zur Frage der Dotation vgl. das Kap. 8.2.
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und einer Kreisordnung“ liefern.258 Dass die leitenden Beamten der Domanialämter erst jetzt, fünf Monate später, Stellung zur geplanten Kommunalgebietsreform zu nehmen hatten, mag verwunderlich erscheinen. Zu berücksichtigen ist hier jedoch die fast überall bestehende Personalunion zwischen leitendem Beamten, Kommissar und Vorsitzendem der Kreisbehörde für Volksernährung. Neben ihrer eigentlichen Tätigkeit hatten die betroffenen Beamten Empfehlungen für die Gemeindebildung im ritterschaftlichen und klösterlichen Gebiet abzugeben, die Neuordnung des Domaniums zu planen und die Durchführung von Wahlen zur Nationalversammlung, zum Landtag und zu den kommunalen Vertretungen zu organisieren. Dies alles gleichzeitig zu erledigen war schlicht unmöglich.259 Gleichzeitig, wenn wohl auch nicht bewusst, reagierte die Regierung mit der Anordnung vom 15. April 1919 auf den Einwand einiger Gutsbesitzer, die sich gegen einen Zusammenschluss mit benachbarten Gemeinden gewehrt und dabei betont hatten, dass im Domanium „nicht nur die Pachthöfe, sondern in der Regel auch die kleinsten Erbpachthöfe, wenn sie isoliert liegen, selbständige Gemeinden“ seien.260 Anders als bei den Gutsbesitzern hegten viele Pachthofbesitzer keine „große Abneigung“ gegen die Fusion mit einer Dorfgemeinde. Der Grund dafür lag, so der leitende Beamte des Domanialamtes Stavenhagen, von Abercron, in den „hohen Armenlasten“, die durch „einige Höfe“ zu tragen waren. Gegen deren Übernahme wiederum protestierten, was, so von Abercron, „durchaus zu verstehen“ sei, die Dorf gemeinden. Hinzu käme, dass die in den „schon seit Jahren“ bestehenden kombinierten Dorf- und Hofgemeinden gemachten Erfahrungen „eigentlich nicht zu einer Wiederholung dieser Maßnahme ansporne[n]“. Aus diesem Grund bat von Abercron, der „eingehend“ mit den Vorstehern der betreffenden Ortschaften beraten hatte, „von solchen Zusammenlegungen überhaupt absehen zu wollen“.261 Verhandlungen sowohl mit den Gemeindevorständen als auch mit den Ortsvorstehern der Hofgemeinden führte ferner der leitende Beamte des Domanialamtes Crivitz, Adolf Kittel. Dabei stellte sich ebenfalls „ein einmütiger Widerwille der ersteren“ gegen die Neuordnung heraus, der, so Kittel, „stärker“ sei als der der Hofbesitzer. Neben einem „erhebliche[n] Anwachsen der Armenlasten“ fürchteten die Gemeindevorstände eine „wesentliche Erhöhung ihres Geschäftsbetriebes“. Tatsächlich kam es auf den Höfen „erheblich häufiger“ als im Dorf zu einem Wechsel der Einwohner, insbesondere der ledigen Knechte und (ausländischen) Saisonarbeiter, was eine „grössere Schreib arbeit“ nach sich zog. Darüber hinaus wiesen die Gemeindevorstände, aus der Sicht der Pächter argumentierend, auf die „Unbilligkeit“ hin, dass der Hof „niemals“ im „Verhältnis zu seinen Steuerlasten [...] in der Dorfversammlung vertreten“ sein würde.262 Noch drastischer formulierte es der leitende Beamte des Domanialamtes 258 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: MdI an MfL, 3. April 1919. 259 Vgl. dazu etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 94: DA Grevesmühlen an MdI, 4. Mai 1919; ebd., Bl. 136 und Bl. 148–149: DA Warin an MdI, 5. Juni und 6. Okt. 1919. 260 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 38: Von Oertzen an MdI, 28. Dez. 1918. 261 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 126–128: DA Stavenhagen an MdI, 27. Mai 1919. 262 Ebd., Bl. 103–106: DA Crivitz an MdI, 21. Mai 1919. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 98–99: DA Boizenburg an MdI, 17. Mai 1919. Dort heißt es: Als Mitglied der Dorfversammlung würde der
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Boizenburg, Wildfang. Aufgrund des „neuen“, d. h. demokratischen Wahlmodus’ würden die Pächter „überhaupt nicht in die Versammlung gewählt“ werden.263 Der Vorschlag Wildfangs, den „Hofpächter stets in der Gemeindeversammlung vertreten“ sein zu lassen und ihm eine „der wirtschaftlichen Bedeutung des Pachthofes entsprechende Anzahl von Stimmen“ zu geben,264 fand im Ministerium des Innern freilich keine Berücksichtigung, da er eine Rückkehr zum ständischen Prinzip darstellte. Hier hielt man am demokratischen Grundsatz und damit an der Trennung von politischer und ökonomischer Macht fest. Die sich aus Sicht der Hofbesitzer des Domanialamtes Crivitz aus diesem Missverhältnis ergebenden „ständigen Reibungen“ würden allerdings nicht nur die Hofbesitzer, von denen „manche [...] ihre besten Arbeitskräfte aus dem Dorfe“ hatten bzw. „die dortigen Handwerker und anderes mehr“ in ihrem Wirtschaftsbetrieb beschäftigten, sondern, so Kittel, die Dorfgemeinden „selber am meisten scheuen“.265 Grundsätzlich galt es für die Hofbesitzer, die finanzielle Entlastung, die der Zusammenschluss mit den Dörfern bringen würde, gegen den „Verlust der bisherigen Selbständigkeit“, der gerade in politischer Hinsicht ein „grosses Opfer“ bedeutete,266 abzuwägen. Im Domanialamt Wismar entschied sich die durch den leitenden Beamten, Georg von Prollius, einberufene Versammlung der Hofbesitzer mehrheitlich gegen eine Zusammenlegung mit den Dorfgemeinden. Der daraufhin durch von Prollius eingebrachte Vorschlag, für sämtliche Hofgemeinden einen „körperlich rüstige[n] Sekretär einzustellen, welcher in regelmäßigem Turnus die einzelnen Ortschaften abgehen und dort die laufenden Geschäfte erledigen“ sollte, fand ebenfalls keine Mehrheit; „hauptsächlich wohl, weil die Besoldung eines solchen Beamten nicht ganz billig“ und die von den meisten Pächtern ohnehin beschäftigte Sekretärin dann „ziemlich überflüssig“ wäre. Die Pächter des Domanialamtes Wismar befürworteten stattdessen die Fusion benachbarter Hofgemeinden bzw. im Falle von Hoppenrade die mit dem Rittergut Niendorf.267 Im Domanialamt Ribnitz bestand bei den Hofbesitzern ebenfalls „überall [...] die Neigung“, es bei dem „alten Zustand zu belassen und dem Pächter nach wie vor die gemeindlichen Lasten aufzubürden“.268 Im Domanialamt Grevesmühlen plädierten hierfür auch die Eingesessenen „fast sämtlicher“ Höfe.269 Dass sich die Arbeiter und Angestellten des Pächters gegen eine Pächter „bei gleichen Stimmen aller unter Umständen stets in der Minderheit“ bleiben und hätte sich, obwohl „auch ferner de[n] grössere[n] Teil der Lasten“ tragend, der Mehrheit, selbst wenn dieser „vielleicht [...] völlig das Verständnis für die Lebensinteressen des Hofes“ fehle, zu fügen. 263 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 98–99: DA Boizenburg an MdI, 17. Mai 1919. 264 Ebd. 265 Ebd., Bl. 103–106: DA Crivitz an MdI, 21. Mai 1919. Vgl. auch ebd., Bl.100–101: DA Bützow an MdI, 21. Mai 1919. 266 Ebd., Bl. 98–99: DA Boizenburg an MdI, 17. Mai 1919. 267 Ebd., Bl. 122: DA Wismar an MdI, 26. Mai 1919. Von Prollius hatte, da er „in dieser schwerwiegenden Frage [...] nicht ohne“ die Mitwirkung aller Hofbesitzer vorgehen mochte, mit der Einreichung seiner Empfehlung bis zur Rückkehr des Pächters von Groß Strömkendorf gewartet, der auf „Kur in einem auswärtigen Badeort“ weilte. Ebd. 268 Ebd., Bl. 87: DA Ribnitz an MdI, 9. Mai 1919. 269 Ebd., Bl. 142–143: DA Grevesmühlen an MdI, 17. Juni 1919.
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Zusammenlegung mit den Dorfgemeinden aussprachen, lag nicht allein im Ab hängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber begründet, sondern hatte materielle Gründe. Bislang „zu Gemeindelasten überhaupt nicht herangezogen“, hegten sie die „große Befürchtung“, künftig Abgaben leisten zu müssen, die, ihrer Ansicht nach, nicht ihnen nützlich sein würden, sondern lediglich „Lasten für andere“ seien.270 Eine Abschaffung dieser Sonderregelung könne, so der leitende Beamte des Domanialamtes Bützow, Friedrich Fensch, nur im Wege eines „Ausgleich[s]“ erfolgen.271 Tatsächlich sollte die Steuerfreiheit jedoch, ebenso wie viele andere Sonderregelungen, wenig später im Rahmen der Reichsfinanzreform aufgehoben werden.272 Nicht aus Sicht der Gemeinden, sondern mit Blick auf die Erträge aus den Domänen argumentierte der leitende Beamte des Domanialamtes Güstrow, Havemann, der darauf aufmerksam machte, dass die Zusammenlegung von Hof- und Dorfgemeinden auch auf die „Höhe der Pacht [...] nicht ohne Einfluss“ bliebe. Havemann fürchtete, da die „Pächter selbständig zu sein wünschen“, ein sinkendes Interesse bei Neuverpachtungen bzw. Forderungen nach Korrekturen bestehender Kontrakte.273 Eine bizarr anmutende Begründung, von der Neuordnung des Domaniums Abstand zu nehmen, lieferte schließlich der leitende Beamte des Domanialamtes Neustadt, von Matthiessen, der sich im „Interesse der heutigen politischen Strömung“ gegen die Pläne der Regierung aussprach. Um die Revolution auf das platte Land zu tragen, sei es demnach taktisch klüger, die Hofgemeinden bestehen zu lassen. Eine „nur aus dem Pächter und seinen Tagelöhnern bestehende Gemeinde-Versammlung“ ließe sich nämlich „viel leichter [...] ‚radikalisieren‘“ als eine, die sich „aus Tagelöhnern und den z. T. mit Grundbesitz ansässigen Dörflern“ zusammensetzte.274 Obwohl sämtliche leitenden Beamten grundsätzliche Bedenken hegten, reichten alle innerhalb von drei Monaten mehr oder weniger weitreichende Vorschläge zur Auflösung der insgesamt 216 Einzelhofgemeinden ein.275 Den Ausgangspunkt der Neuordnung bildeten anscheinend, ebenso wie bei den Empfehlungen zur Kom munalgebietsreform in den Gebieten der Ritterschaft und der Klöster, die vorhandenen Schulverbände.276 Dieses Vorgehen ermöglichte es bekanntlich, einzelne Höfe als selbständige Gemeindebezirke auszuweisen bzw. bestehen zu lassen. Tatsächlich sollten nach den Entwürfen der leitenden Beamten die Hofgemeinden in fast allen 270 Ebd., Bl. 100–101: DA Bützow an MdI, 21. Mai 1919. Vgl. auch ebd., Bl. 323: Arbeiter und Einwohner Hof Nesow an DA Gadebusch, 16. Jan. 1920; ebd., Bl. 203–204: DA Ribnitz an MdI, 29. Nov. 1919. Tatsächlich lag eine Befreiung der Eingesessenen von den Gemeindelasten im Ermessen des Pächters und stellte kein allgemeines Privileg dar. Vgl. Kap. 5.3.1, S. 139. 271 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 100–101: DA Bützow an MdI, 21. Mai 1919. 272 Vgl. dazu Kap. 8.1, S. 264–265. 273 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 65–67: DA Güstrow an MfL, 29. April 1919. 274 Ebd., Bl. 58–59: DA Neustadt an MdI, 26. April 1919. 275 Vgl. ebd., passim; Staatskalender, 1917, T. 2, S. 3–83. Aus dem Domanialamt Lübtheen wurde lediglich Fehlanzeige erstattet. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 60: DA Lübtheen an MdI, 2. Mai 1919. 276 Direkt nachgewiesen werden konnte dies für die Domanialämter Doberan und Neubukow. Vgl. ebd., Bl. 108–109: DA Doberan an MdI, 22. Mai 1919; ebd., Bl. 89–92: DA Neubukow an MdI, 13. Mai 1919.
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Fällen für sich bleiben. Selbst dort, wo dies nicht möglich war, suchte man, an den grundsätzlichen Bedenken festhaltend, andere Alternativen zur Fusion mit benachbarten Dorfgemeinden. Im Domanialamt Neubukow etwa sollte, wider die Anweisung des Ministeriums des Innern, domaniale mit ritterschaftlichen oder klösterlichen Ortschaften zusammenzulegen, der Pachthof Gaarzerhof „mit dem nur etwas mehr als 1 km entfernt gelegenen Rittergut Blengow“ vereinigt werden. In der Begründung hieß es, die „wirtschaftlichen Interessen [seien] die gleichen“ und Blengow ebenfalls Schulstandort.277 Im Ministerium des Innern wurden die im offiziellen Sprachgebrauch nur „von einigen Aemtern [...] erhobenen Bedenken“ für „nicht so schwerwiegend“ gehalten, „dass sie zur Bildung selbständiger Gutsbezirke“ zwängen. Im Gegenteil, man hielt an der Auflösung der Einzelhofgemeinden fest. Nur wenige Wochen später, am 24. Oktober 1919, erhielten die leitenden Beamten der Domanialämter erneut den Auftrag, Vorschläge zur Neuordnung des Domaniums einzureichen. Diesmal wurden jedoch zugleich Richtlinien herausgegeben, die sich im wesentlichen an denen zur Gemeindebildung in den ritterschaftlichen und klösterlichen Gebieten vom 7. Dezember 1918 orientierten. So war erstens „unter allen Umständen“ von der Bildung selbständiger Hofbezirke abzusehen. Zweitens konnte „bei vorhandener Gemengelage domanialer Hofgemeinden mit städtischen, ritterschaftlichen oder klösterlichen Besitzteilen“ eine Zusammenlegung mit diesen erfolgen.278 Mit dieser Neuerung wurde allerdings weniger den Einsprüchen der Pächter und leitenden Beamten, sondern der „zerstreuten Lage“ der Höfe Rechnung getragen. Insbesondere im Domanialamt Güstrow schlossen sie häufig an die Ländereien ritterschaftlicher Güter an.279 Anders als in der Richtlinie zur Kommunalgebietsreform in den außerhalb des Domaniums gelegenen Territorien enthielt das Rundschreiben vom 24. Oktober eine Bestimmung zur Einwohnerzahl, die sich auf den wenige Tage zuvor veröffentlichten Entwurf zur Landgemeindeordnung bezog. Dort wurde zum einen die Zahl der Mandate zur Gemeindeversammlung auf mindestens fünf bzw. maximal 21, zum anderen der Delegiertenschlüssel auf je 50 Einwohner pro Gemeindevertreter festgelegt. Demnach sollte eine Landgemeinde nicht weniger als 250 und nicht mehr als 1.050 Einwohner umfassen. In Bezug auf die territorialen Grenzen der Gemeinden hatten sich die leitenden Beamten in bekannter Weise an den bestehenden Schulverbänden zu orientieren. Eine Ausnahme bildeten hierbei die bislang gemeindlich nicht verfassten Ortschaften und Wohnplätze sowie die sogenannten Amtsfreiheiten. Vermutlich auf die Erfahrungen bei der Gemeindebildung in den Kämmereigebieten der Städte zurückgreifend, sollten diese, wo möglich, in die angrenzenden Stadtbezirke eingemeindet werden. Die Frage der Dotation, die im Rahmen der Anordnung 277 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 89–92: DA Neubukow an MdI, 13. Mai 1919. 278 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: MdI an DA, 24. Okt. 1919. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017. 279 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 318–319: DA Güstrow an MdI, 26. Jan. 1920. Tatsächlich waren in den Entwurf des Domanialamtes Güstrow auch die angrenzenden Rittergüter sowie einzelne Ortschaften des Klosteramtes Dobbertin mit einbezogen und deren Ortsobrigkeiten an der Diskussion beteiligt worden. Vgl. ebd. Dies galt ebenso für das Domanialamt Lübz. Vgl. ebd., Bl. 333–335: DA Lübz an MdI, 31. Jan. 1920.
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vom 15. April 1919 noch zu beantworten war, hatten die leitenden Beamten hier, wie in allen anderen Fällen, auszublenden. Neu war schließlich die angesichts der bereits eingegangenen Berichte freilich etwas wunderlich erscheinende Bestimmung, Empfehlungen nur „im Einvernehmen mit den Gemeinden“ zu geben.280 Dieser „Ausdruck [...] im Absatz 3 des Runderlasses“ sorgte unter den leitenden Beamten für einige Unklarheit. So bat von Oertzen um Auskunft darüber, ob „es erforderlich [sei], daß jede Gemeinde den sie betreffenden Vorschlägen des Amts ausdrücklich“ zuzustimmen habe oder ob es genüge, den Gemeinden Mitteilung zu machen und ihnen die Möglichkeit zu geben, „binnen einer angemessenen Frist“ Einspruch zu erheben.281 Aus Sicht des Ministeriums des Innern war eine „förmliche Zustimmung der Gemeinden [...] nicht erforder[lich]“. Kenntnis von den Empfehlungen des Amtes allerdings sollten sie erhalten. Über die entsprechenden Reaktionen, insbesondere „ob und mit welcher Begründung“ sie den Plänen widersprachen, hatten die leitenden Beamten das Ministerium des Innern zu informieren.282 Nur wenige Wochen später, am 9. Dezember 1919, fanden sich auf Anordnung des Ministeriums des Innern sämtliche leitende Beamte der Domanialämter in Schwerin zusammen.283 Hier sollten sie anscheinend einerseits Bericht über die Vorarbeiten zur Neuordnung des Domaniums erstatten, andererseits über den Regierungsentwurf der Landgemeindeordnung unterrichtet werden.284 Ein Protokoll der Versammlung ließ sich nicht ermitteln. Überliefert ist hingegen ein vermutlich in Vorbereitung der Beratung entstandenes Positionspapier des Ministeriums des Innern. Darin wurde gleich an erster Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass „Gemeindebezirke, die nur aus dem Hof bestehen“, mit anderen Ortschaften zusammenzulegen seien. Bei der „Abgrenzung“ der neuen Landgemeinden, so hieß es weiter, solle insbesondere „auf die Schulen Rücksicht“ genommen werden, um „nicht voll ausgenutzte Schulen“ zu vermeiden.285 Anschließend wurde der im Entwurf der Landgemeindeordnung vorgesehene Wahlmodus zur Gemeindeversammlung dis kutiert.286 Hierbei sprachen sich, so der Innenminister Johannes Stelling später, die leitenden Beamten für eine Erhöhung der Mindestzahl an Mandaten von fünf auf sieben aus.287 In diesem Zusammenhang erscheint der kurz darauf durch den leitenden Beamten des Domanialamtes Güstrow, Havemann, eingereichte Vorschlag, in Gemeinden mit unter 300 Einwohnern von der „Bildung eines Gemeinde- Vorstandes“ abzusehen und nur einen Schulzen zu wählen,288 etwas paradox. Tatsächlich stand hierbei allerdings nicht die bereits während des Schulzenprotests 280 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: MdI an DA, 24. Okt. 1919. 281 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 414: DA Doberan an MdI, 11. Dez. 1919. 282 Ebd., Bl. 415: MdI an DA Güstrow, 16. Dez. 1919. Abschrift an alle DA. 283 Vgl. ebd., Bl. 194: MdI an DA, 29. Nov. 1919. 284 Vgl. dazu auch Kap. 6.1, S. 185–186. 285 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 194: MdI an DA, 29. Nov. 1919. 286 Vgl. ebd., Bl. 196–197: Aktennotiz MdI, 3. Dez. 1919 („Für die Aussprache mit den Aemtern am 9. d. Mts.“). 287 Vgl. Stelling, in: Landtag, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1951–1952. 288 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 320–321: DA Güstrow an MdI, 18. Dez. 1919.
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aufgekommene Frage, ob sich genügend Einwohner zur Übernahme politischer Verantwortung bereit fänden, sondern die finanzielle Ausstattung der Kleinstgemeinden im Vordergrund. Mit Blick auf die Gemeindekasse traten die leitenden Beamten in der Beratung am 9. Dezember 1919 auch für die Unentgeltlichkeit der sogenannten Hand- und Spanndienste ein.289 Im Positionspapier des Ministeriums des Innern wurde dieses Problem allerdings nicht diskutiert. Hier finden sich indes Richtlinien für die Dotation der neu zu bildenden Gemeinden mit Land.290 Informiert wurde ferner über die in Aussicht genommene Wiedereinführung des mit der Verordnung vom 11. Januar 1919 eigentlich abgeschafften Amts des Nebenschulzen.291 Indirekt war damit, in gewisser Weise dem Vorschlag Wildfangs folgend, die Möglichkeit geschaffen worden, dem Pächter des Hofs Einfluss auf die Entscheidungen des Vorstands der fusionierten Gemeinde einzuräumen. Die einzige Voraussetzung bildete seine Ernennung zum Nebenschulzen durch den amtierenden Hauptschulzen. Im Anschluss an die Beratung in Schwerin wurden in den Domanialämtern nicht nur „neue Listen“ und „tabellarische [...] Übersicht[en]“ erstellt, sondern diese auch in Amtsversammlungen öffentlich diskutiert.292 Dabei nutzten die Anwesenden häufig die sich ihnen bietende Möglichkeit, grundsätzliche Bedenken zu äußeren.293 Im Domanialamt Güstrow etwa drängten sie, den Delegiertenschlüssel zur Gemeindeversammlung von 50 auf 25 bis 30 Einwohner pro Repräsentant zu senken.294 Aus Sicht des leitenden Beamten des Domanialamtes Wittenburg, Emil Lemcke, war diese Reduzierung jedoch nur bei den ersten 300 Einwohnern notwendig.295 Dieser Einwand, der faktisch ein Ungleichgewicht der Stimmen erzeugt hätte, verweist indirekt auf das beiden Forderungen zugrunde liegende Ziel, die Klein- und Kleinstgemeinden, d. h. vor allem die Höfe, als eigenständige Gemeinden zu erhalten. Nimmt man den vorgeschlagenen Delegiertenschlüssel zum Richtwert, wäre die Bildung von Gemeindebezirken statt, wie vorgesehen, bei 250 bereits bei 125 bzw. 150 Einwohnern möglich. Eine Änderung des Delegiertenschlüssels würde allerdings auch der in den Domanialämtern Bützow, Doberan, Dömitz, Warin und Wittenburg geäußerte Wunsch, die Zahl der Mandate zur Gemeindeversammlung zu erhöhen, nach sich
289 Vgl. Stelling, in: Landtag, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1951–1952. Zu den Hand- und Spanndiensten vgl. Kap. 6.4.2. 290 Vgl. dazu Kap. 8.2. 291 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 196–197: Aktennotiz MdI, 3. Dez. 1919 („Für die Aussprache mit den Aemtern am 9. d. Mts.“). 292 Ebd., Bl. 252–254: DA Boizenburg an MdI, 14. Jan. 1920. Vgl. dazu u. a. auch ebd., Bl. 207– 209: DA Crivitz an MdI, 6. Jan. 1920; ebd., Bl. 210–222: DA Gadebusch an MdI, 9. Jan. 1920; ebd., Bl. 333–335: DA Lübz an MdI, 31. Jan. 1920. 293 Ebd., Bl. 226–233: DA Grevesmühlen an MdI, 9. Jan. 1920; ebd., Bl. 244–246: Protokoll Amtsversammlung DA Dömitz, 13. Jan. 1920 (Abschrift). Vgl. exemplarisch auch ebd., Bl. 363: DA Warin an MdI, 19. Feb. 1920. 294 Vgl. ebd., Bl. 320–321: DA Güstrow an MdI, 18. Dez. 1919. 295 Vgl. ebd., Bl. 299–301: DA Wittenburg an MdI, 16. Jan. 1920.
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ziehen.296 Anders als es zunächst scheinen mag, baten die Gemeinden jedoch nicht um eine Vergrößerung des Gremiums, sondern um die Aufrechterhaltung der be stehenden individuellen Bestimmungen. Diesen gegenüber bedeutete die im Entwurf der Landgemeindeordnung enthaltene arithmetische Regelung eine „nicht unwesentlich[e]“ Beschränkung der Zahl der Sitze.297 Im Domanialamt Dömitz etwa saßen bislang mindestens sieben, maximal 19 Personen in den Dorfversammlungen, künftig hingegen würden es fünf, maximal 13 Vertreter sein.298 Damit wäre jedoch, so die Kritik der Einwohner, das Gremium nicht mehr in der Lage, sämtliche „Klassen der Bevölkerung“ zu repräsentieren299 und nur noch in „unvollkommenem Grade“ Abbild der in der „Gemeinde vorhandenen Anschauungen“.300 Neben diesem Argument, das auf dem ständischen Prinzip beruhte, in der bisherigen Umsetzung aber bekanntlich auch einzelne Bevölkerungsschichten ausschloss, brachte Lemcke einen weiteren Einwand gegen den beabsichtigten einheitlichen Delegiertenschlüssel vor. In Gemeinden mit 250 Einwohnern würden, so der leitende Beamte, in der Dorfversammlung „außer dem Gemeindevorstand [...] nur zwei Mitglieder vorhanden“ und damit das Parlament selbst hinfällig sein.301 Tatsächlich folgte das Ministerium des Innern den Einsprüchen. Im Entwurf der Landgemeindeordnung hieß es nun, die Gemeindeversammlung habe aus mindestens sieben Personen zu bestehen. An der transparenten und einheitlichen arithmetischen Regelung indes wurde festgehalten.302 Die Auseinandersetzung um die für angemessen erachtete Zahl an Sitzen im Gemeindeparlament konnte dieser Kompromiss jedoch nicht beenden. Galt sie anfänglich als zu niedrig, engagierten sich später insbesondere Vertreter der konservativen Parteien für eine deutliche Reduzierung der Mindest- und Höchstzahlen sowie eine Erhöhung des Delegiertenschlüssels.303 Im Frühjahr 1920 setzte sich lediglich der leitende Beamte des Domanialamtes Doberan, von Oertzen, für eine „möglichst geringe Anzahl“ von Mandaten ein. Er entsprach damit dem Wunsch von acht Gemeinden seines Amtsbezirks.304 Kritik übten die Einwohner des Domaniums ferner an den finanziellen Folgen der Neuordnung. Neben finanzrechtlichen Problemen, die bei einer sich etwa im Domanialamt Grevesmühlen „mehrfach“ ergebenden Zusammenlegung wohlhabender und ärmerer Gemeinden entstehen würden,305 stand dabei vor allem die bereits 296 Vgl. ebd., Bl. 293–295: DA Bützow an MdI, 14. Jan. 1920; ebd., Bl. 255: DA Doberan an MdI, 13. Jan. 1920; ebd., Bl. 244–245: DA Dömitz an MdI, 13. Jan. 1920; ebd., Bl. 363: DA Warin an MdI, 19. Feb. 1920; ebd., Bl. 299–301: DA Wittenburg an MdI, 16. Jan. 1920. 297 Ebd., Bl. 244–245: DA Dömitz an MdI, 13. Jan. 1920. 298 Vgl. ebd., Bl. 251: „Zusammensetzung der Gemeindeorganisation“ im DA Dömitz, 13. Jan. 1920. 299 Ebd., Bl. 299–301: DA Wittenburg an MdI, 16. Jan. 1920. 300 Ebd., Bl. 244–245: DA Dömitz an MdI, 13. Jan. 1920. 301 Ebd., Bl. 299–301: DA Wittenburg an MdI, 16. Jan. 1920. 302 Vgl. dazu Kap. 6.1, S. 181 und Kap. 6.2, S. 187. 303 Vgl. dazu Kap. 6.4.1, S. 226–229. 304 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 255: DA Doberan an MdI, 13. Jan. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 261: Protokoll Gemeindeversammlung Arendsee, 22. Dez. 1919. 305 Ebd., Bl. 226–233: DA Grevesmühlen an MdI, 9. Jan. 1920.
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erwähnte Befürchtung der Dorfgemeinden, die Armen-, Schul- und Wegelasten der Hofgemeinden übernehmen zu müssen, im Vordergrund.306 Um welche Dimensionen es sich dabei handeln konnte, zeigt das Beispiel der Gemeinde Boitin im Domanialamt Bützow. Das Dorf wurde in den 1880er Jahren vom Pachthof Boitin abgetrennt und konnte seitdem, so der Gemeindevorstand, nicht nur sämtliche Schulden abbauen, sondern darüber hinaus eine Rücklage von 5.000 Mark bilden.307 Einer Schätzung der Gemeindevorstände des Domanialamtes Lübz zufolge würde selbst, wenn es zu der durch die Regierung in Aussicht gestellten „Neu- und Nachdotation“ fusionierter Gemeinden sowie aufgrund der Reichsfinanzreform zu steigenden Steuereinnahmen käme, eine Verschlechterung der finanziellen Situation der Dorfgemeinden nicht zu vermeiden sein.308 Tatsächlich hatten die Pächter nicht nur mit einer Entlastung zu rechnen, sondern konnten, da mit der Einführung der Selbstverwaltung eine Trennung von Privatbetrieb und politischer Gemeinde erfolgen würde, davon ausgehen, dass sämtliche bislang durch sie als Ortsobrigkeit getragenen Kosten von den neu gebildeten Gemeinden zu übernehmen waren. Dass dies sogar erwartet wurde, zeigt die Erklärung des Besitzers des Ritterguts Klocksin, seinen Altenteilern nach dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung „keine Unterstützung in Geld oder Naturalien mehr“ gewähren zu wollen.309 Als Inhaber größerer Flächen an Grund und Boden sollten die Großgrundbesitzer jedoch zu den Hauptsteuerzahlern der sich in erster Linie durch die Grundsteuer finanzierenden Kommunen werden.310 Problematisch blieb indes vor allem die Übernahme der Armenlasten, die zwar auf reichs- und landesgesetzlich festgelegten Standards beruhte,311 in gewisser Weise jedoch keine gemeindliche, sondern eine betriebsinterne Angelegenheit darstellte, d. h. eine Zahlung des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und keine sich aus Abgaben oder Steuern finanzierende kommunale Leistung war. Zumindest hier hätten die Pächter, ebenso wie die Gutsbesitzer, zu einem Ausgleich gezwungen werden können. Entsprechende Ansätze insbesondere sozialdemokratischer Politiker konnten sich jedoch nicht durchsetzen.312 Für die Pächter bedeutete der Fortfall dieser Kosten zunächst einen Gewinn, der bekanntlich Teile von ihnen eine Fusion mit Dorfgemeinden befürworten ließ.313 Mit ihrer Entscheidung stießen sie allerdings, wie erwähnt, auf den Widerstand der Hofeingesessenen, die, den Verlust von Privilegien fürchtend, häufig „Gegner einer 306 Vgl. ebd., Bl. 252–254: DA Boizenburg an MdI, 14. Jan. 1920; ebd., Bl. 226–233: DA Grevesmühlen an MdI, 9. Jan. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 434: Gemeindevorstand Göllin an DA Bützow, 2. Jan. 1920. 307 Vgl. ebd., Bl. 431–432: Protokoll Dorfversammlung Boitin, 2. Jan. 1920 (Abschrift). Vgl. auch ebd., Bl. 430: Gemeindevorstand Boitin an DA Bützow, 3. Jan. 1920. 308 Ebd., Bl. 337: Protokoll Amtsversammlung DA Lübz, 31. Jan. 1920 (Abschrift). Vgl. auch ebd., Bl. 333–335: DA Lübz an MdI, 31. Jan. 1920. 309 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7782: Von Bülow-Trummer an MdI, 1. Mai 1921. 310 Vgl. dazu Kap. 8.3. 311 Vgl. dazu Baller: Armenwesen, S. 1–29, besonders S. 3–7; Bierstedt, Amtsführung, S. 40–49. 312 Vgl. dazu Kap. 6.4.2, S. 241. 313 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 352–354: DA Schwerin an MdI, 9. Feb. 1920.
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solchen Zusammenlegung“ waren.314 So wollten etwa die Arbeiter der Pachthöfe Glambeck und Wolken im Domanialamt Bützow, nachdem sie die Vorschläge des Amtes „ohne Beisein des Ortsvorstandes unter sich beraten“ hatten, weder auf ihre Befreiung von den Gemeindelasten noch auf das jedem Haushalt zustehende Deputat von 50 Zentnern Korn verzichten. Behalten wollten sie ferner ihren Anspruch auf „genügend Garten- und Kartoffelland“.315 Die den Hofeingesessenen in Aussicht gestellte Nutzung der „Kompetenzländereien“ des Dorfes wurde von ihnen, ebenso wie von den Einwohnern anderer Höfe, nicht als Ausgleich anerkannt.316 Zum einen erhielten sie, wie erwähnt, „alle zur Versorgung ihrer Hauswirtschaft nötigen Natu ralien vom Arbeitsgeber teils unmittelbar, teils in Form von Kuhhaltung und Ackernutzung“, zum anderen war ihnen eine Bewirtschaftung der Kompetenzen schlicht nicht möglich. Hierzu fehlte ihnen nicht nur die eigene „Anspannung“, ein Problem, das etwa durch die Anmietung der Zugtiere des Arbeitgebers oder der Dorfbewohner hätte gelöst werden können, sondern auch die Gelegenheit. Die „Bestellung eigner Ländereien“ würde nämlich „gerade in den wichtigsten und dringendsten Zeiten die ordnungsmäßige Erledigung der Arbeiten des Gutsbetriebes“ verhindern und deshalb, wollte man dort seine Anstellung nicht verlieren, unterlassen werden müssen. 317 Neben den drohenden materiellen Einbußen kritisierten die Hofeingesessenen die notwendig werdende, sich aus ihrer Sicht jedoch „sehr nachteilig und verschleppend“ auswirkende Bürokratisierung. Künftig müssten sie „mit jeder Kleinigkeit zu einem Gemeindevorstand eines anderen Ortes“ gehen.318 Ferner fürchteten die Hof eingesessenen, dass die Gemeindeversammlung „fast ausschließlich oder sogar völlig aus den Bewohnern“ des Dorfes bestehen und dies zu einer „Majorisierung“ des Hofs führen würde.319 Zu erwarten sei dies insbesondere während der ersten drei Jahre, da mit der Kommunalgebietsreform keine Neuwahlen zu den Gemeindevertretungen verbunden waren,320 die Höfe also „völlig unvertreten [...] und [...] ohne Einfluß“
314 Ebd., Bl. 337: Protokoll Amtsversammlung DA Lübz, 31. Jan. 1920 (Abschrift). 315 Ebd., Bl. 433: Ortsvorstand Glambeck an DA Bützow, 3. Jan. 1920; ebd., Bl. 445: Ortsvorstand Wolken an DA Bützow, 30. Dez. 1919. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 528–529: Einwohner Hof Mamerow an Landtag, 23. Nov. 1920; ebd., Bl. 537: Einwohner Hof Küsserow an Landtag, 24. Feb. 1920. 316 Ebd., Bl. 293–295: DA Bützow an MdI, 14. Jan. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 429: Ortsvorstand Boitin an DA Bützow, 2. Jan. 1920. 317 Ebd., Bl. 293–295: DA Bützow an MdI, 14. Jan. 1920. 318 Ebd., Bl. 203–204: DA Ribnitz an MdI, 29. Nov. 1919. Vgl. auch ebd., Bl. 252–254: DA Boizenburg an MdI, 14. Jan. 1920; ebd., Bl. 226–233: DA Grevesmühlen an MdI, 9. Jan. 1920; ebd., Bl. 554–555: Einwohner Pachthof Steinbeck an Landtag, 8. März 1920. 319 Ebd., Bl. 337: DA Lübz an MdI, 31. Jan. 1920. 320 Einen indirekten Hinweis, dass im Anschluss an die Kommunalgebietsreform eine Neuwahl der bereits gewählten Gemeindevertretungen zumindest angedacht war, gibt allerdings der in den Übergangsbestimmungen der Landgemeindeordnung enthaltene § 70, nach dem die Wahldauer der „zur Zeit im Amte befindlichen Gemeindevertreter [...] mit dem Schlusse des Jahres 1921“ enden sollte. Vgl. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 765, § 70. Die Bestimmung wurde jedoch bereits im Frühjahr 1921 wieder aufgehoben. Vgl. dazu Kap. 6.4.1, S. 233–234.
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bleiben würden.321 Um dies zu verhindern, forderten die Pächter der Domanialämter Bützow und Grabow, den „Angehörigen der bisherigen Hofgemeinden“ in der Gemeindeversammlung eine „bestimmte Zahl von [...] Vertretern“ zuzugestehen.322 In modifizierter Form tauchte damit der bereits durch Wildfang geäußerte Vorschlag wieder auf. In den Dörfern allerdings wünschte man keine Erweiterung der Kommunalparlamente, sondern bat „übereinstimmend [...], die Zahl der Gemeindevertreter auch nach der Vereinigung mit den Höfen in gleicher Höhe wie bisher zu belassen“.323 Die Beibehaltung der bestehenden individuellen Regelungen bzw. eine Erhöhung der im Entwurf der Landgemeindeordnung enthaltenen Mindestzahl hielt der leitende Beamte des Domanialamtes Wittenburg, Lemcke, ebenfalls für ausreichend, bot sie doch eine „größere Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass „auch die Höfe in der Gemeindeversammlung vertreten“ sein würden.324 Beide Einsprüche ignorierten freilich, dass eine Neuwahl vorläufig nicht vorgesehen war. Unberücksichtigt blieb, zumindest bei Lemcke, auch der sich hinter der Forderung nach festen Kontingenten verbergende Wunsch einer gerechten bzw. paritätischen „Verteilung der Vertreter auf die einzelnen Ortschaften“.325 Die Hofeingesessenen glaubten allerdings selbst im Fall einer gleichberechtigten Besetzung des Gremiums nicht an konstruktive Lösungen bestehender Probleme, sondern rechneten, da ihre Interessen gegenüber denen der größtenteils grundbesitzenden Dorfbewohner „zu verschieden“ seien,326 nur mit unproduktiven Kompromissen.327 Die dem Parlamentarismus entgegengebrachte Skepsis konnte, so der leitende Beamte des Domanialamtes Lübz, Studemund, auch durch Verweis auf die Möglichkeit, einen Nebenschulzen einzusetzen oder sich beschwerdeführend an die übergeordneten Behörden oder den Landesverwaltungsrat zu wenden, nicht entkräftet werden.328 Gänzlich gegen eine insbesondere aktive Beteiligung der Hofeingesessenen an den politischen Gremien sprachen sich die Pächter des Domanialamtes Grevesmühlen aus. Sie sahen „ihre Arbeiter“ durch die Übernahme von Gemeindeämtern nur „der Arbeit entzogen“ und prophezeiten „unhaltbare [...] Zustände“ in der Betriebsführung, die sich auch auf die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung auswirken würden.329 Aufgrund der geschilderten Einwände erscheint es nicht verwunderlich, dass in den Domanialämtern Gadebusch, Schwaan, Stavenhagen und Toitenwinkel sowohl „Vertreter der Hofgemeinden“ als auch „sämtliche in Betracht kommenden Gemeinden [...] einmütig gegen eine Zusammenlegung von Hof- und Dorfgemeinden“
321 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 363: DA Warin an MdI, 19. Feb. 1920. 322 Ebd., Bl. 313: DA Grabow an MdI, 22. Jan. 1920. 323 Ebd., Bl. 210–222: DA Gadebusch an MdI, 9. Jan. 1920. 324 Ebd., Bl. 299–301: DA Wittenburg an MdI, 16. Jan. 1920. 325 Ebd., Bl. 293–295: DA Bützow, Suhm an MdI, 14. Jan. 1920. 326 Ebd., Bl. 293–295: DA Bützow an MdI, 14. Jan. 1920. 327 Vgl. ebd., Bl. 252–254: DA Boizenburg an MdI, 14. Jan. 1920. 328 Vgl. ebd., Bl. 337: DA Lübz an MdI, 31. Jan. 1920. 329 Ebd., Bl. 226–233: DA Grevesmühlen an MdI, 9. Jan. 1920.
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votierten.330 Im Domanialamt Bützow wehrten sich mit Ausnahme einer Hofgemeinde ebenfalls „alle Beteiligten mehr oder weniger nachdrücklich gegen die Ausführung der geplanten Massnahmen“.331 Auf dem Pachthof Ulrikenhof indes hatten sich nur die „Arbeiter mit der Zusammenlegung von Hof und Dorf Moltenow [...] einverstanden“ erklärt. Der Pächter selbst war „entschieden dagegen“.332 Dieses Beispiel stellt aufgrund der beschriebenen Interessenlagen eine Ausnahme dar. Gleichzeitig liefert es einen ersten, aber auch einzigen indirekten Beweis für die Annahme der Regierung, dass sowohl die Hofeingesessenen als auch die Hintersassen ihre Position gegenüber dem Pächter bzw. Gutsbesitzer nur durch ein Bündnis mit der Dorfbevölkerung stärken könnten und aus diesem Grunde eine Auflösung der Hof- bzw. Gutsbezirke notwendig und gewünscht sei. Vor diesem Hintergrund muss die zum Ausgangspunkt der Kommunalgebietsreform in und außerhalb des Domaniums genommene Einschätzung als falsch bezeichnet werden. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, dass die Vorarbeiten in weitgehender „Unkenntnis des Inhalts der künftigen Gemeindeordnung“ erfolgten,333 d. h. man einen Verzicht auf bestehende Rechte forderte, ohne Argumente dafür zu haben. So sah sich etwa der leitende Beamte des Domanialamtes Schwaan, Friedrich Jentz, „nicht in der Lage, den Widerspruch der beteiligten Gemeinden durch einleuchtende Gründe zu entkräften“. 334 Aus dieser Unkenntnis ergab sich eine generelle „Abneigung gegen die Vereinigung mit einer anderen Gemeinde“,335 die, dies zeigt sich vor allem in der Kritik an möglicherweise drohenden finanziellen Einbußen, in einem Bedürfnis nach Sicherheit begründet lag. Ausschlaggebend beim Votum für oder wider die Fusion waren somit nicht nur die konkrete Situation der Gemeinde, sondern auch, vielleicht sogar in erster Linie, die Überzeugungskraft und das Verhandlungsgeschick der leitenden Beamten. Tatsächlich scheint dort, wo diese nicht zuletzt aufgrund eigener Bedenken fehlten, eine ablehnende Haltung zu überwiegen. Eine genaue Auswertung ist anhand der überlieferten Berichte jedoch nicht möglich. Nachgewiesen werden kann indes ein gewisser Widerstand einzelner leitender Beamter. So informierte etwa Friedrich Fensch die Gemeindevorstände und Ortsvorsteher im Domanialamt Bützow nicht nur über die in seiner Behörde erarbeiteten Vorschläge, sondern auch darüber, dass er es „für seine Pflicht gehalten“ habe, dem Ministerium des Innern die „gewichtigen Bedenken, die nach seiner Auffassung gegen die geplante Neuregelung“ sprachen, darzulegen und forderte nun, seitens der Gemeinde Widersprüche einzulegen.336 Zu einem Engage330 Ebd., Bl. 342–345: DA Toitenwinkel an MdI, 31. Jan. 1920. Vgl. ebd., Bl. 210–222: DA Gadebusch an MdI, 9. Jan. 1920; ebd., Bl. 306–308: DA Schwaan an MdI, 20. Jan. 1920; ebd., Bl. 326: DA Stavenhagen an MdI, 29. Jan. 1920. 331 Ebd., Bl. 293–295: DA Bützow an MdI, 14. Jan. 1920. 332 Ebd., Bl. 442: Ortsvorstand Ulrikenhof an DA Bützow, 4. Jan. 1920. 333 Ebd., Bl. 207–209: DA Crivitz an MdI, 6. Jan. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 252–253: DA Boizenburg an MdI, 14. Jan. 1920. Dort heißt es, die Ausarbeitung und Vermittlung von Empfehlungen zur Neuordnung sei durch die „Unübersehbarkeit der jetzigen und künftig zu übernehmenden Verpflichtungen“ erschwert. 334 Ebd., Bl. 306–308: DA Schwaan an MdI, 20. Jan. 1920. 335 Ebd., Bl. 207–209: DA Crivitz an MdI, 6. Jan. 1920. 336 Ebd., Bl. 438: DA Bützow an Gemeindevorstände, 20. Dez. 1920.
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ment gegen die Neuordnung ermunterten ferner die leitenden Beamten der Domanialämter Boizenburg und Güstrow, die sich „im Interesse der Selbstverwaltung und der freiheitlichen Entwickelung“ gegen eine Auflösung der Pachthöfe wandten und für ein „Festhalten der Dorfgemeinde[n] an [ihr]er bisherigen Selbständigkeit“ eintraten.337 Von der Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, wurde im Domanialamt Güstrow allerdings kaum Gebrauch gemacht. Lediglich fünf Gemeinden „rekla miert[en]“ die Zusammenlegung mit anderen Ortschaften.338 Neben den geschilderten Fällen lässt sich aber auch ein Beispiel echter Überzeugung für das Regierungsprojekt finden. Unter der Voraussetzung, dass „alle Beteiligten [...] für die Interessen des anderen Teils Entgegenkommen und Verständnis zeigen“, erwartete der leitende Beamte des Domanialamtes Lübz, Studemund, eine „segensreiche und gedeihliche“ Entwicklung der miteinander verbundenen Gemeinden. Aus diesem Grunde führte er zunächst „Verhandlung[en] mit den beteiligten Gemeinde-Vorständen, Gutsobrigkeiten und dem Klosteramt Dobbertin“ und, nachdem „vielfach Bedenken und ablehnende Erklärungen“ abgegeben worden waren, mit den Kritikern nochmals „mündliche [...] Verhandlung[en]“.339 Ob sich die Vertreter der insgesamt 24 Gemeinden überzeugen ließen, ist indes nicht bekannt.340 Überliefert ist hingegen das Votum der im Domanialamt Doberan betroffenen 52 Ortschaften, von denen 20 für die Pläne des Amtes stimmten.341 Im Domanialamt Dargun hatte sich gar sowohl „ein großer Teil“ der Pächter als auch „ein größerer Teil der Gemeindevorstände [...] mündlich“ mit den dort erarbeiteten Vorschlägen „einverstanden erklärt“.342 Ähnlich verhielt es sich im Domanialamt Warin, wo sich lediglich vier Dorfgemeinden „entschieden gegen eine Zusammen legung mit den benachbarten Hofgemeinden“ ausgesprochen hatten.343 Eine noch größere Zustimmung erlebte schließlich der Entwurf des Domanialamtes Wittenburg. Hier waren „nur seitens des Gemeindevorstandes zu Dorf Dümmerstück und des Ortsvorstehers zu Hof Dümmerstück Bedenken geltend gemacht“ worden.344 Ähnlich wie bei den Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform in den ritterschaftlichen und klösterlichen Gebieten lässt sich auch bei den Vorbereitungen zur Neuordnung des Domaniums ein Missverhältnis zwischen den Vorstellungen der 337 Ebd., Bl. 252–254: DA Boizenburg an MdI, 14. Jan. 1920; ebd., Bl. 318–319: DA Güstrow an MdI, 26. Jan. 1920. 338 Ebd., Bl. 318–319 und Bl. 330: DA Güstrow an MdI, 26. und 29. Jan. 1920; ebd., Bl. 349: . Einwohner Neu-Sammit an Kreisbehörde für Volksernährung Güstrow, 20. Jan. 1920; ebd., Bl. 350: Ortsvorstand Alt-Sammit an DA Güstrow, 30. Jan. 1920; ebd., Bl. 351: Gemeindevorstand Mölln an DA Güstrow, 17. Feb. 1920. 339 Ebd., Bl. 333–335: DA Lübz an MdI, 31. Jan. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 316: DA Lübz an MdI, 25. Jan. 1920. 340 Vgl. ebd., Bl. 337: Protokoll Amtsversammlung DA Lübz, 31. Jan. 1920 (Abschrift). 341 Vgl. ebd., Bl. 260–292: Einsprüche Gemeindevorstände und Ortsvorsteher DA Doberan, 1919/20. 342 Ebd., Bl. 358 und Bl. 367: DA Dargun an MdI, 11. und 25. Feb. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 368: DA Dargun an MdI, 10. März 1920. 343 Ebd., Bl. 363: DA Warin an MdI, 19. Feb. 1920. 344 Ebd., Bl. 299–301: DA Wittenburg an MdI, 16. Jan. 1920.
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Regierung, ihrer Beamten und der betroffenen Bevölkerung feststellen. Dass der Runderlass vom 15. April 1919 mehr noch als der vom 7. Dezember 1918 auf Kritik stieß, lag zum einen an den den Vorstellungen der Regierung widersprechenden, langjährigen Erfahrungswerten, über die – im Gegensatz zu den Kommissaren für die ritterschaftlichen Landgüter – die altgedienten leitenden Beamten der Domanialämter verfügten. Zum anderen wirkten sich die fehlenden bzw., denkt man an die vorgegebene Beschränkung auf Fusionen mit domanialen Ortschaften, hinderlich wirkenden Richtlinien nachteilig auf das Regierungsvorhaben aus. Als drittes ist die Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung zu nennen, die weit mehr noch als bei den Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform in den Territorien der Ritterschaft und der Klöster an der Erarbeitung der Entwürfe beteiligt und zur Artikulation ihrer Bedenken und ihres Protests aufgerufen wurde. Dies geschah allerdings nicht nur auf Initiative der leitenden Beamten. Es war, das ernsthafte Bestreben der Regierung, das Recht der freien Selbstverwaltung einführen zu wollen, verdeutlichend, seitens der Ministerien ausdrücklich erwünscht. Dass während der Vorarbeiten zur Neuordnung des Domaniums ebenso wie in den Gebieten außerhalb des ehemals landesherrlichen Territoriums verfassungs- und verwaltungsrechtliche Fragen ausgeklammert werden sollten, erwies sich jedoch mit Blick auf das Ziel, Gemeindebezirke zu schaffen, die ein politisches Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten des platten Landes ermöglichen, nicht dienlich. Wie nachträglich versucht hätte man erst Richtlinien erstellen, diese sowie die sich daraus ergebenden Fragen und Probleme mit den leitenden Beamten diskutieren und anschließend Vorschläge erarbeiten lassen sollen. Um dem Anspruch nach freier Selbstverwaltung gerecht zu werden hätte dann ein sich auf Fakten, nicht Visionen stützendes Werben um Zustimmung unter den Gemeindeangehörigen und endlich eine Abstimmung in den einzelnen Ortschaften folgen müssen. Ein solches Vorgehen war zu dem Zeitpunkt allerdings aufgrund des Standes der Vorarbeiten bzw. der noch nicht beendeten parlamentarischen Debatte zur Landgemeindeordnung nicht möglich. Das übereilt erscheinende Vorgehen bei der Vorbereitung der Kommunalgebietsreform – sowohl inner- als auch außerhalb des Domaniums – sorgte jedoch auch dafür, dass die Bedenken der leitenden Beamten bzw. der Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter ebenso wie die von ihnen aus der Bevölkerung weitergeleiteten Befürchtungen Berücksichtigung in der Diskussion des Landtags fanden.
6. Die Landgemeindeordnung 6.1 Vorarbeiten und erste Diskussionen Ende Januar 1919, noch vor den ersten Beratungen zur Städteordnung, erbat das Ministerium des Innern bei der Mecklenburgischen Gesandtschaft Auskunft darüber, ob bereits in anderen Bundesstaaten „Entwürfe zu einer [...] Landgemeindeordnung“ vorlägen.1 Sämtliche Anfragen wurden jedoch, mit Ausnahme des Bayerischen Ministeriums, das über den Beginn von Vorarbeiten berichtete, 2 negativ beschieden.3 In den meisten Ländern bestand nicht die Notwendigkeit eines größeren Gesetzwerkes, da die im 19. Jahrhundert eingeführten Kommunalverfassungen, wie etwa in der Provinz Sachsen,4 durch bloße Verordnungen an die bestehenden Forderungen nach Demokratie und Selbstverwaltung angepasst werden konnten. In Bayern hingegen, wo einzelne unterschiedlich verfasste Gebietsteile erst zu einem einheitlichen Staat zusammengeführt werden mussten, bot sich eine prinzipielle Neuordnung an.5 Dies galt auch für Thüringen und natürlich für die beiden mecklenburgischen Staaten. Während in Mecklenburg-Schwerin die Vorarbeiten zur Landgemeindeordnung parallel mit denen zur Verfassung begannen und beide Gesetze fast zeitgleich verabschiedet wurden,6 erhielten die ländlichen Kommunen sowohl in Thüringen als auch in Mecklenburg-Strelitz ihre Konstitutionen erst ein Jahr nach Erlass der dortigen Landesverfassungen.7 Dass in Mecklenburg-Schwerin die Arbeiten an der Landgemeindeordnung so frühzeitig begannen, scheint auf die Initiative des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten zurückzuführen zu sein. Bereits im Februar 1919 hatte der Verein eine Kommission gebildet, vor der auch die mit der Ausarbeitung des Regierungsentwurfes betrauten Ministerialbeamten Wilhelm Brückner, Erich Schlesinger und Hans Schwaar referierten.8 Dass es, anders als vor diesem Hintergrund und 1 2 3 4 5 6 7
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LHAS, 5.12-3/1, Nr. 944: Mecklenburgische Gesandtschaft an MdI, 31. Jan. 1919. Vgl. ebd.: Bayerische Gesandtschaft an Mecklenburgische Gesandtschaft, 8. Feb. 1919. Vgl. ebd.: Mecklenburgische Gesandtschaft an MdI, 31. Jan. 1919. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644., Bl. 324–325: StM Provinz Sachsen an MdI, 30. Juli 1928. Vgl. dazu auch Gemeinde-, Stadt- und Dorf-Ordnung für das Herzogthum Anhalt, 1878. Vgl. Bayerisches Gesetz über die Selbstverwaltung, 1919. Zwischen den Abstimmungen über die Gesetze lagen lediglich drei Tage. Vgl. Verfassung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin. Vom 17. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 92, 10. Juni 1920, S. 653– 671; Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 727–766. Vgl. dazu Landesgrundgesetz von Mecklenburg-Strelitz vom 29. Januar 1919, in: MecklenburgStrelitzscher Amtlicher Anzeiger, Nr. 20, 31. Jan. 1919, S. 147–159; Landgemeindeordnung für den Freistaat Mecklenburg-Strelitz vom 13. Februar 1920, in: Ebd., Nr. 20, 18. Feb. 1920, S. 109–131; Verfassung Thüringen, 1921. Für die Gemeinde- und Kreisordnung vom 20. Juli 1922 vgl. Hermann und Nockher: Gemeinde. Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Bund der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten an StM, 31. März 1919. Ob die drei als Mitglieder oder externe Berater sprachen, ließ sich nicht ermitteln.
Die Landgemeindeordnung
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mit Blick auf die Einführung der Klostergemeindeordnung im Jahr 1912 vielleicht zu erwarten, zu keiner bloßen Übertragung der revidierten Gemeindeordnung von 1869 auf die Gebiete außerhalb des Domaniums kam, ist nicht zuletzt auf den unter einem großen Teil der Bevölkerung des platten Landes verbreiteten Wunsch, die noch bestehenden (halb)feudalen Verhältnisse aufzuheben, zurückführen. Deutlich wird dieses Verlangen etwa in der Petition des Vorstandes des Mecklenburgischen Dorfbundes, der aus dem Zusammenschluss des Vereins für domaniale Interessen, des Mecklenburgischen Landesschulzenvereins und des Mecklenburgischen Bauernvereins entstanden war.9 Hier wurde einerseits recht unspezifisch verlangt, die „alte Gemeindeordnung sofort“ außer Kraft zu setzen und eine „der neuen Zeit und der jetzigen Entwicklung Rechnung“ tragende einzuführen, andererseits ganz konkret gefordert, die „observanzmäßigen Küster- und Pfarrlasten“, die auf einzelnen Grundstücken lagen und von deren Eigentümern an die Kirche abzuführen waren, sowie die „Hand- und Spanndienstpflicht“, die die Landbevölkerung u. a. zur Pflege der Wege und Gräben zu leisten hatten, aufzuheben. Ferner trat der Dorfbund für eine entschädigungslose Übertragung der Jagd- und Fischereirechte an die Gemeinden und die Umwandlung des Erbpachtrechtes in ein freies Eigentumsrecht ein.10 Um eine Neuordnung baten auch die Erbpächter und Büdner aus 136 domanialen Dorfgemeinden. Den Hintergrund bildet hier die Verordnung vom 11. Januar 1919, durch die bekanntlich die ständische Zusammensetzung der Gemeindevertretungen aufgehoben worden war.11 Als Ausgleich für den damit verbundenen Verlust ihrer Privilegien forderten die Erbpächter und Büdner, ihnen die bislang allein durch sie getragenen „Gemeindelasten [...], besonders die Wegelasten, Gemeindefuhren, sowie die Hand- und Spanndienste“ abzunehmen und „mit den Unkosten“ die gesamte Gemeinde zu belasten.12 Als das Staatsministerium am 28. März 1919 seine Vorstellungen zur Neuordnung der Kommunalverwaltung dem Verfassungsausschuss und erstmals auch der Öffentlichkeit präsentierte, wurden hingegen weder Fragen des politischen Aufbaus der als „Grundlage der [allgemeinen] Neuordnung“ bezeichneten Gemeinden noch eine Änderung der agrarrechtlichen Verhältnisse thematisiert. Stattdessen berichtete der Regierungsvertreter über die geplante Neueinteilung des Landes in Ämter- und Gemeindebezirke, die die Voraussetzung zur Überwindung der bestehenden Dreiteilung des Landes sei. Den am 7. Dezember 1918 den Kommissaren für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken bekanntgegebenen Grundsätzen gemäß informierte er dabei über das Ziel, die selbständigen Gutsbezirke durch eine Zusammen 9 Während der Verein sich selbst als „einheitliche politische Vertretung aller Bewohner der mecklenburgischen Dörfer und Ackerbaustädte“ verstand, sah die Sozialdemokratie in ihm einen „Kuddelmuddelbund bürgerlichen Mischmaschs“. MVZ, 22. Dez. 1918; MN, 26. Nov. 1918. Vgl. auch MW, 29. Nov. 1918; RoA, 28. Nov. 1918. 10 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 32: Vorstand Mecklenburgischer Dorfbund an StM, 2. März 1919. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 158: Petition Dorfbund, März 1919. 11 Vgl. Kap. 5.3.2. 12 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 157: Landtag an Petitionskommission, 27. März 1919. Vgl. auch ebd., Bl. 153: Büdner Augzin, Below, Langenhagen und Techentin an Landtag, 24. Juni 1919.
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legung mit benachbarten Gemeinden oder, wo dies nicht möglich sei, durch die Bildung von aus zwei bis drei Gütern bestehenden „Verbandsgemeinden“ aufzuheben. Sämtliche Mitglieder des Verfassungsausschusses begrüßten die Vereinheitlichung der Kommunalverwaltung als „einen wesentlichen Fortschritt“. Güter mit benachbarten Dörfern zu vereinigen lehnten die Vertreter der DNVP jedoch ab. Hinter der Begründung, es würde andernfalls eine „Hemmung des Gemeindelebens“ eintreten, verbargen sich, wie bereits an den Einsprüchen sowohl der Guts- und Hofbesitzer als auch der Dorfvorstände gezeigt werden konnte, ökonomische und politische Interessen, die sich aus den unterschiedlichen sozialen Verhältnissen auf den Gütern bzw. Höfen und in den Dörfern ergaben. Der Regierungsvertreter reagierte auf diese Bedenken und kündigte, die Priorität in den durch ihn vorgetragenen Grundsätzen verschiebend, an, dass „es möglichst vermieden werden würde, Heterogenes zusammenzulegen“. Gleichzeitig hielt er jedoch an der Aufhebung der Gutsbezirke fest. In der Begründung hieß es: „Ein Gut allein [sei] nicht in der Lage [...], eine lebensfähige Gemeinde zu bilden. Insbesondere werde sich in ihm keine genügende Zahl von Personen finden, die zur Uebernahme von Gemeindeämtern bereit und geeignet sei.“13 Neben der Gebietsreform wurde im Verfassungsausschuss zudem die Frage der Staatsaufsicht thematisiert. Nach Ansicht der vor allem im bürgerlichen Milieu der Städte verankerten DDP sollten im Bereich der ehemaligen Kämmereien auch künftig die Städte zuständig bleiben; ein Vorschlag, der von der DNVP scharf abgelehnt wurde. Der Regierungsvertreter ließ die Frage, möglicherweise mit Blick auf die laufenden Eingemeindungsverfahren, offen.14 Einigkeit hingegen herrschte in Bezug auf die geplante Beförderung der Kleinsiedlung, die Aufhebung des Fideikommisses, durch den 16 Prozent des ritterschaftlichen Gebietes gebunden waren,15 und die Hand- und Spanndienste, die bestehen bleiben, künftig aber durch die Gemeindekasse vergütet werden sollten. Zum Abschluss der Zusammenkunft, von der das Staatsministerium anscheinend nur die Zustimmung der Parteien des verfassunggebenden Landtags zu den eingeleiteten Vorarbeiten der Neugliederung des Landes erwartet hatte, kündigte der Regierungsvertreter den Entwurf einer Landgemeindeordnung an. Ein konkretes Datum der Fertigstellung nannte er jedoch nicht.16 Nur drei Tage später, am 31. März 1919, sandte die Kommission des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten dem Staatsministerium eine Denkschrift, die, als ein „erstes Ergebnis“ ihrer Beratungen, die aus ihrer Sicht „wichtigsten Reformfragen erörterte“.17 Im Vordergrund stand auch hier die Einteilung 13 MN, 29. März 1919. Vgl. auch MVZ, 29. März 1919; MW, 30. März 1919; MZ, 28. März 1919. Vgl. dazu auch Kap. 5.2.1 und Kap. 5.3.3. 14 Vgl. MN, 29. März 1919. Vgl. auch Kap. 5.2.2. 15 Vgl. MVZ, 29. März 1919. Als Fideikommiss wurde der unveräußerliche und unbelastbare Teil des Grundbesitzes einer Familie bezeichnet. Seine Aufhebung war durch den Art. 155 der Weimarer Verfassung beschlossen worden. Vgl. allgemein Eckert: Familienfideikommisse. Vgl. auch Jandausch: Fideikommisse. 16 Vgl. MN, 29. März 1919; MVZ, 29. März 1919; MW, 30. März 1919; MZ, 28. März 1919. 17 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Bund der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten an StM, 31. März 1919.
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des Landes in Gemeindebezirke. In Bezug auf die Größe schlug die Kommission vor, die Gemeinden „so klein“ zu lassen, „daß die unmittelbare Erledigung aller Geschäfte durch ihre Organe möglich“ sei und „die Orts- und Personenkenntnis voll zur Geltung“ kommen könne. Gleichzeitig müssten sie aber auch „groß genug“ gefasst werden, um über eine „genügend breite Basis“ zur Erfüllung der kommunalen Aufgaben zu verfügen. Obwohl nach Ansicht der Kommission die historisch gewachsenen Siedlungen beide Voraussetzungen erfüllten, standen dem Plan, wie im Domanium aus jeder Ortschaft eine Gemeinde zu bilden, zwei grundsätzliche Bedenken entgegen. So hatten zum einen die leitenden Beamten der Domanialämter die Erfahrung gemacht, dass „Dörfer von kaum 100 oder noch weniger Einwohnern [...] im allgemeinen nicht imstande“ seien, „ein selbständiges Eigenleben zu entwickeln und die persönlichen und materiellen Kräfte für die Erledigung der Gemeindeaufgaben aufzubringen“. Zum anderen erschienen der Kommission die meisten Güter des ritterschaftlichen Gebietes „mit ihrer selten über 150 Seelen hinausgehenden Einwohnerzahl und ihrer oft nur aus dem Gutsherrn oder Pächter und den Tagelöhnern und Arbeitern bestehenden Einwohnerschaft für sich allein für eine Gemeindebildung so ungeeignet wie möglich“.18 Aus diesem Grunde und da den Bestimmungen des Staatsministeriums zufolge ein „Festhalten an Gutsbezirken ausgeschlossen“ war, empfahl die Kommission „trotz der bisher nicht gerade günstigen Erfahrungen bei der Vereinigung von Domanialpachthöfen und -dörfern“, die „Güter möglichst an benachbarte Domanialortschaften“ anzuschließen. Wo dies, „wie im Osten mit seinem geschlossenen ritterschaftlichen Gebiet, unmöglich“ sei, sollten „mehrere Güter“ – grundsätzlich wurde von „2–3 Durchschnittsgüter[n]“ ausgegangen – zu einer Gemeinde vereinigt werden. Die Möglichkeit hierzu war freilich „durch die Entfernung begrenzt“; ein Satz, der, so die Kommission, „natürlich auch für die Vereinigung von Domanialhöfen und -dörfern“ gelte. Neben einer Mindesteinwohnerzahl von 300 Personen setzte sie sich deshalb auch dafür ein, die bestehenden Schulverbände als Ausgangspunkt für die Gemeindebezirke zu nehmen. Sie boten aus Sicht der Kommission einen „praktischen Anhalt“, da die „Entfernungen, die von den Kindern täglich zur Schule zurückgelegt werden müssen, [...] auch für die Gemeindeverwaltung leicht zu überwinden“ seien.19 Die Kommission referierte jedoch nicht nur die Grundsätze des Staatsministe riums und gab die dem Ministerium des Innern bereits durch die Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken bekannten Bedenken wieder, sondern äußerte sich auch zu Fragen des Wahlmodus’ und der finanziellen Ausstattung der künftigen Gemeinden. So empfahl sie bei der Wahl zu den Gemeindeversammlungen „auf etwa je 30 Einwohner ein[en] Vertreter“ entfallen zu lassen, bei größeren Gemeinden den Delegiertenschlüssel jedoch auf 50 bis 100 Einwohner 18 Ebd.: Denkschrift: „Aufbau der Behörden. Nach dem Referat von Dr. Brückner, den Koreferaten von Ministerialrat Schwaar und Dr. Schlesinger und den Kommissionsbeschlüssen vom 1. und 10. März 1919 gehalten im Auftrag des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten“, März 1919. 19 Ebd. Vgl. dazu auch MN, 6., 8., 9. und 11. April 1919; MZ, 7., 8., 9. und 19. April 1919.
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anzuheben.20 Diesem Vorschlag entsprach auch die wenige Monate später, im August 1919, durch den Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Waren, Walter Lübcke, eingereichte Empfehlung, nicht jeder „Gemeinde ohne Rücksicht auf ihre Grösse, die gleiche Zahl von Vertretern“ vorzuschreiben, sondern sie „nach der Seelenzahl [...] ab[zu]stufen“.21 Darüber hinaus regte die Kommission an, in fusionierten Gemeinden die Wahl nach Ortschaften getrennt erfolgen zu lassen, damit jede von ihnen in der Gemeindevertretung repräsentiert und an der Wahl des Gemeindevorstands beteiligt sei. Zur Finanzierung sowohl der Gemeindeverwaltung als auch der kommunalen Aufgaben forderte die Kommission, den Gemeinden Land und damit Pachteinnahmen zu überweisen. Im Domanium könne dies ohne weiteres durch die Übertragung der Schulzendienstländereien als unveräußerliche Dotation erfolgen. In der Ritterschaft hingegen müssten die Gutsbesitzer, den Gedanken der gescheiterten Kommunalgebietsreform von 1916 aufgreifend, gesetzlich verpflichtet werden, die notwendigen Flächen zur Verfügung zu stellen. Anders als durch die großherzogliche Regierung vorgesehen, sollten diese ihnen jedoch vom Staat „zu billigmäßigen Preisen“, d. h. zum Ertragswert, abgekauft werden. Darüber hinaus trat die Kommission dafür ein, allen Gemeinden, „mit der Verpflichtung der Nutzung für Schule und Lehrer“ ein „Schulhaus mit Garten und soviel Land“ zu überweisen, dass es für die „Haltung einer Kuh“ ausreiche. Hier war ebenfalls an eine Übertragung der bereits existierenden Schulstellen gedacht, die jedoch sowohl im als auch außerhalb des Domaniums entschädigungslos erfolgen sollte. Gerechtfertigt sei dies, da die Gemeinde sämtliche bislang durch die Ortsobrigkeit getragenen Schullasten übernähme. Neben dem Land sollten der Kommune als Einnahmequelle zudem Teile der Grund- und Gewerbesteuer sowie der Einkommenssteuer zugesprochen werden.22 In einem weiteren Punkt diskutierte die Denkschrift die Aufgaben der „zugleich als Staats- und Selbstverwaltungskörper“ auszubildenden Gemeinden. Als Angelegenheiten der Selbstverwaltung bezeichnete die Kommission zum einen die Verwaltung des Gemeindevermögens, zu dem neben dem Land auch die gegebenenfalls vorhandenen Forsten, kommunalen Immobilien sowie Jagd- und Fischereirechte gezählt wurden, zum anderen die Aufstellung eines Haushaltsplans und die Erhebung der Gemeindesteuern. Ferner sollte den Gemeinden die reguläre Wohlfahrts-, Armen- und Gesundheitspflege, das Begräbnis- und Feuerlöschwesen, die Instandhaltung kommunaler Wege, Entwässerungssysteme und Gebäude sowie ein Teil des
20 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Denkschrift: „Aufbau der Behörden. Nach dem Referat von Dr. Brückner, den Koreferaten von Ministerialrat Schwaar und Dr. Schlesinger und den Kommissions beschlüssen vom 1. und 10. März 1919 gehalten im Auftrag des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten“, März 1919. 21 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 164: Lübcke an MdI, 18. Aug. 1919. 22 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Denkschrift: „Aufbau der Behörden. Nach dem Referat von Dr. Brückner, den Koreferaten von Ministerialrat Schwaar und Dr. Schlesinger und den Kommissions beschlüssen vom 1. und 10. März 1919 gehalten im Auftrag des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten“, März 1919. Vgl. dazu auch Kap. 8.
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Schulwesens, insbesondere die Bau- und Unterhaltungskosten des Schulhauses,23 übertragen werden. Als unterste Instanz der Staatsverwaltung hingegen hatten die Gemeinden, nach Ansicht der Kommission, die bereits den Domanialgemeinden übertragenen Aufgaben zu übernehmen. Hierbei handelte es sich um die Mitwirkung bei der Veranlagung und Erhebung der Staatssteuern, die Aufstellung von Wählerlisten und Statistiken, die Einziehung von Beiträgen und Informationen für die Arbeiterversicherung, die Wahrnehmung von Militärangelegenheiten sowie die Durchführung polizeilicher und kriegswirtschaftlicher Bestimmungen. Damit die Einbindung der Kommunen in die staatliche Verwaltung zu einer „wirtschaftliche[n], die Ministerialinstanz entlastende[n] Dezentralisierung“ führe, war es, so die Kommission, allerdings notwendig, die kommunalen Organe auch in diesem Bereich „tunlichst selbständig“ entscheiden zu lassen.24 Mit der Denkschrift des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten verfügte das Staatsministerium erstmals über ein detailliertes Konzept zur Neuordnung der kommunalen Verwaltung des platten Landes. Tatsächlich scheint es, lassen sich doch weitere oder andere Ausfertigungen nicht nachweisen, eine wesentliche Grundlage für den Entwurf der Landgemeindeordnung gebildet zu haben. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass das Dokument bei den parallel laufenden Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform inner- und außerhalb des Domaniums ganz offensichtlich keine Rolle spielte. Hier beschränkte sich die Regierung selbst noch im Oktober 1919, als bekanntlich eine Überarbeitung des Rundschreibens zur Vorbereitung der Neuordnung des Domaniums notwendig wurde, auf eigene, weit unpräzisere Konzepte.25 Dies lag möglicherweise daran, dass zu diesem Zeitpunkt bereits der Regierungsentwurf der Landgemeindeordnung vorlag. Vermutlich im August 1919 durch das Ministerium des Innern fertig gestellt, wurde er den einzelnen Ministerien zur Durchsicht übersandt. Im Ministerium für Unterrichtsangelegenheiten zeigte man sich darüber verwundert, dass die bestehende Steuerfreiheit der Geistlichen und Kirchendiener keine Erwähnung fand, obwohl eine Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat noch
23 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Denkschrift: „Aufbau der Behörden. Nach dem Referat von Dr. Brückner, den Koreferaten von Ministerialrat Schwaar und Dr. Schlesinger und den Kommissionsbeschlüssen vom 1. und 10. März 1919 gehalten im Auftrag des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten“, März 1919. In der Begründung zur geforderten Übertragung der Bau- und Unterhaltungskosten des Schulgebäudes auf die Gemeinden heißt es: „Lebendiges Interesse der Gemeinde an der Schule fördert deren Gedeihen. Es wird wach gehalten durch eine gewisse Beteiligung an der Verwaltung der Schule. [...] Die Gemeinde hat die Baulast, insbesondere die der regelmäßigen Unterhaltung des Schulgehöfts, zu tragen. [...] Ein Eingriff in den inneren Betrieb der Schule steht den Gemeindeorganen im übrigen nicht zu. Für die Aufgaben der Gemeinden auf dem Gebiet des Schulwesens sind Schulvorstände unter Beteiligung von Lehrern zu bilden.“ Ebd. 24 Ebd. Unter Militärangelegenheiten wurde u. a. die Führung von Stammrollen und die Aufbringung und Verteilung sogenannter Kriegs- und Friedensleistungen verstanden. Vgl. ebd. 25 Vgl. dazu Kap. 5.3.3.
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ausstand.26 Das so indirekt gestrichene Privileg wurde daraufhin stillschweigend in die Landgemeindeordnung aufgenommen.27 Bedenken hegte zudem das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, das der ausschließlichen Nutzung der Gemeindeländereien als Pachtland für Kleinsiedler widersprach und sich auch für eine „anderweitige Verwendung im Interesse des Landes“ einsetzte. Ferner erhob es Einspruch gegen die Bestimmungen, die regelmäßigen Hand- und Spanndienste zu ver güten. Aus Sicht des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten könne dies „unter Umständen“ für die Gemeinden den „wirtschaftlichen Ruin“ bedeuten.28 Ähnlich sahen dies auch die Schulzen des Domanialamtes Boizenburg, die „nachdrücklichst“ betonten, dass in der Vergütung der Dienste „für die Gemeinden keinerlei Vorteile lägen“.29 Das Ministerium des Innern allerdings hielt an der Bestimmung fest. Die erwähnte Kritik der Erbpächter und Büdner, die in ihrer Forderung durch die DNVP unterstützt wurden, aufgreifend, ging es davon aus, dass mit der Einführung eines allgemeinen Wahlrechts auch die Pflichten auf alle verteilt werden müssten.30 Im Dezember 1919, nachdem die Beratungen in den Ministerien abgeschlossen worden waren, informierte das Ministerium des Innern die leitenden Beamten der Domanialämter über die Bestimmungen des Entwurfs der Landgemeindeordnung. Wie bei der Beratung im Verfassungsausschuss Anfang des Jahres stand bekanntlich auch auf der Tagung in Schwerin die Einteilung des Landes in Gemeindebezirke im Vordergrund.31 Dass der Wunsch, Kenntnis über den Inhalt des Gesetzwerks zu erlangen, nicht nur bei den leitenden Beamten, sondern auch unter den Schulzen bestand, zeigt die Bitte „mehrere[r] Gemeindevorstände“ der Domanialämter Bützow und Hagenow, „in den Besitz des Entwurfes der neuen Landgemeindeordnung zu gelangen“.32 Für den leitenden Beamten des Domanialamtes Hagenow, Helmut von Plessen, war dies nicht nur eine „berechtigt[e]“, sondern auch eine „für das Gelingen des wichtigen Werkes ersprießlich[e]“ Forderung.33 Das Ministerium des Innern hingegen lehnte die Anfragen mit Hinweis auf die entstehenden Kosten ab.34 Der 26 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 168–169: MfU an MdI, 4. Sept. 1919. Für das die Steuerfreiheit begründende Rechtsgutachten vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 27 Vgl. dazu Klien: Landgemeindeordnung, S. 68–69, § 46. 28 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 189–190: MfL an MdI, 18. Nov. 1919. 29 Ebd., Bl. 874: DA Boizenburg an MdI, 3. März 1921. Ebenfalls gegen die Aufgabe der Hand- und Spanndienste als unentgeltliche Leistung sprach sich auch der leitende Beamte des Domanialamtes Lübz aus. Vgl. ebd., Bl. 61: DA Lübz, an MdI, 1. Mai 1919. 30 Vgl. Stelling, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1952. Zur Position der DNVP vgl. MN, 29. März 1919; MVZ, 29. März 1919; MW, 30. März 1919; MZ, 28. März 1919. 31 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 196–197: Aktennotiz MdI, 3. Dez. 1919 („Für die Aussprache mit den Aemtern am 9. d. Mts.“). Vgl. auch Kap. 5.3.3, S. 169. 32 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 463: DA Hagenow an MdI, 23. Dez. 1919. Vgl. ebd., Bl. 464: DA Bützow an MdI, 5. Jan. 1920. 33 Ebd., Bl. 463: DA Hagenow an MdI, 23. Dez. 1919. 34 Vgl. ebd., Bl. 463: MdI an DA Hagenow, 2. Jan. 1920. Durch die Schulzen waren insgesamt 70 Exemplare angefordert worden. Vgl. ebd.: DA Hagenow an MdI, 23. Dez. 1919; ebd., Bl. 464: DA Bützow an MdI, 5. Jan. 1920.
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Mecklenburgische Städtetag indes erhielt ein Exemplar. Die Vereinigung hatte bereits im März 1919 darum gebeten, ihr die „Gemeinde-Verfassung [...] vor der Herausgabe an den Landtag zur Begutachtung zugehen zu lassen“.35 Die Anmerkungen zum Entwurf wurden, anders als die Denkschrift des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten, wenig später dem Verfassungsausschuss zugestellt.36
6.2 Parlamentarische Debatte und Inkraftsetzung Am Nachmittag des 12. Dezember 1919 trat der verfassunggebende Landtag von Mecklenburg-Schwerin in die erste Lesung der Landgemeindeordnung ein. Die Vorstellung und Begründung des Entwurfs übernahm der sozialdemokratische Innenminister Johannes Stelling. Für ihn war die Landgemeindeordnung, „ohne [...] damit die Wichtigkeit“ der Verfassung und der Städteordnung „irgendwie in den Schatten“ stellen zu wollen, das „wichtigste Gesetz“, das der Landtag zu beschließen habe. Dem demokratischen Grundsatz folgend, die Freiheit müsse sich „von unten aufbauen [...], von den Gliedern, die als unterste und trotzdem wichtigste im Lande, im Staate und in der Verfassung selbst in Erscheinung treten“, hatten die Gemeinden seiner Überzeugung nach das „Rückgrat“ der Republik zu bilden. Hier sollte und müsste „letzten Endes das Leben pulsieren [...], das zur Erhaltung des Staatswesens notwendig“ sei. Gewährleisten könne dies, so Stelling, die Schaffung einer Ordnung, die sich „vergleichen läßt und vergleichen lassen muß mit [der] einer großen Familie“, in der alle Glieder an dem, was zur Gestaltung „der Zusammengehörigkeit notwendig ist, [...] interessiert und beteiligt“ seien. Als Voraussetzung dafür bezeichnete der Innenminister die Bildung „möglichst große[r] Gemeinde[n] [...], in denen die Möglichkeit nicht nur der Existenzberechtigung“ gegeben sei, sondern auch „all die Erleichterungen“ geschaffen werden könnten, die „notwendig“ seien, um die Gemeinden „überhaupt [...] lebenskräftig und lebensfähig zu erhalten“.37 Gleichwohl war sich Stelling der „durch eine ganze Reihe von Leuten“ erhobenen Einwände, in großen Gemeinden könne „nicht mehr den vielen Wünschen der einzelnen Einwohner [...] Rechnung“ getragen werden, bewusst. Eine „Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse“ nicht ausschließend, hielt er sie jedoch für unberechtigt. Für ihn hatte der „Grundsatz [...], daß die Gemeindeangehörigen sich wohl fühlen“, Priorität. Gemeint war damit freilich nicht das Leben in der ruhigen Beschaulichkeit des historisch Gewachsenen, sondern die mit einer Modernisierung der Infrastruktur sowie dem Aufbau von sozialen und kulturellen Einrichtungen verbundenen Annehmlich35 Ebd., Bl. 33: Mecklenburgischer Städtetag an StM, 15. März 1919. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 425: Magistrat Stadt Teterow an MdI, 13. Dez. 1919. Der Magistrat erbat ein Exemplar, da die Stadt „mit dem Amt Stavenhagen wegen der Kreiszuteilung Teterow’s in Verhandlung“ stand. 36 Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 37 Stelling, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1949–1961. Zur Regierungsvorlage selbst vgl. Entwurf Landgemeindeordnung, 8. Dez. 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 249.
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keiten, die zu schaffen es großer, finanzstarker Gemeinden bedürfte. Auskünfte zu den Einnahmemöglichkeiten der Kommunen gab Stelling jedoch nicht. Als „erste Vorbedingung“ bezeichnete er die „freie Selbstverwaltung“. Deren Grundlage bildete das allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlrecht, das jeder Person, die über 20 Jahre alt war und ihren Wohnsitz mindestens drei Monate in der Gemeinde hatte, zugestanden werden sollte. Gewählt wurden zum einen die Gemeindeversammlung, die, einem Delegiertenschlüssel von 50 Einwohnern pro Gemeindevertreter entsprechend, aus mindestens fünf und maximal 21 Mitgliedern zu bestehen hatte, zum anderen der sich aus einem Schulzen und zwei Schöffen zusammensetzende Gemeindevorstand. Anders als noch im Entwurf der Städteordnung war eine Verpflichtung zur Übernahme der unbesoldeten Ämter vorgesehen.38 In Bezug auf die Gegenstände der Gemeindeverwaltung sowohl als Staats- als auch als Selbstverwaltungskörper war im Entwurf, so Stelling, „im großen und ganzen“ an das angeknüpft worden, „was in der alten Verfassung respektive in der Gemeindeordnung vom Jahre 1867 [sic!] enthalten war“. Die staatliche Aufsicht, die sich im Bereich der Selbstverwaltung darauf zu beschränken hatte, die Lauterbarkeit der Verwaltung zu gewährleisten, oblag sowohl der als Landdrostei bezeichneten staatlichen Mittelbehörde als auch dem Amtshauptmann, der, frei gewählt, dem durch die Gemeinden eines bestimmten Bezirkes gebildeten Amt vorstand und damit die „Spitze der Selbstverwaltung“ bildete. In diesem Zusammenhang äußerte sich Stelling zu den Möglichkeiten der Bildung kommunaler Zweckverbände und erklärte, dass das Ministerium des Innern, der entsprechenden Bestimmung des Entwurfs entgegen, nicht mehr an einer Bezahlung der Hand- und Spanndienste festhielt.39 In der anschließenden Aussprache begrüßten, mit Ausnahme der DVP, die sich nicht zu Worte meldete, sämtliche Parteien die Regierungsvorlage.40 Es dominierte jedoch auch hier die Frage der Einteilung des Landes in Gemeindebezirke. So widerriet der deutschnationale Abgeordnete Wilhelm Tabel zum einen dem Ansinnen, „weit entfernte Orte zusammenzulegen“, da andernfalls „die Fühlung zwischen dem Ortsvorsteher und den Gemeindemitgliedern“ leiden würde, zum anderen warnte er davor, „Domanial-Dorfgemeinden mit Pachthöfen und auch mit Rittergütern zu vereinigen“.41 Tabel brachte damit die bekannten Bedenken sowohl der Verwaltungsbeamten als auch der Bevölkerung in die Landtagsdebatte ein. Für den ehemaligen Vorsitzenden des Schweriner Soldatenrates Heinrich Dethloff, der bis Februar 1919 das Finanzministerium mit dessen Abteilung für Landwirtschaft, Domänen und Forsten geleitet hatte und nun für die SPD im Landtag saß, hingegen war die Auflösung der Guts- bzw. Hofbezirke „eine unbedingte Notwendigkeit“, um die „bisherige Alleinherrschaft“ der Rittergutsbesitzer zu beenden. Eine Begründung, warum dies nicht bereits durch die Einführung einer demokratischen Gemeindever38 Stelling, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1949–1961. Vgl. dazu Kap. 4.2, S. 108. 39 Stelling, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1950–1953. 40 Vgl. Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1953–1955. 41 Tabel, in: Ebd., Sp. 1953.
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fassung möglich sei, lieferte er allerdings nicht. Unbefriedigend auf den politischen Gegner musste auch seine Reaktion auf den Zwischenruf Tabels wirken. Dessen Einwand, das durch ihn befürwortete Verfahren ginge zu Lasten der Domanialdörfer, wies er mit dem Bemerken zurück, dass, wenn „der eine oder andere Einwohner [...] mit darunter leiden müßte, daß man der Allgemeinheit etwas bietet“, man erwarten könne, „daß der Betreffende freiwillig diese kleinen Leiden“ auf sich nehme.42 Mit dieser Haltung bestärkte Dethloff die spätestens seit dem Schulzenprotest insbe sondere unter den Vertretern der rechten Parteien vorherrschende Meinung, der Sozialdemokratie fehle das Verständnis für die komplizierten Verhältnisse des platten Landes, die sich bekanntlich nicht mit den durch Dethloff bemühten „Klassen unterschiede[n]“ zwischen Ritterguts- und Hofbesitzern auf der einen und Bauern und Tagelöhnern auf der anderen Seite erklären ließen. Belegt findet sich die nur geringe Differenzierung auch in der Äußerung Stellings, im Domanium sei die „freie Selbstverwaltung [...] in gewissem Sinne schon gegeben“.43 Dem gegenüber stand die sich wieder auf das gesamte platte Land beziehende Behauptung Dethloffs, „eine Gemeindeordnung, worin auch die Gemeindemitglieder ein Recht hatten, mitzureden oder auch nur sich irgendwie bemerkbar zu machen, gab es nicht.“44 Eine Beschränkung auf die Verhältnisse im Gebiet der Ritterschaft lässt sich auch in der Rede des Abgeordneten der DDP, Karl Friedrich Witte, nachweisen. Seiner Ansicht nach müsse die Landgemeindeordnung vor allem dafür sorgen, dass „der ehemalige große Rittergutsbesitzer und der ehemalige kleine Einlieger und Tagelöhner, künftig miteinander wirken als Menschen, als Glieder eines Freistaates und als sich selbst und diesem Staate gegenüber verantwortliche Bürger“. Unter dieser Voraussetzung würde es, so Witte, sogar möglich sein, das seit alters her bestehende Problem der Landflucht zu lösen und „Menschen auf das Land hinaus[zu]bringen“.45 Neben der Gebietsreform wurde in der ersten Aussprache des Regierungsentwurfes auch über den bereits mit der Städteordnung geschaffenen Landesverwaltungsrat diskutiert, der als Beschwerde- und Klageinstanz bei rechtlichen Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde oder zwischen dieser und anderen Behörden entscheiden sollte. Aus Sicht Tabels allerdings war die geplante Zusammensetzung dazu wenig geeignet. Neben dem Vertreter des Ministeriums des Innern und den sechs durch den Landtag gewählten Parlamentariern müsste seiner Meinung nach auch mindestens ein Landwirt dem Gremium angehören. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass „Leute mitsprechen, die die ländlichen Verhältnisse kennen und beurteilen können“.46 Für 42 Dethloff, in: Ebd., Sp. 1955. 43 Stelling, in: Ebd., Sp. 1950. 44 Dethloff, in: Ebd., Sp. 1955. 45 Witte, in: Ebd., Sp. 1954. Inwieweit die Landgemeindeordnung tatsächlich zu dem während der Weimarer Republik beginnenden Aufschwung der Kleinsiedlung beigetragen hat, muss freilich einer eigenständigen Untersuchung vorbehalten bleiben. Gewisse Impulse, wie etwa die Möglichkeit der Gemeinde, Land zu Siedlungszwecken enteignen zu können, wurden allerdings durch die Kommunalverfassung gegeben. Vgl. dazu auch Kap. 8.2, S. 272–273. 46 Tabel, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1953. Vgl. dazu auch Gesetz vom 18. Juli 1919, betreffend Städteordnung, in: Rbl. Nr. 121, 30. Juli 1919, S. 673–694, hier S. 694, § 69.
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Dethloff hingegen war eine Erweiterung des Landesverwaltungsrats nicht erforderlich, stünde es doch der DNVP frei, einen Vertreter der Landwirtschaft in den Ausschuss zu wählen.47 Wie in allen anderen strittigen Fragen sollte jedoch auch hier keine Entscheidung getroffen werden, sondern, so der Beschluss des Landtages, erst eine ausführliche Beratung im Verfassungsausschuss erfolgen. Diese fand wenig später im Januar 1920 statt. Kurz zuvor waren in Preußen Bestimmungen zur Änderung der dortigen Gemeindeordnung erarbeitet worden. Da nicht ausgeschlossen war, dass diese die Grundlage einer späteren Reichsgemeindeordnung werden würden, bemühte sich das Ministerium des Innern um ein Exemplar des Entwurfs und ein Gespräch mit dem zuständigen Referenten, dem späteren preußischen Innenminister und Vorsitzenden des Deutschen Gemeindetags Oskar Mulert. Das Unterfangen scheiterte jedoch,48 so dass die Beratungen des Verfassungsausschusses ohne Berücksichtigung des preußischen Konzepts einer Neuordnung begannen. Die Mitglieder des Verfassungsausschusses indes waren weniger an diesem, sondern vielmehr am Entwurf der die mittlere Ebene der Selbstverwaltung Mecklenburg-Schwerins konstituierenden Amtsordnung interessiert. Da einzelne Punkte der Landgemeindeordnung, insbesondere, wie erwähnt, die Frage der Staatsaufsicht, Bezug auf die Amtsordnung nahmen, schlugen die Mitglieder des Verfassungsausschusses vor, „die nähere Besprechung und Beschlußfassung“ der Landgemeindeordnung solange aufzuschieben, bis auch die Amtsordnung vorliege. Auf Bitten des Regierungsvertreters wurde der Wunsch jedoch zurückgenommen, allerdings unter der Bedingung, mit dem Bericht über die Landgemeindeordnung dem Landtag zugleich die Amtsordnung nebst der dazu verfassten Stellungnahme des Verfassungsausschusses vorzulegen. In der anschließenden allgemeinen Aussprache, die der Beratung der einzelnen Paragraphen vorangestellt wurde, referierte einer der Regierungsvertreter den Standpunkt des Staatsministeriums zur Dotation und informierte über die den leitenden Beamten der Domanialämter gegebene Anweisung, Vorschläge einzureichen, „wie die Pachthöfe und Erbpachthöfe mit Dörfern in Landgemeinden umzuwandeln seien“.49 In der darauf begonnenen Einzeldebatte trafen nicht nur die unterschiedlichen staatstheoretischen Konzepte der im Ausschuss vertretenen Parteien, sondern auch 47 Vgl. Dethloff, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1955. 48 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 462: MdI an Tischbein, 19. Dez. 1919; ebd., Bl. 471: Tischbein an MdI, 17. Jan. 1920. Das bereits für den 22. Januar 1920 in Berlin geplante Treffen bat Schlesinger wenige Tage zuvor „abzukündigen, da aller Wahrscheinlichkeit nach morgen der Verfassungsausschuss zwecks Beratung der Landgemeindeordnung“ zusammentreten würde und er als zuständiger Referent nicht fort könne. Ebd., Bl. 471: Aktennotiz Schlesinger, 19. Jan. 1920. Als neuer Termin wurde der 24. Januar 1920 bestimmt. Vgl. ebd., Bl. 474: Tischbein an MdI, Januar 1920. Ein Protokoll oder eine Aktennotiz über das Gespräch ist nicht überliefert. 49 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. auch MZ, 28. Jan. 1920; RoA, 15. Feb. 1920. Zum Rundschreiben an die leitenden Beamten der Domanialämter und zu den Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform innerhalb des Domaniums vgl. Kap. 5.3.3 und Kap. 6.3. Zur Frage der Dotation vgl. Kap. 8.2.
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die Interessen der durch sie vertretenen Klientel aufeinander. Deutlich wird dies etwa an dem Antrag der DNVP, das Gemeindebürgerrecht nicht nach drei Monaten, sondern erst nach einem Jahr zu verleihen, der durch die SPD „entschieden bekämpft“ wurde.50 Betroffen von der Änderung des Regierungsentwurfs wären vor allem die Landarbeiter, die „des Verdienstes wegen“ häufiger gezwungen werden, den „Aufenthalt zu wechseln“, und, sollte der Antrag der DNVP angenommen werden, sowohl das Recht zu wählen als auch den Anspruch auf soziale Leistungen verlieren würden. Der Argumentation des Sozialdemokraten folgend, lehnte der Verfassungsausschuss den Antrag der DNVP mehrheitlich ab. Angenommen hingegen wurde der durch Vertreter der DDP und DVP gestellte Antrag, die Mindestzahl der Gemeindever treter von fünf auf sieben zu erhöhen. Damit wurde zum einen, der Anregung der leitenden Beamten der Domanialämter folgend, eine Tradition kommunaler Ver waltung bewahrt, zum anderen insbesondere in den Klein- und Kleinstgemeinden die Stellung der Gemeindeversammlung gegenüber dem Gemeindevorstand gestärkt. Mit der gleichen Intention wurde dem Vorschlag der DNVP, in Gemeinden mit weniger als 300 Einwohnern die Zahl auf fünf herabzusetzen, die Zustimmung versagt und die in der Regierungsvorlage enthaltene, dem Gedanken der Einheitlichkeit widersprechende Möglichkeit, in derart kleinen Gemeinden von der Bildung eines Gemeindevorstandes abzusehen, gestrichen.51 In Bezug auf die Legislatur des Gemeindevorstands stimmte der Verfassungsausschuss, allerdings auf Anraten des Regierungsvertreters, ebenfalls gegen die Bestimmungen des Entwurfs. Statt, wie ursprünglich vorgesehen, auf drei Jahre, sollte das Gremium für die Wahldauer der Gemeindeversammlung gewählt werden. Im Falle einer vorzeitigen Auflösung der Gemeindeversammlung, die, in Anlehnung an die in der Städteordnung getroffene Regelung, „auf Antrag eines Viertels der bei der letzten Wahl Stimmberechtigten“ und nach „Abstimmung der wahlberechtigten Gemeindeangehörigen“ möglich war, musste nun auch der Gemeindevorstand zurücktreten und neu gewählt werden.52 Während diese Änderung, wie erwähnt, eine „allgemeine Zustimmung“ fand, entwickelte sich bei der Frage der Entschädigung für die Übernahme von Posten und Ämtern in der Gemeindeverwaltung ein „lebhafter Meinungsaustausch“, in dem sich die DNVP für, die DDP gegen Tage- und Weggelder der Gemeindevertreter und Schöffen aussprach.53 Man folgte schließlich dem Argument, dass „die Mehrzahl der Landbewohner [...] auch die Zeit nach Feierabend zum Erwerbe [...] verwenden [...] und zum großen Teil Wege von mehreren Kilometern Länge zu Dorfversammlungen zurücklegen“ müsse54 und ihre politischen Rechte ohne Aussicht auf Entschädigung wohl nicht wahrnehmen würde und legte es ins 50 MVZ, 31. Jan. 1920. 51 Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 52 Ebd. Für das Zitat vgl. Entwurf Landgemeindeordnung, 8. Dez. 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 249. 53 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 54 MN, 31. Jan. 1920.
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Ermessen der einzelnen Gemeinden, Entschädigungen zu zahlen. Dass es eines Anreizes bzw. gewissen Druckes bedurfte, um auf dem platten Lande politische Verantwortung zu übernehmen, verdeutlicht auch die von allen Parteien getragene Verpflichtung der Wahlberechtigten zur Übernahme ehrenamtlicher Posten oder Ämter der Gemeindeverwaltung.55 Eingeschlossen war hierin auch das Schulzenamt. Anders als die Gemeindevertreter und Schöffen hatte der Schulze jedoch Anspruch auf die Vergütung seiner Tätigkeit. Eine konkrete Regelung, wie sie vom Verfassungs ausschuss gefordert wurde, um Missbräuche zu vermeiden, sah der Entwurf der Landgemeindeordnung allerdings nicht vor. Fest stand lediglich, dass die Entschädigung durch Geld erfolgen solle,56 da die Dienstländereien bei einem „ständigen Wechsel der Schulzen nicht mehr die bisherige pflegliche Behandlung erfahren würden“.57 Vor diesem Hintergrund zog die DDP ihren sich an der Minimalforderung des Schulzenprotestes orientierenden Antrag, mit Rücksicht auf die Ernte die Wahl der Gemeindeversammlung im September abzuhalten, zurück und wurde der Vorschlag der SPD, diese einheitlich im Oktober abzuhalten, angenommen.58 Eine „längere Auseinandersetzung“ erfolgte auch um den § 22, der die Wiedereinführung des Amts des Nebenschulzen vorsah. Seitens der Regierungsvertreter, die den Einwänden der leitenden Beamten der Domanialämter folgten, bestand hierzu schlicht eine Notwendigkeit, allerdings nicht aus Sicht einer paritätischen Vertretung der einzelnen Ortsteile im Gemeindevorstand, sondern mit Blick auf die fehlende Infrastruktur der Verwaltung. Bei „Kartenverteilungen“ etwa müssten die Einwohner eines Ortsteils, der „vielleicht mehrere Kilometer“ von den übrigen entfernt läge, wenn dort „kein Mitglied des Gemeindevorstandes“ wohne, „weite Wege“ zurücklegen. Durch einen „Beauftragte[n]“ des Gemeindevorstands könne dies, so die Regierungsvertreter, vermieden werden. Für die DDP hingegen bedeutete die Wiedereinführung des Nebenschulzen vor allem auf den Pachthöfen und Gütern eine Rückkehr zu den „früheren Zuständen“, die strikt abgelehnt wurde. Statt eines durch den Schulzen der Gemeinde ernannten Beauftragten forderte sie, einen durch die betreffende Ortschaft bestimmten „Vertrauensmann“ einzusetzen. Aus Sicht eines Vertreters der SPD würde dies jedoch die Einrichtung einer dem Gedanken der Einheitlichkeit widersprechenden „Nebenbehörde“ bedeuten, weshalb er dafür eintrat, den Beauftragen aus der Gemeindeversammlung heraus wählen zu lassen. Dem widersprach ein Parteikollege, der sich zusammen mit der DNVP für den Vorschlag der DDP einsetzte. Darüber hinaus forderte er, den Vertrauensmann mit beratender Stimme in die Gemeindeversammlung aufzunehmen. Für die Regierung war diese Anregung indes nicht annehmbar. Das Ziel ihrer Kommunalgebietsreform war die 55 Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Im Falle einer Weigerung drohte der Verlust des Gemeindebürgerrechts oder die Zahlung einer höheren Steuer. MVZ, 31. Jan. 1920. 56 Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 57 MN, 31. Jan. 1920. 58 Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. dazu auch Kap. 5.3.2.2.
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Schaffung „geschlossene[r], einheitliche[r]“ Gemeinden, während der Vorschlag des SPD-Politikers die Aufrechterhaltung der „einzelnen, zu einer einheitlichen Gemeinde zusammenzuschließenden Ortschaften [...] als selbständige Verwaltungs körper“ beförderte. Diesem Argument folgte schließlich der Verfassungsausschuss. Er kehrte jedoch nicht zur Regierungsvorlage zurück, sondern nahm den Antrag der DDP, einen Vertrauensmann wählen zu lassen, an.59 Obgleich im Ausschuss sachlich diskutiert, wurde die Debatte in der Presse parteipolitisch verzerrt und für die Wahlpropaganda genutzt. So hieß es etwa in der „Mecklenburgischen Zeitung“, die Rechtsparteien hätten versucht, das „als fehlsam erkannte Amt des sog. Nebenschulzen wieder durchzudrücken“.60 Ein ähnliches Potential bot auch die Aussprache des Verfassungsausschusses über die im Regierungsentwurf vorgesehenen Hand- und Spanndienste, die allerdings nicht mehr als feudale Dienstleistung, sondern gegen Bezahlung und – so nicht durch die Gemeinde selbst anders bestimmt – nur in „Notfällen (bei Feuersbrünsten, Schneeverwehungen usw.)“ ausgeführt werden mussten.61 In der Begründung verwies einer der Regierungsvertreter auf „fast 200 Petitionen“, die die Aufhebung der unentgeltlichen Hand- und Spanndienste forderten, informierte aber zugleich über den Wunsch der leitenden Beamten der Domanialämter, sie bestehen zu lassen. Der durch die Regierung gefundene Kompromiss fand jedoch keine Mehrheit. In der anschließenden Beratung, in der wie selbstverständlich davon ausgegangen wurde, dass die Dienste in ihrem bisherigen Umfang, d. h. nicht nur in Notfällen, bestehen bleiben würden, trafen zwei ganz unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie aufeinander. Während ein Vertreter der SPD, aus „der stärkeren Leistungsfähigkeit“ einzelner eine gesellschaftliche Verantwortung ableitend, grundsätzlich für die Unentgeltlichkeit eintrat, lehnten DDP, DNVP und DVP „die Abwälzung der Gemeindepflichten auf einige wenige“ als „die Grundsätze der Demokratie“ verletzend ab und traten für eine aus der Gemeindekasse zu zahlende Entschädigung ein. Hinter der Frage, ob Demokratie in erster Linie Gleichheit oder soziale Verantwortung bedeute, verbargen sich handfeste materielle Interessen. So bestand zum einen das Problem, dass, wenn die Gemeinde für die Pflege der zum Gut oder Hof gehörenden Wege und Bäche aufkommen müsse, dies vor allem zum Nutzen des Inhabers geschehe, der allein zur Nutzung des Fischbestandes bzw. der an den Gräben und der Chaussee wachsenden Gräser und Bäume berechtigt war. Der Guts- bzw. Hofbesitzer 59 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Dem Vertrauensmann konnte, ebenso wie allen anderen Gemeindevertretern, eine Entschädigung gewährt werden. Der Gewählte war ebenfalls bei Androhung von Strafe zur Übernahme des Postens verpflichtet. Zu den Rechten des Nebenschulzen vor 1918 vgl. Bierstedt: Amtsführung, S. 28, § 11. Zum ursprünglichen Regierungsentwurf vgl. Entwurf Landgemeindeordnung, 8. Dez. 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 249. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 196–197: Aktennotiz MdI, 3. Dez. 1919 („Für die Aussprache mit den Aemtern am 9. d. Mts.“). 60 MN, 1. Feb. 1920. Vgl. MZ, 28. und 30. Jan. 1920; RoA, 15. Feb. 1920. 61 Entwurf Landgemeindeordnung, 8. Dez. 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 249.
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würde also „seine Gräben und Wege ohne Lohn herstellen“ lassen können.62 Dass das Gegenargument, im Fall einer Bezahlung würden die Hand- und Spanndienstpflichtigen wenigstens aus der Gemeindekasse entschädigt werden, ebenfalls problematisch war, verdeutlicht das „Eingesandt“ eines Einwohners aus Satow, der kritisierte, dass „die alte Gemeindeordnung [...] in dieser Beziehung besser für den kleinen Mann“ sorgte. Hand- und Spanndienste „kosteten nichts, der Beitrag zur Gemeindekasse war daher niedrig.“63 Hinzu kam, dass auf den Gütern die Wege bislang häufig ohne Mitwirkung der Hintersassen ausgebessert worden waren, sie also erst durch die Landgemeindeordnung zu den Arbeiten herangezogen werden würden.64 Auf der anderen Seite fürchteten die Hand- und Spanndienstpflichtigen für den Fall, dass die Dienste unentgeltlich blieben, dass die Gemeinden unberechtigte oder überzogene Forderungen stellen würden, denn „es koste ja nichts“. Im Ergebnis der „längeren Aussprache“ nahm der Verfassungsausschuss mit einer Stimme Mehrheit den sozialdemokratischen Antrag, die Gemeinden nicht zu einer Zahlung zu verpflichten, sondern ihnen die Entscheidung selbst zu überlassen, an.65 Grundsätzlich setzte sich der Verfassungsausschuss jedoch dafür ein, möglichst viele Aufgaben, wie den Erhalt der Nebenchausseen, die „Krautung der Flüsse und Bäche“ sowie die Ausstattung der Schulen dem Amt zu übertragen, da die Steuereinkünfte der Gemeinden ungewiss seien. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage der Kriegsschulden, insbesondere in Bezug auf die Zusammenlegung zweier Ortschaften zu einer Gemeinde, diskutiert. Aufgrund der Auskunft des Regierungsvertreters, sie im Gesetz über die Bildung der Landgemeinden ausführlich zu regeln, wurde die Beratung jedoch zunächst ausgesetzt.66 Nicht nur, wie bereits erwähnt, im Vorfeld, sondern auch während der sich über mehrere Tage hinziehenden Beratungen des Verfassungsausschusses67 suchten die beiden großen Berufsinteressenverbände der Domanialverwaltung ihre Vorstellungen zum Regierungsentwurf der Landgemeindeordnung zu Gehör zu bringen. Das Gesuch des neu gegründeten Verbands der akademisch gebildeten Domanialbeamten, vor den Ausschuss geladen zu werden, wurde jedoch mit Verweis darauf, dass auch der Städtetag nicht zur Beratung der Städteordnung zugelassen worden war, abgelehnt. Die Beamten erhielten allerdings, nicht zuletzt dem ausdrücklichen Wunsch der Regierung nachkommend, die Möglichkeit, „ihre Wünsche schriftlich nieder[zu] legen“. Darüber hinaus stellte der Verfassungsausschuss eine „mündliche zwanglose 62 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 63 MVZ, 4. Feb. 1920. 64 Vgl. Knebusch, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2663. 65 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. dazu auch MN, 1. Feb. 1920 und Kap. 6.4.2. 66 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 67 Die einzelnen Sitzungstage, die im abschließenden Protokoll nicht kenntlich gemacht sind, lassen sich anhand der Pressenachrichten ungefähr rekonstruieren. Zu den einzelnen Berichten vgl. exemplarisch MVZ, 3. Feb. 1920.
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Besprechung [...] außerhalb der Sitzungen“ in Aussicht. 68 Zum „Wortführer der Deputation“ des wenige Tage später, am 24. Februar 1920, erfolgten Gedankenaustauschs benannte der Verband der akademisch gebildeten Domanialbeamten August von Plessen, der seit 1898 in der Domanialverwaltung tätig war.69 Zur Abordnung gehörten ferner die seit 1899 bzw. 1904 im Staatsdienst stehenden Beamten Hans Schlie und Heinrich Schade sowie der 1915 in die Domanialverwaltung eingetretene Helmut Giese.70 Dieser war, ebenso wie Schade, politisch für die DNVP aktiv.71 In der Unterredung, die „mehrere Stunden“ dauerte, stand erneut die Zusammenlegung von Dörfern mit Pachthöfen und Gütern im Vordergrund. Auf den bekannten Einwand, die Dörfer würden dies aufgrund höherer Gemeindelasten, die Besitzer der Güter und Höfe wegen der drohenden Beschränkung ihrer Befugnisse „auf dem Hofe [...] und [...] als Arbeitgeber“ und „die Arbeitnehmer auf den Gütern“ schließlich angesichts der durch sie dann zu zahlenden Gemeindesteuern ablehnen, reagierte die DNVP mit dem Vorschlag, grundsätzlich von solchen Fusionen abzusehen.72 Kritisiert wurde durch die Domanialbeamten ferner die geplante Vereinigung benachbarter Höfe und Güter. Der „Zusammenschluß mehrerer Höfe zu einer Gemeinde“ sei, so die Delegation, allein „dann zu erwägen“, wenn es auf dem „einzelnen Hofe [...] an Intelligenzen fehle, die das für eine Gemeinde unumgänglich notwendige Gegengewicht gegen die überragende Stellung des Gutsherrn“ bilden könnten.73 Dieser Vorschlag, dessen Konsequenz eine periodische Einzelfallprüfung 68 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. auch MZ, 18. Feb. 1920. 69 MZ, 25. Feb. 1920. August von Plessen wurde 1869 in Wismar als Sohn des Kaufmanns August von Plessen geboren. Von 1888 bis 1890 studierte er Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an den Universitäten Berlin, Rostock und Tübingen. Zunächst als Referendar an verschiedenen Gerichten des Landes Mecklenburg-Schwerin tätig, trat er 1898 als Amtsassessor in die Domanialverwaltung ein. 1901 wurde von Plessen zum Regierungsrat der Steuer- und Zolldirektion Schwerin ernannt. 1902 machte er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch und wechselte wieder in die Domanialverwaltung, wo er, seit 1911 als leitender Beamter, in verschiedenen Ämtern Dienst tat. 1916 wurde von Plessen landesherrlicher Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Hagenow und Vorsitzender der Kreisbehörde für Volksernährung Hagenow. Vgl. UAR, 1.08.0, Jg. 1890; UAR, 1.09.0, Plessen, August von; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 3281. 70 Vgl. MZ, 25. Feb. 1920. Sowohl der 1875 als Sohn des Rittergutsbesitzers Gustav Schade auf Hageboek geborene Heinrich Schade als auch Hans Schlie, der 1872 als Sohn des Hofrats Prof. Dr. Friedrich Schlie geboren wurde, hatten als leitende Beamte der Domanialämter Schwerin bzw. Ribnitz die typische Karriere eines Beamten der mittleren Domanialverwaltung hinter sich. Schlie war seit 1916 zudem landesherrlicher Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Ribnitz und Vorsitzender der Kreisbehörde für Volksernährung Ribnitz. Vgl. UAR, 1.08.0, Jg. 1890 und Jg. 1896; UAR, 1.09.0, Schlie, Hans und Schade, Heinrich; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 494, 563 und Nr. 565. Zur Biographie von Helmut Giese, der 1885 als Sohn des Oberkirchenratspräsidenten Adolf Giese geboren wurde, vgl. Handbuch Landtag, 1921, S. 24. 71 Vgl. ebd. Zur parteipolitischen Bindung von Heinrich Schade vgl. MN, 4. März 1919; MW, 5. März 1919. Später trat er der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung bei. Vgl. Handbuch Landtag, 1926, S. 32. 72 MZ, 25. Feb. 1920. 73 MN, 27. Feb. 1920. Vgl. MN, 29. Feb. 1920.
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wäre, die nicht nur, da objektive Richtlinien nicht würden angesetzt werden können, zu ganz willkürlichen, sondern auch zeitlich begrenzten bzw. sich abwechselnden Vereinigungen und Trennungen der Ortschaften führen müsste, war freilich, wie es die SPD formulierte, „unpraktisch“. Aus Sicht der Sozialdemokratie ließ sich der Zusammenschluss von Höfen und Dörfern nicht vermeiden, da andernfalls auf den Gütern und Höfen, wo die Bewohner in der Mehrheit Deputatisten und Tagelöhner waren, der Besitzer der „Hauptzahler“ der Gemeinde bliebe, gleichzeitig aber „in die Lage käme, wenig zu sagen und zu bestimmen zu haben“. Die „Schärfe dieses Gegensatzes“ könne, so die SPD – die damit die durch Dethloff in der Landtagsdebatte noch schuldig gebliebene Begründung für die Kommunalgebietsreform lieferte – nur durch das „Zusammenlegen der Höfe ausgeglichen werden“. Tatsächlich gäbe es mit den Hofbesitzern, Büdnern und Häuslern eines Domanialdorfs in der Gemeinde nicht nur mehr mittlere und größere Steuerzahler, sondern ließen sich mit diesen auch leichter die mit dem Grundbesitz und einem landwirtschaftlichen Betrieb verbundenen Interessen, etwa in Bezug auf die Steuersatzung der Gemeinde oder die Verpflichtung zu Hand- und Spanndiensten, durchsetzen. Hierunter fiele übrigens auch die Forderung des Verbandes der akademisch gebildeten Domanialbeamten, das Kompetenzland nicht an Tagelöhner zu vergeben, da diese durch eigene große Wirtschaften nicht mehr die Zeit fänden, auf dem Gut zu arbeiten.74 Diese Frage allerdings hatte nach Ansicht des Verbandes vorerst im Hintergrund zu stehen. Priorität sollte die Bildung von Landgemeinden haben. Anschließend müssten die Schulverhältnisse geordnet und eine Auseinandersetzung mit der Kirche erzielt werden. Erst dann sei es an der Zeit, über die Dotierung der Kommunen mit Land zu diskutieren. Die Inkraftsetzung der Landgemeindeordnung schließlich dürfe erst erfolgen, wenn die Übertragung der notwendigen Ländereien und auch die Amtsordnung beschlossen worden seien. In die Verfassung solle deshalb zunächst lediglich ein Entschluss aufgenommen werden, nach dem „z. B. bis zum 1. Januar 1922 der neue Aufbau der Verwaltung durchzuführen“ sei.75 Im Klartext hieß dies, die Verhältnisse auf dem platten Lande einstweilen so zu belassen, wie sie waren, und erst nach Abschluss aller auf der Planungsebene vorzunehmenden Vorarbeiten neu zu gestalten. Vom Standpunkt der Bürokratie aus hatte dieses Vorgehen etwas Be stechendes, da es nicht nur juristisch anzufechtende subjektive Entscheidungen der lokalen Behörden durch landesgesetzliche Bestimmungen vermeiden, sondern auch eine Übergangsfrist schaffen würde, die eine langfristige und damit geordnete Auf hebung bestehender Rechte ermöglichen könnte. Einem großen Teil der Landbevölkerung die politische Partizipation solange zu verweigern, war allerdings wohl keine der im Landtag und im Verfassungsausschuss vertretenen Parteien ernsthaft bereit. Lakonisch heißt es im Bericht der „Mecklenburgischen Zeitung“ über die Verhandlungen: „Der Verfassungsausschuss nahm dankend die Ausführungen entgegen.“76
74 MZ, 25. Feb. 1920. 75 RoA, 26. Feb. 1920. 76 MZ, 25. Feb. 1920. Vgl. dazu auch MW, 27. Feb. 1920.
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Neben den mittleren Beamten der Domanialverwaltung traten auch die Schulzen an den Verfassungsausschuss heran. Sie luden die Mitglieder gemeinsam mit den zuständigen Referenten des Ministeriums des Innern zur Hauptversammlung des Landesschulzenvereins ein.77 An der nur einen Tag nach der Besprechung mit den Domanialbeamten, am 25. Februar 1920, im Blauen Saal der Tonhalle in Schwerin stattgefundenen Veranstaltung nahmen ferner „verschiedene leitende Beamte der Aemter“ sowie Ministerpräsident Hugo Wendorff, Innenminister Stelling und Justizminister Fritz Henck teil, die damit wohl auch das u. a. noch aufgrund der Auseinandersetzung vom Frühjahr 1919 leicht gespannte Verhältnis zwischen der Regierung und ihren unteren Beamten zu verbessern suchten.78 Die von „mehreren hundert Teilnehmern besuchte“ Versammlung79 eröffnete ein Referat des Ministerialrats Schlesinger, der den Regierungsentwurf vorstellte und „die einzelnen in Frage kommende[n] Punkte zur Besprechung“ stellte. Auch hier dominierte die Kommunalgebietsreform die Diskussion, in der „scharf“ gegen die Pläne der Regierung gesprochen wurde. Die abschließend geforderte Abstimmung ergab eine „einmütige Ablehnung“. In Bezug auf die politisch-organisatorische Gestaltung der Gemeinden regten die Schulzen an, Gemeindeversammlung und -vorstand statt auf drei auf sechs Jahre wählen zu lassen, da andernfalls „eine tatkräftige Arbeit von vornherein unterbunden“ wäre. In diesem Zusammenhang sprach sie sich auch gegen die Möglichkeit aus, per Volksentscheid eine vorzeitige Auflösung der Gemeindeversammlung herbeizuführen.80 In Bezug auf die Hand- und Spanndienste traten die Schulzen, wider die Aussage des Verbandes der akademisch gebildeten Domanialbeamten, die Mehrheit der Schulzen sei für die Bewahrung des alten Zustandes,81 für eine durch Ortssatzung festzulegende Vergütung ein, die nur dann nicht zu zahlen sei, wenn die Spannviehbesitzer selbst sich dagegen entschieden.82 Obgleich die „Aussprachen auf der Versammlung“ nach Ansicht des Vorsitzenden des Landesschulzenvereins, Heinrich Ihde, „auch teilweise etwas langweilig“ waren, glaubte der Vorsitzende doch „annehmen zu dürfen, daß die stattgefundene Versammlung sowohl der Meckl. Regierung als auch dem Verfassungsausschuss des Meckl. Landtages sehr erwünscht gewesen“ war und hoffte, dass ihre Ergebnisse für „die weitere Bearbeitung des fraglichen Gesetzentwurfes sehr wohl zu verwerten“ 77 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 490: Verfassungsausschuss an MdI, 20. Feb. 1920; ebd., Bl. 491: Vorstand Landesschulzenverein an MdI, 18. Feb. 1920; ebd., Bl. 491: MdI an Vorstand Landesschulzenverein, 20. Feb. 1920. Vgl. auch RoA, 19. Feb. 1920; MZ, 18. Feb. 1920; 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassung gebender Landtag, Drs. Nr. 349. 78 MW, 27. Feb. 1920. Deutlich wird das Bemühen der Regierung etwa in der Ankündigung Wendorffs, die beiden Minister seien „durch Dienstgeschäfte behindert, an den weiteren Verhandlungen teilzunehmen“, und der anschließenden Bitte, „ihr Fortgehen möge nicht als mangelndes Interesse für die Sache gedeutet werden.“ Ebd. Zum Schulzenprotest im Frühjahr 1919 vgl. Kap. 5.3.2.2. 79 LZM, 27. Feb. 1920; MW, 27. Feb. 1920. 80 MN, 27. Feb. 1920. Vgl. auch MZ, 26. Feb. 1920. 81 Vgl. MZ, 25. Feb. 1920. 82 Vgl. MN, 27. Feb. 1920; MZ, 26. Feb. 1920.
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seien.83 Tatsächlich bezeichnete Ministerpräsident Wendorff – freilich ist hier das Bestreben, den Eindruck eines Alleinganges der Regierung wie im Frühjahr 1919 zu vermeiden, zu berücksichtigen – die geäußerten Gedanken als „wichtig“ und erklärte der Verfassungsausschuss, „die vorgebrachten Richtlinien einer eingehenden Prüfung [...] unterziehen“ zu wollen.84 In der zweiten Lesung der Landgemeindeordnung, die kurz darauf begann,85 nahm der Verfassungsausschuss einige redaktionelle Änderungen an sowie noch einmal zum Problem der Hand- und Spanndienste Stellung, beließ es hier aber bei der bestehenden Fassung. In Bezug auf die kontrovers diskutierte Vereinigung von Gütern bzw. Höfen mit benachbarten Dörfern hingegen stimmte der Verfassungsausschuss im Rahmen der Übergangsbestimmungen einem durch die Regierung erarbeiteten „Programm“ zu. Demnach wurde grundsätzlich an solchen Zusammenschlüssen festgehalten bzw. hatte, wo diese „nach Lage der Verhältnisse nicht zweckmäßig“ waren, die Vereinigung mehrerer Höfe bzw. Güter zu erfolgen. Für den Fall jedoch, dass beide Varianten „unzweckmäßig“ erschienen, sollte es, wider die Bestimmung in den bekannten Richtlinien des Ministeriums des Innern zur Vorbereitung der Kommunalgebietsreform sowohl in als auch außerhalb des Domaniums, auch möglich sein, die „Hofgemeinde oder das Landgut als Landgemeinde bei Bestand“ zu lassen. Ausschlaggebend bei der Entscheidung hatte allerdings „in erster Linie [...] die Schaffung leistungsfähiger Gemeinden“ zu sein.86 Gleichzeitig war der „Plan, von einer Zentralstelle aus die Bildung der Gemeinden vorzunehmen, fallen gelassen“ worden.87 Stattdessen sollte, in Anlehnung an das Rundschreiben des Ministeriums des Innern an die leitenden Beamten der Domanialämter vom 24. Oktober 1919, die „Umbildung durch örtliche Ausschüsse“ begleitet werden.88 Eine Fusion war demnach, wie bereits in der Städteordnung vorgesehen,89 „erst nach Anhörung der Beteiligten, d. h. der Gemeinden, oder auch der Eigentümer und Miteigentümer an [den] Grundstücken“ möglich. Die letzte Entscheidung indes, die das „öffentliche Interesse“ zu berücksichtigen hatte, oblag dem Landesverwaltungsrat.90 Vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags waren mit dem neu geschaffenen § 74 die Richtlinien der Regierung, freilich in etwas modifizierter Form, Gesetz und 83 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 506: Vorstand Landesschulzenverein an StM, 26. Feb. 1920. 84 MW, 27. Feb. 1920. Vgl. auch LZM, 27. Feb. 1920. 85 Für die Presseberichte vgl. MW, 9. Mai 1920; MZ, 6. und 7. Mai 1920. 86 Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. auch Landgemeindeordnung nach den Beschlüssen des Verfassungsausschusses in zweiter Lesung, 8. Mai 1920, in: Ebd., Drs. Nr. 249, § 73. 87 MZ, 28. Jan. 1920. Vgl. RoA, 15. Feb. 1920. 88 MN, 31. Jan. 1920. Dass diese, wie in der Presse berichtet, „aus 2 ländlichen Besitzern und einem Vertreter des Ministeriums“ bestehen sollten, ist indes unwahrscheinlich. MZ, 28. Jan. 1920. Vgl. RoA, 15. Feb. 1920. 89 Vgl. Gesetz, betreffend Städteordnung. Vom 18. Juli 1919, in: Rbl. Nr. 121, 30. Juli 1919, S. 673–694, hier S. 674, § 3, Abs. 3. 90 Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 743, § 4, Abs. 5.
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die Kommunalgebietsreform Bestandteil der Verfassungs- und Verwaltungsreform geworden.91 Die Regierung ging allerdings, ebenso wie der Verband akademisch gebildeter Domanialbeamter, davon aus, dass die Durchführung des Programms „bei den 1.500 Gemeinden mehrere Jahre in Anspruch nehmen“ würde.92 Da ein Aufschub der Landgemeindeordnung jedoch nicht geplant war, bedeutete dies de facto den Verzicht darauf, die seitens der SPD als deren Voraussetzung bezeichnete Neugliederung des Landes der Einführung des Gesetzes vorangehen zu lassen. Sie würde parallel oder erst nach dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung erfolgen. Tatsächlich verfügte das Ministerium des Innern nur wenige Monate später einen Stopp der Kommunalgebietsreform und bewahrte damit nicht nur territorial, sondern auch in sozialer und kultureller Hinsicht die ständische Dreiteilung des Landes.93 Die durch die Landgemeindeordnung beabsichtigte Vereinheitlichung der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Unterschiede freilich blieb hiervon unberührt. Gleichwohl übte, wie noch zu zeigen sein wird, die so erhaltene alte Siedlungsstruktur des Landes einen nicht unerheblichen Einfluss auf die praktische Umsetzung und Ausgestaltung des Gesetzwerks aus.94 Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang auch die durch den Verfassungsausschuss beschlossene „besondere Fleckenordnung“, die für insgesamt sechs ländliche Ortschaften gelten sollte, die als ursprünglichen Marktflecken zwar nicht mehr deren Bedeutung, aber einen „gewissen städtischen Anstrich“ und besondere Rechte bewahrt hatten. Der ursprüngliche Plan, der einen ritterschaftlichen und den fünf domanialen Fleckengemeinden das Stadtrecht zu verleihen, war indes aufgegeben worden.95 Die „wegen der teueren Verwaltung“96 seitens der Fleckengemeinden geforderten „Zuwendungen an Ländereien bezw. baren Zuschüssen aus Landesmitteln“97 hätten, so die Regierung, „zu große Mittel erfordert“.98 Da eine 91 Im Entwurf war der spätere § 74 noch § 73. Im Interesse eines leichteren Verständnisses ist hier jedoch auf diese rein formale Unterscheidung zwischen Entwurf und Gesetz verzichtet worden. 92 Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 93 Vgl. Bekanntmachung vom 14. Dez. 1920, betreffend Ausführung der Landgemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 186, 16. Dez. 1920, S. 1342. Vgl. auch Kap. 6.3. 94 Vgl. dazu Kap. 8 und Kap. 9. 95 Zu den Vorstellungen der Regierung und ersten Verhandlungen mit den Fleckengemeinden vgl. MN, 29. März 1919; MW, 30. März 1919; Gladischefski, Karl: Bericht über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses die Städteordnung betreffend, 9. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 111; LHAS 5.12-3/1, Nr. 936, Bl. 93–94: Wendorff, Hugo: Bemerkungen zum Entwurf der Amtsordnung, 16. Jan. 1920; LHAS 5.12-3/1, Nr. 944: DA Stavenhagen an Magistrat Stadt Malchin, 4. Nov. 1919; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 226–233: DA Grevesmühlen an MdI, 9. Jan. 1920. 96 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 97 MN, 29. März 1919. 98 Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Konkret war „für jeden Flecken ein jährlicher Zuschuß von 70.000 bis 100.000 Mark“ bzw. eine einmalige Dotation in Höhe von insgesamt zehn bis zwölf Millionen Mark vorgesehen. Ebd.
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Herabstufung zur Landgemeinde nicht opportun erschien, sollte den Gemeinde vorstehern eine „erweiterte polizeiliche Gewalt“, die u. a. das Recht, Strafverfügungen zu erlassen, beinhaltete, und eine Legislatur von zwölf Jahren gewährt werden. Darüber hinaus war geplant, die Flecken, wie die Landstädte, nicht der Aufsicht des Amts, sondern der des Landesverwaltungsrats zu unterstellen. An die Städteordnung anknüpfend wurden ferner die Absetzung der alten Ortsvorsteher und die Durchführung demokratischer Wahlen „innerhalb dreier Monate nach dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung“ beschlossen.99 Mit der Einfügung der Flecken- in die Landgemeindeordnung waren die Pläne, den Kommunen, dem Gedanken einer Vereinheitlichung der Kommunalverwaltung folgend, das Stadtrecht zu verleihen, jedoch nicht gänzlich ad acta gelegt worden, sondern wurden von beiden Seiten immer wieder aufgegriffen.100 Anfang Mai 1920 reichte der Verfassungsausschuss seine Empfehlungen – wie beschlossen gemeinsam mit denen zur am 6. Februar erstmals im Parlament verhandelten Amtsordnung101 – beim Landtag ein. In der daraufhin am 19. Mai 1920 erfolgten zweiten Lesung der Gesetzentwürfe wurde seitens des Abgeordneten Tabel der im Verfassungsausschuss abgelehnte Antrag, den Beauftragten des Schulzen mit beratender Stimme an den Sitzungen der Gemeindeversammlung teilnehmen zu lassen, erneut gestellt und angenommen. Eine Änderung forderte die DNVP, die Wünsche des Landesschulzenvereins aufnehmend, auch bezüglich der Hand- und Spanndienste, die, falls nicht die Mehrheit der Spanndienstpflichtigen anders entscheide, nur gegen Bezahlung geleistet werden sollten. Als Argument wurde eine drohende „Vergewaltigung der Minderheit“ angeführt, die in Gemeinden mit wenigen Spannviehbesitzern und insbesondere in Dörfern, „wo nur vier bis fünf Hofbesitzer oder Erbpächter“ lebten, drohe.102 Dieser Ansicht folgte der Abgeordnete der DDP, Paul Schwencke, der als Erbpächter in Vellahn selbst Spannviehbesitzer war. Den Zusatz im Antrag der DNVP hingegen, die Entscheidung der Gemeindeversammlung vom Votum der Spannviehbesitzer abhängig zu machen, lehnte er sowohl als „Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Gemeinden“ als auch vor dem Hintergrund, keine „Sonderrechte“ für einzelne Gruppen schaffen zu wollen, ab.103 Der Landtag nahm daraufhin gegen die Stimmen der SPD den ersten Teil des Antrags der DNVP an und stellte damit die Regierungsvorlage wieder her.104 Die im Verfassungsausschuss zu den Prinzipien der Demokratie geführte Diskussion war damit zugunsten des Gleichheitsgrundsatzes entschieden worden.
99 Ebd. 100 Zu den bis 1933 geführten Diskussionen um die Verleihung des Stadtrechts an die Fleckengemeinden Dargun, Lübtheen und Zarrentin vgl. LHAS, 5.12–3, Nr. 6000, 5413 und Nr. 5485. Die Umwandlung der Flecken zu Städten erfolgte 1938. Vgl. dazu Kap. 7, S. 250–251. 101 Vgl. Landtag, 1920, 69. Sitzung, 6. Feb. 1920, Sp. 2074–2086. 102 Tabel, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2656. Vgl. dazu auch Knebusch, in: Ebd., Sp. 2660. 103 Schwencke, in: Ebd., Sp. 2658. 104 Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2658–2659.
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In Zusammenhang mit den Hand- und Spanndiensten stand auch der Antrag des fraktionslosen Karl Markwart, der zugleich Schulze des Domanialdorfs Güritz im Domanialamt Grabow war.105 Er forderte, den „Unterhaltspflichtigen auch das Nutzungsrecht an den von ihnen unterhaltenen Straßen aller Art, Flüssen, Bächen usw.“ zuzusprechen.106 Da eine solche Bestimmung dem Rechtsgrundsatz, Privateigentum kann nur gegen Entschädigung enteignet werden, widersprochen hätte,107 wurde der Antrag allerdings wieder zurückgezogen. Auf Anraten der DNVP beschloss der Landtag jedoch, die Regierung zu dem Problem Stellung nehmen zu lassen.108 Der durch den Verband der akademisch gebildeten Domanialbeamten geäußerte Vorschlag, den Wegeverbänden das Recht einzuräumen, die Unterhaltspflicht gegen eine Entschädigungszahlung den Ämtern zu übertragen,109 wurde nicht erörtert. Eine umfängliche Diskussion hingegen erfuhr, ebenfalls auf Antrag der DNVP, der § 74. Wie bereits im Verfassungsausschuss sprach sich die Partei generell gegen eine Kommunalgebietsreform aus. Zum einen könnten, so der Abgeordnete Magnus Knebusch, „zwei oder drei Ortschaften, die getrennt sind, niemals zu einer einzigen Gemeinde zusammengeschlossen“ werden, in der „ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ein einheitlicher Wille“ herrsche und die „widerstrebenden Elemente nicht gegeneinander“ arbeiten würden. Zum anderen bewiesen die „zahlreichen Eingaben“, insbesondere der Bewohner der domanialen Dorf- und Hofgemeinden, „daß man einen Zusammenschluß nicht wünscht“. Statt einer Umsetzung des durch den Verfassungsausschuss verabschiedeten Programms regte Knebusch an, „die noch nicht gemeindlich verfassten Ortschaften für sich“ zu lassen und „ihnen nachher ein[en] Zusammenschluß“ zu ermöglichen. Die entsprechenden Voraussetzungen dafür würde der § 4 der Landgemeindeordnung bieten, der die Zulegung von Ländereien und Ortschaften zu einer Gemeinde regelte. Das Vorhaben, „allgemein“ Fusionen anzuordnen, hielt Knebusch für „außerordentlich verderblich“ und sah dadurch insbesondere die „gemeindliche Entwicklung in den Hofgemeinden nicht gefördert, sondern zerstört“. Tatsächlich war dieses Argument, mit Blick darauf, dass die Tagelöhner in einer zusammengelegten Gemeinde den grundbesitzenden Schichten gegenüber häufig in der Minderheit wären, nicht ganz unzutreffend. Dies galt auch für den Hinweis, dass sich „erst [...] der kleine Kreis [...] einarbeiten“, d. h. auch Selbstverwaltung erfahren müsse, und in dieser Phase „die mangelnde Leistungsfähigkeit [...]
105 Vgl. Bekanntmachung vom 18. Februar 1919, betreffend die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag in Mecklenburg-Schwerin, in: Rbl. Nr. 36, 19. Feb. 1919, S. 189–192, hier S. 191; Staatskalender, 1917, T. 2, S. 29. Markwart hatte das Amt nachweislich bis 1923 inne. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 66. 106 Markwart, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2654. Vgl. dazu auch LHAS, 5.123/1, Nr. 981, Bl. 557: Markwart an Landtag, 20. Mai 1920. 107 Vgl. Knebusch, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2654; Schlesinger, in: Ebd., Sp. 2655. Zur Stellungnahme der Regierung, die den Ausführungen Schlesingers im Landtag entsprach, vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 556: Aktennotiz Schlesinger, 26. Mai 1920. 108 Vgl. Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2655. 109 Vgl. MN, 27. Feb. 1920.
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nicht in Betracht gezogen“ werden dürfe.110 Hinter diesem „gutgemeint[en]“111 Vorschlag verbarg sich, so Ministerpräsidenten Wendorff, jedoch nur „die Tatze des Löwen [...], die nichts anderes will, als das Heiligtum der unangetasteten Rittergüter auch in die Neuzeit mit hinüberzuretten“. Wendorff konnte sich ein „gemeindliches Leben in einem derartigen auch wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Gutsbezirk“ nicht denken und warb darum, den Antrag abzulehnen.112 Knebusch konterte, Wendorff habe „die Revolution verschlafen“, wenn er glaube, die Landarbeiter würden den Gutsherrn noch „als ihren gegebenen Herrn und Führer anerkennen“ und verwies auf die divergierenden Interessen zwischen den Einwohnern der Dörfer und Höfe, die etwa die Hand- und Spanndienste oder die Frage der Nutzung der Kompetenzländereien betrafen. Nicht zuletzt würde in jeder fusionierten Gemeinde „der geschlossene Wille, der Gesamtheit zu dienen, hinter der Besorgnis zurücktreten [...], daß der eine oder andere Ort mehr Vorteile von der Sache haben könnte“113 – ein Einwand, den der Landtag mit der dem Beauftragten des Schulzen zugesprochenen Rolle als Vertreter der einzelnen Ortschaften in der Gemeindeversammlung im Grunde bereits anerkannt hatte. Das Argument, durch die Revolution habe der Guts- bzw. Hofbesitzer seine politische Macht und Autorität verloren, indes war, wie noch zu zeigen sein wird, nicht zutreffend.114 Hier sei jedoch zunächst auf zwei Argumente, die gegen den Antrag Knebusch angeführt wurden, verwiesen. So behauptete der Abgeordnete der DDP, Hans Neumann, ihm seien „persönlich Briefe von Leuten“ zugegangen, die Eingaben gegen eine Vereinigung von Höfen mit Dörfern unterschrieben hätten und nun erklärten, „sie hätten auf Veranlassung der Guts obrigkeit respektive des Inspektors usw.“ gehandelt.115 Dass sich einige Guts- bzw. Hofbesitzer zur Legitimation ihrer Interessen derartiger Praktiken bedient haben, scheint durchaus möglich. Als allgemeines Phänomen, als das es Neumann darzustellen versuchte, indes lässt es sich anhand der Akten, in denen nur eine geringe Zahl an Eingaben mit Unterschriftenliste überliefert ist, nicht nachweisen.116 Unwahrscheinlich erscheint dies zudem aufgrund der geschilderten Interessenlage der Hintersassen bzw. Hofeingesessenen. Allgemeingültiger hingegen ist das Argument Wendorffs, dass die Inhaber selbständiger Güter bzw. Höfe für sich bleiben wollten, weil es für sie „sehr vorteilhaft“ war, die „Arbeiter, die sie beschäftigen, in den benachbarten Landgemeinden wohnen zu lassen“, da so nicht ihnen, sondern den Gemeinden „später auch die Armenlasten“ zufielen.117 Den Auffassungen der Regierungsparteien folgend, lehnte der Landtag den Antrag Knebusch mehrheitlich ab.118
110 Knebusch, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2662. 111 Witte, in: Ebd., Sp. 2662. 112 Wendorff, in: Ebd., Sp. 2662–2663. 113 Knebusch, in: Ebd., Sp. 2663. 114 Vgl. Kap. 9.3. 115 Neumann, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2664. 116 Vgl. Kap. 6.3.2, S. 217. 117 Wendorff, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2665. 118 Vgl. Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2665.
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Nach einer kurzen Verhandlungspause beantragte der Ministerpräsident in die dritte Lesung der Landgemeindeordnung einzutreten und ohne die übliche allgemeine Aussprache zur Abstimmung überzugehen. Diese wiederum sollte ebenfalls wider die parlamentarischen Gepflogenheiten nicht nach Paragraphen, sondern abschnittsweise erfolgen. Ohne die Stimmen der sozialdemokratischen Abgeordneten, die, obwohl der Vorsitzende sie „zweimal“ daran erinnern ließ, noch nicht aus der Pause zurückgekehrt waren, wurde das Verfahren angenommen. Bei der Beschlussfassung brachte die DNVP ihren bereits in zweiter Lesung vorgestellten Antrag, den Schulzen nicht nur durch die Gemeindeversammlung, sondern auch „durch die Gesamtheit der Gemeindeangehörigen“ wählen zu lassen,119 ein und setzte sich mit dieser Forderung, die eine „Übereinstimmung mit der Städteordnung“ herbeiführen wollte, durch.120 Da die Beschlussfähigkeit des Hauses nicht gegeben war, konnte die dritte Lesung jedoch nicht beendet werden. Sie wurde erst später, am 20. Mai 1920, wiederaufgenommen. Von der DNVP wurde dabei erneut ein Antrag betreffend die Hand- und Spanndienste eingebracht und zum wiederholten Male abgelehnt.121 Bevor schließlich die letzten Paragraphen verabschiedet wurden, bat der Abgeordnete Knebusch noch mit Blick darauf, dass die Landgemeindeordnung nicht nur „von allen“ Gemeinden, sondern auch von den gemeindlich nicht verfassten Ortschaften, hier vor allem den Dörfern in den Gebieten der Klöster, „dringend gewünscht“ sei, die Regierung, darüber zu informieren, ob das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 1921 in Kraft treten werde und wie dies konkret erfolgen solle.122 Nach Auskunft des Ministerialrats Schlesinger war die „Entwicklung ungefähr folgendermaßen“ gedacht: „Nach Verabschiedung der Gesetzesvorlage“ sollte seitens des Ministeriums des Innern eine Ausführungsbestimmung erlassen werden, die bestimmt, dass als Landgemeinden im Sinne der Landgemeindeordnung zum einen die ehemaligen Domanialgemeinden, die sogenannten bäuerlichen Gutskommunen und die Klosterortschaft Schwarz, zum anderen die gemeindlich noch nicht verfassten ländlichen Ortschaften des platten Landes „mit der Maßgabe, daß im ehemals ritterschaftlichen Landesteil jedes Landgut [mit den] etwaigen benachbarten Nebengütern, Bauernkolonien und dergl. als eine Ortschaft gilt“, anzusehen seien. Konkret hieß dies, dass, anders als im § 74 bestimmt, generell und nicht nur in Ausnahmefällen Einzelhof- und Gutsbezirke selbständige Gemeinden bilden würden und nur am Beschluss, die Hauptgüter mit ihren Pertinenzen zu einer Landgemeinde zu vereinigen, festgehalten wurde. Im Anschluss an die Gemeindebildung würden, so Schlesinger, in sämtlichen bislang gemeindlich nicht verfassten Ortschaften, zu denen auch die domanialen Hofgemeinden gezählt wurden, Wahlen zu den Gemeindevertretungen durchgeführt werden, womit „in verhältnißmäßig kurzer Zeit“ die Gemeindebildung abgeschlossen wäre.123 Indirekt hatte Schlesinger damit über die Aussetzung der 119 Knebusch, in: Ebd., Sp. 2654. 120 Ebd., Sp. 2666. Vgl. auch Kap. 6.4.1, S. 229–230. 121 Vgl. Landtag, 1920, 89. Sitzung, 20. Mai 1920, Sp. 2691–2693. 122 Knebusch, in: Ebd., Sp. 2693. 123 Schlesinger, in: Ebd., Sp. 2693. Die in eckige Klammern gesetzten Worte sind bei der Übertragung des Stenogramms ganz offensichtlich vergessen worden.
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Kommunalgebietsreform informiert. Vor diesem Hintergrund, so scheint es, verzichtete die DNVP, was andernfalls wohl nicht zu erwarten gewesen wäre, darauf, ihren in zweiter Lesung abgelehnten Änderungsantrag zum nun quasi bedeutungslos gewordenen § 74 nochmals einzubringen und stimmte, gemeinsam mit der Mehrheit des Landtags, für die Landgemeindeordnung. Verwunderlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass seitens der Sozialdemokratie keinerlei Einspruch gegen das durch Schlesinger vorgestellte Programm des Ministeriums des Innern erhoben wurde. Möglicherweise akzeptierte sie die Aussetzung des § 74 schlicht, weil sie die Landgemeindeordnung „in möglichst kürzester Zeit in Kraft“ setzen und „gleich darauf“ die Wahlordnung bekannt geben wollte.124 Tatsächlich waren seit der Revolution, in der Demokratie und Selbstverwaltung gefordert worden waren, bereits über eineinhalb Jahre vergangen, ohne dass die Bevölkerung des platten Landes, mit Ausnahme der Einwohner der Flecken- und domanialen Dorfgemeinden, entsprechende Rechte erhalten hatte. Eine mehrere Jahre in Anspruch nehmende Phase der Gemeindebildung erschien vor diesem Hintergrund nicht opportun. Die Hoffnung auf eine schnelle Einführung der Landgemeindeordnung wurde jedoch enttäuscht. Im September 1920 informierte Schlesinger das Ministerium der Finanzen darüber, dass nunmehr der 1. April 1921 als Termin in Aussicht genommen werde, dort allerdings, wo sich „im einzelnen Schwierigkeiten“ ergäben, etwa „weil ein Gutsbezirk mit einer anderen Gemeinde vereinigt wird und“ – diese Zeile wurde später wieder gestrichen, verdeutlicht aber den Standpunkt Schlesingers – „die Gutsobrigkeit nicht in den neuen Gemeindevorstand“ gelangen könne, sollten Ausnahmen möglich sein.125 Ob es hierzu kam, ist jedoch nicht bekannt. Im November 1920 erließ das Ministerium des Innern schließlich eine Wahl ordnung,126 die sich sowohl an den entsprechenden Bestimmungen für den Landtag und die städtischen Parlamente als auch an denen von Württemberg und Mecklenburg-Strelitz orientierte.127 Wenige Wochen später, am 14. Dezember 1920, wurde, wie durch Schlesinger vor dem Landtag angekündigt, „unbeschadet der unverzüglichen Ausführung der Bestimmung des § 74 der Landgemeindeordnung zunächst jedes ritterschaftliche Landgut mit etwaigen benachbarten Nebengütern, Bauern 124 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 587: SPD-Ortsverein Plate an Landtag, Juli 1920. Vgl. dazu auch Stelling, in: Landtag, 1921, 6. Sitzung, 29. Juli 1920, Sp. 81. Dort heißt es: „Der Wunsch weitester Kreise des mecklenburgischen Volkes geht dahin, daß die [...] Landgemeindeordnung möglichst bald in Wirksamkeit gesetzt werden möchte. Ich bin mir der Schwierigkeiten aufgrund meiner früheren Tätigkeit [als Innenminister – M. B.] durchaus bewußt, und ich weiß, daß das eine Aufgabe ist, die nicht von heute auf morgen erledigt werden kann, aber ich bin berechtigt zu verlangen, daß hier mit Hochdruck gearbeitet und mit aller Schnelligkeit darauf hingewirkt wird.“ 125 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 615–616: Schlesinger an MdF, 3. Sept. 1920. 126 Vgl. Wahlordnung vom 23. November 1920 für die Wahl der Gemeindevertreter (§ 14 der Landgemeindeordnung vom 20. Mai 1920), in: Rbl. Nr. 187, 17. Dez. 1920, S. 1343–1356. 127 Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 40: Württembergisches Ministerium des Innern an MdI, 22. April 1919; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: StM Mecklenburg-Strelitz an MdI, 3. Aug. 1920. Zur Wahlordnung vgl. Mecklenburg-Strelitzscher Amtlicher Anzeiger, Nr. 49, 12. April 1920, S. 315–329.
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kolonien usw. als eine Landgemeinde“ bezeichnet.128 Vier Tage darauf bestimmte das Ministerium des Innern, dass die Durchführung der Wahlen zu den Gemeindeversammlungen und -vorständen in den früheren domanialen Hofgemeinden und in den bisher gemeindlich nicht verfassten Ortschaften bis zum 27. Februar 1921 zu erfolgen hatte.129 Mit dem 1. April 1921 trat die Landgemeindeordnung in Kraft. Das Recht der freien Selbstverwaltung wurde allerdings nicht allen ländlichen Ortschaften übertragen – ausgenommen blieben die Landesanstalten Dreibergen, Gehlsheim und der Sachsenberg,130 die sogenannten Amtsfreiheiten der Städte Dömitz, Gadebusch, Hagenow, Neustadt und Stavenhagen,131 die Boizenburger und Plauer Kämmereiortschaften132 sowie der Klosterhof und die im Stadtbezirk Rostock gelegenen Gebiete des ehemaligen Klosters zum Heiligen Kreuz,133 die von Preußen eingeschlossenen 128 Bekanntmachung vom 14. Dezember 1920, betreffend Ausführung der Landgemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 186, 16. Dez. 1920, S. 1342 (Hervorhebung im Original). 129 Vgl. Bekanntmachung vom 18. Dezember 1920, betreffend die erste Wahl von Gemeindevertretern und Gemeindevorständen in den früheren domanialen Hofgemeinden und in den bisher gemeindlich nicht verfassten Ortschaften, in: Rbl. Nr. 191, 21. Dez. 1920, S. 1405–1406; Bekanntmachung vom 18. Dezember 1920, betreffend Wahl der Gemeindevertreter und der Amtsvertreter, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 143, 23. Dez. 1920, S. 843–844. 130 Vgl. Bekanntmachung vom 14. Dezember 1920, betreffend Ausführung der Landgemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 186, 16. Dez. 1920, S. 1342; Bekanntmachung vom 6. April 1921, betreffend Wahrnehmung der Dienstgeschäfte der Ortspolizeibehörde und der unteren Verwaltungsbehörde in den Ortschaften Gehlsheim und Sachsenberg, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 42, 12. April 1921, S. 337. Die Sonderstellung der Landesanstalten blieb innerhalb des durch die Arbeit untersuchten Zeitraumes bestehen. 131 Die Ausnahmeregelung endete mit der Eingemeindung der Amtsfreiheiten in die betreffenden Städte. Sie erfolgte in Dömitz und Gadebusch 1923, in Hagenow und Neustadt 1924. Vgl. Bekanntmachung vom 4. Januar 1923, betreffend Eingemeindung, in: Rbl. Nr. 8, 15. Jan. 1923; Bekanntmachung vom 29. August 1923 über Eingemeindung, in: Rbl. Nr. 117, 7. Sept. 1923, S. 658; Bekanntmachung vom 26. Februar 1924 über Eingemeindung, in: Rbl. Nr. 14, 29. Feb. 1924, S. 112; Bekanntmachung vom 16. April 1924 über Eingemeindung, in: Rbl. Nr. 28, 5. Mai 1924, S. 170. Zur Vereinigung der Amtsfreiheit Stavenhagen mit der Stadt Stavenhagen vgl. Bekanntmachung vom 3. August 1929 über Änderung von Gemeindebezirken, in: Rbl. Nr. 43, 9. Aug. 1929, S. 232. 132 Die Sonderstellung wurde mit der Eingemeindung 1921/22 aufgehoben. Vgl. Bekanntmachung vom 12. Mai 1922, betreffend Eingemeindung, in: Rbl. Nr. 49, 17. Mai 1922, S. 317; Bekanntmachung vom 29. August 1921, betreffend Eingemeindung, in: Rbl. Nr. 97, 2. Sept. 1921, S. 859; Bekanntmachung vom 26. Oktober 1921, betreffend Eingemeindung, Nr. 117, 9. Nov. 1921, S. 959. 133 Aus „verwaltungstechnischen Gründen“ war das Ministerium des Innern zunächst für eine „Eingemeindung des Klosterhofes in das Rostocker Stadtgebiet“ eingetreten. Da diese jedoch „langwierige Verhandlungen“ zur Voraussetzung haben würde, war „eine ministerielle Anordnung über Wahrnahme der Dienstgeschäfte der Gemeindebehörde und der Ortspolizeibehörde bezw. unteren Verwaltungsbehörden“ notwendig. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 15: MdI an MfL, 6. April 1921. Vgl. dazu auch ebd.: MfL an MdI, 21. April 1921. Vgl. ferner Bekanntmachung vom 12. Nov. 1924 über Wahrnahme der Geschäfte der Gemeindebehörde, der Ortspolizeibehörde und der unteren Verwaltungsbehörde in den gemeindlich nicht verfaßten Gebieten, in: Rbl. Nr. 55, 18. Nov. 1924, Nr. 55, S. 316. Die Eingemeindung erfolgte 1930. Vgl. Bekanntmachung vom 28. Februar 1930 über Änderung von Gemeindebezirken, in: Rbl. Nr. 10, 7. März 1930, S. 41.
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Enklaven134 sowie die „gemeindlich nicht verfassten Gebietsteile des ehemaligen Domaniums (einschließlich des früheren Hausgutes)“.135 Die Geschäfte der Gemeindebehörde, d. h. der Ortspolizei- und unteren Verwaltungsbehörde, wurden hier – mit Ausnahme der kirchlichen Besitztümer – von staatlichen Behörden, konkret von den Anstaltsleitungen bzw. den jeweiligen Landdrosteien übernommen.136 Nachdem mit der Einführung der Selbstverwaltung auch in den ehemals ritterschaftlichen Landesteilen die „zahlreiche[n] Geschäfte der ‚unteren Verwaltungs behörde‘“ auf die Schulzen und Obervorsteher übergegangen waren, verfügte das Ministerium des Innern die Aufhebung der seit 1879 bestehenden 34 ritterschaftlichen Polizeiämter,137 deren Aufgaben im Bereich der Kommunalaufsicht den Ämtern bzw. während einer Übergangszeit den staatlich bestellten Beamten übertragen wurden.138 Ebenfalls zum 1. April 1921 wurde die Tätigkeit der Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken beendet. Sie hatten lediglich noch für eine Übergangszeit die Angelegenheiten der Erwerbslosen- und Wohnungsfürsorge zu bearbeiten.139 Die den einzelnen Behörden zur Verfügungen stehenden Mittel sollten nach Möglichkeit „in dem Verhältnis in dem sie aufgebracht“ wurden, „an die beteiligte[n] Gutsherrschaften“ zurückerstattet werden.140 Mit der am 29. März 1921 an sämtliche Gutsobrigkeiten ergangenen Aufforderung, den gewählten Gemeindevorständen die die Gemeindeverwaltung betreffenden Akten zu übergeben, waren die Vorbereitungen zur Einführung der Landge-
134 Die Verwaltung der Enklaven durch die Landdrostei endete mit dem 1. Januar 1928. Ab diesem Zeitpunkt unterstanden sie dem Amtshauptmann des Amtes Waren. Vgl. Bekanntmachung vom 13. Dezember 1927 zur Änderung der Bekanntmachung vom 12. November 1924, betreffend die Wahrnahme der Geschäfte der Gemeindebehörden usw. in den gemeindlich nicht erfassten Gebieten, in: Rbl. Nr. 74, 20. Dez. 1927, S. 248. Vgl. dazu auch Kap. 7, S. 252. 135 Für eine Auflistung der Domänen des Großherzoglichen Haushalts vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 81–83. Sie wurden später teilweise als Staatsgüter weitergeführt. Bei den sonstigen gemeindlich nicht verfassten Gebieten handelte es sich in der Hauptsache um durch die Kirche verwaltete Ländereien und Gehöfte. 136 Vgl. Bekanntmachung vom 7. April 1921, betreffend Wahrnehmung der Geschäfte der Gemeindebehörde bezw. der Ortspolizeibehörde und unteren Verwaltungsbehörde in den gemeindlich noch nicht verfassten Gebieten, in: Rbl. Nr. 57, 11. April 1921, S. 544–545. 137 Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 280–281. Für die Vorstände und Bezirke der einzelnen Polizeiämter vgl. Staatskalender, 1917, T. 1, S. 427–434, T. 2, S. 299–304. Vgl. auch Koch: Parlamentarismus, Bd. 2, S. 23. 138 Vgl. Gesetz vom 4. Februar 1921 betreffend Aufhebung der ritterschaftlichen Polizeiämter, in: Rbl. Nr. 42, 11. März 1921, S. 457–458. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: MdI an MfL, 19. Jan. 1921. 139 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdI an Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter in den 12 Aushebungsbezirken, 31. März 1921. Dort heißt es: „Soweit den auf Grund der Verordnung vom 6. August 1914 bestellten Kommissaren für die ritterschaftlichen Landgüter Dienstgeschäfte der Polizeibehörde bezw. der unteren Verwaltungsbehörde übertragen sind, hört die Zuständigkeit der Kommissare mit dem 1. April 1921 auf. [...] Die Kommissare wollen sich wegen Abgabe der bezüglichen Akten usw. mit den Landdrosteien ins Benehmen setzen.“ 140 Ebd., MdI an Kommissare der ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken, 6. April 1921.
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meindeordnung abgeschlossen.141 Der 1918 begonnene Transformationsprozess der Kommunalverwaltung des ritterschaftlichen Gebietes dauerte indes noch an. So oblag, obgleich das Fürsorgewesen den Gemeinden übertragen worden war, die „Bestellung eines Gemeindewaisenrats für die Eigentümer Ritterschaftlicher Landgüter und deren Familien“142 einer in jedem Amtsgerichtsbezirk eingerichteten Kommission, die aus dem jeweiligen Amtsrichter und zwei Mitgliedern der Ritterschaft bestand.143 Die daraus vom Landgerichtsrat Karl Buschmann abgeleitete Frage, durch wen, nachdem der „engere Ausschuss der Ritterschaft [...] seine öffentlich-recht lichen Befugnisse verloren“ hatte, die Ernennung der beiden ständischen Vertreter vorzunehmen sei,144 führte im September 1921 zur Übertragung der Aufgabe der Kommission an die Gemeindevorstände145 und zwei Jahre später zur Aufhebung der besonderen Gemeindewaisenräte für die Eigentümer ritterschaftlicher Landgüter und deren Familien.146 Noch länger, bis nach 1945, bestand die Verpflichtung der Gutsherrschaft, in ihrem Bezirk die geistlichen Baulasten zu tragen. 1926 hatte der Besitzer des Guts Greven, Magnus Knebusch, vor dem Oberlandesgericht Rostock hiergegen Klage erhoben, war damit jedoch gescheitert. Die daraufhin seitens des Ministeriums für Landwirtschaft gestartete Initiative, die seit 1824 bestehenden Bestimmungen zum kirchlichen Bauwesen zu ändern, blieb ebenfalls erfolglos.147 Vor diesem Hintergrund muss auch für die 1935 im Rahmen der Deutschen Gemeindeordnung ausgesetzte Landgemeindeordnung148 das gelten, was bereits für die Verwaltungsreformen in Mecklenburg-Schwerin vor 1918 typisch war: Sie führte zu keiner grundlegenden Neuordnung, die sämtliche auf dem Besitz von Grund und Boden beruhenden Rechte und Pflichten aufhob, sondern zu einer Modifikation, die den Verhältnissen der Zeit Rechnung zu tragen suchte. Freilich unterschied sich die Landgemeindeordnung von allen vorhergehenden Gesetzen und Gesetzesinitiativen im Umfang, sowohl was die den Gemeinden übertragene Selbstverwaltung als auch was den Wirkungskreis anbelangte. Der Grund hierfür lag ohne Zweifel in der mit der Revolution verbundenen Aufhebung der Monarchie und der Stände als öffentlich-rechtliche Korporation. Dass es trotz dieser Voraussetzung nicht gelang, die 141 Vgl. Bekanntmachung vom 29. März 1921, betreffend Übergabe der die Gemeindeverwaltung betreffenden Akten durch die Gutsobrigkeit an die Gemeindevorstände der Landgemeinden, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 38, 2. April 1921, S. 309. 142 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 29: Buschmann an MdJ, 26. März 1921. Vgl. Staatskalender, 1918, T. 1, S. 244. 143 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 29: MdI an MdJ, 18. Juni 1921. Vgl. auch Verordnung vom 9. April 1899 zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in: Rbl. Nr. 13, 4. Mai 1899, S. 57–171, hier S. 122, § 235. 144 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 29: Buschmann an MdJ, 26. März 1921. 145 Vgl. Bekanntmachung vom 29. September 1921, betreffend Gemeindewaisenräte, in: Rbl. Nr. 107, 4. Okt. 1921, S. 928. 146 Vgl. Gesetz über Aufhebung der besonderen Gemeindewaisenräte für Eigentümer ritterschaftlicher Landgüter vom 7. März 1923, in: Rbl. Nr. 39, 14. März 1923, S. 255. 147 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: MfL an MdJ, 28. April 1926. 148 Vgl. Mecklenburgische Überleitungsverordnung zur Deutschen Gemeindeordnung. Vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 49–50.
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Dreiteilung des Landes, die sowohl in rechtlicher als auch sozialer, kultureller und politischer Hinsicht fortbestand, gänzlich aufzuheben, kann allerdings nicht der Landgemeindeordnung angelastet werden. Die Ursache lag zum einen in der übereilten Einführung des Gesetzwerks, durch die etwa eine Regelung der Schulverhältnisse, der Gemeindefinanzen oder die Auseinandersetzung mit der Kirche unterblieben, zum anderen in der Aussetzung des § 74. Dessen Umsetzung hätte, aufgrund der sich aus der Zusammenlegung der unterschiedlich verfassten Ortschaften ergebenden Rechtsstreitigkeiten, auch eine Überprüfung und Aufhebung sämtlicher für die ehemaligen Gebiete der Ritterschaft, Klöster und Städte geltender juristischer Bestimmungen befördert.149
6.3 Die Einteilung des platten Landes in Gemeindebezirke 6.3.1 Letzte Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform Anfang September 1920 – acht Monate nach Einreichung der durch die Domanialämter erarbeiteten Vorschläge und knapp zwei Jahre, nachdem die Kommissare für die ritterschaftlichen Güter, die Klosterhauptleute und die Magistrate der Städte in den Aushebungsbezirken aufgefordert worden waren, Empfehlungen zur Bildung selbständiger Gemeindebezirke in den gemeindlich nicht verfassten Gebieten zu geben – veröffentlichte die Regierung ein Verzeichnis der Gemeinden des Landes, das bei der Einteilung des Freistaates in Ämter als Grundlage dienen sollte. Gleichzeitig wies das Ministerium des Innern die Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken an, „durch Rundschreiben die Aufmerksamkeit der Gutsobrigkeiten ihres Bezirkes“ auf die Zusammenstellung zu lenken.150 Bemerkenswerterweise und doch, wie nach der Ankündigung Schlesingers im Landtag nicht anders zu erwarten, enthielt das Verzeichnis keine einzige der durch die unteren Behörden vorgeschlagenen Änderungen, sondern stützte sich auf die bereits Anfang Juni, im Rahmen der Bekanntmachung der Ergebnisse der Volkszählung
149 Dass dies nicht unbedingt zur Erarbeitung und Verabschiedung neuer Gesetze führen musste, zeigt die Ausdehnung der für das ehemalige Domanium geltenden Bau- und Polizeiordnung auf das ganze platte Land. Vgl. Gesetz, betreffend Einführung der Domanial-Bau-Polizei-Ordnung in den Landgemeinden. Vom 21. Juni 1921, in: Rbl. Nr. 82, 11. Juli 1921, S. 699–700. 150 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: MdI an Räte der Städte, Amtshauptleute der Ämter, KA, Kommissare für die ritterschaftlichen Landgüter, 10. Sept. 1920. Vgl. Bekanntmachung vom 10. September 1920, betreffend die nach dem vorläufigen Entwurf des nach § 1 der Amtsordnung vom 20. Mai 1920 zu erlassenden Gesetzes über die Einteilung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin in Ämter für die Zwecke der kommunalen Selbstverwaltung den Ämtern und ihren Bezirken zu zuteilenden Gemeinden, in: Amtl. Beil. Rbl., Nr. 102, 16. Sept. 1920, S. 607–614. Vgl. auch Gesetz vom 3. Dezember 1920, betreffend Einteilung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin in Ämter, in: Rbl. Nr. 186, 16. Dez. 1920, S. 1333–1342.
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vom Oktober 1919 herausgegebene Übersicht zu den Gemeinden, Ortschaften und Wohnplätzen.151 Nur einen Tag später, am 11. September 1920, forderte das Ministerium des Innern allerdings erneut sowohl die leitenden Beamten der Domanial- und Klosterämter als auch die Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken und die Räte der Städte auf, „beeilt“ Vorschläge für die Zusammenlegung von Gemeinden einzureichen.152 Reaktionen löste der Aufruf nachweislich jedoch nur in vier Aushebungsbezirken sowie in jeweils zwei Domanial- bzw. Klosterämtern aus. Die größte Aktivität zeigte der Kommissar für die ritterschaftlichen Güter im Aushebungsbezirk Ludwigslust, der „mit den Gutsherrschaften persönlich Rücksprache“ hielt und den durch „sämtliche“ Beteiligten geäußerten Vorschlag, aus dem jeweiligen Besitztum eine Landgemeinde zu bilden, weitergab.153 Die Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken Doberan und Schwerin setzten sich ebenfalls mit den Gutseigentümern in Verbindung. Hier überwog der Wunsch, mit anderen Gütern vereinigt zu werden.154 Zusammenlegungen von Gütern bzw. Höfen mit benachbarten Dorfgemeinden hingegen erfolgten lediglich und auch in einem sehr bescheidenen Maße im Domanialamt Doberan, im Aushebungsbezirk Hagenow und in den Klosterämtern Dobbertin und Malchow.155 Nach wie vor lehnte ein Großteil der betroffenen Bevölkerung solche Fusionen ab.156 Ob und inwieweit die durch die Landtagsdebatte bereits an die Öffentlichkeit gelangten Bestimmungen der Landgemeindeordnung seitens der Behörden als Argumente für einen Zusammenschluss genutzt wurden, ließ sich nicht ermitteln. Umgekehrt muss auch offen bleiben, welchen Einfluss ihre Kenntnis auf die Entscheidung der betroffenen Bevölkerung ausgeübt hat. Erfolgreicher indes erwies sich die ebenfalls durch den Runderlass initiierte Maßnahme, bislang als selbständig geltende Einzelgehöfte oder Wohnplätze mit benachbarten Gemeinden bzw. Ortschaften zusammenzulegen.157 Einige Städte nutzten die sich damit bietende Gelegenheit und gemeindeten sämtliche auf ihrer Stadtfeldmark 151 Vgl. Die ortsanwesende Bevölkerung der Gemeinden, Ortschaften und Wohnplätze nach der Volkszählung vom 8. Oktober 1919. Beilage zur Bekanntmachung vom 2. Juni 1920, betreffend das Ergebnis der Volkszählung vom 8. Oktober 1919, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 59, 4. Juni 1920, S. 385. 152 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: MdI an DA, Räte der Städte, KA, Kommissare für die ritterschaft lichen Landgüter in den Aushebungsbezirken, 11. Sept. 1920. Vgl. dazu auch AHR, 1.1.10, Nr. 4554: MdI an Rat Stadt Rostock, 23. Aug. 1920. 153 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 685: Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Ludwigslust an MdI, 8. Okt. 1920. 154 Vgl. ebd., Bl. 702–751: Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Doberan an MdI, 25. Okt. 1920; ebd., Bl. 766: Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Schwerin, 11. Nov. 1920. 155 Vgl. ebd., Bl. 647: DA Doberan an MdI, 20. Sept. 1920; ebd., Bl. 670: KA Dobbertin an MdI, 1. Okt. 1920; ebd., Bl. 760–761: KA Malchow an MdI, 2. Nov. 1920; ebd., Bl. 671: Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter im Aushebungsbezirk Hagenow an MdI, 29. Sept. 1920. 156 Vgl. exemplarisch ebd., Bl. 679: DA Wittenburg an MdI, 4. Okt. 1920. 157 Vgl. ebd., Bl. 621: MdI an DA, Räte der Städte und Kommissare der ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken, 11. Sept. 1920. Insgesamt betroffen waren die ritterschaftlichen Gebiete von sechs Aushebungsbezirken, acht Domanialämter und 17 Städte. Vgl. ebd., Nr. 981.
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gelegenen Förstereien, Schmieden, Mühlen usw. ein.158 In Kröpelin betraf dies auch die sich auf der Feldmark des nahegelegenen Pachthofs Brusow in „Bau befindlichen Gehöfte“.159 Gadebusch und Stavenhagen zogen zudem die sogenannten Amts freiheiten der gleichnamigen Domanialämter in ihren Stadtbezirk mit ein.160 In Neustadt hingegen verzichtete man auf eine Eingemeindung der Amtsfreiheit.161 Selbständigkeit erlangte auch der auf der Feldmark der Stadt Tessin gelegene Pachthof Klein Tessin.162 Eine Kleinstgemeinde wurde schließlich auch mit der Festung Dömitz geschaffen, die einzugemeinden sich die Stadt Dömitz weigerte, da sie andernfalls die „bisher von der Amtskasse getragenen öffentlichen Lasten, [...] Erhaltung der Steindämme, Siele, Brunnen, Tragung der Beleuchtungskosten u. a. mehr“, zu tragen hätte.163 In Wismar hingegen zeigte man sich bereit, den bislang durch das Doma nialamt verwalteten Fürstenhof mit seinen „Anlagen“ zu übernehmen, forderte jedoch für diesen Fall eine Entschädigung, die so hoch bemessen war, dass die Pläne wieder aufgegeben wurden.164 Eine Abfindung, mit der wohl vor allem die Armenlasten kompensiert werden sollten, verlangte auch der Inhaber des Pachthofs Bülow bei Güstrow, dessen Besitz mit den Kämmereigütern der Stadt zu einer Landgemeinde vereinigt werden sollte.165 Die Vereinigung von Einzelgehöften oder Wohnplätzen gelang indes in der Kämmerei der Stadt Marlow, dem Domanialamt Schwerin und dem Aushebungsbezirk Güstrow.166 Wie bereits bei der Gemeindebildung in den Kämmereigebieten der Städte zu beobachten, spielte das konkrete Bedürfnis nach Bauland eine entscheidende Rolle bei der Auflösung solcher bislang gemeindlich nicht verfasster Ortschaften. Eine darüber hinausgehende, sich in erster Linie an den politischen Vorstellungen und Richtlinien des Ministeriums des Innern orientierende Kommunalgebietsreform fand hingegen keine Zustimmung.
158 Hierbei handelte es sich um die Städte Boizenburg, Gadebusch, Grevesmühlen, Laage, Ludwigslust, Neubukow, Sternberg und Teterow. Vgl. ebd., Bl. 626–627, 635–636, 646, 669, 699 und Bl. 758. 159 Ebd., Bl. 665: DA Gadebusch an MdI, 16. Sept. 1920. Vgl. ebd., Bl. 645: DA Stavenhagen an MdI, 18. Sept. 1920; ebd., Bl. 639: Rat Stadt Kröpelin an MdI, 15. Sept. 1920. 160 Vgl. ebd., Bl. 210–213 und Bl. 665: DA Gadebusch an MdI, 9. Jan. und 16. Sept. 1920; ebd., Bl. 645: DA Stavenhagen an MdI, 18. Sept. 1920. 161 Vgl. ebd., Bl. 58–59: DA Neustadt an MdI, 26. April 1919. Vgl. auch ebd., Bl. 233–235: DA Neustadt an MdI, 10. Jan. 1920. 162 Vgl. ebd., Bl. 759: Rat Stadt Tessin an MdI, 3. Nov. 1920. Vgl. dazu auch Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 165. 163 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 242–244: DA Dömitz an MdI, 13. Jan. 1920. Aufgrund der ablehnenden Haltung der Stadt sprachen sich auch die sieben auf der Festung Dömitz lebenden Beamtenfamilien gegen die Eingemeindung aus. Vgl. ebd. Vgl. auch ebd., Bl. 680: DA Dömitz an MdI, 8. Okt. 1920; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 61. 164 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 664: DA Wismar an MdI, 24. Sept. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 302–305: DA Wismar an MdI, 17. Jan. 1920. 165 Vgl. ebd., Bl. 318–319: DA Güstrow an MdI, 26. Jan. 1920. 166 Vgl. ebd., Bl. 689: DA Schwerin an MdI, 13. Okt. 1920; ebd., Bl. 651: Rat Stadt Malchin an MdI, 15. Sept. 1920; ebd., Bl. 673 und Bl. 687: Havemann an MdI, 1. und 12. Okt. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 693: Bade an MdI, 23. Okt. 1920.
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6.3.2 Die Bildung von Wahl- und Gemeindebezirken Am 18. Dezember 1920, und damit knapp zwei Jahre nach der Durchführung demokratischer Wahlen zu den Bürgerausschüssen der Städte und neun Monate nach Abhaltung demokratischer Wahlen zu den Gemeindevertretungen des Domaniums, ordnete das Staatsministerium an, in den „früheren domanialen Hofgemeinden und in den bisher gemeindlich nicht verfassten Ortschaften“ der ritterschaftlichen Gebiete, der Klöster und der Kämmereien Organe der Selbstverwaltung zu bilden.167 Wie durch Schlesinger Ende Mai im Parlament angekündigt, sollte ihre Konstituierung das Ergebnis demokratischer Wahlen sein, in denen die Einwohner des Gemeindebezirks die Vertreter für die in der Landgemeindeordnung vorgesehenen politischen Gremien zu bestimmen hatten.168 Um die Wahlen zu organisieren und ihre Durchführung zu kontrollieren, wurden für jeden der „17 neuen Amtsbezirke“, die durch die Amtsordnung vom 20. Mai 1920 geschaffen worden waren,169 „Kommissare bestellt [...], zu deren Obliegenheiten auch die Festsetzung des Wahltages“ gehörte. Individuell festgelegt werden konnte jedoch nicht nur der Wahltermin der einzelnen Ämter; auch in den Gemeinden eines Amts brauchten „die Wahlen [...] nicht an ein und demselben Tage“ stattfinden. Bestimmt worden war lediglich, dass sie „bis zum 27. Februar 1921 abgeschlossen“ sein mussten.170 Verantwortlich dafür, dass, wie bereits bei den Wahlen zu den städtischen Parlamenten und denen zu den Gemeindevertretungen des Domaniums, ein solcher Spielraum gewährt wurde, waren die notwendigen Vorbereitungen, die auszuführen das Ministerium des Innern die jeweiligen Ortsobrigkeiten, d. h. die Gutsbesitzer und Pächter, verpflichtet hatte. Neben der Einrichtung eines Wahlbüros, der Anschaffung von Wahlumschlägen und der Ernennung eines Wahlvorstandes – Maßnahmen, die, sollte „nur ein Wahlvorschlag eingereicht“ werden, allerdings unterbleiben konnten171 – oblag es ihnen auch, die „Zahl der Gemeindevertreter einschließlich der Mitglieder des Gemeindevorstandes“ festzulegen.172 Die Grundlage ihrer Entscheidung hatten dabei freilich die entsprechenden Bestimmungen der Landgemeindeordnung zu bilden. Demnach sollte die Gemeindeversammlung aus mindestens sieben Mitgliedern bestehen, auf je fünfzig Einwohner ein Gemeindevertreter entfallen und die Zahl der Mandate stets eine 167 Bekanntmachung vom 18. Dezember 1920, betreffend die erste Wahl von Gemeindevertretern und Gemeindevorständen in den früheren domanialen Hofgemeinden und in den bisher gemeindlich nicht verfassten Ortschaften, in: Rbl. Nr. 191, 21. Dez. 1920, S. 1405–1406. 168 Vgl. ebd. 169 Vgl. Amtsordnung vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 93, 11. Juni 1920, S. 727–741, hier S. 727, § 1. Vgl. dazu auch Gesetz vom 3. Dezember 1920, betreffend Einteilung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin in Ämter, in: Rbl. Nr. 186, 16. Dez. 1920, S. 1333–1342. Für das Zitat vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Aktennotiz MdI, 20. Dez. 1920. 170 Ebd. Vgl. auch Bekanntmachung vom 18. Dezember 1920, betreffend Wahl der Gemeindevertreter und der Amtsvertreter, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 143, 23. Dez. 1920, S. 843–844. 171 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: DA Bützow an MdI, 31. Dez. 1920. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an DA Bützow, 4. Jan. 1921; ebd.: DA Crivitz an MdI, 20. Jan. 1921; ebd.: MdI an DA Grevesmühlen, 11. Jan. 1921. 172 Ebd.: MdI an StM, 7. Dez. 1920.
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ungerade sein. Gegen die durch die Ortsobrigkeit getroffene Festlegung konnte Einspruch beim Wahlkommissar erhoben werden.173 Zur Vorbereitung der Wahlen zählte ferner die Schaffung von Gemeindebezirken. Von einer „durchgreifenden Neuordnung der Gemeindebezirke“ allerdings hatte man im Ministerium des Innern „Abstand“ genommen. Dem durch Schlesinger vorgestellten Programm entsprechend sollte „grundsätzlich [...] jede ländliche Ortschaft einen Gemeindebezirk“ bilden. In „einzelnen Fällen“ jedoch, wenn „ganz kleine Ortschaften [...] wegen ihrer geringen Einwohnerzahl“ keine selbständige Gemeinde würden bilden können, hatte eine Zusammenlegung mit „benachbarten Gemeinden“ zu erfolgen.174 Im Amtsbezirk Güstrow etwa lebten auf dem selbständigen Gut Perow „nur 4 oder 5 wahlberechtigte Personen“, wodurch eine Wahl von sieben Gemeindevertretern „nicht ausführbar“ war.175 Verantwortlich für die Umsetzung dieser kleinen Kommunalgebietsreformen waren jedoch nicht die Ortsobrigkeiten, sondern die Wahlkommissare, bei denen es sich fast ausschließlich um mittlere Beamte der Domanialverwaltung handelte.176 Notwendig wurde die Zusammenlegung von Kleinstgemeinden insbesondere im Amtsbezirk Grevesmühlen, wo es „sehr viele Pachthöfe und Rittergüter“ gab, auf denen „etwa 60–100 Einwohner, vielleicht noch weniger“ lebten. Statt einer Fusion regte der zuständige Wahlkommissar, der leitende Beamte des Domanialamtes Grevesmühlen Paul Bade, jedoch an, den Delegiertenschlüssel zu ändern und griff damit die bereits im Zusammenhang mit der Neuordnung des Domaniums aufgekommene Kritik wieder auf.177 Neben den Bedenken der Einwohner standen dem Vorhaben auch praktische Erwägungen entgegen. So lehnte das Ministerium des Innern etwa die seitens der Einwohner von Hinrichshagen und Torfbrücke gewünschte Zusammenlegung dieser beiden im Amtsbezirk Rostock gelegenen Gemeinden mit der Begründung ab, die räumliche Distanz zwischen den Ortschaften sei zu groß.178 Stattdessen sollte Torfbrücke mit der benachbarten Gemeinde Graal vereinigt werden. Deren Einwohner indes fürchteten, dass die aus zehn 173 Vgl. ebd.: MdI an StM, 7. Dez. 1920. 174 Ebd.: Aktennotiz MdI, 20. Dez. 1920 (Hervorhebung im Original). Vgl. auch MN, 22. Dez. 1920. 175 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Ehlers an MdI, 11. Jan. 1921. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Ehlers, 17. Jan. 1921; Staatskalender, 1917, T. 2, S. 120; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 96. 176 Vgl. Bekanntmachung vom 18. Dezember 1920, betreffend Wahl der Gemeindevertreter und der Amtsvertreter, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 143, 23. Dez. 1920, S. 843–844. Lediglich im Amtsbezirk Dargun war statt eines Domanialbeamten der dortige Amtsrichter Wilhelm Schulz zum Wahlkommissar ernannt worden. Schulz trat jedoch bereits einen Monat später zurück und wurde durch den leitenden Beamten des Domanialamtes Güstrow, Werner Eichbaum, ersetzt. Vgl. Bekanntmachung vom 6. Januar 1920, betreffend Wahl der Gemeindevertreter und der Amtsvertreter, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 4, 11. Jan. 1921, S. 2. 177 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: DA Grevesmühlen an MdI, 27. Dez. 1920. Vgl. dazu auch Kap. 5.3.3, S. 168–172. 178 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: MdI an Engel, 15. Jan. 1921; ebd.: Aktennotiz MdI, 19. Jan. 1921. Ebenfalls mit Blick auf die Entfernung wurde im Amtsbezirk Rostock auch die Zusammenlegung von Ober- und Niederhagen abgelehnt. Die beiden Pachthöfe trennten fünf Kilometer. Vgl. ebd.: MdI an Engel, 25. Jan. 1921; ebd.: Einwohner Oberhagen an StM, Abt. Sozialpolitik, 24. Jan. 1921; ebd.: Einwohner Niederhagen an StM, Abt. Sozialpolitik, 24. Jan. 1921.
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Forstarbeiterfamilien bestehende Einwohnerschaft von Torfbrücke „gar kein Verständnis für die ganz besonderen Verhältnisse der Gemeinde Graal als Badeort haben“ würde und lehnten eine Fusion ab.179 Das Ministerium des Innern folgte dieser Einschätzung, beließ Graal die Selbständigkeit und genehmigte, an die im Mai 1919 gegebene Empfehlung des Magistrats der Stadt Rostock anknüpfend, den Wunsch der Einwohner von Torfbrücke, mit Hinrichshagen und den anderen Heideortschaften zu einer Landgemeinde vereinigt zu werden.180 In der im Rahmen der Wahlverordnung durchzuführenden Bildung von Gemeindebezirken eine Wiederaufnahme des im § 74 der Landgemeindeordnung beschlossenen Programms zur Kommunalgebietsreform erblickend, hatte der Landtagsabgeordnete der DNVP, Knebusch, bereits Ende Dezember 1920 auf der Versammlung des Landesverbandes der Mecklenburgischen Landwirte in Güstrow dazu aufgefordert, „die Initiative für die Bildung größerer Gemeinden nicht der Regierung zu überlassen, sondern [...] selbständig mit dem Zusammenschlusse überall dort“ zu beginnen, „wo eine wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der Gemeinden“ bestehe. Den alten Richtlinien der Regierung folgend, empfahl er auch, die bestehenden Schul- und Wegeverbände als Grundlage zu nehmen.181 Tatsächlich waren, wie oben gezeigt, schon zu diesem Zeitpunkt sowohl bei den Wahlkommissaren als auch direkt beim Ministerium des Innern Briefe eingegangen, in denen vor allem seitens der Gutsobrigkeiten Zusammenlegungen gefordert wurden. So sprach sich etwa der Besitzer des Guts Burg Schlitz, Friedrich Graf von Bassewitz, für eine Vereinigung mit den Gütern Görzhausen, Hohen Demzin, Karstorf sowie Alt- und Neu-Ziddorf aus, da diese mit in seinem Eigentum standen. Die seitens der Behörden vorgeschlagene Bildung von insgesamt drei Gemeinden würde aus seiner Sicht nur zu „doppelte[r] Arbeit und unnötig erhöhte[n] Verwaltungskosten“ führen.182 Ähnlich argumentierte die Güterverwaltung Damshagen, die die „obrigkeitlich bisher von ihr verwalteten Güter“ zu einer Landgemeinde verbunden wissen wollte.183 Nachweisen lassen sich allerdings auch gegenteilige Fälle. So wünschte die Gutsobrigkeit von Basedow, dass das Hauptgut nur mit drei, statt wie vorgesehen mit allen sieben Pertinenzen zu einer Gemeinde vereinigt werde.184 Vergleicht man die entsprechenden Eingaben, so überwog jedoch der bekanntlich bereits im April 1919 durch den Domanialbeamten Carl von Abercron geäußerte Gedanke, die in einer Hand befindlichen Güter zu einem Gemeindebezirk zusammenzufassen. 179 Ebd.: Engel an MdI, 11. Jan. 1921. 180 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 155–156. Vgl. dazu auch Kap. 5.2.2, S. 136–137. 181 MN, 19. Jan. 1921. Um einen Beitrag war auch das Ministerium des Innern gebeten worden. Die Behörde hatte eine Teilnahme jedoch abgelehnt. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 843: Aktennotiz Schlesinger, 4. Jan. 1921. Für die Einladung vgl. ebd.: Jansen an MdI, 28. Dez. 1920. 182 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 85, Bl. 50: Von Bassewitz an MdI, 13. Mai 1925. 183 Ebd., Nr. 936, Bl. 458: Von Plessen an Amt Grevesmühlen, Januar 1922. Für einen ähnlichen Fall vgl. ebd., Nr. 1017: Güterverwaltung Alt Sührkow-Bukow an MdI, Januar 1921. 184 Vgl. ebd.: Gutsobrigkeit Basedow an DA Stavenhagen, 22. Jan. 1921. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an DA Stavenhagen, 26. Jan. 1921.
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Neben Eigentumsrechten wurden ferner wirtschaftliche Beziehungen zum Ausgangspunkt der Gemeindebildung genommen. Im Amtsbezirk Rostock etwa bat der Eigentümer des Guts Klein Wehnendorf, Gerhard Bohm, den Gemeindebezirk auf die von ihm gepachteten Güter Niekrenz und Wehnendorf auszudehnen.185 Welches Ausmaß derartige Vorschläge erreichen konnten, zeigt der durch Arthur von Schnitzler an das Ministerium des Innern herangetragene Wunsch, sowohl die in seinem Besitz stehenden Güter Berendswerder, Eldenberg, Grabenitz und Klink als auch die Pachthöfe Poppentin und Sembzin, zu denen wirtschaftliche Beziehungen bestanden, zu einer Gemeinde zusammenzulegen.186 Dass, wie durch Knebusch angeregt, auch bestehende Zweckverbände und Verwaltungskreise zum Anlass genommen wurden, die Vereinigung mehrerer Ortschaften zu beantragen, lässt sich ebenfalls nachweisen. So bat die Gutsobrigkeit von Kurzen Trechow, das Gut Langen Trechow mit in den Gemeindebezirk aufzunehmen, da Schule, Kapelle und Standesamt gemeinsam genutzt und unterhalten wurden. 187 Ein Argument für die Zusammenlegung von Gütern lieferten zudem die den Besitzern auferlegten Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Wahlen. Im Amtsbezirk Bützow etwa drängten die Pächter der Güter Boldenstorf, Klein Belitz und Neukirchen auf eine Fusion,188 da die Abstimmung für sie nicht nur einen „erheblichen Arbeitsaufwand“,189 sondern mit Blick auf die „ebenfalls von den Obrigkeiten“ zu tragenden „Kosten des Wahlkommissariums“ oder der Wahlumschläge auch eine finanzielle Belastung bedeute.190 Wie hoch diese sein konnte, verdeutlichen die einigen Gutsherrschaften im Amtsbezirk Schwerin gewährten Vorschüsse von 500 Mark.191 Um eine Wahl und damit die nötigen Vorbereitungen zu verhindern, rief der Landtagsabgeordnete der DNVP Knebusch auf der Versammlung des Landesverbandes der Mecklenburgischen Landwirte im Januar 1921 gar dazu auf, sich um eine alle soziale Gruppen umfassende, gemeinsame „Vorschlagsliste“ zu bemühen. Knebusch nahm an, „daß sich auf den meisten Höfen eine derartige Verständigung erreichen“ ließe, da die „Stärkeverhältnisse von vornherein feststehen und auch die Arbeiterschaft ein Interesse daran haben dürfte, daß der Besitzer, Pächter oder seine Beamten in die Gemeindeversammlung und in den Gemeindevorstand eintreten“.192 Eine besondere Begründung dafür, dass eine Fusion notwendig sei, lieferte schließlich die Gutsobrigkeit von Damshagen. Ihrer Ansicht nach müsse das Gut mit den von dort aus verwalteten Gütern Großenhof und Stellshagen zu einer Gemeinde zusammengeschlossen werden, da sich „weder in Grossenhof noch in Stellshagen zur 185 Vgl. ebd.: Bohm an MdI, 11. Jan. 1921; ebd. MdI an Engel, 15. Jan. 1921. 186 Vgl. ebd.: Lübcke an MdI, 21. Jan. 1921. Für einen ähnlichen Fall vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, 16. Jan. 1921. 187 Vgl. ebd.: Gutsobrigkeit von Kurzen Trechow an MdI, 3. Jan. 1921. 188 Vgl. ebd.: DA Bützow an MdI, 31. Dez. 1920. 189 Ebd.: Gutsobrigkeit Boldenstorf an MdI, 31. Dez. 1920. 190 Ebd.: DA Bützow an MdI, 31. Dez. 1920. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Fensch, 8. Jan. 1921. 191 Vgl. ebd.: DA Schwerin an MdI, 23. Dez. 1923. 192 MN, 19. Jan. 1921.
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Zeit eine Persönlichkeit“ fände, die sich zum „Gemeindevorsteher eignen würde“. Durch die Vereinigung der administrativ und wirtschaftlich miteinander verbundenen Güter zu einer Gemeinde hingegen könne sich der „Übergang in die neuen Verhältnisse am ruhigsten vollziehen“.193 Überliefert ist in den Akten allerdings auch ein umgekehrter Fall. So wehrte sich die Ritterschaft Lüneburgs dagegen, dass das in ihrem Eigentum stehende Gut Groß Walmsdorf mit dessen Pertinenz, der Bauern kolonie Alt Jassewitz, einen Gemeindebezirk bilde. Stattdessen bat man, sie mit dem „Rittergut Manderow zu einer Gemeinde zu vereinigen“, da „dessen Besitzer ohnehin schon drei Bauernhufen in Alt Jassewitz gepachtet [...] und mit seinem Gute zusammen bewirtschaftet“ habe.194 Das Ministerium des Innern folgte der Über legung und stimmte dem Vorschlag zu.195 Die Entscheidung stieß jedoch sowohl bei den Einwohnern von Alt Jassewitz196 als auch bei der Gutsobrigkeit von Manderow auf Kritik. Diese vermutete hinter dem Vorschlag „Schwierigkeiten [...] der l. Ritterschaft wegen verschiedener Angelegenheiten der Erbschaftsverträge“ und wies darauf hin, dass die Einwohner von Alt Jassewitz „selten unter einen Hut zu bringen waren“.197 Vor diesem Hintergrund und weil „jedes Gut froh“ sein werde, „gerade diese Gemeinde nicht hinzugelegt zu erhalten“, bat der zuständige Wahlkommissar Bade, Alt Jassewitz „zu einer selbständigen Gemeinde“ zu erklären. Mit seinen 80 Einwohnern wäre es größer noch als manche Gutsgemeinde des Amtsbezirks Grevesmühlen, die, wie oben erwähnt, „diese Zahl bei Weitem“ nicht erreichten.198 Das Ministerium des Innern revidierte daraufhin seine Entscheidung und ordnete wieder die Zusammenlegung mit Groß Walmsdorf an.199 Wenig später, nach einem neuer lichen Protest der Lüneburger Ritterschaft,200 folgte es jedoch dem Vorschlag des Wahlkommissars.201 Während, von dieser und zwei weiteren Ausnahmen abgesehen, sämtlichen vorstehenden Vorschlägen nicht oder nur in Teilen gefolgt wurde,202 lässt sich doch in vielen anderen Fällen eine direkte Umsetzung der Initiativanträge nachweisen. 203 Unter diesen Beispielen finden sich auch solche, in denen der Wahlkommissar den 193 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: DA Grevesmühlen an MdI, 12. Jan. 1921. 194 Ebd.: Gutsobrigkeit Groß Walmsdorf an MdI, 5. Jan. 1921. 195 Vgl. ebd.: MdI an Bade, 13. Jan. 1921. Aus einem ganz ähnlichen Grunde genehmigte das Ministerium des Innern die Vereinigung des Guts Wattmannshagen mit Hohenfelde, der Pertinenz des benachbarten Guts Friedrichshagen. Vgl. ebd.: Ehlers an MdI, 11. Jan. 1921; ebd.: MdI an Ehlers, 17. Jan. 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 96. Für die Besitzverhältnisse vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 119. 196 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Liesberg an MdI, 19. Jan. 1921. 197 Ebd.: Gutsobrigkeit Manderow an DA Grevesmühlen, 18. Jan. 1921. 198 Ebd.: Bade an MdI, 21. Jan. 1921 (Hervorhebung im Original). 199 Vgl. ebd.: MdI an Bade, 24. Jan. 1921. 200 Vgl. ebd.: Lansemann an MdI, 1. Feb. 1921. 201 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 78 und S. 85. Alt Jassewitz scheint die einzige Bauernkolonie gewesen zu sein, die eine selbständige Gemeinde wurde. 202 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 28, 160, 188, 194, 203, 205 und S. 208. 203 Vgl. etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: MdI an DA Neustadt, 2. Feb. 1921; ebd.: MdI an DA Güstrow, 26. Jan. 1921; ebd.: MdI an DA Bützow, 12. Jan. 1921.
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seitens der Gutsobrigkeit geäußerten Wunsch zunächst ablehnte, dann aber, teilweise nachdem diese beim Ministerium des Innern vorstellig geworden war, auf dessen Anweisung hin genehmigen musste.204 Ihre Ursache fand diese Diskrepanz in den recht unbestimmten Formulierungen des § 74 der Landgemeindeordnung und der sich daraus ergebenden individuellen, d. h. auch vom jeweiligen Bearbeiter abhängigen Beurteilung und Entscheidung der Anträge. Deutlich wird dies auch an einem Beispiel aus dem Amtsbezirk Waren. Hier baten die Einwohner der in einer Hand vereinigten Güter Baumgarten, Grabowhöfe und Panschenhagen sowie die der Pertinenzen Louisenfeld und Sommerstorf, die einzelnen Ortschaften zu einer Gemeinde zusammenzuschließen.205 Das Ministerium des Innern folgte dem Wunsch. Kurz darauf widersprachen unabhängig voneinander sowohl der Pächter des Nebenguts Louisenfeld als auch die Einwohner der Bauernkolonie Sommerstorf und die Gutsobrigkeit von Grabowhöfe der Entscheidung.206 Das Ministerium des Innern erklärte sich erneut mit einer Änderung einverstanden, verfügte nun allerdings, den neuen Wünschen nur teilweise Rechnung tragend, die Vereinigung von Grabowhöfe mit dessen Pertinenzen Louisenfeld und Sommerstorf sowie die der Güter Baumgarten und Panschenhagen.207 Damit folgte der zuständige Bearbeiter zwar den Bestimmungen des § 74 der Landgemeindeordnung und der am 20. Dezember 1920 erlassenen Anordnung, die Bildung von Kleinstgemeinden zu verhindern, beförderte gleichzeitig aber auch das bereits oben dokumentierte Bestreben vieler Gutsbesitzer, das ihnen gehörende Land und den sich darauf stützenden Wirtschaftsbetrieb zur territorialen Grundlage des Gemeindebezirks werden zu lassen. Die Forderung nach Eigenständigkeit, die seitens der Einwohner der zum Gut gehörenden Pertinenzen208 bzw. der von dort aus mit verwalteten Güter erhoben wurde, entsprang aus seiner Sicht nur „eigensüchtige[n] Interessen“.209 Neben der ambivalenten Position des Ministeriums des Innern zeigt das Beispiel zudem, dass nicht nur Gutsbesitzer, sondern auch Hintersassen Anträge zur Kommunalgebietsreform stellten. In den Akten finden sich sowohl Petitionen, die die Unterschrift eines Vertreters210 als auch die von 40–200, also einer Mehrheit bzw.
204 Vgl. etwa ebd.: Gutsobrigkeit Prebberede an MdI, 19. Jan. 1921; ebd.: MdI an Gutsobrigkeit Prebberede, 25. Jan. 1921. Vgl. dazu auch Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 97. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Von Oertzen an MdI, 24. Jan. 1921; ebd.: MdI an von Oertzen, 25. Jan. 1921. 205 Vgl. ebd.: Siebert an MdI, 16. Jan. 1921. Die Petition trug ca. 80 Unterschriften. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Lübcke, 14. Jan. 1921. 206 Vgl. ebd.: Lübcke an MdI, 24. Jan. 1921; ebd.: Einwohner Sommerstorf an MdI, 18. Feb. 1921. 207 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 198–200. 208 Vgl. dazu etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Einwohner Clausdorf an MdI, 30. Jan. 1921. In der Begründung verwiesen die sich gegen eine Zusammenlegung mit dem Gut Gorow wehrenden Bauern der Pertinenz Clausdorf darauf, schon immer selbständig gewesen zu sein und eine eigene Verwaltung gehabt zu haben. Vgl. ebd.: MdI an von Oertzen, 4. Feb. 1921. Vgl. auch Staatskalender, 1917, T. 2, S. 91. 209 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Gutsobrigkeit Remplin an DA Stavenhagen, 26. Jan. 1921. 210 Vgl. etwa ebd.: Ortsvorstand Stuthof an MdI, 24. Jan. 1921.
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aller Einwohner, tragen.211 Zu berücksichtigen ist hierbei freilich der Einfluss der Ortsobrigkeit, auf den bekanntlich bereits der Landtagsabgeordnete Neumann verwiesen hatte. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang die Vollmacht, die die Gutsobrigkeit von Kurzen Trechow dem Arbeiter Albert Scheel ausstellte und ihn damit legitimierte, Verhandlungen mit den Behörden zu führen.212 Sie verdeutlicht nicht nur die Absicht des Gutsbesitzers, seine Vorstellungen zur Gemeindebildung als durch die Einwohner legitimiert erscheinen zu lassen, sondern umgekehrt auch die Autorität, die dem Gutsbesitzer als Ortsobrigkeit von den Wahlkommissaren und im Ministerium des Innern zugesprochen wurde. Hier scheint in gewisser Weise der Gedanke der Personalvertretung, der bekanntlich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in die ständische Verfassung hineininterpretiert worden war, durch.213 Gewähr dafür, dass die Entscheidung für oder wider eine Fusion tatsächlich der Auffassung der Bevölkerung entsprach, bot schließlich die Bestimmung, die Gemeindebezirke „im Wege der Selbstverwaltung [...] und nicht durch obrigkeitliche Anordnung“ zu bilden. So bat u. a. der Wahlkommissar im Amtsbezirk Waren, Walter Lübcke, in einigen Fällen um eine „schriftliche Einverständniserklärung“ der Wahlberechtigten oder übertrug die endgültige Entscheidung den „gewählten Gemeindevertreter[n]“.214 Die Ergebnisse der Abstimmungen fielen durchaus unterschiedlich aus; votiert wurde sowohl für als auch gegen die Pläne der Gutsbesitzer. So scheiterte etwa das Vorhaben des Gutsbesitzers von Schnitzler, sowohl die in seinem Besitz stehenden Güter Berendswerder, Eldenberg, Grabenitz und Klink als auch die gepachteten Höfe Poppentin und Sembzin zu einer Gemeinde zusammenzu schließen,215 während der Wunsch der Gutsobrigkeit von Damshagen, das Gut Stellshagen mit in den Gemeindebezirk aufzunehmen, die Zustimmung der Gemeinde211 Vgl. etwa ebd.: Einwohner Ankershagen, Bornhof, Freidorf, Friedrichsfelde und Wendorf an MdI, 16. Jan. 1921; ebd.: Einwohner Berendswerder, Eldenburg, Klink, Grabenitz, Poppentin und Sembzin an StM, 16. Jan. 1921; ebd.: Einwohner Klein Stove an MdI, 23. Jan. 1921; ebd.: Botz an StM, 24. Jan. 1921; ebd.: Einwohner Carolinenhof, Clausdorf, Deven und Varchentin an MdI, Januar 1921. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 524–525: Hermann Schröder und Genossen an Landtag, 18. Feb. 1920. Dort heißt es: „XXX soll heißen Friedrich Ranzow“. Eine Eigenständigkeit der Entscheidung lässt sich damit freilich nicht belegen, wohl aber die eigenhändige Leistung der Unterschriften, die auf die Bedeutung, die der Kommunalgebietsreform beigemessen wurde und das Bemühen, die Bevölkerung zu mobilisieren, verweist. 212 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Vollmacht Gutsobrigkeit Kurzen Trechow, 28. Jan. 1921. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 948: MdI an Fensch, 27. Jan. 1921. 213 Vgl. Kap. 5.1, S. 113, Anm. 4. 214 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Lübcke an MdI, 21. Jan. 1921. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Lübcke, 24. Jan. 1921. 215 Vgl. ebd.: Lübcke an MdI, 21. Jan. 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 144, 201 und S. 206. Erwähnt sei hier auch der Antrag der „Besitzer der Güter Rodenwalde und Goldenbow, [...] beide Güter mit ihren Nebengütern und Bauernkolonien Marsow bzw. Albertinenhof und Friedrichshof“ zu einer Gemeinde zusammenzuschließen. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Wildfang an MdI, 11. Jan. 1921. Die Gemeindeversammlung, der die Entscheidung übertragen wurde, entschied sich, dem Vorschlag des Ministeriums des Innern folgend, jedoch lediglich für eine Vereinigung der Güter mit ihren Pertinenzen. Vgl. ebd.: MdI an Wildfang, 12. Jan. 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 22–23.
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vertreter fand. Den Plan, auch das Gut Großenhof zur Gemeinde Damshagen zu legen, lehnten sie jedoch ab.216 Ähnlich verhielt es sich auch mit den Anträgen, die seitens der Hintersassen eingereicht wurden. Der in der Bauernkolonie Quaal gefasste Entschluss etwa, das Dorf nicht, wie durch den Wahlkommissar vorgeschlagen, „mit den Gütern Gr. Krankow, Petersdorf und Bobitz“, sondern mit der Bauern kolonie Käselow und dem Gut Tressow zu vereinigen, blieb ohne Mehrheit. Interessant ist hier ferner das durch die Einwohner der Ortschaft Quaal vorgebrachte Argument, die „Forstarbeiter und Hofbesitzer“ der beiden Dörfer seien „wirtschaftlich, wohnlich und finanziell mit dem Herrn Grafen von der Schulenburg auf Tressow verquickt“, die anderen, ebenfalls dem Grafen gehörenden Güter indes verpachtet.217 Blieb es hier unberücksichtigt, so scheint es in anderen Fällen doch das Votum der Hintersassen für die Pläne der Gutsbesitzer zu erklären. Dass in Streitfällen häufig die Gemeindeversammlung als letzte Instanz fungierte, führte mitunter dazu, dass, um den Wunsch nach Selbständigkeit zu demonstrieren und vollendete Tatsachen zu schaffen, in einzelnen Ortschaften eigenmächtig Wahlen abgehalten und vorzeitig, quasi illegal, Gemeindevertretungen konstituiert wurden. Das Ministerium des Innern duldete ein solches Vorgehen jedoch nicht und verweigerte den Gremien die Anerkennung. Hieraus wiederum ergaben sich gra vierende Nachteile für die betreffenden Ortschaften. Auf dem Gut Spendin im Amtsbezirk Lübz etwa organisierte die Obrigkeit, nachdem ihr Wunsch, nicht mit Dobbertin vereinigt zu werden,218 aufgrund „der geringen Einwohnerzahl“ mehrfach abgelehnt worden war,219 die Wahl einer eigenen Gemeindevertretung, während gleichzeitig die Einwohner von Dobbertin die politischen Gremien der Gesamtgemeinde wählten. Da das Ministerium des Innern weder die Mitglieder der Gemeindeversammlung Spendin noch den von dieser zum Schulzen bestimmten Hilfsarbeiter R. Schefe anerkannte, blieb die Ortschaft zunächst ohne politische Vertretung.220 Dies änderte sich erst Ende April 1921 mit dem Anschluss an den Pachthof Neuhof und der Durchführung einer Neuwahl.221 Das gleiche Schicksal widerfuhr den Bewohnern des Pachthofs Zieslübbe, die sich auf diese Weise gegen die Zusammenlegung mit dem gleichnamigen Dorf und der Gemeinde Slate zu wehren versuchten.222 216 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: MdI an DA Grevesmühlen, Januar 1923; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 75–76. 217 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Botz an StM, 24. Jan. 1921. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 78–79. Für die Besitzverhältnisse vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 112–113. 218 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Einwohner Dobbertin und Spendin an MdI, 17. Jan. und 1. Feb. 1921. Vgl. auch ebd.: Studemund an MdI, 25. Jan. 1921. 219 Ebd.: MdI an Leplow, 2. Feb. 1921. 220 Vgl. ebd.: Einwohner Dobbertin an MdI, 22. Feb. 1921; ebd.: MdI an Schefe, 12. März 1921; ebd.: Studemund an MdI, 8. März 1921. 221 Ebd.: MdI an Studemund, 9. April 1921. Vgl. auch Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 122. Zum Gemeindebezirk zählte ferner die Revierförsterei Kläden, die der Gemeinde auch den Namen gab. Vgl. ebd. 222 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Amt Neustadt an MdI, 27. Juli 1921. Die Neuwahl erfolgte hier erst im Oktober 1921. Vgl. dazu auch Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 137. Das Dorf Slate wurde nach Neustadt eingemeindet. Vgl. ebd., S. 129.
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Überliefert ist auch ein in doppelter Hinsicht umgekehrter Fall. So lehnte die Guts obrigkeit von Wendorf die von einer Mehrheit der betroffenen Bevölkerung ge wünschte Fusion des Guts nebst dazugehöriger Bauernkolonie Freidorf mit den Gütern Ankershagen und Ulrichshof sowie dem Gut Friedrichsfelde und dessen Pertinenz Bornhof ab, da sowohl in der Gemeinde Ankershagen-Ulrichshof als auch in Friedrichsfelde-Bornhof bereits Gemeindevertretungen gewählt worden waren, während dies in Wendorf-Freidorf noch nicht geschehen war.223 Am Ende setzte sich der Vorschlag des Ministeriums des Innern, drei Gemeinden zu bilden, durch.224 Dass eine Abstimmung der Bevölkerung allerdings nicht immer die endgültige Entscheidung bedeutete, zeigt der Umgang mit dem Antrag des Gutsbesitzers Dominik von Pescatore, das Gut Vielist mit dessen Pertinenz Klein Vielist und dem Pachthof Schwenzin zu einer Landgemeinde zu vereinigen.225 Obwohl bei der durch das Ministerium des Innern geforderten „schriftliche[n] Einverständniserklärung aller Wahlberechtigten“226 lediglich 32 der insgesamt 148 Personen eine Fusion befür worteten,227 genehmigte die Behörde mit Verweis auf die geringe Einwohnerzahl den Zusammenschluss.228 Für den zuständigen Wahlkommissar Lübcke war dies „eine gar nicht zu verantwortende Vergewaltigung der Ortschaften“.229 Sein Protest blieb jedoch ohne Erfolg.230 Ignoriert wurde ebenfalls der Wunsch der Einwohner der Bauernkolonie Sternsruh, statt mit dem Hauptgut Tüschow mit der domanialen Dorfgemeinde Granzin vereinigt zu werden.231 In diesen Beispielen wird noch einmal das bereits erwähnte Problem deutlich, dass Einsprüche nicht, wie im § 74 vorgesehen, durch den Landesverwaltungsrat, sondern durch einzelne Bearbeiter im Ministerium des Innern entschieden wurden. Bereits im Juli 1920, nach dem Rücktritt der aus DDP und SPD gebildeten Koalitionsregierung, hatte der ehemalige Ministerpräsident Wendorff seine Nachfolger von DNVP und DVP darauf hingewiesen, dass sich ihnen bei der Gemeindebildung, die letztendlich „durch ministerielle Anordnung“ erfolge, „gewisse Schwierigkeiten [...] entgegenstellen“ würden. Ganz konkret bat er den „Herr[n] Staatsminister des Innern recht stark zu sein gegenüber manchen Elementen“ seines Ministeriums, „die vielleicht nicht immer gewillt sein werden, den Geist der Landgemeindeordnung so aufzufassen, wie die Mehrheit d[ie]es Hohen Hauses ihn bei der Gesetzeswerdung aufgefaßt“ habe und „wie sie ihn bei der Durchführung der Gesetze aufgefaßt wissen“ wolle.232 Anders als durch den Abgeordneten Neumann befürchtet wurde die Umsetzung der Kommunalgebietsreform nicht in 223 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Einwohner Ankershagen, Bornhof, Freidorf, Friedrichsfelde und Wendorf an MdI, 16. Jan. 1921; ebd.: DA Wredenhagen an MdI, 2. Feb. 1921. 224 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 197, 199 und S. 207. 225 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Gutsobrigkeit Vielist an StM, 10. Jan. 1921. 226 Ebd.: Lübcke an MdI, 21. Jan. 1921. 227 Vgl. ebd.: Lübcke an MdI, 26. Jan. 1921. 228 Vgl. ebd.: MdI an Lübcke, 29. Jan. und 7. Feb. 1921. 229 Ebd.: Lübcke an MdI, 3. Feb. 1921. 230 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 207. 231 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Rechtsanwalt an MdI, 21. Feb. 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 25. 232 Wendorff, in: Landtag, 1921, 6. Sitzung, 29. Juli 1920, Sp. 112.
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erster Linie durch die Gutsbesitzer und Pächter, sondern vor allem durch die Ministerialbürokratie, die zu einem großen Teil aus Personen der alten großherzoglichen Verwaltung bestand,233 beeinflusst. Neben der Einschätzung Neumanns lässt sich anhand der überlieferten Einsprüche auch das während der Vorarbeiten zur Kommunalgebietsreform häufig gebrachte Argument, die Zusammenlegung von Dörfern und Höfen bzw. Gütern würde insbesondere auf den Widerstand der sich vor steigenden Gemeindelasten fürchtenden Dorfbewohner stoßen, überprüfen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kommunalgebietsreform einen solchen Zusammenschluss nicht allgemein forderte und er in der Umsetzung recht selten war.234 Die Zahl der hiergegen erhobenen Einsprüche indes war noch geringer. In den Akten fanden sich lediglich vier Beispiele. So wandte sich zum einen die Dorfgemeinde Bentwisch im Amtsbezirk Rostock gegen eine Zusammenlegung mit dem gleichnamigen Pachthof und dem Gut Klein Bentwisch,235 musste sich dann aber doch den Vorstellungen des Ministeriums des Innern fügen.236 Ferner protestierten die Erbpächter des Klosterdorfs Lexow, wo es „seit 1842 keinen Fall einer Ortsarmenlast“ gegeben hatte, gegen eine Fusion mit dem gleichnamigen Pachthof. Einer Zusammenlegung wollte man jedoch zustimmen, wenn „trotz der Eingemeindung die gesonderte Tragung der Armenlast den Erbpächtern und dem Gute eingeräumt“ werde.237 Diese anscheinend bereits bestehende Regelung – Hof und Dorf Lexow bildeten seit 1912 einen Gemeindebezirk – wurde indes nicht bestätigt und am Zusammenschluss festgehalten.238 Im dritten überlieferten Fall wehrten sich die Einwohner der Bauernkolonien Fliemstorf und Hoben im Amtsbezirk Wismar gegen die geplante Zusammenlegung mit den Gütern Eggerstorf, Wisch und Zierow, da sie durch die Beteiligung an den „Armenlasten für Zierow u.s.w. [...], wo sehr viele Tagelöhner“ lebten, eine „schwere Benachteiligung“ fürchteten. Für die Fusion der 55 Wahlberechtigte zählenden Bauernkolonien sprach aus Sicht der Einwohner die beiden Ortschaften gemeinsame eigene Schule und die Tatsache, dass „einem Rittergut der Wunsch erfüllt“ worden war, „nicht mit einem Dorf zusammengelegt zu werden“.239 Sowohl der Wahlkommissar als auch das Ministerium des Innern hielten jedoch an der Zusammenlegung fest.240 Der vierte, ebenfalls erfolglose Einspruch stammte von den Einwohnern der Bauernkolonie Stoffersdorf, die gegen die Vereinigung mit den Gütern Neu Jassewitz und Weitendorf protestierten und, um ihrer Forderung nach Eigenständigkeit Nachdruck zu 233 Eine Untersuchung zur personellen Zusammensetzung der Landesverwaltung während des Transformationsprozesses steht noch aus. Die Biographien einzelner Beamter, etwa von Barfurth, Kolbow, Lobedanz, Schlesinger und Suhrbier, die vor 1918 in die Verwaltung eingetreten waren und teilweise erst Ende der 1940er Jahre ausschieden, verweisen jedoch auf eine Kontinuität, die eine eigenständige Studie verdient. 234 Vgl. dazu Tabelle 21 im Anhang. 235 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Rat Stadt Rostock an MdI, 2. Feb. 1921. 236 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 151. 237 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Groth an MdI, 31. Jan. 1921. 238 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 143; Staatskalender, 1917, T. 2, S. 171. 239 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Einwohner Fliemstorf und Hoben an MdI, 30. Jan. 1921. 240 Vgl. ebd.: Giese an MdI, 5. Feb. 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 227.
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verleihen, bereits einen eigenen Gemeindevorstand gewählt hatten. Neben der „hohe[n] anteilige[n] Belastung mit den Weitendorfer Armenlasten“ führten sie als Begründung die bei der notwendigen Ausbesserung der „Weitendorfer Wege“ entstehenden Kosten an. Darüber hinaus sorgte bei ihnen die Möglichkeit, dass im vereinigten Gemeindebezirk statt eines Grundbesitzers „ein Knecht oder Arbeiter als Gemeindevorstand“ gewählt werden könnte, für Bedenken.241 Überblickt man diese vier Beispiele, so finden sich hier tatsächlich fast sämtliche der bereits bekannten Argumente, die gegen die politische Maxime der Kommunalgebietsreform vorgebracht wurden, wieder. Dass man sie ernst nahm, verdeutlichte bereits die Modifizierung der Richtlinien im Rahmen ihrer Aufnahme in die Landgemeindeordnung sowie der Abbruch der Reform im Dezember 1920, der, denkt man an die Ankündigung Schlesingers vom Mai 1920, nicht allein auf den im Juli erfolgten Regierungswechsel zurückgeführt werden kann. Gleichwohl, das zeigen die Beispiele, war man im Bestreben, leistungs- und lebensfähige (Selbst-)Verwaltungs einheiten zu schaffen, nicht bereit, gänzlich auf derartige Zusammenlegungen zu verzichten. Insofern lässt sich trotz unterschiedlicher Motivation eine Kontinuität zwischen der Regierung Wendorff und der Reincke-Blochs feststellen. Stand bei der Koalition aus SPD und DDP die Schaffung von Gemeinden im Vordergrund, die ein möglichst breites soziales Spektrum aufwiesen und nicht durch das ökonomische Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem Grundeigentümer und sämtlichen Einwohnern gekennzeichnet waren, setzte die Koalition aus DVP und DNVP vor allem auf bestehende wirtschaftliche und verwaltungstechnische Verbindungen. Bei der sozialdemokratischen Regierung Schroeder, die im Januar 1921 ihr Amt antrat und bei der Mitte April gebildeten Koalitionsregierung aus SPD, DDP, DVP und Dorfbund werden die Schwerpunkte wohl ähnlich gesetzt worden sein. Direkte Belege für diese, sich vor allem aus den Positionen einzelner Vertreter der Parteien abgeleiteten These fanden sich allerdings nicht. Aufzeichnungen fehlen zudem zu den Ergebnissen der Kommunalgebietsreform. Eine quantitative Beurteilung ist lediglich durch den Vergleich der im Staatskalender von 1917 und im Staatshandbuch von 1923 erfassten Angaben möglich. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Verhältnisse während des gesamten Untersuchungszeitraums jährlich durch Zulegungen oder Abtrennungen von Ortschaften änderten.242 Insofern zeigen die folgenden Angaben nur einen Trend, der jedoch aussagekräftig ist. Aus den insgesamt 1.831 Gemeinden und Hauptgütern des Landes entstanden bis 1923 1.623 Gemeinden. Von diesen waren 551 reine Dorfgemeinden. In 968 Fällen bildeten Höfe bzw. Güter, einzeln oder miteinander vereinigt, einen Gemeindebezirk. Die Zahl der Kommunen indes, in denen Dörfer mit Höfen bzw. Gütern 241 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Gemeindevorstand Stoffersdorf an MdI, April 1921. Zur Annullierung der Gemeindevertreterwahl in Stoffersdorf vgl. ebd.: Giese an Gutsverwaltung Weitendorf, 11. März 1921. Zur Umsetzung der geplanten Zusammenlegung vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 226. 242 Für die Bekanntmachung von Veränderungen der Gemeindebezirke vgl. Amtl. Beil. Rbl. 1921– 1945.
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zusammengeschlossen worden waren, lag bei lediglich 104. In der Mehrzahl handelte es sich dabei um Vereinigungen von Dörfern mit Pachthöfen und Gütern, die sich im Besitz des Staats befanden. Nur sieben Gemeinden waren aus einer Zusammen legung von Dörfern mit Ritter- oder Klostergütern entstanden.243 Der Eindruck, dass lediglich dort, wo der Staat seinen Einfluss direkt geltend machen konnte, die poli tische Maxime der Kommunalgebietsreform, wenngleich in bescheidenem Ausmaß, umgesetzt worden war, trügt allerdings. Bereits vor 1918 gab es im Domanium 110 und damit mehr kombinierte Dorf- und Hofgemeinden als nach der Neueinteilung.244 Vor diesem Hintergrund muss die Kommunalgebietsreform, bei der bekanntlich ohnehin schon gewaltige Abstriche gemacht worden waren, als gescheitert bezeichnet werden. Wie durch Schlesinger angekündigt, wurden größtenteils die bestehenden Gemeinde- und Gutsbezirke zur Grundlage der Gemeindebildung genommen. Statt der 476 Ortschaften, die man anfänglich allein in den Territorien der Ritterschaft und der Klöster aufzulösen gehofft hatte,245 verschwanden insgesamt nur 215 als selbständige Siedlungen. Nach wie vor dominierten in Mecklenburg-Schwerin die Güter das platte Land. Bis zur Bodenreform 1945 waren knapp 60 Prozent aller Gemeinden Guts- bzw. Hofgemeinden.246 Bereits 1926 wies der kommunistische Landtagsabgeordnete Hugo Wenzel darauf hin, dass knapp zwei Drittel aller ländlichen Kommunen Gutsgemeinden seien. Wenzel leitete aus diesem Umstand einen direkten Einfluss des (Groß-)Grundbesitzes auf die Landespolitik ab.247 Ob und in welchem Ausmaß die Wahlergebnisse nicht nur zu den kommunalen Parlamenten, sondern auch zum Landtag durch Einschüchterungen des Eigentümers und Arbeitgebers oder durch von ihm in Auftrag gegebene Manipulation zu Gunsten agrarisch-konservativer Vereinigungen und Parteien beeinflusst worden waren, kann hier freilich nicht beantwortet werden, sondern muss einer gesonderten Untersuchung überlassen bleiben.248 Festgehalten werden kann jedoch, dass sich auf Landesebene gegen die Ausnutzung ökonomischer Abhängigkeiten, die sich im kommunalen Bereich nachweisen lässt,249 zu schützen versucht wurde. Bereits 1919 bei der Wahl zum verfassunggebenden Landtag bildeten, anders als auf kommunaler Ebene, nicht einzelne Gemeinden oder Ortschaften einen Wahlbezirk, sondern wurden grundsätzlich mehrere von ihnen zu
243 Vgl. Tabelle 21 im Anhang. 244 Vgl. Tabelle 20 im Anhang. 245 Vgl. Kap. 5.2.1, S. 127–128. 246 Vgl. Tabelle 21 im Anhang. 247 Vgl. Wenzel, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 128. 248 Einen Ansatz liefert Steffen Schoon, der die Stimmenverteilung bei den Reichstagswahlen untersuchte. Vgl. Schoon: Wählerverhalten. Notwendig freilich wäre noch eine Analyse der Landtagswahlen und der die Wahlprüfung betreffenden Akten im Landeshauptarchiv Schwerin. 249 Vgl. dazu Kap. 9, besonders Kap. 9.3. In Bezug auf die Amtsvertreterwahlen fehlt bislang eine Studie. Die für 1923, 1926 und 1928 vorliegenden Zahlen, die sich deutlich von den Ergebnissen der Landtagswahlen unterscheiden, lassen jedoch gewisse Rückschlüsse zu. Vgl. Statistisches Handbuch, 1931, S. 134–135.
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einem solchen zusammengefasst.250 Die Grundlage bildeten dabei die seit 1870 bestehenden sechs Reichstagswahlbezirke und deren Untergliederungen.251 1928 versuchte die DNVP dies zu ändern; ihr Antrag, jede Gemeinde zu einem Wahlbezirk zu erklären, fand jedoch keine Mehrheit. Der Landtag folgte dem Argument der Sozialdemokratie, die Landarbeiter auf den Gütern würden dann „nicht unabhängig und frei ihr Wahlrecht ausüben“ können, und lehnte den Vorschlag ab.252 Hier stellt sich freilich die Frage, warum die Landtagswahlbezirke nicht auch gleich zum Ausgangspunkt der Kommunalgebietsreform genommen worden waren. Der Grund dafür lag in den bei der Einführung der Stimmbezirke geäußerten zahlreichen Einwänden. So liefen beim Arbeitsausschuss des Vereinigten Bauernrats Rostock, Doberan und Ribnitz „täglich unzählige Klagen [...] ein, weil die ländlichen Wähler in der sehr häufig erforderlich werdenden Zusammenlegung mehrerer Bezirke nicht nur eine Beschränkung, sondern eine direkte Behinderung an der Ausübung des Wahlrechts“ erblickten.253 Durch die weiten Entfernungen der einzelnen Ortschaften zu den „Zentralstellen“254 würden nämlich, so die „Mecklenburger Nachrichten“, „namentlich [...] Frauen und alte und schwache Männer“ von der Wahl ausgeschlossen werden, da ihnen der Weg zum Wahllokal insbesondere „bei Sturm und Regen, in grundlosen, vielleicht durch Schneeverwehungen gesperrten Landwegen“ nicht möglich sei.255 Auf diese Weise, so die Zeitung weiter, versuche die Regierung ganz bewusst die Bevölkerungsgruppen, die „überwiegend staatstragend und christlich“ seien und „in ihrer Mehrheit gegen die Sozialdemokratie stimmen“
250 Die Wahlbezirke für den Landtag hatten mindestens 400, maximal 2.500 Personen zu umfassen. Vgl. Wahlordnung für die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag in Mecklenburg-Schwerin vom 16. Dezember 1918, in: Rbl. Nr. 231, 20. Dez. 1918, S. 1703–1730, hier S. 1705, § 9. Vgl. dazu auch Kasten: Parteien, S. 118. 251 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9475: StM an DA, Magistrate, KA, Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken, 18. Dez. 1918. Vgl. auch Wahlordnung für die Wahlen zum verfassunggebenden Landtag in Mecklenburg-Schwerin vom 16. Dezember 1918, in: Rbl. Nr. 231, 20. Dez. 1918, S. 1703–1730, hier S. 1705, §§ 10 und 11. Für die Einteilung vor 1918 vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 279–280. 252 Moltmann, in: Landtag, 1928, 26. Sitzung, 26. Juni 1928, Sp. 1708. 253 Ebd.: Arbeitsausschuss des Vereinigten Bauernrats Rostock, Doberan, Ribnitz an StM, 30. Dez. 1918. Der Gutsbesitzer Paul Möller auf Pölitz bei Schlieffenberg sprach gar von einer „völlige[n] Entrechtung ländlicher Wähler“. Ebd.: Möller an Wahlkommissar Wahlkreis Güstrow, 12. Feb. 1919. 254 Ebd.: Schmatz an Wahlkommissar Wahlkreis Malchin, 31. Dez. 1918. 255 MN, 2. Jan. 1919. Erwähnt sei hier auch die Klage der Einwohner der Ortschaft Dreibergen. Sie sollten, wie schon bei den Reichstagswahlen, in der drei Kilometer entfernten Gemeinde Neuendorf wählen, waren aber der Meinung, dass es „insbesondere den hiesigen Beamtenfrauen nicht zugemutet“ werden könne, „den sehr schmutzigen Weg nach Neuendorf zu diesem Zweck hin und zurück zu machen“. Ebd.: Ortsobrigkeit Dreibergen an MdI, 21. Dez. 1918. Das Ministerium des Innern genehmigte daraufhin den Anschluss an den Stimmbezirk Bützow. Vgl. ebd.: Ortsobrigkeit Dreibergen an MdI, 2. Jan. 1919. Grundsätzlich wurden Bitten, „Wahlbezirke [...] in Rücksicht auf die Entfernung der einzelnen Ortschaften untereinander“ zu bilden, jedoch abgelehnt. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9475: DA Gadebusch-Rehna an MdI, 21. Dez. 1918. Vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, Waechter, 28. Dez. 1918.
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würden, von der Wahl abzuhalten.256 In den Städten hingegen sei „man [...] bestrebt, es den Wählern durch vermehrte Einrichtung von Wahllokalen so bequem wie möglich“ zu machen.257 Für den mecklenburgischen Frauenbund indes stellte die Nutzung der alten Reichstagswahlbezirke kein Problem dar. Er forderte die Gutsbesitzer einfach auf, „Erntewagen mit Sitzbrettern“ für die Beförderung von „Frauen und Alte[n] oder Schwache[n]“ bereitzustellen.258 Der Vorschlag wurde jedoch ignoriert und die Forderung, jede Ortschaft und damit auch „jedes Gut für sich“ wählen zu lassen, von Dorfbund und DNVP aufgegriffen.259 Ihrer Ansicht nach war es „geradezu unmöglich, daß das Wahlgeheimnis nicht gewährt sein soll, wenn ein Gut“ einen eigenen Wahlbezirk bilde.260 Hieran wiederum zweifelte die SPD, die nicht nur die Einheit von Guts- und Stimmbezirk, sondern – wohl nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen bei den früheren Reichstagswahlen261 – auch die Bildung von Wahlbezirken ablehnte, die allein aus ritterschaftlichen, klösterlichen oder domanialen Ortschaften bestanden.262 Gegen eine Kommunalgebietsreform auf Grundlage der Reichs- und Landtagswahlbezirke sprach jedoch nicht nur die Entfernung zwischen den einzelnen Ortschaften, sondern auch deren Bestreben selbständig zu bleiben bzw. zu werden. In den Kämmereigebieten der Städte etwa wurden die Höfe, Güter und Dörfer zumeist den Stimmbezirken der Stadt zugeordnet,263 was in politischer und administrativer Hinsicht, wie gezeigt, teilweise weder von den betroffenen Ortschaften noch von der Stadt selbst gewünscht wurde. Die als Alternative dargestellte Art der Gemeindebildung erwies sich insofern als untauglich. Zum einen hätte sie als obrigkeitliche Maßnahme dem Anspruch, die Bevölkerung in den Aufbau der Selbstverwaltung einzubeziehen, direkt widersprochen, zum anderen wohl auch keine parlamentarische Mehrheit gefunden. Dass man später der Angleichung der Landtagswahl- an die Gemeindebezirke nähertrat, lag 256 MN, 2. Jan. 1919. 257 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9475: Arbeitsausschuss des Vereinigten Bauernrats Rostock, Doberan, Ribnitz an StM, 30. Dez. 1918. Vgl. dazu auch ebd.: Möller an Wahlkommissar Wahlkreis Güstrow, 12. Feb. 1919. Dort heißt es: „Die ländlichen Wähler sind der Meinung, daß man den städtischen Arbeitern es niemals geboten hätte, unter solchen ungeheuren Erschwerungen wählen zu müssen“. 258 RoA, 11. Jan. 1919. 259 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9475: Dorfbund an StM, 3. Jan. 1919. Vgl. auch MN, 8. Jan. 1919. 260 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9475: Möller an Wahlkommissar Wahlkreis Güstrow, 12. Feb. 1919. 261 Bis zur Einführung der Landgemeindeordnung ernannten innerhalb der Ritterschaft die Gutsbesitzer als lokale Obrigkeit den Wahlvorstand und konnten damit direkt Einfluss auf die Auszählung der Stimmen nehmen. Vgl. John: Spannungsfeld, S. 112–113. Im Domanium hingegen bestanden die Wahlvorstände zumeist aus dem Schulzen und den Schöffen. In einigen Fällen war an der Auszählung auch der Dorflehrer beteiligt. Die Ernennung erfolgte durch das zuständige Domanialamt. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9479: DA Gadebusch-Rehna an MdI, 21. Dez. 1918. 262 Vgl. MVZ, 16. Jan. 1919. 263 Eigene Wahlbezirke entstanden lediglich in den Kämmereien der Städte Grabow (1), Parchim (5), Rostock (11) und Wismar (2). Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 9478: Magistrat Stadt Wismar an MdI, 23. Dez. 1918; ebd.: Magistrat Stadt Grabow an MdI, 7. Jan. 1919; ebd.: Magistrat Stadt Parchim an MdI, 6. Jan. 1919; ebd.: Magistrat Stadt Rostock an MdI, 27. Dez. 1918.
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vermutlich an den starken Beharrungskräften. Deutlich wird dies auch in dem Bestreben der einzelnen Ortschaften, ihre Identität zu wahren, selbst wenn sie zu Gemeinden zusammengelegt worden waren. So sah das am 8. Dezember 1921 er lassene Gesetz zur Errichtung von Ortstafeln vor, in jeder Ortschaft Schilder „auf zurichten oder anzubringen, auf denen der[en] Name [...] sowie der Name der Gemeinde und des Amtes zu dem die Gemeinde gehört [...] verzeichnet“ sein sollten.264 Ganz ähnlich lauteten auch die Bestimmungen zur Gestaltung der Siegel und Stempel der Gemeinden, in die, unter Voranstellung der Hauptortschaft, „in der Regel die Namen der einzelnen Ortschaften“ aufzunehmen waren.265 Wichtiger als die Kommunalgebietsreform war freilich, dass mit der Durchführung demokratischer Wahlen in den Hofgemeinden des Domaniums und den gemeindlich nicht verfassten Gebieten der Prozess der Gemeindebildung abgeschlossen und der Weg für die Inkraftsetzung der Landgemeindeordnung frei geworden war.266
6.4 Einzelne Aspekte und Probleme 6.4.1 Wahl, Legislatur und Mandate der politischen Gremien Innerhalb der Landgemeindeordnung sorgten bis zu ihrer Aufhebung im Jahr 1935 vor allem die Bestimmungen des Abschnitts 3, der die Zusammensetzung der Gemeindeversammlung und des Gemeindevorstandes regelte, für Diskussionen. Gestritten wurde hauptsächlich um vier Punkte, von denen einer schon in der Planungsphase im Zusammenhang mit der Festlegung der Durchschnittsgröße einer Gemeinde erörtert worden war. Bereits im April 1921 hatte das Ministerium des Innern darauf hingewiesen, dass die in der Landgemeindeordnung vorgesehene Mindestzahl an Gemeindevertretern, die bekanntlich auf Drängen der Domanialbeamten von fünf auf sieben erhöht worden war, „in einzelnen früheren Domanialgemeinden nicht erreicht werden“ würde. Dies beträfe insbesondere kleine Dörfer mit nur weni264 Gesetz vom 8. Dezember 1921, betreffend die Errichtung von Ortstafeln, in: Rbl. Nr. 134, 22. Dez. 1921, S. 1047–1048, hier S. 1047. Bei Gemeinden, die aus vier oder mehr Ortschaften bestanden, wählte das Ministerium des Innern „nach Anhörung der Gemeinde und des Amtes“ den Namen. Ebd. 265 Bekanntmachung vom 8. April 1921, betreffend Siegel und Stempel der Landgemeinden, in: Rbl. Nr. 58, 13. April 1921, S. 547. 266 Lediglich in Lütten Klein war die Wahl der Gemeindevertretung unterblieben. Der Grund lag in der besonderen Stellung des Ortes. Einerseits gehörte er zum Besitz des Klosters zum Heiligen Kreuz, andererseits war er seit 1894 gemeindlich verfasst. Es griff also weder die Bestimmung vom 11. Januar 1919, die Wahlen zu den Gemeindevertretungen des Domaniums anordnete, noch die vom 18. Dezember 1920, die die Durchführung von Wahlen in den früheren domanialen Hofgemeinden und in den bisher gemeindlich nicht verfassten Ortschaften verfügte. Erst auf Drängen des Amtshauptmanns des Amts Rostock, Adolf Ihlefeld, wurde im Juni 1921 auch in Lütten Klein eine demokratische Gemeindevertretung gewählt und die Landgemeindeordnung eingeführt. Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Lübbe an MdI, 19. Mai 1921; ebd.: Engel an MdI, 4. und 24. Juni 1921; ebd. Ihlefeld an MdI, 8. Juni 1921.
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gen Einwohnern, in denen bislang „nach § 18 der Domanialgemeindeordnung vom 29. Juni 1869 die Dorfversammlung zugleich den Gemeindevorstand“ gebildet hatte. Da die Wahl dem festgesetzten Delegiertenschlüssel entsprechend nicht möglich war, sollte, um die geforderte Mindestzahl zu erreichen, in diesen Gemeinden eine Berufung der Gemeindevertreter vorgenommen werden.267 Die wohl nur als kurzfristige Lösung geplante Maßnahme scheint jedoch, da die Kommunalgebiets reform ausgesetzt und auch keine Änderung des Delegiertenschlüssels bzw. der Mindestzahl vorgenommen wurde, eine dauerhafte Einrichtung geworden zu sein. Eine allgemeine Bestimmung oder gar Änderung der Landgemeindeordnung wurde allerdings nicht verfügt. Dass die festgelegte Zahl auch in größeren Gemeinden zu Problemen führte, legt das Ergebnis der 1925 im Auftrag der deutschnationalen Regierung unter den Mitgliedern des Ämterverbands durchgeführte Umfrage, ob die Zahl der Gemeindevertreter zu hoch bemessen sei, nahe.268 Lediglich fünf der insgesamt 17 Amtshauptleute – darunter vier Sozialdemokraten – hielten die geltenden Rechtsgrundsätze für praktikabel. Mit Ausnahme des Amtshauptmanns des Amts Hagenow, dessen Antwort nicht überliefert ist, sprachen sich alle anderen für eine Änderung aus. Von diesen elf Amtshauptleuten wiederum hielten sechs die Mindestzahl für gerechtfertigt, setzten sich aber für eine Herabsetzung der Höchstzahl ein. Drei von ihnen, die sämtlich dem konservativen Lager zugerechnet werden können, forderten die Beschränkung auf elf bzw. 13 und 15.269 Der deutschvölkische Amtshauptmann des Amts Neustadt, Karl Bötefür,270 hingegen plädierte für eine Änderung des Delegiertenschlüssels. Künftig sollte statt auf 50 auf je 100 Einwohner ein Vertreter entfallen. In den meisten Gemeinden wären auf diese Weise nur sieben, und damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzahl an Gemeindevertretern, zu wählen. Unterstützung erhielt Bötefür durch den Amtshauptmann des Amts Grevesmühlen, Adolf Lüben, der der 267 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: MdI an StM, 6. April 1921. Grundlage der Bestimmung bildete der § 41 der Verordnung zur Durchführung von Wahlen in den ehemals domanialen Dorfgemeinden sowie den kombinierten Dorf- und Hofgemeinden. Vgl. Verordnung vom 17. Januar 1919, betreffend das Wahlverfahren zu den Dorfversammlungen der Dorfsgemeinden und der zu einer Gemeinde verbundenen Höfe und Dorfschaften im Domanium sowie zu den Gemeindeversammlungen der Fleckengemeinden, in: Rbl. Nr. 16, 22. Jan. 1919, S. 77–86, hier S. 86. Zur Regelung von 1869 vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 99, § 18. 268 Obwohl „bisher Klagen in dieser Hinsicht nicht erhoben“ worden waren, hatte sich die Regierung auf Anregung der DVP bereit erklärt, die Frage „in Gemeinschaft mit den Selbstverwaltungskörpern“ zu prüfen. Schulz, in: Landtag, 1926, 39. Sitzung, 26. März 1925, Sp. 2019. Vgl. dazu auch Goldenbaum, in: Ebd., Sp. 2047. 269 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 57: „Erachten der Amtsausschüsse der Ämter zur Frage der Herabsetzung der Zahl der Stadt- bzw. Gemeindevertreter“, Anlage zu Vorsitzender Mecklenburg-Schwerinscher Ämterverband an MdI, 22. Mai 1925. Zur Biographie der Amtshauptleute vgl. Führerlexikon, S. 469–470; Landrat Rieck; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 618/144: PA Otto Suhm. 270 Zur parteipolitischen Bindung vgl. Bekanntmachung vom 5. Februar 1924 über Landtagswahlen am 17. Februar 1924, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 13, 7. Feb. 1924, S. 45–49, hier S. 47. Seine politische Karriere begann Bötefür in der DNVP. Vgl. MN, 6. Juni 1919; MZ, 22. März 1920. Vgl. auch Bekanntmachung vom 19. Juni 1920, betreffend die Landtagswahlen in MecklenburgSchwerin, in: Rbl. Nr. 192, 22. Juni 1920, S. 845–852, hier S. 847.
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DDP nahestand271 und die Zahl der Gemeindevertreter generell auf sieben festgelegt wissen wollte. Für die durch Bötefür angeregte Änderung des Delegiertenschlüssels hingegen setzten sich auch die Amtshauptleute der Ämter Rostock und Röbel ein. Sie forderten jedoch eine Begrenzung der Gemeindeversammlung auf 15 Personen und die Herabsetzung der Mindestzahl von sieben auf fünf.272 Aus Sicht des Rostocker Amtshauptmanns, des Deutschvölkischen Adolf Ihlefeld,273 sollte diese Mindestzahl allerdings nur in Gemeinden mit unter 100 Einwohnern gelten. In größeren Gemeinden müssten nach wie vor wenigstens sieben Vertreter gewählt werden.274 Für eine Differenzierung trat auch Gustav Lembke ein, der Amtshauptmann des Amts Warin und zugleich Pächter und Schulze des Hofs Tempzin war.275 Er forderte die Zahl der Gemeindevertreter in den Dorfgemeinden auf sieben bis elf, in den Hof- bzw. Gutsgemeinden auf drei bis fünf zu begrenzen. Dort, wo lediglich drei Gemeindevertreter zugelassen werden sollten, würde nicht nur der ebenfalls aus drei Personen bestehende Gemeindevorstand automatisch an Einfluss gewinnen, sondern unter der Voraussetzung, dass der Inhaber des Hofs bzw. Guts zugleich das Schulzenamt inne hätte, auch die vor 1918 in den Hofgemeinden des Domaniums bestehenden Machtverhältnisse wiederhergestellt bzw. eingeführt werden.276 Unterstützung fand Lembkes Vorschlag bei seinem sozialdemokratischen Amtskollegen Willi Burmeister,277 der sich generell für eine Reduzierung der Mindestzahl auf drei und eine Begrenzung der Gemeindeversammlung auf 13 Personen aussprach.278 Für eine Verkleinerung der Gemeindeversammlungen sprach sich ferner der Sozialdemokrat Hermann Leistikow,279 Amtshauptmann im Amt Dargun, aus.280 271 Lüben war von 1918 bis 1921 Mitglied der DDP, trat dann aber aufgrund der „engen Beziehungen der Partei zur Sozialdemokratie“ aus. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4482. 272 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 57: „Erachten der Amtsausschüsse der Ämter zur Frage der Herabsetzung der Zahl der Stadt- bzw. Gemeindevertreter“, Anlage zu Vorsitzender Mecklenburg-Schwerinscher Ämterverband an MdI, 22. Mai 1925. 273 Ihlefeld war Mitglied der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, die er zwischen 1924 und 1926 im Landtag vertrat. Vgl. Handbuch Landtag, 1924, S. 29. Zur Biographie vgl. auch De Voss: Ihlefeld. 274 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 57: „Erachten der Amtsausschüsse der Ämter zur Frage der Herabsetzung der Zahl der Stadt- bzw. Gemeindevertreter“, Anlage zu Vorsitzender Mecklenburg-Schwerinscher Ämterverband an MdI, 22. Mai 1925. 275 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 216. 276 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 57: „Erachten der Amtsausschüsse der Ämter zur Frage der Herabsetzung der Zahl der Stadt- bzw. Gemeindevertreter“, Anlage zu Vorsitzender Mecklenburg-Schwerinscher Ämterverband an MdI, 22. Mai 1925. 277 Burmeister war von 1919 bis August 1931 Mitglied der SPD und trat dann in die NSDAP ein. Vgl. LHAS, 9.4–1, Obj. 2, ZI B 126. Vgl. dazu auch Behrens: Nationalsozialismus, S. 137. 278 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 57: „Erachten der Amtsausschüsse der Ämter zur Frage der Herabsetzung der Zahl der Stadt- bzw. Gemeindevertreter“, Anlage zu Vorsitzender Mecklenburg-Schwerinscher Ämterverband an MdI, 22. Mai 1925. 279 Zur Biographie vgl. etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 963, Bl. 678. 280 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 57: „Erachten der Amtsausschüsse der Ämter zur Frage der Herabsetzung der Zahl der Stadt- bzw. Gemeindevertreter“, Anlage zu Vorsitzender Mecklenburg-Schwerinscher Ämterverband an MdI, 22. Mai 1925.
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Ein knappes Jahr später, Ende März 1926, legte die Koalitionsregierung der Völkischen Arbeitsgemeinschaft und der DNVP dem Landtag einen Initiativgesetzentwurf vor, durch den die in der Landgemeindeordnung festgeschriebene Mindestzahl an Gemeindevertretern von sieben auf sechs geändert werden sollte. Gleichzeitig war vorgesehen, den Delegiertenschlüssel von 50 auf 200 Einwohner pro Vertreter an zuheben und die Gemeindeversammlung auf 14 Mitglieder zu begrenzen.281 Nur wenige Wochen später trat die Regierung zurück. Die Vorlage verschwand von der Tagesordnung. Umgesetzt werden konnte die von den Rechtsparteien angestrebte Verkleinerung der Gemeindeversammlungen erst Ende März 1933 mit Hilfe des Reichs. Den Bestimmungen des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich entsprechend, war die Zahl der Mandate zu den Kommunal parlamenten sämtlicher Gemeinden unter 1.000 Einwohner um 25 Prozent zu senken bzw. durften nicht mehr als acht Gemeindevertreter gewählt werden.282 An die Bestimmungen der Landgemeindeordnung anknüpfend und damit zugleich einem „mehrfach ausgedrückten Wunsch der Gemeinden“ folgend283 verfügte das Staats ministerium wenig später, dass die für die einzelnen Gemeinden ermittelten Zahlen, „soweit sie gerade sind, um eins verringert“ werden mussten und sorgte somit für eine nochmalige Reduzierung.284 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Gemeindeversammlungen Mecklenburg-Schwerins bis dato tatsächlich recht groß waren und nicht selten mehr Mitglieder hatten als die Stadtverordnetenversammlung der Städte des Landes. Während die Städteordnung beispielsweise Städten mit bis zu 6.000 Einwohnern 15 bzw. Städten mit bis zu 10.000 Einwohnern 19 Abgeordnete empfahl,285 sah die Landgemeindeordnung bereits in Ortschaften mit 750 Einwohnern die Wahl von 15, in Ortschaften mit 1.050 Einwohnern die Wahl von 21 Gemeindevertretern vor.286 Insofern und weil sich, wie zu zeigen sein wird, in den Landgemeinden mitunter eine Diskrepanz zwischen der Zahl der Sitze und der der eingereichten Wahlvorschläge ergab, kann die Verkleinerung durchaus auch als realpolitische Maßnahme bezeichnet werden. Die ursprüngliche Bestimmung indes widerspiegelte das Bestre281 Initiativgesetzentwurf der deutschnationalen Fraktion und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, 31. März 1926, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 232. 282 Vgl. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 29, 2. April 1933, S. 153–154, hier S. 154, § 13. 283 LHAS, 5.13-3/1, Nr. 654, Bl. 63: MdI an StM, 11. April 1933. 284 Dritte Bekanntmachung vom 11. April 1933 zur Ausführung des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933, in: Rbl. Nr. 23, 20. April 1933, S. 148 (Hervorhebung im Original). 285 Vgl. Tabelle 9 im Anhang. Vgl. auch Gesetz, betreffend Städteordnung. Vom 18. Juli 1919, in: Rbl. Nr. 121, 30. Juli 1919, S. 673–694, hier S. 677, § 14. 286 Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 16, Anm. 4. Vgl. auch Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 727–766, hier S. 746, § 13; Gesetz, betreffend Städteordnung. Vom 18. Juli 1919, in: Rbl. Nr. 121, 30. Juli 1919, S. 673–694, hier S. 677, § 14. Durch Ortssatzung war allerdings eine Erhöhung der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung möglich. Vgl. ebd. Für eine Kritik am ungleichen Verhältnis des Delegiertenschlüssels zwischen Stadt- und Landgemeinden vgl. auch Initiativgesetzentwurf der deutschnationalen Fraktion und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, 31. März 1926, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 232.
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ben der Regierung Wendorff, den politischen Einfluss der Hof- und Gutsbesitzer durch eine möglichst umfassende und breite Partizipation der Landbevölkerung zu minimieren. Die durch den Gutsbesitzer Knebusch geführte DNVP hingegen suchte den Eigentümern der die Hof- bzw. Gutsgemeinden dominierenden bzw. bildenden Wirtschaftsbetriebe die alte Machtposition zu erhalten. Aus diesem Grunde stellte die Partei im Mai 1920 auch den Antrag, in die Landgemeindeordnung die Möglichkeit aufzunehmen, den Schulzen direkt zu wählen.287 Seine Annahme durch den Landtag bedeutete nicht nur für Mecklenburg-Schwerin eine Neuerung, sondern stellte auch im reichsweiten Vergleich ein Novum dar. In Bayern etwa wurde die Möglichkeit der Direktwahl, allerdings auch nur in Kommunen mit bis zu 3.000 Einwohnern, erst 1924 eingeführt.288 Mit der Direktwahl des Schulzen war in den Landgemeinden ein fokussierter Wahlkampf möglich, den der Gutsbesitzer bzw. Hofinhaber aufgrund seiner wirtschaftlichen Stellung leicht gewinnen konnte. Andererseits war sie, da der Land gemeindeordnung zufolge auch der direkt gewählte Schulze Mitglied der Gemeindeversammlung sein musste,289 das Mittel, um bei knappen Mehrheitsverhältnissen die Wahl einer missliebigen Person zu verhindern. Abseits dieser taktischen Überle gungen bedeutete die Wahl des Schulzen durch den Souverän eine Stärkung seiner Position gegenüber der Gemeindeversammlung. Im kommunalen Bereich setzte sich damit, anders als auf Landesebene,290 die konservativ-autoritäre Vorstellung der DNVP durch.291 Deutlich wird das Bestreben der Partei, dem Schulzen eine herausragende Stellung zuzugestehen, auch im gemeinsam mit der Völkischen Arbeitsgemeinschaft eingereichten Initiativgesetzentwurf vom März 1926. Demnach sollte die Wahlperiode des Schulzen auf sechs Jahre verlängert werden und nicht mehr von der Amtsdauer der Gemeindeversammlung abhängig sein. Ferner war eine Vereidigung des Schulzen durch die Aufsichtsbehörde, d. h. das Amt, nicht wie bisher durch den ältesten Gemeindevertreter, und eine Aufhebung der Bestimmung, den Schulzen aus der Mitte der Gemeindeversammlung zu wählen, vorgesehen.292 Auf diese Weise, so die Argumentation der Regierungsparteien, würde der Schulze einerseits eine „unabhängigere Stellung“ erlangen, andererseits könne – „ohne dass es einer Neuwahl der 287 Vgl. dazu Knebusch, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2654 und Sp. 2666. 288 Vgl. Das Gemeindewahlgesetz, in: Münchener Neuste Nachrichten, 29. Okt. 1924. 289 Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 25, § 20. 290 Vgl. dazu Mrotzek: Verfassung, S. 91–92. 291 Zur Direktwahl der städtischen Bürgermeister vgl. Kap. 4.1, S. 100–101 und Kap. 4.2, S. 118– 119. 292 Vgl. Initiativgesetzentwurf der deutschnationalen Fraktion und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, 31. März 1926, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 232. Nach den bestehenden Gesetzen war den Gemeinden bereits die Möglichkeit gegeben, beim Ministerium des Innern eine Entfreiung von einzelnen Bestimmungen der Landgemeindeordnung zu beantragen. Vgl. Gesetz betreffend Entfreiung von Vorschriften der Amtsordnung und der Landgemeindeordnung. Vom 2. März 1922, in: Rbl. Nr. 32, 27. März 1922, S. 176. Beantragt worden zu sein scheint allerdings nur einmal, 1921, die Aufhebung der Bestimmung, den Schulzen aus der Mitte der Gemeindeversammlung zu wählen. Die Entfreiung wurde versagt. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Amt Hagenow, 22. Aug. 1921.
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Gemeindeversammlung“ bedürfe – auch „jemand Schulze werden, der aus irgendwelchen Gründen nicht zum Gemeindevertreter gewählt“ worden war. Insbesondere sei dies aufgrund der um 1926 „wieder häufiger vorkommenden Besitzwechsel“ der Höfe und Güter nötig. Andernfalls wäre es vor allem in den Guts- bzw. Hofgemeinden nämlich nicht ohne weiteres möglich, dass die neuen Inhaber mit dem Wirtschaftsbetrieb zugleich auch „die Geschäfte des Schulzen übernehmen“.293 Dass eine solche Personalunion durchaus als erstrebenswert und selbstverständlich angesehen wurde, zeigen Fälle, in denen nach Verkauf des Guts die Gemeindeversammlung aufgelöst und eine Neuwahl beschlossen wurde, bei der sich dann der neue Eigentümer oder eine von ihm bestimmte Vertrauensperson um das Amt bewarb.294 Eine weitere Neuerung plante die Regierung in Bezug auf den Wahltermin, der von Oktober auf November verlegt werden sollte. Auf diese Weise wäre kurzerhand all jenen Landarbeitern und Saisonkräften, die „am 1. November, dem allgemein üblichen Ziehtag auf dem Lande“, ihren Wohnsitz wechselten, das Wahlrecht genommen worden.295 Der Initiativgesetzentwurf gelangte jedoch nicht auf die Tagesordnung des Landtags und blieb damit eine Gedankenspielerei. Ob und in welchem Umfang von der Möglichkeit der Direktwahl Gebrauch gemacht wurde, ließ sich nicht ermitteln. Es gibt jedoch Hinweise auf einen Fall im Amt Hagenow sowie mehrere in den Ämtern Ludwigslust und Schwerin.296 Da in diesen Ämtern Dorfgemeinden dominierten, ist zu vermuten, dass das durch die DNVP in die Landgemeindeordnung aufgenommene Verfahren in Guts- bzw. Hofgemeinden keine oder nur recht selten Anwendung fand. Tatsächlich hatte Knebusch bereits Ende März 1921 auf einer Tagung des Landesverbands der mecklenburgischen Landwirte daraufhin hingewiesen, dass eine Direktwahl „für die Hofgemeinden nicht in Betracht“ käme.297 Dies lag wohl einerseits an der ohnehin gefestigten politischen Stellung des Besitzers, andererseits an der Überlegung, dass durch die Direktwahl nicht nur die Position des Schulzen, sondern insgesamt die der politischen Organe gestärkt werden würde. Im April 1933 erklärte die nationalsozialistische Landesregierung die Direktwahl der Schulzen und Bürgermeister schließlich für „unzulässig“ und band die Wahl des Schulzen an die Bestätigung des Ministeriums 293 Initiativgesetzentwurf der deutschnationalen Fraktion und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, 31. März 1926, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 232. 294 Erwähnt sei hier nur der Fall des Fritz Willenberg, der um die Jahreswende 1920/21 das Rittergut Mentin pachtete. Weniger als drei Monate in der Gemeinde, stand ihm bei der Wahl im Frühjahr 1921 weder das aktive noch das passive Wahlrecht zu. Nachdem seine Bitte, ihn von dieser Bestimmung zu befreien, abgelehnt worden war, initiierte Willenberg eine Neuwahl, die er, nun wahlberechtigt, für sich entschied. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Kempski an MdI, 31. Jan. 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 134. Vgl. dazu auch Kap. 9.3. 295 Initiativgesetzentwurf der deutschnationalen Fraktion und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, 31. März 1926, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 232. Dass nicht nur den Wegziehenden, sondern auch den Rückkehrenden, also neu Zuziehenden, das Wahlrecht genommen wurde, lag an den Bestimmungen zur Verleihung des Bürger- und Wahlrechts, die einen dreimonatigen Aufenthalt in der Gemeinde forderten. Vgl. dazu etwa Klien: Landgemeindeordnung, S. 6–7, § 7. 296 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Amtsausschuss Amt Ludwigslust, 17. Nov. 1921. 297 MN, 19. Jan. 1921.
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des Innern. Waren zwei nacheinander durch die Gemeinde präsentierte Kandidaten abgelehnt worden, sollte der Gemeindevorstand durch die Aufsichtsbehörde ernannt werden.298 Ein weiteres, sich ebenfalls an der Städteordnung orientierendes Novum der Landgemeindeordnung stellte die mit dem § 16 geschaffene Möglichkeit dar, durch einen Bürgerentscheid die Legislatur der Gemeindeversammlung vorzeitig zu beenden und eine Neuwahl sowohl des Parlaments als auch des Gemeindevorstandes zu erzwingen.299 Dass für den Antrag zur Eröffnung des die Auflösung der Gemeindeversammlung einleitenden Bürgerbegehrens die Unterstützung eines Viertels der bei der letzten Wahl stimmberechtigten Personen notwendig sein sollte, stieß auf den Widerspruch der USPD, die hierin „eine wesentliche Einschränkung des demokratischen Rechtes der Staatsbürger, unbequeme Gemeindevertretungen [...] zu beseitigen“, erblickte.300 Sie forderte, ebenso wie die Deutschnationalen, die ähnlich, jedoch „nicht in einer so scharfen Form“ argumentierten,301 eine deutliche Reduzierung der Zahl der Wahlberechtigten, die den Antrag zu unterzeichnen hatten. Tatsächlich wurde sie während der Beratungen im Rechtsausschuss auf ein Zehntel herabgesetzt, gleichzeitig aber auch ein Minimum von zwanzig Unterschriften festgelegt.302 Von der Möglichkeit, die Legislatur der Gemeindeversammlung vorzeitig zu beenden, wurde vor allem in den ehemaligen Domanialdörfern Gebrauch gemacht. Den Anlass bildeten insbesondere Streitigkeiten über die Nutzung des Gemeindelandes, das in Kommunen, in denen Hofbesitzer und Büdner die Gemeindeversammlung dominierten, häufig meistbietend und nicht unter der Hand als Kompetenzland verpachtet wurde. Hiergegen wehrten sich die Häusler und Einlieger, die durch die Herbeiführung einer Neuwahl die Machtverhältnisse und damit die in Bezug auf das Gemeindeland getroffenen Entscheidungen zu verändern suchten.303 Warum auch die DNVP für eine Erleichterung des Verfahrens eingetreten war, verdeutlicht ein Beispiel aus dem Amt Waren. In der dortigen Gemeinde Groß Dratow, die aus dem gleichnamigen Gut und dessen Pertinenzen, dem Nebengut Bocksee und der Bauernkolonie Klockow, bestand,304 initiierte der Gutsbesitzer Georg Lembcke ein Bürgerbegehren, um den als Schulzen amtierenden Landarbeiter Vesper abzusetzen. Zweimal verweigerte der Gemeindevorstand, da offensichtlich nicht nur eine Beeinflussung der Wähler, sondern auch Fälschungen bei den Unterschriften vorlagen, die Annahme des Antrags.305 Nach einer Beschwerde Lembckes beim 298 Gesetz zur Behebung von Mißständen in der gemeindlichen Verwaltung. Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 150–152., hier S. 151, §§ 6 und 7. 299 Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 19, § 16. 300 Mayenburg, in: Landtag, 1921, 8. Sitzung, 7. Okt. 1920, Sp. 218. 301 Knebusch, in: Ebd. 302 Vgl. Giese, in: Landtag, 1921, 18. Sitzung, 23. Nov. 1920, Sp. 664. Vgl. auch Gesetz vom 23. November 1920 zur Ausführung des § 16 Absatz 2 der Landgemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 187, 17. Dez. 1920, S. 1357–1364. 303 Vgl. Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1748. 304 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 198–199; Staatskalender, 1917, T. 2, S. 138. 305 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Einwohner Groß Dratow an MdI, 9. Mai 1921.
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inisterium des Innern musste das Begehren allerdings doch durchgeführt werden. M Als die notwendige Mehrheit ausblieb, nutzte Lembcke seine wirtschaftliche Macht. Er entließ den bei ihm angestellten Vesper, zwang ihn, den Wohnsitz zu wechseln, und sorgte somit dafür, dass der nun Ortsfremde das Schulzenamt niederlegen musste.306 Anders als die Direktwahl wurde die Möglichkeit, die Gemeindeversammlung vorzeitig aufzulösen, 1933 nicht aufgehoben. Im Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich, das die politische Zusammensetzung der regionalen und lokalen Volksvertretungen an die des Reichstags anpasste, wurde lediglich bestimmt, dass die Länderparlamente für die nächsten vier Jahre „unauflöslich“ sein sollten. Für die Kommunalparlamente fehlte eine entsprechende Bestimmung.307 Die daraufhin unter den Amtshauptleuten in Mecklenburg-Schwerin entstandene Frage, ob eine Abwahl beantragt werden könne, beantwortete das Ministerium nicht einfach abschlägig, sondern mit dem Hinweis, dass, falls es dazu käme, die Aufsichtsbehörde Einspruch einzulegen habe und das Verfahren aus Formfehlern abzulehnen sei.308 Die Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung der Gemeindeversammlung und damit ein weiteres Element direkter Demokratie verschwand aus der Kommunalverfassung Mecklenburg-Schwerins erst 1935, als die Deutsche Gemeindeordnung eingeführt wurde.309 Der vierte Gegenstand, der während des gesamten Zeitraums, in dem die Landgemeindeordnung Gültigkeit besaß, diskutiert wurde, betraf die Wahldauer. Hierbei waren insbesondere drei Aspekte bestimmend. Am unproblematischsten erwies sich dabei das Bestreben, „die Wahlperiode sämtlicher Gemeindevertretungen im ganzen Lande einheitlich“ zu gestalten, um den mit Einführung der Landgemeindeordnung in der Verwaltungsorganisation bereits aufgehobenen „alte[n] Unterschied zwischen domanialen und nicht domanialen Landgemeinden“ zu beseitigen.310 Aus diesem Grunde wurde bereits im Mai 1921 beschlossen, die Legislatur der im Frühjahr 1921 gewählten Gemeindevertreter im Herbst 1923, also mehrere Monate vor Ablauf der dreijährigen Wahldauer, aber zeitgleich mit der der im Frühjahr 1919 gewählten
306 Vgl. ebd.: Amt Waren an MdI, 17. Mai 1921. Vgl. dazu auch Kap. 9.3, S. 335. 307 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 96–97: Mecklenburg-Schwerinscher Ämtertag an MdI, 11. Mai 1933. Vgl. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 29, 2. April 1933, S. 153–154, hier S. 153–154, §§ 8 und 15. 308 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 96–97: MdI an Mecklenburg-Schwerinscher Ämtertag, 13. Mai 1933. 309 Vgl. Deutsche Gemeindeordnung, 30. Jan. 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1933, S. 49–62. Für die Ausführungsbestimmungen Mecklenburgs vgl. Mecklenburgische Überleitungsverordnung zur Deutschen Gemeindeordnung. Vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 49–50; Verordnung zur Deutschen Gemeindeordnung vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 16, 6. April 1935, S. 53–54; Bekanntmachung vom 1. April 1935 zur Deutschen Gemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 17, 9. April 1935, S. 57–96. 310 Schlesinger, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 11. Sitzung, 26. Mai 1921, Sp. 245. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Schlesinger, Erich: Begründung zum Gesetz, betreffend Wahldauer der im Frühjahr 1921 gewählten und der im Oktober 1921 zu wählenden Gemeindevertreter, 21. Mai 1921.
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Gemeindevertretungen, zu beenden.311 Der in diesem Zusammenhang durch die SPD eingebrachte Antrag, die Amtsperiode der neugewählten Gemeindevertreter nicht erst zum „Anfang des nächstfolgenden Jahres“,312 sondern bereits einen Monat nach erfolgter Wahl beginnen zu lassen,313 hingegen blieb, obgleich ein Regierungsvertreter zugesagt hatte, „in allerkürzester Zeit eine Abänderung einzubringen“, unberücksichtigt.314 Dies galt auch für die im Frühjahr 1923 durch einige Gemeindevorstände des Amts Grabow eingereichte Bitte, die Gemeindevertreterwahlen nicht im Herbst, sondern „im Interesse der pfleglichen Behandlung des Schulzenackers [...] bereits Anfang Juni stattfinden zu lassen“. Ihrer Ansicht nach war es „selbstverständlich, daß die Herbstbestellung besser durch jemanden ausgeführt würde, der wisse, daß er im nächsten Jahre auch die Früchte seiner Arbeit genießen könne“.315 Um eine „rationelle Bewirtschaftung“ der vor allem im Osten des Landes den Schulzen noch als „Äquivalent“ für ihre Arbeit übertragenen Ackerflächen zu gewährleisten, hatte bereits ein Jahr zuvor, 1922, der aus dem Dorfbund hervorgegangene Wirtschaftsbund beantragt, die Amtsdauer der Gemeindeversammlung auf sechs Jahre aus zudehnen. Darüber hinaus argumentierte die Partei, dass es „einer gewissen Zeit“ bedürfe, in der sich „die Gemeindevertretung und vor allem der Ortsvorsteher [...] einarbeiten“ müsse. Nicht zuletzt könne durch eine entsprechende Verlängerung der Amtsperiode verhindert werden, „daß ein noch so tüchtiger Schulze aus Parteirücksichten aus seinem Amte scheide [...], wenn die Mehrheit eben dafür ist“. Diese Forderung, die davon ausging, dass sich die „Mehrheit [...] auf dem Lande noch nicht immer von reinen Nützlichkeitserwägungen leiten [lasse], sondern [...] leider allzu oft den parteipolitischen Verhetzungen“ unterläge, 316 ignorierte, dass die Gemeindeversammlung durch Volksentscheid jederzeit aufgelöst und ebenso wie der Gemeindevorstand neu gewählt werden konnte. Tatsächlich waren 1922, so der sozialdemokratische Abgeordnete Karl Moltmann, die Gemeindevertretungen „sehr viele[r] Landgemeinden schon zum dritten Male [...] aufgelöst“ worden, was Molt311 Vgl. Gesetz vom 26. Mai 1921, betreffend Wahldauer der im Frühjahr 1921 gewählten und der im Oktober 1921 zu wählenden Gemeindevertreter, in: Rbl. Nr. 75, 10. Juni 1921, S. 645–646. Vgl. dazu auch Bekanntmachung vom 14. Juli 1923, betreffend die im Herbst 1923 stattfindenden Wahlen der Amtsvertreter und der Gemeindevertreter, in: Rbl. Nr. 91, 26. Juli 1923, S. 537. Mit dem Gesetz vom 26. Mai 1921 war zugleich die im § 70 der Landgemeindeordnung aufgenommene Übergangsbestimmung, wonach die Wahldauer der „zur Zeit im Amte befindlichen Gemeindevertreter [...] mit dem Schlusse des Jahres 1921“ enden sollte, aufgehoben worden. Vgl. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 765, § 70. 312 Klien: Landgemeindeordnung, S. 19–20, § 16. 313 Vgl. Antrag der Sozialdemokratischen Fraktion, 7. Nov. 1923, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 397. 314 Försterling, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 98. Sitzung, 7. Nov. 1923, Sp. 5372. Verantwortlich dafür war die Tatsache, dass die SPD den Antrag nach der Zusicherung des Regierungsvertreters zurückgezogen hatte. Vgl. ebd. Vgl. auch Landtag, 1925, Bd. 2, 98. Sitzung, 7. Nov. 1923, Sp. 5307. 315 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Amt Grabow an MdI, 23. März 1923. Der Vorschlag wurde jedoch abgelehnt. Vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, 4. April 1923. 316 Stier, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1745–1746.
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mann als ein Zeichen dafür wertete, „daß man die Wahldauer über drei Jahre hinaus nicht ausdehnen“ dürfe. Der Behauptung, die Gemeindevertreterwahlen seien mit großen „Aufregung[en]“ verbunden, hielt er entgegen, dass sich „die ganzen politischen Reden“ darauf beschränken würden, dass der Schulze „zu diesem und jenem“ gehe und frage: „Jo Johann, wie ist’s willst mich nich wedder wählen?“. Der Landtag folgte dieser Einschätzung und lehnte den Antrag des Wirtschaftsbunds, der, so Moltmann, „Schrittmacher für jene“ sei, die die „Erblichkeit des Schulzen wiedereinführen“ wollten,317 mit großer Mehrheit ab.318 Zu einem Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde kam es erst wieder 1929, als ein einheitlicher Termin für die Gemeinde- und Amtsvertreterwahlen bestimmt wurde. Anders als 1921 führte dies jedoch nicht zu einer vorzeitigen Neuwahl, sondern zur Verlängerung der Wahldauer der im Herbst 1926 gewählten Gemeindevertreter „bis zum Schlusse des Jahres 1931“.319 Kurz vor der Durchführung der Wahl, im Juli 1931, erließ die deutschnationale Regierung eine neue Wahlordnung. Neben der Festsetzung des Wahltags durch das Ministerium des Innern, das, dem Initiativantrag von 1926 folgend, den 1. November wählte,320 fällt vor allem die Einführung eines alle Wahlvorschläge und Wahlbewerber umfassenden Einheitsstimmzettels für die Amtsvertreterwahlen auf.321 Die Idee, ihn auch bei den Gemeindewahlen zu verwenden, war mit Blick auf die Finanzlage der Gemeinden als nicht „zweckmässig“ abgelehnt worden. Neben der Belastung der „Gemeindekasse mit den Kosten des Einheitsstimmzettels“ fürchtete man ferner, dass „bei dieser Regelung die Prüfung des Abstimmungsergebnisses zu unübersichtlich“ werde.322 Nach Ansicht des Gemeindevorstands der Insel Poel hingegen sorgte vielmehr das gegenwärtige Verfahren, das den einzelnen Kandidaten bzw. Parteien „die Beschaffung [...] und die Verteilung“ der einzelnen Stimmzettel übertrug, für „Unannehmlichkeiten“, die mit der „Aushändigung eines Einheitsstimmzettels im Wahllokal“ vermieden werden könnten.323 Gleichzeitig, so der Amtshauptmann des Amts Schwerin, Hans Müller, könnte durch sie „eine erhöhte Übersichtlichkeit erreicht werden“, die „umso wichtiger“ sei, da „in einzelnen Gemeinden neben Amts- und Gemeindevertreterwahl auch noch die Wahl des Schulzen“ erfolge.324 Die Einsprüche blieben jedoch unberücksichtigt.325
317 Moltmann, in: Ebd., Sp. 1746. 318 Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1750. 319 Gesetz über die Wahldauer der im Herbst 1926 gewählten Gemeindevertreter. Vom 22. Mai 1929, in: Rbl. Nr. 30, 28. Mai 1929, S. 164, Art. I und III. 320 Vgl. Bekanntmachung vom 22. Juli 1931 über Amts- und Gemeindevertreterwahlen, in: Rbl. Nr. 48, 29. Aug. 1931, S. 243. 321 Vgl. Bekanntmachung vom 25. Juli 1931 über Wahlordnung für die Wahlen der Amtsvertreter und der Gemeindevertreter, in: Rbl. Nr. 45, 7. Aug. 1931, S. 225–235, hier S. 230, § 64. 322 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 948: Schlesinger, Erich: Bemerkungen zum neuen Entwurf, ca. Juli 1931. 323 Ebd.: Gemeindevorstand Insel Poel an MdI, 5. Okt. 1931. 324 Ebd.: Amt Schwerin an MdI, 9. Okt. 1931. 325 Vgl. ebd.: MdI an Gemeindevorstand Insel Poel, 8. Okt. 1931; ebd.: MdI an Amt Schwerin, ohne Datum.
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Neben verwaltungstechnischen und parteipolitischen Aspekten wurde in der Diskussion zur Wahl- und Amtsdauer auch immer wieder auf die mangelnde Bereitschaft eines Großteils der Bewohner des platten Landes, politische Verantwortung zu übernehmen, hingewiesen. Dass das Interesse an Wahlen tatsächlich bereits kurz nach der Revolution nachgelassen hatte, verdeutlicht u. a. der Wunsch der Einwohner der Gemeinde Langsdorf, statt, wie im § 70 der Landgemeindeordnung vorgesehen, drei Monate nach deren Einführung eine Neuwahl durchzuführen, die Amtsdauer der gewählten Gemeindevertreter bis zum Schlusse des Jahres 1923 zu verlängern.326 Das Ministerium des Innern erklärte sich mit der Aussetzung der Wahl einverstanden327 und oktroyierte diese Entscheidung mit der wenige Monate später erfolgten Vereinheitlichung des Wahltermins sämtlichen Gemeinden, in denen die Gemeindevertretungen bereits im Frühjahr 1919 gewählt worden waren. 328 Fünf Monate später, im Oktober 1921, ging das Ministerium des Innern noch einen Schritt weiter und stellte es den Gemeinden grundsätzlich frei, die Legislatur ihrer politischen Gremien durch das zuständige Amt verlängern zu lassen. Die „im Aufsichtswege erlassene [...] Anordnung“ war allerdings nicht für die gesamte Amtsdauer bindend, sondern konnte auf Antrag der Gemeinde „jederzeit“ wieder aufgehoben werden.329 Dass Verlängerungen oftmals einfach notwendig waren, um die Durchführung der gemeindlichen (Selbst-)Verwaltung aufrechtzuerhalten, zeigt ein Bericht aus dem Amt Bützow, laut dem bei der Kommunalwahl 1923 „in verschiedenen Gemeinden [...] überhaupt keine Wahlvorschläge“ eingereicht worden waren.330 In Fällen hingegen, in denen die bisherigen Gemeindevertreter zurückgetreten waren und es keine neuen Wahlvorschläge gab, musste eine andere Möglichkeit gefunden werden, die Selbst- und Staatsverwaltung fortzuführen. Hier wurde „auf Kosten“ der Gemeinde „eine Zwangsverwaltung“ eingerichtet,331 d. h. ein durch das Amt als geeignet angesehenes Gemeindemitglied mit der Führung der Gemeinde be auftragt.332 In den Dörfern wurde dabei häufig, wie vor 1918 in Fällen einer Vertretung üblich, entweder auf den Dorfschullehrer oder den „am längsten im Gemeindebezirk aufhältlichen und mit den örtlichen Verhältnissen am Besten vertrauten
326 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: Amt Neustadt an MdI, 3. Sept. 1920. 327 Vgl. ebd.: Aktennotiz MdI, September 1920. 328 Vgl. dazu Anm. 311. 329 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: MdI an Amt Dargun, 29. Okt. 1921. Eine Abschrift des Schreibens ging an sämtliche Ämter und Landdrosteien. 330 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Amt Bützow an MdI, 3. Okt. 1923. 331 Ebd.: Amt Neustadt an MdI, 4. Jan. 1924; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Amt Warin, 15. Nov. 1923. 332 Neben dem Beispiel im Amt Neustadt fanden sich in den Akten Belege für die „Zwangsverwaltung“ der Gemeinden Blankenberg und Buerbeck im Amt Warin, Kirch Mummendorf im Amt Grevesmühlen sowie Alt Steinbeck und Moltenow im Amt Schwerin. Vgl. dazu LHAS, 5.123/1, Nr. 1017: Amt Warin an MdI, 9. Nov. 1923; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1018: MdI an Fischer, 16. März 1927; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1019: MdI an Amt Warin, 8. Juni 1925; ebd.: MdI an Amt Schwerin, 8. Okt. 1925.
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Einwohner“ zurückgegriffen.333 In den Guts- bzw. Hofgemeinden hingegen bediente man sich oftmals auch der Gutsbesitzer bzw. Pächter.334 Die rechtliche Grundlage der Zwangsverwaltung bzw. der Ernennung zum Schulzen bildete der § 12 der Land gemeindeordnung, die wahlberechtigte Personen zur Übernahme von Gemeinde ämtern verpflichtete. Im Weigerungsfall drohten Strafen, wie etwa die Erhöhung der Gemeindesteuer um ein Achtel bis ein Viertel des Solls.335 Nicht gezwungen werden konnten die betreffenden Personen hingegen, seien es nun Beauftragte, Mitglieder des Gemeindevorstandes oder der Gemeindeversammlung, zu einer ordnungsge mäßen Amtsführung oder auch nur zum „Erscheinen [...] in der Gemeindeversamm lung“.336 Neben der Aufstellung von Wahlvorschlägen bereitete auch die Berufung der „für die verschiedenen Wahlhandlungen [...] erforderliche[n] Beisitzer und Schriftführer“ Schwierigkeiten. In „vielen Fällen [...], besonders dann [...], wenn politische Gegensätze“ mitspielten, lehnten die Wahlberechtigten ihre Ernennung einfach ab. Die durch den Amtshauptmann des Amts Schwerin, Bötefür, vorgebrachte Bitte, „bei einer Neuordnung der Landgemeindeordnung [...] die vorbezeichneten Ämter unter die Bestimmung des § 12 der Landgemeindeordnung fallen“ zu lassen,337 wurde im Ministerium des Innern allerdings nur mit dem Aktenvermerk: Die „Angelegenheit [...] wird im Auge behalten“ quittiert.338 Man selbst suchte das Problem dadurch zu umgehen, dass man den „nachgeordneten Dienststellen“ empfahl, dort, wo „nur ein Wahlvorschlag vorliegt“, auf die Stimmabgabe zu verzichten. Dieses Vorgehen widersprach jedoch, so die Urteile des Landesverwaltungsgerichts und des preußischen Oberverwaltungsgerichts, den Bestimmungen der Wahlordnung und war deshalb unzulässig.339 Da „nach den Erfahrungen der letzten Gemeindevertreterwahlen“, so die Einschätzung der „Mecklenburgischen Volkszeitung“, allerdings auch zukünftig „in mehr als der Hälfte aller Gemeinden, namentlich in den Gutsgemeinden, nur ein Wahlvorschlag [...] eingereicht“ werden würde,340 trat die Regierung 1926 für eine 333 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1018: MdI an Fischer, 16. März 1927. Zur Übernahme des Schulzenamts durch den Dorflehrer vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Brockmöller an MdI, 17. und 23. Jan. 1919. Dort heißt es: „Wegen der hohen Anforderungen, welche das Schulzenamt an seinen Inhaber“ stelle, hätten vor 1918 „in sehr vielen Gemeinden, in denen es an genügend geschulten Kräften fehlte, die Lehrer (meist nicht von Amts wegen) die Schulzenarbeit besorgt“. Brockmöller selbst hatte als Lehrer der Gemeinde Groß Bengerstorf im Domanialamt Boizenburg neun Jahre lang, „ohne Schulze zu sein, fast die gesamte Schulzenarbeit erledigt“ und dabei auch „nie bemerkt“, dass die zwei als Schöffen bestellten Erbpächter „irgendwie tätig“ geworden wären. Ebd. 334 Vgl. etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1019: MdI an Amt Schwerin, 8. Okt. 1925. 335 Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 13–15, § 12. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Amt Ludwigslust, 12. Jan. 1924. Vgl. ebd.: MdI an Amt Bützow, 11. Nov. 1921. 336 Ebd.: MdI an Amt Ludwigslust, 13. April 1931. 337 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 948: Amt Schwerin an MdI, 14. Sept. 1932 und 21. Juni 1932. 338 Ebd.: Aktennotiz Kolbow, 20. März 1933. 339 Schlesinger, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 125–126 (Hervorhebung im Original). 340 MVZ, 9. Sept. 1926. Vgl. dazu auch Moltmann, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 131.
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entsprechende Änderung der gesetzlichen Bestimmungen ein.341 Gleichzeitig sollte, so der Gesetzentwurf von SPD und DDP, die Dauer der Wahlhandlung in Gemeinden unter 500 Einwohnern auf sieben Stunden reduziert werden. Die ursprünglich für die Stimmabgabe festgesetzte Zeit von neun bis 19 Uhr galt als „entschieden zu lang“.342 In der parlamentarischen Debatte zogen sowohl DNVP als auch KPD, wie es Moltmann formulierte, ihren „Honig aus dieser Blüte“ demokratischer Regierungspolitik.343 So begrüßte der ehemalige Ministerpräsident Joachim Freiherr von Brandenstein die Vorlage als Zeichen dafür, dass sich die von der DNVP vertretene Auffassung, „das ewige Wählen, das beinahe Sonntag für Sonntag“ erfolge, liege „nicht im Sinne der Bevölkerung“ und werde „von weiten Kreisen der Bevölkerung abgelehnt“, nun auch bei SPD und DDP durchgesetzt habe und hoffte, „daß in Zukunft auf diesem Wege noch weitere Fortschritte gemacht werden“ würden.344 Die KPD hingegen, die die amtierende Minderheitsregierung tolerierte, kritisierte den Entwurf als „reaktionäres Machwerk“ und fürchtete, dass auf diesem Wege das vorgeschlagene „Verfahren für die Gutsgemeinden allgemein“ werde.345 Tatsächlich war durch die gewählte Formulierung, wenn „nur ein Wahlvorschlag zugelassen, so unterbleibt die Stimmabgabe“ und gilt dieser als gewählt,346 ein Anreiz geschaffen, Wahlvorschläge als ungültig zurückzuweisen. Dass dies ohne weiteres möglich war, zeigt ein Beispiel aus dem Amt Güstrow. Hier hatte 1921 der Wahlkommissar die Klage der Land arbeiter der Gemeinde Louisenhof, deren Wahlvorschlag nicht zugelassen worden war, mit der Begründung zurückgewiesen, die Liste des Gutsbesitzers „sei ja übrigens auch ganz gut“.347 Die daraufhin beim Ministerium des Innern eingereichte Beschwerde blieb, da sich die Behörde für nicht zuständig erklärte, ebenfalls erfolglos.348 Ein ähnlicher Fall lässt sich auch für die Gemeinde Volzrade im Amt Hagenow nachweisen.349 Insofern wäre es wohl günstiger gewesen, im Gesetz von eingereichten, nicht zugelassenen Vorschlägen zu sprechen; freilich wäre es dann jedoch nötig geworden, eine Mindestzahl etwa unterstützender Stimmen festzulegen, mit der, sollte nur eine Liste zugelassen werden, diese als angenommen zu gelten habe. Auf Kritik der KPD stieß ferner, dass das eigentliche Problem, dass in den Gutsbzw. Hofgemeinden häufig nur ein Wahlvorschlag, dazu noch „im Sinne des ‚gnädigen Herrn‘“, eingereicht wurde, nicht berücksichtigt worden war.350 Für Moltmann indes war dies, da hier die „wirtschaftlichen Machtverhältnisse [...] auf dem Lande“ 341 Schlesinger, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 125–126. 342 MVZ, 9. Sept. 1926. 343 Moltmann, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 131. 344 Von Brandenstein, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 127. 345 Wenzel, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 128 und Sp. 130. 346 Gesetz zur Abänderung der Wahlordnung für die Wahl der Gemeindevertreter vom 23. November 1920. Vom 20. Oktober 1926, in: Rbl. 21. Okt. 1926, S. 531, § 1. 347 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Landarbeiter Louisenhof an MdI, 19. Feb. 1921. 348 Vgl. ebd.: MdI an E. Garling, 16. März 1921. 349 Vgl. ebd.: DA Hagenow an Hinz, 19. Feb. 1921. 350 MVZ, 9. Sept. 1926. Vgl. Wenzel, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 128–130.
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ausschlaggebend seien, durch das vorliegende Gesetz „und auch vielleicht durch andere Gesetze nicht“ zu ändern.351 Ziel des Gesetzentwurfs, der mit den Stimmen der rechten Parteien angenommen wurde, war lediglich die Legitimation einer bestehenden Praxis.352 Dass 1933, als das Reich die Legislatur sämtlicher Länder- und Kommunalparlamente auf vier Jahre festlegte, die Amtsperiode der Gemeindeversammlungen Mecklenburg-Schwerins um ein Jahr verlängert wurde, erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls als pragmatische, den Verhältnissen Rechnung tragende Maßnahme.353 Kritik ließ sich, anders als 1922, als der Wirtschaftsbund die Amtsperiode der Gemeindeversammlung auf sechs Jahre auszudehnen suchte, nicht nachweisen. Dabei ging die Regierung mit dem Beschluss, die Amtsdauer der Schulzen ebenso wie die der Gemeindeversammlung auf vier Jahre auszudehnen, noch über dessen Forderung hinaus und sorgte, die Fassung des Regierungsentwurfs der Landgemeindeordnung wiederherstellend,354 dafür, dass die Legislatur des Gemeindevorstandes unabhängig von der der Gemeindeversammlung wurde und stärkte damit erneut dessen Position.355 Überblickt man die vorstehende Übersicht zur Entwicklung der Landgemeindeordnung, fällt, wie schon bei der Städteordnung, eine Modifizierung der einzelnen Bestimmungen auf, anhand derer sich der zwischen 1918 und 1935 im gesamten Reich vollziehende Wandel staatlicher Machtausübung exemplarisch nachzeichnen lässt. Zu den fortschrittlichsten Kommunalverfassungen wohl nicht nur des Deutschen Reiches zählend, wurde die Landgemeindeordnung aufgrund gegenläufiger parteipolitischer Konzepte und realpolitischer Gegebenheiten nach und nach ihres urdemokratischen Inhalts entkleidet und 1935 aufgehoben. An die Stelle der freien Selbstverwaltung trat die reichseinheitliche, zentralistisch organisierte Kommunalverwaltung des Nationalsozialismus. 6.4.2 Hand- und Spanndienste Mit der Einführung der Landgemeindeordnung, die die obrigkeitliche Stellung der Grundbesitzer aufhob, wurden auch die im Gebiet der Ritterschaft, der Klöster und der Kämmereien der Städte gebildeten Gemeinden zur „Instandhaltung von Kunststraßen und Steindämmen, der öffentlichen Haupt- und Nebenwege“, zur „regelmä ßige[n] Räumung und Krautung der Flüsse, Bäche, Vorflut- und Abzugsgräben“ sowie zur „Anlegung und Unterhaltung von Deichen“ verpflichtet.356 Damit war der im Domanium „seit der Rev. Gemeindeordnung von 1869 bestehende [...] Zustand 351 Moltmann, in: Ebd., Sp. 131–132. 352 Vgl. Landtag, 1927, 5. Sitzung, 20. Okt. 1926, Sp. 171. 353 Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 29, 2. April 1933, S. 153–154, hier S. 153, § 15. Dort heißt es: „Die neuen gemeindlichen Selbstverwaltungskörper gelten mit dem 5. März 1933 als auf vier Jahre gewählt.“ 354 Vgl. dazu Kap. 6.2, S. 191. 355 Vgl. Gesetz zur Behebung von Mißständen in der gemeindlichen Verwaltung. Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 150–152, hier S. 151, §§ 6 und 7. 356 Klien: Landgemeindeordnung, S. 28, § 23, Zif. 4.
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gleichmäßig“ auf das gesamte platte Land übertragen worden.357 Die entsprechenden Lasten konnten entweder durch Geldzahlungen etwa in die bestehenden lokalen Wegebaufonds beglichen358 oder aber durch eine Ausweitung der Hand- und Spanndienste, die als feudale Dienstleistungen bestanden und bekanntlich in modifizierter Form auch in die Landgemeindeordnung aufgenommen worden waren, geleistet werden.359 Eine Verpflichtung des bis dato die Wegebaulasten tragenden Eigentümers indes, wie sie durch die Vertretung der Gutsgemeinde Klocksin im Amt Waren angestrebt wurde, war nicht möglich.360 Dies galt auch für das Vorhaben des Amts Güstrow, sämtliche Gutsbesitzer des Amtsbezirks in einem Räumungsverband zusammenzuschließen und durch sie die Kosten tragen zu lassen, die den Gemeinden erwuchsen, die im ehemals ritterschaftlichen Gebiet des Amtsbezirks gebildet worden waren.361 Unzulässig war es ferner, sich „auf Vereinbarungen in Erbpachtverträgen und bäuerlichen Regulativen“ zu berufen, würden so doch die Hand- und Spanndienste als feudale Dienste fortbestehen. Ein entsprechender Versuch des Schulzen der Guts gemeinde Pötenitz, der mit dem Gutsbesitzer verwandt war, wurde durch das Ministerium des Innern entschieden zurückgewiesen. Das Argument, die entsprechenden Vereinbarungen würden „nur Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten“ begründen, eine „Rechtsnachfolge der Landgemeinde[n]“ also ausschließen,362 verdient angesichts der Weigerung einiger Gutsbesitzer, mit dem Übergang des Armenwesens auf die Gemeinden ihren Altenteilern das diesen zustehende Deputat zu liefern,363 eine besondere Betrachtung. Anders als bei den Wegelasten wurde hinsichtlich der Armenfürsorge, aber auch des Schulwesens oder, wie gezeigt, der kirchlichen Baulasten keine allgemeine Regelung getroffen. Dies führte dazu, dass es in den erstgenannten Fällen häufig zu einer entschädigungslosen Übertragung der Aufgaben auf die Gemeinden kam,364 während in Bezug auf die kirchlichen Baulasten die früheren Rechtsgrundsätze von Bestand blieben.365 Dass auf eine Auseinandersetzung der zwischen dem Guts- bzw. Hofbesit357 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Aktennotiz MfL, ca. 1920. Von einer Übertragung der Instandhaltung wurde nur beim unmittelbaren Staatsbesitz abgesehen. Die „Räumungskosten der Wasserläufe pp.“ übernahm hier „bis auf weiteres [...] die Staatskasse“. Dementsprechend war die „Räumung von den für die Verwaltung des Staatsbesitzes zuständigen Dienststellen“ zu organisieren. Ebd.: MdI und MfL an Landdrostei Rostock, 5. Dez. 1922. Zu den Rechtsvorschriften der revidierten Gemeindeordnung vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 21, § 6 und S. 23–38. 358 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an DA Hagenow, 18. März 1920. 359 Vgl. Kap. 6.2. 360 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Gemeindevorstand Klocksin, 30. Dez. 1921. 361 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Landesverwaltungsrat an Amt Güstrow, 19. Juli 1922. 362 Ebd.: MfL an Gutsherrschaft zu Pötenitz, 6. Feb. 1925. 363 Vgl. Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1739. 364 Vgl. ebd. Vorbild einer Auseinandersetzung im Bereich des Schulwesens hätte etwa die für die Hofgemeinden des Domaniums geltenden Bestimmungen, wonach die Gebäude der Schulen vor der Übergabe an die Gemeinde instand zu setzen waren, sein können. Vgl. dazu LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: MdF an Hochbauämter, 14. März 1925. 365 Vgl. dazu Kap. 6.2, S. 207–208.
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zer und dessen Leuten bestehenden privatrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen verzichtet wurde, erscheint umso verwunderlicher, da sie die Grundlage der durch die Regierung im Verfassungsausschuss angekündigten Dotierung der im ritterschaftlichen Gebiet zu konstituierenden Gemeinden bilden sollten.366 1922 erinnerte der Sozialdemokrat Moltmann ein letztes Mal an diesen Vorsatz.367 Für die Guts- bzw. Hofbesitzer erwies sich die Landgemeindeordnung insofern als kostensparend, während die Hintersassen durch die Übertragung bislang der Grundherrschaft obliegender Aufgaben auf die Gemeinde höhere Abgaben zu leisten hatten. Als Hauptsteuerzahler der Gemeinde blieb dem Inhaber des Wirtschaftsbetriebs freilich nach wie vor die größte Summe auferlegt.368 Um eine „stärkere Heranziehung der Gemeindeglieder zu baren Kassenbeiträgen“ zu vermeiden, sah die revidierte Gemeindeordnung von 1869 bekanntlich die Leistung unentgeltlicher Hand- und Spanndienste vor,369 die, wie erwähnt, in die Landgemeindeordnung übernommen wurden, allerdings von den Gemeinden bezahlt werden mussten.370 In der Praxis bedeutete dies für die Kommunen eine „derartige Belastung“,371 dass sie häufig „aus Sparsamkeitsgründen“ auf eine Heranziehung der Einwohner verzichteten und die ihnen übertragenen Aufgaben, insbesondere die I nstandhaltung der Wege, vernachlässigten.372 Um die drohenden Sanktionen zu vermeiden, beschritt „ein großer Teil“ der Landgemeinden den „Weg der Selbsthilfe“ und bewegte die „in Frage kommenden Kreise“ der Hand- und Spanndienstpflichtigen dazu, die Arbeiten „umsonst auf sich“ zu nehmen. 1925 beantragte der Wirtschaftsbund eine entsprechende Änderung der Landgemeindeordnung. Konkret sollte die im § 47 enthaltene Verpflichtung – für die 1920 bekanntlich auch der Dorfbund, die Vorgängerorganisation des Wirtschaftsbunds, eingetreten war – durch eine Kann-Bestimmung ersetzt und den Gemeindevertretungen somit „vollste Freiheit für die Regelung dieser Angelegenheit“
366 Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. auch Kap. 8.2, S. 268–270. 367 Vgl. Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1739. Dort heißt es: „Die Gutsbesitzer sagen heute, die Landgemeindeordnung hat die Armenlast ganz und gar den Gemeinden überwiesen. Eine Auseinandersetzung zwischen diesen armen Leuten und den bisher Verpflichteten hat nicht stattgefunden. Wenn also die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche noch nicht die Auflösung des gemeinsamen Verhältnisses herbeigeführt hat, so hat durch die Schaffung der Landgemeindeordnung auch nicht das vermögensrechtliche Verhältnis des armen Landarbeiters gegenüber dem Gutsbesitzer aufgehört. Auch hier hat eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung stattzufinden.“ Die DNVP stimmte dieser Einschätzung grundsätzlich zu, war über eine solche zu verhandeln allerdings nur bereit, „wenn die Industriellen auch dazu verpflichtet werden“ würden. Dies freilich war aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen schlicht nicht möglich. Für das Zitat vgl. Warnemünde, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1740. 368 Vgl. dazu Kap. 8.3. 369 Bierstedt: Amtsführung, S. 33, § 15. 370 Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 727–766, hier S. 759, § 47. 371 Stier, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1736. 372 Scharenberg: Hand- und Spanndienste.
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eingeräumt werden.373 Für die DNVP indes bedeutete der Antrag eine „Knebelung und Knechtung der Einwohner der Dörfer und ländlichen Gemeinden“. Angesichts der „Teuerung“ sei es, so die Argumentation, nicht zu rechtfertigen, dass die „freien Arbeiter [...] tagelang ohne Entschädigung Dienste für die Gemeinde“ zu leisten hätten; wenigstens den „Ausfall an Lohn“ müssten sie ersetzt bekommen.374 Dieser Ansicht widersprach der Amtshauptmann des Amts Hagenow, Wolfgang Scharenberg, der als Mitglied der DDP 1920 bekanntlich noch für eine Bezahlung der Dienste eingetreten war. Seiner Meinung nach würden die Landarbeiter an den erst nach Beschluss der Gemeindevertretung zu erbringenden „geringen Leistung[en] [...] nicht zu Grunde“ gehen. Problematisch seien, so Scharenberg, ohnehin nur die „vom Gutsbesitzer geleisteten Dienste“, die um ein Vielfaches höher waren und die Gemeindekasse dementsprechend stark belasteten.375 Vernachlässigt wurden hierbei freilich die Dorfgemeinden, in denen es mehrere kleinere Spannviehbesitzer gab. Allgemeingültiger war die Erwiderung Scharenbergs auf das zweite Argument der DNVP, die Unentgeltlichkeit der Hand- und Spanndienste würde die tatsächlichen Ausgaben der Gemeinden verschleiern376 und die Aufsichtsbehörden veranlassen, die Landessteuern zu erhöhen.377 Er empfahl, den „Wert der unentgeltlich geleisteten Dienste [zu] den Gemeindesteuern“ einfach hinzuzurechnen und auf diese Weise sichtbar zu machen.378 Dass die DNVP sich eines solch schwachen Arguments bediente und nicht, wie 1920, die damals ja auch von der DDP eingenommene Position vertrat, die Vergütung der Hand- und Spanndienste schütze die wenigen Spanndienstpflichtigen gegen überzogene Forderungen der Gemeinde, erscheint verwunderlich. Dies gilt umso mehr, als Karl Markwart, Schulze der Gemeinde Güritz bei Grabow und ehemaliger Vorsitzender des Dorfbunds, genau hierauf verwies und durch den Antrag des Wirtschaftsbunds die „Minderheit de[s] gesetzlichen Schutz[es] gegen die Mehrheit“ beraubt sah.379 Sein im „Rostocker Anzeiger“ veröffentlichter Einspruch blieb allerdings der einzig nachweisbare Protest aus den Gemeinden. Die „viele[n] Zuschriften und Anweisungen“, die der DNVP nach Angaben ihres Abgeordneten, dem Pächter des Guts Nedderhagen Carl Warnemünde, „aus dem ganzen Lande“ zugegangen waren,380 sind nicht überliefert. Nachgewiesen werden kann dafür, dass die Mehrheit der Gutsbesitzer und Schulzen des Amts Hagenow die Bezahlung der Hand- und Spanndienste für „sinnlos“ hielt.381 373 Stier, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1736. 374 Warnemünde, in: Ebd., Sp. 1740. 375 Scharenberg, Hand- und Spanndienste. 376 Die DNVP bezeichnete die Hand- und Spanndienste in diesem Zusammenhang auch als „versteckte Steuer“. Schnell, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 52. Sitzung, 16. Mai 1922, Sp. 2094–2095. 377 Vgl. Warnemünde, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1740. 378 Scharenberg, Hand- und Spanndienste. 379 Markwart: Landgemeindeordnung. 380 Warnemünde, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1740. Zur Biographie vgl. Handbuch Landtag, 1920, S. 48. 381 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 938: Amt Hagenow an MdI, 12. Okt. 1922. Für das Zitat vgl. Scharenberg, Hand- und Spanndienste. Ein (öffentlicher) Einspruch gegen die Einschätzung des Amtshauptmanns fand sich nicht.
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Dass der Antrag des Wirtschaftsbunds auf wenig Kritik stieß, lag allerdings nicht nur an der Rechtspraxis, sondern wohl auch darin begründet, dass eben nicht die Unentgeltlichkeit, sondern lediglich die Aufhebung des Zwangs zur Bezahlung gefordert wurde. Obgleich sich im Landtag hierfür bereits eine Mehrheit abzeichnete, suchte der Wirtschaftsbund im Rechtsausschuss auch die DNVP für seinen Antrag zu gewinnen. Den durch Markwart eingebrachten Einwand aufnehmend, sollte die „Verpflichtung zu unentgeltlichen Leistungen von der Gemeindevertretung nur beschlossen“ werden können, wenn sich hierfür „die Mehrheit der Handdienst pflichtigen wie auch die Mehrheit der Spanndienstpflichtigen“ ausspräche. Für den Regierungsvertreter war die Zustimmung, die seiner Meinung nach ein „Wirtschaftsparlament“ neben der Gemeindevertretung etablieren würde, undenkbar.382 Die DNVP, die 1920 erfolglos die Zustimmung der Spanndienstpflichtigen gefordert hatte,383 lehnte diesen Vorschlag ebenfalls ab. Sie forderte stattdessen, den Beschluss der Gemeindeversammlung an eine Zweidrittelmehrheit zu binden. Dieser Antrag scheiterte jedoch ebenso wie der einer nur „teilweise[n] Unentgeltlichkeit“ der Dienste.384 Der Forderung hingegen, den „Prozentsatz des Abschlages“ vom sonst ortsüblichen Preis für Hand- und Spanndienste einheitlich festzulegen,385 wurde zugestimmt. Daraufhin nahmen sowohl der Ausschuss als auch der Landtag die durch den Wirtschaftsbund beantragte Änderung der Landgemeindeordnung an.386 Damit war nicht nur eine Angleichung von Rechtsnorm und Rechtspraxis gelungen, sondern hatte sich auch die bereits bei der Beratung der Landgemeindeordnung seitens der SPD vertretene Position durchgesetzt.387 Eingeführt wurde übrigens auch die Aufnahme des Werts der unentgeltlich geleisteten Hand- und Spanndienste in die Gemeinderechnung. Als dieses Verfahren 1930 auf Anregung der Ministerien des Innern und der Finanzen wieder abgeschafft werden sollte, um zumindest in den Rechnungsbüchern den Haushalt der Kommunen auszugleichen,388 entwickelte sich erneut eine umfängliche Diskussion um die Bezahlung der Dienste, die allerdings zu keiner Änderung der rechtlichen Bestimmungen führte.389 382 Schnell, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 52. Sitzung, 16. Mai 1922, Sp. 2094–2095. 383 Vgl. Tabel, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2656. Vgl. auch Knebusch, in: Ebd., Sp. 2660. 384 Schnell, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 52. Sitzung, 16. Mai 1922, Sp. 2094–2095. 385 Krüger, in: Ebd., Sp. 2098. Für das Zitat vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 71. 386 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 52. Sitzung, 16. Mai 1922, Sp. 2100. 387 Vgl. Gesetz zur Abänderung der Landgemeindeordnung vom 20. Mai 1920. Vom 16. Mai 1922, in: Rbl. Nr. 53, 30. Mai 1922, S. 339–340, hier S. 340, § 1. Sollte den „entsprechenden Gemeindebedürfnissen auf andere Weise nicht genügt“ werden können, d. h. wurden etwa unentgeltlich zu leistende Räumungsarbeiten durch Spanndienstpflichtige verweigert, war der Amtsausschuss allerdings befugt, die Zahlung einer Entschädigung anzuordnen. Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 69, § 47. 388 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/2, Bl. 89: MdF und MdI an Ämter, 21. Jan. 1930. 389 Vgl. Kap. 8.3.3, S. 306–307. Die Einschätzung Burkhardts, nach dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung habe es bis 1945 „zu dem Problem der Hand- und Spanndienste keine wesentlichen Auseinandersetzungen mehr gegeben“, ist insofern nicht ganz zutreffend. Vgl. Burkhardt: Feudalreste, S. 109.
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Die grundsätzlichen Probleme, die sich aus der Beibehaltung der ehemals feudalen Leistungen ergaben, konnte freilich auch die Tatsache, dass der Gemeindeversammlung die Entscheidung zur Vergütung der Hand- und Spanndienste oblag, nicht lösen. So bestand nach wie vor ein Dissens zwischen der Verpflichtung zur Instandhaltung der Infrastruktur einerseits und der Nutzung von Früchten und Holz der die Wege säumenden Bäume oder des „Graswuchs[es] an den Grabenböschungen“ andererseits. Die genannten Rohstoffe gehörten nach wie vor dem Eigentümer, d. h. den Guts- bzw. Hofbesitzern oder staatlichen Stellen, wie etwa dem Forstamt.390 Dass dies mitunter zu einer Vernachlässigung der Pflichten führen konnte, zeigt u. a. die 1924 durch den leitenden Beamten der Landdrostei Doberan, Hermann von Oertzen, beim Ministerium des Innern eingereichte Klage, nach der die Gemeindevorstände seines Bezirkes bei der Aufgabe für die „ordnungsmässige Räumung der Wasserläufe zu sorgen [...] fast völlig versagt“ hatten. Von Oertzen bezweifelte, dass sich „ein auf Zeit gewählter Kommunalbeamter [...] hier genügend durchsetzen“ könne391 und kritisierte, dass die Landdrostei nicht berechtigt sei, „gegen die einzelnen räumungspflichtigen Personen [...] direkt vor[zu]gehen“.392 Eine weitere Ursache lag in der für die Leistung der Dienste aufzubringenden Zeit, waren die in der Landwirtschaft tätigen Pflichtigen doch vor allem während der Aussaat oder Ernte nicht abkömmlich. Der 1923 während der in den Städten herrschenden großen Arbeits losigkeit durch den Bürgermeister der Stadt Wittenburg, Heinrich Sievers, eingebrachte Vorschlag, Erwerbslose zu Arbeitsleistungen vor allem im Bereich der Wegebesserung zu verpflichten,393 wurde durch die Politik jedoch nicht diskutiert. Mittel der sogenannten „produktiven Erwerbslosenfürsorge“ standen erst 1927 und dann auch nur für den Neubau von Chausseen zur Verfügung.394 Neben den beschriebenen Problemen kam es auch zu den u. a. durch Markwart vorhergesehenen Konflikten zwischen den Pflichtigen und den von Hand- und Spanndiensten befreiten Personen. So klagten etwa 1924 die Hofbesitzer der Gemeinde Garwitz im Amt Neustadt gegen die alleinige Heranziehung zu den Spanndiensten, während die Büdner, die ebenfalls Spannvieh besaßen, von diesen ausgenommen waren.395 Während sowohl der Amtsausschuss als auch der Landesverwaltungsrat den Beschluss der Gemeindevertretung billigten, hob das Landesverwal390 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Knebusch, 15. Aug. 1921; ebd.: MdI an MfL, 13. Aug. 1921; ebd.: MfL an Forstamt Dobbertin, 4. Jan. 1922. 391 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Landdrostei Doberan an MdI, 24. Jan. 1924. 392 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Landdrostei Grevesmühlen, 25. Okt. 1923. 393 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 946: Bürgermeister Stadt Wittenburg an Amt Hagenow, 12. Nov. 1923. 394 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5260: Amt Hagenow an Landesverwaltungsrat, 15. Aug. 1922. Durch ein „Darlehn in Höhe des 5 fachen der ersparten Erwerbslosenfürsorge“ wurde etwa der Bau der Nebenchaussee von Parchim über Damm-Matzlow nach Garwitz gefördert. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6502: Verpflichtungserklärung StM, Abt. Sozialpolitik, 13. April 1927. Das Programm scheint später jedoch wieder eingestellt worden zu sein. Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5269: Amt Hagenow an Staecker, 10. Nov. 1942. 395 In der Gemeinde gab es elf Hofbesitzer, 14 Büdner und 59 Häusler. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 131.
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tungsgericht die entsprechende Ortssatzung auf.396 Für den Amtshauptmann des Amts Boizenburg, Robert Wohlers, handelte es sich bei der Entscheidung, die 1925 nochmals bestätigt wurde, um ein „Fehlurteil“. So war zum einen aus juristischer Sicht die Frage, ob das Landesverwaltungsgericht als Rechtsinstanz über oder unter dem Landesverwaltungsrat stand oder ob „beide Instanzen gleichgeordnet nebeneinander“ wirkten, nicht eindeutig geklärt und damit die Gültigkeit des Spruchs durchaus strittig.397 Zum anderen übte Wohlers Kritik daran, dass, anders als in der revidierten Gemeindeordnung von 1869, die Spanndienste nicht „nach der Fuhrkraft des Grundstückes“ geleistet werden mussten, sondern nur noch an das „Vorhandensein von Spannvieh“ gebunden waren. Dies verletzte, so Wohlers, nicht nur den § 15 des Finanzausgleichsgesetzes, wonach die Besteuerung der Viehhaltung unzulässig war, sondern erschien „gerade in der heutigen Zeit, wo leistungsfähige Betriebe immer mehr bestrebt sind, im größtmöglichen Umfange die Spannviehkraft durch Motorkraft zu ersetzen“, schlicht ungerecht. Seiner Meinung nach müsste der „Grundbesitz als Vermessungsgrundlage und Maßstab der Fuhrkraft der einzelnen Steuerpflichtigen“ dienen und nicht die Anzahl des Spannviehs. Die hier durchscheinende, bereits im Verfassungsausschuss diskutierte Frage, ob sich Demokratie durch die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes oder die Verpflichtung zu sozialer Verantwortung auszeichnet, wurde allerdings nicht thematisiert. Die Hand- und Spanndienste scheinen sich trotz der Nachteile als geeignetes Mittel zur Durchführung gemeindlicher Aufgaben erwiesen zu haben. Möglicherweise lag dies aber auch nur daran, weil es entsprechende Dienstleister, die die Grünpflege, die Straßenunterhaltung, den Winterdienst oder Hausmeister- und Reinigungstätigkeiten übernahmen, nicht gab bzw. ihre dauerhafte Anstellung zu teuer gewesen wäre. Die Einrichtung der Hand- und Spanndienste bestand als mecklenburgische Besonderheit bis zum 21. November 1950.398
396 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 986, Bl. 89–94: Urteil, 25. April 1924. 397 Wohlers: Fehlurteil betr. Spanndienstpflicht. In der Theorie war eine Klage vor beiden Instanzen nicht vorgesehen; die Beschwerdeführer sollten vielmehr die Wahl haben. Der von der DDP im Verfassungsausschuss gestellte Antrag, neben einer Beschwerde beim Landesverwaltungsrat auch ein Verwaltungsstreitverfahren zuzulassen, war aufgrund der seitens des Regierungsvertreters geäußerten Bedenken wieder zurückgezogen worden. Vgl. 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. dazu auch Dieckmann: Verwaltungsrecht, S. 586. 398 Zur Ausformung der Dienste und ihrer Abschaffung nach 1945 vgl. Burkhardt: Feudalreste, S. 109–112.
7. Die Deutsche Gemeindeordnung Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde, dem Prinzip der legalen Revolution folgend, zunächst keine neue Verfassungs- und Verwaltungsstruktur beschlossen.1 Neben offenem Terror suchte sich das neue Regime sowohl durch die Einschränkung von Grundrechten2 als auch durch die bereits erwähnte Auflösung und Neubesetzung der Länder- und Kommunalparlamente3 sowie den Austausch der Beamten, denen man unterstellte, dass sie aus politischen oder rassischen Gründen „nicht rückhaltlos für den nationalen Staat“ eintreten würden,4 zu etablieren. Mit diesen Maßnahmen schuf die NSDAP zugleich die rechtliche Grundlage für die Gleichschaltung und Zentralisierung der staatlichen Verwaltung im Sinne des Führerprinzips.5 In Mecklenburg-Schwerin, wo die NSDAP seit dem 13. Juli 1932 die Regierung stellte, wurden die durch das Reich getroffenen Bestimmungen begrüßt und lösten eine Reihe eigener, noch weitergehender Reformen aus, die die gemeindliche Selbstverwaltung einschränkten. Erinnert sei hier an die Reduzierung der Mandate zu den Kommunalparlamenten, das Verbot der Direktwahl von Bürgermeistern und Schulzen sowie die Verpflichtung der Kommunen, ihren gewählten Vorstand durch den Staat bestätigen zu lassen.6 Eine Stärkung der Stellung gegenüber der Gemeindebzw. Stadtverordnetenversammlung war mit der letztgenannten Bestimmung allerdings nicht verbunden. Im Gegenteil, das den Kommunalparlamenten genommene Recht, Steuersatzungen zu erlassen, wurde weder dem Schulzen noch dem Bürgermeister, sondern dem Amtshauptmann bzw. dem Ministerium des Innern über tragen.7 Mit dieser Entscheidung griff Mecklenburg-Schwerin der preußischen Regierung vor, die sich wenig später gegen die Einführung der rheinischen Bürgermeisterverfassung aussprach. Einen hauptamtlich tätigen, mit weitreichenden Kom1 Zum Begriff vgl. etwa Hildebrand: Dritte Reich, S. 26. Vgl. auch Scriba: Legale Revolution. 2 Vgl. Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Vom 28. Februar 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 17, 28. Feb. 1933, S. 83. 3 Vgl. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 29, 2. April 1933, S. 153–154. Die Legislatur der neuen Parlamente war bekanntlich zunächst auf vier Jahre beschränkt. Im Februar 1937, einen Monat, bevor die Legislatur der nach dem Gleichschaltungsgesetz neu gebildeten gemeindlichen Vertretungskörper endete, wurden die Aufsichtsbehörden angewiesen, die Amtsdauer der ernannten Mitglieder „über diesen Zeitpunkt hinaus zu verlängern“. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 139: RMdI an Landesregierungen, 23. Feb. 1937. Wenig später wurde die Legislatur durch Reichsgesetz „bis auf weiteres verlängert“. Gesetz über die Amtszeit der gemeindlichen Selbstverwaltungskörper, in: RGBl. T. 1, Nr. 30, 10. März 1937, S. 282. 4 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vom 7. April 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 34, 7. April 1933, S. 175–177, hier S. 175, § 4. Vgl. dazu Kap. 9.5, S. 348–349. 5 Vgl. dazu etwa Raithel und Strenge: Reichstagsbrandverordnung. 6 Vgl. Gesetz zur Behebung von Mißständen in der gemeindlichen Verwaltung. Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 150–152, hier S. 151, §§ 6–7. 7 Vgl. Gesetz des Staatsministeriums über Steuersatzungen der Gemeinden (Gemeindeverbände). Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 152. Vgl. auch Kap. 8.3.4.
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petenzen ausgestatteten Gemeindevorsteher vorsehend, sei sie in der „augenblick liche[n] Zeit [...] besonders [...] für agrarische Gemeinden [...] nicht sparsam genug“. Stattdessen wollte man, wie bereits in Mecklenburg-Schwerin üblich, „vor allem ehrenamtliche Bürgermeister“ einsetzen.8 Im Juni 1933 führte das dortige Staatsministerium eine weitere Reform durch, die die Verwaltung „leistungsfähig“ machen und auf die „großen Aufgaben“, die ihr „der nationalsozialistische Staat“ stellen werde – gemeint waren insbesondere Siedlungsund Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen –, vorbereiten sollte. In erster Linie ging es darum, den „ordentlichen öffentlichen Bedarf auf ein Mindestmaß zu beschränken“. Um dies zu erreichen, wurden den Ämtern die Aufgaben und damit auch die Kosten der „unteren [...] staatlichen Verwaltungsbehörden“ übertragen, was wiederum zu einer starken finanziellen Belastung der Landgemeinden führte.9 Deren Handlungsspielraum und Gestaltungsmöglichkeiten erheblich einschränkend, bedeutete dies die Reduktion kommunaler Selbstverwaltung auf die Ausführung administrativer Bestimmungen. Mehr noch, durch die beschriebene quasi staatliche Besetzung der kommunalen Parlamente und Vorstände kann bereits zu diesem Zeitpunkt von einer Zentralisierung der Landesverwaltung Mecklenburg-Schwerins gesprochen werden. 1934, mit dem Beitritt von Mecklenburg-Strelitz, wurde dieses System der Verwaltung auf ganz Mecklenburg ausgedehnt.10 Nur wenige Monate später, im April des gleichen Jahres, regelte das Staatsministerium den Landesfinanzausgleich neu.11 Von einem weiteren Umbau der Kommunalverwaltung allerdings wurde abgesehen. Verantwortlich dafür war das durch das Reichsministerium des Innern angekündigte Gesetz zur Schaffung einer Gemeindeordnung für das gesamte Deutsche Reich, dessen auf dem preußischen Gemeindeverfassungsgesetz vom Dezember 1933 basierenden Entwurf die Regierung „in den grundsätzlichen Fragen“ bereits im März 1934 zugestimmt hatte.12 Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung Ende Januar 1935 wurde der in der Weimarer Verfassung verankerte Grundsatz, die Kommunalverfassung der Länder parlamentarisch zu organisieren,13 aufgehoben und durch eine einheitliche, 8 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 99: Tischbein an Waechter, 8. Mai 1933. 9 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. Für die gesetzlichen Bestimmungen vgl. Gesetz des Staatsministeriums zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung. Vom 27. Juni 1933, in: Rbl. Nr. 39, 28. Juni 1933, S. 209–210; Zweites Gesetz des Staatsministeriums zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung. Vom 24. August 1933, in: Rbl. Nr. 50, 1. Sept. 1933, S. 243; Drittes Gesetz des Staatsministeriums zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung. Vom 7. Dezember 1933, in: Rbl. Nr. 70, 19. Dez. 1933, S. 337. Zur Übertragung der Kosten vgl. auch Bekanntmachung vom 12. September 1934 über die von den Kreisen zu tragenden Kosten der Versorgung des Personals der landrätlichen Verwaltung, in: Rbl. Nr. 54, 20. Sept. 1934, S. 317. 10 Vgl. Erste Bekanntmachung vom 25. Januar 1934 über die Vereinigung von MecklenburgStrelitz mit Mecklenburg-Schwerin, in: Rbl. Nr. 8, 29. Jan. 1934, S. 33–39, hier S. 33–34. 11 Vgl. Kap. 8.3.4, S. 316. 12 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 26: MdI an RMdI, 9. April 1934. Für den Entwurf der Gemeindeordnung vgl. ebd., Bl. 4–23: Anlage zu RMdI an Landesregierungen, 28. März 1934. 13 Vgl. Die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 11. August 1919, in: RGBl. T. 1, Nr. 152, 14. Aug. 1919, S. 1383–1481, hier S. 1387, Art. 17, Abs. 2.
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sich am zentralistischen Führerprinzip orientierende Gemeindeordnung ersetzt.14 Aus Sicht des Leiters der Kommunalabteilung im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern, Friedrich-Karl Surén, war damit die „organisatorisch und finanziell zerrüttete Selbstverwaltung der Gemeinden in Ordnung“ gebracht und zugleich den „nationalsozialistischen Verfassungs- und Verwaltungsgrundsätzen“ angepasst worden.15 Statt einer Wahl sah die Deutsche Gemeindeordnung die Berufung sämtlicher Kommunalvertreter durch die zuständigen Aufsichtsbehörden von Partei und Staat vor.16 Dem Bürgermeister als „Führer der Gemeinde“17 übertrug sie die Ausübung sämtlicher, der Kommune zugewiesenen Aufgaben. Die sonstigen Mitglieder der Gremien, die sogenannten „Gemeinderäte“, hingegen hatten lediglich eine „dauernde Fühlung der Verwaltung der Gemeinde mit allen Schichten der Bürgerschaft zu sichern“ und „in der Bevölkerung Verständnis“ für die Maßnahmen des Bürgermeisters zu erzeugen.18 Anders als etwa im Rheinland19 war in Mecklenburg aufgrund der beschriebenen Reformen keine umfängliche Neuordnung der politisch-administrativen Struktur erforderlich.20 In einigen Fällen unterblieb sie gar ganz bewusst. Auf die bislang ge14 Vgl. Deutsche Gemeindeordnung, 30. Jan. 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1933, S. 49– 62. Für die Ausführungsbestimmungen Mecklenburgs vgl. Mecklenburgische Überleitungsverordnung zur Deutschen Gemeindeordnung. Vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 49–50; Verordnung zur Deutschen Gemeindeordnung vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 16, 6. April 1935, S. 53–54; Bekanntmachung vom 1. April 1935 zur Deutschen Gemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 17, 9. April 1935, S. 57–96. 15 Surén: Gemeindeordnung. Vgl. dazu auch Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, 30. Jan. 1935. In der dort abgedruckten Begründung der Deutschen Gemeindeordnung heißt es, den Grundgedanken nationalsozialistischer Verfassungs- und Verwaltungsreformen verdeutlichend: „Selbstverwaltung ist nicht an starre Formen und Begriffe gebunden. Sie erhält ihr Gepräge von den Grundgedanken, auf denen der Staat selbst beruht.“ 16 Vgl. Deutsche Gemeindeordnung, 30. Jan. 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1933, S. 49– 62, hier S. 53, § 33 und S. 55, § 51, Abs. 1. 17 Bekanntmachung vom 1. April 1935 zur Deutschen Gemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 17, 9. April 1935, S. 57–96, hier S. 69. Vgl. auch Erste Anweisung zur Ausführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 22. März 1935, in: RMBliV, 1935, Nr. 14, S. 416–490. 18 Deutsche Gemeindeordnung, 30. Jan. 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1933, S. 49–62, hier S. 55, § 48, Abs. 1. 19 Vgl. Arend: Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen, S. 19–20. Eine Gesamtdarstellung zur Deutschen Gemeindeordnung fehlt bislang. Einblicke gewähren lediglich die wenigen Arbeiten zur Kommunalverwaltung einzelner Territorien. Vgl. dazu etwa Bei der Wieden und Lokers, Selbstverwaltung im Landkreis Stade. Darauf, dass es allerdings länderspezifische Unterschiede bei der Einführung gab, verwies bereits Kurt Jeserich, der von 1933 bis 1939 Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Berlin und Geschäftsführender Präsident des Deutschen Gemeindetags war. Vgl. Jeserich: Landkreisreform, S. XII–XIII. Zur Biographie vgl. Neuhaus: Jeserich. 20 Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 174–178: Entwurf Bekanntmachung, betr. die Durchführung der Deutschen Gemeindeordnung. Dort heißt es: Es „verbleibt [...] bis auf weiteres bei den bisherigen Vorschriften mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rates bzw. Gemeindevorstandes der Bürgermeister (Schulze) tritt, und der Bürgermeister (Schulze) nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde die Geschäfte der Ortspolizei einem Beigeordneten übertragen darf.“ In den Städten wurde das Bürgermeisteramt zudem mit dem des Vorsitzenden des dortigen Verwaltungsgerichts gekoppelt. Dies galt allerdings nur, wenn der Bürgermeister zum Richteramt befähigt war, anderenfalls hatte er eine entsprechend qualifizierte Person zu ernennen. Vor dem
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meindlich nicht verfassten Bezirke der Landesanstalten Dreibergen, Gehlsheim und Sachsenberg etwa fand die Deutsche Gemeindeordnung keine Anwendung.21 Unberührt blieb, obwohl es, so das Reichsgesetz, „schlechthin nur noch Stadt- und Landgemeinden“ geben sollte,22 auch der Status der Fleckengemeinden.23 In den folgenden Jahren allerdings wurden die rechtlichen Bestimmungen – etwa auf dem Gebiet des Finanzausgleichs oder hinsichtlich der Stellung des Obervorstehers24 – immer mehr an die der kreisangehörigen Städte angeglichen. Im November 1937 schließlich ordnete die Abteilung Inneres beim Staatsministerium an, den Fleckengemeinden zum 1. April 1938 das Stadtrecht zu verleihen.25 Grundsätzliche Bedenken gegen die Erhebung äußerte lediglich der Landrat des Kreises Hagenow, Hermann Busch, der sich „mit Rücksicht auf die geringe Einwohnerzahl bei der Gemeinde Zarrentin“ eine Ausnahme wünschte. Da jedoch „die Fleckengemeinden als solche“ aufzulösen waren, hielt wenig später auch er die „Verleihung des Stadtrechts für angebracht“.26 Eine Änderung freilich erfuhr damit nur die Stellung des Obervorstehers, dem die Befugnisse der Ortspolizeibehörde, die in Teilen bereits übernommen worden waren, offiziell aber noch dem Landrat oblagen, übertragen wurden.27 Ausgenommen bleiben sollten allerdings die Bauaufsicht, Vermessungsangelegenheiten und die zur freiwilligen Gerichtsbarkeit zählenden Geschäfte in Grundbuch-, Vormundschafts- und Nachlasssachen; eine Entscheidung, die von den Fleckengemeinden direkt gewünscht Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung waren in Mecklenburg-Schwerin die Mitglieder der in jedem Landkreis und in jeder Stadt bestehenden Verwaltungsgerichte „durch den Kreisausschuß bezw. Rat der Stadt auf Zeit gewählt“. Ebd., Bl. 483: Aktennotiz Waechter, 8. Okt. 1935. 21 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 174–178: Entwurf Bekanntmachung, betr. die Durchführung der Deutschen Gemeindeordnung, ca. März 1935. Vgl. auch ebd.: Bericht zur Deutschen Gemeindeordnung, 14. Feb. 1935, Bl. 62–112; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 53, 167 und S. 213. Darüber hinaus gab es bis 1940 noch einige weitere „gemeindefreie Grundstücke“, bei denen es sich jedoch zumeist nur um Anteile an Gewässern handelte. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 132: Landesvermessungsamt an StM, Abt. Inneres, 3. Feb. 1939. Vgl. ebd., Bl. 143: Kreis Hagenow an MdI, 8. Jan. 1940; ebd., Bl. 148: Kreis Malchin an MdI, 25. Mai 1939; ebd., Bl. 150: Kreis Waren an MdI, 18. April 1939. 22 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 219: Kreis Hagenow an MdI, 31. Dez. 1937. 23 Zu deren Forderungen bzw. der zwischen 1918 und 1921 geführten Diskussion, ihnen das Stadtrecht zu verleihen, vgl. Kap. 6.2, S. 199–200. 24 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 62–112: Bericht zur Deutschen Gemeindeordnung, 14. Feb. 1935. 25 Vgl. ebd., Bl. 214: MdI, 2. Nov. 1937. 26 Ebd., Bl. 219: Kreis Hagenow an MdI, 31. Dez. 1937. 27 Vgl. ebd., Bl. 214: MdI, 2. Nov. 1937. Bereits 1931 waren die Gemeindevorstände der Fleckengemeinden bevollmächtigt worden, „alle ihnen geeignet erscheinenden Schritte zu unternehmen, um ihre Zuständigkeit bezw. diejenige der Ortsvorsteher in Polizeisachen dahin zu erweitern, dass sie die gleiche Zuständigkeit besitzen, wie die Räte der Städte“. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 202: Gemeindevorstand Dargun an MdI, 21. Dez. 1931. Zur Diskussion um die Übertragung der Aufgaben der Ortspolizeibehörde vgl. ebd., Bl. 208–320: Decker, Hans: Die polizeiliche Zuständigkeit der Gemeindevorstände und Obervorsteher in Mecklenburg-Schwerin, 1934; ebd., Bl. 349–350: Wulff: Die Zuständigkeit zum Erlass polizeilicher Strafverfügungen auf dem Gebiet der Bau-, Feuer-, Gewerbe- und Gesundheitspolizei in den Gemeinden Dargun, Lübtheen, Neukloster und Zarrentin, 9. Feb. 1934.
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bzw. durch sie begrüßt worden war.28 Den Grund dafür lässt ein Schreiben des Ortsvorstands der Fleckengemeinde Klütz erkennen, die bereit war, auch diese Aufgaben zu übernehmen, „falls ihr ein völlig in Ordnung befindliches Grundbuchamt übergeben“ werden würde. Ferner wünschte man, „die gesamten Ländereien, die sich in sogenannter Erbpacht des Fleckens Klütz befinden“, als Dotation zu erhalten, die Gemeinde Arpshagen mit ihrer Ortschaft „Hofzumfelde“ nach Klütz einzugemeinden und ihr den Kanon, „der auf fast sämtlichen Klützer Grundstücken ruht“, zuzuweisen. Für die Abteilung Inneres beim Staatsministerium kam dies jedoch „nicht in Frage“.29 Damit blieb die Verleihung des Stadtrechts, das zudem den Ostseebädern Alt Gaarz und Brunshaupten-Arendsee, nun als Rerik bzw. Kühlungsborn bezeichnet, erteilt worden war, im wesentlichen, so wie es auch der entsprechende Erlass des Reichsstatthalters im Regierungsblatt formulierte, auf eine „Änderung der Bezeichnung“ beschränkt.30 Von einer tatsächlichen Neuordnung betroffen waren hingegen die bekanntlich noch in Mecklenburg-Strelitz bestehenden Gutsbezirke. Aus den insgesamt 46 Gütern31 wurden, den am 7. Dezember 1918 durch die mecklenburg-schwerinsche Volksregierung ausgegebenen Grundsätzen der Kommunalgebietsreform folgend, Gemeinden gebildet.32 Tatsächlich gelang es lediglich 18 Gutsbezirke auch territorial aufzulösen; in allen anderen Fällen wurde der Guts- zum Gemeindebezirk erklärt.33 Die Umgestaltung der politisch-administrativen Verhältnisse, die u. a. eine Voraussetzung für die Übertragung der Schulverwaltung war,34 zog sich bis 1939 hin.35 Noch 1938 wurde durch das Reich eine Bestimmung erlassen, die die Aufrechterhaltung von Gutsbezirken ermöglichte, d. h. Verwaltungseinheiten zuließ, in denen der „Gutsbesitzer die öffentlichen Aufgaben, die im Gemeindegebiet der Gemeinde obliegen“, zu erfüllen und die dadurch „entstehenden Kosten einschließlich der Um lagen der Gutsbezirke gegenüber den Gemeindeverbänden, Zweckverbänden usw.“ zu tragen hat. Im Gegenzug standen ihm, nach Abzug der Verwaltungskosten, die im Gutsbezirk aufkommenden Einnahmen aus Steuern und Gebühren zu. Die politi28 Vgl. etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 219: Kreis Hagenow an MdI, 31. Dez. 1937; ebd., Bl. 222: Kreis Schönberg an MdI, 21. Jan. 1938. 29 Ebd., Bl. 233: StM, Abt. LW u. D an StM, Abt. Inneres, 19. März 1938. 30 Bekanntmachung vom 13. April 1938 über Änderung von Bezeichnungen und Namen von Gemeinden, in: Rbl. Nr. 19, 21. April 1938, S. 108. Für den Entwurf vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 89: Erlass des Reichsstatthalters betr. Änderung der Bezeichnung und Namen von Gemeinden, 13. April 1938. 31 Hierunter sind sowohl die einen eigenständigen Bezirk bildenden 36 Güter als auch die ebenfalls eine eigene Verwaltungseinheit darstellenden zehn Forstgüter gefasst. Mit Ausnahme von sechs Gutsbezirken befanden sich alle im Kreis Stargard. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 62– 112: Bericht zur Deutschen Gemeindeordnung, 14. Feb. 1935. 32 Vgl. ebd., Bl. 174–178: Bekanntmachung, betr. die Durchführung der Deutschen Gemeindeordnung, ca. März 1935 (Entwurf ) 33 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 92–105: „Verzeichnisse über den Zusammenschluss von Gemeinden seit Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung bis zum 1. Oktober 1937“; ebd., Bl. 106–119: „Verzeichnisse über den Zusammenschluss von Gemeinden seit Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung bis zum Januar 1939“. 34 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 65: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. Unterricht, 24. April 1936. 35 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 132: Landesvermessungsamt an StM, Abt. Inneres, 3. Feb. 1939.
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sche Leitung hingegen oblag ihm nur, wenn er „auf Vorschlag des Beauftragten der NSDAP von derjenigen Aufsichtsbehörde ernannt“ worden war, die „die zuständige Landesbehörde“ hierzu bestimmt hatte. Gleichzeitig war damit die Möglichkeit einer jederzeitigen Abberufung geschaffen worden.36 Eine Neugestaltung erfuhren neben den Gutsbezirken auch die Ortschaften der mecklenburgischen Enklaven in Preußen,37 die „zu Landgemeinden im Sinne der deutschen Gemeindeordnung“ erklärt wurden.38 Den Vorschlag des Landrats des Kreises Waren, Ernst Mulert, sie darüber hinaus unter Aufhebung der „bisherigen Vorschriften über die Verwaltung der Ortschaften“ und der sich daraus ergebenden „Rechte und Pflichten der Ortsansässigen“ dem Kreis Waren zu unterstellen,39 lehnte das Staatsministerium ab. In der Begründung wurde zum einen darauf verwiesen, dass die Bewohner der vom Kreis „weit ab“ gelegenen Ortschaften „zu den beträchtlichen Kreislasten“ würden beitragen müssen, „ohne die Vorteile der Kreiseinrichtungen geniessen zu können“, zum anderen habe man in den Enklaven – wenngleich „seit 1919 wiederholt, besonders von einem Teile der Einwohnerschaft des Dorfes Rossow die kommunale Angliederung an Mecklenburg gefordert“ worden war – „stets ein von Mecklenburg gesondertes Eigenleben geführt“. Das Staatsministerium selbst befürwortete einen Gebietsaustausch bzw. einen Verkauf und führte bis 1934 entsprechende Verhandlungen mit Preußen.40 Diese blieben jedoch ergebnislos. Die Enklaven behielten ihren Sonderstatus und wurden keinem übergeordneten Kommunalverband unterstellt.41 Die Frage, ob die Deutsche Gemeindeordnung zum Anlass einer grundlegenden Umgestaltung nicht nur im „Aufbau“, sondern auch in der „Gliederung der Land gemeinden“ genommen werden sollte, war bereits 1933, im Rahmen der „Vorarbeiten“ zur mecklenburg-schwerinschen Verwaltungsreform, „eingehend [...] erörtert“ und abschlägig beantwortet worden. Damit hatte man sich u. a. gegen den „Weg Oldenburgs [...], die zahlreichen kleinen Landgemeinden zu einer verhältnismäßig kleinen Anzahl Gemeinden mit größerer Gebietsfläche und Einwohnerzahl zusammenzufassen“, entschieden. Ausschlaggebend war, dass „Großgemeinden nach oldenburgischem Vorbild“, so die Berechnung der Abteilung Inneres, statt zu einer „Verbilligung“ zu einer „bedeutende[n] Verteuerung der öffentlichen Verwaltung“ führen würden. Im Kreis Wismar etwa, in dem es 200 Landgemeinden gab, betrugen die Personal- und Sachkosten der Kommunalverwaltung bislang insgesamt 28.300 Reichsmark. Durch die Bildung von sieben Großgemeinden, bestehend aus 36 Verordnung über gemeindefreie Grundstücke und Gutsbezirke, 15. Nov. 1938, in: RGBl. T. 1, Nr. 195, 21. Nov. 1938, S. 1631–1632, hier S. 1631, § 3. 37 Von preußischen Gebieten umschlossen waren die Güter Netzeband und Schönberg mit den Pertinenzen Dosskrug, Dovensee, Drusedow und Grüneberg sowie Dorf und Hof Rossow. Vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 140 und S. 167. 38 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 61: Kreis Waren an StM, Abt. Inneres, 8. Feb. 1935. Vgl. Bekanntmachung vom 30. März 1935 über Neubildung von Landgemeinden, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 51; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 228–229. 39 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 61: Kreis Waren an StM, Abt. Inneres, 8. Feb. 1935. 40 Ebd., Bl. 62–112: Bericht zur Deutschen Gemeindeordnung, 14. Feb. 1935. 41 Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 228–229.
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je 30 Dörfern mit ca. 5.000 Einwohnern, hingegen würden sie, u. a. durch die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges, die Anstellung von Gemeindedienern und Bezirksvorstehern sowie das Gehalt des notwendigerweise hauptamtlichen Bürgermeisters, auf ca. 84.000 Reichsmark ansteigen.42 Hinzu kamen Befürchtungen vor einem „Expansionsbedürfnis der Großgemeinde“, die sich „letzten Endes zu einem Zwischenglied zwischen Kreis und Gemeinde nach Art der Landbürgermeistereien und Ämter Westfalens oder des Rheinlands“ entwickeln und damit zu einem „Gegenstand dauernder Reibung zwischen beiden Verwaltungsträgern“ werden würde.43 Hierin widerspiegeln sich anscheinend auch die Erfahrungen mit der die mittlere Landesverwaltung Mecklenburg-Schwerins von 1921 bis 1928 prägenden Duplizität. Einerseits hatte man versucht Ämter als Organe der Selbstverwaltung aufzubauen, andererseits die früheren Domanialämter zu Behörden, den sogenannten Landdrosteien aus gebaut, die alle staatlichen Aufgaben auf kommunaler Ebene wahrnehmen sollten. Tatsächlich war eine solche Trennung oft gar nicht möglich, sondern provozierte eine ganze Reihe von Kompetenzstreitigkeiten, die nicht selten Anlass zu persönlich geführten Auseinandersetzungen gab.44 Insofern erscheint es nur allzu verständlich, dass das Staatsministerium die Bildung von Großgemeinden als „überflüssig und unzweckmäßig“ ablehnte. Argumentiert wurde allerdings auch mit dem „Heimatgefühl“, das als „eine der stärksten Lebensquellen der Landgemeinde“ bezeichnet wurde und im Falle einer Zusammenlegung verloren gehen würde. Gegen die Durchführung einer administrativ geplanten Neuordnung sprach schließlich auch die forcierte Siedlungstätigkeit, die „in steigendem Maße bisherige Gutsgemeinden in Bauern dörfer“ umwandelte und damit nicht nur die „soziale und wirtschaftliche Gliederung der [...] Bevölkerung“, sondern auch die kommunale Struktur Mecklenburgs „erheblich“ veränderte. Aus diesem Grund sollte eine Reform erst dann erfolgen, „wenn das neue Bild Mecklenburgs und seiner Landgemeinden klar“ hervorgetreten sei.45 Mit der Entscheidung, von einer kommunalen Gebietsreform abzusehen, befand sich das Mecklenburgische Staatsministerium im Einklang mit der Reichsregierung, die im Mai 1935 jegliche „Vorbereitungen für eine allgemeine territoriale Kommunalreform“ beendete und damit den in der Präambel der Deutschen Gemeindeordnung angekündigten „Neubau des Reiches“ solange, „bis über das weitere Vorgehen größere Klarheit“ gewonnen sei, aufschob.46 Unter den Landräten stieß der Beschluss auf Kritik. Bereits im September 1935 wies etwa der Landrat des Kreises Wismar, 42 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. Eine gegenteilige Auffassung vertrat der westfälische Landrat von Borries aus Herford. Er sah durch den Abbau von Gemeindebüros Einsparungen voraus. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654: Borries, von: Die Rheinisch-Westfälische Amtsverfassung und ihre finanziellen Auswirkungen auf den Verwaltungsaufwand der Gemeinden, in: Preußische Gemeinde-Zeitung (Sonderdruck). 43 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. 44 Eine Untersuchung zur mittleren Verwaltungsebene Mecklenburg-Schwerins steht noch aus. Die obige Einschätzung beruht auf Erkenntnissen, die im Rahmen einer vorbereitenden Recherche gewonnen wurden. 45 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. 46 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 296: Reichs- und Preußisches Ministerium des Innern an Landesregierungen, 4. Mai 1935.
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Walter Schumann, darauf hin, dass durch „die bevorstehende Einführung der Hauptsatzungen“, deren Ausarbeitung ebenso wie die „Berufung der Gemeinderäte“ seiner Behörde oblag, „die Frage der Zusammenlegung von Hof- und Dorfgemeinden, die räumlich eng beieinanderliegen, und der Aufhebung von Kleinstgemeinden dringend geworden“ sei.47 Im Interesse einer „große[n] Arbeitsersparnis“ schlug wenig später auch der Landrat des Kreises Parchim, Friedrich Roschlaub, dem Ministerium vor, 35 Gemeinden, „die fast alle nicht über 100 Seelen groß“ waren, „ja teilweise sogar nur 50 Seelen“, aufzulösen. Hinzu käme, dass es durch den Zusammenschluss kleinerer Gemeinden „eher möglich“ sei, die notwendige „Anzahl zuverlässiger Gemeindevertreter und Beigeordneter zusammenzubekommen“. Die durch Roschlaub angeregte Besprechung des Vorschlags, an der nicht nur der Kreisleiter der NSDAP, sondern, dem Grundsatz der mecklenburg-schwerinschen Kommunalgebietsreform von 1918/21 folgend, auch die betroffenen Gemeindevertreter teilnehmen sollten,48 scheint jedoch nicht stattgefunden zu haben. Eine Änderung der gemeindlichen Einteilung des Kreises unterblieb ebenfalls. Im Kreis Wismar hingegen lassen sich, ebenso wie infolge der Auflösung der Gutsbezirke im Kreis Stargard, Gemeindefusionen nachweisen. Generell allerdings blieb es bei der bestehenden kommunalen Einteilung des Landes.49 Im Januar 1939 erließ das Reichsministerium des Innern Richtlinien zur „Hebung der Verwaltungskraft“ der Landgemeinden, auf deren Grundlage „für jeden Landkreis ein Plan“ entwickelt werden sollte, der die „notwendigen Maßnahmen“ enthielt, um „die Einteilung und Verwaltung der kreisangehörigen Gemeinden auf weite Sicht so zu ordnen, daß die Gemeinden [...] unbedingt in der Lage sind, den ihnen zukommenden Aufgaben auch in kritischen Zeiten verwaltungsmäßig einwandfrei zu genügen“.50 Ziel dieser kriegsvorbereitenden Bestimmung sollte in erster Linie die Zusammenlegung von Gemeinden und damit verbunden die Reduzierung der in der kommunalen Verwaltung tätigen Personen sein. Die Bildung von Amtsverbänden, wie sie im Rheinland und in Westfalen bestanden, war aus diesem Grunde wohl ausdrücklich nicht erwünscht. Dies galt auch für die „Eingliederung von Gemeinden in Städte“,51 da sie dort zu einem Anstieg des Verwaltungsaufwands führen würde. Im Mai 1939 wies das Staatsministerium Mecklenburgs die Landräte an, „in einer nach dem Gautag anzusetzenden Sitzung des Kreisausschusses“ Vorschläge auszuarbeiten, sie mit dem Kreisleiter der NSDAP zu diskutieren und anschließend bei der Abteilung Inneres einzureichen.52 Im Kreis Rostock wurde daraufhin der „Plan [...] in allen Einzelheiten mehrmalig mit dem Kreisleiter der NSDAP Rostock-Land durchgesprochen“ und beschlossen, Gemeinden mit weniger als 200 Einwohnern an benachbarte Kommunen anzuschließen. Ziel war dabei nicht nur, die „Gemeinden 47 Ebd., Bl. 452: Kreis Wismar an MdI, 11. Sept. 1935. 48 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6502: Kreis Parchim an StM, Abt. Inneres, 11. Sept. 1935. 49 Vgl. Tabelle 22 im Anhang. 50 Maßnahmen zur Hebung der Verwaltungskraft kreisangehöriger Gemeinden vom 6. Januar 1939, in: RMBliV, 1939, Nr. 2, S. 34–42, hier S. 40. 51 Ebd., S. 39. 52 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 172: Kreis Waren an MdI, 27. Mai 1939.
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[...] durch die grössere Einwohnerzahl in weit höherem Masse lebensfähig“ werden zu lassen, sondern sie „in der Regel [auch] gross genug“ zu fassen, um dort „eine Ortsgruppe der NSDAP [...] bilden“ zu können. Ausschlaggebend bei den Vorschlägen zur Zusammenlegung von Gemeinden waren ferner die „Bindungen der alten Gemeinden hinsichtlich [...] Schule, Pfarrei, Amtsgerichts- und Standesamtsbezirk“.53 Einen ähnlichen Ansatz verfolgte der Landrat des Kreises Güstrow, Walter Schöps, dessen Vorschlag „im wesentlichen nur“ die Vereinigung von „Gemeinden gleicher oder ähnlicher Struktur, die politisch, wirtschaftlich und kulturell irgendwelche Berührungspunkte“ hatten, vorsah.54 Im Kreis Parchim hingegen war allein die „politische Ortsgruppe“ der NSDAP zum Ausgangspunkt der Neuordnung genommen worden.55 In drei Fällen jedoch gab es in der näheren Umgebung der Gemeinden, die zusammengelegt werden sollten, keine Ortsgruppen. Eine „Zurückstellung“ der Fusionen, wie sie Roschlaub anregte, lehnte der Kreisleiter Fritz Wittenburg allerdings ab und drängte darauf, Ortsgruppen zu bilden.56 Im Kreis Schwerin sollten, so der Wunsch des dortigen Kreisleiters Erich Loeper, die Gemeinden ebenfalls „möglichst nach der Ortsgruppeneinteilung der Partei“ zusammengefasst, darüber hinaus aber auch, so wie bereits 1918, „aus politischen Gründen Dorfgemeinden mit Gutsgemeinden“ vereinigt werden. Aus Sicht des Landrats Karl Bötefür war diese insgesamt 48 Gemeinden betreffende Forderung problematisch, da „in einer grossen Anzahl der Gutsgemeinden [...] die Gemeindeangelegenheiten von der Gutssekretärin mit erledigt und Entschädigungen für den Bürgermeister gar nicht gezahlt“ werden würden, was im Falle einer Zusammenlegung nicht mehr möglich sei. Hinzu käme, dass „die meisten Gutsgemeinden“, weil sie „keine Einnahmen aus Gemeindeländereien, Jagdpacht usw.“ hatten, nicht nur auf eine „Entschädigung für den Bürgermeister und Kassenwalter“ verzichteten, sondern auch „für Wegeunterhaltung und Wohlfahrtslasten keine Mittel in den Haushaltsplan“ einsetzten. Die entsprechenden Kosten, die bislang der Eigentümer trug, hätten im Falle einer Zusammenlegung vor allem die Einwohner der Dorfgemeinden zu übernehmen. Die Umsetzung der Forderung des Kreisleiters würde somit eine „erhebliche und teilweise untragbare Mehrbelastung“ des Gemeindehaushalts bedeuten, die umso schwerer wöge, als „bei der Zusammenlegung von Gemeinden die verschiedenen Steuersätze auf einen Nenner gebracht werden müssen, und zwar voraussichtlich auf den niedrigsten, da der Landesdurchschnitt nicht überschritten“ werden durfte. Kritisch stand Bötefür auch der Zusammenlegung zweier oder mehrerer Gutsgemeinden gegenüber. Hier würde vor allem das „Auffinden [...] geeigneter Persönlichkeiten für die Stellen des ehrenamtlichen Bürgermeisters und des Kassenverwalters“ zu Schwierigkeiten führen, da, vom „Betriebsführer und dessen Inspektor“ abgesehen, „geeignetes Personal meistens nicht vorhanden“ sei. Generell hätten die „bisherigen Erfahrungen [...] gelehrt, dass es heute ausser 53 54 55 56
Ebd., Bl. 206–214: Kreis Rostock an MdI, 11. Juli 1939. Ebd., Bl. 201–203: Kreis Güstrow an MdI, 28. Juni 1939. Ebd., Bl. 204: Kreis Parchim an MdI, 3. Juli 1939. Ebd. Bl. 307: Kreis Parchim an MdI, 15. Aug. 1939.
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ordentlich schwierig ist, in einzelnen Gemeinden geeignete Persönlichkeiten für die Stellen des ehrenamtlichen Bürgermeisters zu finden“. Dieser „Übelstand“ würde, „wenn jetzt mehrere Gemeinden zusammengefasst“ werden, „noch verschärft“, da die Schaffung von Großgemeinden bekanntlich keine Einsparung beim Personal bedeute, sondern im Gegenteil durch den größeren Verwaltungsaufwand zumindest eine „Schreibkraft“ und für die einzelnen Ortsteile ein Beauftragter des Bürgermeisters oder ein „besoldete[r] Bote“ angestellt werden müssten.57 Welche Ausgaben damit verbunden sein würden, verdeutlicht der Bericht des Landrats des Kreises Stargard, Rudolf Schildmann. Demnach waren für die Vergütung einer „einfachen Schreibkraft, [...] je nach Grösse der Gemeinde 10–20,-RM im Monat“ einzuplanen. Darüber hinaus verwies Schildmann auf den steigenden Umfang der Aufgaben und die sinkende Bereitschaft, Gemeindeämter zu übernehmen. Er regte deshalb an, die „Aufwandsentschädigung der Bürgermeister und Kassenverwalter auf zusammen 1,50 RM je Einwohner und Jahr unter Beibehalt der bisherigen Teilung in 65 % für Bürgermeister und 35 % für Kassenverwalter zu erhöhen“.58 Die Bestellung von Beigeordneten, Schreib- und Hilfskräften befürwortete auch der Landrat Schöps. Er sah indes keine Probleme, geeignetes Personal zu finden, würde man diese doch „in vielen Gemeinden in der Person des Rechners der Genossenschaft, des Kaufmanns, des Wirtschafters, des Gutssekretärs, des Milchkontrolleurs usw.“ finden können. Notwendig sei ferner, so Schöps, „eine ständige Beratung der Bürgermeister“, die über die „in jedem Vierteljahr abgehaltenen Bürgermeistertagungen“ hinausgehe. Aus diesem Grunde plante er in seinem Kreis, „zwei und vielleicht auch drei Beamte des mittleren Dienstes“ einzustellen.59 Ganz anders urteilte hingegen Bötefür, der es aufgrund des „heutige[n] Men schenmangel[s] auf den Gebieten der Landwirtschaft und der Verwaltung“ sowie aufgrund der „heutige[n] hohe[n] Anspannung der Gemeindefinanzen“ für geraten hielt, die „Zusammenlegung von Gemeinden [...] besser um einige Jahre“ zurückzustellen.60 Grundsätzliche Bedenken äußerte auch der Landrat des Kreises Waren, Mulert, der sich „selbst noch nicht darüber klar“ war, ob er „dem Kreisausschuss, der an sich die Vorschläge grundsätzlich schon gebilligt hat, eine so starke Zusammenlegung von Gemeinden empfehlen“ könne. Aus seiner Sicht führe diese nur zu einer „Bürokratisierung und Verstädterung der Landgemeinden“, die ihm „unerwünscht“ war. Seine Frage, „ob es im Ziel der allgemeinen Landesverwaltung liegt, eine möglichst starke Zusammenlegung von Landgemeinden vorzunehmen, oder ob das Staatsmi57 Ebd., Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939. 58 Ebd., Bl. 315–319: Vorlage betr. Durchführung des Rd. Erl. des RMdI vom 6. Jan. 1939; ebd., Bl. 314: Anlage zu Kreis Stargard an MdI, 15. Aug. 1939. 59 Ebd., Bl. 201–203: Kreis Güstrow an MdI, 28. Juni 1939 (Hervorhebung im Original). Die Beamten sollten „von Montags bis Freitags die Bürgermeister der einzelnen Gemeinden aufsuchen, sie beraten und ihnen bei der Erledigung schwieriger Arbeiten auch praktische Hilfe leisten. Sonnabends müßten diese dann hier auf dem Amt zu Verfügung stehen und die zahlreichen Bürgermeister, die gerade Sonnabends nach Güstrow zu kommen pflegen, beraten.“ Ebd. (Hervorhebung im Original). 60 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939.
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nisterium sich die weitere Landesverwaltung so denkt, dass nur die nicht lebensfähigen Landgemeinden verschwinden“,61 blieb durch das Staatsministerium „wegen der augenblicklichen politischen Lage“ unbeantwortet.62 Aus dem gleichen Grund wurde zunächst generell auf die Bearbeitung der Berichte der Landräte,63 die nicht nur „Zusammenlegung von kreisangehörigen Landgemeinden“, sondern, wider die anderslautende Bestimmung im Erlass des Reichsministeriums des Innern, auch Eingemeindungen in städtische Bezirke vorgeschlagen hatten, verzichtet.64 Ein Jahr später, im September 1940, war man, obwohl die Entwürfe den einzelnen Abteilungen des Staatsministeriums bereits zur Prüfung vorgelegt worden waren, in der Angelegenheit selbst „kaum weiter“ gekommen.65 Im Mai 1943 wurden schließlich sämtliche Vorarbeiten eingestellt, nachdem die Abteilung Unterricht erklärt hatte, dass sie „nicht in der Lage“ sei, „die Frage der Zusammenlegung von Gemeinden [...] gegenwärtig weiter zu verfolgen“.66 Die seit 1933 diskutierte Kommunalgebietsreform, durch die die Verwaltung auf den Krieg um- und ihr reibungsloses Funktionieren sichergestellt werden sollte, war damit selbst am Ausbruch und den Folgen des Krieges gescheitert. Die Aussetzung der gemeindlichen Neueinteilung des Landes beendete zugleich alle Ambitionen, die 1918 begonnene Kommunalgebietsreform zu Ende zu führen und die sozial und kulturell noch immer bestehende Dreiteilung des Landes endgültig aufzuheben. Ob und inwieweit sich die Großgemeinden bewährt hätten, lässt sich allerdings nicht beurteilen. Hier wäre eine Vergleichsstudie, etwa mit Oldenburg, notwendig.67 Nicht über die Planungsphase hinaus gelangte auch die durch Richard Crull angeregte Reform. Dem Leiter des Amts für Kommunalpolitik bei der Gauleitung der NSDAP war bei der „Durchsicht des Staatshandbuches“ störend aufgefallen, „daß eine Anzahl von Landgemeinden umständliche und dem Volksgebrauch widersprechende Namen“ führte. Die durch Crull insbesondere kritisierten Doppelnamen 61 Ebd., Bl. 308: Kreis Waren, 17. Aug. 1939. 62 Ebd., Bl. 168: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. Unterricht, 7. Sept. 1939. 63 Nicht überliefert sind die Entwürfe der Landräte der Kreise Malchin und Wismar. Sie hatten ihre Entwürfe nicht einreichen können, da ihnen noch die „Stellungnahme der Kreisleitung der NSDAP“ fehlte. Ebd., Bl. 173: Kreis Wismar an MdI, 27. Mai 1939; ebd., Bl. 205: Kreis Malchin an MdI, 12. Juni 1939. 64 Ebd., Bl. 168: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. Unterricht, 7. Sept. 1939. Vgl. auch Tabelle 23 im Anhang. Aus dem Kreis Stargard wurden kaum Vorschläge eingereicht. Hier war es aufgrund der „in den Jahren 1936 und 1937 [...] durchgeführten Auflösungen und Eingliederungen von Gemeinden“ bereits gelungen, die „Zahl der Gemeinden von 209 auf 157“ zu reduzieren. Die „Entwicklung der Gemeindeverwaltung“ galt dem Landrat Rudolf Schildmann deshalb als „ziemlich [...] abgeschlossen“. Ebd., Bl. 315–319: „Vorlage betr. Durchführung des Rd. Erl. des RMdI vom 6. Jan. 1939“. Zu den geplanten Eingemeindungen nach Crivitz, Dassow, Gadebusch, Malchin, Penzlin, Röbel, Schwerin und Waren vgl. ebd., Bl. 175–199: Kreis Schönberg an MdI, 16. Juni 1939; ebd., Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939; ebd., Bl. 209: Plan über die Zusammenlegung der Gemeinden des Kreises Waren. 65 Ebd., Bl. 355: StM, Abt. Unterricht an StM, Abt. Inneres, 10. Sept. 1940. 66 Ebd., Bl. 356: StM, Abt. Unterricht an StM, Abt. Inneres, 20. Mai 1943. 67 Für eine umfängliche Darstellung der Verhältnisse in Oldenburg vgl. Theilen: Verwaltungsreform; ders.: Gemeindeneugliederung; ders.: Landkreise.
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und Bezeichnungen wie „Meierei“, „Anteil“, „Neu“- und „Bauhof“ abzuschaffen,68 blieb nach wie vor der Eigeninitiative der Gemeinden überlassen.69 Eine letzte Reform erfuhr die Kommunalverwaltung Mecklenburgs im Mai 1944, als das Reich den Ländern die Möglichkeit einräumte, „Verwaltungsaufgaben“, die bislang dem Landrat oblagen, den Gemeinden zu übertragen.70 Gefordert wurde allerdings, dass diese „in persönlicher und sachlicher Hinsicht eine ordnungsmäßige Bearbeitung gewährleisten“ können.71 In Mecklenburg sollte die Übernahme weiterer Aufgaben durch die Kommunen deshalb nur auf „Antrag der Bürgermeister“ erfolgen.72 Das Gesuch selbst war jedoch „durch die Hand des Landrats zu stellen“ und musste bis zum 15. August 1944 eingereicht werden. Von der Möglichkeit, den Geschäftskreis auszuweiten, machten zunächst die Bürgermeister der Städte Dargun, Malchin, Malchow, Parchim, Stavenhagen und Waren Gebrauch. Sie baten, ihnen die Ernennung der Standesbeamten sowie des Feuerwehrführers einschließlich des Stellvertreters, die preisbehördliche Funktion bei Grundstücksverkäufen, die Ausstellung von Waffen-, Fischerei- und Jagdscheinen, die Geschäfte der Baupolizeibehörde, des Ernährungs- und Wirtschaftsamts, des Pass- und Ausländerwesens sowie des Erfassungs- und Quartierwesens, die Aufgaben der Notdienstverpflichtungen und Zählungen, die Erledigung der Einsprüche in Hundesteuersachen und die Zulassung von Kraftfahrzeugen zu übertragen.73 Das bedeutete zwar mehr Arbeit, erschloss neben weiteren Kompetenzen aber teilweise auch neue Einnahmequellen. Sämtliche Städte der Kreise Güstrow und Wismar sowie ein Teil der Städte der Kreise Parchim und Rostock hingegen lehnten eine Ausweitung des Geschäftskreises aufgrund der „derzeitigen personellen Besetzung“ ausdrücklich ab.74 In den Kreisen Hagenow, Ludwigslust, Schwerin und Stargard wurde die Entscheidung durch die Landräte getroffen. 68 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 370–372: Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Inneres, 24. Juli 1939. Für eine Liste der beanstandeten Ortsnamen vgl. ebd., Bl. 372–376. 69 Tatsächlich lassen sich solche Initiativen bereits vor 1939 nachweisen. Erwähnt sei etwa die Umbenennung von Wendisch Priborn in Freienhagen, Wendisch Rambow in Kleinrambow oder Wendisch Waren in Finkenwerder. Vgl. Bekanntmachung vom 5. August 1938 über Namensänderung von Gemeinden und Gemeindeteilen, in: Rbl. Nr. 38, 12. Aug. 1938, S. 214. Als Beispiele der durch Crull angeregten Änderungen seien hier die Umbenennung der Gemeinde Hof Malchow in Altenlinden und die Reduzierung des Gemeindenamens Ober Steffenshagen-Steffenshagen-Nieder Steffenshagen auf Steffenshagen genannt. Vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 1939 über Änderung eines Gemeindenamens, in: Rbl. Nr. 25, 23. Mai 1939, S. 208; Bekanntmachung vom 29. August 1939 über Änderung eines Gemeindenamens, in: Rbl. Nr. 50, 18. Sept. 1939, S. 362. 70 Verordnung vom 26. Mai 1944 über die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf die kreisangehörigen Gemeinden, in: RGBl. T. 1, Nr. 23, 31. Mai 1944, S. 124. Bei dieser Maßnahme handelte es sich um die Fortsetzung der seit 1939 begonnenen „Umstellung der Verwaltung auf den Krieg“. Etienne: Landgemeinden im Kriege, S. 8. 71 Verordnung vom 26. Mai 1944 über die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf die kreisangehörigen Gemeinden, in: RGBl. T. 1, Nr. 23, 31. Mai 1944, S. 124. 72 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 500: StM, Abt. Inneres an Landräte, 19. Juli 1944. 73 Für die einzelnen Anträge vgl. ebd., Bl. 505–507, 517–520 und Bl. 524–525. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 501: Aktennotiz StM, Abt. Inneres, 3. Okt. 1944. 74 Ebd., Bl. 503: Kreis Rostock an MdI, 14. Aug. 1944. Vgl. ebd., Bl. 521: Kreis Güstrow an MdI, 30. Aug. 1944; ebd., Bl. 523: Kreis Wismar an MdI, 28. Aug. 1944; ebd., Bl. 524: Kreis Parchim an MdI, 5. Sept. 1944.
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Sie lehnten eine „Übertragung von Verwaltungsaufgaben“ ebenfalls ab, da die kommunalen Behörden „infolge der starken Einberufungen mit Fachkräften so schwach besetzt“ seien, dass eine „ordnungsmäßige Bearbeitung neu zu übertragender Aufgaben nicht gesichert“ werden könne.75 Argumentiert wurde auch damit, dass eine entsprechende Neuordnung „keine fühlbare Entlastung“ des Landratsamtes, dafür „aber für den Bürgermeister eine neue Belastung“ darstellen würde, die Übertragung somit „weder im Rahmen einer Verwaltungsvereinfachung noch im Interesse der betr. Städte“ geboten erscheine.76 Der Landrat des Kreises Rostock, Walter Rieck, empfahl eine differenzierte Beurteilung. So übertrug er beispielsweise Bad Doberan die „Erteilung von Monats- und Jahresfischereischeinen“ sowie die „Bearbeitung der Einbürgerungsangelegenheiten“, da dies zu einer „Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens“ führe, hegte jedoch „grundsätzliche Bedenken gegen die Abzweigung der übrigen Arbeiten der Ausländerpolizei auf die Ortspolizeibehörde“. Hier müsse die Bearbeitung „in einer Hand bleiben“ und bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen „auch eine ständige Verbindung mit der Gestapo“ gehalten werden.77 Ähnlich handelte der Landrat des Kreises Stargard, der einzelne Aufgaben der Wohlfahrtspflege wie die Entscheidung über die Gewährung des „Räumungsfamilienunterhalt[s]“ den Städten überließ, die „Übertragung von Kriegswirtschaftsaufgaben auf dem Gebiete der Erteilung von Bezugsscheinen“ etwa für Kohlen oder Mehl sowie von „Einkaufsausweisen für die Fliegergeschädigten“ aber ablehnte, da dies „größere Schwierigkeiten in der Verteilung des dem Kreis zustehenden Gesamtkontingents verursachen [...] und die Kontrolle erschweren würde“.78 Dem widersprach der Bürgermeister Friedlands, der daran erinnerte, dass die Stadt im „ersten Weltkriege [...] ein eigenes Wirtschaftsamt“ hatte, „während heute oft die kleinsten Angelegenheiten zentral geordnet werden“, was zu „Zeitver lust[en] und [...] unnötigen Reisen“ führe. Hinzu käme, dass „Städte mit eigenem Wirtschaftsamt besser“ versorgt seien, „da sie vielmehr für ihre Interessen eintreten“ könnten. Der Bitte, „auch in der Kriegswirtschaft, soweit irgend zu verantworten, Aufgaben nach unten zu verlagern“,79 kam man indes nur im Kreis Schönberg nach, wo der Landrat den Städten die Erteilung von Bezugsscheinen übertrug. Vorerst galt dies jedoch nur für Spinnstoffwaren, Schuhe, Haushaltsgegenstände und Öfen. In allen anderen Bereichen sah er ebenfalls „die Voraussetzungen [...] nicht gegeben“.80 In der Abteilung des Innern beim Staatsministerium folgte man der Einschätzung der meisten Landräte und befürwortete nur die Übertragung von Kompetenzen, deren Gel75 Ebd., Bl. 502: Kreis Hagenow an MdI, 2. Aug. 1944. Vgl. ebd., Bl. 522: Kreis Ludwigslust an MdI, 29. Aug. 1944; ebd., Bl. 509–512: Kreis Schwerin an MdI, 16. Aug. 1944; ebd., Bl. 515: Kreis Stargard an MdI, 17. Aug. 1944. 76 Ebd., Bl. 509–512: Kreis Schwerin an MdI, 16. Aug. 1944; Vgl. dazu auch ebd., Bl. 513: Bürgermeister Stadt Crivitz an Kreis Schwerin, 7. Aug. 1944; ebd., Bl. 514: Bürgermeister Stadt Gadebusch an Kreis Schwerin, 3. Aug. 1944. 77 Ebd., Bl. 503: Kreis Rostock an MdI, 14. Aug. 1944. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 507: Bürgermeister Stadt Bad Doberan an Kreis Rostock, 5. Aug. 1944. 78 Ebd., Bl. 515: Kreis Stargard an MdI, 17. Aug. 1944. 79 Ebd., Bl. 516: Bürgermeister Stadt Friedland an Kreis Stargard, 12. Aug. 1944. 80 Ebd., Bl. 508: Kreis Schönberg an MdI, 19. Juli 1944.
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tungsbereich sich auf den lokalen Raum beschränkte bzw. die Ressourcen der Kommune betraf. Hierzu zählten etwa die Ausstellung von Kennkarten, Waffen-, Fischerei- und Jagdscheinen sowie die Übernahme der aus dem Reichsleistungsgesetz und der Notdienstverordnung erwachsenen Aufgaben, zu denen u. a. die „Beschaffung von Unterkunft für fliegergeschädigte Obdachlose und für wehrmachtsangehörige Einquartierung“ gehörte.81 Wenige Wochen später, Anfang Oktober 1944, überließ die Abteilung Inneres den Gemeinden zudem Feststellung und Leistung des „Räumungs- und Familienunterhalts“.82 Übertragen wurde ihnen schließlich auch die „Ausgabe von Bezugscheinen“. In welchem Umfang „Verteilungsaufgaben“ abgegeben werden sollten, hatten allerdings die Landräte zu entscheiden. Bestimmt worden war indes, „nicht kleinlich zu verfahren und insbesondere die Stadtgemeinden mehr einzuschalten“, da diese, „dem Verbraucher [näher], deren Bedürfnisse besser beurteilen“ könnten. Bei der Umsetzung der Anweisung wurde, wie bereits zuvor, in einzelnen Kreisen „großzügig“, in anderen „wieder engherzig“ verfahren.83 Vergleicht man diese Methode einer auf dem individuellen Ermessen Einzelner beruhenden Kompetenzübertragung mit dem sich insbesondere in der Deutschen Gemeindeordnung dokumentierenden Ziel der Nationalsozialisten, eine einheit liche, zentralistisch organisierte Verwaltung zu schaffen, fällt ein Widerspruch auf, der sich allerdings auf einzelne Bereiche und, so steht zu vermuten, auf die Dauer des Krieges beschränkte. Die Ausgabe von Kraftfahrzeugzulassungen und Pässen oder die Feststellung von Kriegssachschäden etwa sollte „schon aus technischen Gründen während des Krieges“ den Landräten vorbehalten bleiben.84 Der oben aufgezeigte Widerspruch stellte allerdings kein für Mecklenburg spezifisches Problem dar, sondern gilt, in vielen Bereichen von Politik und Verwaltung nachgewiesen, seit 1961 als Wesensmerkmal der „‚totalitären Polykratie‘ [...] im [...] ‚Staat Hitlers‘“.85 Überblickt man die Kommunalreformen Mecklenburgs während der Zeit des Nationalsozialismus, so fallen hier als erstes die Reichsgesetze und -verordnungen auf, die nicht nur zur Neuordnung der Verwaltung zwangen, sondern darüber hinaus auch zum Anlass genommen wurden, eigene weitergehende Reformen durchzuführen. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass der Rückbau der Selbstverwaltung in Mecklenburg-Schwerin aufgrund der frühzeitigen Machtübernahme der NSDAP bereits vor 1933 begann. Wie in Bezug auf die Ablösung der feudalen Pachtverhältnisse wurde dabei auf bereits während der Weimarer Zeit diskutierte Vorlagen, die bislang keine parlamentarische Mehrheit gefunden hatten, zurückgegriffen.86 Durch die Nationalsozialisten wiederaufgenommen wurde ebenfalls auf Druck des Reichs sowie einzelner Landräte und Kreisleiter die Idee einer umfassenden Kommunalgebietsreform. Sie blieb jedoch wie bereits 1921 unvollendet. Eine grundlegende Neuordnung erfolgte hier erst, freilich unter ganz anderen Bedingungen, im September 1945. 81 82 83 84
Ebd., Bl. 501: Aktennotiz, StM, Abt. Inneres, 22. Sept. 1944. Ebd.: Aktennotiz, StM, Abt. Inneres, 2. Okt. 1944. Ebd., Bl. 530: StM, Landwirtschaftsamt an MdI, 4. Okt. 1944. Ebd., Bl. 501: Aktennotiz, StM, Abt. Inneres, 22. Sept. 1944. Vgl. ebd.: Aktennotiz, StM, Abt. Inneres, 2. Okt. 1944. 85 Ruck: Führerabsolutismus, S. 39. Vgl. auch Schulz: Totalitarismus. 86 Vgl. Burkhardt: Feudalreste, besonders S. 60–81.
Teil 3: Aspekte der Kommunalverwaltung des platten Landes 8. Die finanzielle Ausstattung der Landgemeinden 8.1 Einnahmen und Ausgaben der Güter, Pachthöfe und Dorfgemeinden vor 1918 Wie in der Verfassung widerspiegelte sich der ständische Dualismus auch in der Finanzordnung Mecklenburg-Schwerins und begründete eine weitere Teilung des Landes in einzelne Rechtsbezirke.1 Im Domanium und im Gebiet der Klöster hatten die Gemeinden vor 1918 die Kosten für die Ortsarmen, einen Teil der Schullasten,2 die Unterhaltung der zum Gemeindebezirk gehörenden Nebenchausseen, die Aus gaben der Ortsfeuerwehr sowie das Gehalt von Nachtwächter, Hebamme und Totenfrau aufzubringen.3 In den Hofgemeinden wurden die Lasten durch den Pächter getragen, der jedoch die übrigen Gemeindemitglieder zur Finanzierung der Aufgaben mit heranziehen konnte.4 In den Dörfern wie auch in den kombinierten Hof- und Dorfgemeinden hingegen waren – mit Ausnahme der Kirchendiener – alle Einwohner an der Deckung der entstehenden Kosten beteiligt. Die in Geld, Naturalien oder Diensten zu erbringenden Leistungen der einzelnen Personen legte die Dorfversammlung fest.5 Seitens der Regierung wurde lediglich eine Befreiung der Lehrer und im öffentlichen Dienst stehenden Personen von bestimmten Diensten sowie eine gleichmäßige Gestaltung der Leistungen „für Alle, die in gleichen Verhältnissen stehen“, gefordert.6 Dies führte dazu, dass die Hofbesitzer etwa „viermal soviel an Steuern als die Büdner, 16mal, stellenweise 32mal soviel, wie ein Häusler oder Arbeiter“ zu zahlen und „alle Fuhren für Wege usw. umsonst zu leisten“ hatten.7 Mit Einführung der Gemeindeordnung Mitte des 19. Jahrhunderts waren den Dorfgemeinden zur „Erleichterung“ der Gemeindelasten sämtliche „vorhandenen besonderen Anstalten und Einrichtungen“ der ihnen „zufallenden Verwaltung“, wie 1 Vgl. dazu allgemein Rosenberger: Finanzverfassung, Bd. 1, S. 3. Vgl. auch Balck: Finanzverhältnisse; John: Spannungsfeld, S. 73–91; Manke: Steuersystem. Für eine kurze Übersicht vgl. auch MZ, 30. Feb. 1920. 2 Zu tragen waren insbesondere die sachlichen Ausgaben, d. h. die Unterhaltung des Schulhauses, die Anschaffung der Lehrmittel usw. Hinzu kamen Leistungen an den Lehrer, wie z. B. die Bestellung des Schulackers etc. Vgl. Becker: Finanzausgleich, S. 19. 3 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 20–62, § 6. 4 Erhoben werden konnten die sogenannten „Armencassenbeiträge“, die vor 1869 von den einzelnen Einwohnern an die Amtsarmenkassen abgeführt werden mussten. Vgl. ebd., S. 71. Vgl. dazu auch Allgemeine Domanial-Amtsarmenordnung vom 30. Juni 1824, in: Raabe: Gesetzsammlung, Bd. 3, S. 71, § 2. 5 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 69–71, § 8. Vgl. dazu auch Bierstedt: Amtsführung, S. 30–35. 6 Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 70, § 8. 7 MN, 19. Jan. 1919.
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etwa die Schulgebäude oder Leiterhäuser, übertragen worden. Zusätzlich erhielten sie ein besonderes „Gemeinde-Vermögen“. Hierbei handelte es sich zumeist um Grundstücke, die sich „als Bestandtheile von Einliegercompetenzen“ auf der Feldmark des Dorfes befanden und den Gemeinden unter der Bedingung, in die „abgeschlossenen Pachtcontracte“ einzutreten, übertragen worden waren.8 Über weitere Einnahmen verfügten die Gemeinden offensichtlich nicht. Dabei wäre neben dem Recht, Gebühren und indirekte Steuern zu erheben, auch die (Rück-)Überweisung eines Teils der durch die einzelnen Grundbesitzer aufzubringenden Domanial-Hufensteuer oder der von den erwerbstätigen Einwohnern zu zahlenden Domanialnebensteuer9 denkbar gewesen. Eine Ausnahme bildete hier in gewisser Weise das sogenannte Schulzenland, das allerdings nur zur Entschädigung des Schulzen und nicht zur Finanzierung der Gemeindelasten herangezogen werden durfte.10 Ganz anders verhielt es sich in den nicht gemeindlich verfassten Ortschaften der Ritterschaft. Hier waren sämtliche Kosten für das Armen- und Schulwesen, die Unterhaltung der Nebenchausseen, das Feuerlöschwesen und, anders als im Domanium, auch für die Polizei durch den Gutsbesitzer, der zudem Beiträge an die ritterschaftlichen Ämter sowie die ordentliche Hufensteuer und Zuschläge zu dieser zu entrichten hatte, zu tragen.11 Eine Ausnahme bildeten die Armenlasten, zu deren Finanzierung die Hintersassen in Form einer sozial gestaffelten Armensteuer herangezogen werden konnten.12 Ferner hatten sie – sofern sie eingepfarrt waren – bei Schulstellen, die mit einem Kirchenamt verbunden waren, sowohl an der Unterhaltung der Bauten mitzuwirken als auch einen Teil des Einkommens des Lehrers zu stellen.13 In den Kämmereigebieten der Städte verhielt es sich ähnlich wie in der Ritterschaft; eine einheitliche Regelung gab es jedoch nicht.14 Mit der Novemberrevolution 1918 und der Verabschiedung der Weimarer Verfassung änderten sich die Verhältnisse grundlegend, wurde doch nicht nur die Einführung eines parlamentarischen Systems in den einzelnen Bundesstaaten und deren Kommunen, sondern auch die Übertragung der Finanzhoheit auf das Reich beschlossen.15 Dem Ende März 1920 verabschiedeten Landessteuergesetz zufolge blieben den Ländern lediglich Grund- und Gewerbesteuer. Sowohl von der Ein 8 Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 62–63, § 7. Neben Einliegerländereien konnten den Gemeinden auch Grundstücke aus Amtsreservaten überwiesen werden. Vgl. ebd. 9 Vgl. Rosenberger: Finanzverwaltung, Bd. 1, S. 106–108. 10 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 76. 11 Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 250. Vgl. dazu auch Becker: Finanzausgleich, S. 24; Rosenberger: Finanzen, Bd. 1, S. 96–101 und S. 111–115. 12 Vgl. Becker: Finanzausgleich, S. 25. Grundlage bildete hier die Armenordnung vom 21. Juli 1821. Vgl. Raabe: Gesetzsammlung, Bd. 3, S. 65, § 18. 13 Vgl. Becker: Finanzausgleich, S. 23. 14 Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 249; Becker: Finanzausgleich, S. 26. 15 Vgl. Die Verfassung des Deutschen Reiches. Vom 11. August 1919, in: RGBl. T. I, Nr. 152, 14. Aug. 1919, S. 1383–1418, hier S. 1385–1387, 1399, 1408 und S. 1413, Art. 8, 11, 17, 83– 86, 134 und Art. 154. Vgl. dazu auch Gesetz über die Reichsfinanzverwaltung. Vom 10. September 1919, in: RGBl. T. I, Nr. 176, 12. Sept. 1919, S. 1591–1601; Reichsabgabenordnung. Vom 19. Dezember 1919, in: RGBl. T. I, Nr. 242, 22. Dez. 1919, S. 1993–2100.
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kommen- als auch von der Grunderwerbsteuer erhielten sie nur noch Anteile.16 Gleichzeitig wurde ihnen jedoch das Recht, selbständig Steuern oder Zuschläge zu den Reichssteuern zu erheben, zugestanden. An die Zustimmung des Reichsfinanzhofs gebunden,17 änderte diese Möglichkeit nichts daran, dass die auf Matthias Erzberger zurückgehende Finanzreform für das Land Mecklenburg-Schwerin wie für alle anderen Bundesstaaten eine erhebliche Beschränkung der Einnahmen bedeutete.18 Die ländlichen Gemeinden und Ortschaften hingegen profitierten von der Neuordnung, da ihnen Anteile an den Reichssteuern zugestanden und sie verpflichtet wurden, eine Vergnügungssteuer einzuführen. Die konkrete Ausgestaltung allerdings blieb den Ländern überlassen, denen man sogar das Recht zugestanden hatte, sowohl die Anteile als auch die Vergnügungssteuer in Gänze für sich in Anspruch zu nehmen.19 Gleichwohl ist das gängige Urteil, die Erzbergersche Finanzreform habe zu einer Belastung der Kommunen geführt, nicht ganz zutreffend. Zweifelsohne gilt es für die Mehrzahl der Städte, die, dem preußischen Beispiel von 1893 folgend, vor 1918 noch Zuschläge zur Einkommensteuer erheben konnten.20 Dass, wie der leitende Beamte des Domanialamtes Schwerin, Heinrich Schade, behauptete, auch in den Gemeinden und Ortschaften des platten Landes „nicht selten“ Klagen über die neue Reichsfinanzgesetzgebung geäußert wurden,21 erscheint hingegen zweifelhaft. Diese Einschätzung verweist eher auf die politische Einstellung Schades, der bekanntlich für die DNVP und später für die Deutschvölkische Freiheitsbewegung politisch aktiv war.22
8.2 Zur Frage der Dotation Die Zuweisung von Land zur Finanzierung kommunaler Aufgaben war, wie erwähnt, im Domanium seit 1869 üblich, stellte, verglichen mit anderen deutschen Staaten, jedoch eine Besonderheit dar.23 In Preußen und den meisten Ländern des Deutschen Reichs wurden den Gemeinden statt Land zweckgebundene Steueranteile
16 Nicht mit aufgeführt sind hier die Erbschafts- und die 1916 eingeführte Umsatzsteuer, deren Einnahmen bereits vor 1918 zwischen Reich und Ländern aufgeteilt worden waren. Vom Reich für sich in Anspruch genommen wurden ferner die Zölle und sämtliche Verbrauchssteuern. Vgl. etwa Senger: Finanzverwaltung, S. 34. 17 Vgl. Landessteuergesetz. Vom 30. März 1920, in: RGBl. T. I, Nr. 60, 1. April 1920, S. 402–416. 18 Vgl. Becker: Finanzausgleich, S. 28. Zu den Abgaben, die Mecklenburg-Schwerin vor 1918 an das Reich zu leisten hatte, vgl. Rosenberger: Finanzen, Bd. 1, S. 716–720 und S. 732–748, besonders S. 717 und S. 741–742. Vgl. auch John: Spannungsfeld, S. 86–91. 19 Vgl. Landessteuergesetz. Vom 30. März 1920, in: RGBl. T. I, Nr. 60, 1. April 1920, S. 402–416. 20 Vgl. Becker: Finanzausgleich, S. 28; Naßmacher und Naßmacher: Kommunalpolitik, S. 41 und S. 58–59. Vgl. dazu auch Berhorst: Einkommensteuer. 21 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 506: DA Schwerin an Erythropel, 11. Sept. 1920. 22 Vgl. MN, 4. März 1919; MW, 5. März 1919; Handbuch Landtag, 1926, S. 32. 23 Vgl. Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349.
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überwiesen.24 Nutzungsrechte an Land erhielten hier, ebenso wie in MecklenburgSchwerin, nur die Dorfschullehrer und Schulzen.25 Als 1916 mit den Ständen über die Einführung einer Gemeindeordnung in den außerhalb des Domaniums gelegenen Ortschaften Mecklenburg-Schwerins verhandelt wurde, suchte die großherzogliche Regierung an die Tradition von 1869 anzuknüpfen.26 Die Idee, die einzelnen Städte und Gutsbesitzer, die durch die Einführung der Selbstverwaltung finanziell entlastet werden würden, zur Bereitstellung von Land zu verpflichten, scheiterte jedoch bekanntlich an deren Widerstand. 27 Ende März 1919, als der Entwurf der Landgemeindeordnung vorlag, erinnerte der Bund der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten an die Pläne von damals und forderte eine gesetzliche Verpflichtung der Gutsbesitzer, Flächen an die Gemeinden als Pachtland abzutreten. Statt einer entschädigungslosen Übertragung trat die Kommission jedoch dafür ein, ihnen die Ländereien abzukaufen. Eine Ausnahme bildeten die Flächen, die die Schulzen als Dienstländereien erhalten würden. Sie sollten den Gemeinden unentgeltlich überlassen werden. Gefordert wurde dies auch in Bezug auf die Schulzenäcker des Domaniums und die dortigen Lehrerdotationen.28 Während die Abteilung Domänen und Forsten im Ministerium der Finanzen den Anregungen zumindest in Bezug auf die Dienstländereien der Hauptschulzen zu folgen bereit war,29 regte das Ministerium des Innern an, den Kommunen die Dienstländereien zu entziehen. Begründet wurde dies damit, dass die Schulzen nicht mehr staatlich ernannt, sondern frei gewählt wurden und deshalb nicht mehr „zum Eintritt in [die] über [die] Schulzendienstländereien abgeschlossenen Pachtverträge“ verpflichtet werden konnten.30 Dass dies zum Problem werden konnte, zeigt u. a. die Auseinandersetzung des Domanialamtes Warin mit dem Schulzen der Gemeinde Loiz, Carl Tohtz, der eine Übernahme der Ländereien trotz des Angebots, die „recht nasse und daher wenig wertvolle [...] Kompetenz gründlich zu dränieren und durch Hinzulegung einer kleinen Fläche von etwa 500 QR [...] zu vergrößern [...] glatt abgelehnt“ hatte und von seinem Amt zurückgetreten war.31 Darauf, dass die Beibehaltung des quasi feudalen Entlohnungssystems nicht nur aufgrund derartiger, individueller Begebenheiten, sondern ganz allgemein „bedenklich“ erschien, verweist die Eingabe des leitenden Beamten des Domanialamtes Schwerin, Ernst von Blücher. Er 24 Vgl. dazu etwa Zimmermann: Selbstverwaltung in Preußen. 25 Vgl. dazu Plüschke: Landdotation; Haack: Agrarrecht, S. 77. In Mecklenburg-Schwerin standen Dienstländereien ferner auch den Forstbeamten zu. 26 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 988: Allerhöchstes Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches Reskript vom 29. November 1916 mit Entwurf einer Verordnung betreffend Gemeindeordnung für die ländlichen Ortschaften außerhalb des Domaniums (Landgemeindeordnung) mit Begründung, Schwerin 1916. 27 Vgl. Kap. 5.1, S. 124–125. 28 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Bund der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten an StM, 31. März 1919. 29 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdF, Abt. D. u. F. an MdI, 3. Feb. 1919. 30 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an MdF, Abt. D. u. F, 21. Jan. 1919. 31 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: DA Warin an Kreisbehörde für Volksernährung Warin, 26. März 1919. Vgl. ebd.: DA Warin an MdI, 21. März 1919.
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erklärte, dass die Bewirtschaftung der Flächen, da sie nicht mehr langfristig, sondern nur noch im Rahmen einer Legislatur möglich sei, weder im Interesse der Domanialverwaltung läge, noch von den Schulzen gewünscht würde.32 Gegen eine Entschädigung in Form von Nutzungsrechten sprach ferner, wie das Ministerium für Landwirtschaft später einräumen musste, dass eine möglicherweise zusätzliche Wirtschaft dazu zwänge, entweder die Aufgaben der Gemeindeverwaltung oder die Ländereien zu vernachlässigen.33 Hinzu kämen die bereits erwähnten Schwierigkeiten der Auseinandersetzung der Ernteerträge im Falle einer sich aus dem Wechsel des Amtsinhabers ergebenden Übertragung der Ländereien.34 Dass sich das Ministerium des Innern vor diesem Hintergrund nicht für den Vor uflage, schlag von Blüchers entschied und den Gemeinden die Ländereien „mit der A die Pachtsumme [...] den Schulzen“ als Gehalt auszuzahlen, übertrug,35 lag wiederum an der geplanten Neuordnung. Den Schulzen zum Organ der Selbstverwaltung erklärend, hatten die Kommunen auch die bislang vom Staat getragenen Kosten zu übernehmen.36 Die Dienstländereien fielen damit „zu freier Verfügung an die Grundherrschaft“, d. h. den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, zurück.37 Mitte März 1919 beschloss das Staatsministerium jedoch, den Kommunen die Flächen als freies Eigentum zu übertragen, und gab den Auftrag, „beschleunigt“ mit den Vorarbeiten zu beginnen.38 Bis zur endgültigen Regelung blieb es indes bei der Einziehung der Ländereien, die sich allerdings häufig auf die Kompetenzen der Nebenschulzen, die, der Verordnung vom 11. Januar 1919 folgend, bekanntlich nicht mehr bestellt werden sollten, beschränkte. Grund dafür war die Anfang Mai getroffene Entscheidung, dort, wo sich Schulzen zur Übernahme der Dienstländereien entschlossen bzw. sie weiternutzten, den „Ortschaften das Land, für die Dauer der Tätigkeit“ des Schulzen, zu übereignen. Dies galt auch für den Fall, dass Beauftragte ernannt wurden.39 Dass an der Entschädigung durch Landvergabe festgehalten werden sollte, verdeutlichten nicht 32 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: DA Schwerin an MdF, Abt. D. u. F., 1. März 1919. Der Vorschlag von Blüchers griff auf Bestimmungen der revidierten Gemeindeordnung zurück. Dort war bereits festgelegt worden, dass im Falle eines Amtswechsels innerhalb einer Pachtperiode der Nachfolger statt der Naturalernte die Pacht erhielt. Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 14. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdI an Drefahl, 19. April 1919. Begonnen werden sollte, so von Blücher, zunächst jedoch nur mit den Flächen der „nicht wiedergewählten und [...] aus dem Amte zurückgetretenen Schulzen“. Ebd.: DA Schwerin an MdF, Abt. D. u. F., 1. März 1919. 33 Vgl. ebd.: MfL an StM, 10. Dez. 1919. 34 Vgl. Kap. 5.3.2.2, S. 148–153. 35 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: DA Schwerin an MdF, Abt. D. u. F., 1. März 1919. 36 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Aktennotiz MdI und MfL, 30. April 1919. Endgültig eingestellt wurden die Entschädigungszahlungen des Staates im Juni 1921, zwei Monate nach dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung. Vgl. ebd.: MfL an Landdrosteien, 3. Juni 1921. 37 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an DA Neustadt, 24. Juni 1919. 38 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Protokoll Sitzung StM, 4. März 1919. 39 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an DA Neustadt, 24. Juni 1919. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an DA, 4. Juli 1919; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MfL an Landdrostei Grabow, Abt. Dömitz, 1. Juni 1921. Die Entscheidung, den Hauptschulzen die Dienstländereien zu übertragen, wurde bereits Anfang Mai getroffen. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MfL an MdI, 2. Mai 1919. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Aktennotiz MdI und MfL, 30. April 1919.
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zuletzt die „neue[n] Vorschriften über die Benutzung staatlicher Dienstländereien“, die im September 1919 herausgegeben wurden.40 Der im März gefasste Entschluss des Staatsministeriums, in die Landgemeindeordnung die „Verpflichtung der Gemeinden zur baren Besoldung ihrer Schulzen“ aufzunehmen,41 war damit obsolet geworden.42 Viele, insbesondere die neuen Schulzen waren von dieser Entscheidung enttäuscht. Sie hatten aufgrund der ihnen in Aussicht gestellten monetären Vergütung mit einem „erheblich höheren Betrage“ gerechnet, als er sich „aus der Verpachtung des Schulzenackers“ erzielen ließe.43 Darüber hinaus herrschte unter den Schulzen „grosse Unsicherheit“, ob die Kommunen die ihnen übertragene Verpflichtung zur Entschädigung annehmen würden.44 Dass diese Sorge nicht unbegründet war, zeigt die Haltung von insgesamt sieben Gemeinden des D omanialamtes Warin. Sie lehnten eine Vergütung des Schulzen aus der Gemeindekasse „rundweg ab“.45 Die Frage, ob einzelne Bewerber aufgrund der sich hieraus ergebenden Ungewissheit ihre Kandidatur zurückzogen oder Schulzen das angetretene Amt vorzeitig niederlegten, lässt sich anhand der Akten nicht beantworten. Nachgewiesen werden kann jedoch Kritik sowohl an der bis 1921 bestehenden Rechtsunsicherheit als auch an den Entschädigungssätzen selbst.46 Da nach Einführung der Selbstverwaltung die gemeindlichen Lasten nicht nur in Bezug auf den Schulzen, sondern „aller Voraussicht nach“ auch in vielen anderen Bereichen eine „nicht unbeträchtliche Steigerung“ erfahren würden, erwog die Regierung Mitte April 1919 eine zusätzliche Dotation der Domanialgemeinden. Konkrete Vorschläge erwartete man von den leitenden Beamten der Domanialämter, denen der Auftrag erteilt wurde, im Rahmen ihrer Empfehlungen zur Neu ordnung des Domaniums auch die „Frage der Dotierung zu erörtern“.47 Mit Blick auf die geplante Zusammenlegung von Dorf- und Hofgemeinden regten neun von ihnen an, den Kommunen „zweckmäßig Ländereien der anzugliedernden Höfe“ zu über tragen.48 Sinnvoll erschien ihnen dies zudem, da „in den meisten Fällen eine Schul 40 Bekanntmachung vom 12. September 1919, betreffend neue Vorschriften über die Benutzung staatlicher Dienstländereien, in: Rbl. Nr. 144, 16. Sept. 1919, S. 815–822. 41 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Protokoll Sitzung StM, 4. März 1919. 42 Tatsächlich findet sich im Gesetz kein expliziter Hinweis; bestimmt ist lediglich, dass der Schulze „von der Gemeinde eine Entschädigung“ erhält. Vgl. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 727–766, hier S. 748, § 18, Abs. 2. 43 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 103–106: DA Crivitz an MdI, 21. Mai 1919. 44 Anfrage Tabel, 16. Juli 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 126. 45 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027:, DA Warin an MdI, 18. April 1919. Angesichts des Beschlusses der Dorfversammlung weigerten sich die Schulzen, den Diensteid abzuleisten, und forderten die Regierung auf, die Gehaltsfrage „eingehend“ zu regeln. Ebd. Eine Antwort des Ministeriums ist nicht überliefert. 46 Vgl. Kap. 5.3.2.2. 47 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 37: MdI und MfL an DA, 15. April 1919. 48 Ebd., Bl. 118–119: DA Gadebusch an MdI, 26. Mai 1919. Vgl. ebd., Bl. 98–99: DA Boizenburg an MdI, 17. Mai 1919; ebd., Bl. 113–116: DA Dargun an MdI, 22. Mai 1919; ebd., Bl. 111–112: DA Grabow an MdI, 20. Mai 1919; ebd., Bl. 142–143: DA Grevesmühlen an MdI, 17. Juni 1919; ebd., Bl. 65–67: DA Güstrow an MdI, 29. April 1919; ebd., Bl. 61: DA Lübz an MdI, 1. Mai 1919; ebd., Bl. 137: DA Schwerin an MdI, 6. Juni 1919; ebd., Bl. 72–74: DA Toitenwinkel an MdI, 9. Mai 1919.
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gemeinschaft“ bestand und die Dotierung somit als „Entschädigung der Stammge meinde für ein Anwachsen der Ausgaben für Gemeindeverwaltung, Armenversorgung usw.“ zu rechtfertigen sei.49 Voraussetzung für die Änderung der Besitzverhältnisse war allerdings eine „Neuverpachtung der einzelnen Höfe“, die jedoch erst nach Ablauf der jeweiligen, vertraglich festgesetzten Pachtperiode erfolgen könne.50 Eine vorzeitige Auflösung der bestehenden Kontrakte, die zu einer Entschädigung der Pächter zwänge, wurde aufgrund der „heutigen, [sich] einer geordneten Preissetzung [...] entziehenden Verhältnisse“ als „überhaupt nicht möglich“ bezeichnet.51 Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund schlugen die leitenden Beamten der Domanialämter Hagenow und Wittenburg vor, nicht nur den Pachthöfen, sondern auch den Amtsreservaten Flächen zu entnehmen.52 Umsetzen ließ sich dies freilich nur dort, wo sie „in einem in Betracht kommenden Umfang“ vorhanden waren.53 Hinzu kam, dass einzelne, durch die Domanialämter verwaltete Ländereien wie etwa das Forstreservat im Amtsbezirk Wredenhagen „zum großen Teile schon zur Aufteilung von Kleinbesitz bestimmt“ worden waren und somit für Dotationszwecke nicht mehr zur Verfügung standen.54 Carl Leo, leitender Beamter des Domanialamtes Warin, forderte gar, sämtliche Reservate ausschließlich für die innere Kolonisation zu nutzen.55 Vor dem Hintergrund, dass oftmals „geeignete Grundstücke nicht zur Verfügung“ standen,56 regten die leitenden Beamten der Domanialämter Doberan und Dömitz an, die Gemeinden statt mit Land mit Kapital auszustatten.57 Gegen die Übertragung von Grund und Boden wandten sich auch die leitenden Beamten der Domanialämter Bützow, Neubukow und Ribnitz. Sie hielten die Bereitstellung von Ländereien nur dann für sinnvoll, wenn sich in der Nähe eine Dorfgemeinde befand. Andernfalls würde, da die auf den Höfen lebenden „Tagelöhner und Deputatisten ja genügend Land von dem Pächter“ erhielten bzw. „Anspruch auf Gewährung der zu ihrem Lebensunterhalt erforderlichen Naturalien“ hatten, „kaum genügend Nachfrage nach Pachtland sein“.58 Insofern erschien die Ausstattung der Gemeinden mit einem Stammkapital durchaus sinnvoll. Gegen eine „Dotation in Bar“59 oder die „Zahlung einer Geldrente“ sprach jedoch, so Walter Studemund, leitender Beamter im Domanialamt Neubukow, der Wertverlust der Währung. In Anlehnung an die 49 50 51 52
Ebd. Zur Bezeichnung der Dotation als Entschädigung vgl. auch MVZ, 7. März 1920. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 108–109: DA Doberan an MdI, 22. Mai 1919. Ebd., Bl. 55: DA Schwaan an MdI, 26. April 1919. Vgl. ebd.: DA Wittenburg an MdI, 11. Mai 1919, Bl. 84–85; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 675: MfL an DA Hagenow, 6. und 25. Juni 1919; ebd.: Lewitzwiesenverwaltung an MfL, 9. Juni 1919. 53 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 98–99: DA Boizenburg an MdI, 17. Mai 1919. 54 Ebd., Bl. 79–82: DA Wredenhagen an MdI, 9. Mai 1919. 55 Vgl. ebd., Bl. 148–149: DA Warin an MdI, 6. Okt. 1919. 56 Ebd., Bl. 78: DA Dömitz an MdI, 5. Mai 1919. 57 Vgl. ebd., Bl. 108–109: DA Doberan an MdI, 22. Mai 1919. 58 Ebd., Bl. 87: DA Ribnitz an MdI, 9. Mai 1919; ebd., Bl. 100–101: DA Bützow an MdI, 21. Mai 1919. Vgl. ebd., Bl. 89–92: DA Neubukow an MdI, 13. Mai 1919. Anrecht hatten die Hofinsassen auf „Milchlieferung oder Kuhhaltung, Kornlieferung“ und die „Hergabe von Kartoffelland“. Ebd., Bl. 100–101: DA Bützow an MdI, 21. Mai 1919. 59 Ebd., Bl. 78: DA Dömitz an MdI, 5. Mai 1919.
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seit 1869 gültigen Richtlinien empfahl er deshalb, „den Dorfgemeinden im Allgemeinen etwa 5. v. Hd. der nutzbaren Fläche des Pachthofes als Nachdotation zu gewähren“.60 Auf den Sonderfall, dass eine Hofgemeinde eine selbständige Landgemeinde bilden könne, ging er allerdings nicht ein. Sein Kollege im Domanialamt Crivitz, Adolf Kittel, forderte hingegen ganz allgemein „eine möglichst hohe Dotation der Landgemeinden“, könne doch nur durch genügend Land ihr „Wohlstand [...], der wohl einzig dastehend in Deutschland ist, [...] erhalten“ bleiben.61 Neben der allgemeinen Befürwortung einer Dotation gab es jedoch auch grundsätzliche Bedenken sowohl gegen die Zuweisung von Land als auch von Kapital. So war nach Ansicht des leitenden Beamten des Domanialamtes Neustadt, Max von Matthiessen, „eine besondere Dotierung [...] nicht erforderlich“, da es sich bei den „Mehrlasten eigentlich nur [um] die Armenlasten“ handelte, die – „auf den Höfen naturgemäß gering“ – durch eine „Heranziehung der Hofbewohner zu baren Gemeindeabgaben“ ausgeglichen werden könnten.62 Ganz ähnlich urteilte Leo, dem eine „Neudotierung nicht unbedingt geboten“ erschien, da die Gemeinden einerseits „nicht unvermögend“ seien, andererseits aufgrund der allgemeinen Lohnsteigerung mit Steuermehreinnahmen rechnen könnten.63 Überblickt man die vorstehenden Berichte, fällt auf, dass die Übertragung der Dienstländereien, obwohl seitens des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten und der Regierung diskutiert, nicht vorgeschlagen wurde. Mit Blick auf den Schulacker erscheint dies wenig verwunderlich, war doch bekannt, dass es sowohl im Domanium als auch in den Gebieten der Ritterschaft „bis zur allgemeinen Neuregelung der Besoldung der Volksschullehrer [...] bei den gegenwärtigen Bestimmungen“ bleiben würde.64 In Bezug auf die Dienstländereien der Schulzen indes wäre angesichts der oben geschilderten Diskussion eine Stellungnahme zu erwarten gewesen. Ebenfalls unerörtert blieb die Frage einer allgemeinen Dotation. Lediglich Ferdinand von Bülow-Trummer, leitender Beamter des Domanialamtes Grevesmühlen, erwog eine „Verbindung von ritterschaftlichen und domanialen Ortschaften zu einem gemeinsamen Gemeindebezirk“ und wies darauf hin, dass auch „die ritterschaftlichen Ortschaften eine angemessene Gemeinde-Dotation“ erhalten müssten.65 Alle anderen, von denen bekanntlich etwa die Hälfte auch als Kommissar für die ritterschaftlichen Güter in den einzelnen Aushebungsbezirken tätig war, vernachlässigten diese Frage. Auffällig sind ferner die vielfachen Bedenken, die die leitenden Beamten in ihren Berichten äußerten und das Ministerium veranlassten, die Pläne vorerst zurückzustellen. Bevor man sie wieder aufnehmen wollte, sollten,
60 Ebd., Bl. 89–92: DA Neubukow an MdI, 13. Mai 1919. Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 63–64. 61 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 103–106: DA Crivitz an MdI, 21. Mai 1919. 62 Ebd., Bl. 58–59: DA Neustadt an MdI, 26. April 1919. 63 Ebd., Bl. 79–82: DA Wredenhagen an MdI, 9. Mai 1919. 64 Voß, in: Landtag, 1920, 20. Sitzung, 2. Juni 1919, Sp. 629. Vgl. auch Brüshafer, in: Landtag, 1921, 17. Sitzung, 3. Nov. 1920, Sp. 632. 65 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 119: DA Grevesmühlen an MdI, 12. Juli 1919.
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wie von den mittleren Beamten gefordert, „besondere Richtlinien“ zur Dotation entwickelt werden.66 Ihre Ausarbeitung sollte ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Anfang Dezember 1919, wenige Tage bevor die Regierung die Landgemeindeordnung dem Landtag zur Beratung übergab,67 stellte das Ministerium des Innern sie den leitenden Beamten der Domanialämter vor. Festgelegt worden war, die Gemeinden „in erster Linie [mit] Land“ zu dotieren. Die entsprechenden Flächen sollten den Amtsreservaten bzw. den Pachthöfen entnommen und den Kommunen von der „Grundherrschaft, d. h. dem Staate“, unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Für den Fall, dass einzelne Hofpächter vertraglich nicht zur Hergabe von Land verpflichtet werden könnten und auch keine Amtsreservate vorhanden seien, war, „bis zur Beendigung der Pachtzeit des Hofes“, die Dotation der „neuen Landgemeinde durch einen verhältnismässigen Teil der Pachtaufkunft“ vorgesehen. In Bezug auf die Höhe bzw. den Umfang der Ausstattung war, anknüpfend an die Bestimmungen von 1868/69, beschlossen worden, den Gemeinden „grundsätzlich 5 % der nutzbaren Fläche der Feldmark (nach Abzug der Staatsforsten und erheblicher Gewässer)“ zu übertragen. Die der Dorfgemeinde bereits als Dotation übergebenen Ländereien waren hier allerdings mit einzubeziehen.68 Von einer Neudotation kann insofern nur in Bezug auf die Hofgemeinden gesprochen werden, die, einzeln oder mit einer oder mehreren Hofgemeinden zusammengelegt, zur Landgemeinde erklärt wurden. Bei der Vereinigung von Hof- und Dorfgemeinden hingegen handelte es sich nur um eine Nachdotation der um den Hof vergrößerten Dorfgemeinden. Die Dorfgemeinden selbst schließlich erhielten, wenn sie eine selbständige Landgemeinde bildeten, keine zusätzlichen Flächen. Möglicherweise suchte man durch die unterschiedliche Behandlung eine im Verhältnis zur Größe gleichmäßige Ausstattung der Landgemeinden zu erreichen. Gegen diese Annahme spricht allerdings die Entscheidung, die Schulzendienstländereien, die ja nur in Dorf- bzw. kombinierten Dorf- und Hofgemeinden vorhanden waren, den Kommunen „unabhängig von einer den Landgemeinden etwa noch zu gewährenden Dotation“ zu übertragen. Begründet wurde dies mit der Verpflichtung der Gemeinden zur Entschädigung des Schulzen. Bei der Übertragung der Kompetenz handele es sich insofern nur um die „Ablösung einer der Domanialverwaltung obliegenden Last“.69 Hieraus erklärt sich denn auch die zögerliche Haltung des Ministeriums für Landwirtschaft, das die „Entscheidung darüber, ob [den Landgemeinden] auch die Dienstländereien der Nebenschulzen [...] zu überweisen“ seien, solange aufschieben wollte, bis sicher sei, dass das Amt erhalten bleibe.70 Dessen ungeachtet bedeutete die Übertragung der Schulzenkompetenzen, so, wie sie geplant war, eine Besserstellung der aus Dorf- bzw. kombinierten Dorf66 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: MdI an DA, 24. Okt. 1919. Für das Zitat vgl. LHAS, 5.123/1, Nr. 981, Bl. 87: DA Ribnitz an MdI, 9. Mai 1919. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 55: DA Schwaan an MdI, 26. April 1919. 67 Vgl. Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1949–1956. 68 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 196–197: Aktennotiz MdI, 3. Dez. 1919 („Für die Aussprache mit den Aemtern am 9. d. Mts.“). 69 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: MdI an MfL, 20. Jan. 1920. 70 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MfL an MdI, 3. Feb. 1920.
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und Hofgemeinden hervorgehenden Landgemeinden gegenüber denen, die aus reinen Hofgemeinden entstehen und ebenfalls zur Entschädigung des Gemeindevorstehers verpflichtet werden würden. Dass auf diese Weise vor allem für die Pächter und Eingesessenen der Höfe ein Anreiz geschaffen werden sollte, Fusionen mit Dorfgemeinden zuzustimmen, erscheint allerdings eher unwahrscheinlich. Hiergegen spricht nicht zuletzt, dass die Schulzenkompetenzen nicht mehr als solche genutzt, sondern den Gemeindeländereien zugelegt werden sollten.71 Während über Stellung und Umfang der Dotation Einigkeit unter den Ministerien herrschte, wurde die Frage, wie die Flächen zu nutzen seien, unterschiedlich beantwortet. So trat etwa das Ministerium des Innern dafür ein, sie zu günstigen Konditionen an Einlieger und Tagelöhner zu verpachten. Das Ministerium der Finanzen hingegen kritisierte die aus dem 19. Jahrhundert stammende sozial- und arbeitsmarktpolitische Intention. Statt das Land unter der Hand „billig als Kompetenzland“ wegzugeben, befürwortete man hier eine öffentliche Versteigerung, wie sie teilweise in der Praxis bereits üblich war.72 Das Ministerium für Landwirtschaft unterstützte diesen Gedanken, sprach sich allerdings dafür aus, das Gemeindeland nicht nur „anderweitig“, sondern auch als Kompetenz zu nutzen.73 Beide Auffassungen konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Der Entwurf der Landgemeindeordnung verpflichtete die Kommunen zur Verpachtung der Ländereien an „Gemeindeangehörige“, die zum „Arbeiterstande oder einem diesen in wirtschaftliche[r] Beziehung gleichstehenden Stande“ gehörten.74 Die Mitglieder des Verfassungsausschusses folgten diesem Beschluss. Strittig waren lediglich die Fragen, wer kompetenzberechtigt sei, wie groß die Pachtstücke zu bemessen und zu welchen Konditionen sie abzugeben seien.75 Diskutiert wurde etwa, ob, wie seitens der DDP beantragt, auch die kleinen Handwerker, Kaufleute und Beamten Anspruch auf Gemeinde ländereien haben sollten. Im Mittelpunkt der Debatte stand jedoch die Höhe der Pacht. Während ein Vertreter der Sozialdemokratie forderte, die Gemeinden dürften aus der Verpachtung „keinen Gewinn haben“, erinnerten die meisten anderen Mitglieder des Verfassungsausschusses daran, dass die Ländereien als wesentliche Einnahmequelle der Kommune gedacht seien.76 Selbst der Regierungsvertreter wies darauf hin, dass eine Verpachtung, wenn sie „nur an kleinere Leute unter der Hand zu billigen
71 Vgl. Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Die Forderung, den Schulzen die Dienstländereien zu belassen, wurde ein letztes Mal im Februar 1920 auf der Hauptversammlung des Landesschulzenvereins gestellt. Vgl. MZ, 25. Feb. 1920. 72 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 198: MdF an MdI, 21. Nov. 1919. Vgl. dazu auch Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 61. 73 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: Bemerkungen MfL zum Entwurf Landgemeindeordnung, 18. Nov. 1919. 74 Entwurf Landgemeindeordnung, 8. Dez. 1919, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 249. 75 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. auch MN, 20. Feb. 1920; MW, 20. Feb. 1920. 76 Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349.
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Preisen“ erfolge, statt vielleicht 5.000 Mark nur 500 Mark bringe.77 Letztendlich ver zichtete der Verfassungsausschuss auf die Festsetzung einer konkreten Pachtsumme, verpflichtete die Kommunen aber, einen „angemessenen“ Preis für die Vergabe der Kompetenzen zu erheben. Freie Hand ließ das Gremium den Gemeinden auch in Bezug auf die Festlegung des Kreises der Berechtigten und der Größe der einzelnen Pachtstellen, die ursprünglich nicht mehr als einen Hektar umfassen sollten.78 Neben der Nutzung der Gemeindeländereien des Domaniums wurde im Verfassungsausschuss ferner die Frage einer allgemeinen Dotation erörtert. Nach Auskunft eines Regierungsvertreters sollten die Gemeinden nicht mit Kapital, „dessen Wert sinke“, sondern mit Land ausgestattet werden. Zur Bemessung des Umfanges war zunächst eine Ermittlung der Einsparung geplant, die dem Grundherrn durch die Übertragung der Wege-, Armen- und Schullasten an die Gemeinden erwuchs. Von dieser Summe sollte dann der Betrag, den er zukünftig als Grund- und Gewerbesteuer an die Gemeinde zahlen würde, abgezogen werden. Die Differenz schließlich hatte der Grundherr in Form von Land der Kommune als Entschädigung zu überweisen.79 Dieses Verfahren setzte zwei Dinge voraus: zum einen die vor allem im Bereich der Ritterschaft komplizierte Berechnung der bisherigen Ausgaben der Grundherrschaft, zum anderen die Ermittlung des zukünftigen Steueraufkommens. Beides würde, zumal ein Landessteuergesetz zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorhanden war, viel Zeit in Anspruch nehmen und bedeutete quasi die Aussetzung der Dotation. Dass die Regierung nicht auf die im Dezember 1919 für das Domanium erarbeiteten Richtlinien zugriff und jeder Landgemeinde fünf Prozent ihrer Gesamtfläche übertrug, erscheint verwunderlich, lässt sich aber mit dem nach größtmöglicher Gerechtigkeit trachtenden Anspruch, durch die Dotation nur die der Grundherrschaft abgenommenen Pflichten auszugleichen, erklären. Das 1916 durch die Stände vorgebrachte Argument, die Gemeindebildung führe zu einer – wenngleich gesetzlich legitimierten – Enteignung,80 war durch dieses Verfahren entkräftet. Gleichwohl wurde der Vorschlag weder im Verfassungsausschuss noch im Landtag diskutiert. In der Landgemeindeordnung selbst fehlte jeglicher Hinweis auf eine Neu- bzw. Nachdotation. Tatsächlich hatte die Regierung bereits am 25. Februar 1920 vor der Hauptversammlung des Landesschulzenvereins angekündigt, dass, „mit Rücksicht auf die finanziellen Lasten“, eine Ausstattung der Gemeinden mit Land zur Zeit nicht möglich sei.81 Dies bezog sich freilich nur auf das Domanium, erklärt aber, warum etwa in den Übergangsbestimmungen keine Verpflichtung zur Dotation aufgenommen wurde. 77 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 78 Bericht des Verfassungsausschusses über die Landgemeindeordnung. 2. Lesung, Berichterstatter: Gladischefski, 11. Mai 1920, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. Vgl. dazu auch Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 758, § 45; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: StM an Verfassunggebenden Landtag, 8. Dez. 1919. 79 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 349. 80 Vgl. Kap. 5.1, S. 124. 81 MZ, 25. Feb. 1920.
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Ungeachtet dieser Tatsache blieb die Frage einer Ausstattung der Gemeinden mit Land auf der Tagesordnung. Nur drei Monate später, Ende August 1920, wandte sich das Ministerium des Innern an die Räte der Städte und forderte sie auf, dort, wo außerhalb der städtischen Feldmark liegende Ortschaften zu Landgemeinden zusammengefasst werden sollten, „Gemeindeländereien bereitzustellen, damit sogenannte Einliegerkompetenzen (§ 45 der Landgemeindeordnung) gebildet werden können“.82 Die Städte reagierten zurückhaltend bis ablehnend. So gaben etwa Grabow, Güstrow, Parchim und Rostock an, den Gemeinden „bereits gegenwärtig“ Flächen zur „Verpachtung an kleine Leute“ zugewiesen zu haben.83 Tatsächlich war dies nur in Grabow der Fall, wo die vier bereits vor 1918 gemeindlich verfassten Dörfer über Gemeindeländereien zwischen 410 und 650 Quadratruten verfügten.84 In Güstrow bezeichnete der Rat der Stadt einfach das den Tagelöhnern der Güter „nach dem Landarbeitertarif zustehende Deputat an Land“ als Einliegerkompetenzen.85 Der Rat der Stadt Rostock schließlich gab die Forstarbeiterländereien, die „ohne Haus und Garten 180 QR groß“ waren, als Gemeindeland aus.86 Ähnlich verhielt es sich auch in Parchim.87 Die Städte Boizenburg, Waren und Wittenburg hingegen verwiesen darauf, dass es einerseits an Land, andererseits aber auch an Kompetenzanwärtern fehle, der Aufforderung also nicht nachgekommen werden könne und brauche.88 Auf diese Weise argumentierte auch der Rat der Stadt Ribnitz, der zudem darauf verwies, dass es den Bewohnern der Ortschaft Körkwitz „grundbriefmässig [...] untersagt“ sei, „Mieter [...] ohne Genehmigung“ aufzunehmen. Problemlos zur Übertragung eignen würde sich indes der Schulzenacker der Gemeinde Borg. Eine entsprechende Absichtserklärung vermied die Stadt allerdings.89 Ebenfalls vage äußerte sich, obwohl – außer auf den Kämmereigütern – „durchaus ausreichend“ Land zu Verfügung stünde, der Rat der Stadt Wismar.90 Durch Verhandlungen, die das Ministerium des Innern zwischen Mai und August 1921 mit den einzelnen Stadtverwaltungen führte, gelang es jedoch, die Städte zu Dotationen zu bewegen.91 Als problematisch erwies sich dabei nur, dass den Gemeinden das Land zu günstigen Konditionen nicht als freies Eigentum übertragen wurde und nach Ablauf der Pachtzeit wieder an die Stadt zurückfiel, d. h. den Kom82 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 594: MdI an Boizenburg, Grabow, Güstrow, Parchim, Plau, Ribnitz, Rostock, Tessin, Waren, Wismar, Wittenburg, 23. Aug. 1920. Vgl. auch ebd., Bl. 613: MdI an MfL, 23. Aug. 1920. 83 Ebd., Bl. 598–600: Rat Stadt Parchim an MdI, 24. Sept. 1920. 84 Vgl. ebd., Bl. 596: Rat Stadt Grabow an MdI, 3. Sept. 1920. Dies entsprach in etwa 0,9 bis 1,3 Hektar. 85 Ebd., Bl. 597: Rat Stadt Güstrow an MdI, 31. Aug. 1920. 86 Ebd., Bl. 604: Vermessungsamt Stadt Rostock an Kämmerei Rostock, 11. Sept. 1920. 87 Vgl. ebd., Bl. 598–600: Rat Stadt Parchim an MdI, 24. Sept. 1920. 88 Vgl. ebd., Bl. 595: Rat Stadt Boizenburg an MdI, 22. Sept. 1920; ebd., Bl. 606: Rat Stadt Waren an MdI, 8. Aug. 1920; ebd., Bl. 607: Rat Stadt Wittenburg an MdI, 27. Juli 1920. 89 Ebd., Bl. 602: Rat Stadt Ribnitz an MdI, 2. Sept. 1920. 90 Ebd., Bl. 609: Rat Stadt Wismar an MdI, 8. Okt. 1920. 91 Vgl. Schlesinger, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 38. Sitzung, 24. Jan. 1922, Sp. 1401–1403. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942: Amt Wismar an MdI, 2. Juni 1921.
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munen auch wieder entzogen werden konnte.92 Kritik daran, dass die Städte ihre Kämmereiortschaften „ohne nennenswerte Entschädigung [...] selbständig gemacht“ hatten, während sie selbst „sämtliche Fürsorge- und Schullasten, [das] Bürgermeistergehalt usw. losgeworden“ waren, wurde indes erst 1936 durch den Landrat des Kreises Parchim, Friedrich Roschlaub, geäußert. Er wies darauf hin, dass, wenn „hier keine andere Regelung zustande“ käme, die ehemaligen Kämmereiortschaften „niemals lebensfähig“ werden würden, und bat die Regierung, einen „gewissen Druck“ auf die Städte auszuüben.93 Einen „Zwang [...] zu[r] ausreichenden Dotation“ lehnte diese jedoch ab. Möglich sei die Übertragung von Land nur gegen Zahlung einer Entschädigung, die zu leisten jedoch sowohl der Staat als auch „die fraglichen Landgemeinden weder bereit noch in der Lage“ waren.94 Neben einer Dotierung der in den Kämmereien gebildeten Landgemeinden plante das Ministerium des Innern im August 1920 auch die Klosterortschaften mit Land auszustatten.95 Als Grundlage der Berechnung des Flächenumfangs sollten, in Anlehnung an das im Verfassungsausschuss vorgestellte Verfahren, die Lasten dienen, die in den vergangenen zehn Jahren vom Kloster getragen worden und nun von den Gemeinden zu übernehmen waren. Ein solcher Ausgleich würde, so die Kritik des leitenden Beamten der Landdrostei Röbel, Leo, allerdings nur auf „vage[n] Schätzungen und Vermutungen“ beruhen,96 da u. a. eine Umrechnung der vorwiegend in Naturalien entrichteten Leistungen notwendig wäre. Leo schlug stattdessen vor, den Gemeinden sämtliche Klosterländereien zu freiem Eigentum zu übertragen. Dieser Vorschlag war, da die Frage, ob die Flächen dem Staat oder der Kirche gehörten, juristisch noch nicht geklärt war, jedoch indiskutabel. Zunächst galt es, das Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche abzuwarten und die Forderungen auf ein rechtlich zu begründendes Maß zu reduzieren.97 Dessen ungeachtet wurde Mitte des Jahres 1923, wenige Wochen vor Verkündung des Berufungsurteils im Klosterprozess, den Ortschaften Kuhlrade, Poppendorf und Volkenshagen Land – „allerdings zunächst nur widerruflich“ – übertragen.98
92 Vgl. Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 70. Sitzung, 17. Jan. 1923, Sp. 2791–2792. Vgl. dazu auch die anschließende Debatte, in: Ebd., Sp. 2792–2805. 93 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 46: Kreis Parchim an Studemund, 21. Feb. 1936. Erwähnung hatte die Frage der Dotierung zuvor in der Haushaltsberatung 1924 gefunden, blieb hier aber eine Randnotiz. Vgl. Schulz, in: Landtag, 1926, 15. Sitzung, 5. Juni 1924, Sp. 655. 94 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 49: StM, Abt. Inneres an Kreis Parchim, 5. März 1936. 95 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: MdI an MfL, 23. Aug. 1920. 96 Ebd.: Landdrostei Röbel an MfL, 27. Dez. 1921. 97 Vgl. Sohm, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 12. Sitzung, 27. Mai 1921, Sp. 332; Burchard, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1201–1202. Vgl. dazu auch LHAS, 5.124/2, Nr. 763: MdI an MfL, 8. Nov. 1921; ebd.: Aktennotiz MfL, 4. Juli 1922; ebd.: Landdrostei Güstrow an MdI, 9. Juli 1921; Antrag der DNVP, 29. März 1922, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 186; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Landtag an StM, 31. Mai 1922. 98 Ebd.: MfL an MdI, 20. Sept. 1923. Zur Dotierung vgl. auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 21: DA Toitenwinkel an MfL, 12. Aug. und 30. Sept. 1920; ebd.: Ortsvorstand Volkenshagen an DA Toitenwinkel, 6. Aug. 1920.
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Obwohl das Oberlandesgericht Rostock dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin kurz darauf aus dem Klostervermögen 24.535 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche – darunter 8.821 Hektar Wald – zusprach,99 scheint der Gedanke, die ehemaligen Klosterortschaften zu dotieren bzw. zu entschädigen, wieder aufgegeben worden zu sein. Hierauf verweist u. a. die zwei Jahre später, 1926, geäußerte Bitte der Gemeinden Altenhagen, Dobbertin, Garden und Lohmen, die „noch nicht bis zu Ende durchgeführt[e]“ Dotierung abzuschließen und dabei, da andernfalls die „Lebens fähigkeit dieser erst durch die Landgemeindeordnung [...] errichteten Gemeinden [...] nicht gesichert“ werden könne, „in derselben Weise wie in den Domanialgemein den“ vorzugehen.100 Der Wunsch blieb unerfüllt. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt das Urteil des Staatsgerichtshofs vom 16. Oktober 1926, dass die Ansprüche Mecklenburg-Schwerins auf das Kloster- und Ständevermögen zurückgewiesen hatte.101 Hinzu kam eine sich aus weiteren Prozessen ergebende Verpflichtung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin, den in den Klöstern lebenden bzw. dort eingeschriebenen Stiftsdamen eine Entschädigung zu zahlen bzw. Deputate zu liefern.102 Doch noch mal zurück: Anfang Februar 1921, drei Monate, bevor das Ministerium des Innern in Verhandlungen mit den Städten trat und ein halbes Jahr, ehe mit den Vorarbeiten zur Dotierung der Klosterortschaften begonnen wurde, erklärte der sozialdemokratische Ministerpräsident Johannes Stelling, dass eine Nach- bzw. Neudotation der Domanialgemeinden „nicht in Frage“ käme. Er bestätigte damit die Ankündigung vom Mai 1920, hielt aber gleichzeitig an einer Überweisung der Dienstländereien der Schulzen und Nebenschulzen an die Gemeinden fest. Geplant war deren Übereignung sowohl im Domanium als auch in den Gebieten der Klöster.103 Insgesamt handelte es sich dabei um eine Fläche von 1.745 Hektar.104 Aus Sicht des Ministeriums für Landwirtschaft ging dieser Entschluss jedoch zu weit. Darauf hinweisend, dass die Kompetenzen der Nebenschulzen, nachdem deren Amt zunächst abgeschafft worden war, größtenteils eingezogen und durch den Staat neu verpachtet worden waren, forderte es, diese Ländereien nicht generell zu übertragen, sondern „von Fall zu Fall“ zu entscheiden.105 Das Ministerium selbst schlug, an die bestehende Übergangsregelung anknüpfend, vor, die Kompetenzen den Gemeinden nur dann zu übertragen, wenn dort auch ein Beauftragter tätig war. Darüber hinaus
99 Vgl. Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 104. Sitzung, 14. Dez. 1923, Sp. 5626. 100 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Gemeindevorstände Altenhagen, Dobbertin, Garden, Lohmen an MfL, 20. Dez. 1926. Konkret forderten sie, ihnen das „den Forstarbeitern von den Forstverwaltungen überwiesene Pachtland als Gemeindeländereien“ zu übereignen. Ebd. 101 Sivkovich, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 117. 102 Vgl. Pettke: Kloster- und Verfassungsfrage, S. 240–265. 103 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdI an MfL, 14. Feb. 1921. 104 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Landtagsvorlage, betreffend Überweisung der Schulzendienstländereien an die Landgemeinden. Anlage zu MfL an StM, 23. Aug. 1921. Die Gesamtfläche der Nebenschulzendienstländereien betrug 60 Hektar. Vgl. ebd. Vgl. auch Antrag, betreffend Entäußerung der staatlichen Schulzenländereien an die Landgemeinden, 9. Nov. 1921, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 110. 105 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MfL an MdI, 19. Feb. 1921.
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lehnte es alle „weitere[n] Dotationsansprüche“ ab.106 Das Ministerium des Innern hingegen regte an, auch die Gemeinden, deren Schulzendienstländereien vor 1918 veräußert worden waren, zu berücksichtigten und sprach sich dafür aus, diesen den damaligen Erlös oder wenigstens die „Zinsaufkünfte, der aus dem Verkaufe [...] erzielten Kapitalien“, die bislang ohnehin zur Finanzierung der Entschädigung des Schulzen genutzt wurden, zuzusprechen.107 Der Vorschlag blieb jedoch, wohl im Interesse einer Konsolidierung des Landeshaushalts, unberücksichtigt. Ende August 1921, nach Abschluss der oben erwähnten Verhandlungen mit den Städten, verabschiedete die im April aus DDP, DVP, SPD und Dorfbund gebildete Koalitionsregierung einen Gesetzentwurf, nach dem den Landgemeinden des Domaniums, gegen die Verpflichtung zur Übernahme der Verwaltungs- und Meliorationskosten „sämtliche in Staatseigentum befindlichen Schulzendienstländereien [...] zu Eigentum“ übertragen werden sollten.108 Dass die Vorlage beschlossen worden war, obgleich das Parlament aufgrund der Sommerpause nicht tagte, hing anscheinend mit den im Herbst bevorstehenden Gemeindevertreterwahlen zusammen und sollte den Schulzen bzw. den um das Amt kandidierenden Personen Sicherheit geben. Tatsächlich finden sich in den Akten Klagen von Gemeindevorständen, dass „kein Schulze weiss woran er steht“ und deshalb die Dienstländereien lieber dem „Unkraut“ überlasse, als Investitionen zu tätigen, deren Früchte er eventuell nicht ernten könne.109 Da diese Ungewissheit spätestens alle drei Jahre auftrete und ebenso wie der mögliche Wechsel in immer „neue Hände ein völliges Herunterwirtschaften der Äcker und Wiesen zur Folge haben würde“, war in „vielen Gemeinden de[r] Wunsch laut“ geworden, ihnen die Dienstländereien „als Eigentum zur freien Verfügung“ zu überweisen und eine bare Besoldung der Schulzen festzulegen.110 Da der Landtag erst wieder im November 1921 zusammentrat, blieb die Unsicherheit sowohl bei den Schulzen als auch bei den Gemeinden, die z. T. wohl schon mit den Einnahmen aus der Verpachtung der Dienstländereien rechneten, jedoch zunächst bestehen. Unverständlich erscheint in diesem Zusammenhang, warum der Regierungsentwurf nicht gleich auf die Tagesordnung der ersten Landtagssitzung nach der Sommerpause gesetzt, sondern erst Anfang Dezember verhandelt wurde,111 nachdem die sozialdemokratische Fraktion in einer kleinen Anfrage darauf verwiesen hatte, dass bei den Kommunalwahlen „zum größten Teil“ neue Schulzen gewählt worden und die Gemeinden dadurch „in die größten Schwierigkeiten“ gekommen 106 Ebd.: MfL an MdI, 6. Mai 1921. 107 Ebd.: MdI an MfL, 20. Mai 1921. 108 Ebd.: Landtagsvorlage, betreffend Überweisung der Schulzendienstländereien an die Landgemeinden. Anlage zu MfL an StM, 23. Aug. 1921. 109 Ebd.: Kruse an MdI, 22. Aug. 1921. 110 Ebd.: Amt Neustadt an MdI, 15. Aug. 1921. Vgl. dazu auch ebd.: MfL an Amt Boizenburg, 28. Okt. 1921. Seitens der Ämter wurde der Wunsch der Gemeinden „mit Rücksicht auf d[eren] geringe [...] Einnahmequellen [...] befürwortet“. Ebd.: Amt Neustadt an MdI, 15. Aug. 1921. 111 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1201. Für den Entwurf vgl. Antrag, betreffend Entäußerung der staatlichen Schulzenländereien an die Landgemeinden, 9. Nov. 1921, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 110. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: StM an Landtag, 9. Nov. 1921.
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seien.112 In der Begründung der sich am Entwurf des Verfassungsausschuss orientierenden Vorlage, die der Kammerrat im Ministerium für Landwirtschaft, Hermann Burchard, übernahm, wurde betont, dass sich die Übertragung der Dienstländereien aus der Übernahme der Entschädigungszahlungen der Schulzen durch die Gemeinden ergebe und somit als notwendige „Entlastung“ der Kommunen zu verstehen sei. Gleichzeitig wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die Gemeinden die Flächen nicht als Dienstländereien zu übernehmen brauchten, sondern nutzen könnten, um „ihr Kompetenzland zu vergrößern“. Im Gebiet der Klöster, wo, wie erwähnt, eine Regulierung der Dorffeldmarken noch ausstand, müsste es sich die Regierung allerdings „vorbehalten an Stelle der vorhandenen Schulzendienstländereien gleichwertiges anderes Land zu übereignen“.113 In der anschließenden Diskussion ergriff zunächst Friedrich Wehmer, Abgeordneter der SPD und Schulze der Gemeinde Plate im Amt Schwerin,114 das Wort. Er kritisierte, dass die Dienstländereien in einigen Orten neu verpachtet, in anderen sogar veräußert worden waren, obwohl spätestens seit August feststand, dass sie den Gemeinden übertragen werden sollten.115 Auf diese Weise war den Kommunen zum einen die Möglichkeit, über die Nutzung der Kompetenz frei zu entscheiden, zum anderen das Land selbst genommen worden. Da eine Aufhebung der geschlossenen Verträge nicht möglich war, forderte Wehmer, den Vorschlag des Ministeriums des Innern vom Mai 1921 aufnehmend, den betreffenden Gemeinden wenigstens „die aus dem bisher verkauften Schulzendienstland entstandenen Beträge“ zuzusprechen.116 Im Rechtsausschuss zeigte sich die Regierung zu einem Kompromiss bereit und bot an, den Gemeinden statt des Verkaufserlöses „ein dem früheren Schulzenland gleichwertiges Stück Land“ zu überlassen. Da sich hierfür jedoch keine parlamentarische Mehrheit fand, blieb die Vorlage unverändert.117 Dies galt auch in Bezug auf die Anregung des Deutschnationalen Magnus Knebusch, Bedingungen in die Verordnung aufzunehmen, die eine „Gewähr“ dafür böten, dass die Pachteinnahmen der Ländereien „auch später zur Erhaltung der Gemeinden verwendet werden“ würden.118 Ebenfalls keine Mehrheit fand der durch den Dorfbund eingebrachte Antrag, die Dienstländereien nur dort in Kompetenzland zu verwandeln, wo solches fehle, sie ansonsten aber ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend zu nutzen.119 Obgleich der Regierungsentwurf am 15. Dezember 1921 in seiner ursprünglichen Gestalt
112 Interpellation Moltmann und Genossen, betreffend die Regelung des Schulzenackers im Domanium, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 29. Sitzung, 23. Nov. 1921, Sp. 1006. 113 Burchard, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1201–1202. 114 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 178; Handbuch Landtag, 1921, S. 42. 115 Vgl. Wehmer, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1202. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: Landdrostei Schwerin an MfL, 1. März 1922; ebd.: Gemeindevertretung Grebs-Menkendorf an MdI, 12. Feb. 1922; ebd.: Amt Grabow an MfL, 14. Feb. 1922. 116 Wehmer, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1203. 117 Försterling, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 36. Sitzung, 15. Dez. 1921, Sp. 1358–1359. 118 Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1203. 119 Vgl. Försterling, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 36. Sitzung, 15. Dez. 1921, Sp. 1358–1359.
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mit großer Mehrheit angenommen wurde,120 blieben die im Rechtsausschuss behandelten Anträge weiterhin auf der Tagesordnung. Nur wenige Monate später, im April 1922, beschloss die Regierung eine Entschädigung der Gemeinden, deren Schulzendienstländereien in den Jahren zwischen 1869 und 1918 veräußert worden waren, und ordnete die Überweisung des damaligen Verkaufserlöses an.121 Hinsichtlich der Nutzung der ehemaligen Dienstländereien hingegen vermied die Regierung, ebenso wie ihre Nachfolger, eine Entscheidung. Bis 1945 blieb sie den Gemeinden überlassen. Dies führte mitunter dazu, dass sich in einigen Kommunen die vor 1918 nicht unübliche Praxis, dem zum Gemeindevorsteher gewählten „Erbpächter auch noch den größten Schulzenacker“ zu übertragen, erhielt. Die 1925 durch den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Karl Moltmann geäußerte Hoffnung, das als „Schulzenherrlichkeit“ bezeichnete Verfahren werde „in der nächsten Zeit ein Ende nehmen“, hatte sich nicht erfüllt. Gleichzeitig trug es, als Stein des Anstoßes, in einigen Gemeinden zur Politisierung der Bevölkerung bei.122 Dort, wo das Dienst- dem Gemeindeland zugelegt worden war, entstanden innerhalb der Gemeinden ebenfalls Diskussionen, in denen die bereits in der Debatte des Verfassungsausschusses aufgetretenen Probleme erörtert wurden. An erster Stelle stand dabei die Frage nach der Höhe der Pachtpreise. Forderungen nach allgemeinen Richtwerten, wie sie etwa vom Amt Neustadt gestellt worden waren, blieben jedoch unberücksichtigt.123 In Gemeinden, in denen Hofbesitzer und Büdner die Gemeindeversammlung dominierten, konnte es deshalb vorkommen, dass die Preise „bis zu einer Mark pro Quadratrute“ stiegen.124 Damit wurden die Ländereien für Kleinsiedler, an die sie nach den Bestimmungen des § 45 der Landgemeindeordnung zu
120 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 36. Sitzung, 15. Dez. 1921, Sp. 1359. Für die entsprechende Verordnung vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021 und Nr. 1027: MfL und MdI an Landdrosteien, 16. Dez. 1921. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763 und Nr. 764. Bei der Umsetzung gab es anscheinend keine Probleme. In den Akten findet sich lediglich ein Bericht der Landdrostei Toitenwinkel, in dem mitgeteilt wurde, dass die Übereignung der Schulzendienstländereien „seit Wochen“ stocke, weil „kein Beamter hierfür die Zeit erübrigen“ könne. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 10630: Landdrostei Toitenwinkel, ca. 1922. 121 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Rundschreiben MfL und MdI an Landdrosteien, 27. April 1922. Betroffen waren insgesamt 91 Gemeinden, aus denen in Summe 54 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche herausgelöst worden waren. Der Verkaufserlös betrug insgesamt 126.249,57 Mark. Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764. 122 Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1748. Vgl. dazu auch Ihlefeld, in: Landtag, 1926, 31. Sitzung, 5. Feb. 1925, Sp. 1768; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 308: Kreis Parchim an MdI, 23. Aug. 1935. Dort heißt es, sowohl auf eine fehlende Regelung als auch auf den Wunsch, mit dem Schulzenamt Nutzungsrechte am ehemaligen Dienstland zu erlangen, verweisend: „Sollen die Schulzenländereien grundsätzlich öffentlich meistbietend verpachtet werden, oder würde eine Verpachtung unter der Hand nach vorheriger Abschätzung durch die Beigeordneten und den Ortsbauernführer an den Bürgermeister erfolgen können, wenn der Bürgermeister Wert darauf legt, die Dienstländereien selbst zu bewirtschaften.“ 123 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942: Amt Wismar an MdI, 2. Juni 1921. Zu den geltenden Bestimmungen vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 65–69. 124 Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1748.
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einer „angemessene[n]“ Pacht abgegeben werden sollten,125 unerschwinglich.126 Der Grund dafür, dass der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Anspruch oft nicht erfüllt wurde, lag häufig an den finanziellen Belastungen der Kommunen, die sie drängten, die Pacht zu erhöhen. Im Amt Schwerin wurden 1922 gar Richtlinien für die Preisfestsetzung herausgegeben, deren Einhaltung, so die Kritik der lokalen SPD-Gruppen, für „viele der schon jetzt in bitterster Not lebende Kompetenzinhaber den Ruin“ bedeuten würde, den Gemeinden hingegen den Ausgleich ihrer Haushalte ermöglichen sollte. Aus Sicht der Sozialdemokratie war dies jedoch der falsche Weg. Statt die Pachtpreise zu erhöhen gab sie zu „bedenken, daß neben den Kompetenzinhabern in allen Gemeinden eine Gruppe lebt, die durch fortgesetzte Preissteigerung aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse in der Lage ist, durch Steuern die Finanzwirtschaft in der Gemeinde zu sichern“.127 Ungeachtet des Hinweises auf die landwirtschaftlichen Mittel- und Großbetriebe blieb das Gemeindeland, wie das „Freie Wort“ 1923 feststellte, die „milchende Kuh für die Gemeindekasse [...], die je nach Belieben ausgesogen“ werde.128 Sieben Jahre später, 1930, war der § 45 auch innerhalb der SPD umstritten. So regte etwa der Amtshauptmann des Amts Güstrow, Wilhelm Höcker, mit Blick auf die sinkenden Einnahmen der Kommunen an, die Pachtpreise der Gemeindeländereien zu erhöhen.129 Im Juni 1939 forderten schließlich sämtliche Landräte, die Nutzung der Kompetenzländereien neu zu ordnen.130 Notwendig war dies nicht zuletzt, weil mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 1934 der § 45 ebenso wie die gesamte Landgemeindeordnung ausgesetzt, den Gemeinden gleichzeitig aber das Kompetenzland als „speziell mecklenburgische Einrichtung“, die sich, so die Regierung, „seit über hundert Jahren bestens bewährt“ habe, belassen worden war.131 Eine einheitliche Regelung kam jedoch, darauf verweist nicht zuletzt die oben erwähnte Forderung der Landräte, nicht zustande. Neben einer Dotierung der Kämmerei-, Kloster- und Domanialortschaften war zwischen 1919 und 1923 wie erwähnt auch die Ausstattung der im Gebiet der Ritterschaft gebildeten Landgemeinden „wiederholt Gegenstand eingehender Erörterungen“.132 Seitens der Regierung wurde dabei jedoch stets ein ablehnender Standpunkt eingenommen, da die Gemeinden „in der Hauptsache [...] reine Gutsgemeinden“ waren, in denen es keine Kompetenzanwärter und kein Bedürfnis nach 125 Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 727–766, hier S. 758, § 45. 126 Vgl. Kleffel, in: Landtag, 1921, 21. Sitzung, 30. Nov. 1920, Sp. 838. 127 Das freie Wort, 3. April 1922. 128 Ebd., 20. Juni 1923. 129 Mecklenburgische Tageszeitung, 10. Juli 1930. 130 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 399–400: Tagesordnung zur Tagung der Landräte, 19./20. Juni 1939. 131 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 62–112: Bericht zur Deutschen Gemeindeordnung, 14. Feb. 1935. 132 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 936: MdI an StM, 10. Okt. 1922. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 934: MfL an MdI, 29. Sept. 1922.
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Gemeindeland gäbe.133 Im März 1923 brachte die sozialdemokratische Fraktion des Landtags allerdings einen Gesetzentwurf ein, der allen Gemeinden die Möglichkeit der Sozialisierung von Eigentum, u. a. im Interesse der Schaffung von Kompetenzländereien, geben sollte.134 Nur drei Monate später wurde das Gesetz verabschiedet und eine Enteignungsbehörde als Kontrollorgan gegründet.135 Damit war auch im Gebiet der Ritterschaft die Voraussetzung einer Dotation geschaffen, die Umsetzung allerdings gleichzeitig den Gemeinden übertragen worden. Tatsächlich wurde eine Ausstattung der Gemeinden mit Land seitdem nicht mehr diskutiert. Erst 1931 fand sie sich wieder auf der Tagesordnung. Der Antrag der SPD, den Gemeinden die Schuldienstländereien zu übertragen, fand jedoch keine Mehrheit.136 Das Staatsministerium erklärte sich ein Jahr später allerdings bereit, Einzelfallprüfungen vorzunehmen.137 Eine Dotation der Gemeinden wurde dann erneut 1935, diesmal durch Willi Burmeister, Landrat des Kreises Malchin und Vorsitzender des Mecklenburgischen Gemeindetages, erwogen. Sein Vorschlag, das „Eigentum an den staatlichen Reservaten [...], soweit es nicht zur Bildung von Erbhöfen bezw. Landarbeiter eigenheimen dienen kann, je nach Größe entweder dem Kreisausschuß oder den Gemeinden zu übertragen“,138 führte jedoch ebenfalls zu keiner Gesetzesinitiative. Vier Jahre später, 1939, unternahm der Kreis Malchin, diesmal gemeinsam mit dem Kreis Wismar, einen erneuten Vorstoß. Nachdem den Gemeinden die Kosten der Schulverwaltung auferlegt worden waren, forderten sie, den Kommunen als Entschädigung die Lehrerdotation zu übereignen,139 und leiteten damit die allgemeine Übertragung der Kompetenzen ein. Aufgrund der „Schwierigkeiten der Kriegszeit“ verzögerte sich die Übereignung jedoch; 1940 war sie „in den meisten Fällen noch nicht durchgeführt und zum Teil nicht einmal in Angriff genommen“ worden. Dass dennoch daran festgehalten wurde,140 zeigt die positive Bewertung der durch die großherzogliche Domanialverwaltung Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführten Dotation mit Land, die in gewisser Weise als „Feudalrest“ oder schlicht als Kontinuität der Verwaltungsgeschichte Mecklenburg-Schwerins bezeichnet werden 133 Schlesinger, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 38. Sitzung, 24. Jan. 1922, Sp. 1401. Vgl. auch Knebusch, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1919, Sp. 2663. 134 Vgl. Antrag der sozialdemokratischen Fraktion: Gesetz betreffend die Enteignung von Grundeigentum in den Landgemeinden des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, 28. Feb. 1923, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 309. Zur Begründung vgl. Reiland, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 78. Sitzung, 21. März 1923, Sp. 4130–4133. 135 Vgl. Enteignungsgesetz für die Landgemeinden. Vom 20. Juli 1923, in: Rbl. Nr. 92, 27. Juli 1923, S. 555–558; Bekanntmachung vom 27. Okt. 1923 über Bestellung des Vorsitzenden der Enteignungsbehörde und seines Stellvertreters gemäß § 12 des Enteignungsgesetzes für die Landgemeinden, in: Rbl. Nr. 159, 6. Nov. 1923, S. 827. 136 Vgl. Schroeder, in: Landtag, 1932, 32. Sitzung, 19. März 1931, Sp. 2615. 137 Vgl. Schroeder, in: Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4853. 138 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 966: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. LW u. D., 18. April 1939. 139 Vgl. ebd.: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. Unterricht, 18. April 1939. Zur Reform der Schulverwaltung vgl. Gesetz zur Änderung des Landesabgabengesetzes und von Schulgesetzen. Vom 17. Juni 1938, in: Rbl. Nr. 35, 26. Juli 1938, S. 197–201. 140 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 568: StM, Abt. Unterricht an Kreisschulbehörden, 30. Sept. 1940.
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kann. Gleichwohl ist hier festzuhalten, dass die Gemeinden zwischen 1921 und 1945 weitaus geringer ausgestattet wurden als 1869. Die Dotation beschränkte sich im Grunde auf eine Übertragung der Schulzen- und Schuldienstländereien, von denen in erster Linie die ehemaligen Domanial- und Klosterortschaften profitierten. In den Kämmereigebieten der Städte wurden den Gemeinden bekanntlich lediglich günstige Pachtkonditionen vermittelt. Eine Dotation darüber hinaus war den Gemeinden zwar durch das Enteignungsgesetz möglich, allerdings an die Zahlung einer Entschädigung gebunden. Dafür, dass die Regierung nicht auf die Pläne von 1916 zurückgriff und wie 1869 eine allgemeine Neu- bzw. Nachdotation anordnete, sprachen vier Gründe. Zum ersten hätte sie eine großangelegte Enteignungskampagne bedeutet, die – wie in Bezug auf die Städte und Klöster gezeigt – weder politisch noch rechtlich durchsetzbar gewesen wäre. Zum zweiten war, dies begründend, eine genaue Bemessung der Lasten, die von der Grundherrschaft an die Gemeinden übergingen, aufgrund fehlender Zeugnisse und der Tatsache, dass sie häufig in Naturalien geleistet wurden, schlicht nicht möglich. Drittens fehlte für die notwendig werdenden Entschädigungszahlungen das Geld, und viertens nahm man an, dass den Kommunen durch die Neuordnung des Steuerwesens ausreichende Einnahmen zur Verfügung stünden. Ungeachtet des relativ geringen Umfangs leisteten die den Gemeinden übereigneten Flächen jedoch einen Beitrag sowohl zur Stärkung der kommunalen Finanzen als auch zur Ansiedlung von Landarbeitern und trugen dadurch, dass die Entscheidung über ihre Nutzung den Gemeinden übertragen worden war, zur Demokratisierung und Politisierung vor allem der dörflichen Bevölkerung bei.
8.3 Einnahmen und Ausgaben. Eine Bilanz 8.3.1 Die finanzpolitische und wirtschaftliche Ausgangslage Während der ministeriellen Vorarbeiten und der parlamentarischen Verhandlungen zur Landgemeindeordnung ging es – abgesehen von den Fragen der Dotation sowie der Leistung von Hand- und Spanndiensten – nie um die finanzielle Ausstattung der Kommunen. In welchem Umfang die Gemeinden Steuern erheben durften, sollte im Rahmen eines Landesabgabengesetzes geregelt werden. Notwendig war dies nicht zuletzt aufgrund der seitens des Reiches beschlossenen Zentralisierung des Steuerwesens. Sämtliche Einnahmen liefen nun erst zusammen, wurden einem bestimmten Schlüssel entsprechend auf Land, Ämter und Kommunen verteilt und dann (zurück)überwiesen. Darauf, dass sich hieraus Differenzen ergeben würden, verweist die bereits im Mai 1919 durch die Gemeinde Arendsee beschlossene Steuersatzung, die für sich 50 Prozent der in der Kommune aufgebrachten Landessteuern beanspruchte. Die Satzung wurde durch das Ministerium des Innern wenig später aufgehoben. Die Behörde beendete damit nicht nur diesen, den unter den Gemeinden verbreiteten Wunsch nach Planungssicherheit dokumentierenden Alleingang, sondern sämtliche lokale Initiativen.141 141 Vgl. MVZ, 24. Mai 1919.
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Ein weiterer Grund für den Beschluss der Gemeinde Arendsee, der auch die Höhe der Forderung erklärt, lag in dem sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene zu beobachtenden Trend, den Landgemeinden möglichst viele staatliche Aufgaben und damit auch deren Finanzierung zu übertragen. Die Verwaltung des Guts Blücherhof im ritterschaftlichen Amt Lübz etwa stellte, mit Verweis auf die mit der Landgemeindeordnung den Gemeinden auferlegte Armenpflege, sämtliche Leistungen an die Altenteiler und Witwen des Guts ein.142 Dies war durchaus kein Einzelfall und beschränkte sich nicht nur auf das ritterschaftliche Gebiet.143 Mit dem Argument, durch die Fortnahme der „bisherigen Sonderrechte“ seien die ihnen auferlegten Pflichten der Gemeinde gegenüber nicht mehr zu rechtfertigen, wandten sich ferner die Hofbesitzer, Erbpächter und Büdner gegen die Heranziehung zu besonderen Leistungen. Sie forderten eine Übertragung der Aufgaben auf die Gemeinde und damit – dies sei nun einmal die „Kehrseite“ der politischen Emanzipation – die Verteilung der Kosten auf alle Einwohner. Geschehen sollte dies „natürlich nach Verhältnis des Einkommens“.144 Hintergrund dieser Debatte war, ähnlich wie bei den Hand- und Spanndiensten, auch die Sorge, dass künftig „Leute ohne eigenen Grundbesitz (Häusler und Einwohner) [...] über die Mittel der Grundbesitzer beschließen und verfügen“.145 Der Versuch, sich aus der Finanzierung der Gemeindeaufgaben zurückzuziehen, kennzeichnete allerdings nicht nur das Verhalten der als Ortsobrigkeit abgesetzten Gutsbesitzer und der ihrer Privilegien entledigten Hofbesitzer, Erbpächter und Büdner. Wie erwähnt, ist er auch im Handeln der Regierung erkennbar, die, ebenso wie die großherzogliche Regierung 1867/69, die Einführung der Selbstverwaltung nutzte, um den Staatshaushalt zu entlasten. Neben der den Gemeinden auferlegten Vergütung des sowohl kommunale als auch staatliche Aufgaben wahrnehmenden Schulzen ist der Beschluss, „nach Einführung der Landgemeindeordnung auch in den früheren klösterlichen Ortschaften staatliche Mittel für solche Zwecke [...], deren Erfüllung nunmehr Sache der Gemeinden ist“, nicht mehr aufzuwenden, zu erwähnen.146 Bislang wurden hier Leistungen an „bedürftige Tagelöhner, Altenteiler, Witwen, Invalidenrentner usw., die im Kloster bzw. in früher nicht gemeindlich verfaßten Kloster-Ortschaften wohnten“, übernommen.147 Für diejenigen Personen, die vor dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung eine Armenunterstützung erhalten hatten, blieb die Regelung allerdings bestehen. Eine Änderung erschien sowohl „im Interesse der Gemeinden“ als auch mit Blick auf die Betroffenen, die aufgrund der „zu erwartende[n] Haltung der neuen Gemeinden in Not geraten“ würden, „nicht 142 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 2: Notiz an Hennecke, März 1921. 143 Vgl. dazu etwa Kap. 6.4.2, S. 240–241. 144 MN, 19. Jan. 1919. 145 MN, 17. Jan. 1919. 146 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 1144: MfL an Landdrostei Güstrow, 28. Juli 1921. Vgl. auch LHAS, 5.124/2, Nr. 8663: MfL an Landdrostei Lübz, 28. Juli 1921; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 10630: MfL an Landdrostei Rostock, 28. Juli 1921; LHAS, 5.12-4/2, Nr. 17135: MfL an Landdrostei Waren, 28. Juli 1921. 147 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 19, Bl. 110: Mecklenburgisches Staatsrechnungsamt an MfL, 3. Juni 1926.
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wünschenswert“. Eine daraus abgeleitete Unterstützungspflicht lehnte der Staat jedoch ausdrücklich ab. Gezahlt wurden lediglich die laufenden, mit der Zeit „von selbst wegfallend[en]“ Leistungen, die sich in einem Umfang von 3.150 Mark bewegten.148 Die Entscheidung darüber, mit welchen Einnahmequellen die Selbstverwaltungskörper die staatlichen und freiwilligen Aufgaben zu finanzieren hatten, fiel schließlich im Oktober 1920. Dass der Landtag erst zwei Jahre nach der Revolution und fünf Monate nach Verabschiedung der Landgemeindeordnung über einen Finanzausgleich zwischen Land, Ämtern und Gemeinden beriet, lag – ähnlich wie bei der Ausarbeitung der Verfassung, die im Vergleich zu Mecklenburg-Strelitz relativ spät erfolgte – an fehlenden Bestimmungen des Reichs, die nicht nur als Vorbild dienen sollten, sondern zur Grundlage genommen werden mussten. Die Ausarbeitung eines Entwurfs war somit erst im Anschluss an die Verabschiedung des Landessteuergesetzes am 30. März 1920 möglich. Neben einer Verteilung der Steuereinnahmen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten wurden hier bereits Vorschläge unterbreitet, wie die Kommunen an den Steuereinnahmen beteiligt werden könnten, die endgültige Entscheidung in den meisten Fällen jedoch den Ländern überlassen.149 In Mecklenburg-Schwerin stand die aus DVP und DNVP gebildete Regierung auf dem Standpunkt, dass das Land den Gemeinden gegenüber „auf allzu große Teile der zur Verfügung gebliebenen Einnahmequellen nicht verzichten“ könne, da es sich „andernfalls unweigerlich der Gefahr des finanziellen Ruins aussetzen“ würde.150 Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Hans Hennecke hingegen hielt dies für eine falsche Prämisse und sah durch sie die Übernahme der „politischen Aufgaben, die den [...] Landgemeinden zustehen“, gefährdet. Seiner Ansicht nach müssten die Kommunen „von vornherein auf eine reelle finanzielle Basis gestellt werden“. Notwendig sei dies auch, damit der Gedanke der Dezentralisierung und Eigenverantwortlichkeit nicht diskreditiert werde und es abschätzig hieße: „Da sieht man nun, was die neuen Selbstverwaltungskörper leisten können. Sie können nichts.“151 Ganz ähnlich argumentierte auch der in Regierungsverantwortung stehende deutsch nationale Landtagsabgeordnete Knebusch. Er erinnerte darüber hinaus an die Schuldenlast der Landgemeinden, die sich „zum großen Teil sehr stark an der Zeichnung von Kriegsanleihen beteiligt“ und dafür sogar Kredite bei den Banken aufgenommen hatten.152 Generell zeigten die Parlamentarier aller Fraktionen Verständnis für die 148 Ebd., Bl. 108: MdF an MfL, 20. Juli 1926; ebd., Bl. 116: MdL an MfL, 21. Aug. 1926; ebd., Bl. 231: MdF an MfL, 23. Mai 1927. 149 Vgl. Landessteuergesetz. Vom 30. März 1920, in: RGBl. T. I, Nr. 60, 1. April 1920, S. 402–416. Eine Ausnahme bildete etwa die Beteiligung an der Umsatzsteuer. Vgl. ebd., S. 411, § 43. Zur Entstehung des Gesetzes vgl. Wysocki: Finanzzuweisung, besonders S. 38–45. 150 Vgl. Gesetz über die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben und Ausführungsgesetz zum Landessteuergesetz des Reiches vom 30. März 1920, 1. Okt. 1920, in: 1. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 36. 151 Hennecke, in: Landtag, 1921, 11. Sitzung, 20. Okt. 1920, Sp. 318. 152 Knebusch, in: Ebd., Sp. 322. Im Juni 1921 forderte der Landtag für die Kommunen das Recht, die für Kriegsanleihen aufgenommenen Kredite dem Staat als Steuerleistung in Rechnung zu stellen. Vgl. Antrag Pinkpank und Genossen, betreffend Annahme der Kriegsanleihezeichnun-
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Bedürfnisse der Kommunen und forderten, ihnen größere Steueranteile einzu räumen.153 Am radikalsten trat dabei der Abgeordnete der Unabhängigen, Hans Kollwitz, auf. Er riet den Gemeinden, „die Reichssteuern zu verbrauchen und sich den Teufel darum zu scheren, was das Land und das Reich hier unternehmen“.154 Dass diese Empfehlung wenig Aussicht auf Erfolg haben würde, hatte freilich bereits das Beispiel Arendsee gezeigt. Während der Beratungen im Steuerausschuss stand indes die finanzielle Situation der Städte im Vordergrund und wurde insbesondere durch Anträge der SPD zu verbessern gesucht.155 Die Landgemeinden waren nur zweimal Gegenstand der Diskussion. So schlug zum einen die deutschnationale Fraktion vor, den Anteil der Wertzuwachssteuer, der den Ämtern zugesprochen worden war, „in eine besondere Kasse zu leiten und sie ausschließlich im Interesse der Landgemeinde zu verwenden“, 156 zum anderen regte die Regierung an, bis zum Inkrafttreten der Landgemeindeordnung in den nicht gemeindlich verfassten Landesteilen den fünffachen Betrag der Grundund Gewerbesteuer zu erheben und die Einnahmen zu nutzen, um leistungsschwache Gemeinden zu dotieren bzw. – so der Ergänzungsantrag der DNVP – den eventuell dort zu bildenden Gemeinden zu überweisen. Sämtliche Anträge fanden jedoch keine Mehrheit.157 Abgelehnt wurde ferner der Wunsch der SPD, den Zuschlag der Kommunen zur Grund- und Gewerbesteuer auf zehn statt, wie durch die Regierung vorgeschlagen, auf vier Einheiten zu beschränken.158 Der Hinweis, die Landgemeinden wären andernfalls gezwungen, „zu anderen Steuermöglichkeiten zu greifen und aus den Kompetenzländereien ihren Steuerbedarf herauszuholen“,159 galt vielen wohl nicht als Gegenargument, sondern sprach – erinnert sei an die Debatte um den § 45 der Landgemeindeordnung – eher für den Regierungsvorschlag. Angenommen hingen der Gemeinden bei dem Reichsnotopfer, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 20. Sitzung, 24. Juni 1921, Sp. 708. Eine entsprechende Regelung kam jedoch nicht zustanden. Die Gemeinden blieben „auf Selbsthilfe angewiesen“. Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 22. Sitzung, 7. Juni 1921, Sp. 806. 153 Die DVP etwa trat dafür ein, die Gemeinden für die Steuererhebung zu entschädigen und stärker an der Gewerbesteuer zu beteiligen. Die DDP hingegen plädierte für eine höhere Zuweisung aus der Wertzuwachssteuer. Vgl. von Knapp, in: Landtag, 11. Sitzung, 20. Okt. 1920, Sp. 326; Wendorff, in: Ebd., Sp. 337. 154 Kollwitz, in: Ebd., Sp. 330. 155 So sollten die Städte etwa statt der Hälfte den vollen Betrag des in ihrem Bezirk erhobenen Zuschlags zur Grunderwerbssteuer und sämtliche Einnahmen aus der Grundsteuer erhalten. Vgl. Petersson, in: Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 912–913. 156 Ebd. 157 Vgl. Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 913. Vgl. dazu auch Landesabgabengesetz vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391–1403, hier S. 1398, § 25. 158 Vgl. ebd., S. 1398, § 24. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Ämter, 19. April 1921. Eine Steuereinheit bezeichnete die kleinste zu besteuernde Einheit. War diese bei der Grundsteuer beispielsweise auf einen Quadratmeter festgelegt, hatte der Besitzer von 100 m2 einerseits Steuern für die gesamte Fläche an das Land und – für den Fall, dass die Kommune ein Zuschlagsrecht von vier Steuereinheiten hat – für weitere vier Quadratmeter Steuern an die Gemeinde zu zahlen. Insgesamt musste er also Steuern für 104 m2 aufbringen. 159 Petersson, in: Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 941.
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gegen wurde der Antrag der SPD, den Gemeinden für die Erhebung der Landes steuern eine Entschädigung in Höhe von drei Prozent des aufkommenden Steuer betrags zu zahlen.160 Eine große Diskussion lösten schließlich auch die Bestimmungen zur Reichs einkommen- und Körperschaftssteuer aus. Debattiert wurde zum einen über die Höhe des steuerfreien Mindesteinkommens, das die Regierung auf Wunsch des Städtetages unter das im Landessteuergesetz des Reiches festgeschriebene Niveau gesenkt hatte,161 im Ergebnis der Verhandlungen jedoch wieder erhöhen musste.162 Zum anderen ging es um die Frage, wie der Anteil der Gemeinden an den neuen Steuern berechnet werden könne.163 Nach Maßgabe des Reichsfinanzministeriums sollten hier die „Einnahmen an direkten Steuern aus Einkommen und Vermögen“, also jenen Steuern, die infolge der Reichseinkommensteuer wegfallen würden, zur Grundlage genommen werden.164 Da in Mecklenburg-Schwerin weite Teile des Landes gemeindlich nicht verfasst waren und also auch keine Gemeindesteuern erhoben hatten, war dies jedoch nicht möglich.165 Das Reichsfinanzministerium versprach daraufhin den Kommunen einen besonderen Vorausanteil zu überweisen,166 hielt sich dann aber nicht an die Zusage.167 Die Forderung des Deutschnationalen Knebusch, ihnen aus Landesmitteln wenigstens einen gewissen Mindestanteil zuzu160 Landesabgabengesetz vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391–1403, hier S. 1400, § 33. Die drei Prozent entsprachen in etwa 100 bis 400 Mark. Vgl. Höcker, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 39. Sitzung, 25. Jan. 1921, Sp. 1445. Zur Diskussion um den Antrag vgl. Petersson, in: Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 914–915. 161 Vgl. Landessteuergesetz. Vom 30. März 1920, in: RGBl. T. I, Nr. 60, 1. April 1920, S. 402–416, hier S. 408, § 30. 162 Vgl. Landesabgabengesetz vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391– 1403, hier S. 1396, § 17. In einigen Fällen allerdings wurde die Verpflichtung zur Besteuerung des eigentlich steuerfreien Betrags beibehalten. Vgl. ebd. Zur parlamentarischen Diskussion vgl. Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 911 und Sp. 927–932; Landtag, 1921, 26. Sitzung, 9. Dez. 1920, Sp. 1068–1071. 163 Vgl. Petersson, in: Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 909. 164 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1001, Bl. 14: MdF an MdI, 23. Feb. 1920; ebd., Bl. 15: MdI an Ämter, Februar 1920. 165 Vgl. Gesetz über die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben und Ausführungsgesetz zum Landessteuergesetz des Reiches vom 30. März 1920, 1. Okt. 1920, in: 1. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 36. Vgl. auch Knebusch, in: Landtag, 1921, 11. Sitzung, 20. Okt. 1920, Sp. 322–323. Dort heißt es: „Es ist ein Unding, wenn die Beteiligung des platten Landes an der Reichseinkommensteuer lediglich davon abhängen soll, was bis dahin an Steuern aufgebracht ist. [...] Das platte Land hat in der Ritterschaft keine Steuern gekannt, und das Domanium hat seine Bedürfnisse in der Hauptsache durch Naturalien erhoben.“ Vgl. dazu auch Petersson, in: Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 909. 166 Bereits im Februar 1920 bat das Ministerium der Finanzen um „schätzungsweise Mitteilung, welche Beträge für die neu zu schaffenden Gemeinden und Gemeindeverbände erforderlich sein werden“, da „das Reich zugesagt“ habe, „auch für diese angemessene Beträge aus der Reichseinkommenssteuer zur Verfügung zu stellen“. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1001, Bl. 14: MdF an MdI, 23. Feb. 1920. Für das entsprechende Rundschreiben des MdI an die Ämter vgl. ebd., Bl. 15. 167 Vgl. Gesetz über die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben und Ausführungsgesetz zum Landessteuergesetz des Reiches vom 30. März 1920, 1. Okt. 1920, in: 1. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 36.
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sprechen,168 lehnte wiederum die Regierung ab, da eine „besondere Härte [...] für die in Frage kommenden neuen Landgemeinden“ nicht vorläge.169 Tatsächlich wurden bis Ende 1921, solange das „Soll der erstmaligen Steueraufkunft“ nicht feststand, „die früheren ritterschaftlichen Gemeinden mangels Unterlagen“ bei den „Abschlagszahlungen auf die Steueranteile [...] nicht berücksichtigt“. In einzelnen Fällen, in denen es Gutsbesitzern an Kapital mangelte, um in Vorleistung gehen zu können, genehmigte das Ministerium der Finanzen allerdings „Vorschüsse“.170 Im Domanium hingegen bildete das Aufkommen aus den „direkten Personalsteuern zu der Landeseinkommen- und Ergänzungssteuer“ die Grundlage der Berechnung des Anteils.171 Nach Ansicht der SPD sollten hierbei auch die Gemeindebeiträge berücksichtigt werden, da sie als direkte Steuern auf Anordnung des Finanzministeriums zwar aufgehoben, in dem zur Berechnung herangezogenen Steuerjahr 1919/20 aber noch erhoben worden waren.172 Die Forderung blieb, so scheint es, jedoch unberücksichtigt. Dass die Ermittlung des Anteils der einzelnen Kommunen trotz der gegebenen Anhaltspunkte nicht ohne weiteres möglich war bzw. zu Härten führte, zeigt der Beschluss des Landtags, Mindest- und Höchstsätze festzulegen. Diese sollten 20 bzw. 40 Prozent des im jeweiligen Gemeindebezirk aufkommenden Landesanteils betragen, der sich aus der Summe ergab, die das Land aus der Einkommen- und Ergänzungssteuer sowie der Notsteuer und der darauf angerechneten Ertragssteuer eingenommen hatte.173 Vom jeweiligen Prozentsatz zog das Land allerdings 40 Prozent für die Übernahme der persönlichen Volksschullasten ab.174 Neben den Einnahmen aus der Grund- und Gewerbesteuer, der Einkommenund Körperschaftssteuer sowie der Entschädigung für die Erhebung der Reichs- und Landessteuern erhielten die Landgemeinden ferner fünf Prozent des auf sie „entfal-
168 Vgl. Knebusch, in: Landtag, 1921, 11. Sitzung, 20. Okt. 1920, Sp. 322–323. 169 Gesetz über die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben und Ausführungsgesetz zum Landessteuergesetz des Reiches vom 30. März 1920, 1. Okt. 1920, in: 1. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 36. 170 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdF an MdI, 22. Juni 1921. 171 Gesetz über die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben und Ausführungsgesetz zum Landessteuergesetz des Reiches vom 30. März 1920, 1. Okt. 1920, in: 1. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 36. 172 Vgl. Hennecke, in: Landtag, 1921, 11. Sitzung, 20. Okt. 1920, Sp. 316. 173 Vgl. Landesabgabengesetz vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391– 1403, S. 1394–1395, §§ 12–13. Die von SPD und DNVP ausgehende Initiative wurde damit begründet, dass es „ungerecht sei, die Städte zu benachteiligen, die nicht irgendwie zu dem Landtage oder der Regierung Beziehung gehabt haben und daher nicht wie die anderen Städte, die solche Beziehungen hatten, den Steuerertrag des letzten Jahres, der nun für die Beteiligung an dem Reichseinkommensteueranteil zugrunde gelegt werden soll, so hoch gestellt haben, daß auch sie mit einem entsprechenden höheren Anteil beteiligt wurden“. Petersson, in: Landtag, 1921, 23. Sitzung, 2. Dez. 1920, Sp. 909. 174 Vgl. Landesabgabengesetz vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391– 1403, hier S. 1395–1396, § 15–16. Da diese Regelung nur auf einer groben Schätzung beruhte, wurde zugleich bestimmt, dass den Gemeinden nicht mehr als ein Viertel der tatsächlich entstehenden Kosten abgezogen werden durfte. Vgl. ebd.
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lenden Aufkommens“ der Umsatzsteuer,175 die Beträge der in ihrem Bezirk erhobenen Vergnügungssteuer sowie die Erlöse aus den durch sie erhobenen Zuschlägen zur Hunde-, Fremden- und Wohnungsaufwandssteuer.176 An der Grunderwerbs- und Wertzuwachssteuer hingegen wurden die Gemeinden, wie erwähnt, nicht beteiligt. Dabei hätten hiervon, so der Abgeordnete des Wirtschaftsbundes, Friedrich Bauer, vor allem die ohnehin finanziell schlechter gestellten Gutsgemeinden profitiert, die im Falle eines Verkaufs des Wirtschaftsbetriebs Anspruch auf „eine oder zwei Millionen Mark Steuern“ haben würden.177 Um die Einnahmen zu steigern, konnten die Landgemeinden indes Gebühren für die Unterhaltung der im öffentlichen Interesse geschaffenen Anlagen und Einrichtungen sowie Beiträge für deren Bau oder Renovierung erheben. So sie über Gemeindeländereien und Jagdreviere verfügten, standen ihnen ferner die Erlöse aus der Verpachtung der Nutzungsrechte zu.178 Für den Fall, dass sämtliche Einnahmequellen nicht ausreichten, um die Ausgaben zu decken, wurde den Gemeinden schließlich das Recht zugestanden, eigene Steuern zu kreieren.179 Tatsächlich mussten einige Kommunen bereits 1922 von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und eine Abgabe auf das Halten von Vieh erheben.180 War eine Gemeinde auch „bei Ausnutzung aller Besteuerungsmöglichkeiten nicht in der Lage, Fehlbeträge zu decken“, konnte sie 175 Landessteuergesetz. Vom 30. März 1920, in: RGBl Nr. 11, 1. April 1920, S. 402–416, hier S. 411, § 43. 176 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Ämter, 19. April 1921. Die Grundsätze der Besteuerung waren durch Ortssatzung festzulegen, mussten aber durch das Amt genehmigt werden; bei den Fleckengemeinden war der Landesverwaltungsrat zuständig. Vgl. ebd. 177 Vgl. Bauer, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 30. Sitzung, 24. Nov. 1921, Sp. 1106–1107. Für das Zitat vgl. Knebusch, in: Ebd., Sp. 1108. 178 Zur Übertragung des auf den Schulzen-, Schuldienst-, Kirchen- und Pfarrländereien liegenden Jagdrechts an die Gemeinden des Domaniums vgl. Gesetz über die Abtretung des bisher der Landesherrschaft zustehenden Jagdrechts. Vom 14. November 1919, in: Rbl. Nr. 182, 29. Nov. 1919, S. 995–997. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MfL an Kreisbehörde für Volksernährung Schwerin, 3. Feb. 1920. Mit den Jagdbezirken übernahmen die Gemeinden auch die Verpflichtung zur Entschädigung der „auf der Feldmark [...] vorkommenden Wildschäden“. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 762: MfL an Forstamt Wredenhagen, 23. April 1920. In den außerhalb des Domaniums gelegenen Gebieten wurde das Jagdrecht den Gemeinden, obwohl wiederholt insbesondere durch die DNVP gefordert, nicht übertragen. Von der Möglichkeit, die Rechte abzukaufen, wurde kaum Gebrauch gemacht. Die „meisten Gutsgemeinden“ hatten demzufolge „keine Einnahmen aus Gemeindeländereien, Jagdpacht usw.“ LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939. Zu den parlamentarischen Initiativen vgl. etwa Anfrage Warnemünde, Knebusch, betreffend Erwerbung des Jagdrechts der Gemeinden im Gebiete der Landesklöster, in: Landtag, 1921, 40. Sitzung, 2. März 1921, Sp. 1417; Anfrage Stier und Genossen, betreffend Schwierigkeiten, die der Einführung der Landgemeindeordnung in den früheren ritterschaftlichen und Kämmereidörfern begegnen, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 113; Schlesinger, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 38. Sitzung, 24. Jan. 1922, Sp. 1403. 179 Vgl. Landesabgabengesetz vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391– 1403, hier S. 1391, § 2. Die Zuschläge der Gemeinden zu den oben erwähnten Steuern galten nicht als Gemeindesteuern, sondern als Landessteuern. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Amt Güstrow, 6. Feb. 1923. 180 Ebd.: Landesverwaltungsrat an Ämter, 12. April 1922.
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beim Ministerium der Finanzen „zinslose Vorschüsse bis zur Höhe des gewährleisteten Anteils an der Reichseinkommensteuer“ beantragen.181 Dem aufgelisteten Konglomerat an Steuereinnahmen, Gebühren und Pacht erlösen182 stand eine ganze Reihe von Ausgaben gegenüber. Hierzu zählten in erster Linie die Kosten für das Armen- und Gemeindeschulwesen, den Wegebau, die Räumung von Gräben und Flüssen,183 das Feuerlöschwesen,184 die Erhaltung der Begräbnisstätten sowie die an die Hebamme und Totenfrau, den Nachtwächter und den Gemeindevorstand zu zahlenden Leistungen. Ferner hatte die Gemeinde im Bereich der Jugendfürsorge und Wohlfahrtspflege Aufgaben zu übernehmen und hier nach Lage des Haushalts die Anstellung einer Gemeindeschwester, die Schaffung von Bibliotheken etc. zu finanzieren. Im Falle eines Krieges waren zudem die Kosten der militärischen Einquartierung zu tragen.185 Nachdem im April 1921 die Gemeinden zu sich selbst verwaltenden Ämtern zusammengeschlossen worden waren, trat „zu den drei Steuergläubigern, Reich, Land und Gemeinden“, ein vierter hinzu, der, selbst wenn er als „neue[r] Konkurrent [...] mit der Bescheidenheit des Anfängers [...] zunächst auf die unmittelbare Besteuerung der Amtseingesessenen verzichte[n] und sich mit der Umlegung seiner Bedürfnisse auf die Gemeinden begnüg[en]“ würde, ein „Mehr an Steuern“ verlange, das, so Wilhelm Brückner, Ministerialdirektor im Justizministerium, in erster Linie „auf Kosten der Gemeinden“ erwirtschaftet werden müsse.186 Tatsächlich sollte sich die Amtsumlage sowohl für die Landgemeinden als auch die amtseingesessenen Städte als große finanzielle Belastung erweisen. Zur Berechnung des Anteils der einzelnen Gemeinde wurde auf einen „gemischte[n] Steuerfuss“ zurückgegriffen, der sich, aus Sicht des Ministeriums des Innern, im Domanium „in langer Praxis be währt“ hatte. Demnach waren die „Beitragsquoten zur Hälfte nach Verhältnis der Einwohnerzahl, zur Hälfte nach Verhältnis des Hufenstandes“, d. h. der „Grund stücksbonitierung mit angemessener Abrundung“, zu bestimmen. Statt einer Bewer tung der Ertragsfähigkeit sollten nun jedoch das Veranlagungssoll zur Reichsein kommensteuer oder die aufkommende Grund- und Gewerbesteuer herangezogen werden.187 Dieses Verfahren barg allerdings die Gefahr, dass „eine grössere Gemeinde mit steuerschwachen Einwohnern [...] viel stärker zur Amtsabgabe herangezogen“ werden würde als eine „sehr kleine Gemeinde mit steuerkräftigen Einwohnern“. Der 181 Ebd.: MdI an Ämter, 19. April 1921. 182 Für eine schematische Zusammenstellung der Einnahmen vgl. Abbildung 4 im Anhang. 183 Vgl. dazu auch Kap. 6.4.2. 184 Vgl. Landesfeuerlöschordnung. Vom 26. Januar 1924, in: Rbl. Nr. 8, 28. Jan. 1924, S. 41–45; Bekanntmachung vom 5. Februar 1926 zur Ausführung des § 12 der Landesfeuerlöschordnung, in: Rbl. Nr. 9, 16. Feb. 1926, S. 73. 185 Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 28–31. 186 Brückner: Amtsordnung. 187 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: MdI an Ämter, 17. Mai 1921. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5987: Amtssatzung Amt Dargun, 5. Juli 1922; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4480: Amtssatzung Amt Grevesmühlen, 3. Sept. 1921; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7780a: Amtssatzung Amt Waren, 1932.
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Vorschlag, den Gemeinden, wie in Preußen üblich, einen bestimmten Prozentsatz von den in ihrem Bezirk tatsächlich aufkommenden Steuern als Amtsumlage abzu ziehen, blieb unberücksichtigt.188 8.3.2 Der finanzpolitische Wandel während der Inflation Bereits im Juni 1921 scheinen die Ausgaben der Gemeinden, hierauf verweisen die sich mehrenden Anträge auf „zinslose [...] Vorschüsse“ aus der Grund- und Gewerbesteuer, deren Einnahmen überstiegen zu haben.189 Eine Ursache für den Kreditbedarf der Kommunen lag, so die Beobachtung der Landdrostei Schwerin, in dem „überall auftretenden Mangel an Mitteln [...] auf dem Gebiete des Schulwesens, der Wegebesserungen und Grabenräumung“.190 Verantwortlich dafür, dass die Gemeinden „vielfach in finanzieller Not verkümmern“,191 waren ferner die Versuche einzelner Ministerien und Abteilungen, den Gemeinden immer neue Aufgaben und damit Kosten aufzubürden,192 sowie steigende Sozial- und Armenlasten, die vor allem in den Gutsgemeinden drückend wirkten, während sie in den Dorfgemeinden durch die Verpachtung der Gemeindeländereien und Ausgleichszahlungen aus dem 1878 gegründeten Amtsarmenkassen- und Hülfsladefond häufig finanziert werden konnten.193 Durch Reparationslast und Inflation stiegen jedoch auch hier die Ausgaben im Bereich des Wohlfahrtswesens und der Daseinsfürsorge.194 Mit Blick auf die „Schwierigkeiten“, die „unter der Einwirkung der fortwährenden Geldentwertung bei einer Anzahl von Stadt- und Landgemeinden“ entstanden waren, regte die aus SPD, DVP und Dorfbund gebildete Koalitionsregierung im November 1921 an, einen Ausgleichsstock zur Unterstützung sogenannter „leistungs-
188 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4480: Gemeindevorstand Dassow an MdI, 21. Sept. 1922. Vgl. dazu auch ebd.: Gemeindevorstand Dassow an Amt Grevesmühlen, 29. Juli 1922. 189 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdF an Ämter, 22. Juni 1921. 190 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 33: Landdrostei Schwerin an MfL, 23. Mai 1921. In diesem Zusammenhang tauchte bekanntlich auch die Forderung auf, die von den Einwohnern beispielsweise zur Instandhaltung der Wege geforderten Hand- und Spanndienste nicht vergüten zu müssen. Vgl. dazu Kap. 6.4.2. 191 Scharenberg: Ämterverfassung. 192 Als Beispiel sei hier die Forderung des Ministeriums für Unterricht, Kunst, geistliche- und Medizinalangelegenheiten erwähnt, den Gemeinden einzelne Bereiche der Seuchenprävention und -bekämpfung zu übertragen. Da die Kosten „durch polizeiliche Maßnahmen“ entstanden, war die Finanzierung Aufgabe der Polizeibehörde und blieb damit zunächst, bis 1924, beim Staat. Danach oblag sie den Ämtern und Gemeinden. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 953: MfU an Landdrosteien, 8. Aug. 1921. Vgl. dazu auch ebd.: Muster-Satzung für Desinfektionen zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten. Für das Zitat vgl. ebd.: MdI an StM, Abt. Medizinalangelegenheiten, 19. Aug. 1921 (Hervorhebung im Original). 193 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 950: MdI an MdF, 19. Feb. 1921. Zum Fonds vgl. Verordnung, betreffend die bei den Domanial-Aemtern verwalteten Armen-Cassen- und Hülfslade-Capitalien, in: Rbl. Nr. 3, 6. Feb. 1878, S. 5–6. 194 Vgl. dazu allgemein Hansmeyer und Upmeier: Inflation, besonders S. 64–67.
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schwacher Gemeinden“ zu bilden.195 Anders als 1920 im Rahmen der Debatten um das Landesabgabengesetz seitens der DNVP vorgeschlagen, sollte der Fonds jedoch nicht aus Anteilen an der Wertzuwachssteuer, sondern durch die einmalige Erhebung eines Zuschlags von acht Steuereinheiten auf die Grund- und Gewerbesteuer gebildet werden.196 Aus Sicht der DNVP barg dieses Vorhaben gleich zwei Probleme: Zum einen hatten die Landgemeinden bereits das Recht, einen derartigen Zuschlag zu erheben, das ihnen nun wieder genommen werden würde, zum anderen galten als leistungsschwach vor allem die amtseingesessenen Städte und nicht die Landgemeinden. Für die Deutschnationalen stellte der Gesetzentwurf somit eine „unberechtigte Benachteiligung des platten Landes“ dar.197 Ganz anders urteilte der sozialdemokratische Abgeordnete Moltmann. Er verwies sowohl auf die „größere[n] Aufgaben“ der Landstädte als auch darauf, dass der Zuschlag, der in erster Linie die Gutsbesitzer betraf, in vielen Gemeinden, insbesondere dort, wo diese „ausschlaggebend“ waren, nicht erhoben worden war.198 Mit dem Gesetz würden nun, so Moltmann, die Gemeinden gezwungen werden, den Zuschlag zu erheben. Auf welche Weise dies geschehe, verdeutlichte er an der Reaktion der Krakower Stadtverordnetenversammlung. Das mehrheitlich aus Hausbesitzern bestehende Gremium hatte festgestellt: „Nu kamen wir nich mehr rüm“ und beschlossen, „wenn wir dat an den Staat betahlen söllen, dann wulln wir dat man lewer för de Gemeinde behollen.“199 Möglich war dies dem Gesetzesentwurf nach allerdings nur, wenn die Kommunen die Erhebung des Zuschlags vor dem 30. September beschlossen hatten, also zwei Monate bevor die Regierung ihren Initiativantrag einbrachte.200 Dass die Argumentation schief war, zeigt auch die ablehnende Reaktion der Regierungsmehrheit auf den Antrag der DNVP, den Erlös der Zwangserhebung nicht zur Bildung eines Fonds zu verwenden, sondern ihn dem Aufkommen entsprechend an die einzelnen Kommunen zurückzuüberweisen. Eine Annahme des Vorschlags hätte freilich das Gesetz als solches ad absurdum geführt. Eine Mehrheit für den Regierungsentwurf fand sich allerdings auch nicht; lediglich die SPD hielt noch an ihm fest.201 Der Wirtschaftsbund, ein Zusammenschluss aus Mittelstandspartei und Dorfbund, lehnte die eigene Vorlage mit Verweis darauf ab, dass selbst in den „großen Domanialdörfer[n] [...] über fünf Anteile 195 Keding, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 30. Sitzung, 24. Nov. 1921, Sp. 1101. Ein solcher Fonds war bekanntlich bereits im Rahmen des Landesabgabengesetzes diskutiert, vom Landtag allerdings abgelehnt worden. Vgl. dazu auch Asch, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 14. Sitzung, 1. Juni 1921, Sp. 467. 196 Vgl. Gesetz betreffend die Bildung eines Ausgleichsfonds zur Unterstützung leistungsschwacher Gemeinden, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 91. 197 Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 30. Sitzung, 24. Nov. 1921, Sp. 1103. 198 Moltmann, in: Ebd., Sp. 1105. Sein Parteikollege Albert Schulz kritisierte wenig später ganz allgemein, dass „besonders in dem früheren ritterschaftlichen Gebiet zu einem großen Teil die Steuerquellen, die vom Lande erschlossen worden sind, nicht ausgenutzt“ werden. Schulz, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1204. 199 Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 30. Sitzung, 24. Nov. 1921, Sp. 1105. 200 Vgl. Gesetz betreffend die Bildung eines Ausgleichsfonds zur Unterstützung leistungsschwacher Gemeinden, in: 2. ordentlichen Landtag, Drs. Nr. 91, § 2. 201 Vgl. Schulz, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 33. Sitzung, 7. Dez. 1921, Sp. 1204.
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nicht hinausgegangen“ worden war.202 Durch das Gesetz würden somit nicht nur „die ganzen Gutsbesitzer“, sondern auch viele Inhaber mittlerer und kleinerer Flächen „in Harnisch“ gebracht werden. Vor diesem Hintergrund und wohl nicht zuletzt auch, weil, so Moltmann, deren politische Vertreter „diese paar Tausend Mark“ nicht vergessen und die nächsten drei Jahre „herumschreien“ würden, was für „ein Verbrechen an der Landwirtschaft“ begangen worden sei,203 zog das Staatsministerium den Gesetzentwurf wieder zurück.204 In den Gemeinden indes wuchs das Bedürfnis und bestand schließlich die Notwendigkeit, die Einnahmen zu erhöhen. Nur ein Jahr später, im November 1922, gewährte die Regierung ihnen das Recht, auf die Grund- und Gewerbesteuer einen Zuschlag von bis zu 20 Einheiten zu erheben.205 Da die Erträge jedoch „in Anbetracht der inzwischen eingetretenen Selbstentwertung vollkommen unzulänglich“ waren und „in keinem Verhältnis“ mehr zu den Ausgaben standen, blieb die Finanznot der Stadt- und Landgemeinden bestehen und wuchs sich zu „einer Katastrophe“ aus. Anfang Februar 1923 forderte der Ämterverband für Mecklenburg-Schwerin deshalb, die Grundsteuer „den gegenwärtigen, sowie zukünftigen Verhältnissen“ anzupassen, d. h. sie auf eine Grundlage zu stellen, die garantiere, „daß der Geldwert bei der Veranlagung mit dem jeweiligen Stande der Mark in Einklang steht bzw. gebracht“ werden kann.206 Der nur einen Monat später, Anfang März, seitens der Regierung eingebrachte Gesetzentwurf, die Grundsteuer für landwirtschaftliche Grundstücke nach dem Wert des Roggens zu bemessen, fand im Parlament jedoch keine Mehrheit.207 In der Folge stiegen die Zuschläge zur Grund- und Gewerbesteuer in einzelnen Landgemeinden auf bis zu 150 Einheiten.208 Da das Land zur Deckung der Staatsausgaben selbst 448 Einheiten erhob und damit die „Belastungsfähigkeit des landwirtschaftlichen Grundbesitzes [...] vollkommen ausgeschöpft“ worden war, wurde all jenen Gemeinden, die eine Erhöhung der Zuschläge bislang vermieden hatten, eine solche nur noch im Rahmen der „bereits im November genehmigten 15 Einheiten“ gewährt. Darüber hinaus konnten sie lediglich Mittel aus einem nun kurzerhand gegründeten Fonds „für notleidende Gemeinden“ beantragen, für
202 Bauer, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 30. Sitzung, 24. Nov. 1921, Sp. 1107. Vgl. dazu auch Knebusch, in: Ebd., Sp. 1103. 203 Moltmann, in: Ebd., Sp. 1105. Vgl. dazu auch Bauer, in: Ebd., Sp. 1107. 204 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, Sachregister, Sp. 15. 205 Vgl. Moeller, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 63. Sitzung, 16. Nov. 1922, Sp. 2572; Knebusch, in: Ebd., Sp. 2576. 206 Entschließungen des Ämterverbandes für Mecklenburg-Schwerin, in: Das freie Wort, 3. Feb. 1923. 207 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 79. Sitzung, 22. März 1923, Sp. 4167–4168. Für die Vorlage vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Entrichtung der Grundsteuer für landwirtschaftliche Grundstücke nach dem Roggenwert, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 301. Zur parlamentarischen Debatte vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 74. Sitzung, 6. März 1923, Sp. 2966–2994 und 78. Sitzung, 21. März 1923, Sp. 4139–4166. 208 Vgl. Haushaltsplan des Freistaats Mecklenburg-Schwerin für das Jahr 1923, 3. März 1923, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 289.
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den, den Gedanken des Gesetzentwurfs vom November 1921 aufgreifend, „der Ertrag von 50 Einheiten der Grundsteuer [...] zurückgestellt“ werden sollte.209 Die Möglichkeit der Landgemeinden, Zuschläge zu erheben, blieb auch in den nächsten Monaten beschränkt. Der Grund dafür lag zum einen in der im Mai 1923 erfolgten Änderung des Landesabgabengesetzes, die den Ämtern eine Beteiligung an der Grundsteuer bis zur Höhe von zehn Einheiten gewährte,210 zum anderen in der Ende August seitens des Landes inflationsbedingt vorgenommenen Erhöhung des auf Grund- und Gewerbesteuer erhobenen Zuschlags, der nun 13.710 Einheiten betrug.211 Gleichzeitig wurden den Landgemeinden weitere 50 Einheiten zugestanden. Diese reichten jedoch, so die Kritik des sozialdemokratischen Amtshauptmanns und Landtagsabgeordneten Höcker, „bei weitem nicht aus, die Bedürfnisse auch nur der allerkleinsten Gemeinde zu decken“.212 Ende des Jahres schließlich erhielten auch sie das Recht, Zuschläge von bis zu 1.200 bzw. 800 Einheiten zu erheben.213 Angesichts der bereits durch das Land und die Ämter erhobenen Sätze war der Spielraum der Gemeinden jedoch begrenzt. Im Amt Rostock etwa beschränkte man sich auf 400 Einheiten.214 In einzelnen Kommunen, wohl insbesondere in den Guts- und Hofgemeinden, wurde gar gänzlich auf die Erhebung von Zuschlägen verzichtet.215 Möglich war dies, da einerseits „fast alle Gemeinden [...] wertbeständige Darlehn aufgenommen“ hatten, „um die notwendigsten Ausgaben leisten zu können“, andererseits vor allem in den Gutsgemeinden die „laufenden Ausgaben durch freiwillige Spenden“, d. h. seitens des Grundeigentümers, finanziert wurden. Während das Ministerium der Finanzen dieses Verfahren befürwortete und auch selbst dazu anregte, in der „Übergangszeit [...] Darlehn bei den Gemeindemitgliedern“ aufzunehmen, war es für Adolf Ihlefeld, Amtshauptmann im Amt Rostock, ein „unhaltbarer Zustand, dass die [...] Gemeinden von dem guten Willen einzelner Privatpersonen“ abhängig sein sollten.216 Tatsächlich bestand auch die Möglichkeit, einen staatlichen Kredit aufzunehmen. Im Interesse einer „geordneten und unabhängigen Selbstverwaltung“ hatte der sozi209 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4772: MdF an Amt Güstrow, 9. April 1923. Zur parlamentarischen Debatte und Beschlussfassung über den seitens der SPD beantragten Fonds vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 80. Sitzung, 23. März 1923, Sp. 4242–4254. Vgl. dazu auch Gesetz über die einstweilige Regelung des Staatshaushalts für 1923. Vom 26. März 1923, in: Rbl. Nr. 50, 7. April 1923, S. 283–284. 210 Vgl. Gesetz über die Abänderung des Landesabgabengesetzes. Vom 19. Mai 1923, in: Rbl. Nr. 67, 28. Mai 1923, S. 365. Bereits im September wurden den Ämtern Zuschläge bis zu 40 Einheiten zugebilligt. Vgl. Gesetz zur Änderung der Steuergesetze. Vom 29. August 1923, in: Rbl. Nr. 116, 5. Sept. 1923, S. 643. 211 Vgl. Gesetz über den 2. Nachtrag zum Haushaltsplan des Freistaates Mecklenburg-Schwerin für das Haushaltsjahr 1923. Vom 29. August 1923, in: Rbl. Nr. 116, 5. Sept. 1923, S. 644–645. 212 Höcker, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 93. Sitzung, 22. Aug. 1922, Sp. 5070. 213 Vgl. Keding, in: Landtag, 1923, 101. Sitzung, 6. Dez. 1923, Sp. 5392. 214 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6901: Amtsausschuss Amt Rostock an MdI, 3. Nov. 1923. 215 Vgl. Keding, in: Landtag, 1923, 101. Sitzung, 6. Dez. 1923, Sp. 5392; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5991: Amt Stavenhagen an MdI, 18. Nov. 1923. 216 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6901: Amt Rostock an MdI, 3. Nov. 1923.
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aldemokratische Finanzminister Julius Asch bereits im Februar 1923 angekündigt, den Kommunen ein Darlehen in Höhe von 200 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass die Kommunen, die „nicht oder nur schwer in der Lage“ waren langfristige Kredite zu erhalten, ihre „Aufgaben durch Anspannung ihres Bankkredits [...] bestreiten“ mussten; ein Verfahren, das „außerordentlich teuer und auf die Dauer unhaltbar“ war. Um ein Darlehen zu erhalten, mussten sich die Gemeinden allerdings verpflichten, die Kosten ihrer kommunalen Einrichtungen zu senken und dort, wo Gemeindeländereien vorhanden waren, die Pachtpreise, „wenn auch mit mäßigem Satz“, zu erhöhen.217 Statt der Landgemeinden profitierten jedoch nur einzelne Städte von der Staatsanleihe.218 Dies lag wohl nicht zuletzt daran, dass das Ministerium der Finanzen Anträge nur seitens der Ämter entgegennahm und diesen eine „besondere Umfrage“ unter den Landgemeinden verbot.219 Möglicherweise ging die Regierung, insbesondere die SPD, noch immer davon aus, dass hier, vor allem in den Hof- und Gutsgemeinden, die Steuerkraft der landwirtschaftlichen Betriebe ausreiche, aufgrund der politischen Mehrheiten in den Gemeindeversammlungen jedoch nicht ausgeschöpft werde. Wie groß die Belastung der Kommunen tatsächlich war, zeigt indes die Diskussion um die im September 1922 durch den Landtag beschlossene Grundausstattung der staatlichen Volks- und Mittelschulen, deren Finanzierung den Gemeinden übertragen worden war.220 Da den „meisten“ von ihnen die „erforderlichen Mittel“ fehlten,221 genehmigte das Ministerium für Unterrichtsangelegenheiten gleich zu Beginn Vorschüsse auf den „nächsten monatlichen Einkommenssteueranteil“.222 Aus Sicht der Kommunen handelte es sich hierbei jedoch um „keine durchgreifende Hülfe“. Im Gegenteil, durch eine Reduzierung der Einkommensteueranteile, die die „hauptsächlichste laufende Einnahmequelle“ der Landgemeinden bildeten, drohte deren gesamte „Finanzwirtschaft [...] zusammen[zu]brechen“. Vor diesem Hintergrund bat das Amt Parchim, die Frist, die Grundausstattung zu beschaffen, zu verlängern sowie im Falle einer zwangsweisen Beschaffung auf Vorschuss nicht mehr
217 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdF an Räte der Städte und Ämter, 24. Feb. 1923. In Thüringen war das Finanzministerium ebenfalls dazu übergegangen, die Vergabe von Krediten an „Sanierungsmaßnahmen“ zu knüpfen. Vgl. Hansmeyer und Upmeier: Inflation, S. 84. 218 Vgl. Haushaltsplan des Freistaats Mecklenburg-Schwerin für das Jahr 1923, 3. März 1923, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 289. Im August 1923 waren erneut Kredite an Landgemeinden in Aussicht gestellt worden; ob es zur Auszahlung kam, ließ sich jedoch nicht ermitteln. Vgl. Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 93. Sitzung, 22. Aug. 1923, Sp. 5052. 219 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdF an Räte der Städte und Ämter, 24. Feb. 1923. 220 Vgl. Bekanntmachung vom 7. September 1922 über Beschaffung von Lehrmitteln für die staatlichen Volks- und Mittelschulen, in: Rbl. Nr. 98, 14. Sept. 1922, S. 644–646. Vgl. dazu auch Volksschulunterhaltungsgesetz. Vom 10. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 10, 21. Jan. 1921, S. 75– 90. 221 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5621: Amt Parchim an Landtag, 26. Jan. 1923. 222 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 956: MfU und MdI an Ämter, 29. Dez. 1922. Vgl. Bekanntmachung vom 7. September 1922 über Beschaffung von Lehrmitteln für die staatlichen Volks- und Mittelschulen, in: Rbl. Nr. 98, 14. Sept. 1922, S. 644–646, hier S. 645.
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als 25 Prozent abzuziehen.223 Kritik übten ferner sowohl das Ministerium des Innern als auch das der Finanzen. Sie räumten ein, dass es „einem großen Teil der Gemeinden“ bei den „hohen Preisen der Lehrmittel [...] nicht möglich“ sei, diese zu beschaffen bzw. ihnen, würde an der Verpflichtung festgehalten werden, für die „lebensnotwendigen Ausgaben keinerlei Mittel mehr zur Verfügung“ stünden.224 Die Zahlung von Vorschüssen würde, so die Ministerien, das Problem nur hinausschieben, sei aufgrund der „bekannten Finanzlage der meisten Landgemeinden [...] die sofortige Erstattung hoher Beträge“ doch nicht möglich, ohne die „Aufrechterhaltung der gemeindlichen Verwaltung in Frage [zu] stellen“.225 Wolle man dies verhindern, müsste die Rückerstattung in Raten erfolgen, was im Umkehrschluss bedeute, dass die „Wiedereinziehung der [...] aus der Staatskasse verauslagten Beträge [...] teilweise Jahre in Anspruch nehmen“ werde. Die Bitte des Amts Parchim aufnehmend, schlugen die Ministerien deshalb vor, sowohl die „Frist zur Beschaffung der Lehrmittel“ als auch die Laufzeit der in Form der Vorschüsse gewährten Kredite zu verlängern.226 Ein „Nachgeben in der Erstattungsfrage“ lehnte das Ministerium der Finanzen hingegen kategorisch ab, würde dies doch dazu führen, dass der Staat die Grundausstattung bezahle. Um dies zu vermeiden, sollten die Ämter „die Steueranteile der in Frage kommenden Gemeinden“ einbehalten.227 Im Amt Bützow, wo insgesamt 17 Gemeinden betroffen waren und ein Betrag von zwei Millionen Papiermark ausstand,228 weigerte sich Amtshauptmann Friedrich Scheel jedoch, die Einkommensteueranteile der Gemeinden Schossin und Pinnow „zur Erstattung der vorschüssig gezahlten Kosten für Lehrmittel“ einzubehalten.229 Zwei Jahre später, 1925, reagierte die Regierung, die nun durch DVP und DNVP gestellt wurde, und gewährte eine Beihilfe von 80.000 Reichsmark.230 223 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5621: Amt Parchim an Landtag, 26. Jan. 1923 (Hervorhebung im Original). Ferner schlug das Amt vor, die „Beschaffung der noch fehlenden Lehrmittel von den Landdrosteischulbehörden einheitlich zu übernehmen [...], um durch den größeren Einkauf ermäßigte Preise zu erzielen“. Ebd. 224 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdF und MdI an MfU, 2. März 1923. 225 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7475: MdI an MdF, 14. Juni 1923. 226 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdF und MdI an MfU, 2. März 1923. Unbedenklich erschien dies, so die Einschätzung des Ministeriums der Finanzen, zumal die neuen Lehrmittel, hierzu zählten neben Büchern u. a. auch Wandkarten und -tafeln, „teilweise [...] unbenutzt bleiben werden, weil die älteren Lehrer nichts damit anzufangen wissen“. Ebd. 227 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7475: MdF an MdI, 27. April 1923. Zur internen Diskussion vgl. auch ebd.: MdI an MfL, 15. März 1923; ebd.: MdI an MdF, 14. April 1923; ebd.: MdF an MdI, 9. Juni 1923. Die gleiche Haltung nahm das Ministerium der Finanzen wenig später ein, als seitens der Gemeinden Anträge auf Vorschüsse zur Beschaffung von Feuerholz für die Schulen gestellt wurden. Vgl. ebd.: MdF an MdI, 14. Juni 1923. Entstanden war die Notsituation vor allem durch die Aufhebung der Viehsteuer, die „ein erhebliches Loch in die Rechnung“ der Gemeinden gerissen hatte. Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 93. Sitzung, 22. Aug. 1923, Sp. 5056. Vgl. dazu auch Höcker, in: Ebd., Sp. 5070. 228 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7475: Landdrostei Bützow an MfU, 17. März 1923. 229 Ebd.: Landdrostei Bützow an MdI, 3. März 1923. Vgl. auch ebd.: MdF an MdI, 14. Juni 1923. 230 Vgl. Landtag, 1926, 39. Sitzung, 26. März 1925, Sp. 2085–2086. Die Forderung der KPD, den Betrag zu verzehnfachen, lehnte der Landtag hingegen ab. Vgl. ebd. Ein Zuschuss wurde auch in den Haushalt für das Jahr 1926 aufgenommen, fiel da aber schon deutlich geringer aus. Vgl. Landtag, 1926, 75. Sitzung, 11. März 1926, Sp. 3720.
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Während einerseits die „Steuerkraft gerade der Landgemeinden“ immer dann, wenn Anträge der Gemeinden auf Zuschüsse vorlagen, als „keineswegs erschöpft“ galt,231 wurde andererseits, vor allem in konservativen Kreisen, die geringe Leistungsfähigkeit der Gemeinden betont, die eine Ausweitung der Kompetenzen der Selbstverwaltungskörper verbiete. So lehnte die Landtagsmehrheit im Mai 1923 die Anträge von SPD und DDP, den Ämtern und Gemeinden die Polizei- und Schulverwaltung zu übertragen, ab.232 Insbesondere, um die „kostspielige [...] Polizeiverwaltung“ zu übernehmen, seien, so die Begründung, die Einnahmen der Gemeinden „nicht [...] stark“ genug.233 Dass die Kommunen nach der Übertragung Gebühren und Bußgelder würden erheben können, wurde indes nicht thematisiert. Die Ausweitung ihrer Kompetenzen blieb allerdings auf der Tagesordnung.234 Ein Jahr später, Anfang 1924, stellte die Regierung es quasi in einem Alleingang ins Ermessen der Ämter, sich für eine Übernahme der Polizeiverwaltung zu entscheiden,235 was mehrheitlich auch geschah.236 Möglich war dies nicht zuletzt, da im Juni 1923 ein neuer Reichsfinanzausgleich geschlossen worden war, der u. a. eine Erhöhung der Landesanteile sowie eine Übertragung bislang vom Reich abgeschöpfter und neu eingeführter Steuern an die Einzelstaaten vorsah und damit auch den Gemeinden und Gemeindeverbänden mehr Einnahmen versprach.237 In Mecklenburg-Schwerin profitierten hiervon allerdings und nur in einem sehr bescheidenen Rahmen die Ämter; die Gemeinden blieben fast gänzlich unberücksichtigt.238 Für den sozialdemokratischen Amtshauptmann des Amts Stavenhagen, Burmeister, widersprach dies der Intention des neuen Landes231 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7475: MdF an MdI, 14. Juni 1923. 232 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 86. Sitzung, 15. Mai 1923, Sp. 4684–4692. Wenige Tage zuvor hatte die KPD beantragt, den Gemeinden sowohl die Verwaltung als auch die „Ausübung der Polizeigewalt“ zu übertragen. Der Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt. 1926 brachte die KPD den Antrag, um den Zusatz, als Polizeibeamte nur Arbeiter einzustellen, erweitert, erneut ein. Er wurde ebenfalls abgelehnt. Steinmann, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 85. Sitzung, 9. Mai 1923, Sp. 4607–4608. Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 85. Sitzung, 9. Mai 1923, Sp. 4612; Gerlach, in: Landtag, 1926, 74. Sitzung, 10. März 1926, Sp. 3672; Landtag, 1926, 74. Sitzung, 10. März 1926, Sp. 3674. 233 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 953: Aktennotiz Schlesinger, September 1923. 234 Vgl. dazu etwa Höcker, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 98. Sitzung, 7. Nov. 1923, Sp. 5269. 235 Vgl. Gesetz zur Abänderung der Amtsordnung vom 20. Mai 1920. Vom 16. Mai 1924, in: Rbl. Nr. 31, 28. Mai 1924, S. 179. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 953: StM an MdI, 12. Jan. 1924; ebd.: StM an Verband der Mecklenburg-Schwerinschen Ämter, 22. Jan. 1924. Zur öffentlichen Debatte vgl. RoA, 26. und 29. Jan. 1924; MN, 26. Jan. 1924. 236 Vgl. allgemein LHAS, 5.12-3/1, Nr. 953. Damit begann zugleich der Abbau der in der mittleren Verwaltung Mecklenburg-Schwerins existierenden Duplizität von Selbstverwaltungs- und Staatsbehörden. Die Übertragung der Aufgaben der Landdrosteien an die Ämter wurde 1928 abgeschlossen. Vgl. Gesetz über die Aufhebung der Landdrosteien. Vom 16. April 1928, in: Rbl. Nr. 22, 17. April 1928, S. 139. Vgl. dazu allgemein auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 561. 237 Vgl. Gesetz zur Änderung des Landessteuergesetzes vom 30. März 1920. Vom 23. Juni 1923, in: RGBl. T. I, Nr. 49, 5. Juli 1923, S. 483–494. 238 Vgl. Gesetz über die Abänderung des Landesabgabengesetzes. Vom 19. Mai 1923, in: Rbl. Nr. 67, 28. Mai 1923, S. 365. Eine Ausnahme bildete die Erhöhung der Entschädigung für die Erhebung der Landessteuern von drei auf fünf Prozent des aufkommenden Steuerertrages.
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steuergesetzes. Die Änderung sei, so Burmeister, nicht erfolgt, „um nur den Ländern Mehreinnahmen zu geben“, sondern „in erster Linie [...], um den Gemeindeverbänden und den Gemeinden grössere Einnahmen zur Verfügung zu stellen“. Er forderte, die „durch die Erzberger’sche Reichsfinanzreform geschaffene alleinige Steuerhoheit des Reiches“, die die Gemeinden „vollkommen an die Wand gedrückt“ und „infolge der ungeheuren Geldentwertung“ zu einer „Katastrophe“ geführt habe, aufzulockern und den Gemeinden u. a. die KfZ-Steuer zu überweisen.239 Der Gegenentwurf blieb jedoch unberücksichtigt. Eine Änderung der Gemeindefinanzen erfolgte dennoch bereits einen Monat später, im Dezember 1923, als die Regierung einen Gesetzentwurf einbrachte, durch den der Fehlbetrag im Nachtragshaushalt gedeckt und die Landessteuern von Papierauf Goldmark umgestellt werden sollten.240 Sich um Wertbeständigkeit bemühend, räumte der Entwurf den Gemeinden die Möglichkeit ein, bislang erhobene Beiträge zur Schaffung und Instandhaltung kommunaler Einrichtungen auch in Form von Sach- und Dienstleistungen einzufordern.241 Der sich noch in der Forderung nach einer baren Bezahlung der Schulzen dokumentierende Anspruch, in den Landgemeinden sämtliche Aufgaben durch die Erhebung von Geldbeiträgen zu lösen, war offensichtlich aufgegeben worden.242 Ferner sollten, so der sich nur auf das Haushaltsjahr beziehende Entwurf, sämtliche, die Zuschläge zur Grund- und Gewerbesteuer betreffenden Ortssatzungen aufgehoben werden. Die Zahl der Einheiten festzusetzen, bezeichnete die Vorlage während des angegebenen Zeitraums als Aufgabe des Staates und knüpfte damit an die bis dato erfolgten Eingriffe in die Steuerfreiheit und Selbstverwaltung der Gemeinden an. Anders als 1921 wurde eine zwangsweise
Vgl. ebd. Diese Regelung wurde jedoch bereits im Juli 1924 wieder rückgängig gemacht. Vgl. Gesetz zur Abänderung des Gesetzes über die Abänderung des Landesabgabengesetzes vom 19. Mai 1923. Vom 7. Juli 1924, in: Rbl. Nr. 38, S. 222. Vgl. dazu auch Landtag, 1926, 18. Sitzung, 26. Juni 1924, Sp. 879–881. Im Jahr 1925 sollte die Entschädigung auf ein Prozent abgesenkt werden. Der Regierungsantrag fand jedoch keine Mehrheit. Vgl. Gesetz über den Haushaltsplan des Freistaates Mecklenburg-Schwerin für das Rechnungsjahr 1925. Vom 4. April 1925, in: Rbl. Nr. 21, 11. April 1925, S. 105–118; Gesetz über den Haushaltsplan des Freistaates Mecklenburg-Schwerin für das Rechnungsjahr 1925, 12. Feb. 1925, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 124. 239 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5991: Amtshauptmann Amt Stavenhagen an MdI, 18. Nov. 1923 nebst Anlage, 4. Sept. 1923. 240 Vgl. Gesetz betreffend Umstellung der Landessteuern, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 409. 241 Vgl. Gesetz, betreffend Umstellung der Landessteuern. Vom 18. Dezember 1923, in: Rbl. Nr. 186, 21. Dez. 1923, S. 935–937. Vgl. dazu auch Walter, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 101. Sitzung, 6. Dez. 1923, Sp. 5407. Die Einforderung von Dienst- und Sachleistungen musste, ebenso wie bei der Erhebung von Gebühren üblich, durch die Gemeindeversammlung mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen werden. Vgl. dazu Krefft, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 103. Sitzung, 13. Dez. 1923, Sp. 5595. Vgl. auch Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 101. Sitzung, 6. Dez. 1923, Sp. 5401. 242 Vgl. dazu auch Kap. 6.4.2, S. 241–244.
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Beitreibung jedoch ausgeschlossen.243 Um eine „Überbelastung“ zu vermeiden, sollte es den Gemeinden, „die diese Steuerquelle glaubten nicht anspannen zu müssen, [...] freigelassen sein, durch Ortssatzung auf die Erhebung des auf die Gemeinde entfallenden Steueranteils ganz oder teilweise zu verzichten.“244 Aus Sicht der DNVP stellte die Regelung eine Belastung der Steuerzahler dar, die „unhaltbar“ sei.245 Angesichts der durch Reich und Land erhobenen Beiträge forderte sie, während der Debatte im Hauptausschuss des Landtags den Gemeinden bis zum 1. Juli 1924 das Zuschlagsrecht auf Grund- und Gewerbesteuer zu nehmen.246 Im Parlament indes trat sie wieder dafür ein, ihnen das Recht zu belassen, lehnte eine Festsetzung der Zuschläge durch den Staat über den erwähnten Zeitraum hinaus jedoch kategorisch ab. Sie würde, so der Abgeordnete Knebusch, „das Verantwortlichkeitsgefühl der Gemeindevertreter [...] schwächen“ und es den „Bürgermeister[n] [...] erschweren [...], höhere Zuschläge durchzudrücken, weil die Stadtverordneten dann sagen, wenn das Land einmal eine derartige Bestimmung getroffen hat, haben wir keine Veranlassung, uns mit der unangenehmen Pflicht der Steuerbewilligung zu befassen.“247 Nach dem 1. Juni 1924 wären seiner Ansicht nach die Gemeinden in der „Lage [...], selbst Zuschläge nach ihren eigenen Bedürfnissen festzusetzen“. Hinzu käme, dass die staatlich festgelegten Sätze „vor allen Dingen in [den] Landgemeinden, [...] zu hoch“ bemessen seien, was nur „zur Verschwendung von öffentlichen Mitteln“ führe.248 Hieran lässt sich deutlich erkennen, dass das Plädoyer des Abgeordneten und Gutsbesitzers Knebusch für die Selbstverwaltung in erster Linie eine höhere steuerliche Belastung des Großgrundbesitzes verhindern sollte. Eine Förderung kommunaler Verantwortung, die nicht nur in der Verwaltung des Mangels, sondern vor allem in der Übernahme und damit Finanzierung freiwilliger Leistungen im Bereich der Daseinsfürsorge bestand, war vordergründig nicht beabsichtigt. Der entsprechende Antrag, die Zuschläge der Gemeinden auf die Grund- und Gewerbesteuer nur bis zum 1. Juni 1924 durch den Staat festzusetzen, wurde mit einer Stimme Mehrheit angenommen.249 In der dritten Lesung empfahl die SPD die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, die „ruhig bestehen bleiben“ könne, da jede Gemeinde, „wenn sie nicht will, daß diese Zuschläge für sie erhoben werden sollen, [...] das durch einfache Ortssatzung“ beschließen könne.250 Die DNVP hingegen beharrte auf ihrem Standpunkt, da die Festsetzung der Zuschläge „vollkom243 Vgl. Gesetz betreffend Umstellung der Landessteuern, in: 2. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 409, §§ 2, 4, 6 und § 10. Dem Entwurf nach hatten die Landgemeinden zunächst bis zum 1. Juli 1924 ein Tausendstel des für das Land im Steuerbescheid veranlagten Steuerbetrags, danach die Hälfte zu erheben. Vgl. ebd. 244 Keding, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 101. Sitzung, 6. Dez. 1923, Sp. 5392. 245 Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 103. Sitzung, 13. Dez. 1923, Sp. 5604. Eine Woche zuvor, in erster Lesung, hatte die Partei die Gesetzesvorlage noch positiv bewertet. Vgl. Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 101. Sitzung, 6. Dez. 1923, Sp. 5400. 246 Vgl. Krefft, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 103. Sitzung, 13. Dez. 1923, Sp. 5595. 247 Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 104. Sitzung, 14. Dez. 1923, Sp. 5608. 248 Ebd., Sp. 5607–5608. 249 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 2, 103. Sitzung, 13. Dez. 1923, Sp. 5608. 250 Höcker, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 104. Sitzung, 14. Dez. 1923, Sp. 5643.
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men willkürlich“ erfolge. Vor allem in den „Landgemeinden, wo die einzelnen Gemeindemitglieder bereit sind, die Gemeindelasten aus eigener Tasche zu bezahlen“, wären sie „viel zu hoch“, in den Städten hingegen „zu niedrig“ bemessen.251 Hier findet sich das bereits 1921 in der Diskussion um den Ausgleichsfonds vorgebrachte Argument einer angeblich einseitigen Belastung der Landwirtschaft wieder. Diese Kritik beschränkte sich indes nicht auf Mecklenburg-Schwerin, sondern gehörte zum Standardrepertoire des ostelbischen Großgrundbesitzes bzw. dessen politischen Vertretern.252 In der SPD hingegen dominierte die Ansicht, vor allen in den Guts- bzw. Hofgemeinden würden die Steuerquellen bewusst und zu Lasten von Investitionen etwa im Bereich der Infrastruktur und Kultur nicht ausgeschöpft werden. Für sie stellte der Entzug der Steuerfreiheit insofern keine Maßnahme gegen die Selbstverwaltung dar, sondern sollte sie schützen und stärken. Das Parlament folgte dieser Einschätzung und stimmte dem Gesetzentwurf zu.253 Nur wenige Monate später, im Februar 1924, erfuhr die Regelung der Gemeindefinanzen eine weitere Neuerung. Durch die Dritte Steuernotverordnung des Reiches wurde der Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer für das folgende Kalenderjahr gestrichen. Sie waren nun auch hier von den Zuweisungen der Länder abhängig, denen statt der bisherigen zehn, nun 20 Prozent des Erlöses gewährt worden waren.254 In Mecklenburg-Schwerin nutzte das Land die sich bietende Möglichkeit und verringerte die Leistungen an die Gemeinden „um rund eine Million“ Mark. Diese Änderung wirkte sich umso einschneidender aus, als den Kommunen aufgrund einer „Neuregelung der Lastenverteilung für die Wohlfahrtspflege neue Aufgaben und neue Lasten erwachsen“ waren. Um die in den Gemeindehaushalten entstehende „Lücke“ zu schließen,255 sollten die als Inflationsgewinner geltenden Immobilienbesitzer stärker besteuert werden.256 Die konkrete Ausgestaltung einer entsprechenden Verordnung wurde jedoch ebenfalls den Ländern übertragen. In MecklenburgSchwerin sollte, anders als etwa in Preußen, die sogenannte Miet- bzw. Hauszinssteuer nicht nur vom städtischen Hauseigentum, sondern vom „gesamten bebauten Besitz“, d. h. sowohl vom vermieteten als auch von „gewerblich und landwirtschaftlich genutzten [...] Gebäuden“, erhoben werden.257 Angesichts der Regierungsneubildung durch DVP und DNVP mag dieser Vorschlag des deutschnationalen Finanzministers, Dietrich von Oertzen, etwas verwunderlich erscheinen. Die finanzielle Lage indes zwang zu einer Konsolidierung des Haushalts. Neben dem Land profitier251 Knebusch, in: Ebd. 252 Vgl. Pyta: Besteuerung Großgrundbesitz, besonders S. 364–378. 253 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 2, 104. Sitzung, 14. Dez. 1923, Sp. 5644 und Sp. 5655. 254 Vgl. Dritte Steuernotverordnung. Vom 14. Februar 1924, in: RGBl. T. I, Nr. 11, 14. Feb. 1924, S. 74–90, hier S. 82, § 39; Landessteuergesetz. Vom 30. März 1920, in: RGBl. T. I, Nr. 60, 1. April 1920, S. 402–416, hier S. 410–411, §§ 41–43. 255 Von Oertzen, in: Landtag, 1926, 11. Sitzung, 8. Mai 1924, Sp. 413. 256 Vgl. Dritte Steuernotverordnung. Vom 14. Februar 1924, in: RGBl. T. I, Nr. 11,14. Feb. 1924, S. 74–90, hier S. 79–81 und S. 84–85, §§ 26–36 und § 42. 257 Von Oertzen, in: Landtag, 1926, 11. Sitzung, 8. Mai 1924, Sp. 413–414. Vgl. auch Kreff, in: Ebd., Sp. 427–428.
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ten in Mecklenburg-Schwerin Ämter und Städte von der Miet- bzw. Hauszinssteuer. Die Landgemeinden hingegen erhielten lediglich das Recht, bei den Ämtern Zuschüsse zu beantragen. Gewährt werden sollten diese jedoch nur dann, wenn es Kommunen nicht gelang, ihre Ausgaben „mit den sonst zugewiesenen Steuerquellen und Einnahmen [...] zu decken“.258 Die Vorenthaltung von Steuereinnahmen bei gleichzeitiger Übertragung neuer, bislang staatlicher Aufgaben scheint allerdings kein spezifisch mecklenburgisches Phänomen gewesen zu sein. Aus Sicht des Leiters der Geschäftsstelle der preußischen Provinzialverwaltungen, Walter Moll, forcierte diese Haltung die ohnehin schon in fast allen Ländern zu beobachtende „Zurückdrängung der Selbstverwaltung“. 259 Dass die Sorge Molls auch in Bezug auf Mecklenburg-Schwerin nicht unbegründet war, zeigt die Debatte um ein neues Grund- und Gewerbesteuergesetz, die im November 1924 im Landtag geführt wurde. Obwohl das Landesabgabengesetz den Gemeinden bekanntlich nur einen Zuschlag von bis zu vier Einheiten gewährte und jede darüber hinausgehende Erhebung an die Zustimmung des Ministeriums für Finanzen gebunden war,260 trat die DNVP dafür ein, das „willkürliche Zuschlagsrecht der Gemeinden“ durch eine „nicht überschreitbare Grenze nach oben“ oder wenigstens eine „Erschwerung für die Erhebung höherer Zuschläge“ zu beschränken.261 Neben dieser gab es jedoch auch andere Positionen. So forderte etwa die DDP „in Übereinstimmung mit dem mecklenburgischen Städtetag“, den Gemeinden den gesamten Ertrag der Gewerbesteuer zu überlassen.262 Beide Initiativen fanden keine Mehrheit. Eine Möglichkeit, die Einnahmen der Kommunen zu erhöhen, bot sich im August 1925. Von der den Ländern durch das Reich auferlegten Verpflichtung, die Wertzuwachssteuer, die während der Inflation ausgesetzt worden war, wieder einzuführen,263 profitierten jedoch nur das Land selbst sowie Ämter und Städte.264 Der im Gesetzentwurf vorgesehene Ausgleichsfonds zur Unterstützung leistungsschwacher Gemeinden und Ämter, in den zehn Prozent des Ertrags hätten fließen 258 Erste Verordnung über die Erhebung eines Geldentwertungsausgleichs vom bebauten Grundbesitz vom 21. Mai 1924, in: Rbl. Nr. 33, 11. Juni 1924, S. 189–191, hier S. 190, § 10. Von ihrem Anteil hatten sowohl die Ämter als auch die Städte mindestens zehn Prozent für den Wohnungsbau zu verwenden. Vgl. ebd. 259 Vossische Zeitung, 3. Juni 1924. Vgl. auch Frankfurter Zeitung, 7. Juni 1924. 260 Vgl. Landesabgabengesetz. Vom 9. Dezember 1920, in: Rbl. Nr. 190, 21. Dez. 1920, S. 1391– 1403, hier S. 1398, § 24. 261 Knebusch, in: Landtag, 1926, 23. Sitzung, 4. Nov. 1924, Sp. 1200. 262 Moeller, in: Ebd., Sp. 1240. Vgl. auch Moeller, in: Landtag, 1926, 15. Sitzung, 5. und 6. Juni 1924, Sp. 713. 263 Vgl. Gesetz über Änderung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. Vom 10. August 1925, in: RGBl. T. I, Nr. 39, 15. Aug. 1925, S. 254–260, hier S. 256–258, §§ 11–12; Gesetz über Außerkraftsetzung des Wertzuwachssteuergesetzes. Vom 13. Dezember 1923, in: Rbl. Nr. 183, 18. Dez. 1923, S. 927. 264 Vgl. Wertzuwachssteuergesetz. Vom 18. Januar 1926, in: Rbl. Nr. 5, 23. Jan. 1926, S. 27–31, hier S. 30, § 23. Zur parlamentarischen Debatte vgl. Landtag, 1926, 67. Sitzung, 17. Dez. 1925, Sp. 3225–3239.
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sollen,265 war seitens der durch DVP und DNVP gebildeten Regierung wieder gestrichen worden;266 eine Entscheidung, die von der SPD, obwohl sie bekanntlich immer wieder einen Ausgleichsfonds gefordert hatte, mit getragen worden war.267 8.3.3 Die Beschränkung der kommunalen Finanzhoheit Ungeachtet der Kürzungen auf der Einnahmenseite konnte die Finanzlage der Landgemeinden 1925 wieder „allgemein als günstig“ bezeichnet werden. Erkennbar war dies zum einen daran, dass die „Gemeindekassenrechnungen [...] teilweise mit recht ansehnlichen Kassenüberschüssen abschlossen“, zum anderen Zuschläge auf die Reichs- und Landessteuern in „verhältnismäßig milder Form“, von „manchen Gemeinden“ gar überhaupt nicht erhoben worden waren.268 An der Politik des Reichs indes änderte sich wenig. Im März 1926 wurde die Umsatzsteuer269 und im April der Anteil der Länder an der Einkommen- und Körperschaftssteuer gesenkt.270 Ferner setzte das Reich die Höhe der den Gemeinden auf Grund- und Gewerbesteuer gewährten Zuschläge einheitlich fest271 und beschnitt damit sowohl deren Handlungsspielraum als auch den der Länder. Im Gegenzug stieg der Anteil der Länder an der Umsatzsteuer von zehn auf 30 Prozent und wurde ihnen der volle Ertrag der Kraftfahrzeug- und Rennwettsteuer übertragen.272 Als positiv kann darüber hinaus die Erneuerung der bereits 1923 erlassenen Bestimmung gewertet werden, Ländern 265 Vgl. Wertzuwachssteuergesetz, 8. Dez. 1925, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 201, S. 9, § 23. 266 Vgl. Ehrke, in: Landtag, 1926, 68. Sitzung, 14. Jan. 1926, Sp. 3286. 267 Vgl. Asch, in: Ebd., Sp. 3293–3294. Die KPD stellte den Antrag, den Selbstverwaltungskörpern das gesamte Aufkommen der Wertzuwachssteuer zu überlassen. Eine Erwähnung der Landgemeinden findet sich jedoch auch hier nicht. Möglicherweise waren nur Städte und Ämter gemeint. Vgl. Goldenbaum, in: Ebd., Sp. 3294–3295. 268 Dömitzer Zeitung, 23. Mai 1925. Diese Einschätzung traf auch auf die Gemeinden anderer Länder zu. Bereits im Juli 1924 hatte der Reichsfinanzminister Hans Luther „mit Genugtuung“ festgestellt, „daß die Finanzlage der Gemeinden wieder normalisiert sei und die Gemeinden über eine große Liquidität und genügend Einnahmen verfügten“. Wysocki und Upmeier: Finanzausgleich, S. 104. 269 Vgl. Gesetz über Steuermilderung zur Erleichterung der Wirtschaftslage. Vom 31. März 1926, in: RGBl. T. I, Nr. 18, 31. März 1926, S. 185–190, hier S. 185–186, §§ 2–7. 270 Vgl. Bekanntmachung der neuen Fassung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden (Finanzausgleichsgesetz). Vom 27. April 1926, in: RGBl. T. I, Nr. 24, 7. Mai 1926, S. 203–212, hier S. 206, § 22. Statt bislang 90 Prozent erhielten die Länder nun nur noch 75 Prozent. Gleichzeitig wurde ihnen jedoch ein Mindestaufkommen garantiert und ein Zuschlagsrecht erteilt. Vgl. ebd., S. 208, § 35. 271 Vgl. ebd., § 38. Die Grenze lag bei zwei bzw. dort, wo keine Wertzuwachssteuer erhoben wurde, bei vier Prozent des steuerpflichtigen Werts des zu veranlagenden Grundstücks bzw. Gewerbes. Vgl. ebd. 272 Vgl. ebd., S. 209, § 42. Vier Prozent wurden allerdings einbehalten. Sie galten als Entschädigung für die dem Reich obliegende Veranlagung und Verwaltung der Steuern. Vgl. ebd. Anteile an Kraftfahrzeug- und Rennwettsteuer waren den Ländern bereits 1923 zugesprochen worden. Vgl. Gesetz zur Änderung des Landessteuergesetzes vom 30. März 1920. Vom 23. Juni 1923, in: RGBl. T. I, Nr. 49, 5. Juli 1923, S. 483–494, hier S. 493, § 43c und § 43d.
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und Kommunen nur dann neue Aufgaben zu übertragen, wenn für die „Bereitstellung der erforderlichen Mittel“ Sorge getragen wurde.273 Vor dem Hintergrund dieser Neuordnung empfahl das Reich den Ländern, ihrerseits „einen Lastenausgleich zwischen [d]en Gemeinden [und] Gemeindeverbänden“ zu schaffen, der insbesondere die den Kommunen auf dem Gebiet des Armen-, Schul- und Polizeiwesens übertragenen Aufgaben und Kosten berücksichtige.274 In Mecklenburg-Schwerin wurden kurz darauf Gespräche mit Vertretern der Städte und der Ämter geführt. Die Landgemeinden hingegen blieben erneut ausgeschlossen. Für sie hatte sich allein die Deutschvölkische Freiheitspartei eingesetzt. Sie zog ihren Antrag, ihnen, ebenso wie den Städten und Ämtern, nicht nur einen Prozentsatz an den Landessteuern zu gewähren, sondern auch ein Mindestaufkommen zu garantieren, jedoch wieder zurück, da eine entsprechende Regelung, so die Auskunft des sozialdemokratischen Finanzministers Julius Asch, in Widerspruch zum Finanzausgleichsgesetz stehen würde.275 Dieses Hindernis hätte freilich durch ein wenig finanzpolitische Kreativität beseitigt werden können. Notwendig erschien eine großzügigere Ausstattung sowohl der Stadt- als auch der Landgemeinden nicht zuletzt, da die Steuereinnahmen rückläufig waren276 und steigende Ausgaben, vor allem im Bereich der Wohlfahrtspflege, dafür gesorgt hatten, dass die Überschüsse aus den Vorjahren „längst dahin“ waren. Die DNVP beantragte deshalb gemeinsam mit der DVP, den Städten und Landgemeinden einen Teil des Zuschusses zu überlassen, den das Reich den Ländern zur Wahrung eines Mindesteinkommens aus der Reichseinkommensteuer garantiert hatte.277 Die aus SPD und DDP bestehende Koalitionsregierung hingegen lehnte den Vorstoß ab. Sie schlug stattdessen vor, den Kommunen sämtliche Einnahmen aus der Gewerbesteuer „ohne Gegenleistung“ zu übertragen. Zugleich sollten, um die Not der Gemeinden zu lindern, eine Million Reichsmark in den Nachtragshaushalt für das Jahr 1926 eingestellt werden.278 Der Landtag folgte den Anregungen und nahm beide Anträge an.279 Die Forderung der konservativen Parteien, die vor allem die Landgemeinden finanziell besser stellen würde, blieb indes auf der Tagesordnung. Wenige Wochen 273 Bekanntmachung der neuen Fassung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden (Finanzausgleichsgesetz). Vom 27. April 1926, in: RGBl. T. I, Nr. 24, 7. Mai 1926, S. 203–212, hier S. 210, § 54. Vgl. Gesetz zur Änderung des Landessteuergesetzes vom 30. März 1920. Vom 23. Juni 1923, in: RGBl. T. I, Nr. 49, 5. Juli 1923, S. 483–494, hier S. 491, § 52. 274 Bekanntmachung der neuen Fassung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden (Finanzausgleichsgesetz). Vom 27. April 1926, in: RGBl. T. I, Nr. 24, 7. Mai 1926, S. 203–212, hier S. 210, § 57. 275 Vgl. Maertens, in: Landtag, 1926, 75. Sitzung, 11. März 1926, Sp. 3761 und Sp. 3766. 276 Der Betrag der in den Landgemeinden erhobenen Reichseinkommensteuer etwa sank zwischen 1925 und 1927 um ca. 400.000 Reichsmark. Vgl. Asch, in: Landtag, 1927, 14. Sitzung, 27. Jan. 1927, Sp. 961. 277 Heydemann, in: Landtag, 1927, 9. Sitzung, 2. Dez. 1926, Sp. 540 und Sp. 543. Vgl. dazu auch Anm. 269. 278 Asch, in: Landtag, 1927, 9. Sitzung, 2. Dez. 1926, Sp. 547. 279 Vgl. Landtag, 1927, 9. Sitzung, 2. Dez. 1926, Sp. 586.
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später, während der Debatte zum Haushaltsplan für das Jahr 1927, verlangte der Abgeordnete der DVP, Paul Walter, erneut, den Gemeinden den ihnen „zustehenden Anteil“ am Reichszuschuss zu gewähren.280 Der Antrag fand jedoch auch diesmal keine Mehrheit. Bewilligt wurde hingegen ein weiterer Zuschuss in Höhe von einer Million Reichsmark.281 Da die Oppositionsparteien dem Haushaltsplan die Zustimmung versagten und nur ein Nothaushalt verabschiedet wurde, konnten die Gelder vorerst allerdings nicht ausgezahlt werden. Kurze Zeit später strich das Ministerium diesen als Ausgleichsfonds bezeichneten Titel.282 Gerechtfertigt wurde dies durch einen neuen Finanzausgleich, der im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes zwischen Land, Ämtern und Gemeinden geschaffen werden sollte. Dessen Ziel bestand allerdings vornehmlich darin, die finanzielle Ausstattung der Ämter zu verbessern, denen die bislang den Landdrosteien obliegenden staatlichen Aufgaben übertragen werden sollten.283 Tatsächlich profitierten die Landgemeinden lediglich davon, dass die „wertbeständigen Lasten“, die bislang auf die Hauszinssteuer angerechnet worden waren, nun als Bestandteil der Grundsteuer galten.284 Positiv auf die Finanzen, allerdings nur einzelner Gemeinden, wirkte sich zudem die Möglichkeit aus, die bestehende Steuer- und Abgabenfreiheit der sogenannten Neusiedler aufzuheben.285 Da den Gemeinden gleichzeitig jedoch die Erhebung der Landessteuern und damit die dafür gezahlte Entschädigung entzogen286 sowie die zur Gewerbesteuer veranlagten Gegenstände und Kapitalien beschränkt, d. h. deren Erlös verringert wurde,287 verbesserte sich die finanzielle Ausstattung der Landgemeinden kaum. Angesichts dieser Entwicklung verwundert es nicht, dass der Versuch der aus SPD und DDP gebildeten Regierung, die Gemeinden durch die Zahlung von Zuschüssen etwa beim Kauf von Lehrmitteln zu „Mehrausgaben auf dem Gebiete der kulturellen Fürsorge“ zu bewegen,288 scheiterte. Insbesondere betraf dies die Guts280 Walter, in: Landtag, 1927, 15. Sitzung, 28. Jan. 1927, Sp. 1037. 281 Vgl. Landtag, 1927, 18. Sitzung, 2. März 1927, Sp. 1308. 282 Vgl. Asch, in: Landtag, 1928/29, 5. Sitzung, 16. Aug. 1927, Sp. 174; Schade, in: Ebd., Sp. 209. 283 Vgl. Keding, in: Landtag, 1927, 22. Sitzung, 23. März 1927, Sp. 1516–1517. 284 Steuervereinfachungsgesetz. Vom 9. April 1927, in: Rbl. Nr. 24, 11. April 1927, S. 77–79, hier S. 78–79, Art. 1, Abs. 7 und Art. 5. Vgl. auch Laubach, in: Landtag, 1927, 23. Sitzung, 31. März 1927, Sp. 1604. In erster Linie ging es hier um den Kanon, eine „dem Ursprung nach feudale Rente“, die jedoch häufig nicht mehr in Naturalien, sondern in Geld geleistet wurde. Burkhardt: Feudalreste, S. 36. 285 Vgl. von Oertzen, in: Landtag, 1927, 23. Sitzung, 31. März 1927, Sp. 1605–1606; Asch, in: Ebd., Sp. 1606. Die kommunalen Aufgaben waren bis dato vor allem durch den Eigentümer des Guts getragen worden. Ihre Übertragung auf die Gemeinde zog sich allerdings bis 1932 hin. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1038: MfL, Abt. Siedlungsamt an Ämter, 1. April 1932. 286 Vgl. Steuervereinfachungsgesetz. Vom 9. April 1927, in: Rbl. Nr. 24, 11. April 1927, S. 77–79, hier S. 79, Art. 5. 287 Vgl. ebd., S. 77, Art. 1. Vgl. dazu auch von Oertzen, in: Landtag, 1927, 22. Sitzung, 23. März 1927, Sp. 1527. Dort heißt es: „Bei der Gewerbekapitalsteuer [...] werden die Maschinen als Anlagekapital“ bezeichnet und „als Gewerbekapital mitbesteuert. Daran hat jetzt der Herr Asch [stellvertretend für das Land Mecklenburg-Schwerin – M. B.] nichts. Was macht er? Er nimmt diese Maschinen und sagt, das ist Grundvermögen. So wird den Gemeinden die Gewerbesteuer dezimiert.“ 288 Von Oertzen, in: Landtag, 1927, 19. Sitzung, 3. März 1927, Sp. 1356.
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und Hofgemeinden, deren Kassen, so der Landtagsabgeordnete der DNVP, Paul Burchard, selbst Inhaber eines Pachthofs,289 „letzten Endes [...] nur aus dem Geldbeutel der Besitzer oder Pächter“ bestanden.290 Durch die allgemeine Grundsteuererhöhung der Regierung ohnehin schon stark belastet, sprachen sie sich in den Gemeindeversammlungen gegen derartige Ausgaben aus, da diese zu einer Erhöhung der die Haupteinnahmequelle bildenden kommunalen Zuschläge führen würden. Ganz ähnlich argumentierten sie auch in Bezug auf die seitens des Landes gezahlten Beihilfen für die sogenannten Minderbemittelten. Um sie zu erhalten, musste ein Eigenanteil in Höhe von 25 Prozent aufgebracht werden.291 Hinzu kam, dass viele Landgemeinden trotz „Anspannung aller steuerlichen Kraft nicht in der Lage“ waren, selbst die ihnen gesetzlich auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen.292 Die Regierung sah sich gezwungen, den gestrichenen Ausgleichsfonds wieder einzuführen. Diesmal sollten jedoch lediglich 400.000 Reichsmark zur Unterstützung leistungsschwacher Gemeinden bereitgestellt werden. Der Antrag wurde gegen einigen Widerstand, vor allem seitens der DNVP und der Wirtschaftspartei,293 angenommen.294 1930 und 1931 mussten ebenfalls Beihilfen, diesmal in Höhe von 50.000 bzw. 400.000 Reichsmark, bereitgestellt werden.295 Die wohl größte Belastung der Kommunen zwischen 1927 und 1932 stellten die steigenden Ausgaben in der Sozial- und Kleinrentnerfürsorge dar. Im Amt Rostock etwa war „eine grosse Zahl von Gemeinden mit den freigegebenen Grundsteuereinheiten nicht ausgekommen“, so dass in einigen von ihnen „bis zu 20 Einheiten und darüber erhoben“ werden mussten.296 Aus Sicht des deutschnationalen Landtagsabgeordneten Heinrich Heydemann drückten die Wohlfahrtslasten „derartig“, dass, wenn nicht „baldigst Abhilfe“ geschaffen werde, sich ein neuerlicher „Zusammenbruch“ der kommunalen Finanzen nicht vermeiden lassen würde.297 Negativ auf die Landgemeinden wirkte sich ferner die im April 1928 erfolgte Übertragung der bislang durch die Landdrostei verwalteten Aufgaben auf die Ämter aus. Hier hatte sich die bereits während der Debatte um das Steuervereinfachungsgesetz seitens der DNVP geäußerte Befürchtung, die Erhöhung der den Ämtern überlassenen Grundsteuerzuschläge werde zu einer stärkeren Belastung vor allem der ländlichen Gemein-
289 Vgl. Staatshandbuch, 1927, S. 195. Schulze der Gemeinde Roez, zu der der Pachthof gehörte, war der bei Burchard angestellte Verwalter, ein Angehöriger der Familie. Vgl. ebd. 290 Burchard, in: Landtag, 1927, 18. Sitzung, 2. März 1927, Sp. 1243. 291 Vgl. von Oertzen, in: Landtag, 1927, 19. Sitzung, 3. März 1927, Sp. 1355. 292 Asch, in: Landtag, 1929, 5. Sitzung, 16. Aug. 1927, Sp. 174. 293 Vgl. Laubach, in: Ebd., Sp. 187; von Oertzen, in: Ebd., Sp. 186. Dort heißt es: Der Ausgleichsfonds sei „notwendig“ geworden, „weil das Steuervereinfachungsgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden einen Teil ihrer finanziellen Grundlagen entzogen“ habe. 294 Vgl. Asch, in: Landtag, 1929, 5. Sitzung, 16. Aug. 1927, Sp. 174. 295 Vgl. Wolff, in: Landtag, 1932, 14. Sitzung, 18. März 1930, Sp. 1044–1045; Wolff, in: Landtag, 1932, 32. Sitzung, 19. März 1931, Sp. 2663. 296 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6897: Amt Rostock an MdF, 10. April 1928. 297 Heydemann, in: Landtag, 1932, 34. Sitzung, 9. April 1931, Sp. 2818.
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den führen,298 bewahrheitet. Im Amt Ludwigslust etwa mussten zur Deckung des Haushaltes sieben, im Amt Rostock neun Einheiten erhoben werden.299 Die meisten Zuschläge schließlich beanspruchte das Amt Hagenow. 1930 beantragte es „im Gegensatz zu den übrigen Ämtern für eine grosse Zahl von Landgemeinden eine weitere Erhöhung der schon bisher verhältnismässig hohen Zahl der Grundsteuereinheiten“ auf „über 40 [...], vereinzelt sogar 99 Einheiten“. Eine solche „Belastung der Pflichtigen“ erschien dem Ministerium der Finanzen jedoch „untragbar“. Das Gesuch wurde abgelehnt.300 Wie in allen anderen Ämtern auch sollte der Etat durch eine „scharfe Prüfung der Haushaltspläne der Landgemeinden“ ausgeglichen werden.301 Um die Kommunen zu entlasten, wurde im Januar 1930 gar empfohlen, die „Gemeindeausgaben im weitesten Umfange durch Naturalleistungen [...] beschaffen“ zu lassen. Geeignet sei dieses Verfahren vor allem in den Hof- bzw. Gutsgemeinden, wo, so die Ministerien der Finanzen und des Innern, „die Steuerlast fast ganz oder ausschließlich nur einen Steuerträger“ traf.302 Neben Sozial- und Wohlfahrtsleistungen ging es hierbei auch um die Vergütung von Hand- und Spanndiensten. Hiergegen wandte sich jedoch das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Entgegen den rechtlichen Bestimmungen würden die „satzungsgemäß zur Forderung eines Entgelts Berechtigte[n]“ zu einem „Verzicht auf Bezahlung“ gezwungen bzw. die Gemeinden genötigt werden, „die unentgeltliche Leistung d[ies]er Dienste“ zu beschließen. Dadurch entstünde jedoch „ein schiefes Bild von den Aufgaben und tatsächlichen Lasten der Gemeinde“, das dazu verleiten könne, den Gemeinden Einnahmen zu kürzen oder weitere Aufgaben zu übertragen.303 Dies befürchtete auch der Verband der Mecklenburgischen Ritterschaft und warnte die Gutsbesitzer davor, „der Gemeindeverwaltung gegenüber die bindende Zusicherung zu geben, derartige Arbeiten in Naturalleistungen und Dienst ohne besondere Entschädigung beschaffen zu wollen“. Dass die Gemeinden trotzdem „so sparsam [...] als nur irgend möglich“ wirtschaften könnten, wäre schon allein dadurch gesichert, dass „im allgemeinen der Gutsherr der einzige Steuerzahler der Gemeinde“ sei und „schon von sich aus alles in seinen Kräften Stehende tun“ würde, um „jede unnütze Gemeindeausgabe zu vermeiden“. Gleichwohl bat der Verband, den Vorschlag der Ministerien umkehrend, „in den Gutsgemeinden möglichst durchweg eine Vergütung für Hand- und Spann-
298 Vgl. von Oertzen, in: Landtag, 1927, 22. Sitzung, 23. März 1927, Sp. 1527–1528. Vgl. auch von Oertzen, in: Landtag, 1927, 23. Sitzung, 31. März 1927, Sp. 1616. Dort heißt es: Die Ämter „werden künftig in die Lage versetzt, bis zu zehn neue Grundsteuereinheiten zu erheben. Das bedeutet für die ländlichen Gemeinden eine Vervierfachung der Zuschlagszahl für die Ämter“. 299 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5618: MdF, MdI und Landesverwaltungsrat an Amt Ludwigslust, 3. April 1928; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6897: Amt Rostock an MdF, 10. April 1928. 300 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5262: MdF und MdI an Amt Hagenow, 15. März 1930. 301 LHAS, 5. Dez. -3/1, Nr. 942/2, Bl. 95: MdI und MdF an Ämter, 25. Nov. 1929. 302 Ebd., Bl. 89: MdF und MdI an Ämter, 21. Jan. 1930. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5989: Landbund, Kommunalpolitischer Ausschuss an MdI, 21. Feb. 1930. Geäußert worden war der Gedanke bereits einige Wochen zuvor durch den sozialdemokratischen Amtshauptmann des Amtes Güstrow, Höcker. Vgl. Mecklenburgische Tageszeitung, 10. Jan. 1930. 303 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/2, Bl. 99: MfL an MdI, 14. Feb. 1930.
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dienste“ anzuordnen.304 Den Grund hierfür lässt die Petition des Kommunalpolitischen Ausschusses des Landbundes erkennen. Die Interessenvertretung des Großgrundbesitzes fürchtete, dass das Amt Anforderungen an den Spanndienstpflichtigen stelle, die „über das notwendige Mass der vorzunehmenden Arbeiten“ hinausgingen. Generell forderte die Vereinigung, statt über Einsparungen zu diskutieren einen Finanzausgleich zu schaffen, der den „Landgemeinden die genügenden Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zufliessen lässt und [...] ihnen durch andere Steuerzuweisungen den Erlass einzelner Raten der Grundsteuer ermöglicht“.305 Die Empfehlung, die Unentgeltlichkeit der Hand- und Spanndienste zu beschließen, kritisierten nicht nur die Gutsbesitzer und Pächter. Im Amt Rostock etwa, wo die Arbeiten „in allen Gutsgemeinden [...] gegen Entgelt ausgeführt“ wurden, waren die Tagelöhner, die in den Gemeindevertretungen die Mehrheit stellten, „durchweg nicht gewillt [...], unentgeltlich Handdienste bei Wegebesserungsarbeiten und dergl. zu leisten“.306 Ob und in welchem Umfang die Anregung der Ministerien umgesetzt worden war, ließ sich nicht ermitteln. Ausschlaggebend wird, wie auch schon zuvor, die soziale und politische Zusammensetzung der Gemeindevertretungen gewesen sein. Eine weitere, allerdings ebenfalls umstrittene Möglichkeit, die Kosten für Gemeindeaufgaben zu senken, stellte der Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu Zweckverbänden dar. Dieser hätte, in Anlehnung an bestehende Erfahrungen sowohl inner- als auch außerhalb des Domaniums, vor allem im Bereich des Gesundheits-, Schul- und Feuerlöschwesens erfolgen können. Die sowohl von einzelnen Gemeinden als auch den Ämtern gestarteten Initiativen stießen jedoch nicht immer auf Zustimmung. Die durch den sozialdemokratischen Amtshauptmann des Amtes Güstrow, Höcker, angeregte Bildung von Feuerwehrverbänden zur „Beschaffung einer Motorspritze“ beispielsweise fand 1930 „keine restlose Unterstützung“. Dies galt auch für seinen Vorschlag, die bislang durch die einzelnen Kommunen verwalteten „Schulbaurücklagen“ in einem gemeinsamen Fonds zu vereinigen und „daraus die Kosten für Reparaturen an den Schulhäusern in allen Gemeinden zu bestreiten“.307 Im Amt Grabow hingegen schlossen sich viele Gemeinden freiwillig zu Feuerwehrverbänden zusammen. Hier verlief dafür die Bildung von Hebammenbezirken nur „schleppend“.308 Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme gerieten die Zweckverbände mehr und mehr in Kritik, da ihnen „zwei für die Gemeinde charakteristische Merkmale fehlten“, zum einen die „Totalität des Wirkungskreises“, zum anderen die „Gebietshoheit“. Dies wiederum sorgte dafür, dass sie nicht nach dem „Führergrundsatz“ organisiert werden konnten und damit den Grundsätzen des nationalsozialistischen Verwaltungsaufbaus, die u. a. in der Deutschen Gemeinde 304 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Verband der Mecklenburgischen Ritterschaft an MfL, 6. Feb. 1930. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5989: von Oertzen an MdI, 2. Feb. 1930. 305 Ebd.: Landbund, Kommunalpolitischer Ausschuss an MdI, 21. Feb. 1930. 306 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6897: Amt Rostock an MdI, 30. Jan. 1930. Vgl. auch ebd.: MdI an Amt Rostock, 14. Feb. 1930; ebd.: Amt Rostock an MdI, 20. Feb. 1930. 307 Mecklenburgische Tageszeitung, 10. Juli 1930. 308 Dömitzer Zeitung, 23. Mai 1925.
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ordnung festgeschrieben waren, widersprachen.309 Das Staatsministerium hielt trotzdem an ihnen fest. In der Begründung hieß es, diese Verbände seien „namentlich für die kleinen Gemeinden (Landgemeinden) nicht zu entbehren“, da die Erfüllung der durch diese übernommenen „Aufgaben regelmässig die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinde“ übersteigen würde.310 Zu den bestehenden Schul-, Hebammenund Löschverbänden kamen „Gemeindeverbände zur Unterhaltung von Fortbildungsschulen, [...] zur Haltung einer gemeinsamen Gemeindeschwester und schliesslich die zur Unterhaltung von Arbeitsdienstlagern“ neu hinzu. Die alten Wege- und Räumungsverbände hingegen verloren nach dem „Übergang der Kunststraßen an die Kreise bzw. Wassergenossenschaften an Bedeutung“.311 Insgesamt gab es um 1935 in Mecklenburg 1.067 Zweckverbände.312 Die spätestens seit 1927 zu beobachtende Krise der Kommunalfinanzen hatte ihre Ursache nicht nur in den steigenden Kosten. Verantwortlich war ferner die Politik des Reichs. So wurde den Gemeinden Ende 1930 verboten, im kommenden Haushaltsjahr mehr Einheiten auf Grund- und Gewerbesteuer zu erheben, als dies 1929/30 geschehen war.313 Besonders hart traf dies die Gutsgemeinden, deren Einnahmen einzig und allein aus der Grundsteuer bestanden. Sie konnten, wenn aufgrund bestehender Überschüsse für das Haushaltsjahr 1930/31 keine Zuschläge zur Grundsteuer erhoben worden waren, plötzlich ohne Einnahmen dastehen. Kritisch wurde es aber auch in allen anderen Landgemeinden, die hierauf verzichtet hatten und nun mit unvorhergesehenen Ausgaben, etwa weil „unvermutet zwei uneheliche Kinder“ zu versorgen waren, konfrontiert wurden.314 Um derartige Härten auszugleichen, erschloss die Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen den Ländern und Kommunen neue Steuerquellen. Hierzu zählte zum einen die Biersteuer, die die Gemeinden in einer Höhe von mindestes fünf Prozent des Kleinhandelspreises auf Bier und alle anderen ausgeschenkten Getränke erheben durften, zum anderen das ihnen erteilte Recht, von allen Einwohnern, die über 20 Jahre alt waren und ein eigenes Einkommen besaßen, eine Abgabe zu verlangen. Die sogenannte Bürgersteuer war gestaffelt; der zu entrichtende Satz lag zwischen sechs und maximal 2.000 Reichsmark.315 Aus Sicht der KPD war die Berechnung der „Kopfsteuer“ jedoch weder sozial noch gerecht, sondern diente lediglich dazu, den Großgrundbesitz zu entlasten. Dies zeige sich, so der Landtagsabgeordnete Hans Warnke, „besonders auf dem Land“: „Wenn einem Großgrundbesitzer infolge der Senkung der Grundsteuer 1.000 RM erlassen werden, braucht er dafür nur 4,50 RM bzw. 9 RM Kopfsteuer zu zahlen. Der kleine Mann dagegen, dem vielleicht 4 RM Grundsteuer 309 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 503–507: StM, Abt. Inneres an RMdI, 16. Nov. 1935. 310 Ebd., Bl. 62–112: Bericht zur Deutschen Gemeindeordnung, 14. Feb. 1935. 311 Ebd., Bl. 495–496: StM, Abt. Inneres an Deutscher Gemeindetag, Landesdienststelle Mecklenburg, 16. Nov. 1935. 312 Vgl. Tabelle 24 im Anhang. 313 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5618: MdF an Amt Ludwigslust, 13. Nov. 1931. 314 Ihlefeld: Finanzlage. 315 Vgl. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen, in: RGBl. T. I, Nr. 47, 2. Dez. 1930, S. 517–604, hier S. 518–519 und S. 582–586, §§ 3–5.
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erlassen werden, muss dafür 9 RM Kopfsteuer zahlen.“316 Kritik an der Bemessung der Steuersätze übte auch der Abgeordnete der Bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft der Mitte, Richard Moeller, führe sie doch dazu, dass der „Gutsbesitzer [...] im wesentlichen weniger Bürgersteuer zu zahlen [habe], als sein Schäfermeister“.317 Obwohl die Einführung der Notsteuern aufgrund der Einnahmeausfälle in vielen Gemeinden Mecklenburg-Schwerins „dringend erforderlich“ war, lehnten möglicherweise aus genau diesem Grunde die meisten von ihnen deren Erhebung ab.318 Dies führte jedoch nur dazu, dass ihre vorgesetzten Behörden, die Ämter, ihre „zwangsweise“ Beitreibung forderten.319 Sie wurde ihnen durch das Ministerium des Innern gewährt, das damit erneut in die Steuerfreiheit der Kommunen eingriff. Von den insgesamt zehn Ämtern nutzten nachweislich sechs diese Möglichkeit.320 Dies geschah, wie die Bitte des Amtes Malchin um einen Anteil an den Erlösen zeigt, auch, um die eigenen Ausgaben zu decken. Das Ministerium des Innern hielt dies für „zulässig und geboten“,321 verlangte von den Ämtern jedoch, dann dafür zu sorgen, dass die Gemeinden „samt und sonders die Notsteuern, in erster Linie die Bürgersteuer“ einführen.322 Die Einziehung des Anteils könne dann leicht über die Amtsumlage erfolgen. Tatsächlich stieg sowohl die Zahl der die Bürgersteuer erhebenden Gemeinden als auch die der Ämter, die diese abschöpften. Im Amt Schwerin etwa wurden zehn Prozent der Amtsumlage aus der Bürgersteuer finanziert.323 Die Initiative ging hierbei jedoch nicht allein von den Ämtern, sondern auch vom Land aus, das im Frühjahr 1932 die Steuereinnahmen der Ämter zur Sicherung des eigenen Haushalts gekürzt hatte.324 Um den Etat dennoch ausgleichen zu können, wurden daraufhin beispielsweise die Ämter Ludwigslust, Malchin und Rostock verpflichtet, die „Amtsumlage [...] wesentlich zu erhöhen und diese Erhöhung auf die Bürgersteuer abzustellen“.325 Für die Kommunen, insbesondere für die im Amt Ludwigslust, die 316 Warnke, in: Landtag, 1932, 33. Sitzung, 20. März 1931, Sp. 2737. 317 Moeller, in: Ebd., Sp. 2753. 318 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5989: Amt Malchin an MdI, 3. Feb. 1931 (Hervorhebung im Original). Insgesamt hatten neun Gemeinden die Einführung der Notsteuern verweigert. Vgl. ebd. 319 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4476: Amt Grevesmühlen an MdI, 14. Jan. 1931. Vgl. dazu auch ebd.: Amt Grevesmühlen an MdI, 21. Jan. 1931. 320 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4476: Amt Grevesmühlen an MdI, 14. Jan. 1931; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4774: Übersicht der 1931/32 im Amt Güstrow eine Bürgersteuer erhebenden Gemeinden; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5262: Amt Hagenow an MdI, 16. Jan. 1931; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6502: Amt Parchim an MdI, 5. Jan. 1931; ebd.: Amt Parchim an MdI, 24. Jan. 1931; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7472: Amt Schwerin an MdI, 15. Jan. 1931; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6897: Amt Rostock an MdI, 7. Jan. 1931. 321 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5989: Amt Malchin an MdI, 3. März 1931. 322 Ebd.: MdI an Amt Malchin, 28. März 1931. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4476: MdI und MdF an Amt Grevesmühlen, 31. März 1931; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7780a: MdF und MdI an Amt Waren, 26. März 1931. 323 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7474: StM, Abt. Inneres und Abt. Finanzen an Kreis Schwerin, 26. Mai 1942. 324 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6502: MdF an Amt Parchim, 7. März 1932. 325 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5618: MdF an MdI, 11. Juli 1931. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6897: MdF und MdI an Amt Rostock, 27. März 1931. Vgl. auch ebd.: MdF an MdI, 22. Aug. 1932.
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bereits zu 50 Prozent zur Krisen- und Minderjährigenfürsorge herangezogen worden waren und damit weitere 50–60.000 Reichsmark aufzubringen hatten,326 bedeutete dies eine ungeheure Belastung. In wie vielen Gemeinden Mecklenburg-Schwerins die Bürgersteuer erhoben wurde, ließ sich nicht ermitteln, da „das Ministerium [...] eine Kontrolle über die Einführung der Bürgersteuer nicht ausüben“ wollte. 327 Anzu nehmen ist jedoch, dass ihre Zahl kontinuierlich stieg. Ein Indiz dafür liefert die Entwicklung im Kreis Stargard. Hier hatten bis 1934 insgesamt 80 Prozent der „Gemeinden [...] von den vorhandenen Bank- und Kassenbeständen gelebt“ und „die Bürgersteuer überhaupt nicht, bezw. nicht voll“ ausgeschöpft. Nachdem die Rück lagen aufgebraucht waren, blieb ihnen, „um finanziell leistungsfähig zu bleiben und alle Verpflichtungen zu erfüllen“, jedoch „nichts anderes übrig, als [...] die Bürgersteuer stärker anzuspannen“.328 In der Folge wurde der Steuersatz in 44 Gemeinden, die die Notsteuer bereits erhoben hatten, erhöht und in 19 Kommunen neu eingeführt.329 Eingeschränkt war der Handlungsspielraum der Gemeinden jedoch nicht nur durch die steigenden Armen- und Wohlfahrtslasten330 sowie den wachsenden Finanzbedarf der Ämter, sondern auch aufgrund der Anfang 1931 durch das Reich herausgegebenen Richtlinien für das Schuldwesen der Gemeinden. Sie banden sowohl die Aufnahme jeglicher Kredite als auch die Gewährung von Bürgschaften an die Genehmigung der Aufsichtsbehörden.331 In Mecklenburg-Schwerin war eine Zustimmung bislang nur bei der Aufnahme langfristiger Kredite notwendig und oblag dem Landesverwaltungsrat bzw. den Ämtern.332 Durch die Änderung befürchtete die SPD, dass insbesondere größere Projekte, wie der Straßenbau oder die Siedlung, verzögert werden würden.333 Kritik übten ferner die KPD, die Arbeitsgemeinschaft nationaler Mecklenburger und die Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft der Mitte. Eine entsprechende Novellierung der Landgemeindeordnung, die die deutschnationale Regierung forderte, lehnten sie als Eingriff in die Selbstverwaltung strikt ab. Der Abgeordnete der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung, Heinrich Schade, hingegen begrüßte die Vorlage. Der altgediente Domanialbeamte und Landdrost sah in ihr 326 Ebd.: Amt Ludwigslust an MdI, 16. Juli 1931. Vgl. auch ebd.: Amt Ludwigslust an MdI, 21. Sept. 1931. 327 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4476: Amt Grevesmühlen an MdI, 21. Jan. 1931. Für die Städte liegt für 1931 eine vollständige Übersicht vor. Vgl. dazu Schlesinger, in: Landtag, 1932, 26. Sitzung, 21. Jan. 1931, Sp. 2102–2103. 328 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7727: Kreis Stargard an StM, Abt. Inneres, 26. Nov. 1934. 329 Vgl. ebd.: Kreis Stargard an StM, Abt. Inneres, 14. Mai 1936. 330 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 79, Bl. 28–30: Tätigkeitsbericht Wirtschafts- und Sozialressort, 18. Mai 1932. Dort heißt es: „Die Belastung der Gemeinden und Gemeindeverbände durch die Fürsorgepflicht ist [...] außerordentlich gewesen, namentlich die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen ist stark gewachsen – von 2.108 im August 1930 auf 11.038 im Mai 1932.“ 331 Vgl. Richtlinien für das Schuldwesen der Gemeinden, in: Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege, Rechtswissenschaft und Verwaltung, 47 (1931), 6, S. 288–296. Vgl. dazu auch Dietrich-Troetsch und Upmeier: Schuldaufnahme, S. 186–219. 332 Vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 45 und S. 65, § 33, Zif. 8 und § 44. 333 Vgl. Schroeder, in: Landtag, 1932, 36. Sitzung, 3. Juni 1931, Sp. 2891–2894.
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„eine Rückenstärkung“ der „verantwortlichen Leiter der kommunalen Körperschaften [...] gegen die Bewilligungsfreudigkeit“ einiger Gemeindevertreter.334 Nachdem der Finanzminister Hermann Haack eine „verständige Erledigung“ der Kreditanträge zugesichert hatte, nahm der Landtag, gegen die Stimmen der KPD, die Gesetzes vorlage an.335 Nur wenige Wochen später, Ende August, ermächtigte das Reich die Landesregierungen, sämtliche „Maßnahmen, die zum Ausgleich der Haushalte von Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) erforderlich“ seien, auch wenn sie vom bestehenden Landesrecht abwichen, „im Verordnungswege“ zu erlassen.336 Auf diese Weise waren nicht nur die Parlamente ausgehebelt, sondern, mehr noch, die Selbstverwaltung der Kommunen zumindest in den Fragen der Finanzen zugunsten eines staatlichen Dirigismus aufgehoben. Die seit der Inflation zu beobachtende Beschränkung der kommunalen Finanzhoheit hatte damit ihren Abschluss gefunden. Der Finanzminister Mecklenburg-Schwerins, Haack, indes lobte, dass die Gemeindevorsteher in die Lage gesetzt seien, „selbständig Abstriche an den Haushaltsplänen vorzunehmen und Beschlüsse der Räte oder Stadtverordnetenversammlungen, durch die Ausgaben für die Stadt bedingt werden, zu beanstanden“. Er sah „die Selbstverantwortung und Selbstverwaltung der Kommunen“ durch die Verordnung gestärkt, musste gleichzeitig aber eingestehen, dass „die kommunale Aufsicht im Interesse der kommunalen Finanzen verschärft“ worden sei und „in dieser Beziehung eine gewisse Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung“ vorliege. 337 Im Rahmen der Ausführungsverordnung zur Reichsbestimmung wurden auch in Mecklenburg-Schwerin zunächst, wie darin vorgesehen, die Kompetenzen der Bürgermeister und Schulzen erweitert.338 Im März 1932 beschloss der Landtag jedoch eine Änderung, die es erlaubte, statt des Gemeindevorstehers ein Mitglied des Parlaments mit der Durchführung der Sparmaßnahmen zu beauftragen.339 334 Schade, in: Landtag, 1932, 34. Sitzung, 9. April 1931, Sp. 2822. 335 Schroeder, in: Landtag, 1932, 36. Sitzung, 3. Juni 1931, Sp. 2891–2894. Vgl. Landtag, 1932, 36. Sitzung, 3. Juni 1931, Sp. 2896; Gesetz über die Aufnahme von Anleihen und Darlehen sowie die Übernahme von Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen und von anderen Sicherheiten durch Ämter, Gemeinden und Gemeindeverbände. Vom 9. Juni 1931, in: Rbl. Nr. 33, 15. Juni 1931, S. 159. Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung wurde das Gesetz wieder aufgehoben. Vgl. Mecklenburgische Überleitungsverordnung zur Deutschen Gemeindeordnung. Vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 49–50, hier S. 50. 336 Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden, in: RGBl. T. I, Nr. 58, 26. Aug. 1931, S. 453. 337 Haack, in: Landtag, 1932, 46. Sitzung, 24. Feb. 1932, Sp. 4604. 338 Vgl. Verordnung des Staatsministeriums vom 10. September 1931 zur Ausführung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden, in: Rbl. Nr. 50, 11. Sept. 1931, S. 249, § 1. 339 Vgl. Bekanntmachung der neuen Fassung der Verordnung des Staatsministeriums vom 10. September 1931 zur Ausführung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden. Vom 8. März 1932, in: Rbl. Nr. 15, 11. März 1932, S. 49, § 1. Zum Entwurf vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 936, Bl. 595–596. Vgl. auch Bekanntmachung zur Änderung der Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 8. März 1932 zur Ausführung der Verordnung des Reichspräsidenten vom 24. August 1931 zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden vom 3. Februar 1933, in: Rbl. Nr. 6, 10. Feb. 1933, S. 17.
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Neben Kürzungen auf der Ausgabenseite, insbesondere im Bereich des Personalwesens und des außerordentlichen Haushalts, deren Titel einfach gesperrt wurden, verfügte die Landesregierung nur einen Monat später, im September 1931, die Streichung des Gemeindeanteils an den Reichssteuern in Höhe von 150 Prozent des Sollaufkommens eines einfachen Landessatzes der in der betreffenden Gemeinde veranlagten Bürgersteuer.340 Aus Sicht der SPD war den Gemeinden damit „jede Möglichkeit, [...] ihre sozialen Verpflichtungen gegenüber den Notleidenden zu erfüllen“, genommen.341 Davor warnend, dass der „Haushalt jeder Landgemeinde einfach totgemacht“ und dadurch die Lage insbesondere auf den „Gutshöfen [...] noch katastrophaler“ werde, forderte sie, die Entscheidung zurückzunehmen.342 Diese Einschätzung teilte der Amtshauptmann des Amtes Rostock, Ihlefeld, der, würde an der Maßnahme festgehalten, einen „Zusammenbruch“ des gesamten Staatsapparats fürchtete.343 Neben der SPD stellte auch die KPD einen Antrag, die Notverordnung durch den Landtag aufheben zu lassen.344 Unterstützung erhielten sie jedoch nur von einigen Abgeordneten der NSDAP, die eine „Ausschaltung der Selbstverwaltung der Gemeinden“ verhindern wollten.345 Damit blieb es bei der „Änderung des inneren Finanzausgleiches“, der allerdings den Fehlbetrag im Landeshaushalt nicht zu decken vermochte.346 Bereits im Februar 1932 kündigte Haack an, „die zwei Einheiten Bürgersteuer, die [...] als Ersatz für die geringeren Steuerüberweisungen“ gedient hatten, den Gemeinden wieder zur Verfügung zu stellen. Weitere Zuweisungen hingegen lehnte er ab, würden die „den Gemeinden mehr zufließenden geringen Beträge“ doch zu keiner „Sanierung der Gemeindefinanzen [...] sondern [...] im Endergebnis nur dazu 340 Vgl. Zweite Verordnung des Staatsministeriums vom 22. September 1931 zur Ausführung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden, in: Rbl. Nr. 52, 24. Sept. 1931, S. 253. Vgl. dazu auch Haack, in: Landtag, 1932, 40. Sitzung, 16. Okt. 1931, Sp. 4111–4133. 341 Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, 6. Okt. 1931, in: Mecklenburg-Schwerin. 6. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 176. 342 Moltmann, in: Landtag, 1932, 40. Sitzung, 16. Okt. 1931, Sp. 4089. 343 Ihlefeld: Finanzlage. 344 Vgl. Antrag der kommunistischen Fraktion, 29. Sept. 1931, in: 6. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 178. Vgl. dazu auch Warnke, in: Landtag, 1932, 40. Sitzung, 16. Okt. 1931, Sp. 4094–4111. 345 Steinsatt, in: Landtag, 1932, 40. Sitzung, 16. Okt. 1931, Sp. 4145. 346 Haack, in: Landtag, 1932, 46. Sitzung, 24. Feb. 1932, Sp. 4593. Zur Ablehnung der Anträge von SPD und KPD vgl. Landtag, 1932, 42. Sitzung, 6. Nov. 1931, Sp. 4273. Vgl. dazu auch Wolff, in: Landtag, 1932, 41. Sitzung, 5. Nov. 1931, Sp. 4214–4221. Angenommen wurde hingegen der Antrag der Bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft der Mitte, das Gehalt des bei den Kommunen beschäftigten Personals nicht in der vorgesehenen Höhe zu kürzen. Vgl. Abänderungsantrag der Bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft der Mitte, 6. Nov. 1931, in: 6. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 177; Landtag, 1932, 42. Sitzung, 6. Nov. 1931, Sp. 4276; Vierte Verordnung des Staatsministeriums vom 26. Oktober 1931 zur Sicherung der Haushalte des Landes, der Gemeinden und der sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: Rbl. Nr. 61, 28. Okt. 1931, S. 299–302; Bekanntmachung der neuen Fassung der Dritten Verordnung des Staatsministeriums vom 22. September 1931 zur Sicherung der Haushalte des Landes und der Gemeinden, in: Rbl. Nr. 62, 30. Okt. 1931, S. 303–307.
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führen, daß auch die Staatsfinanzen in die schwerste Bedrängnis kämen“. Lösen könne, so Haack, die „kommunale [...] Finanzkrankheit“ ohnehin nur eine „grundsätzliche Neuregelung“ der Arbeitslosenhilfe, die den Gemeinden Leistungen abnehme.347 Um die Situation in den Kommunen zu bessern, erklärte er jedoch, im kommenden Haushaltsjahr den Anteil des Landes an der Grundsteuer „um eine Million Reichsmark des Veranlagungssolls“ zu senken. Auf diese Weise würden die Gemeinden die „notwendige Bewegungsfreiheit“ erhalten, um die „im Rahmen der reichsgesetzlichen Sperrvorschriften verbleibende Möglichkeit einer Steigerung der Grundsteuer für ihre Zwecke auszunutzen“. Darüber hinaus wurde ihnen die Erhebung von Zuschlägen „bis zur Höhe des bisherigen Landesdurchschnitts“ gestattet.348 Sollten selbst bei „voller Ausnutzung der bestehenden Besteuerungsmöglichkeiten“ die Ausgaben nicht gedeckt werden können, war auf Antrag beim Ministerium der Finanzen die Anhebung des Satzes um bis zu drei Einheiten möglich.349 Für die SPD war dies nicht akzeptabel, da die erwähnte Voraussetzung die Gemeinden zwänge, die Bürgersteuer, die ohnehin „schon überspannt [...] und eine der unsozialsten und ungerechtesten Steuern“ sei, noch weiter zu erhöhen. Insbesondere in den „Gutsgemeinden, wo der Lohn des Arbeiters so ungeheuer niedrig“ und die Bürgersteuer „überhaupt nicht tragbar“ sei, müsse „die Möglichkeit bestehen, die notwendigen Gelder aus der Grundsteuer herauszuholen“.350 Der entsprechende Antrag fand im Parlament jedoch keine Mehrheit.351 Im Kreis Schwerin wurde es daraufhin „in vielen Gutsgemeinden“ üblich, dass der Besitzer die gesamte veranlagte Bürgersteuer „aus eigener Tasche“ zahlte, „um eine Belastung der Gefolgschaftsmitglieder und damit deren eventl. Abwanderung zu vermeiden“.352 Dies verweist einerseits auf die tatsächlich drückende Last der Abgabe, andererseits aber auch auf den steigenden Einfluss der Großgrundbesitzer in den Guts- und Hofgemeinden. Dort, wo sie sich zum „Träger aller öffentlichen Lasten“ machten, drohte die „genossenschaftliche Vermögensmasse“ der Gemeinde zu verschwinden. Durch das „private Eigentum des Gutseigentümers“ ersetzt, wäre die Kommune keine öffentlich-rechtliche Körperschaft mehr und damit auch keine Gemeinde im eigentlichen Sinne,353 sondern hätte sich zum Gutsbezirk (zurück)entwickelt. Hier zeigt sich erneut, dass die Aussetzung der zwischen 1918 und 1921 geplanten um fassenden Kommunalgebietsreform half, die Dreiteilung des Landes zu bewahren. 347 Haack, in: Landtag, 1932, 46. Sitzung, 24. Feb. 1932, Sp. 4605. 348 Von Graevenitz, in: Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4882. 349 Gesetz zur Einführung der Steuervereinheitlichung, 7. März 1932, in: 6. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 224. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/2, Bl. 130–135: MdF an Ämter, 11. März 1932. 350 Moltmann, in: Landtag, 1932, 48. Sitzung, 16. März 1932, Sp. 4728–4729. Vgl. dazu auch Schulz, in: Landtag, 1932, 46. Sitzung, 24. Feb. 1932, Sp. 4628. 351 Vgl. Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4920. Vgl. auch Gesetz zur Einführung der Steuervereinheitlichung. Vom 29. März 1932, in: Rbl. Nr. 19, 30. März 1932, S. 65–66, hier S. 65, § 24, Abs. 3. 352 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939. Zur Situation der Arbeitskräfte auf dem platten Land vgl. allgemein Niemann: Großgrundbesitz, S. 134– 159. 353 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 65: StM, Abt. Inneres an StM, Abt. Unterricht, 24. April 1936.
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Deutlich wird allerdings auch, wie wichtig es gewesen wäre, vor allem die neu gebildeten Gemeinden zu dotieren und ihnen so eine gewisse Unabhängigkeit zu geben. Der durch die politische Linke vorgeschlagene Weg, dies durch eine möglichst hohe Grundsteuer auszugleichen, hätte wohl nicht zum Erfolg geführt. Dies lag zum einen daran, dass den Gemeinden kein fester Anteil am Landesaufkommen, sondern lediglich das Recht, Zuschläge zu erheben, gewährt wurde, andererseits am politischen Widerstand der agrarisch-konservativen Kreise und Parteien. So wurde in der oben erwähnten Beratung auch der auf eine kurzfristige Hilfe abzielende Antrag der KPD abgelehnt, den Grundsteueranteil des Landes zugunsten der Gemeinden um eine weitere Million zu senken. Die Forderung, ihnen die Hälfte der Entschädigung zu überweisen, die das Land seitens des Reichs für den sich aus der Notverordnung ergebenden Steuerausfall erhalten hatte, fand ebenfalls keine Mehrheit.354 Gewährt wurde den Gemeinden hingegen eine bestimmte Summe aus der Grundsteuer, die durch die Ämter, in denen sie erhoben worden war, verteilt werden sollte.355 Ferner erhielten sie Vorschüsse zur Finanzierung der Amtsumlage, oder es wurden ihnen die entsprechenden Beiträge gestundet. Welche Folgen dies allerdings haben konnte, zeigt die Entwicklung im Amt Rostock, wo „die Gemeinden besonders durch das Anwachsen der Fürsorgelasten in den letzten Jahren und die Minderungen bei ihrer Haupteinnahme (Erlässe der Grundsteuer) schwer getroffen“ und „kaum noch in der Lage“ waren, „die geforderten Umlagen aufzubringen“. Durch „rückständige [...] Amtsabgaben“ und Vorschüsse hatten sich bei den Landgemeinden Schulden in Höhe von 104.364,82 Reichsmark angesammelt.356 Um in solchen Fällen die Verwaltung aufrechtzuerhalten, hatte das Land im Februar 1931 einen Ausgleichsfonds geschaffen, der aus einem Drittel des Steueraufkommens gebildet wurde, das durch Rundungen der Summen bei der „Verteilung auf die einzelnen Gemeinden“ verloren gegangen war.357 Bevor das Ministerium des Innern „Beihilfen aus dem Ausgleichsfonds“ bewilligte, verlangte es jedoch eine „Prüfung der Finanzverhältnisse“ der betreffenden Landgemeinden. In „zahlreichen Fällen“ wurde dabei kritisiert, dass die Entschädigung des Schulzen nicht „angemessen“ sei. Statt der bislang üblichen 1,50 Reichsmark pro Einwohner empfahl das Ministerium den Gemeinden, ihnen eine Pauschale von 250 bis maximal 500 Reichsmark zu zahlen. In den Hofgemeinden, „wo vernünftige Gemeindeverwaltungen schon jetzt geringe Entschädigungen“ gewährten, würde man sogar noch „weit unter diesen Sätzen blei-
354 Vgl. Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4915; Goldenbaum, in: Ebd., Sp. 4907– 4908. 355 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7472: MdF an Amt Schwerin, 18. Dez. 1931. 1931 war es den Ämtern gestattet, 10.000 Reichsmark zurückzubehalten. Ein Jahr später wurde die Summe auf 25.000 Reichsmark erhöht. Darüber hinaus erhielt das Amt das Recht, auch Anteile anderer Steuern einzubehalten. Der Gesamtwert durfte 90.000 Reichsmark nicht überschreiten. Vgl. ebd.: MdF an Amt Schwerin, 2. April 1932. 356 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6898: Begleitbericht zum Haushaltsplan 1933, 15. Juli 1933. 357 Lübstorf, in: Landtag, 1932, 28. Sitzung, 11. Feb. 1931, Sp. 2244–2445.
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ben können“.358 Die sich hierin dokumentierende Hoffnung, die Haushalte der Gemeinden durch eine Kürzung der Ausgaben ausgleichen zu können, war allerdings angesichts der steigenden Wohlfahrtslasten illusorisch. Notwendig wäre entweder ein sich an den Aufgaben der Gemeinden orientierender Finanzausgleich oder eine Übernahme der Leistungen durch das Land oder das Reich gewesen. Da beides nicht geschah, waren die Gemeinden gezwungen, Kredite aufzunehmen und gerieten, da es sich häufig um kurzfristige Darlehen handelte, an den Rand des Konkurses.359 Das Land und später auch das Reich suchten diese Entwicklung einerseits durch die Initiierung von Umschuldungsverfahren, in denen die einzelnen Kredite in ein langfristiges Darlehen umgewandelt werden sollten,360 andererseits durch eine noch stärkere Kontrolle der Haushalte der Kommunen zu stoppen. Der den gewählten Gemeindevertretern seit jeher gemachte Vorwurf, sie würden ihre Entscheidungen nicht nach sachlichen, sondern parteipolitischen und persönlichen Gesichtspunkten treffen,361 erhielt damit neue Nahrung. 8.3.4 Die kommunalen Finanzen während des Nationalsozialismus Im März 1933, wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich verabschiedet, das den Grundstein der administrativen Neuordnung legte.362 Wenige Wochen später, Mitte April, nahm das Staatsministerium Mecklenburg-Schwerins den Kommunen das Recht, die Höhe der Zuschläge zur Grund- und Gewerbesteuer festzulegen. Künftig sollten das Ministerium der Finanzen bzw. in dessen Auftrag die Ämter diese Aufgabe übernehmen.363 Diese Maßnahme garantierte die Erhebung einheitlicher Sätze und folgte dem Gedanken einer Zentralisierung politischer und damit inbegriffen auch finanzpolitischer Kompetenzen. Bereits wenige Tage zuvor waren die Kommunen, noch auf Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden vom 24. August 1931, 358 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 323–325: MdI an Ämter, 22. Dez. 1931. Vgl. dazu auch Durchführungsbestimmungen zur Verordnung vom 22. Dezember 1930 über Gehaltskürzung. Vom 9. Januar 1931, in: Rbl. Nr. 2, 10. Jan. 1931, S. 3–7. Anders verhielt es sich in den Flecken gemeinden, wo der Gemeindevorstand fest angestellt und die Gemeinden an die Reichssätze gebunden waren. Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 567: Kreis Schönberg an StM, Abt. Inneres, 9. Nov. 1934. 359 Vgl. von Oertzen, in: Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4935. 360 Vgl. von Oertzen, in: Landtag, 1932, 46. Sitzung, 24. Feb. 1932, Sp. 4654; Gesetz über die Umwandlung kurzfristiger Inlandsschulden der Gemeinden (Gemeindeumschuldungsgesetz). Vom 21. September 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 102, 22. Sept. 1933, S. 647–650. 361 Vgl. dazu etwa Upmeier und Wysocki: Gemeinden, S. 22. Vgl. dazu auch Kap. 9.4, S. 341. 362 Vgl. Kap. 7, S. 247. 363 Gesetz des Staatsministeriums über Steuersatzungen der Gemeinden (Gemeindeverbände). Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 152. Den Ämtern war die Festsetzung der Zuschläge für die Landgemeinden, dem Ministerium der Finanzen für die Fleckengemeinden und Gehlsdorf sowie die Städte und die Ämter übertragen worden. Das Gesetz galt zunächst nur für das Rechnungsjahr 1933. Vgl. ebd.
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zur Führung eines Haushaltsplans nach einheitlichen Standards und zur regelmäßigen Prüfung desselben durch eine unabhängige Behörde verpflichtet worden.364 Den Städten und Ämtern war gleichzeitig die Möglichkeit gegeben worden, die Stadtverordneten- bzw. Amtsversammlung von ihrem Recht der Haushaltsbewilligung zu entbinden.365 In den Landgemeinden wurde dies angesichts der starken Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden anscheinend als nicht notwendig empfunden. Nach dem Zusammenschluss der Länder Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz erließ das Staatsministerium Anfang April 1934 einen neuen Finanzausgleich zwischen dem Land und den Kommunen. In dessen Rahmen wurden den Landgemeinden zwölf Prozent des Landesanteils an der Reichseinkommen- und Körperschaftssteuer, ein Sechstel des Landesanteils an der Umsatzsteuer, ein sich nach „der Länge der von ihnen zu unterhaltenden verkehrswichtigen Kunststraßen“ richtender Anteil an der Kraftfahrzeugsteuer und die bekannten Zuschläge zur Grund- und Gewerbesteuer zugesprochen. Wie bereits im März 1927 diente der Finanzausgleich jedoch in erster Linie dazu, den Umbau der Ämter zu staatlichen Lokalbehörden zu finanzieren und sorgte somit für weitere Einnahmeeinbußen bei den Landgemeinden.366 Demgegenüber standen wachsende Ausgaben, die sich auch aus der engen Verbindung von Partei und Staat ergaben. Bereits im Juli 1934 kritisierte der Vorsitzende des Mecklenburgischen Gemeindetags, Burmeister, dass „die verschiedensten Organisationen, auch die Gliederungen der N.S.D.A.P. teilweise mit ausserordentlich hohen Anforderungen an die Gemeinden“ herantreten würden, und bat um Richtlinien für den Umgang mit diesen.367 Bislang waren einmalige oder laufende Beiträge „zu Verwaltungskosten oder Gehältern, die unentgeltliche Überlassung von Heizmaterial, Betriebsstoffen für Kraftwagen, die Überlassung von Freifahrkarten, Fuhren u. dergl.“ gewährt worden. Grundsätze, wie sie Burmeister wünschte, wurden jedoch nicht erarbeitet. Verwiesen wurde indes auf den Runderlass des Reichsministers des Innern vom 22. Mai 1934. Dem364 Vgl. Gemeindefinanzordnung. Vom 28. März 1933, in: Rbl. Nr. 18, 1. April 1933, S. 123–126, hier S. 125, § 16. Die Prüfung übernahm die Kommunale Treuhandstelle Hannover. Die Gebühren dafür waren jedoch sehr hoch. 1935 wurde die überörtliche Prüfung seitens des Reichs vorgeschrieben und dem „Führergedanken“ folgend, der „auch in der Gemeindeverwaltung gilt“, dem Staat übertragen. In Mecklenburg entstanden daraufhin „nach preussischem Muster“ bei den Kreisen Gemeindeprüfungsämter. Nach 1939 wurden die Prüfungen aufgrund des kriegsbedingten Personalmangels – lediglich in vier Kreisen war die Behörde „ausreichend besetzt“ – und weil es nicht möglich war, „den für die Ausführung der Dienstreisen erforderlichen Treibstoff“ zu erlangen, „auf das notwendigste Maß“ beschränkt. Die Prüfung erfolgte „hauptsächlich bei den Gemeinden [...], die die Gewähr für eine ordnungsgemäße Kassen- und Rechnungsführung nicht erkennen liessen.“ LHAS, 5.12-3/1, Nr. 663, Bl. 118–121: Gemeindeprüfungsamt an RMdI, 18. Nov. 1942; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 662, Bl. 52–54: StM, Abt. Inneres an RMdF, 11. April 1935; ebd., Bl. 42: Staatsrechnungsamt an StM, Abt. Inneres, 30. Jan. 1935. Vgl. ebd., Bl. 18: Mecklenburgischer Gemeindetag an MdI, 3. Nov. 1933. 365 Vgl. Gemeindefinanzordnung. Vom 28. März 1933, in: Rbl. Nr. 18, 1. April 1933, S. 123–126, hier S. 125, § 18. 366 Landesabgabengesetz. Vom 7. April 1934, in: Rbl. Nr. 24, 14. April 1934, S. 159–163, besonders S. 159, § 1. 367 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 664, Bl. 31: Mecklenburgischer Gemeindetag an MdI, 14. Juli 1934.
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nach waren die Kommunen verpflichtet, Grundstücke, Gebäude und bewegliche Gegenstände „der Partei gegen Miete aber auch unentgeltlich“ zur Verfügung zu stellen. Eine „geldliche Unterstützung von Dienststellen der Partei, der SA., der SS. und der anderen Gliederungen der Partei“ hingegen gehörte „nicht zu den Aufgaben der Gemeinde und Gemeindeverbände“. Gleichwohl war sie für den Fall gestattet, dass diese Aufgaben übernahmen, die die Gemeinde bislang selbst erfüllt oder gegen Bezahlung „anderen Stellen oder Personen“ übertragen hatte. Eine „Entlastung des Haushalts der Gemeinde“368 versprach man sich etwa durch die NS-Volkswohlfahrt, die „in vieler Hinsicht Aufgaben und Leistungen“ übernahm. Zu den Tätigkeiten, die den Gemeinden nach eigenem Bekunden „ganz wesentliche [...] Mittel“ sparen würden, zählten beispielsweise die Organisation des Winterhilfswerks sowie die Unterstützung von Gemeindeschwestern und Kindergärten.369 Da das Engagement häufig derartige Einrichtungen erst begründete, zwangen sie die Kommunen zunächst zu Mehrausgaben. Dies galt auch in Bezug auf die Hitler-Jugend, die nach Ansicht des Reichsministers des Innern „in größtem Umfang“ Pflichten übernommen habe, „die früher von der staatlichen und gemeindlichen Jugendpflege wahrgenommen“ worden waren.370 Ihr sollten deshalb nicht nur für die Durchführung von Veranstaltungen Schulräume „einschl. Heizung und Beleuchtung“ unentgeltlich bereitgestellt,371 sondern auch Mittel überlassen werden, die „bisher für Jugendpflegezwecke“ aufgewendet wurden.372 Diese zweite Forderung wurde wenig später mit der Begründung, dass sowohl die Hitler-Jugend als auch der Bund Deutscher Mädel „an ihre übergeordneten Stellen so erhebliche Mittel abführen müßten, daß für örtliche Bedürfnisse nur ganz geringe Beträge verblieben“, wieder zurückgenommen.373 In Mecklenburg, wo das Staatsministerium die Kommunen bereits verpflichtet hatte, auf eine „Erstattung der Kosten für Heizung, Beleuchtung und Reinigung derjenigen Räume, die der Hitler-Jugend und ihren Untergliederungen [...] zur Verfügung gestellt werden [...] zu verzichten“,374 konnten die NS-Jugendorganisationen jedoch auch künftig mit einer Unterstützung der Landgemeinden rechnen. Insbesondere galt dies in Bezug auf die Errichtung von Arbeitsdienstlagern. Für sie wurden finanzielle Mittel und Gebäude bereitgestellt,375 da man hoffte, die hier untergebrachten „schulentlassene[n] Jungen und Mädel“, die „aus den grösseren Städten, vor allem aus den Industriegebieten“ kamen und bei den umliegenden landwirtschaftli368 Ebd., Bl. 1–2: RMdI an Landesregierungen, 12. Juni 1934. 369 Ebd., Bl. 111–112: Amt für Volkswohlfahrt, Abt. Gauamtsleitung Mecklenburg-Lübeck an StM, Abt. Inneres, 13. Juli 1935. 370 Ebd., Bl. 77: RMdI an Innenministerien der Länder, 4. Sept. 1934. 371 Ebd., Bl. 88: RdMI an Landesregierungen, 14. Dez. 1934. 372 Ebd., Bl. 77: RdMI an Innenministerien der Länder, 4. Sept. 1934. 373 Ebd., Bl. 106: RdMI an Landesregierungen, 11. Mai 1935. 374 Ebd., Bl. 99: StM, Abt. Unterricht an höhere Schulen und staatliche Gewerbeschulen, 11. Jan. 1935. Dies galt auch für die Überlassung von Turnhallen und Sportplätzen an die Deutsche Arbeitsfront. Vgl. ebd., Bl. 127: StM, Abt. Unterricht an Direktion der höheren Schulen und staatlichen Gewerbeschulen, 1. März 1937. 375 Vgl. ebd., Bl. 175: Deutscher Gemeindetag, Landesdienststelle Mecklenburg an StM, Abt. Inneres, 28. Feb. 1938. Vgl. auch ebd., Bl. 137: Wolf an Scharf, 6. Nov. 1937.
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chen Betrieben „in Beschäftigung“ gingen, „für die Arbeit in der Landwirtschaft zu interessieren und möglichst ganz zu gewinnen“.376 Dass in Mecklenburg Arbeitsdienstlager „gemeinsam von den Kreisen und Gemeinden finanziert oder mitfinanziert“ wurden, sorgte in Oldenburg für Unmut, da die dortige Hitler-Jugend ein ähnliches Engagement forderte, während das Land die Kosten „ausschliesslich“ durch die Reichsanstalt für Arbeit und den Reichsnährstand getragen wissen wollte.377 Auf die Beschwerde beim Reichsministerium des Innern hin wurde wenig später die „finanzielle Förderung der Errichtung von Landdienstlagern der HJ“ durch Gemeinden und Gemeindeverbände untersagt.378 Da der „Landdienst“ der Hitler-Jugend mit Beginn des Krieges 1939 jedoch insbesondere in Mecklenburg eine „sehr große Bedeutung“ erlangte, gab es trotz des Erlasses in einzelnen Gemeinden der Landkreise Güstrow, Schwerin und Waren Versuche, solche Heime zu errichten, was im Juli 1940 zu einer Erneuerung des Verbotes führte.379 Gesetzlich verpflichtet wurden die Gemeinden hingegen zur Schaffung von sogenannten Hitler-Jugend-Heimen, die „nach dem Willen des Führers eigene und gesonderte Erziehungsstätten der deutschen Jugend“ sein sollten und deshalb nicht in den Dorf- bzw. Volksgemeinschaftshäusern untergebracht werden durften.380 Neben den damit verbundenen Ausgaben waren die Kommunen ferner – wenngleich nicht rechtlich, so doch häufig politisch – verpflichtet, Parteibeiträge „für minder- oder unbemittelte Parteimitglieder“ zu übernehmen381 und Truppenteile, in denen Einwohner dienten, durch „finanzielle Zuwendungen“ oder die „Übersendung kleiner Feldpostpakete [...] aus besonderem Anlass (z. B. bei höheren Festtagen)“ zu unterstützen.382 Eine Vermehrung der Lasten entstand den Kommunen aber nicht nur durch steigende Anforderungen seitens der Parteigliederungen, sondern auch durch die Übertragung bislang staatlicher Aufgaben im Bereich des Schulwesens, der Wohlfahrts376 Ebd., Bl. 173: MdI Oldenburg an StM, Abt. Inneres, 31. Jan. 1938. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 253–254: RdMI an Landesregierungen, September 1939. 377 Ebd., Bl. 173: MdI Oldenburg an StM, Abt. Inneres, 31. Jan. 1938. 378 Ebd., Bl. 180: RMdI des Innern an MdI Oldenburg, 9. Feb. 1938 (Hervorhebung im Original). Vgl. ebd., Bl. 184: RMdI an Landesregierungen, 31. März 1938; ebd., Bl. 242: RMdI an Landesregierungen, 25. Sept. 1939. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 181: Kreis Schönberg an StM, Abt. Inneres, 6. Mai 1938. Ebenfalls eingestellt werden sollten die Zahlungen an den „Streifendienst“, den die Hitler-Jugend in einigen Städten eingerichtet hatte. In der Begründung hieß es, der Dienst diene der Organisation „im wesentlichen [...] als eine Art internes Kontrollorgan über ihre Mitglieder“ und nicht, wie behauptet, der „Bekämpfung der sittlichen Verwahrlosung Jugendlicher“. Er erfüllt somit „keineswegs Aufgaben, die bisher von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrt“ erfüllt worden waren. Ebd., Bl. 195: RMdI an Landesregierungen, 31. Aug. 1938. 379 Ebd., Bl. 248: RMdI an Landesregierungen, 12. Juli 1940. Zum Landdienst allgemein vgl. Buddrus: Hitlerjugend, Bd. 2, S. 692–697. 380 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 664, Bl. 216–217: RMdI an Landesregierungen, 13. Juli 1938. Vgl. auch ebd., Bl. 199–202: Reichsjugendführung, Arbeitsausschuss für die HJ-Heimbeschaffung an Bürgermeister, März 1939; Gesetz zur Förderung der Hitler-Jugend-Heimbeschaffung. Vom 30. Januar 1939, in: RGBl. T. 1, Nr. 27, 17. Feb. 1939, S. 215–216, § 1 und §§ 3–4. 381 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 664, Bl. 170: RMdI an Landesregierungen, 25. Nov. 1937. 382 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 665, Bl. 13: RMdI des Innern an Landesregierungen, 8. Feb. 1940.
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pflege und des Straßenbaus, die das Reich ab Dezember 1937 verfügte. Im Gegenzug wurden die Anteile der Gemeinden an den Reichs- und Landessteuern jedoch leicht erhöht.383 Der Landrat des Kreises Malchin, Burmeister, lobte, die Gemeinden hätten „dank der Maßnahmen der Reichsregierung ständig steigende Einnahmen, insbesondere auf dem Gebiete der Gewerbesteuer und Bürgersteuer, an der Einkommenund Körperschafts- und Umsatzsteuer“.384 Tatsächlich konnten aufgrund des neuen Reichsfinanzausgleichs in acht Landkreisen die Haushalte der Landgemeinden mit einem Gewinn von insgesamt 314.000 Reichsmark abgeschlossen werden. In den restlichen drei Kreisen hingegen blieb ein Minus von insgesamt 127.000 Reichsmark. Der sich hieraus ergebende „Gewinn von 187.000,– RM“ wurde durch das Staatsministerium als Beweis dafür interpretiert, dass die nationalsozialistische Reform der Kommunalfinanzen zu einer „Entlastung für die Landgemeinden“ geführt habe.385 Der Landrat des Kreises Stargard, Rudolf Schildmann, indes kritisierte, dass den Kreisen und Gemeinden „ganz erhebliche Mehrbelastungen entstanden“ seien.386 Ähnlich sah dies auch der Landrat des Kreises Güstrow, Walter Schöps. Er wies darauf hin, dass die Landgemeinden seines Kreises durch die allgemeine Landes- und die Schulstellenumlage 1938 „45.000 Reichsmark mehr aufbringen müssen, als im Jahre 1937 der Landesanteil der Grundsteuer“ ausgemacht habe. Einen „verhältnismäßig noch höheren Verlust als bei der Grundsteuer“ erlitten die Landgemeinden, so Schöps, bei den Reichssteuern. Waren ihnen 1937 noch 81.154 Reichsmark überwiesen worden, sank der Betrag 1938 um 41 Prozent, was einer „Einbuße von rund 33.500 RM“ entsprach. Während im Kreis Güstrow die Finanzen „in vielen Fällen“ durch eine Erhöhung der Zuschläge zur Grundsteuer und die Wiedereinführung der Bürgersteuer ausgeglichen werden konnten,387 war dies im Kreis Hagenow nicht möglich. Hier waren 1938 im Vergleich zum Vorjahr „rd. 100.000 RM mehr für das Land Mecklenburg aufzubringen“, als sie an Landesanteilen aus der Grundsteuer erhielten. Die dortigen Landgemeinden mussten, um ihre Ausgaben zu decken, Beihilfen aus dem Ausgleichsstock beantragen.388 Im November 1938 gestand denn auch die Abteilung Finanzen beim Staatsministerium ein, dass die Reform der kommunalen Finanzen sowohl bei den Kreisen als auch bei „zahlreichen Landgemeinden erhebliche Einnahmeausfälle“ verursacht habe. Aus diesem Grunde regte sie eine „Sonderumlage“ an. Sie sollte in den „Landgemeinden mit besonders hohem Gewer383 Vgl. Grundsätze über den Finanz- und Lastenausgleich zwischen Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden). Vom 10. Dezember 1937, in: RGBl. Nr. 136, 13. Dez. 1937, S. 1352–1353; Gesetz zur Änderung des Landesabgabengesetzes und von Schulgesetzen. Vom 17. Juni 1938, in: Rbl. Nr. 35, 26. Juli 1938, S. 197–201. 384 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5990: Rede des Landrats Burmeister in der Kreisversammlung des Kreises Malchin am 12. Januar 1938, Malchin 1938, S. 3. 385 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/2, Bl. 42–45: Protokoll Besprechung betr. Gesetz zum Finanz- und Lastenausgleich vom 17. Juni 1938, 26. Aug. 1938. 386 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7728: Kreis Stargard an StM, Abt. Inneres, 2. Aug. 1938. 387 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4775: Kreis Güstrow an StM, Abt. Inneres, 3. Sept. 1938 (Hervorhebung im Original). 388 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5263a: Kreis Hagenow an StM, Abt. Inneres, 9. Aug. 1938.
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besteueraufkommen“ erhoben und zur Deckung der Ausgaben „des Kreises und der anderen notleidenden Gemeinden des Kreises“ verwendet werden.389 Knapp einen Monat später, im Januar 1939, schlug die Abteilung zudem, dem Wunsch der Landesdienststelle Mecklenburg des Deutschen Gemeindetages folgend, vor, die „finanzielle Beteiligung der Gemeinden an den Aufgaben der gehobenen Fürsorge nach oben zu begrenzen, um eine möglichst einheitliche Behandlung aller Gemeinden zu erreichen und eine übertriebene Belastung einzelner Gemeinden zu vermeiden“.390 Die daraufhin erlassene Verordnung gab den Gemeinden allerdings nur das Recht der Beschwerde, über die der Kreis bzw. die Abteilung Inneres beim Staatsministerium entschied.391 Aus Sicht des Landrats des Kreises Waren, Ernst Mulert, hingegen konnte die Krise der Kommunalfinanzen nur gelöst werden, wenn man den Gemeinden, denen „durch den Umbruch des Dritten Reiches neue Aufgaben zugewiesen“ worden waren, „eine grössere Bewegungsfreiheit auf dem Gebiete der Finanzwirtschaft“ schaffe und ihnen die Mittel zur Verfügung stelle, „damit sie auch unten das ausführen können, was oben im Reich der Führer plant und vollzieht“. Sich auf das Führerprinzip berufend, sprach er sich gegen dieses aus und forderte mit dem Argument, dass „gesunde Landgemeinden [...] die Voraussetzung gesunder Landkreise; gesunde und geordnete Finanzverhältnisse der Landkreise das Rückgrat des Landes und des Reiches“ seien, die Rückkehr zur kommunalen Selbstverwaltung und Finanzhoheit.392 Als der Gauleiter Friedrich Hildebrandt im April 1939 von den Landräten Vorschläge zur Vereinfachung der Verwaltung einforderte, wurden allerdings kaum Anregungen zur Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Landgemeinden gegeben. Es fand sich lediglich die Forderung, die „Bürgermeister der kleineren Landgemeinden“ nicht immer wieder zu ermuntern, „diese oder jene Zeitschrift oder Zeitung zu halten [...], wenn die Gemeinde einfach nicht in der Lage ist – und sie ist nach dem letzten unrichtigen Finanzausgleich hierzu nicht in der Lage – hierfür Gelder bereitzustellen“. Diese Forderung sollte auch in Bezug auf die „Beschaffung von Wandschmuck und Bildern zur Ausgestaltung der Diensträume allgemein und bei besonderen feierlichen Anlässen“ gelten.393 Statt neue Einnahmequellen zu erschließen oder bestehende auszuweiten, wurde, wie bereits zum Ende der Weimarer Republik, auf eine stärkere Kontrolle der Kommunen gesetzt. Deutlich wird dies etwa durch den Bericht des Landrats des Kreises Malchin, Bur 389 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5619: StM, Abt. Finanzen an Kreis Ludwigslust, 11. Nov. 1938. 390 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 951: StM, Abt. Inneres an Abt. C, 17. Jan. 1939. 391 Vgl. Verordnung vom 19. Oktober zur Änderung der Ausführungsverordnung zur Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht, in: Rbl. Nr. 60, 27. Okt. 1939, S. 411. 392 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7787/1: Begleitbericht zum Haushalt, Kreis Waren, 1939. 393 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 83, Bl. 65–70: StM, Abt. Inneres, 18. April 1939. In diesem Zusammenhang wurde angeregt, „sämtliche amtlichen Bekanntmachungen und Verordnungen, nach Fachgebieten getrennt, in einem Blatt erscheinen zu lassen“, da so die „Unmengen der Zeitschriften und Zeitungen – die zu halten den Gemeinden anempfohlen wird – in ihrer Zahl“ eingeschränkt werden können. Ebd. Eine Angabe zum Umfang der abonnierten Periodika ließ sich nicht ermitteln. 1923 waren aus Sicht des Staates nur zwei Zeitschriften, das Reichsgesetzblatt und das Mecklenburg-Schwerinsche Regierungsblatt, „unbedingt erforderlich“. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 942/1: MdI an Amtsausschüsse der Ämter, 20. Feb. 1923.
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meister, dem es gelungen war, „die Haushalte der Landgemeinden für das Rechnungsjahr 1940 bei der Mehrzahl der Gemeinden durch Abdrosselung sämtlicher nicht zwangsläufiger Ausgaben zum Ausgleich zu bringen“; lediglich in zehn Gemeinden ließen sich „Fehlbeträge“ nicht vermeiden.394 Durch die seitens der Kommunen „aufzubringenden Kriegsleistungen“, zu denen neben der Unterstützung von Invaliden und Hinterbliebenen u. a. die Finanzierung von militärischen Schutzmaßnahmen, Räumungsarbeiten und Umsiedlungen von Bombenopfern und Flüchtlingen gehörten,395 stiegen in vielen Gemeinden die Ausgaben weiter an, so dass sie auf Beihilfen des Staates angewiesen blieben.396 1944 trug das Staatsministerium diesem Umstand Rechnung und erließ ein neues Landesabgabengesetz. Um die bei den einzelnen Gemeinden bestehenden „Unterschiede [...] zwischen ihrer eigenen Steuerkraft und ihrer Ausgabenbelastung“ zu mildern, war beschlossen worden, in jedem Rechnungsjahr 5 Millionen Reichsmark in den Etat einzustellen. Die Verteilung hatte nach einem Schlüssel zu erfolgen, der jährlich neu festzulegen war.397 Ferner waren 1,7 Millionen Reichsmark als Ausgleichsstock und die Erteilung eines begrenzten Steuerrechts vorgesehen. Im Gegenzug sollten die Gemeinden stärker zu den persönlichen Schullasten und der Wohlfahrtspflege herangezogen werden.398 Der totale Zusammenbruch des Deutschen Reichs im Frühjahr 1945 verhinderte die Umsetzung und Durchführung der Pläne. Überblickt man abschließend die Entwicklung der finanziellen Ausstattung der Landgemeinden, so ist auch hier eine Kongruenz zu der des Reiches festzustellen. Sie war hier aufgrund der seit der Erzbergerschen Finanzreform immer weiter ausgebauten Zentralisierung des Steuerwesens freilich viel ausgeprägter, oder anders ausgedrückt, der Handlungsspielraum des Landes und damit auch der Gemeinden von Anfang an wesentlich geringer. Die Entscheidung des Reichs, den Gemeinden – abgesehen von den Notsteuern – lediglich Zuschläge auf die durch das Reich oder das Land beanspruchten Abgaben erheben zu lassen, war ein wesentlicher Grund für die in den Gemeinden herrschende finanzielle Dauerkrise. Als letztes Glied in einer Kette von vier Steuergläubigern mussten sich die Landgemeinden, mit Rücksicht auf die lokale Wirtschaft und nicht zuletzt auch auf Druck des viele Kommunen dominierenden Großgrundbesitzers, bei der Festsetzung der Zuschläge beschränken. Die Rückkehr zu Sach- und Dienstleistungen, d. h. eine Wiederbelebung der bis 1918 bestehenden feudalen Beziehung, ist vor diesem Hintergrund nur verständlich. Zur finanziellen Misere der Kommunen trug ferner das immer wieder zu beobachtende Bestreben bei, der Selbstverwaltung staatliche Aufgaben und damit Kosten 394 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5990: Kreis Malchin an StM, Abt. Inneres, 12. März 1941. 395 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 664, Bl. 503–507: StM, Abt. Inneres an RMdI, 16. Nov. 1935. 396 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 477, 5619, 5990, 6503, 6899, 6900, 7474, 7728 und Nr. 7781. 397 Bekanntmachung der neuen Fassung des Landesabgabengesetzes (Meckl. Finanzausgleichsgesetzes) vom 8. Juli 1944, in: Rbl. Nr. 20, 17. Juli 1944, S. 148–153, hier S. 148, §§ 1–5. Der Schlüssel wurde „nach der eigenen Steuerkraft jeder Gemeinde und der Zusammensetzung ihrer Bevölkerung im Vergleich zu den Verhältnissen aller Gemeinden oder der Gemeinden derselben Größenklasse gebildet.“ Ebd. 398 Vgl. ebd., S. 150–152, §§ 17–28.
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zu übertragen. Das Reich, das Land und die Ämter bauten ihren Etat direkt und indirekt, wie es der kommunistische Landtagsabgeordnete Ernst Goldenbaum zugespitzt formulierte, „auf dem Bankrott der Gemeinden“ auf.399 Dies wie auch der Entzug der kommunalen Finanzhoheit trugen entscheidend zur Diskreditierung der Selbstverwaltung bei, die sich aufgrund fehlender Mittel nicht durch die Umsetzung freiwilliger Aufgaben beweisen konnte, sondern sich in der Verwaltung des Mangels zu bewähren hatte. Ob und inwieweit eine Dotation mit Land hier hätte Abhilfe schaffen können, muss einer gesonderten Untersuchung, die die Haushalte der einzelnen Landgemeinden in den Blick nimmt, überlassen bleiben. Angesichts der Tatsache, dass auch die Dorfgemeinden aufgrund der dort oftmals höheren Wohlfahrtslasten an den Rand des Konkurses gerieten, ist dies allerdings zu bezweifeln. In jedem Falle aber hätte eine Dotation zur Demokratisierung des platten Landes beitragen und der in Ansätzen zu beobachtenden Transformation der Guts- und Hofgemeinden zu Gutsbezirken entgegenwirken können.
399 Goldenbaum, in: Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4907–4908.
9. Das Schulzenamt und die Schulzen 9.1 Soziale Herkunft und berufliche Stellung Ebenso wie alle anderen Beamten und Angestellten der großherzoglichen Verwaltung übernahm die Volksregierung auch die Gemeindevorsteher. Auf den Höfen blieb die Stellung der Ortsobrigkeiten unangetastet. Den Eigentümern der Güter indes nahm sie die Polizeigewalt, beließ dann aber auch sie in ihrem Amt.1 Während in den domanialen Gemeinden mit Gemeindevertretung, d. h. den Dorf- sowie den kombinierten Dorf- und Hofgemeinden, die Schulzen wenig später, im Frühjahr 1919, entlassen und freie Wahlen durchgeführt wurden,2 blieben auf den Höfen sowie in den gemeindlich bislang nicht verfassten Gebieten Mecklenburg-Schwerins die alten Ortsobrigkeiten an der Macht. Sie wurden erst im Frühjahr 1921 mit der Anordnung, in freier Wahl Gemeindevertretungen zu bestimmen, abgesetzt.3 Anders als bei den Wahlen des Frühjahrs 1919 finden sich zu den Ergebnissen dieser Abstimmung kaum Quellen. Ob die „Veränderung gegen früher“, wie es der damalige Ministerpräsident Hugo Wendorff formulierte, tatsächlich nur darin bestand, „daß der Herr Rittergutsbesitzer sich Schulze nennen läßt und im übrigen allens bin ollen bliwt“,4 lässt sich jedoch in gewisser Weise anhand des Staatshandbuchs überprüfen. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass Angaben erst für das Jahr 1923 vorliegen. Aufgrund möglicher vorzeitiger Ab- bzw. Neuwahlen einzelner Schulzen geben sie somit nicht den Stand von 1921 wieder. Hinzu kommt, dass die Eintragungen keinem einheitlichen Muster folgen, sondern immer nur so umfänglich sind, wie die Meldungen, die seitens des Gemeindevorstands bzw. der staatlichen Stellen beim Statistischen Amt eingingen. Nichtsdestotrotz lässt sich ein Trend erkennen. In 585 der insgesamt 968 Hof- und Gutsgemeinden hatte der Hofpächter bzw. Gutsbesitzer auch das Amt des Schulzen inne. Nimmt man eine Unterscheidung in Bezug auf die Eigentumsform vor, fällt auf, dass auf den Pachthöfen in 78 Prozent, auf den Gütern hingegen in 56 Prozent aller Fälle eine Personalunion bestand.5 Die Zahlenangabe für den domanialen Landesteil korrespondiert mit den Ergebnissen bei der Wahl der Schulzen in den Dorf- bzw. kombinierten Dorf- und Hofgemeinden im Frühjahr 1919. Erklären lässt dies sich wohl mit der Erfahrung in Verwaltungsangelegenheiten, die dem Pächter, der den Bestimmungen der revidier1 Vgl. Bekanntmachung vom 18. November 1918, betreffend die Ausübung der Polizeigewalt der ritterschaftlichen Gutsobrigkeiten, in: Rbl. Nr. 203, 19. Nov. 1918, S. 1521. Vgl. dazu auch Kap. 2.4.1, S. 47. 2 Vgl. Kap. 5.3.2. 3 Vgl. Bekanntmachung vom 18. Dezember 1920, betreffend die erste Wahl von Gemeindevertretern und Gemeindevorständen in den früheren domanialen Hofgemeinden und in den gemeindlich nicht verfaßten ländlichen Ortschaften, in: Rbl. Nr. 191, 21. Dez. 1920, S. 1405– 1406. Vgl. dazu auch Kap. 6.3.2, S. 211–212. 4 Wendorff, in: Landtag, 1920, 88. Sitzung, 19. Mai 1920, Sp. 2662. 5 Vgl. Tabelle 25 im Anhang.
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ten Gemeindeordnung nach die Tätigkeit des Ortsvorstehers übernehmen musste und sie oftmals bereits seit Jahren ausgeübt hatte, zugestanden wurde. Die landläufige Annahme, es habe sich lediglich um eine Gefolgschaftstreue bislang politisch unmündiger Personen gehandelt, negiert, dass die Geschäfte des landwirtschaftlichen Betriebs im Domanium von denen der Gemeinde geschieden waren, die Artikulation von Protest und Kritik also bereits vor 1918 möglich war.6 Im ritterschaftlichen bzw. klösterlichen und städtischen Gebiet hingegen musste die Einheit zwischen ökonomischer und politischer Administration erst aufgelöst werden; eine Aufgabe, die die Hintersassen ihrem Herrn, so scheint es, in vielen Fällen nicht zutrauten. Die Entscheidung gegen den Gutsbesitzer ist umso beachtlicher, als fast sämtliche Wähler der Gemeinde mit diesem wirtschaftlich auf das Engste verbunden waren. Relativiert wird das Ergebnis jedoch dadurch, dass in 60 Gutsgemeinden Mitglieder der Gutsverwaltung das Amt des Schulzen führten.7 Aus Sicht des kommunistischen Landtagsabgeordneten Herbert von Mayenburg waren sie „bezahlte Funktionäre“ des Eigentümers und keine „Vertreter der Gesetze“.8 Als Beispiel führte er einen Fall in der Gemeinde Zaschendorf im Amt Warin an. Hier hatte der als Schulze tätige Gutsjäger, Helmut Lienow,9 Arbeitern, die sich für die Betriebsratswahl eingeschrieben hatten, die Wohnungen räumen lassen.10 Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die große Zahl der Gutsgemeinden, in denen der Eigentümer das Amt des Schulzen übernahm, ist die Frage nach der politischen Beeinflussung zu stellen. Sie soll jedoch gesondert behandelt werden.11 Hier ist zunächst festzuhalten, dass sich ungeachtet derartiger, vor allem durch KPD und SPD vorgebrachter Klagen die Zahl der als Schulzen tätigen Gutsverwalter zwischen 1923 und 1927 mehr als verdoppelte. In den folgenden Jahren sank sie dann wieder etwas, blieb aber deutlich über dem Ausgangsniveau. Erkennbar wird diese Entwicklung zurück zur Einheit von ökonomischer und politischer Macht auch mit Blick auf die als Schulzen tätigen Gutsbesitzer, deren Zahl zwischen 1923 und 1927 von 384 auf 416 stieg. Ähnlich wie bei den Verwaltern sank sie in den folgenden Jahren wieder und ging dabei unter den Anfangswert zurück.12
6 Vgl. allgemein Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 100–110. Deutlich wird die Trennung von Wirtschaftsbetrieb und Gemeinde nicht zuletzt mit Blick auf die Rechte der Frauen, die zwar zur Führung des Hofes, nicht aber zu der der Kommune berechtigt waren. Vgl. Bierstedt: Amtsführung, S. 19. 7 Vgl. Tabelle 25 im Anhang. 8 Mayenburg, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1852. 9 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 218. Später übernahm, die Abhängigkeit zwischen Gutsherrn und Schulzen noch deutlicher herausstellend, der Gutsverwalter Georg Nietsch das Amt des Schulzen. 1929 wird der Lehrer Heinrich Guss als Schulze erwähnt. Von 1937 bis nachweislich 1939 hatte erneut Lienow das Amt inne. Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 225; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 257; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 294; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 326–327; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 334–335. 10 Vgl. Mayenburg, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1852. 11 Vgl. Kap. 9.3. 12 Vgl. Tabelle 25 bis 27 im Anhang.
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In den Hofgemeinden vollzog sich die Entwicklung etwas anders. Hier blieb die Zahl der das Schulzenamt ausübenden Pächter fast konstant; lediglich 1929 erfolgte ein leichter Rückgang. Von diesem abgesehen, gilt dies auch für die auf den Höfen tätigen Verwalter. Insgesamt betrachtet stellte zwischen 1923 und 1929 in durchschnittlich 72 Prozent aller Guts- und Hofgemeinden die Guts- bzw. Hofverwaltung den Schulzen.13 Um die Dominanz der Eigentümer zumindest etwas zu mindern, forderte die SPD im Januar 1925 eine Änderung der Landgemeindeordnung. Mit „Rücksicht auf eine unabhängige und gemeinnützige Verwaltung der im ehemals ritterschaftlichen Gebiet belegenen Landgemeinden“ wünschte sie eine Regelung, nach der Familienmitglieder, die „demselben Haushalt angehören [...], nicht zugleich Mitglieder des Gemeindevorstandes“ sein dürfen.14 Aus Sicht der deutschnationalen Regierung war eine Novellierung jedoch, da keine Neuwahlen anstanden, „nicht dringend“. Sie schlug deshalb eine „Zurückstellung vor, bis eine allgemeine Änderung der Landgemeindeordnung erfolgt“. Das Parlament folgte der Empfehlung. 15 Eine erneute Verhandlung des Antrags fand jedoch nicht statt. Neben dem Gros an Guts- und Hofgemeinden, in denen der Besitzer mit dem Schulzen identisch war oder ihn stellte, gab es auch eine Vielzahl gewählter Personen, die in keiner familiären oder politisch-ideologischen Verbindung zur Guts- bzw. Hofverwaltung standen. Unter ihnen fanden sich 1927 – Angaben für die Zeit davor sind nicht überliefert – auch 19 Landarbeiter. Drei Jahre später, 1929, waren es bereits 41.16 Eine Ursache für das zwischen 1923 und 1929 auch in den kombinierten Gutsund Dorfgemeinden zu beobachtende Auf und Ab der politischen Herrschaftsverhältnisse17 lässt sich aufgrund der mehr als dürftigen Quellenlage nicht ohne Weiteres benennen. Zu vermuten ist allerdings, dass sowohl der Organisationsgrad der Arbeitnehmer als auch die Haltung des Arbeitgebers, etwa in Bezug auf die Gemeindefinanzen, von nicht unerheblichem Einfluss waren. Hinzu kamen landespolitische Erwägungen und Agitationskampagnen der Landtagsparteien. Während zu Anfang der Weimarer Republik hier insbesondere Dorf- und Landbund aktiv waren, nahm sich zunehmend auch die SPD des platten Landes an. So reagierte sie beispielsweise auf den Versuch der rechtskonservativen Regierung von Brandenstein, die kommunale Selbstverwaltung zu beschränken, mit einer verstärkten Agitation, die zunächst zu einem Machtwechsel in den Kommunen und Ämtern und schließlich zu einer Abwahl der Landesregierung führte.18 13 Vgl. ebd. 14 Initiativgesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion, 20. Jan. 1925, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 122. Vgl. auch Wehmer, in: Landtag, 1926, 41. Sitzung, 28. April 1925, Sp. 2113. In der Landgemeindeordnung war bereits vorgesehen, dass „Ehegatten [...] nicht zugleich Mitglieder des Gemeindevorstands sein“ dürfen. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 748, § 19. 15 Iven, in: Landtag, 1926, 69. Sitzung, 4. Feb. 1926, Sp. 3348–3349. 16 Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, passim; Staatshandbuch, 1930, T. 2, passim. Die Mehrheit von ihnen war in Gutsgemeinden gewählt worden. 17 Vgl. Tabelle 28 im Anhang. 18 Vgl. Bei der Wieden: Regierungen, S. 13–14; Statistisches Handbuch, 1931, S. 134–135.
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Nicht nur mit landes-, sondern insbesondere mit reichspolitischen Einflüssen lässt sich auch der Wandel in der sozialen und beruflichen Stellung der nun als Bürgermeister bezeichneten Schulzen nach 1933 erklären. Die staatliche Ernennung der Bürgermeister, die auf Vorschlag des Beauftragten der NSDAP erfolgte,19 führte allerdings – anders als es Person und Position des Gauleiters Friedrich Hildebrandt hätte erwarten lassen – zu keiner grundlegenden Änderung. In 541 der insgesamt 979 Guts- und Hofgemeinden Mecklenburgs bestand 1937 eine Personalunion zwischen dem Eigentümer und dem Schulzen; in weiteren 125 Gemeinden hatte der Gutsverwalter das Amt inne.20 Im Vergleich zu 1929 bedeutete dies lediglich einen Rückgang um fünf Prozent. Berücksichtigt werden muss zudem, dass bereits damals die Zahl der als Schulzen tätigen Besitzer und Verwalter zurückgegangen war; statt 740 im Jahr 1927 betrug sie 1929 nur noch 678. Es scheint sich insofern eher um eine langfristige Entwicklung als um einen politisch motivierten Wandel gehandelt zu haben.21 Gegen eine, dann allenfalls sehr kleine, nationalsozialistische Revolution auf dem platten Land spricht zudem, dass lediglich in 15 Guts- bzw. Hofgemeinden Landarbeiter zum Schulzen gewählt wurden.22 Hinzu kommt, dass 1934, mit dem Anschluss von Mecklenburg-Strelitz, 46 Gutsbezirke in Gutsgemeinden umgebildet wurden. Wie 13 Jahre zuvor in Mecklenburg-Schwerin nutzten die Hintersassen ihre politische Freiheit und übertrugen die Trennung von ökonomischer und politischer Einheit Personen, die in keiner direkten Beziehung zur Gutsverwaltung standen.23 Für einen politisch initiierten Wechsel der Herrschaftsverhältnisse in den Gutsund Hofgemeinden wiederum spricht, dass die Zahl der als Schulzen tätigen Gutsbesitzer bzw. Pächter sowohl in diesen als auch in den kombinierten Landgemeinden auf 42 Prozent sank.24 Möglicherweise verweist dieser Befund aber auch nur auf den Rückzug einzelner Besitzer aus der Politik, was freilich weder den Verlust des Einflusses auf die Gemeinde bedeutete noch auf eine Opposition zum National sozialismus verweist. Zu differenzieren gilt es aber auch dort, wo die Gutsbesitzer bzw. Pächter Bürgermeister blieben, war die staatliche Ernennung doch nicht an die Mitgliedschaft in der NSDAP gebunden.25 Vor diesem Hintergrund erscheint die These eines organisierten Wandels zweifelhaft. Verantwortlich scheint vielmehr die 1918 ausgelöste allgemeine soziale und politische Emanzipation gewesen zu sein, die durch Gesetze, u. a. den Kündigungsschutz, gesichert wurde.26 Wie stark dabei 19 20 21 22 23 24
Vgl. dazu Crull: Berufung. Vgl. Tabelle 29 im Anhang. Vgl. dazu auch Niemann: Großgrundbesitz, S. 327. Vgl. dazu auch Kap. 9.2, S. 357–358. Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, passim. Vgl. dazu Kap. 7, S. 251–252. Vgl. Stein: Bodenreform in Mecklenburg, S. 47–48. Hier wird der Anteil der 1939 als Schulzen tätigen Gutsbesitzer in den „Gemeinden, in denen es Junkergüter gab“, mit 42 Prozent angegeben. Grundlage der Untersuchung war das Staatshandbuch von 1939. 25 Vgl. Niemann: Großgrundbesitz, S. 321–331. Vgl. dazu auch Kap. 9.2, S. 357–358 und Kap. 9.4. 26 Vgl. Niemann, Großgrundbesitz, 2000, S. 330.
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die Beharrungskräfte waren, hat die vorstehende Analyse gezeigt. Angesichts der Ergebnisse ist wohl davon auszugehen, dass bis 1945 mindestens einem Drittel aller Hof- und Gutsgemeinden der Besitzer auch als politischer Repräsentant vorstand.27 In Bezug auf die soziale und berufliche Stellung der Schulzen in den Dorfgemeinden lässt sich ebenfalls eine starke Kontinuität nachweisen. Hier stellten, wie schon vor 1918, vor allem die Hofbesitzer und damit die Vertreter der die Gemeinde wirtschaftlich dominierenden Schicht die Schulzen. Neben diesen dominierten die als Büdner und Häusler bezeichneten Kleinbauern, die sich vor 1918 gemeinsam mit den Hofbesitzern die politischen Rechte teilten. Die Landarbeiter und Einlieger hingegen konnten, obwohl nun wahl- und stimmberechtigt, auch nach der Novemberrevolution nicht an politischem Einfluss gewinnen.28 Die Gemeindevorstände und, so ist anzunehmen, wohl auch die Gemeindeversammlungen blieben in den meisten Fällen so zusammengesetzt, wie es die revidierte Gemeindeordnung von 1869 vorgesehen hatte. Nach wie vor lag die politische Macht hier bei den Grund und Boden besitzenden Schichten. Der Schriftsteller Helmut Sakowski urteilte in seinem Roman „Verflucht und geliebt“, der Ende der 1950er Jahre spielt: „Als Schulzen waren bis Kriegsende nur die reichsten Bauern gewählt worden. Sie hatten sich das Amt etwas kosten lassen, es mehrte ihren Einfluß und ihr Ansehen unter den Leuten und war gewissermaßen käuflich gewesen wie der Titel eines Schützenkönigs, dessen Würde stets an jenen verliehen wurde, der das meiste Freibier versprach.“29 Auch wenn diese literarische Beschreibung einer historischen Analyse nicht standhält, so verdeutlicht sie doch anschaulich, die, so scheint es, die kommunale Ebene charakterisierende Beständigkeit. Wie bei den Guts- und Hofgemeinden, so ist allerdings auch in Bezug auf die Dorfgemeinden zu berücksichtigen, dass die Größe des landwirtschaftlichen Betriebes nicht immer Rückschlüsse auf die Ambition und politische Einstellung der ihn führenden Person erlaubt. In der Gemeinde Pribbenow etwa kandidierte der Büdner W. Koch für die SPD und erhielt die Mehrheit der Stimmen.30 Dass sich, wie der Landdrost des Bezirks Lübz, Walter Studemund, annahm, unter den Schulzen „nach Vorbildung und Geschicklichkeit meist verschiedenartige Personen [...] der verschiedensten Berufe und Bildungsstufen“ befanden,31 hingegen trifft, wie gezeigt werden konnte, ebenfalls nicht zu. Fast gänzlich vom Amt des Schulzen ausgeschlossen blieben in den Dorfgemeinden die Frauen. Obwohl die Landgemeindeordnung ihnen ausdrücklich das Recht, 27 Stein nimmt an, dass, zählt man die Verwalter und andere abhängige Personen hinzu, „in rund 70 Prozent aller Gemeinden Mecklenburgs die Junker bis 1945 unmittelbar die Macht ausübten“. Stein: Bodenreform, S. 48. Dies scheint etwas übertrieben, realistischer sind wohl 50 Prozent. Vgl. dazu auch Niemann: Großgrundbesitz, S. 327–328. Eine statistische Erhebung ist aufgrund fehlender Angaben allerdings nicht möglich. 28 Vgl. Tabelle 30 im Anhang. 29 Sakowski: Verflucht und geliebt, S. 56–57. Die fiktive Geschichte spielt in der an Mecklenburg-Schwerin grenzenden Altmark. Die geschilderten Verhältnisse lassen sich jedoch übertragen. 30 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5993: Burmeister an MdI, 12. Mai 1932. Koch führte das Amt bis 1927. Vgl. ebd. Vgl. auch Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 192. 31 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 33: Landdrostei Lübz an MfL, 7. Mai 1921.
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im Gemeindevorstand vertreten zu sein,32 zusicherte und die SPD 1920 für weibliches Engagement in den Kommunen warb,33 weist das Staatshandbuch lediglich in drei Fällen Frauen als Schulzen aus. Neben der Hofbesitzerin Christel Scharf, die wohl von 1921 bis 1929 die Geschäfte der Gemeinde Kavelstorf im Amt Rostock führte, zählten die Häuslerwitwe Meta Westphal, die 1929 als Schulze der Gemeinde Börzow im Amt Grevesmühlen genannt wird, und die Rentnerin Anna Plagemann, die in den Jahren 1937, 1938 und 1939 als Bürgermeisterin in Huckstorf im Kreis Rostock tätig war, zu den Vorreiterinnen der Emanzipation.34 Ganz anders verhielt es sich in den Gutsgemeinden, wo nicht nur Gutsbesitzerinnen als Schulzen tätig waren, sondern auch nicht selten weibliche Familienmitglieder oder – wie in vier Fällen nachgewiesen – Sekretärinnen des Gutsbesitzers das Amt des Schulzen übernahmen.35 Der tatsächliche Anteil der Frauen, die als Gemeindevorsteherin tätig waren, scheint jedoch noch größer gewesen zu sein. Einem Bericht des Landrats des Kreises Schwerin, Karl Bötefür, zufolge seien „in einer grossen Anzahl der Gutsgemeinden [...] die Gemeindeangelegenheiten von der Gutssekretärin mit erledigt“ worden.36 Der Grund für diesen Unterschied lag wohl in der Tatsache begründet, dass auch vor 1918 Güter mitunter im Eigentum von Frauen standen und von ihnen sowohl wirtschaftlich als auch politisch geführt wurden.37
9.2 Ideologisch-weltanschauliche Bindung Sowohl vor als auch nach der Novemberrevolution gab es in Mecklenburg-Schwerin keine gesetzliche Bestimmung, die konfessionell oder politisch gebundenen Personen das Schulzenamt verwehrte. Vor 1918, als der Gemeindevorstand durch die großherzogliche Verwaltung ernannt wurde, war allerdings sowohl eine fachliche als auch
32 Vgl. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 748, § 18. 33 Nach Ansicht des Rostocker Stadtverordneten Paul Schroeder waren Frauen für einzelne Politikfelder besonders geeignet. Sie würden, so Schroeder, „besonders in der Fürsorgearbeit auf dem Gebiete der Armen- und Waisenpflege [...] eine segensreiche Tätigkeit entfalten“ und der Gemeinde als „besseres Bindeglied zwischen Schule und Elternhaus in Schulfragen [...] gute Dienste leisten und Ratschläge und Anregungen geben“ können. MVZ, 8. Feb. 1920. 34 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 157; Staatshandbuch,1927, T. 2, S. 144; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 23 und S. 163; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 149; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 154–155; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 156–157. Nicht mit aufgenommen wurde die Vorsteherin des Frauenklosters in Ribnitz, Marie von Quitzow, die von 1921 bis 1927 Schulze der Gemeinde Kloster Ribnitz war. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 162; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 152. 35 Vgl. Tabelle 31 im Anhang. Vgl. dazu auch Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 134; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 52 und S. 198; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 59 und S. 235. 36 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939. 37 Vorenthalten war ihnen anscheinend nur das Recht der Landstandschaft. Vgl. dazu Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 83. Eine Untersuchung zur Rechtsstellung und dem Einfluss von Frauen als Gutsbesitzerinnen steht noch aus.
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eine nicht näher definierte, im Ermessen des Prüfenden liegende sittlich-moralische Qualifikation erforderlich.38 Mit Einführung der freien Wahl fielen diese Beschränkungen weg. Allerdings reglementierte auch die demokratische Ordnung den Zugang zum Schulzenamt, indem sie ein Bekenntnis zum neuen Staat forderte. Hatten die Gemeindevorsteher vor 1918 lediglich zu schwören, die ihnen „auferlegten Obliegenheiten gewissenhaft zu erfüllen“,39 so mussten sie seit Anfang März 1920 zudem einen Eid auf die am 31. Juli 1919 verabschiedete Verfassung des Deutschen Reiches ablegen.40 Die 1920 noch vor dem Kapp-Lüttwitz-Putsch begonnene Verpflichtungskampagne der bereits gewählten Schulzen begegnete einigen kleineren Widerständen. So lehnte es der leitende Beamte des Domanialamtes Güstrow, Ernst Havemann, ab, den Ortsvorstehern auf den Höfen, die „auch früher nicht beeidigt“ worden waren, nun den Schwur auf die Verfassung abzunehmen.41 Dies war, da hier noch keine Wahlen stattgefunden hatten, allerdings auch nicht gefordert worden. Dass die Regierung hierauf verzichtete, lag wohl nicht zuletzt an den Erfahrungen des Schulzenprotests im Frühjahr 1919.42 Unnachgiebig hingegen zeigte sie sich gegenüber der Weigerung des zum Schulzen der Gemeinde Karft im Domanialamt Wittenburg gewählten Heinrich Meincke.43 Verantwortlich für dessen Ablehnung waren indes keine politischen Gründe. Meincke sah schlicht keine Veranlassung, den „vorgeschriebenen Eid durch Unterschrift zu leisten“, da weder er noch seine Kollegen von der Regierung als Beamte anerkannt waren und man ihnen aus diesem Grunde auch die „sämtlichen Teuerungszulagen vorenthalten“ habe.44 Tatsächlich fungierten die Schulzen nach der Revolution weiterhin „als Organ der allgemeinen Landesverwaltung“, übten das Amt aber im Rahmen der gemeindlichen Selbstverwaltung ehrenamtlich aus.45 Über die Höhe der Entschädigung hatte bekanntlich die Gemeinde selbst zu entscheiden. Der sich gegen die Neuordnung des Angestelltenverhältnisses richtende Protest Meinckes blieb jedoch erfolglos. Das Ministerium des Innern drohte, falls er „noch länger bei seiner Weigerung beharrt“, mit einer Disziplinar strafe.46 Meincke unterschrieb daraufhin und blieb nachweislich bis 1929 Schulze der Gemeinde.47 38 Vgl. Baller: Gemeinde-Ordnung, S. 10; Bierstedt: Amtsführung, S. 19. 39 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: Havemann an MdI, 23. April 1920. 40 Vgl. ebd.: MdI an DA, 2. März 1920. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: MdI an DA, 5. März 1920. Ausdrücklich ausgenommen waren hingegen die Schöffen. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an Wildfang, 11. März 1920; ebd.: MdI an Havemann, 6. Mai 1920. 41 Ebd.: Eichbaum an MdI, 2. Juli 1920. 42 Vgl. dazu Kap. 5.3.2.2. 43 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: DA Wittenburg an MdI, 21. April 1920. Meincke war bereits vor 1918 Schulze der Gemeinde. Vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 77. 44 Ebd.: Meincke an DA Wittenburg, 24. März 1920. Vgl. dazu auch Kap. 5.3.2.2, S. 156. 45 Klien: Landgemeindeordnung, S. 59–62. Vgl. Stelling, in: Landtag, 66. Sitzung, 4. Feb. 1920, Sp. 2020. 46 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an Amt Wittenburg, 9. Juni 1920. 47 Vgl. ebd.: DA Wittenburg an MdI, 18. Juni 1920. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 109; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 69; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 79.
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Neben persönlichem Bedenken und Widerstand verzögerte sich die Verpflichtungskampagne auch durch ganz praktische Probleme. So war es etwa den leitenden Beamten der Domanialämter Doberan und Grabow aufgrund der eigenen Arbeits belastung gar nicht möglich, sämtlichen Schulzen den Eid abzunehmen.48 Wenige Wochen später wurde den Ämtern zudem die Vereidigung aller „eintretenden Gemeindebeamte[n]“ auferlegt.49 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Verpflichtungskampagne erst Ende Februar 1921 abgeschlossen werden konnte.50 Nach dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung scheint die Vereidigung keine Probleme mehr verursacht zu haben. Lediglich ein weiterer Fall ist bekannt, in dem der Schulze und mit ihm die beiden Schöffen den Eid verweigerten. Anders als Meincke 1920 lehnte der Gemeindevorstand der Gutsgemeinde Wozeten im Amt Güstrow 1924 den Schwur auf die Reichsverfassung ab, da er sie aus „innere[r] politische[r] Ueberzeugung nicht anerkennen“ und deshalb „auch nicht beschwören“ könne.51 Sowohl die Schöffen als auch der Schulze Wilhelm Albrecht, der zugleich Miteigentümer des Guts Wozeten war,52 wollten den Eid deshalb nur auf den zweiten Teil der Formel, das Amt „den geltenden Gesetzen und sonstigen Vorschriften“ entsprechend zu führen, schwören.53 Das Amt entsprach dem Wunsch, da auch „die Reichsverfassung als geltendes Gesetz“ betrachtet werden müsse. Notwendig sei das Entgegenkommen zudem, weil „eine andere Verpflichtung [...] von den Mitgliedern des Gemeinde-Vorstandes nicht zu erlangen“ und es „ebenso [...] unmöglich“ sei, „andere Personen zur Uebernahme des Postens zu bewegen“. 54 Das Ministerium des Innern hingegen wies diese auf eine zumindest diffuse Haltung zum neuen Staat verweisende Auffassung des Amtes zurück, verlangte ein Bekenntnis zur Republik und bestand auf der Leistung des vollständigen Eids.55 Da dies nach wie vor verweigert wurde, erklärte das Ministerium des Innern den Gemeindevorstand für abgesetzt und beauftragte den Rendanten Ernst Lindner mit der Führung der Geschäfte.56 Weit häufiger als ein solch offenes Bekenntnis wider die parlamentarische Ordnung findet sich ein opportunes Verhalten ihrer Gegner, oder anders: Der Schwur auf die Verfassung des Deutschen Reiches bot keine Gewähr für eine regierungstreue 48 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: DA Doberan an MdI, 25. Juni und 7. Juli 1920; ebd.: DA Grabow an MdI, 25. Juni und 31. Juli 1920. 49 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdI an DA, 2. März 1920. Nach „Einführung der neuen Gemeindeordnung“ sollten die Gemeinden dann „selbst für die Beeidigung zuständig sein“. Ebd. Vgl. dazu auch Klien: Landgemeindeordnung, S. 27, § 21. 50 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an StM, 26. Feb. 1921. 51 Ebd.: Amt Güstrow an MdI, 5. Mai 1924. 52 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 103. 53 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: Amt Güstrow an MdI, 5. Mai 1924. Für das Zitat vgl. Klien: Landgemeindeordnung, S. 27, § 21. 54 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: Amt Güstrow an MdI, 5. Mai 1924. 55 Vgl. ebd.: MdI an Amt Güstrow, 13. Mai 1924. 56 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4781: Amt Güstrow an MdI, 1. Okt. 1929; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 59. Lindner führte das Amt nachweislich bis 1929. Vgl. Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 67.
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Amtsführung. Das wohl extremste Beispiel liefert hier die Gemeinde Boek im Amt Waren, wo der Gutsbesitzer Stephan Freiherr le Fort, obwohl wegen des militärischen Angriffs auf die Stadt Waren im Frühjahr 192057 „steckbrieflich verfolgt“, zum Schulzen gewählt worden war. Im Amt verweigerte le Fort die „Ausführung aller [...] Anordnungen“ und arbeitete, wie u. a. der 1922 bekannt gewordene Plan, eine eigene Polizeitruppe aufzustellen zeigt, darauf hin, die Gemeinde zu einem auto nomen Bezirk werden zu lassen.58 Le Fort hatte das Amt nachweislich bis 1929 inne.59 Der durch Wolfgang Kapp im März 1920 zum Zivilkommissar für Mecklenburg-Schwerin ernannte Albrecht Wendhausen wurde auf seinem Gut Spotendorf im Amt Güstrow ebenfalls zum Schulzen der Gemeinde gewählt. Ausweislich des Staatshandbuchs hatte Wendhausen das Amt, das er von seiner Schwägerin übernahm, von 1927 bis 1939 inne.60 Auf Seiten der Kapp-Putschisten stand ferner der Schulze der Gemeinde Kladrum im Amt Neustadt, Fritz Brose. Er war, so der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Wilhelm Hansen, „mit seinen Getreuen vom Dorfbunde“ in der Gemeinde und deren Umgebung herumgezogen und hatte „denjenigen mit Erschießen“ gedroht, die „sich am Generalstreik beteiligten“.61 Brose blieb nachweislich bis 1939 Schulze der Gemeinde. 62 Offen gegen die Republik arbeitete auch der Schulze der Gutsgemeinde Neuhof im Amt Neustadt, Rudolf Schnütgen. Er veröffentlichte im Gemeindekasten rechtsradikale Propaganda, u. a. eine „durchaus unangemessene Verunglimpfung des verstorbenen Ministers Rathe nau“,63 beschäftigte auf seinem Gut Angehörige der Organisation Rossbach und hielt dort auch Waffen versteckt.64 Neben solch aktiver Systemkritik und -feindschaft finden sich bei den Bürgermeistern auch subtile Formen des Widerstands, zu denen insbesondere die Nichtbeachtung von Anweisungen gehörte, die seitens des Staates oder der Selbstverwaltung gegeben wurden. Ein besonders krasser Fall ist aus dem Amt Grevesmühlen überliefert. Hier weigerte sich der Schulze der Gutsgemeinde Neuhof, der Gutsbesitzer Her57 Vgl. dazu u. a. Niemann: Landadel. 58 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Amt Waren an MdI, 15. Juni 1921. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Amt Waren, 20. Juni 1921. 59 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 198; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 182; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 207–208. 60 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 100; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 55; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 62. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 46; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 44–45; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 44–45. 61 Hansen, in: Landtag, 1920, 76. Sitzung, 23. März 1920, Sp. 2319. 62 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 132; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 122; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 138; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 123; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 126–127; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 128–129. 63 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 497: MdI an StM, 11. Dez. 1923. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 134. Spätestens ab 1927 war Schnütgen Eigentümer der Güter Klein Bölkow und Gorow, wo er auch das Amt des Schulzen innehatte. Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 136 und S. 142; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 154 und S. 161. Im Staatshandbuch von 1937 wird Schnütgen nicht mehr als Bürgermeister geführt. Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 146–147. 64 Vgl. dazu Niemann: Fememord, S. 18.
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mann Rödiger,65 „die Gemeindeverwaltung nach den Bestimmungen der Landgemeindeordnung zu führen“. Zwischen 1921 und 1923 war beim zuständigen Amt kein einziger Voranschlag oder „Entlastungsbeschluß der Gemeindeversammlung bezüglich der Gemeinderechnung“ eingereicht worden. Die daraufhin eingeleitete Prüfung ergab, dass weder eine Gemeindeversammlung noch eine Ortssatzung existierte und von den Einwohnern auch keinerlei Gemeindesteuern erhoben wurden. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden, „also auch die Gemeindeanteile an der Reichseinkommensteuer, Umsatzsteuer usw.“, gingen durch die Bücher der Gutsverwaltung. Die separate Führung eines Gemeinde- und Protokollbuchs galt als „überflüssig“. Das Amt versuchte Rödiger durch Geldstrafen, zuletzt in einer Höhe von 20.000 Mark, zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung zu zwingen. Statt zu einer Änderung des Verhaltens führten diese jedoch regelmäßig zu einer „Verhöhnung des Amtes, speziell des Amtshauptmannes“. Als machtlos erwies sich auch das Ministerium des Innern.66 Ein Ende fand die Angelegenheit erst, so scheint es, als Rödiger das Gut verkaufte.67 Ende März 1926 griff ein Initiativgesetzentwurf der DNVP und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft die von Rödiger und wohl auch anderen Besitzern geübte Praxis, Betriebs- und Gemeindefinanzen gemeinsam zu verwalten, auf. Demnach sollten sämtliche Gutsgemeinden68 von der Pflicht, einen Gemeindehaushalt zu führen, befreit werden. Im Gegenzug hatte sich „der Gutsbesitzer bzw. Pächter [...] schriftlich der Gemeinde gegenüber [zu] verpflichten [....], alle öffentlich-rechtlichen Lasten zu tragen, soweit die[se] [...] nicht durch etwaige Rücküberweisungen an Steuern oder durch sonstige Einnahmen der Gemeinde gedeckt werden.“ 69 Der sozialdemo kratische Landtagsabgeordnete Karl Moltmann kritisierte den Regierungsentwurf, da schon jetzt „bei den Gutsbesitzern [...] völlige Freiheit in der Finanzpolitik“ bestünde, die „in der Gemeinde betrieben werden soll“. Den Inhalt und die Intention der Vorlage fasste er spöttisch in der fiktiven Rede eines Konservativen zusammen: „Ihr, liebe Gutsbesitzer, sollt von jetzt ab überhaupt keine Aufsicht über euch haben. Wir haben da eine Regierung, wir haben da ein Amt, aber die sollen euch Gutsbesitzern, euch braven Kerlen, nicht immer in die Papiere gucken können.“70 Wenige Wochen später trat die Regierung bekanntlich zurück. Mit ihr verschwand auch der Gesetzentwurf von der Tagesordnung. Ein Beleg dafür, dass in den Gutsgemeinden die Landgemeindeordnung nur formell bestand, liefert auch die Art 65 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 80. Für 1927 weist das Staatshandbuch Werner Barnbeck sowohl als Eigentümer des Guts als auch als Schulze der Gemeinde aus. Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 27. 66 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 117: Amt Grevesmühlen an MdI, 11. Mai 1923. 67 Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 27. 68 Im Entwurf wurden diese als Orte definiert, in denen der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs mehr als 80 Prozent des für die Gemeinde festgesetzten Grundsteuersolls zahlte. Vgl. Initiativgesetzentwurf der deutschnationalen Fraktion und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft, 31. März 1926, in: 3. ordentlicher Landtag, Drs. Nr. 232. 69 Ebd. Vgl. dazu auch Klien: Landgemeindeordnung, S. 74–76, §§ 50–52. 70 Moltmann, in: Landtag, 1926, 76. Sitzung, 20. April 1926, Sp. 3833.
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und Weise der politischen Machtausübung in der Gemeinde Klein Lukow im Amt Waren. Hier hatte bis 1922 keine Gemeindewahl stattgefunden, sich der Besitzer des ehemaligen Ritterguts, Ernst von Schröder, „selbst zum Schulzen bestellt“ und seitdem „keine einzige Gemeindeversammlung stattgefunden“. 71 Ähnlich verhielt es sich in der ebenfalls im Amt Waren gelegenen Gemeinde Lapitz, wo der Gutsbesitzer August Neumann das Schulzenamt ausübte und sämtliche Ortssatzungen von seinem „Sekretär allein ohne Gemeindeversammlung“ ausfertigen und zur Genehmigung beim Amt einreichen ließ.72 Für die Zeit nach 1923 lassen sich anhand der Akten derartige Fälle nicht mehr nachweisen. Dass dies als Zeichen dafür gewertet werden kann, dass in allen Guts- und Hofgemeinden die Landgemeindeordnung nicht nur eingeführt, sondern auch umgesetzt worden war, erscheint indes zweifelhaft. Im Gegenteil, der zwischen 1923 und 1927 zu beobachtende, doch erhebliche Anstieg sowohl bei den als Schulzen tätigen Guts- bzw. Hofbesitzern als auch bei den das Amt ausübenden Verwaltern verweist auf eine Stärkung der politischen Position des die Gemeinde wirtschaftlich dominierenden Großgrundbesitzers.73 Gleichwohl ist hier zu berücksichtigen, dass es auch entgegengesetzte Fälle gab. Auf dem Gut Greven im Amt Lübz etwa hatte „der Tagelöhner Rand“ nach Aussage des Eigentümers, des deutschnationalen Landtagsabgeordneten Magnus Knebusch, „ein fanatischer Vorkämpfer des sozialdemokratischen Landarbeiterverbandes“ das Amt des Schulzen inne. Ihm folgte ein anderer Tagelöhner nach, der ebenfalls Mitglied der SPD war.74 Da amtliche oder parteiinterne Erhebungen fehlen und die Staatshandbücher keinerlei Angaben zur Parteizugehörigkeit der Schulzen enthalten, ist eine statistische Auswertung des Anteils sozialdemokratischer Gemeindevorsteher nicht möglich. Dies gilt generell für die Analyse der politisch-ideologischen Bindung der Schulzen bis 1933. Hier muss es bei der Sammlung von Berichten bzw. Klagen über nonkonformes oder gar rechtswidriges Verhalten und deren Entgegnungen, die sich in den Landtagsprotokollen und den Verwaltungsakten der Ministerien finden, bleiben. Anhand der in Bezug auf die soziale und berufliche Herkunft ermittelten Ergebnisse lässt sich jedoch zumindest vermuten, dass, wie der sozialdemokratische 71 Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1800. Ernst von Schröder hatte das Amt bis 1938 inne. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 203; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 191; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 217; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 258. 72 Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1801. August Neumann war bis zu seinem Tod Schulze der Gemeinde. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 202; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 189. 1929 wird der Verwalter Albrecht Waack als Schulze genannt. Später übernahm einer der Söhne Neumanns das Amt. Vgl. Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 215; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 256; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 282–283; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 290–291. 73 Vgl. Tabelle 25 und 26. 74 Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1141. Anhand des Staatshandbuchs lässt sich diese Aussage nicht überprüfen. Im Staatshandbuch von 1923 wird als Schulze ein gewisser Klein genannt. Von 1927 bis 1939 führte der Inspektor Hans Eickelberg die Geschäfte der Gemeinde. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 121; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 121; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 136; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 123–124; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 124–125; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 124–125.
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Landtagsabgeordnete Bernhard Girke formulierte, „auf den Dörfern [...] wohl der Neuzeit gemäß eine Gemeindevertretung gewählt“ wurde, die Schulzen aber „in den allermeisten Fällen [...] noch ganz nach ihrem alten Schema“ handelten und sich keineswegs als ausführendes Organ der Gemeindeversammlung verstanden. 75 Eine parlamentarisch-demokratische Einstellung dürfte, nicht zuletzt auch aufgrund einer fehlenden Tradition, bei den wenigsten vorhanden gewesen sein.76 Dies, wie auch die – allerdings nur anhand einzelner Stichproben nachgewiesene – geringe Fluktuation unter den Schulzen77 lässt vermuten, dass das Schulzenamt in allen Landgemeinden so wie vor der Novemberrevolution im Domanium als ein rein administrativer Posten galt, den man denen überließ, die sich durch eine gewisse fachliche Qualifikation auszeichneten. Ein Grund dafür scheint nicht zuletzt der sich aus der geringen finanziellen Ausstattung ergebende geringe Handlungsspielraum der Gemeindevertretungen gewesen zu sein. Mit dieser These soll keineswegs der Einfluss des Großgrundbesitzes auf die Gemeindeverfassung, die Wahl und die Amtsführung der Schulzen negiert werden, doch bleibt hier immer zu prüfen, inwieweit es sich um Einzelfälle oder um eine allgemeine Erscheinung handelte.78
9.3 Das Verhältnis zu den Gutsbesitzern und Pächtern Für den Landtagsabgeordneten der KPD, Hugo Wenzel, stand, ohne dass er dafür Belege anführte, fest, dass dort, wo der Schulze einer der linken Parteien angehörte, sich die Gutsbesitzer darin einig seien, „ihn brot- und obdachlos zu machen“ und „ohne Rücksicht auf seine Familie auf das Straßenpflaster zu werfen“.79 Der SPDPolitiker Hans Hennecke hingegen bemühte sich, derartige Fälle zu sammeln, die er dem Landtag dann als „Schlaglichter“ der Situation in den Landgemeinden präsentierte.80 Allein im Amt Waren wies er vier Fälle nach, in denen sich Gutsverwaltungen gegen den gewählten Schulzen zur Wehr setzten. In der kombinierten Landgemeinde Lütgendorf beispielsweise weigerte sich der Eigentümer des Guts Blücherhof, dem Schulzen die Schulakten zu übergeben. Eine Einsicht in die Verwaltungspapiere verwehrte ebenfalls der Gutsbesitzer Georg Lemcke. Er organisierte zudem ein Bür75 Girke, in: Landtag, 1921, 14. Sitzung, 22. Okt. 1920, Sp. 478. 76 Eine Ausnahme stellte u. a. der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Friedrich Wehmer dar. Bis nachweislich 1929 war er Schulze der Gemeinde Plate im Amt Schwerin. Vgl. Handbuch Landtag, 1921, S. 42; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 178; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 171; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 195. 77 Eine detaillierte Untersuchung auf der Grundlage der Angaben im Staatskalender von 1917 wäre lohnenswert. Es könnte annähernd die Zahl der großherzoglich ernannten Schulzen, die im Amt verblieben, ermittelt werden. In der Gemeinde Rosenow im Amt Malchin etwa feierte der Schulze Lehmann 1927 sein 30jähriges Dienstjubiläum. Er war 1896 in sein Amt eingeführt worden. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an Amt Malchin, 9. Sept. 1926. 78 Vgl. dazu Kap. 9.3. 79 Wenzel, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 32. Sitzung, 6. Dez. 1921, Sp. 1139. Vgl. auch Wenzel, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 128–129. 80 Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1800.
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gerbegehren gegen den Schulzen, das jedoch, da einzelne Unterschriften „teilweise nicht eigenhändig gemacht, teilweise gefälscht“ worden waren, scheiterte. Um den amtierenden Gemeindevorsteher, den Landarbeiter Vesper, dennoch loszuwerden, löste Lemcke kurzerhand und ganz offensichtlich „aus politischen Gründen“ das zwischen ihm und Vesper bestehende Arbeitsverhältnis auf und zwang ihn so, den Ort zu wechseln und das Amt aufzugeben. Nach diesem Vorfall wagten „die anderen Gutsinsassen [...] aus Furcht vor Kündigung keine politische Betätigung“ mehr.81 Zum Schulzen wurde Lemcke gewählt, der das Amt nachweislich bis 1939, vermutlich aber auch noch danach inne hatte.82 Ganz ähnlich ging der Eigentümer des Guts Groß Potrems im Amt Güstrow, Friedrich August von Gadow, vor. Auch er entließ die bei ihm beschäftigten und zum Vorstand der gleichnamigen Gemeinde gewählten Landarbeiter und übernahm selbst das Amt des Schulzen.83 Dadurch, dass Gadow den beiden Sozialdemokraten wegen „Tarifbruchs“ kündigte, nahm er ihnen allerdings nicht nur die Arbeit und das politische Amt, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit, Erwerbslosenunterstützung zu beantragen und schmälerte ihre Chancen, eine neue Anstellung zu finden. Überall dort, wo sie sich bewarben, erhielten sie schon „nach kurzer Zeit die Antwort, [...] nicht eingestellt“ werden zu können.84 Die wirtschaftliche Abhängigkeit der Einwohner vom Großgrundbesitzer wurde nicht nur in den Guts-, sondern auch in den Hofgemeinden zur Wahrung des alten Herrschaftsverhältnisses genutzt. In Groß Strömkendorf im Amt Wismar etwa kündigte der Hofpächter Paul Petersen dem zum Schulzen gewählten Landarbeiter Babinski und übernahm, nachdem dieser fortgezogen war und sein Amt niedergelegt hatte, selbst die Geschäfte der Gemeinde.85 Nach Angaben der Abteilung für Sozialpolitik beim Staatsministerium ereigneten sich „derartige Fälle [...] häufiger“.86 Bereits im Mai 1921 gab auch das Ministerium des Innern zu, dass „nicht ausgeschlossen“ werden könne, dass „Arbeitgeber auf dem platten Lande“ ihren in den „ländlichen Selbstverwaltungsorganen tätigen Arbeitnehmer[n] aus politischen Erwägungen“ heraus kündigten. Um dies zu meiden, schlug es eine Schutzbestimmung für „Organe der gemeindlichen Verwaltung 81 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 2: Notiz an Hennecke, März 1921. Vgl. dazu auch Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 46. Sitzung, 30. März 1922, Sp. 1801–1802. 82 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 198–199; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 184; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 209; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 250; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 276–277; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 284–285. 83 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 17: SPD-Bezirksverband Mecklenburg-Lübeck an MdI, 29. Sept. 1921. Gadow führte das Amt nachweislich bis 1929. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 97; Staatshandbuch, 1927, T.2, S. 150; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 171. 84 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 17: SPD-Bezirksverband Mecklenburg-Lübeck an MdI, 29. Sept. 1921. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 23: Staatskommissar für Demobilmachung an StM, Abt. für Sozialpolitik, 28. Okt. 1921. 85 Vgl. Wenzel, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 129–130; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 226; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 221. Petersen hatte das Amt vermutlich bis zur Lösung des Pachtvertrags inne. 1937 wird im Staatshandbuch der neue Pächter, Friedrich Weskott, als Schulze genannt. Vgl. Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 252; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 289. 86 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 22: StM, Abt. für Sozialpolitik an StM, 8. Nov. 1921.
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(Gemeindevorstand, Gemeindeversammlung)“ und „andere Selbstverwaltungskörper (z. B. Schulverbände, Landwirtschaftskammern)“ vor.87 Nur einen Monat später, im Juni 1921, regte der sozialdemokratische Ministerpräsident Johannes Stelling auf eine Initiative Henneckes hin an, den § 14 der Landesverfassung, der das Recht der „staatsbürgerlichen Betätigung“ festschrieb,88 um einen Absatz zu ergänzen, nach dem es den Arbeitgebern verboten sein sollte, Arbeitnehmer an der Übernahme oder der Ausübung eines politischen Ehrenamtes zu hindern bzw. sie deswegen zu benachteiligen.89 In der parlamentarischen Debatte des Entwurfs sprach sich der deutschnationale Abgeordnete Carl Warnemünde entschieden gegen eine solche Bestimmung aus. Einerseits, so seine Argumentation, bestünde durch die Reichsverfassung und das Bürgerliche Gesetzbuch ein ausreichender Schutz, andererseits aber müsse auch, da die Beschäftigung von Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden, „eine Schwächung oder gar zeitweise Stillegung“ des betreffenden Wirtschaftsbetriebs bedeute, das Recht der Kündigung bestehen bleiben.90 SPD und KPD widersprachen dieser Auffassung. Die Kommunisten nahmen sie gar zum Anlass, einen generellen Kündigungsschutz für die Dauer des Ehrenamts zu fordern.91 Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit. Der Regierungsentwurf hingegen wurde angenommen.92 Da Bestimmungen fehlten, „nach denen die Befolgung des § 14, Abs. 2, der Verfassung erzwungen oder die Nichtbefolgung bestraft werden“ konnte, blieb die Änderung wirkungslos. Nach wie vor kam es zu politisch motivierten Entlassungen, die im Rahmen normaler tariflicher Schlichtungsverfahren ausgesprochen und damit verdeckt wurden.93 Dass die Verfassungsänderung Schwächen aufwies und nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte, wurde 1926 indirekt auch durch die Abgeordneten Wenzel und Moltmann eingestanden.94 Eine Nachbesserung indes unterblieb. 1932 fand das Problem noch einmal im Landtag Erwähnung. Auslöser war der „Fall des Mestliner Schulzen“ Otto Thiede. Vom Pächter des gleichnamigen Hofs gekündigt und aus der Wohnung gewiesen, hatte er die Gemeinde verlassen und damit sein Amt niederlegen müssen.95 Möglichkeiten, trotz des wirtschaftlichen Drucks Schulze zu bleiben, gab es indes, wie ein Fall aus dem Amt Waren zeigt, auch. Hier sah sich der Landarbeiter 87 Ebd., Bl. 1: Aktennotiz MdI, 18. Mai 1921. 88 Verfassung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin. Vom 17. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 92, 10. Juni 1920, S. 138–671, hier S. 655, § 14. 89 Vgl. Stelling, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 17. Sitzung, 21. Juni 1921, Sp. 584; Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 17. Sitzung, 21. Juni 1921, Sp. 583–584. 90 Warnemünde, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 32. Sitzung, 6. Dez. 1921, Sp. 1136. 91 Vgl. Fuchs, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 36. Sitzung, 15. Dez. 1921, Sp. 1354–1355. 92 Vgl. Gesetz vom 15. Dezember 1921, betreffend Abänderung der Verfassung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin vom 17. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 6, 18. Jan. 1922, S. 55. 93 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 60: StM, Abt. für Sozialpolitik an StM, 13. März 1923. 94 Vgl. Wenzel, in: Landtag, 1927, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 128–129; Moltmann, in: Ebd., Sp. 131–132. 95 Höcker, in: Landtag, 1932, 49. Sitzung, 17. März 1932, Sp. 4816–4817. Vgl. Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 140–141. Im Staatshandbuch von 1937 wird als Schulze der Pächter des Hofs, Bernhard Berckemeyer, genannt. Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 126.
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K. Fuhrmann wenige Tage nach seiner Wahl zum Schulzen der Gemeinde Baum garten „durch den Terror des Gutsinspektors zur Niederlegung seines Amtes [...] gezwungen“. Das Amt Waren allerdings nahm sein Rücktrittsgesuch nicht an, sondern ergriff Partei für ihn.96 Fuhrmann blieb nachweislich bis 1923 Schulze der Gemeinde.97 Der Landarbeiter Karl Beyer, der 1921 zum Schulzen der Hofgemeinde Bossow im Amt Güstrow gewählt worden war, erhielt gegen die Versuche des Pächters, ihn abzusetzen, gar die Unterstützung des Ministeriums des Innern und konnte sich so seinem Arbeitgeber gegenüber behaupten.98 Neben der Ausnutzung der wirtschaftlichen Abhängigkeit gab es weitere Möglichkeiten, sich eines Schulzen zu entledigen. Hierzu zählte etwa das bereits erwähnte Bürgerbegehren, bei dem es, wie u. a. das Beispiel der Gemeinde Torgelow im Amt Waren zeigt, nicht immer regelkonform zuging.99 Manipulationen lassen sich auch bei den ordentlichen Gemeindewahlen nachweisen. In Schmarl etwa erklärte der „Sohn des Gutspächters Keppler [...] schon am Sonntag Mittag“, zwei Stunden vor Wahlschluss, dass „sein Vater [...] 23 Stimmen“ und der Gegenkandidat, der Land arbeiter Raatz, zwölf Stimmen bekäme. Tatsächlich wurde „das obige Wahlresultat [...] auch wirklich erzielt“.100 Ursache solcher Vorhersagen mussten nicht zwangsläufig Fälschungen sein, es reichte auch eine gezielte Beeinflussung oder soziale Kontrolle. Im Amt Crivitz beispielsweise waren bei der Gemeindewahl 1919 „verschieden groß[e]“ Wahlzettel ausgegeben worden, so dass der Vorsitzende des Wahlausschusses „an der Dicke des Umschlages bei jedem Wähler feststellen konnte“, wen dieser gewählt hatte.101 Als wirksames Mittel erwies sich ferner die Bestechung des Wählers. So beauftragte der Besitzer des Guts Basthorst im Amt Schwerin, der Schnapsfabrikant Helmuth Gilka, seinen Verwalter, das Amt des Schulzen, das bis dato der Sozialdemokrat Wilhelm Marek innehatte, zu übernehmen und traktierte, um dessen Chancen zu erhöhen, die Landarbeiter „mit Milch und Korn“.102 Tatsächlich wurde
96 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 2: Notiz an Hennecke, März 1921. 97 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 198. Sein Nachfolger wurde der Schullehrer Paul Kramer. Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 182; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 207. 98 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 987: MdI an Evers, 9. Sept. 1921. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 89. Für das Jahr 1927 weist das Staatshandbuch den Förster Ehlert als Schulzen aus. Er stand der Gemeinde bis 1937 vor. Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 38; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 43; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 29. 100 In Torgelow gewann der Gutsinspektor Carl Greverath die durch den Gemeindevertreter Westphal initiierte Neuwahl. Seine Wahl wurde den Aufsichtsbehörden jedoch, ebenso wie das Verfahren selbst, nicht angezeigt. Dieser Verstoß, der eine Überprüfung des Bürgerentscheids verhinderte, vielleicht auch verhindern sollte, blieb unbeanstandet und Greverath nachweislich bis 1939 Schulze der Gemeinde. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 286, Bl. 2: Notiz an Hennecke, März 1921; Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 206; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 198; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 225; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 264–265; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 292–293; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 300–301. 100 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1017: Schmidt an MdI, 16. Feb. 1921. 101 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Eichbaum an MdI, 8. Sept. 1919. 102 Moltmann, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 45. Sitzung, 29. März 1922, Sp. 1749. Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 169.
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Marek daraufhin ab- und der Verwalter, Julius Schnell, zum neuen Schulzen gewählt. Er übte das Amt solange aus, bis Gilka das Gut verkaufte.103 Eine ganz andere Methode zur Durchsetzung der eigenen Interessen empfahl, so Hennecke 1923 im Landtag, ein von ihm nicht näher benannter Landdrost einem ebenfalls anonym gebliebenen Rittergutsbesitzer. Demnach sollte dieser sich alle Dienste, die er für die Gemeinde leistete, bezahlen lassen, könnte andernfalls doch „Kapital aus den Steuererträgen angesammelt“ und damit der „Bau eines Gemeindehauses zur Unterbringung eines unabhängigen Schulzen“ finanziert werden.104 Überblickt man die vorstehende Beschreibung der Situation auf dem platten Lande, insbesondere in den Guts- und Hofgemeinden, handelte es sich bei der Behauptung Wenzels, die Großgrundbesitzer würden ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung ausnutzen, um ihnen missliebige Schulzen aus dem Amt zu entfernen, keineswegs nur um ein „Märchen“, wie der Landtagsabgeordnete der Deutschnationalen Volkspartei Dietrich von Oertzen in seinem Zwischenruf behauptete.105 Es ist hierbei jedoch zu berücksichtigen, dass der Verharmlosung auf der einen die politische Instrumentalisierung auf der anderen Seite gegenüberstand. So erklärte Hennecke beispielsweise, der deutschnationale Landtagsabgeordnete Knebusch habe als Verwalter des Guts Speck im Amt Waren den dort angestellten Schulzen der gleichnamigen Gemeinde entlassen, da dieser der SPD angehörte.106 Tatsächlich stand dieser jedoch gar nicht in Diensten des Guts, sondern war Pächter der dortigen Fischerei, dem der Vertrag im Zuge einer Neuvergabe der Rechte nicht verlängert worden war. Allerdings hatte Knebusch, wie er selbst zugab, den neuen Pächter verpflichtet, seinen Vorgänger nicht als Angestellten zu beschäftigen, da dieser „eine derartige Haltung gegen den Gutsherrn eingenommen“ hatte, dass es „erwünscht schien, daß er nicht dort blieb“.107 Dass sich die Leiter der landwirtschaftlichen Betriebe durchaus berechtigt gegen einzelne Schulzen zur Wehr setzten, suchte 1924 der Landbund dem Ministerium des Innern gegenüber zu verdeutlichen. Mit seinem Bericht lieferte er zugleich indirekt den Beleg dafür, dass eine Amtsführung auch wider die Interessen des Großgrundbesitzes möglich war. Nach Mitteilung des Vereins gingen bei der Geschäftsstelle „aus allen Teilen des Landes [...] dauernd Klagen [...] über die zum Teil ganz unhaltbaren Zustände“ in den Gemeinden ein.108 Hervorgerufen seien diese durch Schulzen, die in allen „gemeldeten Fällen politischen Parteien“ angehörten, „die nicht zu den Regierungsparteien“, d. h. der DNVP und DVP, zählten. Sie würden, so der Landbund zusammenfassend, den Betrieben und ihren Eigentümern „gegen jedes Recht [...] Lasten auferleg[en] bezw. ihnen ihr gutes Recht“ verweigern. Ein konkretes Beispiel liefert der Bericht des Pächters des Guts Melkof im Amt Hage103 Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 161. 104 Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 86. Sitzung, 15. Mai 1923, Sp. 4690. 105 Von Oertzen, in: Landtag, 1926, 4. Sitzung, 19. Okt. 1926, Sp. 129. 106 Vgl. Hennecke, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 32. Sitzung, 6. Dez. 1921, Sp. 1137–1138. 107 Knebusch, in: Ebd., Sp. 1141. 108 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 15: Landbund Mecklenburg-Schwerin an MdI, 12. April 1924.
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now, Wetzel. Dieser klagte darüber, dass „aus Opposition“ gegen ihn die „Arbeiterschaft“ den Maurer Karl Ahrens, der kurz zuvor von Wetzel „wegen Faulheit und Diebstahls resp. Betrugs“ entlassen worden war, zum Schulzen der Gemeinde gewählt hatte und Ahrens nun seine Position ausnutzte, ihn zu schikanieren. Zum einen ließ er den Lehrer, der zugleich erster Schöffe der Gemeinde war, „seine Kuh ohne Genehmigung auf Weide“ treiben und akzeptierte, dass dieser das seitens des Pächters „geforderte Weidegeld nicht bezahlte“, zum anderen ließ er im Gutshaus fünf Räume beschlagnahmen, in die – obwohl im Forst- und im Pfarrhaus genügend Platz vorhanden war – Flüchtlinge aus dem Ruhrgebiet einquartiert werden sollten. Der „Arbeitgeber und Hauptsteuerzahler“ der Gemeinde, Wetzel, fühlte sich, seitdem Ahrens das Schulzenamt übernommen hatte, als „II. klassiger Mensch“.109 Dieses ungleiche Verhältnis, das die agrarisch-konservativen Kreise fürchteten und bekanntlich immer wieder gegen die Ausweitung der Rechte der Gemeindevertretung angeführt hatten,110 währte nachweislich bis 1929.111 Neben solchen Reibereien ist ferner ein Fall belegt, in dem ein Schulze zu gewaltsamem Widerstand gegen Maßnahmen der Gutsverwaltung aufrief. Den Hintergrund bildete der Landarbeiterstreik von 1921, in dessen Zuge auch auf dem Gut Banzin im Amt Boizenburg die Arbeit niederlegt wurde. Als der Gutsbesitzer Johann Eschenburg die Technische Nothilfe rief, kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, die der „Orts- und Gemeindevorsteher [...] durch Hetzen und Schimpfereien [...] noch anzustacheln“ suchte.112 Nach diesem Vorfall, bei dem der „Inspektor [...] und einige weitere arbeitende Personen [...] schwer verletzt“ worden waren,113 übernahm Eschenburg das Amt des Schulzen, das er nachweislich bis 1927 innehatte. Ihm folgte ein Mitglied der Familie.114 Ungeachtet der politischen Intention, mit der die meisten der erwähnten Fälle recherchiert und den Behörden oder der Öffentlichkeit präsentiert worden waren und so überliefert sind, lässt sich zeigen, dass die Politik in den Landgemeinden sowohl vom Bestreben der Großgrundbesitzer, als Hauptsteuerzahler der Gemeinde auch deren politische Geschicke zu bestimmen, als auch von Ressentiments gegen den „landlosen Sozialdemokraten“ bzw. den „Junker“ geprägt waren. Ein Ausgleich war angesichts der Jahrhunderte währenden politischen Unmündigkeit der einen und der scheinbar bewährten Prinzipien der anderen nur schwer und vor dem Hintergrund drückender finanzieller Lasten auch nicht ohne Weiteres möglich.
109 Ebd., Bl. 16–17: Wetzel an Landbund, 19. März 1924. 110 Vgl. dazu etwa Kap. 8.3.1. 111 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 111; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 71; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 81. 112 Mecklenburgische Tageszeitung, 7. Aug. 1921. 113 MN, 4. Aug. 1921. 114 Vgl. Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 20; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 63; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 72. 1937 wird im Staatshandbuch der Altenteiler Heinrich Schwenk als Schulze genannt. Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 57.
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9.4 Fachliche Qualifikation und Amtsführung Einen Überblick über die fachliche Eignung der Schulzen um 1921 bieten die Berichte der Landdrosteien, die das Ministerium des Innern einforderte, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob den Gemeinden die Aufgabe der Zwangsvollstreckung in staatlichen Angelegenheiten übertragen werden konnte. Die überwiegende Mehrheit der Landdroste, soviel sei vorweg genommen, lehnte dies ab. Ihrer Ansicht nach handelte es sich bei den gewählten Gemeindevorstehern „vielfach, besonders im früheren ritterschaftlichen Gebiet“, um „unerfahrene Neulinge, die den Anforderungen der Verwaltungsbehörden [...] noch längere Zeit hindurch nicht oder nur sehr unvollkommen genügen“ würden.115 Christian Drechsler, Landdrost im Landdrosteibezirk Dargun, erwartete selbst nach einer entsprechenden Einarbeitungszeit keine Besserung, da den gewählten Schulzen schlicht die „Vorbildung“ für das Amt fehle.116 Diesem Urteil widersprach der Vorsitzende der Landdrostei Grabow, Maximilian Schmidt-Sibeth. Seiner Erfahrung nach befähigte „der Bildungsgrad die Ortsvorsteher durchgehend zur Erstattung von Berichten, welche früher wegen deren geringer Schreibkunde den Landreitern aufgetragen werden mußten“.117 Hermann Engel, Landdrost im Landdrosteibezirk Bützow, hielt die gewählten Gemeindevorsteher, obwohl sie über gewisse Basisqualifikationen verfügten, für „unfähig zur Erledigung ihrer Obliegenheiten“.118 Ebenso wie seine Amtskollegen in den Bezirken Hagenow und Röbel vermisste er in den Berichten der neuen Schulzen sowohl die „Kenntnis“ der bestehenden Gesetze und Verordnungen als auch die notwendige „Objektivität“.119 Den Grund dafür sah der Vorsitzende der Landdrostei Boizenburg, Adolf Wildfang, in der Einführung der freien Wahl. Hatte früher die Domanialverwaltung das Amt des Schulzen an „möglichst fähige und unparteiische Leute“ übertragen, waren die neuen Gemeindevorsteher „oft nur mit Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit gewählt“ und schon dadurch, „vielleicht sich selbst unbewußt, parteiisch“.120 Ihren Wählern verpflichtet, waren sie zu „viele[n] Rücksichten“ genötigt, „in ihrem Wollen und Können gebunden“ und deshalb nicht in der Lage, „in Sachen, die das persönliche Interesse einzelner Gemeindeangehöriger berühren, energisch vorzugehen und ein unparteiisches und objektives Urteil abzugeben“.121 Den Erfahrungen der Landdrostei Schwerin nach bezog sich diese Einschätzung nicht nur auf die „in der früheren Ritterschaft und auf den Höfen“ gewählten Ge115 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 33: Landdrostei Grevesmühlen an MfL, 6. Mai 1921; ebd.: Landdrostei Warin an MfL, 2. Mai 1921 116 Ebd.: Landdrostei Dargun an MfL, 24. Mai 1921. 117 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 33: Landdrostei Grabow an MfL, 3. Mai 1921. 118 Ebd.: Landdrostei Bützow an MfL, 18. Mai 1921. Vgl. dazu auch ebd.: Landdrostei Schwerin an MfL, 23. Mai 1921. 119 Ebd.: Landdrostei Hagenow an MfL, 10. Mai 1921. Vgl. ebd.: Landdrostei Röbel an MfL, 13. Mai 1921. 120 Ebd.: Landdrostei Boizenburg an MfL, 27. Mai 1921. 121 Ebd.: Landdrostei Lübz an MfL, 7. Mai 1921. Vgl. ebd.: Landdrostei Güstrow an MfL, 6. Mai 1921.
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meindevorsteher, sondern auch auf die „alten eingearbeiteten Schulzen aus dem früheren Domanium“. Sie hatten bereits seit langem darum gebeten, die „Zwangsvollstreckungen, für die sie zuständig“ waren, durch die Landdrostei vornehmen zu lassen, da sie andernfalls „mit ihren Ortsangehörigen in Gegensatz geraten“ würden, wodurch sich die „Führung der Gemeindeverwaltung erschwer[e]“. Der zuständige Landdrost Heinrich Schade machte in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam, dass im Falle einer Übertragung der Zwangsvollstreckung in staatlichen Angelegenheiten die „Mehrarbeiten ganz erheblich“ werden würden. Er befürchtete, dass „mit der Zeit wohl mehr oder weniger [Schulzen] zurücktreten“ und sich angesichts der Belastung entweder „kaum jemand bereit“ fände, für das Amt zu kandidieren, oder es zu einer „interesselose[n] Führung der Geschäfte“ käme.122 Vertrauen sowohl in die politische Integrität als auch die fachliche Qualifikation der gewählten Schulzen hatten allein die Landdrosteien Grabow und Boizenburg. Aus Sicht der dortigen Vorsitzenden waren die derzeitigen Amtsinhaber „durchweg nach beiden Richtungen [...] geeignet“. Sie räumten allerdings ein, dass den „neuen Gemeindevorsteher[n] in der Ritter- und Landschaft“, die schließlich eine Selbst verwaltung erst aufzubauen hatten, eine gewisse Einarbeitungszeit gewährt werden müsse.123 Mit welchem Umfang hier zu rechnen war, zeigt ein Beispiel aus dem Amt Grevesmühlen. Hier wurde in einer Gemeinde bis Mai 1923 weder ein Rechnungsnoch ein Protokollbuch geführt. Der „betreffende Gemeindevorsteher [...] ent schuldigt[e]“ sich jedoch „unaufgefordert“ und versprach, das „Versäumte ab 1. April 1923 nachzuholen“.124 Anders als die Mehrheit der Landdroste hielt der Landtag die Schulzen durchaus für geeignet, staatliche Aufgaben wahrzunehmen. Viele Gemeindevorstände weigerten sich jedoch, die „Aufträge zur zwangsweisen Einziehung staatlicher Gelder (Strafverfügung, Ordnungsstrafen pp.) auszuführen“ und begründeten „ihre ablehnende Haltung mit dem Nichtvorhandensein eines ‚Vollstreckungsbeamten‘“. Zuständig blieben häufig die bei den Landdrosteien angestellten Amtslandreiter, die eigentlich abgebaut werden sollten.125 Im Februar 1922 beschloss der Landtag gegen die Stimmen der SPD zudem, den Gemeinden, die es wünschten, die Erhebung der Landessteuern zu übertragen.126 122 Ebd.: Landdrostei Schwerin an MfL, 23. Mai 1921. 123 Ebd.: Landdrostei Boizenburg an MfL, 27. Mai 1921. Vgl. ebd.: Landdrostei Grabow an MfL, 3. Mai 1921. 124 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 117: Landdrostei Grevesmühlen an MdI, 11. Mai 1923. 125 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: Landdrostei Dargun an MdI, 26. Sept. 1925. Ob, dem Vorschlag der Landdrostei folgend, die Kosten für den Landreiter dem Schuldbetrag zugeschlagen wurden, um „dadurch die Staatskasse zu entlasten“, ließ sich nicht ermitteln. Ebd. Nach dem Übergang der Polizeiverwaltung auf die Ämter hatten diese die Kosten zu tragen. 126 Vgl. Landtag, 1925, Bd. 1, 41. Sitzung, 15. Feb. 1922, Sp. 1507; Gesetz betreffend Änderung der Landessteuerverwaltung. Vom 15. Februar 1922, in: Rbl. Nr. 24, 8. März 1922, S. 141–144, hier S. 141, § 33 a. Die Neuerung war durch den Abgeordneten des Wirtschaftsbunds Ernst Stier vorgeschlagen worden, der den Gemeinden einen schnelleren Zugriff auf die ihr zustehenden Steueranteile ermöglichen wollte. Vgl. Stier, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 40. Sitzung, 14. Feb. 1922, Sp. 1477.
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Mit ihrer Entscheidung widersprachen die Parlamentarier der Auffassung der Regierung, die Bedenken hatte, den „Schulzen der Landgemeinden, die – noch dazu neu in ihrem Amte – mit ihren Obliegenheiten noch nicht so ausreichend vertraut“ waren, die Verwaltung „immerhin recht erheblicher staatlicher Geldbeträge“ anzuvertrauen.127 Inwieweit die einzelnen Gemeinden von der Möglichkeit Gebrauch machten, ließ sich nicht ermitteln. Angesichts der Tatsache, dass sich viele Schulzen bereits dagegen wehrten, Pachten und Versicherungsbeiträge, u. a. der Domanialbrandversicherung und der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, einziehen zu müssen, wird ihre Zahl jedoch relativ gering gewesen sein.128 Als untere Verwaltungsbeamte wollten schließlich auch die Forstämter die Schulzen nutzen. Zu einer Verpflichtung kam es hier jedoch nicht.129 Den vielen Begehrlichkeiten gegenüber standen nach wie vor Klagen über die Qualifikation der Schulzen. Die Landdrostei Stavenhagen etwa kritisierte 1923, dass vielfach „völlig unzuverlässige Berichte“ bei ihr eingingen.130 Ebenfalls unzufrieden zeigte sich die Landdrostei Wismar, die beklagte, dass sie „viele [...] Ersuche anderer Behörden“ mitbearbeiten müsse, weil sie von den zuständigen, „sehr häufig [...] noch recht wenig eingearbeiteten Schulzen nicht erledig[t]“ werden konnten.131 1924 beschwerte sich auch die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für MecklenburgSchwerin. Sie kritisierte, dass „eine grosse Zahl der Gemeindevorsteher [...] den allernotwendigsten Anforderungen nicht gewachsen“ und es durch „Nachlässigkeit und Saumseligkeit [...] bei der Einziehung der Genossenschaftsbeiträge“ zu finanziellen Einbußen gekommen sei. Die Versicherung schlug deshalb vor, den Schulzen entweder einzelne Aufgaben zu entziehen oder sie „wieder unter Berücksichtigung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zu ihren verantwortungsvollen Aemtern zu berufen“.132 Nur knapp einen Monat später, im Mai 1924, beklagte sich auch das Oberver sicherungsamt des Landes über die Schulzen, die sowohl bei der Erhebung der Beiträge als auch bei der Erstellung von Gutachten „völlig versagt“ hätten.133 Der Vorsitzende des Verbands der Mecklenburg-Schwerinschen Ämter, Adolf Ihlefeld, nahm die Kritik zum Anlass, die Amtshauptleute aufzufordern, über ihre Erfahrungen zu berichten, und kündigte eine Diskussion des Problems auf der nächsten Vorstands sitzung an.134 Hier kam man überein, dass „die persönliche Ungeeignetheit der 127 Keding, in: Landtag, 1922, 41. Sitzung, 15. Feb. 1922, Sp. 1506. 128 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1019: MdI an Ämter, 18. April 1929; ebd.: MdI an Amt Waren, 8. April 1930. 129 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 763: MfL an Landdrostei Dargun, 28. Okt. 192; ebd.: MfL und MdF an Forstämter und Bezirksstaatskassen, 5. Dez. 1927. 130 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 33: Landdrostei Stavenhagen an MfL, 9. Okt. 1923. 131 Ebd.: Landdrostei Wismar an MfL, 8. Aug. 1923. 132 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 982, Bl. 18–20: Reichsunfallversicherung. Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für Mecklenburg-Schwerin an MdI, 10. April 1924. 133 Vgl. ebd., Bl. 29: Oberversicherungsamt an StM, Abt. Sozialpolitik, 24. Juli 1924. Für das Zitat vgl. ebd., Bl. 22: Versicherungsamt Rostock an StM, Abt. Sozialpolitik, 5. Mai 1924. Vgl. dazu auch ebd., Bl. 23: Versicherungsamt Schwerin an StM, Abt. Sozialpolitik, 1. Mai 1924; ebd., Bl. 24: Versicherungsamt Waren an StM, Abt. Sozialpolitik, 10. Mai 1924. 134 Ebd., Bl. 25: Verband der Mecklenburg-Schwerinschen Ämter an MdI, 30. Mai 1924.
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Schulzen [...] nicht der Grund“ sein dürfe, „die Zuständigkeit des Gemeindevorstandes im allgemeinen zu beschränken“.135 Nur zwei Monate später forderte allerdings das Amt Grevesmühlen, den Schulzen von den Aufgaben eines Versicherungsagenten zu befreien und begründete dies damit, dass sie „in der Regel [...] nicht fähig [seien], die erforderlichen Schreibarbeiten ordnungsgemäß zu erledigen“.136 Angesichts der den Gemeindevorständen im Rahmen der Landgemeindeordnung ohnehin schon auferlegten Pflichten137 erscheint es verwunderlich, dass in diesem Zusammenhang nicht mit einer unzumutbaren Arbeitsbelastung des Schulzen argumentiert wurde, der seine Tätigkeit schließlich ehrenamtlich, d. h. zusätzlich zu seinem Erwerbsberuf, ausübte. Dass es nicht nur bei Klagen blieb, sondern die Ämter auch bemüht waren, die Gemeindevorstände zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung zu befähigen, zeigt ein Bericht des Amts Ludwigslust. Demnach hatte sich zwischen 1925 und 1926 die „noch im Vorjahre bemängelte Aktenführung in den Landgemeinden [...] gebessert“, weil „Richtlinien über die Ordnung der Akten und ein Formular für ein Einnahme- und Ausgabebuch amtsseitig herausgegeben“ worden waren. Ein „einheitliches Formular“ hatte das Amt auch für die Voranschläge und Haushaltspläne der Gemeinden entworfen und diesen zur Benutzung empfohlen. Auf diese Weise konnte hier nicht nur eine Verbesserung, sondern auch eine „gewisse Einheitlichkeit in der Rechnungsführung“ erzielt werden.138 Wenngleich derartige Vorstöße eine Ausnahme blieben, lassen sich im Hinblick auf die Kassenführung der Landgemeinden generelle Fortschritte erkennen. Einer Erhebung des Statistischen Landesamtes zufolge gab es 1927 lediglich 27 Gemeinden, die ohne Rechnungsbuch wirtschafteten.139 Zu 74 Prozent betraf dies das Amt Güstrow.140 Die Tatsache, dass Rechnungsbücher vorlagen, bot freilich keine Gewähr für eine ordentliche Haushaltsführung. Im Amt Grabow etwa wurde in den meisten Gemeinden „vielfach nicht sorgfältig genug Buch geführt“ und ließ darüber hinaus „auch die Führung der Akten [...] oft zu wünschen übrig“.141 Als proble matisch erwies sich nach wie vor auch die Aufstellung der Haushaltspläne. Einem Bericht aus dem Amt Schwerin zufolge wurden sie „vielfach nicht mit der nötigen Sorgfalt“ erstellt. In 44 Prozent aller Fälle mussten sie im Aufsichtswege erlassen werden.142 135 Ebd., Bl. 26: Verband der Mecklenburg-Schwerinschen Ämter an MdI, 24. Juni 1924. 136 Ebd., Bl. 34: Amt Grevesmühlen an StM, Abt. Sozialpolitik, 11. Aug. 1924. 137 Für eine detaillierte Auflistung vgl. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 753–757, §§ 34–39. 138 Geschäftsbericht des Amts Ludwigslust für 1925/26, in: Neustädter Anzeiger, 2. April 1927. 139 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6502: Aktennotiz Statistisches Landesamt, 13. Jan. 1927. 140 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4773: Amt Güstrow an MdI, 25. Feb. 1927. Die restlichen Fälle verteilten sich auf die Ämter Parchim, Rostock und Schwerin. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 6502: Aktennotiz Statistisches Landesamt, 13. Jan. 1927. 141 Geschäftsbericht des meckl. Amtes Grabow in Ludwigslust, in: Dömitzer Zeitung, 23. Mai 1925. 142 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7472: „Verwaltungsbericht des Amtsausschusses des Meckl.-Schwer. Amtes Schwerin über das Geschäftsjahr [...] 1928/29“.
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Neben individueller Unfähigkeit, schlichter Arbeitsüberlastung und fehlender Anleitung durch die zuständigen Ämter und Landdrosteien lassen sich die Missstände in der Gemeindeverwaltung auch auf Verfehlungen einzelner Schulzen zurückführen. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Veruntreuungen. Größeres Aufsehen erregten etwa Fälle in den Gemeinden Kisserow und Minzow im Amt Waren sowie in der Gemeinde Lohmen im Amt Güstrow. Sie führten zu Strafan trägen und der Absetzung der Schulzen.143 Für einen Skandal sorgte ferner die „haarsträubende Buchführung“ des „politisch links“ eingestellten Schulzen der Gemeinde Pribbenow im Amt Malchin, der, so der Amtshauptmann Willi Burmeister, „nicht nur der bummeligste, nachlässigste und lotterigste, sondern auch der dümmste Schulze“ des Amtsbezirks war. Das Landgericht Güstrow verurteilte ihn 1931 wegen Amtsmissbrauch zu neun Monaten Gefängnis.144 Ein juristisches Nachspiel hatte auch die Unterschlagung von Brandversicherungsbeiträgen im Wert von knapp 500 Reichsmark durch den Schulzen der Gemeinde Groß Roge im Amt Güstrow. Da dieser jedoch bereits verstorben war, hatte das Gericht hier in erster Linie die Frage zu klären, ob der Schulze Angestellter des Staats oder der Kommune war und wer also den entstandenen Schaden zu bezahlen habe.145 Das Oberlandesgericht stellte in seinem Urteil vom 1. November 1928 fest, dass der Schulze, obgleich er Staatsaufgaben ausführe, lediglich Beamter der Gemeinde sei und verpflichtete diese zur Übernahme der Kosten.146 Damit war nachträglich die seit 1918 bestehende, seitens der Regierung erstmals in der Frage der Besoldung der Schulzen vertretene Auffassung juristisch bestätigt worden. Neben der Veruntreuung zählten zu den Verfehlungen ferner Verstöße gegen einzelne Bestimmungen der Landgemeindeordnung oder Anordnungen des Amts. In einem Bericht des Amtshauptmanns des Amts Wismar, Robert Brinkmann, heißt es: „Es gibt leider im Lande Mecklenburg noch eine recht ansehnliche Zahl von Schulzen, die nur mittels eines Zwanges zur pünktlichen Erledigung der ihnen vom Amte übertragenen Obliegenheiten angehalten werden können.“147 Ein besonders drastisches Beispiel liefert hier die Gemeinde Rühn im Amt Bützow. Dort waren gegen den Schulzen bereits so viele Geldstrafen verhängt worden, dass aus Sicht des Amts „die Geschäftsführung [...] nicht mehr zu verantworten war“. Aus diesem Grunde berief es eine Gemeindeversammlung ein, die über die Absetzung des Gemeindevorstehers beschließen sollte. Der Schulze kam der Entscheidung allerdings zuvor und 143 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7785: Vernehmungsprotokoll Schacht, 6. Mai 1932; LHAS, 5.123/1, Nr. 4774: MdI an Oberverwaltungssekretär Behrens, 4. Jan. 1933. 144 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5993: Amtsgericht Stavenhagen an MdJ, 29. März 1932; ebd.: Burmeister an MdI, 12. Mai 1932. Vgl. auch Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 106; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 120. 145 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 1144: Landdrostei Güstrow an MfL, 10. Dez. 1927. 146 Vgl. ebd.: Hoppe an Landgericht, 2. Okt. 1929. Vgl. dazu auch LHAS, 5.12-4/2, Nr. 12945: Landdrostei Grevesmühlen an MdI, 7. Mai 1923. Dort heißt es: Die Landdrostei vermittelt „den Verkehr zwischen der Domanialbrandversicherungsanstalt und den Versicherten“ und bedient „sich zur Erhebung der Beiträge der Gemeindevorstände“. 147 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 936, Bl. 466: Amt Wismar an MdI, 16. Jan. 1922.
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trat freiwillig zurück.148 In den Gemeinden Goritz, Horst und Pustohl im Amt Güstrow wurden die Geschäfte ebenfalls „in derart nachlässiger Weise geführt“, dass sich das Amt Ende Dezember 1927 gezwungen sah, „einzuschreiten“ und eine Person „mit der Führung der Gemeindegeschäfte [...] zu beauftragen, die Gewähr für eine ordnungsmässige Erledigung [...] bot“. Da es sich bei sämtlichen Gemeinden um Gutsgemeinden handelte, war es jedoch „schwer eine geeignete Persönlichkeit zu finden, zumal sich die Massnahmen gegen die betr. Besitzer oder Pächter richteten“,149 die in Horst und Pustohl bislang das Amt des Schulzen innehatten.150 Tatsächlich findet sich im Staatshandbuch von 1930 für alle drei Gemeinden der Vermerk „Schulze fehlt“.151 Die Geschäfte der Gemeinden führte während dieser Zeit der vom Amt Güstrow bestellte Oberamtsinspektor Karl Friedrich Harms, der Ende 1929 den Auftrag erhielt, eine neue Gemeindevertretung wählen zu lassen oder einen Zusammenschluss mit den Nachbargemeinden zu erwirken.152 In Goritz und Horst konnte ein neuer Schulze gewählt werden, die Gutsgemeinde Pustohl indes verschwand; sie wurde zu einem Ortseil der Gemeinde Berendshagen.153 Mit der Ernennung eines Beauftragten wurde jedoch nicht nur auf Verfehlungen oder, wie bereits in Bezug auf die Gemeinde Wozeten gezeigt, auf die antirepublikanische Einstellung des Schulzen reagiert. Das Amt nutzte diese sich indirekt aus der Landgemeindeordnung ergebende Möglichkeit154 auch, um durch das Ausscheiden von Mitgliedern beschlussunfähig gewordene Gemeindeversammlungen aufrecht zu erhalten.155 Obwohl es die Beispiele nahelegen, eine zwangsweise Bestellung von Gemeindevertretern und -vorständen war nicht immer und ohne Weiteres möglich. Im Amt Wismar etwa weigerte sich die Gemeindeversammlung, einen Schulzen zu wählen. Als daraufhin das Amt eine Person ernannte, schaltete sich das Ministerium des Innern ein und verwies darauf, dass, „solange die Gemeindeversammlung beschlußfähig ist, [...] erst eine Aufforderung ergehen [muss], einen neuen Schulzen zu
148 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4777: Amt Bützow an MdI, 22. Okt. 1925. Ob es sich bei dem Schulzen um Fritz Rassmann, der im Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 33 genannt ist, handelte, kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, da der Schulze in Rühn „verschiedentlich gewechselt hat“. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4777: Amt Bützow an MdI, 22. Okt. 1925. 149 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4781: Amt Güstrow an MdI, 1. Okt. 1929. 150 Vgl. Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 44 und S. 51. In Goritz führte der Arbeiter Zarmstorf die Gemeindegeschäfte. Vgl. ebd., S. 42. 151 Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 47, 49 und S. 57. 152 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4781: Amt Güstrow an MdI, 1. Okt. 1929. 153 Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 28, 33 und S. 35. 154 Die Grundlage bildete zum einen das Recht der Aufsichtsbehörde, im Falle der Unterlassung oder Verweigerung einzelner der Gemeinde obliegender gesetzlicher Verpflichtungen „die zum Vollzuge nötigen Verfügungen und Maßnahmen auf Kosten der Gemeinde zu treffen“, zum anderen die Verpflichtung der Einwohner zur Übernahme eines Ehrenamts in der Gemeinde. Klien: Landgemeindeordnung, 1927, S. 13–15, § 12 und S. 81, § 59. 155 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7472: Verwaltungsbericht des Amtsausschusses des MecklenburgSchwerinschen Amtes Schwerin über das Geschäftsjahr [...] 1928/29. Insgesamt sind hier sechs solcher Fälle erwähnt. Vgl. dazu auch Kap. 6.4.1, S. 235–237.
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wählen“, bevor das Amt eine Person dazu bestimmt.156 Als „unzulässig“ abgelehnt wurde ferner die Bestellung eines Schulzen für die Gemeinden Biestorf und Lenz im Amt Wredenhagen.157 Dass die Ernennung eines Beauftragten Missstände in der Verwaltung nicht immer verhinderte, zeigt schließlich die Bestellung des Amtsangestellten Harms, der während seiner Amtszeit Gemeindegelder in Höhe von 5.744 Reichsmark unterschlug.158 Da „nach den übereinstimmenden ärztlichen Gutachten [...] erhebliche Zweifel an der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit“ Harms’ bestanden, kam es jedoch zu keinerlei Verfahren.159 Überblickt man die vorstehende Skizze zur Amtsführung in den Gemeinden, so ist kritisch festzuhalten, dass der durch die Kommunal- und Verwaltungsreform intendierte Prozess der Demokratisierung des platten Landes mit der Durchführung von Wahlen, der Bildung von Gemeinden und der formalen Einführung der Selbstverwaltung für abgeschlossen gehalten wurde. Eine Anleitung und Weiterbildung der frei gewählten Vertreter, die insbesondere in den zuvor gemeindlich nicht verfassten Gebieten und angesichts der vielen, zu einem großen Teil staatlichen Verwaltungsaufgaben sinnvoll gewesen wäre, wurde für nicht notwendig erachtet bzw. der Initiative einzelner überlassen. Grundsätzlich wurde die Einarbeitung der Gemeindevorsteher als Aufgabe ihrer Amtsvorgänger bezeichnet. Dort, wo es solche nicht gab bzw. diese nicht willens waren, fand sie schlicht nicht statt. Durch die Ämter oder Land drosteien organisierte Fortbildungskurse lassen sich nicht nachweisen. Gleichwohl gab es in einzelnen Ämtern Schulzenversammlungen, auf denen sich die Gemeindevorsteher austauschen konnten und durch Fachreferate Anregungen für ihre Arbeit erhielten.160 Angesichts dieses Defizits erscheint die Zahl der für den Zeitraum von 1921 bis 1932 nachgewiesenen Verfehlungen und Missstände relativ gering.161 Ein Grund dafür mag nicht zuletzt darin gelegen haben, dass, wie oben nachgewiesen, in den Landgemeinden das Amt des Schulzen seines politischen Charakters entkleidet und an Personen übertragen wurde, die zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben geeignet waren; festzustellen ist dies insbesondere mit Blick auf die Guts- und Hofgemeinden.
156 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an Amt Wismar, 3. Juli 1927. 157 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 764: MdI an Amt Wredenhagen, 24. April 1919. 158 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4781: MdI an Harms, 5. Okt. 1929. 159 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4781: Amt Güstrow an MdI, 12. Feb. 1930. Vgl. dazu auch ebd.: MdI an Amt Güstrow, 17. März 1930. 160 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 938: Amt Hagenow an MdI, 12. Okt. 1922; ebd., Bl. 874: DA Boizenburg an MdI, 3. März 1921; Mecklenburgische Tageszeitung, 10. Juli 1930; RoA, 7. Jan. 1930. Die 1930 in Güstrow durch den Amtshauptmann Wilhelm Höcker gegebene Anregung, einen „Schulzenverein“ zu gründen, wurde mit der Begründung, dass von der jährlichen Zusammenkunft „mehr Anregung als von einem Verein“ zu erwarten sei, der außerdem „auch wieder neue Kosten“ erfordere, abgelehnt. Mecklenburgische Tageszeitung, 10. Juli 1930. 161 Eine systematische Auswertung, die vor allem die in diesem Zeitraum erschienenen lokalen Zeitungen sowie die einzelnen überlieferten Dorfakten in den Blick zu nehmen hätte, steht noch aus.
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9.5 Das Schulzenamt während des Nationalsozialismus Mit der Machtübernahme der NSDAP im Reich am 30. Januar 1933 verschärfte sich auch in den Landgemeinden Mecklenburg-Schwerins der Druck auf politisch Andersdenkende. Obwohl im Land selbst die NSDAP bereits seit dem Juli 1932 die Regierung stellte, waren diesbezügliche Maßnahmen bis dato ausgeblieben. Bereits wenige Tage nach Verkündigung der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, in der die KPD als staatsfeindlich bezeichnet wurde,162 wies das Ministerium des Innern die Amtshauptleute allerdings an, „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung [...] die marxistisch eingestellten Ober vorsteher und Gemeindevorsteher ihres Amtsbezirkes bis auf weiteres zu beurlauben“. Die Dienstgeschäfte sollten „bis zur endgültigen Regelung“ der Angelegenheit „ehrenamtlich tätige[n] Kommissare[n]“ übertragen werden.163 Dass die Anweisung vom 15. März 1933 nicht geheim war, sondern öffentlich kommuniziert wurde, zeigt die Anfrage des im Kreis Plön in Schleswig-Holstein wohnenden Rentners Wilhelm Ohrt. Als gebürtiger Wismaraner bewarb er sich um einen „solchen [kommissarischen] Posten, am liebsten in einer Kleinstadt oder auf dem Dorfe, [...] in landschaftlich schöner Gegend“.164 Zu einer Anstellung ebenso wie zu Amtsenthebungen scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Verantwortlich dafür war, dass die „Entscheidung darüber, ob ein Bürgermeister aus dem Amte zu entfernen ist, [...] dem Dienststrafverfahren vorbehalten“ bleiben sollte,165 es also des Nachweises eines Fehlverhaltens bedurfte. Wesentlich unkomplizierter sollten Absetzungen aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums sein, das am 7. April 1933 verabschiedet worden war.166 In Mecklenburg-Schwerin waren hiervon allerdings nur der Gemeindevorstand der Gemeinde Groß und Neu Poserin im Amt Parchim167 sowie die Obervorsteher der Fleckengemeinden Dassow und Zarrentin168 betroffen. Hierfür und damit ebenfalls für das Ausbleiben von Amtsenthebungen im Rahmen des Runderlasses vom 15. März verantwortlich war das Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich, das, am 31. März 1933 erlassen, die Auflösung der gemeindlichen Selbstverwaltungskörper und damit auch die Absetzung sämtlicher Schulzen forderte.
162 Vgl. Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Vom 28. Februar 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 17, 28. Feb. 1933, S. 83. Vgl. dazu auch Repgen: KPD-Verbot. 163 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1021: MdI an Ämter, 15. März 1933. 164 Ebd.: Ohrt an MdI, 30. März 1933. 165 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 27: Präsident des Landesverwaltungsgerichts an MdI, 12. Mai 1934. 166 Vgl. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vom 7. April 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 34, 7. April 1933, S. 175–177. 167 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 962, Bl. 659: StM an Koehn, Knoppke und Gatschau, Dezember 1934. 168 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 963, Bl. 48: Gemeindevorstand Zarrentin an MdI, 7. Mai 1933; ebd., Bl. 53: Amt Hagenow an MdI, 15. Juni 1933; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 962, Bl. 619: Gemeindevorstand Dassow an StM, 27. Sept. 1934.
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Die Position der NSDAP in den Kommunen ausbauend sollte die Neubesetzung der Gemeindeversammlungen, die dann auch neue Schulzen zu bestimmen hatten,169 anhand der bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 im Gebiet der Gemeinde abgegebenen gültigen Stimmen erfolgen. Sämtliche auf die KPD entfallenen Stimmen waren, einem bestimmten Schlüssel folgend, auf die anderen Parteien zu verteilen.170 In Mecklenburg-Schwerin stieß die Umsetzung des Gesetzes auf einige Schwierigkeiten. Zum einen mussten nun „die Stimmen land- oder ortsfremder Stimmscheinwähler sowie die Stimmen derjenigen Personen, die für die Kommunalwahl die Bedingungen einer Wohnsitzbegründung oder Aufenthaltsdauer nicht erfüllt hatten“, bei der Reichstagswahl aber stimmberechtigt gewesen waren, mitgezählt werden.171 Hierbei handelte es sich in erster Linie um die Stimmen der landwirtschaftlichen Saisonarbeiter, die – darum bekanntlich die Änderung des Wahltermins im Juli 1931172 – nicht über die Zusammensetzung der Gemeindeversammlungen in den Hof- und Gutsgemeinden, in denen sie eine Anstellung gefunden hatten, mit entscheiden sollten, nun aber ihren Einfluss ausübten. Zum anderen mussten die Gemeindeversammlungen, die bislang mehrheitlich durch wirtschaftliche Interessenvertretungen, etwa des Großgrundbesitzers, der Büdner oder der Häusler, geprägt waren, durch die Mitglieder politischer Parteien besetzt werden. Da es in den Landgemeinden häufig keine Ortsgruppen oder auch nur Vertreter der bei der Reichstagswahl angetretenen Gruppierungen gab, fehlte es an entsprechenden Wahlvorschlägen, auf die die Stimmen hätten verteilt werden können.173 Auf die Anfrage des Vorsitzenden des Mecklenburg-Schwerinschen Ämtertages, Arthur Staecker, wer die Gemeindevertreter ernennt, wenn „kein einziger Wahl vorschlag der Reichstagsparteien eingereicht ist“,174 entschied das Ministerium des Innern, in solchen Fällen keine Neubesetzung vorzunehmen und die amtierenden Gemeindevertreter im Amt zu belassen.175 Diese Verfügung wurde jedoch nur wenige Monate später, im Juni 1933, durch das Reichsministerium des Innern wieder auf gehoben. Nun sollten „sämtliche Mitglieder der SPD, die [...] den Landesparlamenten oder den Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände angehören, von der weiteren Ausübung ihrer Mandate“ ausgeschlossen werden.176 169 Vgl. Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 748, § 20. Vgl. dazu auch Kap. 6.2, S. 191. In den Ländern des Deutschen Reichs, in denen die Legislatur von Regierung und Parlament getrennt war, ließ sich aufgrund der geänderten Mehrheitsverhältnisse und des Drucks der Nationalsozialisten eine Neuwahl wohl ebenfalls nicht vermeiden. Vgl. dazu allgemein Matzerath: Gemeinden und Nationalsozialismus, S. 191–192. 170 Vgl. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 29, 2. April 1933, S. 153–154, hier S. 154, § 12, Abs. 2. Vgl. auch Zweite Bekanntmachung vom 10. April 1933 über Ausführung des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich, in: Rbl. Nr. 22, 12. April 1933, S. 142–143, hier S. 143, Pkt. 6. 171 Ebd., S. 142, Pkt. 2. 172 Vgl. Kap. 6.4.1, S. 230–231 und S. 235. 173 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 91: Amt Hagenow an MdI, 2. Mai 1933. 174 Ebd., Bl. 96: Mecklenburg-Schwerinscher Ämtertag an MdI, 11. Mai 1933. 175 Vgl. ebd., Bl. 97–98: MdI an Mecklenburg-Schwerinscher Ämtertag, 13. Mai 1933. 176 LHAS, 5.12-1/1, Nr. 497: RMdI an StM, 21. Juni 1933.
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Kurz darauf, Anfang Juli, übertrug das Reich die politischen Ämter, die bislang Mitglieder der SPD innehatten, an die noch vertretenen Parteien und bestimmte, dass dort, wo sich keine Vertreter der zum Reichstag gewählten Parteien fanden, die staatlichen Aufsichtsbehörden Gemeindevertreter zu bestellen hatten.177 In Mecklenburg-Schwerin war man zu diesem Zeitpunkt bekanntlich schon einen Schritt weiter. Bereits Ende April 1933 hatte das Staatsministerium eine direkte Wahl des Gemeindevorstehers verboten und seinen Amtsantritt an eine Bestätigung der Aufsichtsbehörden gebunden. Den Gemeinden blieb damit nur noch ein Vorschlagsrecht, das, wie bereits erwähnt, ebenfalls beschränkt wurde. Waren zwei nacheinander durch die Gemeinde präsentierte Kandidaten abgelehnt worden, wurde der Gemeindevorstand durch die Aufsichtsbehörde ernannt.178 Als Kriterien galten dem Ministerium des Innern „Unbescholtenheit (Strafregisterauszug), Abstammung, Bildungsgang, bisherige Beschäftigung im Staats-, Kommunal- oder sonstigen öffentlichen Dienst, politische Betätigung und etwaige Zugehörigkeit zu einer politischen Partei“.1791935, nach Einführung der Deutschen Gemeindeordnung, wurde aus der Bestätigung eine Ernennung, bei der lediglich der zuständige Kreisleiter der NSDAP ein Vorschlagsrecht hatte. Die nun als Bürgermeister bezeichneten Schulzen wurden auf sechs Jahre bestellt. Bis „zum Ablauf des ersten Amtsjahres“ konnten sie jedoch jederzeit auch wieder abgesetzt werden.180 In Mecklenburg wurde diese Bestimmung ausgedehnt. Hier hatten die Landräte „laufend [zu] prüfen, ob ein Fall der Zurücknahme gegeben ist und bejahendenfalls das Erforderliche rechtzeitig [zu] veranlassen“.181 Darauf, dass sich die Stellung der Bürgermeister gewandelt hatte, verweist auch die Forderung der Gauleitung Mecklenburg-Lübeck der NSDAP, sie „mit einem amtlichen Ausweis mit Lichtbild zu versehen, damit sie sich unterwegs, wenn sie irgendwo eingreifen müssen, ordnungsgemäß ausweisen“ können.182 Dessen ungeachtet waren die Kompetenzen der Bürgermeister im Vergleich zu denen, die die Landgemeindeordnung den Schulzen übertragen hatten, jedoch erheblich beschränkt worden. Dies betraf u. a. auch die Führung der Kassengeschäfte, die ein besonderer Kassenverwalter zu 177 Vgl. Verordnung zur Sicherung der Staatsführung. Vom 7. Juli 1933, in: RGBl. T. 1, Nr. 78, 11. Juli 1933, S. 462, §§ 2–4. 178 Gesetz zur Behebung von Mißständen in der gemeindlichen Verwaltung. Vom 20. April 1933, in: Rbl. Nr. 24, 22. April 1933, S. 150–152, hier S. 151, §§ 6 und 7. 179 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 90: MdI an Ämter, 28. April 1933. In wie vielen Fällen Kandidaten, weil sie den Anforderungen nicht genügten, zurückgewiesen wurden, lässt sich nicht beurteilen. Nachgewiesen werden konnte lediglich ein Fall im Kreis Stargard, wo dem Polizeihauptmann a. D. Hermann Bohm die Ernennung zum Schulzen der Gemeinde Blankensee verweigert wurde, da er aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen worden war. Bohm hatte zwischenzeitlich beim Reichsführer-SS „als Sippenforscher“ gearbeitet, wurde dadurch aber nicht rehabilitiert. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7729: Kreis Stargard an StM, Abt. Inneres, 23. Sept. 1939. Vgl. ebd.: RMdI an StM, Abt. Inneres, 10. Sept. 1937. 180 Die Deutsche Gemeindeordnung. Vom 30. Januar 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1935, S. 49–64, hier S. 54–55, § 41 und §§ 44–45. Vgl. auch Führer- und Amtsblatt des Gaues Mecklenburg, 1. Juni 1935, 5. Folge, S. 110. 181 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 22: StM, Abt. Inneres an Landräte, 24. Jan. 1936. 182 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 734, Bl. 86: Gauleitung Mecklenburg-Lübeck der NSDAP, Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Inneres, 24. Mai 1937.
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übernehmen hatte.183 Da vor allem „in kleineren Gemeinden [...] geeignete Personen“ fehlten, stieß diese Vorschrift „auf Schwierigkeiten“ und führte bei „zahlreiche[n] Gemeinden“ zu dem Wunsch, den Lehrern, denen es bis dato nicht gestattet war, „mit Entschädigung verbundene [...] Nebenämter“ anzunehmen, diese Aufgabe übertragen zu dürfen.184 Tatsächlich nahm die Abteilung Unterricht die Anordnung zurück,185 bestand allerdings ein Jahr später, 1936, darauf, dass „die Lehrer, die [...] ein Bürgermeisteramt in den Landgemeinden bekleiden“, dieses bis zum 1. August des Jahres niederlegten. Der Landrat des Kreises Parchim, Friedrich Roschlaub, dem die Neubesetzung von 15 Ämtern drohte, hielt diese Entscheidung für „ausserordentlich unzweckmässig“. Einerseits sei es kaum möglich, „in dieser kurzen Zeit neue Bürgermeister [...] zu finden“, andererseits war ein Amtswechsel mit Blick auf die Verwaltung, die „während der Ernte [...] überreichlich zu tun“ und die „Erfassung militärisch ausgebildeter wehrpflichtiger älterer Geburtsjahrgänge in kurzer Zeit“ abzuschließen hatte, schlicht nicht zu verantworten. In Übereinstimmung mit der „politischen Kreisleitung“ schlug Roschlaub daher vor, „vorerst von einem Wechsel der Bürgermeister in den Landgemeinden für die Lehrer Abstand [zu] nehmen“ und zu warten, bis sie am 4. März 1937, nach Ablauf der in der Deutschen Gemeindeordnung festgelegten Legislatur, „automatisch [...] ausscheiden“ würden.186 Die Abteilung für Unterricht erhob gegen den Vorschlag „keine Bedenken“. Eingeschritten werden sollte jedoch, sobald „sich im Einzelfalle Unzuträglichkeiten“ ergeben, insbesondere die „Leistungen des betreffenden Lehrers im Schuldienst zu wünschen übrig“ lassen würden.187 Anfang März 1937 dehnte die Abteilung die Frist aus und genehmigte den Antrag des Landrats des Kreises Schwerin, Carl August von Bülow, der mit Zustimmung des Kreisleiters der NSDAP in drei Gemeinden einen Lehrer zum Bürgermeister berufen wollte und dies „mit dem jeglichen Fehlen einer geeigneten Persönlichkeit“ begründete.188 Der Kreis der zu ernennenden Personen blieb jedoch beschränkt. Neben den oben aufgeführten Kriterien sollte ferner, so das Reichsministerium des Innern im Dezember 1935, der „Gesichtspunkt der Wehrpflicht“ berücksichtigt werden. Da die „Zurückstellung junger und wehrpflichtiger leitender Gemeindebeamter [...] im Kriegsfalle [...] bei der Bevölkerung eine berechtigte Mißstimmung hervorrufen und auch der Autorität dieser Beamten schaden“ würde, wurde empfohlen, „schon in Friedenszeiten [...] geeignete nichtwehrpflichtige Beigeordnete [...] derart in die Geschäfte des wehrpflichtigen Bürgermeisters und wehrpflichtiger Beigeordneter“ einzuführen, „daß sie diese in kürzester Zeit übernehmen und ohne Störung auch unter den im Kriegsfalle gegebenen erschwerten Verhältnissen weiterführen können“.189 183 Vgl. Die Deutsche Gemeindeordnung. Vom 30. Januar 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1935, S. 49–64, hier S. 61, § 94. 184 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 456: Kreis Güstrow an MdI, 19. Sept. 1935. 185 Vgl. ebd.: MfU an MdI, 5. Okt. 1935. 186 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 94–95: Kreis Parchim an MdI, ca. Juni 1936. 187 Ebd., Bl. 103: MfU an Schulräte, 11. Juli 1936. 188 Ebd., Bl. 157: Kreis Schwerin an MdI, 8. März 1937. Vgl. ebd., Bl. 160: Aktennotiz MdI, März 1937. 189 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 734, Bl. 50: RMdI an Reichsstatthalter und Landesregierungen. Abschrift an Landräte, 3. Dez. 1935.
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Bereits im Juli 1933 hatte sich der NS-Reichsverband deutscher Kriegsopfer e. V. an die Landesregierungen gewandt und angeregt, bei der Neubesetzung der Kommunalparlamente vor allem auf Kriegsbeschädigte, von denen es „genügend“ gäbe, die „in Bezug auf ihre politische Zuverlässigkeit, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten und ihre Charaktereigenschaften jedem Erfordernis genügen“ würden, zurückzugreifen. Auf diese Weise könne zugleich ihre „Ehrenstellung [...] sichtbar“ gemacht werden.190 In Mecklenburg blieb dieser Vorstoß jedoch, ebenso wie die Anordnung vom Dezember 1935, anscheinend folgenlos.191 Dass dies auch in den meisten anderen Ländern der Fall war, zeigt u. a. ein Bericht des Reichsministeriums des Innern vom 21. Juni 1939. Demnach war insbesondere „in den ehrenamtlich verwalteten Gemeinden“ die Vorbereitung auf den Krieg „nicht [...] genügend“ vorangeschritten. Oftmals fehlte der sogenannte „Ehrenbeamte“. Überall dort sollte nun deshalb im „Einvernehmen mit dem Beauftragten der NSDAP einer der vorhandenen Beigeordneten“ dazu veranlasst werden, „sein Amt zur Verfügung zu stellen“ und die Ernennung eines Beigeordneten erfolgen, „der die genannten Voraussetzungen“ erfüllte.192 Innerhalb nur eines Monats wurden daraufhin in den meisten Gemeinden Mecklenburgs „Ersatzkräfte herangezogen“.193 Lediglich in den Kreisen Rostock, Güstrow, Parchim und Wismar war die Durchführung der Anordnung „noch nicht zum Abschluß gekommen“.194 Auf eine mögliche Ursache verweist der Bericht des Güstrower Landrats Walter Schöps. Er hatte die Beigeordnetenstelle „in rund 27 Gemeinden“ neu zu besetzen, durch den Beauftragten der NSDAP aber „Vorschläge erst für 7 Gemeinden“ erhalten.195 Anders als durch den Landrat des Kreises Waren, Ernst Mulert, angenommen, war damit nicht „alles getan“, um ein „einwandfreies Weiterarbeiten der Gemeindeverwaltung zu ermöglichen“.196 Bereits acht Tage nach dem Überfall auf Polen meldete der Landrat des Kreises Parchim, Roschlaub, dass – wenngleich bisher nur „in wenigen Ausnahmefällen“ – schon jetzt „Beigeordnete [...] zur Wehrmacht eingezogen [worden] bezw. zur Vertretung des Bürgermeisters nicht voll in der Lage“ waren und „im Einvernehmen mit den Kreisleitern die Neuberufung eines dritten Beigeordneten“ erfolgen musste.197 190 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 654, Bl. 120: NS-Reichsverband deutscher Kriegsopfer e. V. an Landesregierungen, 19. Juli 1933. 191 Ausweislich des Staatshandbuchs von 1937 war lediglich in einer Gemeinde ein Kriegsinvalide zum Bürgermeister ernannt worden. Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 120. In den Staatshandbüchern für 1938 und 1939 fehlen entsprechende Angaben, so dass eine statistische Auswertung nicht möglich ist. 192 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 734, Bl. 150: RMdI an Reichsstatthalter und Landesregierungen, 21. Juni 1939. Eine Veröffentlichung der Verfügung, die auf eine Mobilmachung hindeutete, war strikt untersagt. Ebd. 193 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 734, Bl. 152: Kreis Waren an StM, Abt. Inneres, 20. Juli 1939. 194 Ebd., Bl. 158: Kreis Rostock an StM, Abt. Inneres, 29. Juli 1939. 195 Ebd., Bl. 159: Kreis Güstrow an StM, Abt. Inneres, 31. Juli 1939. 196 Ebd., Bl. 152: Kreis Waren an StM, Abt. Inneres, 20. Juli 1939. 197 Ebd., Bl. 163: Kreis Parchim an StM, Abt. Inneres, 9. Sept. 1939. Aufgeführt wurden vier Fälle. Vgl. ebd.
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Neben den anhaltenden Rekrutierungen, von denen sowohl auf Reichs- als auch auf Landesebene „zahlreiche Bürgermeister“ betroffen waren, erwies sich ferner die „besondere Verpflichtung“, die das Reichsministerium von ihren Nachfolgern forderte, als problematisch. Mit „voller Hingabe“ sollten sie die „Geschäfte der Gemeindeverwaltung so [...] führen, daß sie allen Anforderungen genügt, [...] engste Fühlung mit der Bevölkerung hält und ihr in den vielen schwierigen Fragen des täglichen Lebens bereitwillig zur Seite steht.“198 Angesichts der „Arbeitsbelastung, namentlich der ländlichen Gemeinden“, die „trotz der seit Kriegsbeginn getroffenen Verein fachungsmaßnahmen erheblich“ zunahm, war dies jedoch kaum möglich.199 Die den Aufsichtsbehörden gegebene Anweisung, sie „unter diesem Gesichtspunkt zu überwachen“ und für den Fall, dass sie den „notwendigen Anforderungen nicht gerecht“ werden sollten, „für eine kommissarische Neubesetzung der Stellen Sorge zu tragen“, ließ sich aufgrund des bereits angedeuteten Personalmangels ebenfalls nicht umsetzen.200 Vor diesem Hintergrund schien dem Reichsministerium der Finanzen bereits im September 1940 sowohl die „Erfüllung kriegsnotwendiger Verwaltungsaufgaben“ als auch die „Betreuung der Bevölkerung gefährdet“. Die Behörde hielt es daher für notwendig, „die Verwaltungshilfe, die die Gemeinden anderen Behörden leisten, auf das unbedingt gebotene [...] Maß zurückzuführen“.201 Sie schloss sich damit der Forderung des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung, Wilhelm Frick, an, der die „staatlichen Zentralstellen“ aufgerufen hatte, „mit einer nach außen hin sofort fühlbaren Selbstbeschränkung ihrer Reglungstätigkeit voran[zu]gehen“. Mit Hinweis darauf, dass „die nachgeordneten Behörden jetzt durchweg von weltanschaulich gefestigten verantwortungsfreudigen und gesund denkenden Männern geleitet“ werden würden, die „alle vollauf in der Lage“ seien, die Gesetze „nach dem Willen des Führers durchzuführen“,202 sprach er sich, wie auch der Landrat des Kreises Waren, Mulert, für eine Stärkung der Selbstverwaltung im Rahmen des Führerstaats aus.203 Obgleich auch das Reichsministerium des Innern darum bat, „bei allen zentralen Maßnahmen mehr noch als bisher“ auf die „ernste Lage [...] der Gemeindeleiter“ Rücksicht zu nehmen, kam es jedoch zu keiner „Entlastung der ehrenamtlichen Bürgermeister“. Im Gegenteil, nur ein Jahr später hatten sich die Anforderungen „noch verschärft“. Eine „reibungslose Fortführung der Verwaltungsarbeit [war] auf dem flachen Lande“ nicht mehr möglich.204 In Mecklenburg häuften sich die Klagen der Bürgermeister darüber, „dass sie ihre amtlichen Aufgaben nicht“ erfüllen konnten.205 Als Grund dafür gaben sie neben der Arbeitsbelastung einen Mangel an Personal an. Trotz „größter Bemühungen“ war es „nicht in allen Fällen“ möglich, die eingezogenen Gemeindekassen198 Ebd., Bl. 164: RMdI an Reichsstatthalter, Landesregierungen, 30. Sept. 1939. 199 Ebd., Bl. 182: Rundschreiben RMdF, 1. Sept. 1940. 200 Ebd., Bl. 164: RMdI an Reichsstatthalter, Landesregierungen, 30. Sept. 1939. 201 Ebd., Bl. 182: Rundschreiben RMdF, 1. Sept. 1940. 202 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 83, Bl. 71: Generalbevollmächtigter für die Reichsverwaltung an Landes regierungen, Juni 1939. 203 Vgl. Kap. 8.3.4, S. 320. 204 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 734, Bl. 186: RMdI an Reichsbehörden, 4. Dez. 1941. 205 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939.
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verwalter zu ersetzen. Da dieses Problem bekanntlich „schon in Friedenszeiten [...] in vielen kleineren Gemeinden“ bestanden hatte, bat der Landrat des Kreises Hagenow, Hermann Busch, 1942, die Kassenführung wieder den Bürgermeistern zu übertragen.206 Dieser Vorschlag hätte eine Änderung der Deutschen Gemeindeordnung bedeutet und wurde deshalb abgelehnt. Das Mecklenburgische Gemeindeprüfungsamt regte stattdessen an, einen „Kassenverwalter für mehrere Gemeinden tätig sein“ zu lassen.207 Beeinträchtigt wurde die Verwaltungstätigkeit indes nicht nur durch einen Mangel an Fachpersonal, sondern auch dadurch, dass es „an Arbeitskräften in der Landwirtschaft fehlt[e]“. Von den Bürgermeistern, die zugleich Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs waren, wurde „immer wieder die Klage vorgebracht“, dass sie, sollte hier keine Änderung eintreten, diesen „vernachlässigen müssten, wenn sie ihre amtlichen Pflichten erfüllen sollen“.208 Dieser Widerspruch hätte möglicherweise durch die Umwandlung der ehrenamtlichen Tätigkeit sowohl des Bürgermeisters als auch des Kassenverwalters in eine hauptamtliche gelöst werden können. Auf diese Weise wäre zum einen wohl die Zahl der Bewerber gestiegen, zum anderen die Einstellung Ortsfremder ohne Weiteres möglich geworden. Dem gegenüber freilich stand das Kostenargument. Zwei hauptamtlich angestellte Gemeindevertreter, darauf verweist die Klage der Gemeinde Dassow, konnten sich die Kommunen nicht leisten.209 Der Staat seinerseits war nicht gewillt, die Kosten zu übernehmen. Im Oktober 1939 bezeichnete es das mecklenburgische Staatsministerium als „Ehrensache aller Gefolgschaftsmitglieder in der Heimat“, die „notwendig zu erledigenden Arbeiten der eingezogenen Kameraden (ganz gleich welcher Besoldungs- und Vergütungsgruppe) freudig und selbstlos ohne Anspruch auf eine höhere Entschädigung mit [zu] übernehmen“.210 In den Landgemeinden waren allerdings bereits vor dem Krieg, im Zuge der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung, die Sätze für die Aufwandsentschädigung der Bürgermeister um zehn bis 20 Prozent gekürzt worden.211 Die Gemeindevorsteher in Mecklenburg waren damit „schlechter gestellt“ als in Preußen und den meisten anderen Ländern.212 Hier findet sich ein weiterer Grund 206 Ebd., Bl. 464: Kreis Hagenow an MdI, 22. Jan. 1942. 207 Ebd., Bl. 466: Mecklenburgisches Gemeindeprüfungsamt an MdI, 8. April 1942. 208 Ebd., Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939. 209 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 567: Landrat Kreis Schönberg an StM, Abt. Inneres, 9. Nov. 1934. Vgl. dazu auch Kap. 8.3.3, S. 314–315. 210 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 83, Bl. 93: StM, Abt. Finanzen an sämtliche Dienststellen, 25. Okt. 1939. 211 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 11: StM, Abt. Inneres an RMdI, 21. Dez. 1935. Während im Gau Mecklenburg-Lübeck die Entschädigungssätze durch das Gauamt für Kommunalpolitik zentral festgelegt wurden, war es beispielsweise im Gau Kurmark den Gemeinden überlassen, die Höhe der Vergütung zu bestimmen. Vgl. ebd., Bl. 72: Aktennotiz Kreis Parchim, ca. Mai 1935. Seitens des Reichs war eine Entschädigung zwischen 40 Pfennig und einer Mark pro Einwohner empfohlen worden. Vgl. Bekanntmachung vom 30. Dezember 1935 über Richtlinien zu § 27 der Deutschen Gemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 1, 6. Jan. 1936, S. 1–4. Vgl. auch Deutsche Gemeindeordnung, 30. Jan. 1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 6, 30. Jan. 1933, S. 49–62, hier S. 54, § 39; Allgemeine Richtlinien für die Beauftragten der NSDAP in der Gemeinde, in: RMBliV, 1936, Nr. 50, S. 1552–1553. 212 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 71: Hildebrandt an MdI, 11. Mai 1936. So erhielt der Bürgermeister der Gemeinde Sukow im Kreis Parchim an der Grenze zu Preußen für die 420 Einwoh-
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für die Dominanz von Großgrundbesitzern unter den Bürgermeistern, wenngleich hierbei zu berücksichtigen ist, dass ihre Zahl im Vergleich zu den Jahren vor 1933, als die Festlegung der Entschädigungssätze noch den Gemeinden oblag, rückläufig war.213 Anders als das Staatsministerium hielt der Reichsstatthalter im Gau Mecklenburg-Lübeck, Hildebrandt, die Vergütung der Bürgermeister im Verhältnis zu ihrem Arbeitsaufwand für nicht angemessen. Er wollte die „preußische[n] Grundsätze [...] nicht nur da, wo gespart wird, sondern auch da, wo [...] mal eine günstigere Lage für unsere Leute in Mecklenburg herauskommt“, angewendet wissen.214 Auf der einen Monat später, im Juni 1936, „unter dem Vorsitz des Ministeriums“ in Schwerin stattfindenden Versammlung der Landräte wurde daraufhin der Vorschlag, den Entschädigungssatz auf eine Reichsmark pro Einwohner zu erhöhen, diskutiert. Von diesem sollten zwei Drittel dem Bürgermeister und ein Drittel dem Kassenverwalter gezahlt werden. Von „verschiedenen Landräten“ indes wurde „betont, dass eine Reihe Bürgermeister“ ihr Amt „ganz ohne jede Vergütung“ führe und, so die Argumentation des Gauamtsleiters für Kommunalpolitik, Richard Crull, auch die Ortsgruppen- und Stützpunktleiter der NSDAP, deren Arbeitsbelastung „oft sehr viel größer als die der Bürgermeister“ sei, „seit Jahren unentwegt, ohne einen Pfennig zu erhalten, ihre Pflicht“ täten. Daraus abgeleitete Überlegungen lehnte die Versammlung jedoch vor allem im Interesse der „älteren Parteigenossen“, die „in den Kampfjahren ihr Geld zugesetzt“ hatten, ab. Eine Neufestlegung der Entschädigungssätze fand allerdings ebenfalls keine Mehrheit. Man wollte erst Erfahrungen darüber sammeln, wie groß die Arbeitsbelastung des Bürgermeisters und Kassenverwalters tatsächlich war. 215 Eine erneute Diskussion der Entschädigungssätze unterblieb jedoch. Dies lag wohl nicht zuletzt daran, dass es nach Einschätzung der Abteilung Inneres „immer möglich gewesen [sei], in den Gemeinden geeignete Männer zu finden, die das Amt des Gemeindevorstehers auszufüllen vermögen“.216 Tatsächlich stellte sich dies jedoch zunehmend als „ausserordentlich schwierig“ heraus.217 In einigen Gemeinden waren die Bürgermeisterstellen zum Ende des Krieges gar nur noch formell besetzt. In wie vielen Landgemeinden Mecklenburgs die Gemeindevorsteher nicht „ortsanwesend“ waren, ließ sich allerdings nicht ermitteln. Die 1942 seitens des Reichsministeriums des Innern gestellte Anfrage blieb unbeantwortet.218 Von den Städten scheint hin gegen nur Schwerin betroffen gewesen zu sein. Daraus, dass sowohl der Oberbür germeister als auch der Bürgermeister eingezogen worden waren, hatten sich jedoch, so der Kämmerer der Stadt, Ernst Barten, „besondere Unzuträglichkeiten in der
ner der mecklenburgischen Ortsteile 304 Reichsmark, für die 196 Einwohner der in Preußen gelegenen Ortsteile hingegen 250 Reichsmark als Entschädigung. Vgl. ebd., Bl. 72: Aktennotiz Kreis Parchim, ca. Mai 1935. 213 Vgl. Kap. 9.1 sowie die Tabellen 25–27 und 29 im Anhang. 214 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 71: Hildebrandt an MdI, 11. Mai 1936. 215 Ebd., Bl. 85: Kreis Parchim an MdI, 23. Juni 1936. 216 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. 217 Ebd., Bl. 297–301: Kreis Schwerin an MdI, 23. Mai 1939. 218 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 734, Bl. 199: RMdI an Landesregierungen, Reichsstatthalter, 24. April 1942.
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Aspekte der Kommunalverwaltung
Erledigung der laufenden Verwaltungsgeschäfte bisher nicht ergeben“.219 Wenige Wochen später, „nach den schweren Luftangriffen auf Rostock“, erschien es dem Ministerium des Innern allerdings zweifelhaft, ob Bartens „außerordentliche Arbeitskraft ausreichen“ würde, um einen durch „derartige Luftangriffe bedingten Mehranfall an Verwaltungsarbeit zu bewältigen“, und es bat, den als Provinzialbeauftragten in Holland tätigen Bürgermeister Werner Schroeder nach Schwerin zurückzube ordern.220 Betrachtet man die Entwicklung des Schulzenamts während des Nationalsozialismus, fällt auf, dass, obwohl die NSDAP in Mecklenburg-Schwerin bereits im Juli 1932 die Regierung stellte, die Unterdrückung politischer Opposition oder gar offener staatlicher Terror unterblieb. Nach der Machtergreifung im Reich wurde allerdings die im Vergleich zu den anderen Ländern bereits gefestigte Position in Regierung und Verwaltung genutzt, um den Einfluss der Partei in den Kommunen zu stärken und dort das Führerprinzip zu etablieren. Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung wurde die Transformation der Kommune vom Organ der Selbstverwaltung zur Behörde der Partei- und Staatsverwaltung abgeschlossen. Damit verlor aber auch das Land an Einflussmöglichkeiten, was insbesondere während des Krieges, erinnert sei an die Probleme bei der Besetzung der Bürgermeisterstellen, zu großen Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Geschäftsführung in den Gemeinden führte. Eng mit der administrativen Neuordnung verbunden war das neue Bild des na tionalsozialistischen Bürgermeisters, der nichts mehr mit dem als nachlässig und langsam apostrophierten Dorfschulzen gemein haben, sondern sowohl in politischer als auch moralischer Hinsicht „Führer der Gemeinde“ sein sollte.221 Um diesem Anspruch gerecht zu werden wurde in Mecklenburg bereits Ende 1934 auf Beschluss der „Arbeitsgemeinschaft der Landräte“ eine „Arbeitsgemeinschaft der Bürgermeister“ gegründet. Neben fachlichen Problemen wurden hier vor allem „politische und weltanschauliche“ Themen behandelt.222 Nur ein Jahr später hatte „der größte Teil der Gemeindevorsteher“ eine entsprechende „politische Schulung durch die nationalsozialistische Bewegung“ durchlaufen. 223 Deutlich wird das Bestreben der NSDAP, sich in den Kommunen zu verankern, auch mit Blick auf die Parteizugehörigkeit der Bürgermeister. Den Angaben einer Parteistatistik aus dem Jahre 1935 zufolge waren zwischen 1930 und 1933 insgesamt 22,3 Prozent der Schulzen im Gau Mecklenburg-Lübeck Mitglied der NSDAP. 1934 hatte sich ihre Zahl mehr als verdoppelt, lag mit 50 Prozent allerdings unter dem Reichsdurchschnitt.224 219 Ebd., Bl. 195: Barten an StM, Abt. Inneres, 9. April 1942. 220 Ebd., Bl. 198: StM, Abt. Inneres an RMdI, 7. Mai 1942. 221 Bekanntmachung vom 1. April 1935 zur Deutschen Gemeindeordnung, in: Rbl. Nr. 17, 9. April 1935, S. 57–96, hier S. 69. 222 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 265–271: Versammlung der Landräte im Deutschen Gemeindetag, Landesdienststelle Mecklenburg, Sitzungsprotokoll, 6. Nov. 1934. 223 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. 224 Vgl. Partei-Statistik, 1935, S. 262–264. In den Städten war der Anstieg noch größer. 1934 lag der Anteil der Bürgermeister, die der NSDAP angehörten, bei 80 Prozent. Vgl. ebd., S. 258–260.
Das Schulzenamt und die Schulzen
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Trotz dieses Ergebnisses geriet das Konzept der politischen Schulung zunehmend, vor allem bei den Bürgermeistern selbst, in die Kritik. Noch im gleichen Jahr wurde „von verschiedenen Seiten [...] darauf hingewiesen, dass die [...] Tagungen der Arbeitsgemeinschaften der Bürgermeister nicht den gewünschten Erfolg erzielten, da der Kreis der Teilnehmer zu gross sei und man zu einer wünschenswerten Aussprache über interne Dinge und Angelegenheiten, die einem grossen Kreis gegenüber vielleicht zu unwichtig erscheinen könnten, nicht käme“.225 Die Landesdienststelle Mecklenburg-Lübeck beim Deutschen Gemeindetag forderte deshalb, künftig immer nur die Bürgermeister der Landgemeinden zweier Kreise zusammenzurufen. Ferner schlug sie eine Teilnahme der betreffenden „Vertreter des Staatsministeriums, der Kreisleiter und Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik, der Landräte und der Bürgermeister der Städte und Flecken“ vor.226 Im Kreis Schwerin ging man noch einen Schritt weiter. Hier wurden 1934 die „Kreisabteilungen Schwerin, Crivitz und Gadebusch“ gegründet, die „in erster Linie der Schulung der Bürgermeister“ und dem „gegenseitigen Austausch der [...] in ihrem Amt gemachten Erfahrungen“ dienen sollten.227 Im Kreis Malchin suchte man den Kontakt zu und unter den Bürgermeistern durch deren Teilnahme an den Kreisversammlungen zu intensivieren.228 Tatsächlich scheinen die Tagungen der Arbeitsgemeinschaft der Bürgermeister vorläufig eingestellt worden zu sein. Nachweisen lässt sich eine solche Zusammenkunft erst wieder 1943, als es darum ging, Lösungen für den Personalmangel in den Gemeinden zu finden.229 Die indirekt geäußerte Ablehnung ideologischer Schulung und der relativ geringe Anteil von Parteimitgliedern unter den Bürgermeistern lässt freilich keine Rückschlüsse auf die konkrete Amtsführung in den Landgemeinden während der Zeit des Nationalsozialismus zu. Ob und in welchem Umfang Bürgermeister unpolitisch zu sein versuchten bzw. gegenüber dem Ortsgruppenleiter der NSDAP überhaupt politische Entscheidungen treffen konnten oder Widerstand wagten, muss, ebenso wie die Frage ihrer Beteiligung an Deportationen oder Kriegsverbrechen, einer gesonderten Untersuchung, die einzelne Biographien bzw. Ereignisse in den Blick nimmt, vorbehalten bleiben.230
225 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 303: Deutscher Gemeindetag, Landesdienststelle Mecklenburg an Landräte, Bürgermeister..., 23. Nov. 1935. 226 Ebd. Tatsächlich lassen sich derartige Versammlungen bis 1944 nachweisen. Vgl. ebd., Bl. 430 und Bl. 434: Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Innere Verwaltung, 9. Okt. 1943 und 26. April 1944. 227 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 7473: Verwaltungsbericht des Mecklenburgischen Kreises Schwerin über das Geschäftsjahr 1934. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 4477 b: Verwaltungsbericht des Kreises Schwerin 1934. 228 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 5990: Rede des Landrats Burmeister in der Kreisversammlung des Kreises Malchin am 12. Januar 1938, Malchin 1938, S. 3. 229 Vgl. ebd., Bl. 431: Amt für Kommunalpolitik an StM, Abt. Innere Verwaltung, 9. Okt. 1943. 230 Einen Ansatz liefert hier Bernd Kasten. Vgl. ders.: Deportation. Eine wichtige Quelle stellen hier Erinnerungen und Zeitzeugenberichte dar, die freilich kritisch zu hinterfragen sind. Vgl. Niemann: Gutsherren; ders.: Ländliches Leben.
10. Ergebnisse der Arbeit 10.1 Zusammenfassung Ausgelöst durch die politischen und staatsrechtlichen Veränderungen des Novembers 1918 wurden in Mecklenburg-Schwerin Reformen eingeleitet, deren Ziel der Aufbau einer einheitlichen Landesverwaltung war. Pläne, die vielen verschiedenen, sich teilweise überschneidenden Rechtskreise administrativ zu einigen, bestanden bereits vor dem „ersten Systemwechsel in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts“.1 Erinnert sei etwa an die seit 1708 erwogenen und teilweise umgesetzten Bestimmungen zur Vereinheitlichung der Stadtverfassungen, die 1848/49 diskutierten Gesetzesvorlagen zur Einführung einer kommunalen Selbstverwaltung oder den Entwurf einer Landgemeindeordnung, der dem Landtag 1916 vorgelegt worden war. Sämtliche Reformen scheiterten jedoch am Widerstand der Stände. Lediglich im Domanium, wo der Landesherr ohne Mitwirkung von Ritter- und Landschaft Recht sprechen konnte, gelang der Aufbau einer allgemeinen Verwaltung. Die 1865 bzw. 1869 erlassene Gemeinde-Ordnung diente später als Vorlage der Kloster-Gemeinde ordnung. Sie wurde 1912 eingeführt und sollte, so die Hoffnung der großherzoglichen Regierung, zum Ausgangspunkt einer umfassenden Neuordnung der bislang gemeindlich nicht verfassten Teile des platten Landes werden. Die im August 1914 begonnene Unterstellung der Zivilbehörden unter die Befehlsgewalt des Militärs begünstigte dieses in die Rechte der Stände eingreifende Vorhaben. Der seitens der Regierung vorgelegte Entwurf zur Gemeindebildung in den außerhalb des Domaniums gelegenen ländlichen Ortschaften – an eine allgemeine, alle Landesteile umfassende Ordnung wurde erst gar nicht gedacht – fand jedoch auf dem Landtag keine Mehrheit. Auf Druck des Reichs entstanden zwischen 1914 und 1918 allerdings mittlere Behörden, die, dem Ministerium des Innern unterstellt, für alle Gemeinden und Ortschaften Mecklenburg-Schwerins zuständig waren. Zu nennen wären hier vor allem die Kreisbehörden für Volksernährung.2 Sie waren es auch, die im November 1918 im Interesse einer Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung den Aufbau einer allgemeinen Kommunalverwaltung forderten und, die Arbeiter- und Soldatenräte zur Mitarbeit auffordernd, daran gingen, ihn zu initiieren. Ihrem Appell folgend, entsandten die „Räte [...] Vertreter in die Kreisernährungsbehörden und kontrollierten Gutsbetriebe auf Viehbestände und Erfüllung der Ablieferungspflichten bis hin
1 Gallus: Revolution 1918/19, S. 133. 2 Eine Studie zur Transformation der Landesverwaltung im Rahmen der Umstellung von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft fehlt bislang. Verwiesen sei hier jedoch auf das Dissertationsprojekt von Antje Strahl, die den Einfluss des Ersten Weltkrieges auf die Wirtschaft MecklenburgSchwerins untersucht. Die Bildung von einheitlichen Verwaltungsbezirken fand bereits früher statt. Erinnert sei etwa an die Errichtung der Amtsgerichtsbezirke 1879 oder die Schaffung von Medizinalbezirken 1893.
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zur Androhung von Enteignungen bei Sabotage“.3 Unterstützung erhielten sie dabei von der durch den Großherzog eingesetzten Volksregierung, die zunächst die Stände entmachtete, dann die Monarchie abschaffte und schließlich die Polizeigewalt der ritterschaftlichen Gutsbesitzer aufhob. Sah es anfänglich so aus, „als wollte sich die neue bürgerlich-sozialdemokratische Koalitionsregierung mit einer Rolle als großherzogliche Zentralverwaltung zufrieden geben“,4 wurde sie durch den Druck der Bevölkerung, die in den Städten, allen voran Rostock und Schwerin, die Ausrufung der Republik forderte, zur Staatsumwälzung gedrängt. Das „Vordringen der Arbeiter- und Soldatenvertreter in Bereiche, die bis dahin ausschließlich der Selbstkontrolle der Gutsbesitzer vorbehalten waren“ und sie „auf bisher noch nie in Frage gestellte Privilegien zu verzichten zwang“, sicherte das Vorgehen der Regierung und verdeutlicht die Wechselbeziehung zwischen Revolution und Staatsumwälzung. Politische Macht, so urteilt Heinz Koch, konnte „der Großgrundbesitz MecklenburgSchwerins in den ersten Tagen der Novemberrevolution praktisch nicht ausüben“.5 Die Räte waren von daher keine „systemlosen Gebilde“ oder „örtliche[n] Auf lösungsorganisationen“, wie der Redakteur der „Mecklenburger Nachrichten“, Hellmuth Dietzsch, behauptete,6 sondern garantierten die Aufrechterhaltung der Versorgung und sicherten die politisch-staatsrechtlichen Veränderungen. Durch Abgeordnete bereits etablierter Räte initiiert, entstanden im ganzen Land Revolu tionsorgane, die zum Vorbild für die auf Anordnung des Reichs zu bildenden Bauern- und Landarbeiterräte sowie die in Eigeninitiative entstehenden Bürger- und Volksräte wurden. Der Gedanke der Selbstverwaltung war in Mecklenburg-Schwerin, wie es der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Richard Reiland pathetisch formulierte, ein „Geschenk der Revolution“.7 Sie zu einem verfassungspolitischen Prinzip erklärend, ordnete die Volksregierung wenig später demokratische Wahlen zu den Bürgerausschüssen der Städte und den Gemeindevertretungen des Domaniums an. Bis zum Februar 1919 war die Verwaltung, mit Ausnahme des ritterschaftlichen Gebiets und der Hofgemeinden, „auf bürgerlich-parlamentarische Grundlagen gestellt worden“.8 Dem deutschnationalen Landtagsabgeordneten Magnus Knebusch zufolge hatte es „die Regierung [...] viel eiliger bei uns als anderswo, die Neuordnung [...] in die Wege zu leiten“ und ihr gelang es, die „Nachbarstaaten“ zu übertreffen.9
3 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 42. 4 Ebd., S. 46. 5 Ebd., S. 42. Vgl. dazu auch Hoppe: Revolution. Dort heißt es: Die Maßnahmen von Regierung und Räten erwecken den Eindruck einer „gegen den Großgrundbesitz gerichteten Ausnahmegesetzgebung“. Mechthild Hempe sieht in den Ereignissen ein „Novembererlebnis“ begründet, das die Einstellung der Gutsbesitzer zum neuen Staat beeinflusste. Hempe: Ländliche Gesellschaft, S. 237. 6 Dietzsch: Revolution, S. 15. 7 Reiland, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 78. Sitzung, 21. März 1923, Sp. 4130. 8 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 65. Die Apostrophierung des Parlamentarismus als bürgerlich verweist hier nicht nur auf das herrschende Geschichtsbild der DDR, sondern auch auf den Wechsel vom ständischen zum modernen, bürgerlichen Staat. 9 Knebusch, in: Landtag, 1921, 20. Sitzung, 2. Juni 1919, Sp. 644.
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Ergebnisse der Arbeit
Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung Kochs, der „Bruch mit den landständischen Verfassungsverhältnissen“ sei nur „auf der Ebene der Landesverwaltung unmittelbar und abrupt“ gewesen und hätte sich „auf lokaler Ebene langsamer“ vollzogen,10 zu korrigieren. Die in Bezug auf die Städte und die domanialen Dorfbzw. kombinierten Dorf- und Hofgemeinden erlassenen Verordnungen ergingen ebenfalls recht zügig. Sie waren allerdings nicht rein destruktiv, sondern zielten auf eine personelle Neubesetzung der bestehenden politischen Gremien. Gleichwohl kann der plötzliche, administrativ angeordnete Austausch der Eliten, noch bevor eine Änderung der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Grundlagen diskutiert, geschweige denn beschlossen worden war, als abrupt bezeichnet werden. Vor allem in den Städten führte dieses überhastete Vorgehen zu Differenzen über die Kompetenzen der gewählten Bürgerausschüsse und deren lokale Verfassungsinitiativen, die dem Ziel der Regierung, eine einheitliche Landesverwaltung zu schaffen, entgegenstanden. Hinzu kamen Auseinandersetzungen mit alten und neuen Amtsinhabern, in denen es insbesondere um Fragen der Entschädigung verlorener Rechtsansprüche bzw. die künftige Vergütung der politischen Tätigkeit ging. Auf dem Land führten sie zu massiven Protesten der Schulzen, denen sich die mittleren Beamten und Angestellten der Domanialverwaltung sowie der Kreisbehörden für Volksernährung anschlossen. Die seitens der Regierung gehegte Befürchtung, das Ausbleiben demokratischer Wahlen begünstige spontane Erhebungen und Putschversuche, die wohl nicht nur, wie von ihr betont, von links, sondern auch von rechts drohten, wurde als unbegründet zurückgewiesen.11 Dass die Volksregierung an den Beschlüssen festhielt, schadete ihrem Ansehen. Betroffen war insbesondere die SPD, die bei den Bürgerausschusswahlen eine empfindliche Niederlage hatte hinnehmen müssen und auf dem Land kaum Einfluss gewann. Gleichzeitig gelang es mit den Wahlen jedoch, die bürgerlichen bzw. konservativen Kreise und Parteien zu integrieren. In den Städten erhielten sie das ihnen von den Arbeiter- und Soldatenräten teilweise verweigerte Recht, sich am Transformationsprozess zu beteiligen, zurück; auf dem Land hingegen mussten sie sich, wollten sie ihre Interessen wahrnehmen, zum Parlamentarismus bekennen oder ihn zumindest akzeptieren. Die Arbeiter- und Soldatenräte indes avancierten mehr und mehr zu staatlichen Kontrollorganen, die sich jedes „direkten Eingriffs in die Verwaltung“ enthielten.12 Die erste, revolutionäre Phase der Umgestaltung der Kommunalverwaltung charakterisieren demnach zwei parallel ablaufende, sich jedoch gegenseitig beeinflussende Prozesse. Der eine, ausgelöst durch „diffuse [...] Einzelaktionen“ revolutionärer Gruppen,13 führte zum Aufbau lokaler Organe der Selbstverwaltung, die sich nicht 10 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 62. 11 Der Januarputsch in Schwerin 1919 mag als Gegenargument erwähnt werden, allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass er nach Durchführung der Bürgerausschusswahlen stattfand, von außen ins Land getragen wurde und sich gegen die Regierung, nicht gegen lokale Gremien richtete. 12 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1019: Vollzugsrat Arbeiter- und Soldatenrat Groß-Berlin an Arbeiterund Soldatenräte Deutschlands, 23. Nov. 1918. 13 Kluge: Revolution 1918/1919, S. 53.
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zuletzt auf Anregung der Kreisbehörden für Volksernährung miteinander zu vernetzen begannen. Der andere, durch die großherzogliche Regierung initiiert, löste die Entmachtung der Stände, den Rücktritt des Monarchen und die Durchführung demokratischer Wahlen zu den bestehenden Gemeindevertretungen der Städte und des Domaniums aus. Die zweite, parlamentarische Phase begann Mitte Februar 1919. Der dem deutschnationalen Lager zuzurechnende Graphiker Franz Jüttner hielt den Übergang in einer – den Titel des vorliegenden Buches illustrierenden – Karikatur fest. Das als älterer Mann personalisierte Jahr 1919 pflügt – blickt man auf die Schar, unter dem Vorzeichen des Sozialismus – die durch Steine, Stangen und Zahnräder symbolisierte alte Ordnung unter. Ihm folgt, als Knabe dargestellt, das Jahr 1920, dass in die Furche, so könnte man es interpretieren, die Saat eines neuen Gemeinwesens, eines neues Staates legt. Neben den drei Komplexen: „Aussonderung des Privatvermögens des Großherzogs aus dem Landesvermögen, [...] Aufhebung der Stände und [...] Einführung des allgemeinen Wahlrechts“, die es, so Koch, „im Vorfeld der Erarbeitung der Landesverfassung“ zu lösen galt,14 wurde als „nächste und wichtigste Aufgabe der Gesetzgebung [...] die Schaffung eines neuen Verwaltungsrechts“ bezeichnet. Verstanden wurde hierunter die Erarbeitung und Verabschiedung der Städte- und der Landgemeindeordnung.15 Insofern verlief der „Prozess [...] der Verwaltungsreform“, nicht wie durch Koch angenommen, „von oben nach unten“, sondern begann, wie gezeigt werden konnte, in den Kommunen und wurde, seine These umkehrend, „in der Zentralverwaltung [...] fortgesetzt“.16 Die Regierungsvorlage des ersten der drei „Grundgesetze“ Mecklenburg-Schwe rins,17 die Städteordnung, basierte zum einen auf der preußischen Städteordnung, zum anderen auf Entwürfen der Städte Rostock und Schwerin. Dabei wurde einerseits „nicht gezögert“, sich „auf den Standpunkt der heute maßgebenden Ueberzeugung zu stellen und die heute geltenden Grundsätze [...] zu verwirklichen“, andererseits aber auch „das Alte nicht einfach ganz über Bord geworfen“, sondern „geprüft [...] und [...] das alte Bewährte“ mit hineingearbeitet.18 Nach einer umfänglichen parlamentarischen Debatte, in der auch ein Gutachten des Mecklenburgischen Städtetags zum Entwurf Berücksichtigung fand, wurde die Städteordnung am 18. Juli 1919 verabschiedet. Sie gestand den Städten das Recht der Selbstverwaltung zu und beschränkte die Staatsaufsicht auf eine Kontrolle der Gesetzmäßigkeit und Lauterbarkeit der Verwaltung. Darüber hinaus erweiterte sie die Kompetenzen des nun als Stadtverordnetenversammlung bezeichneten Bürgerausschusses, die aus freien demokratischen Wahlen hervorging und durch Volksbegehren und Volksentscheid jederzeit aufgelöst werden konnte. Ein weiteres Element direkter Demokratie wurde in die Bestimmungen zum Rat aufgenommen. Demnach war es möglich, den Bürgermeis14 15 16 17 18
Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 58. MN, 12. Feb. 1919. Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 96. Schwanke, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4979. MZ, 8. März 1919. Vgl. auch RoA, 9. März 1919.
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ter durch die wahlberechtigten Einwohner wählen zu lassen. Weitere Befugnisse leiteten sich hieraus jedoch nicht ab. Der Rat führte die Geschäfte, zu denen neben den Aufgaben der Selbstverwaltung auch staatliche Angelegenheiten zählten, als Kollegialbehörde. Mit der Einführung der Städteordnung waren die Absetzung der Magistrate und die Wahl der Stadträte und Bürgermeister verbunden. Zu einer Neuwahl der Bürgerausschüsse kam es hingegen nicht. Angesichts all dieser Änderungen ist die von Hermann Stech vertretene Auf fassung, „in den bis zur Umwälzung ‚selbständigen‘ Stadtgemeinden“ Mecklenburgs habe der „Übergang von der ständischen zur kommunalen Verfassung [...] kaum mehr als eine Namensänderung bei gleichbleibendem Inhalt“ bedeutet,19 schlicht unzutreffend. Sie ignoriert vor allem die Rolle des Staates und den Grad politischer Partizipation. Ebenso wie die Städteordnung prägte auch die Landgemeindeordnung, so der Landtagsabgeordnete der DDP, Karl Friedrich Witte, ein „edelrepublikanischer“ Geist.20 Die Forderung des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten, die „Gemeindebehörden mit genügender Selbständigkeit“ auszustatten und „die Neuordnung der Behörden [...] zu einer Dezentralisation“ zu nutzen,21 wurde allerdings nicht mit letzter Konsequenz umgesetzt. Anders als bei den Städten oblag dem Staat in den Landgemeinden auch die Aufsicht über die „Grundlagen der Finanzgebarung“.22 Der Grund dafür lag zum einen in der auf dem platten Lande größtenteils fehlenden Erfahrung im Bereich der Selbstverwaltung, zum anderen in der Konzeption der Landgemeinde als unterste Instanz sowohl für die Selbst- als auch für die Staatsverwaltung. Diese „Doppelfunktion“, die, wie erwähnt, auch die Städte betraf, begründet auch den im Vergleich zur Landesverfassung auffälligsten Unterschied.23 War auf Landesebene die Regierung lediglich der ständige Hauptausschuss des Landtags, d. h. die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive nicht besonders ausgeprägt, wurden Rat und Gemeindevorstand und mit ihnen Bürgermeister und Schulze eine deutlich stärkere Position dem Parlament gegenüber eingeräumt. Als Exekutivorgan des Staats sollten sie, so scheint es, auch als oberste Behörde der kommunalen Selbstverwaltung Autorität erhalten. Auf eine staatliche Ernennung der Amtsinhaber oder Qualifikationsmerkmale, deren Erfüllung Voraussetzung zur Wahrnehmung des aktiven Wahlrechts war, wurde indes bewusst verzichtet. Aus der zum Teil mangelnden Eignung einzelner Schulzen resultierten jedoch Probleme, die insbesondere die Ausführung staatlicher bzw. – erinnert sei an Tätig19 Stech: Selbstverwaltung, S. 9. 20 Witte, in: Landtag, 1920, 63. Sitzung, 12. Dez. 1919, Sp. 1954. 21 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 14: Denkschrift „Aufbau der Behörden. Nach dem Referat von Dr. Brückner, den Koreferaten von Ministerialrat Schwaar und Dr. Schlesinger und den Kommissionsbeschlüssen vom 1. und 10. März 1919 gehalten im Auftrag des Bundes der akademisch gebildeten Staats- und Gemeindebeamten“, März 1919. 22 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 71, Bl. 8: Löwenthal an MdI, 9. Jan. 1919. Vgl. dazu auch Landgemeindeordnung. Vom 20. Mai 1920, in: Rbl. Nr. 94, 11. Juni 1920, S. 743–766, hier S. 761, § 52, Abs. 3. 23 Koch: Parlamentarismus, S. 145.
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keiten im Dienste von Versicherungen – halbstaatlicher Aufträge betraf. Erst im April 1933, als die NSDAP sich in den Kommunen politisch zu verankern suchte, erließ das Staatsministerium eine Bestimmung, der zufolge der gewählte Kandidat einer staatlichen Bestätigung bedurfte. Nach Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 1935 wurden sämtliche Gemeindevertreter staatlich ernannt. Eine Zentralisierung der Verwaltung oder gar Transformation der Kommunen in Organe von Partei und Staat war durch die Landgemeindeordnung nicht intendiert. Sie beabsichtigte die Auflösung aller ständischen und obrigkeitsstaatlichen Verhältnisse. Nicht zuletzt aus diesem Grunde fanden sich auch die bereits in der Städte ordnung verankerten Elemente direkter Demokratie in der Landgemeindeordnung wieder. Neu war dabei, dass die Legislatur des Gemeindevorstands der der Gemeindeversammlung entsprach, d. h. bei einer vorzeitigen Auflösung der Gemeindeversammlung auch Schulze und Schöffen zurücktreten und neu gewählt werden mussten. Ferner wurde – anders als in vielen Städten, wo zugunsten einer einheitlichen, arithmetischen Regelung die Mandate zu den Kommunalparlamenten reduziert werden mussten – ein sehr niedriger Delegiertenschlüssel gewählt. Das Ziel, in den Gemeindeversammlungen möglichst alle sozialen Schichten vertreten sein zu lassen, um, insbesondere in den Guts- und Hofgemeinden, den Einfluss der Großgrundbesitzer zu minimieren, scheiterte jedoch an der mangelnden Bereitschaft vieler Einwohner, politische Verantwortung zu übernehmen. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Forderungen einzelner Verwaltungsbeamter und Parteien, den Delegiertenschlüssel zu ändern oder die Legislatur der Gemeindeversammlung zu verlängern, fanden im Landtag allerdings keine Mehrheit. In der Praxis behalf man sich, wenn kein oder nur ein Wahlvorschlag eingereicht wurde, indem man die Wahlen einfach aussetzte. Die Verlängerung der Legislatur und Reduzierung der Mandate zu den Gemeindevertretungen erfolgte, wie im Übrigen auch in Bezug auf die Städte, erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und auf Druck des Reichs. Seitens der Landesregierung wurde eine Bestimmung erlassen, der zufolge die Legislatur des Gemeindevorstands nicht mehr an die der Gemeindeversammlung gebunden war. Auf diese Weise stärkte das Staatsministerium die Stellung des Schulzen, dessen Amt in ein staatliches Verwaltungsorgan umgewandelt wurde. Dass politisches Bewusstsein und Engagement auf dem platten Lande zwischen 1918 und 1933 nur schwach ausgeprägt waren, hatte verschiedene Ursachen. Auffällig ist allerdings der Unterschied zwischen den Dorfgemeinden auf der einen und den Guts- und Hofgemeinden auf der anderen Seite. Während in den Dorfgemeinden eine relativ breite Partizipation der Einwohner an den politischen Entscheidungsprozessen nachgewiesen werden konnte, wurden die Geschäfte der Guts- und Hofgemeinden häufig nur von den Großgrundbesitzern bzw. deren Vertretern wahrgenommen. Die übrigen Einwohner nahmen ihre politischen Rechte zwar wahr, folgten dabei aber entweder den Ansichten des Eigentümers und Arbeitgebers oder fügten sich dessen wirtschaftlichem Druck. Bereits im Februar 1921 kritisierte der Maschinist Martin Bohnsack, der auf dem Gut Gülzow im ritterschaftlichen Amt Crivitz beschäftigt war, dass die Landgemeindeordnung auf den „Rittergüter[n] oder Sonstigen Pachtgüter[n] anwendung“ [sic!] findet, da „alles Hab und Gut und Leute
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ja das ganze Dorf mit ihrer Feldmark und Gebäude [...] nur einem Herrn“ gehören, die „bestimmungen aber wie sie uns vorgelesen wurden und vom Ministerium Dr. Wenndorf unterzeichnet waren, [...] nur von Pflichten der Gemeinde“ [sic!] sprechen. Aus diesem Grunde verweigerte Bohnsack auch seine „unterschrift als Wahlvorschlag“ [sic!]. Für ihn stand fest: „Ich mögte absolud kein Schulze nicht sein nach dem heutigen Paragraphen, auf ein Gut.“24 Sein Vorschlag, für die Gutsgemeinden andere Bestimmungen zu erlassen, der in ähnlicher Form auch seitens einiger mittlerer Domanialbeamter geäußert worden war, blieb allerdings unberücksichtigt. Die „gesetzlichen Vorschriften [...] abzuändern“25 hätte dem Ziel, die Dreiteilung des Landes aufzuheben und eine einheitliche Kommunalverwaltung zu schaffen, widersprochen. Dass die unterschiedliche, die einzelnen Landesteile charakterisierende Siedlungsstruktur bei der Umsetzung der Landgemeindeordnung zu Problemen führen würde, war der Volksregierung von Anfang an bewusst. Aus diesem Grunde sollte, in Anlehnung an die Gemeindebildung 1865/69, der Konstituierung von Gemeindekörperschaften die Schaffung von Gemeindebezirken vorangehen. Geplant war, sämtliche Güter und Höfe entweder mit einem Dorf bzw. ihren Pertinenzen oder, wenn dies aufgrund der Entfernung nicht möglich war, mit einem anderen Gut bzw. Hof zu vereinigen. Auf diese Weise suchte die Volksregierung Gemeinden zu schaffen, in denen sich nicht nur ein Eigentümer und bei ihm abhängig Beschäftigte gegenüberstanden. Die Bildung selbständiger Guts- bzw. Hofbezirke lehnte die Regierung deshalb strikt ab. Im reichsweiten Vergleich nahm sie damit eine Vorreiterrolle ein. Neben diesem politischen Ziel sollten Einwohnerzahl und Distanz zwischen den einzelnen Ortsteilen der zukünftigen Gemeinden berücksichtigt werden. Die geplante Kommunalgebietsreform stieß jedoch schnell auf Widerstand. So meldeten sich etwa die Einwohner einzelner Bauernkolonien, die als Pertinenzen zu den jeweiligen Rittergütern geschlagen werden sollten, und baten, selbständig werden zu dürfen. Der Wunsch blieb ihnen in fast allen Fällen jedoch verwehrt. Dies galt auch in Bezug auf die Kämmereiortschaften, die mehrheitlich in die Stadtbezirke eingemeindet wurden. Diesen verhältnismäßig wenigen Einsprüchen gegenüber stand eine Vielzahl von Eingaben sowohl der Guts- und Hofbesitzer als auch der Dorfschaften, die sich gegen eine Zusammenlegung wehrten. Beide Seiten beklagten in erster Linie die drohende „Vermehrung der Gemeindelasten“. Die Dörfer waren nicht willens, die Armen- und Wohlfahrtsleistungen für die Altenteiler, „die sich überall auf den Höfen“ und Gütern fanden, sowie die dortigen Schul- und Wegebaulasten zu tragen, die Guts- und Hofbesitzer nicht bereit, Aufgaben im Dorf zu übernehmen und eine aus ihrer Sicht kostspielige Gemeindeverwaltung zu finanzieren. Sie fürchteten zudem „den Verlust der bisherigen Selbständigkeit“ und eine „Majorisierung“ durch die Einwohner des Dorfes.26 Bereits im Juni 1919 bezeichnete es die Vereinigung der Gutspächter auf einer nach Güstrow einberufenen außerordentli24 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 845: Bohnsack an MdI, 30. Jan. 1921. 25 Ebd., Bl. 846: MdI an Bohnsack, 2. Feb. 1921. 26 MN, 27. Feb. 1920. Vgl. MN, 29. Feb. 1920.
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chen Mitgliederversammlung als „durchaus verkehrt“, ein Gut mit einem Büdneroder Häuslerdorf zusammenzulegen. Ihrer Ansicht nach hatten die bestehenden Eigentumsverhältnisse sowie die administrativen und wirtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Ortschaften bzw. Betriebe die Grundlage der Gemeindebezirke zu bilden.27 Diese Argumentation erscheint durchaus verständlich, würde doch beispielsweise die Auflösung eines Güterkomplexes und die Zulegung seiner einzelnen Bestandteile zu verschiedenen Landgemeinden dazu führen, dass die einzelnen Betriebe unterschiedlich hohe Abgaben zu leisten hätten und sich die Eigentümer mit mehreren Gemeindevertretungen auseinandersetzen müssten. Neben den Eigentümern lehnten auch die Hintersassen und Hofeingesessenen eine Fusion mit den Dorfgemeinden ab. Sie fürchteten, zu den Gemeindelasten herangezogen zu werden, von denen sie bislang befreit waren. Hinzu kam die Sorge, das ihnen bislang durch den Grundherrn erteilte Deputat zu verlieren. Hieran wird bereits die Schwäche der Kommunalgebietsreform deutlich. Es fehlten konkrete Vorstellungen von den Aufgaben der politischen Organisation und den finanziellen Grundlagen der neu zu bildenden Gemeinden. Die zur Ausarbeitung von Entwürfen aufgeforderten Beamten, die erst in Eigeninitiative, dann auf Drängen der Regierung die Bevölkerung einbezogen, nahmen oftmals die bestehenden Verhältnisse zur Grundlage, wodurch die Ängste provoziert wurden. Der Verband der akademisch gebildeten Domanialbeamten hatte deshalb bekanntlich im Februar 1920 angeregt, erst sämtliche offenen Fragen zu regeln, darunter auch die der Dotierung der Gemeinden. Freilich hätte es auch bei Vorlage des Entwurfs der Landgemeindeordnung einen Konflikt zwischen dem politischen Ziel und den auf dem platten Lande existierenden Beharrungskräften gegeben. Hier wäre eine konsequentere Fortführung des Gedankens, die Selbstverwaltung, zumindest aber die Festlegung ihrer territorialen Bezirke auf dem Wege der Selbstverwaltung einzuführen, dienlich gewesen. Die Entscheidung für oder wider eine Fusion hätte der Bevölkerung der einzelnen Ortschaften gänzlich und nicht nur in einem gewissen Rahmen übertragen werden können. Nach einer Übergangszeit und durch die Schaffung von entsprechenden Anreizen wären auf diese Weise sich behauptende kleine, nicht leistungsfähige Gemeinden sicher größeren Kommunen oder zu gründenden Zweckverbänden beigetreten. Wollte man bei dem gewählten Verfahren bleiben, d. h. die Landgemeinden erst einmal nur provisorisch zu bilden, das Votum der Gemeindeversammlung abzuwarten und dann das Ministerium des Innern über den Umfang des Gemeindebezirks entscheiden zu lassen, hätten zunächst wenigstens mehrere Wahlkreise gebildet werden müssen, die, die einzelnen Ortschaften bzw. Ortsteile umfassend, eine paritätische Zusammensetzung der Gemeindeversammlung garantiert und eine Majorisierung kleinerer Ortschaften verhindert hätten. Eine andere Option wäre Zwang gewesen. Als Grundlage hätten hier neben den Entwürfen der Verwaltungsbeamten auch die Kirchspiele oder Reichstagswahlbezirke dienen können. Eine solch obrigkeitliche Maßnahme hätte allerdings dem politischen Grundsatz der Volksregierung widersprochen und war daher undenkbar. 27 MW, 29. Juni 1919.
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Gegen eine radikale Neuordnung, die eine Gemeindebildung auf der Basis der Kirchspiele oder der Reichstagswahlbezirke bedeutet hätte, sprach ferner, dass in den gemeindlich verfassten Ortschaften des Domaniums bereits Wahlen durchgeführt worden waren und sich, zumindest in Bezug auf die Reichstagswahlbezirke, in der Bevölkerung Widerstand regte. Eine Landtagsmehrheit für eine solche Kommunalgebietsreform wäre wohl nicht zustande gekommen. Vor diesem Hintergrund erließ die Regierung ein Programm, in das die Gründung von Einzelhof- und Gutsgemeinden mit aufgenommen wurde, und kündigte wenig später, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, jede Ortschaft zur Landgemeinde erklärend, die Aussetzung der Kommunalgebietsreform an. Für den Abbruch der Neueinteilung des Landes gab es zwei Argumente. Zum ersten entsprach dies dem Willen der Bevölkerung, zum zweiten nahm er den Gutsbesitzern die verblie benen obrigkeitlichen Rechte und beendete damit das im ritterschaftlichen Gebiet bestehende „Verwaltungsprovisorium“.28 Das ständische – nach 1918 „formal [...] aus anderer Quelle“ entspringende – Prinzip, einer Person „Kraft seiner Eigenschaft als Eigentümer“ Privilegien zu erteilen,29 verschwand auf kommunaler Ebene erst mit der Durchführung demokratischer Wahlen und der Konstituierung von Gemeindevertretungen. Hieraus erklärt sich auch die Zustimmung der Sozialdemokraten, die Kommunalgebietsreform, die ihnen als „Grundlage der Neuordnung“ galt,30 auszusetzen. Anders als bei der Städteordnung oder dem Schulzenprotest, bei denen sowohl innerhalb der Partei als auch zwischen ihr und dem Koalitionspartner der DDP Meinungsverschiedenheiten bestanden, herrschte hier Konsens. Getragen wurde dieser auch durch die Oppositionsparteien, die sich, wie bereits bei der Städteordnung, konstruktiv an der Erarbeitung der Landgemeindeordnung beteiligten und ihre rasche Verabschiedung ermöglichten. Hier zeigt sich erneut der Wille der gesamten Bevölkerung an der Staatsumwälzung, unter der in erster Linie eine Demokratisierung und Vereinheitlichung der Verwaltung verstanden wurde, mitzuwirken. Der Abbruch der Kommunalgebietsreform stand dem allgemeinen Ziel, alle ständischen Verhältnisse aufzulösen und die Dreiteilung des Landes zu beseitigen, allerdings entgegen. Auf dem platten Land bestand nach Einführung der Landgemeindeordnung zwar eine einheitliche Verwaltung, sie erfuhr jedoch aufgrund der unterschiedlichen ökonomischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in den Dorfgemeinden eine ganz andere Ausprägung als in den Guts- und Hofgemeinden, wo das Land und die Immobilien dem Eigentümer des Wirtschaftsbetriebs gehörten. Hinzu kamen kleinere rechtliche Unterschiede; erinnert sei etwa an die Verpflichtungen der Gutsbesitzer in Bezug auf kirchliche Baulasten. Sie waren, wenngleich nach und nach aufgehoben, auch ein Zeichen dafür, dass die Vertreter des Großgrundbesitzes als größter Arbeitgeber und Hauptsteuerzahler der Kommune nicht nur Einfluss auf die Gemeinde ausübten, sondern ihm dieser auch in Form einer sozialen Verpflichtung (rechtlich) 28 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 185. 29 Ebd., S. 63 und S. 65. 30 MN, 29. März 1919.
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zugesprochen wurde. Tatsächlich resultierten aus dem in den Guts- und Hofgemeinden bestehenden Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Eigentümer auf der einen und den Einwohnern und der Gemeinde auf der anderen Seite viele Probleme. Zementiert wurde die sich aus der wirtschaftlichen Stellung des Großgrundbesitzers ergebende politische Macht durch die finanzielle Ausstattung der Gemeinden. Verantwortlich dafür war jedoch nicht nur das Land Mecklenburg-Schwerin, sondern in erster Linie das Reich, dem die Steuerhoheit übertragen worden war. Obwohl mit dem „Übergang zur parlamentarischen Demokratie [...] Staat und Gemeinde [...] auf demselben Verfassungsprinzip“ beruhten und damit die „bisherige Antithese zwischen Obrigkeit und Gesellschaft [...] ihren Sinn verloren“ hatte, blieben die in Bezug auf die pekuniäre Ausstattung der Kommunen zu erwartenden Konsequenzen aus.31 In der Diskussion um die Reichsfinanzreform, die zwischen 1918 und 1920 geführt wurde, gab es kaum Stimmen, die „dafür sprachen, die Gemeinden den Grundlagen des neuen Staates anzupassen“. Die Mehrheit war von dem Wunsch erfüllt, „es möge in den Kommunen alles so bleiben wie bisher. Das weite Feld der neuen Möglichkeiten sah man nicht, kehrte ihm bewußt den Rücken oder wagte man nicht zu erschließen.“32 Statt eigener Steuern erhielten die Kommunen lediglich Anteile und das Recht, Zuschläge zu erheben. Die Entscheidung über deren Höhe oblag zum größten Teil dem Reich bzw. ab 1924 den Ländern. Dass die Einzelstaaten jedoch auch davor gewisse Möglichkeiten besaßen, die finanzielle Ausstattung der Kommunen zu beeinflussen, zeigt die im Juni 1921 durch den Finanzminister Mecklenburg-Schwerins, Julius Asch, gehaltene Rundschau. Demnach erhielten die Gemeinden in Hessen, Sachsen und Württemberg bei Einführung der „Reichseinkommensteuer nur den reichsgesetzlichen Mindestbetrag, das heißt das Aufkommen des Jahres 1919/20 plus 25 %“. In Mecklenburg-Schwerin hingegen hatte man das Aufkommen an Personalsteuern des Vorjahres zur Grundlage der Berechnung des Einkommensteueranteils berechnet und einigen Kommunen auf diese Weise „Mehrerträge“ gesichert. Bei der Verteilung der Steuereinnahmen bestand ebenfalls die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen. In Baden etwa floss ein bestimmter Prozentsatz in einen Ausgleichsfonds für leistungsschwache Gemeinden,33 der in Mecklenburg-Schwerin bekanntlich vielfach diskutiert wurde, jedoch nie wirklich zustande kam. Die zweite und eigentliche Haupteinnahmequelle der Landgemeinden, bei denen es sich ja fast ausschließlich um „Güter oder Bauerndörfer“ handelte, in denen „fast jeder Gewerbebetrieb“ fehlte bzw. „er eine für den Charakter der Gemeinde und für ihre Steuerkraft, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bedeutungslose Rolle“ spielte, war die Grundsteuer. Von den insgesamt 2,55 Millionen Reichsmark, die 1933 als Gewerbesteuer eingenommen wurden, entfielen lediglich 0,03 Prozent auf die Landgemeinden. Die Einkommen- und Körperschaftssteuern „spiel[t]en für den Haushalt 31 Upmeier und Wysocki: Gemeinden, S. 21. Vgl. dazu allgemein auch Herzfeld: Demokratie und Selbstverwaltung; Holz: Verwaltungsreform. 32 Upmeier und Wysocki: Gemeinden, S. 27. 33 Asch, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 14. Sitzung, 1. Juni 1921, Sp. 466–468.
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der allermeisten Gemeinden [ebenfalls] keine Rolle“. Im Kreis Wismar etwa betrug das Aufkommen der Landgemeinden an der Grundsteuer zwei Millionen Reichsmark, während die übrigen Steuern nur „etwas über 200.000 RM“, d. h. ein Zehntel dessen, erbrachten.34 Ungeachtet der großen Bedeutung für die Landgemeinden war die Grundsteuer in Mecklenburg-Schwerin ebenso wie in Baden, Bayern, Oldenburg, Thüringen und Württemberg eine Staatssteuer. Den Gemeinden wurde lediglich ein mehr oder minder großzügiges Zuschlagsrecht gewährt. In Hessen hingegen war die Grundsteuer zunächst eine reine Gemeindesteuer, sie wurde später jedoch auch „zum großen Teil für das Land in Anspruch genommen“.35 Die Gemeinden fanden sich damit am Ende einer in Mecklenburg-Schwerin aus vier Gliedern bestehenden Kette von Steuergläubigern, Reich – Land – Ämter – Kommunen. Ihr Handlungsspielraum bei der Erhebung von Zuschlägen war dementsprechend gering. Es bestanden im Grunde nur zwei Optionen, entweder die lokale Wirtschaft, d. h. die Arbeitgeber der Region, zusätzlich zu belasten und dadurch möglicherweise zu Entlassungen zu drängen, oder, sie schonend, die Zuschläge so niedrig zu halten, dass die Gemeinde gerade noch so in der Lage war, ihre Pflichtaufgaben einigermaßen bewältigen zu können. In den Dorfgemeinden, wo es mehrere Grundbesitzer gab, war es leichter, einen Kompromiss zu finden, zumal die Gemeinde mit den Kompetenzländereien selbst über Grundbesitz verfügte. In den Guts- und Hofgemeinden hingegen, wo die Masse der Einwohner einem Großgrundbesitzer gegenüberstand, war eine Polarisierung unvermeidlich. Entscheidend waren hier die politischen Machtverhältnisse in der Gemeindeversammlung. In der Lage, auf die einzelnen Mitglieder bzw. das gesamte Gremium durch seine ökonomische und soziale Stellung Einfluss auszuüben, konnte der Guts- bzw. Hofbesitzer die Zuschläge zur Grundsteuer niedrig halten oder gar aussetzen. Er verhinderte damit zugleich die Bildung von Gemeindekapital, das etwa zur Sozialisierung landwirtschaftlicher Nutzfläche und damit zur Etablierung einer etwas unabhängigeren Stellung dem Großgrundbesitz gegenüber hätte verwendet werden können. Besonders deutlich wird der Einfluss des Hauptsteuerzahlers auf die Gemeinde schließlich in der Übernahme der den einzelnen Einwohnern auferlegten Notsteuern. Sie ist im Grunde jedoch nur die Konsequenz des in ca. 70 Prozent aller Guts- und Hofgemeinden zu beobachtenden Umstands, dass die Einwohner der Gutsverwaltung auch die Gemeindeverwaltung übertrugen. In wieweit dies frei willig, auf Druck oder einfach aus Bequemlichkeit und Desinteresse an politischer Partizipation erfolgte, muss allerdings immer individuell beurteilt werden. Ob eine erfolgreiche Umsetzung des Dotationsvorhabens, eine Übertragung der Jagd- und Fischereirechte oder ein Ausgleich zwischen Hintersassen und Gutsbesitzern erfolgreich gewesen wäre, lässt sich nicht ermessen. Dessen ungeachtet hätte die Zuweisung eines festen Prozentsatzes der Steuer einnahmen die Gemeinden von der unangenehmen Pflicht, Zuschläge erheben zu müssen, befreit, die Großgrundbesitzer zur Abgabe eines – seitens des Landtags zu 34 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935. 35 Asch, in: Landtag, 1925, Bd. 1, 14. Sitzung, 1. Juni 1921, Sp. 466–468.
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definierenden – angemessenen Beitrags gezwungen, den Gemeinden eine kontinuierliche Einnahme verschafft und ihnen damit Planungssicherheit gegeben. Dass dies durchaus möglich gewesen wäre, zeigen zum einen die Regelungen in Bezug auf die Einkommen- und Körperschafts- sowie die Gewerbesteuer, zum anderen die 1921 und 1923 diskutierte und in Teilen sogar umgesetzte Festlegung eines Mindestsatzes. Bei der Kritik an den Bestimmungen des Reichs- und Finanzausgleichs sind allerdings die wirtschaftspolitischen Folgen des verlorenen Krieges zu berücksichtigen. Reparation und Inflation hatten Reich und Länder zu einer Erhöhung der Einnahmen gezwungen und die „Aufgaben und Ausgaben der Gemeinden auf allen Gebieten massiv gesteigert“.36 Sie wurden „im wesentlichen zu den Trägern der inneren Kriegslasten“, die „auf Jahrzehnte [...] hinaus, auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege, auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge, auf dem Gebiete des Wohnungsbaues am deutschen Volk hängen“ blieben.37 Die auf diese Weise eingetretene Krise suchte man durch eine Beschränkung der kommunalen Finanzhoheit und eine strenge Staatsaufsicht zu lösen. Der „den Verfassungsschöpfern der Weimarer Republik noch selbstverständliche Gedanke, durch eine größere gemeindliche Steuerautonomie die bürgerschaftliche Mitarbeit in der Gemeinde für das gesamte Staatswesen zu aktivieren“, ging verloren und wurde auch 1924, als sich die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren begann, nicht wieder aufgegriffen. Im Gegenteil, das Reich betrachtete nun das „Zuschlagsrecht als das geeignete Mittel, um die Gemeinden als Störfaktor bei der Verwirklichung seiner finanzpolitischen Pläne auszuschließen“.38 Auf die neuerliche Krise, die 1929 einsetzte und die gesamte Weltwirtschaft erfasste, reagierten Reich und Länder mit weiteren Restriktionen. Nach 1933 wurde den Kommunen die Finanzhoheit gänzlich genommen und staatlichen Beamten übertragen. Unter dem Druck des Reichs stehend und vor die Aufgabe gestellt, den eigenen Etat auszugleichen, hatte das Land Mecklenburg-Schwerin einerseits wenig Möglichkeiten, die Kommunen finanziell besser zu stellen, andererseits schränkte es durch seine Politik deren Handlungsspielraum ein und sah sich gezwungen, immer höhere Beihilfen zu zahlen. Ein Grund dafür waren nicht zuletzt die Aufgaben, die der Staat, ab 1933 dann auch die Organisationen der NSDAP, den Gemeinden in steigendem Maße übertrug. Vor diesem Hintergrund erscheint die 1935 getroffene Einschätzung des Ministeriums des Innern, „die größte Zahl der mecklenburgischen Landgemeinden ist finanziell durchaus gesund und auch sonst lebensfähig“,39 reichlich euphemistisch. Tatsächlich waren die Gemeinden, wie die Diskussion um die Ausweitung und Entgeltlichkeit der Hand- und Spanndienste zeigte, kaum in der Lage, die ihnen seitens des Landes und der Ämter auferlegten Aufgaben zu erfüllen. Um die Haushalte auszugleichen mussten sie Kredite aufnehmen oder wurden gezwungen, Notsteuern zu erheben und dort, wo vorhanden, die Pachtpreise für die Gemeindeländereien zu erhöhen. Freiwillige Aufgaben, insbesondere im Bereich der Daseinsfürsorge, 36 37 38 39
Hansmeyer und Upmeier: Inflation, S. 66. Elsas: Gegenwartsfragen, S. 1270. Vgl. dazu auch ders.: Finanzen. Wysocki und Upmeier: Finanzausgleich, S. 110. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 50–70: Denkschrift z. H. Ministerialrat Waechter, März 1935.
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konnten überhaupt nicht finanziert werden. Der Modernisierungsschub, der durch die Einführung der Selbstverwaltung eintreten sollte, blieb, blickt man etwa auf den Bereich Kultur, aus. Die Verbesserungen auf dem Gebiet der Infrastruktur, insbesondere was die Ausweitung der Stromversorgung oder den Chausseebau anbelangte, erfolgten auf Initiative des Landes und der Ämter. In den Kommunen selbst entstand häufig kein positives Bild der Selbstverwaltung. Sie wurde in erster Linie als Kostenfaktor wahrgenommen. Der „alte Obrigkeitsstaat“, der angeblich eine „so billige Verwaltung“ hatte, wie sie „die deutsche Republik niemals erzielen“ könne,40 erschien plötzlich wieder als Ideal. Dabei stellte der nach 1918 geschlossene Finanzausgleich, sowohl was die Einnahme- als auch die Lastenverteilung anbelangte, einen „Fortschritt“ dar. Berücksichtigt werden muss dabei freilich, dass vor 1918 „die Erzielung eines Leistungsausgleichs und die Begrenzung der Zuschläge, die dem früheren Finanzausgleich fehlten, nicht so wichtig“ waren wie nach dem verlorenen Krieg, als die „Steuerquellen bis ins Äußerste in Anspruch genommen werden“ mussten und „der Mangel eines befriedigenden Leistungsausgleichs fühlbar in Erscheinung“ trat.41 Hinzu kam, dass der „Finanzausgleich in der Weimarer Republik den Gemeinden einen häufigen Wechsel“ und damit eine „erhebliche Unsicherheit in den Finanzierungsmöglichkeiten“ brachte. Rückblickend muss in Bezug auf die finan zielle Ausstattung der Kommunen „wohl von einer Verschlechterung“ gesprochen werden, die jedoch nicht, wie zeitgenössische Kritiker hervorhoben, systemimmanent war, sondern verschiedene Ursachen hatte.42 Gleichwohl verhinderte die „Überbeanspruchung“ der Kommunen mit währungspolitischen und finanziellen Fragen, dass das Konzept der Selbstverwaltung seiner „Aufgabe, als ‚Baustein der Demokratie‘ das Vertrauen der Bevölkerung zur jungen Republik zu stärken, voll gerecht“ werden konnte.43 In Mecklenburg-Schwerin begünstigte sie darüber hinaus die Rückkehr zu ständischen Verwaltungsprinzipien. In einzelnen Fällen, in denen der Guts- bzw. Hofbesitzer sämtliche Gemeindelasten übernahm, kann gar von einer Auflösung der gemeindlichen Verfassung gesprochen werden. Ohne Gemeindevermögen war die Gemeindevertretung ihrer wirtschaftlichen Grundlage und damit ihres politischen Einflusses beraubt. Sie bestand lediglich pro forma als Organ der Gutsverwaltung bzw. war in sie integriert worden. Überblickt man diese zweite, parlamentarische Phase der Umgestaltung der Kommunalverwaltung, lassen sich zwei Etappen erkennen. Die erste umfasst sowohl die Erarbeitung und Einführung einheitlicher Verfassungs- und Verwaltungsbestimmungen als auch die Neueinteilung des Landes in Gemeindebezirke. Sie endet im 40 Müller, August: Kostspielige Demokratie, in: Frankfurter Generalanzeiger, 23. März 1923. Zitiert nach Knebusch, in: Landtag, 1925, Bd. 2, 86. Sitzung, 15. Mai 1923, Sp. 4688. Vgl. dazu auch Treuenfels: Landstand, S. 36. Dort heißt es: „Vom Standpunkt des modernen Parlamentarismus aus mögen diese Formen als zopfig und veraltet erscheinen. [...] Jedoch hatte die Landtagsordnung auch ihre großen Vorteile; sie war in erster Linie billig.“ Als Beweis führte Treuenfels lediglich die fehlenden Diäten der Landtagsmitglieder und die geringe Steuerlast an. 41 Becker: Finanzausgleich, S. 92. 42 Institut Finanzen und Steuern: Finanzverwaltung, S. 59–60. 43 Hansmeyer und Upmeier, Inflation, S. 89.
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Frühjahr 1921. Der zweite Teil beinhaltet die praktische Umsetzung und Novellierung der Städte- und der Landgemeindeordnung. Es folgt die dritte, diktatorische Phase, die 1933 mit dem Machtantritt der Natio nalsozialisten beginnt. Den Wechsel kennzeichnet eine grundsätzliche Änderung des Verwaltungsprinzips. An die Stelle der demokratisch-parlamentarischen Selbstverwaltung trat der zentralistische Parteienstaat. Dem Grundsatz der legalen Revolution folgend, blieben in Mecklenburg-Schwerin jedoch auch die Städte- und die Landgemeindeordnung in Kraft.44 Möglich war dies nicht zuletzt aufgrund der Modifikationen, die die beiden „Grundgesetze“ des Landes45 zwischen 1918 und 1933 erfahren hatten. Hier zeichnete sich bereits der Wandel von einer demokratischen zu einer autoritären bzw. diktatorischen Machtausübung ab. 1935 erließ das Reich die Deutsche Gemeindeordnung, die den Einfluss der NSDAP auf die personelle Besetzung der Gemeindevertretungen festschrieb, auf einen grundsätzlichen Neuaufbau der Verwaltung oder eine umfassende Änderung des Finanzausgleichs indes verzichtete. Vielmehr wurden die Kommunen durch „die stetig wachsende Zahl von [...] halbstaatlich-parteimäßigen Organisationen und vor allem von staatlichen Sonderbehörden“ institutionell ausgehöhlt.46 Andererseits hatten sie weitere Aufgaben und damit Kompetenzen zu übernehmen. In einzelnen Ländern, insbesondere in Oldenburg und Westfalen, wurde die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung zudem zum Anlass einer Neugliederung der Verwaltungs- und Gemeindebezirke genommen. Ziel war es, leistungsfähige Großgemeinden zu schaffen, die eine Aufrechterhaltung der kommunalen Verwaltung während des Krieges garantieren sollten. Diskutiert wurde eine Neueinteilung des Landes auch in Mecklenburg-Schwerin. Hier kam man über die Planungsphase jedoch nicht hinaus. Dass die zwischen 1939 und 1945 in den Gemeinden, vor allem des platten Landes, auftretenden Probleme, die sich aus einem Mangel an Verwaltungspersonal und steigenden Wohlfahrtslasten ergaben, durch eine Umsetzung der Pläne hätten vermieden werden können, muss allerdings bezweifelt werden. Der Krieg und seine Folgen führten zu „teils chaotischen Verhältnissen in den Städten und Gemeinden“. Im Frühjahr 1945 schließlich waren die „Verwaltungen vor Ort in starkem Maße auf sich allein gestellt“.47 Innerhalb der drei Phasen, deren Rahmen die allgemeinen deutschen Zäsuren 1918, 1933 und 1945 bildeten, lassen sich zwei ganz unterschiedliche Transformationsprozesse erkennen. Der erste begann 1918, entstand spontan und schuf schlagartig neue Verhältnisse. Ihre parlamentarische Ausgestaltung und rechtliche Fixierung bedeutete, insbesondere für die mittleren Verwaltungsbeamten, die innerhalb kürzester Zeit demokratische Wahlen zu organisieren und Entwürfe zur Gemeindebildung auszuarbeiten hatten, einen ungeheuren Kraftakt. Zwischen der Verabschiedung der 44 Vgl. etwa LHAS, 5.12-3/1, Nr. 656, Bl. 214: MdI an Kreis Malchin, Schönberg, Hagenow, Wismar, 2. Nov. 1937. 45 Schwanke, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4979. 46 Schrulle: Verwaltung, S. 171. 47 Brunner: Souveränität, S. 213–214. Vgl. dazu auch ders.: Kriminalität.
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drei „Grundgesetze“48 Städteordnung, Landgemeindeordnung und Verfassung lagen lediglich zehn Monate, zwischen den letzten beiden sogar nur drei Tage. Während sich die Einführung von Demokratie und Selbstverwaltung innerhalb kürzester Zeit vollzog, charakterisiert den zweiten Transformationsprozess ein langer Vorlauf. Die Beschränkung der kommunalen Selbstverwaltung begann spätestens 1923. Sie war sowohl eine Folge der Inflation und durch das Reich diktiert als auch, wie für das Land Mecklenburg-Schwerin nachgewiesen werden konnte, eine Kon sequenz fehlenden politischen Engagements. Hinzu kamen divergierende partei politische Konzepte, die, anders als in der Phase des Aufbaus einer einheitlichen Landesverwaltung, nicht mehr ausgeglichen werden konnten, sondern den Mehrheitsverhältnissen entsprechend umgesetzt wurden. Allerdings ist auch hier eine gewisse Annäherung der Parteien zu beobachten. Während die Konservativen von Anfang an den leitenden Gremien und Personen mehr Autorität zugestanden wissen wollten und einen größeren Einfluss des Staates auf die Selbstverwaltung forderten, suchte die Sozialdemokratie eine sehr freiheitliche und urdemokratische Ordnung durchzusetzen. Durch die oftmals fehlende Bereitschaft der Bevölkerung politische Verantwortung wahrzunehmen, sah sie sich jedoch dazu genötigt, hiervon Abstriche zu machen und die Rechtsnorm der Rechtspraxis anzupassen. Ihren Anspruch, den Parlamentarismus im Land zu verankern, gab sie jedoch nie auf. Abgeschlossen wurde die Umwandlung der Kommunen von Organen der Selbstverwaltung zu Behörden des Staates durch den Ausschluss Andersdenkender aus den politischen Gremien, die Abschaffung der Wahl und die Übertragung fast sämtlicher den Gemeinden bislang erteilter Aufgaben auf den Bürgermeister. Abgeschlossen wurde die „pseudolegale [...] Machtergreifung“ in den Kommunen 1935 mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung.49 Hier wird erneut deutlich, dass nach 1918, wie Koch treffend formuliert, die Politik des Reichs den „für die Landespolitik abgesteckte[n] Rahmen“ bildete.50 Die konkrete Ausgestaltung indes oblag sowohl in der Weimarer Republik als auch während des Nationalsozialismus der jeweiligen Regierung. Beides ist bei der Beurteilung der kommunalen Verwaltungsreformen in Mecklenburg-Schwerin bzw. dem Land Mecklenburg zu berücksichtigen. Ohne Zweifel kann der 1918 eingeleitete Prozess der Gemeindebildung in Mecklenburg-Schwerin als Fortschritt bezeichnet werden. So wurde die Bevölkerung in die parallel zur Ausarbeitung der Städte- und der Landgemeindeordnung laufende Neueinteilung des Landes in Gemeindebezirke miteinbezogen und konnte auf diese Weise aktiv an der Staatsumwälzung teilnehmen. Erinnert sei hier etwa an die vielen Amtsversammlungen, auf denen nicht nur die Zusammenlegung mit anderen Ortschaften diskutiert, sondern auch konkrete Vorstellungen zur politischen Organi sation und finanziellen Ausstattung der Gemeinden geäußert wurden. Selbst auf den Rittergütern debattierten die Einwohner, wie anhand der beim Ministerium des
48 Schwanke, in: Landtag, 1932, 50. Sitzung, 20. April 1932, Sp. 4979. 49 Bracher u. a.: Machtergreifung, S. 138. 50 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 147.
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I nnern oder beim Landtag eingegangenen Schreiben gezeigt werden konnte, über die künftige Gestaltung der Kommunalverwaltung. Die Einführung einer einheitlichen, demokratisch-parlamentarischen Verfassung in sämtlichen Städten und Ortschaften des Landes stellte schließlich die größte Leistung dar. Mit dem Inkrafttreten der Städte- und der Landgemeindeordnung war die, so Koch, „mit der Aufhebung der Stände eingeleitete Zurückdrängung der aus den ständischen Verfassungsverhältnissen herrührenden Sonderprivilegien des Großgrundbesitzes“ weitergeführt51 und, so muss hinzugefügt werden, der Wandel vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat zum institutionalisierten Flächenstaat endgültig vollzogen worden. Mehr noch, Staat und Verwaltung wurden konsequent auf das Prinzip der Selbstverwaltung gestellt. Die Kommunalverfassungen MecklenburgSchwerins gehörten im reichsweiten Vergleich zu den progressivsten. Die Möglichkeit plebiszitärer Gemeindebegehren bestand zwar auch in Baden, Bayern, Oldenburg, Sachsen und Thüringen, sie wurde hier allerdings erst später, zwischen 1922 und 1927, eingeführt.52 Dass die Kommunalverfassung Mecklenburg-Schwerins auch als fortschrittlich wahrgenommen wurde, legen die Schreiben einzelner Landesregierungen nahe, die um die Übersendung von Exemplaren baten, um sich für ihre Reformen Anregungen zu holen.53 Begünstigt wurde die Schaffung freiheitlicher Kommunalverfassungen nicht zuletzt dadurch, dass, ebenso wie in Bayern und Thüringen, keine einheitliche Landesverwaltung bestand. Sie mussten gänzlich neu erarbeitet werden oder treffender: Sie konnten gänzlich neu gestaltet werden. Wie weit man in Mecklenburg-Schwerin zu gehen bereit war, zeigt der erste Entwurf der Landesverfassung, der den Gemeinden die „freie Selbstverwaltung“, d. h. die eigenverantwortliche Wahrnehmung kommunaler und staatlicher Aufgaben gewährte. Dieses Privileg wurde jedoch nur wenig später auf das Recht der „Selbstverwaltung“, also die eigenverantwortliche Ausführung rechtlicher Bestimmungen und administrativer Forderungen beschränkt.54 Das in der ersten Fassung besonders deutlich werdende Bestreben, sich radikal vom alten Obrigkeitsstaat zu lösen, blieb indes als leitendes Motiv bei der Abfassung der Verfassung, der Städte- und der Landgemeindeordnung bestehen. Erkennbar ist dies einerseits in den bekannten Elementen direkter Demokratie und der relativ schwachen Position der Exekutive, andererseits in der Entscheidung, die obere Kommunalaufsicht nicht dem Ministerium des Innern, sondern einem in erster Linie durch den Landtag gewählten Gremium zu übertragen. Die Einrichtung des Landesverwaltungsrats stellte eine mecklenburg-schwerinsche Besonderheit dar, die im Deutschen Reich einmalig war. Ein Pendant findet sich in gewisser Weise in den 51 Ebd., S. 145. 52 Vgl. Storl: Bürgerbeteiligung, S. 14. 53 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 981, Bl. 151: Stadt- und Landamt Lübeck an StM, 30. April 1919; ebd., Bl. 156: StM Mecklenburg-Strelitz an Schwaar, 6. Juli 1919; ebd. Bl. 859: Deutscher Bürgermeisterbund an MdI, 23. Mai 1921; ebd., Bl. 864: Preußisches Ministerium des Innern an MdI, 14. Sept. 1921; ebd., Bl. 921: Landherrschaften Hamburg an StM, 29. Mai 1922; LHAS, 5.12-3/1, Nr. 644, Bl. 77 und Bl. 263: StM Lippe an MdI, 22. April 1921 und 11. Juni 1927. 54 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 71, Bl. 89: MdI an StM, 8. Dez. 1919.
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Gemeindekammern in Sachsen und Braunschweig. Sie bestanden allerdings nicht aus frei gewählten Abgeordneten des Landtags, sondern „aus Praktikern der Kommunalverwaltung und entscheiden nur als Mediator bei politischen Streitigkeiten der Gemeinden untereinander“. Die Tätigkeit des Landesverwaltungsrats hingegen erstreckte sich „in der Mehrzahl der Fälle auf die Genehmigung von Satzungen aller Art, insbesondere auch der Steuersatzungen“. Er war ferner für die Bewilligung von Anleihen zuständig und entschied „Streitigkeiten der gemeindlichen Organe untereinander und mit den Aufsichtsbehörden“. Dass die staatliche Kommunalaufsicht dem Ministerium des Innern in einem „so große[n] Umfange [...] abgenommen und einem Gremium übertragen“ worden war, „das nach seiner Zusammensetzung nichts anderes als ein Sonderausschuß des Landtages ist“, galt dem Reich als eine „Überspannung des parlamentarischen Gedankens“ und „nicht zweckmäßig“. 55 Die Kritik, die sich insbesondere darauf bezog, dass der Landesverwaltungsrat einzelnen Gemeinden „ohne Not“ Kredite genehmigt und ihnen dadurch „dauernde finanzielle Lasten aufgebürdet“ hatte, wies die deutschnationale Regierung noch 1932 zurück. Eine „politische Beeinflussung der Entscheidungen des Landesverwaltungsrates“ sei, so hieß es, „nicht beobachtet worden“. Im Gegenteil habe sich „die Mitarbeit der Abgeordneten in vielen Fällen, insbesondere bei der Behandlung von Streitigkeiten und Beschwerden bewährt“.56 Der Landesverwaltungsrat stellte seine Tätigkeit erst 1935 nach Einführung der Deutschen Gemeindeordnung ein. Seine Aufgaben wurden dem Ministerium des Innern übertragen.57 Die kommunale Selbstverwaltung war zu diesem Zeitpunkt bekanntlich bereits weitgehend aufgehoben worden. Mecklenburg-Schwerin nahm auch hier eine Vorreiterrolle ein. Das immer wieder bemühte Sprichwort, das Land hänge „ein halbes Jahrhundert [...] zurück“,58 trifft, überblickt man die Entwicklung der kommunalen Verwaltung zwischen 1918 und 1945, zumindest in diesem Bereich nicht zu. Die Umgestaltung der kommunalen Ebene Mecklenburg-Schwerins ist jedoch nicht nur durch einen – im reichsweiten Vergleich tiefgreifenderen bzw. vorzeitigen – Wandel, sondern auch durch Kontinuitäten geprägt. Zu den, wie es Jürgen Burkhardt formulierte, „Überreste[n] der alten, feudalen Verhältnisse“59 zählten u. a. die Hand- und Spanndienste, die nicht nur beibehalten, sondern ausgedehnt wurden, und die Dotierung der Gemeinden mit Land. Umgesetzt wurde die Idee, den Kommunen Boden zu übereignen, allerdings nur im Domanium, wo Staatsland zur Verfügung stand. In den Gebieten der Ritterschaft, der Klöster und der Städte indes 55 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 650, Bl. 52–58: Übersicht über die Zuständigkeit und instantielle Einordnung des Landesverwaltungsrates in die Mecklenburg-Schwerinsche Staatsverwaltung, ca. 1932. 56 LHAS, 5.12-4/2, Nr. 5: Kritische Bemerkungen des Mecklenburg-Schwerinschen Staatsministeriums über die Grenzen der Durchführbarkeit der Vorschläge des Reichssparkommissars, ca. 1932. 57 Vgl. Mecklenburgische Überleitungsverordnung zur Deutschen Gemeindeordnung. Vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 15, 3. April 1935, S. 49–50; Verordnung zur Deutschen Gemeindeordnung vom 30. März 1935, in: Rbl. Nr. 16, 6. April 1935, S. 53–54. 58 Kurze Nachricht von dem Zustande der Schulen in Mecklenburg, in: Monatsschrift von und für Mecklenburg, 2 (1789), 1, Sp. 13–22, hier Sp. 13. Vgl. dazu auch Kasten: Weltuntergang. 59 Burkhardt: Feudalreste, S. XI.
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blieb die Entscheidung den Großgrundbesitzern überlassen. Einen allgemeinen Zwang, der durch die Übertragung der staatlichen und kommunalen Verwaltung auf die Gemeinden durchaus zu rechtfertigen gewesen wäre, lehnten sämtliche Regierungen ab. 1923 erhielten die Gemeinden das Recht der Sozialisierung, konnten hiervon jedoch keinen Gebrauch machen, da ihnen das nötige Kapital fehlte. Die Chance, den Landgemeinden eine sichere finanzielle Grundlage zu schaffen, wurde vergeben. Wie bereits der großherzoglichen Regierung, fehlte auch der Mehrheit der Parlamentarier die notwendige Entschlossenheit, sich dem Großgrundbesitz gegenüber durchzusetzen. Erinnert sei etwa an die Möglichkeit, für die Abnahme der Armenlasten, die den Gemeinden übertragen wurde, Land als Entschädigung zu verlangen. Ein Ankauf von Flächen war dem Land aufgrund der eigenen finanziellen Situation nicht möglich, dass es aber nicht einmal im Domanium zur Nachdotierung der Hofgemeinden kam, ist verwunderlich. Die zögerliche Haltung gegenüber dem Großgrundbesitz zeigt sich auch in Bezug auf die Kommunalgebietsreform. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt wurde. Die Beharrungskraft sowohl der Einwohner als auch der politischen Vertreter stellt, neben immanenten Schwächen, einen weiteren wichtigen Faktor dar, den es bei der Beurteilung der Kommunalverfassung bzw. ihrer praktischen Umsetzung zu beachten gilt. Koch hat mit Blick auf die starke Stellung der Gutsbesitzer in den Gemeinden bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die „Einführung formaldemokratischer Strukturen nicht [...] politische und ideologische Veränderungen bewirkt“, sondern lediglich die Voraussetzung dafür schuf.60 Erkannt worden war dies auch seitens der SPD; schon im Juni 1919 wies die Ortsgruppe Güstrow darauf hin, dass „kommunalpolitische Dinge die meisten Menschen nur so nebenher zu interessieren pflegen“, und beklagte, „daß es an der nötigen Erziehung zum kommunalpolitischen Verständnis, zu gemeindebürgerlicher Betätigung fehlt“. Sie forderte, diese „systematisch“ zu betreiben, und regte an, „Bibliotheken [mit] spezieller Fachliteratur“ einzurichten.61 Hierzu kam es jedoch nicht. Umgesetzt hingegen wurde der Vorschlag Karl Moltmanns, den „mecklenburgischen Volksvertretern in Staat und Kommunen“ die wichtigsten Gesetze leicht zugänglich zu machen.62 Eine solche Aktion gab es bereits 1848. Damals hatte der Redakteur der „Mecklenburgischen Dorfzeitung“, Wilhelm Benque, „Beiträge zur Kenntniß des platten Landes“ in großer Zahl veröffentlicht und den „Volksvertretern Meklenburgs gewidmet“.63 Das 1920 vom SPDParteiverlag „Das Freie Wort“ herausgegebene „Buch des Mecklenburgers“ enthielt die Verfassung, den Vertrag zwischen dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin und dem ehemaligen Landesherrn, die Amts-, die Landgemeinde- und die Städteordnung. Bis 1922 erschienen fünf Auflagen mit einem Gesamtumfang von ca. 40.000 Exemplaren. Die letzte, sechste Auflage erschien 1927, gedruckt wurden ca. 10.000 Stück. 60 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 148. 61 MZ, 7. Juni 1919. 62 Das Buch des Mecklenburgers. Ein Nachschlagewerk für alle mecklenburgischen Volksvertreter in Staat und Kommunen, Schwerin 1920. 63 Benque: Volksvertreter.
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Ergebnisse der Arbeit
Dass es jedoch – bildlich gesprochen – nicht reichte, die „Fackel der Aufklärung in die dunkelsten Winkel [zu] schleudern“,64 verdeutlicht eine 1924 erarbeitete Denkschrift des Ämterverbandes. Dort heißt es, in den Landgemeinden müsse auch drei Jahre nach Einführung der Selbstverwaltung „noch mit ungezählten Reibungen und Schwierigkeiten“ gekämpft werden. Die Achtung des demokratischen Prinzips war häufig nur durch die „Aufsichtstätigkeit des Amtshauptmannes“ zu gewährleisten. Eine Zusammenlegung mehrerer Ämter, wie sie seitens der Regierung diskutiert wurde, lehnte der Verband deshalb ab. Sie würde „den Ausbau der Selbstverwaltung in den Gemeinden empfindlich stören“.65 Dass der Prozess der Demokratisierung langwierig war und nicht überall, insbesondere nicht in den das Land dominierenden Gutsgemeinden, gelang, lag zu einem großen Teil wohl auch darin begründet, dass der Wandel des Staats- und Verfassungsprinzips sehr radikal war. Während in den meisten Ländern „der moderne Anstaltsstaat im Sinne Max Webers lokale Machtstrukturen zu überformen vermochte“, gelang es der großherzoglichen Regierung Mecklenburg-Schwerins nicht, sich „als normsetzende und Machtressourcen zu teilende Instanz“ durchzusetzen. Die Transformation der „lokalen Besitz- in insti tutionell stabile Machteliten“66 begann hier erst 1918. Drei Jahre später, 1921, wurde dieser Integrationsprozess abgebrochen und mit der Landgemeindeordnung die Selbstverwaltung eingeführt. Bedenkt man, dass die preußische Bürokratie die „für ihre Interessen dysfunktional gewordene [ständische] Ordnung ab den fünfziger Jahren“ des 19. Jahrhunderts mit „limitierten Initiativen“ ergänzte und sich dieser „Prozeß einer schleichenden, administrativen Substitution“ bis 1872 hinzog, also 20 Jahre andauerte, erscheint die Einführung der Selbstverwaltung in den Land gemeinden Mecklenburg-Schwerins als verfrüht.67 Ihre Vorenthaltung wäre freilich politisch nicht möglich gewesen und widersprach auch dem Anspruch sämtlicher Parteien. Für das Scheitern des Demokratisierungsprozesses, von dem – wohl unabhängig von der Reichsentwicklung, die 1933 zum Machantritt der Nationalsozialisten führte – gesprochen werden muss, waren indes nicht nur die Beharrungskräfte verantwortlich. Die eigentliche Ursache lag in dem nicht aufgelösten Widerspruch zwischen politischem Auftrag und finanzieller Ausstattung der Landgemeinde, die es dem Großgrundbesitz ermöglichte, seinen Einfluss zu bewahren, das parlamentarische Prinzip auszuhebeln und die 1921 vollzogene Trennung des Gutsbezirks „in eine ökonomische Einheit und in eine politische Gemeinde“68 wieder rückgängig zu machen. Dies hätte auch durch die umfassendste Kommunalgebietsreform nicht ver64 Malten: Weltkunde, Bd. 1, 27. 65 LHAS 5.12-4/2, Nr. 14: Denkschrift des Aemterverbandes über die Verwaltungsreform in Mecklenburg-Schwerin. Anlage zu Staecker an StM, 24. Sept. 1924. 66 Wagner: Partizipation in Ostelbien, S. 14 und S. 157. 67 Vgl. dazu auch Stolleis: Öffentliches Recht, S. 143. Dort heißt es: „Eine historisch ungewöhnliche Situation boten dagegen die beiden Großherzogtümer Mecklenburg, in denen unter Überspringung des 19. Jahrhunderts der Übergang vom Ancien Régime in die parlamentarische Demokratie zu bewältigen war.“ 68 Koch: Parlamentarismus, Bd. 1, S. 148.
Ausblick 359
hindert werden können. Aufgrund der historisch gewachsenen Siedlungsstruktur des Landes hätte sich in vielen Gebieten die Bildung von Gutsgemeinden nicht vermeiden lassen. Die Transformation des auf dem Eigentum von Grund und Boden basierenden Ständestaats in eine moderne, demokratisch organisierte Verwaltung scheiterte letztendlich daran, dass die sich hinter der Diskussion um die Dotation verbergende Bodenreform ausblieb. Sie hätte den Gemeinden eine gewisse Unabhängigkeit geben können und damit die starke Stellung des Großgrundbesitzes, die auch ein Grund für den raschen Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg-Schwerin war,69 zu beschränken geholfen. Die 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone durchgeführte Bodenreform bedeutete insofern für Mecklenburg nicht nur eine Enteignung und das Ende des Großgrundbesitzes, sondern eine Kommunalreform. Die Guts- und Hofgemeinden in Dorfgemeinden verwandelnd, schuf sie die Voraussetzung für eine umfassende Demokratisierung des platten Landes. Die im September 1945 formulierten „Ziele des Wiederaufbaus einer geordneten Verwaltung“, nach denen eine „auf demokratischer Grundlage ruhende [...] dezentralisierte [...] Landesverwaltung“ und eine „im Volke ruhende [...] lokale [...] Selbstverwaltung“ geschaffen werden sollten, wurden jedoch nicht umgesetzt.70 Stattdessen begann der Aufbau einer zentralen Verwaltung. Demokratie und Selbstverwaltung erlangten erst 1989 wieder Bedeutung.71 Die Probleme, die zwischen 1921 und 1933 diskutiert wurden, sind allerdings – erinnert sei nur an die finanzielle Ausstattung, die Übertragung staatlicher Aufgaben oder die Restriktionen in Bezug auf die Haushaltsführung der Kommunen – auch heute noch aktuell und nicht gelöst.
10.2 Ausblick Wurde zu Beginn der Arbeit die Literatur zur Verfassungs- und Verwaltungs geschichte Mecklenburgs diskutiert, soll nun zum Abschluss auf Desiderate der Forschung hingewiesen werden, die im Rahmen der Untersuchung zur Entstehung und Transformation kommunaler Strukturen entdeckt, aber nicht bearbeitet werden konnten. Hier ist in erster Linie die Amtsordnung zu nennen, durch die im Land Mecklenburg-Schwerin eine einheitliche mittlere Verwaltung geschaffen werden sollte. Anders als bei der Städte- und der Landgemeindeordnung traten hier bereits in der parlamentarischen Debatte gravierende Meinungsverschiedenheiten auf, die 69 Vgl. dazu auch Behrens: Nationalsozialismus. Die Verbindung zur Kommunalverfassung zieht Behrens so allerdings nicht. Hiermit ist freilich die Frage nach dem schnellen Aufstieg des Nationalsozialismus nicht beantwortet, zumal, wie Mario Niemann nachweist, das Verhältnis zwischen NSDAP und Großgrundbesitz durchaus ambivalent war. Vgl. Niemann: Großgrundbesitzer und NSDAP; ders.: Demokratie und Diktatur. 70 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 84, Bl. 58–63: Präsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Abt. Innere Verwaltung, i. V. Warnke an Landräte, Oberbürgermeister, Bevollmächtigte des Präsidenten, Fachabteilungen, Landesleitungen der KPD, SPD und CDU, 13. Sept. 1945. 71 Vgl. dazu etwa Bartella: Selbstverwaltung in der DDR; Vogt: Neuordnung der Kommunalpolitik.
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Ergebnisse der Arbeit
sich aus den kontroversen Ansichten der Parteien zu Demokratie und Selbstverwaltung bzw. ihren Grenzen ergaben. Der dabei ausgehandelte Kompromiss führte zu einer kuriosen Duplizität der Verwaltung und fortwährenden Auseinandersetzungen. Ertragreich wäre in diesem Zusammenhang auch eine Kollektivbiographie der Amtshauptleute, Landdroste und Landräte. Wünschenswert wären ferner eine Untersuchung zu den kommunalpolitischen Vorstellungen des allgemeinen Landtags von 1848 und schließlich eine Darstellung zur kommunalen Verwaltung in Mecklenburg-Schwerin bis 1918. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte dies nur angerissen werden. Nachgetragen werden müssten ferner eine Betrachtung der einzelnen Stadtverfassungen sowie der in der städtischen Gemeindevertretung tätigen Personen72 und eine Untersuchung zur Umgestaltung auf Regierungsebene, d. h. zur Auflösung des Haushalts, der Stände und zur Auseinandersetzung des Staats mit der großherzoglichen Familie. Am Ende stünde eine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Landes, die den Grundriss, den Helge Bei der Wieden 1976 in der durch Walther Hubatsch herausgegebenen Reihe zur deutschen Verwaltungsgeschichte gegeben hat,73 sinnvoll ergänzen würde. Abseits der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte sind weitere Desiderate zu benennen. Noch immer fehlt eine Geschichte des mecklenburgischen Parteien systems. Insbesondere eine Analyse der Mitgliederstrukturen und Programme der konservativen Parteien würde Aufschluss über Chancen und Grenzen der Integration der alten Eliten geben können.74 Verdienstvoll wäre in diesem Zusammenhang ein Handbuch der Landtagsabgeordneten. Angesichts dieser Zahl noch ausstehender Arbeiten kann die vorliegende Untersuchung nur als Anfang eines größeren Forschungsprojekts bezeichnet werden, und nicht als sein Ende.
72 Für einen furiosen Anfang und Ansatz vgl. Buddrus und Fritzlar: Städte Mecklenburgs im Dritten Reich. 73 Vgl. Bei der Wieden: Mecklenburg. 74 Vgl. dazu etwa Kasten: Aufstieg der NSDAP.
Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Ungedruckte Quellen Archiv der Hansestadt Rostock Bestand 1.1.10 Kämmerei und Hospitäler Nr. 4554
Einführung der Landgemeindeordnung 1919–1920.
Bestand 1.1.3.8 Landesherrschaft Nr. 360 Nr. 361
Mecklenburgische Landesverfassung, Syndikatsakte 1909, 1919–1922. Mecklenburgische Städteordnung 1919–1933.
Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Rostock Bestand Abteilung IM Nr. 359/67 Nr. 688/66
Sauer, Heinrich. Brinkmann, Robert.
Landeshauptarchiv Schwerin Bestand 5.12–4/1 Mecklenburg-Schwerinsches Ministerium der Finanzen, Abteilungen für Domänen und Forsten (1893–1919) Nr. 259 Nr. 675 Nr. 781
Zur höchsten Stelle einzureichende Jahresberichte der Ämter 1918. Lewitzwiesen für Eingesessene des Amtes Hagenow 1919, 1921. Verkauf bzw. Vermietung herrschaftlicher Grundstücke zu Ludwigslust 1918–1920.
Bestand 5.12-4/2 Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten (1919–1945) Nr. 1 Nr. 2/1 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 6/1 Nr. 7
Verfassung sowie Stellung des früheren Kammer- und Forstkollegiums, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten 1866–1926. Geschäftsordnung der Abteilung für Domänen und Forsten, Bd. 5: 1922–1934. Neugestaltung der Verwaltung, Bd. 3: 1927–1928. Tätigkeit des Sparkommissars im Geschäftsbereich des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Bd. 2: 1930–1932. Umbildung des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten auf Grund der Beschlüsse des Staatsministeriums vom 7.01.1931 für die Bearbeitung des Spargutachtens. Besetzung und Haushaltsangelegenheiten der Enteignungsbehörde 1938–1944. Distrikteinteilung, Bd. 1: 1856–1920.
362 Anhang Nr. 8 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 Nr. 18 Nr. 19 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 23 Nr. 27/1 Nr. 30 Nr. 31 Nr. 32 Nr. 33 Nr. 34 Nr. 35 Nr. 41/4–6 Nr. 42/5–6 Nr. 58 Nr. 60 Nr. 61 Nr. 131 Nr. 132 Nr. 137/5 Nr. 165 Nr. 166
Distrikteinteilung, Bd. 2: 1921–1938. Auseinandersetzung zwischen dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin und dem früheren Landesherrn, Bd. 2: 1922–1925, 1926. Auseinandersetzung zwischen dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin und dem früheren Landesherrn, Bd. 3: 1927–1931. Neuordnung der Rechtsverhältnisse des früheren Großherzoglichen Haushalts, bisher geführt in der Registratur VI 1918–1923. Neuordnung der Rechtsverhältnisse des früheren Großherzoglichen Haushalts 1918–1927. Neugestaltung der Verwaltung, insbesondere die Errichtung der Land drosteien, Bd. 1: 1919–1925. Amtsordnung 1920–1927. Städteordnung 1919–1928. Legung der Domanialämter Bukow und Schwaan 1910–1920. Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Landesklöster Dobbertin, Malchow, Ribnitz und zum Heiligen Kreuz in Rostock, Bd. 1: 1918– 1925. Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Landesklöster Dobbertin, Malchow, Ribnitz und zum Heiligen Kreuz in Rostock, Bd. 2: 1925– 1932. Neuordnung der Rechtsverhältnisse des Landesklosters Ribnitz 1918– 1932. Neuordnung der Rechtsverhältnisse des Landesklosters zum Heiligen Kreuz in Rostock 1918–1929. Übergang der Domänen- und Klostersachen auf das Domänenamt 1929. Verwaltung der früheren Landesklöster, Bd. 1: 1924–1944. Rundschreiben des Staatsministeriums Mecklenburg-Schwerin an alle Ministerien betr. Personal- und Besoldungsangelegenheiten und Geschäftsbetrieb 1921–1922. Führung der Amtsanwärter, Bd. 3: 1914–1926. Amtsobergehilfen bei den Landdrosteien, Bd. 3: 1924–1926. Amtsanwärter, Amtspraktikanten, Verwaltungsaktuare sowie das Grundsätzliche über Vorbedingungen ihrer Annahme 1912–1923. Amtslandreiter, Bd. 2: 1905–1927. Bund der ständigen Staatsangestellten für Mecklenburg-Schwerin sowie Gewerkschaftsbund der Angestellten, Bd. 1: 1919–1922. Personalangelegenheiten des Domänenamtes 1928–1934. Bülow-Trummer von, Ferdinand, 3 Bde. 1919–1935. Fensch, Friedrich, 2 Bde. 1920–1933. Praetorius, Johann 1889–1924. Schmidt von, Julius 1914–1929. Schmidt-Sibeth, Max 1890–1931. Mecklenburgische Verfassung und der neue Landtag, Bd. 2: 1918–1928. Mecklenburg-Schwerinsche Verfassung und der Landtag, Bd. 3: 1929– 1933. Rundschreiben des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten an die Kreisbehörden für Volksernährung 1918–1921. Landesbauern- und Landarbeiterrat 1919. Landesbauern- und Landarbeiterrat, Bd. 1: 1919–1921.
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Landesbauern- und Landarbeiterrat, Bd. 2: 1919–1921. Landarbeiterstreik, Bd. 2: 1921–1924, 1934. Domanial-Kapital-Fonds, Bd. 2: 1900–1928. Übernahme des ritterschaftlichen Hufenkatasters zum Messungsbüro 1920–1922. Domänenamt 1928–1933. Übersichten über die Staatsdomänen in den einzelnen Kreisen [...] 1915– 1941. Erbpacht (Kanon), Ablösung der bäuerlichen Lasten 1922–1948. Umwandlung von Erbpachtrechten in Eigentum, Bd. 1: 1924–1926. Entwurf eines Gesetzes über die Umwandlung von Erbpachtrechten in Eigentum und Aufhebung von Beschränkungen des Erbpachtrechtes 1925. Übergang der Wasserstraßen auf das Reich 1919–1946. Domanialgemeinwesen, Bd. 5: 1912–1920. Landgemeindeordnung 1920–1932. Schulzenamt und Gemeindevorsteher, Bd. 4: 1911–1924. Havemann, Ernst, Bd. 1: 1877–1914. Havemann, Ernst, Bd. 2: 1914–1924. Jentz, Friedrich, Bd. 1: 1889–1915. Jentz, Friedrich, Bd. 2: 1916–1926. Geschäftsbetrieb bei der Landdrostei Güstrow, Bd. 3: 1918–1931. Verkehr mit der staatlichen Verwaltungsabteilung des Amtes Güstrow 1930, 1933. Leo, Carl 1895–1928. Plessen, August von 1897, 1905–1922. Lemcke, Emil 1898–1922. Geschäftsbetrieb beim Amte Hagenow 1917–1928. Geschäftsbetrieb der Landdrostei Grabow 1918–1929. Drechsler, Christian 1883–1924. Abercron, Carl von, Bd. 1: 1885–1905. Abercron, Carl von, Bd. 2: 1903–1929. Geschäftsbetrieb beim Amte Stavenhagen, Bd. 2: 1906–1942. Bierstedt, Gottfried, Bd. 2: 1901–1925. Verschiedene polizeiliche Angelegenheiten 1922. Auseinandersetzung mit dem zurückgetretenen Klosterhauptmann von Prollius 1919–1921. Haushaltsplan der Landdrostei Lübz Abt. Dobbertin für 1. April 1922/23 1921. Amtlicher Geschäftsbetrieb der Landdrostei Lübz, Bd. 2: 1904–1929. Verkehr mit der staatlichen Verwaltungsabteilung des Amtes Parchim 1933–1942. Mau, Gustav 1882, 1904–1922. Reinhardt, Ernst 1889. Amtskarten 1904–1924. Geschäftsbetrieb Ribnitz 1919–1926. Geschäftsbetrieb des Kreises Rostock, Bd. 3: 1917–1928. Geschäftsbetrieb im Amte Grevesmühlen 1912–1930. Bülow-Trummer, Ferdinand von 1901–1916.
364 Anhang Nr. 14290 Nr. 14291 Nr. 14643 Nr. 17135 Nr. 17136 Nr. 17137 Nr. 17983 Nr. 17984 Nr. 18214 Nr. 18329
Eichbaum, Werner, Bd. 1: 1879–1906. Eichbaum, Werner, Bd. 2: 1906–1928. Geschäftsbetrieb der Landdrostei Schwerin, Bd. 4: 1925–1929. Geschäftsbetrieb der Landdrostei Malchow 1921–1928. Landdrosteigeldrechnung Röbel für 1925/1926, 1924–1927. Landdrosteigeldrechnung Waren für 1925/1926, 1924–1928. Prollius, Georg von, Bd. 1: 1894–1913. Prollius, Georg von, Bd. 2: 1913–1924. Geschäftsbetrieb Kreis Wismar 1919–1929. Die Amtsfreiheit zu Warin, Bd. 2: 1893–1925.
Bestand 5.12-3/1 Mecklenburg- Schwerinsches Ministerium des Innern (1849–1945) Nr. 5 Nr. 5/1 Nr. 8 Nr. 29 Nr. 71 Nr. 73 Nr. 78 Nr. 79 Nr. 80 Nr. 81 Nr. 82 Nr. 83 Nr. 84 Nr. 85 Nr. 114 Nr. 116 Nr. 117 Nr. 126 Nr. 286 Nr. 287 Nr. 288 Nr. 292 Nr. 303 Nr. 304
Einzelne Tagebücher des Landesverwaltungsrates, Bd. 1: 1922. Einzelne Tagebücher des Landesverwaltungsrates, Bd. 2: 1933. Organisation der mecklenburgischen Ministerien, Kompetenzkonflikte 1934–1945. Die Wahrnehmung einzelner Befugnisse des früheren Engeren Ausschusses 1921–1923. Mecklenburgische Landesverfassung, Bd. 3: 1918–1929. Landtag und Landtagsabgeordnete 1919–1933. Zusammenschluss mit Mecklenburg-Strelitz 1933, 1934. Landesverwaltung 1923–1932. Allgemeine Angelegenheiten der Landesverwaltung 1934–1949. Vereinfachung der Verwaltung in Mecklenburg-Schwerin, Bd. 1: 1918– 1926. Vereinfachung der Verwaltung in Mecklenburg-Schwerin, Bd. 2: 1925– 1932. Vereinfachung der Landesverwaltung, Verwaltungsreform, Bd. 1: 1934– 1944. Vereinfachung der Landesverwaltung, Verwaltungsreform, Bd. 2: 1944– 1946. Anträge von Gemeinden zur Neueinteilung des Freistaates in Ämter 1925–1931. Zuwiderhandlungen von Obrigkeiten gegen ihre obrigkeitlichen Pflichten, Bd. 2: 1909–1924. Einzelne Rekurse gegen von den nachgeordneten Behörden des Ministeriums des Innern verhängte Ordnungsstrafen, Bd. 2: 1908–1922. Einzelne Rekurse gegen von den nachgeordneten Behörden des Mini steriums des Innern verhängte Ordnungsstrafen, Bd. 3: 1922–1933. Zwangsmaßnahmen gegen Ortsobrigkeiten in Steuersachen 1919, 1928. Maßnahmen gegen die Entlassung von Arbeitern in öffentlichen Ämtern 1921–1923. Personalabbau, Bd. 1: 1923–1929. Personalabbau, Bd. 2: 1927–1932. Kräfteabbau der Mittelbehörden 1944. Nebenämter und Nebenbeschäftigungen der Staatsbeamten 1856– 1933. Nebenämter einschließlich der öffentlichen Ehrenämter, Bd. 1: 1933– 1944.
Quellen- und Literaturverzeichnis
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366 Anhang Nr. 618/135 Nr. 618/144 Nr. 618/145 Nr. 618/146 Nr. 618/147 Nr. 618/148 Nr. 618/159 Nr. 624 Nr. 625 Nr. 626 Nr. 631 Nr. 643 Nr. 644 Nr. 645 Nr. 646 Nr. 647 Nr. 648 Nr. 649 Nr. 650 Nr. 654 Nr. 655 Nr. 656 Nr. 657 Nr. 658 Nr. 660 Nr. 661 Nr. 662 Nr. 663 Nr. 664 Nr. 665 Nr. 685 Nr. 686 Nr. 687 Nr. 733 Nr. 734 Nr. 736 Nr. 744
Dr. Walter Schöps 1926–1936. Drost Otto Suhm 1915–1929. Regierungsrat Otto Suhm 1938–1939. Regierungsrat Otto Suhm 1938–1939. Landdrost Walter Studemund 1899–1933. Landrat Walter Studemund 1933–1943. Regierungsrat Wildfang 1897–1933. Städtetag, Städtekongress und ähnliche Tagungen 1908–1943. Der Mecklenburgische Städtetag, Der Deutsche Gemeindetag, Bd. 1: 1912–1929. Der Mecklenburgische Städtetag, Der Deutsche Gemeindetag, Bd. 2: 1929–1944. Kommunalsozialismus 1919–1928. Erlass einer mecklenburgischen Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, Bd. 1: 1919. Erlass einer mecklenburgischen Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, Bd. 2: 1919–1931. Erlass einer mecklenburgischen Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, Bd. 3: 1931–1935. Handakten zur Städteordnung 1919–1932. Drucksachen betr. Amtsordnung, Städteordnung und Gemeindeordnung 1919–1925. Ausführung des § 17, Absatz 2, der Städteordnung vom 18. Juli 1919 1919–1929. Entscheidungen im Bereich der Städteordnung 1919–1933. Landesverwaltungsrat 1919–1935. Durchführung des Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich [...] 1933–1937. Die Gemeindeordnung, Bd. 1: 1934–1936. Die Gemeindeordnung, Bd. 2: 1936–1938. Die Gemeindeordnung, Bd. 3: 1938–1945. Drucksachen betr. die Gemeindeordnung 1935–1937. Errichtung von Zweckverbänden 1935–1943. Gemeindeverwaltungsschulverband 1936–1944. Gemeindeprüfungsamt 1933–1944. Prüfwesen der Gemeinden, Bd. 1: 1939–1945. Leistungen der Gemeinden und Gemeindeverbände an die NSDAP und deren Gliederungen, auch an den Reichsarbeitsdienst 1934–1944. Leistungen der Gemeinden und Gemeindeverbände an die Wehrmacht 1934–1940. Neuwahl zu den Bürgervertretungen 1918. Ausführung des § 15, Absatz 1, der Städteordnung vom 18. Juli 1919 1920, 1921. Erlass einer Wahlordnung für die Wahl der Stadtverordneten [...] 1921– 1930. Die Bürgermeister, Bd. 1: 1888–1934. Die Bürgermeister, Bd. 2: 1934–1946. Die Stadtratsstellen in den Landstädten 1897–1945. Die Angestellten usw. im Kommunaldienst 1931–1946.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Nr. 821 Nr. 931 Nr. 932 Nr. 936 Nr. 937 Nr. 938 Nr. 939 Nr. 940 Nr. 941 Nr. 942 Nr. 942/1–2 Nr. 943 Nr. 944 Nr. 945 Nr. 946 Nr. 948 Nr. 949 Nr. 950 Nr. 951 Nr. 952 Nr. 953 Nr. 956 Nr. 957 Nr. 958 Nr. 959 Nr. 960 Nr. 962 Nr. 963 Nr. 964 Nr. 965 Nr. 966 Nr. 967 Nr. 981 Nr. 982
367
Besprechung mit den Landräten [...] (Anleihen) 1939–1941. Die Organisation der Domanialämter und deren Bezirk 1877–1921. Die ritterschaftlichen Ämter, anderweitige örtliche Abgrenzung und Einteilung derselben 1912–1916. Gesetzgeberische Arbeiten betr. Amtsordnung, Ämtereinteilung, § 10, Absatz 2, der Amtsordnung 1919–1943. Amtsordnung (Handakten des verstorbenen Ministerialdirektors Melz) 1933–1934. Amtsordnung 1920. Amtsordnung (nach den Beschlüssen des Verfassungsausschusses in zweiter Lesung) 1920. Bericht des Verfassungsausschusses über die Amtsordnung 1920. Drucksachen zur Amtsordnung 1920. Drucksachen und Listen betr. Amtsordnung 1919–1924. Durchführung der Amtsordnung, 2 Bde., 1920–1948. Anträge zur Kreisordnung vom 20. Mai 1920, 1920–1938. Kreiseinteilung 1910–1920. Entwurf eines Gesetzes betr. Einteilung des Freistaates MecklenburgSchwerin in Ämter 1920. Vereinigung der Kreise Strelitz und Stargard 1934. Wahlordnung für die Wahl der Amtsvertreter 1920–1929. Durchführung der Wahlordnung für die Wahl der Amtsvertreter 1928, 1929. Rundschreiben und Entscheidungen der Amtsausschüsse 1920–1932. Geschäftsbetrieb bei den Kreisausschüssen der Kreise 1930–1939. Die Siegel- und Wappenführung durch die Ämter und Gemeinden, Bd. 1: 1921–1942. Übergang der Polizeiverwaltung auf die Ämter 1921–1939. Die Landdrosteien und die gemäß § 44 der Amtsordnung bestellten Beamten, Bd. 1: 1921–1925. Die Landdrosteien und die gemäß § 44 der Amtsordnung bestellten Beamten, Bd. 2: 1925–1932. Kommission zur Klärung der Frage des Verhältnisses der Ämter und Landdrosteien zueinander und deren Tätigkeit 1922. Mecklenburg-Schwerinscher Ämtertag 1921–1932. Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums bezüglich der Angestellten und Arbeiter in den Ämtern 1933, 1934. Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ämtern und Landgemeinden 1933. Entlassungen und Versetzungen, auch Aberkennung der Hinterbliebenenbezüge auf Grund des § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ämtern 1933–1939. Landrätliche Verwaltung, Bd. 1: 1933–1935. Landrätliche Verwaltung, Bd. 2: 1935–1945. Verwaltungsreform der Kreise 1933–1946. Finanz- und Lastenausgleich in den Landkreisen 1940–1945. Einführung einer Landgemeindeordnung, Bd. 1: 1919–1923. Einführung einer Landgemeindeordnung, Bd. 2: 1923–1939.
368 Anhang Nr. 985 Nr. 986 Nr. 987 Nr. 988 Nr. 999 Nr. 1000 Nr. 1001 Nr. 1002 Nr. 1017 Nr. 1018 Nr. 1019 Nr. 1021 Nr. 1027
Nr. 1032 Nr. 1037 Nr. 1038 Nr. 1048 Nr. 4474 Nr. 4476 Nr. 4477 a-c Nr. 4480 Nr. 4481 Nr. 4482 Nr. 4483 Nr. 4771
Landgemeindeordnung (Handakten des Ministerialdirektors Melz) 1919. Landgemeindeordnung (Handakten) 1919–1932. Rundschreiben und Entscheidungen auf Grund der Landgemeindeordnung – auch Beschwerden – 1920–1933. Gemeindeordnung für die ländlichen Ortschaften außerhalb des Domaniums 1916–1920. Gemeindebildung im ritterschaftlichen und klösterlichen Gebiete sowie im städtischen Kämmereigebiete 1918–1922. Gemeindeorganisation in der Ritterschaft 1918–1919. Gemeindewesen in den sechs ritterschaftlichen Kommunen 1919–1920. Einführung einer Kloster-Gemeindeordnung im Gebiet der Landesklöster 1919–1920. Wahlordnung für die Gemeindevertreter vom 23. November 1920 [...]; Gemeindevertreterwahlen; Zusammenlegung von Gemeinden [...] Bd. 1: 1920–1924. Wahlordnung für die Gemeindevertreter vom 23. November 1920 [...]; Gemeindevertreterwahlen; Zusammenlegung von Gemeinden [...] Bd. 2: 1924–1931. Der Gemeindevorstand in den Domanial-Gemeinden. Zusammensetzung, Vertretung, Geschäftskreis 1870–1930. Regelung der Kompetenzen zur Ernennung, Beaufsichtigung, Kündigung usw. der Schulzen in den Ortschaften [...], Bd. 2: 1902–1933. Verordnung vom 11. Januar 1919, betr. Wahlen von Schulzen und Gemeindekörperschaften in den Dorfgemeinden und den zu einer Gemeinde verbundenen Höfen und Dorfschaften im Domanium sowie von Ortsvorstehern und Gemeindekörperschaften in den Fleckengemeinden 1919–1924. Einzelne Beschwerden aus Landgemeinden gegen den Gemeindevorstand oder die Gemeindeverwaltung über Beschlüsse [...] 1871–1924. Sammlung der an die Landdrosteien und diesen angegliederten Behörden ergangenen Rundschreiben, Bd. 12: 1923–1926. Sammlung der an die Landdrosteien und diesen angegliederten Behörden ergangenen Rundschreiben, Bd. 14: 1926–1933. Die Mitwirkung der Gemeinden bei der Durchführung des Vierjahresplanes 1936–1940. Geschäftsbetrieb in der landrätlichen Verwaltung des Kreises Grevesmühlen (Schönberg), Bd. 1: 1933–1949. Das Amt Grevesmühlen, Bd. 1: 1926–1935. Kreis Schönberg, Bd. 2: 1935–1948. Das Amt Grevesmühlen 1921–1927. Die Polizeikosten des Amtshauptmannes des Amtes Grevesmühlen 1926–1931. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Grevesmühlen oder Mitglieder desselben 1924–1940. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Grevesmühlen 1928–1935. Geschäftsbetrieb der landrätlichen Verwaltung des Kreises Güstrow 1933–1950.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Nr. 4772 Nr. 4773 Nr. 4774 Nr. 4775 Nr. 4776 Nr. 4777 Nr. 4779 Nr. 4781 Nr. 5259 Nr. 5260 Nr. 5261 Nr. 5262 Nr. 5263 Nr. 5265 Nr. 5267 Nr. 5268 Nr. 5269 Nr. 5617 Nr. 5618 Nr. 5619 Nr. 5620 Nr. 5621 Nr. 5622 Nr. 5986 Nr. 5987 Nr. 5988 Nr. 5989 Nr. 5990 Nr. 5991 Nr. 5992 Nr. 5993 Nr. 6277 Nr. 6501
369
Das Amt Güstrow, Bd. 1: 1925–1927. Das Amt Güstrow, Bd. 1a: 1926–1930. Das Amt Güstrow, Bd. 2: 1930–1936. Das Amt Güstrow, Bd. 3: 1937–1947. Das Amt Bützow 1925–1930. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Bützow oder Mitglieder desselben 1925. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Bützow oder Mitglieder desselben 1924–1939. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Güstrow 1929, 1930. Geschäftsbetrieb usw. der landrätlichen Verwaltung des Kreises Hagenow 1933–1950. Amt Hagenow, Bd. 1: 1921–1927. Amt Hagenow, Bd. 2: 1926–1929. Amt Hagenow, Bd. 3: 1929–1934. Kreis Hagenow, Bd. 3: 1935–1947. Amt Boizenburg 1921–1930. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Hagenow oder Mitglieder desselben 1928–1943. Konkursverfahren des Amtes Hagenow 1932, 1933. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Kreises Hagenow 1927–1938. Geschäftsbetrieb der landrätlichen Verwaltung des Kreises Ludwigslust 1933–1951. Amt Ludwigslust, Bd. 1: 1926–1935. Kreis Ludwigslust, Bd. 2: 1926–1947. Amt Grabow 1921–1927. Amt Neustadt 1921–1928. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss oder Mitglieder desselben 1926–1937. Geschäftsbetrieb der landrätlichen Verwaltung des Kreises Malchin 1933–1950. Amt Malchin. Gesetz über die Ämtereinteilung vom 3. Dezember 1920; 1921–1933. Amt Malchin. Gesetz über die Ämtereinteilung vom 11. November 1925, Bd. 1: 1926–1929. Amt Malchin. Gesetz über die Ämtereinteilung vom 11. November 1925, Bd. 2: 1931–1935. Kreis Malchin, Bd. 3: 1935–1950. Amt Stavenhagen zu Malchin. Gesetz über die Ämtereinteilung vom 3.12.1920; 1921–1927. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Malchin oder Mitglieder desselben 1925–1943. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Malchin 1926, 1927. Bürgermeisterstelle zu Teterow, Bd. 2: 1911–1932. Geschäftsbetrieb usw. der landrätlichen Verwaltung des Kreises Parchim 1934–1952.
370 Anhang Nr. 6502 Nr. 6503 Nr. 6504 Nr. 6505 Nr. 6507 Nr. 6508 Nr. 6509 Nr. 6513 Nr. 6896 Nr. 6897 Nr. 6898 Nr. 6899 Nr. 6900 Nr. 6901 Nr. 6907 Nr. 6909 Nr. 6910 Nr. 6911 Nr. 6912 Nr. 7471 Nr. 7472 Nr. 7473 Nr. 7474 Nr. 7475 Nr. 7477 Nr. 7478 Nr. 7566 Nr. 7726 Nr. 7727 Nr. 7728 Nr. 7729 Nr. 7732 Nr. 7733 Nr. 7778
Amt Parchim, Bd. 1: 1926–1935. Kreis Parchim, Bd. 2: 1935–1944. Kreis Parchim, Bd. 3: 1945–1949. Amt Lübz 1921–1927. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Parchim 1925, 1931. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Parchim oder Mitglieder desselben 1928–1943. Haushaltsplan des Kreises Parchim für 1944. Organisierung des Gemeindewesens im Domanialamt Lübz-Marnitz, Bd. 3: 1874–1921. Geschäftsbetrieb usw. der landrätlichen Verwaltung des Kreises Rostock, Bd. 1: 1933–1949. Amt Rostock, Bd. 1: 1926–1933. Amt Rostock, Bd. 2: 1933–1936. Kreis Rostock, Bd. 3: 1936–1942. Kreis Rostock, Bd. 4: 1941–1949. Amt Rostock 1925–1927. Gesetz über die Ämtereinteilung vom 3. Dezember 1920 – Amt Doberan 1921–1928. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Doberan zu Bad Doberan 1924–1928. Verfahren gegen den Amtshauptmann Giese zu Doberan 1924–1927. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Rostock oder Mitglieder desselben 1926–1939. Haushaltspläne des Kreises Rostock 1940–1944. Geschäftsbetrieb usw. der landrätlichen Verwaltung des Kreises Schwerin 1933–1950. Amt Schwerin (Ämtereinteilung vom 11. November 1925), Bd. 1: 1926–1933. Kreis Schwerin, Bd. 2: 1933–1941. Kreis Schwerin, Bd. 3: 1941–1948. Amt Schwerin (Ämtereinteilung vom 3. Dezember 1920), 1921–1927. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Schwerin 1930. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Schwerin oder Mitglieder desselben 1926–1942. Bürgermeisterstelle zu Gadebusch 1821–1934. Geschäftsbetrieb usw. der landrätlichen Verwaltung des Kreises Stargard in Neustrelitz 1934–1946. Kreis Stargard, Bd. 1: 1934–1938. Kreis Stargard, Bd. 2: 1938–1946. Einzelne Beschwerden über den Kreisausschuss des Kreises Stargard in Neustrelitz 1934–1938. Haushaltspläne des Kreises Stargard 1940–1944. Verlegung des Landratsamtes von Neustrelitz nach Burg Stargard 1937, 1938. Geschäftsbetrieb der landrätlichen Verwaltung des Kreises Waren, Bd. 2: 1933–1949.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Nr. 7780 Nr. 7781 Nr. 7782 Nr. 7783 Nr. 7785 Nr. 7786 Nr. 7787 Nr. 7787/1 Nr. 9475 Nr. 9476 Nr. 9477 Nr. 9478 Nr. 9479 Nr. 9481 Nr. 9482/1–4 Nr. 9484 Nr. 9485 Nr. 9486 Nr. 9487 Nr. 9496 Nr. 9498 Nr. 9498/1 Nr. 9501
371
Amt Waren (Gesetz über die Ämtereinteilung vom 11. November 1925), Bd. 1: 1926–1939. Kreis Waren, Bd. 2: 1939–1949. Amt Waren (Gesetz über die Ämtereinteilung vom 3. Dezember 1920); 1921–1932. Amt Röbel (Gesetz über die Ämtereinteilung vom 3. Dezember 1920); 1921–1931. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Waren 1929–1935. Die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des Amtes Röbel 1925. Einzelne Beschwerden über den Amtsausschuss des Amtes Waren oder Mitglieder desselben 1925–1942. Haushaltsplan des Kreises Waren/Müritz 1940–1944. Wahlen zu einem konstituierenden Landtag im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vom 26. Januar 1919, 1918–1922. Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, Verzeichnisse der Stimmbezirke im Klostergebiet, 1918, 1919. Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, Verzeichnisse der Stimmbezirke im ritterschaftlichen Gebiet, 1918, 1919. Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, Verzeichnisse der Stimmbezirke im städtischen Gebiet, 1918, 1919. Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, Verzeichnisse der Stimmbezirke im Domanium, 1918, 1919. Wahlakten zum verfassunggebenden Landtag für den ersten Wahlkreis (Hagenow, Grevesmühlen) 1919. Wahlakten zum verfassunggebenden Landtag im zweiten Wahlkreis 1919. Wahlen zum verfassunggebenden Landtag 1919. Wahlen zum verfassunggebenden Landtag 1919. Wahlakten zum verfassunggebenden Landtag im dritten Wahlkreis 1919. Wahlakten zum verfassunggebenden Landtag im sechsten Wahlkreis 1919. Landtagswahl 1921 in Mecklenburg-Schwerin. Landtagswahl 1924 in Mecklenburg-Schwerin. Landtagswahl 1924 in Mecklenburg-Schwerin. Landtagswahl 1927 in Mecklenburg-Schwerin.
Bestand 5.12-1/1 Mecklenburg- Schwerinsches Staatsministerium (1849–1945) Nr. 30 Nr. 45 Nr. 122 Nr. 156 Nr. 192
Preisabbau und Aufhebung der Zwangswirtschaft sowie die allgemeine Wirtschaftslage 1920–1933. Verleihung von Ortswappen und -siegeln für Ämter 1921–1945. Mecklenburg-Schwerinsches Ministerium, Abteilung Rostock 1920– 1923, 1935. Kündigung und unfreiwillige Dienstentlassung der angestellten Beamten, auch Pensionierung aus disziplinarischen Gründen, Bd. 4: 1913– 1925. Die Rechte von Ritter- und Landschaft an den drei Landesklöstern 1910–1939.
372 Anhang Nr. 199 Nr. 221 Nr. 386 Nr. 390 Nr. 457 Nr. 493 Nr. 494 Nr. 495 Nr. 496 Nr. 497 Nr. 504 Nr. 506 Nr. 509 Nr. 659 Nr. 660
Übernahme der Verwaltung des Klosters zum Heiligen Kreuz in Rostock durch die Volksregierung und die Verhältnisse der Rostocker Hospitalien zum Heiligen Geist und St. Georg 1918–1929. Aufhebung der Landstände und der ständischen Körperschaften 1918– 1920. Die Insinuationen der Anschreiben zu dem am 25. November 1918 zu Malchin zu eröffnenden Landtag 1918. Ritterschaftliche Amtsdeputierte und Amtseinnehmer, Bd. 2: 1850–1918. Verhandlungen über eine Modifikation der mecklenburgischen Verfassung, Bd. 14: 1918. Kapp-Putsch und Generalstreik in Mecklenburg 1919–1920. Schutz der Republik 1921–1929. Verhängung des Ausnahmezustandes im Reich und in Mecklenburg 1920–1934. Volksbegehren und Volksentscheid 1923–1929. Innenpolitische Lage 1920–1933. Angelegenheiten der ausländischen Fremdarbeiter, Ausweisungen usw. 1919–1924. Berichte über die Stimmung der Bevölkerung 1920–1922. Zusammenstoß mit Hubertus-Leuten auf Poel, Aussperrung von Arbeitern in Stavenhagen, Generalstreik in Grabow 1921. Angriffe und Unrichtigkeiten der inländischen und ausländischen Presse, deren Abwehr und Richtigstellung, Bd. 1: 1856–1919. Angriffe und Unrichtigkeiten der inländischen und ausländischen Presse, deren Abwehr und Richtigstellung, Bd. 2: 1920–1928.
Bestand 6.11–11 Ministerium des Innern (1946–1952) Nr. 1329 Nr. 2801 Nr. 5238 Nr. 10686 Nr. 15480 Nr. 15599
Scharenberg, Wolfgang. Müller, Hans. Brinkmann, Robert. Scheel. Koch, Paul. Rieck, Walter.
Bestand 9.4–1 NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit Obj. 2, ZI B 126. ZJ 31, A 18. ZA I 11304 A 04. Obj. 2, ZI C 153.
Burmeister, Willi. Busch, Hermann. Schildmann, Rudolf. Schildmann, Rudolf.
Universitätsarchiv Rostock Bestand 1.08.0 Matrikelbücher Jg. 1850–1945
Bestand 1.09.0 Studentenakten Bade, Paul. Berndes, Franz.
Bülow-Trummer, Ferdinand von. Drechsler, Christian.
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Eichbaum, Werner. Engel, Hermann. Fensch, Friedrich Rieck, Walter. Schade, Heinrich. Scharenberg, Wolfgang. Scharf, Friedrich. Scheel, Friedrich. Schlie, Hans. Schmidt, Julius von. Schmidt-Sibeth, Maximilian. Schnapauff, Hans. Schumann, Walter. Staecker, Arthur. Studemund, Karl. Suhm, Otto. Wick, Friedrich von. Wildfang, Adolf.
Gedruckte Quellen Gesetzesblätter, -sammlungen und -kommentare
Amtliche Beilage zum Regierungsblatt für Mecklenburg-Schwerin, Jg. 1918–1945. Das Bayerische Gesetz über die Selbstverwaltung vom 22. Mai 1919 nebst Vollzugsanweisung, Erläuterungen und Anhang; enthaltend die gültigen Bestimmungen der rechtsrheinischen Gemeindeordnung, des Distriktsrats- und des Landratsgesetzes und des Kreislastenausscheidungsgesetzes und den Abdruck einschlägiger Bekanntmachungen und Verordnungen, hg. von Max Roesch, München 1919. Das Buch des Mecklenburgers. Ein Nachschlagewerk für alle mecklenburgischen Volksvertreter in Staat und Kommunen, Schwerin 1920. Die Gemeinde-, Stadt- und Dorf-Ordnung für das Herzogthum Anhalt vom 7. April 1878 nebst dem Gesetze über die Bildung von Amtsbezirken vom 7. April 1878 und den in letzterem in Bezug genommenen Gesetzen und Verordnungen, Dessau 1878. Die Landgemeindeordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin vom 20. Mai 1920. Für den praktischen Gebrauch gemeinverständlich erläutert von Georg Klien, Rostock 1927. Die neue Gemeinde. Die thüringische Gemeinde- und Kreisordnung zum praktischen Gebrauch, hg. von Karl Hermann und Ludwig Nockher, Gera 1922. Die revidierte Verordnung betreffend das Armenwesen in den Großherzoglichen Domänen vom 29. Juni 1869. Die Zusatz-Verordnung zur revidierten Gemeinde- und Armenordnung für die Domanial-Ortschaften betreffend die Bildung des Amtsausschusses und der Amtsversammlung vom 5. November 1877. Die Verordnung betreffend die Beteiligung der Gemeinden im Domanium an den Ortsschulen vom 29. Juni 1869, hg. von Max Baller, Schwerin 1897. Die revidirte Gemeinde-Ordnung für die Domanial-Ortschaften vom 29. Juni 1869 erläutert durch Max Baller, Schwerin 1890. Die Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin vom 18. Juli 1919. Mit Ergänzungen und Erläuterungen hg. von Hugo Sawitz, Rostock 1919.
374 Anhang Die Verfassung des Landes Thüringen vom 11. März 1921, hg. von Eduard Rosenthal, Tübin gen 1921. Gesetzsammlung für die Mecklenburg-Schwerin’schen Lande, hg. von Heinrich Friedrich Wilhelm Raabe, 6 Bde., Parchim 1844–1859. Mecklenburg-Strelitzscher Amtlicher Anzeiger, Jg. 1920. Regierungsblatt für Mecklenburg-Schwerin, Jg. 1878, 1899 und Jg. 1912–1945. Reichsgesetzblatt, Teil I und II, Jg. 1918–1945. Schulrecht und Lehrerrecht im Freistaat Mecklenburg-Schwerin. Sammlung der für die Schule und Lehrer wichtigen Gesetze und Verfügungen, hg. von Wilhelm Evermann und Heinrich Wahls, Wismar 1925. Schulrecht und Schulgesetze, hg. von Paul Plüschke, H. 8: Der Hausgarten und die Landdotation des Lehrers, Berlin 1905. Verwaltungsnormen in Mecklenburg-Schwerin, zusammengestellt, bearbeitet und hg. von Carl Wilhelm August Balck, Schwerin 1883–1908.
Landtagsprotokolle und -drucksachen
Achter Ordentlicher Mecklenburg-Schwerinscher Landtag, Schwerin 1933. Allerhöchstes Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches Reskript vom 29. November 1916 mit Entwurf einer Verordnung betreffend Gemeindeordnung für die ländlichen Ortschaften außerhalb des Domaniums (Landgemeindeordnung) mit Begründung, Schwerin 1916. Berichte des Verfassungsausschusses und des Gemeindeordnung-Ausschusses der Mecklenburgischen Abgeordnetenkammer 1848/49, Schwerin 1849. Des Durchläuchtigsten Fürsten und Herrn, Hn. Friederich Wilhelms, Herzogen zu Mecklenburg, [...] Schultzen- und Baur-Ordnung, wornach sich ein jeder in den Fürstl. AmtsDörffern, bey Vermeydung schwerer Straffe zu achten, Schwerin 1702. Drucksachen des verfassunggebenden Landtages von Mecklenburg-Schwerin. (Blattsammlung der UB Rostock). Kommittenbericht vom 12. Dezember 1916 betreffend den Entwurf einer Gemeindeordnung für Mecklenburg-Schwerin. Nebst Landtagsbeschluß, Landtags-Drucksache 1916, Nr. 13, Rostock 1917. Mecklenburg-Schwerin. 1. ordentlicher Landtag 1920. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 2. ordentlicher Landtag 1921/24. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 3. ordentlicher Landtag 1924/26. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 4. ordentlicher Landtag 1926/27. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 5. ordentlicher Landtag 1927/29. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 6. ordentlicher Landtag 1929/32. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 7. ordentlicher Landtag 1932/33. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Mecklenburg-Schwerin. 8. ordentlicher Landtag 1933/37. Drucksachen. (Blattsammlung der UB Rostock). Niederschrift vom 27. April 1917 über die Verhandlungen des durch ritter- und landschaftliche Deputierte verstärkten Engeren Ausschusses betreffend den Entwurf einer Landgemeindeordnung, Rostock 1917.
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Siebenter Ordentlicher Mecklenburg-Schwerinscher Landtag, Schwerin 1933. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Verfassunggebender Landtag. Vom 21. Februar 1919 bis 28. Mai 1920, Schwerin 1920. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Erster Ordentlicher Landtag. Vom 14. Juli 1920 bis 3. März 1921, Schwerin 1921. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Zweiter Ordentlicher Landtag. Vom 7. April 1921 bis 8. Februar 1924, Schwerin 1925. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Dritter Ordentlicher Landtag. Vom 17. März 1924 bis 7. Mai 1926, Schwerin 1926. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Vierter Ordentlicher Landtag. Vom 7. Juli 1926 bis 8. April 1927, Schwerin 1927. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Fünfter Ordentlicher Landtag. Vom 13. Juni 1927 bis 27. Juni 1928, Schwerin 1928/29. Verhandlungen des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Sechster Ordentlicher Landtag. Vom 9. Juli 1929 bis 4. Mai 1932, Schwerin 1932.
Statistische Handbücher
Beiträge zur Statistik Mecklenburgs, hg. vom Großherzoglichen statistischen Bureau, Schwerin 1865. Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher Staatskalender, hg. vom Großherzoglichen Statistischen Amt, Schwerin 1826, 1828 und 1870–1918. Handbuch für Mecklenburg-Schwerin, Rostock 1881–1886. Hof- und Staatshandbuch des Großherzogthums Mecklenburg-Strelitz, Neustrelitz 1900–1918. Mecklenburg-Strelitzsches Staatshandbuch, hg. vom Mecklenburg-Strelitzschen Staatsministerium, Neustrelitz 1920 und 1929. Partei-Statistik. Stand 1. Januar 1935 (ohne Saargebiet), hg. vom Reichsorganisationsleiter der NSDAP, 3 Bde., Berlin 1935. (Manuskript). Staatshandbuch für Mecklenburg, hg. vom Mecklenburgischen Statistischen Landesamt, Schwerin, Schwerin 1923, 1927, 1930, 1937–1939. Statistik für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, hg. vom Großherzoglichen Statistischen Amt, Schwerin 1910. Statistisches Handbuch für das Land Mecklenburg-Schwerin, hg. vom MecklenburgSchwerinschen Statistischen Landesamt, Schwerin 1931.
Quelleneditionen
Mecklenburg im Zweiten Weltkrieg. Die Tagungen des Gauleiters Friedrich Hildebrandt mit den NS-Führungsgremien des Gaues Mecklenburg 1939–1945. Eine Edition der Sitzungsprotokolle, hg. von Michael Buddrus unter Mitarbeit von Sigrid Fritzlar und Karsten Schröder, Bremen 2009. Müller, Werner und Röpcke, Andreas (Hg.): Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern unter sowjetischer Besatzung 1945 bis 1949. Eine Quellenedition, eingeleitet und bearbeitet von Detlev Brunner, Bremen 2003.
Zeitungen
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376 Anhang Deutsche Tageszeitung, Jg. 1928. Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Jg. 1935. Dömitzer Zeitung, Jg. 1925. Frankfurter Zeitung, Jg. 1924. Landeszeitung für beide Mecklenburg, Jg. 1918–1921. Mecklenburger Nachrichten, Jg. 1918–1921. Mecklenburger Neuste Nachrichten, Jg. 1922. Mecklenburger Warte, Jg. 1918–1921. Mecklenburgische Tageszeitung, Jg. 1921 und Jg. 1930. Mecklenburgische Volks-Zeitung, Jg. 1918–1921. Mecklenburgische Zeitung, Jg. 1918–1921. Münchener Neuste Nachrichten, Jg. 1924. Neustädter Anzeiger, Jg. 1927. Rostocker Anzeiger, Jg. 1918–1921. Vossische Zeitung, Jg. 1924.
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394 Anhang
Abkürzungsverzeichnis Abt. D. u. F. Abteilung für Domänen und Forsten Abt. LW u. D Abteilung Landwirtschaft und Domänen AHR Archiv der Hansestadt Rostock Amtl. Beil. Amtliche Beilage DA Domanialamt bzw. Domanialämter DDP Deutsche Demokratische Partei DNVP Deutschnationale Volkspartei Drs. Drucksache DVP Deutsche Volkspartei EA Engerer Ausschuss HJ Hitler-Jugend KA Klosteramt bzw. Klosterämter KPD Kommunistische Partei Deutschlands LHAS Landeshauptarchiv Schwerin LZM Landeszeitung für beide Mecklenburg M Mark MdF Ministerium der Finanzen MdI Ministerium des Innern MdJ Ministerium der Justiz MfL Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten MfS Ministerium für Staatssicherheit MfU Ministerium für Unterricht, Kunst, geistliche und Medizinalangelegenheiten MN Mecklenburger Nachrichten MVZ Mecklenburgische Volkszeitung MW Mecklenburger Warte MZ Mecklenburgische Zeitung NS nationalsozialistisch, auch Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei QR Quadratruten RA Ritterschaftliches Amt bzw. ritterschaftliche Ämter RoA Rostocker Anzeiger Rbl. Regierungsblatt für Mecklenburg-Schwerin Rd. Erl. Runderlass RGBl. Reichsgesetzblatt RM Reichsmark RMBliV Reichsministerialblatt der inneren Verwaltung RMdI Reichsministerium des Innern RMdF Reichsministerium der Finanzen SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands StA Studentenakte StM Staatsministerium UAR Universitätsarchiv Rostock UB Universitätsbibliothek USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands
395
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Abbildungen, Graphiken und Tabellen Abbildung 1: Verfassung und Verwaltung des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin.1 Engerer Ausschuss von Ritter- und Landschaft wählt
Landtag beruft ein und beschickt bildet bzw. delegiert
Großherzog
entsendet
bildet
ernennt
Landschaft
Großherzogliche Kammer
Ritterschaft
ernennt bildet bzw. delegiert
Domanialamt ernennt
Magistrat
bildet
Dorfvorstand
wählt/schlägt vor
schlägt vor
Bürgerausschuss
Dorfversammlung
entsendet
bildet
städtische Bevölkerung
ritterschaftliches Amt
Ortsobrigkeit
bildet
grundbesitzende Bevölkerung des Domaniums und der Ritterschaft
landlose Landbevölkerung
1 Nicht extra aufgeführt sind im Schema die Fleckengemeinden und Klöster sowie die Ökonomie- und Kirchengüter des Rostocker Distrikts und der Herrschaft Wismar. Sie können ganz allgemein betrachtet dem hier dargestellten Bereich der Verwaltungsstruktur des platten Landes zugeordnet werden.
396 Anhang Abbildung 2: Verfassung und Verwaltung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin, 1919–1934. Regierung wählt
Landtag
wählt Landesverwaltung
ernennt
wählt
Amtshauptmann wählt
Landdrostei (bis 1928)
wählt Amtsversammlung
Rat
Dorfvorstand wählt
wählt Stadtverordnetenversammlung wählt städtische Bevölkerung
wählt
wählt
Gemeindeversammlung wählt ländliche Bevölkerung
397
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Abbildung 3: Verfassung und Verwaltung des Landes Mecklenburg 1935–1945.2 Staatsministerium
NSDAP-Gauleitung
Landtag ernennt
ernennt
ernennt
Landrat
NSDAP-Kreisleiter ernennt
Kreisversammlung
schlägt vor
Rat ernennt Stadtverordnetenversammlung entsendet städtische Bevölkerung
schlägt vor
Gemeindevorstand
ernennt
Gruppenleiter der NSDAP
ernennt Gemeindeversammlung entsendet ländliche Bevölkerung
2 Um die Übersichtlichkeit zu wahren, ist sowohl beim Landtag als auch bei der Kreisversammlung auf die Zuweisung der dort vertretenen bzw. sie stellenden Gruppen verzichtet worden.
398 Anhang Abbildung 4: Finanzausgleich zwischen Reich, Land und Landgemeinden im Freistaat Mecklenburg-Schwerin, 1920.3
Steueraufkommen
Reich Reichssteuern – Einkommen- und Körperschaftssteuer – Erbschaftssteuer – Fremdensteuer – Grunderwerbssteuer – Hundesteuer – Kraftfahrzeugsteuer – Rennwettsteuer – Umsatzsteuer – Vergnügungssteuer – Wohnungsaufwandsteuer – Zölle
Land Mecklenburg-Schwerin Reichssteueranteile – Einkommen- und Körperschaftssteuer – Erbschaftssteuer – Fremdensteuer – Grunderwerbssteuer – Hundesteuer – Kraftfahrzeugsteuer – Rennwettsteuer – Umsatzsteuer – Vergnügungssteuer – Wohnungsaufwandsteuer
Landessteuern – Grund- und Gewerbesteuer
Landgemeinden Mecklenburg-Schwerin Reichssteueranteile Landessteueranteile Zuschläge auf sonstige Landessteuern Einnahmen – Einkommen- und – Umsatzsteuer – Grund- und – Entschädigung für Körperschaftssteuer Vergnügungssteuer Gewerbesteuer Steuererhebung – Hundesteuer – Gebühren – Fremdensteuer – Notsteuern – Wohnungsauf- – Vorschüsse und wandsteuer Beihilfen – Pachteinnahmen
3 Berücksichtigung fanden nur die wichtigsten Steuern bzw. deren Anteile und Zuschläge.
399
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Graphik 1: Verteilung der Sitze im Anschluss an die Bürgerausschusswahlen, 1918.4 Boizenburg Brüel Bützow Crivitz Doberan Dömitz Gadebusch Gnoien Goldberg Grabow Grevesmühlen Güstrow Hagenow Krakow Kröpelin Laage Ludwigslust Lübz Malchin Malchow Marlow Neubukow Neukalen Neustadt Parchim Penzlin Plau Rehna Ribnitz Röbel Rostock Schwaan Schwerin Stavenhagen Sternberg Sülze Tessin Teterow Waren Warin Wismar Wittenburg
Sozialdemokratische Partei Bürgerliche Parteien
0
5
10
15
20
25
30
35
4 Die Wahlergebnisse sind einer vom Städtetag zusammengestellten Liste entnommen. Vgl. dazu MVZ, 13. März 1919; MW, 13. März 1919; MZ, 6. März 1919. Eine offizielle Statistik ließ sich nicht ermitteln.
400 Anhang Tabelle 1: Delegiertenschlüssel der Güstrower Versammlung zur Gründung eines Mecklenburgischen Städtetags, 1912.5 Stadt
Delegierte
Bützow
9
Schwerin
8
Schwaan
5
Malchin
4
Grabow, Hagenow, Krakow, Neustadt, Neustrelitz, Plau, Stargard
Je 2
Doberan, Fürstenberg, Gnoien, Grevesmühlen, Kröpelin, Neubrandenburg, Stavenhagen, Tessin
Je 1
Tabelle 2: Kommission zur Städteordnung, 1912.6 Name, Vorname
Funktion/Tätigkeit
Biermann, Heinrich
Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Bützow
Faull, Richard
Bürgermeister der Stadt Malchin
Löwenthal, Felix
Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Schwerin
Meltz, Karl
Stadtverordneter der Stadt Neubrandenburg
Wohlfahrt, Ewald
Bürgermeister der Stadt Neustrelitz
Tabelle 3: Vorstand des Mecklenburgischen Städtetags, 1918.7 Name, Vorname
Funktion/Tätigkeit
Magistrate
Albrecht, Friedrich
Bürgermeister der Stadt Neustrelitz
Capobus, Robert
Bürgermeister der Stadt Parchim
Weltzin, Otto
Bürgermeister der Stadt Schwerin
Bürgervertretungen
Hinrichsen, Robert
Stadtverordneter der Stadt Güstrow
Koch, Ulrich
Stadtverordneter der Stadt Rostock
Nehrenst, Karl
Stadtverordneter der Stadt Woldegk
freie Wahl
Behn, Wilhelm
Bürgermeister der Stadt Dömitz
Heinsius, Karl
Fabrikant
Knittel, Albert
Dekorationsmalermeister
5 Vgl. Kommunale Rundschau, 20. März 1912; MZ, 15. Aug. 1912. 6 Vgl. ebd.; Staatskalender, 1912, T. 1, passim; Hof- und Staatshandbuch, 1912, passim. 7 Vgl. MN, 7. Dez. 1918; Staatskalender, 1918, T. 1, passim; Hof- und Staatshandbuch, 1915, passim; Staatshandbuch Mecklenburg-Strelitz, 1920, passim.
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
401
Tabelle 4: Tagungsorte und Themen des Mecklenburgischen Städtetags, 1919–1932.8 Datum 8.03.1919
Zählung und Tagungsort
Themen
außerordentlich, Schwerin
Städteordnung
20./21.06.1919
1. Städtetag, Schwerin
Wohnungsnot, elektrische Versorgung der Städte, Sparkassenwesen
18./19.06.1920
2. Städtetag, Neubrandenburg
Finanzlage der Städte, Neuordnung des Schulwesens
17./18.06.1921
3. Städtetag, Rostock
Erwerbslosenfürsorge, Neuordnung des Schulwesens, Jugendwohlfahrt, kommunaler Arbeitgeberverband
18.03.1922
außerordentlich, Schwerin
Finanzlage der Städte
16./17.06.1922
4. Städtetag, Waren
Kassenwesen, Kreditbeschaffung, Wohlfahrtspflege, Landverpachtung
15./16.05.1923
5. Städtetag, Wismar
Städteordnung, Arbeitslosigkeit, Wohnungsbau, Ausbildung der Kommunalbeamten
23./24.04.1924
6. Städtetag, Grabow
Wohlfahrtspflege, städtische Landwirtschaft, Steuergestaltung, Volkshochschulen
12./13.06.1925
7. Städtetag, Güstrow
Bodenreform, Hygiene, Städtebau, Räumungsverbände
8. Städtetag, Neustrelitz
Selbstverwaltung und Staatsaufsicht, Erhaltung der Kunst- und Geschichtsdenkmäler, Kommunaler Haftpflichtschadensausgleich, Gewerbeschulwesen
9. Städtetag, Parchim
Siedlung und Städtebau, städtische Wirtschaft, Versorgung mit Milch, Gasversorgung, Friedhofsverwaltung
4./5.06.1926
17./18.06.1927
15./16.06.1928 7./8.06.1929 13./14.06.1930
5./6.06.1931 12./13.11.1932
10. Städtetag, Plau
Kommunalpolitik, Fremdenverkehr, Finanzlage der Städte, Städtebau
11. Städtetag, Bützow
Föderalismus, Straßenbau, Anliegerbeiträge, Kleingartenwesen
12. Städtetag, Schwerin
Kommunalpolitik, Zivilversorgung der Versorgungsanwärter von Reichswehr und Schutzpolizei, Warmbadeanstalten
13. Städtetag, Neustrelitz
Wirtschaftsfragen, öffentliche Bausparkassen
14. Städtetag, Güstrow
k. A.
8 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 625 und 626. Zu den einzelnen Referaten vgl. Zeitschrift für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik, 10. Jg., 1920 bis 19. Jg., 1929.
402 Anhang Tabelle 5: Vorstand des Mecklenburgischen Gemeindetages, 1933.9 Name, Vorname
Funktion/Tätigkeit
Vertreter Mecklenburgs
Beltz, Karl
Oberortsvorsteher des Fleckens Neukloster
Dedow, Wilhelm
Vorsteher der Gemeinde Varchentin
Gieseler, Hermann
Vorsteher der Gemeinde Blankensee
Kramer, Hermann
Vorsteher der Gemeinde Schwanbeck
Krüger, ?
Vorsteher der Gemeinde Graal
Lingelsheim, Walter von
Amtshauptmann des Amtes Neubrandenburg
Oldach, Ludwig
Stadtrat der Stadt Wismar
Pufpaff, Walter
Amtshauptmann des Amtes Waren
Retzlaff, ?
Bürgermeister der Stadt Neubrandenburg
Seemann, Karl
Schulze der Gemeinde Breesen bei Gnoien
Timmermann, Wilhelm
Bürgermeister der Stadt Dömitz
Wempe, Ernst
Oberbürgermeister der Stadt Schwerin
Wulff, Karl
Stadtrat der Stadt Rostock
Vertreter Lübecks
Volger, ?
Oberregierungsrat
Willikens, Albert
k. A.
Tabelle 6: Kommission zur Reform der Städteordnung des Städtetags.10 Name
Tätigkeit/Funktion
Harder, ?
Stadtverordneter der Stadt Bützow
Larisch, ?
Stadtverordneter der Stadt Sternberg
Loeck, ?
Stadtverordneter der Stadt Grabow
Rambow, ?
Stadtverordneter der Stadt Schwaan
Schlosser, ?
Stadtverordneter der Stadt Laage
Viedstädt, ?
Stadtverordneter der Stadt Goldberg
Weinaug, Wilhelm
Stadtverordneter der Stadt Teterow
9 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 143 und Bl. 146: Mecklenburgischer Gemeindetag an MdI, 10. und 17. Aug. 1933; Staatshandbuch, 1930, T. 1, passim; Staatshandbuch, 1937, T. 1, passim. 10 Vgl. MN, 23. April 1919; MVZ, 20. April 1919.
403
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 7: Verfassungsausschuss des Landtags, 1919.11 Name
Partei
Name
Partei
Awolin, ?
DNVP
Koß, Friedrich
SPD
Deike, Ludwig
SPD
Löwenthal, Felix
–
Diefenbach, Wilhelm
SPD
Lüdemann, Hermann
SPD
Dittrich, Wilhelm
SPD
Reincke-Bloch, Hermann
DVP
Gladischefski, Karl
DDP
Turban, Otto
SPD
Hecht, Heinrich
DDP
Wendorff, Hugo
DDP
Hillmann, Franz
DDP
Wilbrandt, Martin
–
Hirsch, Wilhelm
SPD
Witte, Karl Friedrich
DDP
Knebusch, Magnus
DNVP
Tabelle 8: Kommission des Städtetags zum Regierungsentwurf der Städteordnung, 1919.12 Name
Funktion/Tätigkeit
Vorstand des Städtetags
Albrecht, Friedrich
Bürgermeister der Stadt Neustrelitz
Brückner, Wilhelm
Stadtverordneter der Stadt Schwerin
Capobus, Robert
Bürgermeister der Stadt Parchim
Dittrich, Wilhelm
Stadtverordneter der Stadt Rostock
Joseph, Bruno
Stadtverordneter der Stadt Ribnitz
Langheim, ?
Stadtverordneter der Stadt ?
Saschenbrecker, Joachim
Stadtverordneter der Stadt Schwerin
Weltzin, Otto
Bürgermeister der Stadt Schwerin
Winkler, ?
Stadtverordneter der Stadt ?
gewählte Mitglieder
Kay, Franz
Stadtverordneter der Stadt Güstrow
Knittel, Albert
Stadtverordneter der Stadt Doberan
Lügemann, ?
Stadtverordneter der Stadt Schwerin
Monich, Adolf
Bürgermeister der Stadt Rehna
Regnal, ?
Stadtverordneter der Stadt Rehna
Reinhardt, Ernst
Bürgermeister der Stadt Gadebusch
Schröder, ?
Stadtverordneter der Stadt Laage
Seer, Hermann
Senator der Stadt Rostock
Spiekermann, ?
Stadtverordneter der Stadt Neustadt
11 Nicht aufgeführt sind die Fachreferenten, die je nach Thema der Sitzung wechselten. 12 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 643, Bl. 323–326: Sitzungsprotokoll, 25. Juni 1919. Vgl. auch MN, 22. und 24. Juni 1919; Staatskalender, 1918, passim; Staatshandbuch, 1923, T. 1, passim.
404 Anhang Tabelle 9: Mandate der Stadtverordnetenversammlungen nach dem Regierungsentwurf der Städteordnung, 1919.13 Einwohnerzahl
Mandate
bis 3.000
11
3.000 bis 6.000
15
6.000 bis 10.000
19
10.000 bis 20.000
27
20.000 bis 40.000
35
über 40.000
43
Tabelle 10: Mandate der Bürgerausschüsse bzw. Stadtverordnetenversammlungen der Städte vor 1919 und entsprechend des Delegiertenschlüssels des Regierungsentwurfs der Städteordnung.14 Stadt Boizenburg
Mandate bis 1919 1921
Stadt
Mandate bis 1919 1921
12
12
Neubukow
9
11
9
11
Neukalen
12
11
Bützow
12
12
Neustadt
6
11
Crivitz
16
11
Parchim
36
27
Doberan
12
12
Penzlin
12
11
Dömitz
12
15
Plau
12
12
Gadebusch
12
11
Rehna
12
11
Gnoien
12
12
Ribnitz
12
12
Goldberg
9
11
Röbel
12
11
Grabow
12
12
Rostock
60
43
Grevesmühlen
12
12
Schwaan
11
12
Güstrow
30
35
Schwerin
50
43
Hagenow
12
12
Stavenhagen
12
12
Krakow
9
11
Sternberg
12
11
Kröpelin
12
11
Sülze
13
11
7
11
Tessin
9
11
Ludwigslust
12
15
Teterow
16
15
Lübz
17
12
Waren
18
19
Malchin
16
15
Warin
12
11
Malchow
15
12
Wismar
48
35
Marlow
10
11
Wittenburg
12
11
Brüel
Laage
13 Vgl. LHAS, 5.12-4/2, Nr. 16: Entwurf der Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin; Entwurf der Städteordnung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, in: Verfassunggebender Landtag, Drs. Nr. 75. 14 Vgl. ebd. Die Zahlen für 1921, dem Jahr der Übernahme der Regelung, sind nach den Ergebnissen der Volkszählung von 1917 berechnet worden.
405
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 11: Anträge auf vorzeitige Beendigung der Legislatur der Stadtverordnetenversammlungen, 1919.1516 Stadt
Anordnung Volksentscheid
Ergebnis
Boizenburg
12.10.1919
„liegt noch nicht vor“
Crivitz
7.09.1919
„vorzeitige Beendigung beschlossen“
Gadebusch
7.09.1919
„nicht bekannt“
Grabow
Juli 1919
„nicht bekannt“16
Grevesmühlen
26.10.1919
„liegt noch nicht vor“
Goldberg
26.10.1919
„liegt noch nicht vor“
Güstrow
„nein“
–
Hagenow
26.10.1919
„liegt noch nicht vor“
Lübz
„noch nicht entschieden“
–
Malchin
12.10.1919
„liegt noch nicht vor“
Penzlin
„nein“
–
Röbel
21.09.1919
„nicht bekannt“
Tabelle 12: Ortschaften der ritterschaftlichen und der klösterlichen Gebiete nach Ämtern, 1917/19.17 ritterschaftliches Amt
Güter
Pertinenzen
899
330
Neustadt
Pertinenzen
32
19
Boizenburg
15
4
9
5
Bukow
76
17
Ribnitz
51
14
Crivitz
40
10
Schwaan
6
1
Gadebusch
21
14
Schwerin
42
20
Gnoien
63
17
Stavenhagen
88
58
Goldberg
14
7
Sternberg
21
4
Grabow
17
7
Wittenburg
49
19
Grevesmühlen
88
42
Wredenhagen
42
20
103
34
Klosteramt18
47
29
1
9
Dobbertin
26
14
Lübz
53
19
3
2
Mecklenburg
44
5
Malchow
Neukalen
24
5
Ribnitz
Güstrow Ivenack
Plau
Güter
Kloster zum Hl. Kreuz
15
7
3
6
18
15 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 648, Bl. 87: Verzeichnis der Anträge auf vorzeitige Beendigung der Wahldauer der Stadtverordnetenversammlungen in den Städten, 22. Okt. 1919. Auf eine Ermittlung der Ergebnisse der im Oktober 1919 noch nicht abgeschlossenen Volksbegehren und -entscheide wurde verzichtet, da nur gezeigt werden soll, in welchem Umfang von den basisdemokratischen Verfahren Gebrauch gemacht wurde. 16 Die Zeile ist im Original nachträglich gestrichen worden. 17 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 89–177. 18 Nicht erfasst sind hier die ritterschaftlichen Güter. Sie sind unter dem jeweiligen Amt aufgeführt.
406 Anhang Tabelle 13: Rechtsform und Siedlungsstruktur der Ortschaften der ritterschaftlichen Gebiete sowie des Rostocker Distrikts und der Herrschaft Wismar, 1917/19.1920 Ortschaften
Anzahl
ohne Gemeindeverfassung Rittergüter
892
Pertinenzen
330
Erbpachtstellen
732
Hauswirtstellen
480
Büdnerstellen
135
Lehnbüdnerstellen Häuslerstellen
20 217
Güter des Rostocker Distrikts
4
Güter der Herrschaft Wismar
2
mit Gemeindeverfassung20 Gemeinden von Hintersassen
1
Gemeinden, die Rittergüter besitzen
6
21
Tabelle 14: Rechtsform und Siedlungsstruktur der Ortschaften der klösterlichen Gebiete, 1917/19. Ortschaften
Anzahl
ohne Gemeindeverfassung Klostergüter
47
Pertinenzen
27
Pachthöfe
33
Erbpachtstellen
214
Lehnbauerstellen
20
Lehnkassaten
6
Lehnbüdnerstellen
3
Lehnhäuslerstellen
13
Drittel- und Viertel-Hufnerstellen
12
Büdnerstellen
49
Häuslerstellen
74
mit Gemeindeverfassung bäuerliche Ortschaften
221
19 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 89–177 und S. 184. Die zu den Städten gehörenden Güter des Rostocker Distrikts bzw. der Herrschaft Wismar sind nicht aufgeführt. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Schlesinger, Erich: Zusammenstellung der ländlichen Gemeinden und Siedlungen des Landes, 12. Dez. 1918. In dessen Aufstellung, die die bäuerlichen Ortschaften unerwähnt lässt, weicht die Zahl der Güter erheblich von den Angaben im Staatskalender ab, ohne dass sich dafür jedoch eine Erklärung finden ließ. 20 Vgl. dazu Kap. 5.1, S. 114, Anm. 6. 21 Gemeint sind die Ortschaften Dorf Kisserow und Dorf Lütten Klein bei Rostock.
407
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 15: Vorschläge zur Gemeindebildung in den Ortschaften außerhalb des Domaniums nach Aushebungsbezirken, 1919.22 Aushebungsbezirk Grevesmühlen RA Gadebusch RA Grevesmühlen
107
55
21
14
86
41
11
7
11
7
141
53
14
8
RA Crivitz
2
1
RA Gnoien
3
RA Goldberg
9
5
RA Güstrow
Ludwigslust RA Grabow Güstrow KA Dobbertin
97
33
RA Lübz
7
3
RA Neukalen
2
1
RA Ribnitz
1
RA Schwaan
1
RA Schwerin
2
RA Stavenhagen
3
1 15
RA Bukow
60
13
RA Crivitz
3
RA Mecklenburg
8
2
Wismar
98
13
Herrschaft Wismar
14
2
RA Bukow
16
4
RA Crivitz
10
2
RA Grevesmühlen
1
RA Mecklenburg
36
RA Schwerin RA Sternberg
62
70 bis 580
7
180 bis 330
47
200 bis 650
28
k. A.
34
120 bis 500
15
120 bis 400
3
18
2 21
Kloster zum Hl. Kreuz
3
2
RA Güstrow
3
1
RA Ribnitz
9
8
RA Schwaan
5
–
43
10
Rostocker Distrikt
Einwohner je Gemeinde
3 63
Rostock
Gemeinden
1
71
Doberan
Ortschaften Güter/Höfe Pertinenzen
22 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 89–177 sowie den Berichten der Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken und denen der leitenden Beamten der Klosterämter. Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999.
408 Anhang
Aushebungsbezirk Ribnitz
Ortschaften Güter/Höfe Pertinenzen 104
29
KA Ribnitz
3
6
RA Gnoien
60
17
RA Ribnitz
41
6
49
26
RA Crivitz
15
6
RA Grabow
1
-
RA Grevesmühlen
1
1
30
17
Schwerin
RA Schwerin RA Sternberg Hagenow RA Boizenburg RA Schwerin RA Wittenburg
2
2
71
26
15
4
7
3
49
19
60
24
KA Dobbertin
5
4
RA Crivitz
7
1
RA Goldberg
4
4
RA Grabow
5
-
RA Lübz
36
11
RA Plau
7
4
RA Sternberg
1
-
Parchim
Malchin
71
66
RA Güstrow
3
-
RA Ivenack
1
9
RA Neukalen
30
18
RA Neustadt
3
1
40
38
149
72
KA Dobbertin
7
2
KA Malchow
15
7
9
5
29
18
RA Stavenhagen Waren
RA Lübz RA Neustadt RA Plau
2
1
RA Stavenhagen
45
19
RA Wredenhagen
42
20
Gemeinden
Einwohner je Gemeinde
18
280 bis 750
22
k. A.
49
70 bis 550
28
100 bis 600
49
100 bis 650
61
180 bis 500
409
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 16: Vorschläge zur Gemeindebildung in den Ortschaften der Klosterämter, 1919.23 Klosteramt
Ortschaften Güter/Höfe Pertinenzen
Gemeinden
Einwohner je Gemeinde
Dobbertin
26
14
2324
170 bis 430
Malchow
15
7
8
200 bis 630
3
6
3
k. A.
Ribnitz 24
Tabelle 17: Rechtsformen der auf den Feldmarken der Städte gelegenen Güter und Ortschaften, 1917/19.2526 Stadt
Güter und Ortschaften mit ohne Gemeindeverfassung
Stadt
Güter und Ortschaften mit ohne Gemeindeverfassung
Bützow
–
3
Parchim
1
2
Doberan
–
3
Penzlin
–
2
Gadebusch
–
2
Plau
–
4
Goldberg
–
2
Röbel
–
3
Grabow
–
4
Rostock
1
2
Grevesmühlen
1
1
Schwaan
–
1
Güstrow
–
10
Schwerin
–
4
Hagenow
–
1
Sternberg
–
1
Krakow
–
2
Tessin
–
2
Laage
–
2
Teterow
–
3
Ludwigslust
–
1
Waren
–
8
Malchin
–
4
Warin
–
2
Neubukow
–
1
Wismar
–
2626
Neustadt
–
3
23 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 169–174 sowie den Berichten der Kommissare für die ritterschaftlichen Güter in den Aushebungsbezirken und denen der leitenden Beamten der Klosterämter. Vgl. dazu LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999 und Nr. 1000. 24 Eine frühere Zusammenstellung sah die Bildung von 20 Gemeindebezirken vor. Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 999, Bl. 158: KA Dobbertin an MdI, 17. Juni 1919. 25 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 185–226. 26 Hierunter sind die sieben Stadt-, vier geistlichen und 15 Privatgüter subsumiert.
410 Anhang Tabelle 18: Rechtsformen der außerhalb der Stadtfeldmarken gelegenen Güter und Ortschaften, 1917/19.2728 Stadt
Kämmerei- und Ökonomiegüter mit ohne Gemeinde verfassung
Ortschaften28 ohne Gemeinde mit verfassung
Boizenburg
3
3
1
–
Gadebusch
–
1
–
–
Grabow
3
1
1
–
Güstrow
–
–
1
2
Parchim
9
2
1
1
Plau
1
–
–
–
Ribnitz
1
4
1
–
Rostock (Distrikt)
–
–
–
–
Stadtgüter
6
8
2
9
11
4
–
5
Schwerin
Hospitalgüter
1
1
–
1
Sternberg
–
1
–
1
Tessin
–
–
–
1
Waren
–
–
–
2
Wismar (Herrschaft)
–
–
–
–
Stadtgüter
1
–
–
–
geistliche Güter
3
10
–
2
Wittenburg
–
1
–
–
Tabelle 19: Rechtsform und Siedlungsstruktur der auf den Feldmarken der Kämmerei- und Ökonomiegüter auf und außerhalb der städtischen Feldmarken liegenden Grundstücke, 1917/19.29 Ortschaften/Siedlungen
Anzahl
selbständige landwirtschaftliche Grundstücke Pachthöfe und Pachtgehöfte Erbpachthöfe Erbpachtstellen Hauswirtstellen
55 27 264 48
Büdnerstellen
340
Häuslerstellen
412
27 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 185–226. 28 Bei Boizenburg handelt es sich um ein der Stadt zugesprochenes ehemaliges Domanialdorf, bei Sternberg und Tessin um eine ritterschaftliche Besitzung, bei Güstrow und Waren um ländliche Ortschaften ohne Anbindung. 29 Vgl. Staatskalender, 1917, T. 2, S. 230.
411
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 20: Gemeinden und Ortschaften Mecklenburg-Schwerins, ohne Bezirke der Landesanstalten, 1917/19.30 Gemeinden/Ortschaften Ritterschaft
Anzahl 1229
Gemeinden/Ortschaften
Anzahl
Klöster
76
Güter
899
Güter
47
Pertinenzen
330
Pertinenzen
29
Domanium
848
Hofgemeinden
216
Dorfgemeinden
509
kombinierte Dorf- und Hofgemeinden
110
Fleckengemeinden
5
ohne Gemeindeverfassung
8
Kämmerei- und Ökonomiegüter
16
Tabelle 21: Gemeindeformen des platten Landes 1923, 1927, 1929 und 1937.3132 Gemeindeformen
1923
1927
1929
193732
Gemeinden gesamt
1623
1609
1598
1862
Dorfgemeinden
551
541
545
722
Hof- bzw. Gutsgemeinden
968
956
959
979
Pachthof-Gemeinden
218
217
224
242
Güter-Gemeinden
687
678
674
553 160
Landgüter-Gemeinden
43
42
44
kombinierte Gutsgemeinden
20
19
17
24
104
112
94
161
38
41
36
57
kombinierte Dorf- und Guts- bzw. Hofgemeinden Hof- und Dorfgemeinde Guts- und Dorfgemeinde Landgut- und Dorfgemeinde
7
13
17
43
59
58
41
61
30 Ermittelt nach den Angaben im Staatskalender, 1917, T. 2, S. 5–226. Vgl. auch LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: Schlesinger, Erich: Zusammenstellung der ländlichen Gemeinden und Siedlungen des Landes, 12. Dez. 1918; Die ortsanwesende Bevölkerung der Gemeinden, Ortschaften und Wohnplätze nach der Volkszählung vom 8. Oktober 1919. Beilage zur Bekanntmachung vom 2. Juni 1920, betreffend das Ergebnis der Volkszählung vom 8. Oktober 1919, in: Amtl. Beil. Rbl. Nr. 59, 4. Juni 1920, S. 385. 31 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 19–227; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 19–226; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 20–257; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 23–294. Nicht erfasst sind die Städte und die Gemeinden der Insel Poel. Für eine Übersicht zu den ländlichen Gemeinden vgl. auch Bekanntmachung vom 5. September 1921, betreffend alphabetische Verzeichnisse der Amtsgemeinden, in: Rbl. Nr. 100, 13. Sept. 1921, S. 869–883; Bekanntmachung vom 27. November 1926. Alphabetische Verzeichnisse der Amtsgemeinden, in: Rbl. Nr. 73, 3. Dez. 1926, S. 545–558. 32 Erfasst sind hier sowohl die ländlichen Gemeinden Mecklenburg-Schwerins als auch die des Landesteils Mecklenburg-Strelitz.
412 Anhang Tabelle 22: Gemeindefusionen, 1935–1939.33 Kreise
1935
1936
1937
1938
Güstrow
–
10
14
1
1939 –
Hagenow
–
–
1
–
3
Ludwigslust
–
1
1
–
–
Malchin
–
1
3
–
7
Parchim
–
–
8
8
–
Rostock
–
1
11
7
5
Schönberg
1
2
4
1
5
Schwerin
–
8
–
1
3
Stargard
–
5
47
1
–
Waren
1
1
–
–
–
Wismar
–
29
22
5
–
Tabelle 23: Zahlenmäßige Entwicklung der Landgemeinden nach Kreisen, 1929–1939.3435 1929
1937
1938
1939
Grevesmühlen35
Kreise
131
–
–
–
–
Güstrow
227
226
204
200
45
Hagenow
136
136
135
127
k. A.
94
94
94
95
14
Malchin
144
146
148
140
k. A.
Parchim
135
135
127
121
13
Rostock
Ludwigslust
geplante Fusionen, 1939
237
229
218
194
83
Schönberg
91
219
211
202
61
Schwerin
151
138
138
132
48
Stargard
108
214
163
157
8
Strelitz
121
–
–
–
–
Waren
146
147
144
139
75
Wismar
203
173
175
143
k. A.
33 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 626, Bl. 92–105: Verzeichnisse über den Zusammenschluss von Gemeinden seit Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung bis zum 1. Oktober 1937; ebd., Bl. 106–119: Verzeichnisse über den Zusammenschluss von Gemeinden seit Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung bis zum Januar 1939. 34 Für die Zahlen vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 657, Bl. 175–199: Kreis Schönberg an MdI, 16. Juni 1939; ebd., Bl. 204: Kreis Parchim an MdI, 3. Juli 1939; ebd., Bl. 315–319: Vorlage betr. Durchführung des Rd. Erl. des RMdI vom 6. Jan. 1939; ebd., Bl. 307: Kreis Parchim an MdI, 15. Aug. 1939; ebd., Bl. 209: Plan über die Zusammenlegung der Gemeinden des Kreises Waren; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 20–258; Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 23–294; Staatshandbuch, 1938, T. 2, S. 18–329; Staatshandbuch, 1939, T. 2, S. 16–335; Staatshandbuch Mecklenburg-Strelitz, 1929, S. 240–289. 35 Im Zuge der Vereinigung der beiden Mecklenburg ging der Kreis Grevesmühlen im Kreis Schönberg auf. Hieraus erklärt sich der Anstieg der Gemeindezahl im Kreis Schönberg. Durch die Ausdehnung der Kreisgrenze erklärt sich auch der Zuwachs der Kreise Stargard und Strelitz.
413
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 24: Kommunale Zweckverbände, 1935.36 Kreis
Schul verbände
Hebammenverbände
Lösch verbände
Sonstige
Güstrow
79
22
31
Arbeitsdienstlagerverbände (2)
Hagenow
36
15
12
Räumungsverband (1)
Ludwigslust
24
22
22
Friedhofsverband (1), Räumungsverbände (5)
Malchin
48
23
4
Parchim
47
18
13
Fortbildungsschulverbände (18)
Rostock
78
24
43
Wohlfahrtsverbände (34), Gemeindeschwesternverband (1)
Schönberg
60
10
29
Wegeverband (1)
Schwerin
40
17
9
Fortbildungsschulverbände (27), Wohlfahrtsverbände (13), Arbeitsdienstlagerverband (1), Räumungsverbände (3)
Stargard
55
–
5
Verband zur Beschaffung von elektrischem Licht und Kraftstrom (1)
Waren
31
17
3
Arbeitsdienstlagerverbände (2)
Wismar
64
16
24
Fortbildungsschulverbände (16)
–
Tabelle 25: Die Schulzen der Hof- und Gutsgemeinden, 1923.37 38 39 40 41 42 Gutsbesitzer38 in % absolut
Gutsverwalter39 absolut in %
Andere absolut in %
Pachthof-Gemeinde
169
28,9
6
8,6
42
13,8
Güter-Gemeinde
384
65,7
60
85,7
237
77,7
23
3,9
4
5,7
16
5,2
9
1,5
–
–
10
3,3
585
100
70
100
305
100
40
Landgüter-Gemeinde42 kombinierte Gutsgemeinde Gesamt
41
36 Vgl. LHAS, 5.12-3/1, Nr. 655, Bl. 503–507: MdI an RMdI, 16. Nov. 1935. 37 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 19–228. Für acht Gemeinden weist das Staatshandbuch ein Fehlen des Schulzen aus, sie sind deshalb nicht erfasst. Unberücksichtigt bleiben hier und im Folgenden die Bezirke der Insel Poel. 38 Die Formulierung umfasst im Folgenden sowohl den Gutseigentümer als auch den Gutspächter. Hinzugezählt wurden zudem die Eheleute sowie Verwandte ersten Grades. 39 Hierunter sind im Folgenden die im Staatskalender als Administrator, Gutssekretär, Güterdirektor, Inspektor, Rentmeister und Verwalter bezeichneten Personen subsumiert. 40 Eine Unterscheidung in Allodial- und Lehngüter wurde hier und im Folgenden nicht vorgenommen. 41 Hinzugezählt wurden hier und im Folgenden auch die in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Güter Buchholz, Grabow, Niendorf, Wendisch-Priborn und Zielow, obwohl hier ein Eigentümer den Schulzen stellte. 42 Hierbei handelt es sich um Güter, die im Eigentum des Landes Mecklenburg-Schwerin stehen.
414 Anhang Tabelle 26: Die Schulzen der Hof- und Gutsgemeinden, 1927.43 Gutsbesitzer in % absolut
Gutsverwalter absolut in %
Andere absolut in %
Pachthof-Gemeinde
172
27,9
12
9,6
33
15,7
Güter-Gemeinde
416
67,4
106
86,3
152
72,4
21
3,4
4
3,3
15
7,1
8
1,3
1
0,8
10
4,8
617
100
123
100
210
100
Landgüter-Gemeinde kombinierte Gutsgemeinde Gesamt
Tabelle 27: Die Schulzen der Hof- und Gutsgemeinden, 1929.44 Gutsbesitzer in % absolut
Gutsverwalter absolut in %
Andere absolut in %
Pachthof-Gemeinde
151
26,8
12
10,4
52
19,8
Güter-Gemeinde
382
67,9
98
85,3
186
71,0
21
3,7
5
4,3
17
6,5
9
1,6
–
–
7
2,7
563
100
115
100
262
100
Landgüter-Gemeinde kombinierte Gutsgemeinde Gesamt
43 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 19–227. Für sechs Gemeinden weist das Staatshandbuch ein Fehlen des Schulzen aus, sie sind deshalb nicht erfasst. 44 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 20–258. Für 19 Gemeinden weist das Staatshandbuch ein Fehlen des Schulzen aus, sie sind deshalb nicht erfasst.
415
Abbildungen, Graphiken und Tabellen
Tabelle 28: Die Schulzen kombinierter Landgemeinden, 1923, 1927 und 1929.45 Gutsbesitzer Gutsverwalter Andere 1923 1927 1929 1923 1927 1929 1923 1927 1929 Hof- und Dorfgemeinde
13
11
5
–
2
–
25
28
31
Guts- und Dorfgemeinde
–
–
–
1
–
2
6
13
15
Landgut- und Dorfgemeinde Gesamt
2
4
3
2
1
1
55
53
37
15
15
8
3
3
3
86
94
83
Tabelle 29: Die Schulzen der Hof- und Gutsgemeinden, 1937.46 Gutsbesitzer in % absolut
Gutsverwalter absolut in %
Andere absolut in %
Pachthof-Gemeinde
173
32,0
13
10,4
55
12,0
Güter-Gemeinde
278
51,4
87
69,6
181
39,5
63
11,6
23
18,4
69
15,1
6
1,1
2
1,6
16
3,5
Hof- und Dorfgemeinde
13
2,4
–
–
42
9,2
Guts- und Dorfgemeinde
5
0,9
–
–
38
8,3
Landgut- und Dorfgemeinde
3
0,6
–
–
57
12,4
541
100
125
100
458
100
Landgüter-Gemeinde kombinierte Gutsgemeinde
Gesamt
45 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 19–228; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 19–227 und Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 20–258. 46 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 23–294. Für 13 Gemeinden weist das Staatshandbuch ein Fehlen des Schulzen aus, sie sind deshalb nicht miterfasst.
416 Anhang Tabelle 30: Die Schulzen der Dorfgemeinden, 1927, 1929 und 1937.47 48 49 50 51
Hofbesitzer48
1927 absolut in %
1929 absolut in %
1937 absolut in %
190
35,2
226
41,3
356
49,4
Büdner
84
15,5
91
16,8
62
8,6
Häusler
90
16,6
82
15,2
32
4,4
Einlieger
2
0,4
–
–
–
–
18
3,3
21
3,9
100
13,9
Landwirte49 Siedler
–
–
–
–
8
1,2
Arbeiter
2
0,4
4
0,7
1
0,1
Handwerker
32
5,9
34
6,4
43
6,0
Angestellte/Beamte50
14
2,6
15
2,8
27
3,8
Unternehmer51
22
4,2
25
4,6
24
3,3
Rentner
5
0,9
6
1,2
10
1,4
Militärs
1
0,2
2
0,4
3
0,4
80
14,8
36
6,7
54
7,5
540
100
542
100
720
100
k. A. Gesamt
Tabelle 31: Weibliche Schulzen, 1923, 1927, 1929 und 1937.52 Dorfgemeinde kombinierte Landgemeinde Gutsgemeinde
1923
1927
1929
1937
1938
1939
1
1
2
1
1
1
–
–
–
–
–
–
15
25
24
14
11
6
47 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 19–227; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 20–258 und Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 23–294. Nicht aufgenommen wurden die Bezirke der Insel Poel, die Seebäder Arendsee, Brunshaupten und Müritz sowie die Fleckengemeinden. Unberücksichtigt blieben ferner die Gemeinden, in denen das Schulzenamt als nicht besetzt bezeichnet wurde. 1927 betraf dies eine, 1929 drei und 1937 zwei Kommunen. Eine Auswertung des Staatshandbuches von 1923 war aufgrund fehlender Angaben zur sozialen und beruflichen Stellung der Schulzen nicht möglich. 48 Im Staatshandbuch 1937 werden die Hofbesitzer als Bauern geführt. In 19 Fällen, in denen der Schulze nicht gewechselt hat, findet sich aber noch die alte Bezeichnung. Vgl. Staatshandbuch, 1937, T. 2, passim. 49 Eine Abgrenzung des Begriffes ist anhand der Angaben in den Staatshandbüchern nicht möglich, es muss daher bei dieser recht unspezifischen Bezeichnung bleiben. Der hohe Anstieg zu 1937 liegt in der nationalsozialistischen Definition des Begriffs Bauer begründet. Als Bauern galten nur die Hofbesitzer, „alle übrigen Landwirte wurden als solche betrachtet und auch so genannt“. Niemann, Mecklenburg, S. 173. 50 Hierunter sind Lehrer, Betriebsleiter, Bahn-, Forst-, Post- und Straßenbedienstete gefasst. 51 Unter dem Begriff Unternehmer wurden Kaufleute, Händler, Fabrikanten und Gastwirte subsumiert. 52 Ermittelt nach den Angaben im Staatshandbuch, 1923, T. 2, S. 19–228; Staatshandbuch, 1927, T. 2, S. 19–227; Staatshandbuch, 1930, T. 2, S. 20–258 und Staatshandbuch, 1937, T. 2, S. 23–294.
Orts- und Personenregister
417
Orts- und Personenregister A Abercron, Carl von 118, 121, 124, 151, 155, 201 Adolf Friedrich VI. 23 Ahrens, Karl 322 Albrecht, Friedrich 72, 89 Albrecht, Wilhelm 313 Altenhagen 260 Alt Gaarz 237 Alt Jassewitz 203 Altona 50, 67, 149 Alt-Ziddorf 201 Ankershagen 207 Arendsee 237, 266, 267, 269 Arpshagen 237 Asch, Julius 78, 278, 286, 349 Aude, ? 147 B Babinski, ? 318 Bad Doberan 45, 245 Bade, August 142 Baden, Max von 23 Bade, Paul 121, 122, 124, 200, 203 Bad Kleinen 142 Baller, Max 15 Banzin 322 Barbasch, Ludwig 50 Barten, Ernst 337, 338 Basedow 201 Bassewitz, Friedrich Graf von 201 Bassewitz-Levetzow, Carl von 21 Basthorst 320 Bauer, Friedrich 272 Baumgarten 204, 320 Becker, Adolf 32 Becker, Hans Bernhard 15 Behnkenhagen 148 Behn, Wilhelm 72 Behrens, Wilhelm 92 Bei der Wieden, Helge 17, 360 Benque, Wilhelm 357 Bentwisch 208 Berendshagen 328 Berendswerder 202, 205 Berendt, Rudolf 52, 53, 56 Berg, Hans 89, 91
Berlin 24, 27, 30, 50 Berlin-Lichterfelde 18 Beselin 120 Beyer, Karl 320 Bierstedt, Gottfried 15, 122, 125 Biestorf 129, 329 Blengow 158 Blücher, Ernst von 250, 251 Blücherhof 267, 317 Blunk, ? 45 Bobitz 206 Bocksee 219 Boek 314 Böhlau, Hugo 14 Bohm, Gerhard 202 Bohnsack, Martin 345, 346 Boitin 162 Boizenburg 41, 193, 258 Boldenstorf 202 Borg 258 Bornhof 207 Börzow 311 Bossart, Heinrich 25, 31 Bossow 320 Bössow-Osthof 121 Bötefür, Karl 214, 215, 224, 241, 242, 311 Bothmer 124 Brandenstein, Joachim Freiherr von 225, 308 Brinkmann, Robert 327 Brose, Fritz 314 Brückner, Wilhelm 89, 97, 168, 273 Brüel 45, 106 Brunshaupten 237 Brusow 198 Buchholz 129 Bülow 198 Bülow, Carl August von 333 Bülow-Trummer, Ferdinand von 123, 254 Burchard, Hermann 136, 143, 149, 262 Burchard, Paul 288 Burg Schlitz 201 Burkhardt, Jürgen 11, 356 Burmeister, Willi 74, 215, 265, 280, 281, 299, 302, 304, 327 Busch, Hermann 236, 336
418 Anhang Buschmann, Karl 195 Bützow 45, 46, 47, 54, 72
Fuhrmann, K. 320 Fürstenberg 72
C Chrestien, Friedrich Wilhelm 42 Cohn, William 103 Corth, ? 29 Crivitz 49, 73, 150 Crull, Richard 74, 75, 243, 337
G Gaarzerhof 158 Gadebusch 46, 126, 129, 193, 198 Gadow, Friedrich August von 318 Garden 125, 260 Garwitz 231 Gehlsdorf 27, 45, 54, 133 Gehlsheim 193, 236 Gierke, Bernhard 102 Giese, Helmut 183 Gilka, Helmuth 320, 321 Girke, Bernhard 317 Gladischefski, Karl 102 Glambeck 163 Glasin 153 Goldberg 95 Goldenbaum, Ernst 305 Goldenbow 150 Goritz 328 Görzhausen 201 Graal 200, 201 Grabenitz 202, 205 Grabow 42, 46, 55, 101, 108, 127, 128, 229, 258 Grabowhöfe 204 Granzin 207 Greven 195, 316 Grevesmühlen 51, 61 Groß, ? 30 Groß Dratow 219 Großenhof 202, 206 Groß Krankow 206 Groß Potrems 318 Groß Roge 327 Groß Strömkendorf 318 Groß und Neu Poserin 330 Groß Walmsdorf 203 Groß Wüstenfelde 121 Gülzow 345 Güritz 189, 229 Güstrow 25, 29, 41, 44, 46, 51, 70, 71, 76, 87, 91, 92, 95, 99, 101, 109, 111, 128, 141, 198, 201, 258, 327, 346, 357
D Damshagen 201, 202, 205, 206 Dargun 45, 46, 59, 144, 244 Dassow 144, 330, 336 Deike, Ludwig 46 Dethloff, Heinrich 33, 35, 43, 91, 176, 177, 178, 184 Dettmann, Fritz 95, 96 Dietzsch, Hellmuth 80, 341 Dittrich, Wilhelm 45, 90 Dobbertin 37, 124, 206, 260 Dömitz 45, 72, 78, 79, 81, 193, 198 Drechsler, Christian 323 Dreibergen 193, 236 Dümmerstück 166 E Eggerstorf 208 Eichbaum, Werner 148, 150 Eldenberg 202, 205 Ellrich, Eduard 89, 94 Engel, Hermann 323 Erdmann, Heinrich 35 Erlangen 15 Erzberger, Matthias 249, 281, 304 Eschenburg, Johann 322 F Fensch, Friedrich 157, 165 Fiehler, Karl 75 Fliemstorf 208 Franz, ? 60 Freidorf 207 Freienwalde 84, 114 Frick, Wilhelm 335 Friedland 245 Friedrich Franz IV. 9, 33, 34, 37, 38, 39 Friedrichsfelde 207 Fuchs, Hans 52, 56
H Haack, Hermann 122, 294, 295, 296
Orts- und Personenregister
Hagenow 59, 90, 127, 193 Halle an der Saale 15 Haller, Wilhelm 33, 54 Hamann, Manfred 11, 17 Hamburg 23 Hansen, Wilhelm 147, 314 Harms, Karl Friedrich 328, 329 Hasemeister, Gustav 142 Havemann, Ernst 120, 121, 122, 125, 157, 159, 312 Henck, Fritz 143, 145, 185 Hennecke, Hans 268, 317, 319, 321 Herzfeld, Joseph 36 Heydemann, Heinrich 288 Hildebrandt, Friedrich 303, 309, 337 Hinrichshagen 200, 201 Hoben 208 Höcker, Wilhelm 264, 277, 290 Hofzumfelde 237 Hohen Demzin 201 Hohen Schwarfs 120 Hoppenrade 156 Horst 328 Hubatsch, Walther 360 Huckstorf 311 I Ihde, Heinrich 145, 185 Ihlefeld, Adolf 215, 277, 295, 325 Ivenack 124 J Jahn, Friedrich Ludwig 10 Jentz, Friedrich 165 John, Anke 11, 13, 18 Joseph, Bruno 89 K Kapp, Wolfgang 57, 312, 314 Karft 312 Karl Michael 23 Karstorf 201 Käselow 206 Kavelstorf 311 Keppler, ? 320 Kessin 127 Kiel 26, 27, 29 Kisserow 327 Kittel, Adolf 155, 156, 254
419
Kladrum 314 Klein Belitz 202 Klein Bentwisch 208 Klein Lukow 316 Klein Tessin 198 Klein Vielist 207 Klein Wehnendorf 202 Klien, Georg 15 Klink 202, 205 Klockow 219 Klockow, Karl 105 Klocksin 162, 227 Kloster zum Heiligen Kreuz 193 Klütz 124, 237 Knebusch, Magnus 103, 189, 190, 191, 195, 201, 202, 217, 218, 262, 268, 270, 282, 316, 321, 341 Koch, Heinz 11, 16, 19, 341, 342, 343, 354, 355, 357 Koch, W. 310 Kolbow, Otto 120 Kollwitz, Hans 269 Körkwitz 258 Krahn, Liselotte 15 Krakow 46, 48, 73, 78, 275 Kröpelin 45, 198 Krüger, August 51, 52 Krusenhagen 148, 152 Kuhlrade 259 Kühlungsborn 237 Kurzen Trechow 202, 205 L Laage 45 Langen Trechow 202 Langfeld, Adolf 23, 24, 25, 31, 33, 84 Langsdorf 223 Lankow 60, 63 Lapitz 316 Le Fort, Stephan 314 Leistikow, Hermann 215 Lembcke, Georg 219, 220 Lembke, Gustav 215 Lemcke, Emil 160, 161, 164 Lemcke, Georg 317, 318 Lenz 129, 329 Leo, Carl 253, 254, 259 Lexow 208 Lienow, Helmut 307
420 Anhang Liliencron, ? von 28 Loeper, Erich 241 Lohmen 125, 260, 327 Loitz 149 Loiz 250 Louisenfeld 204 Louisenhof 225 Lübberstorf 153 Lübcke, Walter 120, 121, 123, 124, 125, 172, 205, 207 Lübeck 60 Lüben, Adolf 214, 215 Lübtheen 144 Lüdemann, Hermann 94, 95 Ludwigslust 31 Lüneburg 203 Lütgendorf 317 Lüttwitz, Walther von 57, 312 M Malchin 128, 244 Malchow 37, 45, 46, 129, 244 Manderow 203 Marek, Wilhelm 320, 321 Marienehe 82 Markwart, Karl 189, 229, 230, 231 Marlow 198 Marquardt, ? 54 Matgendorf 121 Matthiessen, Max von 152, 153, 157, 254 Mayenburg, Herbert von 307 Meincke, Heinrich 312, 313 Meiritz, Hans 16 Melkof 321 Meltz, Karl 71 Melz, Otto 88, 92, 93 Michaelis, Gustav 88, 103 Michaelis, Johann 89, 91 Minzow 327 Moeller, Richard 292 Moll, Walter 284 Moltenow 165 Moltmann, Karl 52, 56, 221, 222, 225, 228, 263, 275, 276, 315, 319, 357 Mühl-Rosin 147 Mulert, Ernst 238, 242, 303, 334, 335 Mulert, Oskar 178 Müller, Hans 222 Müller, Kurt 11
N Nedderhagen 229 Neubukow 45 Neuhof, Amt Neustadt 314 Neuhof, Amt Prachim 206 Neu Jassewitz 208 Neukalen 73, 79 Neukirchen 202 Neukloster 144 Neumann, August 316 Neumann, Hans 190, 205, 207, 208 Neustadt 41, 48, 53, 126, 193, 198 Neustrelitz 72, 89 Neu-Ziddorf 201 Niekrenz 202 Niendorf 156 O Oberhagen 128 Oertzen, Dietrich von 283, 321 Oertzen, Hermann von 123, 124, 159, 161, 231 Ohloff, Hans 61 Ohrt, Wilhelm 330 Ostorf 142 P Pachnicke, Hermann 24 Panschenhagen 204 Parchim 31, 41, 46, 51, 54, 70, 77, 90, 93, 128, 244, 258 Payer, Friedrich von 32 Penzlin 126 Perniek 153 Perow 121, 200 Pescatore, Dominik von 207 Peters, ? 29 Petersdorf 206 Petersen, Paul 318 Pinnow 279 Plagemann, ? 147 Plagemann, Anna 311 Plate 262 Plau 47, 126, 127, 193 Plessen, August von 183 Plessen, Helmut von 174 Poppendorf 259 Poppentin 202, 205 Pötenitz 227
Orts- und Personenregister
Pribbenow 310, 327 Prollius, Georg von 156 Prollius, Helmuth von 124, 125 Purkshof 128 Pustohl 134, 328 Q Quaal 206 Qualitz 149 Quetzin 127 R Raabe, Heinrich Friedrich Wilhelm 14 Raatz, ? 320 Rand, ? 316 Raspe, Hans 110, 111 Rathenau, Walther 314 Rehwoldt, Johann 116 Reincke-Bloch, Hermann 84, 209 Reisner, Ernst Otto 71 Rerik 237 Ribnitz 37, 89, 258 Rieck, Walter 245 Rödiger, Hermann 315 Röper, Erich 17 Roschlaub, Friedrich 240, 241, 259, 333, 334 Rossow 238 Rostock 10, 15, 16, 18, 25, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 34, 35, 36, 37, 38, 41, 45, 46, 49, 51, 54, 61, 62, 65, 67, 70, 76, 78, 80, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 92, 94, 103, 112, 127, 128, 193, 195, 201, 258, 260, 338, 341, 343 Rothe, Björn 17 Rövershagen 128 Rubensohn, ? 63 Rühn 134, 327 S Sachsenberg 193, 236 Sakowski, Helmut 310 Sandhof 147 Saschenbrecker, Joachim 88, 89, 90, 93, 97 Satow 45, 182 Sauer, Heinrich 61 Sawitz, Hugo 15, 88, 92, 106 Schade, Heinrich 183, 249, 293, 324
421
Scharenberg, Wolfgang 229 Scharf, Christel 311 Scheel, Albert 205 Scheel, Friedrich 279 Schefe, R. 206 Schildmann, Rudolf 242, 302 Schlesinger, Erich 14, 168, 185, 191, 192, 196, 199, 200, 209, 210 Schlie, Hans 121, 124, 125, 183 Schmarl 82, 320 Schmidt-Sibeth, Maximilian 122, 323 Schnell, Julius 321 Schnitzler, Arthur von 202, 205 Schnütgen, Rudolf 314 Schönberg 73 Schoof, ? 72 Schöps, Walter 241, 242, 302, 334 Schossin 279 Schröder, Ernst von 316 Schröder, Franz 78 Schroeder, Paul 209 Schroeder, Werner 338 Schulenburg, Friedrich Graf von der 206 Schumann, Walter 240 Schwaar, Hans 168 Schwarz 191 Schwencke, Paul 188 Schwenzin 207 Schwerin 17, 18, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 56, 60, 63, 67, 71, 72, 73, 76, 77, 79, 80, 84, 87, 88, 92, 93, 94, 96, 99, 141, 159, 160, 174, 176, 185, 337, 338, 341, 343 Schwetzin 121 Seifert Greene, Lee 109 Sembzin 202, 205 Sievers, Heinrich 231 Sivkovich, Hans 24, 32, 33, 34, 35, 37, 40, 143, 144 Slate 206 Sommerstorf 204 Speck 321 Spendin 206 Spotendorf 314 Staecker, Arthur 15, 331 Starosson, Franz 27, 35, 36, 92, 99, 143 Stavenhagen 51, 67, 193, 198, 244
422 Anhang Stech, Hermann 344 Steinfatt, Friedrich 112 Stelling, Johannes 159, 175, 176, 177, 185, 260, 319 Stellshagen 202, 205 Sternberg 45, 91, 105, 150 Sternsruh 207 Stoffersdorf 208 Stratmann, Friedrich 36, 54 Stubmann, Peter 24 Studemund, Walter 134, 164, 166, 253, 310 Suhm, Otto 134 Sülstorf 145 Sülze 45 Surén, Friedrich-Karl 235 T Tabel, Wilhelm 176, 177, 188 Tarnow 116 Tatarin-Tarnheyden, Edgar 15 Tellow 121 Tempzin 215 Tessin 198 Teterow 79, 101, 108, 110 Thiede, Otto 319 Tiedemann, Rudolf 39 Tohtz, Carl 250 Tollow 149 Torfbrücke 128, 200, 201 Torgelow 320 Tramm 151 Tressow 206 Tüschow 207 U Ulrichshof 207 Ulrikenhof 165 V Vellahn 188 Vesper, ? 219, 220, 318 Vielank 151 Vielist 207 Vitense, Otto 16 Volkenshagen 259 Volzrade 225
W Waechter, Franz Hilmar 137 Walter, Paul 287 Waren 89, 94, 98, 99, 100, 101, 103, 105, 126, 244, 258, 314 Warnemünde 26, 27, 28, 30, 45, 51 Warnemünde, Carl 229, 319 Warnke, Hans 291 Weber, Max 358 Wehmer, Friedrich 262 Wehnendorf 202 Weitendorf 208, 209 Weltzin, Otto 71, 72, 73, 88, 89, 90 Wendhausen, Albrecht 314 Wendorf 207 Wendorff, Hugo 32, 33, 35, 57, 94, 112, 130, 143, 144, 145, 185, 186, 190, 207, 209, 217, 306 Wenzel, Hugo 210, 317, 319, 321 Wenzel, Max 10, 15 Wesenberg 89 Westphal, Meta 311 Wetzel, ? 322 Wilbrandt, Martin 94, 102, 103, 105 Wildfang, Adolf 135, 156, 160, 164, 323 Wisch 208 Wismar 26, 29, 40, 47, 50, 51, 53, 70, 77, 79, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 106, 108, 110, 111, 128, 198, 258, 330 Witte, Karl Friedrich 103, 177, 344 Wittenburg 45, 60, 231, 258 Wittenburg, Fritz 241 Witzin 150 Wöbbelin 152 Wohlenhagen 121 Wohlers, Robert 232 Wolken 163 Wozeten 313, 328 Wüstenfelde 121 Wuttke, Hermann 59, 60, 61, 64 Z Zarrentin 45, 60, 61, 144, 236, 330 Zaschendorf 307 Zierow 208 Zieslübbe 206 Zietlitz 150
Glossar
423
Glossar Amt Territoriale Verwaltungseinheit und Behörde. Ihre Grundlage bildete ein Gemeindeverband. Mecklenburg-Schwerin war von 1921 bis 1925 in 17, von 1926 bis 1934 in zehn Ämter eingeteilt. Von 1921 bis 1924 oblagen den Ämtern nur Aufgaben der Selbstverwaltung, u. a. im Bereich der außerordentlichen Wohlfahrtspflege. Ferner übten sie die Aufsicht über die Gemeinden aus. Nach 1924 wurden ihm nach und nach staatliche Angelegenheiten übertragen. Hierzu zählten u. a. die Polizei- und Schulverwaltung. Dem Amt stand der Amtshauptmann vor. Er wurde aus der von den wahlberechtigten Amtseinwohnern frei gewählten Amtsversammlung gewählt. Ab 1926 musste er jedoch über bestimmte fachliche Qualifikationen verfügen. 1933 wurden die Ämter in Kreise umbenannt. Das Land Mecklenburg, das 1934 nach dem Anschluss von Mecklenburg-Strelitz entstand, war bis 1945 in zehn Kreise eingeteilt. Die Kreise waren Behörden der Landesverwaltung. Der Amtshauptmann und die Mitglieder der Amtsversammlung wurden staatlich ernannt.
Amtsreservat Flächen – zumeist Forstgebiete oder Wiesen – innerhalb des Domaniums, die zu keinem Gemeindebezirk gehörten und keine gemeindliche Verfassung besaßen. Sie wurden durch die Domanialämter verwaltet.
Aushebungsbezirk Territoriale Verwaltungseinheit des Militärs, die u. a. zur Erfassung und Rekrutierung von Soldaten diente. Mecklenburg-Schwerin war in zwölf Aushebungsbezirke eingeteilt. Sie waren 1871 errichtet worden und umfassten sowohl städtisches als auch ritterschaftliches, klösterliches und domaniales Gebiet. Die Aushebungsbezirke bestanden bis 1921.
Bauernkolonie Zusammenschluss ritterschaftlicher Bauernstellen, die durch den Grundherrn hauptsächlich in Zeitpacht weggegeben wurden. Sie werden auch als Pertinenz eines Guts bezeichnet.
Büdner Besitzer eines kleinen Anwesens innerhalb des Domaniums. Zu den ab 1753 durch die großherzogliche Verwaltung errichteten Büdnereien gehörten ursprünglich 100 QR Land, ein Haus sowie die Weidefreiheit für eine Kuh und sogenanntes geringes Vieh. Nach 1809 umfassten sie ein „verschieden großes Areal von Acker, Wiesen und Weide, theils auf Erbstand, theils in Zeitpacht zugetheilt“.1 Grundsätzlich waren sie „auf weniger als 37 ½ Scheffel Aussaat bonitiert“.2
1 Balck: Finanzverhältnisse, S. 106–108. 2 LHAS, 5.12-3/1, Nr. 1027: [Schlesinger, Erich]: Rechte und Pflichten der Gemeindevertretung der Landgemeinden im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Januar 1919.
424 Anhang Dienstländereien (auch Kompetenzen) Grundstücke, deren Nutzung Personen, die im staatlichen oder kirchlichen Dienst standen, als Entschädigung ihrer Tätigkeit übertragen wurden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Schulzendienstländereien der Dorf- bzw. kombinierten Dorf- und Hofgemeinden im Domanium. Sie hatten je nach Größe der Gemeinde einen Umfang von ein bis drei Hektar und konnten aus Acker-, Weide- und Wiesenflächen zusammengesetzt sein. Nach 1918 wurden die Dienstländereien mit Ausnahme der kirchlichen Grundstücke den Gemeinden zur freien Verfügung übertragen.
Domanialamt Territoriale Verwaltungseinheit und Behörde der großherzoglichen Domanialverwaltung. Ihre Grundlage bildete ein Gemeindeverband. Das Domanium Mecklenburg-Schwerins war bis 1921 in 24 Ämter eingeteilt. Ihnen waren u. a. die Regulierung und Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen, die Polizeiverwaltung und die außerordentliche Wohlfahrtspflege übertragen worden. Ferner übten sie die Aufsicht über die Gemeinden aus. Mit Einführung der Amtsordnung im April 1921 wurden sie aufgelöst; ihre Aufgaben übernahmen größtenteils die Landdrosteien.
Domanium Gebiet, in dem der Landesherr zugleich Grundherr war und unmittelbar, ohne Mitwirkung der Stände, Recht sprechen konnte.
Dorf Ländliche Siedlung mit mehreren unterschiedlich großen Wirtschaftsbetrieben, die verschiedenen Besitzern gehörten.
Dotation Einkünfte oder Grundstücke, die die Landgemeinden als Entschädigung für an sie über tragene Aufgaben erhielten. Die im Verfassungsausschuss diskutierte Idee einer allgemeinen Dotation scheiterte. Sie erfolgte lediglich in den Dorf- bzw. kombinierten Dorf- und Hof gemeinden des Domaniums. Im Gebiet der Städte und Klöster finden sich Ansätze einer Dotation.
Einlieger Ursprünglich Landarbeiter des Domaniums, die keine eigene Wirtschaft besaßen und bei Inhabern einer solchen zur Miete wohnten. Um sie auf dem Land zu halten, bot ihnen die großherzogliche Regierung ab 1838 Ländereien zu günstigen Konditionen zur Pacht an. Bis 1918 waren sie in der Gemeinde politisch rechtlos und von der Nutzung des Gemeindebesitzes ausgeschlossen. Gemeindelasten hatten sie jedoch zu tragen.
Einliegerkompetenzen (auch Einlieger- oder Kompetenzländereien) Grundstücke, die im Domanium seit 1838 aus Bauernhufen herausgelöst und als Parzellen an freie Arbeiter, sowohl Mietseinwohner (Einlieger) als auch Häusler, zu günstigen Konditionen in Zeitpacht weggegeben wurden. Die Einrichtung blieb in einzelnen Gemeinden teilweise bis 1945 bestehen. Den Kreis der Berechtigten und die Pachtkonditionen festzulegen oblag ab 1921 der Gemeinde.
Glossar
425
Erb- oder Zeitpächter Inhaber einer Erb- oder Zeitpachthufe.
Erb- oder Zeitpachthufe In Erb- oder Zeitpacht weggegebene „Bauernhufen, die nach den für die Domanialverwaltung bestimmten Grundsätzen auf mindestens 137 ½ bis höchstens 350 Scheffel Aussaat bonitiert“ waren.3
Feldmark Gesamtheit der zu einer Gemeinde gehörenden Grundstücke an Ackerland, Wiesen, Weiden, Waldungen etc.
Fleckengemeinde Ursprünglich Marktflecken, die ihre „frühere Bedeutung verloren“ und zu „ländlichen Ortschaften [...], die einen gewissen städtischen Anstrich hätten“, geworden waren.4 In Mecklenburg-Schwerin gab es fünf domaniale und eine ritterschaftliche Fleckengemeinde (Dargun, Dassow, Lübtheen, Neukloster, Zarrentin und Klütz). Sie blieben als Sonderform zwischen Stadt- und Landgemeinde bis 1938 von Bestand.
Gut Wirtschaftsbetrieb, um den sich eine ländliche Siedlung lagert. Zur Gutsanlage gehörten in der Regel das Herrenhaus, Ställe, Scheunen und Gesindehäuser. Grund und Immobilien der Siedlung standen im Eigentum des Wirtschaftsbetriebs und dessen Besitzers.
Häusler Nutznießer eines in Erbpacht weggegebenen Hausgrundstücks mit Hof und Garten, das einen Umfang von zwei bis fünf Hektar annehmen konnte. Ab 1842 wurden im Domanium verstärkt Häuslerstellen geschaffen.
Hintersassen Sammelbegriff für vom Grundherrn abhängige, „hinter ihm sitzende“ Personen, die entweder persönlich frei und nur zu Dienst- und Sachleistungen verpflichtet waren oder halb- und unfrei in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Grundherrn standen.
Hof (auch Pachthof ) Wirtschaftsbetrieb mit dazugehöriger ländlicher Siedlung, der im Besitz der Domanial-, Kloster- oder Stadtverwaltung stand und von dieser in Erb- oder Zeitpacht weggegeben wurde. Zum Hof gehörten in der Regel das Herrenhaus, Ställe, Scheunen und Gesindehäuser.
3 Ebenda. 4 1. Lesung der Landgemeindeordnung. Berichterstatter: Abgeordneter Gladischefski, in: Verfassunggebender Landtag, Drucksache Nr. 349.
426 Anhang Hofeingesessene Auf dem Hof lebende Personen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Pächter standen.
Kreisleiter der NSDAP Funktionär, dem die „Sicherung des Einklangs der Gemeindeverwaltung mit der Partei“ oblag und der bei der Ernennung der Bürgermeister entscheidend mitwirkte. Der Kreisleiter wurde durch den Gauleiter ernannt. Für den Fall, dass der Kreisleiter hauptamtlich in der Gemeinde tätig war, übernahm dessen Aufgaben der Gauinspektor bzw. Gaubeauftragte.5
Landschaft Die Gesamtheit der Städte als ständisches Korps. Zur Landschaft des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin gehörten 42 Städte. Innerhalb der Landschaft wurde zwischen den beiden Seestädten Rostock und Wismar – das nach der Besetzung durch die Schweden 1648 erst seit dem 1. Juli 1897 wieder zum landständischen Verband gehörte –,6 den Vorderstädten Güstrow, Parchim und Neubrandenburg sowie den übrigen Landstädten unterschieden. Die Landschaft wurde 1918 als öffentlich-rechtliche Korporation aufgehoben. Um ihre Interessen im Rahmen der neuen Landesverfassung zu wahren, schlossen sich die Städte zum Mecklenburgischen Städtetag zusammen.
(Landesherrlicher) Kommissar für die ritterschaftlichen Landgüter in den Aushebungsbezirken Staatlicher Beamter, der ab August 1914 die obrigkeitlichen Rechte auf den ritterschaftlichen Gütern wahrnahm, deren Besitzer zum Militärdienst eingezogen worden waren und keinen Vertreter bestellt hatten. Die Ernennung eines Kommissars in Fällen, in denen der Gutsbesitzer die ihm zustehenden obrigkeitlichen Rechte durch Abwesenheit oder ausschließende Bestimmungen nicht wahrnehmen konnte bzw. durfte, oblag der großherzoglichen Verwaltung schon vor 1914. Ein eigenes Amt dafür existierte jedoch bis dato nicht. Die Einrichtung blieb bis 1921 von Bestand.
Landdrost Bis 1921 höchste Amtsbezeichnung eines leitenden Beamten der mittleren großherzoglichen Domanialverwaltung. Nach Einführung der Landgemeindeordnung Amtsbezeichnung des Vorsitzenden der Landdrostei.
5 Allgemeine Richtlinien für die Beauftragten der NSDAP in der Gemeinde, in: RMBliB, 1936, Nr. 50, S. 1552–1553; Verordnung zur Ausführung des § 118 der Deutschen Gemeindeordnung, 26.03.1935, in: RGBl. T. 1, Nr. 37, 30.03.1935, S. 470. 6 Vgl. Schlesinger: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 71–72. Dort heißt es: „Da [...] die beiden Seestädte und Wismar den übrigen Städten (Landstädten) gegenüber in mancher Beziehung eine bevorrechtigte Sonderstellung einnehmen, wird auch bisweilen der Ausdruck ‚Landschaft‘ so gebraucht, dass darunter nur die Gesamtheit der Landstädte verstanden wird. Soweit nicht die Sonderrechte der Seestädte in Frage stehen, zählen aber auch die Seestädte mit zur Landschaft.“
Glossar
427
Landdrostei Territoriale Verwaltungseinheit und Behörde. Ihre Grundlage bildete ein Gemeindeverband. Mecklenburg-Schwerin war von 1921 bis 1925 in 17, von 1926 bis 1928 in zehn Land drosteibezirke eingeteilt. Bis 1924 gab es sieben, ab 1925/26 vier Geschäftsnebenstellen. Den Landdrosteien oblagen im Gegensatz zu den Ämtern staatliche Aufgaben, u. a. die Verpachtung der Domänen, die Polizei- und Schulverwaltung. Die ihnen übertragenen Aufgaben wurden nach und nach an die Ämter bzw. an andere Behörden abgegeben. Die Landdrosteien bestanden bis 1928.
Magistrat Bis 1919 Bezeichnung der städtischen Ortsobrigkeit. Zusammensetzung und Rechte der zumeist kollegial organisierten Gremien variierten von Stadt zu Stadt.
Pertinenz Zu einem Gut gehörige, jedoch eigenständige Ortschaft. Zumeist handelte es sich um Bauernkolonien oder Nebengüter.
Rat Zwischen 1919 und 1934 Bezeichnung für das höchste Organ der städtischen Selbstverwaltung. Der Rat bestand aus dem Bürgermeister und einer durch Ortssatzung festzulegenden Zahl an besoldeten und unbesoldeten Stadträten. Sie wurden durch die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Der Bürgermeister konnte jedoch auch direkt gewählt werden. Der Rat verwaltete das städtische Vermögen und führte in Abstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung die Geschäfte der Stadt.
Rittergut Lehnbares oder allodifiziertes Landgut, an das staatsrechtliche Befugnisse gebunden waren. Neben obrigkeitlichen zählten hierzu auch politische Rechte, u. a. die Teilnahme am ständischen Landtag. Wurden bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt, ruhten diese, d. h. sie wurden den Eigentümern nicht verliehen bzw. entzogen.
Ritterschaft Die Gesamtheit der Rittergutsbesitzer als ständisches Korps. Zur Ritterschaft des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin gehörten etwa 600 sogenannte landstandsfähige Güter. Die Ritterschaft wurde 1918 als öffentlich-rechtliche Korporation aufgehoben. Einzelne Einrichtungen wie etwa der Ritterschaftliche Kreditverein blieben bis 1945 von Bestand.
Schulze Bis 1934 Bezeichnung für den Vorsteher einer ländlichen Gemeinde. Bis 1918 wurden Schulzen nur in den Dorf- und kombinierten Hof- und Dorfgemeinden des Domaniums eingesetzt. Sie übten ihr Amt im Auftrag der Grundherrschaft, d. h. der großherzoglichen Domanialverwaltung aus. Ihnen oblagen u. a. die Armenfürsorge und die Polizeiverwaltung. Mit dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung 1921 wurde das Amt zu einem Wahlamt und in allen Landgemeinden eingeführt. Die Wahl konnte direkt (bis 1933) oder durch die Gemeindeversammlung erfolgen, der der Schulze angehören musste. Ihm oblagen sowohl Aufgaben der allgemeinen Landesverwaltung als auch der kommunalen Selbstverwaltung. Zwischen
428 Anhang 1934 und 1945 wurde der Schulze als Bürgermeister bezeichnet und – unter maßgeblicher Mitwirkung des Kreisleiters der NSDAP – staatlich ernannt.
Tagelöhner Grundbesitzloser Landarbeiter, der gegen Lohn oder ein Deputat auf den Gütern und Höfen beschäftigt wurde.
MICHAEL BUSCH
MACHTSTREBEN – STANDESBEWUSSTSEIN – STREITLUST LANDESHERRSCHAFT UND STÄNDE IN MECKLENBURG VON 1755 BIS 1806 (QUELLEN UND STUDIEN AUS DEN LANDESARCHIVEN MECKLENBURG-VORPOMMERNS, BAND 13)
Mit dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 war es der Ritterschaft und den Städten Mecklenburgs gelungen, schriftlich fi xierte Rechtssicherheit und politische Kompetenzen zu erlangen, wie sie Landstände wohl in keinem anderen Territorium des Alten Reiches erreichen konnten. Bisher fehlte eine Untersuchung zur Geschichte von Ständen und Landesherrschaft in Mecklenburg nach diesem einschneidenden Datum, das vorkonstitutionelle Zustände über das Ende des Alten Reiches bis 1918 festschrieb und einen einmaligen Sonderfall der deutschen Geschichte darstellt. Die größtenteils auf ungedrucktem Quellenmaterial basierende Monografie schließt somit auch eine Forschungslücke zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches. 2013. 481 S. 2 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-412-20957-5
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