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German Pages 192 [193] Year 2013
Für Christophe, Entdecker neuer Welten, und im Gedenken an Frauke, die den Weg gewiesen hat.
Stefan Rinke
Kolumbus und der Tag von Guanahani 1492: Ein Wendepunkt der Geschichte
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Umschlaggestaltung: Stefan Schmid, Stuttgart unter Verwendung folgender Abbildung: akg-images Erste Landung des Kolumbus (Guanahani, 12. Oktober 1492). – Kupferstich von Theodor de Bry (1528–1598). Aus: H. Benzoni, Historien. In: America pars quarta, Frankfurt a. M. 1594 (4. Buch des de Bry'schen Reisewerks), Tafel 9. © 2013 Konrad Theiss Verlag GmbH Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Thomas Theise, Regensburg Kartografie: Peter Palm, Berlin Satz und Gestaltung: Primustype Hurler, Notzingen Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier ISBN 978-3-8062-2468-9 Besuchen Sie uns im Internet: www.theiss.de eBook (PDF): 978-3-8062-2813-7
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die erste Begegnung – Guanahani, 12. Oktober 1492 . . . 8 Umbruch in Zeit und Raum – ein Wendepunkt für „Entdecker“ und „Entdeckte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Die „Entdecker“ – neue Welt, neue Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Die anderen „Entdecker“ und die Boten aus dem Totenreich . . . . . . 20
Getrennte Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Amerika vor Kolumbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Anfänge und frühe Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Indigene Kulturen bis zum Kontakt mit den Europäern (ca. 900–1540) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Der Kontaktraum – die Karibik bis 1492 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Kannibalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Die Europäer und der mythische Westen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Die Säulen des Herakles – Träume von Ruhm, Reichtum und Heil . 46 Die Erkundungsreisen der Portugiesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Die spanischen Nachzügler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Der kürzeste Weg nach Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Zwei Welten prallen aufeinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Poker vor dem Weg nach Westen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Ein Mann aus Genua . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Reisevorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Die „Capitulaciones“ von Santa Fé vom 17. April 1492 . . . . . . . . . . . . . 74 Das Quellenproblem I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Die nicht enden wollende Überfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Die Begegnung mit dem Unbekannten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Das Quellenproblem II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Der Triumph des Kolumbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Die Anfänge des europäischen Kolonialismus . . . . . . . . . 103 Die Aufteilung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Das große Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Erkundungen und Eroberungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Der Aufbau der Kolonialreiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
„Das größte Ereignis nach der Erschaffung der Welt …“ 131 Neue Weltwahrnehmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Die Kartierung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 „Amerika“ und nicht „Kolumbia“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Edle Wilde oder Degenerierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Zwischen zwei Jubiläen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Das Ereignis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Wie wäre die Geschichte ohne den „Tag von Guanahani“ gelaufen? . . . 158 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Karten Besiedlung Amerikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Vorkolumbische Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Toscanellis Weltkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Kolumbus’ erste Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Die ersten europäischen Siedlungen in Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Vorwort Dieses Buch hat eine ungewöhnliche Vorgeschichte. 2010 bat mich Herr Müller, Programmleiter beim Theiss Verlag, einen Band zur „Entdeckung Amerikas“ für die Reihe „Wendepunkte der Geschichte“ zu schreiben. Dafür gab es klare Formatvorgaben und ein Gliederungsschema, von dem möglichst wenig abgewichen werden sollte. Ich ließ mich darauf ein, da Herr Müller seinerseits dazu bereit war, meine von traditionellen Interpretationen abweichende Darstellung zu akzeptieren. Als das Buch dann fertig war, gab es die Reihe „Wendepunkte“ nicht mehr. So machte ich mich auf Bitten Herrn Müllers daran, den Text nochmals zu überarbeiten und daraus ein „unabhängiges“ Buch zu machen. Das gab die Möglichkeit, Abbildungen und Quellenbelege einzufügen. Nach reiflicher Über legung habe ich mich entschlossen, das fiktive Eingangskapitel und den ebenso fiktiven Epilog, die im Wendepunkte-Konzept vorgesehen waren, zu belassen, denn die Arbeit des Historikers und die des Schriftstellers sind eng verwandt. Mein Dank gilt den Teilnehmer/innen unseres Colloquiums zur Geschichte Lateinamerikas sowie des Internationalen Graduiertenkollegs „Zwischen Räumen“ am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin für ihre Kritik, meinen studentischen Hilfskräften Karina Kriegesmann, Kevin Niebauer und Carla Russ sowie den Mitarbeiter/innen der Bibliotheken, die ich konsultiert habe, insbesondere denen des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin. Gewidmet ist dieses Buch meinem Patenkind Christophe Siewert, dessen Entdeckungsreisen jetzt erst richtig beginnen, und meiner Freundin und Kollegin Frauke Gewecke, die uns mit ihren Arbeiten die Richtung gewiesen hat, deren Reise aber leider viel zu früh zu Ende ging. Berlin, im Herbst 2012
Stefan Rinke
Die erste Begegnung – Guanahani, 12. Oktober 1492 ■■
Sie hatten das riesige Etwas über das Meer auf ihre Küste zukommen sehen. Zuerst hatten sie sich gefürchtet, doch die Neugier war stärker. So etwas hatten sie hier auf Guanahani noch nie gesehen. Dann hielt das Ungetüm auf dem Wasser an und ließ Kanus zu Wasser, die sich langsam näherten und in der Morgensonne glitzerten. Was konnte das sein?1 ■
Durch die Gischt sind die „Pinta“ und die „Niña“ kaum noch zu erkennen. Sturm ist aufgekommen, nachdem die Reise bisher erstaunlich ruhig verlaufen war. 35 Tage liegen hinter ihnen, seit sie am 6. September 1492 auf La Gomera in See gestochen sind. Die Zeit war unendlich langsam vergangen. Seit Wochen musste er den skeptischen, zunehmend ungehaltenen Blicken der Besatzung standhalten. Viele der Männer hatten ihm, dem großen Fremden mit der Adlernase, den blauen Augen und dem rötlichen Haar, der sich Colón – der Kolonisator – nennen ließ, von Anfang an misstraut. Die erfahrenen Seeleute wissen von den Misserfolgen der Portugiesen auf ihrer Suche nach einem westlichen Seeweg nach Indien. Wieso sollte es nun ausgerechnet ihnen gelingen? Haben sie nicht viel weniger Erfahrung als ihre portugiesischen Nachbarn, die schon bis tief in den Süden Afrikas vorgedrungen sind? Die fuhren wenigstens immer der Küste entlang, sie aber segelten wochenlang über unbekannte Meere, ohne Land zu sehen. Ist es nicht mittlerweile zur Gewissheit geworden, dass die Entfernung nach Indien auf dem westlichen Seeweg viel größer ist, als er behauptete? Warum nur haben sie sich auf das riskante Unternehmen eingelassen? Er vernimmt das Murren. Vor Kurzem hatte sich die Lage bedrohlich zugespitzt – fast wäre es zu einer Meuterei gekommen. Jetzt aber ist die Wende nah, das Aufatmen der Leute förmlich zu spüren. Am Flaggschiff war eine grüne Binse vorbeigetrieben. Von der „Niña“ aus wurde ein Ha-
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Die in der Basler Ausgabe des Kolumbus- Briefes von 1494 abgebildete Karavelle war der Standardschiffstyp bei den iberischen Entd eckungsfahrten. Das Flaggschiff des Genuesen, die „Santa Maria“, war jedoch eine Nao. Die Grafik hatte bereits zuvor in einem anderen Werk Verwendung gefunden.
gebuttenzweig gesichtet, und auf der „Pinta“ haben sie sogar einen Holzstock aus dem Wasser gefischt, der wie von Menschenhand bearbeitet aussieht. Das ersehnte Indien kann nicht mehr weit sein. Es kann nicht mehr lange dauern, bis endlich der Ruf erschallt: Land in Sicht! In dieser Nacht meint er in der Ferne ein schwaches Licht zu erkennen. Der königliche Truchsess Pedro Gutiérrez sieht es auch, als er es ihm zeigt. Dann verschwindet es wieder – nach all den Enttäuschungen traut er sich nicht, es zu verkünden. Schließlich hatten sie es bei Strafe verboten, die ersehnte Nachricht vorschnell auszurufen. Die Versuchung war groß, denn es ging um zehntausend Maravedís Jahresrente, die seine königlichen Auftraggeber demjenigen als Belohnung versprochen haben, der als Erster Land entdeckt. Nun aber ermahnt er die Männer, besonders gut aufzupassen, und setzt aus eigener Tasche ein seidenes Wams als zusätzlichen Preis aus. Endlich, um zwei Uhr morgens, sichtet der Seemann Rodrigo de Triana von der „Pinta“ aus Land. Der Jubel ist unbeschreiblich, Dankgebete allenthalben. Am Freitag, dem 12. Oktober 1492, erreichen sie nach Sonnenaufgang eine Insel. In der Ferne sahen sie auch Menschen am Strand, offenkundig nackte Wilde. So ähnlich muss es vor langer Zeit den ersten Christen auf den Kanarischen Inseln ergangen sein. Ist es auch hier gefährlich? Die Inder dort am Strand sehen eigentlich nicht so aus. Vorsichtshalber setzen sie mit einem bewaffneten Boot über. Es begleiten ihn die Kapitäne der beiden anderen Schiffe, Martín Alonso Pinzón und dessen Bruder Vicente Yáñez Pinzón. Gemeinsam gehen sie mit einigen Männern an
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Guanahani
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(San Salvador Insel/Watling Island) S
Atlantischer Ozean
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6 km
© Theiss Verlag/Peter Palm
Atlantischer Ozean
Karte von Guanahani
Land. Colón trägt das königliche Banner, die beiden Kapitäne tragen zwei Fahnen mit den Initialen ihrer Majestäten. ■■
Waren das die grausamen Caniba aus dem Süden, die Männer verspeisten und Frauen verschleppten? Oder waren die Zemis mit der aufgehenden Sonne gekommen, und wenn ja, was wollten sie? Sollte man sie begrüßen und ihnen Geschenke bringen, vielleicht die besten Tonwaren? Sollten sie sie in ihr Dorf einladen und mit Fisch und Maniok bewirten? Als Kazike trug er die Verantwortung. Er beschloss, dass sich zunächst nur die jungen starken Männer vorsichtig den fremden Wesen nähern sollten. Die Kreaturen erreichten den Strand und entstiegen schwerfällig ihrem Boot. Sie bewegten sich wie Menschen, hatten Arme, Beine, Augen und Münder, die in fremden Zungen sprachen. Sie sahen ganz anders aus als alle, die je übers Meer zu ihnen auf die kleine Insel gekommen waren. Ihre Gesichter waren dunkel, und ihre Leiber waren nicht zu erkennen, denn sie hatten sich scheinbar ganz verhüllt. Sie hatten keine Ähnlichkeit mit den Zemis, die sie kannten, aber vielleicht hatte Yaya sie dennoch
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geschickt. Bald sammelten sich die Wesen um einen, der ein großes Tuch mit einem Kreuz darauf trug. Er war größer als die anderen, und seine Haut war heller. Außerdem gestikulierte er wild und sprach laut. Er musste der Anführer sein. ■ Er hatte es geschafft. Der westliche Seeweg nach Indien war gefunden, so wie er es vorausgesagt hatte. Er hatte sich nicht getäuscht. Das ist gewiss eine der zahllosen Inseln, die auf seiner Karte verzeichnet waren, dem Festland vorgelagert und herrenlos, da nur von Wilden bewohnt. Inmitten seiner Männer und der königlichen Beamten nimmt er im Namen König Ferdinands und Königin Isabellas feierlich von der Insel Besitz. Es gibt ausreichend Zeugen, und kein Inder erhebt Widerspruch. Der Akt ist damit rechtmäßig. Endlich bekommt auch der Notar etwas zu tun. Alle Handlungen müssen penibel dokumentiert und verbrieft werden, um gültig zu sein. Es darf kein Fehler passieren, denn den Portugiesen war nicht zu trauen. Hatten sie ihnen nicht schon bei den Kanaren aufgelauert? Er gibt der Insel einen Namen, tauft sie auf den Erlöser, San Salvador, der sie in seiner großen Gnade hierher geführt hatte. Damit hat er sich die von den Majestäten versprochenen Ehrentitel verdient. Voller Stolz blickt er auf die versammelten Männer, die ihm etwas verschämt huldigen. Die Genugtuung ist groß. Er hat es ihnen allen gezeigt, und Gott hat ihn geführt. Daran besteht kein Zweifel mehr. Nun ist er rechtmäßig Admiral. Der Moment der Begegnung am Tag von Guanahani ist seit mehr als 500 Jahren immer wieder Gegenstand bildlicher Darstellungen gewesen. Eine der ersten Abbildungen dieser Art stammt aus der Basler Ausgabe des Kolumbus-Briefs von 1494. Sie zeigt die Indigenen als ängstlich, nackt und freigebig einen Goldklumpen darbietend, während die Spanier mit den Symbolen der Herrschaft auf sie stoßen. Hintergrund und Vegetation entsprechen dem, was man seinerzeit in Mitteleuropa kannte. Die mit Rudern bestückte Galeere im Vordergrund entstammte – spiegelverkehrt – einem Werk von 1486.
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Offenbar kamen sie in friedlicher Absicht, denn die Fremden griffen nicht an. Sie trugen Waffen aus unbekanntem Material, das er zuvor noch nie gesehen hatte. Vorsichtig näherte er sich mit seinen Männern den Ankömmlingen. Zum Zeichen des Friedens ließen sie die Macanas zurück. Unbewaffnet werde ich mich ihnen nähern und ihnen wertvolle Geschenke machen, um sie freundlich zu stimmen, dachte er und schickte einen Mann zum Dorf zurück, um die Gegenstände zu holen. Eine der Frauen sollte ihm tragen helfen. Die Fremden verstanden die Geste und überreichten ihrerseits fremdartige Dinge, die einen, die sie auf dem Kopf trugen, aus weichem Stoff, die anderen hart und durchsichtig. Man konnte sie als Schmuck um den Hals tragen. Wieder andere erzeugten einen hellen Klang. Das Staunen der Lukku-Cairi nahm kein Ende. Der Kopfschmuck war rot wie der gegen alles Böse schützende Kot der Regenbogenschlange, mit dem sie ihre Körper bemalten. Die Töne der unbekannten Dinge ähnelten denen der Maracas der Schamanen, und sie waren gelb und hart wie das Guanín, das aus der Ferne kam. Nur er, der Kazike, konnte sich damit schmücken, um Krankheiten abzuwehren. Die Fremden zeigten großes Interesse an seinem Guanín; sie waren geradezu verrückt danach und wollten unbedingt wissen, wo der Schmuck herkam. Daraufhin erzählte er den Fremden vom Totenreich Coaybay und vom Vorvater Guahayona. Vielleicht kamen die Fremden selbst vom Reich der Toten und waren von den Zemis geschickt. ■
Zemis waren symbolische Repräsentationen des Göttlichen und der Welt der Toten. Typischer steinerner Zemi in Dreiecksform aus der Dominikanischen Republik.
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Der spanische Historiker Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Karibik lange Jahre mit unterschiedlichen Verwaltungsaufgaben betraut war, hinterließ mit seiner „Historia general“ eine der wichtigsten Chroniken der Konquista, die er mit einigen Handzeichnungen – hier ein Kanu – anreicherte.
Nun ist es Zeit, sich die Wilden genauer anzusehen. Sie sind jung, gut gewachsen, haben dickes, schwarzes Haar und braune Haut wie die Kanarier. Kein Wunder, denn sie leben auf demselben Breitengrad wie die Insel Hierro. In Afrika und damit im portugiesischen Machtbereich befindet er sich gewiss nicht. Ebenso ursprünglich und anmutig wie die Landschaft sind die Bewohner. Fürwahr, das irdische Paradies konnte nicht mehr weit sein. Ihre Stirnen sind seltsam flach, und einige haben sich Gesicht und Körper bemalt. Ansonsten sehen alle gleich aus. Er lässt den Indern wertloses buntes Zeug geben: Mützen, Glasperlen, Glöckchen, Messingschnallen – und die sind hingerissen. Sind das nun Menschen oder doch eher Tiere? Schließlich laufen sie herum, wie Gott sie erschaffen hat. Auch eine Frau, die er unter ihnen sieht, ist bis auf ein Stirnband unbekleidet. Immerhin geben sie, was sie haben. Im Lauf des Tages bringen die Inder ihnen Papageien, Baumwolle, Töpfe, kleine Figuren aus Holz und Stein und anderes mehr. Obwohl sie sehr arm erscheinen, sind sie doch freigebig. Wie kunstvoll sie ihre einfachen, aus einem einzigen Baum gemachten Boote zu steuern wissen und welche Geschwindigkeit sie erreichen. Die Barbaren sind gutmütig und arglos. Sie freuen sich über jede noch so wertlose Kleinigkeit, die seine Männer ihnen geben, sogar über Glas-
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scherben. Er muss die Mannschaft ermahnen, die Fremden nicht zu sehr übers Ohr zu hauen. Bis auf harmlose Spieße mit lächerlichen Spitzen aus Fischzähnen sind die Eingeborenen unbewaffnet. Als er ihnen die spanischen Waffen zeigen lässt, schneiden sie sich am scharfen Eisen, das sie gar nicht kennen. Sie sind ängstlich und lassen sich von jedem kleinen Späßchen erschrecken. Mit einer Handvoll Soldaten könnte man sie leicht allesamt zu Sklaven machen. Es ist gar nicht nötig, hier eine Festung zu bauen, wie er zunächst erwogen hatte. Das bestätigt die Erkundungstour, die er am folgenden Tag entlang der Küste unternimmt. Überall kommen Inder an den Strand gelaufen, werfen sich auf den Boden Der Frankfurter Kupferstecher Johann Theodor de Bry schuf an der Wende vom und bitten, an Land zu kommen. Be16. zum 17. Jahrhundert die zweifellos stimmt halten sie die Spanier für Götwirkungsmächtigsten Illustrationen der ter, die direkt vom Himmel gekomEntdeckung und Eroberung. Sein Stich zur Ankunft des Kolumbus auf Guanahani men sind. Ja, diese Inder sind einfälhat sich in das Bildgedächtnis vieler Generationen eingebrannt. tig, aber doch aufgeweckt genug, um
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gute Diener und Arbeitskräfte zu sein. Außerdem wird man sie leicht bekehren können, denn sie gehören offensichtlich keiner Sekte an. Das alles ist doch vielversprechend, denkt er bei sich. Das ist zwar noch nicht Cipangu, so viel steht fest. Auch sind hier kaum große Schätze zu heben, und trotzdem: Es lässt sich gut an. Die Insel ist fruchtbar, es gibt Baumwolle und geeignete Arbeitskräfte. Die erhofften großen Goldvorkommen haben sie nicht gefunden, doch immerhin tragen einige Inder Goldschmuck an der Nase. Auf seine Frage, wo das herkommt, weisen sie übers Meer nach Südwesten, weigern sich aber, ihn dorthin zu begleiten. Er will schnellstmöglich weiterfahren, um noch mehr Länder in Besitz zu nehmen und nach der Quelle des Goldes zu suchen. Er wird einfach ein halbes Dutzend Inder mitnehmen, die ihm als Führer dienen und richtig sprechen lernen sollen. Nicht einmal der Neuchrist Luis de Torres, den sie als Dolmetscher dabei haben, weil er Hebräisch und Arabisch kann, versteht das Kauderwelsch. Später konnten die Inder von großem Nutzen sein. Er will sie nach seiner Rückkehr am Königshof vorzeigen. „Die werden Augen machen“, denkt er und reibt sich die Hände. ■■
Die fremden Wesen verschwanden so überraschend, wie sie gekommen waren. In der Nacht des dritten Tages müssen sie sich aufgemacht haben, ohne dass es seine Leute bemerkt haben. Die meisten Lukku-Cairi waren überzeugt, dass die Ankömmlinge göttliche Wesen sind, und hatten sich vor diesen niedergeworfen. Die Schamanen hatten es so gedeutet und gesagt, die Fremden kämen aus dem Totenreich. Er war da nicht so sicher. Die kunstvoll geschnitzten Zemis, die er ihnen geschenkt hatte, hatten die Fremden jedenfalls nicht als Abbilder erkannt. Die noch nicht verheilte Wunde in seiner Hand erinnerte ihn daran, dass sie gefährlich waren. Ihre Gier nach den glänzenden Guaníns, ihre derben Späße und ihre Drohgebärden – all das schien ihm sehr menschlich zu sein. Doch konnten Zemis ja auch als Menschen in ihrer Welt auftauchen, das wusste er. Nun waren sie jedenfalls fort und hatten sechs seiner Männer mitgenommen. Die Frauen jammerten und wollten sie wiederhaben. Er aber hoffte insgeheim, dass man die riesigen Schiffe in Guanahani niemals wiedersehen wird. Soll der Hurrikan sie verschlingen. Wenn sie tatsächlich Gesandte der Zemis waren und die sechs Männer der Tribut, den diese forderten, dann sollten sie sie ruhig behalten. Sollten die Fremden aber wieder bei ihnen landen, würde er sie nach Coaybay zurückschicken. Er wusste, wie man das macht. ■
Umbruch in Zeit und Raum – ein Wendepunkt für „Entdecker“ und „Entdeckte“ Kaum ein Ereignis der Weltgeschichte galt in Europa jahrhundertelang unumstrittener als historischer Wendepunkt als die Entdeckung Amerikas. Doch was so überzeugend klingt, wird bei genauerem Hinsehen zweideutig. „Entdeckung“ meint etwas völlig Neues, doch die Wikinger waren schon rund fünfhundert Jahre zuvor an der nordamerikanischen Küste gelandet.2 Die Bezeichnung „Amerika“ gab es 1492 noch gar nicht. Sie geht von einer räumlichen Einheit aus, die Kolumbus zeit seines Lebens nicht erkannte und die seinen Zeitgenossen eigentlich erst mit der Veröffentlichung des Reiseberichts „Mundus Novus“ („Die Neue Welt“) von Amerigo Vespucci richtig klar wurde. Was eine geschichtliche Zäsur oder gar ein Epochenumbruch ist, hängt von der Perspektive des Betrachters ab. Menschen definieren bestimmte Ereignisse als Wendemarken, um damit Periodisierungen in ihrem Leben oder im Leben ihrer Gemeinschaft festzulegen. Diese Zeiteinteilungen ergeben einen Sinn, ein Weltbild, das sich aus den Notwendigkeiten und dem Wertesystem derjenigen erklärt, die es konstruieren. Seit der Entstehung der professionellen Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert sind das zumeist die an europäischen Konventionen und am Nationalstaat orientierten Historiker. Die uns bekannten Epocheneinteilungen, die sie getroffen haben, resultieren aus spezifischen Ursachen. Die Motive dafür darf man nicht einfach als gegeben hinnehmen, sondern muss sie immer wieder hinterfragen, denn der Wendepunkt der einen muss nicht unbedingt für alle Zeitgenossen gleichermaßen gültig sein, auch wenn die Europäer gerade seit 1492 ihren Willen zur Beherrschung der Welt mit dem Drang zur Beherrschung der Weltbilder verbanden.3
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Die „Entdecker“ – neue Welt, neue Zeit Kolumbus ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass seinen Entdeckungen überragende Bedeutung zukam. Schon in dem Brief, den er auf der Rückreise 1493 an seinen Förderer, den königlichen Schatzmeister Luis de Santángel, schrieb, stellt er seine Tat als gottgewollten, weit über seine Zeit hinausweisenden Sieg für die ganze Christenheit hin, der dar über hinaus Reichtum und Wohlstand mit sich bringen würde. So schrieb er: ■■
… lasset uns alle, König und Königin, alle Fürsten und deren blühende Reiche sowie alle anderen Länder der Christenheit dem Heiland, unserem Herrn Jesu Christ Dank sagen, da er uns solchen Sieg und solche Gnade schenkte. Lasst Prozessionen durch die Straßen ziehen, lasst feierliche Messen feiern und mit festlichem Laube bekränzet die Tempel! Christus frohlocke auf Erden, wie er im Himmel frohlockt, da er voraussehen kann, wie vieler Völker bisher verlorene Seelen nun zur Rettung gelangen werden. Und auch wir wollen fröhlich sein, sowohl ob der ruhmvollen Erhöhung unseres Glaubens als auch wegen des Gewinnes weltlicher Güter, an denen nicht nur Spanien, sondern die gesamte Christenheit teilhaben wird.4 ■
Allerdings bemüht er sich noch, das absolut Fremde, das er mit eigenen Augen gesehen hatte, in seinen von der biblischen Heilsgeschichte geprägten Erwartungshorizont einzuordnen, und blieb damit dem traditionellen Denken verhaftet. Einige Jahre später, als die Dimension der Entdeckungen des Kolumbus erkennbar war, sprachen Zeitgenossen wie der berühmte Domini kaner Bartolomé de Las Casas von einer neuen und keiner anderen vergleichbaren Zeit.5 Dieses Bewusstsein, in einer neuen Zeit zu leben, war zunächst noch der Aktualität der von den Zeitgenossen selbst erlebten Ereignisse im Vergleich zu denen früherer Zeiten geschuldet und hatte noch nicht zur Folge, eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte daraus abzuleiten. Die Entdeckung einer für die Europäer neuen Welt als Beginn eines solchen neuen Zeitalters anzusehen, war eine Interpretation, die sich erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte verfestigte und zu Beginn des 18. Jahrhundert mit dem Werk von Christoph Cellarius im europäischen Geschichtsdenken erstmals zur heute allgemein bekann-
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ten Trennung in die großen Epochen Altertum, Mittelalter und Neuzeit führte.6 In der europäischen Version von Geschichte konnte 1492 so als Wendepunkt schlechthin erscheinen, als die Zäsur, die das vermeintlich dunkle Mittelalter vom Aufbruch des menschlichen Geistes in der Renaissance trennt.7 Wir wissen allerdings auch, dass Kolumbus nicht der erste Europäer war, der nach Amerika kam, sondern wahrscheinlich der Isländer Leif Eriksson rund fünfhundert Jahre zuvor.8 Aus Erikssons Entdeckung war jedoch kein die Zeiten überdauerndes Wissen erwachsen. Erikssons Erkenntnisse gingen wieder verloren, während Kolumbus den sich entfaltenden revolutionären Wandel in den Kommunikationsmedien durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im Europa seiner Zeit nutzte, um seine Taten zu vermarkten. Er stellte seine Erfolge bewusst in einen Zusammenhang mit dem Abschluss der Reconquista und mit der Vertreibung der Juden aus Spanien. So stand die Entdeckung nicht allein, sondern verband sich mit anderen wichtigen Geschehnissen des Jahres 1492. Denkt man über Spanien hinaus, muss man zahlreiche um das Jahr 1500 liegende, von Europa ausgehende Ereignisse wie die Entstehung des Behaim-Globus in Nürnberg, die weiteren Erkundungsreisen und insbesondere die Indienfahrt des Vasco da Gama auf dem östlichen Seeweg hinzuzählen.9 Durch den Wandel in vielen Bereichen und die Erfahrung des Neuen entstand der Eindruck einer zeitlichen Zäsur. Diesem Verständnis eines Umbruchs in zeitlicher Dimension entsprach die Zäsur in den räumlichen Vorstellungen, die der Tag von Guanahani für die Europäer nach sich zog. Doch auch diese Umbruchserfahrung musste sich erst durchsetzen. Kolumbus ahnte nichts von dieser räum lichen Dimension, denn seiner Überzeugung nach hatte er ja die erwarteten, Cathay – sprich: China – vorgelagerten Inseln entdeckt. Diejenigen, die ihm im nächsten Jahrzehnt folgten, erkannten jedoch recht schnell, › Die Vorstellung von der Überlegenheit Europas gegenüber den anderen Weltteilen stand im Mittelpunkt des eurozentrischen Weltbildes. Sie wurde im 17. Jahrhundert durch Allegorien wie jene auf dem abgebildeten Titelkupferstich von Matthäus Merian zu Johann Ludwig Gottfrieds Übersetzung der „Neuwe Archontologia Cosmica“ (Frankfurt a. M. 1646) von Pierre d’Avity bildlich dargestellt und verbreitet. Europa thront als Herrscherin auf der Weltkugel. Ihr entscheidendes Herrschaftsattribut ist die religio christiana. Amerika in Gestalt der India erscheint demgegenüber wie die anderen Erdteile in nackter Wildheit, devot zu Europa aufblickend. Die unterschiedlichen Grade der Nacktheit der Erdteil allegorien implizieren eine weitere Binnenhierarchisierung innerhalb des Bildes.
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dass Kolumbus sich geirrt hatte. Spätestens mit der Veröffentlichung von Vespuccis „Mundus Novus“ von 1502/03 stand der Kontinentalcharakter der entdeckten Gebiete fest, auch wenn es noch lange dauern sollte, bis dieses Wissen breitenwirksam wurde. Damit wandelte sich das europäische Weltbild entscheidend, wenngleich es durchaus an mittelalterliche Wissensbestände anknüpfen konnte.10 Durch die Entdeckung taten sich völlig neue Räume auf. Bald war sogar die Machbarkeit der Erdumrundung bewiesen und damit die Grundlage für ein neues Weltbewusstsein geschaffen. Nach Kolumbus lösten empirische Beobachtungen schrittweise die antiken Mythen zur Erklärung des Neuen ab. 1492 trat mit den von Kolumbus neu entdeckten Ländern ein Erdteil in Austausch mit der nun plötzlich Alten Welt, die sich ihrerseits immer schneller vernetzte. Es kam zu Austauschprozessen zunächst über den Atlantik, später mit globalen Dimensionen. Europa schwang sich damit von einem bis dahin welthistorisch unbedeutenden Appendix der eurasischen Landmasse zu jenem „Westen“ auf, der in der Folgezeit Maßstäbe setzen konnte. Europäische Königreiche erhoben sich zu Kolonialherren über fremde und weit entfernt lebende Völker, die sie blutig unterdrückten und ausbeuteten. Wirtschaftliche Verflechtungen erlaubten den Handel mit fremdartigen Gütern, die das Leben teilweise grundlegend veränderten. Die Migration von Menschen unterschiedlicher Erdteile – manche freiwillig, viele gezwungenermaßen – ließ neuartige Bevölkerungen entstehen. Mit den Menschen kamen Tiere, Pflanzen und Krankheitserreger. Mit dem europäischen Ausgreifen nach Amerika verbreitete sich auch das Christentum als Weltreligion und konnte im Wettbewerb mit dem Islam Boden gutmachen. Die Kontakte und Begegnungen veränderten dabei nicht nur die direkt Beteiligten. Zweifellos war der Tag von Guanahani aus europäischer Sicht ein Wendepunkt der Geschichte. Die anderen „Entdecker“ und die Boten aus dem Totenreich Galt dies aber auch für die „Entdeckten“, die uns im Gegensatz zu Kolumbus keine schriftliche Überlieferung der Ereignisse hinterließen? Nicht nur das Problem der fehlenden schriftlichen Quellen hat dazu geführt, dass die Indigenen jahrhundertelang nur als passive Objekte der europäischen Tatkraft galten und keine eigene Stimme hatten, dass sie sozusagen
D i e „ E n t d e ck e r “ – n e u e W e lt , n e u e Z e i t 21
ein Teil der Wildnis waren, den es zu verdrängen galt. Ein zentraler Bestandteil des neuen, mit der Entdeckung entstehenden Weltbildes der Europäer war, dass sie sich als Zentrum und als Herren der Welt verstanden.11 Es ist ein Verdienst der archäologischen und ethnohistorischen Forschung, dass man die Perspektive der Indigenen heute differenzierter wahrnehmen kann, dass die fiktive Rekonstruktion der Gedankenwelt eines Lukayer-Kaziken im Mo ment des ersten Zusammentreffens mit den Europäern, wie sie gerade angestellt wurde, heute eher möglich erscheint, wenn sie auch ein Wagnis bleibt. Lange galt die Annahme europäischer Wissenschaftler, dass die Indigenen die Ankunft der Europäer als Rückkehr der Götter betrachteten und so in ihre messi anischen Prophezeiungen einordneten. Grundlage dafür war die Auffassung, dass indigene Gesellschaften „traditionell“ und daher unfähig waren, das Fremde rational zu deuten. Dass man dabei ein bestimmtes europäisches Verständnis von vernunftmäßigem Handeln zugrunde legte, wurde in der Regel nicht reflektiert; dass Kolumbus selbst diesem Maßstab in keiner Weise gerecht wurde, übrigens auch nicht. Neuinterpretationen der Quellen haben gezeigt, dass die Sachlage für viele Steinerner Kopf des Maquetaurie Guayaba, Herr des Totenreichs (Puerto Rico).
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„entdeckte“ Völkerschaften anders ausgesehen haben dürfte. Die verschiedenen indigenen Ethnien reagierten durchaus pragmatisch auf das Neue und waren sehr wohl in der Lage, die Ankunft der Europäer einzuordnen, weil sie über historisches Wissen verfügten, auch wenn sie es anders von einer Generation zur nächsten weitergaben – in der Regel mündlich. Die Ankunft der Europäer war sicherlich für die meisten eine überraschende Erfahrung, aber das unvermutete Zusammentreffen mit kulturell unterschiedlichen und waffentechnisch überlegenen Fremden war gerade im karibischen Raum nichts Neues. Die Lukayer von Guana hani dürften die Fremden als Boten aus dem Totenreich angesehen haben, doch stand man diesen nicht hilflos gegenüber.12 Die indigenen Staatswesen auf dem Festland reagierten wieder anders und ganz unterschiedlich auf die europäischen Invasoren. Das lag nicht zuletzt daran, dass es sich um einen Prozess handelte, der 1492 zwar angestoßen wurde, sich aber über viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinzog. Aus einer indigenen Perspektive machte es einen wichtigen Unterschied, ob man Ende des 15. Jahrhunderts auf die ersten Entdecker stieß oder vierzig Jahre später die Eroberung des Inkareichs miterlebte, als sich der Kenntnisstand über die Neuankömmlinge aus Europa erheblich verändert hatte. Auch um 1570, als sich die iberischen Reiche konsolidiert hatten, waren die riesigen Räume Amerikas noch keineswegs flächen deckend erobert. Je nach historischem Kontext und kulturellem Hintergrund der so verschiedenartigen Völkerschaften, die ja erst Kolumbus mit dem Sammelbegriff „Inder“, indios, belegte, waren die Erfahrungen beim Zusammenprall mit den Europäern höchst unterschiedlich. Dennoch kann man auch für die indigene Bevölkerung mit Blick auf den 12. Oktober 1492 von einem Wendepunkt sprechen, schließlich markierte das Datum zweifellos den Beginn einer der größten demografischen Katastrophen der Menschheitsgeschichte. Invasionen, Fremdherrschaft und die Überlagerung von Kulturen und Reichen durch Neuankömmlinge prägten zwar bereits die vorkolumbische Geschichte – die Vorfahren der Lukayer und Taino, auf die Kolumbus in der Karibik traf, hatten einst selbst zuvor dort lebende Völker verdrängt –, doch mit den europäischen Eroberern und bald auch mit den afrikanischen Sklaven kamen völlig neue Herausforderungen auf die Menschen in Amerika zu. Grundlegender denn je sollte sich ihr Leben wandeln.
Getrennte Welten Wenn man den Tag von Guanahani heute immer noch als historischen Wendepunkt anerkennt, dann nicht zuletzt deshalb, weil der Zusammenprall der Kulturen für beide Seiten überraschend kam. Die Europäer und die zahlreichen Völkerschaften, die Kolumbus Indios nannte, lebten bis 1492 in getrennten Welten. Die Ausgangslage oder die – wenn man so will – unbewusste Vorbereitung auf das erste Treffen war jedoch sehr unterschiedlich.
Amerika vor Kolumbus Anfänge und frühe Kulturen Die Vorfahren der Menschen, die Kolumbus und seine Nachfolger antrafen, waren vor Urzeiten in die für sie neue Welt eingewandert. Das gilt mittlerweile als gesichert, denn dort haben sich bislang nur Überreste des Homo sapiens finden lassen. Allerdings wissen wir nicht genau, wann die Wanderungen sich abspielten, woher und auf welchem Weg die Menschen kamen. Diese Fragen sind wissenschaftlich nach wie vor umstritten. Ein Teil der Einwanderer kam zweifellos über eine eiszeitliche Landbrücke in der Beringsee aus Sibirien nach Alaska. Um den Ort Clovis im heutigen US-Bundesstaat New Mexico haben Archäologen Projektilspitzen von ca. 11 500 v. Chr. gefunden, die lange Zeit als die ältesten Nachweise menschlicher Existenz galten. Von diesem Fund wurde die These abgeleitet, dass die Migranten in der Folgezeit rasch weiter nach Süden gewandert seien und innerhalb der folgenden rund tausend Jahre bereits Feuerland erreicht hätten. Vielen Forschern erschien diese relativ rasche Verbreitung über den gesamten Doppelkontinent zweifelhaft. Seit 1997 hat sich daher die sogenannte Vor-Clovis-These durchgesetzt, deren Anhänger seit Jahrzehnten
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Besiedlung Amerikas
Nordpolarmeer
Grönland
Beringstraße
Baffin Bay
um 40 00 0
aus Sibirien
C v.
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aus Europa ?
NORDAMERIKA Missouri
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Clovis
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Calico-Gebirge
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Atlantischer Ozean
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Pazifischer Ozean
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über den Pazifik ?
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Pedra Furada
bedeutende Stätten Landbrücke Besiedlungsrichtung
Monte Verde
© Theiss Verlag/Peter Palm
SÜDAMERIKA
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behauptet hatten, dass die erste Besiedlung lange zuvor stattgefunden haben muss, ohne dafür gesicherte Anhaltspunkte zu haben. Mit der Datierung der Funde im chilenischen Monte Verde auf das Jahr 12 500 v. Chr. sind die Zweifel an dieser These im Wesentlichen ausgeräumt. Das be deutet, dass die Wanderungen entweder einige tausend Jahre vor der Clovis-Kultur stattgefunden haben oder dass es noch einen anderen Migrationsweg gegeben hat. Für letztere Version ist die Theorie von einer Besiedlung übers Meer von Südostasien und Ozeanien aus aufgestellt worden. Doch ist die Frage, ob die ersten Amerikaner unterschiedliche Ursprünge hatten oder ob es sich um eine einzige Einwanderergruppe gehandelt hat, aus der heraus sich über die Jahrtausende die so heterogenen Bevölkerungen und Kulturen entwickelten, bislang unbeantwortet.13 Bei den frühen Menschen in Amerika handelte es sich um Jäger und Sammler, die in erster Linie von der Megafauna lebten, doch starb diese mit dem Ende der Eiszeit ab ca. 10 000 v. Chr. aus. Fleischliche Nahrung stand vermutlich deshalb im Vordergrund, weil sie weniger Risiken barg als pflanzliche. Andererseits ging durch die Jagd die Zahl der Tiere zurück, so dass die Gruppen gezwungen waren weiterzuziehen. Die These, dass die Menschen am Aussterben der Megafauna durch Überjagung Schuld gewesen seien, wird heute zumeist abgelehnt. Die Forschung geht davon aus, dass diese Entwicklung vor allem auf den Klimawandel und Veränderungen der Vegetation zurückzuführen ist.14 Um das Jahr 8000 v. Chr. präsentierte sich Lateinamerika in seinen natürlichen Gegebenheiten im Großen und Ganzen so, wie wir es heute kennen. Diese Konstellationen und die archäologischen Funde lassen acht Großräume erkennen, die sich nord-südlich von Mesoamerika über ein Zwischengebiet aus Zentralamerika und dem nördlichen Südamerika, die Karibik, die Zentralanden, die Südanden, das tropische Tiefland und Ostbrasilien bis zum sogenannten südlichen Kegel (Cono Sur) erstreckten, der die heutigen Staaten Chile, Argentinien, Uruguay sowie Teile Südbrasiliens und Paraguays umfasst.15 In den meisten Regionen setzte nun der Prozess der Sesshaftwerdung ein, wenngleich die Funde in Monte Verde lehren, dass dies punktuell auch schon vorher der Fall gewesen ‹ Die frühe Besiedlung Amerikas wird in der Forschung nach wie vor rege diskutiert. Die grünen Pfeillinien auf der Karte bilden die wichtigsten Theorien dazu ab.
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war.16 Es lässt sich für diesen Zeitraum eine größere Bandbreite an Gerätschaften nachweisen – von Beilen bis zu Mahlwerkzeugen. Auch die Jagdmethoden wurden ausgefeilter. Die Jagd nach Seesäugetieren erforderte Boote, die die Besiedlung von Karibikinseln wie Trinidad (um 5000 v. Chr.) sowie Kuba und Hispaniola (um 3000 v. Chr.) – die Insel der heutigen Staaten Haiti und Dominikanische Republik – ermöglichten. Insgesamt kam es zur Entwicklung unterschiedlicher Kulturen. Entlang der Küsten sind Siedlungen mit Muschelhaufen entdeckt worden, die sich auf ca. 5000 v. Chr. datieren lassen. Hinzu trat die stärkere Nutzung pflanzlicher Nahrungsmittel. In diesem Zeitraum vollzog sich der Übergang vom Wildbeuter zum Sammler. Sammelte man zunächst noch Wildpflanzen, so konnten bald die ersten Kulturpflanzen genutzt werden. Funde aus Mesoamerika und der zentralen Andenregion zeigen, dass es sich dabei um Speisekürbis, Chili-Pfeffer, Avocado, Bohnen und Knollenfrüchte handelte. Selten lässt sich allerdings eindeutig klären, ab wann es sich tatsächlich um Kulturformen handelte. Dieses Problem stellt sich beispielsweise bei der botanischen Bewertung der ältesten Funde der Maispflanze in Mexiko um 5000 v. Chr. Für viele amerikanische Kulturen wurde Mais sehr wichtig, und der Anbau breitete sich wohl relativ schnell nach Süden wie nach Norden aus. Die frühen Formen des Pflanzenanbaus dienten der Ergänzung der Nahrungsversorgung. Bedingte der Nahrungserwerb anfangs noch das jahreszeitliche Wandern, setzte sich mit der Zeit eine Wirtschaftsweise durch, die durch das Anlegen von Vorräten den längeren Aufenthalt in einer Region ermöglichte. Das machte die Anlage von Siedlungen mit festen Unterkünften notwendig, von denen sich frühe Überreste (um 3500 v. Chr.) beispielsweise an der peruanischen Küste und in Ecuador finden. Im zentralen Andenraum kam es bereits sehr früh zur Viehhaltung (Lama, Meerschweinchen). Es entstanden besondere Bauten wahrscheinlich für Sakralzwecke, die sich im 3. Jahrtausend v. Chr. in der Region verbreiteten. Sie bildeten Dauersiedlungen, worauf die Anlage von Fried höfen hinweist. In Bezug auf die Bestattungsformen haben die Mumien der Chinchorro-Kultur im Norden des heutigen Chile (ca. 5000 v. Chr.) besonderes Aufsehen erregt, da sie zu den weltweit ältesten zählen.17 Rechnet man hinzu, dass technische Erfindungen wie Metallverarbeitung,
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Weberei und Töpferei auf das 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. zu datieren sind und dass Funde aus diesem Zeitraum auf Warenaustausch verweisen, dann lässt sich das Ausmaß des Wandels bis 2000 v. Chr. ermessen. Bereits ca. 1800 v. Chr. wurden an der peruanischen Küste Bewässerungssysteme angelegt. Auf dieselbe Zeit lassen sich die frühesten Funde von Keramiken im heutigen Südmexiko (Chiapas), in Guatemala und in der zentralen Andenregion datieren.18 Im Andenraum entwickelte sich im 2. Jahrtausend v. Chr. die Bearbeitung von Metall durch Löten, Gießen und Legieren entscheidend weiter. An der Verbreitung von Techniken und Nutzpflanzen lässt sich die Zunahme der Austauschbeziehungen ablesen. Der Handel bildete eine Grundlage für die Entstehung religiöser und künstlerischer Zentren. An der Küste und im Hochland des Andenraums sind diese bereits auf das 4. Jahrtausend v. Chr. zurückzuführen. So entstand im Casma-Tal am Cerro Sechín eine frühe Monumentalarchitektur. Ab ca. 1100 v. Chr. war Chavín de Huantar im nördlichen Peru mit seinem Stil prägend und gab einer Kultur ihren Namen, deren Architektur, Skulptur und Keramik lange dominant blieben. Eine ähnlich gestaltende und überregional verbindende Rolle wie Chavín in Südamerika spielte ungefähr zur selben Zeit die Kultur der Olmeken in Mesoamerika. Die wichtigsten Zeremonialzentren La Venta, San Lorenzo und Tres Zapotes lagen an der südlichen Golfküste des heutigen Mexikos. Die Steinreliefs und Pyramidenbauten in dieser Region deuten darauf hin, dass es sich um ein frühes Staatswesen mit Handelsbeziehungen bis nach Costa Rica handelte, von wo man Jade und Kakao importierte. Die Olmeken entwickelten nicht nur einen Kalender mit 260 Tagen, sondern auch Ansätze einer Schrift.19 Nahe den olmekischen Kerngebieten kam es in Guatemala und den heutigen mexikanischen Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca zu unabhängigen kulturellen Entwicklungen. Sie gipfelten um 400 v. Chr. im Aufstieg des Zentrums von Monte Albán, wo die Schrift weiterentwickelt wurde. Rund hundert Jahre später lässt sich in Oaxaca das Ballspiel nachweisen, das sich mit seiner religiösen Bedeutung in ganz Mesoamerika verbreitete. Auf eigens konstruierten und mit hohen Mauern umgebenen Plätzen traten zwei Mannschaften zum Spiel mit Kautschukbällen gegeneinander an. Der Ball durfte nicht mit der Hand, aber mit der Hüfte berührt werden. Häufig war das Ziel wohl, ihn durch einen steinernen Ring zu befördern.
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Die Spieler waren mit Polstern aus Holz und Leder geschützt. Das Spiel hatte rituelle Bedeutung, wobei der Ball die Sonne symbolisierte. Oft endete es mit der rituellen Opferung von Spielern. Derartige Ballspiele wurden jahrhundertelang in unterschiedlichen mesoamerikanischen Kulturen gespielt. Die Spielweise und die Regeln, über die man noch wenig weiß, variierten stark. Heute spielt man in Mexiko noch immer Varianten des Spiels, die als Ulama und Pok-ta-Pok bekannt sind.20 Die Stadt Monte Albán war fünf Jahrhunderte lang ein bedeutendes sakrales und politisches Zentrum der Zapoteken. Monumentale Paläste und Sakralbauten waren von den Wohnbezirken der nicht privilegierten Schichten abgegrenzt. Die Blütezeit fällt in die als klassisch bezeichnete Phase von 200 bis 900 n. Chr. Weiter nördlich, im Hochtal von Mexiko, konkurrierten seit 200 v. Chr. die beiden Stadtstaaten Teotihuacán und Cuicuilco. Teotihuacán konnte sich ab 150 n. Chr. gegen den von Vulkanausbrüchen heimgesuchten Konkurrenten durchsetzen und stieg binnen weniger Jahrhunderte zu einer der größten Städte der damaligen Welt auf. Auf einem Areal von zwanzig Quadratkilometern lebten in der Blütezeit zwischen 200 und 600 n. Chr. an die 200 000 Menschen. Zunächst gewann die Stadt als religiöses Zentrum an Bedeutung, wovon die eindrucksvollen Pyramiden Zeugnis ablegen. Bald entfaltete sie auf Grundlage der Obsidian-Verarbeitung auch wirtschaftliche und politische Macht. Teotihuacán dominierte den mesoamerikanischen Raum und errichtete Stützpunkte und Kolonien entlang der Handelsrouten. Die Stadt zog Menschen aus anderen Regionen an, die in eigenen Stadtvierteln lebten. Auch in dieser nach einem Raster angelegten Stadt waren die Wohnviertel der Oberschicht von denen der Bevölkerungsmehrheit getrennt.21 Obwohl Teotihuacán beeindruckende Macht entfaltete, blieb in Mexiko Raum für andere Zentren. Neben Monte Albán, mit dem man trotz ungleicher Größenverhältnisse partnerschaftlichen Kontakt pflegte, waren Cholula nahe der heutigen Stadt Puebla mit seiner immensen Sonnenpyramide und El Tajín im heutigen Veracruz solche Mittelpunkte. Als Monte Albán und Teotihuacán um 700 n. Chr. an Macht einbüßten, konnten sich die kleineren Zentren entfalten. Das Reich von Teotihuacán brach fünfzig Jahre später aus ungeklärten Gründen unter Gewalteinwirkung zusammen, während Monte Albán als Kultstätte bedeutsam blieb.
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Parallel zu den Entwicklungen in Zentralmexiko waren im Süden auf der Halbinsel Yucatán und in Teilen Zentralamerikas, wo die Bevölkerung seit etwa 250 v. Chr. stark wuchs, die klassischen Maya-Kulturen entstanden. Die Maya legten zahlreiche Städte mit monumentalen Pyramiden an. Anfangs standen Zentren wie etwa Tikal und Kaminaljuyú unter dem Einfluss Teotihuacáns. Herrscherdynastien mit Gottkönigen bildeten sich heraus, die sich untereinander bekämpften. Priester hatten durch ihre astronomischen Kenntnisse große Bedeutung. Die Maya brachten eine hoch entwickelte Hieroglyphenschrift hervor und stellten Stelen mit Inschriften auf, die eine genauere Datierung ermöglichen. Die Machtentfaltung von Stadtstaaten der klassischen Periode wie vor allem Tikal und Calakmul fiel mit dem Niedergang Teotihuacáns zusammen. Das relativ abrupte Ende der klassischen Maya-Kulturen um 900 n. Chr. ist auf Über bevölkerung, ökologische Probleme, Naturkatastrophen sowie die Eskalation von Kriegen zurückzuführen. Eine ähnliche Staatenbildung erfolgte in der Karibik, im südlichen Zentralamerika sowie auf dem Gebiet der modernen Staaten Kolumbien und Venezuela in diesem Zeitraum nicht. Dort entwickelten sich unabhängig, wenn auch mit Austauschbeziehungen zu den Maya-Kulturen, die Bodenbau betrieben und Keramiken herstellten, aber keine Monumentalbauten errichteten. Die Kulturen Zentralamerikas zeichneten sich durch die Bearbeitung von Stein aus, während in Kolumbien, das mit San Agustín ein bedeutendes Zentrum aufweist, auch die Metallproduktion Höchstleistungen vollbrachte, wie der Goldschmuck der Calima-Region beweist. Blieb Kolumbien eine Durchgangszone für Einflüsse aus Nord und Süd, lag Venezuela eher im Abseits. Dort kam es offenbar ebenso wenig zur Entwicklung größerer Kultzentren wie auf den Antillen. Neben Mesoamerika avancierten die Zentralanden in der klassischen Phase ab ca. 200 v. Chr. zu einem kulturellen Entwicklungspol. Nach dem Ende des Chavín-Stils bildeten sich zunächst zahlreiche regionale Kulturen heraus. So entstanden entlang der Küste des heutigen Ecuadors bedeutende Herrschaften, die Kultstätten anlegten und deren Kunsthandwerk sich mit dem in Kolumbien messen konnte. Die Bahía- und die Tolita-Kultur führten technische Neuerungen bei der Gold-, Kupfer- und Bleiverarbeitung ein.
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An der Nordküste des heutigen Perus entwickelte sich ab 200 n. Chr. die Moche-Kultur auf der Basis eines zentralisierten Staatswesens. Deren ausdrucksstarke Keramik lässt auf eine machtvolle Gesellschaft schließen, die Gefangene opferte. Die Moche bauten in ihren Zeremonialzentren Pyramiden aus Lehmziegeln, in denen Herrscher wie der „Herr von Sipán“ oder die „Herrin von Cao“ bestattet wurden. Sie verfügten über ausgefeilte Ackerbaumethoden mit Bewässerung und Terrassierung. Im Süden schloss sich an die Moche- die Lima-Kultur an, die das Orakel von Pachacamac aufweisen konnte.22 Noch weiter südlich entfaltete sich die durch ihre Erdzeichnungen bekannte Nazca-Kultur, die allerdings politisch nicht geeint war. In technischer Hinsicht ist für die peruanischen Kulturen dieser Phase insbesondere die Verfeinerung der Webkunst erwähnenswert. Im Hochland südöstlich des Titicacasees stieg Tiahuanaco zum Zentrum einer klassischen Kultur auf, die um 450 ihren Höhepunkt erreichte. Zu den typischen Monumentalbauten zählten Stümpfe von Pyramiden, abgesenkte Höfe sowie Palast- und Wohnviertel. Die kulturelle Ausstrahlung Tiahuanacos war wohl deutlich größer als die politische. So beeinflusste die Stadt auch die nördliche Nachbarregion mit dem Mittelpunkt Huari, wo ab 650 eine größere Staatsbildung stattfand. Von dort aus erfolgten Eroberungszüge in den Norden. Besatzungstruppen kontrollierten die unterworfenen Gebiete, die Bevölkerung wurde teilweise umgesiedelt. Während das Reich von Huari nur zwei Jahrhunderte bestand, hielt sich Tiahuanaco bis zum Jahr 1000. Die hochperuanischen Zentren strahlten bis in die Südanden nach Chile und Nordwestargentinien aus, wo mit El Molle und La Aguada eigenständige Kulturen entstanden, die allerdings nicht den Organisationsgrad der nördlichen Nachbarn erreichten. Das galt in noch stärkerem Maß für die Kulturen in Feuerland und Patagonien. Dort existierten hoch spezialisierte Jägerkulturen fort, die keinen Bodenbau betrieben, sondern sich von Jagd und Fischfang ernährten. Ähnlich war die Lage in Brasilien. Ab 500 breiteten sich tupiguarani-sprachige Gruppen aus, die andere indigene Gruppen von ihren angestammten Territorien verdrängten. Sie betrieben Wanderfeldbau und lebten vor allem von Maniok und Mais. Auch der Fischfang spielte eine große Rolle, weshalb sie sich entlang der Flusstäler ausbreiteten.
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Seit der ersten Einwanderung waren die Menschen weit gekommen, hatten einen riesigen Kontinent fast flächendeckend besiedelt und sich dabei Überlebenstechniken und kulturelle Fertigkeiten angeeignet, die an die sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen angepasst waren. Sie lebten unbeeinflusst von den anderen Erdteilen und entwickelten selbstständige Kulturen. Thesen von Kulturbringern aus der Alten Welt sind nicht belegbar. Bei diesen Entwicklungen handelte es sich nicht um einen geradlinigen Prozess, sondern es bildeten sich höchst unterschiedliche Lebensweisen heraus. Um 900 n. Chr. waren die kulturellen Unterschiede beispielsweise zwischen einem Wildbeuter aus Feuerland und einem Priester in Monte Albán groß, obwohl sie auf demselben Kontinent lebten und von gemeinsamen Vorfahren abstammten. Indigene Kulturen bis zum Kontakt mit den Europäern (ca. 900–1540) Die Zeit von 900 bis zur Ankunft des Kolumbus haben Forscher lange Zeit als die Entstehungsphase von „Hochkulturen“ angesehen, die im Aztekenreich im Norden und im Inkareich im Süden ihren Höhepunkt gefunden hätten.23 Dieses Verständnis setzte eine Entwicklung, einen historischen Verlauf voraus, der von „primitiven“ Wildbeutern über Stammes gesellschaften mit Bodenbau und kleinere Fürstentümer zu „hoch ent wickelten“ Staatsgesellschaften führte. Heute sind dieses rein auf die Staatenbildung bezogene Geschichtsdenken und die damit verbundenen Wertungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leistungen überholt. Man erkennt stattdessen die unterschiedlichen Kulturen als eigenständige Antworten auf spezifische Herausforderungen an. Anknüpfend an die Entwicklungen der klassischen Phase entwickelten sich ab etwa 900 vor allem in den Räumen, die schon zuvor die Entstehung von Stadtstaaten erlebt hatten, neue staatliche Herrschaftsbereiche mit einer ausgeprägten gesellschaftlichen Spezialisierung. Diese Staatsgebilde integrierten ethnisch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in eine soziale Schichtung mit einem zumeist erblichen Adel, einer Priesterklasse, Militärs, Beamten, Kaufleuten, Handwerkern, Bauern und Sklaven. Sie entwickelten zentralisierte Herrschaftsformen mit festen administrativen und rechtlichen Strukturen. Weltliche und geistliche Herrschaft fielen oft ineinander. Der Fürst war zugleich oberster Priester und/
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oder gottähnliches Wesen und damit höchster Repräsentant eines Staatskultes oder einer Staatsreligion. Hinzu kam eine vergleichsweise produktive Wirtschaft, durch die Berufsstände ernährt werden konnten, die nicht selbst Ackerbau betrieben. Arbeitsteilung, ungleicher Zugang zu Ressourcen wie vor allem Landbesitz und komplexe Marktbeziehungen im Inneren und nach außen kennzeichneten diese Reiche. Die chrono logischen und räumlichen Übergänge zwischen Staaten und Fürsten tümern sind allerdings fließend. Über diesen Zeitraum wissen wir dank schriftlicher Quellen sehr viel besser Bescheid. In Zentralmexiko dauerte es nach dem Ende Teotihuacáns rund 250 Jahre, bis um 1000 mit Tollan – dem heutigen Tula – ganz in der Nähe ein neuer mächtiger Stadtstaat entstand, der sich etwa in der Verarbeitung von Obsidian an seinen Vorgänger anlehnte. Dessen Bewohner, die Tolteken, waren ethnisch heterogene Zuwanderer. Wie die monumentalen Ausmaße der Zeremonialbauten und Aufmarschplätze, die Steinskulpturen und -reliefs verdeutlichen, handelte es sich um eine kriegerische Gesellschaft, die über ein umfangreiches Handelsnetz verfügte. Noch im 11. Jahrhundert endete die Blütezeit Tollans. Um 1170 fiel die Stadt Verwüstungen zum Opfer. Um einen der letzten Herrscher rankte sich ein Mythos, der in unterschiedlichen Versionen die Jahrhunderte überdauerte – Ce Acatl, der angeblich den Gottesrang in einer monotheistischen Glaubenslehre einnahm und den Titel Quetzalcoatl („gefiederte Schlange“) trug, soll den Menschenopfern abgeschworen haben und später nach einem Sündenfall, der den Ruin der Stadt bedeutete, und seiner Läuterung über das Meer gezogen sein. Die wirklichen Gründe für den Untergang Tollans ergaben sich wohl ähnlich wie im Fall der klassischen Maya-Kulturen aus dem Zusammenwirken von ökologischen Problemen und Kriegen. Parallel zu Tollan in Zentralmexiko entwickelte sich Oaxaca weiterhin unabhängig. Im Norden verbreiteten sich die Kleinstaaten der Mixteken, deren Bilderhandschriften über die Konflikte untereinander Auskunft geben. In der Nähe der heutigen Hauptstadt Oaxaca und unweit von Monte Albán wurde Mitla zum spirituellen Zentrum der Zapoteken und später auch der Mixteken, die in die Region einwanderten. Auch in den Siedlungsgebieten der Maya kam es nach dem Verlassen der klassischen Stätten zu sozialen Verwerfungen. Das Zentrum der
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Maya-Kulturen verschob sich nach Norden ins Tiefland der Halbinsel Yucatán, wo die Stadt Chichen Itza eine führende Rolle einnahm, während das Hochland in rivalisierende Fürstentümer zerfiel. Teile dieser Geschichte sind im Buch „Popol Vuh“ der Quiché niedergeschrieben. Im gesamten Maya-Gebiet fanden um das Jahr 1000 Invasionen aus dem Norden statt. In Chichen Itza zogen sie einen Austausch der Eliten nach sich. In der Forschung wird teilweise die These vertreten, es habe sich um Tolteken – möglicherweise unter Quetzalcoatl – gehandelt. Chichen Itza entwickelte sich zu einer hoch organisierten Zentrale, in der verschiedene kulturelle Stilrichtungen zusammenflossen und die über weiträumige Handelsnetze verfügte. Um 1200 verlor sie ihre Vorherrschaft an den rivalisierenden Stadtstaat Mayapan, der die Strukturen der Eroberten übernahm und die Region bis circa 1500 dominierte. Bei Ankunft der Spanier war dieses Reich zerfallen, und sechzehn kleine Herrschafts gebiete bekriegten sich untereinander. Die Umwälzungen im Maya-Gebiet standen in engem Zusammenhang mit den Entwicklungen in Zentralmexiko, wo seit dem Untergang Tollans ein starkes Zentrum fehlte. Auch hier kam es ab etwa 1200 zu Wanderungsbewegungen von kriegerischen nomadischen Gruppen aus dem Norden wie etwa den Chichimeken, die sich unter anderem in Tlaxcala und Cholula festsetzten, oder den Tarasken, die um Pátzcuaro siedelten. In der Folgezeit verlagerte sich das Interesse der Neuankömmlinge – darunter nun auch Tepaneken und Otomí – zunehmend auf das Becken von Mexiko, wo sich bald eine ethnisch heterogene Vielfalt von Stadtstaaten fand. Diese Staaten hatten ihren Mittelpunkt in Tempelbauten, wo – wie bereits seit den frühen Kulturen in weiten Teilen Amerikas – das Menschenopfer eine zentrale Rolle spielte, da nach den Glaubensvorstellungen alles Leben davon abhing. Die Gesellschaft war in eine kleine geburtsadlige Schicht aus der dominanten ethnischen Gruppe, an deren Spitze der Herrscher (tlatoani) stand, und die ethnisch heterogene Masse der Abhängigen geschichtet. Durch Kriegstaten war ein Aufstieg möglich. Händler und Kunsthandwerker spielten eine Sonderrolle. Einen dieser Kleinstaaten bildete das Volk der Mexica oder Azteken – benannt nach ihrem mythischen Ursprungsort Aztlán –, das sich im 13. Jahrhundert am Hügel Chapultepec am Westufer des Texcoco-Sees
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angesiedelt hatte und von dort auf eine Seeinsel umgezogen war, wo es wohl um 1325 die Stadt Tenochtitlán gründete. Die Azteken verdankten ihren Aufstieg kriegerischen Erfolgen, die sie zunächst als tributpflichtige Hilfstruppen der die Region zu diesem Zeitpunkt dominierenden Tepaneken erzielten.24 Ab 1426 erhoben sich die Azteken im Bündnis mit einigen Nachbarstädten gegen ihre alten Herren. Nachdem sie 1431 endgültig ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten, stiegen sie rasch zur führenden Macht in Zentralmexiko auf und begründeten zusammen mit den benachbarten Stadtstaaten Texcoco und Tlacopan den Dreibund, den sie beherrschten. Gemeinsam mit ihren Verbündeten expandierten die Azteken in der Folgezeit und machten sich ein großes Gebiet tributpflichtig. Die Expansion des Aztekenreichs war neben dem wirtschaftlichen Interesse an Tributpflichtigen und Sklaven auf religiöse Vorstellungen zurückzuführen, denn der Stammesgott Huitzilopochtli verlangte Menschenopfer. Letztere wurden in Kriegen oder kriegsähnlichen Turnieren, den sogenannten „Blumenkriegen“, gegen die Nachbarn etwa in Tlaxcala und Cholula gewonnen, die jedoch ihre Unabhängigkeit wahrten und den Azteken noch 1499 eine herbe Niederlage beibrachten. Als 1502 Montezuma II. die Herrschaft antrat, wurde er Oberhaupt eines noch jungen Reiches, das zwar bereits große Teile Mesoamerikas unterworfen hatte, aber von starken Nachbarn auch Grenzen aufgezeigt bekam. War der Einfluss der Azteken in Mesoamerika um 1500 bestimmend, so gab es im nördlichen Südamerika keine vergleichbare Reichsbildung. Die hier vor allem anzutreffende Chibcha-Kultur war politisch in zahlreiche Kleinstaaten und Kazikentümer – unter anderem der Muiscas – zersplittert, die seit 900 expandierten, deren Konsolidierung jedoch noch nicht abgeschlossen war.25 Handwerklich und künstlerisch standen sie auf einer Stufe mit den Azteken, was sich insbesondere an der hoch entwickelten Goldverarbeitung ablesen lässt. Der Opferritus bei Amtsantritt der neuen Muisca-Herrscher bildete später die Grundlage für den Mythos vom El Dorado, vom Vergoldeten. Auch Ackerbau, Handel und Verwaltung einzelner Herrschaftsbereiche vor allem im Hochtal von Bogotá wiesen bereits komplexe Strukturen auf. Das zweite wichtige Kulturareal war die Küstengebirgsregion im Norden. Die dortige Tairona-Kultur zeichnete sich vor allem durch ihre Terrassenstädte aus.
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Anders verlief die Entwicklung im zentralen Andenraum. Hier ergaben sich nach dem Ende Huaris und einer Phase politischer Zersplitterung, in der sich einzelne Täler im Kampf um die fruchtbarsten Koka-Anbauflächen gegenüberstanden, wichtige neue Reichsbildungen. Bedeutsam war ab 1200 das Chimú-Reich mit der Hauptstadt Chanchan an der Nordküste Perus. Chimú übernahm kulturelle und administrative Traditionen sowohl der Moche als auch Huaris. So errichtete man Garnisonen und Verwaltungszentren in den unterworfenen Gebieten und belegte diese mit Tributen, die in Naturalien und Arbeitsleistungen zu erbringen waren. Um Chanchan – lange Zeit die größte Stadt Südamerikas –, zu versorgen, musste ein kunstvolles Bewässerungssystem angelegt werden. In religiöser Hinsicht stand die Verehrung des Mondes und des Meeres im Mittelpunkt. Die Unterwerfung durch die Inka setzte dem Chimú-Reich um 1465 praktisch ein Ende, wenngleich die Herrscher formell weiter amtierten. Die Inka hatten sich erst kurz zuvor zu einem expansiven Staatswesen entwickelt. Unter ihrem ersten Herrscher Manco Capac siedelten sich die Clans (ayllu) der Inka wahrscheinlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Cuzco an.26 Durch militärische Aktionen und eine geschickte Heiratspolitik setzten sich die Nachfolger Manco Capacs gegen ihre Nachbarn durch, doch blieb ihr Einflussgebiet noch bis ins frühe 15. Jahrhundert klein. Erst der Krieg gegen die rebellierenden Chanca von 1438, die die Existenz der Inka bedrohten, wurde zum Wendepunkt, da er mit Pachacutec Inca Yupanqui einen starken Heerführer an die Macht brachte. Unter Pachacutec und seinen Nachfolgern Tupac Yupanqui und Huayna Cápac reichte das Tahuantinsuyo, das „Reich der vier Teile“, durch Eroberungen im Norden bis nach Ecuador, im Süden bis nach Chile und im Osten bis zum Amazonas und zum Chaco-Becken. Außerdem straffte Pachacutec die Reichsverwaltung, was den direkten Zugriff auf die Vasallen ermöglichte. Der Vereinheitlichung diente auch die Einführung der Inka-Sprache Quechua als Amtssprache, die Benutzung von Knotenschnüren (quipo) zur statistischen Erfassung und die Durchsetzung des Staatskultes der Sonne, als deren Abkömmling die Dynastie sich verstand. Augenfällig wurden die Veränderungen in den umfangreichen Bauprojekten. So entstand mit Cuzco eine repräsentative, in Form eines Pumas angelegte Hauptstadt mit Palästen, Tempel, Festung, Speichern und aus-
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geklügelter Wasserversorgung. Hier kamen die vier Fernstraßen des Tahuantinsuyo zusammen. Doch auch in anderen Reichsteilen entstanden große Bauprojekte wie etwa Pachacutecs berühmter Landsitz Machu Picchu. Als Huayna Cápac wahrscheinlich 1527 einer Pocken-Epidemie zum Opfer fiel – einer Vorbotin der spanischen Konquistadoren –, hatte das mächtige Reich seine größte Ausdehnung erreicht. Die Expansion des Inka-Reichs stieß wie die der Azteken im Norden dort an ihre Grenzen, wo sie auf eine nomadische Bevölkerung traf, die kampferprobt und schwer zu fassen war. Diese nomadischen Jäger und Sammler bildeten auch nach 900 in Amerika die am weitesten verbreiteten Kulturen. Sie lebten etwa in den wüstenartigen Grenzregionen im Norden des heutigen Mexikos und im Cono Sur. Ferner fand man sie im Binnenland unter anderem in Amazonien und im Chaco. Es handelte sich dabei um teilweise äußerst dünn besiedelte Regionen, die von diversen araukanischen und patagonischen Gruppen im Süden, den Seminolen, Yaquís und vielen anderen Gruppen im Norden sowie Arawaken, Kariben oder Ge im tropischen Tiefland bevölkert wurden. Stammesähnlich organisierte Ranggesellschaften mit Kaziken wie die der Tupi siedelten meist in Dörfern. Andere Stammesgesellschaften standen unter einem Oberen, der die Funktion des Kriegsherrn und oft auch des Schamanen ausübte. In weiten Gebieten war man bereits zum Bodenbau insbesondere von Maniok übergegangen – oft durch Brandrodung. Auch die Keramik verbreitete sich entlang des Amazonas und an den Küsten.
Der Kontaktraum – die Karibik bis 1492 Nicht die großen Reiche, sondern die Menschen auf den Karibikinseln und bald darauf entlang der Küstenzonen des östlichen und nördlichen Südamerikas kamen ab 1492 als Erste in Kontakt mit den Europäern. Die frühesten Bewohner der Inselwelt waren wahrscheinlich Jäger und Sammler, die vom heutigen Yucatán aus vor rund sechstausend Jahren auf die Antillen kamen und ihre Lebensweise an die maritimen Gegebenheiten anpassten. Eine zweite Siedlungswelle folgte um circa 2000 v. Chr. vom nördlichen Südamerika aus. Ungefähr zwischen 500 und 250 v. Chr. kamen Bodenbau treibende Völker von der Nordostküste Südamerikas
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auf die Inseln, die die Töpferei mitbrachten. Diese nach der Herkunft einiger aus dem Raum um Saladero in Venezuela Saladoide genannten Völkerschaften waren die direkten Vorfahren der Menschen, auf die Kolumbus 1492 traf.27 Zwischen 500 und 1000 stieg die Zahl der Siedlungen auf den Antillen stark an, und man begann das unzugängliche Hinterland zu erschließen. In diesem Zeitraum kam es zur ersten Besiedlung der Bahamas. Das Bevölkerungswachstum stand in engem Zusammenhang mit der Entstehung größerer sozialer Einheiten, die über die ursprünglich autonome Dorfgemeinschaft hinausgingen. Das war mit der Bildung gesellschaft licher Hierarchien verbunden. Im Zuge dieser Veränderungen entwickelte sich die neue ethnische Gruppe der Taino, die der Sprachfamilie der Arawaken angehörte. Man geht heute davon aus, dass es sich dabei um das langfristige Ergebnis der Mischung der Saladoiden mit den ursprünglichen Siedlern der Inselwelt handelte.28 Ende des 15. Jahrhunderts lebte schätzungsweise rund eine Million Menschen auf den Großen und Kleinen Antillen. Diese Bevölkerung lässt sich in größere Kulturareale untergliedern: Die „klassischen“ Taino lebten auf Haiti, dem späteren Hispaniola, und Boriquen, dem späteren Puerto Rico; die westlichen Taino siedelten auf Kuba, Jamaika und den Lucayos, den späteren Bahamas; die östlichen Taino fand man auf den Kleinen Antillen.29 Die Menschen betrieben extensive Landwirtschaft mit Grabstöcken aus Holz; Hauptanbauprodukt war der Stärkelieferant Maniok. Daneben pflanzte man Bohnen, Mais, Süßkartoffeln und Kürbisse und ernährte sich von Früchten, Ananas, Erdnüssen und Pfeffer. Die Insula-
Verarbeitung von Maniok. Der italienische Reisende und Historiker Girolamo Benzoni hielt sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Lateina merika auf. Sein illustrierter Bericht zählt zu den Klassikern der Entdeckungsliteratur.
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Hütte und Hängematte der Taino. Oviedo bemühte sich, die für europäische Augen fremdartigen Lebensweisen der Taino naturgetreu darzustellen.
ner bauten auch Tabak und Baumwolle an, aus der sie Stoffe für ihre Hängematten sowie Stirnbänder für die unverheirateten und kurze Röcke für die verheirateten Frauen herstellten. Sie fertigten Gebrauchsgegenstände aus Ton, Holz und Stein – zum Beispiel Waffen wie die weitverbreiteten keulenartigen macanas, aber auch Speere und Speerschleudern sowie Pfeil und Bogen.30 Da es auf den Antillen nur wenige jagdbare Landtiere gab, demgegenüber aber eine Überfülle an Fischen und Meeresfrüchten, hatten die Taino ihre Lebensweise dem Meer angepasst. Sie waren erfahrene Seefahrer und Fischer, stellten Netze und Fallen her. Mit ihren teilweise riesigen und schnellen Kanus konnten sie zu Handelszwecken und auf Wanderungen große Distanzen überwinden. In der karibischen Inselwelt kannten sie sich sehr gut aus und pflegten enge Beziehungen zu ihren Nachbarn. Man weiß heute sogar, dass es ganze Inselgruppen umspannende Herrschaftsverbände gegeben hat, die sich nicht zuletzt über den Austausch von Gaben – darunter Frauen und Göttersymbole – konstituierten, wobei es durchaus auch zu heftigen Auseinandersetzungen kam.31 Unzweifelhaft ist daher heute, dass die Bewohner der einzelnen Inseln in engem Austausch standen. Das drückt sich zum Beispiel darin aus, dass sich die Baustile der Häuser und die Anlage der Dörfer glichen und dass Kazikennamen zirkulierten. Bei den Behausungen handelte sich in der Regel um große Hütten aus Holz und Stroh, die Platz für einen ganzen Clan boten. Geschlafen wurde in Hängematten.32 Die Dörfer, die tausend und mehr Einwohner zählen konnten, hatten in der Regel einen Hauptplatz, an dem unter anderem das Haus des Häuptlings stand und der zu Kultzwecken verwendet wurde. Im Leben
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der Taino waren religiöse Handlungen nicht getrennt von Politik, Wirtschaft und Alltag, sondern eng mit allem verflochten. So entwickelten sie eine hohe Kunstfertigkeit in der Holz- und Steinbearbeitung sowie der Töpferei und stellten eigene Musikinstrumente wie Flöten und Trommeln her. Kunstvoll waren die reich verzierten Amulette und Figuren aus Stein, Muscheln und Knochen, die Felsgravierungen sowie der Schmuck aus Guanín, einer Gold-Kupfer-Legierung, die vom Festland kam, also im Fernhandel vertrieben wurde und daher besonders selten war. Guanín schätzten die Taino höher als Gold, weil es heller leuchtete. Noch wertvoller aber waren für sie Kunstgegenstände aus Knochen und Muscheln. Diese Gegenstände gewannen Wert durch ihre religiöse Bedeutung. Ein wichtiges religiöses Ritual war das Ballspiel. Archäologen haben auf den Antillen zahlreiche Ballspielplätze, sogenannte bateys, entdeckt, was einen Kulturtransfer vom Festland, genauer mesoamerikanische Einflüsse vermuten lässt. Das Ballspiel, an dem auch Frauen aktiv teilnahmen, war mit der Opferung des Siegers verbunden, die wohl eine gute Ernte und ausreichend Regen garantieren sollte.33 Die Taino riefen auf diese Weise eine ihrer drei Hauptgottheiten an. Besonders wichtig waren die magischen Zemi, ein Begriff, der sowohl die Götter selbst als auch die Götterbilder oder Symbole von Göttern meinte. Die Zemi hatten bei den Taino unterschiedlichste Formen und wurden aus allen möglichen Materialien wie Baumwolle, Stein, Holz und Muscheln hergestellt. Zur Zeit des Kolumbus war ein dreieckiges Symbol häufig, das als Spendergottheit des Manioks verehrt wurde.34 Bei religiösen Handlungen, die in der Regel an heiligen Orten wie etwa in Höhlen zelebriert wurden, schnupften die Schamanen Tabak, der mit halluzinogenen Stoffen versetzt war, um direkten Kontakt zu den Zemi herzustellen.35 Das war notwendig, um eine harmonische Beziehung zur Natur zu gewährleisten, denn Hochwasser, Hurrikane, Dürren und Epidemien waren allgegenwärtig. Sie wurden als Folge menschlichen Fehlverhaltens etwa durch das Verletzen von Tabus oder bösen Zauber gedeutet. Es galt die Götter zu besänftigen, denn diese hatten – wie schon der erste Ethnograf der Karibik, der Hieronymit Ramón Pané, der Kolumbus auf seiner zweiten Reise begleitete, feststellte – dem Ursprungsmythos der Taino zufolge alle Kenntnisse, die man zum Überleben braucht. Die Menschen mussten sich diese jedoch erst mühevoll erwerben.36 Nach den
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Vorkolumbische Kulturen
Golf von Mexiko
Ciboney Arawaken (Taino-Kultur)
San Salvador
Bahama-Inseln
Ciboney
Kuba
Arawaken (Sub-Taino) Siedlungen der Kariben und Arawaken
Arawaken ( S u b - Ta i n o )
Kariben Gr. Inagua-I.
Atlantischer Ozean
Hispaniola
Jamaika
Ciboney
Arawaken ( Ta i n o )
Puerto Rico
Jungferninseln Saint Croix
Anguilla Antigua
Kariben u. Arawaken
Guadeloupe
Dominica © Theiss Verlag/Peter Palm
Martinique
0
Karibisches Meer
St. Lucia St. Vincent Barbados
Kariben
Grenada Tobago 200
400
Trinidad
600 km
VENEZUELA
Vorstellungen der Indigenen stand am Anfang der Welt die Erschaffung Puerto Belo des Meeres (bagua) durch Yaya, den Ursprungsgott. Dieses höchste Wesen legte durch das Verspeisen der Überreste des eigenen Sohnes auch die P a z i f i s c h eGrundlage r für endokannibalistische Praktiken, die die Taino ausübten, Ozean um die Verbindung zum Totenreich zu erhalten, indem sie die Kraft der Verstorbenen durch Verzehr in sich aufnahmen. Menschliche Knochen spielten in diesem Zusammenhang als Symbole des Lebens eine zentrale Rolle. Zwar bleibt der Kannibalismus der Taino in der Forschung umstritten, doch liegen zahlreiche Quellen vor, die diese in vielen unterschiedlichen Kulturen vorkommende Praxis bestätigen. Im Fall der Taino verband sie sich wohl mit einem ausgeprägten Toten- und Ahnenkult.37 Eng mit dem Jenseits verbunden, basierte das Leben der Gruppe auf Verwandtschaftsbeziehungen, wobei die moderne Forschung dazu neigt, von Matrilinearität auszugehen. Das heißt, die wichtigsten Gegenstände und auch die Würde des Kaziken wurden über die Mutter weitergegeben, was keineswegs immer konfliktfrei ablief. Vereinzelt gab es weibliche Kaziken.38 In jedem Fall hatten Frauen großen und institutionalisierten Ein-
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fluss auf die Männer. Privatbesitz war der Oberschicht vorbehalten. Es gab eine abgestufte Hierarchie von Kaziken, die weltliche und geistliche Herrschaftsfunktionen ausübten (nitaino), das gemeine Volk (naboria) und schließlich die Unfreien. Höhergestellte konnte man auf vielen Inseln an Kleidung und Schmuck erkennen. Zur Zeit des ersten Kontaktes mit den Europäern hatten sich größere Kazikentümer herausgebildet. Es bestand ein weitgespanntes Netzwerk durch Heiraten abgesicherter Allianzen. Gestützt darauf konnten die Taino auf andere Inseln übergreifen.39 Das war auch der Fall bei den Bahamas, wo die Besiedlung durch von Kuba und Haiti aus kommende Taino wahrscheinlich 700 oder 800 auf den südlichen Inseln begann. Die Bahamas boten damals beste Voraussetzungen für die Wirtschaftsweise der Taino-Bevölkerung, Holzschnitt mit Menschenfresserszene zur die sich bald selbst als Luk- Illustration der deutschsprachigen Ausgaben des „Mundus Novus“ von Amerigo Vespucci, ku-Cairi bezeichneten, wovon Augsburg 1505. Amerigo Vespuccis Bestseller den Ruhm des italienischen die Spanier dann den Namen begründete Kaufmanns und Seefahrers, der Amerika Lucayos ableiteten. Wie ihre seinen Namen gab.
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Kannibalismus Die rituellen Menschenopfer im Azteken- und Inkareich erregten den Abscheu der Europäer. Auch bei den karibischen und tupiguarani-sprachigen Kulturen gab es anthropophage Praktiken, denen religiöse Bedeutung zukam. Ähnlich wie die Taino praktizierten auch die Tupinamba und benachbarte indigene Gruppen in Brasilien kannibalistische Rituale, über die Augenzeugenberichte unter anderen von Hans Staden vorliegen. So wurden gefangene Feinde oft nach langer Gefangenschaft, während derer man sie gut behandelt hatte, im Rahmen einer komplexen Zeremonie rituell getötet und dann bei einem Festmahl von den Mitgliedern der Gemeinschaft gemeinsam verzehrt. In Europa kannte man seit der Antike Erzählungen von sagenhaften Menschenfressern und anderen Fabelwesen, die angeblich die Ränder der bekannten Welt bevölkerten. Hartmann Schedel fasste diese Kenntnisse in seiner populären Weltchronik von 1493 zusammen.40 Kolumbus, der diese Sagen und Werke gut kannte und daher wenig überrascht war, erfand dafür schon auf seiner ersten Reise den Begriff „Kannibale“ in Abwandlung von cariba, einer indigenen Ethnie der Karibik, die angeblich von ihren Nachbarn als Menschenfresser gefürchtet wurde. So zumindest interpretierte Kolumbus die Ängste der Indigenen, auf die er traf, denn die Aussagen passten in sein Deutungsschema, erwartete er doch durchaus, etwa auf hundsköpfige Menschen zu treffen, die sich gegenseitig auffraßen. Da Hund auf lateinisch canis hieß, war es von cariba zu caniba nicht weit. In Schedels Weltchronik wimmelt es von Hundsköpfigen, Einaugen, Brustgesichtern und anderen monströsen Wesen, die damals jenseits des Äquators vermutet wurden. Spätere Reiseberichte wie insbesondere Amerigo Vespuccis Schrift „Mundus Novus“ von 1502/03 schienen die den Kannibalismus betreffenden Aussagen des Kolumbus zu erhärten. Vespuccis Schilderungen der Sexualpraktiken und der Menschenfresserei bei der indigenen Bevölkerung nahm das Publikum in Europa besonders begierig auf. So schrieb er: Und wen sie im Kriege gefangen nehmen, den behalten sie bei sich, freilich nicht um sein Leben zu schonen, sondern um ihn später zum Zwecke der eigenen Ernährung zu töten. Sie pflegen nämlich einander (und besonders die Sieger die Besiegten) aufzuessen, und Menschenfleisch ist bei ihnen eine allgemein übliche Speise. Auch mögt Ihr dieser Nachricht wohl glauben schenken, denn man hat schon gesehen, dass
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ein Vater seine Kinder und sein Weib verspeiste; und ich selbst kenne einen Mann, mit dem ich auch gesprochen habe, über den man berichtete, er habe von mehr als dreihundert menschlichen Leibern gegessen. Weiters war ich einmal siebenundzwanzig Tage in einer Stadt, wo ich in den Häusern das Menschenfleisch eingesalzen an den Balken hängen sah, genauso wie man bei uns den Speck aufhängt und das Schweinefleisch.41 Vor allem Bilder regten die Fantasie der Europäer an und trugen entscheidend dazu bei, die amerikanischen Menschen als das absolut Andere und grausame Wilde wahrzunehmen. In den frühneuzeitlichen bildlichen Darstellungen Amerikas fanden sich von da an fast ausnahmslos Kannibalen. Amerika war damit in den Augen der Europäer gleichsam zum Kontinent der Kannibalen geworden.
Die Weltchronik des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel von 1493 spiegelt wie kein anderes Werk das Weltbild der Kolumbuszeit.
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Vettern auf den Nachbarinseln, mit denen sie enge Handelsbeziehungen hatten, betrieben die Lukayer Bodenbau und betätigten sich als Jäger, Fischer und Sammler. Die Inseln und das Meer boten Nahrung im Überfluss. Archäologische Funde haben Kolumbus’ Beobachtung bestätigt, dass die Bevölkerung wohlgenährt war. Ein Merkmal der Lukayer war die künstliche Abflachung der Stirn im Säuglingsalter, die ihrem Schönheitsideal entsprach. Die Gesellschaftsstrukturen glichen denen der anderen Inseln, wobei sich die Kazikentümer durch die Enge des Raums auf den Inseln kleinteiliger gestalteten. Um 1492 lebten wohl rund 40 000 Lukayer auf den Bahamas. Sie waren die Ersten, die in Kontakt mit den Spaniern kamen. Doch nicht nur Taino lebten Ende des 15. Jahrhunderts in der Karibik. Vereinzelt existierten wahrscheinlich noch abgeschiedene Kulturen wie die Ciboney oder Guanahatabey, die sich in Gebiete wie den südlichen Teil des heutigen Haitis und den Westen Kubas zurückgezogen hatten. Die größten Konkurrenten der Taino aber waren die sogenannten Kariben, die sich selbst Calinago (Männer) und Callipuna (Frauen) nannten und von denen sich später die Bezeichnung der ganzen Region ableitete. Die Kariben, die auf den Inseln über dem Winde von Grenada im Süden bis zu den Jungferninseln im Norden lebten, waren eine den Taino nahe verwandte, jedoch konkurrierende Bevölkerungsgruppe. Es ist nach wie vor umstritten, ob ihre Vorfahren später als die Taino aus den Guianas einwanderten und sich mit den Bewohnern der Inseln sowie mit geraubten Taino vermischten, oder ob es sich bloß um einen Ableger der Taino handelte.42 Die Forschung hat herausgearbeitet, dass es sich bei den Bewohnern der Inseln über dem Winde um eine ethnische Gruppe handelte, deren Kultur große Ähnlichkeit mit jener der Taino aufwies, die jedoch weniger komplex war. Die Lebensgrundlage war auch hier der Anbau von Maniok. In gesellschaftlicher Hinsicht war die autonome Dorfgemeinschaft mit einem Häuptling bestimmend. Größere soziale Verbände gab es wohl nicht. Kultbilder und -figuren aus Holz und Stoff lassen sich nachweisen. Auffällig ist ferner der ausgeprägt kriegerische Charakter dieser Kultur. Die Lukayer von Guanahani erzählten Kolumbus von einer anderen ethnischen Gruppe – kriegslüsternen Menschenfressern, die männliche Gefangene verspeisten und die Frauen verschleppten. Sie nannten ihre Feinde
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Caniba, woraus Kolumbus dann die bis heute bekannten Begriffe „Kannibale“ und „Karibe“ formte – er hoffte, dass es sich dabei um die Männer des Großen Khans handelte: ■■
Alle Indianer, denen ich bisher begegnete, machen aus ihrer Furcht vor den Bewohnern von Caniba oder Canima kein Hehl. Sie behaupten, dass jene auf Bohío ansässig seien, das meiner Ansicht nach sehr groß sein muss. Diese Canibaleute sollen die Indianer aus ihren Ländern und Behausungen fortschleppen, da sie feige und wehrlos sind. [...] Dazu beteuerten sie, dass die Canibaleute ein einziges Auge und ein Hundegesicht hätten. Ich war der Meinung, dass die Indianer die Unwahrheit sprachen, und hegte den Verdacht, dass die gefürchteten Menschenfresser nichts anderes als Untertanen des Großen Khans waren, die sie in Gefangenschaft schleppten.43 ■
Ob die sogenannten Kariben tatsächlich Anthropophagen waren und ob die Lukayer überhaupt einen Volksstamm damit meinten, ist höchst umstritten. Der Vorwurf könnte sich auf die Vorurteile ihrer Gegner oder schlicht die Mythen der Taino zurückführen lassen. Die Spanier jedenfalls nahmen ihn dankbar auf, weil er in ihre eigene mythische Vorstellungswelt passte und zudem ein Argument bot, dieses Volk zu versklaven. Das indigene Amerika war zum Zeitpunkt des Kontakts mit den Europäern durch die große Vielfalt seiner Kulturen geprägt, die wahrscheinlich mehr als 125 Sprachfamilien umfassten. Diese hatten sich in unterschiedlichen Großräumen und Klimazonen entwickelt. Zumeist bestanden bereits enge Beziehungen zwischen diesen Räumen. Auch im karibischen Raum gab es zahlreiche unterschiedliche Gruppen – weit mehr als Kolumbus wusste, für den nur „friedliche“ Tainos und „kriegerische“ Kariben existierten. All diese Gruppen sprachen Arawak-Sprachen, obwohl sich längst nicht alle untereinander verständigen konnten. Die Konflikte innerhalb der und zwischen den indigenen Kulturen wurden eine wichtige Vorbedingung für die Eroberung. Schon die Erfahrungen der Azteken, Inka und vieler ihrer Vorläufer hatten gezeigt, dass sich staatlich verfasste Gemeinwesen leichter erobern und beherrschen lassen als weniger spezialisierte Gesellschaften. In den unterworfenen Staaten konnten die Invasoren die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen und Hierarchien, die auf religiösen Vorstellungen gründeten, für ihre Zwecke nutzen. Bei den Stammesgesellschaften war die Übernahme
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gegebener Strukturen häufig nicht möglich – dort musste die Bevölkerung entweder verdrängt oder umgesiedelt und eine neue Gesellschaft begründet werden, oder aber die Eroberer konnten ihr Ziel nicht erreichen, und die Regionen blieben außerhalb ihres Machtbereichs. Diese Muster wiederholten sich ab Ende des 15. Jahrhundert – allerdings unter völlig neuen Vorzeichen.
Die Europäer und der mythische Westen Die Kontaktaufnahme zwischen Amerika und Europa ging nicht von ungefähr von Europa aus. Die Gründe und Motive der Europäer, den weiten und ungewissen Seeweg nach Westen auf sich zu nehmen, waren vielschichtig. Als Kolumbus 1492 ins Unbekannte aufbrach, war sein Handeln in jahrhundertealtem Denken verwurzelt. Die Säulen des Herakles – Träume von Ruhm, Reichtum und Heil Die europäischen Vorstellungen von einem Land im Westen reichen weit in die Antike zurück. Die Idee von einem Reich der Toten in Richtung der untergehenden Sonne ist bereits für vorgeschichtliche Kulturen belegt. Dabei verband sich die aus altgriechischen und altägyptischen Quellen genährte Vermutung, im Westen gebe es ein Reich der Seligen, mit der durch andere Mythen genährten Angst vor unbekannten Meeresungeheuern, unheimlicher Dunkelheit und Stille sowie anderen natürlichen Barrieren, die die Götter sandten, um die von ihnen bewohnte Sphäre vor Eindringlingen zu schützen. Der Ozean im Westen, so kann man schlussfolgern, galt als Grenze der für die Menschen bestimmten Welt.44 Auch den Menschen, die an den Küsten jenes Ozeans – etwa auf der Iberischen Halbinsel oder in Irland, also am vermuteten Finis terrae, dem Ende der Welt – lebten, waren diese Mythen bekannt. Doch die Suche nach neuen Fischbeständen oder schlechte Winde trieben sie oftmals ins Ungewisse hinein. Wir wissen nicht, wie viele Seefahrer im Westen verschollen sind. Doch jene, die zurückkehrten, brachten Kenntnisse von der Beschaffenheit des westlichen Meeres und den darin zu findenden Inseln mit, die sich bereits im Lauf des Mittelalters langsam verdichteten.
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So beschreibt etwa die im Mittelalter weit verbreitete Legende der Westfahrt des irischen Mönches Brendan, der im 6. Jahrhundert lebte, das Auffinden einer Insel im Westmeer, die als verheißenes Eiland der Heiligen mit paradiesischen Zuständen dargestellt wird. Kolumbus soll die „Navigatio Sancti Brendani“ gelesen haben.45 Bereits in Antike und Mittelalter vermutete man, im atlantischen Westen wundersame Inseln wie etwa Antilia, die „Insel der sieben Städte“, die Insel der Hesperiden oder Brasil, im Gälischen „Insel der Seligen“, anzutreffen. Dabei handelte es sich um mythische Gebilde, deren Ursprung nur noch schwer nachzuvollziehen ist, die aber unter anderem deshalb so wirkmächtig waren, weil man der Tradition des Herodot folgend dort ungeahnte Schätze vermutete. Das ist auch der Grund, weshalb sie auch noch Eingang in Karten des 15. Jahrhunderts fanden. Allerdings gab es auch echte Entdeckungen zu verzeichnen. Seefahrende Mönche aus Irland fanden einige Jahrhunderte nach Brendan die Färöer und um 795 die Insel Thule, das heutige Island, von wo sie die Norweger später wieder vertrieben. Die Expansion der Wikinger brachte 981/82 die Entdeckung Grönlands durch Erik den Roten sowie Neufundlands vor der nordamerikanischen Küste, des sogenannten Vínlands, durch dessen Sohn Leif Eriksson um 1000/01. Jedoch ging dieses Wissen zumeist wieder verloren oder fand kaum Verbreitung, nicht zuletzt weil man nicht erkannte, dass es sich um einen neuen Kontinent handeln könnte.46 Eine entscheidende Erweiterung erfuhren die europäischen Kenntnisse der Welt im späten 13. Jahrhundert. Das Interesse richtete sich zunächst vor allem auf Asien. So gab es Pläne für ein Bündnis zwischen Christen und Mongolen gegen den Islam. Die Franziskaner Giovanni da Pian del Carpine (1246) und Wilhelm von Rubruk (1253/54) wurden ausgesandt, um Kontakte anzuknüpfen. In diesem Zusammenhang stehen Reise und Leben des Venezianers Marco Polo im Reich Kublais, des Großen Khans der Mongolen (1271–92). Mit Marco Polos durchaus zu Übertreibungen neigendem Bericht „Il Milione“, den er 1299 in genue sischer Gefangenschaft diktierte, kamen einerseits Nachrichten von den unermesslichen Reichtümern Cathays – sprich Chinas – und Cipangus – sprich Japans – andererseits die Überschätzung der Ostausdehnung Asiens nach Europa.47
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Ähnlich großen Einfluss entfaltete der weitaus weniger zuverlässige Bericht von Sir John de Mandeville, der nach 1355 auf der Grundlage einer Reise ins Heilige Land entstand. In diesem Reisebericht mischen sich reale Beobachtungen mit allerlei fiktiven Erzählungen von fantas tischen Inseln und ungeheuerlichen Wesen. So liest man von Einäugigen, Einfüßern, Amazonen und der Insel der Seligen, wo selbst die Frauen splitternackt herumlaufen und wo es nur Gemeinschaftsbesitz gibt. Leider frönen die Bewohner auch der Menschenfresserei. Der Bericht vertritt zwar noch die Idee, dass Jerusalem das Zentrum der Welt sei, doch gibt er auch zu verstehen, dass die Erde von einem Schiff umrundet werden könne.48 Der fließende Übergang zwischen Mythos, Vermutung und Wissen, zwischen biblischen und antiken Vorstellungen vom Kosmos zeigt sich in den Kartenwerken und Kosmografien, die im Spätmittelalter entstanden sind und keineswegs die Auffassung vertreten, die Erde sei eine Scheibe. Man konnte sich dabei auf die altgriechische Vorstellung einer in bewohnbare und unbewohnbare Zonen aufgeteilten Erdkugel stützen, wobei der bewohnbaren Sphäre auf der Nordhälfte die der Antipoden auf der Südhälfte entsprach. Neben diesem Gesamtbild gab es auch karten artige Darstellungen der bekannten und bewohnbaren Welt, die kreisförmig waren und die vom Weltozean umflossenen Kontinente in T-Form mit dem Zentrum Jerusalem abbildeten. Ein gutes Beispiel dafür ist die bekannte Ebstorfer Weltkarte vom Anfang des 14. Jahrhunderts, die mit ihrer Beschriftung die Orte der biblischen Geschichte abbilden will und sich dabei auf Isidor von Sevilla stützt. Offen blieb jedoch die Frage, wie es mit der Bevölkerung auf dem noch unbekannten südlichen Kontinent, der terra australis, aussah. Die Karten verzeichneten dort oft Monster und Ungeheuer aus Sagen und Mythen, die etwa Hartmann Schedel inspiriert haben dürften.49 Neben diesen eher theologisch geprägten Werken kamen im späten 13. Jahrhundert Karten auf, die den konkreten Bedürfnissen der Seeleute aus den Atlantikanrainern und aus Italien entsprachen, wobei die Rolle des schon um 1150 auf Sizilien wirkenden Arabers al-Idrı¯sı¯ von Annliese Nef und Carsten Drecoll herausgearbeitet wurde.50 Diese See- oder Por tulankarten, die die bekannten Küsten und Inseln der bekannten Meere abbilden, erreichten mit dem Werk von Abraham Cresques 1375 einen
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Die Weltkarte des Fra Mauro 1459
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ersten Höhepunkt. Das 15. Jahrhundert ermöglichte mit der Wiederentdeckung antiker Autoren weitere entscheidende Durchbrüche. Insbesondere die „Geographia“ des Alexandriners Claudios Ptolemaios aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. wurde wichtig. Unter dem Titel „Cosmographia“ erregte die lateinische Version dieser Schrift im 15. Jahrhundert große Aufmerksamkeit. Ihr Wissen von der Kugelgestalt der Erde und von der Projektion dieser Kugel auf eine Fläche wurde in zahlreichen Karten bekannt gemacht. Diese Neubelebung des antiken Weltbilds mit seinen Stärken und Schwächen reichte weit ins 16. Jahrhundert hinein. 1459 flossen sowohl die ptolemaischen Vorstellungen als auch die mittlerweile gewonnenen neuen Erkenntnisse in die Weltkarte des venezianischen Mönches Fra Mauro ein. Diese Karte spiegelt das sich damals durch die Entdeckungsreisen rasant erweiternde europäische Weltwissen wider.51 Die Erkundungsreisen der Portugiesen Es war kein Wunder, dass der portugiesische König Alfons V. die Karte des Ordensmannes in Auftrag gegeben hatte, denn Portugal war im 15. Jahrhundert führend an der südeuropäischen Expansion des Spätmittelalters beteiligt.52 Ausschlaggebend dafür waren politische und wirtschaftliche Entwicklungen im östlichen Mittelmeerraum. Der Handel mit dem Orient und dessen Gewürzen und Edelmetallen war zweifellos das Hauptziel aller Entdecker, hinzu kam spätestens seit dem Zeitalter der Kreuzzüge die christliche Mission in unbekannten Gebieten. Auch genuines Interesse an fremden Völkern und Kulturen regte sich. Die Motive verschmolzen, als die Bedrohung durch den Islam wuchs und die alten Handelsrouten unterbrochen wurden. 1291, in jenem Jahr, in dem mit dem Fall von Akkon die letzte christliche Hochburg im Nahen Osten verloren ging, schickte die den westlichen Mittelmeerhandel kontrollierende Seestadt Genua die Brüder Vivaldi mit zwei Galeeren durch die Straße von Gibraltar, um einen Seeweg nach Indien zu finden. Über den Verbleib der ersten überlieferten Expedition dieser Art ist nichts Genaues bekannt.53 Als im 14. Jahrhundert der Orienthandel über die Levante und über die Karawanen in Nordafrika auf Grund der islamischen Expansion immer schwieriger wurde, war es insbesondere die portugiesische Krone, die den Ausbau der Flotte und die Erkundung der südlichen Gewässer und Afrikas vorantrieb.
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Die Probleme nahmen zu, als sich im Lauf des 15. Jahrhunderts und vor allem nach der Einnahme Konstantinopels durch die Osmanen 1453 die Handelsmöglichkeiten im östlichen Mittelmeerraum weiter verengten. Die wirtschaftlichen Aktivitäten und seefahrerischen Erkundungen verlagerten sich nun immer mehr ins westliche Mittelmeer und auf den Atlantik. Dadurch konnten die iberischen Mächte ihren geografischen Vorteil ausspielen und die bis dahin führenden Italiener in den Schatten stellen. Sie machten sich dabei das Know-how und das Kapital von Genuesen, Florentinern und Venezianern zunutze, die seit dem 12. Jahrhundert überall im Mittelmeerraum anzutreffen waren. Das Padrão dos Descobrimentos (Denkmal der Entdeckungen) an der Tejo-Mündung in Lissabon zeigt 33 bedeutende Seefahrer und Geistesgrößen des Zeitalters, allen voran Heinrich den Seefahrer (1394–1460) mit dem Modell einer Karavelle. Das Monument wurde 1960 anlässlich des 500. Todestags von Heinrich eingeweiht. Es dokumentiert, in welcher Tradition sich das seinerzeitige Salazar-Regime sah – in jener von Portugals großer Epoche. Heute ist das Denkmal zusammen mit Torre de Belém und Hieronymus-Kloster ein beziehungsreiches historisches Ensemble. (Thomas Theise)
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Durch die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von der arabischislamischen Herrschaft, die sogenannte Reconquista, wurden Kräfte für die Expansion frei. Portugal schloss diesen Prozess bereits Mitte des 13. Jahrhunderts und damit deutlich früher ab als der Nachbar Kastilien.54 Als 1383 mit João I. die Dynastie Avis an die Macht kam und zwei Jahre später die Unabhängigkeit Portugals erfolgreich gegen Kastilien verteidigte, entstand ein vergleichsweise zentralistischer und stabiler Flächenstaat mit effektiver Verwaltung, in dem vor allem der niedere Adel nach Beendigung der inneren Konflikte nach neuen Betätigungsfeldern strebte. Durch die Erfahrungen im Fernhandel mit dem Nordsee- und Mittelmeerraum, die Weiterentwicklung in Schiffbau und Nautik durch die Einführung der Karavellen, des Astrolabiums und des festen Kompasses sowie durch die Verfügbarkeit von genuesischem Risikokapital waren in Portugal bereits im 14. Jahrhundert die besten Voraussetzungen für ein Ausgreifen nach Übersee gegeben.55 Im 15. Jahrhundert entfalteten die Portugiesen ein Höchstmaß an Expansionskraft. Zunächst entdeckte man die unbewohnten Archipele von Madeira und der Azoren und nahm sie in Besitz. Prinz Heinrich von Portugal, genannt „der Seefahrer“, sicherte diese Neuerwerbungen ab, indem er 1421 die Stadt Funchal auf Madeira gründen ließ, wo Zuckerrohr und Wein zur Grundlage einer prosperierenden Wirtschaft wurden. Die Azoren waren weniger ertragreich, jedoch strategisch wichtig für den Schiffsverkehr und die weiteren Erkundungen nach Süden. Trotz der Rivalität zwischen Spanien und Portugal nutzen beide iberischen Mächte die Inseln als Anlaufstelle. Die portugiesische Entdeckung der küstennahen Inselgruppen des Atlantiks wurde 1456 mit der Auffindung der Kapverden durch den Italiener Ca’ da Mosto abgeschlossen. Von hier aus betrieben die Portugiesen florierenden Handel mit Afrikanern und Mauren, wobei es in zunehmenden Maß um Sklaven ging, die in der Plantagenwirtschaft auf den Inseln eingesetzt wurden. Die Erkundung und Inbesitznahme der Inseln ging mit einer Expansion entlang der afrikanischen Küste Richtung Süden einher. Ein Schlüsselereignis war die Einnahme Ceutas an der nordafrikanischen Küste 1415. Der Hafen war ein wichtiger Knotenpunkt für den Handel. Dort kamen die Karawanen aus den Gebieten südlich der Sahara an und tauschten Gold, Pfeffer und Elfenbein gegen Metallwaren, Stoffe und Vieh. Die
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Der griechische Gelehrte Claudius Ptolemäus lebte im 2. Jahrhundert n. Chr. und war einer der Begründer des geozentrischen Weltbildes, das durch die Renaissance wiederbelebt wurde. Es bildete die Grundlage dieser Karte in einer Ptolemäus-Ausgabe, die 1482 in Ulm und damit erstmals außerhalb Italiens gedruckt wurde. 56
Mauren reagierten auf die portugiesische Bedrohung, indem sie ihre Handelsrouten ins Hinterland verlagerten. Ceuta wurde isoliert und belagert. Daraufhin bewegten sich die Portugiesen weiter nach Süden. Heinrich der Seefahrer spielte als Großmeister des Christusordens gemeinsam mit König João II. (1481–96) eine bedeutende Rolle als Förderer der Expansion. Zwar fuhr er kaum selbst zur See, erwies sich aber als fähiger Organisator der nun folgenden Expansionsschritte. Dabei stellte sich das Problem, dass das Kap Bojador wegen widriger Strömungen und Nebel als unpassierbar galt. Hinzu kam die Angst der Seeleute angesichts der angenommenen Unbewohnbarkeit aller Regio-
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nen südlich des Kaps. Dort, so lehrten die großen Weisen wie Aristoteles, Augustinus oder Isidor von Sevilla, seien die Meere unbefahrbar und die einzigen Lebewesen Monster ohne Kopf, Einäugige mit langen Ohren oder Wesen mit Hundekopf und Brustgesicht. Karten wie die Ebstorfer Weltkarte von circa 1235 verzeichnen Derartiges bildstark für das süd liche Afrika. Allerdings konnten diese Bedenken ausgeräumt werden, als es Gil Eanes 1433 gelang, Kap Bojador zu passieren. Damit war eine entscheidende Barriere überwunden. In den Folgejahren erreichten die portugiesischen Seefahrer Kap Blanco (1441) und Kap Verde (1444). Mit jedem weiteren Kap wurde deutlich, wie stark man die Südausdehnung des Kontinents unterschätzt hatte, wie sehr sich Claudius Ptolemäus, auf dessen „Geographia“ aus dem 2. Jahrhundert die Annahmen beruhten, geirrt hatte. Das Vorgehen hatte System. Prinz Heinrich baute sich ein regelrechtes Handelsimperium auf, begünstigt von der Steuerbefreiung, die er genoss. Er interessierte sich für die Ausbeutung der Fischvorkommen sowie der Salzlagerstätten auf den Inseln, den Handel mit Sklaven, Gold, Elfenbein und anderen afrikanischen Erzeugnissen – kurz, seinem Unternehmergeist waren keine Grenzen gesetzt. Namen wie „Goldküste“, „Elfenbeinküste“ oder „Sklavenküste“ entstanden in jener Zeit. Dazu passte, dass man sich den afrikanischen Handelspartnern gegenüber friedlich verhielt.57 Um das aus der Erstentdeckung abgeleitete Besitzrecht gegen andere Europäer abzusichern, setzten die Portugiesen in der Folgezeit Steinmarkierungen entlang der Küste. In Europa ließ man sich die Ansprüche durch die Autorität der Päpste garantieren. Bereits 1454 übertrug Papst Nikolaus V. König Alfons V. und dem Infanten Heinrich den Besitz der Länder, Häfen, Inseln und Meere Afrikas, das Kirchenpatronat, das Handelsmonopol sowie das Recht, Ungläubige zu versklaven. Ein Jahr darauf erteilte Kalixtus III. mit der ersten Bulle „Inter Cetera“ dem Christusorden die geistliche Gewalt über die afrikanischen Besitzungen. Nach dem Tod Heinrichs 1460 fielen die umfangreichen Unternehmungen zurück an die Krone, die das Tempo der Expansion deutlich drosselte und die Initiative privaten Kaufleuten übertrug. Das hatte seinen Grund nicht zuletzt darin, dass König Alfons V. ab 1474 in den Erbfolgekrieg in Kastilien verwickelt war. Im Friedensvertrag von Alcáçovas von
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1479 kam es zu einer für die weitere Expansionsgeschichte wegweisenden Regelung – die portugiesische Krone gab ihre Ansprüche in Kastilien auf und erhielt dafür Exklusivrechte für Schifffahrt, Handel und Fischfang südlich von Kap Bojador. Das bedeutete nicht weniger, als dass Kastilien von der Erkundung Afrika abgeschnitten war. Nun trieb der junge König João II. (1481–95) die Suche nach dem Seeweg nach Asien voran. Das eindeutige Ziel war die Herstellung einer direkten Handelsverbindung mit Indien, um die arabischen, türkischen und italienischen Zwischenhändler auszuschalten. In dieser Phase errichtete man 1482 erstmals eine Festung an der Küste Guineas, São Jorge da Mina. Neben kommerziellen Interessen wurde nun auch die Suche nach dem sagenumwobenen Priesterkönig Johannes immer wichtiger, dessen Reich man im Osten Afrikas vermutete. Es bestand die Hoffnung, im Bündnis mit diesem christlichen Herrscher in Afrika erfolgreich gegen den Islam vorgehen zu können. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Entwicklung, als Bartolomeu Dias 1487/88 das Kap der Guten Hoffnung um segelte. Es sollte dann aber noch einmal zehn Jahre dauern, bis Vasco da Gama 1497 die Reise antrat, die ihn auf dem Seeweg ans ersehnte Ziel brachte: Indien. Doch in der Zwischenzeit passierte viel. Die spanischen Nachzügler Grund für diese Verzögerung waren Probleme mit den Spaniern, die zwischenzeitlich ihre eigenen Expansionsbemühungen erheblich gesteigert hatten. Bis zu Beginn der 1490er-Jahre hatten sie keine ernsthafte Konkurrenz für die Portugiesen dargestellt, obwohl die Kanarischen Inseln in ihrem Besitz geblieben waren. Diese Inselgruppe war bereits in der Antike bekannt. 1312 wurde sie durch Seefahrer in Diensten Kastiliens wiederentdeckt. Schon 1344 ließ sich Luis de la Cerda den Besitz durch ein päpstliches Lehen übertragen, das auch einen Missionsauftrag enthielt. Wie bei den Kreuzzügen stellte die Kurie einen Sündenerlass in Aussicht. Dennoch kam es nur schleppend zu einer Besiedlung, da in Spanien kaum Geld und Interesse vorhanden waren. Außerdem protestierte König Alfons IV. von Portugal schon 1345 gegen die spanischen Ansprüche. Ein langwieriger Streit um den Besitz der Kanaren nahm damit seinen Lauf.58
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Um 1400 startete König Heinrich III. von Kastilien einen zweiten Versuch und beauftragte seinen normannischen Vasallen Jean de Béthencourt mit der Besiedlung. Béthencourt zeichnete sich durch sein brutales Vorgehen gegen die Inselbewohner, das Volk der Guanchen, aus. Zwar kam es zu Siedlungsversuchen, doch die Guanchen leisteten verbissen Widerstand. Um 1430 bemühte sich Heinrich der Seefahrer erneut um die Übernahme der Inseln für Portugal. Erst mit dem Vertrag von Alcáçovas 1479 ging die Inselgruppe endgültig an das nunmehr geeinte Spanien. Die Spanier erhielten sich mit den Kanaren ein wichtiges Standbein im Atlantik. Die Krone hoffte auf das sagenhafte Gold aus Äthiopien und auf den Aufbau einer Zuckerplantagenwirtschaft nach portugiesischem Vorbild auf den Kanaren. Natürlich spielte auch die Idee der Heidenmission eine gewisse Rolle. Wie schon Bartolomé de Las Casas feststellte, wurden die Kanaren zu einem wichtigen Labor für das Einüben der Praktiken von Eroberung und Herrschaft, die später in der Neuen Welt zur Anwendung kamen.59 Die Guanchen waren den Eroberern unbekannte Menschen, die ihnen als heidnische Wilde mit gering ausgeprägter materieller Kultur erschienen. Ein Krieg gegen die Guanchen schien gerechtfertigt, da sie sich nicht freiwillig unterwarfen und den christlichen Glauben annahmen. Anfangs wollte das Königshaus die Eroberung noch selbst durchführen, doch auf Grund fehlenden Kapitals tat man sich bald schon mit privaten Investoren zusammen. So entstand Ende der 1470er-Jahre die aus Sevillaner Bankern und Mitarbeitern des königlichen Schatzamtes bestehende Investorengruppe, die fünfzehn Jahre später auch Kolumbus’ Reise finanzierte. Hatte man zur Durchführung der Eroberung im frühen 15. Jahrhundert Privatunternehmer angeheuert, die Land und Titel lockten, so war die Krone nun bemüht, wieder mehr Kontrolle über die Inseln zu bekommen. 1478 wurden die Kämpfe auf den Kanaren wieder aufgenommen – gerade rechtzeitig, um den Portugiesen zuvorzukommen und die Verselbstständigung einzelner Konquistadoren einzudämmen. Auf Grund der hohen Kosten war eine Kooperation mit privaten Geldgebern jedoch weiterhin unumgänglich. Mit der Entsendung eines königlichen Militärgouverneurs 1480 gewannen die Kämpfe an Intensität, und es stellten sich erste Erfolge ein. So kam es zu ersten Massentaufen, durch die sich einzelne Clans der Guanchen den Spaniern unterwarfen, mit denen sie in
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der Folge kooperierten. Außerdem nutzten die Söldner bei ihrem Vorgehen auf den Inseln alte Feindschaften zwischen einzelnen Gruppen der Guanchen aus. Um den letzten Widerstand im unzugänglichen Hinterland zu brechen, lockten die Spanier ihre Gegner in Hinterhalte oder brachten sie bei vermeintlichen Friedensverhandlungen um. Dabei taten sich skrupellose und brutale Anführer wie Alonso de Lugo als Konquistadoren hervor. Dennoch konnte der Widerstand erst nach vielen Jahren harter Kämpfe gebrochen werden. Auf La Gomera kam der Krieg 1489 zum Ende, und erst 1496 kapitulierten die letzten Guanchen auf den Kanarischen Inseln, von epidemischen Krankheiten stark geschwächt. Der spanische Chronist Fernández de Oviedo, der uns eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte der Eroberungen hinterlassen hat, schrieb dazu 1535 rück blickend: ■■
Dieses Volk der Kanarier war sehr stark, wenn auch fast nackt und so wild, dass sie, wie einige versichern, nicht einmal das Feuer hatten, ehe die Christen die Inseln einnahmen. Ihre Waffen waren aus Stein, und sie waren vielfältig. Damit töteten sie viele Christen, bis man sie unterwarf und unter die Herrschaft Kastiliens stellte … Aber nun gibt es vom eingeborenen Volk, das bei der Eroberung da war, nur noch wenige …60 ■
Die Parallelen zu dem, was sich einige Jahrzehnte später in Amerika abspielte, sind augenfällig.61 Grundlage für eine eigenständige Expansion und damit für die Eroberung der Kanaren war die Heirat Isabellas von Kastilien mit Ferdinand von Aragón 1469 – diese brachte die politische Einigung Spaniens, als die beiden Monarchen auf den Thron kamen. Das Erbe, das sie antraten, war schwer, denn das Land war von inneren Kriegen zerrüttet, der Adel stand in Opposition zur Krone, und die äußeren Rivalen nutzten jede Gelegenheit, sich auf Kosten der Spanier zu bereichern.62 Mit dem neuen Königspaar änderte sich die Lage jedoch völlig. Nach Abschluss des kastilischen Bürgerkriegs um die Erbfolge und nach dem Frieden von Alcáçovas mit Portugal verblieben der spanischen Krone nur die Kanarischen Inseln. Im Folgenden strebten die Monarchen zielstrebig die innere Konsolidierung an. Grundlegend dafür waren unterschied liche Maßnahmen zur Zentralisierung von Staat und Verwaltung, von de-
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nen einige im Jahr 1492 kulminierten. So kam es zu einer Vereinheit lichung der Landessprache durch die Privilegierung des Kastilischen. Das lässt sich an der Veröffentlichung der ersten kastilischen Grammatik von Antonio de Nebrija in jenem Jahr ablesen. Wichtiger noch war dem Herrscherhaus die religiöse Einheit, die die spanische Inquisition seit 1478 vorantrieb. 1492 erreichte sie durch die Vertreibung oder Zwangskonversion der Juden einen ersten Höhepunkt; zehn Jahre später wurde sie mit der Ausweisung der Mauren abgeschlossen.63 Eine Maßnahme des Königspaares, die diese Politik erst ermöglichte und die innen- und außenpolitische Dimensionen hatte, war die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den Mauren. Dieser Prozess hatte bereits im 11. Jahrhundert begonnen, doch gab es immer wieder Rückschläge und Unterbrechungen wie nach der Einnahme von Sevilla, der Hauptstadt von Al-Andalús, 1248. Was folgte, war eine Phase des Zusammenlebens mit Mauren und Juden, die der Überlegung geschuldet war, dass es sinnvoll sei, diese produktive Bevölkerung im Land zu halten, um von den Tributen zu profitieren. Mittelfristig erwarteten die neuen Herren aber den Übertritt zum christlichen Glauben. So handelte es sich letztlich nur um eine Atempause für die Mauren, die die siegreichen Christen in realistischer Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen und militärischen Kräfte gewährten. Das prekäre Gleichgewicht zerbrach allerdings, als Bürgerkriege, wirtschaftliche Krisen und die Pest das Land zerrütteten. Erst nach der Konsolidierung unter Ferdinand und Isabella war es möglich, den Kampf zum Abschluss zu bringen. Dabei war die zunehmend als Bedrohung der Christenheit angesehene türkische Expansion im Osten ein wichtiges Motiv. Auch der Papst machte sich für die Vernichtung des letzten Bollwerks der Mauren auf der Iberischen Halbinsel, das Emirat Granada, stark und verknüpfte die Einrichtung der spanischen Inquisition mit der Auflage, die Eroberung in Angriff zu nehmen. Die Kämpfe zogen sich jedoch noch viele Jahre hin, auch weil die hohen Kosten die Finanzen der Krone bis aufs Äußerste strapazierten. Umso ausgiebiger feierte man den Fall der Stadt Granada am 2. Januar 1492, und zwar nicht nur in Spanien, sondern auch in Rom. Damit war die spanische Reconquista zum erfolgreichen Ende gebracht. Nun konnte Kastilien seine Expansionsziele auf Gebiete außerhalb der Iberischen Halbinsel
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ausrichten. Allein der Weg für diese Expansion schien versperrt, denn durch die Vereinbarungen von Alcáçovas war die Route entlang der afrikanischen Küste nicht mehr möglich.64 Der kürzeste Weg nach Indien In älteren Geschichtsbüchern findet sich an dieser Stelle der Einsatz des Kolumbus, der den siegestrunkenen spanischen Monarchen seine geniale Westfahrtidee erklärt und ihnen die Augen öffnet. Seit Längerem wissen wir aber, dass dem nicht so war, dass die Idee einer Westfahrt lange geboren war, bevor Kolumbus sie sich zu eigen machte. Schon in der Antike hatte Eratosthenes den Gedanken geäußert, mit dem sich die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde verband. Arabische Gelehrte hatten die Idee weitergegeben, und bereits im Spätmittelalter konnte sich ein Denker wie Albertus Magnus darauf berufen. Im Zeitalter der Frührenaissance gab es kaum noch Zweifel, dass die Erde eine Kugel sei.65 Die Akzeptanz dieser Idee lies sich schon allein daran ablesen, dass es im Zuge der Entdeckungen des 15. Jahrhunderts erste Versuche gab, den westlichen Seeweg auszukundschaften. Da sich die portugiesischen Erkundungsfahrten im Süden endlos lange hinzogen und auf jedes passierte Kap ein weiteres zu folgen schien, ließ die Krone schon zur Jahrhundertmitte – nach Auffindung der Azoren – Patentbriefe für die Fahrt nach Westen und die Inbesitznahme dortiger Länder und Inseln ausstellen. Wie viele Fahrten tatsächlich stattfanden, ist ungewiss. Immerhin kam es 1473 zu einer quellenmäßig belegten Expedition, bei der die portugiesische Krone mit den Dänen zusammenarbeitete, die durch ihre Besitzungen in Island und Grönland günstige Voraussetzungen für ein solches Unternehmen boten.66 Diese Expedition war ein Misserfolg, doch wandten sich die Portugiesen daraufhin an Paolo dal Pozzo Toscanelli in Florenz und baten ihn um eine Einschätzung. Das lag nahe, denn einerseits galt Toscanelli als führender Humanist, andererseits verfügte er wie so viele Oberitaliener über Handelsinteressen und -kontakte zu Portugal. Nach Meinung des Gelehrten sollte es nicht nur möglich sein, Asien auf dem Westweg zu erreichen, der Weg dorthin sei auch deutlich kürzer als der östliche. Toscanelli errechnete insgesamt rund 6500 Meilen für die Reise von Portugal nach Cathay. Da man bereits viele der Küste Cathays vorgelagerte Inseln kenne,
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sei das Wagnis der Reise begrenzt. Zu diesen „bekannten“ Inseln zählte Toscanelli Cipangu und auch das sagenhaft reiche Antilia – in Portugal bekannt als „Insel der sieben Städte“ –, wo sich angeblich die Nachfahren von Bischöfen aus dem 8. Jahrhundert aufhielten, die vor den Mauren aus Portugal geflüchtet waren. Er verdeutlichte dies, indem er eine heute verlorene Karte mit seinem Antwortschreiben vom Juni 1474 nach Portugal sandte. Warum man in Portugal den Plan einer Westfahrt nicht in die Tat umsetzte, ist unbekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass die in jenem Jahr beginnende Beteiligung am kastilischen Erbfolgekrieg ein maßgeblicher Faktor war. 1486 erhielt der aus Flamen stammende Fernam Dulmo, ein Statthalter auf den Azoren, einen Patentbrief für eine privat finanzierte Fahrt zur Suche nach der Insel Antilia im Atlantik, über deren Durchführung nichts bekannt ist.67 Zur Finanzierung des deutlich weitergehenden Vorhabens von Kolumbus war die Krone jedoch weder bereit noch in der Lage, und dies wohl auch, weil die Hofgelehrten in Lissabon eine andere Auffassung vertraten als Toscanelli.68 Durch die Reconquista, die Erkundungsfahrten im Atlantik und die Kolonisierung der Kanaren hatten die iberischen Königreiche bis 1492 wichtige Erfahrungen gesammelt. Sie wussten, wie man fremde Meere und Länder erkundet, in Besitz nimmt und beherrscht. Portugiesen und Spanier hatten gelernt, dass es sich lohnte, die Risiken weiter Reisen ins Ungewisse auf sich zu nehmen, da der Profit durch neue Siedlungsgebiete und Wirtschaftsunternehmungen enorm sein konnte. Für das Fremde empfanden sie keine Achtung, sondern beurteilten es in den Kategorien ihrer Zeit. Das hieß, dass alle diejenigen, die sich ihnen unterwarfen und bereit waren, den christlichen Glauben anzunehmen, geschont wurden. Gegen diejenigen aber, die sich ihnen in den Weg stellten, gingen sie bei ihren Eroberungen ohne Skrupel vor. Dabei bedienten sie sich aller erlaubten und unerlaubten Mittel, um zum Sieg zu kommen: Verrat, Erpressung, Raub und Versklavung – all das waren Instrumente der iberischen Expansion. Letztlich war man überzeugt, einer guten Sache zu dienen und durch die päpstliche Legitimation sozusagen im höheren Auftrag zu handeln, ja auf einem Kreuzzug zu sein. Die Männer, die diese Kämpfe ausfochten und die abenteuerlichen Seefahrten überstanden, waren ein besonderer Menschenschlag. Es waren Eroberer, Konquistadoren, die in
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den neu entdeckten Gebieten gegen „heidnische“ Völker gleichsam außerhalb der europäischen Wertordnung fochten und denen sich ungeahnte Möglichkeiten sozialen Aufstiegs und räumlicher Mobilität boten, wenn sie nur durchsetzungsfähig genug waren. Letztlich ging es ihnen darum, die Statussymbole – Großgrundbesitz und gesellschaftlichen Status – zu erwerben, die sie im „alten“ Europa nur schwerlich hätten erreichen können.
Zwei Welten prallen aufeinander Die Fahrt des Kolumbus schuf die Grundlagen für unsere globalisierte Gegenwart, wie auch immer man dazu stehen mag. Kolumbus war ein typisches Kind seiner Zeit, und seine Idee war alles andere als originell. Die Hartnäckigkeit, ja Starrköpfigkeit, mit der er seine Reise vorbereitete und sein Vorhaben durchsetzte, ist jedoch bemerkenswert. Das gilt auch für die rasante Verbreitung der Neuigkeit in Europa und die Folgen, die diese Überfahrt sehr schnell nach sich zog.
Poker vor dem Weg nach Westen Kolumbus kam in den 1470er-Jahren wie viele Jahre zuvor sein Landsmann Usodimare nach Lissabon. Die These, dass er dabei von einem brennenden Schiff an Land schwamm, ist der Mythenbildung seines Sohnes Hernando geschuldet. Damit begann ein neuer und entscheidender Abschnitt in seinem jungen Leben. Lissabon war zu diesem Zeitpunkt das Zentrum der dynamischsten Seemacht und Treffpunkt von Seefahrern, Kartografen und Kosmografen aus ganz Europa, die über neueste geografische Kenntnisse verfügten. Auch ein Martin Behaim steuerte in diesen Jahren die Stadt am Tejo an, um dann im selben Jahr, in dem Kolumbus auf Guanahani landen sollte, seinen Globus fertig zu stellen. In Genua hatte man den Aufstieg Lissabons im fernen Westen nicht nur passiv beobachtet. Die umtriebigen Kaufleute merkten schnell, dass im Osten ein zunehmend schärferer Wind blies. Die islamische Expansion, die 1453 mit dem Fall Konstantinopels einen Höhepunkt erreichte, machte eine Umorientierung der Handelswege bitter nötig. Spätestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts richteten die Händler auf der Suche nach Alternativen ihre Blicke immer stärker nach Westen. Kolumbus’ Bruder Bartolomeo hatte den Schritt dorthin gewagt und sich als Kartograf
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Ein Mann aus Genua Um Kolumbus’ Herkunft ranken sich viele Mythen. Ob England, Frankreich, Spanien oder Portugal – die Zahl der unfundierten Behauptungen ist groß, weil jede Nation gern einen Entdecker zum Landsmann haben wollte.69 Historiker bezweifeln heute aber nicht mehr, dass Kolumbus um 1451 in Ligurien geboren wurde. Der junge Cristoforo Colombo wuchs in der Hafenstadt Genua auf, wo sein Vater Domenico bereits in der zweiten Generation als Wollweber arbeitete und Mitglied in der Zunft der Tuchmacher war. Wahrscheinlich lernte er ebenso wie seine drei Brüder Lesen und Schreiben in einer Schule der Zunft, deren Handwerk er sich zunächst ebenfalls zu eigen machte. Als Jugendlicher entdeckte er seine Neigung zur Seefahrt, was in einer Stadt wie Genua nicht weiter erstaunlich war, hatte sie doch gemeinsam mit der Rivalin Venedig jahrhundertelang große Teile des Mittelmeerhandels kontrolliert. Hier waren schließlich die Gebrüder Vivaldi zu ihrer Reise in den Atlantik in See gestochen, und in Kolumbus’ Kindheit hatte ein Genuese in Diensten Portugals, Antoniotto Usodimare, die Kapverden entdeckt. Eine seiner Reisen führte Kolumbus wohl um 1474 nach Chios in der Ägäis, wo das hoch geschätzte Mastixharz zu bekommen war. Er war als Kaufmann im Auftrag des Handelshauses Centurione unterwegs. Ob er in dieser Zeit tatsächlich schon ein Schiff als Kapitän führte, wie er selbst angab, bleibt zweifelhaft.
Darstellung Genuas in Hartmann Schedels Weltchronik. Genua war im 15. Jahrhundert eine bedeutende Handelsstadt. Den Verlust des Handels im östlichen Mittelmeer nach dem Fall Konstantinopels glichen die Genueser Banken und Handelshäuser durch Investitionen auf der Iberischen Halbinsel aus.
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niedergelassen. Damit war Bartolemeo direkt an den Quellen des Wissens und pflegte enge Kontakte zu den Männern, die mit eigenen Augen die Ferne gesehen und vermessen hatten. Auch sein Bruder Cristoforo erlernte das gefragte Handwerk des Kartenzeichnens. In Lissabon waren die Gebrüder Colombo – oder Colom, wie sie sich nun nannten – nicht allein, denn es gab dort eine große Kolonie von Florentinern und Genuesen. Die Coloms integrierten sich in das Netzwerk ihrer Landsleute, die als Händler über Vorposten in allen größeren Häfen der damals bekannten Welt verfügten.70 Von Lissabon aus fuhr Kolumbus erneut zur See. Wie viele Reisen er genau unternahm, wissen wir nicht. Gesichert ist, dass er wohl 1477 auf einem Schiff der Genueser nach England und Irland fuhr. Wahrscheinlich kam er dabei auch nach Bristol, der aufstrebenden Hafenstadt in West england, von wo aus ein anderer Genuese und Altersgenosse von Kolumbus, Giovanni Caboto oder John Cabot, einige Jahre später nach NeuLissabon um 1500 in der „Crónica de Dom Afonso Henriques“ des Duarte Galvão. Begünstigt durch die Entwicklungen im Mittelmeerraum stieg Lissabon im 15. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Handels- und Seefahrerstädte Europas auf.
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fundland aufbrechen wird. Später behauptete Kolumbus, er habe bei dieser Reise auch „Ultima Thule“ besucht, was manche Kolumbus-Forscher dazu verleitete, über seine Kenntnis von den Vínland-Fahrten der Wikinger oder gar über eine „Entdeckung vor der Entdeckung“ zu spekulieren.71 Wahrscheinlicher ist, dass Kolumbus und später sein Sohn Her nando diese Geschichte weitergaben, um damit seine Behauptung zu untermauern, alle zu seiner Zeit bekannten Meere befahren zu haben und somit bereits ein äußerst erfahrener Seefahrer gewesen zu sein, bevor er auf große Fahrt nach Westen ging.72 Demgegenüber entsprechen die Berichte über seine Seereisen an der Westküste Afrikas bis hin nach São Jorge da Mina in diesem Zeitraum wohl der Wahrheit. Der Umzug nach Lissabon war auch insofern eine wichtige Zäsur im Leben des Kolumbus, als er in dieser Stadt heiratete und eine Familie gründete. Seine Frau Filipa Mogniz entstammte dem verarmten Adel und war die Tochter des Bartolomé Perestrello, des Hauptmanns von Porto Santo auf Madeira. Kolumbus heiratete damit in die portugiesische Oberschicht und in das Seefahrermilieu ein. Ob er dadurch tatsächlich an geheime Archive und Seekarten seines bereits verstorbenen Schwieger vaters kam, darüber kann man nur spekulieren. Sicher ist, dass er durch seine Frau Zugang zum Hof erhielt – und das sollte für seine Pläne wichtig werden. Außerdem gebar sie ihm um 1480 seinen einzigen legitimen Sohn Diogo (oder Diego).73 Während der rund zehn Jahre in Lissabon reifte bei Kolumbus der Plan, Indien auf dem westlichen Seeweg zu erreichen. Er beschäftigte sich intensiv mit der Umsetzbarkeit der Idee in die Tat. Als Autodidakt saugte er nautische, kosmografische und kartografische Kenntnisse auf und lernte Fremdsprachen – Spanisch, Portugiesisch und Latein. Eine weitere heftig umstrittene Debatte in der Kolumbus-Forschung rankt sich um die Quellen für Kolumbus’ Projekt. Las der Genuese die Klassiker und, wenn ja, welche? Lauschte er den Entdeckungserzählungen anderer Seefahrer und ließ er sich davon überzeugen? Mit endgültiger Sicherheit lassen sich auch diese Fragen nicht beantworten. Im Wesentlichen dürfte Kolumbus aus folgenden Quellen geschöpft haben: Zum einen aus der Kosmografie des Aeneas Sylvius Piccolomini, des späteren Papstes Pius II., die unter dem Titel „Historia rerum ubique gestarum locorumque descriptio“ 1461 erschienen war, zum anderen aus dem Kompendium „Imago Mundi“ des
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französischen Kardinals Pierre d’Ailly von 1410, der die geografischen Informationen seiner Zeit bündelt. Die Belege aus altgriechischen Klassikern wie insbesondere aus der „Naturalis Historiae“ von Plinius d. Ä., die Kolumbus in seinen Briefen nennt, lassen sich auf diese beiden Schriften zurückführen.74 In der Schrift d’Aillys finden sich Hinweise auf die verschiedenen klimatischen Zonen der Erde, auf das irdische Paradies, das sich an deren höchstem Punkt befinde, auf die Monster und Amazonen, die man in den unbekannten Gefilden zu erwarten habe, und nicht zuletzt auch auf die „Wilden, die Menschenfleisch essen“75. Daneben gilt Marco Polos Reisebericht als wichtige Quelle für Kolumbus’ Idee einer Entdeckungsfahrt in westliche Richtung. Das erhaltene und von Kolumbus mit Anmerkungen versehene Exemplar dieser Schrift – eine Ausgabe von 1485 – bekam er wahrscheinlich erst 1497 vom englischen Kaufmann John Day.76 Auch ist ungewiss, ob Kolumbus den Bericht Mandevilles selbst studierte. Unzweifelhaft waren Polos und Mandevilles Berichte weit verbreitete Bestseller des 14. und 15. Jahrhunderts. Daher kannte er den Inhalt dieser Werke und war auch mit den exotischen Ortsnamen vertraut, die in beiden Berichten eine Rolle spielen. Ähnlich verhält es sich mit einer weiteren potenziellen Quelle: So ging man lange Zeit davon aus, dass Kolumbus zumindest einmal direkt mit Toscanelli korrespondiert habe, ja dass der Humanist ihn persönlich in seinem Vorhaben bestärkt habe, die Reise auf dem westlichen Seeweg zu versuchen. Kolumbus’ Sohn Hernando und Las Casas berichten davon, und ein Brief Toscanellis an Kolumbus von ca. 1480/82 ist erhalten, an dessen Echtheit es allerdings Zweifel gibt. In diesem Schreiben heißt es: ■■
Von deinem mutigen und großartigen Plan, auf dem Westwege, den die dir übermittelte Karte anzeigt, zu den Ostländern zu segeln, nahm ich Kenntnis. Besser hätte er sich noch anhand einer runden Kugel klar machen lassen. Es freut mich, dass du mich recht verstanden hast. Der geschilderte Weg ist nicht nur möglich, sondern wahr und sicher. Unzweifelhaft ist die Reise ehrenvoll und vermag unberechenbaren Gewinn und höchsten Ruhm in der ganzen Christenheit zu bringen. […] Eine derartige Reise führt zu mächtigen Königreichen, berühmten Städten und Provinzen, die alles im Überfluss besitzen, was wir benötigen, auch alle Arten von Gewürzen in reicher Fülle sowie Edelsteine in großer Menge aufweisen.77 ■
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Wie die Korrespondenz im Einzelnen verlief, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Entscheidend ist, dass Kolumbus den Inhalt des Schreibens von Toscanelli an den portugiesischen Hof von 1474 zweifellos kannte.78 Neben diesen gesicherten und ungesicherten Textgrundlagen für sein Wissen wird Kolumbus selbstverständlich auch den vielen Kartografen und erfahrenen Seeleuten aufmerksam zugehört haben, die man in Lissabon zu jener Zeit antraf. Ob es den geheimnisvollen Lotsen aus Andalusien, den Fernández de Oviedo erwähnt und der dem Genuesen von einer Reise zu Inseln mit nackten Eingeborenen erzählt haben soll, wirklich gegeben hat, ist nicht mehr verifizierbar.79 Immerhin war diese Geschichte schon zu Kolumbus’ Lebzeiten in Umlauf. Da es unzweifelhaft bereits Versuche gegeben hatte, die mythischen Inseln im Westen zu finden, schwirrten wohl zahllose Gerüchte durch die Gassen Lissabons. Vieles davon war Seemannsgarn, doch einige wahre Informationen und Beobachtungen waren bestimmt darunter. Es spricht einiges dafür, den Berichten von fremdartigem Treibgut – kunstvoll bearbeitete Hölzer und Bambusstangen, exotisch aussehende Leichen zweier Männer, angetriebene Boote mit abnehmbaren Hütten darauf – Glauben zu schenken, denn Kolumbus wiederholt sie in seinem Bordbuch.80 Eine weitere wichtige Quelle für das Wissen des Genuesen waren die auf den See- und Weltkarten seiner Zeit verzeichneten Kenntnisse und Vermutungen über die Länder im Atlantik. Zu diesen Karten hatte er durch das Handwerk seines Bruders Bartolomeo direkten Zugang. Eine nahm er auf die Reise von 1492 mit. Das große Reich Cathay, die „zahl losen Inseln“, oder Cipangu konnte Kolumbus also erwarten, weil sie selbstverständlich auf allen besseren Karten jener Zeit wie auch auf dem Behaim-Globus von 1492 verzeichnet waren.81 Kolumbus’ Wissen, aber auch seine Irrtümer sind größtenteils auf diese vielfältigen Quellen zurückzuführen, die er seinen Bedürfnissen entsprechend selektiv auswertete und interpretierte. So war er fest davon überzeugt, dass die auf dem Weg gen Westen zu erwartende heiße Zone, die Tropen, bewohnbar und befahrbar sei. Davon hatte er sich auf seiner Reise an die Guineaküste selbst überzeugen können. Er berief sich wie viele seiner Zeitgenossen auf Plinius d. Ä., wenn er davon ausging, dass eine Seereise zwischen Europa und Asien auf dem Westweg innerhalb
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von vierzig Tagen machbar sei und dass man vor Erreichen der Küste auf viele Inseln treffen würde, die wie Cipangu teilweise schon namentlich bekannt waren. Bei antiken Autoritäten konnte man lesen, dass Europa und Afrika zusammen ein Drittel des Globus bedeckten und dass Asien größer war als diese beiden Kontinente zusammen. Daraus leitete Kolumbus – und nicht nur er – ab, dass die Entfernung von der Iberischen Halbinsel nach Asien weniger als ein Drittel des Erdumfangs betrage. Das apokryphe Buch Esra des Alten Testaments bestärkte ihn in dieser Annahme, da sich darin die Aussage findet, dass es auf der Erde sechsmal mehr Land als Wasser gebe. Der entscheidende Fehler des Kolumbus war indessen die falsche Berechnung des Erdumfangs. Das war auch auf die unterschiedlichen Maßstäbe zurückzuführen, die seine Quellen benutzten. Abgesehen davon, dass die Schätzungen der antiken Autoritäten sehr stark voneinander abwichen, machte es auch einen großen Unterschied, ob man in römischen oder arabischen Meilen rechnete.82 Kurz, Kolumbus’ Kenntnisstand war in mancherlei Hinsicht durchaus auf der Höhe seiner Zeit, doch er unterschied sich in drei wesentlichen Punkten von dem, was die damaligen Gelehrten als geografische Erkenntnisse anerkannten. Erstens unterschätzte er den Erdumfang, zweitens überschätzte er die Ausdehnung der eurasischen Landmasse, und drittens war er der Überzeugung, dass Japan und andere bewohnte Inseln viel weiter östlich der chinesischen Küste zu finden sein mussten, als bis dahin vermutet. Wahrscheinlich reifte Kolumbus’ Plan zur Westfahrt während der Jahre in Portugal. 1483 oder 1484 unterbreitete er dem portugiesischen König João II. sein Projekt. In den in den Quellen dazu kursierenden Versionen heißt es, dass er dann entweder aus Ärger über die Ablehnung seitens der königlichen Berater, die die Junta dos Mathematicos bildeten, oder aus Groll über das Handeln des Königs, der hinter seinem Rücken einen anderen mit der Reise beauftragte, das Land verließ. Sollte die erste Version der Wahrheit entsprechen, so könnte Kolumbus’ Rechenfehler ebenso der Grund der Ablehnung gewesen sein wie die Tatsache, dass die Krone angesichts der Fortschritte der portugiesischen Fahrten in den Süden vom Seeweg um Afrika überzeugt war und kein zusätzliches Westfahrtprojekt für nötig befand. Möglich ist auch, dass Kolumbus’ Frau inzwischen gestorben war und dass dies zu seiner Entscheidung beitrug.
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Toscanellis Weltkarte Irland 55 Brazil
60
Cambaluc
50
Oceanus Orientalis Indiae
Quinsay 40 30
I N DIA
MA NG I
Madeira Antilia
Zaiton
CIAM PA 20
Cipango
45
Azores
Gomera Ferro
35
Canaros
15
C. Verde
10
Oceanus Indiae Superioris
0 170
160
150
140
130
120
St. Brandan Insel 110
100
25
Tr o p i c u s C a n c e r
90
80
70
60
50
40
30
20
Sierra Leone 10
5
10 15
Java major
20
Tr o p i c u s C a p r i c o r n
25
Candyn
30
35 40
Java minor
Anguana 45
50
Kolumbus geografische Vorstellungen basierten wesentlich auf Toscanelli, dessen Weltkarte von 1474 rekonstruiert wurde.
Sein Sohn Hernando wird später schreiben, dass der Vater insgeheim aufbrach, was auf Schulden hindeuten könnte.83 Fest steht, dass Kolumbus um die Jahreswende 1485/86 nach Spanien kam und seinen kleinen Sohn Diego dabei hatte. Wahrscheinlich wollte er zunächst eine in Huelva oder Sevilla lebende Schwägerin aufsuchen. Die im Kolumbus-Mythos fest verankerte Episode seines Besuchs im Franziskanerkloster Santa María de la Rábida nahe der Stadt Palos de la Frontera, wo er angeblich seinen kleinen Sohn in die Obhut der Minoriten gab, ist in der Forschung umstritten. Kolumbus warb sodann um die Gunst der einflussreichen Herzöge von Medina-Sidonia und von Medinaceli. Letzterer interessierte sich für das Projekt der Westfahrt und verschaffte Kolumbus Zugang zum Hof.84 1486 erhielt er wohl erstmals eine Audienz beim spanischen Königspaar, das zu diesem Zeitpunkt in Córdoba residierte. Angesichts der finan ziellen Dimension des Projekts konnte sich die Krone, die ihn durchaus freundlich und wohlwollend empfing, nicht zur sofortigen Umsetzung
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entschließen, denn die Reconquista war noch in vollem Gange. Doch wollten die Könige den Genuesen auch nicht abweisen, denn der kam geradewegs von den portugiesischen Rivalen und konnte auf Grund seines Wissens eventuell wertvoll sein. Außerdem hatte er in Medinaceli und anderen gewichtige Fürsprecher. Daher bot es sich an, eine Expertenkommission aus Theologen und Kosmografen einzuberufen, die den Fall einer genauen Untersuchung unterziehen sollte. Vorsitzender war der Humanist Hernando de Talavera, Beichtvater der Königin und später erster Bischof von Granada. Man kann das Verhalten der Krone in diesem Zusammenhang so deuten, dass man durchaus Interesse an dem Projekt hatte, jedoch schlicht Zeit gewinnen wollte, da die finanziellen Voraussetzungen für die Realisierung noch nicht gegeben waren.85 In der Folgezeit trat die Junta mehrmals zusammen, um Kolumbus anzuhören, dessen Lebensunterhalt unter anderem durch Zuwendungen seitens der Krone sichergestellt war. Auch das deutet auf eine bewusste Verzögerungstaktik hin. Daher konnten sich die Gelehrten zunächst zu keiner Entscheidung durchringen. Zu den Befürwortern des Projekts zählten einflussreiche Männer bei Hofe, darunter der Schatzmeister Luis de Santángel, der Hoflehrer von Prinz Juan und spätere Bischof Diego de Deza, der aragonesische Kämmerer Juan Cabrero sowie die Franziskaner Juan Pérez und Antonio de Marchena. Sie vermittelten Kolumbus den Eindruck, dass er die Hoffnung nicht aufgeben sollte. Dass sich gerade Das Kloster Santa María de La Rábida spielt eine zentrale Rolle im Kolumbus-Mythos.
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diese Männer für sein Anliegen interessierten, verwundert kaum: Die Finanzmagnaten erkannten den enormen materiellen Gewinn, der im Erfolgsfall winkte. Die Franziskaner dagegen hofften auf neue Missionsgebiete im Westen, da ihnen Asien verschlossen war.86 Dennoch blieben die Bedenken gegen den Plan groß, und überhaupt gestalteten sich die Verhandlungen schwierig. Kolumbus musste 1488 und 1489 wiederholt dem Hof hinterherreisen, der die Kämpfe gegen die Mauren in Málaga und Baza fortsetzte. Seinen Hauptwohnsitz nahm er wohl in Sevilla, doch in Córdoba lernte er eine vermögende junge Frau kennen, Beatriz Enríquez de Arana, mit der er dann einen illegitimen Sohn, Hernando, den der Katholischen späteren Geschichtsschreiber, hatte, der wahr- Madonna Könige von Fernando Gallego (1490–95). scheinlich 1488 geboren wurde.
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Zwar hatte sich sein Privatleben damit zum Positiven gewendet, doch die Zukunft blieb im Ungewissen. Die Wartezeit zehrte an seinen Nerven. Las Casas beschrieb diese Zeit später so: ■■
Wer kann sieben Jahre lang so viel Ächtung und so viel Qualen, Zurückweisungen, Kränkungen, Mühsal, Armut, Kälte und Hunger erdulden, wie Christoph Kolumbus erdulden musste, um Beistand, Hilfe und Wohlwollen zu erlangen.87 ■
Wohl um einen gewissen Druck auf die Spanier auszuüben, wandte sich Kolumbus schon 1488 mit einem Schreiben an König João II. von Portugal und bat um einen Schutzbrief, um diesem sein Projekt noch einmal vorzutragen. In seinem Antwortschreiben zeigte sich der König freundlich, jedoch waren die Chancen auf portugiesische Unterstützung nach der erfolgreichen Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung durch Bartolomeu Dias just in diesem Jahr stark gesunken. Möglicherweise reiste Kolumbus’ Bruder Bartolomeo daher zunächst an den englischen Hof und – nach der Zurückweisung dort – nach Frankreich, wo er angeblich in Anne de Beaujeu, der Schwester des Königs, eine Gönnerin fand. Dafür spricht die Tatsache, dass Kolumbus 1491 nach Frankreich abreisen wollte, um sein Projekt am dortigen Königshof vorzustellen.88 Diese Entscheidung war darauf zurückzuführen, dass sich die Expertenkommission im selben Jahr schließlich doch zu einem Entschluss durchrang, nachdem Kolumbus ein weiteres Mal bei Hofe vorgesprochen hatte. In Santa Fé, dem Feldlager der Monarchen, wurde sein Projekt abschlägig beschieden.89 Über die Gründe für die Ablehnung ist viel spekuliert worden. Erstens gab es nach damaligem Kenntnisstand gute Gründe dafür, die Durchführbarkeit zu bezweifeln. Zweitens befand sich Spanien noch immer im Krieg gegen die Mauren, und der finanzielle Spielraum der Krone war dementsprechend begrenzt. Drittens dürften auch die Forderungen des Genuesen dem Verhandlungsklima nicht gerade zuträglich gewesen sein. Folgt man der bisherigen Interpretationslinie weiter, so kann man die Ereignisse als eine harte Verhandlungstaktik beider Seiten verstehen: Die Krone bricht die Verhandlungen scheinbar ab, weil Kolumbus mit seinen Ansprüchen schlicht zu weit gegangen ist. Der mit allen Wassern gewaschene Kaufmann Kolumbus spielt das Spiel mit. Verärgert reist er zum Kloster La Rábida ab, um seinen Sohn abzuholen. Dort traf er
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mit Juan Pérez zusammen, der als ehemaliger Beichtvater der Königin noch immer einflussreich war und eine Verbindung zum Königshof herstellen konnte.90
Reisevorbereitungen Kurz darauf überstürzen sich die Ereignisse. Wie es dazu kam, wird sich nie endgültig klären lassen. Jedenfalls änderte Königin Isabella ihre Meinung und ließ Kolumbus zurückrufen, um ihn nun doch mit der Westfahrt zu beauftragen. Ein Bündel an Motiven dürfte ursächlich für das Einlenken der Krone gewesen sein. Am 2. Januar 1492 war mit dem Fall Granadas die Reconquista zum Abschluss gekommen. Durch die Vertreibung und Enteignung der Juden kam die Krone zu viel Geld. Auch war nicht unwichtig, dass Santángel und Kolumbus selbst – wahrscheinlich durch eine Anleihe bei seinen italienischen Partnern – sich bereit fanden, einen Teil des nötigen Geldes vorzustrecken. Sodann blieb die Rivalität mit Portugal von Bedeutung. Schließlich setzte sich durch den Sieg gegen die Mauren das Selbstverständnis bei den als besonders fromm geltenden spanischen Monarchen durch, dass man quasi einen heilsgeschichtlichen Auftrag habe, die Expansion weiter zu betreiben. Die Tatsache, dass all diese Faktoren schon vor dem vermeintlichen Bruch in Santa Fé gegeben oder zumindest abzusehen waren, deutet darauf hin, dass es sich hier um nichts anderes als eine äußerst hart umkämpfte Partie Poker zwischen ausgebufften Spielern gehandelt haben könnte. An dem Gesinnungswandel im letzten Moment wird deutlich, dass die Krone letztlich doch allergrößtes Interesse an der Durchführung des Projekts hatte. Vielleicht war ja auch Kolumbus’ Drohung, nach Frankreich zu gehen, nichts anderes als ein großer Bluff. Für eine solche These spricht die Art und Weise, wie der Genuese in den folgenden drei Monaten die Bedingungen mit den Unterhändlern der Krone aushandelte und dabei seine Vorstellungen weitestgehend durchsetzte. Abt Juan Pérez fungierte dabei als sein Unterhändler – für die Krone war es der Sekretär Ferdinands, Juan de Coloma. Neben den detaillierten Abmachungen von Santa Fé erhielt Kolumbus von den Monarchen einen Schutzbrief, der auf denselben Tag datiert war,
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Die „Capitulaciones“ von Santa Fé vom 17. April 1492 Die Verhandlungen mündeten in die Vereinbarungen von Santa Fé, die sogenannten „Capitulaciones“ vom 17. April 1492. Damit wurde Christoph Kolumbus offiziell auf eine Reise zu den „Inseln in den Ozeanischen Meeren“ geschickt, die er für die spanische Krone in Besitz nehmen sollte.91 Wahrscheinlich vermied man bewusst, von Indien zu sprechen, um die Portugiesen nicht unnötig zu provozieren. Dabei ging es um nichts anderes, als diese Länder – das heißt Ostasien – auf dem westlichen Seeweg zu erreichen. Im Gegenzug verlieh die Krone Kolumbus vertraglich den erblichen Titel eines Admirals sowie des Vizekönigs und Generalgouverneurs. Zusätzlich erhielt der Genuese das Vorschlagsrecht für die Besetzung aller Ämter in den neu gewonnenen Gebieten. Ferner sollte Kolumbus den zehnten Teil des Reingewinns aller in den neuen Ländern aufgefundenen Güter für sich behalten dürfen. König und Königin unterzeichneten die Abmachung. Es handelte sich also nicht um einen Vertrag unter gleichberechtigten Partnern, sondern um die Übertragung von Privilegien. Man stützte sich dabei auf traditionelle Vorgehensweisen bei Vereinbarungen mit Privatleuten, die man schon seit Langem im Zusammenhang mit der Reconquista und mit der Beauftragung von Seereisen praktiziert hatte. Allerdings gingen die Privilegien, die man Kolumbus versprechen musste, weit über das übliche Maß hinaus. Auch daran zeigt sich, wie sehr die spanische Krone nun die Westfahrt wollte.92
jedoch in Granada ausgestellt wurde. Es handelte sich dabei um ein Schreiben, das er im Bedarfsfall fremden Fürsten und Königen vorlegen sollte, die er auf seiner Reise antraf. Die Könige bitten darin um Schutz und Unterstützung für ihren Gefolgsmann und beschreiben seinen Auftrag, zu dem sie Handel und Mission zählen. In diesem Reisepass wird das eigentliche Ziel der Reise, nämlich Indien – ad partes Indie – im Gegensatz zu den Vereinbarungen von Santa Fé klar benannt, da er sich nur an fremde Herrscher richtete.93 Mit diesen Abmachungen in der Tasche begannen die praktischen Reisevorbereitungen. Ausrüstung und Mannschaften mussten angesichts der Tragweite des Unternehmens besonders sorgfältig ausgewählt werden. Die Stadt Palos erhielt als Strafe für ein nicht näher bekanntes Vergehen die Anweisung von den Monarchen, zwei Karavellen für eine zwölfmona-
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tige Reise auszurüsten. Im Mai verlas man das Dokument unter den Klängen der Glocke der Georgskirche öffentlich. Alle umliegenden Gemeinden mussten Bauholz, Zimmerleute und Vorräte zu vernünftigen Preisen zur Verfügung stellen. Gleichzeitig begann man die Mannschaften anzuheuern. Das gestaltete sich schwierig, denn unter den zahlreichen erfahrenen Seeleuten, die in Palos lebten, bestanden große Vorbehalte gegen den Ausländer Kolumbus wie auch gegen das riskante Unternehmen als solches. Selbst der von der Krone versprochene viermonatige Vorschuss auf die Heuer und die Zusage, laufende Gerichtsverfahren einzustellen, wenn die Angeklagten freiwillig anheuerten, erzielten nicht die erhoffte Wirkung. Letztlich war es der Initiative von Martín Alonso Pinzón, einem erfahrenen Kapitän und Schiffseigner, der Kolumbus durch den Franziskaner Marchena kennen und schätzen gelernt hatte, zu verdanken, dass die Vorbereitungen vorankamen. Gemeinsam mit seinem Bruder Vicente Yáñez Pinzón machte er erfolgreich Werbung für die Fahrt, an der beide persönlich teilnehmen wollten.94 Die Flottille, die von Palos aus in See stechen sollte, umfasste nur drei Schiffe. Auch die Mannschaftsstärke blieb überschaubar – die genaue Zahl ist nicht bekannt. Zwischen 90 und 120 Mann werden angenommen, darunter auch einige konvertierte Juden wie der Dolmetscher Luis de Torres, der Seemann Rodrigo de Triana, der zuerst Land erblicken wird, der Notar Rodrigo Sánchez und zwei Ärzte. Die Crew aus jungen, gesunden Männern stammte zum allergrößten Teil aus Andalusien. Neben den üblichen Matrosen, Schiffszimmerleuten, Segelmachern und Bootsmännern waren auch zwei königliche Beamte und ein Polizeihauptmann darunter, die dafür sorgen sollten, dass alles mit rechten Dingen zugeht und die Interessen der Krone gewahrt bleiben.95 Die Schiffe, die diese Männer besteigen sollten, waren zunächst die zwei Karavellen der Stadt Palos. Die „Niña“ war wegen ihres geringen Tiefgangs besonders gut für die Küstenfahrt geeignet und stand unter dem Kommando von Vicente Yáñez Pinzón. Die etwas größere „Pinta“ befehligte dessen Bruder Martín Alonso. Beide hatten jeweils wohl fünfundzwanzig bis dreißig Mann an Bord. Das Flaggschiff, die „Santa María“, war keine Karavelle, sondern ein Nao und stammte aus Galizien. Auf ihr fuhr der Admiral persönlich. Sie war das größte der drei Schiffe und weniger leicht manövrierbar. Kolumbus selbst war keineswegs zufrieden,
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denn für die Erkundung von Küstenlinien waren kleinere, wendigere Schiffe besser geeignet. Die Mannschaft umfasste vierzig bis fünfzig Seeleute. Viel länger als geplant, nämlich mehr als zwei Monate dauerten die Vorbereitungen, ehe sich alle Seeleute am 2. August 1492 noch einmal zu Beichte und Messe in der Georgskirche zusammenfanden. Am frühen Morgen des nächsten Tages stach die kleine Flotte in See. Über die Motive, die Kolumbus dazu trieben, die Fahrt nach Westen zu wagen, wird bis heute viel diskutiert. War es das rein materielle und soziale Strebertum des Genuesen? Ging es ihm nur um den von Toscanelli in seinem Schreiben an die portugiesische Krone vom 25. Juni 1474 vorhergesagten „unermesslichen Reichtum“96, um Ruhm und den Aufstieg in die Adelsschicht? Sicherlich auch darum, denn er hatte in den Verhandlungen gerade darauf größten Wert gelegt. War er ein religiöser Eiferer, dem die Verbreitung des Glaubens wichtiger war als alles andere? Zweifellos war Kolumbus auch ein religiöser Mensch, der es auf seinen Reisen nicht versäumte, nach göttlichen Fingerzeigen zu suchen. Er nahm seine Mission ernst und war stets bemüht, seine Entdeckungen, die zum Ruhm der ganzen Christenheit beitragen sollten, mit den Aussagen der Bibel in Einklang zu bringen. Kreuzzugsgedanken kamen hin und wieder auf, und das Wortspiel mit seinem Vornamen – Christoph ist Christo ferens ist Christusträger – gefiel ihm sehr.97 Er war zweifellos von missionarischem Eifer erfüllt, religiöser Fanatismus war aber wohl eher eine Erscheinung seiner späteren Jahre, als er nach vielen Enttäuschungen prophetische und apokalyptische Anwandlungen hatte, die er in seinem unvollendet gebliebenen „Buch der Prophezeiungen“ niederschrieb.98 War er gar ein verbohrter Narr, der wider besseres Wissen das Wagnis suchte? Gewiss war ihm nur das als nutzbare Information willkommen, was zur Bestätigung seiner Theorie und zum Erreichen seines Ziels verwendet werden konnte. Alles andere ignorierte er, so etwa auch die auf Ptolemäus zurückgehende und von d’Ailly übernommene Schätzung des Erdumfangs, die wesentlich über dem von ihm angenommenen Wert lag. Dennoch erscheint eine Verurteilung unangebracht, denn Toscanelli und viele bekannte Gelehrte seiner Zeit teilten die Einschätzung, dass das Risiko einer Westfahrt nicht allzu hoch sein könne, da man in einem angemessenen Zeitraum zumindest auf Antilia und mit etwas Glück bereits auf die Cipangu vorgelagerten Inseln treffen würde.
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Das Quellenproblem I Ebenso wie das Vorleben des Kolumbus sind auch seine Reisen und sein späteres Schicksal schwer zu rekonstruieren. Zwar gibt es eine für eine nichtadlige Persönlichkeit seiner Zeit erstaunliche Fülle an Quellen, Grundprobleme aber sind deren fehlende Glaubwürdigkeit, die Unzuverlässigkeit und Widersprüchlichkeit. Kaum eine seiner Schriften wurde zu Lebzeiten veröffentlicht, und es ist fraglich, inwieweit die Werke authentisch sind. Teile seiner schriftlichen Hinterlassenschaft sind schlicht verloren gegangen, und nur Hinweise bei späteren Autoren lassen auf deren frühere Existenz schließen.99 Auch das Original des Schiffstagebuchs der ersten Reise, der wichtigsten Quelle von Kolumbus’ eigener Hand, ist verloren gegangen. Kolumbus hatte seinen Bericht sofort nach der Rückkehr an den Hof gesandt und eine Kopie zurück erhalten, die unauffindbar ist.100 Allerdings hat Las Casas den Bericht in sein Werk „Historia de las Indias“ übernommen, indem er große Passagen wörtlich zitiert, andere paraphrasiert, das meiste kommentiert und vieles weglässt. So kommen kaum nautische Details vor – bei einem Logbuch mehr als erstaunlich. Ähnlich verfuhr Las Casas mit den Tagebüchern der zweiten und dritten Reise, wenn er sie auch wesentlich weniger ausführlich zitiert. Da Las Casas wegen seiner kritischen Äußerungen an der spanischen Indigenenpolitik bereits seit dem 16. Jahrhundert in Verruf stand, wurde das Werk erst 1825 veröffentlicht. Den Wert der Tagebücher als direkte Aufzeichnung von gerade Erlebtem haben Historiker mit guten Argumenten angezweifelt, denn die Formulierungen sind in einigen Passagen verdächtig reflektiert und in anderen in sich nicht stimmig. Von Kolumbus sind auch Briefe und Memoranden überliefert. Besonders bekannt ist sein erster Brief von 1493 an Santángel, der schnell in zahlreichen Ländern und Sprachen erschien. Von diesem Schreiben gibt es jedoch unterschiedliche Versionen, und Kolumbus’ Urheberschaft ist auch hier angezweifelt worden. Ebenso bei Papieren und Schriften des Genuesen, die im 19. Jahrhundert entdeckt und veröffentlicht wurden. Eine weitere wichtige Quelle zu Kolumbus ist die Schrift seines Sohnes Her nando, die 1571 in einer italienischen Übersetzung und mehr als dreißig Jahre nach dem Tod des Autors erstmals in Spanisch erschien. Zwar ist ihre Authentizität heftig umstritten, doch bleibt das Werk bedeutend, da der Autor Kenntnisse aus erster Hand besaß und sich wohl selbst Las Casas auf den Ur-Text bezog. Wie Hernando Colón kannten auch die zeitgenössischen Chronisten Gonzalo Fernández de Oviedo und Peter Martyr von Anghiera sowie der Geistliche Ramón Pané Kolumbus persönlich, so dass auch ihre Schriften zu den wichtigen Quellen für die Ereignisse gezählt werden müssen.
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Die nicht enden wollende Überfahrt Die Fahrt ging zunächst zu den Kanaren, dem spanischen Vorposten im Atlantik. Die Schiffe folgten also den bekannten Routen so weit wie möglich. Kolumbus machte sich auf den Inseln ein Bild vom Umgang mit den fremdartigen Guanchen und von den Schwierigkeiten des Aufbaus von Herrschaft in weiter Entfernung von der Heimat. In der Gewalttätigkeit unterschied sich die Bekämpfung der kanarischen Völker kaum vom Vorgehen gegen die Feinde der Reconquista auf der Iberischen Halbinsel. Doch die Gegner unterschieden sich erheblich, und es war schwierig, sie auf ihrem eigenen Terrain zu besiegen. Die Beobachtungen, die Kolumbus vor Ort machte, konnten ihren Eindruck nicht verfehlen, denn der Aufenthalt dauerte lange, weil die „Pinta“ repariert werden musste und lange Zeit Flaute herrschte. Erst mehr als einen Monat nach der Abreise von Palos begann von La Gomera aus am 6. September die Fahrt ins Ungewisse. Es war eine erstaunlich ruhige Seereise – zu ruhig für den Geschmack der Mannschaften. Keiner der Männer war je so lange ununterbrochen an Bord eines Schiffes gewesen, ohne Land zu sehen. Nach zwei Wochen Fahrt übers offene Meer murrten die Mannschaften erstmals. Doch Kolumbus verwies auf die Zeichen, die auf nahes Land zu deuten schienen: ■■
Im frühen Morgengrauen erblickten wir so große Mengen Grases, das, aus Westen kommend, das Meer so dicht bedeckte, dass es den Anschein erweckte, als wäre das Meer eine einzige ins Stocken geratene grüne Masse.101 ■
Er erwähnte auch Vögel, die sich seiner Meinung nach nie mehr als hundert Meilen vom Land entfernen. Wir wissen heute, dass es sich bei den Beobachtungen um Braunalgen und Seevögel handelte, die sich durchaus auch auf offener See fernab von den Küsten finden. Der Generalkapitän versuchte, seine Mannschaft von den Fingerzeigen des Himmels zu überzeugen, die ihn angeblich bestätigten. Zu diesem Zeitpunkt fühlte er sich bereits wie Noah auf der Arche, der auf Gottes Wunder vertraute. Den Seegang, der sich am 23. September ohne Wind einstellte, interpretierte er als Wunder, das er in seinem Bordbuch mit der Teilung der Wasser beim Zug der Israeliten durchs Rote Meer verglich.102 Außerdem hatte
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sich Kolumbus ausgedacht, der Mannschaft nie die wirklich zurückgelegte Strecke mitzuteilen, sondern nur einen Teil der Distanz, damit sie die Hoffnung auf sichere Heimkehr nicht verlor. Die Männer hatten Angst davor, dass es kein Zurück mehr geben könnte, dass die Winde, die sie nach Westen bliesen, nicht mehr umschlagen würden. Zwei Tage später schien endlich Land in Sicht zu sein. Alle fielen auf die Knie und sangen voller Inbrunst das „Gloria in excelsis Deo“.103 Umso größer war die Enttäuschung, als sie erkennen mussten, dass sie sich getäuscht hatten – es war nur eine Wolkenbank. Die Unruhe unter den Mannschaften nahm nun zu, und es gab Drohungen gegen den Generalkapitän, der anscheinend in einer anderen Sphäre schwebte und von der wunderbaren Luft schwärmte, die „so mild und wohltuend [sei], dass zu alledem nur noch der Sang der Nachtigallen fehlte“104. Da half auch nicht, dass Kolumbus ihnen hohen Lohn versprach. Letztlich musste er sich stur stellen. Er sei nun einmal entschlossen, die Reise zu einem glücklichen Abschluss zu bringen, und werde dies mit Gottes Hilfe auch schaffen – schließlich fühlte er sich als AuserwählDie Kolumbus zugeschriebene ter auf einer heiligen Mission. Seekarte aus der Werkstatt seines Ob auch bei Kolumbus mit zunehmen- Bruders (Bibliothèque Nationale de Seekarten wie diese, der Reisedauer Zweifel am Erfolg seines France). sogenannte Portolane, nutzte man Unternehmens aufkamen, können wir seit dem Mittelalter.
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nur vermuten. Das Bordbuch berichtet natürlich nichts davon, doch das ist auch nicht zu erwarten. In den Aufzeichnungen heißt es, dass sich die Probleme mit den Besatzungen Ende der ersten Oktoberwoche extrem verschärften. Selbst wenn die Einträge für diese Tage eine geradezu theaterreife dramatische Zuspitzung der Lage wiedergeben, ist die Grundaussage nicht unwahrscheinlich, denn sogar die falschen Angaben, die Kolumbus seinen Leuten machte, lagen nun bereits deutlich über der von ihm ursprünglich angenommenen Strecke nach Japan. Am 6. Oktober schildert das Bordbuch eine Unterredung mit Martín Alonso Pinzón: Der Kapitän der „Pinta“ wollte eine Kursänderung nach Südwesten, und Kolumbus gab dem Drängen schließlich nach, obwohl er überzeugt war, dadurch den direkten Weg zum Festland zu unterbrechen.
Die Begegnung mit dem Unbekannten Quälende fünf Tage zog sich das Warten noch hin, bis in der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober endlich Land in Sicht kam: ■■
Als Erster erspähte dieses Land ein Matrose, der Rodrigo de Triana hieß, wiewohl ich um 10 Uhr nachts vom Aufbau des Hinterschiffs aus ein Licht bemerkt hatte. Obzwar das schimmernde Licht so undeutlich war, dass ich es nicht wagte, es als Land zu bezeichnen, so rief ich dennoch Pedro Gutiérrez, den Truchsess des Königs, um ihm zu sagen, dass ich ein Licht zu sehen glaubte, und bat ihn, es sich anzusehen, was jener auch tat und es tatsächlich auch sah. […] Nachdem ich meine Beobachtung gemeldet hatte, sah man das Licht ein-, zweimal aufscheinen; es sah so aus, als würde man eine kleine Wachskerze auf- und niederbewegen, was wohl in den Augen der wenigsten als Anzeichen nahen Landes gegolten hätte – allein ich war fest davon überzeugt, mich in der Nähe des Landes zu befinden.105 ■
Am 12. Oktober 1492 ging Kolumbus an Land und ließ die königlichen Banner entrollen. Mit einem offiziellen und während der Reconquista vielfach eingeübten Rechtsakt der Besitzergreifung nahm er die Insel für die spanischen Könige in Besitz, da sie nach europäischem Verständnis keinen Besitzer hatte, und taufte sie auf den Namen San Salvador. Seit Bartolus de Sassoferrato in seiner im 14. Jahrhundert veröffentlichten
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Frontispiz zu Giuliano Dati: La lettera dell’íisole che ha trovato nuovamente el re di Spagna von 1493. Der Kalabreser Bischof Dati verwandelte den Kolumbus-Brief in Versform. Der Holzschnitt zu dieser Ausgabe verwendet bekannte Motive, nur die nackten Indigenen wurden neu hinzugefügt.
Schrift „Tractatus de insula“ galten Inseln und andere Gebiete in den Händen von Ungläubigen ebenso als herrenlos wie die, die erstmals entdeckt wurden. Obwohl er Notiz von der Anwesenheit Eingeborener genommen hatte, war für Kolumbus die Sachlage so klar, dass er sich die Frage, ob der Rechtsbegriff in diesem Fall zutraf, gar nicht erst stellte.
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Bahamas Fernandina
Atlantischer Ozean
San Salvador 12. 10. 1492 Concepción
Kuba
Hispaniola Puerto Rico
Jamaika 0
200
400
600 km
Karibisches Meer
NORDAMERIKA
Atlantischer Ozean
San Salvador Kuba Hispaniola
Pazifischer Ozean
Kolumbus’ erste Reise 1492/93
Puerto Rico
SÜDAMERIKA
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Kolumbus’ erste Reise
E U RO PA
Lissabon Sevilla Palos Cádiz
Azoren
Barcelona
Madeira Kanarische Inseln La Gomera
Kap Bojador
Kapverdische Inseln
AFRIKA
0
500
1000 1500 km
Theiss Verlag/Peter Palm
Atlantischer Ozean
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■■
Ich begab mich, begleitet von Martin Alonso Pinzón und dessen Bruder Vicente Yáñez, dem Kapitän der Niña, an Bord eines mit Waffen versehenen Bootes an Land. Dort entfaltete ich die königliche Flagge, während die beiden Schiffskapitäne zwei Fahnen mit einem grünen Kreuz im Felde schwangen, das an Bord aller Schiffe geführt wurde und welches rechts und links von den je mit einer Krone verzierten Buchstaben F und Y umgeben war. Unseren Blicken bot sich eine Landschaft dar, die mit grün leuchtenden Bäumen bepflanzt und reich an Gewässern und allerhand Früchten war. Ich rief die beiden Kapitäne und auch all die anderen, die an Land gegangen waren, ferner Rodrigo d’Escobedo, den Notar der Armada, und Rodrigo Sánchez von Segovia zu mir und sagte ihnen, durch ihre persönliche Gegenwart als Augenzeugen davon Kenntnis zu nehmen, dass ich im Namen des Königs und der Königin, meiner Herren, von der genannten Insel Besitz ergreife, und die rechtlichen Unterlagen zu schaffen, wie es sich aus den Urkunden ergibt, die dort schriftlich niedergelegt wurden.106 ■
Der Name der Insel war ursprünglich Guanahani – die Christen nannten sie nun nach dem „heiligen Erlöser“. Doch welche Insel hatte man denn nun entdeckt? Schnell war klar, dass es sich nicht um das sagenhafte Antilia handeln konnte, dafür war die Insel zu klein und unbedeutend. Seinem von Toscanelli geprägten Weltbild entsprechend musste Kolumbus annehmen, es handele sich um einen Teil des Cipangu vorgelagerten Archipels. Bis auf den heutigen Tag ist das Rätsel um den Ort von Kolumbus‘ erstem Landgang, über das sich seit dem 19. Jahrhundert Generationen von Historikern die Köpfe zerbrochen haben, nicht mit letzter Sicherheit gelöst.107 Viel spricht jedoch dafür, dass es sich um die Watlingsinsel in der Bahamasgruppe handelte, die seit 1925 wieder den Namen San Salvador nach Kolumbus erster Benennung trägt. Was sich am 12. Oktober 1492 beim ersten Zusammentreffen der Europäer und der Lukku-Cairi abgespielt hat, wissen wir nur aus der Sicht des Kolumbus in der Form, in der Las Casas sie überliefert hat. Für die Plausibilität dieses Berichts spricht, dass diese erste Begegnung in mancher Hinsicht beispielhaft war für vieles, was sich im folgenden halben Jahrhundert an Erstkontakten in anderen Regionen des Kontinents ereignete. Erst nach dem formellen Akt der Inbesitznahme traten die Bewohner der Insel ins Blickfeld. Kolumbus betrachtete sie vermeintlich mit dem Auge des Missionars, beschrieb sein Gegenüber aber auch abschätzend
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als arm und naiv und betonte, dass die Fremden unbewaffnet, also wehrlos waren. Im Austausch von Gaben und später im Tauschhandel verhielten sie sich ähnlich wie die Bewohner der Guineaküste, die er Jahre zuvor erlebt hatte. Für die aus europäischer Sicht wertlosen Glasperlen und farbigen Mützen brachten die Insulaner ihnen Waffen, Baumwollknäuel, Papageien. Wenn das auch in den Augen des Kolumbus, der auf Gold gehofft hatte, nicht viel war, zeigte sich doch, dass sich die Fremden wahrscheinlich sehr gut als Arbeitskräfte eignen und leicht zu bekehren sein würden. Was hier deutlich wird, ist die kühle Abschätzung des zu erzielenden Nutzens, die angesichts des teuren Unternehmens nicht über raschen kann. Hinter diesem genauen Blick auf die materielle Seite standen die Fragen: Kann man die Eingeborenen ausbeuten? Haben sie Gold? Kann man sie leicht besiegen? Demgegenüber hatte das Argument der Verbreitung des Christentums nur Legitimationsfunktion, das zeigen dieser und spätere Berichte wie vor allem der Kolumbus-Brief von 1493/94. ■■
Sofort sammelten sich an jener Stelle zahlreiche Eingeborene der Insel an. In der Erkenntnis, dass es sich um Leute handle, die man weit besser durch Liebe als mit dem Schwerte retten und zu unserem Heiligen Glauben bekehren könne, gedachte ich sie mir zu Freunden zu machen und schenkte also einigen unter ihnen rote Kappen und Halsketten aus Glas und noch andere Kleinigkeiten von geringem Werte, worüber sie sich ungemein erfreut zeigten. Sie wurden so gute Freunde, dass es eine helle Freude war. Sie erreichten schwimmend unsere Schiffe und brachten uns Papageien, Knäuel von Baumwollfaden, lange Wurfspieße und viele andere Dinge noch, die sie mit dem eintauschten, was wir ihnen gaben, wie Glasperlen und Glöckchen. Sie gaben und nahmen alles von Herzen gern – allein mir schien es, als litten sie Mangel an allen Dingen. Sie gehen nackend umher, so wie Gott sie erschaffen, Männer wie Frauen, von denen eine noch sehr jung war. Alle jene, die ich erblickte, waren jung an Jahren, denn ich sah niemand, der mehr als 30 Jahre alt war. Dabei sind sie alle sehr gut gewachsen, haben einen schön geformten Körper und gewinnende Gesichtszüge. […] Einige von ihnen bemalen sich mit grauer Farbe (sie gleichen den Bewohnern der Kanarischen Inseln, die weder eine schwarze noch eine weiße Hautfarbe haben), andere wiederum mit roter, weißer oder einer anderen Farbe …108 ■
Aus den überlieferten Quellen spricht ferner das Bemühen des Beobachters, das Gesehene in die eigene Vorstellungswelt, in die eigenen Erwar-
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tungen einzuordnen, die von biblischen Quellen, aber auch von Kolumbus’ Erfahrungen im atlantischen Raum, auf der Iberischen Halbinsel und in Afrika geprägt waren.109 So passte die Betonung der Nacktheit der Lukayer gut zur Vorstellung vom „goldenen Zeitalter“ oder von „paradiesischen Zuständen“, wonach das Nackte ursprünglich natürlich war und damit positiv gedeutet werden konnte. Doch konnte man auch das genaue Gegenteil darunter verstehen und die Nacktheit als bedrohlich und wild auffassen. Auch der Vergleich mit den Guanchen und den Schwarzen war Kolumbus wichtig, um zu beweisen, dass es sich wie vorausgesagt um denselben Breitengrad handelte, auf dem die Kanarischen Inseln lagen.110 Wichtig war ihm darüber hinaus die Feststellung, dass es sich nicht um die vermuteten Monster handelte und dass die Insulaner normale Menschen zu sein schienen, die noch dazu christianisiert werden konnten, da sie keiner „Sekte“ angehörten, das heißt weder Juden noch Moslems waren. Was sich am Duktus des Bordbuchs ablesen lässt, ist die Suche nach Zeichen der Zivilisation. Kolumbus interpretierte Menschen und Dinge, die er auf San Salvador und später auf den anderen Karibik inseln sah, als Vorzeichen der Annäherung an das Reich des Großen Khans, das eigentliche Ziel des gesamten Unternehmens. Kurz, Kolumbus sah, was er sehen wollte. Was nun können uns die vorliegenden Quellen über die Sicht der Lukku-Cairi sagen? Wahrscheinlich war die Ankunft von Kolumbus und seinen Männern für die Menschen auf Guanahani eine große Überraschung, für manche sicher auch ein Schock, denn im Gegensatz zu den Europäern, die ihren Horizont durch die Seefahrten des 15. Jahrhunderts wesentlich erweitert hatten, fehlte ihnen abgesehen von den Auseinandersetzungen mit den Caniba die Erfahrung des unvermuteten Zusammentreffens mit kulturell vollständig Fremdem. Es ist zu vermuten, dass sie wie die Europäer zunächst darum bemüht waren, das Neuartige in ihre Vorstellungen, Erfahrungen und in ihr Wertesystem einzuordnen. So lag es nahe, zunächst anzunehmen, dass es sich bei den Ankömmlingen um einen ihnen noch unbekannten Stamm der Caniba von der Insel Bohío handelt. Dieser Verdacht löste sich jedoch spätestens in dem Moment auf, als die Fremden begannen, Geschenke zu verteilen.111 So verdichtete sich zumal bei den Schamanen höchstwahrscheinlich die Annahme, dass die Neuankömmlinge aus einer anderen, übermensch-
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Das Quellenproblem II Die Quellen für die Lukku-Cairi, die an der ersten Begegnung mit den Europäern teilhatten, unterscheiden sich radikal von jenen aus dem Umfeld des Kolumbus. Als Kultur, die die Schrift nicht kannte, waren sie in der von Europäern geprägten und dominierten Geschichtsschreibung, die sich seit ihrer Entstehung vor allem auf Textquellen konzentrierte, das Andere, dem man sich nur durch die Perspektive des Kolumbus und derer, die ihm folgten, nähern konnte. Dadurch waren die sogenannten „Indios“ von Beginn an im Hintertreffen, da sie durch die Brille der Europäer nur als Objekte gesehen werden konnten, die mit der meist selbstgerechten Deutung des Verhaltens ihres Gegenübers in der Regel danebenlagen. Durch die archäologische und ethnohistorische Forschung hat sich diese Lage in den letzten Jahrzehnten geändert. Der Begründer der Ethnografie Amerikas war ein Begleiter von Kolumbus auf dessen zweiter Reise, der Hieronymit Ramón Pané. Im Auftrag des Genuesen lernte Pané die Sprache der Taino und beschäftigte sich mit deren Mythologie. Er verfasste zu diesem Thema 1498 die „Relación acerca de las antigüedades de los indios“, die erste Schrift in Amerika, die in einer europäischen Sprache geschrieben wurde.112 Auch hier existiert das Original nicht mehr. Die Überlieferung verdanken wir Kolumbus‘ Sohn Hernando, der den Text in seine „Historia del Almirante“ aufnahm. Da es sich also auch bei Panés Text nicht um eine Schrift aus erster Hand handelt und seine Sicht auf die Taino natürlich auch eine europäische ist, muss man mit dieser Quelle gleichermaßen vorsichtig umgehen. Mittlerweile liegen allerdings zahlreiche archäologische Funde vor, die in Kombination mit Schriftquellen und generellen ethnologischen Erkenntnissen über tropische Inselkulturen Aussagen über das alltägliche Leben, die Bevölkerungsentwicklung, die Herkunft und die Mythen der Karibik am Ende des 15. Jahrhunderts erlauben.113 In der Rekonstruktion der Perspektive der Taino, die auf Kolumbus trafen, kann es ohnehin nicht darum gehen, die eine korrekte Version zu finden, sondern nur darum, Eindrücke aus den Überresten jener Zeit herauszufiltern.114 Führt man sich die Probleme mit den europäischen Schriftquellen jener Zeit vor Augen, so unterscheidet sich die Aufgabenstellung in beiden Fällen nicht grundlegend.
lichen Dimension kommen mussten. Nach ihren religiösen Vorstellungen konnte es sich dabei nur um Coaybay, die Welt der Toten, handeln. Dafür gab es aus Sicht der Lukku-Cairi gute Gründe. Den Glasperlen, Mützen und Glöckchen, die die Fremden verteilten – Tand in den Augen der Euro-
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päer –, kam in den indigenen Vorstellungen übernatürliche Bedeutung zu. Die rote Farbe dieser Gegenstände signalisierte Schutz gegen Krankheiten. Töne zu erzeugen, war bis dahin den Schamanen vorbehalten, und die goldene Farbe der Glöckchen ähnelte der ihrer goldenen Talismane, der Guanín. Die Schlussfolgerung, dass die Überbringer dieser magischen Gaben übernatürliche Wesen waren, lag auf der Hand.115 Die Guanín weckten das besondere Interesse der Europäer. Die Lukku-Cairi kamen an das Gold wahrscheinlich durch Vermittlung der Kariben, die es wiederum bei Stämmen aus dem Amazonasraum erwarben, denn die indigenen Völker der Karibik kannten keine Metallschmelzverfahren. Über den Umschlagplatz Puerto Rico kamen goldene Objekte mit geringem Feingehalt auch auf die Bahamas. Guanín bestanden aus einer Kupfer-Gold-Legierung, die eine hellere Farbe und einen intensiveren Geruch aufwies als pures Gold und deshalb besonders begehrt war. Als Importware waren sie sehr selten und wertvoll und galten wie diverse andere Gegenstände noch dazu als Zemis, als Materialisierungen von Göttern. Das Interesse, das Kolumbus und seine Männer diesen magischen Gegenständen gegenüber an den Tag legten, erschien wie ein sprechender Beweis für die Macht der Guanín. Die Bemühungen von Kolumbus und seinen Männern, den Herkunftsort des Edelmetalls in Erfahrung zu bringen, die schließlich in die Verschleppung von sechs Männern der Lukku-Cairi mündeten, führten in der Folgezeit zu weiteren Missverständnissen. Das Verhalten der fremden Männer während ihres kurzen Aufenthalts mag jedoch bei einigen Lukku-Cairi – wie später im Fall der Azteken – durchaus Zweifel an deren übernatürlicher Herkunft geweckt haben.116 Aus den Aufzeichnungen lässt sich erschließen, dass die Europäer in Richtung des heutigen Rum Cay südwestlich von Guanahani fuhren. Kolumbus taufte die Insel auf den Namen Santa María de la Concepción. Obwohl er, wie im Bordbuch vermerkt, der Auffassung war, dass es ausreiche, eine Insel in Besitz zu nehmen, um damit automatisch auch die anderen beanspruchen zu können, ging er doch auch hier an Land und vollzog den Akt der Besitzergreifung. Sein ausdrückliches Ziel war zu erkunden, „ob es dort Gold gebe“ (si avia alli oro).117 Die Ausführungen zu diesem sehr kurzen Aufenthalt sind aufschlussreich für das Verhalten beider Seiten. Zwei der verschleppten Lukku-Cairi gelang die Flucht, was
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Einer der sechs Holzschnitte, die die Basler Ausgabe des Kolumbus-Briefs von 1494 begleiten, stellt die von Kolumbus beschriebene Inselwelt der Karibik dar.
verdeutlicht, dass ihr Glaube an das übernatürliche Wesen der Europäer bereits erschüttert war. Die Spanier wiederum machten erfolglos Jagd auf sie. Ein anderer Mann wurde statt ihrer ergriffen, doch ließ Kolumbus ihn gehen, ja beschenkte ihn sogar noch, um den höchstwahrscheinlich negativen Berichten der Flüchtigen etwas entgegenzusetzen. Es zeigt sich hier ganz deutlich, dass der Genuese die Begegnung mit den Fremden nicht vollständig kontrollieren konnte, auch wenn er selbst in diesem Glauben blieb. Vielmehr war er zum Aushandeln gezwungen, was jedoch von Beginn an unter ungleichen Bedingungen stattfand, denn die technische Überlegenheit lag zweifellos bei ihm. Auf der Suche nach Gold fuhr man noch am selben Tag weiter Richtung Südwesten zur wesentlich größeren Insel Long Island, die Kolumbus Fernandina taufte. Hier hörte er von den Einwohnern, die ihm freundlich gegenübertraten, dass der Herkunftsort des Goldes eine Insel Samoat sei. Daraufhin setzte Kolumbus den Kurs fort und erreichte am 19. Oktober das heutige Crooked Island, das die Entführten aus Guanahani Samaot oder Saomete nannten und das er nun Isabella taufte. Hatte der Admiral bei der Beschreibung von Klima, Flora und Fauna schon zuvor in Superlativen geschwelgt, um die natürlichen Vorzüge zu betonen, die zur Ausbeutung einluden, so übertraf er sich in diesem Fall. Die Insel, die den Namen seiner Königin tragen sollte, musste natürlich die schönste sein. Wiederum meinte er den Worten, Gesten und Gebärden der Leute von der Insel entnehmen zu können, dass es hier viel Gold, ja einen reichen Inselkönig gebe – doch langsam regten sich in ihm Zweifel, ob er seine Gefangenen auch richtig verstanden hatte. Wiederum blieb die Suche erfolglos, und Kolumbus beschloss, noch größere Inseln anzusteuern, von
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denen er gehört hatte und von denen eine seines Erachtens das erhoffte Cipangu sein musste. Die Indios an Bord nannten sie Colba und Bohío. Das Ziel seiner Fahrt, daran ließ er keinen Zweifel, sollte Quisai sein, die Hauptstadt des Großen Khans auf dem Festland, wo er seine Geleitbriefe übergeben wollte. Der Aufenthalt auf Isabella, das lässt das Bordbuch durchblicken, gestaltete sich trotz aller Hoffnung aus Sicht des Kolumbus erneut frustrierend. Gold fand sich dort wiederum nur in kleinen Mengen, daher sollte die Reise so schnell wie möglich weitergehen nach der Insel Kuba, die so groß war, dass man sie von Isabella aus im Westen sehen konnte und die nach Ansicht des Admirals nichts anderes sein konnte als Cipangu. Nach dreitägiger Überfahrt dort angekommen, pries Kolumbus die Schönheit der Insel einmal mehr in überschwänglichen Worten. Seine Gefangenen, die Kuba zu kennen schienen, dienten ihm erneut als Führer. Hier, so meinte Kolumbus ihre Gebärden zu deuten, musste es Gold und Perlen geben. Jedoch ergriffen die Einwohner der aufgefundenen Siedlungen die Flucht, als sie die die Flussläufe ins Inselinnere hinauffahrenden Fremden erblickten. Diese fanden zunächst nur Kultgegenstände wie Plastiken und Gesichtsmasken. Als die Bewohner der Insel, die Kolumbus Juana taufte, nach anfäng licher Vorsicht auf die Fremden zugingen und in lebhafte Handelsbeziehungen eintraten, kam jedoch weder das erhoffte Gold noch der Große Khan zum Vorschein. Immerhin entdeckten Luis de Torres und seine Begleiter, die der Admiral auf eine diplomatische Mission ins Landesinnere geschickt hatte, erstmals Tabak rauchende Menschen. Außerdem glaubte Kolumbus das in Europa begehrte Mastixharz, Aloe sowie Gewürze und andere wertvolle Rohstoffe gefunden zu haben. „Dies alles aber muss großen Nutzwert haben“ (todo deve ser cosa provechosa)“, heißt es im Bordbuch unter dem 4. November.118 Schließlich erwähnt die Quelle im Eintrag vom 12. November – fast wortgleich jenem vom ersten Landgang einen Monat zuvor – die Möglichkeiten, die harmlose und zutrauliche Bevölkerung zu christianisieren. Nach dem Vorbild der Portugiesen in Afrika ließ Kolumbus Einwohner der Insel entführen, um sich zukünftige Dolmetscher heranzubilden. Die auf der Insel lebenden Taino zeigten kein gesteigertes Interesse an der Gesellschaft der Europäer, auch wenn das Bordbuch immer wieder
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betont, dass die Taino die Fremden wie Götter empfangen hätten. Nicht ohne List verwiesen sie die fremden Seefahrer auf die östlich gelegene kleinere Insel Babeque – heute Great Inagua –, wo man das Gold am Strand auflesen könne. Dieser Hinweis zeigte Wirkung, indem sich Martín Alonso Pinzón mit der „Pinta“ ohne Absprache mit dem Admiral auf und davon machte. Kolumbus’ Verärgerung über diese Eigenmächtigkeit wirkte lange nach. Mit der „Niña“ und der „Santa María“ steuerte Kolumbus nach Osten auf eine von seinen Gefangenen Bohío genannte Insel zu, wo Gold zu finden sein sollte. Dem Admiral zufolge hatten seine „Indios“ große Angst vor deren Bewohnern, die Menschenfresser seien. Doch es ist mehr als zweifelhaft, dass Kolumbus die Aussagen richtig deutete, denn im Tagebucheintrag desselben Tages gibt er fast schon flehentlich seiner Hoffnung Ausdruck, dass er sich eines Tages mit den Indigenen werde verständigen können. In der Tat war das Verhalten der gefangenen Lukku-Cairi ebenso von Angst geprägt wie beim Anlaufen der anderen ihnen fremden Inseln. Um einen eindeutig lokalisierbaren Volksstamm handelte es sich bei den gefürchteten Caniba oder „Kariben“ also nicht – ebenso gut konnten damit überirdische Wesen aus der Mythenwelt der Lukayer gemeint sein.119 Die Insel erwies sich als die größte von allen und als die mit der dichtesten Besiedlung. Ihre Beschaffenheit erinnerte Kolumbus so stark an Kastilien, dass er sie Hispaniola, „Spanische Insel“, nannte. Anspruchsvolle Konstruktionen aus Stein und Holz wie rituelle Ballspielplätze, Throne und Skulpturen sowie fein gearbeitete Schmuckstücke – derlei hatte man auf den zuvor besuchten Inseln noch nicht gesehen. Wie der Admiral feststellte, ähnelte die soziale Organisation der europäischen, denn es gab hier Könige, die die Einwohner der Insel Kaziken nannten. Jedoch begegneten sie den Europäern erneut mit großem Misstrauen. Kolumbus schloss daraus, dass sie in steter Angst vor den Caniba lebten. Für ihn gab es keinen Zweifel, dass es sich dabei um die Männer des Großen Khans handeln musste, die regelmäßig auf Sklavenjagd gingen. Da die Gefangenen nicht zurückkehrten, mutmaßte Kolumbus, dächten die Zurückgebliebenen, diese seien gefressen worden.120 Um Kontakt mit den Insulanern herzustellen, bediente sich der Admiral des bewährten Tricks, Gefangene großzügig zu behandeln und wieder
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freizulassen. Obwohl er damit punktuell Erfolg hatte und sich eine erste Kommunikation ergab, blieben die Einwohner zunächst vorsichtig. So bemerkte der Genuese bei seiner Weiterfahrt über die Insel Tortuga entlang der Nordküste Hispaniolas, dass die Indigenen über Feuersignale in Verbindung standen und einander vor der Ankunft der Fremden warnten. Erst mit der Zeit verbreitete sich die Kunde, dass von den Fremdlingen keine Gefahr ausging, so dass die Einwohner Bohíos sie zunehmend freundlich begrüßten und ihnen Geschenke brachten. Wahrscheinlich wussten sie von anderen, dass diese erwidert würden. So begrüßten im Lauf des Dezembers immer größere Menschenmengen die Europäer. Der Empfang stellte den auf Juana/Kuba in den Schatten, und Kolumbus wurde nicht müde, den hohen Wert dieser neuen Besitzung der spanischen Krone über alle Maßen zu loben, zumal er davon ausging, dass er seinem Ziel, dem Gold, nun schon sehr nahe sein musste – er befand sich in einer heiß-feuchten Klimazone, nach damaliger Auffassung ein Anzeichen für Edelmetallvorkommen. In der Tat gab es, wie sich später zeigen sollte, insbesondere in der Region Cibao im Nordosten Hispaniolas Gold.121 Insbesondere der Kazike Guacanagari bestärkte Kolumbus in diesem Glauben. Guacanagari pflegte enge Beziehungen zu den Europäern und war einer jener Kaziken, die um das Interesse der Europäer buhlten, nachdem die erste Scheu überwunden war.122 Dabei setzte sich Guacanagari durch, denn Kolumbus musste just am Weihnachtstag 1492 einen schweren Rückschlag verkraften: Da Flaute herrschte, vertraute man in der Nacht zum 25. Dezember einem Schiffsjungen das Ruder an, und prompt lief die „Santa Maria“ an der Nordküste Hispaniolas nahe dem heutigen Cap Haïtien auf Grund. Natürlich trug Kolumbus dafür die Verantwortung, auch wenn er in seinem Bordbuch alles tat, um die Schuld auf andere abzuwälzen. Nicht er, nein, der diensthabende Steuermann, der Rest der Mannschaft oder gar die Einwohner von Palos, die ihm ein ungeeignetes Schiff gegeben hätten, waren schuld. Mit dem Abstand von einem Tag und in Ermangelung von Alternativen kam der Admiral zu dem Schluss, dass der Schiffbruch ein Zeichen Gottes gewesen sei: „Dieses Missgeschick wurde die Ursache so vieler anderer Geschehnisse, dass man es füglich nicht als solches bezeichnen, sondern als Glücksfall ansehen muss.“123 Er beschloss, aus dem Holz des Wracks eine befestigte Siedlung anlegen zu lassen. Die nun überzähligen Seeleute sollten dort aus-
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harren, um weiter Gold einzutauschen und nach dessen Herkunft zu forschen. Ob diese Entscheidung tatsächlich, wie Kolumbus angab, auf der Bitte vieler Männer beruhte, die gern in den fremden Gefilden verweilen wollten, sei dahingestellt. Für den Admiral war ausschlaggebend, dass sich nahe dem Ort der Havarie das Dorf Guacanagaris befand, der sich hilfsbereit zeigte. Detailliert beschreibt Kolumbus die Unterstützung durch die Indigenen. Guacanagari und seinen Leute gelang es, die Ladung des Schiffs vollständig in Sicherheit zu bringen. In den täglichen Begegnungen waren Kolumbus und seine Männer auf die Hilfe des Kaziken angewiesen, und dieser gewährte sie gern. Allerdings geschah dies keineswegs aus Naivität, wie im Bordbuch zuvor an vielen Stellen betont wird, wenn es um die Bewertung der Freigebigkeit der Indigenen geht: Die Treffen Guacanagaris mit den Europäern folgten vielmehr einem klar erkennbaren, geregelten Ablauf. Der Austausch von Geschenken, ja die Kommunikation mit den Fremden insgesamt wurde seitens des Kaziken von großen emotionalen Gesten begleitet, um sich verständlich zu machen und ein Band der Freundschaft zum Anführer der Europäer zu knüpfen. So setzte er dem Genuesen am 30. Dezember seinen Kopfschmuck auf. Kolumbus bekleidete ihn im Gegenzug mit einem roten Umhang, einer Halskette, bunten Schuhen und einem Silberring. Damit hatten die beiden – vermutlich, ohne es zu wissen – ihrem Gegenüber die höchsten Ehren in dessen Symbolwelt erwiesen: hier die Krönung, dort die Auszeichnung mit der magischen Farbe Rot, der Farbe des Lebens und der Männlichkeit.124 Die Tatsache, dass Guacanagari Kontakt zu den Europäern suchte, lässt sich erklären, denn es ging ihm Der Bau des Forts La Navidad nach dem Basler Kolumbus-Brief von 1494. Die erste europäische Siedlung in der Neuen Welt befand sich an der Nordküste des heutigen Haiti. Die genaue Lage ist jedoch ungeklärt.
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Die ersten europäischen Siedlungen in Amerika La Navidad
(1492 – 1493)
Atlantischer Ozean
La Isabela
(1494 – 1496)
Concepción de la Vega
La Nueva Isabela/ Santo Domingo (1496)
Karibisches Meer
0
50
100
150 km
darum, sich über andere lokale Potentaten zu erheben, indem er neue Verbündete gewann. Dass die anderen Kaziken zumindest mit ihm auf einer Stufe standen, verdeutlichen die Beschreibungen im Bordbuch. Kolumbus selbst beschreibt, wie er den Eindruck gewann, dass Guacanagari den Goldhandel geschickt monopolisierte. Es gelang ihm, die Europäer daran zu hindern, direkte Handelsbeziehungen zum Binnenland oder zu konkurrierenden Kazikentümern herzustellen. Damit sicherte er sich den privilegierten Zugriff auf die mittlerweile hochbegehrten, da in der karibischen Inselwelt unbekannten Tauschwaren europäischer Herkunft. Guacanagari verstand es, die Waren der Europäer, vor allem die Kleidungsstücke, für sein eigenes Prestige einzusetzen, um damit seine Machtbasis weiter auszubauen. Als sich die Nachricht verbreitete, dass die „Pinta“ gesichtet worden war, beschloss Kolumbus, schnellstmöglich die Rückreise vorzubereiten, denn er fürchtete, Pinzón könnte vor ihm in Spanien eintreffen und dem König seine Version des Reiseverlaufs überbringen. Die 39 Männer, die in der La Navidad getauften Festung zurückgelassen werden sollten, waren mit dem Proviant der „Santa María“ gut versorgt. Kolumbus setzte drei Statthalter ein und stellte sie dem Kaziken vor. Er verließ die Insel nicht, ohne zuvor nochmals eine Demonstration der eigenen Stärke gegeben zu haben. So ließ er eine Kanone auf die Reste des Schiffswracks abfeuern und seine Männer ein Scheingefecht ausführen. Nach Kolumbus’ Worten
© Theiss Verlag/Peter Palm
(1495 – 1562)
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sollte dies Guacanagari zeigen, dass die zurückbleibenden Spanier sie vor den Kariben schützen würden. Gleichzeitig wollte der Admiral „ihm [Guacanagari] Angst einjagen, damit er sie [die Spanier] fürchte“ (por ponerle miedo que los temiese).125 Am 4. Januar ließ Kolumbus die Anker lichten und fuhr in Küstennähe ostwärts. Zwei Tage später traf er auf die „Pinta“ und stellte Pinzón zur Rede, ohne eine befriedigende Antwort zu erhalten. Wegen des widrigen Wetters tasteten sich die Schiffe in den folgenden zehn Tagen nur langsam entlang der Nordküste vor. Bei der heutigen Bucht von Samaná traf man auf Indigene, die beim ersten Zusammentreffen keineswegs friedlich waren, sondern sich ein kurzes Gefecht mit den von Kolumbus ausgesandten Männern lieferten. Der Admiral hielt sie deshalb für Kariben, was jedoch ein Irrtum war. Als man schließlich doch noch ins Gespräch kam, zeigten die Indigenen sich den Geschenken der Europäer zugetan und konnten scheinbar neue Informationen für die Suche nach dem Gold liefern. So erzählten sie von einer goldreichen Frauen- und einer von wilden Kariben bewohnten Männerinsel. Trotz dieser scheinbar wichtigen Neuigkeit beschloss Kolumbus, nicht mehr länger zu warten. Am 16. Januar traten die von den warmen Gewässern der Karibik bereits stark in Mitleidenschaft gezogenen, teilweise leckenden Schiffe endlich die von schweren Stürmen belastete Hochseereise an. Kolumbus hatte genug Neues entdeckt, was sich zum Vorzeigen am Hof eignete: etwas Gold, Chili schoten, Ananas, Tabak, Hängematten, Kanus und Menschen. Nach einem unwetterbedingten Zwischenhalt in Lissabon legte Kolumbus am 15. März 1493 in Palos an. Die Begegnung mit dem Unbekannten, die mit dem Tag von Guanahani begann, stellte beide Seiten vor neuartige Herausforderungen. Das Bordbuch lässt uns nur die Sicht des Kolumbus erahnen. Der Genuese spricht beim ersten Kontakt nur einmal und dann auch nur indirekt von den „Indern“ (en lengua de yndios),126 häufiger dagegen von „Leuten der Insel“ (gente de la isla)127 und im Folgenden von Männern, Frauen und Menschen. Erst später, als er sich immer sicherer ist, dass Cipangu nicht mehr weit weg sein kann, findet sich die Bezeichnung Inder – indios oder yndios – durchgängig. Kein Zweifel also, dass Kolumbus in den Fremden Menschen erkannte, kein Zweifel aber auch, dass die „Leute von der Insel“ seiner Meinung nach nicht auf Augenhöhe mit ihm waren, sondern
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dass er sie als harmlose Kinder, Unreife oder Rechtlose ansah, die man ungestraft übers Ohr hauen, mit List und Tücke entführen und versklaven konnte – dass die Spanier ihnen also ungestraft Gewalt antun durften. Ein wichtiges Kriterium in diesem Kontext war die Hautfarbe. Kolumbus betonte, dass die hellhäutigeren „Inder“ seiner Meinung nach zivilisierter sind, ja fast schon wie Spanier angesehen werden könnten, wenn sie nur nicht alle nackt wären. An seiner Beschreibung der exotischen Produkte und der zu erwartenden Handelsvorteile lässt sich eine frühe koloniale Vision erkennen: Die Taino sind das zu zivilisierende Element, die Spanier selbst wollen die Lehrmeister, aber zugleich auch die Herren sein. Gedanken über Herrschaft und Unterwerfung der angetroffenen Inselbewohner sowie über Reichtum und Schönheit der Inseln machen den größten Teil dieses Reiseberichts aus. Im Mittelpunkt stand die Suche nach Gold, da diese jedoch weitgehend unbefriedigend verlief, rückten andere Bodenschätze und die allgemeine Fruchtbarkeit des Landes in den Mittelpunkt. Gleichzeitig musste die Suche nach dem Edelmetall in der Logik des Unternehmens immer weitergehen, denn alles, was man an Wertvollem fand, deutete Kolumbus als Geschenk Gottes an die Christenheit, womit er die von ihm Kartenskizze der Nordwestküste durchgeführten juristischen Akte der Hispaniolas. Als guter Seefahrer skizzierte Kolumbus von eigener Hand Besitzergreifung legitimierte und die Küstenlinie des nordwestlichen Hispaniola. gleichzeitig überhöhte.
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Durch ihre Unkenntnis der neuen Gegebenheiten blieben Kolumbus und seine Männer auf die Insel bewohner angewiesen. Die Indigenen begegneten den Europäern Hölzerne Ritualsitze (Duho) denn auch auf Augenhöhe und erscheimit anthropomorphen und nen selbst in den oft nur nebulösen Anzoomorphen Formen deutungen des Bordbuchs als selbstständige Ak- dienten der Repräsentation politischer und religiöser teure. Am deutlichsten wird dies, wenn sie die Hierarchien. Sie wurden zu Europäer in die Irre führen, doch auch die engen Zeremonien genutzt, um die Kaziken vom Rest der Verflechtungen in der Karibik, die intensive Kom- Gemeinschaft zu unter128 munikation zwischen den Inseln und innerhalb scheiden. derselben durch Feuersignale lassen darauf schließen. Schon am 15. Oktober – drei Tage nach dem ersten Landgang – griff Kolumbus auf dem Meer einen indigenen Händler im Kanu auf, der eine der Glasperlenketten und zwei Geldstücke mit sich führte. Die Taino verstanden es, die europäischen Reisenden für ihre Zwecke zu nutzen. Das zeigte sich vor allem im Fall Guacanagaris, der durch die Kooperation mit den Spaniern die eigene Macht stabilisieren und ausbauen konnte. Zweifellos waren dies Reaktionen, die der Logik der indigenen Kultur entsprachen. Das galt auch für die Interpretation des Zusammentreffens mit den Europäern gemäß den eigenen Glaubensvorstellungen. Diese Art der Deutung nahm der christliche Seefahrer Kolumbus ebenfalls ständig vor. In dieser Hinsicht gab es zwischen der Weltwahrnehmung von Indigenen und Europäern keinen Unterschied. Der Austausch von Gabe und Gegengabe ermöglichte dem Bericht des Kolumbus zufolge die erste Kommunikation zwischen Europäern und Indigenen. Dadurch entstanden die ersten sozialen Beziehungen zwischen den einander völlig fremden Lebenswelten. Trotz der Sprachbarriere verstanden die Lukayer die „Sprache“ der Gabe sofort und erwiderten sie in einer für die Europäer nachvollziehbaren Art und Weise. Was dabei jedoch unverstanden blieb und bleiben musste, war der symbolische Wert, der den Gaben im kulturellen Kontext des jeweils Anderen zukam. Die Geschenke, die die Spanier den Taino machten, waren aus europäischer
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Sicht geradezu grotesk wertlos, und das Übermaß an Dankbarkeit und Gegengaben, das sie auslösten, interpretierten die Europäer als Zeichen der Schwäche ihres Gegenübers. Aus Sicht der Indigenen aber waren die Glöckchen, Perlen und bunten Stoffe von enormem Symbolwert, den sie kaum erwidern konnten. Guacanagari konnte mit den Gaben der Europäer seinerseits soziale Verbindungen zu anderen Kaziken etablieren und seine Untergegebenen auszeichnen.129 Unverständnis kennzeichnete nicht nur die Interpretation des Gabentauschs. Was die Europäer als Ortsnamen für die Fundstellen des Goldes auffassten – das Bordbuch nennt Bohío, Babeque, Civao, Macorix, Matinino und andere Namen –, war nichts anderes als die Bezeichnung von Orten, die eine zentrale Rolle in der Mythologie der Taino spielten.130 Dabei schien sich so manches mit europäischem Wissen und europäischen Mythen zu decken, die Kolumbus aus seiner Lektüre kannte, so die Frauenund Männerinsel, von der schon Marco Polo berichtet, oder die Lage von Cipangu, die Toscanelli vorhergesagt hatte. Die vermeintlichen Vorkenntnisse erwiesen sich als Ballast, der die Verständnisprobleme vertiefte. Die Schwierigkeiten, das Fremde zu verstehen, führten früher oder später zu Gewalt. Den ersten Gewaltakt vollzog Kolumbus bereits auf Guanahani, indem er einige Lukayer entführte und ihre Fluchtversuche vereitelte. Diese Anwendung von körperlicher Gewalt war für den Genuesen nichts, wofür er sich besonders hätte rechtfertigen müssen. Auf der Weiterreise entsprang Gewalt auch einem Gefühl der Bedrohung, was bei Kolumbus deutlich wird, wenn er La Navidad als Festung anlegen und demonstrativ Kanonen abfeuern lässt. Kurz vor der Abfahrt kommt es dann tatsächlich erstmals zum offenen Kampf zwischen Europäern und Indigenen. Der Kanonendonner hallte in der Karibik noch lange, nachdem die Schiffe die Heimreise angetreten hatten, nach. Mit Amuletten wie dieser anthropomorphen Figur in ritueller Hockstellung von den Caicos-Inseln, ca. 150 Seemeilen südöstlich von Guanahani gelegen, schützten sich die Taino vor bösen Mächten.
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Der Triumph des Kolumbus Hat man Kolumbus oft als typisches Beispiel für einen Menschen am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit bezeichnet, so kann man die Auswertung, ja Vermarktung seiner Reise sicherlich als „modern“ bezeichnen. Schon das Bordbuch an sich war in seiner Anlage mit tagebuchähnlichen Eintragungen und ausführlichen Beobachtungen durchaus ungewöhnlich. Kolumbus steigerte sich in seinen Beschreibungen von Schönheit und Reichtum der neu entdeckten Inseln von Superlativ zu Superlativ. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich klarmacht, für wen diese Schrift zunächst gedacht war und welchen Zweck sie verfolgte. Adressaten waren in erster Linie die spanischen Könige und ihre Berater – die Schrift sollte sie vom Sinn und Nutzen der teuren Reise überzeugen, um die Bereitschaft zur Finanzierung weiterer Unternehmungen zu fördern. So ist Kolumbus’ Ziel im Januar 1493, so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren, um rasch die Kunde von seinen Taten zu verbreiten, nicht weiter erstaunlich. Dabei richtete er sich – und das war das Neue – im Bewusstsein der Bedeutung seiner Leistung auch an ein breiteres Publikum. Schon in dem Lissabon vorgelagerten Hafen Restelo zogen Kolumbus und seine Männer große Aufmerksamkeit auf sich – ihre Anwesenheit erweckte eine volksfestartige Stimmung. Die Begegnungen mit Bartolomeu Dias – berühmter Entdecker des Kaps der Guten Hoffnung und Kolumbus’ Rivale – und dem portugiesischen König João II. zeigen, welche Neugier die Berichte der Spanier auslösten. Noch größer war die Begeisterung, als Kolumbus in Spanien eintraf. Dort angekommen, schickte er zunächst das Original des Bordbuchs an die Monarchen, die in Barcelona weilten. Es wurde wie erwähnt der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht und ist verschollen. Ebenso verschollen sind die Briefe, die Kolumbus gleich nach seiner Ankunft an das Königspaar richtete. Dass sich die Sensation für damalige Verhältnisse rasend schnell und weiträumig verbreiten konnte, war auf die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts zurückzuführen. Diese technische Innovation bildete die Grundlage für den massenhaften Vertrieb von Neuigkeiten, die Medienrevolution dieser Zeit.131 Kolumbus konnte in Rekordzeit einen Kurzbericht vorlegen, weil er sich auf der
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Rückreise am 14. Februar mitten im schlimmsten Orkan entschlossen hatte, die wichtigsten Ereignisse und Informationen in Kurzform niederzuschreiben und wasserdicht zu verpacken, um sie der Nachwelt auch im Falle eines Schiffsuntergangs zu überliefern. Dieser Kurzbericht war höchstwahrscheinlich die Basis des berühmten „Kolumbus-Briefs“, der 1493 in Umlauf kam. Anfang April – also bereits wenige Wochen nach der Rückkehr – erschien eine spanische Version dieses Berichts in Barcelona, und wenige Wochen später kamen mehrere vom Spanier Leandro Cosco ins Lateinische übertragene, handliche, nicht mehr als vier Seiten umfassende Ausgaben in Rom heraus, die dem humanistischen Zeitgeist entsprechend rhetorisch ausgeschmückt waren. Über die Autorschaft des „Kolumbus-Briefes“ sind viele Kontroversen unter Historikern entbrannt, doch ist er die erste und einzige Publikation mit Anspruch auf Authentizität, denn gleich wer letztlich der Autor war, so schrieb er doch zweifellos unter dem Eindruck der Ereignisse. Martín Alonso Pinzón, über den sich Kolumbus im Bordbuch während der Rückreise mehrfach bitter beklagt, gelangte zwar vor ihm zurück nach Spanien, doch war er schwer krank und starb sehr bald, ohne einen eigenen Reisebericht in Umlauf gebracht zu haben, der Kolumbus’ Version der Ereignisse möglicherweise in Frage gestellt hätte. Der Bericht des Genuesen verbreitete sich demgegenüber in Windeseile und trug wesentlich dazu bei, dem Buchdruck im 16. Jahrhundert zum Durchbruch zu verhelfen. So ergänzten sich hier Nachricht und Medium in idealer Weise.132 Dank seines Berichtsmonopols konnte Kolumbus seinen Triumph nun ungestört auskosten. Die Tatsache, dass er es allen Widrigkeiten zum Trotz geschafft hatte, mit bahnbrechenden Neuigkeiten zurückzukehren, deutete der Genuese als göttliche Vorsehung. Im Kolumbus-Brief heißt es: ■■
Die berichteten Ereignisse sind in höchstem Maße wahrhaftig und wundersam, entsprechen jedoch nicht meinen Verdiensten, sondern meinem heiligen Glauben an Jesus Christus und der frommen Gottesfurcht unserer Königlichen Hoheiten … Und darum lasset uns alle, König und Königin, alle Fürsten und deren blühende Reiche sowie alle anderen Länder der Christenheit dem Heiland, unserem Herrn Jesu Christ Dank sagen, da er uns solchen Sieg und solche Gnade schenkte. […] Christus frohlocke auf Erden, wie er im Himmel frohlockt, da er voraussehen kann, wie vieler Völker bisher verlorene Seelen nun zur Rettung gelangen.133 ■
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Der Missionsauftrag für die spanische Krone war ein zentrales Element in der Legitimation der spanischen Besitzansprüche. Der Holzschnitt aus einer der deutschsprachigen Ausgaben des Kolumbus-Briefes von 1497 war eigentlich für ein anderes Werk gedacht, erwies sich aber als vielseitig verwendbar. 134
Bis Ende April 1493 zog er im Triumphzug von Palos über Sevilla nach Barcelona an den Königshof, wo seine Neuig keiten „bewundert“ wurden, weil er handfeste Beweise mitbrachte. So stellte er unbekannte Pflanzen wie Tabak, Tiere wie Papageien sowie Gebrauchsgegenstände wie eine Hängematte und Goldschmuck aus. Noch atemberaubender für die Augenzeugen aber waren die mit Federn geschmückten Indigenen, die der Admiral mit sich führte. In Sevilla nahmen sie mit Goldmasken und Papageien angetan an der Palmsonntagsprozession teil. Auf ihrem Weg nach Barcelona musste die Reisegruppe immer wieder anhalten, weil neugierige Menschenmassen ihr den Weg versperrten.135 Am Hof glichen die Auftritte des Kolumbus Theateraufführungen, die die Erwartungen der Monarchen und deren Erfüllung durch den Admiral, der den wohlverdienten Lohn und den erhofften Auftrag zu weiteren Taten erhielt, symbolisierten. Natürlich überspielte er damit auch die Tatsache, dass er sein eigentliches Ziel, den Seeweg nach Indien, nicht erreicht und auch nur wenig Gold gefunden hatte. Sechs Indigene wurden in Anwesenheit der Monarchen und des Infanten Don Juan getauft, der einen für sich behielt. Die anderen sollten mit Kolumbus nach Hispaniola zurückkehren. Einer von ihnen, der den Namen Diego Colón annahm, wird als Dolmetscher gute Dienste leisten. Die Kolumbus-Show war erfolgreich. Kurz nach der Ankunft des Genuesen erließen die Könige Anweisungen zur weiteren Ausgestaltung der Kolonialpolitik und beauftragten ihren Admiral mit der Vorbereitung einer weiteren Reise, die wesentlich besser ausgerüstet und von hohen königlichen Beamten begleitet werden sollte.136
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Lässt man diese erste Reise des Kolumbus Revue passieren, wird deutlich, was der Zusammenprall der beiden Welten nach sich zog. Obwohl die Europäer wie die Indigenen sich gegen diese Erkenntnis geradezu wehren, obwohl sie bemüht sind, das Neue nach den altbekannten und altbewährten Kriterien und ihrem von biblischen Heilsvorstellungen geprägten Weltbild einzuordnen und ihm damit einen nachvollziehbaren Sinn zu verleihen, entwickelt der Tag von Guanahani eine Eigendynamik.137 Natürlich war das an jenem 12. Oktober 1492 noch nicht absehbar, und natürlich war das weitere Geschehen zu jenem Zeitpunkt völlig offen. Das Glück – oder Pech – wollte es, dass Kolumbus als Erstem nach vielen hundert Jahren nicht nur die Hin-, sondern auch die Rückfahrt gelang. Er konnte Zeugnis ablegen von dem, was er gesehen hatte, und er tat es mit Bedacht und erstaunlich zielgerichtet in einem historischen Moment, der der Verbreitung dieses neuen Wissens so günstig war wie keiner zuvor. Damit kam ein Prozess der Verflechtung ins Rollen, der sich seitdem, wenn auch mit Unterbrechungen und phasenweise mit Rückschritten, vertieft und beschleunigt hat.
Die Anfänge des europäischen Kolonialismus Noch während Kolumbus im Triumph durch die Iberische Halbinsel zog, und sich die sensationellen Nachrichten wie ein Lauffeuer verbreiteten, löste seine Reise Kettenreaktionen aus, die Europa und die ferne Inselwelt, aus der er gerade zurückgekehrt war, fundamental verändern werden. Unverständnis und bald auch gewaltsame Auseinandersetzungen prägten die folgenden Begegnungen zwischen Europa und den Anderen. Gleichzeitig setzte der Kulturkontakt vielfältige Austauschprozesse in Gang. Kolumbus brachte nicht nur neue Gegenstände und unbekannte Wörter aus der Tainosprache wie „Kanu“, „Kannibale“, „Hurrikan“ und „Tabak“ nach Europa, sondern auch Kulturpflanzen wie Mais, Kartoffel, Tomate, Ananas und Avocado sowie Heilpflanzen wie die Chinabaumrinde oder die Brechwurzel. Den umgekehrten Weg nahmen etwa Zuckerrohr, Reis und diverse Getreidesorten. Auch Nutztiere wie Pferd, Schaf und Rind aus Europa sowie Truthahn und Meerschweinchen aus Amerika überquerten den Atlantik. Der Transfer veränderte das Leben vieler Menschen entscheidend. Noch tiefgreifender wirkte sich aber die Einfuhr zahlreicher Krankheiten wie Masern, Diphtherie, Pocken oder Grippe durch die Europäer aus, gegen die die indigene Bevölkerung keinen Immunschutz hatte und die die größte demografische Katastrophe der Neuzeit auslösten.138
Die Aufteilung der Welt Während des von einem Sturm verursachten Kurzaufenthalts in Lissabon hatte sich gezeigt, dass die Rechtmäßigkeit der spanischen Entdeckungen
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keineswegs unumstritten war. Kolumbus machte dort einen schlechten Eindruck, wie der Hofchronist João de Barros berichtete: ■■
Kolumbus erzählte großartige Dinge von dem Land, in dem er gewesen war, und prahlte damit und tadelte den König dafür, dass er sein Angebot nicht angenommen hatte. Einige Edelleute waren darüber empört, und da sie sich über seine dreisten Reden ärgerten und bedauerten, dass dem König ein solches Unternehmen verloren ging, erboten sie sich ihn zu töten, um zu verhindern, dass er nach Kastilien kam.139 ■
König João II. hatte dem Genuesen erklärt, dass die entdeckten Gebiete zweifellos im vertraglich zugesicherten Einflussgebiet seiner Krone liegen. Kein Wunder, dass die spanischen Monarchen allen Grund hatten, die Sachlage in ihrem Sinne zu klären, noch ehe es zu einem offenen Konflikt kommen konnte. Sofort begannen hektische diplomatische Aktivitäten. Die schnelle Veröffentlichung des sogenannten Kolumbus-Briefes ist in diesem Zusammenhang zu sehen, denn die Erstausgabe enthält als Ortsangabe „auf der Höhe der Kanarischen Inseln“, eine Angabe, die dem geheimen Bordbuch widerspricht. Mit dieser Manipulation wollten die Spanier den Eindruck erwecken, die Schiffe hätten die eigene Einflusssphäre nie verlassen. Tatsächlich hatten sie aber auf dem Rückweg die Azoren anlaufen müssen, wo es denn auch sofort zu diplomatischen Verwicklungen gekommen war.140 Parallel dazu bemühten sich die Spanier in Rom um eine Absicherung ihrer Entdeckungen im Westen. Mit der Bulle „Inter Cetera“ bestätigte Papst Alexander VI. – geboren als Rodrigo de Borja und damit selbst Spanier – der spanischen Krone im Mai 1493 die bereits entdeckten und in Zukunft zu entdeckenden Gebiete Papst Alexander VI., hier nach einem Gemälde von Christoforo dell’Altissimo, geboren 1431 nahe Valencia, entstammte dem skandalumwitterten Geschlecht der Borja (ital. Borgia), das im 15. Jahrhundert das Papsttum prägte.
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und rechtfertigte dies mit dem Missionsauftrag. Die Bulle legte ferner eine fiktive Linie einhundert Meilen westlich der Azoren und Kapverden fest, jenseits derer andere europäische Mächte ausdrücklich keine Ansprüche haben sollten.141 Diese päpstliche Legitimierung war wichtig im Konkurrenzkampf mit Portugal, das sich zuvor ähnlich abgesichert hatte. Es war dies eine den damaligen Rechtsauffassungen für den Umgang mit Heiden gemäße und übliche Maßnahme. Nach den gültigen Vorstellungen in der Respublica Christiana waren die Ländereien der Heiden christliches Missionsgebiet und konnten einem christlichen Herrscher zu diesem Zweck – auch mit dem Mittel der Gewalt – zugewiesen werden. Da raus resultierende Kriege waren per se „gerechte Kriege“142. Eroberung und Mission gingen von nun an Hand in Hand. Geistliche begleiteten die spanischen Entdecker, Siedler und Konquistadoren auf ihren Reisen. Bereits im Juni beauftrage der Papst den Geistlichen Bernardo Boil, der Kolumbus auf dessen zweiter Reise begleitete, mit den Missionsaufgaben in „Indien“. Die spanischen Monarchen Ferdinand und Isabella erhielten 1496 von ihm den Ehrentitel „Katholische Könige“. Ebenso wichtig wie die religiöse war die machtpolitische Absicherung der Expansion. Die Portugiesen waren mit der Entscheidung des spanischen Papstes keineswegs zufrieden. Aus ihrer Sicht verlief die Demarkationslinie zu weit östlich und war damit geeignet, die eigene Expansion gen Süden zu behindern. Daher kam es zu Verhandlungen zwischen den iberischen Großmächten, die am 7. Juni 1494 zur Unterzeichnung des Vertrags von Tordesillas führten. In diesem Abkommen einigten sich Spanien und Portugal auf eine Trennungslinie der Herrschaftssphären bei ungefähr 46 Grad westlicher Länge, wobei der genaue Verlauf jahrhundertelang umstritten blieb. Die Spanier bekamen damit einen riesigen Kontinent und die Portugiesen Ansprüche auf Ostbrasilien zugesprochen. Nur wussten die Beteiligten das zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, denn sie waren überzeugt, einige Inseln auf dem westlichen Seeweg nach Indien entdeckt zu haben.143 Die Aufteilung der Welt unter den iberischen Mächten 1493 und 1494 markiert den Beginn der ersten Phase des europäischen Kolonialismus in der Welt. Damit änderten sich die Beziehungen zwischen Europa und dem Rest der Welt zwar noch nicht sofort, jedoch in der Perspektive. Abgesegnet durch den Papst legitimierten Portugal und Spanien ihr Ausgreifen
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Die sogenannte Cantino-Planisphäre – eine 1502 von einem unbekannten Kartografen nach der geheimen portugiesischen Standardkarte (padrão real) gezeichnete Portolankarte – verzeichnet die Linie von Tordesillas anders als die zwei Jahre ältere Karte des Spaniers Juan de la Cosa (s. Abb. S. 136/137) großzügig im Sinn des portugiesischen Königs.
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über die Säulen des Herakles hinaus und beanspruchten ein Monopol, das nicht lange unumstritten blieb. Die Menschen, die damit der Herrschaft der Iberer und der christlichen Mission zugeschlagen wurden, hatte man dabei nicht gefragt. Sie waren aus Sicht der Europäer Objekte, über die man frei verfügen konnte, gleichsam natürlicher Bestandteil eines neuen Raums, den man zwar noch nicht kannte und dessen Ausmaße man nicht verstand, der aber zweifelsfrei dem eigenen Besitz zugerechnet wurde. Das große Sterben Um diesen Besitzanspruch auch praktisch abzusichern, fackelte die spanische Krone nicht lange, sondern begann – wie Kolumbus gewünscht hatte – schon im Mai 1493 mit den Vorbereitungen für eine weitere Reise, die deutlich umfassender ausfielen als jene im Vorjahr. Die aus siebzehn Schiffen bestehende und wohl rund 1200 bis 1500 Mann umfassende Flotte, die am 25. September von Cádiz in See stach, nahm neben Missionaren, Beamten, Soldaten und Siedlern auch Saatgut, Pflanzen – darunter Zuckerrohr von den Kanaren –, Tiere und vor allem genaue Anweisungen für Herrschaft und Verwaltung in den neuen Besitzungen mit. Die Könige wollten ihren Herrschaftsanspruch von Beginn an untermauern, um den Gestaltungsspielraum ihres Admirals nicht zu groß werden zu lassen. Zentral war die Direktive, die Bekehrung der „Inder“, der Indios, durch gutes Vorbild zu erreichen und in Frieden mit ihnen zusammen zuleben. Doch die Verhältnisse vor Ort entwickelten sich anders.144 Der Kolumbus-Brief vom Frühjahr 1493 hatte die Friedfertigkeit der Eingeborenen in höchsten Tönen gelobt. Dort hieß es: ■■
Doch selbst wenn sie ihre Haltung ändern sollten und den Männern, die in ihrer Festung zurückgeblieben sind, schaden wollten, wären sie dazu nicht in der Lage. Sie haben nämlich keine Waffen, laufen nackt umher und sind übertrieben furchtsam. Daher können auch schon die wenigen Männer, die in unserer Festung die Stellung halten, mühelos die gesamte Insel ohne irgendeine Bedrohung für sich selbst beherrschen, solange sie nur die Gesetze und Verordnungen, die wir erlassen haben, nicht über treten.145 ■
Schon kurz nach der zweiten Ankunft in der Karibik, die Kolumbus dieses Mal auf einem südlicheren Kurs ansteuerte, erhielt der Traum von fried lichem Zusammenleben Risse. Auf einer Insel, die er Guadalupe nannte,
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Die Kämpfe mit den Kariben regten jahrhundertelang die Fantasie der Europäer an. Hier ein dem Augsburger Kupferstecher Wolfgang Kilian zugeschriebener Stich aus einer Schrift des unter dem Pseudonym Honorius Philoponus publizierenden Abtes Caspar Plautius. 146
trafen die Europäer auf angeblich grausame, menschenfressende Kariben, mit denen sie sich wenig später erste Gefechte lieferten.147 In seiner berühmten „Historia de Indias“ beschreibt der Dominikaner Las Casas diesen Moment später als die erste Ungerechtigkeit und den Anfang des großen Blutvergießens. Als man wenig später – am 28. November – wieder La Navidad auf Hispaniola anlief, war der Anblick erschütternd: Keiner der zurückgelassenen Männer hatte überlebt, und das Fort lag völlig am Boden. Kolumbus fand heraus, dass der Kazike Cao nabó für das Massaker verantwortlich war, während sich sein Freund Guacanagari herausgehalten hatte, da er dem Caonabó tributpflichtig war. Nach der Chronik von Hernando Colón soll Letzterer seine Schuld später bei seiner Gefangennahme eingestanden haben. Die Bluttat war, da sind sich die unterschiedlichen Berichte einig, wohl auf das Fehlverhalten der Spanier zurückzuführen, die raubend, mordend und Frauen schändend durch die Insel gezogen waren.148 Bei Caonabó handelte es sich um einen besonders mächtigen und intelligenten Kaziken, der ein von den Bahamas stammender Lukayer war. Die Lukayer teilten die Mythen aller Taino, die der Missionar Ramón Pané
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Die Zerstörung von La Navidad. Auf dem Titelblatt der „Historia general“ des spanischen Hofhistorikers Antonio de Herrera y Tordesillas, die ab 1601 erschien, wurden die Kämpfe auf Hispaniola bildlich dargestellt, um den durch Spanien erworbenen Kriegsruhm bei der Eroberung zu unterstreichen. 149
in seiner „Relación acerca de las antigüedades de los indios“ von 1498 beschreibt. Dazu zählt auch der Mythos vom „König aus der Fremde“, der den alten Herrscher absetzt und dessen Tochter zur Frau nimmt. Kolumbus galt möglicherweise als ein solcher König. Laut Las Casas schickte sich Caonabó, der für sich selbst übernatürliche Kräfte geltend machte, just in den 1490er-Jahren an, diese Stellung auf Hispaniola zu erreichen, als Kolumbus ebenfalls dort eintraf. Der Wettkampf zwischen diesen beiden Anwärtern prägte die bald blutigen Auseinandersetzungen, bis er durch die Gefangennahme Caonabós 1495 zu Gunsten des Genuesen entschieden wurde.150 Kolumbus entschloss sich Anfang 1494, weiter östlich an der Nordküste einen neuen Handelsstützpunkt aufzubauen, den er nach seiner Königin La Isabela nannte.151 In der Nähe gab es mehrere Dörfer der Indigenen. Die Beziehungen gestalteten sich zunächst friedlich – wie schon auf der ersten Reise kam es zu lebhaftem Tauschhandel. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nunmehr massive Präsenz der Europäer, die auf Dauer angelegt war, Bedenken unter den regionalen Kaziken auslöste. Anfangs schienen die Spanier jedoch schwach zu sein, denn die meisten gingen krank und geschwächt von Bord, ungefähr die Hälfte starb bald. Auch die Suche nach Gold war schwieriger, als erwartet. Zwei Züge ins Zentrum der Insel – den zweiten führte Kolumbus höchstpersönlich an – verliefen erfolglos, und der Bau des Forts Santo Tomás im Landesinneren provozierte einen erneuten Angriff Caonabós. Da den Europäern die Nahrungsmittel knapp wurden, bedienten sie sich
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zunehmend rücksichtslos aus den Vorräten der Taino. Um sich diese gefügig zu machen, vollzogen die Spanier bei Missachtung ihrer Befehle demonstrativ grausame körperliche Strafen wie Verstümmelungen und Hinrichtungen. Binnen weniger Monate spitzten sich die Beziehungen zwischen Europäern und Indigenen immer mehr zu.152 Angesichts dieser schwierigen Lage ergriff Kolumbus regelrecht die Flucht und unternahm im April eine erneute Erkundungsfahrt nach Kuba und Jamaika. Die Kolonie überließ er unterdessen seinem Bruder Diego, dessen Amtsführung schon bald Widerstand unter den Spaniern hervorrief. Hinzu kam, dass sich die Lage von La Isabela als ungünstig erwies. Im März 1496, als Kolumbus bereits auf der Rückreise nach Spanien war, gründete sein Bruder Bartolomeo daher im Süden Hispaniolas den Ort La Nueva Isabela, der später in Santo Domingo umbenannt wurde. Angesichts zunehmender Gewalt, innerer Auseinandersetzungen und enttäuschter Hoffnung auf Goldfunde hatte sich Kolumbus schon zuvor entschlossen, zur Versklavung und zum Handel mit indigener Arbeitskraft überzugehen – eine Idee, die er bereits im Februar 1493 im Bordbuch entwickelt hatte. Er betrachtete dies als Kompensation für die Edelmetalle, die er seinen Königen versprochen hatte, aber nicht liefern konnte. Ab Februar 1495 ließ Kolumbus mehrmals Indigene als Sklaven nach Spanien verschiffen. Neben wirtschaftlichen Erwägungen gab es auch ausreichend „moralische“ Gründe, die für die Sklaverei zu sprechen schienen: Als Sklaven konnte man die Indigenen besser christianisieren; besser die Besiegten versklaven, als sie töten; kirchliche Autoritäten wie der heilige Augustinus hatten die Sklaverei als natürliche Folge der Sünde und des Heidentums anerkannt; schon Platon und Aristoteles hatten die Versklavung von „Barbaren“ gutgeheißen.153 Nach eingehender Prüfung der Sachlage ordneten die Monarchen im Jahr 1500 dennoch ein wenn auch nur vorübergehendes Verbot des Handels mit Sklaven aus der Karibik an – nicht zuletzt, weil sich die Indigenen als ungeeignet für die klimatischen Bedingungen in Europa erwiesen und schnell starben. Eine wichtige Ausnahme machte man jedoch schon bald bei den vermeintlich kannibalischen Kariben, die selbst nach Ansicht von Geistlichen, die den Indigenen freundlich gegenüberstanden – wie den Franziskanern –, mit ihrem Treiben gegen das Naturrecht verstießen.154
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Bei den Kariben schien eine Versklavung geradezu unumgänglich, um ihr Seelenheil zu retten. Bereits im Kolumbus-Brief konnte man lesen: ■■
Und so habe ich denn keine Ungeheuer erblickt und habe auch nirgendwo von solchen gehört, mit Ausnahme der Berichte über eine Insel namens Carib … Diese Insel bewohnt ein Volk, das von seinen Nachbarn für überaus grausam angesehen wird. Die Bewohner von Carib essen nämlich Menschenfleisch.155 ■
Schon im Oktober 1503 autorisierte die Königin die Versklavung dieser Bevölkerungsgruppe, wobei es im Einzelfall in Spanien schwierig bis unmöglich war zu überprüfen, ob es sich wirklich um Kariben handelte. Dem Missbrauch waren damit Tür und Tor geöffnet. Der Kannibalismusvorwurf wurde zum wohlfeilen und weidlich genutzten Argument zur Legitimation des „gerechten Krieges“ und damit für die Versklavung der Indigenen.156 Die Sklaverei war sicherlich die extremste Form der Ausbeutung, derer sich die Spanier im Umgang mit den Indigenen bedienten. In der Erfindung von Systemen zur Nutzbarmachung indigener Arbeitskraft waren sie einfallsreich, wobei sie sich teilweise auf bereits vorhandene Formen abhängiger Arbeit stützten. Dabei zeigten sich die Spanier rücksichtslos und grausam. Sehr bald war die Bevölkerung Hispaniolas so stark dezimiert, dass man Zwangsarbeiter von anderen Inseln dorthin verschleppte, um nach Gold suchen zu lassen. Überall dort, wo man kein Gold vermutete und daher eine Besiedlung nicht in Frage kam, erklärte man die Einheimischen kurzerhand zu Kannibalen, die man ungestraft verschleppen und versklaven konnte. Wo die Spanier sich jedoch längerfristig ansiedelten – wie in Hispaniola –, blieben die Indigenen de jure frei. Allerdings wurden sie unter den Spaniern aufgeteilt und mussten Zwangsarbeit leisten. Im Gegenzug erhielten sie Taino beim Goldwaschen nach Oviedo. Das Gold waschen war eine der Arbeiten, zu der die Spanier die Indigenen schon sehr früh zwangen.
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Die Spanier missbrauchten die Lukayer als Perlentaucher vor Cubagua (nach de Bry). Das Perlentauchen war eine lebensgefährliche Form der Sklaven arbeit.
Unterweisung im Christentum, was jedoch oft nur Theorie blieb. Diese repartimiento (Zuteilung) oder encomienda (Anvertrauung) genannte perfide Form der Ausbeutung verbreitete sich schon bald flächen deckend in Lateinamerika und etablierte sich so langfristig.157 Dass sich die encomienda kaum von der offenen Sklaverei unterschied, zeigte sich daran, dass man schon 1505 auf Hispaniola erstmals afrikanische Sklaven einführen musste, um genügend Arbeitskräfte zu haben.158 Die Bevölkerung der Insel war bis 1508 auf nur noch rund 60 000 Menschen zurückgegangen, von denen etwa die Hälfte Zwangsarbeit leisten musste. Im Mai 1509 ordnete der König offiziell die Verschleppung von Sklaven von den benachbarten Karibikinseln an, um dem Arbeitskräftemangel auf Hispaniola zu begegnen. In den Folgejahren wuchs die indigene Bevölkerung der Insel kurzfristig wieder an, wobei der Zuwachs vor allem auf Sklaven von den Bahamas zurückzuführen war. Die Lukayer, denen Kolumbus 1492 zuerst begegnet war, wurden nun massenhaft versklavt. Man schätzt, dass spanische Schiffe in kurzer Zeit rund 40 000 Sklaven nach Hispaniola transportiert haben. Wie Las Casas berichtet, wurden sie zunächst für vier Goldpesos zur Goldsuche angeboten.159 Als man feststellte, dass sie sich hervorragend zum Perlentauchen eigneten, stieg ihr Preis auf über hundert Goldpesos, denn der Bedarf an Tauchern war durch die Entdeckung der Perlenvorkommen bei der Venezuela vorgelagerten Insel Cubagua enorm gestiegen. Die Folge war die vollständige Entvölkerung der Bahamas. Einige Lukayer flüchteten wie Indigene von anderen Karibikinseln nach Florida, um einen mythischen, Leben spendenden Fluss zu finden. Auf die Spuren
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dieser wohl durch das Massensterben ausgelösten indigenen Erweckungs bewegung wird sich 1513 der spanische Eroberer Juan Ponce de León begeben und von Puerto Rico aus mit der Suche nach dem Jungbrunnen beginnen. Auf den Inseln der Bahamas, die er auf seiner Reise passierte, traf er nur noch einen alten Mann an.160 Die Lage der Taino-Bevölkerung auf Hispaniola war nicht besser. Als 1518/19 eine Pockenepidemie die verbliebenen Taino dahinraffte, starb auch die Hoffnung der Spanier auf eine dauerhafte Besiedlung der Insel auf der Basis indigener Zwangsarbeit. Bei den wenigen Überlebenden handelte es sich in der Regel um naborías, indigene Hausdiener. Von den „Indios“, die unter das repartimiento-System fielen und Schwerstarbeit leisten mussten, blieb kaum jemand übrig. Viele Spanier zog es daraufhin aufs Festland. Auf die Insel kamen nun vor allem afrikanische Sklaven. 1570 schrieb der spanische Chronist Juan López de Velasco, dass von der einst großen Taino-Bevölkerung nur noch zwei Dörfer mit weniger als hundert Einwohnern überlebt hatten.161 Die Flucht nach Florida oder ins unwegsame Innere der Inseln war nicht die einzige Form des Widerstands. Nach der Gefangennahme Cao nabós kam es auf Hispaniola bereits ab 1495 mehrfach zu blutigen Auseinandersetzungen. Dabei zogen die Taino regelmäßig den Kürzeren. Die Aufständischen wurden umgebracht oder versklavt, da es ihnen nicht gelang, vereint gegen die spanischen Eroberer vorzugehen. Die Brutalität der Spanier steigerte sich unter Nicolás de Ovando, Kolumbus’ Nachfolger als Gouverneur, nochmals. Höhepunkt war zweifellos das Massaker von Higüey im Südosten Hispaniolas, wo Indigene sich erhoben hatten, um die Tötung eines Anführers durch einen spanischen Kampf-
Die Kämpfe zwischen den Spaniern und den Taino nahmen bereits 1494 an Heftigkeit zu. Die Abbildung in Herrera y Tordesillas’ Werk zeigt eine Szene aus den Kämpfen um die Vega Real, wo ein Expeditionskorps unter Kolumbus sich heftige Kämpfe mit Taino-Kaziken lieferte. 162
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hund zu rächen. Ovando ließ Hunderte Indigene erstechen und die Leichen auf dem Dorfplatz öffentlich zählen.163 Wirklich gefährlich schien aus Sicht der Usurpatoren nur der große Aufstand, der 1511 in Ponce de Leóns Puerto Rico ausbrach, weil es dort unter Führung des Kaziken Agüeybana anscheinend zu einem Bündnis zwischen Kariben und Taino gekommen war. In der Tat stellte diese Rebellion, die nur mit Mühe unterdrückt werden konnte, die erste ernsthafte Bedrohung der spanischen Herrschaft in der Karibik dar. Doch auch danach flackerte der Widerstand hier und da immer wieder auf. 1519 gelang es einem der letzten Kaziken auf Hispaniola, Enrique, genannt Enriquillo, einem entfernten Nachfahren Caonabós, sich mit einem Teil seiner Leute der encomienda und damit dem Zugriff der Spanier für längere Zeit zu entziehen. Diese Taino bildeten einen relativ autonomen Siedlungskern im unwegsamen Bergland im Südwesten der Insel, der zum Zufluchtsort für entlaufene indigene und afrikanische Sklaven wurde und bald einige Hundert Bewohner zählte, darunter Frauen und Kinder. Von Zeit zu Zeit kam es zu Zusammenstößen mit spanischen Milizen und Siedlern, die sich bemühten, diesen für sie gefährlichen Magneten des Widerstands zu beseitigen. Erst 1533 gelang es den Spaniern, Enrique durch einen Friedensvertrag, der unter anderem die Herausgabe afrikanischer Sklaven vorsah, unter Kontrolle zu bekommen. Das in seiner Art für die Frühphase der Kolonisation einzigartige Abkommen räumte den Indigenen im Gegenzug recht umfangreiche Autonomierechte ein. Enrique und seine Leute hatten der spanischen Kolonialherrschaft erstmals Grenzen aufgezeigt. Diese Erfahrung wiederholte sich auf dem Festland in späteren Jahrzehnten vielerorts.164 Schon die Rebellion von 1511 und deren brutale Niederschlagung durch Ovando sowie die Ausbeutung der indigenen Bevölkerung überhaupt hatten auch Stimmen auf den Plan gerufen, die die gewaltsame Vorgehensweise kritisierten. Ende 1511 hielt der Dominikanerpater Antonio de Montesinos seine berühmte Adventspredigt, in der er die Missstände offen anprangerte und die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Spanier gegenüber den Indigenen insgesamt in Frage stellte. Auf Hispaniola löste die Predigt einen Proteststurm derjenigen aus, die von der offenen oder verdeckten Sklaverei profitierten. In Spanien führte die Kritik allerdings zu Bemühungen, die Ausbeutung der Indigenen durch Schutz-
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maßnahmen einzuschränken, die in die Gesetze von Burgos von 1512/13 einflossen. Diese sahen auch die Eindämmung der Sklavenjagd unter den Lukayern vor. In der Praxis brachten diese ersten Schutzgesetze für die Indigenen jedoch wenig Erleichterung, denn zeitgleich etablierte die Krone das sogenannte requerimiento (1513) – ein offizielles Dokument, das Frieden anbot und gleichzeitig mit Krieg drohte, sollten die Bedingungen nicht angenommen werden. Da die Indigenen den Inhalt nicht verstehen und daher auch nicht annehmen konnten, handelte es sich letztlich um nichts anderes als ein Instrument zur Beseitigung von Gewissensbissen bei Militärs und Geistlichen. Auf dieser Grundlage ließen sich kriegerische Handlungen rechtfertigen und mit dem Argument der christlichen Mission verbrämen. Die vermeintlich Unbeugsamen konnten auf dieser Grundlage bedenkenlos weiter versklavt werden. Bald allerdings gab es in der Karibik kaum noch Menschen, die man zu Sklaven hätte machen können. Das große Sterben der Indigenen in diesem Zeitraum war größtenteils auf die ausbeuterische Zwangsarbeit und die Gewalttaten der Spanier zurückzuführen. Hinzu kamen ansteckende Krankheiten wie Masern, Mumps, Pocken, Typhus oder Grippe, die die Europäer eingeschleppt und gegen die die Indigenen keine Abwehr hatten. Daran starben laut Fernández de Oviedo so viele, „dass man sie nicht Indios, die sich selbst umbringen, um der Zwangs arbeit zu entkommen, nach Girolamo Benzoni.
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zählen konnte“165. Neben den Seuchen kam es zu Ernährungsproblemen infolge des Raubbaus der Spanier an Natur und Menschen, der das ökologische Gleichgewicht zerstörte. Verblendet durch ihre Gier nach Gold, das unter Ovando zwischen 1502 und 1508 tatsächlich in größeren Mengen gewonnen wurde, versäumten es die Spanier, für die Versorgung ihrer Arbeitssklaven zu sorgen. Die Mehrzahl jener Indigenen, die nicht versklavt werden konnten, flüchtete in die Berge. Die Subsistenzwirtschaft brach fast völlig zusammen – Hungerkrisen waren die Folge. Krankheit, Entbehrung, Ausbeutung und allgemeine Aussichtslosigkeit führten ferner zu einer Demoralisierung der indigenen Bevölkerung, die sich in steigenden Selbstmord- und sinkenden Geburtenraten niederschlug.166 Der fehlende Respekt, den schon Kolumbus und mehr noch seine Nachfolger der indigenen Bevölkerung entgegenbrachten, und die aus geprägte Bereitschaft zur Gewaltanwendung bei der Durchsetzung der hauptsächlich wirtschaftlich motivierten eigenen Ziele lösten eine der größten demografischen Katastrophen der Menschheitsgeschichte aus, bei der die Karibik nur die erste, wenn auch am härtesten betroffene Station war. Nachdem die Taino und die Lukayer viele Jahrhunderte die Karibik bevölkert hatten, wurden sie nun in weniger als fünfzig Jahren ausgelöscht. Ihre Kultur und Sprache gingen unter, und dennoch hatten sie direkt oder indirekt Einfluss auf die neu entstehende karibische Kultur und Bevölkerung, zum Beispiel in Landwirtschaft, Sprache und Religion – und nicht zuletzt als Symbol des Widerstands für die heutige karibische Bevölkerung.167 Erkundungen und Eroberungen Schon in den 1490er-Jahren hatte sich herausgestellt, dass die wirtschaftliche Ausbeutung der neuen Länder schwieriger war, als Kolumbus vermutet hatte. Der geplante Aufbau von Handelsposten nach dem Muster der Portugiesen in Afrika erwies sich als unmöglich. Der Admiral war angesichts der Dimensionen seiner Entdeckungen nicht in der Lage, die Unternehmungen allein zu kontrollieren. Das zeigte sich spätestens während seiner dritten Reise von 1498 bis 1500. Zwar entdeckte er nahe der Orinoko-Mündung das südamerikanische Festland, doch der Seeweg nach Westen ins Goldland Cathay und zu den Gewürzinseln war noch
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Bobadilla legt Kolumbus in Ketten, Kupferstich aus Theodor de Brys „America“.
immer nicht gefunden. Das Glück des Kolumbus hatte sich nun endgültig gewendet. Die wirtschaftlichen Misserfolge und ein Aufstand der Siedler gegen seine Verwaltung führten dazu, dass ihn der eigens aus Spanien entsandte Richter Francisco de Bobadilla 1500 in Ketten nach Spanien zurücktransportieren ließ.168 Dort wurde er zwar rehabilitiert, die Krone beendete aber sein Monopol. 1502 trat er seine vierte und letzte Reise an. Schlecht ausgerüstet erkundete er die westliche Karibik und die Küste Zentralamerikas, die er in Südrichtung bis zum heutigen Panama befuhr, wo er 1502 die Stadt Portobelo gründete. Kolumbus erkannte richtig, dass es sich hier um einen Isthmus zwischen zwei Ozeanen handeln musste, doch gelang ihm die ersehnte Durchfahrt in Richtung Indien wiederum nicht. Enttäuscht und schwer krank kehrte er 1504 nach Spanien zurück, wo noch im selben Jahr seine Gönnerin, Königin Isabella, starb. Zwei Jahre später war auch der Lebensweg des Genuesen in Valladolid zu Ende. Sein Begräbnis fand wenig Beachtung, und sein Sohn Diego musste einen Rechtsstreit gegen die Krone ausfechten, ehe er die Nachfolge seines Vaters antreten konnte. Dabei ging es um die Deutung der Kapitulationen von Santa Fé, die nach Meinung der Krone einzig der Person des Kolumbus galten, während die Familie Colón ein Erbrecht auf Landbesitz, Ämter und Würden beanspruchte. Zwar wurde Diego 1511 im Gouverneursamt bestätigt, und auch die Ehrentitel Vizekönig und „Admiral der Indias“ blieben in der Familie, doch zogen sich die Auseinandersetzungen um die Ausdehnung der Besitzungen in Amerika noch bis 1536 hin, als Diegos Sohn Luis sich zu einem Vergleich bereitfand. Auf Betreiben der Witwe Diegos, María de Toledo, einer Dame aus dem kastilischen Hochadel,
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wurden die Gebeine ihres Mannes und ihres Schwiegervaters 1537 nach Santo Domingo überführt und in der dortigen Kathedrale beigesetzt. Dennoch war das Ansehen des „Ausländers“ Kolumbus durch die Prozesse seiner Nachfahren schwer angeschlagen.169 Sein Entdeckermonopol hatte der Genuese schon zu Lebzeiten verloren. Bereits seit 1499 waren – autorisiert von der Krone – zahlreiche sogenannte „kleine Entdecker“ in das „westliche Indien“ gefahren. Kurz nach Kolumbus reisten Alonso de Hojeda, Juan de la Cosa und Amerigo Vespucci entlang der südamerikanischen Nordküste und nannten das Gebiet Venezuela, „Klein Venedig“, wegen der im Wasser stehenden Pfahlbauten, die sie dort gesehen hatten. In der Folgezeit erkundete man von Hispaniola und später von Kuba aus die Ostküste Südamerikas sowie den Golf von Mexiko, Florida und Zentralamerika und führte blutige Beutezüge durch. Dabei standen die Suche nach der Westpassage, aber auch die Gründung fester Niederlassungen im Mittelpunkt. Zielgebiet war zunächst der Golf von Darién – die Landbrücke zwischen Zentral- und Südamerika. Insbesondere im heutigen Panama wurde die Siedlungstätigkeit ab 1508 intensiviert. Vielerorts im karibischen Raum entstanden in diesem Zeitraum dauerhaft Ortschaften, die sich später zu wichtigen Städten entwickelten. Nachdem Vasco Núñez de Balboa 1513 den Golf von Panama überquert und den Pazifik entdeckt hatte, suchte man fieberhaft nach einer Durchfahrt, die der in spanischen Diensten stehende Portugiese Fernão de Magalhães erst 1520 im Rahmen der ersten Weltumsegelung tief im Süden fand.170 Die Intensivierung der spanischen Aktivitäten war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Portugal 1499 mit der ersten erfolgreichen Indienfahrt durch Vasco da Gama einen enormen Erfolg zu verzeichnen hatte. Im Folgejahr kam eine zu weit nach Westen abgetriebene Flotte unter Pedro Álvares Cabral eher zufällig an die brasilianische Ostküste und nahm das Land für Portugal in Besitz. Auf Grund des dort vorkommenden Brasilholzes bürgerte sich bald der Name Brasilien ein. Das Land gewann jedoch lange Zeit nicht denselben Stellenwert für Portugal wie die ost indischen und afrikanischen Unternehmungen.171 Unterdessen setzten die spanischen Konquistadoren, die zumeist dem niederen Adel der hidalgos entstammten, ihr Eroberungswerk fort und trafen 1519 auf das Aztekenreich, wo sie in der Folgezeit trotz der geogra-
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fischen Ausdehnung und zahlenmäßigen Überlegenheit ihrer indianischen Gegner erstaunlich erfolgreich agierten. Von Kuba kommend eroberte Hernán Cortés in nur zwei Jahren mit Hilfe indigener Verbündeter und eingeschleppter Krankheiten dieses Reich, dessen Hauptstadt Tenochtitlán mit ihren rund 225 000 Einwohnern die meisten europäischen Hauptstädte an Größe und Pracht übertraf. Sein Offizier Pedro de Alvarado unterwarf ab 1523 Zentralamerika. Andere suchten im Norden Mexikos, dem heutigen Südwesten der Vereinigten Staaten, nach den sagenhaften „Sieben Städten“ von Cíbola. Das Motiv für diese und viele andere abenteuerliche, ja selbstmörderisch anmutende Unternehmungen waren die Gier nach Gold und das damit verbundene hohe persönliche Risiko, das quasi zum Erfolg verdammte. Im Gegensatz zu den frühen Ereignissen gibt es für die Eroberung des Aztekenreichs auch Quellen aus der Perspektive der Besiegten, die dies sehr deutlich machen. Berühmt ist der sogenannte Codex Florentinus, eine Sammlung aztekischer Mythen und Augenzeugenberichte, die der Franziskaner Fray Bernardino de Sahagún ab 1529 zusammengetragen hat. Der aztekische Zeitzeuge beschreibt hier rückblickend den Eindruck, den die Gesandten des Herrschers Montezuma beim ersten Zusammentreffen mit den Spaniern gewannen: ■■
Sie schenkten den Spaniern Goldfahnen, Fahnen aus Quetzalfedern und goldene Halsketten. Nachdem sie ihnen das Geschenk überreicht hatten, wurde ihr [der Spanier] Gesicht heiter, sie freuten sich sehr und waren vergnügt. Wie Affen hoben sie das Gold auf. Es war, als ob sie zufriedengestellt worden seien, als ob ihr Herz neu und erleuchtet würde. Wirklich! Sie dürsten mächtig nach Gold, ihr Körper streckt sich, sie werden wie wild vor Hunger danach. Wie hungrige Schweine waren sie gierig nach Gold. Sie entreißen die goldenen Fahnen, schwenken sie hin und her, betrachten sie auf der einen Seite und auf der anderen. Sie sind wie jemand, der eine wilde Sprache spricht. Alles, was sie sagen, ist ein Kauderwelsch.172 ■
Ähnlich hätten die Lukayer von Guanahani wohl auch ihre Begegnung mit Kolumbus an jenem 12. Oktober 1492 beschrieben, wären sie befragt worden. Auch auf dem südamerikanischen Festland kamen die Eroberungen zügig voran, wobei Panama ein wichtiger Ausgangspunkt war. Kennt-
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nisse von einem großen Reich im Süden verdichteten sich in den 1520er-Jahren. Die Konquistadoren Francisco Pizarro und Pedro de Almagro begannen 1531 nach zwei erfolglosen Versuchen ihren Eroberungszug. Bei ihrem Vormarsch profitierten sie von der Tatsache, dass im Inkareich nach dem Tod Huayna Cápacs um 1527 ein Erbfolgekrieg zwischen dessen Söhnen Huáscar und Atahualpa ausgebrochen war, der zu einer Spaltung des Reichs führte. Als sich Atahualpa in diesem Machtkampf durchgesetzt hatte, gelang es Pizarro, ihn 1532 in Cajamarca gefangen zu nehmen. Im August 1533 ließ er Atahualpa hinrichten und einen von ihm abhängigen neuen Inka einsetzen. Durch Erpressung, Mord und das Ausnutzen von Rivalitäten innerhalb der indigenen Elite brach Pizarro den Widerstand der Inka. Die Krone ermächtigte Almagro, der in Peru zu kurz gekommen war, sich im Süden des Inkareichs eine eigene Herrschaft zu erobern. 1535 zog er über das heutige Bolivien in die trostlose Atacama-Wüste, wo er umkehrte. Wenig später kam es unter Manco Inca zu einem Aufstand gegen Pizarro, dem sich allerdings wegen ihrer schlechten Erfahrungen mit den Inka nicht alle Indigenen anschlossen. Daher scheiterte die Rebellion, und Manco Inca zog sich nach Vilcabamba zurück, wo er und seine Nachfolger einen unabhängigen Enklavenstaat bildeten, der erst 1572 mit der Hinrichtung Túpac Amarus unterging. Bald schon mündeten die Kämpfe in einen Streit um die Beute zwischen Almagro und Pizarro. Beide fanden in den folgenden Bürgerkriegen den Tod. Von Peru aus eroberte Pizarros Unterführer Sebastián de Benalcázar 1533 das heutige Ecuador. Ende der 1530er-Jahre erfolgte die Eroberung des nördlichen Andenraums, unter anderem des Chibcha-Reichs, an der auch deutschsprachige Konquistadoren beteiligt waren. Bald suchte man hier nach den Schätzen von El Dorado. In diesem Zusammenhang stand auch die Durchquerung Südamerikas auf dem Amazonas durch Francisco de Orellana (1541/42). Parallel dazu verlief die Konquista im Río-de-la Plata-Raum. 1535 führte Pedro de Mendoza eine große Expedition dorthin und gründete die Stadt Buenos Aires (1536). Von dort aus erschloss man das Hinterland und schuf 1537 die Provinz Paraguay. In der Folgezeit erreichten die Konquistadoren die Gebiete des heutigen Boliviens und Nordwest-Argentiniens und stellten 1549 die Verbindung zu Peru her. Das letzte größere Unternehmen fand ab 1540 unter Pedro de Valdi-
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via im heutigen Chile statt. Hier stieß die spanische Eroberung 1552 ebenso an eine Grenze wie zuvor das Inka-Reich, da sich der indigene Widerstand im Süden nicht überwinden ließ. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war die Eroberung jener Räume im Wesentlichen abgeschlossen, in denen sich die spanische Siedlungskolonisation in den folgenden Jahren vollzog: der Karibik, Mittelamerikas sowie des Nordens und der Westküste Südamerikas. Über die Gründe dieses erstaunlichen Erfolgs ist viel diskutiert worden. Heute geht man zumeist von einem Bündel von Faktoren aus. Eine Rolle spielten die überlegene Bewaffnung sowie die Pferde und Hunde der Spanier, doch relativierte sich dies nach dem ersten Überraschungseffekt. Auch die Wirkung der religiösen Vorstellungen, die Verwechslung der Europäer mit allmächtigen Göttern, verflüchtigte sich zumeist rasch. Bedeutsamer war die Unterstützung, die die Europäer durch indigene Verbündete erhielten, die mit spanischer Unterstützung offene Rechnungen mit alten Feinden begleichen wollten. Ein weiterer zentraler Faktor waren die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten, die die Bevölkerung dezimierten und ihren Widerstandswillen schwächten.
Der Aufbau der Kolonialreiche Bei der Etablierung ihres Herrschaftssystems stützten sich die Europäer auf die ihnen bekannten Strukturen, die sie auf die Neue Welt übertrugen, wobei sie indigene Elemente integrieren mussten.173 Im kastilischen wie im portugiesischen Rechtsverständnis fielen neu eroberte Gebiete grundsätzlich an die Krone, die frei über das Land und dessen Bewohner verfügen konnte. Die Neue Welt war dementsprechend Patrimonialeigentum der Könige und damit Teil der Reiche und Titel, die Kastilien zuvor schon ererbt oder erobert hatte. Die Bezeichnung reinos de las Indias ergab sich daraus, dass diese Gebiete zumindest staatstheoretisch als den anderen Kronländern gleichberechtigte Teilreiche gelten konnten. Rein rechtlich gesehen handelte es sich also gar nicht um Kolonien mit minderem Status. Wie in Spanien selbst galt hier kastilisches Recht, auch wenn sich mit der Zeit ein „amerikanisches Recht“ (derecho indiano) in Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten entwickelte.
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Bereits mit dem Übergang zur Siedlungskolonisation 1495 begann die spanische Krone ihre Herrschaft auf Kosten von Kolumbus auszubauen. Das führte zu Streitigkeiten, die sich bei den späteren Konquistadoren fortsetzten, denn in den Verträgen, die sie mit der Krone abschlossen, gingen sie hohe Risiken ein, für die sie Belohnung in Form von Reichtum und Herrschaft für sich und ihre Erben erwarteten. Klagen über Willkür gaben der Krone schon bei Kolumbus Anlass, Untersuchungskommissionen zu entsenden. Der Konflikt mit den Kronbeamten, die den Machtanspruch der Eroberer und ihrer Nachkommen beschneiden und das Leben in geordnete Bahnen lenken sollten, war damit vorprogrammiert. Die Konflikte gipfelten in diesem frühen Zeitraum wie im Fall von Pizarros Bruder Gonzalo (1544–48) oder Cortés’ Sohn Martín (1566) sogar in Aufständen, die die Statthalter der Krone erfolgreich unterdrückten. Die Krone schuf nach spanischem Vorbild Zentralbehörden, die den Einfluss lokaler Interessenvertreter zurückdrängen und die Eintreibung von Steuern und Abgaben – vor allem des Tributs der Indigenen, der in Anknüpfung an die Praxis der vorspanischen Zeit bestehen blieb – garantieren sollten. 1503 entstand die Casa de la Contratación als oberste Handelsbehörde und 1524 der Indienrat als höchste Instanz für Verwaltung und Justiz der Indias. Auch in Amerika setzte man administrativ auf eine zentralistische Struktur. Die Entscheidungen fielen im Namen der Krone, die informiert werden musste und Beschlüsse wieder rückgängig machen konnte. In der Praxis ließ sich das aber nicht immer durchsetzen. An der Spitze der Hierarchie standen seit 1535 in Mexiko und seit 1543 in Lima Vizekönige, die vor allem repräsentative Zwecke erfüllten. Sie hatten gleichzeitig wichtige Ämter im Bereich ihrer Hauptstadt und deren Umland inne. Zu zentralen Instanzen wurden ab 1511 zunächst in Santo Domingo, der 1496 von Kolumbus Bruder Bartolomeo gegrün deten Hauptstadt Hispaniolas, die Appellationsgerichtshöfe, audiencias, kollegiale Verwaltungsbehörden mit administrativer und politischer Kontrollfunktion, die wichtige Bezugspunkte für die Raumentwicklung in Amerika bildeten. Mittels der audiencias konnte die Krone ihren Anspruch auf Zentralisierung und Kontrolle zumindest teilweise durchsetzen. Auf mittlerer Verwaltungsebene fungierten Gouverneure oder Generalkapitäne, die neben Verwaltungsaufgaben auch die Verteidigung zu garantieren hatten. Das wichtigste Amt auf lokaler Ebene war der corregidor.
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Ein weiterer wichtiger Stützpfeiler des spanischen Herrschaftssystems war die Kirche, über die die Krone seit 1508 durch das Patronatsrecht bestimmen konnte. Ab 1511 wurden die ersten amerikanischen Bistümer besetzt. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass in Hispanoamerika Städte nicht nur Ausdruck der hier typischen Siedlungskolonisation, sondern auch ein wichtiges Herrschaftsinstrument der Krone waren. Die wichtigsten Städte – 1580 bereits rund 280 – wurden schon in der Frühphase gegründet. Sie übten Herrschaft auch über ihr ländliches Einzugsgebiet aus. Die Portugiesen schenkten ihren amerikanischen Besitzungen zunächst wenig Beachtung. Erst Auseinandersetzungen mit den Franzosen veranlassten die Krone ab 1532 zu planmäßigen Kolonisationsversuchen. Dazu wurde das Land von der Amazonasmündung entlang der Küste südwärts in fünfzehn Gebietsstreifen (capitanias) eingeteilt und als Lehen an meist adlige Privatpersonen vergeben (donatários). Die Besitzer erhielten für die Verpflichtung zur Besiedlung weitgehende Privilegien. Es galten grundsätzlich dieselben Gesetze wie in Portugal. Da es den donatários aber nicht gelang, den Erwartungen der Krone zu entsprechen, übernahm diese ab 1549 die Verwaltung selbst und errichtete in der Hauptstadt Saõ Salvador de Bahia eine Zentralverwaltung unter einem zumeist hochadeligen Generalgouverneur ähnlich den spanischen Vizekönigen. Daneben agierten Gouverneure, die über militärische Erfahrungen ver fügen mussten und direkt mit der Krone kommunizieren konnten. Wie aber stand es um die Beherrschten? Am unteren Ende der Bevölkerungspyramide stand die große Masse der Indigenen und bald auch der afroamerikanischen Sklaven. Die Indigenen waren nominell zu schützende freie Untertanen des Königs. In der Praxis rechtfertigte das negative Bild vom inferioren, heidnischen und barbarischen „Indio“ aber die vielfältige Ausbeutung durch spezielle Tribute und Arbeitszwangsysteme, die wie etwa die mita, die Verpflichtung zur Arbeit im Silberbergbau, teilweise noch aus der Inkazeit stammten. Grundsätzlich galten die Indigenen, nachdem sie 1537 durch ein päpstliches Machtwort endgültig zu Menschen erklärt worden waren, weiterhin als Unmündige, die auf niedrigerem Kulturniveau standen und von den Herren erst an die Zivilisation herangeführt werden mussten. Gemäß den päpstlichen Bullen hatte die spanische Krone den Auftrag, die Unterworfenen zu christianisieren.
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Nach dem Fehlschlag der Versklavung verfolgte man dieses Ziel wie in der Karibik durch repartimiento oder encomienda. Wie die Erfahrungen in der Karibik zeigten, wollten Konquistadoren und Kolonisten in der Praxis lediglich schnell reich werden. Sie behandelten die indigene Bevölkerung wie Sklaven und nahmen deren Dezimierung in Kauf. Ferner wurde die encomienda auch als Element der militärischen Herrschaftssicherung benutzt. Die Eroberung war von eigens beauftragten militärischen Unternehmern durchgeführt worden. Die meisten waren auf kurzfristigen Gewinn aus und wollten dann wieder heimkehren. Um die Eroberungen zu sichern, waren dauerhafte Siedlung und Verteidigung notwendig. Die Inhaber einer encomienda wurden daher zu Verteidigungsleistungen verpflichtet. Der ursprüngliche Zweck des Schutzes und der Christianisierung der Indigenen wurde auch dadurch nicht erreicht. Gegen den Missbrauch der Indigenen regte sich Kritik, die insbesondere von Geistlichen der Bettelorden formuliert wurde. Der wichtigste Kritiker der encomienda war der berühmte Protektor der Indigenen und spätere Bischof Bartolomé de Las Casas (1474–1566). Daraufhin entschloss sich die Krone zu speziellen Schutzgesetzen, den Neuen Gesetzen (leyes nuevas) von 1542, und zur Trennung der Sphären von Weißen und Indigenen. Demnach standen die Indigenen unter der Kontrolle von königlichen Beamten – corregidores und protectores de indios – und blieben weiterhin tribut- und arbeitspflichtig sowie rechtsunmündig. Durch die Isolierung konnte die vollständige Vernichtung der Indigenen gestoppt werden. Ihre Sprachen und Traditionen wie etwa die kollektive Wirtschaftsweise auf gemeinschaftlichem Landbesitz der Dörfer, der pueblos de indios, und die soziale Organisation im Clan – dem calpulli in Mexiko und dem ayllu im Andenraum – überlebten. Allerdings blieb die indigene Bevölkerung faktisch ausgegrenzt. Im portugiesischen Herrschaftsgebiet gab es dagegen keine konsequente königliche Schutzpolitik. Nachdem die Kolonisten hier zunächst Bündnisse mit den Tupi eingegangen waren, um die französischen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, änderte sich die Situation mit dem Übergang zur Siedlungskolonisation um die Jahrhundertmitte. Die Indigenen wurden daraufhin mit ähnlichen Argumenten wie beim spanischen requerimiento versklavt und auch nach Europa verschleppt. Insbesondere aber setzte man sie in der entstehenden Plantagenwirtschaft ein. Bald
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schon waren regelrechte Sklavenjagden im Landesinneren nötig, da sich das Arbeitskräftepotenzial an der Küste drastisch reduzierte. Ausbeutung, Krankheiten und allgemeine Aussichtslosigkeit führten nicht nur in der Karibik zu einem dramatischen Rückgang der indigenen Bevölkerung. Die wahrscheinlich mehr als eine Million Menschen zählenden Tupi der brasilianischen Küstenregionen gingen mehr oder weniger vollständig unter. In Mexiko und Zentralamerika entsprach der Bevölkerungsrückgang von etwa zwanzig bis fünfundzwanzig auf 2,6 Millionen zwischen 1519 und 1568 mehr als neunzig Prozent, in den meisten anderen Regionen zwischen achtzig und achtundneunzig Prozent. Demgegenüber erhielt die Bevölkerung Zuwachs durch zwei Gruppen: zum einen durch die afrikanischen Sklaven, die auch auf Vorschlag von Las Casas als Ersatz für die indigenen Arbeitskräfte seit dem frühen 16. Jahrhundert nach Amerika verschleppt wurden, zum anderen die europäischen Einwanderer, deren Zahl stetig wuchs. Die unterschiedlichen Ethnien mischten sich, sodass eine völlig neuartige Bevölkerungsgruppe von Mischlingen entstand, die schnell immer wichtiger wurde. Die neuen Führungsschichten in Amerika setzten sich zusammen aus der verhältnismäßig kleinen Zahl der Eroberer und ihren Nachfahren, aus den Eliten der weißen Siedler, die später hinzukamen, sowie aus einigen Abkömmlingen des alten indigenen Hochadels. Die Behauptung der Eigenständigkeit und der Ansprüche gegenüber der Krone seitens dieser Eliten bildete eine Grundlage für die Herausbildung einer amerikanischen Identität. Insgesamt entstand in sozialer Hinsicht im Wesentlichen eine Zweiklassengesellschaft mit einer dünnen europäischen oder europäisierten Oberschicht und einer großen Masse ausgebeuteter und entrechteter Indigener, Schwarzer und von den Weißen verächtlich castas genannter Mischformen. Den Kolonialmächten ging es nicht in erster Linie um die Vermehrung ihrer Untertanen – Amerika wurde auf Grund wirtschaftlicher Interessen am Handel mit Ostasien entdeckt. Sowohl für die spanische als auch für die portugiesische Krone blieben die eroberten Gebiete Quellen des Reichtums – insbesondere von Edelmetallen –, die es zu nutzen galt, um den eigenen Staatshaushalt und die Politik in Europa zu finanzieren. Das Patentrezept der Zeit hieß Abschottung nach außen – Spanien und weniger konsequent Portugal agierten in diesem Sinne, indem sie ein
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Der Hafen von Sevilla nach einem Alonso Sánchez Coello zugeschriebenem Gemälde. Die Stadt war bis 1717 der Dreh- und Angelpunkt des spanischen Amerikahandels.
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geschlossenes Wirtschafts- und Handelssystem aufbauten, das theoretisch alle anderen Mächte vom Handel ausschloss. Nur die Mutterländer durften mit den Kolonien auf festgelegten Routen und mit privilegierten Häfen Handel treiben. Für Spanien genossen Sevilla, dessen seit 1543 in einem consulado zusammengeschlossene Kaufmannschaft den Handel kontrollierte, und später Cádiz diesen Status. Die amerikanischen Endstationen der zu genau festgelegten Zeiten fahrenden Handelsflotten waren Cartagena de Indias und Portobello am Isthmus von Panama sowie Veracruz in Mexiko. Von dort aus erfolgte der Weitertransport in die Hauptstädte der beiden Vizekönigreiche und für Lima/Callaos weiter nach Süden. Außerdem war der Handelsweg von Veracruz über Mexiko nach Acapulco und von dort ab 1573 einmal jährlich mit der Manila-Galeone nach den Philippinen wichtig. Bei den Portugiesen gab es eine Schiffsroute von Lissabon nach Pernambuco, von wo aus die Küstenplätze südwärts versorgt wurden. Allerdings blieb der Verkehr einzelner Schiffe ebenso erlaubt wie die direkte Verbindung von Brasilien zu den afrikanischen Stützpunkten Portugals. Getreu den merkantilistischen Vorstellungen sollten die Mutterländer Fertigprodukte liefern, während sie aus der Neuen Welt Rohstoffe und Edelmetalle bezogen. Die Krone beanspruchte zunächst den fünften, später den zehnten Teil der gewonnenen Edelmetalle. Bis 1560 war Gold in der Tat das Hauptexportprodukt Spanisch-Amerikas, egal, ob es sich um die Schätze der eroberten Hochkulturen oder das Flussgold der Antillen handelte, doch bereits in den 1540er-Jahren begann auch der Silberbergbau in Potosí in Hochperu sowie im mexikanischen Zacatecas. Typisch waren ferner die Anfänge einer Plantagenwirtschaft an den Küsten Südamerikas, auf den Karibikinseln und vor allem in Brasilien. Die Plantagen erzeugten tropische Agrarerzeugnisse wie Tabak, Kakao, Zucker und Baumwolle. Grundlage war in jedem Fall die Arbeit afrikanischer Sklaven. Als Sklavenimporteure agierten zunächst die Portugiesen, die nicht nur ihre eigenen, sondern auch die spanischen Besitzungen mit afrikanischen Sklaven versorgten. Dass das Wirtschaftssystem nicht so funktionierte, wie in der Theorie vorgesehen, lag nicht zuletzt an den europäischen Rivalen der iberischen Mächte, die sich in den Amerikas frühzeitig breitmachten. Die in den päpstlichen Bullen und im Vertrag von Tordesillas fixierten Monopol
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ansprüche Letzterer bestanden schon bald nach der Entdeckung nur noch auf dem Papier. Da sich die Engländer unter Heinrich VIII. zunächst noch zurückhielten, waren die Franzosen die Ersten, die sich den iberischen Monopolansprüchen in Amerika widersetzten. Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts ließen sich französische Fischer vom Fischreichtum vor Neufundland anlocken. Als sich das französische Interesse wenig später auf Brasilien richtete, stieß man auf Widerstand. Französische Seefahrer wollten hier einen Stützpunkt errichten, um an das begehrte Brasilholz zu kommen. Diese Vorstöße veranlassten den portugiesischen König João III., 1530 die Kolonisierung Brasiliens und die Vertreibung der Franzosen anzuordnen. Doch erst als die Krone ab 1549 mit der Einführung des Generalgouvernements direkt in Brasilien eingriff, änderte sich die Lage. Das war auch nötig, denn die Franzosen expandierten unter ihrem Admiral Gaspard de Coligny planmäßig, um in Brasilien ein „France Antarctique“ für die verfolgten Hugenotten zu schaffen. 1555 gründeten sie die Siedlung Rio de Janeiro, die jedoch wenige Jahre später wegen Streitigkeiten unter den Kolonisten aufgegeben wurde. Ab 1560 schlugen die Portugiesen energisch zurück und zerstörten bis 1567 alle französischen Siedlungen und Pflanzungen. Ebenso erging es Colignys Hugenottensiedlungen in Florida, die 1565 von den Spaniern vernichtet wurden. Portugiesen und Spanier hatten dabei leichtes Spiel, denn auf Grund der französischen Religionskriege waren die Forts auf sich allein gestellt. Aus Sicht der iberischen Mächte waren die Aktivitäten der französischen Piraten problematischer. Diese ließen sich kaum fassen, denn sie überfielen mit Überraschungsangriffen Schiffe und Hafenstädte, um an den Reichtum der Neuen Welt zu gelangen. Anfangs kamen sie vor allem aus den nordfranzösischen Hafenstädten am Ärmelkanal, wo es eine lange Tradition des Strand- und Seeraubs gab. Schon ab 1513 mussten die Spanier daher Kriegsschiffe zu Bewachungszwecken einsetzen. Dennoch gelang es etwa Jean Fleury 1522, einige der mit den Schätzen des gerade eroberten Aztekenreichs beladenen Schiffe zu kapern. Mit der Einführung des spanischen Konvoisystems ab 1543 wurden diese Angriffe risikoreicher, und ihre Zahl ging zurück. Die Piraten konzentrierten sich daher auf die Plünderung hispanoamerikanischer Hafenstädte und zerstörten, da es sich häufig um Hugenotten handelte, auch Kirchen und
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Klöster. Die Spanier schlugen brutal zurück. So wurden die gegensätzlichen Glaubensauffassungen immer wieder als Rechtfertigung für Gewalttaten und Racheakte bemüht. Dies sollte sich in den Beziehungen der anderen nordwesteuropäischen Mächte zu den iberischen Reichen wiederholen. Während einer Atempause im Ringen um die Vorherrschaft in Europa (1559) einigten sich Franzosen und Spanier auf die Schaffung sogenannter „Freundschaftslinien“. Diese fiktiv über den Atlantik gezogenen Linien sollten Europa von Amerika trennen. Was hinter der Linie, in Amerika, passierte, sollte auf die in Europa geltenden Verträge keine Auswirkungen haben. Demnach stellte die Neue Welt eine eigene Sphäre dar, in der weitergekämpft, geplündert und gekapert wurde, auch wenn in Europa Frieden herrschte. Amerika wurde somit zu einer Zone, die praktisch außerhalb des europäischen Völkerrechts stand, in der das Recht des Stärkeren galt. Die Folgen dessen zeigten sich in den kommenden Jahrhunderten immer wieder. Die Entdeckungen und Eroberungen der iberischen Mächte hatten bis etwa 1570 zur Gründung von Kolonialreichen bis dahin ungekannter Dimension geführt. Doch waren die wahrscheinlich weniger als 100 000 Europäer, die im 16. Jahrhundert zu 75 Prozent ins spanische und zu 25 Prozent ins portugiesische Amerika kamen, nicht die einzigen Beteiligten an diesen Prozessen. Die indigene Bevölkerung hatte daran aktiv Anteil, indem sie etwa Bündnisse mit den Eroberern einging, um alte Widersacher zu schwächen. Trotz der demografischen Katastrophe und trotz Zerstörung und Gewalt erforderte das Zusammenleben von Indigenen, Europäern und zunehmend auch Afrikanern Anpassung und Lernen vom anderen. Dadurch entstand eine neue Lebenswelt, zu der alle Beteiligten beitrugen – wenn auch in höchst ungleichen Machtkonstellationen.
„Das größte Ereignis nach der Erschaffung der Welt …“ Kaum ein welthistorisches Ereignis hat so viele und so gegensätzliche Deutungen erfahren wie das Ergebnis von Kolumbus’ erster Reise, die lange Zeit sogenannte „Entdeckung Amerikas“. Von den Zeitgenossen, die sich bemühten, das Neue in ihr Weltbild einzuordnen, über die Aufklärer, die die Bedeutung jenes Tages im Jahr 1492 wiederentdeckten, und die Romantiker, die Kolumbus sogar heilig sprechen lassen wollten, bis hin zu heutigen Kritikern, für die das Datum nichts anderes ist als der Beginn eines historisch einzigartigen Genozids – die Debatte dauert seit nunmehr 500 Jahren an, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Neue Weltwahrnehmungen Die Diskussionen um die richtige Interpretation des Erlebten begannen mit Kolumbus selbst. Er glaubte bis zu seinem Tod, dem indischen, das heißt dem asiatischen Festland vorgelagerte Inseln entdeckt zu haben, und bezeichnete die Bewohner entsprechend als Indier, indios. Die Bezeichnung „Indien“, reinos de las Indias, blieb im spanischen Sprachgebrauch auch dann noch üblich, als längst klar war, dass die Einschätzung nicht stimmte, sondern dass es sich in der Tat um einen neuen Erdteil, eine Neue Welt handelte. Diese Erkenntnis aber, die sich bereits einige Jahre vor dem Tod des Genuesen durchsetzte, warf viele Fragen auf. Wo lag dieser neue Erdteil im Verhältnis zur Alten Welt? Wer und was lebte dort? Gab es dort Menschen oder die unbekannten und monströsen Wesen, von denen die Mythen erzählten? Die Antworten, die die euro päischen Gelehrten fanden, hatten unmittelbare Auswirkungen auf die Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks.174
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Dass Kolumbus’ erste Reise ein Durchbruch war, daran bestand in Europa von Beginn an kein Zweifel. Berühmt ist die Formulierung des spanischen Chronisten Francisco López de Gómara aus dem Jahr 1552: „Das größte Ereignis nach der Erschaffung der Welt abgesehen von der Fleischwerdung und dem Tod dessen, der sie schuf, ist die Entdeckung der Indias; und so nennen sie diese die Neue Welt.“175 Auf Grund der Bedeutsamkeit des Ereignisses von einer Neuen Welt zu sprechen war allerdings viel früher möglich – sogar als der Kontinentalcharakter noch gar nicht feststand. So benutzte Peter Martyr von Anghiera, der Humanist am spanischen Königshof und Freund des Kolumbus, schon im April 1494 in der zweiten seiner „Acht Dekaden über die Neue Welt“ die Bezeichnung orbus novus angesichts der Reichtümer und Wunder dieser für die Europäer tatsächlich neuen Inselwelten.176 Allerdings war es für die Gelehrten der Renaissance keineswegs unüblich, bei bedeutsamen Entdeckungen von „neuen Welten“ zu sprechen – so zum Beispiel in Bezug auf die portugiesischen Fahrten entlang der afrikanischen Küste –, ohne damit gleich einen neuen Erdteil zu meinen. Es sollte einige Jahre dauern, bis man in Europa die kontinentale Dimension der neuen Länder zu erkennen begann. Die frühen Interpretationen folgten, das ist eindeutig, den vom christlichen Glauben geprägten europäischen Vorstellungen und Weltbildern, in die das Neue eingeordnet wurde. Schon bei Kolumbus selbst spielten die antiken Mythen und die Heilige Schrift eine zentrale Rolle. In der Inselwelt der Karibik meinte er das sagenhafte Goldland Ophir des Königs Salomon erkennen zu können. Diese Anspielung war geschickt gewählt, denn jedem Christen war der sprichwörtliche Reichtum Ophirs bekannt, da das Buch der Könige wiederholt davon erzählt. Kolumbus ging aber noch einen Schritt weiter, war er doch der Meinung, nahe dem irdischen Paradies zu sein. Das zeigen seine enthusiastischen Ausführungen über Klima, Vegetation, Goldreichtum und Menschen nur zu deutlich. Kolumbus betrachtete sich selbst als Teil des göttlichen Heilsplans. Seine Entdeckung sollte die Grundlagen für die Befreiung Jerusalems schaffen. Diese Tendenz zeigt sich besonders in seinen späten Schriften, dem „Buch der Prophezeiungen“, in denen er Endzeiterwartungen verkündet. Als er während seiner dritten Reise im August 1498 vor Südamerika auf Süßwasser stieß und seinen festen Glauben erschüttert sah, bald die
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Durchfahrt nach Indien zu finden, ordnete er die Beobachtung entsprechend ein. Der Orinoko schien ihm einer der vier großen Flüsse zu sein, die gemäß den Kirchenvätern dem Paradies entsprangen. Der bisher unbekannte „sehr große Kontinent“, den er hier vermutete, konnte nichts anderes sein als das irdische Paradies oberhalb der Erde. Daher schloss Kolumbus, dass die Gestalt der Erde nicht eine Kugel, sondern eher eine Birne sei, die oben über eine Spitze verfügt und unten – wo Europa, Asien und Afrika liegen – bauchig ist. Diese Überlegungen entsprachen voll und ganz seinen Bemühungen, die eigene Vision von der geografischen Ordnung der Welt zu retten, nach der es eben keinen weiteren eigenständigen Weltteil geben konnte, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte.177 Bereits Peter Martyr bezweifelte Kolumbus’ These von Ophir und bevorzugte die alten Mythen, deren Wahrwerden er zu erkennen glaubte, wenn er die im Bordbuch erwähnten indigenen Frauen als „Quellnym phen“ oder „Baumelfen“ deutete. In Peter Martyrs Vorstellung hatte Kolumbus nichts anderes als die Antipoden entdeckt. Sein Werk, die früheste historiografische Quelle zu den Fahrten des Kolumbus, folgt insofern Vergils „Aeneis“, als es die Idee der translatio imperii aufnimmt. Kolumbus’ Reise stand damit bei Peter Martyr in der Tradition der Reise des Aeneas, und das im Kampf gegen Mauren und Juden siegreiche Spanien wurde durch die neu gewonnenen Länder zum würdigen Nachfolger Roms.178 Nachdem Kolumbus’ Leistung ab 1500 in Verruf gekommen war, entwickelten sich neue Interpretationen, die sich an antiken Mythen orientierten. Gonzalo Fernández de Oviedo, der erste Chronist, der Amerika aus eigener Erfahrung kannte, stellte in seiner „Historia general y natural de las Indias“ von 1535 die These auf, die Indias seien eigentlich die in Vergessenheit geratenen Hesperiden des prähistorischen spanischen Königs Hesperos und damit schon seit Urzeiten Teil Spaniens. Nach Oviedos Verständnis erhielten die Katholischen Könige durch Kolumbus nur das zurück, was ihnen ohnehin gehörte.179 Die Leistung des Genuesen und die Ansprüche seiner Nachfahren schmälerte eine solche Behauptung natürlich entscheidend. López de Gomara folgte dieser Interpretation zwar nicht, doch betont auch er, dass die Entdeckung letztlich eine Leistung der Spanier war, in deren Auftrag der Ausländer Kolumbus quasi als ausführendes Organ gehandelt habe.180
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Neben diesen der Tagespolitik geschuldeten Versionen floss das Ereignis auch in das neu entstehende Genre der utopischen Literatur ein. Thomas Morus, der mit seiner Schrift „Utopia“ von 1516 der Gattung ihren Namen gab, verlegte seinen „Nicht-Ort“ bewusst auf eine unbekannte Insel im atlantischen Meer jenseits der bekannten Welt. Der erfundene Weltreisende, von dem Morus sein – fiktives – Wissen zu haben angibt, ist ein Reisegefährte Amerigo Vespuccis. Morus’ „Utopia“ wurde in Spanien und Portugal schnell und intensiv aufgenommen. Viele der Entdecker, die auf den Spuren des Kolumbus in die Neue Welt kamen, suchten denn auch vor Ort nach dem idealen Gemeinwesen, dem irdischen Paradies, an dessen Existenz sie ebenso glaubten wie ihr Vorgänger. Diese Vorstellung mischte sich später häufig mit der Idee eines Goldenen Zeitalters, das durch die Entdeckung angebrochen sei.181 Nach der Eroberung der großen Festlandsreiche gingen einige Missionare und Kolonialbeamte gar daran, selbst utopisch anmutende Gesellschaftsprojekte umzusetzen, wobei sie die Indigenen als von der Sündhaftigkeit der Alten Welt noch unberührte, nach christlichen Idealen formbare Bevölkerungsgruppe betrachteten. Der „edle Wilde“ als positives Gegenbild zum dekadenten und zivilisierten Europäer hatte Wurzeln in der Antike und kam im Zeitalter der Entdeckungen wieder auf, als ihn Autoren wie Las Casas oder Michel de Montaigne in unterschiedlichen Zusammenhängen beschworen. Las Casas bezog sich damit konkret auf Amerika und die spanische Herrschaftspraxis dort. Er setzte sich für die friedliche und gleichberechtigte Koexistenz von Spaniern und Indigenen ein und probierte dieses Experiment in Venezuela und Chiapas selbst aus, ohne jedoch damit Erfolg zu haben, weil er am Widerstand der encomenderos scheiterte.182 Ähnlich wie der Dominikaner Las Casas waren im frühen 16. Jahrhundert Franziskaner wie insbesondere Géronimo de Mendieta – inspiriert von Endzeiterwartungen – um eine utopische Deutung der Entdeckungen bemüht, indem sie in Amerika die Möglichkeit zur Schaffung des Reiches Gottes auf Erden erkannten. Eine Umsetzung fanden diese Ideen in den vom Bischof Vasco de Quiroga in Michoacán und später von den Jesuiten in Paraguay gegründeten sogenannten Reduktionen, wo Indigene abgeschieden von der restlichen Gesellschaft zu Christen erzogen werden sollten. Dahinter stand nicht nur utopischer Idealismus, sondern auch die
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realistische Einsicht, dass die Indigenen zum Untergang verurteilt waren, wenn man weiterhin auf deren Zivilisierung durch den Kontakt mit den spanischen Siedlern hoffte. Das Scheitern der Utopien und der Bemühungen um einen effektiven Schutz der indigenen Bevölkerung trug zur Entstehung einer weiteren zeitgenössischen Interpretation der Ereignisse bei, der sogenannten „schwarzen Legende“. Grundlegend dafür waren die Auseinandersetzungen um die Politik gegenüber den Indigenen, in deren Gefolge Las Casas 1552 seine polemische Schrift „Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder“ publizierte.183 Während dieser Augenzeugenbericht innerhalb Spaniens auf Ablehnung stieß und sein Autor bald als Landesverräter galt, fand die Schrift insbesondere im protestantischen Ausland reißende Abnahme und verstärkte die bereits bestehenden negativen Stereotypen vom eitlen und gewalttätigen Spanier im Kontext der Religionskriege. Die spanische Herrschaft in Amerika war damit in weiten Teilen Europas in Verruf geraten.184 Die Kartierung der Welt Kolumbus dokumentierte seine erste Reise nicht nur durch das berühmte Bordbuch, sondern auch durch eine nicht minder berühmte Kartenskizze von der Nordwestküste Hispaniolas vom Dezember 1492. Zunächst richteten sie sich nur an einen kleinen und hermetisch abgeschotteten Kreis von Experten, denn das Wissen, das sie weitergaben, sollte streng geheim bleiben. Es handelte sich um auf Beobachtung beruhendes Wissen, das praktischen Wert hatte, indem es die Seeleute anleitete, die ausfuhren, um die Machtsphäre und den wirtschaftlichen Einfluss des Königreichs zu erweitern. Lange betrachtete man Karten als Veranschaulichungen, die Objektivität vermitteln. Heute wissen wir, das Karten keine bloße Abbildung realer geografischer Gegebenheiten sind, sondern dass sie Raum schaffen, wobei sie vorgeben, „die“ Realität abzubilden. Nicht erst seit Kolumbus produzierten Karten auch Weltbilder, doch zu seiner Zeit vollzog sich eine radikale Veränderung: Die neuen Karten resultierten aus dem Beginn neuzeitlicher Globalisierung und ermöglichten zugleich deren Fort führung. Sie ordneten die Räume – oder vermittelten den Eindruck zu ordnen – und produzierten damit Wissen, das wiederum nicht nur Welt-
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Schon die erste Reise des Kolumbus hatte der spanische Seefahrer und Kartenzeichner Juan de la Cosa als Eigner und Kapitän der „Santa María“ begleitet. Danach unternahm er diverse Fahrten und nahm auch an Beutezügen auf dem Festland teil. Das dabei gesammelte Wissen bildete die Grundlage für seinen berühmten Portolan, der um 1500 entstand und erstmals Amerika verzeichnete.
bilder, sondern auch Weltordnungen ermöglichte und schuf. Die bereits erwähnte Karte von Fra Mauro von 1459 ist dafür ein gutes Beispiel.185
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In der Folgezeit wuchs die Bedeutung von Karten als Machtinstrument in den Händen der Europäer. Das zeigte sich schon 1494 im Vertrag von Tordesillas, der die Welt entlang des 46. Grades westlicher Länge zwischen Spanien und Portugal teilte, was technisch aber noch nicht möglich war.186 Jedoch verbesserten sich mit der neuen Drucktechnik die Möglichkeiten der Vervielfältigung und Verbreitung von Karten, die noch im 15. Jahrhundert zu den kostbaren Luxusgütern der Fürsten zählten.
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Die große Wandkarte des Martin Waldseemüller, die 1507 erstmals den Kontinent mit dem Namen „Amerika” abbildete. Als „Taufschein“ Amerikas zählt die in wenigen Exemplaren erhaltene „Kosmographie“, zu der die Karte gehörte, heute zu den wert vollsten Quellen aus dieser Zeit.
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Juan de la Cosa beschränkte seine Erkenntnisse 1500 noch auf einen Portolan für den Gebrauch der Seeleute. Doch das änderte sich bald. Am 25. April 1507 erschienen in der kleinen Vogesenstadt St. Dié eine Schrift und zwei Karten – eine kleinere Globussegmentkarte und eine große Weltkarte – mit dem Titel „Cosmographiae Introductio“, die die „Taufscheine“ Amerikas enthielten.187 Es handelte sich um ein ehrgeiziges Unterfangen und eine anspruchsvolle multimediale Präsentation. Die „Kosmographie“ stand in der Tradition der mittelalterlichen Kosmografien, die geografisches und historisches Wissen mit biblischen und antiken Vorstellungen vom Kosmos vermischten. Sie wollte das geografische Wissen ihrer Zeit dokumentieren und auf den neuesten Stand bringen. Gleichzeitig wies sie durch ihre Erscheinungsweise und das, was sie zeigt, weit über traditionelle Kosmografien hinaus. Das Werk war ein Verkaufsschlager. Es erlebte schon 1507 vier Auflagen, denen später zahlreiche weitere folgten. Man vermutet, dass allein die große Weltkarte in einer Auflage von tausend Stück erschien. Urheber von Schrift und Kartenwerk war eine vom Geist der Renaissance inspirierte Gruppe von Gelehrten, zu der die jungen Humanisten Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann zählten. Das umwälzend Neue an diesem Werk war, dass die Humanisten die neu entdeckten Gebiete als eigenständigen Weltteil abbilden und noch dazu einen neuen Namen dafür vorschlagen. Im siebenten Kapitel der „Cosmographiae Introductio“ wird dieser Name erstmals erwähnt: Ringmann spricht dort vom „vierten Teil der Erde, den man, da Americus ihn gefunden hat, die Erde des Americus oder America von heute an nennen könnte“188. Auf der monumentalen Wandkarte öffnet Waldseemüller den Raum nach Westen. Er zeichnet ihn als von Wasser umgeben, das heißt, er stellt den Ozean dar, den wir heute als den Pazifischen Ozean kennen, und den Nuñez de Balboa erst 1513 entdeckt hat. Darüber hinaus zeigt Waldseemüller den Indischen Ozean korrekterweise nicht mehr als Binnenmeer. Auch eine breite Landverbindung zwischen dem nördlichen Amerika und Asien ist auf seiner Weltkarte nicht mehr vorhanden. Den Innovations gehalt seines Werkes erkannte Waldseemüller genau. Ausdrücklich stellt er in zwei Detailkarten am oberen Bildrand das alte ptolemäische Weltbild dem neuen von Vespucci erweiterten Weltbild gegenüber, wobei er Ptolemäus und Vespucci mit den Winkelmesser und Zirkel abbildet.
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„Amerika“ und nicht „Kolumbia“ Warum nun aber „Amerika“ und nicht „Kolumbia“? Kolumbus war 1506 gestorben, ohne die Dimension seiner Entdeckung begriffen zu haben. Vespucci dagegen hatte dies klar erkannt und vor allem anschaulich und detailliert darüber berichtet. Übersetzt man das lateinische invenire in Ringmanns Text nicht mit „finden“, sondern mit „erfinden“ oder „konzipieren“, so hatten die Humanisten aus St. Dié den Sachverhalt korrekt erfasst.189 Der Florentiner Geschäftsmann Vespucci, der das Bankhaus Medici in Spanien vertrat, zählte seit 1491 zu den Geschäftspartnern des Kolumbus und nahm nach 1497 selbst an zwei kleineren spanischen Entdeckungsfahrten teil. Nachdem er 1501 in portugiesische Dienste gewechselt war, beteiligte er sich an einer der Fahrten zur Erkundung der Ostküste Brasiliens. Die Reise Vespuccis 1501/02 führte unter anderem zur Entdeckung der Bucht von Guanabara, die man nach dem Entdeckungsmonat Januar Rio de Janeiro taufte. Die Erkenntnisse der siebenmonatigen Forschungsreise überzeugten Vespucci davon, dass es sich bei dem neu entdeckten Land nicht wie anfangs angenommen um eine Insel handelte, die man Santa Cruz genannt hatte, sondern um den Teil einer Landmasse, die ein neuer Kontinent war. Vespucci verfasste daraufhin Briefberichte an seinen Florentiner Chef. Im zweiten dieser Reiseberichte formuliert er die Idee einer Neuen Welt. Die ins Lateinische übersetzte Fassung dieses Briefes wurde Ende 1502 oder Anfang 1503 unter dem Titel „Mundus Novus“ veröffentlicht. Die Authentizität und vor allem die Zahl der Reisen Vespuccis sind in der Forschung immer wieder angezweifelt worden, unumstritten hingegen ist, dass Vespucci mit Blick auf die entdeckten Gebiete von einem neuartigen und auch der Antike unbekannten, von Europa, Afrika und Asien getrennten vierten Kontinent spricht, den er ausdrücklich Neue Welt nennt. Dabei bezog sich Vespucci nur auf Südamerika, dessen Nordküste er schon 1499 auf einer spanischen Entdeckungsreise unter Hojeda und Cosa erkundet hatte.190 Voller Stolz verweist Vespucci auf die Überlegenheit von Erfahrungswissen über die Vorgaben der lange über alle Zweifel erhabenen antiken und mittelalterlichen Weltbilder. Vor allem die Nachricht von der Existenz der Antipoden, über die sich die Gelehrten schon so lange gestritten
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hatten, galt als sensationell. Die Existenz von Land am anderen Ende der Welt war nun durch Augenschein bewiesen – ein Erkenntniszuwachs, den andere Berichte fast gleichzeitig bestätigen. Dass nicht diese, sondern Vespuccis Briefe die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt fanden, lag nicht zuletzt an den ethnografischen Beschreibungen und den darin enthaltenen Schilderungen der Sexualpraktiken und des Kannibalismus der indigenen Bevölkerung, die man in Europa besonders begierig aufnahm. In der Art der Darstellung unterschied sich Vespuccis Briefbericht wesentlich vom Kolumbus-Brief, der ebenfalls mit grafischen Darstellungen zirkulierte, jedoch im Vergleich ein eher nüchterner Bericht war. Stärker noch als einige Jahre später der „Cosmographiae Introductio“ war dem „Mundus Novus“ reißender Absatz beschieden. Er erschien rasch in zahlreichen Auflagen und wurde in diverse Sprachen übersetzt. Vespuccis Erkenntnisse wurden also in einer für die Frühe Neuzeit erstaunlichen Art und Weise publikumswirksam vermarktet. Das galt auch für den deutschsprachigen Raum, wo Informationen über Amerika bis zu diesem Zeitpunkt eher spärlich geflossen waren. Die oberitalienischen Städte bewiesen damit erneut ihre Rolle als der europäische Haupt umschlagplatz für Informationen aus der Neuen Welt. Da diese aber stark mit Portugal und nur schwach mit Kastilien vernetzt waren, konnte es zur Fehleinschätzung über die Bedeutung der Entdecker kommen.191 Die Gelehrten um Ringmann und Waldseemüller waren 1507 der Auffassung, dass Vespucci die Ehre des Namenspatrons verdiente. Allerdings waren die Autoren aus St. Dié sich ihrer Sicht nicht völlig sicher. Die Zweifel an der Selbstverständlichkeit, mit der die jungen Humanisten ihren Namensvorschlag in die Welt setzten, zeigen sich schon an den Formulierungen, die Ringmann in seinem Text verwendet. Waldseemüller selbst kamen kurze Zeit später Bedenken, und er benutzt die Bezeichnung „Amerika“ auf späteren Karten nicht mehr. In seiner „Tabula Terre Nove“, die 1513 in der großen Straßburger Ptolemäusausgabe erschien, verzeichnet er den neuen Kontinent ausdrücklich wieder als „Terra incognita“ und merkt in einer Beschriftung direkt unter der Linie des Äquators an, dass Kolumbus dieses Land im Auftrag des kastilischen Königs entdeckt habe. In seiner zweiten monumentalen Weltkarte, der „Carta Marina Navigatoria Portugallen Navigationes“ von 1516, blieb Waldseemüller dieser Darstellungsweise treu. Die selbstständige Lage Amerikas als
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von Asien losgelöst wird hier nicht mehr deutlich. Südamerika nannte er nun „Prisilia sive Terra Papagalli“ – „Brasilien oder Papageienland“. Trotz Waldseemüllers Entscheidung entfaltete die „Cosmographiae Introductio“ nachhaltige Wirkung. In den späteren Weltkarten und Globen des frühen 16. Jahrhunderts fand die griffige Bezeichnung „Amerika“ Verwendung, weil sie sehr gut zu den Namen der bekannten Erdteile der Alten Welt passte. Durch die Nutzung der neuen Kommunikationsmedien konnten Kolumbus und später Vespucci sowie die Humanisten um Waldseemüller und Ringmann ihre Zeit nachhaltig prägen. Die Horizonterweiterung europäischen Wissens wurde damit endgültig festgeschrieben. Die Existenz des vierten Kontinents ließ sich danach nicht mehr ernsthaft bezweifeln, und sein neuer Name setzte sich langfristig durch.
Edle Wilde oder Degenerierte „Amerika“ war aber immer mehr als nur ein Name auf der Karte. Deren Produktion und die der gesamten „Cosmographiae Introductio“ formulierte einen Herrschaftsanspruch, indem das Werk ein wenn auch durchaus noch in sich widersprüchliches Weltbild textlich und bildlich als verbindlich darstellt. Nirgends war dies deutlicher als in einem Gemälde des flämischen Malers Jan van der Straet oder Johannes Stradanus, das dem berühmten Kupferstich Theodore Galles als Vorlage diente. Der Stich war Teil einer Folge, die Galle in der Sammlung „Nova reperta“ in den 1580er-Jahren zusammenstellte und in seinem Verlag in Antwerpen veröffentlichte. Themen der Stiche waren die großen europäischen Erfindungen und Entdeckungen der Neuzeit. Dazu zählte Amerika ebenso wie der Buchdruck, das Schießpulver und das Zuckerrohr. Stolz vergewisserte sich Europa in diesem Bildband seiner Errungenschaften. Dabei war die Darstellung des Anderen von zentraler Bedeutung. Im Bild lässt van der Straet einen bekleideten und mit den Insignien europäischen Wissens und weltlicher Macht – Astrolabium und Schwert – ausgestatteten Vespucci auf eine unbekleidete, der Hängematte entsteigende Amerika treffen. Die Feminisierung des neuen Kontinents als schamlose Indianerin, eine Szene, deren Wildheit durch die Kannibalen-Szene im Hintergrund noch unterstrichen wird, entspricht den Klischees, die Vespucci mit dem
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Das Gemälde „America“ von Jan van der Straet oder Johannes Stradanus war die Vorlage für den berühmten Kupferstich in Theodor Galles „Nova Reperta“.
„Mundus Novus“ in die Welt setzen half und die sich im Namen Amerika perpetuierten. Im Gegensatz zum oft gedruckten Kupferstich hatte van der Straet im weniger bekannten Originalgemälde Vespucci sogar noch das Wort America – spiegelverkehrt auf Grund der Funktion als Vorlage für einen Kupferstich – in den Mund gelegt, um den Akt der Namensgebung deutlich zu machen.192 Die Darstellung der Gegensätze ist auf diesem Bild mehr als deutlich: die Karavelle zur Rechten, die den technischen Vorsprung Europas ebenso symbolisiert wie den Fortschritt, den Gang der Geschichte; der Ameisenfresser und andere Tiere zur Linken, die die unberührte, ursprüngliche Natur symbolisieren, vermeintlich das eigentliche Wesen Amerikas. Die Kultur Europas begegnet der Natur Amerikas. Mit dem Akt der Namensgebung, der hier abgebildet wird, wird Amerika zum Gegenstand europäischer Projektionen und Sehnsüchte. Die Handlungsmacht, das wird deutlich, liegt einseitig bei Vespucci, dem Subjekt, und damit bei Europa, für das er steht. Das im linken Bildrand am Baum hängende Faultier verstärkt den Eindruck einer Schläfrigkeit, die quasi wie ein Schleier über dem wilden, noch unentdeckten Kontinent gelegen hat, ehe Europa kam, um ihn im Akt der Namensgebung überhaupt erst ins Leben, in den
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Gang der Geschichte zu rufen. Die nackte India, das Objekt, erhebt sich nun aus diesem Schlaf der Zeitlosigkeit, um, so scheint es, ihrem „Entdecker“ zu folgen. Die Bildunterschrift des Kupferstichs unterstreicht diese Aussage: „Americus entdeckt Amerika wieder – er rief sie einmal, und seitdem war sie immer wach.“193 Den Namen in Schrift und Bild zu setzen, war eine symbolische Besitz ergreifung. Es war ein Teil der europäischen Zeremonien der Inbesitznahme, die mit Kolumbus’ Ritualen am Tag von Guanahani begonnen hatten. Die Bewohner dieses für die Europäer neuen Kontinents bezog man nicht in diese Überlegungen ein, sondern benannte die Welt nach den eigenen Vorstellungen. Die Menschen, die im inkaischen Tahuantinsuyo oder im aztekischen Anáhuac lebten, spielten für die europäischen Gelehrten keine Rolle. Durch die Namenswahl ordneten die europäischen Gelehrten die Territorien in ihr christliches Weltbild ein. Durch die Gegenüberstellung von Neuem und Altem ergab sich eine quasi natürliche Hierarchie, aus der sich der koloniale Status Amerikas ableiten ließ. Im Verlauf der Kolonialzeit waren die iberischen Reiche in Amerika nur der Theorie nach abgeschottet, in der Praxis wurden die Monopol ansprüche von Spaniern und Portugiesen vielfältig unterlaufen. So verbreiteten sich in Europa zunehmend Kenntnisse über Land und Leute, die sich in wirklichkeitsnäheren Karten und in zahlreichen Reiseberichten und Geschichtsdarstellungen niederschlugen. Dennoch blieben die frühen Mythen für die Interpretation des Ereignisses von 1492 maßgeblich – so belebte Jean-Jacques Rousseau in seinem „Discours sur les sciences et les arts“ von 1750 den Mythos des „edlen Wilden“.194 Insgesamt aber blieb das europäische Überlegenheitsgefühl gegenüber Amerika und seinen Bewohnern prägend. Wichtig war in diesem Zusammenhang die monumentale „Histoire naturelle“ von Georges-Louis Leclerc Buffon, die ab 1749 in vierundvierzig Bänden erschien. In dieser berühmten und in viele Sprachen übersetzten Schrift vertrat Buffon die Ansicht, Amerika sei ein erdgeschichtlich junger Kontinent mit ungesundem Klima, in dem sich nur wenige und im Vergleich zur Alten Welt kleinere Tiere entwickelten. Nach Amerika verpflanzte europäische Arten würden dort degenerieren, nur Insekten und Schlangen gediehen prächtig. Auch die indigene Bevölkerung war laut Buffon in geistiger und körperlicher Hinsicht zurückgeblieben. Insgesamt, so stellte er fest, sei Ame-
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rika unreif, sozusagen im Stadium der Kindheit, das es nicht überwinden könne. Der preußische Naturphilosoph Cornelius de Pauw verbreitete und verschärfte diese Thesen dann in seiner ab 1768 in Berlin publizierten Schrift „Recherches philosophiques sur les Américaines“. Sie unterschied sich von Buffons Schriften, indem sie sich in drei Bänden einzig Amerika und nicht der Naturgeschichte als solcher widmete. Auch de Pauw stützte sich auf die Klimatheorie und behauptete im Gegensatz zu Buffon, dass Feuchtigkeit und Hitze in der Neuen Welt eine Flora und Fauna hervorgebracht hätten, die in höchstem Grade degeneriert sei. Das wiederum habe sich negativ auf die in Amerika lebenden Menschen ausgewirkt, die primitiv und dumm seien und keine Aussicht auf Entwicklung hätten. Das Problem der aztekischen und inkaischen Hochkulturen, deren Existenz seiner Argumentationskette widersprach, löste der Stubengelehrte de Pauw, indem er den Wahrheitsgehalt der vorliegenden historischen Quellen und Berichte in Abrede stellte. Insbesondere vertrat er die These, dass die von Europa nach Amerika transferierten Arten – seien es Tiere, Pflanzen oder Menschen – unter den Bedingungen der dortigen Natur zwangsläufig degenerieren müssten, und zwar in körperlicher wie geistiger Hinsicht. De Pauws Wirkung war weit über Preußen hinaus zu spüren. An ihr entfachte sich der sogenannte „Disput um die Neue Welt“, in dem es darum ging, ob die Entdeckung Amerikas ein Segen oder ein Fluch für die Menschheit gewesen sei. Die Degenerationstheorie fand viele Anhänger unter den damaligen Gelehrten. Der schottische Aufklärer William Robertson trug sie in seiner einflussreichen „History of America“ von 1777 in leicht abgemilderter Form weiter. Auch in der nicht minder bekannten „Histoire des deux Indes“ des Guillaume-Thomas de Raynal, die ab 1770 Aufmerksamkeit unter der wachsenden Leserschaft in ganz Europa erregte, war die Degenerationstheorie prominent vertreten. Bei Abbé Raynal galt die Tat des Kolumbus als „größte Entdeckung“, die durch die spanische Kolonialherrschaft jedoch negative Auswirkungen nach sich gezogen habe. Inte ressant ist, dass Raynal in der dritten, 1781 erschienen Ausgabe seiner „Histoire“ erstmals explizit die Entwicklung der dreizehn englischen Kolonien und ihren Unabhängigkeitskampf in den Mittelpunkt rückt. Hier erkennt Raynal ein Zukunftsversprechen. Er war der Auffassung, dass
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Amerika sich notwendigerweise aus den Fesseln europäischer Kolonialherrschaft zu lösen habe. Aus Raynals Perspektive von 1781 unterscheidet sich die neu gewonnene Freiheit des Nordens scharf vom weiterbestehenden spanischen Despotismus im Süden. Diese Differenzierung wurde wegweisend für die weitere Auseinandersetzung Europas mit Amerika. Die großen Klassiker unter den deutschen Philosophen – Herder, Kant und Hegel – folgten den vorgegebenen Interpretationsschemata in unterschiedlicher Weise. In Herders Hauptwerk „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“, das ab 1784 erschien, ist das Bild Amerikas noch nicht einseitig negativ. Zwar geht Herder ebenfalls von der Schwäche und Unreife der Neuen Welt und ihrer Menschen aus, doch spricht er ihnen nicht jegliche Entwicklungsfähigkeit ab und kritisiert unter anderem die Zerstörungswut der Eroberer. Immanuel Kant sieht das in seiner „Menschenkunde oder philosophische Anthropologie“ (1772/73) bereits positiver. Hegel wiederum schließt sich in einem kurzen, aber stark diskutierten Abschnitt seiner „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“, die er zwischen 1822 und 1831 hielt, der Argumentation von der Schwäche und Degeneration Amerikas zwar im Wesentlichen an, geht aber durch seine Geschichtsphilosophie noch darüber hinaus. Für Hegel ist die Welt unzweifelhaft in eine alte und eine neue geteilt. Aus seiner Sicht hat nur die Alte Welt eine Geschichte, während in Amerika die Völker ohne Geschichte leben, die sich auf Grund ihrer angeborenen Minderwertigkeit dem „Geist“ der Geschichte beugen müssten, der natürlich aus Europa kommt. Allerdings trifft er eine wichtige Differenzierung: Ähnlich wie Raynal in Kenntnis der mittlerweile fast fünfzigjährigen Entwicklung der Vereinigten Staaten erkennt er einen Unterschied zwischen Süd- und Nordamerika: Während das protestantische Nordamerika sich für Hegel auf Grund des Vorhandenseins eines starken Einheitsstaates in Ordnung und Freiheit vielversprechend entwickelt, ist das katholische Südamerika geprägt durch Anarchie und militärische Umstürze. Bei seinem Urteil gerade über Südamerika ließ sich Hegel von aktuellen Nachrichten über dessen Unabhängigkeitsstreben leiten, nicht aber von dem Wissen, das Alexander von Humboldt auf seiner Reise von 1799 bis 1804 zusammengetragen hatte. Humboldt, der „zweite Ent decker Amerikas“, war bemüht, die Erkenntnisse von der Vielfalt dieses Teils Amerikas in Europa zu verbreiten, denn viele negative Stereotype
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waren darauf zurückzuführen, dass man wegen der spanischen Abschottungspolitik wenig über die Kolonien in Amerika wusste. Gleichwohl: Die Idee von der Überlegenheit der europäischen Zivilisation über das wilde Amerika war im europäischen Bewusstsein tief verankert. Da diese Theorie als wissenschaftlich unumstößlich galt, waren diejenigen, die damit in erster Linie gemeint waren, nämlich die in Amerika lebenden Menschen, in der Defensive. Die in Europa weithin akzeptierte Degenerationstheorie und die daraus abgeleiteten negativen Bilder und Ideen von und über Amerika blieben allerdings nicht unwidersprochen, denn in Amerika selbst gab es Reaktionen, die zunehmend vernehmbar wurden. In Angloamerika setzten sich Gründerväter der Vereinigten Staaten wie etwa Thomas Jefferson oder Alexander Hamilton kritisch mit der Degenerationstheorie auseinander. In den „Federalist Papers“ nannte Hamilton Europa einen „anmaßenden Bruder“ der anderen Erdteile, den man Bescheidenheit lehren müsse. ■■
Die Welt mag politisch und auch geografisch in vier Teile geteilt sein, von denen jeder seine eigenen unterschiedlichen Interessen hat. Unglücklicherweise für die anderen drei hat Europa durch Waffen und Diplomatie, durch Gewalt und Betrug, in unterschiedlichem Maß die Herrschaft über alle anderen errungen. Afrika, Asien und Amerika haben nacheinander ihre Vorherrschaft zu spüren bekommen. Die Überlegenheit, die [Europa] seit Langem behauptet, hat es dazu verführt, sich als Herrin der Welt zu brüsten und den Rest der Menschheit als für ihren Vorteil erschaffen zu betrachten. Männer, die man als tiefgründige Philosophen bewundert, haben ihren Einwohnern in direkter Art und Weise eine körperliche Überlegenheit zugeschrieben. […] Es ist an uns, die Ehre des Menschengeschlechts zu rehabilitieren und diesen anmaßenden Bruder Bescheidenheit zu lehren.195 ■
In Iberoamerika griffen vor allem Jesuiten die Thesen der Degenerationstheoretiker an. Hintergrund war die Ausweisung des Ordens aus Spanien und seinen Kolonien 1767, die nicht zuletzt auf das antijesuitische Klima der Aufklärung zurückzuführen war. Autoren wie dem Ecuadorianer Juan de Velasco, dem Chilenen Juan Ignacio Molina oder dem Mexikaner Francisco Javier Clavijero ging es um die Richtigstellung der falschen Vorstellungen und damit auch um eine Ehrenrettung Amerikas.
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Diese Kritik an der verzerrten Wahrnehmung des eigenen Kontinents durch die Europäer bildete eine der Grundlagen für die Entstehung eines Patriotismus, der sich vom alten Mutterland abgrenzte. Der aus Peru stammende Jesuit Juan Pablo Viscardo y Guzmán, der jahrelang in England erfolglos um die Unterstützung für eine Rebellion des spanischen Amerikas rang, fasste die Verärgerung der in Amerika geborenen neuen Führungsschichten in seinem „Brief an die Hispanoamerikaner“ von 1791 zusammen, in dem er das Ende von „dreihundert Jahren Knechtschaft“ forderte. Die Feststellung eines grundlegenden, nicht heilbaren Interessengegensatzes zwischen Spanien und Amerika und die Brandmarkung der Kolonialmacht als Tyrannin, ja als Sklavenhalterin schloss Viscardo kurz vor dem dreihundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas mit dem Aufruf: „Entdecken wir Amerika neu für alle unsere Brüder der ganzen Erde …!“196 Männer wie Viscardo bahnten sowohl im Norden als auch im Süden Amerikas den Weg in die Unabhängigkeit. Der erste Freiheitskampf spielte sich aber nicht in den Regionen ab, die Kolumbus gefunden hatte und die ursprünglich mit dem Namen Amerika gemeint waren, sondern in den angloamerikanischen Kolonien. Mit der Revolution der dreizehn Kolonien sollte sich auch die Bedeutung des Namens entscheidend verändern, denn nun wurde die Bezeichnung „Amerika“ in vielen europäischen Sprachen zum Synonym für die jungen Vereinigten Staaten. Die iberischen Reiche traten demgegenüber in den Hintergrund, eine Tendenz, die sich durch den schwierigen Verlauf der Unabhängigkeitsrevolutionen und die daran anschließende politische und wirtschaftliche Instabilität verstärkte. In der Eigenwahrnehmung und auch in der Wahrnehmung der Europäer setzte sich eine SchwarzWeiß-Sicht durch. Das Erfolgsmodell „Vereinigte Staaten von Amerika“ stand von nun an dem Negativbeispiel des südlichen Amerikas gegenüber, das schon bald auf die Bezeichnung Lateinamerika ausweichen musste. Zwischen zwei Jubiläen Trotz Viscardos „Brief an die Hispanoamerikaner“, der lange unveröffentlicht blieb, war das Jahr 1792 als Moment der Erinnerung an den Tag von Guanahani in Iberoamerika weitgehend unbemerkt vorübergegangen. Die USA dagegen konnten Kolumbus ohne größere Probleme und Diskus-
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sionen schon anlässlich der Dreihundert-Jahr-Feiern in ihre National mythen integrieren und ihn als einen der Gründungsväter des neuen Staates adoptieren, auch wenn der Genuese nie in Nordamerika war. Das 19. Jahrhundert erlebte dann auch andernorts eine Art Wiederent deckung des Ereignisses und seines „Helden“ Kolumbus, die 1892 in großen Feierlichkeiten gipfelte. Zwar war die sogenannte „Entdeckung Amerikas“ in Europa nie vollständig in Vergessenheit geraten – schon im 18. Jahrhundert hatte sie zahlreiche Literaten und Dichter mit mehr oder weniger großem Talent inspiriert –, doch seit dem späten 18. Jahrhundert avancierte Kolumbus in den Schrift- und Tonwerken vieler Romantiker entweder zum idealistischen Visionär, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt, oder zum unverstandenen und tragischen Helden. Im frühen 19. Jahrhundert schließlich konnte mit Öffnung der Archive in Spanien eine Neubewertung in Gang gesetzt werden. Nun erschienen die ersten fundierten Abhandlungen wie die Kolumbus-Biografie des US-Amerikaners Washington Irving.197 In den Vereinigten Staaten wie auch in Europa blieb die Auseinandersetzung mit 1492 jedoch hochgradig von außerwissenschaftlichen Interessen geleitet. Während Irving seinen Helden als Lichtgestalt glorifizierte, der sich nahtlos in die Geschichte der eigenen Nation eingliedern ließ, schrieb man dessen Rolle in Spanien eher klein und betonte dort den Anteil der Katholischen Könige an der „Entdeckungstat“. In katholischen Kreisen Frankreichs kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gar zu einer Bewegung, die sich für die Heiligsprechung des Genuesen einsetzte. Sie speiste sich aus hochrangigen Geistlichen und konservativen Politikern und Intellektuellen, blieb allerdings auf Grund des zweifelhaften Lebenswandels von Kolumbus erfolglos. Nichtsdestotrotz kam es 1892 im Rahmen der Vierhundert-Jahr-Feiern in Europa und Amerika erstmals zu großen internationalen Feierlichkeiten mit einer Vielzahl an Veranstaltungen: Ausstellungen, wissenschaft lichen Kongressen, Militärparaden, Sonderpublikationen, religiösen Pro zessionen und Festgottesdiensten sowie allerlei Volksbelustigungen. Papst Leo XIII. sah sich veranlasst, eine Enzyklika an die Erzbischöfe Spaniens, Italiens und Amerikas zu richten, in der er die Bedeutung der „Entdeckung“ für die weltweite Verbreitung des christlichen Glaubens
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Ausstellungsplakat zu den italo-amerikanischen Feierlichkeiten 1892.
hervorhob. Allerdings gab es zwischen Italien, Spanien und den Vereinigten Staaten durchaus Streit um die „richtige“ Interpretation des Ereignisses. Während die Italiener die Rolle des Genuesen in den Mittelpunkt
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stellen wollten, vereinnahmten die Nordamerikaner Kolumbus schlichtweg für sich. Die Spanier dagegen verwiesen auf die Bedeutung der eigenen Nation bei der „Zivilisierung“ und Christianisierung der Welt.198 Auf der Basis dieses Denkens entwickelte sich in der Folgezeit eine kulturpolitische Bewegung, die ein engeres Zusammenrücken zwischen dem ehemaligen Mutterland und seinen Kolonien zum Ziel hatte. Sie fand einen bis heute wirksamen Ausdruck in der Einführung des erstmals 1914 begangenen „Tages der Rasse“ (Día de la Raza) am 12. Oktober als Tag der „Entdeckung“ und der spanisch-amerikanischen Kultur (Hispanidad), der bald schon in Spanien und in vielen lateinamerikanischen Ländern als offizieller Feiertag eingeführt wurde. Allen symbolischen Akten gemein war das zugrunde liegende europäische und nordamerikanische Überlegenheitsgefühl. Inmitten des Zeit alters des Imperialismus besannen sich Europäer und Nordamerikaner, die sich seit dem Ende ihres Bürgerkriegs erfolgreich um einen Platz im Kreis der Weltmächte bemühten, stolz auf den vermeintlichen Ursprung ihrer Herrschaft über die Welt, den sie als zentralen Wendepunkt der Weltgeschichte verstanden wissen wollten. Damit überhöhte man die Bedeutung von 1492 zum Beginn der Neuzeit, die man als Zeitalter des zivilisatorischen Fortschritts definierte und deren Höhepunkt die eigene Gegenwart repräsentierte. Diese Vision präsentierte man der Öffentlichkeit in unterschiedlichen nationalen Varianten mit volkspädagogischer Absicht. Gegen die allgemeine Euphorie erhoben sich nur wenige nachdenk liche Stimmen. Die bekannteste stammte aus Lateinamerika und war die des Dichters Rubén Darío, der als Gesandter Nicaraguas an den Feierlichkeiten in Spanien teilnahm. Ende 1892 verfasste er das Gedicht „Für Kolumbus“ („A Colón“), in dem er die Folgen der Entdeckung für Amerika kritisch und selbstkritisch reflektierte.199 Wenn auch mit anderen Argumenten, setzte sich eine kritische Sichtweise bis zur nächsten Zentenarfeier 1992 immer mehr durch. Grundlegend dafür war eine Neuinter pretation der Geschichte Amerikas seit der „Entdeckung“ im Zuge der Imperialismuskritik und der Kritik am Entwicklungsoptimismus, die nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung gewannen. In Lateinamerika entstand in den 1960er-Jahren die „Theorie der Abhängigkeit“, die Dependenztheorie. Ihre Vordenker verstanden Unterentwicklung als Ergebnis
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einer von äußeren Mächten dominierten Geschichte. Das Weltsystem sahen sie als von Zentren beherrscht, die die Peripherien in Abhängigkeit halten – einer Abhängigkeit, die 1492 begonnen hatte. Die Mythen der Romantiker verwandelten sich in eine multikulturelle Kritik an der traditionellen Deutung der Geschichte der sogenannten Neuen Welt. Heldenverehrung verwandelte sich in Heldendemontage. Mit diesem Bedeutungswandel der Jahrhundertfeiern waren erneut Deutungsansprüche verbunden, die nun zunehmend in Amerika selbst formuliert wurden. Dabei kam es schon in den 1980er-Jahren zu einem Kampf um die Begriffe – die Bezeichnung „Entdeckung Amerikas“ war nicht länger salonfähig. Der mexikanische Historiker und Anthropologe Miguel León Portilla schlug als Gegenbegriff „Begegnung zweier Welten“ (encuentro de dos mundos) vor, während sein Landsmann Edmundo O’Gorman von der „Erfindung“ (invención) Amerikas sprach. Andere Intellektuelle wie Leopoldo Zea und Enrique Dussel wählten unmiss verständliche Begriffe wie „Verdeckung“ (encubrimiento) oder gar „Genozid“. In jedem Fall waren mit den neuen Begrifflichkeiten weit über den Bezugsrahmen hinausreichende Diskussionen um Identität und auch um tagespolitische Fragen verbunden. Entsprechend heftig gestalteten sich die Auseinandersetzungen.200 Dabei bewegten sich die Planungen zur Feier des Ereignisses zunächst noch im traditionellen Rahmen. In Spanien, das erneut die Führungsrolle beanspruchte, gründete man eine nationale Festkommission, die zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Feierlichkeiten an den Wirkorten des Kolumbus durchführte. Die spanische Regierung wollte ihr Land, seit 1986 EU-Mitglied, im Wettbewerb um neue Märkte als Brücke zu Lateinamerika positionieren. So ließ man Kolumbus’ Schiffe nachbauen und noch einmal die Reiseroute wie 1492 nehmen. Die symbolische Botschaft war unübersehbar: In Europa, genauer in Spanien lebten die Subjekte der Geschichte, die Amerikaner dagegen blieben Objekte, denen die europäische Kultur gebracht werden musste. Höhepunkte der offiziellen Feiern waren die Weltausstellung in Sevilla und die Spanienreise Papst Johannes Pauls II. 1993. Auch in Lateinamerika kam es ab 1983 zu einer Reihe politischer und kulturpolitischer Initiativen, etwa Projekte zum Erhalt des historischen Erbes und zur Stärkung der interamerikanischen Kooperation im Bereich der Wissenschaft. Daran zeigte sich das gewachsene
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Selbstbewusstsein Lateinamerikas, dessen Eliten sich nicht mehr auf die Rolle des Opfers der Weltgeschichte reduziert wissen wollten.201 Doch sollte sich die Deutung des Ereignisses vom Beginn der Planungen in den 1980er-Jahren bis zu ihrer Durchführung 1992 radikal ver ändern. Seit 1987 formierte sich offener Widerstand gegen die offiziell angesetzten Feierlichkeiten seitens indigener Bevölkerungsgruppen, die sich selbst „Erste Nationen“ oder „originäre Völker“ (pueblos originarios) nennen. In der Tat bildeten die Fünfhundert-Jahr-Feiern für diese Gruppen eine Zäsur: Die bis dahin sehr heterogenen indigenen Bewegungen Amerikas – oder Abya Yalas, wie die Aktivisten den Kontinent auch nennen –, die aus unterschiedlichen regionalen Kontexten stammten und unterschiedliche politische Ziele verfolgten, taten sich erstmals öffentlichkeitswirksam zusammen, um gegen die eurozentrische Sichtweise zu protestieren. Statt Jubelfeiern forderten sie Trauerfeiern im Gedenken an die vielen Millionen Opfer, die der Tag von Guanahani nach sich gezogen hatte. Sie taten dies beispielsweise mit Demonstrationen und Straßenblockaden sowie mit Protestmärschen wie etwa anlässlich der „Nationalen ErProteste begleiteten die Feierlichkei202 ten von 1992 – Graffito in Bilbao. hebung der Indigenen“ in Ecuador 1990.
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Die Bewegungen verstanden es, weltweit Aufmerksamkeit zu erregen, indem sie die neuen Medien einsetzten und sich damit die technologischen Errungenschaften der neuen Globalisierung zunutze machten. Zu ihrem Erfolg trug nicht zuletzt die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Guatemaltekin Rigoberta Menchú im Jahr 1992 bei.203 Weit über die Grenzen Amerikas hinaus unterstützten soziale Aktivisten diese Bemühungen. Dabei ging es natürlich nicht nur um die Deutung der Vergangenheit, sondern auch und gerade um die Kritik an den ungerechten Zuständen der Gegenwart, in der Indigene nach wie vor vielerorts diskriminiert und marginalisiert werden. Zuweilen trieb die Solidarisierung mit den Indigenen Amerikas skurrile Blüten, etwa wenn verkleidete Möchtegernindianer das Grabmal des Kolumbus in der Kathedrale von Sevilla attackierten. Diese und andere Formen übersteigerter europäischer Solidarisierung mit den Opfern hat ihrerseits Kritik hervorgerufen. Sie galt etwa Wissenschaftlern, die mit maßlosen und ahistorischen Thesen weit über das Ziel hinausschossen und einer neuen Form des Mythos vom „edlen Wilden“ das Wort redeten, das der historischen Realität nicht gerecht wird. In Amerika hat man vielerorts bereits mit einigem Sarkasmus darauf reagiert. Wenn sich die soziale Wirklichkeit auch nicht grundlegend wandelte, so kam es in der Folgezeit doch zu wichtigen Veränderungen, die einen neuen Weg aufzeigten. Vielerorts wurden Verfassungen reformiert und den indigenen Völkern kollektive kulturelle Rechte zuerkannt. 2006 mündeten diese nationalen Reformen nach langjährigen zähen Verhandlungen in die Erklärung der Rechte indigener Völker durch die Vereinten Nationen. Zwischenzeitlich hatten viele Länder Lateinamerikas auch den „Tag der Rasse“ abgeschafft oder umbenannt. So feiert man in Venezuela seit 2002 am 11. Oktober den „Tag des indigenen Widerstands“. Waren die offiziellen Fünfhundert-Jahr-Feiern eher ein Misserfolg, so wurde dieser dadurch mehr als aufgewogen, dass es erstmals breitenwirksam zu einer kritischen Debatte über Rassismus, Kolonialismus und die fortdauernde Benachteiligung Indigener in den amerikanischen Gesellschaften kam.204
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Das Ereignis heute Die grundlegende Revision des eurozentrischen Geschichtsbildes der sogenannten „Entdeckung Amerikas“, die 1992 höchste öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr, hat sich mittlerweile durchgesetzt. Hier lohnt sich der Blick zurück auf einen Klassiker, der seiner Zeit in einigem voraus war. Als Adam Smith 1776 sein Werk „Der Wohlstand der Nationen“ veröffentlichte, fand sich darin unter anderem Folgendes: ■■
Die Entdeckung Amerikas und der Durchfahrt nach Ostindien um das Kap der Guten Hoffnung sind die beiden größten und wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit. Ihre Folgen waren bereits groß, aber man kann in der Kürze der Zeit von zwischen zwei und drei Jahrhunderten, seit diese Entdeckungen gemacht wurden, unmöglich den vollen Umfang ihrer Konsequenzen absehen.205 ■
Der schottische Philosoph und Ökonom erkannte, dass nicht nur das Auffinden des Seewegs nach Westen von Bedeutung war, sondern dass man den Durchbruch nach Indien auf der östlichen Route mitdenken musste, um die wahrhaft globale Dimension des Geschehens ermessen zu können, die sich in der Zukunft noch deutlicher zeigen würde. In der Tat hat sich der Blick der Historiker seit 1992 geweitet, denn die Reisen des Kolumbus und seiner Nachfolger werden nun zunehmend in globalhistorischem Kontext gesehen. Nicht allein das Geschehen vom 12. Oktober 1492 markiert den Beginn einer neuen Zeit, die die Welt in ihrer Globalität wahrzunehmen lernte. Hat man in Historikerkreisen lange von einem einheitlichen Prozess der europäischen Expansion gesprochen, der zur „Europäisierung der Welt“ geführt habe, so relativiert sich dies nun. Denn erst im 19. Jahrhundert erlangten Europa und die Vereinigten Staaten das auf die Industrialisierung zurückzuführende Übergewicht, das dann auf frühere Epochen zurückprojiziert wurde. Zwar verstand sich Europa seit 1492 bereits als Zentrum der Welt, zwar verschaffte der amerikanische Kontinent monopolartigen Zugang zu Ressourcen, zu denen die bis dahin führende islamische und chinesische Welt keinen Zugang hatten, doch muss man auch berücksichtigen, dass Afrika und Asien von europäischen Aktivitäten noch lange unberührt blieben. Heute erkennen Historiker mehr denn je, dass es sich bei den unzweifelhaften Erfolgen der Europäer im 15. Jahrhundert oft um die
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Aneignung und Anwendung von Chinesen entwickelter Technologien und Erfindungen handelte – Beispiele sind Papierherstellung und Druckverfahren, die Herstellung von Schießpulver, Nautik und Schiffbau. Unumstritten ist, dass Kolumbus’ Reise und der Tag von Guanahani enorme Bedeutung für die Verflechtung der Welt hatten und neuartigen Formen weltweiten Austauschs den Weg ebneten. Sie standen am Anfang eines keineswegs geradlinigen oder an Rückschritten freien Prozesses der Überwindung räumlicher Distanzen sowie der Erfassung der Welt in ihrer Gesamtheit. Lange hat man diesen als das Gegenüber von homogenen, statischen Einheiten gesehen, wobei sich die „höherwertige“ oder „höher entwickelte“ Kultur durchsetzte – in der Regel war damit die europäische gemeint. Heute versteht man den Kulturkontakt zumeist als dynamischen Prozess von Begegnungen in räumlich nicht fest umgrenzten Kontakt zonen, in dem sich alle Beteiligten verändern. Wichtig ist dabei allerdings, dass die Begegnungen und Kontakte keineswegs konfliktfrei waren, sondern sich im Gegenteil in der neuzeitlichen Geschichte selten friedlich, sondern zumeist gewaltsam abspielten. Auch in dieser Hinsicht war der Tag von Guanahani wegweisend. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Idee der Grenzüberschreitung zu – und zwar als realer Vorgang wie als Verlassen festgefügter Vorstellungen vom Selbst. Aus ihr ergeben sich vielgestaltige Begegnungen mit dem Fremden in Kontaktzonen. Dabei tritt die traditionelle Analyse des „imperialen Blicks“ auf das „periphere“ Andere zu Gunsten der Analyse der Wahrnehmungen des sogenannten „Zentrums“ durch die vermeintlich peripheren Akteure in den Hintergrund. Diese Akteure werden als Subjekte der Geschichte erkannt, weil sie in den Kontaktzonen Bilder, Stereotype und Vorurteile über das „Andere“ oder das „Fremde“ um definierten, sich aneigneten und neu schufen – das galt bereits für die Lukayer auf den Bahamas. Oft geschah das natürlich nicht freiwillig, sondern in Folge von Spannungen, die sich aus dem Zusammenprall von Innovationen mit zunehmend globaler Wirkung mit lokalen Sitten und Gebräuchen ergaben. Im Zuge dieser Neuausrichtung wurde auch die strenge Scheidung in Zentren und im Vergleich dazu defizitären Peripherien fragwürdig, die sich im Gefolge der europäischen Expansion durchgesetzt hatte. Seit die Stimmen von den vermeintlichen Rändern stärker zur Kenntnis genom-
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men werden, löst sich diese strenge Scheidung der Räume in unverbundene Welten auf. Dadurch werden die Bewegungen und Kontakte zwischen Räumen sichtbar, die die globalen Interaktionen bis auf den heutigen Tag ausmachen. Die Erkenntnis der über die Grenzen des Eigenen hinausreichenden Bedingtheit von Geschichte – auch und gerade der europäischen – und die Abkehr von einer Vorstellung dieser Geschichte als einer weltweiten Nachahmung des europäischen Modells hat sich in den letzten Jahren in der Geschichtswissenschaft durchgesetzt. Das trägt dazu bei, das eurozentrische Weltbild zu überwinden, dessen Entstehung mit der vermeintlichen „Entdeckung Amerikas“ aufs Engste verknüpft war. Dieser Schritt ermöglicht die systematische Auseinandersetzung mit den vielfältigen Verflechtungen und wechselseitigen Abhängigkeiten, die die Geschichte seit 1492 nachhaltig geprägt haben. Sie war durch die Neuartigkeit der Erfahrung von Fremdheit seit jenem Tag von Guanahani geprägt, die die Grenzen des bis dahin Denkbaren überstieg.
Wie wäre die Geschichte ohne den „Tag von Guanahani“ gelaufen? Sie mussten sich getäuscht haben. Der riesige Punkt in weiter Ferne, den doch auch seine Männer deutlich gesehen hatten, war hinter dem Horizont verschwunden, als die Himmel sich verdunkelten und der Huracan kam. Was konnte es gewesen sein? War es ein böses Omen für die Wut der Götter, die sich kurz danach mit Sturm und Regen über sie ergoss? Doch an Huracans waren sie gewöhnt, und noch nie zuvor hatte es ein solches Vorzeichen gegeben. Gemeinsam mit den Schamanen versuchte er in den folgenden Tagen das Geheimnis zu ergründen, doch die Zemis gaben nur zweideutige Antworten auf ihre Fragen. Zeit seines Lebens sollte ihn der Gedanke an das fremde Etwas in der aufgehenden Sonne nicht mehr loslassen. Immer, wenn er daran dachte, beschlich ihn das Gefühl, dass Bedrohliches dort auf dem weiten, unendlichen Wasser auf sie wartete, etwas, das bestimmt nicht für immer verschwunden war. Nein, wieder nichts! Das Licht in der Ferne war nichts als eine erneute Täuschung, und der schreckliche Sturm, der plötzlich aufgekommen war, trieb sie weit vom Kurs ab. Nach endlosen Stunden des Kampfes auf hoher See waren sie dem
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Unwetter mit knapper Not entkommen. So etwas hatten sie in ihrem Seemannsleben noch nicht erlebt. Doch die Dankbarkeit für die Rettung währte nur kurz. Schon am nächsten Tag machte sich Niedergeschlagenheit breit, die bald in Wut umschlug. Sein Appell, die Errettung aus den Fluten als göttliches Zeichen für die Richtigkeit seines Plans zu deuten, wollte keiner mehr hören. Auf seine Ansprache herrschte für Minuten atemlose Stille. Doch dann brach sich die Erregung Bahn. Wütend, ja geifernd waren die Beschimpfungen, die er sich von seiner Mannschaft anhören musste. Keiner hielt mehr zu ihm. Das Maß war voll, die Männer wollten nur noch nach Hause. Vergeblich mühte er sich, sie zur Weiterfahrt zu bewegen. Nur er weiß, dass es kein Zurück mehr geben konnte. Sein Name wird nicht Geschichte schreiben. Vielleicht werden die Musikanten von Al-Andalús ein trauriges Lied von den armen Männern aus Palos singen, die mit dem fremden Spinner im Westen verschollen sind. Mehr wird nicht bleiben. Die Vorräte sind fast aufgebraucht und reichen für die lange Rückfahrt nie und nimmer. Wenn sie kein Land finden, dann sind sie rettungslos verloren. Doch diese Wahrheit kann er den Männern nicht verkünden, sonst werfen sie ihn zweifellos über Bord. Die Not wird ohnehin von Tag zu Tag größer. Die Männer sind längst verzweifelt und können sich vor Hunger und Durst kaum noch bewegen. Sein Blick schweift über das Wasser. Irgendwo dort im Osten liegt die Heimat, die er nicht mehr wiedersehen wird. „Großer Gott“, denkt er, „sei uns gnädig und rette uns“, doch vor ihm liegt nur die endlose Weite des Ozeans.
Anhang Zeittafel ca. 1451 1453 ca. 1474 ca. 1479 1479 ca. 1485/86
Geburt des Kolumbus in Genua Osmanen erobern Konstantinopel Kolumbus fährt erstmals zur See Heirat des Kolumbus in Lissabon Vertrag von Alcáçovas Kolumbus verlässt Portugal – wahrscheinlich nach Ablehnung des Westfahrtprojekts durch den König 1486 Kolumbus am spanischen Hof 1492 2.1. Fall Granadas 17.4. „Capitulaciones“ von Santa Fé 3.8. Abfahrt von Palos 6.9. Weiterfahrt von La Gomera 12.10. Kolumbus landet auf Guanahani Dez. Bau von La Navidad auf Hispaniola 1493 15.3. Kolumbus’ Rückkehr nach Spanien April Erstveröffentlichung des Kolumbus-Briefs 4.5. Bulle „Inter Cetera“ Papst Alexanders VI. 25.9. Beginn der zweiten Reise des Kolumbus 1494 6.1. Gründung von La Isabela 7.6. Vertrag von Tordesillas 1496 März Gründung der Stadt La Nueva Isabela (später Santo Domingo) und Aufgabe La Isabelas 11.6. Kolumbus kehrt von seiner zweiten Reise zurück 1497 John Cabot erreicht Neufundland 1498 20.5. Vasco da Gama erreicht Indien auf dem östlichen Seeweg um Afrika
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30.5. Beginn der dritten Reise des Kolumbus Ramón Pané: „Relación acerca de las antigüedades de los indios“ 1.8. Kolumbus entdeckt das südamerikanische Festland nahe der Orinoko-Mündung 1500 20.1. Vicente Yáñez Pinzón an brasilianischer Küste und Amazonas-Mündung 22.4. Pedro Álvares Cabral nimmt Brasilien für Portugal in Besitz Juan de la Cosa: Weltkarte mit Amerika 20.6. Verbot des Handels mit indigenen Sklaven 25.11. Kolumbus kehrt in Ketten von seiner dritten Reise zurück 1502–19 Herrschaft Montezumas II. 1502 9.5. Beginn der vierten Reise des Kolumbus 1502/03 Erstveröffentlichung des „Mundus Novus“ von Amerigo Vespucci 1503 Einrichtung des Systems der encomienda in den spanischen Besitzungen 1504 7.11. Kolumbus kehrt von seiner vierten Reise zurück 26.11. Tod von Königin Isabella 1505 Erste Sklaven aus Afrika auf Hispaniola 1506 20.5. Tod Kolumbus’ in Valladolid 1507 25.4. Weltkarte von Waldseemüller: Verwendung des Namens „Amerika“ 1511 Gründung der audiencia von Santo Domingo 1512/13 Gesetze von Burgos zum Schutz der Indigenen 1513 Vasco Núñez de Balboa am Pazifik Requerimiento des Kronjuristen Palacios Rubios 1516 Erstausgabe der „Utopia“ des Thomas Morus 1519–21 Eroberung des Aztekenreichs durch Hernán Cortés 1519–22 Erste Weltumsegelung, Fernão de Magalhães 1527–32 Erbfolgekrieg zwischen Atahualpa und Huascar 1531–33 Francisco Pizarro erobert das Inkareich 1532 Übergang zur Siedlungskolonisation in Brasilien 1535 Errichtung des Vizekönigreichs Neu-Spanien 1535–38 Pedro de Mendoza im Río de la Plata-Raum
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1540–53 1541/42 1542 1543 1549 1552
Pedro de Valdivia in Chile Amazonasfahrt des Francisco de Orellana „Neue Gesetze“ Karls V. Errichtung des Vizekönigreichs Peru Zentralverwaltung in São Salvador de Bahia Erstveröffentlichung von Las Casas’ „Brevísima relación de la destrucción de las Indias“, die schnell in viele Sprachen übersetzt wird 1564 Einführung des Flottensystems 1567 Vertreibung der Franzosen aus Brasilien 1569–81 Vizekönig Francisco de Toledo in Peru 1572 Hinrichtung des letzten Inka Tupac Amaru 1791 Juan Pablo Viscardo y Guzmán: „Brief an die Hispano amerikaner“ 1892 12.10. Vierhundert-Jahr-Feiern der Entdeckung Amerikas in Europa und in den Vereinigten Staaten 1914 12.10. Erstmals „Feier der spanischen Rasse“ (Fiesta de la Raza Española) – ab 1915 als Día de la Raza 1992 12.10. Fünfhundert-Jahr-Feiern mit indigenen Protesten
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Anmerkungen Dieses Kapitel basiert zum einen auf dem Bordbuch des Kolumbus. S. dazu Christoph Kolumbus: Bordbuch, hg. v. Frauke Gewecke. Frankfurt a.M. 2006. Christopher Columbus: The Diario of Christopher Columbus’s First Voyage to America 1492–1493, hg. Oliver Dunn und James E. Kelley, Jr. Norman 1991. Für die Perspektive der Lukku-Cairi s. vor allem die ethnohistorischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte: William F. Keegan: The People Who Discovered Columbus: The Prehistory of the Bahamas. Gainesville 1992. William F. Keegan: Taíno Indian Myth and Practice: The Arrival of the Stranger King. Gainesville 2007. Samuel M. Wilson (Hg.): The Indigenous People of the Caribbean, Gainesville 1997. Sebastián Robiou Lamarche: Mitología y religion de los taínos. San Juan 2006. Irving Rouse: The Tainos: Rise and Decline of the People who Greeted Columbus. New Haven 1992. Antonio M. Stevens Arroyo: Cave of the Jagua: The Mythological World of the Taínos. Scranton ²2006. Bernard Grunberg (Hg.): Les indiens des Petites Antilles: des premiers peuplements aux débuts de la colonisation européenne. Paris 2011. 2 Aus der Fülle der Literatur zum Thema sticht hervor: James Robert Enterline: Erikson, Eskimos & Columbus: Medieval European Knowledge of America. Baltimore 2002. 3 S. dazu aus der europäischen Perspektive z.B. Stephan Skalweit: Der Beginn der Neuzeit: Epochengrenze und Epochenbegriff. Darmstadt 1982. Ulrich Raulff: Der unsichtbare Augenblick: Zeitkonzepte in der Geschichte. Göttingen 1999. Reinhart Koselleck: Zeitschichten. Studien zur Historik. Frankfurt a.M. 2000. Aus einer eher globalgeschichtlichen Perspektive s. Jürgen Osterhammel: Über die Periodisierung der neueren Geschichte. In: Berichte und Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 10 (2006), S. 45–64. 4 Kolumbus: Der erste Brief aus der Neuen Welt, hg. v. Robert Wallisch. Stuttgart 2000 [1493], S. 36–37. 5 Bartolomé de Las Casas: Historia de las Indias. Hg. v. André Saint-Lu. Caracas 1986, Bd. 1, S. 380. 6 Friedrich Jaeger: Neuzeit. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Stuttgart 2009, Bd. 9, Sp. 159–161. 7 So etwa auch der Historiker Johann Christoph Gatterer, der im 18. Jahrhundert die Entdeckung Amerikas als deutliche Epochenzäsur erkannte. Dazu Reinhart Koselleck: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Berlin 1988, S. 317. 8 Dazu jetzt Jörg-Peter Findeisen: Vinland: Die Entdeckungsfahrten der Wikinger von Island nach Grönland und Amerika: Erik der Rote, Bjarni Herjulfsson, Leif Eriksson und Thorfinn Karlsefni. Kiel 2011. 9 Ulrich Knefelkamp: Der Behaim-Globus: Geschichtsbild und Geschichtsdeutung. In: Dagmar Unverhau (Hg.): Geschichtsdeutung auf alten Karten: Archäologie und Geschichte. Wiesbaden 2003, S. 111–128. 10 Eine differenzierte Diskussion bei Christoph Auffarth: Neue Welt und Neue Zeit – Weltkarten und Säkularisierung in der Frühen Neuzeit. In: Renate Dürr et al. (Hrsg.): Expansionen in der Frühen Neuzeit. Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 34. Berlin 2005, S. 43–68. 11 S. die in Fn. 1 genannten Titel, insbesondere Rouse: The Tainos, S. 118–121. 1
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S. vor allem José Juan Arrom: Mitología y artes prehispánicas de las Antillas. Mexiko 1989, sowie Roberto Cassá: Los indios de las Antillas. Madrid 1992. 13 Einen sehr guten Überblick auf dem neuesten Stand der Forschung bietet David J. Meltzer: First Peoples in a New World. Berkeley 2009. S. a. Nina Jablonski (Hg.): The First Americans: The Pleistocene Colonization of the New World. Berkeley 2002. 14 Meltzer: First Peoples in a New World, S. 262–280. 15 S. dazu und zum Folgenden v. a. den Beitrag Ursula Dyckerhoff und Barbara Göbel: Geschichte der Indianer bis zur Conquista. In: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas. Stuttgart 1994. Bd. 1, S. 103–203, hier S. 103, sowie Wolfgang Haberland: Amerikanische Archäologie. Darmstadt 1991. 16 Thomas D. Dillehay: Monte Verde: A late Pleistocene Settlement in Chile. 2 Bde. Washington 1997 und 1998. 17 Bernardo Arriaza und Vivien G. Standen: Muerte, momias y ritos ancestrales. Santiago de Chile 2008. 18 Zu den Entwicklungen im Andenraum und in Mesoamerika, wenn nicht anders vermerkt, hier und im Folgenden s. vor allem Hanns J. Prem: Geschichte Altamerikas. München 1989. Nikolai Grube et al. (Hg.): Maya: Gottkönige im Regenwald. Köln 2000. Ulrich Köhler (Hg.): Altamerikanistik. Berlin 1990. 19 Zur olmekischen Kultur jetzt auch: Robert M. Rosenswig: The Beginnings of Mesoamerican Civilization: Inter-Regional Interaction and the Olmec. Cambridge 2010. 20 Barbara W. und William L. Fash: The Roles of the Ballgames in Mesoamerican Ritual Economy. In: E. Christian Wells und Carla Davis-Salazar (Hg.): Meso american Ritual Economy: Archaeological and Ethnological Perspectives. Boulder 2007, S. 287–300. 21 Neueste Forschungen zu Teotihuacán in Heft 17 der Zs. Amerindian Research 5 (2010). 22 Jürgen Golte: Moche: cosmología y sociedad; una interpretación iconográfica. Lima 2009. 23 Jürgen Golte: Die indigene Bevölkerung Lateinamerikas um 1500. In: Friedrich Edelmayer et al. (Hg.): Die Neue Welt: Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. Wien 2001, S. 41. 24 Berthold Riese: Das Reich der Azteken: Geschichte und Kultur. München 2011. 25 José Vicente Rodríguez Cuenca: Los chibchas: hijos del sol, la luna y los Andes; orígenes de su diversidad. Bogotá 2011. 26 Catherine Julien: Die Inka. München ²2001. 27 James B. Petersen: Taino, Island Carib, and Prehistoric Amerindian Economies in the West Indies. In: Wilson: The Indigenous People of the Caribbean, S. 118–130. S. a. die Beiträge in Jalil Sued-Badillo: General History of the Caribbean. Bd. 1: Autochthonous Societies. London 2003. Außerdem Lovén: Origins of the Tainan Culture, S. 1–86. 28 Keegan: The People who Discovered Columbus, S. 1–19. 29 Rouse: The Tainos, S. 105–137. 30 Ignacio Olazagasti: The Material Culture of the Taino Indians. In: Wilson: The Indigenous People of the Caribbean, S. 131–139. 31 Dies hat jüngst überzeugend nachgewiesen José R. Oliver: Caciques and Cemí Idols: The Web Spun by Taíno Rulers between Hispaniola and Puerto Rico. Tuscaloosa 2009, S. 157–189 und passim. 12
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Keegan: The People who Discovered Columbus, S. 91–112. Lovén: Origins of the Tainan Culture, S. 336–349. 33 Oliver: Caciques and Cemí Idols, S. 127–130 u. 208–220. 34 Zum Komplex der Zemis jetzt umfassend Oliver, Caciques and Cemí Idols. 35 Hierzu und zum Folgenden Stevens Arroyo: Cave of the Jagua, S. 37–70. 36 Ramón Pané: Mitología taína o eyeri: Ramón Pané y la relación sobre las antigüedades de los indios: el primer tratado etnográfico hecho en América, hg. v. Ángel Rodríguez Álvarez. San Juan 2008, S. 1–18. 37 Die Diskussionen um das Vorkommen anthropophager Praktiken im vorkolumbischen Amerika dauern in der Forschung weiter an. Für eine grundsätzliche Kritik an der Kannibalismus-These s. William Arens: The Man-Eating Myth: Anthropology & Anthropophagy. Oxford 1980. Zur Kritik an den frühneuzeitlichen Augenzeugenberichten von Europäern s. Annerose Menninger: Die Macht der Augenzeugen: Neue Welt und Kannibalen-Mythos, 1492–1600. Stuttgart 1995. Bei allen berechtigten Zweifeln an der Glaubwürdigkeit gerade der Quellen aus europäischer Hand, die mit dem Kannibalismusvorwurf die eigene Überlegenheit und Berechtigung zur Unterwerfung des Fremden verbanden, geht die große Mehrheit der Ethnohistoriker dennoch vom Vorkommen unterschiedlicher Formen der Anthropophagie in Amerika wie auch in anderen Weltregionen aus und begründet dies überzeugend mit archäologischen Funden und vorkolumbischen Schrift- und Bildquellen. 38 Antonio L. Curet: The Chief Is Dead, Long Live … Who? Descent and Succession in the Protohistoric Chiefdoms of the Greater Antilles. In: Ethnohistory 49 (2002), S. 259–280. 39 Rouse, The Tainos, S. 19–21. 40 S. dazu etwa Hans-Joachim König: Die frühen Amerikabilder nach den Berichten von Kolumbus und Vespucci. In: Ursula Lehmkuhl und Stefan Rinke (Hg.): Ameria – Amerikas: Zur Geschichte eines Namens von 1507 bis zur Gegenwart. Stuttgart 2008, S. 41. 41 Wallisch, Robert (Hg.): Der Mundus Novus des Amerigo Vespucci: Text, Übersetzung und Kommentar. Wien ²2006, S. 21. 42 Dazu umfassend Sebastián Robiou Lamarche: Taínos y caribes: las culturas aborígenes antillanas. Puerto Rico 2003. S.a. Louis Allaire: The Caribs of the Lesser Antilles. In: Wilson, The Indigenous People, S. 177–185. 43 Christoph Kolumbus: Bordbuch, hg.v. Frauke Gewecke, Frankfurt 1992, S. 122–123. Das spanische Original bei Christopher Columbus: The Diario of Christopher Columbus’s First Voyage to America, 1492–1493, hg. Oliver Dunn und James E. Kelley, Jr. Norman 1991, S. 176. 44 Klaus H. Börner: Auf der Suche nach dem irdischen Paradies. Zur Ikonographie der geographischen Utopie. Frankfurt 1984. Frauke Gewecke: Wie die neue Welt in die alte kam. München 1992. 45 Jude S. Mackley: The Legend of St. Brendan: A Comparative Study of the Latin and Anglo-Norman Versions. Leiden 2008. 46 Dazu die Quellen in Eberhard Schmitt et al. (Hg.): Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Bd. 1: Die mittelalterlichen Ursprünge. München 1986, S. 11–37. 47 Rudolf Simek: Erde und Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus. München 1992. Wilhelm Kölmel: Imago mundi: Studien zum mittelzeitlichen Weltverständnis. Hamburg 1995. Klaus Anselm Vogel: Sphaera terrae: Das 32
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mittelalterliche Bild der Erde und die kosmographische Revolution. Diss. phil. Göttingen 1995. 48 Dass Marco Polos Schilderungen im Gegensatz zu den fantastischen Erzählungen John Mandevilles zunächst wenig Glauben geschenkt wurde, weil sie die christlichen Vorstellungsgrenzen durchbrach, hat Wolfgang Neuber: Die frühen deutschen Reiseberichte aus der Neuen Welt. In: Hans-Joachim König et al. [Hrsg.]: Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirklichkeitswahrnehmung. Berlin 1989, S. 44, herausgearbeitet. 49 Dagmar Bechtloff: Imago Mundi Cartographica: Frühneuzeitliche Vor- und Darstellungen der Neuen Welt in Europa und Amerika. In: Lehmkuhl/Rinke: Amerika – Amerikas, S. 64–71. 50 Der arabische Kartograf al-Idrı¯sı¯ produzierte schon im 12. Jh. eine gesüdete Weltkarte: Henri Bresc und Annliese Nef (Hg.): La première géographie de l‘Occident – Idrîsî, trad. du chevalier Pierre-Amédée Jaubert, rev. par Annliese Nef. Paris 1999. Carsten Drecoll: Idrísí aus Sizilien: Der Einfluß eines arabischen Wissenschaftlers auf die Entwicklung der europäischen Geographie. Egelsbach 2000.. 51 Ingrid Baumgärtner: Kartographie, Reisebericht und Humanismus: Die Erfahrung in der Weltkarte des venezianischen Kamaldulensermönchs Fra Mauro (gest. 1459). In: Das Mittelalter Bd. 3 H. 3 (1998), S. 161–197. 52 A. J. R. Russell-Wood: The Portuguese Empire, 1415–1808: A World on the Move. Baltimore 1998, S. 8–58. 53 Schmitt et al.: Dokumente, Bd. 1, S. 40–46. 54 Zum Folgenden vor allem Hans-Joachim König: Die Entdeckung und Eroberung Amerikas, 1492–1550. Freiburg 1992, S. 8–19. 55 Alexander Marboe und Andreas Obenaus (Hg.): Seefahrt und die frühe europäische Expansion. Wien 2009. 56 Hans Wolff: America – Das frühe Bild der Neuen Welt. In ders. (Hg.): America: Das frühe Bild der Neuen Welt. München 1992, S. 22. 57 Dazu und zum Folgenden jetzt die Aufsätze in Francisco Bethencourt und Diogo Ramada Curto (Hg.): Portuguese oceanic expansion, 1400–1800. Cambridge 2007. 58 Urs Bitterli: Die Entdeckung Amerikas: Von Kolumbus bis Alexander von Humboldt. München 1999, S. 28–31. 59 Dazu und zum Folgenden David Abulafia: The Discovery of Mankind: Atlantic Encounters in the Age of Columbus. New Haven 2008, S. 33–64. Las Casas: Historia de las Indias, Bd. 1, S. 116–124. 60 Gonzálo Fernanández de Oviedo: Historia general y natural de las Indias, hg. v. José Amador de los Ríos. Madrid 1851 [1535], S. 22. 61 Antonio M. Stevens Arroyo: The Inter-Atlantic Paradigm: The Failure of Spanish Medieval Colonization of the Canary and Caribbean Islands. In: Comparative Studies in Society and History 35 (1993), S. 521–530. 62 Henry Kamen: Spain, 1469–1714: A Society of Conflict. Harlow 2005, S. 1–10. 63 Friedrich Edelmayer: Die spanische Monarchie der Katholischen Könige und der Habsburger (1474–1700). In: Peer Schmidt: Kleine Geschichte Spaniens. Stuttgart 2002, S. 127–144. 64 Julio Valdeón Baruque: La reconquista: el concepto de España – unidad y diversi dad. Madrid 2006, S. 179–188.
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Bechtloff: Imago Mundi Cartographica, S. 66. Schmitt: Dokumente. Bd. 2: Die großen Entdeckungen. München 1984, S. 95–96. Schmitt: Dokumente. Bd. 2, S. 100–105. Schmitt: Dokumente. Bd. 2, S. 9–13. Aus der unübersehbaren Vielzahl sind die nützlichsten neueren Biografien zu Kolumbus s. Miles H. Davidson: Columbus Then and Now: A Life Re-examined. Norman 1997. Frauke Gewecke: Christoph Kolumbus: Leben, Werk, Wirkung. Frankfurt a.M. 2006. Hans Joachim König: Der Entdecker: Christoph Kolumbus. In: ders.: Von Kolumbus bis Castro: Aufsätze zur Geschichte Lateinamerikas. Stuttgart 2006, S. 29–71. Alfred Kohler: Columbus und seine Zeit. München 2006. Felipe Fernández-Armesto: Columbus on Himself. Indianapolis 2010. 70 Luisa D’Arienzo: La presenza italiana in Spagna al tempo di Colombo. Roma 2010, S. 77–104 71 Samuel E. Morison: Admiral of the Ocean Sea: A Life of Christopher Columbus. Boston 1942: Bd. 1, S. 14–15. 72 Hernando Colón: Historia del Almirante, hg. v. Luis Arranz Márquez. Madrid 2000 [1571], S. 57. 73 Davidson: Columbus, S. 36–61. 74 Davidson: Columbus, S. 80–96. 75 Pierre D’Ailly: Ymago Mundi y otros opúsculos, hg. v. Antonio Ramírez de Verger. Sevilla 1992, S. 148. 76 Davidson: Columbus, S. 80. 77 Schmitt: Dokumente, Bd. 2, S. 99. 78 Zur Kontroverse um Toscanelli Davidson: Columbus, S. 73–80. 79 Fernanández de Oviedo: Historia general y natural de las Indias, S. 24. 80 S. dazu auch Las Casas: Historia de las Indias, Bd. 1, S. 64–67. 81 König: Entdeckung und Eroberung, S. 20–21. 82 David Henige: In Search of Columbus: The Sources for the First Voyage. Tucson 1991, S. 124–139. Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 20. 83 Hernando Colón: Historia del Almirante, S. 87. 84 Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 22–23. Für eine kritische Sicht dieser Episode s. Davidson: Columbus, S. 120–124. 85 Diese Lesart des Verhaltens der Krone erscheint mir stimmiger, als die in der bisherigen Literatur vorhandenen Deutungen. 86 Manuel Ballesteros Gaibrois: Luis de Santángel y su entorno. Valladolid 1996. 87 Zitiert nach der Übersetzung von Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 24. 88 Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 25. 89 Davidson: Columbus, S. 160–162, arbeitet die Widersprüche in den Quellen sehr gut heraus, kommt aber zu keiner eigenständigen Interpretation. 90 Eine andere Interpretation bei Bitterli: Die Entdeckung Amerikas, S. 52–53. S.a. Juan Manzano y Manzano, Cristóbal Colón: Siete años decisivos de su vida, 1485–1492. Madrid 21989. 91 Hans-Joachim König, Michael Riekenberg und Stefan Rinke (Hg.): Die Eroberung einer neuen Welt: Präkolumbische Kulturen, europäische Eroberung, Kolonialherrschaft in Amerika. Schwalbach ²2008, S. 72. 92 Miles H. Davidson: The “Capitulaciones de Santa Fé”: A Historiographical Conundrum. In: Colonial Latin American Historical Review 4 (1995), S. 1–24. 93 Schmitt: Dokumente, Bd. 2, S. 108. 65 66
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Bitterli: Die Entdeckung Amerikas, S. 54–56. Davidson: Columbus, S. 189–192. 96 Schmitt, Dokumente, Bd. 2, S. 11. 97 Alain Milhou: Colomb et le messianisme hispanique. Montpellier 2007, S. 53–86. 98 Milhou: Colomb, S. 381–408. 99 Die gründlichste Studie zur Quellenkritik ist Henige: In Search of Columbus, S. 11–159. Sie bildet die Grundlage für die folgenden Abschnitte. 100 Die beste Ausgabe des Bordbuchs im spanischen Original findet sich bei Columbus: The Diario. Die beste deutsche Übersetzung, aus der ich im Folgenden zitiere, ist Kolumbus: Bordbuch. 101 Kolumbus: Bordbuch, S. 27. 102 Kolumbus: Bordbuch, S. 28–29. 103 Kolumbus: Bordbuch, S. 31. 104 Kolumbus: Bordbuch, S. 34. 105 Kolumbus: Bordbuch, S. 43. 106 Kolumbus: Bordbuch, S. 44. 107 Eine ausführliche Diskussion der unterschiedlichen Theorien bei Keegan: The People Who Discovered Columbus, S. 190–205. 108 Kolumbus: Bordbuch, S. 46–47. 109 William D. und Carla R. Phillips: The Worlds of Christopher Columbus. Cambridge 1992, S. 1–12. 110 Felipe Fernández-Armesto: 1492: The Year the World Began. New York 2009, S. 274. 111 Stevens Arroyo: Cave of the Jagua, S. 51–70. 112 Mercedes López Baralt: Levi-Strauss en las Antillas: el mito taíno en la crónica de Fray Ramón Pané. In: América indígena (Mexiko) 44 (4/1984), S. 663–682. Constance G. Janiga-Perkins: Reading, Writing, and Translation in the “Relación acerca de las antigüedades de los indios” (c. 1498) by Fray Ramón Pané: A Study of a Pioneering Work in Ethnography. Lewiston 2007, S. 13–38. 113 Stevens Arroyo: Cave of the Jagua, S. 19–36. 114 Keegan: Taíno Indian Myth and Practice, S. 19. 115 José R. Oliver: The Taino Cosmos: In: Wilson: The Indigenous People, S. 140–153. 116 Keegan: Taíno Indian Myth and Practice, S. 44–45. 117 Kolumbus: Bordbuch, S. 54. 118 Kolumbus: Bordbuch, S. 93. 119 Abulafia: The Discovery of Mankind, S. 145–149. 120 Keegan: The People who Discovered Columbus, S. 160. 121 Keegan: The People who Discovered Columbus, S. 182. 122 Keegan: Taíno Indian Myth and Practice, S. 21–23. 123 Kolumbus: Bordbuch, S. 201. 124 Keegan: Taíno Indian Myth and Practice, S. 71–74. Abulafia: The Discovery of Mankind, S. 158–163. 125 Kolumbus: Bordbuch, S. 211. 126 Columbus: The Diario, S. 62. 127 Columbus: The Diario, S. 80. 128 Joanna M. Ostapkowicz: To be Seated with “Great Courtesy and Veneration”: Contextual Aspects of the Taíno Duho. In: Fatima Bercht et al. (Hg.): Taíno: Pre-Columbian Art and Culture from the Caribbean. New York 1997, S. 56–67. 94
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Roberto Cassá et al.: El primer virreinato americano. In: Anuario de Estudios Americanos 63 (2/2006), S. 13–26. 130 Henry Petitjean Roget: The Taino Vision: A Study in the Exchange of Misunderstanding. In: Wilson: The Indigenous People of the Caribbean, S. 172–173. 131 S. die Beiträge in Johannes Burkhardt (Hg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München 2005. 132 Demetrio Ramos Pérez: La primera noticia de América. Valladolid 1986. 133 Kolumbus: Der erste Brief aus der Neuen Welt, hg. v. Robert Wallisch. Stuttgart 2000 [1493], S. 35–37. 134 König: Entdeckung und Eroberung, S. 43. 135 Las Casas: Historia de las Indias, Bd. 1, S. 346. König: Der Entdecker, S. 53–54. 136 Elvira Vilches: Columbus’s Gift: Representations of Grace and Wealth and the Enterprise of the Indies. In: Modern Language Notes 119 (2/2004), S. 202–205. 137 Isaías Lerner: Teorías de Indios: los orígenes de los pueblos del continente americano y la Biblia Políglota de Amberes (1568–1573). In: Colonial Latin American Review 19 (2010), S. 231–245. 138 Alfred W. Crosby: The Columbian Exchange: Biological and Cultural Consequences of 1492. Westport 2003. Stefan Rinke: Demographische Katastrophe. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Stuttgart 2005, Bd. 2, Sp. 895–899. 139 Zitiert nach Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 37. 140 Alfredo Pinheiro Marques: Portugal e o descobrimento Europeu da América: Cristovão Colombo e os Portugueses. Lisboa 1992. 141 Jesús Varela Marcos: El Tratado de Tordesillas en la política atlántica castellana. Valladolid 1997, S. 55–58. 142 Jörg Fisch: Die europäische Expansion und das Völkerrecht: Die Auseinandersetzungen um den Status der überseeischen Gebiete vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984. 143 Varela Marcos: El Tratado de Tordesillas, S. 81–106. 144 König: Entdeckung und Eroberung, S. 45–46. 145 Kolumbus: Der erste Brief aus der Neuen Welt, S. 29–31. 146 Honorius Philoponus [Caspar Plautius]: Nova typis transacta navigatio novi orbis Indiæ occidentalis ... Linz 1621, fol. 32. 147 Diese Ereignisse beschreibt ausführlich der Diego Alvarez Chanca aus Sevilla, der die zweite Expedition als Arzt im Auftrag der Könige begleitete. Diego Alvarez Chanca: Letter to the Council of Seville (1494). In: Julius E. Olson und Edward G. Bourne (Hg.): The Northmen, Columbus and Cabot, 985–1503. New York 1906, S. 286–294. 148 Chanca: Letter to the Council of Seville, S. 298–302. Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 42–43. 149 Antonio de Herrera y Tordesillas: Historia general de los hechos de los Castellanos en las islas y tierra firme del mar oceano ... Madrid 1601, Bd. 1, Szene aus dem Titelkupfer. 150 Keegan: Taíno Indian Myth and Practice, S. 22–24. 151 Kathleen Deagan und José Maria Cruxent: Columbus’s Outpost among the Tainos: Spain and America at La Isabela, 1493–1498. New Haven 2002, S. 1–22. 152 Abulafia: The Discovery of Mankind, S. 199–207. 153 Die umfassendste Studie zu diesem Themenkomplex ist Esteban Mira Caballos: El indio antillano: repartimiento, encomienda y esclavitud (1492–1542). Sevilla 1997. 129
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Esteban Mira Caballos: La Española, epicentro del Caribe en el siglo XVI. Santo Domingo 2010, S. 41–58. 155 Kolumbus: Der erste Brief aus der Neuen Welt, S. 31–33. 156 Luis N. Rivera-Pagán: Freedom and Servitude: Indigenous Slavery and the Spanish Conquest of the Caribbean. In: Jalil Sued-Badillo: General History of the Caribbean. Bd. 1: Autochthonous Societies. London 2003, S. 316–362. 157 Stefan Rinke: Geschichte Lateinamerikas: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 2010, S. 32. 158 Carlos Esteban Deive: La Española y la esclavitud del indio. Santo Domingo 1995. 159 Las Casas: Historia de las Indias, Bd. 2, S. 157–160. 160 Keegan: The People who Discovered Columbus, S. 220–223. 161 Deagan/Cruxent: Columbus’s Outpost among the Tainos, S. 23–70. 162 Herrera y Tordesillas: Historia general, Bd. 1, Szene aus dem Titelkupfer. 163 Esteban Mira Caballos: Nicolás de Ovando y los orígenes del sistema colonial español 1502–1509. Santo Domingo 2000. Rouse: The Tainos, S. 152–158. 164 Ida Altman: The Revolt of Enriquillo and the Historiography of Early Spanish America. In: The Americas 63 (2007), S. 587–614. 165 Noble David Cook: Sickness, Starvation, and Death in Early Hispaniola. In: Journal of Interdisciplinary History 32 (2002), S. 349–386. 166 Für die quantitative Dimension der demografischen Katastrophe s. Massimo Livi Bacci: Conquest: The Destruction of the American Indios. Malden 2008, S. 89–118. 167 Rouse: The Tainos, S. 161–164. 168 Consuelo Varela und Isabel Aguirre: La caída de Cristóbal Colón: el juicio de Bobadilla. Madrid 2006. 169 Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 62–66. 170 König: Entdeckung und Eroberung, S. 56–66. 171 Für das Folgende s. Rinke: Geschichte Lateinamerikas, S. 22–28. 172 Schmitt: Dokumente, Bd. 2, S. 323. 173 Rinke: Geschichte Lateinamerikas, S. 28–36. 174 Zum Problem, das Neue sprachlich zu erfassen in den Schriftwerken des frühen 16. Jahrhunderts s. Norbert Ankenbauer: „das ich mochte meer newer dyng erfaren“. Die Versprachlichung des Neuen in den Paesi novamente retrovati (Vicenza, 1507) und in ihrer deutschen Übersetzung (Nürnberg, 1508). Berlin 2010. 175 Francisco López de Gómara: Historia general de las Indias – y vida de Hernán Cortés, hg. v. Jorge Gurria Lacroix. Caracas ²1991 [1552], S. 7. 176 Peter Martyr von Anghiera: Acht Dekaden über die Neue Welt, hg. v. Hans Klingelhöfer. 2 Bde. Darmstadt 1973 [1530]. 177 Abulafia: The Discovery of Mankind, S. 213–217. 178 Elise Bartosik-Vélez: Translatio Imperii: Virgil and Peter Martyr’s Columbus. In: Comparative Literature Studies 46 (2009), S. 559–588. 179 Fernanández de Oviedo: Historia general y natural de las Indias, S. 14–16. 180 López de Gómara: Historia general de las Indias, S. 7–9. 181 Iris Gareis: Utopie und Expansion: Eine europäische Idee in der Neuen Welt. In: Renate Dürr et al. (Hrsg.): Expansionen in der Frühen Neuzeit. Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 34. Berlin 2005, S. 343–356. 182 S. jetzt Lawrence A. Clayton: Bartolomé de Las Casas and the Conquest of the Americas. Malden 2011, S. 71–86 und 115–127. 154
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Bartolomé de Las Casas: Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder, hg. v. Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt a.M. 1981 [1552]. 184 Zur Entstehung der „schwarzen Legende“ s. jetzt Philip W. Powell: Tree of Hate: Propaganda and Prejudices Affecting United States Relations With the Hispanic World. Albuquerque 2008, S. 39–92. 185 Ute Schneider: Die Macht der Karten: Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2006, S. 13–14. 186 Ute Schneider: Tordesillas 1494 – Der Beginn einer globalen Weltsicht. In: Saeculum 54 (2003), S. 39–62. 187 S. zum Folgenden Stefan Rinke: 25. April 1507: Der Tauftag Amerikas. In: Lehmkuhl/Rinke: Amerika – Amerikas, S. 16–26. 188 Schmitt: Dokumente, Bd. 2, S. 17. 189 Edmundo O’Gorman: La invención de América. Mexiko ³2003, S. 122–126. 190 Laut Wallisch galten für Vespucci „Mittelamerika, die Karibik, ja selbst die bekannten Teile Nordamerikas ... nach wie vor als asiatisch“. Robert Wallisch: Der Mundus Novus des Amerigo Vespucci (Text, Übersetzung, Kommentar). Wien 2002, S. 115. 191 Renate Pieper: Die Vermittlung einer neuen Welt: Amerika im Nachrichtennetz des Habsburgischen Imperiums 1493–1598. Mainz 2000, S. 141. 192 José Rabasa: Inventing America: Spanish Historiography and the Formation of Eurocentrism. Norman 1993, S. 23. 193 „Americen Americus retexit – Semel vocavit inde semper excitam.“ 194 Dazu und zum Folgenden s. Stefan Rinke: Vom „ersten Amerika“ zu ‚Amerika’: Der Bedeutungswandel des Namens ‚Amerika’ im Zeitalter der Revolutionen. In: Lehmkuhl/Rinke (Hg.): Amerika – Amerikas: Zur Geschichte eines Namens von 1507 bis zur Gegenwart. Stuttgart 2008, S. 85–108. 195 Publius [Alexander Hamilton]: Federalist Nr. 11. In: The Federalist Papers, hg. v. Isaac Kramnick. Harmondsworth 1987 [1788], S. 133–134. 196 Juan Pablo Vizcardo y Guzmán: Carta dirigida a los españoles americanos, hg. v. David Brading. Mexiko 2004, S. 89. Veröffentlicht zunächst 1799 in Französisch, dann 1801 in Spanisch und in Englisch. 197 Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 116–121. 198 Titus Heydenreich: Christoph Columbus – ein Heiliger? Politische und religiöse Wertungsmotive im 19. Jahrhundert. In: Gerhard Wawor und Titus Heydenreich (Hg.): Columbus 1892/1992: Heldenverehrung und Heldendemontage. Frankfurt a.M. 1995, S. 29–58. S. a. Titus Heydenreich (Hg.): Columbus zwischen zwei Welten: Historische und literarische Wertungen aus fünf Jahrhunderten. Frankfurt a.M. 1992. 199 Gewecke: Christoph Kolumbus, S. 130. 200 Salvador Bernabeu Albert: El Centenario interminable: Contenidoc ideológicos y culturales del IV y V Centenario de 1492. In: Wawor/Heydenreich (Hg.): Columbus 1892/1992: Heldenverehrung und Heldendemontage. Frankfurt a.M. 1995, S. 9–28. 201 Walther L. Bernecker: Zwischen Jubelfeiern und Ablehnung: Zur Auseinandersetzung um den ‘Quinto Centenario’. In: hispanorama 59 (1991), S. 12–18. 202 Salvador Beornabeu Albert: El centenario interminable. In: Gerhard Wawor und Titus Heydenreich (Hg.): Columbus 1892/1992: Heldenverehrung und Helden demontage. Frankfurt a. M. 1995, S. 24. 183
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Hans-Joachim König und Stefan Rinke: Multikulturalität und Multiethnizität: Chancen oder Hemmnisse für lateinamerikanische Gesellschaften im neuen Globalisierungsprozess? In: Waltraud Schreiber (Hg.): Vom Imperium Romanum zum Global Village: „Globalisierungen“ im Spiegel der Geschichte. Neuried 2000, S. 231–300. 204 Zur Auseinandersetzung mit 1492 in der Populärkultur jetzt auch Annerose Menninger: Historienfilme als Geschichtsvermittler: Kolumbus und Amerika im populären Spielfilm. Stuttgart 2010. 205 Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Edinburgh 1819 [1776], Bd. 2, S. 488. 203
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Quellen und Literatur Quellen Anghiera, Peter Martyr von: Acht Dekaden über die Neue Welt, hg. v. Hans Klingelhöfer. 2 Bde. Darmstadt 1973 [1530] Benzoni, Girolamo: Historia del mondo nuovo. Graz 1969 [1572] Bernáldez, Andrés: Historia de los Reyes Católicos Don Fernando y Doña Isabel: Memorias del reinado de los Reyes Católicos, hg. v. Manuel Gómez Moreno und Juan de M. Carriazo. Madrid 1962 Bitterli, Urs (Hg.): Die Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt: Dokumente und Berichte. Bd. 1: Amerika, Afrika. München 1980 Colón, Cristóbal: Textos y documentos completos, hg. v. Consuelo Varela und Juan Gil. Madrid 1992 Colón, Hernando: Historia del Almirante, hg. v. Luis Arranz Márquez. Madrid 2000 [1571] Columbus, Christopher: The Diario of Christopher Columbus’s First Voyage to America, 1492–1493, hg. Oliver Dunn und James E. Kelley Jr., Norman 1991 Columbus, Cristophorus: Epistola de insulis nuper inventis. Basel 1494 D’Ailly, Pierre: Ymago Mundi y otros opúsculos, hg. v. Antonio Ramírez de Verger. Sevilla 1992 De Bry, Theodor: America 1590–1634. Amerika oder die Neue Welt: Die „Entdeckung“ eines Kontinents in 346 Kupferstichen, hg. v. Gereon Sievernich. Berlin 1990 The Federalist Papers, hg. v. Isaac Kramnick. Harmondsworth 1987 [1788] Fernández de Oviedo, Gonzálo: Historia general y natural de las Indias, hg. v. José Amador de los Ríos. Madrid 1851 [1535] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke. Bd. 12: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Frankfurt a.M. 1986 Herrera y Tordesillas, Antonio de: Historia general de los hechos de los Castellanos en las islas y tierra firme del mar oceano ... Madrid 1601 Indias. Hg. v. André Saint-Lu, 3 Bde. Caracas 1986 [Entstehung 1527–56; Erstausg. 1875] König, Hans-Joachim, Michael Riekenberg und Stefan Rinke (Hg.): Die Eroberung einer neuen Welt: Präkolumbische Kulturen, europäische Eroberung, Kolonialherrschaft in Amerika. Schwalbach ²2008
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Kolumbus, [Christoph]: Der erste Brief aus der Neuen Welt, hg. v. Robert Wallisch. Stuttgart 2000 [1493] Kolumbus, Christoph: Bordbuch, hg. v. Frauke Gewecke. Frankfurt a.M. 2006 Las Casas, Bartolomé de: Obras completas. Bde. 3–5: Historia de las Indias, hg. v. Miguel Angel Medina et al. Madrid 1994 Las Casas, Bartolomé de: Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder, hg. v. Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt a.M. 1981 [1552] López de Gómara, Francisco: Historia general de las Indias – y vida de Hernán Cortés, hg. v. Jorge Gurria Lacroix. Caracas ²1991 [1552] Morales Padrón, Francisco (Hg.): Primeras cartas sobre América 1493–1503. Sevilla 1990 Morus, Thomas: Utopia, hg. v. Gerhard Ritter und Eberhard Jäckel. Stuttgart 2003 [1516] Pané, Ramón: Mitología taína o eyeri: Ramón Pané y la relación sobre las antigüedades de los indios: el primer tratado etnográfico hecho en América, hg. v. Ángel Rodríguez Álvarez. San Juan 2008 Philoponus, Honorius [Caspar Plautius]: Nova typis transacta navigatio novi orbis Indiæ occidentalis... Linz 1621 Piccolómini, Enea Silvio: Beschreibung Asiens, übers. v. Raimund Senoner, hg. v. Wilhelm Baum. Klagenfurt 2005 [1461] Schedel, Hartmann: Weltchronik, hg. v. Stephan Füssel. Köln 2001 [1493] Schmitt, Eberhard et al. (Hg.), Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion. 5 Bde. München 1984ff. Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Edinburgh 1819 [1776] Vizcardo y Guzmán, Juan Pablo: Carta dirigida a los españoles americanos, hg. v. David Brading. Mexiko 2004 [1799] Wallisch, Robert (Hg.): Der Mundus Novus des Amerigo Vespucci: Text, Übersetzung und Kommentar. Wien ²2006
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Bitterli, Urs: Die Entdeckung Amerikas: Von Kolumbus bis Alexander von Humboldt. München 1999 Börner, Klaus H.: Auf der Suche nach dem irdischen Paradies. Zur Ikonographie der geographischen Utopie. Frankfurt 1984 Bresc, Henri und Annliese Nef (Hg.): La première géographie de l’Occident – Idrîsî, trad. du chevalier Pierre-Amédée Jaubert, rev. par Annliese Nef. Paris 1999 Burkhardt, Johannes (Hg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München 2005 Cambridge History of the Native Peoples of the Americas. Bd. 2, Teil 1, Meso america und Bd. 3, Teil 1, South America. Cambridge 1999 und 2000 Cassá, Roberto: Los indios de las Antillas. Madrid 1992 Cassá, Roberto et al.: El primer virreinato americano. In: Anuario de Estudios Americanos 63 (2/2006), S. 13–26 Chanca, Diego Alvarez: Letter to the Council of Seville (1494). In: Julius E. Olson und Edward G. Bourne (Hg.): The Northmen, Columbus and Cabot, 985– 1503. New York 1906, S. 281–313 Coe, Michael D., Snow, Dean und Benson, Elizabeth (Hg.): Weltatlas der alten Kulturen: Amerika vor Kolumbus. München 1991 Crosby, Alfred W.: The Columbian Exchange: Biological and Cultural Consequences of 1492. 30th Anniversary Ed. Westport 2003 Curet, Antonio L.: The Chief Is Dead, Long Live … Who? Descent and Succession in the Protohistoric Chiefdoms of the Greater Antilles. In: Ethnohistory 49 (2002), S. 259–80 D’Arienzo, Luisa: La presenza italiana in Spagna al tempo di Colombo. Roma 2010 Davidson, Miles H.: The „Capitulaciones de Santa Fé“: A Historiographical Conundrum. In: Colonial Latin American Historical Review 4 (1995), S. 1–24 Davidson, Miles H.: Columbus Then and Now: A Life Re-examined. Norman 1997 Deagan, Kathleen und Cruxent, José Maria: Columbus’s Outpost among the Tainos: Spain and America at La Isabela, 1493–1498. New Haven 2002 Davidson, Miles H.: Columbus Then and Now: A Life Re-examined. Norman 1997 Deive, Carlos Esteban: La Española y la esclavitud del indio. Santo Domingo 1995 Dillehay, Thomas D.: Monte Verde: A late Pleistocene Settlement in Chile. 2 Bde. Washington 1997 u. 1998 Drecoll, Carsten: Idrísí aus Sizilien: Der Einfluss eines arabischen Wissenschaftlers auf die Entwicklung der europäischen Geographie. Egelsbach 2000 Dussel, Enrique: Encubrimiento del otro: Hacia el origen del “mito de la modernidad”. Quito 1994
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183
Namensregister Albertus Magnus 59 Alexander VI. 104 Alfons IV. von Portugal 55 Alfons V. von Portugal 50, 54 Almagro, Pedro de 121 Alvarado, Pedro de 120 Anghiera, Peter Martyr von 133 Arawaken 36, 37 Aristoteles 54, 111 Atahualpa 121 Augustinus 54, 111 Avis 52 Azteken 31, 33, 34, 36, 42, 45, 88, 119, 129 Balboa, Vasco Núñez de 119, 140 Barros, João de 104 Beaujeu, Anne de 72 Behaim, Martin 18, 62 Benalcázar, Sebastián de 121 Béthencourt, Jean de 56 Bobadilla, Francisco de 118 Boil, Bernardo 105 Brendan, hl. 47 Buffon, Georges-Louis Leclerc 84, 145, 146 Cabot, John 64 Caboto, Giovanni 64 Cabral, Pedro Álvares 119 Cabrero, Juan 70 Ca’ da Mosto, Alvise 52 Caniba 10, 45, 86, 91 Centurione 63 Cerda, Luis de la 55 Chanca 35 Chichimeken 33 Chimú 35 Clavijero, Francisco Javier 148 Colba 90
Coligny, Gaspard de 129 Coloma, Juan de 73 Colombo, Bartolomeo 62 Colombo, Cristoforo. Siehe Kolumbus, Christoph Colombo, Domenico 63 Colón, Bartolomeo 67, 72, 111, 123 Colón, Diego 65, 101, 111, 118 Colón, Hernando 62, 71, 77, 109 Colón, Luis 118 Caonabó 109, 110, 114, 115 Cortés, Hernán 120 Cortés, Martín 123 Cosa, Juan de la 119, 141 Cosco, Leandro 100 Cresques, Abraham 48 d’Ailly, Pierre 66, 76 Darío, Rubén 152 Day, John 66 Deza, Diego de 70 Dias, Bartolomeu 55, 72, 99 Dulmo, Fernam 60 Dussel, Enrique 153 Eanes, Gil 54 El Molle 30 Enrique 115 Enríquez de Arana, Beatriz 71 Eratosthenes 59 Erik der Rote 47 Eriksson, Leif 18, 47 Ferdinand von Aragón 11, 57, 58, 73, 105 Fernández de Oviedo, Gonzalo 57, 67, 77, 133 Fernandina 89 Fernão de Magalhães 119
184 A n ha n g
Fleury, Jean 129 Fra Mauro 50, 136 Gama, Vasco da 18, 55, 119 Ge 36 Guacanagari 92, 93, 94, 95, 97, 98, 109 Guanchen 56, 57, 78, 86 Gutiérrez, Pedro 9, 80 Hamilton, Alexander 148 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 147 Heinrich der Seefahrer 52, 53, 54, 56 Heinrich III. von Kastilien 56 Heinrich VIII. von England 129 Herder, Johann Gottfried 147 Herodot 47 Hojeda, Alonso de 119, 141 Huáscar 121 Huayna Cápac 35, 36, 121 Huitzilopochtli 34 Humboldt, Alexander von 147 Inka 22, 31, 35, 36, 42, 45, 121, 122, 124, 145, 146 Irving, Washington 150 Isabella von Kastilien 11, 57, 58, 73, 105, 118 Isidor von Sevilla 48, 54 Jefferson, Thomas 148 João I. von Portugal 52 João II. von Portugal 53, 55, 68, 72, 99, 104 João III. von Portugal 129 Johannes Paul II. 153 Juden 18, 58, 73, 75, 86, 133 Kalixtus III., Papst 54 Kant, Immanuel 147 Kolumbus, Christoph 14, 16, 17, 18, 20, 21, 22, 23, 31, 37, 39, 42, 44,
45, 46, 47, 56, 59, 60, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 84, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 117, 118, 119, 120, 123, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 141, 142, 143, 145, 146, 149, 150, 152, 153, 155, 156, 157, 161, 163, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 176, 181 Kublai Khan 47 La Cosa, Juan de 140 La Nueva Isabela. Siehe Santo Domingo Las Casas, Bartolomé de 17, 56, 66, 72, 77, 84, 109, 110, 113, 125, 126, 134, 135, 163, 166, 167, 169, 170, 171 Leo XIII., Papst 150 López de Gomara, Francisco 132, 133 López de Velasco, Juan 114, 148 Lugo, Alonso de 57 Lukayer 21, 22, 44, 86, 91, 97, 98, 109, 113, 117, 120, 157 Lukku-Cairi 12, 15, 41, 84, 86, 87, 88, 91 Manco Capac 35 Manco Inca 121 Mandeville, Sir John de 48, 66 Marchena, Antonio de 70 Martyr von Anghiera, Peter 77, 132 Mauren 52, 53, 58, 60, 71, 72, 73, 133 Maya 29, 32, 33 Mayapan 33 Medici 141 Medinaceli, Herzog von 69, 70 Medina-Sidonia, Herzog von 69
Nam e n s r e g i s t e r 185
Menchú, Rigoberta 155 Mendieta, Géronimo de 134 Mendoza, Pedro de 121 Mixteken 32 Moche 30, 35 Mogniz, Filipa 65 Molina, Juan Ignacio 148 Mongolen 47 Montaigne, Michel de 134 Monte Albán 27, 28, 31, 32 Montesinos, Antonio de 115 Morus, Thomas 134 Muisca 34 Nikolaus V., Papst 54 O'Gorman, Edmundo 153 Olmeken 27 Orellana, Francisco de 121 Otomí 33 Ovando, Nicolás de 114, 115, 117 Pachacutec Inca Yupanqui 35 Pané, Ramón 39, 77, 87, 109 Pauw, Cornelius de 146 Perestrello, Bartolomé 65 Pérez, Juan 70, 73 Piccolomini, Aeneas Sylvius 65 Pian del Carpine, Giovanni da 47 Pinta 8, 9 Pinzón, Martín Alonso 9, 75, 80, 91, 94, 95, 100 Pinzón, Vicente Yáñez 9, 75, 84 Pius II., Papst 65 Pizarro, Francisco 121 Pizarro, Gonzalo 123 Plinius d. Ä. 66, 67 Polo, Marco 47, 66, 98 Ponce de León, Juan 114, 115 Portilla, Miguel León 153 Potosí 128 Ptolemäus 54, 76, 140, 142
Quetzalcoatl 32, 33 Quiché 33 Quiroga, Vasco de 134 Ramón Pané 109 Raynal, Guillaume-Thomas de 146, 147 Ringmann, Matthias 140, 141, 142, 143 Robertson, William 146 Rousseau, Jean-Jacques 145 Rubruk, Wilhelm von 47 Sahagún, Bernardino de 120 Salomon, König 132 Sánchez, Rodrigo 75, 84 Santángel, Luis de 17, 70, 73, 77 Sassoferrato, Bartolus de 80 Seminolen 36 Smith, Adam 156 Stradanus, Johannes. Siehe Van der Straet, Jan Taino 22, 37, 38, 39, 41, 42, 44, 45, 87, 90, 96, 97, 98, 109, 111, 114, 115, 117, 164, 168, 169 Talavera, Hernando de 70 Tarasken 33 Tepaneken 33, 34 Toledo, María de 118 Torres, Luis de 15, 75, 90 Tortuga 92 Toscanelli, Paolo dal Pozzo 59, 60, 66, 67, 69, 76, 84, 98, 167 Triana, Rodrigo de 9, 75, 80 Túpac Amaru 121 Tupac Yupanqui 35 Tupi 36, 125, 126 Usodimare, Antoniotto 62, 63 Valdivia, Pedro de 122 Van der Straet, Jan 143, 144
186 A n ha n g
Vergil 133 Vespucci, Amerigo 16, 20, 41, 42, 119, 134, 140, 141, 142, 143, 144, 165, 171 Vilcabamba 121 Viscardo y Guzmán, Juan Pablo 149 Vivaldi, Ugolino und Vadino 50, 63
Waldseemüller, Martin 140, 142, 143 Wikinger 16, 47, 65 Yaquís 36 Zacatecas 128 Zapoteken 28, 32 Zea, Leopoldo 153
Ortsregister Acapulco 128 Afrika 8, 133 Ägäis 63 Agüeybana 115 Akkon 50 Al-Andalús 58, 159 Alcáçovas 54, 56, 57, 59 Amazonas 35, 36, 88, 121, 124 Amazonien 36 Anáhuac 145 Andalusien 67, 75 Anden 25, 26, 27, 29, 30, 35, 121, 125 Antilia 47, 60, 76, 84 Antillen 29, 36, 37, 38, 39, 128 Asien 47, 55, 59, 67, 71, 133, 140, 141, 143, 156 Atacama 121 Azoren 52, 59, 60, 104, 105 Aztlán 33 Babeque 91, 98 Bahamas 37, 41, 88, 109, 113, 114, 157, 163 Barcelona 99, 100, 101 Baza 71 Bogotá 34 Bohío 45, 86, 90, 91, 92 Bolivien 121 Boriquen 37
Brasilien 25, 30, 42, 105, 119, 128, 129, 141, 143 Buenos Aires 121 Burgos 116 Cádiz 108, 128 Cajamarca 121 Calakmul 29 Calima 29 Callao 128 Cap Haïtien 92 Cartagena de Indias 128 Casma-Tal 27 Cathay 18, 47, 59, 117 Cerro Sechín 27 Ceuta 52 Chaco 35, 36 Chanchan 35 Chapultepec 33 Chavín de Huantar 27 Chiapas 27, 134 Chibcha 121 Chichen Itza 33 Chile 25, 26, 30, 35, 122 China 18, 47 Chios 63 Cholula 28, 33, 34 Ciboney 44
o r t s r e g i s t e r 187
Cipangu 15, 47, 60, 67, 76, 84, 90, 95, 98. Siehe Japan Civao 98 Clovis 23, 25 Córdoba 69, 71 Costa Rica 27 Crooked Island 89 Cuicuilco 28 Cuzco 35 Dänemark 59 Dominikanische Republik 26 Ecuador 26, 29, 35, 121 England 64, 129 Europa 16, 18, 20, 22, 42, 46, 47, 54, 61, 62, 67, 90, 103, 105, 111, 125, 126, 130, 132, 133, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 150, 153, 156 Färöer 47 Feuerland 23, 31 Florenz 51, 59, 141 Florida 113, 114, 119, 129 Frankreich 129 Franzosen 124 Funchal 52 Genua 47, 50, 51, 52, 62, 63, 64, 87, 89, 92, 93, 95, 98, 100, 101, 104, 110, 118, 119, 131, 133, 150, 151 Granada 58, 70, 73, 74 Great Inagua 91 Grenada 44 Grönland 47, 59 Guadalupe 108 Guahayona 12 Guanabara 141 Guanahani 8, 14, 15, 18, 20, 22, 23, 44, 62, 84, 86, 88, 89, 95, 98, 102, 120, 145, 149, 154, 157, 158
Guanahatabey 44 Guatemala 27 Guinea 55, 67, 85 Haiti 26, 37, 41, 44, 93 Hesperiden 47, 133 Hierro 13 Higüey 114 Hispaniola 26, 92, 101, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 119, 123 Huari 30, 35 Iberische Halbinsel 46, 52, 58, 68, 78, 103 Iberoamerika 148, 149 Indien 8, 9, 11, 50, 55, 59, 65, 74, 101, 105, 118, 119, 131, 133, 156 Irland 64 Isabela, La 110 Island 47, 59 Jamaika 37, 111 Japan 47, 80 Jerusalem 48, 132 Juana 90, 92 Jungferninseln 44 Kaminaljuyú 29 Kanarische Inseln 9, 11, 55, 56, 57, 60, 78, 108 Kap Blanco 54 Kap Bojador 53, 55 Kap der Guten Hoffnung 55, 156 Kap Verde 54 Kapverden 52, 63, 105 Kariben 36, 44, 45, 88, 91, 95, 109, 111, 115 Karibik 13, 22, 25, 29, 36, 38, 39, 42, 44, 45, 87, 88, 94, 95, 97, 98, 108, 111, 115, 116, 117, 118, 119, 122, 125, 126, 132 Kastilien 52, 54, 55, 57, 58, 91, 122
188 A n ha n g
Kolumbien 29 Konstantinopel 51, 63 Kuba 26, 37, 41, 44, 90, 111, 119, 120
Ostasien 74, 126 Ostindien 156 Ozeanien 25
La Aguada 30 La Gomera 8, 57, 78 La Navidad 94, 98, 109 Lateinamerika 7, 25, 37, 113, 149, 152, 153, 154, 155 La Venta 27 Levante 50 Ligurien 63 Lima 123, 128 Lissabon 60, 62, 64, 65, 67, 95, 99, 103, 128 Long Island 89
Pachacamac 30 Palos de la Frontera 69, 75, 78, 95 Panama 118, 119, 128 Paraguay 25, 121, 134 Pátzcuaro 33 Pernambuco 128 Peru 26, 27, 30, 35, 121, 128, 149 Philippinen 128 Porto Santo 65
Machu Picchu 36 Macorix 98 Madeira 52, 65 Málaga 71 Manila 128 Matinino 98 Mesoamerika 25, 26, 27, 28, 29, 34, 39 Mexiko 26, 27, 28, 29, 32, 33, 36, 119, 120, 123, 125, 126, 128, 153 Michoacán 134 Mitla 32 Mittelmeer 50, 51, 52, 63, 64 Monte Verde 25 Naher Osten 50 Nazca 30 Neufundland 65, 129 New Mexico 23 Nicaragua 152 Norwegen 47 Oaxaca 27, 32 Ophir 132, 133 Orinoko 117, 133
Portobello 118, 128 Portugal 8, 13, 50, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 59, 60, 63, 65, 67, 68, 70, 72, 73, 99, 105, 119, 124, 126, 128, 129, 132, 134, 137, 141 Preußen 146 Puebla 28 Puerto Rico 37, 88, 114, 115 Quisai 90 Restelo 99 Río de la Plata 121, 129, 141 Rom 58, 100, 104, 133 Rum Cay 88 Sahara 52 Saladero 37 Samaná 95 San Agustín 29 San Lorenzo 27 San Salvador 11, 80, 86 Santa Fé 72, 73, 74, 118 Santa María de la Concepción 88 Santo Domingo 111, 119, 123 São Jorge da Mina 55, 65 Saõ Salvador de Bahia 124 Sevilla 71, 128, 153
o r t s r e g i s t e r 189
Spanien 17, 18, 52, 55, 56, 57, 58, 59, 63, 69, 72, 73, 74, 80, 92, 94, 99, 100, 103, 105, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 118, 119, 122, 123, 124, 126, 128, 132, 133, 134, 135, 137, 141, 146, 148, 149, 150, 151, 152, 153 St. Dié 140, 141, 142 Straßburg 142 Südamerika 25, 27, 34, 36, 117, 119, 121, 122, 128, 132, 141, 143, 147 Südostasien 25 Tahuantinsuyo 35, 145 Tenochtitlán 34, 120 Teotihuacán 28, 29, 32 Texcoco 33, 34 Thule 47, 65 Tiahuanaco 30 Tikal 29 Titicacasee 30 Tlacopan 34
Tlaxcala 33, 34 Tollan 32, 33 Tordesillas 105, 106, 110, 114, 128, 137 Tres Zapotes 27 Trinidad 26 Tula 32 Valladolid 118 Venedig 47, 50, 51, 63, 119 Venezuela 29, 37, 113, 119, 134, 155 Veracruz 128 Vereinigte Staaten von Amerika 149 Vínland 47, 65 Watlingsinsel 84 Westmeer 47 Yucatán 29, 33, 36 Zentralamerika 25, 29, 118, 119, 126
190 A n ha n g
Bildnachweis Karten S. 10, S. 24, 40, 69, 82/83, 94: Theiss Verlag, Peter Palm Abb. S. 9, 11, 89, 93: Archiv Thomas Theise, Regensburg, MATEO (Mannheimer Texte Online) Abb. 12: Bercht, Fatima et al. (Hg.): Taíno: Pre-Columbian Art and Culture from the Caribbean. New York 1997, S. 103 Abb. S. 13 u. 38: Courtesy William Reese Company, New Haven, Connecticut Abb. S. 14: Archiv für Kunst und Geschichte (AKG), Berlin Abb. S. 19: Swaen.com – map & print auction Abb. S. 21: The Walters Art Museum, Baltimore, Maryland Abb. S. 37: Courtesy of The Mariners’ Museum, Newport News, Virginia Abb. S. 38 u.: Archiv des Autors Abb. S. 43, 63: Wikisource Abb. S. 41, 49, 53, 70, 79, 81, 104, 106/07, 112, 114, 136/37, 138/39, 144: Wikimedia Commons Abb. S. 51: Thomas Theise, Regensburg Abb. S. 64, 97, 109, 110, 118: Wikipedia Abb. S. 71, 127: Bridgeman Art Library/Museo de America, Madrid, Spain/ Giraudon Abb. S. 96: The Granger Collection, New York Abb. S. 98: Courtesy of Dr. William F. Keegan Abb. S. 101: Courtesy, The Lilly Library, Indiana University, Bloomington, Indiana Abb. S. 113: Universitätsbibliothek Heidelberg, VD16 B1749, Tafel 12 Abb. S. 116: Rare Books and Special Collections Division of the Library of Congress, Washington, DC. Abb. S. 151: Wikipedia Italien Abb. S. 154: Wawor/Heydenreich (Hg.): Columbus 1892/1992: Heldenverehrung und Heldendemontage. Frankfurt a.M. 1995, S. 24 Verlag und Autor danken allen Leihgebern für die Bereitschaft, Bildmaterial für diese Publikation zur Verfügung zu stellen. Leider war es nicht in allen Fällen möglich, die Inhaber der Urheberrechte zu ermitteln. Etwaige Ansprüche kann der Verlag bei Nachweis entgelten.
Der Mensch und das Meer
»Ein wunderbares Buch« Die Zeit Von John Blake 160 Seiten mit 176 großformatigen Karten, Stichen, Plänen und Gemälden. ISBN 978-3-8062-2120-6
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