König David – Eine Symbolfigur in der Musik [Reprint 2018 ed.] 9783110904888, 9783110180749


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König David – Eine Symbolfigur in der Musik [Reprint 2018 ed.]
 9783110904888, 9783110180749

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Walter Salmen König David - eine Symbolfigur in der Musik

Wolfgang Stammler Gastprofessur f ü r Germanische Philologie - Vorträge herausgegeben vom Mediävistischen Institut der Universität Freiburg Schweiz Heft 4

1995

Universitätsverlag Freiburg Schweiz

Walter Salmen

König David - eine Symbolfigur in der Musik

1995

Universitätsverlag Freiburg Schweiz

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Salinen, Walter: König David - eine Symbolfigur in der Musik / Walter Salmen. - Freiburg, Schweiz: Univ.Verl., 1995 (Vorträge / Wolfgang-Stammler-Gastprofessur für Germanische Philologie ; H . 4) ISBN 3 - 7 2 7 8 - 0 9 9 0 - 6 N E : Universität < F r i b o u r g > / Wolfgang-Stammler-Gastprofessur f ü r Germanische Philologie : Vorträge

Copyright 1995 by Universitätsverlag Freiburg Schweiz Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN 3-7278-0990-6

Mesdames, Messieurs, chers Collègues, c'est avec le plus grand plaisir que je souhaite chaleureusement la bienvenue au professeur Walter Salmen qui nous honore de sa présence pendant ce semestre d'hiver. Formuler ces paroles en langue française est une manière de souligner et de symboliser l'ampleur des intérêts et la multiplicité des domaines de recherche du professeur Salmen, une ampleur qui dépasse non seulement toute barrière linguistique, mais les frontières mêmes des disciplines musicologiques. Et c'est justement sur un plan interdisciplinaire, dans le cadre d'une collaboration entre les séminaires de Philologie germanique et de Musicologie, que se situe le cours que M. Salmen donne maintenant à notre Université. L'étendue de son activité est telle à en rendre impossible, dans les limites de ces paroles d'accueil, même un bref résumé. Je me bornerai à rappeler ici quelques-uns des points d'excellence de ses recherches, qui se situent dans les domaines de l'ethnomusicologie, de l'iconographie musicale, de l'histoire de la danse et, tout particulièrement, dans celui de la sociologie de la musique. C'est à Walter Salmen qu'on doit - dans le cadre de sa vaste activité de directeur d'éditions d'études musicologiques - la coordination d'un recueil d'essais consacré à l'état social du musicien professionnel, une oeuvre parue aussi bien en langue allemande (Der Sozialstatus des Berufsmusikers vom 17. bis 19. Jahrhundert, Kassel 1971) qu'en langue anglaise (The Social Status of the Professional Musician from the Middle Ages to the 19th Century, New York 1983); le professeur Salmen est aussi l'auteur d'études sur l'état, l'activité et le répertoire du musicien itinérant du moyen âge (Der fahrende Musiker im europäischen Mittelalter, thèse d'habilitation présentée à l'Université de Saarbrücken en 1958 et publiée à Kassel en 1960), sur les obligations sociales des musiciens du 19 e siècle («Die soziale Verpflichtung von Komponisten im 19. Jahrhundert», in: Colloquium Leos Janacek et musica Europaea [1968], Brno 1970) et sur la musique de chambre et l'activité musicale privée (Haus- und Kammermusik. Privates Musizieren im gesellschaftlichen Wandel zwischen 1600 und 1900, Leipzig 1969). Il est significatif que ce dernier thème ait suggéré le titre du recueil d'essais publié en son honneur à l'occasion de son soixante-cinquième anniversaire (Musica Privata. Die Rolle der Musik im privaten Leben. Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Salmen, Innsbruck 1991). Et permettez-moi d'évoquer le souvenir personnel de mes rencontres avec mon illustre collègue à l'occasion de mes visites à Innsbruck, où le professeur Salmen a été, de 1974 à 1992, directeur de l'Institut de Musico-

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logie, une charge qui avait été précédée par celles de professeur extraordinaire à l'Université de Saarbrücken, entre 1963 et 1966, et de directeur de l'Institut de Musicologie de l'Université de Kiel, de 1966 à 1974. Il m'est particulièrement agréable de penser à une rencontre qui s'est déroulée sous le signe d'une collaboration fructueuse, lors du congrès «Orgel und Orgelspiel im 16. Jahrhundert», organisé dans la ville autrichienne en juin 1977 à l'occasion de la restauration de l'orgue de Jörg Ebert (1558) de la Hofkirche, un congrès dont les actes ont été publiés (Innsbruck 1978) par les soins du professeur Salmen. C'est à Innsbruck que l'image de Walter Salmen que je m'étais formée par le truchement de ses écrits a été complétée par le contact enrichissant avec sa personnalité humaine. Luigi Ferdinando Tagliavini

König David eine Symbolfigur in der Musik In die 1868 erstmals in München aufgeführte Oper 'Die Meistersinger von Nürnberg' hat der Librettist und Komponist Richard Wagner den Namen David in bemerkenswerter Weise eingebracht. Zum einen ist der flatterhafte Lehrbube des Meistersingers Hans Sachs so benannt, zum anderen wird das Bild dieses altisraelischen Heldenkönigs und Psalmisten sowohl im ersten Aufzug als auch kurz vor dem zur Ehrung aller deutschen Meister auffordernden affirmativen Schluß beziehungsvoll angesprochen. Im ersten Auftritt gibt Eva, die Tochter des Goldschmieds und Merkers Veit Pogner ihrer Begleiterin kund, sie habe den in der Nürnberger Katharinenkirche sie heftig umwerbenden fränkischen Ritter Walther von Stolzing bereits vor dieser Begegnung im Bilde gesehen: "ganz wie David", zwar nicht "den König mit der Harfen und langem Bart in der Meister Schild", sondern den jugendlichen Hirten und Helden, "das Schwert im Gurt, die Schleuder zur Hand, das Haupt von lichten Locken umstrahlt". Im 3. Aufzug freilich wird der verklärt im Strahlenglanz geschaute Stolzing - nach der Prüfung durch die Meistersinger - von Pogner angegangen mit einer die erwiesene Meisterschaft auszeichnenden goldenen Kette, die mit großen Denkmünzen behangen ist; er bietet ihm an:

Geschmückt mit König Davids Bild, nehm ich Euch auf in der Meister Gild'. Walther von Stolzing indessen weist - wie es im Textbuch heißt - "mit schmerzlicher Heftigkeit" diese Ehrung zunächst brüsk zurück, denn:

Nicht Meister! Nein! Will ohne Meister selig sein! Das in zunftenge Normen eingebundene handwerklich verstandene Singen war nicht sein angestrebtes Ziel, also auch nicht die damit verknüpfte, inhaltlich wie funktional ihn binden sollende Kunst im Zeichen des Psalmisten David. Ihn drängte es vielmehr in den Freiraum der davon sich emanzipierenden Tonkunst. Die ästhetisch verstandene Berufung auf die "Muse des Parnaß" war seinen Intentionen gemäßer als die mit deutlichem Bezug auf König David religiös motivierte, der somit seine Autorität als überragende Symbolfigur für eine bestimmte Musikübung im 19. Jahrhundert verloren hatte. Diese radikale Absage ist fraglos auch auf Wagner selbst zu projizieren, der damit seine eigene Position reflektiert. Wie es

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historisch vielfältig vermittelt zu dieser sich distanzierenden Standpunktnahme gekommen ist, die im 19. Jahrhundert keine vereinzelte war, sei mittels einiger ausgesuchter Aspekte erhellt. Der von Israeliten liebevoll na' ayim simrat, also der süße Sänger, benannte David ist in die Musikgeschichte nicht nur in bleibende Erinnerung eingegangen als der große Organisator der sakralen Tempelmusik in Jerusalem, sondern darüber hinaus als seherischer Sänger und damit als Prophet, als ethisch vorbildliche Herrscherfigur, welche fortan den Herrschenden die Musikübung zwingend aufgibt, als ein Inbegriff von geistlicher Musik und Kirchenmusik im besonderen (neben Papst Gregor I.), sowie als Repräsentant der den gesamten Kosmos durchwaltenden Harmonie (Abb. 1). Er wurde verehrt als der Erfinder von Musikinstrumenten, vornehmlich von seitenspil, ja sogar als einer der inventores musicae. Noch im Jahre 1619 behauptete selbst Michael Praetorius laut einer ungeprüft überkommenen Tradition: "Der König David hat viele Instrumente erfunden" (Syntagma Musicum II, 1619, S. 2). Mithin repräsentiert er, der ein Sänger, Instrumentalist und Tänzer war, komplexer als etwa Orpheus, Apoll oder Santa Cecilia, den Inbegriff des Musischen und zwar "christlich gewendet". Diese Jahrhunderte überdauernde Wertschätzung kam ihm nicht nur in Europa zu, sondern überdies auch in den Kirchen Äthiopiens und der Kopten, die sich legendär auf David betreffs ihrer liturgischen Musik als des unmittelbaren Lehrmeisters berufen. Die 75 cm hohe Baganá, eine in kultischen Diensten verwendete Standleier, gilt bis zum heutigen Tage als vermeintliche Nachbildung der Davidsharfe. Diese bis ins 18. Jahrhundert ungeschmälert geachtete biblische Autorität wurde zur Zeit der Kirchenväter etabliert, als es darum ging, die Musik als eine von Gott verordnete Kunst gegen die Sobrietät von Puristen und gegen Mißbräuche zu verteidigen, das "Spiel vor Gott" als Gottesdienst zu legitimieren, den Dualismus geistlichen Musizierens gegenüber dem weltlichen zu rechtfertigen, wie auch den erheblich eingegrenzten Spielraum für alle Arten von Instrumenten einschließlich von Psalter, Harfe und Posaune. Dies ist deswegen zu vermerken, weil insbesondere die Harfe als Symbol für die Musik von göttlicher Herkunft hochstilisiert wurde, weil dieses Instrument signifikant einzustehen hatte für den Kirchengesang und Psalmenvortrag. Bruder Philipp der Carthäuser schildert in seinem 'Marienleben' die ewigen Freuden der Erlösten so (V. 971ff.): diu vreude ist gar an ungemach. da ist staeter engel sanc und ouch süezer harpfen klanc.

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die engel und die seien singent, die seien mit den engein springent. manger slahte seitenspil dâ ist und süezes dônes vil, lîren harpfen unde gîgen. niemen mac dâ lobes geswîgen. mîn briutgom vüert den reigen dâ, die beilegen tanzent aile nâ: er macht den megden oucb den tanz, von Sternen treit er einen kränz, her Dâvît und her Salomon die herphent dâ den süezen don. loben, schallen unde singen, tanzen, reien unde springen und manger slahte kurzewîl ist dâ âne mâzen vil. Inwieweit das Zeichenhafte von dem real Vollziehbaren abweichen konnte, das macht die radikale Verwerfung etwa durch Johannes Calvin in Genf deutlich, der zwar das Singen von gereimten Psalmen in den ihm anhängenden Gemeinden als allein duldbar hervorkehrte, das ursächlich damit verbundene Saitenspiel indessen als eines der "puerilia elementa" mißbilligte und unterband. Den hymnischen Aufruf des Psalms 150 zum freudig beschwingten Gotteslob mit Tanz, Zimbeln und allem anderen verfügbaren Garät ließ er im Vollsinne dieses als "großes Halleluja" apostrophierten Textes nicht gelten. David, der königliche Psalmist, galt und gilt vornehmlich als ein Harfensänger. Die jüngste israelische Forschung hat die Erkenntnis zutage gefördert, daß dieses Zupfinstrument zwar zu dessen Lebzeiten in Ägypten, also bei dem damaligen politischen und religiösen Gegner, in Gebrauch war, nicht jedoch in Israel. David führte die Leier, hebräisch kinnor, in den musikalischen Dienst des Tempels als ein tönendes Opfergerät ein. Nach dem Hirtenstab der Jugend, der Schleuder in der Hand des gegen Goliath sich behauptenden Jünglings, wurde die Leier zu seinem signifikanten Attribut, welches er in den Bildquellen der Spätantike mit Orpheus teilte. Die Ersetzung dieses Instruments durch die Rotte, das Psalterium (Abb. 2) sowie die Harfe ging im Hochmittelalter vonstatten, als David, weil er ein siegreicher Held, aber auch weil er "des Saitenspiels kundig" war, zum Ideal eines Herrschers mit messianischem Eifer wurde. Karl der Große verstand sich demzufolge als novus David, freilich mit der

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Einschränkung, daß er selbst des Singens und Spielens nicht mächtig war. Mit dieser Beeinträchtigung der nur teilweisen Erfüllbarkeit aller Tätigkeitsmerkmale des verehrten Idols versuchten später auch viele andere Herrscher gleichsam mittels Notlösungen fertig zu werden. Wenn der Fürst nicht selbst solistisch aufzutreten und in die Saiten zu greifen vermochte, dann ließ er dies stellvertretend durch Bedienstete tun. Paradigmatisch für diese stellvertretende Funktion ist die Einschätzung der Hofkantorei durch Maximilian I., die der Herrscher in dem autobiographischen Roman 'Weisskunig' (1506-1514) niederschreiben ließ. Darin wird nämlich berichtet, "der jung weyß kunig" (d. i. Maximilian) habe in dem Bestreben der imitatio David regis nach seinem Regierungsantritt eine Kantorei gegründet, die ausschließlich zum Lobe Gottes dienlich sein sollte. Im Kapitel 32 wird erläutert: "Auf ein zeit gedacht er an kunig Davit [...] und laß den psalter, darynnen er gar oft fand: 'lob got mit dem gesang und in der herpfen' [...] und als er kam in sein gewaltig regirung, hat er am ersten in dem lob gottes nachgefolgt dem kunig Davit, dann er hat aufgericht ain söliche canterey mit ainem sölichen lieblichn gesang von der menschn stym, wunderlich zu hören, und söliche lieblich herpfen von newen werken und mit suessen saytenspil, das er alle kunig ubertraf [...] und prauchet dieselb canterey allein zu dem lob gottes, in der cristenlich kirchen." Maximilian I. gibt damit vor, die kostspielige Hofkantorei legitimiere sich ausschließlich durch religiöse Dienstleistungen und nicht durch Aufgaben, die seiner persönlichen Reputanz nutzbar waren. Er bediente sich somit der an seinem Hofe tätigen geistlichen Sänger, um mit deren Hilfe, in Anknüpfung an den biblischen Bericht über die Einsetzung von Tempelsängern durch David, diesem Beispiel nachzueifern. Wie diese imitatio auch nach der Reformation vonstatten gehen konnte, das sei an zwei weiteren Beispielen erörtert. Nachdem Martin Luther 1523 in seiner Schrift 'Von weltlicher Obrigkeit' David als "aller fürsten exempel" anempfohlen hatte und sein Sprachrohr in Sachen Musik Johann Walther 1538 mit Nachdruck betont hatte: David solt ein exempel sein Der Herrn vnd Fürsten liecht vnd schein, Das sie zu dieser heiigen kunst Ihr leblang hetten lieb vnd gunst [...], waren insbesondere glaubenstreue protestantische Fürsten gefordert, dieser Devise gemäß zu handeln. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg kam im 17. Jahrhundert einer idealen Verwirklichung wohl

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am weitesten entgegen. Er, der 1667 David als den "König der Propheten" und "Gottes liebsten Liebhaber" pries, verstand sich expressis verbis als "Davids frommen Nachkommen und Zeptererben". Er nahm demzufolge die Aufgabe, "Gott mit Gesang und Klang zu ehren", wörtlich. Er griff selbst zur Feder und publizierte in Nürnberg 1667 seine 'Himmlischen Lieder und Christfürstliches Davids-Harpfen-Spiel' für eine Singstimme mit Generalbaß offenbar mit der Intention, beispielgebend mit den Mitteln seiner Zeit und produktiv im Sinne des Psalters, des Buches der Preisungen, zu handeln. Bemerkenswert ist das Adjektiv "christfürstlich", aber auch das Titelkupfer zu diesem Singbuch, welches links eine Krone, rechts eine Harfe sowie in der Mitte ein flammendes Feuer unter einem vom Himmel herab gesendeten Lichtstrahl der göttlichen Eingebung zeigt. Sein Nachfolger im Amt, Herzog Rudolf August, versuchte sich diesem Vorbilde anzuschließen. Seine 1693 in Hamburg gedruckte 'Meditatio Davidis' schrumpfte freilich zusammen zu einem Andachtsbuch ohne Sang und ohne Klang. 1 Wie anders verhielten sich demgegenüber im 17. Jahrhundert die in Sachsen Regierenden. In Dresden wirkte von 1617 bis 1672 als Hofkapellmeister Heinrich Schütz. Dieser huldigte 1619 dem Leitbild aller christlichen Kirchenmusiker mit seinem op. 2, den 'Psalmen David's sampt etlichen Motetten und Konzerten'. Dies sind 26 mehrchörige Werke, die in der Liturgie als Introitus der Hauptgottesdienste sowie in Mette, Vesper und Komplet zur musikalischen Prachtentfaltung beitragen sollten. So wie sein Zeitgenosse Michael Praetorius verstand auch er die mehrchörige Kunstmusik in ferner Gemahnung an die verklungene große Musik im Tempel als einen Reflex "himmlischer und rechter Davidscher Kunst", als deren Verbesserung und Erfüllung. Mit den Psalmen Davids begann sein Wirken als Kirchenmusiker. Diese Texte gaben ihm das Gesetz, wonach er in Dresden antrat und dem er sich bis zum Tode verpflichtet wußte. Optisch deutlich macht diese Bindung an eine ihn unverbrüchlich fordernde Lebensaufgabe jenes allgemein heute bekannte, in Kupfer gestochene Gedenkblatt, welches 1676 in dem 'Geistreichen Gesangbuch' seines Schü1

Dazu siehe: Sammler - Fürst - Gelehrter. Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579-1666. Ausstellungskatalog der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel 1979, S. 376; Hannes Kästner, Harfe und Schwert. Der höfische Spielmann bei Gottfried von Straßburg, Tübingen 1981, S. 54ff.; Stefan Ark Nitsche, König David. Gestalt im Umbruch, Zürich 1994, sowie Franz Kohlschein und Kurt Küppers, Der große Sänger David - euer Muster, Münster 1993.

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lers Christoph Bernhard dieses lutherisch motivierte Selbstverständnis dokumentierte. Dieses Gedenkblatt zeigt Heinrich Schütz inmitten seiner Kantorei in der alten Dresdner Schloßkapelle {Abb. 3). Es sollte sein gottesdienstliches Amt als Hofkantor abbildlich wie auch mittels biblischer Allegorese glorifizieren. Das Bild sollte posthum lehrhafte Zwecke erfüllen und den Dienst der Hofkapelle exemplarisch-theologisch interpretieren. Bedeutungsträchtige Bibelsprüche an den Wänden dienen dieser Intention ebenso wie die zentral unter dem Crucifixus vor dem Altar ins Bild gesetzte Figur des harfenden David sowie ein erläuterndes Sinngedicht. Dessen erste Strophe lautet: Sehet hier das Gottes-Hauß des Königs untern Sachsen / Des Rauten-Davids /an / wie seine Zier erwachsen / durch Kosten /Kunst und Fleiß: Seht selbst den David stehn / und seinen Assaph vohr- zur Andachts-Folge gehn. Mit Asaph ist jener im 1. Buch der Chronik, Kapitel 15, genannte Levit gemeint, der von David als herausragender Tempelmusiker "aufgestellt" worden war, als dessen legitimer Nachfolger hier somit Schütz gepriesen wird. Dies bestätigend sei erwähnt, daß auf dessen Grab die Inschrift angebracht wurde "Assaph Christianus". Der über der Orgel zu lesende letzte Vers des 150. Psalms, das Bild Davids sowie die Apostrophierung als christlicher Asaph affirmieren die auf den alttestamentarischen Prototyp bezogene Sinngebung gottesdienstlicher Musik. In diesem Sinngedicht ist freilich auch vom sogenannten "Rauten-David" die Rede, womit der sächsische Monarch von Gottes Gnaden gemeint ist, dessen Wappenzier aus einem grünen Rautenkranz über fünf schwarzen Balken auf Goldgrund bestand, der sich somit ebenfalls als Nachfolger König Davids poetisch feiern ließ. Mithin beriefen sich auf dieses "exempel" zwei herausragende Große ihrer Zeit, der sächsische Kurfürst sowie sein Kapellmeister. Was David in einer Person verkörperte, nämlich Herrscher und Sänger zu sein, das zerfiel hier aufgeteilt auf zwei Repräsentanten, die zur bestmöglichen Nacheiferung ihres gemeinsamen Vorbildes ergänzend aufeinander angewiesen waren. Der Fürst konnte nur gemeinsam mit seinem im Hofstaat bevorzugt dienenden ersten Musiker der laut Luther zu folgenden - Idee eines wahren christlichen Fürsten gerecht werden. Die Tätigkeit Schützens vervollständigte somit notwendigerweise mit den Mitteln des figuralen Lobgesanges den Vollkommenheitsanspruch seines Dienstherren, vergleichbar etwa mit der später benützten Formel von "Leier und Schwert". Daß diese auch heilsgeschichtlich relevante In-

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terpretation keine von außen angetragene ist, bezeugt Heinrich Schütz selbst, denn 1661 lobte er in seiner Vorrede zur Ausgabe der Psalmen Davids den sächsischen Kurfürsten als ein Muster, der "Gottes Lob auch durch eine ansehnliche Kirchen-Music auff allerhand Manieren / nach dem Exempel der Gottseligen Könige / Davids / Josaphats / Josia und andern [...]" befördere. 1636 hatte der Komponist in einem Widmungsgedicht zu seinen 'Musikalischen Exequien', welches an Heinrich den Jüngeren Postumus zu Reuß adressiert war, in demselben Sinne unter Anspielung auf das 1. Buch der Chroniken, Kapitel 24, hymnisch hervorgehoben: [...] Der Ihr / wie David selbst auch eure Zung vnd Hand / Durch gantz kunstreichen Schall /erhoben vnd gewandt Zu Gottes Ehr undPreiß / mit andern Musicanten / Die ihr geliebt so sehr /daß solcher Kunst Verwanten Viertausend gleichfalls Ihr euch hättet auch bestellt [...]. Es ließen sich in ähnlicher Weise auch andere Musiker wie etwa Orlando di Lasso oder Johann Hermann Schein interpretieren, es ließe sich in diesem Sinne die bildliche Vergegenwärtigung Davids als Bekrönung von Orgeln bis ins 19. Jahrhundert hinein anführen oder dessen Präsenz als spiritus rector in geistlichen Spielen des Mittelalters sowie bei bildreich ausgeschmückten Fronleichnamsprozessionen mit der Absicht, das Musizieren ad laudem Dei zu manifestieren; es ließe sich die einigenorts in Mitteleuropa pastoral gewichtige Rolle der von einem Nimbus umgebenen Davidsharfe in der Hausmusik erläutern, oder die Gewichtigkeit der Gattung der Psalmmotette seit der Zeit Josquin de Pres in diesem Zusammenhange verständlicher machen, doch all dies möge unterbleiben, um wenigstens auf weitere vier Aspekte der versuchten Nachfolge Davids etwas näher eingehen zu können.

David und die Musiktherapie Der Hirtenjunge David entstammte einer vorderorientalischen Lebenswelt, in welcher schamanistische, mythische und astrologische Uberlieferungen noch die Gewißheit vermittelten, daß man musizierend insbesondere auf Depressionen, die Melancholie sowie andere Gemütserkrankungen wohltuend einwirken könne. Der spätere lateinische Lehrsatz "musica resanat morbos" galt somit bereits zu Lebzeiten König Sauls (1032-1012), denn nach dem 1. Buch Samuel, 16. Kapitel, soll David mit dem Saitenspiel gerufen worden sein, um damit zaubermächtig "den bösen Geist Gottes", der über Saul gekommen war, zu vertreiben. Dies gelang dem von der Schafherde Abberufenen kraft des übernatürlich göttlichen Auftrages und nicht etwa dank der naturhaften Wirkkraft der Musik. Er diente vor seinem König und fand damit "Gnade vor seinen Augen", denn sein Spiel besänftigte den von Unruhe Geplagten, es linderte, heilte und bannte das Böse im geängstigten Menschen (Abb. 4). Den biblischen Bericht über diese entspannende Wiederherstellung eines harmonischen Gleichgewichts hat man in der Folgezeit bis ins 18. Jahrhundert hinein als "göttliche Wirkung" vermittels der Musizierfähigkeit Davids nicht nur in der theologischen Exegese positiv interpretiert oder auch negativ bagatellisiert, man hat die Saul-David-Geschichte zudem als Muster einer aktiven Musiktherapie angenommen. Neben dem römischen Arzt Asklepiades wurde der junge David als der Urvater der Musikkunst im Dienste therapeutischer oder auch exorzistischer Wirksamkeiten verehrt. Insbesondere Martin Luther strich diese Seite der Musik als bezwingende Arznei für Leib und Seele heraus. Der Reformator verstand nämlich Gemütsdepressionen als Versuchungen des Teufels, der damit den Menschen um die frohe Glaubensgewißheit bringen will. Mit Musik freilich als einer Gabe Gottes läßt sich, da sie die Affekte zu bewegen vermag, die verlorene Fröhlichkeit zurückgewinnen. In seinen Tischreden bekundete er: "Meae cantilenae tun dem Teufel sehr wee", wer dem Herrn Christo singt und spielt, der wehret allem Bösen, allem Leiden. Drum prägte sich in seinem Gefolge das Sprichwort im Volke heraus: Bei Harfenspiel und Saitenklang wird traurigen Herzen viel weniger bang. Sein Sprachrohr Johann Walther verfaßte 1538 die rühmenden Verse: Do Saul vom bösen geist geplagt

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Nach Musickunst alsbald man fragt / Der David must zum König bald Mit seiner harffen kunst gewalt / So offt des Davids harffen klang So weich des bösen geistes zwang [...]. Noch 1644 pries Georg Philipp Harsdörfer in 'Seelewig1 der "Harfen Wunderklang der bösen Geister wehret", der Jesuit Athanasius Kircher bewunderte 1684 die "musicalische Wunder-Cur" des jungen David, die den Teufel bannte, die Wut besänftigte sowie "die Betrübniß und Traurigkeit ableitet". Der berühmte Wiener Prediger Abraham a Sancta Clara empfahl seinen Zeitgenossen, an Krankenbetten "gute Lieder" zu singen zwecks Linderung der Beschwernisse nach dem Vorbilde Davids. Wenn wir uns daran erinnern, daß Shakespeare in 'King Lear' (IV, 7, 15) die "untuned and jarring senses" des wahnsinnigen Königs durch "music" wieder ins Gleichgewicht bringen lassen will, dann vermögen wir die Tragweite der durch David vorgebildeten Musiktherapie zu ermessen, die weit über das Reformationszeitalter hinaus von praktischer Relevanz war, entweder als sedierendes Spiel oder als verzückender Heiltanz.

David und der liturgische Tanz Heiltänze waren im Barockzeitalter prophylaktisch vollzogen oder bei psychogenen Affektionen therapeutisch wirksam angewendet noch allenthalben üblich. Weniger verbreitet war freilich der Tanz mit religiös transzendierender Intention, der als gläubige Verehrung Gottes nach dem Vorbilde des Königs David ausgeführt wurde, also - wie Cervantes es ausdrückte - als ein "Beten mit den Füßen". Die Diskrepanz, um die es hier im historischen Kontext geht, erhellt einerseits die Tatsache, daß es Reigen von Mönchen und Klerikern in vielen Kirchen bis ins 18. Jahrhundert hin als integralen Teil festlicher Liturgie gab, Solotänze allerdings nicht, 2 daß andererseits katholische wie auch protestantische Theologen seit der Patristik unaufhörlich gegen jegliches Tanzen mit diffamierenden Urteilen in Traktaten sowie in Predigten zu Felde zogen 2

Walter Salmen, Tanz in Kirchen während des Mittelalters, in: Landshuter Hofmusiktage 1986, 3. Europäisches Festival alter Musik, Festprogramm, S. 28f.

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und dieses Tun generell als einen verführerischen Fallstrick des Teufels brandmarkten. In dieser Einschätzung drifteten die Ost- und die Westkirchen seit der Spätantike weit auseinander. An dem Bericht im 2. Buch Samuel, Kapitel 6, freilich kamen die Exegeten nicht vorbei, wonach der als König anerkannte David in freudigem Jubel vor der Bundeslade tanzte und damit für einen bildhaften Kultus unter Einschluß priesterlicher Tänze ein deutliches Zeichen setzte {Abb. $). Er, der als exaltiert Tanzender und dazu Musizierender mit der Uberführung der Bundeslade nach Jerusalem etwa im Jahre 1002 v. Chr. diese Stadt zur dauernden Davidstadt erhob, verkörperte damit paradigmatisch eine Weise der Gottesanbetung, die das Wort hinter sich läßt. David legte dabei all seinen königlichen Schmuck ab und zeigte sich in einem leinenen Rock seinem Volk, von religiöser Ekstase ergriffen, als ein demütiger Diener Gottes. Wörtlich heißt es, er "tanzte mit aller Macht vor dem Herrn her". Er tat dieses Hüpfen und Springen für seinen Gott, der ihn erwählt hatte als Dankopfer, als visualisierte Geste der Demut. 3 Dieses Tun fand im Abendland nur sehr eingeschränkt Zustimmung, fortgeführt als priesterliche Aufgabe oder als hoch eingeschätzte, spirituell bedeutsame Solotanzkunst wurde es nicht. Seit der Antike wurde das Bild vom tanzenden Herrscher verworfen. Dante in seiner 'Divina Comedia' zählt zu den wenigen, die positiv an den tanzenden David als Büßenden gemahnen; der Dichter schaute ihn in der 6. Sphäre im Jupiterhimmel. Papst Innozenz IV. billigte ihm zu, er habe getanzt ohne zu sündigen. Auch spätere Autoren, wie etwa Calvin, anerkannten verbal sein Handeln "aus gutem Triebe" mit schätzenswerter Absicht. Der Tanztheoretiker Johann Pasch verteidigte Davids Tanz 1707 mit dem Argument, dieser sei "aus einer offenbahrheiligen Liebe des guten Geists geschehen / unter Christen gantz offenbahrlich gut zu achten" und deswegen nicht einzuordnen unter die "sündlichen Bewegungen [...] des verderbten Fleisches". 4 Ungeachtet solcher und anderer Fürsprachen gab es keine Chance zur Revitalisierung dieser Orchestik, die lediglich etwa in der koptischen Kirche, vereinzelt bei Mystikern oder bei russischen Tanzsekten sowie in der 3

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E. B. Thomas, King David leaping and dancing, Budapest 1978; H. L. Kessler, The illustrated Bibles from Tours, Princeton 1977, Abb. 158ff.; Martin van Schaik, De harp in de middeleeuwen, Utrecht 1988, S. 37ff.; Gabriele und Walter Salmen, Bilder zur Musikgeschichte Ostmitteleuropas, in: Musik des Ostens 13 (Kassel 1992), Tafel 20ff. Johann Pasch, Beschreibung wahrer Tanz-Kunst, Frankfurt a. M. 1707, S. 156.

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Praxis einzelner Rabbiner Nachahmung fand. In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist ein Bericht über den Tanz zu Tode in der jüdischen Gemeinde von Nordhausen im Jahre 1349.5 Demnach ließ sich diese im Zuge eines Pogroms zum Scheiterhaufen abführen, um dort unter Gesang und heiligem Tanz den Namen des Herrn zu heiligen, wie einst der König David und das ganze Haus Israel es getan, als man die Bundeslade gen Zion geleitete [...]. Die Jünglinge und Männer sangen: "Ich freue mich, daß mir geredet ist, daß wir werden in das Haus des Herrn gehen!" Und die Jungfrauen und Frauen antworteten: "Und unsere Füße werden stehen in deinen Toren, Jerusalem. Jerusalem ist gebaut, daß es eine Stadt sei, da man zusammen kommen soll, da die Stämme hinaufgehen sollen zu predigen dem Volke Israel, zu danken dem Namen des Herrn! [...]" Als endlich aber die Bretter vom Feuer ergriffen wurden und die Flammen emporzuschlagen begannen, rief Rabbi Jacob mit alles übertönender Stimme: "Haus Jakobs, auf und lasset uns wandeln im Lichte des Herrn!" Die tanzenden Paare jauchzten "Halleluja". Wenn man in einigen Kirchen Spaniens und Südfrankreichs auch heute noch am Altare rituell eingebundenes Tanzen erleben kann, wenn in etlichen geistlichen Werken Johann Sebastian Bachs die Vorstellung vom himmlischen Tanz in Gestalt stilisierter Tanzrhythmen musikalisch angedeutet wird, so handelt es sich hierbei sowohl realiter als auch musikalisch verabsolutiert um das Tanzen in Gruppen, in Reigenformationen, niemals jedoch um Solotänze. Tanzgeschichtlich blieb somit David ohne Resonanz, die maîtres de danse distanzierten sich gar von ihm, indem sie sein Tanzen, so noch 1829 geschehen, als ein "rohes Springen", das den Normen der ars saltatoria nicht zu genügen vermochte, desavouierten.6 Einen Versuch, dem als Springer solo vor seinem göttlichen Herrn sich anbetend bewegenden David nachzueifern, unternimmt jüngst der indische Steyler Missionar Francis Barboza. Dieser in Bombay 1977 geweihte Priester gibt seinen Glauben im Glaubens-Tanz kund. Halbnackt, nur mit einem Lendentuch bekleidet, geschminkt und bemalt mit Symbolen, die die Wundmale Christi andeuten sollen, erfüllt dieser sein priesterliches Amt der Verkündung im Einzeltanz für indische Christen und für Hin5

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Felix Böhl, Die hebräischen Handschriften zur Verfolgung der Juden Nordhausens und ihrem Tanz zum Tode im Jahre 1349, in: Tanz und Tod in Kunst und Literatur, hrsg. v. Franz Link, Berlin 1993, S. 127ff. E. D. Helmke, Neue Tanz- und Bildungsschule, Leipzig 1829, S. 3; siehe auch die englische Zeitschrift 'Dancing' vom 8.6.1891, S. 5.

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dus. Er bekundet seine Glaubenserfahrung von Christus und von der Erlösung im Tanz mit Hilfe von Handgesten, die semiotisch bedeutsam Ergriffenheiten von Gottvater, dem Gotteswort oder dem Kreuz den Zusehern zu vermitteln vermögen gemäß der Devise: das Wort wird Tanz.

David, der Büsser David, der Harfensänger und Tänzer zur Ehre Gottes, war auch ein schwerer Sünder, der ungehemmt allen Machtgelüsten frönte. Stefan Heym hat 1972 in seinem Roman 'Der König David Bericht1 das Despotische, ja Verbrecherische und Scheinheilige in dessen Handeln ebenso vereinseitigend hervorgekehrt, wie 1984 der schwedische Autor Torgny Lindgren die Wankelmütigkeit seines Helden in dem Roman 'Bathseba' literarisch ausgestaltet hat. Den für seine zahlreichen Untaten büßenden David haben Bildkünstler wie Musiker seit dem 15. Jahrhundert in zahlreichen Miniaturen, Motetten, Oratorien, Opern und Kantaten künstlerisch thematisiert. Dies begann anhand einer weit verbreiteten Legende noch vor der Reformation gemäß der Bitte: "Misere mei Deus, secundum magnam misericordiam tuam!" David thront nicht mehr nur selbstherrlich sicher, vielmehr kniet er verlassen in der Wildnis. Um Vergebung bittend legt er all seine Insignien ab, auch die Harfe (Abb. 6). Dieses abgesetzte Instrument soll aber zugleich auch die Verderbnis bekunden, welcher die Musik durch den frevelhaften Mißbrauch zu profaner Unterhaltung und Lustbereitung verfallen ist. Die Harfe des Sünders ist nicht mehr in Ordnung, sie ist mißgestimmt. Die Musiker haben dem Ausdruck verliehen in Lamentomotetten und anderen Ausformungen der Demutsthematik über Claudio Cocchi und Caldara bis hin zu Mozarts Kantate KV 469 'Davidde penitente' von 1785.

David als Meistersänger Die eingangs zitierte, von Richard Wagner im Zusammenhang eines emanzipatorisch intendierten Künstlerdramas kritisch thematisierte Singübung der deutschen Meistersinger stand bis ins 19. Jahrhundert hinein gänzlich im Zeichen König Davids. Diese nach der Reformation nur

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mehr von Laien betriebene "fromme Übung und Unterhaltung" war zunftmäßig abgeschlossen, tendenziös lehrhaft, regressiv und grundsätzlich epigonal. Die Inhalte verstanden sich mehrheitlich als gereimte Theologie für christliche Laien auf der Basis einer scholastisch-streng gehüteten Gruppentradition, die lediglich einstimmiges Singen ohne jegliche instrumentale Begleitung zuließ. Trotz dieser dogmatischen Einschränkungen bei der kleinlich genau geregelten Ausübung der religiös motivierten Bräuche berief diese sich stets auf David als ihrem Schutzpatron. Dieser von Hans Sachs 1531 unter die "sieghafften" zwölf Helden des Alten Testaments vorzüglich eingereihte Psalmist galt als die oberste Autorität, der mit den ihm als göttlich begabtem Autor zuerkannten Psalmen den bürgerlichen Meistern den Gesang "vorgeschrieben" hat. Es gab ob dieser unauflöslichen Bindung an dieses einzigartige Idol keine Meistersingerschule zwischen dem Rhein und der Weichsel, die nicht ihr Singen als "ein christlich werk" und "nützliche kurzweil" gänzlich in dessen nachzuahmende Meistergültigkeit gestellt hätte. O b in Nürnberg, U l m , Iglau oder Breslau, allerorten versammelte man sich im Zeichen Davids. Man fertigte Kleinodien an in Gestalt von Kronen, Ketten, Standarten oder Merktafeln, die das Bild dieses Meisters aller Meister zeigten. D e n Sieger eines vom sogenannten Merker schulisch beaufsichtigten Wettsingens nannte man "Krön- oder Davidsgewinner" und die diesem überreichte Kette den "Davidsgewinn". 7 Freilich löste man das alttestamentarische Vorbild nur erheblich eingeschränkt ein; die Absicht der vollgültigen Einlösung des Musters im Sinne der biblischen Texte bestand nicht. Denn während etwa ein Anschlag für Festschulen aus dem böhmischen Iglau von 1612 - selektiv vorschreibend - lediglich daran gemahnt:

Singet dem herrn ein newes Lied Sagt der königlichprophet David [...], dokumentiert eine Singstrophe des Hochzeitladers Hans Deisinger aus Nürnberg von 1611 deutlicher das Dilemma und die nur halbherzigscheinhafte Einlösung der alttestamentarischen Vorschrift:

Ich wil weil ich thu leben, ob diser kunst halten gewiß. Sie erfreut mich für alle seitenspil auff diser erd. Weisz got, 7

Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. XIII, Taf. 58; Walter Salinen, Musikleben im 16. Jahrhundert, Leipzig 1983, S. 134f.

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harpffen thut auch wol geben löblichen klang, was ist doch diszl Singen lob ich, dann im gsang kan ich mit gott reden in der not. Weil mir dann hoch thut liben gesanges kunst an ru, so werde ich getriben, das ich an euch begeren thu. Dieses in holprigen Reimen abgefaßte Bekenntnis bringt deutlich zutage, daß man zwar an den Passagen über das Saitenspiel des Psalmisten bei der Exegese nicht vorbeilesen konnte, man dieses indessen als nichtssagend deklassierte und somit das davon abgelöste moralisierende Singen als letztlich allein lobenswert aufwertete. Das Harfen- und das Saitenspiel verkümmerten in dieser sich kleinlich der Öffentlichkeit gegenüber verschließenden, eingezünftelten Schultradition zu einer unerfüllt bleibenden Metapher des Eingedenkens an eine vergangene Welt von erhabener Größe. Es leuchtet ein, daß Richard Wagner sich damit nicht gemein machen wollte und konnte. Beiläufig sei vermerkt, daß in ähnlicher Weise sich abkapselnde Gruppierungen, wie diverse Collegia Musica des 17. Jahrhunderts in Süddeutschland und der Nordostschweiz, sich ebenfalls lediglich restriktiv dem Vorbilde Davids bei ihren Erbauungsübungen am häuslichen Musiziertisch unterwarfen. 8 Zwischen dem Ideal und der gelebten Wirklichkeit mit ihren biederen Zwängen klaffte eine zu große Distanz. Diese Distanz nahm im 18. Jahrhundert allenthalben zu. Die Figur und das künstlerische Thema David rückten mehr und mehr ins Abseits. Längst vor Richard Wagner, den wir eingangs zitierten, verblasste die einst sehr komplex aufgegriffene Leitfigur im Bereiche der Musik zu einem nur mehr wenige begeisternden, sentimentalisch betrachteten Sänger des Altertums, welchem die Barden des Nordens sowie andere Sänger in historischem Eingedenken an die Seite gestellt wurden. Autoren wie Gottfried Keller in seiner Prosa 'Das Tanzlegendchen 1 bezeugen dies ebenso wie etwa Robert Schumann, der 1834 die "geistige Brüderschaft" der Davidsbündler als eine "verhüllte", eine imaginäre aus der Taufe hob und damit eine Metapher aus der Studentensprache sich aneignete, die die kritische Stellungnahme von Phantasiegestalten zu Zeitfragen benennen sollte, 8

Siehe Matthias Kempter, David in Alt-Winterthur, in: Musikkollegium Winterthur, Generalprogramm 1979/80, S. 5ff.

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welche sich vom Gros der philiströsen Umwelt kämpferisch absetzten. In der Zeit von Georg Trakl oder Rainer Maria Rilke war das eherne Bild vom "Spielmann Gottes" vollends zerbrochen. Trakl betrauerte die "zersprungene Harfe", Rilke bekundete im 'Stundenbuch':

In mir ist Davids Dank verklungen: ich lag in Harfendämmerungen und atmete den A bendstern. Beide Dichter benutzten die Ohnmacht der zerschellenden Harfe als eine Chiffre für ein "verlorenes Paradies", für die zerbrechende ästhetische Welt. Diese Chiffre wird von Arthur Honegger in seinem 1921 entstandenen Symphonischen Psalm 'Le Roi David1 freilich nicht angetönt. Er erzählt und deutet musikalisch andere Seiten aus den biblischen Berichten über David, diesen auch weiterhin viele Aspekte der Deutung bietenden König und Begründer des alten Jerusalem.

Abbildungen

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